'Volenti non fit iniuria' - Die Einwilligung im Privatrecht 9783161578977, 3161477936

Der Grundsatz 'volenti non fit iniuria' ist ein Gerechtigkeitsprinzip von hoher Plausibilität. Seine privatrec

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German Pages 524 [529] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einführung
I. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
II. Abgrenzung des Themas
III. Methode der Untersuchung
IV. Gang der Darstellung
1. Teil Bestandsaufnahme
§ 2 Die Problemkreise im Überblick
I. Einführung
II. Die Einwilligung im Bereich absoluter Rechte
1. Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit
a) Leben
b) Körper und Gesundheit
c) Freiheit
2. Persönlichkeitsrechte im übrigen
3. Rechte an Sachen und Immaterialgütern
III. Die Einwilligung im übrigen Deliktsrecht
IV. Die Einwilligung im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse
V. Typologie der Einwilligungen
§ 3 Die historische Entwicklung bis 1900
I. Die Maxime „volenti non fit iniuria“ im römischen Recht
II. Naturrecht und deutscher Idealismus
III. Rechtswissenschaft und Gesetzgebung im 19. Jahrhundert
1. Wissenschaft
2. Partikularrechtliche Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe
3. Die Beratungen zum BGB
§ 4 Die Einwilligungslehre im neueren Privatrecht
I. Die frühe Rechtsgeschäftstheorie
1. Die Einwilligungslehre Zitelmanns und ihre Rezeption in der Literatur
2. Rechtsgeschäftliche Argumentationen in der Rechtsprechung des RG und den frühen Urteilen des BGH
II. Die Kritik an der Rechtsgeschäftstheorie
1. Die Rechtsprechung seit der Entscheidung BGHZ 29, 33
2. Die Einwilligung als geschäftsähnliche Handlung
3. Die Einwilligung als Realakt
III. Die Renaissance der Rechtsgeschäftstheorie
1. Die Einwilligung als rechtsgeschäftliche Ermächtigung (Rosener)
2. Induktive Herleitung der Rechtsgeschäftsnatur (Kohte)
3. Die Einwilligung als privatautonome Rechtsgestaltung im Rahmen eines flexiblen Systems deliktsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Beurteilungskriterien (Resch)
IV. Bereichsspezifische Ansätze
1. Medizinrecht
2. Persönlichkeitsrechte
V. Zusammenfassender Überblick über das Meinungsspektrum
2. Teil Grundlegung und dogmatische Einordnung
§ 5 „Volenti non fit iniuria“ als Gerechtigkeitsprinzip
I. Zur Bedeutung der rechtsethischen Vorüberlegungen
II. Selbstbestimmung
1. Begründung der Notwendigkeit des Respekts vor individueller Selbstbestimmung
2. Voraussetzungen autonomen Entscheidens
3. Grenzen der Autonomie
III. Selbstverantwortung
§ 6 Verfassungsrechtlicher Rahmen
I. Die Bedeutung der Grundrechte für die Einwilligungslehre
II. Betroffene Grundrechtspositionen
III. Die Schutzfunktion der Grundrechte
IV. Das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers
1. Grundrechtsdogmatische Verankerung
a) Der Grundrechtsverzicht in der Staatsrechtslehre
b) Selbstbestimmung über Vermögen
c) Selbstbestimmung in persönlichen Angelegenheiten
2. Eingriff in den Schutzbereich
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) Die Gestaltungsfreiheit des privatrechtlichen Gesetzgebers und ihre Grenzen
b) Rechte anderer
c) Allgemeininteressen
d) Menschenwürde
e) Schutz vor sich selbst?
§ 7 Privatrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre
I. Privatrechtliche Einwilligungslehre versus „Einheit der Rechtsordnung“
1. Die Problematik
2. Das Postulat der „Einheit der Rechtsordnung“ in Rechtsprechung und Schrifttum
a) Entwicklung und Inhalt
b) Kritik
3. Stellungnahme: die Notwendigkeit der Differenzierung
a) Methodologische Grundlagen
b) Keine Einheit der Einwilligungslehre
II. Negatives Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund?
1. Der Meinungsstand im Strafrecht
2. Der Meinungsstand im Privatrecht
3. Stellungnahme
a) Übernahme strafrechtlicher Lehren
b) Die Bedeutung der Frage im Privatrecht
c) Ergebnis
§ 8 Die Stufenleiter der Gestattungen
I. Ausgangspunkt
1. Einwilligungsbegriff und Abstraktion
2. Der Gedanke der Stufenleiter
II. Rechtsübertragungen
1. Translative und konstitutive Rechtsübertragung
2. Einwilligung und Rechtsübertragung
3. „Gebundene Übertragung“ persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse?
a) Der Meinungsstand
b) Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte?
c) Die Einwilligung als Instrument der Kommerzialisierung?
d) Einwände
III. Schuldrechtliche Gestattungsverträge
1. Schuldrechtliche Gestattung und Verdinglichung
2. Einwilligung und schuldrechtlicher Gestattungsvertrag
IV. Die „unwiderrufliche Einwilligung“ als selbständige Rechtsfigur?
1. Vorbemerkung zur Terminologie
2. „Unwiderrufliche Einwilligung“ gegenüber einer bestimmten Person
3. „Unwiderrufliche Einwilligung“ gegenüber einem unbestimmten Personenkreis
V. Die widerrufliche Einwilligung
§ 9 Die Rechtsnatur der Einwilligung
I. Ausgangspunkt
II. Selbstbestimmung und subjektives Recht
1. Die Einwilligung als befugniserweiternde Disposition über subjektive Rechte
a) Die dogmatische Verankerung der Dispositionsbefugnis
b) Die Einwilligung als Verzicht auf die Abwehrbefugnis?
c) Die Einwilligung als Ausübung der Dispositionsbefugnis
2. Einwände
a) Leben, Körper und Gesundheit als Rechtsgüter oder als Gegenstand von Persönlichkeitsrechten?
b) Verankerung des Selbstbestimmungsrechts in persönlichen Angelegenheiten
c) Verengung der Perspektive auf den Schutz absoluter Rechte?
3. Folgerungen
a) Voraussetzungen der Einwilligung
b) Rechtsfolgen der Einwilligung
III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft
1. Methodenkritik an der bisherigen Diskussion
2. Stellungnahme
a) Die Einwilligung im allgemeinen
b) Die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung im besonderen
IV. Abgrenzung von verwandten, nicht-rechtsgeschäftlichen Instituten
1. Die mutmaßliche Einwilligung
a) Fallgruppen
b) Theorie der mutmaßlichen Einwilligung
c) Stellungnahme und Abgrenzung
2. Das „Handeln auf eigene Gefahr“
a) Theorie des „Handelns auf eigene Gefahr
b) Stellungnahme und Abgrenzung
3. Venire contra factum proprium
§ 10 Ausgewählte Anwendungsfälle
I. Überblick
II. Körperliche Integrität
1. Der ärztliche Heileingriff
a) Der eigenmächtige Heileingriff als Körper- oder Persönlichkeitsverletzung?
b) Einwilligung oder Handeln auf eigene Gefahr?
2. Patientenautonomie am Lebensende
3. Entnahme und Verwendung von Körpersubstanzen am Beispiel des Falles Moore v. Regents of the University of California
4. Sportverletzungen
III. Persönlichkeitsrechte im übrigen
1. Recht am eigenen Bild
2. Namensrecht
a) Bürgerlicher Name und Familienrecht
b) Name und Firma
c) Name und Merchandising
3. Urheberpersönlichkeitsrecht
IV. Absolute Vermögensrechte
1. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte
2. Besitz
3. Immaterialgüterrechte
V. Einwilligungen im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse
1. Grundsatz und Abgrenzungen
2. Einzelfälle
a) Vorbehaltlose Annahme trotz Mangelkenntnis (§§ 536 b, 640 II BGB)
b) Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung (§ 540 I BGB)
c) Einwilligung in die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit (§§ 60, 112 HGB; 88 AktG)
d) Zustimmung zu Maßnahmen der Verwaltung oder Geschäftsführung (§§ 744, 745, 709 BGB)
3. Teil Wirksamkeitsvoraussetzungen
§ 11 Einwilligungsfähigkeit
I. Einführung
II. Körperliche Integrität
1. Die Entwicklung der Rechtsprechung: Von § 107 BGB zur individuellen Einsichtsfähigkeit
2. Die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit im Schrifttum
3. Die Einwilligungsfähigkeit im englischen und amerikanischen Recht
4. Besondere Fallgruppen
a) Kosmetische Eingriffe
b) Fortpflanzungsmedizin
c) Arzneimitteltest und Organspende
III. Persönlichkeitsrechte im übrigen
IV. Eigentum und sonstige Vermögensrechte
V. Stellungnahme
§ Erklärung, Auslegung, Zeitpunkt, Widerruf
I. Erklärung
1. Das Erklärungserfordernis im deutschen Straf- und Zivilrecht
2. Implied consent im anglo-amerikanischen Recht
3. Stellungnahme
II. Auslegung
III. Der Zeitpunkt der Einwilligung
IV. Widerruf
1. Grundsatz
2. Der Widerruf als treuwidriges Verhalten?
3. Der Widerruf bindender persönlichkeitsrechtlicher Gestattungen
§ 13 Willensmängel und Aufklärungspflichten
I. Willensmängel
1. Einführung
2. Der Meinungsstand im Strafrecht
3. Der Meinungsstand im Privatrecht
a) Rechtsprechung
b) Schrifttum
4. Der Einfluß von Willensmängeln nach anglo-amerikanischem Recht
5. Stellungnahme
II. Aufklärungspflichten
1. Einführung
2. Die ärztliche Aufklärungspflicht in der Beurteilung der Rechtsprechung
3. Ansätze zu Entkopplung von Einwilligung und Aufklärungspflicht in der Literatur
4. Die Theorie des „informed consent“ im US-Recht und ihre Diskussion im englischen Recht
5. Stellungnahme
§ 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen
I. Einführung
II. Dispositionsbefugnis und Rechtsinhaberschaft
1. Alleinige Rechtsinhaberschaft
2. Rechtsinhaberschaft mehrerer
III. Objektive Schranken der Dispositionsbefugnis
1. Der gegenwärtige Stand der Diskussion
2. Die Rezeption außerprivatrechtlicher Schranken
3. Privatrechtliche Schranken der Dispositionsbefugnis
a) Dogmatische Grundlagen
b) Abwägungsmethode und -kriterien
aa) Erste Voraussetzung: legitimer Zweck
bb) Zweite Voraussetzung: Verhältnismäßigkeit
IV. Ausgewählte Fallgruppen
1. Die absolute Einwilligungssperre des § 216 StGB
2. Die Rationalitätskontrolle bei schweren Körperverletzungen
a) Grundsatz
b) Anwendungsfälle
3. Schranken der Dispositionsbefugnis über Persönlichkeitsrechte im übrigen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip
a) Grundsatz
b) Anwendungsfälle
§ 15 Sonstige Nichtigkeitsgründe
I. AGB-Kontrolle
1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB
2. Einzelfragen
II. Gesetzesverstoß und Sittenwidrigkeit
III. Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts
§ 16 Vertretung und Ermächtigung
I. Gesetzliche Vertretung
II. Gewillkürte Vertretung
III. Ermächtigung
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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'Volenti non fit iniuria' - Die Einwilligung im Privatrecht
 9783161578977, 3161477936

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 73

Ansgar Ohly

,Volenti non fit iniuria" Die Einwilligung im Privatrecht

Mohr Siebeck

Ansgar Ohly, geboren 1965; Studium der Rechtswissenschaften in Bonn; 1991 erstes jur. Statsexamen; 1992 Master of Law (University of Cambridge, Trinity Hall); 1992-2001 Stipendiat, später wiss. Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber und Wettbewerbsrecht, München; 1995 Promotion; 1996 zweites jur. Staatsexamen; 2001 Habilitation; seit März 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht, insbesondere Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht an der Universität Bayreuth.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Juristischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

978-3-16-157897-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-147793-6 ISSN 0940-9610 Qus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.ddb.de abrufbar. © 2002 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Habilitationsschrift angenommen. Neuere Entwicklungen konnte ich bis zum Februar 2002 weitgehend berücksichtigen, das gilt vor allem für die zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Änderungen des BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts. Mein Dank gilt in erster Linie meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c.mult. Gerhard Schricker. Er hat das Thema angeregt, die Arbeit ebenso kritisch wie wohlwollend betreut und mir während meiner Zeit als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht den Freiraum gelassen, ohne den ich diese Arbeit nicht in überschaubarer Zeit hätte abschließen können. Herr Prof. Dr. Dr.h.c. Wolfgang Fikentscher, LL.M., hat den Zweitbericht erstellt. Ich verdanke ihm daneben nicht nur manchen wertvollen Rat, sondern auch den Kontakt zur University of California, Berkeley, an der ich im Sommer 1998 als Visiting Scholar das Material für die rechtsvergleichenden Teile dieser Arbeit sammeln konnte. Für die freundliche Aufnahme dort danke ich stellvertretend Herrn Prof. James Gordley. Meine Mitarbeiter Andrea Bülow, Sebastian Nagel, Georg Werner und Anne Sophie Wolfrum haben mich bei der Korrektur der Druckfahnen unterstützt. Nicht zuletzt möchte ich dem Mohr Siebeck Verlag für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Jus Privatum" und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung einer Druckbeihilfe danken. Meine Eltern Walter und Wilma Ohly haben mich während der Arbeit mit ihrem Interesse und ihrer Ermutigung begleitet, mein Vater hat zudem das Manuskript Korrektur gelesen. Ihnen gilt ebenso mein herzlicher Dank wie meiner lieben Claudia, die mein „privates Dozieren" über die Einwilligung immer mit Geduld und Humor ertragen und mir für meine Arbeit viel Kraft gegeben hat. München, im Februar 2002

Ansgar Ohly

Inhaltsübersicht § 1 Einführung

1

Erster Teil: Bestandsaufnahme § 2 Die Problemkreise im Uberblick § 3 Die historische Entwicklung bis 1900 § 4 Die Einwilligungslehre im neueren Privatrecht

11 25 35

Zweiter Teil: Grundlegung und dogmatische Einordnung §5 §6 §7 § 8 §9 §10

„Volenti non fit iniuria" als Gerechtigkeitsprinzip Verfassungsrechtlicher Rahmen Privatrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre Die Stufenleiter der Gestattungen Die Rechtsnatur der Einwilligung Ausgewählte Anwendungsfälle

63 81 108 141 178 237

Dritter Teil: Wirksamkeitsvoraussetzungen § 1 1 Einwilligungsfähigkeit § 1 2 Die Einwilligung als Kommunikationsakt: Erklärung, Auslegung, Zeitpunkt, Widerruf § 1 3 Willensmängel und Aufklärungspflichten § 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen § 1 5 Sonstige Nichtigkeitsgründe § 1 6 Vertretung und Ermächtigung

293 327 356 392 436 452

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

464

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

479 501

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V XVII

§ 1 Einführung

1

I. II. III. IV.

1 3 4 7

Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit Abgrenzung des Themas Methode der Untersuchung Gang der Darstellung 1. Teil Bestandsaufnahme

§ 2 Die Problemkreise im Überblick

11

I. II.

Einführung Die Einwilligung im Bereich absoluter Rechte 1. Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit a) Leben b) Körper und Gesundheit c) Freiheit 2. Persönlichkeitsrechte im übrigen 3. Rechte an Sachen und Immaterialgütern III. Die Einwilligung im übrigen Deliktsrecht IV. Die Einwilligung im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse . . . . V. Typologie der Einwilligungen

11 12 12 12 13 15 16 19 21 22 23

§ 3 Die historische Entwicklung bis 1900

25

I. Die Maxime „volenti non fit iniuria" im römischen Recht II. Naturrecht und deutscher Idealismus III. Rechtswissenschaft und Gesetzgebung im 19. Jahrhundert 1. Wissenschaft 2. Partikularrechtliche Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe 3. Die Beratungen zum BGB

25 26 30 30 31 33

X

Inhaltsverzeichnis

§ 4 Die Einwilligungslehre im neueren Privatrecht I.

Die frühe Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Einwilligungslehre Zitelmanns und ihre Rezeption in der Literatur 2. Rechtsgeschäftliche Argumentationen in der Rechtsprechung des R G und den frühen Urteilen des B G H II. Die Kritik an der Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Rechtsprechung seit der Entscheidung B G H Z 29, 33 2. Die Einwilligung als geschäftsähnliche Handlung 3. Die Einwilligung als Realakt III. Die Renaissance der Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Einwilligung als rechtsgeschäftliche Ermächtigung (Rosener) 2. Induktive Herleitung der Rechtsgeschäftsnatur (Kohte) 3. Die Einwilligung als privatautonome Rechtsgestaltung im Rahmen eines flexiblen Systems deliktsrechtlicher und rechtsgeschäftlicher Beurteilungskriterien (Resch) IV. Bereichsspezifische Ansätze 1. Medizinrecht 2. Persönlichkeitsrechte V. Zusammenfassender Uberblick über das Meinungsspektrum . . . .

2. Teil

Grundlegung und dogmatische Einordnung § 5 „Volenti non fit iniuria" als Gerechtigkeitsprinzip I. II.

Zur Bedeutung der rechtsethischen Vorüberlegungen Selbstbestimmung 1. Begründung der Notwendigkeit des Respekts vor individueller Selbstbestimmung 2. Voraussetzungen autonomen Entscheidens 3. Grenzen der Autonomie III. Selbstverantwortung § 6 Verfassungsrechtlicher Rahmen I. II. III. IV.

Die Bedeutung der Grundrechte für die Einwilligungslehre Betroffene Grundrechtspositionen Die Schutzfunktion der Grundrechte Das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers 1. Grundrechtsdogmatische Verankerung a) Der Grundrechtsverzicht in der Staatsrechtslehre

Inhaltsverzeichnis

XI

b) Selbstbestimmung über Vermögen c) Selbstbestimmung in persönlichen Angelegenheiten 2. Eingriff in den Schutzbereich 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Die Gestaltungsfreiheit des privatrechtlichen Gesetzgebers und ihre Grenzen b) Rechte anderer c) Allgemeininteressen d) Menschenwürde e) Schutz vor sich selbst?

91 93 96 97

§ 7 Privatrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre I.

II.

Privatrechtliche Einwilligungslehre versus „Einheit der Rechtsordnung" 1. Die Problematik 2. Das Postulat der „Einheit der Rechtsordnung" in Rechtsprechung und Schrifttum a) Entwicklung und Inhalt b) Kritik 3. Stellungnahme: die Notwendigkeit der Differenzierung a) Methodologische Grundlagen b) Keine Einheit der Einwilligungslehre Negatives Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund? 1. Der Meinungsstand im Strafrecht 2. Der Meinungsstand im Privatrecht 3. Stellungnahme a) Übernahme strafrechtlicher Lehren b) Die Bedeutung der Frage im Privatrecht c) Ergebnis

97 100 101 103 105 108 108 108 110 110 113 117 117 120 124 125 127 130 130 132 136

§ 8 Die Stufenleiter der Gestattungen

141

I.

141 141 143 147 147 150

II.

Ausgangspunkt 1. Einwilligungsbegriff und Abstraktion 2. D e r Gedanke der Stufenleiter Rechtsübertragungen 1. Translative und konstitutive Rechtsübertragung 2. Einwilligung und Rechtsübertragung 3. „Gebundene Übertragung" persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse? a) Der Meinungsstand b) Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte?

151 151 156

XII

Inhaltsverzeichnis

c) Die Einwilligung als Instrument der Kommerzialisierung? . . d) Einwände III. Schuldrechtliche Gestattungsverträge 1. Schuldrechtliche Gestattung und Verdinglichung 2. Einwilligung und schuldrechtlicher Gestattungsvertrag IV. Die „unwiderrufliche Einwilligung" als selbständige Rechtsfigur? . 1. Vorbemerkung zur Terminologie 2. „Unwiderrufliche Einwilligung" gegenüber einer bestimmten Person 3. „Unwiderrufliche Einwilligung" gegenüber einem unbestimmten Personenkreis V. Die widerrufliche Einwilligung

174 176

§ 9 Die Rechtsnatur der Einwilligung

178

I. II.

178 179

Ausgangspunkt Selbstbestimmung und subjektives Recht 1. Die Einwilligung als befugniserweiternde Disposition über subjektive Rechte a) Die dogmatische Verankerung der Dispositionsbefugnis . . . . b) Die Einwilligung als Verzicht auf die Abwehrbefugnis? c) Die Einwilligung als Ausübung der Dispositionsbefugnis . . . 2. Einwände a) Leben, Körper und Gesundheit als Rechtsgüter oder als Gegenstand von Persönlichkeitsrechten? b) Verankerung des Selbstbestimmungsrechts in persönlichen Angelegenheiten c) Verengung der Perspektive auf den Schutz absoluter Rechte? 3. Folgerungen a) Voraussetzungen der Einwilligung b) Rechtsfolgen der Einwilligung III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft 1. Methodenkritik an der bisherigen Diskussion 2. Stellungnahme a) Die Einwilligung im allgemeinen b) Die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung im besonderen . . IV. Abgrenzung von verwandten, nicht-rechtsgeschäftlichen Instituten 1. Die mutmaßliche Einwilligung a) Fallgruppen b) Theorie der mutmaßlichen Einwilligung c) Stellungnahme und Abgrenzung

159 162 165 165 167 170 170 171

179 179 183 185 187 187 190 192 195 195 197 201 201 207 207 210 214 214 214 218 220

Inhaltsverzeichnis

2. Das „Handeln auf eigene Gefahr" a) Theorie des „Handelns auf eigene Gefahr b) Stellungnahme und Abgrenzung 3. Venire contra factum proprium

XIII 225 225 228 232

§ 10 Ausgewählte Anwendungsfälle

237

I. II.

237 238 238

Überblick Körperliche Integrität 1. Der ärztliche Heileingriff a) Der eigenmächtige Heileingriff als Körper- oder Persönlichkeitsverletzung? b) Einwilligung oder Handeln auf eigene Gefahr? 2. Patientenautonomie am Lebensende 3. Entnahme und Verwendung von Körpersubstanzen am Beispiel des Falles Moore v. Regents of the University of California . . . . 4. Sportverletzungen III. Persönlichkeitsrechte im übrigen 1. Recht am eigenen Bild 2. Namensrecht a) Bürgerlicher Name und Familienrecht b) Name und Firma c) Name und Merchandising 3. Urheberpersönlichkeitsrecht IV. Absolute Vermögensrechte 1. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte 2. Besitz 3. Immaterialgüterrechte V. Einwilligungen im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse 1. Grundsatz und Abgrenzungen 2. Einzelfälle a) Vorbehaltlose Annahme trotz Mangelkenntnis (§§ 536 b, 640 II BGB) b) Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung (§ 540 I BGB) c) Einwilligung in die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit (§§60, 112HGB;88 AktG) d) Zustimmung zu Maßnahmen der Verwaltung oder Geschäftsführung (§§ 744, 745, 709 BGB)

238 243 244 249 257 259 259 260 260 262 265 267 271 271 273 274 277 277 281 281 282 285 287

XIV

Inhaltsverzeichnis 3. Teil

Wirksamkeitsvoraussetzungen § 11 Einwilligungsfähigkeit

293

I. II.

293 295

Einführung Körperliche Integrität 1. Die Entwicklung der Rechtsprechung: Von § 107 BGB zur individuellen Einsichtsfähigkeit 2. Die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit im Schrifttum 3. Die Einwilligungsfähigkeit im englischen und amerikanischen Recht 4. Besondere Fallgruppen a) Kosmetische Eingriffe b) Fortpflanzungsmedizin c) Arzneimitteltest und Organspende III. Persönlichkeitsrechte im übrigen IV. Eigentum und sonstige Vermögensrechte V. Stellungnahme §12 Die Einwilligung als Kommunikationsakt: Erklärung, Auslegung, Zeitpunkt, Widerruf

295 298 302 305 305 306 311 312 317 318

327

I.

Erklärung 327 1. Das Erklärungserfordernis im deutschen Straf- und Zivilrecht . . 327 2. Implied consent im anglo-amerikanischen Recht 332 3. Stellungnahme 337 II. Auslegung 340 III. Der Zeitpunkt der Einwilligung 344 IV. Widerruf 346 1. Grundsatz 346 2. Der Widerruf als treuwidriges Verhalten? 350 3. Der Widerruf bindender persönlichkeitsrechtlicher Gestattungen 353 § 13 Willensmängel und Aufklärungspflichten

356

I.

356 356 357 359 359 361

Willensmängel 1. Einführung 2. Der Meinungsstand im Strafrecht 3. Der Meinungsstand im Privatrecht a) Rechtsprechung b) Schrifttum

Inhaltsverzeichnis

II.

4. Der Einfluß von Willensmängeln nach anglo-amerikanischem Recht 5. Stellungnahme Aufklärungspflichten 1. Einführung 2. Die ärztliche Aufklärungspflicht in der Beurteilung der Rechtsprechung 3. Ansätze zu Entkopplung von Einwilligung und Aufklärungspflicht in der Literatur 4. Die Theorie des „informed consent" im US-Recht und ihre Diskussion im englischen Recht 5. Stellungnahme

§ 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen I. II.

Einführung Dispositionsbefugnis und Rechtsinhaberschaft 1. Alleinige Rechtsinhaberschaft 2. Rechtsinhaberschaft mehrerer III. Objektive Schranken der Dispositionsbefugnis 1. Der gegenwärtige Stand der Diskussion 2. Die Rezeption außerprivatrechtlicher Schranken 3. Privatrechtliche Schranken der Dispositionsbefugnis a) Dogmatische Grundlagen b) Abwägungsmethode und -kriterien aa) Erste Voraussetzung: legitimer Zweck bb) Zweite Voraussetzung: Verhältnismäßigkeit IV. Ausgewählte Fallgruppen 1. Die absolute Einwilligungssperre des § 216 StGB 2. Die Rationalitätskontrolle bei schweren Körperverletzungen . a) Grundsatz b) Anwendungsfälle 3. Schranken der Dispositionsbefugnis über Persönlichkeitsrechte im übrigen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip a) Grundsatz b) Anwendungsfälle

XV

363 365 372 372 374 379 381 386 392 392 393 393 394 397 397 400 408 408 410 411 414 415 415 . 419 419 422 430 430 432

§ 1 5 Sonstige Nichtigkeitsgründe

436

I.

436 436 440

AGB-Kontrolle 1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB 2. Einzelfragen

XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Gesetzesverstoß und Sittenwidrigkeit III. Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts

444 447

§16 Vertretung und Ermächtigung

452

I. Gesetzliche Vertretung II. Gewillkürte Vertretung III. Ermächtigung

452 456 461

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

464

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

479 501

Abkürzungsverzeichnis A.(2d) a. A. a.a.O. AbfG ABGB abgedr. ABl. A.C. AcP AdHWR a.E. a.F. AfP AG A.G. AGB AGBG Ala. L.Rev. All E . R . A.L.R.(4th) AMG ÄndG Anm. Anm. d.Verf. AP ArbNErfG Ariz. ARSP Art. Aufl. BAG BayDSG BB Bd. BDSG Bearb. bearb. v. begr. v. BGB

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XVIII BGH BGHSt BGHZ BT-Drucks. BtMG BtPrax BVerfG BVerfGE Cal. 3d / 4th Cal.App. 3d Cal.Rptr. C.F.R. Ch./Ch.D.

c.j. C.L.J. col. Col.L.Rev. Conn.Supp. CR D. DB Diss. DJT DuD EG EGV Einf. Einl. E.I.P.R. EPÜ E.R. ESchG EU EuGH E u G H Slg. EuR EuZW EWR f./ff. F.2d / 3d FamRZ FAZ FGG FS F.S.R. F.Supp. FuR Fußn. GA Ga.App. Gai.

Abkürzungsverzeichnis Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Betreuungsrechtliche Praxis Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundsverfassungsgerichts California Reports, Third Series / Fourth Series California Appellate Reports, Third Series California Reporter C o d e of Federal Regulations Law Reports, Chancery Division Chief Justice Cambridge Law Journal Column Columbia Law Review Connecticut Supplement C o m p u t e r und Recht Digesten Der Betrieb Dissertation Deutscher Juristentag Datenschutz und Datensicherheit Europäische Gemeinschaft EG-Vertrag Einführung Einleitung European Intellectual Property Review Europäisches Patentübereinkommen English Reports Embryonenschutzgesetz Europäische U n i o n Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europarecht Europäische Zeitschrift f ü r Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum folgende Federal Reporter, Second Series / Third Series Zeitschrift f ü r das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Festschrift Fleet Street Reports Federal Supplement Familie und Recht Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht Georgia Appeals Reports Gaius

Abkürzungsverzeichnis GBO GG GjS GRUR G R U R Int. GS Harv. L.Rev. HdA HdStR HGB H. L. h.M. Hrsg. hrsg.v. i.e.S. I.I.C. 111. insb. Ind. L.Rev. InsO I. P. Q . i.S.d. i. V. m. J. JA JArbSchG JherJB JOSchG JR Jura JuS JZ K. Kan. Kap. K.B. KO KSchG KUG L.C. L.Ed. (2d) Lfg. LG lib. lit. L. J . LM L. Q . R . L.Rev. L.S.

XIX

Grundbuchordnung Grundgesetz Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gedächtnisschrift Harvard Law Review Handbuch des Arztrechts (s. Literaturverzeichnis) Handbuch des Staatsrechts (s. Literaturverzeichnis) Handelsgesetzbuch House of Lords herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben von im engeren Sinne International Review of Industrial Property and Copyright Law Illinois Reports insbesondere Indiana Law Review Insolvenzordnung Intellectual Property Quarterly im Sinne des in Verbindung mit Justice Juristische Arbeitsblätter Jugendarbeitsschutzgesetz Jherings Jahrbücher Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung King Kansas Reports Kapitel Law Reports, King's Bench Konkursordnung Kündigungsschutzgesetz Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Lord Chancellor U S Supreme Court Reports, Lawyers' Edition (Second Series) Lieferung Landgericht Buch Buchstabe Lord Justice / Law Journal Lindenmaier-Möhring (Nachschlagewerk des B G H in Zivilsachen) Law Quarterly Review Law Review Legal Studies

XX 1. Sp. L.T. m. Anm. Marc. MarkenG Mass. Md. MDR MedR Mich. Mich.App. Minn. Minn. L.Rev. M.L.R. MMR MPG M.R. MuW m. w. N . Nachw. N.E.(2d) Neb. n.F. N.J. NJW NJW-RR N . W . (2d) N . Y.2d OBI

Abkürzungsverzeichnis

linke Spalte Law Times Reports mit Anmerkung Marcian Markengesetz Massachusetts Reports Maryland Reports Monatsschrift für deutsches Recht Medizinrecht Michigan Reports Michigan Appeals Reports Minnesota Reports Minnesota Law Review Modern Law Review Multimedia und Recht Medizinproduktegesetz Master of the Rolls Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen Nachweise N o r t h Eastern Reporter (Second Series) Nebraska Reports neuer Fassung N e w Jersey Reports Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht N o r t h Western Reporter (Second Series) N e w York Court of Appeals Reports, Second Series Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und U r h e berrecht OGH Oberster Gerichtshof (Osterreich) O h i o App. O h i o Appellate Reports O h i o St. O h i o State Reports ÒJZ Österreichische Juristenzeitung OLG Oberlandesgericht OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen OR Obligationenrecht (Schweiz) Q . B . / Q . B . D . Law Reports, Queen's Bench Division Queen's Counsel Q.C. P.2d Pacific Reporter, Second Series Pa. Pennsylvania State Reports PatG Patentgesetz PrALR Preußisches Allgemeines Landrecht R. Regina r. Rule RabelsZ Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regulation Reg. RelKEG Gesetz über die religiöse Kindererziehung RG Reichsgericht RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Abkürzungsverzeichnis R.P.C. Reports of Patent, Design and Trade Mark Cases Rs. Rechtssache r. Sp. rechte Spalte Rz. Randziffer siehe s. S. Seite S.Ct. US Supreme Court Reporter S.E.2d South Eastern Reporter, Second Series Section See. SGB Sozialgesetzbuch So. (2d) Southern Reporter (Second Series) SpuRt Zeitschrift für Sport und Recht StAZ Das Standesamt StGB Strafgesetzbuch South Western Reporter (Second Series) S.W. (2d) sz Süddeutsche Zeitung Tenn. Tennessee Reports TFG Transfusionsgesetz TLR Times Law Reports TPG Transplantationsgesetz u.a. unter anderem U C L A L.Rev,. University of California Los Angeles Law Review UFITA Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht U.III. L.Rev. University of Illinois Law Review Ulp. Ulpian Umwandlungsgesetz UmwG UrhG Urheberrechtsgesetz U.S. United States Supreme Court Reports U . S . L.W. United States Law Weekly U.S.P.Q.2d United States Patent Quarterly, Second Series UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb V. versus V.C. Vice-Chancellor Verf. Verfasser VersR Versicherungsrecht Vgl. vergleiche VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Wash.App. Washington Appellate Reports Wils. K . B . Wilson's King's Bench Reports W.L.R. Weekly Law Reports WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WuW Wirtschaft und Wettbewerb ZGB Zivilgesetzbuch (Schweiz) ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer zit. zitiert ZPO Zivilprozeßordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

XXI

§ 1 Einführung I. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit Die Einwilligung ist ein Stiefkind der Privatrechtsdogmatik. Obwohl das Rechtssprichwort „volenti non fit iniuria" ein grundlegendes rechtsethisches Prinzip zum Ausdruck bringt, obwohl sich die praktische Bedeutung der Einwilligung nicht leugnen läßt und obwohl sie sich an der dogmatisch interessanten Schnittstelle zwischen Rechtsgeschäftslehre und Deliktsrecht befindet, beschränken sich in allen gängigen Kommentaren und Lehrbüchern die allgemeinen Ausführungen zur Einwilligung 1 auf wenige Zeilen. In einigen Standardwerken wurden in den neuesten Auflagen die ohnehin knappen Erläuterungen noch einmal gekürzt 2 . Ganz anders ist die Situation in einigen ausländischen Rechtsordnungen und im Strafrecht. Zum österreichischen Recht hat jüngst Resch eine umfassende Untersuchung vorgelegt3, im englischen und amerikanischen Recht enthalten die größeren Lehrbücher des Deliktsrechts (tort law) ausführliche Abschnitte zur Einwilligung4. Auch im deutschen Strafrecht nimmt die Einwilligung in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur breiten Raum ein5; daneben widmen sich verschiedene aktuelle Monographien der Einwilligungslehre insgesamt6 oder 1 Hingegen nimmt die Darstellung der ärztlichen Aufklärungspflicht oft erheblich breiteren Raum ein, vgl. etwa MüKo /Mertens, Rz. 3 9 - 4 2 , 4 4 6 ^ 4 9 zu § 823 (Einwilligung allgemein), Rz. 4 1 9 - 4 4 5 zu § 823 (Aufklärungspflicht); Palandt/Thomas, Rz. 4 2 ^ 4 zu § 823 (Einwilligung allgemein), Rz. 4 5 - 5 3 (Aufklärungspflicht). 2 Die bisher ausführlichste Kommentierung zur Einwilligung wurde in der 12. Aufl. des Staudinger von Schäfer, Rz. 455 ff. zu § 823, vorgenommen. Bei der von Hager besorgten Neubearbeitung für die 13. Bearb. wurden diese Ausführungen nicht übernommen, sondern durch die knappen, auf einzelne Rechte bezogenen Ausführungen in Rz. C 176 ff. und I 76 ff. ersetzt. In der Lehrbuchliteratur nahm sich Larenz in der 12. Aufl. des Schuldrechts, Bd. II, § 71 I c 1 (S. 594 f.) der Einwilligung vergleichsweise gründlich an. In der von Canaris bearbeiteten 13. Aufl. fehlt diese Passage, s. dort, § 75 II 2 c (S. 363).

Resch, Die Einwilligung des Geschädigten (1997). Vgl. zum US-Recht ProsserlKeeton, See. 18 (S. 112-124), zum englischen Recht Clerk & Lindseil, Rz. 3 - 5 7 ff., 8 - 2 5 ff.; 13-07 ff.; 18-52 ff. 5 Vgl. etwa LK/Hirsch, Rz. 9 2 - 1 2 8 vor § 32; Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 2 9 - 5 3 vor §§ HiUjescheck/Weigend, § 34; Roxin AT I, § 13. 6 Göbel, Die Einwilligung im Strafrecht als Ausprägung des Selbstbestimmungsrechts (1992). 3

4

2

§1

Einführung

Ausschnitten wie der Irrtumslehre 7 oder den Schranken der Einwilligung 8 . Es scheint daher, als habe die spöttische Einschätzung Zitelmanns kaum an Aktualität verloren, der 1906 vermerkte, das Privatrecht nähre sich in diesem Bereich „fast vollständig von den Brocken (...), die von der - mit Literatur hierüber reich besetzten - Tafel des Strafrechts fallen" 9 . Zitelmann hielt diesen Zustand für unbefriedigend: „Hat nicht bei der sehr großen praktischen Bedeutung dieser Frage gerade auch auf privatrechtlichem Gebiet die Wissenschaft dieses Rechtszweiges guten Grund, die Führung des Haushalts selbständig zu übernehmen? Und ist es nicht sogar umgekehrt denkbar, daß von Rechts wegen das Privatrecht hier der Spendende sein und das Strafrecht erst bei ihm zu Gaste gehen sollte?" Die Literatur der fast 100 Jahre, die seitdem vergangen sind, hat sich diesen Aufruf kaum zu Herzen genommen. Die grundlegenden Gedanken, die Zitelmann seinerzeit in einem Aufsatz monographischen Formats formulierte, wurden im älteren Schrifttum teilweise berücksichtigt 10 , später aber in zunehmendem Maße verdrängt. Ein Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahre 195811 zur Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger in ärztliche Heileingriffe gab Anlaß zu zwei Dissertationen 12 . Im Jahre 1985 griff Kohte in einem umfangreichen Aufsatz einige der Gedanken Zitelmanns auf und entwickelte sie weiter13. Seitdem sind zwar in Teilgebieten des Privatrechts einige Arbeiten zur Einwilligung erschienen14, die Einwilligungslehre insgesamt harrt aber noch der umfassenden monographischen Bearbeitung. In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, das Versäumte nachzuholen. Dabei wird eine dreifache Zielsetzung verfolgt, an der sich auch der Aufbau der Arbeit orientiert. Erstens geht es um eine Bestandsaufnahme der tatsächlichen Problematik sowie der historischen Entwicklung der Einwilligungslehre. Während viele privatrechtliche Stellungnahmen zur Einwil7 Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung (1970); Kußmann, Einwilligung und Einverständnis bei Täuschung, Irrtum und Zwang (1988); Amelung, Irrtum und Täuschung als Grundlage von Willensmängeln bei der Einwilligung des Verletzten (1998); Rönnau, Willensmängel bei der Einwilligung im Strafrecht (2001). 8 Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht (1997); Niedermair, Körperverletzung mit Einwilligung und die Guten Sitten (1999). 9 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1, der diese Äußerung zwar auf die Rechtfertigungsgründe im allgemeinen bezieht, anschließend aber den überwiegenden Teil seiner Ausführungen der Einwilligung widmet. 10 Vgl. vor allem Fischer, Die Rechtswidrigkeit (1911), § 25 (S. 271-280); Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt (1934), § 16 (S. 214-237). 11 BGHZ 29, 33, im folgenden als Minderjährigenentscheidung bezeichnet. 12 Rosener, Die Einwilligung in Heileingriffe (1965); Schenke, Die Einwilligung des Verletzten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung bei Persönlichkeitsverletzungen (1965). 13 Kohte, AcP 185 (1985) 105-161. 14 Vgl. insb. Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild (1990); Voll, Die Einwilligung im Arztrecht (1996).

II. Abgrenzung

des

Themas

3

ligung bisher von einem konkreten Problem - etwa dem ärztlichen Heileingriff - ausgehen und daher an einer einseitigen Perspektive leiden, bemüht sich der erste Teil darum, das Gesamtbild zu zeichnen. Zweitens gilt es, die Grundwertungen der Einwilligungslehre herauszuarbeiten und das Rechtsinstitut in die zivilrechtliche Systematik einzuordnen. Davon ausgehend stellt sich drittens die in der Praxis wichtigste Frage nach den einzelnen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung.

II. Abgrenzung des Themas Der Begriff „Einwilligung" ist wenig trennscharf. In der Alltagssprache bezeichnet er meist die Zustimmung zu einem von einer anderen Person gemachten Vorschlag, doch in der juristischen Terminologie wird er in einer verwirrenden Vielfalt von Bedeutungsvarianten gebraucht. Das Rechtssprichwort „volenti non fit iniuria" verkörpert die Idee der unrechtsausschließenden Einwilligung 15 , die im Privatrecht meist als Rechtfertigungsgrund eingeordnet wird und sich auf ein tatsächliches Verhalten bezieht. Dagegen definiert § 183,1 B G B die Einwilligung als vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft; Folge des Fehlens ist nicht die Rechtswidrigkeit einer Handlung, sondern die sofortige oder schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Daneben kennt das Verfahrensrecht die Einwilligung als Prozeßhandlung 16 und das Registerrecht die bisweilen auch als Einwilligung bezeichnete Bewilligung von Registeränderungen 17 . Ein Blick ins österreichische Recht vervollständigt die Begriffsverwirrung: Das A B G B bezeichnet in verschiedenen Vorschriften die Annahme einer vertraglichen Offerte als „Einwilligung" 18 . Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist nur die unrechtsausschließende Einwilligung im Sinne des Satzes „volenti non fit iniuria". Davon ist die Einwilli15 Der übliche Begriff der „rechtfertigenden Einwilligung" wird hier vermieden, denn er präjudiziert bereits die Einordnung der Einwilligung in den dreistufigen Deliktsaufbau, hierzu im einzelnen unten, § 7 II. Dasselbe gilt für den Begriff „Einwilligung des Verletzten": Es ist gerade die Frage, ob man den Hausherren, der in seinem Garten von einem Gärtner einen Baum fällen läßt, wirklich als „Verletzten" ansehen kann. 16 Vgl. etwa §§ 267, 269 I, II, 566 I 1 Nr. 1 ZPO. 17 Während § 19 G B O von der „Bewilligung" spricht, ist vor allem im gewerblichen Rechtsschutz in diesem Zusammenhang der Begriff „Einwilligung" geläufig, so ist im Markenrecht die Eintragungsbewilligungsklage (§ 44 I MarkenG) üblicherweise auf „Einwilligung in die Eintragung", die Löschungsklage (§ 55 I MarkenG) auf „Einwilligung in die Löschung der Eintragung" gerichtet, vgl. B G H G R U R 1981, 53 - „Arthrexforte"; Fezer, Rz. 5 zu § 44, Rz. 10 zu § 55; Ingerl/Robnke, Rz. 21 zu § 44, Rz. 8 zu § 55; im Patentrecht war früher in § 34 III PatG a. F. von der „Einwilligung" in die Löschung der Eintragung einer ausschließlichen Lizenz die Rede, in § 30 IV 4 der seit 1998 geltenden Fassung des PatG wird statt dessen der Begriff „Zustimmung" verwendet. 18

Vgl. etwa §§ 869, 877 A B G B , weitere Nachw. bei Rescb, S. 9.

4

§ 1

Einführung

gung im Sinne des § 183 BGB scharf zu trennen 19 , was in der Literatur bisweilen übersehen wird 20 . Zwar wird sich zeigen, daß zwischen beiden Instituten eine gewisse Verwandtschaft besteht, sie gewinnt aber nur für Abgrenzungszwecke Bedeutung. Davon abgesehen wird die Einwilligung nach § 183 BGB ebensowenig behandelt wie die prozeß- und registerrechtlichen Einwilligungen. Auf dieser Grundlage kann die Einwilligung vorläufig als Erlaubnis definiert werden, die das Unrecht eines tatsächlichen Verhaltens ausschließt. Auch mit dieser Arbeitsdefinition bleiben Abgrenzungsprobleme. Zum einen beinhalten zahlreiche im BGB geregelte Rechtsgeschäfte die Gestattung eines tatsächlichen Verhaltens, man denke nur an Verfügungsgeschäfte wie die Bestellung einer Dienstbarkeit oder an Verpflichtungsgeschähe wie die Miete. Es ist unklar, ob die Einwilligung ein Element dieser Geschäfte bildet, ob sie das deliktsrechtliche Äquivalent dieser rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen darstellt oder ob sie sich von ihnen unterscheidet. Zum anderen ist trotz verschiedener Arbeiten zum „Handeln auf eigene Gefahr" 2 1 die Abgrenzung zwischen der Einwilligung und dem bloßen Eingehen eines von einem anderen geschaffenen Risikos unklar geblieben. Schließlich herrscht Unsicherheit darüber, ob die strafrechtliche Unterscheidung zwischen dem tatbestandsausschließenden Einverständnis und der rechtfertigenden Einwilligung auch im Privatrecht vorzunehmen ist. Diese Fragen können nicht durch Definition entschieden werden, vielmehr bestimmen sie das Wesen der Einwilligung. Es sind Kernprobleme der dogmatischen Einordnung, die Ziel des zweiten Teils dieser Arbeit ist.

III. Methode der Untersuchung Die Einwilligungslehre ist Gegenstand einer methodologischen Auseinandersetzung. Während Zitelmann noch annahm, sämtliche Einzelfragen auf deduktivem Wege durch Ableitung aus dem Rechtsgeschäftsbegriff lösen zu können 22 , haben sich im neueren Schrifttum einige Autoren für einen induktiven Ansatz ausgesprochen 23 . Vor allem die medizinrechtliche Praxis geht 19

B G H Z 29, 33 (36); so bereits Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (58); Fischer, S. 278; Dietz, S. 228. 20 Beispiele f ü r Verwechslungen: Fromm/Nordemann/Vinck, Rz. 3 zu § 23 (Einwilligung in die Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes als Fall des § 183); Staub/Konzen/Weber, Rz. 22 zu § 60 (Einwilligung in die A u f n a h m e einer K o n k u r r e n z tätigkeit als Fall des § 183); Günther, S. 347 (Einwilligung im Sinne des § 183 als Pendant der strafrechtlichen Einwilligung). 21 Grundlegend Stoll, Das H a n d e l n auf eigene G e f a h r (1961), weitere Nachw. unten, § 9 IV 2 a. 22 Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (48). 23 So nachdrücklich Kohte, A c P 185 (1985) 105 (120), weitere Nachw. unten, § 9 III 1.

III.

Methode

der

Untersuchung

5

letzteren Weg längst: Nachdem die Einwilligung nicht mehr als Rechtsgeschäft begriffen wird, werden die Einzelfragen der Einwilligung problembezogen von Fall zu Fall gelöst. Im Arzthaftungsrecht hat sich mittlerweile eine umfangreiche eigenständige Kasuistik herausgebildet, die sich von den Systembegriffen des B G B weitgehend gelöst hat. Die Alternative zwischen deduktiver und induktiver Methode besteht jedoch nur scheinbar. Reine Deduktion wäre unangemessen, da die Einwilligung im System des B G B nicht berücksichtigt wurde. Es wird sich zeigen, daß die Frage nach der Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung häufig überbewertet wird 24 : Wenn die Einwilligung ein Rechtsgeschäft ist, dann jedenfalls ein äußerst untypisches. Durch eine schulmäßige Subsumtion unter die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre lassen sich die praktischen Fragen der Einwilligungslehre nicht befriedigend lösen. Umgekehrt ist auch das mittlerweile verbreitete rein induktive Vorgehen bedenklich, da es ohne Not den teleologischen Gehalt der Rechtsgeschäftslehre vernachlässigt und sich einer dogmatischen Stimmigkeitskontrolle entzieht 25 . Zwischen der Erkenntnis des Gegenstandes und seiner systematischen Qualifikation besteht eine Wechselwirkung 26 . In Anlehnung an das bekannte Wort Engischs vom „Hin- und Herwandern des Blicks" 2 7 wird die vorliegende Arbeit einerseits die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre und des Haftungsrechts, andererseits die Vielfalt problematischer Fallkonstellationen im Blick behalten müssen. Auch wenn im zweiten Teil der Arbeit die Einwilligungslehre aus den Grundideen der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung entwickelt wird, ist damit nicht die Entscheidung für ein deduktives Vorgehen gefallen. Statt dessen werden sämtliche Thesen stets anhand praktischer Fallbeispiele überprüft. Die Arbeit stellt einen Beitrag zur Dogmatik des Privatrechts dar. Die Entwicklung einer einheitlichen Einwilligungslehre, die für das Straf- wie für das Zivilrecht gleichermaßen Geltung beanspruchen könnte, ist nicht beabsichtigt. Im Gegenteil wird in § 7 dieser Arbeit der Nachweis versucht, daß das Schlagwort von der „Einheit der Rechtsordnung" nur zur Widerspruchsfreiheit, nicht hingegen zum völligen Gleichlauf zwischen straf- und privatrechtlicher Einwilligungslehre zwingt. Aus diesem Grund wird auf eine umfassende Bestandsaufnahme der strafrechtlichen Rechtsprechung und Lehre verzichtet. Eine solche böte nichts Neues, auf verschiedene strafrechtliche Arbeiten, die einen guten Uberblick über die Materie verschaffen, kann getrost verwiesen werden28. S. unten, § 9 III 1. Zur Bedeutung der systematischen Einordnung Canaris, Systemdenken, S. 88 ff. 26 Canaris, a.a.O., S. 89. 27 Engisch, Logische Studien, S. 15, bezieht dieses Bild auf den Subsumtionsprozeß. 28 Genannt seien statt vieler Göbel, Die Einwilligung im Strafrecht als Ausprägung des Selbstbestimmungsrechts (1992); Roxin AT I, § 13, Schönke-Schröder/Cramer, Rz. 29ff. vor §§ 32ff.; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937ff. 24 25

6

§1

Einführung

Damit ist allerdings nicht zugleich gesagt, daß eine privatrechtliche Untersuchung das reichhaltige strafrechtliche Gedankengut zur Einwilligung schlicht außer Betracht lassen dürfte. Im Gegenteil sind im Strafrecht Argumente und Lösungen erwogen worden, zu denen die in diesem Bereich sehr spärliche Privatrechtsdogmatik bisher nicht vorgedrungen ist. Daher werden strafrechtliche Theorien immer dann berücksichtigt, wenn sie zur Lösung des jeweiligen Einzelproblems beitragen können. Vor allem im dritten Teil der Arbeit wird bei der Analyse der einzelnen Einwilligungsvoraussetzungen häufig auf strafrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen Bezug genommen. Dabei wird allerdings stets kritisch geprüft, ob diese Gedanken angesichts der Funktionsunterschiede zwischen beiden Rechtsdisziplinen auch für das Privatrecht überzeugen. Auch eine umfassende Darstellung der Einwilligungslehre in ausländischen Rechtsordnungen ist nicht beabsichtigt. Vor allem zur Einordnung der Einwilligung in das System des deutschen Privatrechts, die im zweiten Teil der Arbeit unternommen wird, hat die Rechtsvergleichung wenig beizutragen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn im dritten Teil praktische Fragen zu beantworten sind, die unabhängig von der jeweiligen Rechtsordnung auftreten, etwa die Frage nach der Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger. Hier bieten vor allem das englische und das amerikanische Recht interessantes Material29. Das mag mit der großen praktischen Bedeutung des Deliktsrechts (tort law) in common law-Systemen ebenso zusammenhängen wie mit der dort üblichen pragmatischen Art, Probleme ohne große dogmatische Bekümmertheit mit common sense zu lösen. Gerade im US-Recht findet sich eine Vielzahl aufschlußreicher Entscheidungen; außerdem hat das Restatement (Second) of Torts von 197730 die Voraussetzungen der Einwilligung in zwei Regeln zusammengefaßt31 und kommentiert. Es gibt keinen guten Grund dafür, diesen Ansatz nur deswegen nicht zu berücksichtigen, weil er von ausländischen Juristen stammt32. Allerdings muß ebenso wie im Verhältnis zum deutschen Strafrecht sorgfältig geprüft werden, ob die jeweiligen Lösungsvorschläge auf 29 Hingegen ist im französischen Recht umstritten, ob der Einwilligung überhaupt rechtfertigende Wirkung zukommt, vgl. Ferid/Sonnenberger, Rz. 2 O 130, 338. Soweit in der Lehrbuchliteratur die Einwilligung überhaupt erwähnt wird, geschieht dies meistens mit Bezug auf Einzelprobleme wie den ärztlichen Heileingriff oder Sportverletzungen, vgl. Tourneau/Cadiet, Rz. 989 ff., 1001 ff. 30 Ein Restatement of Law ist eine vom American Law Institute erarbeitete Zusammenstellung der wichtigsten fallrechtlichen Regeln. Die Restatements sind trotz ihrer gesetzesähnlichen Form rechtlich nicht bindend, haben aber in der Praxis eine erhebliche Uberzeugungskraft, vgl. Reimann, S. 8. Zum Deliktsrecht liegt zwar mittlerweile eine dritte Fassung des Restatement von 1999 vor, die aber erst Teilgebiete erfaßt. Die Einwilligung ist bisher nicht darunter. 31 Restatement (Second) of Torts, See. 892-892D. 32 Vgl. Zweigert/Kötz, § 2 III (S. 19).

IV. Gang der

Darstellung

7

Besonderheiten des anglo-amerikanischen Rechts beruhen und aus diesem Grund nicht für eine Übernahme ins deutsche Recht taugen.

IV. Gang der Darstellung Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Die Bestandsaufnahme (erster Teil) beginnt mit einem Uberblick über die Vielfalt der praktisch problematischen Fragen (§ 2). Anschließend werden die historische Entwicklung vom römischen Recht bis zu den Entwürfen des B G B (§ 3) und die Entwicklung des Privatrechts seit 1900 (§ 4) dargestellt. Ausgangspunkt der Grundlegung und dogmatischen Einordnung (zweiter Teil) ist der Satz „volenti non fit iniuria" als rechtsethisches Prinzip (§ 5). Von der Rechtsphilosophie führt der Weg über verfassungsrechtliche Vorüberlegungen (§ 6) und eine Klärung des Verhältnisses zum Strafrecht (§ 7) zu den Grundprinzipien der privatrechtlichen Einwilligungslehre. Die Einwilligung wird in eine Stufenleiter der Gestattungen eingeordnet (§ 8), in Abgrenzung zu verwandten Rechtsfiguren wird sodann ihre Rechtsnatur bestimmt (§ 9). Auf dieser Grundlage läßt sich in § 1 0 systematisch zeigen, welche Rechtsfiguren des B G B als Einwilligungen anzusehen sind. Der dritte Teil ist den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung gewidmet. Im einzelnen interessieren die Einwilligungsfähigkeit (§ 11), Fragen der Erklärung, der Auslegung und des Widerrufs (§ 12), die Folgen von Willensmängeln und die Bedeutung von Aufklärungspflichten (§ 13), die Dispositionsfreiheit und ihre Grenzen (§ 14), Nichtigkeitsgründe im übrigen (§ 15) und Fragen der Vertretung und Ubertragbarkeit (§ 16). Auf einen „besonderen Teil" wird verzichtet, da sämtliche praktischen Einzelprobleme entweder die in § 10 behandelte Frage betreffen, ob es sich in der jeweiligen Fallkonstellation überhaupt um eine Einwilligung oder um ein verwandtes Rechtsinstitut handelt, oder mit den im dritten Teil behandelten Wirksamkeitsvoraussetzungen zusammenhängen. Gerade die Notwendigkeit eines „Hin- und Herwanderns des Blicks" zwingt dazu, die speziellen Fallbeispiele in der Analyse des jeweiligen Regelungskomplexes zu verarbeiten.

1. Teil

Bestandsaufnahme

§ 2 Die Problemkreise im Überblick I. Einführung Viele der heutigen privatrechtlichen Theorien zur Einwilligung leiden darunter, daß sie nicht von einer umfassenden Bestandsaufnahme der vielfältigen Anwendungsfälle dieses Rechtsinstituts ausgehen. Die inzwischen recht umfangreiche Literatur zur Einwilligung im Medizinrecht oder zur Einwilligung im Rahmen bestimmter Persönlichkeitsrechte beschränkt sich bewußt auf das jeweilige Rechtsgebiet. In der Kommentar- und Lehrbuchliteratur finden sich zwar meist allgemeine Aussagen, die sich aber bei näherem Hinsehen weitgehend auf Fallkonstellationen aus dem Medizinrecht stützen. Jede Theorie der Einwilligung muß sich aber daran messen lassen, ob sie sämtlichen Anwendungsfällen gerecht wird. Daher soll Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ein im wesentlichen rechtstatsächlicher Uberblick über die wichtigsten Situationen sein, in denen der Einwilligung praktische Bedeutung zukommt, und über einige der typischen Rechtsprobleme, die in diesen Situationen entstehen. Bei einem Blick auf die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle drängen sich in erster Linie zwei Fallgruppen auf. Zum einen ist die Einwilligung im Medizinrecht von besonderer Bedeutung, sie ist insbesondere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des ärztlichen Heileingriffs. Zum anderen erlaubt die Einwilligung auch außerhalb arztrechtlicher Fallgestaltungen Dispositionen über Persönlichkeitsrechte und kann daher etwa die Verbreitung fremder Bildnisse (§ 22 K U G ) , die Fortführung einer Firma durch den Erwerber eines Handelsgeschäfts (§ 22 H G B ) oder die Verarbeitung personenbezogener Daten ( § 4 1 B D S G ) rechtfertigen. Abgesehen von diesen beiden Fallgruppen, die in der Praxis die größte Aufmerksamkeit finden, sind auch im Bereich des Eigentums und der übrigen Vermögensrechte Einwilligungen möglich, wenn auch offenbar in der Rechtspraxis weniger relevant. Allgemeiner ausgedrückt scheint die Einwilligung ihren wesentlichen Anwendungsbereich im Rahmen absoluter subjektiver Rechte zu haben. Damit bietet es sich an, für den folgenden kursorischen Uberblick 1 über die tatsäch1 Im Rahmen dieses Überblicks wird auf Nachweise immer dann verzichtet, wenn die Problematik später in dieser Arbeit eingehend erörtert wird.

12

5 2 Die Problemkreise

im

Überblick

liehen Anwendungsfälle der Einwilligung in erster Linie die Struktur des § 823 I B G B als Ordnungskriterium heranzuziehen (II). Außerhalb dieses Rahmens soll zwischen der Einwilligung im übrigen Deliktsrecht (III) und im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse (IV) unterschieden werden. Auf dieser Grundlage kann der Versuch unternommen werden, eine vorläufige Typologie der Einwilligungen zu erstellen (V).

II. Die Einwilligung im Bereich absoluter Rechte 1. Leben, Körper, Gesundheit,

Freiheit

a) Leben Die Tötung mit Einwilligung bleibt als Tötung auf Verlangen strafbar ( § 2 1 6 1 StGB), das Leben ist damit jeder individuellen Rechtsgestaltung entzogen. Das gilt nach heute wohl allgemeiner Ansicht nicht nur für das Strafrecht, sondern für die gesamte Rechtsordnung. O b allerdings die Einwilligungssperre des § 216 StGB in ihrer Absolutheit gerechtfertigt ist, wird vor allem im Hinblick auf die Problematik der Euthanasie im Fall unheilbarer Krankheiten seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Für das Zivilrecht kommt ein oft nicht hinreichend berücksichtigter Aspekt hinzu: Wegen der unterschiedlichen Funktion der Strafe für Tötungen einerseits und des zivilrechtlichen Schadensersatzes für die Hinterbliebenen (§§ 844, 845 B G B ) andererseits ist die Geltung der Einwilligung in beiden juristischen Disziplinen möglicherweise unterschiedlich zu beurteilen. Pointiert lautet die strafrechtliche Frage, ob durch die Strafandrohung Tötungen auf Verlangen generell verhindert werden sollen, während im Zivilrecht gefragt werden muß, ob den Hinterbliebenen erlaubt werden soll, sich durch die Forderung nach Schadensersatz über den Willen des Getöteten hinwegzusetzen. Sicherlich ist denkbar, daß wegen der „Einheit der Rechtsordnung" oder der Präventionswirkung des zivilen Haftungsrechts ein Gleichlauf mit dem Strafrecht angemessen ist, doch diese Frage bedarf der Erörterung. Auch abgesehen von der Tötung auf Verlangen bereitet das Spannungsverhältnis zwischen Selbstbestimmung und Lebensschutz Schwierigkeiten. Im Jahre 2000 hat sich der 63. Deutsche Juristentag in Leipzig mit der Frage befaßt, ob sich gesetzliche Regelungen zur Stärkung der Patientenautonomie am Lebensende empfehlen. Hintergrund ist die Frage nach der Bindungswirkung der Patientenverfügung, in der eine Person in gesunden Tagen Anordnungen für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit trifft, und der Vorsorgevollmacht, mit der für denselben Fall ein Vertreter in Gesundheitsangelegenheiten bestimmt wird. Beide Gestaltungsmöglichkeiten stehen mit der Einwilligung zumin-

II. Die Einwilligung im Bereich absoluter Rechte und Rechtsgüter

13

dest im sachlichen Zusammenhang. Eine verwandte Frage, deren juristische und ethische Beurteilung ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten bereitet, kann im Rahmen dieser Arbeit hingegen ausgeklammert bleiben: Der Behandlungsabbruch bei unheilbar kranken Patienten, die dauerhaft das Bewußtsein verloren haben, hat nur dann mit der Einwilligung zu tun, wenn der Patient zu einem früheren Zeitpunkt einen Willen hinsichtlich der lebenserhaltenden Behandlung gebildet und geäußert oder zumindest einer anderen Person eine Fürsorgevollmacht erteilt hat. In allen übrigen Fällen fehlt es offensichtlich an einer Einwilligung oder einer Behandlungsverweigerung, so daß nur die Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung zu prüfen sind, auf die in dieser Arbeit nur zu Abgrenzungszwecken eingegangen wird. b) Körper und Gesundheit Vor einer Operation wird auch dem juristischen Laien bewußt, daß er eine Einwilligung erteilt und daß diese sich vom zugrunde liegenden Behandlungsvertrag unterscheidet. Meist wird der Patient aufgefordert, vor größeren Eingriffen ein entsprechendes Formular zu unterzeichnen. Zu großer Bedeutung für die juristische Praxis hat der Einwilligung die Rechtsprechung verholfen, die den ärztlichen Heileingriff als tatbestandliche Körperverletzung einstuft, die zu ihrer Rechtfertigung der Einwilligung des Patienten bedarf. Die Einwilligung soll nur wirksam sein, wenn der Patient zuvor über Verlauf und Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde. Da gleichzeitig den Beklagten die Beweislast für Rechtfertigungsgründe trifft, muß der Arzt Einwilligung und Aufklärung beweisen. So erklärt sich, daß in der medizinrechtlichen Praxis der Vorwurf der Aufklärungspflichtverletzung inzwischen als selbständiger Haftungsgrund neben den häufig schwer zu beweisenden Behandlungsfehler getreten ist. Folge ist, daß die Aufklärungspflicht in den Mittelpunkt des Interesses gerade der praxisorientierten Literatur gerückt ist. Da der ärztliche Heileingriff bisher gesetzlich nicht geregelt wurde, herrscht sowohl über seine grundsätzliche dogmatische Einordnung als auch über zahlreiche Einzelfragen zur Einwilligung wie insbesondere die Einwilligungsfähigkeit2, die Behandlung von Irrtümern3 und die objektiven Schranken der Einwilligung im Fall medizinisch nicht indizierter Eingriffe4 Streit. Die Einwilligung in den Heileingriff ist eine typische eigennützige Einwilligung: Der Patient erteilt sie, weil er sich von dem Eingriff einen unmittelbaren Vorteil verspricht. Andere, nicht vom Heilzweck motivierte eigennützige Beispiel: B G H Z 29, 33 (Einwilligung eines beinahe Volljährigen). Beispiel: B G H N J W 1 9 6 4 , 1 1 7 7 (Irrtum über das Recht, eine geschlossene Anstalt zu verlassen). 4 Beispiel: B G H N J W 1978, 1206 (Zahnextraktion ohne medizinische Indikation auf Wunsch der Patientin). 2 3

14

5 2 Die Problemkreise

im

Überblick

ärztliche Maßnahmen sind kosmetische Eingriffe, etwa im Bereich der plastischen Chirurgie, und Eingriffe zum Zweck der Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsunterbrechung. Anderen ärztlichen Eingriffen liegt jedoch eine fremdnützige Einwilligung zugrunde. Der Einwilligende erwartet vom Eingriff selbst keinen Vorteil, sondern willigt aus altruistischen Gründen oder um einer Gegenleistung willen ein. Beispiele sind die Spende von Organen oder anderen Körpersubstanzen und die Mitwirkung bei medizinischen Experimenten, die nicht primär therapeutischen Zwecken dienen. Da hier der Einwilligende in gewissem Maße instrumentalisiert wird - er ist Mittel zum Zweck, nicht selbst Zweck des Eingriffs - , bedürfen solche Eingriffe einer besonders strengen Kontrolle. Allerdings ist es problematisch, wenn das neue Transplantationsgesetz die Lebendspende von Organen zugunsten Fremder völlig verbietet ( § 8 1 2 TPG). Hier geraten der Schutz des Spenders und die Achtung vor seinem Selbstbestimmungsrecht in einen Konflikt, so daß sich die Frage nach der Berechtigung eines „Schutzes einer Person vor sich selbst" im Privatrecht stellt. Werden Organe oder andere Körpersubstanzen dem Körper entnommen, kann der Patient ein Interesse daran haben, über die weitere Verwendung dieser Substanzen zu bestimmen. Dieses Interesse kann darauf beruhen, daß die Substanz Schlüsse auf Krankheiten, etwa eine HIV-Infektion, zuläßt, die der Patient geheimhalten möchte. Es ist aber auch denkbar und angesichts der modernen Möglichkeiten der Biotechnologie in zunehmendem Maße wahrscheinlich, daß Körpersubstanzen einen wirtschaftlichen Wert aufweisen. So wurden im kalifornischen Moore-Fall5 einem Patienten im Zuge eines indizierten und von seiner Einwilligung gedeckten ärztlichen Eingriffs Zellen entnommen, aus denen ohne Wissen des Patienten eine Zellinie entwickelt und zum Patent angemeldet wurde. Welches Recht des Patienten betroffen war, welche Konsequenzen in diesem Fall Mängel oder das völlige Fehlen der Einwilligung im Hinblick auf Schadensersatzansprüche und den Bestand des Patents haben und ob der Patient seine Zellen hätte wirtschaftlich verwerten können, indem er seine Einwilligung von einer Gegenleistung abhängig gemacht hätte, ist im deutschen Recht bisher weitgehend ungeklärt. Schließlich sind nicht nur Ärzte und medizinisches Personal mögliche Einwilligungsempfänger. Für Beispiele eines auf einer Einwilligung beruhenden nicht-ärztlichen Eingriffs in die körperliche Integrität brauchen nicht erst sado-masochistische Praktiken bemüht zu werden, bei denen unklar ist, in welchem Ausmaß sie durch eine Einwilligung gerechtfertigt werden können. Vielmehr werden zahlreiche mehr oder weniger alltägliche kosmetische Eingriffe von anderen Personen als Ärzten durchgeführt. Schon das Haareschnei5 John Moorev. Rptr. 146 (1990).

The Regents of tbe University

of California

et al., 793 P.2d476,271 Cal.

II. Die Einwilligung

im Bereich

absoluter

Rechte

und

Rechtsgüter

15

den ist wohl ein Eingriff in die körperliche Integrität, der nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig ist 6 . Deutlicher wird der körperliche Eingriff bei der Tätowierung oder beim Piercing. Diese Eingriffe sind für die Dogmatik der Einwilligung interessant, weil hier ausschließlich die Selbstbestimmung des Betroffenen Basis der Rechtfertigung sein kann und weil Fragen des ärztlichen Standesrechts außer Betracht bleiben. Schwierigkeiten anderer Art entstehen, wenn der Geschädigte dem Schädiger ein riskantes Verhalten erlaubt oder sich einem solchen zumindest ausgesetzt hat. Beispiele sind Sportverletzungen und Schädigungen bei riskanten Autofahrten. Die Auffassung des Reichsgerichts, das in seiner späteren Rechtsprechung diese Fälle des „Handelns auf eigene Gefahr" vorübergehend unter den Begriff der Einwilligung subsumierte, gilt inzwischen als überholt. Nach wie vor ist die Abgrenzung der Einwilligung vom „Handeln auf eigene Gefahr" jedoch von Zweifeln umgeben. Grenzfälle sind Sportarten, die wie der Boxsport zwangsläufig mit einer Körperverletzung verbunden sind, aber auch Erlaubnisse zu einem riskanten Verhalten, die ausdrücklich und im vollen Bewußtsein des Risikos ausgesprochen werden. Paradebeispiel für die letztgenannte Konstellation ist der ärztliche Heileingriff, da zu rechtlichen Streitigkeiten in aller Regel nicht der Eintritt der sicheren Folgen, sondern die Realisierung aufklärungsbedürftiger Risiken Anlaß gibt. Es wird zu klären sein, ob es eine „Risikoeinwilligung" gibt oder ob die Zustimmung des Patienten zum ärztlichen Heileingriff in Wirklichkeit keine Einwilligung, sondern zumindest teilweise ein „Handeln auf eigene Gefahr" darstellt. c) Freiheit Wäre der Begriff „Freiheit" in § 823 I BGB weit im Sinne von „Handlungsfreiheit" zu verstehen, so müßte eine Theorie der Einwilligung hier ansetzen. Die Rechtsfigur der Einwilligung ermöglicht dem Rechtsinhaber Dispositionen im Bereich seiner Rechte, sie ist damit Betätigung von Freiheit. Wenn allerdings in § 823 I BGB die Freiheit als absolutes Recht aufgeführt wird, so ist damit nicht die allgemeine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, sondern nur die körperliche Fortbewegungsfreiheit gemeint. Dieses Begriffsverständnis, das in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des BGB noch umstritten war 7 , ist inzwischen ganz herrschend 8 . Legt man diese enge Definition 6 Vgl. BGH NJW 1953,1140 (zu § 223 StGB); AG Köln NJW-RR 2001,1675 (mißlungene Dauerwellenbehandlung); Fikentscher SchK, Rz. 1207-, Staudinger/Hager, Rz. B 8 zu § 823; Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (46: Mitwirken als Versuchsperson beim „Preisrasieren auf dem Fest der Friseure" als Beispiel einer Einwilligung); einschränkend allerdings BVerwG NJW 1972, 1726; MüKo/Mertens, Rz. 73 mit Fußn. 107 zu § 823. 7 Vgl. die Nachweise bei Wolf, FS von Hippel, S. 665 (683); Leinemann, S. 59 ff. 8 Vgl. MüKo/Mertens, Rz. 82 zu § 823; Larenz/Canaris SchR II/2, § 76 II 2 a (S. 385); Fraenkel, S. 165 ff.; a. A. Wolf, FS von Hippel, S. 665 (683 ff.); Leinemann, S. 97 ff.

16

§ 2 Die Problemkreise

im

Überblick

zugrunde, so ist die Einwilligung von geringer praktischer Bedeutung. Wenn einer Person rechtmäßig die Bewegungsfreiheit entzogen wird, so geschieht dies meist aufgrund hoheitlicher Eingriffsbefugnisse, etwa im Rahmen des Strafvollzugs oder der Unterbringung psychisch Kranker9. Dementsprechend wird die Einwilligung zu Freiheitsbeschränkungen in der Literatur allenfalls am Rande behandelt. Auch in der Rechtsprechung finden sich kaum Fälle, die zur Erörterung von Fragen der Einwilligung Anlaß gegeben hätten. Dennoch wirft die Einwilligung in Freiheitsbeschränkungen interessante Fragen auf, etwa, ob die Einwilligung selbständig neben anderen Rechtfertigungsgründen steht, die eine Freiheitsentziehung nur unter bestimmten Verfahrens- und materiellrechtlichen Voraussetzungen zulassen. 2. Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

Die Persönlichkeitsrechte haben im deutschen Privatrecht nur eine fragmentarische Regelung erfahren. Während das allgemeine Persönlichkeitsrecht erst in der Rechtsprechung des B G H anerkannt wurde, hat der Gesetzgeber einige spezielle Persönlichkeitsinteressen zum Gegenstand abgegrenzter gesetzlicher Tatbestände gemacht. Einige dieser Tatbestände verwenden, wie oben gesehen, den Begriff der „Einwilligung". § 22 KUG schützt das Recht am eigenen Bild. Es wird verletzt, wenn das Bildnis einer Person ohne deren Einwilligung veröffentlicht oder verbreitet wird. Mit der Einwilligung nach § 22 KUG hat sich die Rechtsprechung wiederholt befaßt. Ein typischer Konfliktfall besteht darin, daß das Bild in einem Kontext veröffentlicht wird, der von dem abgesprochenen abweicht, etwa durch unerlaubte Verwendung in der Werbung10. Auch über die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger hatten die Gerichte verschiedentlich zu entscheiden, wobei sich die Veröffentlichung von Nacktfotos als besonders konfliktträchtig erwiesen hat11. Vor allem wird die Einwilligung gemäß § 22, 1 KUG häufig um einer Gegenleistung willen erteilt, gemäß § 22,2 KUG wird die Einwilligung in diesem Fall sogar vermutet. Das Recht am eigenen Bild wird also kommerziell genutzt. Während die Rechtswissenschaft Persönlichkeitsrechte lange für unübertragbar hielt12 und nach wie vor zweifelt, ob es „Persönlichkeitsrechte in Lizenz" 13 geben darf, werden in der Praxis längst 9 Die Unterbringung wird im Verfahren nach § 70 ff. F G G vom Vormundschaftsgericht angeordnet, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die im Unterbringungsgesetz des betreffenden Bundeslandes geregelt sind, vgl. etwa Art. 1 des bayerischen Unterbringungsgesetzes. 10 Beispiele: B G H Z 20, 345 - „Paul Dahlke"; O L G Frankfurt G R U R 1986, 614 „Ferienprospekt". 11 Beispiele: B G H G R U R 1975, 561 - „Nacktaufnahmen"; O L G Karlsruhe FamRZ 1983, 742 m. Anm. Bosch. 12 Vgl. allerdings nunmehr B G H Z 143, 214, ausführlich zu dieser Frage unten, § 8 II 3. 13 Vgl. Ulimann, Persönlichkeitsrechte in Lizenz?, AfP 1999, 209ff.

II. Die Einwilligung im Bereich absoluter Rechte und Rechtsgüter

17

Verwertungsverträge über Persönlichkeitsaspekte geschlossen 14 . Für die Einwilligungslehre stellt dieser Umstand eine Herausforderung dar, der sie sich auf dreierlei Weise stellen kann. Wer die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten mißbilligt, wird gerade die widerrufliche Einwilligung nach medizinrechtlichem Vorbild für die einzig mögliche Form der Disposition über Persönlichkeitsrechte halten. Wer hingegen bindende Nutzungsgestattungen für möglich hält, wird erwägen, die „schwache" Einwilligung durch Elemente der Lizenz anzureichern. Ein dritter Weg besteht darin, zwischen der Einwilligung und bindenden Gestattungen wie der schuldvertraglichen Gestattung oder der konstitutiven, „gebundenen" Rechtsübertragung zu differenzieren. Bei Dispositionen über das Namensrecht ( § 1 2 BGB) werden die Interessen des Namensträgers von allgemeinen Ordnungsgesichtspunkten überlagert: Es besteht ein öffentliches Interesse an der korrekten Identifizierung von Personen, Geschäftsbetrieben und Waren. Aus diesem Grund kann der Namensträger einer anderen Person die Annahme seines Namens als bürgerlichen Namen nur in bestimmten familienrechtlich geregelten Ausnahmefällen wirksam gestatten. Im gewerblichen Bereich ist mit einem Namen oder einem Kennzeichen allerdings oft ein wirtschaftlicher Wert, ein „Goodwill", verbunden, der in bestimmtem Ausmaß der Nutzung zugänglich ist. § 22 HGB erlaubt die Fortführung der Firma durch den Erwerber des Geschäftsbetriebs, wenn der bisherige Geschäftsinhaber einwilligt; vergleichbare Vorschriften enthalten die §§ 24 II HGB, 18 II, 200 III UmwG. Hier wird zu untersuchen sein, welche rechtlichen Gestaltungen sich hinter dem Begriff der „Einwilligung" verbergen. Ahnliche Fragen wie bei der kommerziellen Verwertung von Bildnissen stellen sich, wenn der Name einer bekannten Persönlichkeit oder - wie in der Universitätsemblem-Entscheidung des BGH 15 - das Kennzeichen einer Körperschaft kommerziell verwertet werden soll. Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist Teil des einheitlichen Urheberrechts, das zugleich die wirtschaftlichen und die ideellen Interessen des Urhebers schützt ( § 1 1 UrhG). Als einzelne Ausprägungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nennt das Gesetz in erster Linie das Veröffentlichungsrecht ( § 1 2 UrhG), das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft ( § 1 3 UrhG) und das Recht, Entstellungen des Werks zu verbieten ( § 1 4 UrhG), weitere urheberrechtliche Bestimmungen weisen zumindest persönlichkeitsrechtliche Züge auf. Während das Urheberrechtsgesetz die Einräumung von Nutzungsrechten im einzelnen regelt, herrscht Unklarheit darüber, welchen Dispositionen das Urheberpersönlichkeitsrecht zugänglich ist 16 . Auch hier wird zu fragen 14 Beispiel: BGH G R U R 1987,128 - „NENA" (Übertragung „sämtlicher kommerziell verwertbarer Rechte" durch „Merchandising-Sponsor-Promotion-Vertrag"). 15 BGHZ 119,237. 16 Eine gesetzliche Regelung strebte der von Dietz, Loewenheim, Nordemann, Schricker und Vogel vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von

18

§ 2 Die Problemkreise

im Überblick

sein, ob neben der Einwilligung weitere rechtsgeschäftliche Gestaltungen, etwa ein Verzicht auf die Urhebernennung oder eine bindende Gestattung zu einer weitgehenden Umgestaltung des Werks, in Betracht kommen. Zudem ist nach verbreiteter Ansicht ein „Kernbereich" des Urheberpersönlichkeitsrechts jeder Disposition entzogen, es besteht also eine objektive Einwilligungsschranke. Daher ist etwa umstritten, ob ein Autor eine Verfilmung seines Romans erlauben kann, die das Werk völlig entstellt 17 . Einwilligungsschranken beschränken hier wie überall die Entscheidungsfreiheit, sie bedürfen daher der Rechtfertigung. Besondere Persönlichkeitsrechte können sich im Laufe der Zeit vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht abspalten. Ein Beispiel ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vom BVerfG im Volkszählungs-Urteil18 anerkannt und mittlerweile in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder ausgestaltet wurde. Zwar handelt es sich beim Datenschutzrecht primär um eine öffentlich-rechtliche Materie, doch gelten die Datenschutzgesetze auch für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Private (§ 1 II BDSG). Gemäß § 4 I BDSG ist sie entweder zulässig, wenn das Gesetz sie ausdrücklich erlaubt oder wenn der Betroffene einwilligt. Die Einwilligung wird häufig im Zusammenhang mit dem Abschluß von Kredit- oder Versicherungsverträgen erklärt. Dabei besteht das Problem der Scheinfreiwilligkeit: Dem Kredit- oder Versicherungsnehmer bleibt oft keine andere Wahl als die Einwilligung zu erteilen. Die Kontrolle dieser Einwilligungserklärungen nach den §§ 305 ff. BGB (dem früheren A G B G ) und § 138 BGB bedarf besonderer Aufmerksamkeit 1 9 . Ein weiterer typischer Konfliktfall entsteht bei der Abtretung ärztlicher oder anwaltlicher Honorarforderungen 2 0 oder der Übernahme einer Arztpraxis oder Anwaltskanzlei 2 1 ; hier fragt sich, welche Anforderungen an die Einwilligung der Patienten bzw. Mandanten in die Ubergabe ihrer persönlichen Informationen zu stellen sind. Im Gegensatz zu den besonderen Persönlichkeitsrechten hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht keine gesetzliche Regelung erfahren. Dennoch haben sich in der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen Tatbestände gebildet, innerhalb derer ebenfalls der Einwilligung der Person unrechtsausschließende Urhebern und ausübenden Künstlern, abgedr. in GRUR 2000, 765, an, s. dort § 39. In der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058, die vom Bundestag am 25.1.2002 angenommen wurde, wurde allerdings die frühere Fassung des § 39 beibehalten. Näher zur Reform des Urhebervertragsrechts unten, § 10 III 3. 17 Beispiel: OLG München GRUR 1986, 460 - „Die unendliche Geschichte". 18 BVerfGE 65, 1. 19 Beispiel: BGHZ 95, 362 (Unzulässigkeit der früheren „Schufa-Klausel") 20 Beispiele: BGHZ 115, 123 (ärztliche Honorarforderung); BGHZ 122, 115 (anwaltliche Honorarforderung). 21 Beispiel: BGHZ 116, 268 (Übergabe einer Patientenkartei bei Veräußerung einer Arztpraxis).

II. Die Einwilligung

im Bereich absoluter

Rechte und

Rechtsgüter

19

Wirkung zukommt. Dabei kann der Übergang zu den besonderen Persönlichkeitsrechten fließend sein. So wird die unerlaubte Aufnahme eines Bildes nicht von § 22 K U G erfaßt, sie verstößt aber gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Für die Einwilligung ergeben sich dieselben Fragen wie im Rahmen des Rechts am eigenen Bild. Auch das Verbot bestimmter Eingriffe in die Privatsphäre, etwa der Briefkasten- oder Telefonwerbung, hat inzwischen in der Rechtsprechung eine weitgehende tatbestandliche Verfestigung erfahren 22 . Dabei zeigt sich, daß zwischen „Einwilligungs-" und „Widerspruchsrechten" ein Stufenverhältnis besteht. So ist die Telefonwerbung nur mit Einwilligung des Beworbenen erlaubt, für die Briefkastenwerbung gilt hingegen eine Erlaubnis mit Widerspruchsvorbehalt. Ebenso wie im Bereich der besonderen Persönlichkeitsrechte sind auch Dispositionen über das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos möglich, vor allem die Menschenwürde gilt als unverzichtbar. Damit ist problematisch, ob eine Einwilligung in „menschenunwürdige" Eingriffe unwirksam ist und wo die Grenze verläuft. Ein derzeit kontrovers diskutiertes Beispiel bietet die Fernsehserie „Big Brother", deren Teilnehmer in eine ununterbrochene Beobachtung durch Fernsehkameras einwilligen. Verschiedene Verhaltensweisen, die ohne Einwilligung der Person deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzten, sind mit dieser Einwilligung sozialüblich. Schon die Aufnahme eines Fotos auf einer privaten Feier 23 ist ein Beispiel, besonders deutlich tritt dieser Umstand beim Schutz der sexuellen Selbstbestimmung hervor. Strafrechtliche Tatbestände tragen dem dadurch Rechnung, daß tatbestandliches Unrecht nur gegen den Willen des Opfers begangen werden kann. Daher unterscheidet die herrschende Meinung im Strafrecht zwischen dem tatbestandsausschließenden Einverständnis und der rechtfertigenden Einwilligung. O b diese Unterscheidung auch im Privatrecht vorgenommen werden muß, ist völlig ungeklärt.

3. Rechte an Sachen und

Immaterialgütern

Das Eigentum gewährt seinem Inhaber das Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903 B G B ) . Die Annahme liegt also nahe, daß Einwilligungen im Bereich des Eigentums eine alltägliche Erscheinung darstellen. Ein Blick auf die juristische Praxis zeigt das Gegenteil. Einschlägige Gerichtsentscheidungen sind selten; Gesamtdarstellungen der Einwilligung beziehen ihre Beispiele fast ausschließlich aus den Bereichen der körperlichen Integrität und der Persönlichkeitsrechte; in Lehrbüchern des Sachenrechts taucht der Begriff „Ein22 Beispiele: B G H Z 60, 296 (Briefkastenwerbung); B G H Z 141, 124 (Einwilligung in Telefonwerbung in A G B einer Bank). 23 Beispiel: L G Oldenburg G R U R 1988, 694 „Grillfest".

20

5 2 Die Problemkreise

im

Überblick

willigung" nicht einmal im Stichwortverzeichnis auf. Der Grund für diesen zunächst erstaunlichen empirischen Befund erschließt sich bei einem Blick auf die Fülle von Rechtsinstituten, die das B G B einem Eigentümer zur Verfügung stellt, der anderen Personen gegenüber eine Disposition über eine seiner Sachen mit rechtlicher Wirkung treffen möchte: Er kann dingliche Berechtigungen einräumen und schuldrechtliche Nutzungsverträge schließen. Gestattet der Eigentümer die Wegnahme der Sache, so kann dies im Zusammenhang mit einer Ubereignung, der Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs, aber auch in Erfüllung eines Miet- oder Leihvertrags geschehen. Auch tatsächliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 1004 BGB, die nicht mit einer Besitzaufgabe verbunden sind, wird der Eigentümer oft vertraglich gestatten, sei es durch Bestellung einer Dienstbarkeit, sei es durch einen schuldrechtlichen Nutzungsvertrag. Diesen Gestaltungen wohnt ein Einwilligungselement inne, doch werden sie üblicherweise nicht zu dem vorwiegend deliktsrechtlich geprägten Institut der Einwilligung in Beziehung gesetzt. Anders als im Bereich der körperlichen Integrität und der Freiheit sind auf dem Gebiet des Eigentums die Grenzen der Dispositionsmöglichkeit unproblematisch. Statt dessen stellt sich einer Theorie der Einwilligung die Aufgabe, das Verhältnis der Einwilligung zu den genannten Verpflichtungsund Verfügungsgeschäften zu bestimmen. Dem Besitzer stehen gegen die Besitzentziehung und -Störung, die ohne seinen Willen erfolgt, possessorische Abwehransprüche zu (§§ 861, 862,1007 BGB). Während die rechtfertigende Einwilligung nach herrschender Ansicht zumindest eine weitgehende Ähnlichkeit zu Rechtsgeschäften aufweist, genügt für die Zustimmung des Besitzers nach verbreiteter Ansicht der natürliche Wille. Es fragt sich, ob es sich dabei um einen Ausnahmefall handelt, der durch die besondere Stellung des Besitzes zwischen subjektivem Recht und faktischem Gewaltverhältnis begründet ist, oder ob das Einverständnis im Sinne des § 858 B G B möglicherweise einen verallgemeinerungsfähigen Typus darstellt. Immaterialgüterrechte unterscheiden sich vom Eigentum darin, daß sie sich nicht auf eine Sache, sondern auf einen unkörperlichen Gegenstand, etwa eine Erfindung, ein Kennzeichen oder ein Geisteswerk beziehen. Andererseits besteht eine Ähnlichkeit zum Sacheigentum darin, daß sie ihrem Inhaber ein absolutes, wenn auch regelmäßig ein zeitlich begrenztes Ausschlußrecht verleihen. Ähnlich wie der Eigentümer kann auch der Inhaber eines Immaterialgüterrechts verschiedenartige Dispositionen vornehmen. Die gewerblichen Schutzrechte sind frei übertragbar und durch ausschließliche und einfache Lizenzen verwertbar. Zwar ist die Übertragung des Urheberrechts inter vivos wegen seines persönlichkeitsrechtlichen Einschlags gemäß § 29 I UrhG nicht möglich, doch kann auch der Urheber ausschließliche und einfache Nutzungsrechte einräumen. Das Verhältnis der Einwilligung zu Lizenzen und

III. Die Einwilligung

im übrigen

Deliktsrecht

21

Nutzungsrechten ist ungeklärt: Sie kann entweder aus deliktsrechtlicher Perspektive Oberbegriff für sämtliche Gestattungen oder als schwächste Form der Disposition unterhalb der einfachen Lizenz bzw. des einfachen Nutzungsrecht einzuordnen sein.

III. Die Einwilligung im übrigen Deliktsrecht In Rechtsprechung und Literatur zu § 823 II B G B wird die Einwilligung selten erörtert. Sofern das Schutzgesetz die Herbeiführung eines Erfolges im ausschließlichen Interesse des Einwilligenden verbietet, so ist kein Grund ersichtlich, warum eine Einwilligung nicht wirksam sein sollte. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob auch von spezialgesetzlich aufgestellten Verhaltenspflichten ein Dispens erteilt werden kann. Vollends ungeklärt ist, ob sich die Wirksamkeit der Einwilligung nach dem Gesetz bestimmt, dem die Schutznorm entstammt, oder ob sie autonom zivilrechtlich zu bestimmen ist. So bestehen etwa die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in erster Linie im öffentliche Interesse; § 10 IV des Gesetzes, der das Gebot der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung kodifiziert, eröffnet aber zugleich als Schutzgesetz einem Geschädigten den Schadensersatzanspruch gemäß § 823 II 24 . Gestattet ein Grundeigentümer einem anderen die umweltgefährdende Ablagerung von Abfall auf seinem Grundstück, so kann diese Erlaubnis die öffentlich-rechtliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung nicht aufheben. Denkbar ist aber, daß die Einwilligung immerhin im Zweipersonenverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem den Schadensersatzanspruch ausschließt. Entsprechende Fragestellungen können sich in verschiedenen Bereichen, etwa bei der einvernehmlichen Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen stellen. Bei Anwendung der Generalklauseln der §§ 826 B G B , 1 U W G schließt die Einwilligung regelmäßig den Sittenverstoß aus, doch stehen dabei wohl Fälle im Vordergrund, die eigentlich den Schutz subjektiver Rechte betreffen. Als Beispiel sei auf die Telefonwerbung verwiesen, die ohne die Einwilligung des Beworbenen nach ständiger Rechtsprechung gegen § 1 U W G verstößt. Kern des Verdikts der Sittenwidrigkeit ist hier, daß der Anrufer in die Privatsphäre des Angerufenen, also in seinen persönlichkeitsrechtlich geschützten Bereich, eindringt. Wenn sich der Sittenverstoß nicht auf die Verletzung eines subjektiven Rechts zurückführen läßt, so muß unter § 1 U W G die schwierige Frage beantwortet werden, ob ein wettbewerbsrechtliches Verbot zur individuellen Disposition steht oder ob eine Einwilligung aufgrund von Allgemeininteressen unwirksam ist. 24

So O L G Düsseldorf VersR 1995, 1363 (1365) für § 2 I 2 AbfG a.F.

22

§ 2 Die Problemkreise

im

Überblick

IV. Die Einwilligung im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse Weitgehend ungeklärt ist bisher, ob der Anwendungsbereich der Einwilligung auf das Recht der unerlaubten Handlungen beschränkt ist oder ob sie auch im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse die Haftung ausschließt. In diesem Zusammenhang sei zunächst erneut darauf hingewiesen, daß sich die Einwilligung des Geschädigten von der Einwilligung im Sinne des § 183 B G B unterscheidet und daß die Verwendung des gleichen Begriffs für unterschiedliche Rechtsinstitute, die sich bereits im ersten Entwurf zum B G B findet 25 , als unglücklich zu bedauern ist. Nach dieser Klarstellung verbleiben zunächst Fälle, in denen der Vertrag tatsächliche Handlungen im Schutzbereich subjektiver Rechte zum Gegenstand hat, wie es etwa beim medizinischen Behandlungsvertrag der Fall ist. Das Verhältnis zwischen Einwilligung und Vertrag in Fällen dieser Art wird zu erörtern sein. Für die rechtstatsächliche Bestandsaufnahme ist aber zu vermerken, daß der Rechtsinhaber keineswegs einen Dispens von der Befolgung vertraglicher Pflichten erteilt. Die Einwilligung wirkt hier nicht rechtfertigend, vielmehr ist für den Eingreifenden die Einholung der Einwilligung Vertragserfüllung. Davon abgesehen kann der Gläubiger seinem Vertragspartner aber selbstverständlich erlauben, vom vorher vertraglich Vereinbarten abzuweichen, so daß dessen der Erlaubnis entsprechendes Verhalten anschließend nicht mehr als Pflichtverletzung im Sinne des § 280 I 1 B G B anzusehen ist. Allerdings wird es sich dabei dogmatisch meist nicht um eine einseitige Einwilligung, sondern vielmehr um einen Erlaß vertrag (§ 397 B G B ) oder einen Änderungsvertrag handeln. Wie sich diese Rechtsinstitute von der Einwilligung unterscheiden und ob sie noch einen Anwendungsbereich für die Einwilligung im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse belassen, wird zu klären sein. Immerhin lassen sich im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen Erlaubnisse denken, die dem Schuldner für einen Ausnahmefall die Abweichung von der vertraglichen Verpflichtung gestatten: Wer sich vom Nachbarn vertraglich versprechen läßt, daß dieser zu Hause nicht Trompete bläst, kann ihm sicherlich ein einzelnes Ständchen erlauben. Möglicherweise erteilt der Gläubiger dem Trompeter damit eine Einwilligung. Auch abgesehen von dieser Konstellation gibt es im Schuldrecht Bestimmungen, nach denen eine einseitige Erklärung des Gläubigers dazu führt, daß er Abwehransprüche verliert. Im Miet- und Werkvertragsrecht (§§ 536 b, 640 II B G B ) , nach früherem Recht auch beim Kauf (§ 464 B G B a.F.), führt die vorbehaltlose Annahme trotz Mangelkenntnis zum Verlust sämtlicher Mängelrechte. Die Billigung des Käufers beim Kauf auf Probe gem. § 454 I B G B 25

Näher hierzu unten, § 3 III 3.

V. Typologie der

Einwilligungen

23

(§ 495 I BGB a.F.) führt als einseitige Erklärung zur Wirksamkeit des Kaufvertrags. Besonders die Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung gemäß § 540 I BGB erinnert an die Einwilligung. Gesetzliche Wettbewerbsverbote, wie sie etwa in §§ 60 I, 112 I H G B , 88 I AktG aufgestellt sind, entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn der Berechtigte nicht in die Aufnahme der Konkurrenztätigkeit einwilligt. Im Rahmen einer Rechtsgemeinschaft oder einer Gesellschaft kann die Zustimmung eines Teilhabers oder Gesellschafters eine Maßnahme der Verwaltung oder Geschäftsführung legitimieren; gemäß § 744 II BGB hat der Teilhaber, der eine notwendige Erhaltungsmaßnahme vornimmt, gegen die anderen Teilhaber einen Anspruch auf Erteilung ihrer Einwilligung. Die in diesen Vorschriften genannten Erklärungen weisen zumindest eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit der Einwilligung auf, der nachzugehen sein wird.

V. Typologie der Einwilligungen Diese kursorische Bestandsaufnahme hat die außerordentliche Vielfalt möglicher Einwilligungskonstellationen ergeben. Es liegt auf der Hand, daß in zahlreichen Fällen die Einwilligung von verwandten Rechtsinstituten abzugrenzen sein wird. Darüber hinaus muß aber die skeptische Frage gestellt werden, ob es die Einwilligung überhaupt gibt, oder ob es sich nicht lediglich um einen vagen Oberbegriff ohne eindeutigen normativen Gehalt handelt, hinter dem sich verschiedenste Rechtsfiguren verbergen. Vorläufig können verschiedene Typen der Einwilligung unterschieden werden. Eine wesentliche Trennungslinie verläuft zwischen Einwilligungen, die höchstpersönliche Angelegenheiten betreffen, und Einwilligungen mit vermögensrechtlicher Bedeutung. Während letztere in einer gewissen Beziehung zu stärkeren Formen der rechtsgeschäftlichen Nutzungsgestattung stehen, scheinen sich erstere der Rechtsgeschäftslehre zu entziehen. Allerdings verschwimmen beide Typen im Bereich der Persönlichkeitsrechte. Hier werden Einwilligungen zur N u t z u n g von Persönlichkeitsaspekten zu kommerziellen Zwecken erteilt. Im folgenden Text soll diepersönlichkeitsrechtliche Einwilligung der vermögensrechtlichen Einwilligung in dem Bewußtsein gegenübergestellt werden, daß sich beide Typen überlappen können. Die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Kategorien stellen eine Herausforderung für eine Arbeit dar, die das Anliegen verfolgt, eine einheitliche Theorie der Einwilligung zu entwickeln. Es wird zu prüfen sein, ob die Zusammenfassung beider Typen in einem gemeinsamen Rechtsinstitut überhaupt sinnvoll ist. Immerhin lassen sich weitere Unterscheidungen vornehmen, die sowohl für den höchstpersönlichen als auch für den vermögensrechtlichen Bereich Bedeutung haben. So läßt sich selbst im persönlichkeitsrechtlichen Bereich

24

§ 2 Die Problemkreise

im

Überblick

zwischen eigennützigen und fremdnützigen Einwilligungen differenzieren. Erstere erteilt der Einwilligende, weil er sich vom Eingriff unmittelbar einen Vorteil verspricht, letztere dient primär dem Interesse des Einwilligungsempfängers. Der Einwilligende erteilt sie aus altruistischen Gründen oder setzt das betroffene Rechtsgut als Tauschobjekt ein und erhält für seine Einwilligung eine Gegenleistung. Außerdem können sich vermögensrechtliche wie persönlichkeitsbezogene Einwilligungen auf einen einmaligen oder auf einen fortdauernden Eingriff beziehen. Dieser Unterschied wird bei der Beurteilung eines Widerrufs Bedeutung erlangen. Weitere Differenzierungen stellen möglicherweise nur scheinbar verschiedene Typen der Einwilligung einander gegenüber, während in Wirklichkeit eine der beiden Gruppen einer anderen Rechtsfigur zuzuordnen oder als eigenständiges Rechtsinstitut von der Einwilligung zu unterscheiden ist. Erstens kann sich die Einwilligung auf einen Erfolg oder auf eine Handlung oder auf beides beziehen. Wird nur die Handlung erlaubt, bleibt der Erfolg dem Einwilligenden aber unerwünscht, so kann es um ein Handeln auf eigene Gefahr gehen. Abgrenzungsprobleme zwischen beiden Rechtsfiguren entstehen dabei vor allem, wenn die betreffende Handlung ausdrücklich und im Bewußtsein der unerwünschten Folgen gestattet wird. Zweitens kann die Einwilligung widerruflich oder unwiderruflich erteilt werden. Dabei wird aber zu klären sein, wie sich die unwiderrufliche Einwilligung zur Rechtsübertragung, zum Verzicht und zu schuldrechtlichen Nutzungsverträgen wie Miete oder Lizenz verhält. Drittens kann die Einwilligung ausdrücklich oder konkludent erteilt werden, wobei sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen konkludenter und mutmaßlicher Einwilligung stellen wird. Schließlich sind eine vorherige und eine nachträgliche Einwilligung theoretisch denkbar, da § 183 B G B , der die Einwilligung als vorherige Zustimmung definiert, wie gesehen einen anderen Fall regelt. Doch ist fraglich, ob die nachträgliche Einwilligung nicht in Wirklichkeit als Verzicht auf Schadensersatzansprüche von der Einwilligung zu unterscheiden ist. Zahlreiche der hier aufgeworfenen Fragen berühren die dogmatische Erfassung der Einwilligung und ihre Abgrenzung von verwandten Rechtsinstituten, um die es im zweiten Teil dieser Arbeit gehen wird. Im Anschluß daran wird in § 10 Gelegenheit dazu bestehen, auf die soeben dargestellten Phänomene zurückzukommen und sie in die Einwilligungslehre einzuordnen. Zuvor soll aber die Bestandsaufnahme mit einem historischen Uberblick fortgesetzt werden.

§ 3 Die historische Entwicklung bis 1900 I. Die Maxime „volenti non fit iniuria" im römischen Recht Die historischen Wurzeln der Einwilligung reichen bis ins römische Recht zurück. D e r Satz „volenti non fit iniuria" ist die sprichwörtliche U m f o r m u lierung eines Satzes, der sich bei Ulpian in der folgenden Passage findet: „Usque adeo autem iniuria, quae fit liberis nostris, nostrum pudorem pertingit, ut, etiam si volentem filium quis vendiderit, patri suo quidem nomine competat iniuriarum actio; filio vero nomine non competit, quia nulla iniuria est, quae in volentem fiat."1 Allerdings wäre es ein Mißverständnis, diese Digestenstelle als Ausdruck eines generellen Prinzips anzusehen. D e r Begriff „iniuria" steht nämlich hier keineswegs für das Unrecht im allgemeinen, sondern für ein bestimmtes D e likt, eine Art der Persönlichkeitsverletzung. Regelte noch das Zwölftafelgesetz nur bestimmte, schwerwiegende Fälle der „iniuria" wie erhebliche Körperverletzungen und die öffentliche Schmähung, so umfaßte der Tatbestand in späterer Zeit jede bewußte Mißachtung der fremden Persönlichkeit 2 . Gegenstand der zitierten Stelle ist weniger die Funktion der Einwilligung als vielmehr die Frage, wann eine Verletzung der Ehre des Sohnes auch die Ehre des Vaters betrifft 3 . D i e rechtfertigende Wirkung der Einwilligung wird nur beiläufig erwähnt und offenbar als selbstverständlich angesehen 4 . Ein einheitliches dogmatisches Prinzip liegt dem nicht zugrunde. Vielmehr hat Pernice gezeigt, daß die Quellen nur verschiedene Einzelfälle erwähnen, in denen die Nichthaftung gegenüber dem Einwilligenden in recht unterschiedlicher Weise begründet wurde 5 . Auch nach der Einschätzung Käsers wurde die Einwilligung des Verletzten dogmatisch nicht näher erfaßt 6 . 1 Ulp. D.47.10.1.5, Übersetzung bei Otto / Schilling/ Sintenis: „Unseren Kindern widerfahrene Iniurien berühren unsere Ehre sogar soweit, daß, wenn jemand einen Sohn mit seinem Willen verkauft hat, seinem Vater im eigenen Namen eine Iniurienklage zusteht, namens des Sohnes aber nicht, weil jemandem mit seinem Willen keine Iniurie widerfährt." 2 Vgl. Käser, § 145 II (S. 624)-,Jörs/Kunkel/Wenger, § 1591 (S. 258 f.); Herrmann, S. 9 ff. 3 Vgl. v. Savigny, System II, § 73 (S. 122); Puchta,% 387 (S. 558), bei denen die zitierte Stelle überhaupt nur unter diesem Aspekt erwähnt wird. 4 Vgl. Pernice, § 5 III (S. 85). 5 A.a.O., § 5 (S. 82ff.). 6 Käser, § 118 II 5 (S. 505).

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5 3 Die historische

Entwicklung

bis 1900

Gerade angesichts der Beiläufigkeit, mit der in der zitierten Stelle die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung erwähnt wird, ist interessant, daß sie sich auf eine Disposition bezieht, die nach heutigem Rechtsverständnis ausgeschlossen wäre: Es geht um den Verkauf eines Sohnes. Bekanntlich konnten nach römischem Recht Menschen Gegenstand von Eigentumsrechten und von Rechtsgeschäften sein. Nicht nur Sklaven konnten verkauft werden. Ein Vater hatte auch die Möglichkeit, einen Sohn durch eine mancipatio an einen anderen zu veräußern; im Haushalt des Erwerbers hatte der Sohn eine sklavenähnliche Stellung7. Bezogen auf die Einwilligung zeigt das Zitat, daß offenbar auch die Freiheit selbst disponibel war8, denn der Einwilligung des Sohnes in seinen eigenen Verkauf wird rechtliche Wirkung beigemessen. An anderer Stelle erwähnt Marcian als möglichen Entstehungsgrund von Eigentum an einer Person den Fall, daß sich ein Volljähriger selbst in die Sklaverei verkauft, um am Kaufpreis teilzuhaben9. Außer der Freiheit war wohl auch im Bereich anderer höchstpersönlicher Rechtsgüter, namentlich der körperlichen Integrität und des Lebens, die Erteilung einer wirksamen Einwilligung möglich. Nach der Philosophie der Stoa war die Selbsttötung keineswegs immer verwerflich, im Gegenteil wurde sie in bestimmten Situationen als tugendhaft angesehen. Angesichts dieser Haltung zum Suizid ist es nur konsequent, wenn Seneca den Sklaven rühmt, der seinen Herren in auswegloser Situation auf dessen Verlangen hin tötet10. Zwar ist unter Romanisten umstritten, ob die Tötung eines Einwilligenden nach römischem Recht erlaubt war11, doch ist kein entsprechendes Verbot überliefert und der philosophische Hintergrund spricht dagegen, daß ein solches existierte.

II. Naturrecht und deutscher Idealismus Weder im Naturrecht noch in der Rechtsphilosophie Kants und Hegels wird der Grundsatz „volenti non fit iniuria" näher erörtert. Zwar handelt es sich nicht nur um einen Rechtssatz, sondern zugleich um ein grundlegendes Gerechtigkeitsprinzip12, doch offenbar erschien es nicht nur Schopenhauer „selbstevident" l3 . Zudem gaben die überlieferten Quellen des römischen Rechts, wie gesehen, keinen Anstoß zu einer näheren Beschäftigung mit der Einwilligung. 7 Vgl. Käser, § 16 III (S. 69). Nach dem Zwölftafelgesetz, XII T.4,2 verlor ein Vater endgültig die väterliche Gewalt, wenn er einen Sohn zum dritten Mal verkaufte, vgl. Käser, a.a.O., S. 70f. 8 Vgl. Permce, § 5 IV (S. 86); a. A. aber Köstlin, S. 106. 9 Marc. D.l .5.5.; vgl. auch Ulp. D.40.12.7 und Jörs/Kunkel/Wenger, § 40, 3 c a (S. 67). 10 Seneca, De beneficiis, lib. 3, 23 ff. " Vgl. Pernice, § 5 IV (S. 88 f.); Honig, S. 2 einerseits; Köstlin, S. 106, andererseits. 12 V g l . J o e r d e n , ARSP 74 (1988) 307 (314). 13 Schopenhauer, Preisschrift über die Grundlage der Moral, § 5.

I. Die Maxime „volenti nonfit

iniuria" im römischen

Recht

27

Die großen Naturrechtsgesetzbücher enthalten keine einschlägigen Vorschriften14. Die Zeit vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert könnte in diesem historischen Uberblick also getrost ausgeklammert bleiben, wenn sich nicht in dieser Periode eine Entwicklung vollzogen hätte, die mittelbar auf die Dogmatik der Einwilligung einigen Einfluß gehabt hat: die Entstehung des subjektiv-rechtlichen Denkens im allgemeinen15 und die Differenzierung zwischen Vermögensrechten und unveräußerlichen Persönlichkeitsrechten im besonderen. Die römischen Juristen hatten sich, beeinflußt durch das Aktionensystem, nach der Einschätzung Tuhrs für das Problem des subjektiven Rechts noch nicht interessiert16. Erst im Zuge der Rezeption des römischen Rechts begann man, zwischen ius und actio zu differenzieren. Donellus unterschied bereits zwischen absoluten und relativen Rechten und teilte erstere in Rechte an der Persönlichkeit (inpersona cuiusque) und Rechte an äußeren Gegenständen (in rebus externis) auf17. Auf Thomasius, der erstmals klar die Positivität des Rechts herausarbeitete18, geht die Unterscheidung zwischen dem angeborenen Recht (ius connatum) und dem erworbenen Recht (ius acquisitum) zurück19. Während im angelsächsischen Raum das subjektive Recht vor allem im Verfassungsrecht eine erhebliche Bedeutung erlangte - Lockes Lehre von den natürlichen Rechten beeinflußte unmittelbar die Bill of Rights der USA wurde es in Deutschland zum Strukturprinzip des Privatrechts. In der praktischen Philosophie Kants wird der Zusammenhang zwischen subjektivem Recht und Freiheit deutlich: Jedem Menschen kommt a priori Autonomie zu, die Freiheit ist damit das grundlegende Menschenrecht20. Wenn aber alle Menschen nach ihrer Willkür verfahren, so kommt es notwendigerweise zu Konflikten, die wiederum die Freiheit der Betroffenen beeinträchtigen. Die 14 Das PrALR enthielt zwar im Rahmen des Deliktsrechts (I. Teil, 6. Titel) Vorschriften über das Mitverschulden (§§ 18 ff.) und ordnete die Haftung für die Verursachung einer Selbstschädigung an, doch die Einwilligung blieb unerwähnt. Allerdings bestimmte § 36, daß kein Schadensersatz verlangt werden kann, wenn der Schädiger „innerhalb der gehörigen Schranken" ein Recht ausübt. Auch das österreichische A B G B enthält Vorschriften zum Mitverschulden (§ 1304) und zur Ausübung eigener Rechte (§ 1305), außerdem wird als Rechtfertigungsgrund der Notstand (§ 1306 a) geregelt. 15 Die Entwicklung des Denkens in der Kategorie subjektiver Rechte kann im Zusammenhang dieser Arbeit nur angedeutet werden, im übrigen sei verwiesen auf Going, Das subjektive Recht und der Rechtsschutz der Persönlichkeit (1959); Fezer, Teilhabe und Verantwortung (1986); Herrmann, Der Schutz der Persönlichkeit in der Rechtslehre des 16. bis 18. Jahrhunderts (1968); Leuze, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert (1962). 16 v. Tuhr AT I, § 1 I (S. 53); vgl. auch Coing, S. 9 ff. 17 Vgl. Coing, S. 15 ff.; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 166 ff. 18 Vgl. Welzel, Naturrecht, S. 164 f. 19 Vgl. Herrmann, S. 42 f. 20 Kant, Metaphysik der Sitten, Einteilung der Rechtslehre (S. 345).

28

§ 3 Die historische

Entwicklung

bis 1900

einzelnen Freiheitsbereiche miteinander abzustimmen ist Aufgabe des Rechts. So kann Kant das Recht als den Inbegriff der Bedingungen definieren, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit vereinigt werden kann21. Dieser Gedanke stand, vermittelt durch die Rechtslehre Savignys, bei der Formulierung des § 823 I B G B Pate22. Es wird sich in dieser Arbeit zeigen, daß die Alleinzuständigkeit im Bereich eigener subjektiver Rechte und die Möglichkeit ihrer Erweiterung auf andere Personen für das Verständnis der Einwilligung von zentraler Bedeutung ist. Allerdings verlief in der neueren Privatrechtsgeschichte die Entwicklung der Vermögensrechte einerseits und der Persönlichkeitsrechte andererseits sehr unterschiedlich. Schon Kant beschränkt sich in seiner Rechtslehre auf die erworbenen Rechte. Das seiner Ansicht nach einzige angeborene Recht, nämlich das Recht der Freiheit, eigne sich nicht für eine weitere Differenzierung. Es wird daher aus der Rechtslehre verbannt und „in die Prolegomenen geworfen" 23 . Hegel unterscheidet zwischen persönlichen Rechten, worunter er Forderungsrechte gegen andere Personen versteht, und Sachenrechten24. Da sich die Person - bei Hegel ein abstraktes, der juristischen Person des modernen Zivilrechts vergleichbares Konstrukt - eine äußere Sphäre der Freiheit geben muß25, legt sie ihren Willen in Sachen und macht sie so zu den ihren26. Allerdings gebraucht Hegel in diesem Zusammenhang einen weiten Begriff der „Sache": Auch unkörperliche Gegenstände wie Erfindungen oder Kunstwerke fallen darunter27. Damit beschränkt sich Hegels Begriff vom subjektiven Privatrecht zwar auf äußere Dinge, diese aber immerhin im weitesten Sinne. Die eigentliche Ausklammerung höchstpersönlicher Interessen aus dem Begriff des subjektiven Rechts geht auf Savigny zurück. Im Anschluß an Kant sieht Savigny das subjektive Recht als Reservat der Willensherrschaft an28, beschränkt diese Theorie aber ausdrücklich auf Vermögensrechte29 und gelangt so zu einer Ökonomisierung des subjektiven Rechts 30 . AusschlaggeA.a.O., § B: Was ist Recht? (S. 337). S. Prot. II, S. 567: „(...) die Vorschriften über die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen (gehören) zu denjenigen Vorschriften, welche dazu bestimmt sind, die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren sie ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen"; vgl. dazu Larenz / Canaris SchR II/2, § 75 I 1 (S. 350: Deliktsrecht als „geradezu ein Paradigma für Kants Definition des Rechts"). 23 Kant, Metaphysik des Rechts, Einteilung der Rechtslehre (S. 346). 24 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 40. 25 A.a.O., § 4 1 . 26 A.a.O., § 4 4 . 27 A.a.O., § 4 3 . 28 v. Savigny, System I, S. 331 f. 29 A.a.O., S. 336. 30 Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 268. 21

22

I. Die Maxime

„volenti

nonfit

iniuria"

im römischen

Recht

29

bend ist dafür neben der Überlegung, ein Recht über den eigenen Körper führe zwangsläufig zur Anerkennung eines Rechts auf Selbstmord, der Gedanke, die Macht über die eigene Persönlichkeit sei von Natur gegeben und bedürfe nicht der rechtlichen Anerkennung. Diese Argumentation wirkte sich nicht nur entscheidend auf die Beratungen zum B G B aus, das Persönlichkeitsrechte weitgehend ausklammert 31 , sondern sie erschien auch den Juristen in der Zeit nach 1945 als attraktiv. In seiner Leitentscheidung zur Einwilligung, in der sich der B G H von der Rechtsgeschäftstheorie abwendet, ist der Einfluß des Savignyschen Gedankenguts unverkennbar: „Wie das R G ( . . . ) ausgeführt hat, gehören das L e b e n und die körperliche U n v e r s e h r t heit wie auch die E h r e zu den sog. Rechtsgütern, die zwar Dritten gegenüber R e c h t s schutz genießen, selbst aber nicht Gegenstand eines R e c h t s ihres Trägers sind. U b e r sie kann ein M e n s c h nicht verfügen wie über eine ihm gehörige Sache, ein ihm zustehendes dingliches R e c h t oder ein Rechtsverhältnis." 3 2

Selbst diejenigen Autoren, die Savigny in der Radikalität seiner Ansichten zum subjektiven Recht nicht folgen, unterscheiden heute üblicherweise zwischen verfügbaren und unverfügbaren Rechten. Auch diese Dichotomie bildete sich im Naturrecht heraus. Wie gesehen, hielten die römischen Juristen auch höchstpersönliche Güter wie die körperliche Integrität, sogar die Freiheit und das Leben für disponibel. Diese Auffassung hielt sich bis in die Neuzeit. Noch Grotius hielt im Einklang mit der römischen Tradition einen Vater für berechtigt, seinen Sohn zu verkaufen 33 , und war der Ansicht, ein Mensch könne sich durch Vertrag in die Sklaverei begeben 34 . Auf Pufendorf und Thomasius geht der Gedanke eines angeborenen und unveräußerlichen Menschenrechts zurück, das vor jeder menschlichen Gemeinschaft existiert 35 . Das Prinzip der Unveräußerlichkeit höchstpersönlicher Rechte erlangt eine solche kategorische Qualität, daß aus ihm auch ein absolutes Verbot der Selbsttötung folgt 36 . Für Kant verstieß die Selbsttötung gegen eine Tugendpflicht: Das Subjekt der Sittlichkeit zu vernichten sei gleichbedeutend mit der Vernichtung der Sittlichkeit ihrer Existenz nach 37 . Auch für Hegel sind die Güter, welche die Person selbst ausmachen, unveräußerlich 38 . Daraus folgt nicht nur das Verbot der Selbsttötung, auch der Verkauf in die Sklaverei oder die Entäußerung der 31 Vgl. auch Mot. II, S. 728: Es könne mit Grund bezweifelt werden, ob Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit als Rechte anzusehen seien. 32 B G H Z 29, 33 (36). 33 Grotius, D e iure belli ac pacis, lib. 2, cap. 5, § 5. 34 A . a . O . , § 2 7 . 3 5 Vgl. Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 183 ff.; Herrmann, S. 37ff., 41 ff.; Welzel, Naturrecht, S. 141 ff. 3 6 Zur Haltung der Naturrechtler sowie Kants und Hegels zur Selbsttötung vgl .Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 5 ff. m.w. N . 37 Kant, Metaphysik der Sitten, 2. Teil: Tugendlehre (S. 554 f.). 38 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 66.

30

5 3 Die historische

Entwicklung

bis 1900

Vernünftigkeit, Sittlichkeit, Moralität oder Religion sind ausgeschlossen. Allerdings differenziert Hegel zwischen der völligen Aufgabe persönlicher Rechte und der in der Zeit beschränkten Gestattung an einen anderen, besondere körperliche und geistige Geschicklichkeiten einer Person zu nutzen. Der athenäische Sklave sei Sklave gewesen, weil der ganze Umfang seiner Tätigkeit an den Herrn veräußert war 39 . Seit der Zeit des Naturrechts ist die Unveräußerlichkeit höchstpersönlicher Rechte Allgemeingut geworden. Das PrALR bestimmt ausdrücklich, niemand könne sich durch Willenserklärung zur Sklaverei oder Privatgefangenschaft verpflichten 40 . Auf den Zusammenhang zwischen der Unveräußerlichkeit persönlicher Rechte und den Schranken der Einwilligung wird unten in den §§ 5 und 14 näher einzugehen sein.

III. Rechtswissenschaft und Gesetzgebung im 19. Jahrhundert 1.

Wissenschaft

In der Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts war die Frage, ob die Einwilligung des Verletzten rechtfertigende Wirkung entfalte, Gegenstand einer umfangreichen und nicht ohne Vehemenz geführten Diskussion. Nach Honig41 wurden dabei drei Positionen vertreten. Die erste Gruppe von Autoren hielt jede Straftat primär für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Dem einzelnen sprach sie die Möglichkeit ab, durch seinen Willen öffentliche Verbote aufzuheben. Nur wo der betreffende Straftatbestand ein Handeln gegen den Willen des Verletzten zur Voraussetzung des Unrechts mache, sei der Wille des Opfers erheblich. Für die rechtfertigende Einwilligung bleibe daher kein Raum: Entweder entfalle, wie etwa bei der Wegnahme einer Sache mit Willen des Eigentümers, bereits der Tatbestand selbst, oder die Tat bleibe, wie bei der Tötung oder Körperverletzung auf Wunsch des Opfers, strafbar. Nach der Gegenposition kam dem Strafrecht in erster Linie die Aufgabe zu, subjektive Rechte zu schützen. Verzichte das Opfer auf diesen Schutz, so entfalle das Strafbedürfnis. Ausnahmen seien nur für Straftaten gegen öffentliche Interessen anzuerkennen. Die dritte und herrschende Auffassung differenzierte danach, ob die jeweilige Norm verfügbare oder unverfügbare Rechtsgüter schützte. Nur im ersteren Fall könne die Einwilligung rechtfertigen. Diese Meinung setzte sich schließlich durch. Sie fand fragmentarischen Eingang in das Strafgesetzbuch von 1871, das die Einwilligung in Tötungen für unwirksam erklärt (§ 216). Die schwierige Aufgabe, die Reichweite von Einwilligungen in Körperverletzungen zu bestimmen, überließ der Gesetzgeber 39 40 41

A.a.O., § 6 7 . I.Teil, 4. Tit., § 1 3 . Honig, S. 5 ff.

III. Rechtswissenschaft

und Gesetzgebung

im 19.

Jahrhundert

31

allerdings der Praxis und der Wissenschaft, die Vorschrift des § 228 StGB ist erheblich jüngeren Datums 42 . Im Gegensatz zur Strafrechtslehre interessierte sich die Zivilrechtswissenschaft kaum für die Einwilligung. Die großen Werke der Pandektistik sind im Deliktsrecht noch stark dem römischen Aktionendenken verhaftet. Sie be-

handeln daher einzelne Aktionen wie die actio legis aquiliae

oder die actio

iniuriarum, vernachlässigen darüber aber die allgemeine Theorie des Deliktsrechts. Während die unterschiedlichen Grade des Verschuldens gelegentlich erörtert werden, finden die Rechtfertigungsgründe häufig allenfalls in einer Fußnote Erwähnung. Dieser Umstand erklärt die spätere Polemik Zitelmanns, die Zivilrechtswissenschaft nähre sich in diesem Bereich von den Brocken, die von der Tafel des Strafrechts fielen. Gelegentlich wird auf die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung hingewiesen 43 , eine Einschränkung auf veräußerliche Rechte, wie sie sich in der Strafrechtswissenschaft durchzusetzen beginnt, findet sich kaum. Im Gegenteil betont Wächter im Hinblick auf die Folgen einer Tötung, im Zivilrecht gelte der Grundsatz „volenti non fit iniuria" uneingeschränkt 44 . Eine Spezialfrage, die bisweilen erörtert wird, betrifft die Ansprüche der Hinterbliebenen bei Tötung eines Unterhaltsverpflichteten mit dessen Einwilligung oder in einer von ihm selbst mitverantworteten Situation, namentlich dem Zweikampf. Hier ist im 19. Jahrhundert umstritten, ob das Verhalten des Getöteten den Anspruch der Unterhaltsberechtigten entfallen läßt. Während dies teilweise mit Hinweis auf das Prinzip „volenti non fit iniuria" angenommen wird 4 5 , bejaht die herrschende Ansicht einen Schadensersatzanspruch der Hinterbliebenen 46 . Die verschiedenen Lösungsansätze zeugen allerdings von einiger dogmatischer Unsicherheit. Die Unverfügbarkeit des Rechts auf Leben wird ebenso herangezogen wie der Satz, daß die Einwilligung einer Person die Rechte Dritter nicht betreffe.

2. Partikularrechtliche

Kodifikationen

und

Kodifikationsentwürfe

Fehlten noch in den großen Naturrechtsgesetzbüchern Vorschriften über die Einwilligung des Verletzten, so finden sie sich in einigen Kodifikationen und Kodifikationsentwürfen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 47 . Das Näher zu § 228 StGB unten, § 14 IV 2 a. So bei v. Wächter, Pandekten, § 85 (S. 440); Windscheid, § 455 (S. 975); Förster, § 89 (S. 545). 44 v. Wächter, AcP 23 (1840) 33 (81). 45 So v. Wächter, a. a. O. 46 RGZ 14, 254; 29, 120; Förster, § 151 (S. 501, Fußn. 7); Dernburg, §297 (S. 915, Fußn. 12). 47 Zur Bedeutung dieser Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe vgl. Wieacker, § 24 II 2, 3 (S. 463 f.). 42

43

32

§ 3 Die historische Entwicklung bis 1900

Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 enthält folgende Bestimmungen: § 118: „Wer von seinem Recht Gebrauch macht oder mit der Einwilligung des Verletzten handelt, begeht keine Rechtsverletzung." § 780: „Willigt der Verletzte in die Rechtsverletzung, so hat er keinen Anspruch auf Schadensersatz."

Mit § 780 regelt das Gesetz die Einwilligung im systematischen Zusammenhang mit der Mittäterschaft (§ 777 f.) und dem Mitverschulden (§ 781). Noch deutlicher w i r d diese gedankliche Verbindung im Dresdner Entwurf für ein Allgemeines Deutsches Obligationenrecht von 1866, dessen Art. 221 lautet: „Jeder muß den Schaden selbst tragen, welchen er sich selbst zugezogen oder welchen ihm mit seiner Einwilligung ein anderer zugefügt hat. Hat bei der Beschädigung, welche sich Jemand selbst zugezogen hat, ein Anderer mitgewirkt, so ist dieser nur so weit ersatzpflichtig, als er absichtlich einen von dem Beschädigten nicht vorhergesehenen Schaden verursachte."

Die ausführlichste Regelung der Einwilligung findet sich im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1861/1864. Hier wird die Einwilligung in Art. 55 II Nr. 5 neben Unzurechnungsfähigkeit, Irrtum und Notstand als Grund aufgeführt, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Handlung und Schuld unterbricht. Art. 59 ergänzt: „Die Einwilligung des Beschädigten hebt die Ersatzpflicht nur dann auf, wenn an der vollkommenen Freiheit, Überlegtheit und Ernstlichkeit der Einwilligung nach allen Umständen nicht gezweifelt werden kann und der Einwilligende fähig ist, über das Seinige frei zu verfügen. Die Einwilligung ist jedenfalls im eingeschränktesten Sinne auszulegen und hebt die Ansprüche, welche in der Folge der Beschädigung dritten Personen zustehen, nicht auf."

In den Motiven z u m Gesetzentwurf 4 8 heißt es, in Art. 55 II Nr. 5 werde die gemeinrechtlich umstrittene Frage, ob die Einwilligung bei Verletzungen jeder Art den Zurechnungszusammenhang aufhebe, im positiven Sinne entschieden, daher seien auch Einwilligungen in körperliche Verletzungen w i r k sam. Da es sich um den Ersatz von Vermögensschäden, nicht hingegen um eine Strafe im Interesse der öffentlichen Ordnung handle, könne die Wirksamkeit der Einwilligung hinsichtlich ihrer zivilrechtlichen Folgen keinen Bedenken unterliegen. Allerdings stellen die Autoren des Entwurfs an die subjektiven Voraussetzungen der Einwilligung strenge Voraussetzungen: Eine Einwilligung, die „bei getrübter Besonnenheit oder aus Leichtsinn oder in Folge einer Überraschung" erteilt werde, sei nichtig. Daher verstehe es sich auch von selbst, daß die Einwilligung Geschäftsfähigkeit voraussetze. Als „einseitige Handlung" sei die Einwilligung nicht wirksam, soweit sie die 48

Entwurf für ein Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Bayern, S. 75.

III.

Rechtswissenschaft

und Gesetzgebung

im 19.

Jahrhundert

33

Rechte Dritter beeinträchtige. Das gelte insbesondere für die Rechtsstellung der Unterhaltsberechtigten in Fall einer Körperverletzung mit Todesfolge. Zwar sei die Meinung vertreten worden, daß im Fall einer Tötung im Duell der Schadensersatzanspruch der Unterhaltsberechtigten entfallen müsse, weil der Täter „in Folge der durch die öffentliche Meinung sanktionierten Gesetze der Ehre moralisch verpflichtet gewesen sey, sich in das Duell einzulassen", doch sei diese Ansicht von der Mehrheit mit der Begründung verworfen worden, das Duell sei „in jedem civilisirten Staate verboten".

3. Die Beratungen zum BGB Angesichts dieser Vorbilder erstaunt es nicht, daß auch der erste Entwurf zum B G B noch eine Vorschrift über die Einwilligung enthielt, die § 780 des Sächsischen B G B weitgehend entsprach. § 706 des Entwurfs lautete: „Hat der Beschädigte in die beschädigende Handlung eingewilligt, so steht ihm ein Anspruch auf Schadensersatz nicht zu."

Die Erste Kommission war der Ansicht, eigentlich sei die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung selbstverständlich 49 . Allerdings sei nach der weiten Fassung dieser Bestimmung die Rechtswidrigkeit selbst dann ausgeschlossen, wenn die Handlung strafbar bleibe, etwa im Fall der Tötung mit Einwilligung des Getöteten. Diese Ausdehnung erscheine angemessen, aber keineswegs selbstverständlich und in ihr bestehe die Bedeutung der Bestimmung. Die ebenfalls vorgesehene Vorschrift über das Mitverschulden reiche nicht aus, denn im Fall der Einwilligung könne von einer Nachlässigkeit des Geschädigten keine Rede sein, außerdem sei die für das Mitverschulden vorgesehene Rechtsfolge unpassend. Schließlich herrschte Einvernehmen darüber, daß die Einwilligung ein einseitiges Rechtsgeschäft darstelle und daher die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Einwilligenden erfordere. Schon in der Vorkommission des Reichsjustizamts wurde § 706 des ersten Entwurfs jedoch gestrichen 50 . Es sei selbstverständlich, daß die Einwilligung des Verletzten den Schadensersatzanspruch ausschließe, wenn sie die betreffende Handlung rechtfertige. O b der Einwilligung diese Wirkung zukomme, müsse nach allgemeinen Grundsätzen entschieden werden, ohne daß es einer Spezialvorschrift bedürfe. Außerdem wurde § 706 in seiner Allgemeinheit als zu weit empfunden. Wenn die Handlung nach anderen Vorschriften rechtswidrig bleibe, so müsse geprüft werden, ob das bürgerliche Recht den Geschädigten auch gegen seine eigene Einwilligung schützen wolle und ob der vorhergehende Verzicht auf die Entschädigung gegen die guten Sitten verstoße. Jedenfalls treffe es nicht zu, wenn der Entwurf davon ausgehe, die 49 50

Mot. II, S. 730. Protokolle des Reichsjustizamts, S. 536, zit. nach Jakobs/Schubert,

§§ 652-853, S. 894.

34

§ 3 Die historische

Entwicklung

bis 1900

Einwilligung habe immer den Charakter eines Rechtsgeschäfts, sie könne ganz verschieden zu konstruieren sein 51 . Die Zweite Kommission stimmte der Streichung des § 706 ohne weitere Diskussion zu. Hinzuzufügen bleibt, daß den Verfassern des BGB die verwirrende Doppeldeutigkeit des Worts „Einwilligung" offenbar entgangen ist. Schon im ersten Entwurf der späteren §§ 182 ff. BGB wird der Begriff im Sinne von „vorherige Zustimmung" verwendet 52 , obwohl gleichzeitig für das Deliktsrecht seinerzeit noch die erwähnte Bestimmung über die Einwilligung des Verletzten vorgesehen war. Freilich hat die Begriffsverwirrung Tradition. Im Schrifttum des 19. Jahrhunderts finden sich beide Wortbedeutungen 53 ; schon das Sächsische BGB 54 und der Dresdner Entwurf 5 5 verwandten den Begriff „Einwilligung" nebeneinander in beiderlei Sinn.

51 52 53 54 55

Prot. II, S. 578. Vgl. Prot. I, S. 176 ff. Vgl. etwa v. Jhering, JherJB 1 (1875) 273 (303). § 787 einerseits, § 780 andererseits. Art. 24 einerseits, Art. 221 andererseits.

§ 4 Die Einwilligungslehre im neueren Privatrecht I. Die frühe Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Einwilligungslehre

Zitelmanns und ihre Rezeption

in der

Literatur

Als das BGB am 1. Januar 1900 in Kraft trat, galt der Satz „volenti non fit iniuria" als selbstverständlich, doch über die Voraussetzungen, die Funktion und die systematische Stellung der Einwilligung im Privatrecht herrschte weitgehende Unklarheit. Dieses dogmatische Vakuum fand Zitelmann vor, als er 1906 einen Aufsatz monographischen Formats zum „Ausschluß der Widerrechtlichkeit" vorlegte1. Zitelmanns Überlegungen zur Einwilligung, die einen Schwerpunkt seiner Abhandlung darstellen, haben auf die Einwilligungsdogmatik bis heute in zweierlei Hinsicht maßgeblichen Einfluß. Zum einen warfen sie eine Reihe von Fragen auf, die seither die Diskussion bestimmen, zum anderen enthielten sie erstmals ein systematisch geschlossenes Konzept auf der Grundlage des BGB. Allerdings war der genannte Aufsatz nicht der erste einschlägige Beitrag in der noch jungen Literatur zum BGB. Bereits 1898 hatte sich Linckelmann mit der „Einwilligung des Verletzten" beschäftigt2 und konstatiert, daß ihre zivilrechtliche Seite bislang kaum beachtet worden sei. Obwohl das BGB zu dieser Frage schweige, schließe die Einwilligung die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung jedenfalls im Bereich des § 823 I B G B aus. Da der Ersatzanspruch hier nur zugunsten des Rechtsinhabers bestehe, gebe es bei Vorliegen einer Einwilligung niemanden, der ein Interesse am Schutz des betreffenden Rechts habe3. Zur Rechtsnatur der Einwilligung betont Linckelmann „nachdrücklichst", daß es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handle4. Sie sei nämlich nicht auf Herbeiführung eines rechtlichen Erfolgs gerichtet, es werde durch sie kein Rechtsverhältnis begründet oder aufgehoben und es finde auch keine Ubertragung eines Rechts statt. Die Einwilligung sei rein tatsächlicher Natur, daher richte sich die Einwilligungsmündigkeit nicht nach den §§ 104ff. B G B und die Einwilligung des Berechtigten könne in der Regel nicht durch die 1 2

3 4

Zitelmann, AcP 99 (1906) 1-130.

Linckelmann,

§ 6 B 2 (S. 77 ff.).

A.a.O., S. 79. A.a.O., S. 80f.

36

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ersetzt werden. Die scharfe Absonderung der Einwilligung von der Kategorie des Rechtsgeschäfts sei „geradezu das Wesentlichste an der ganzen Materie". Gegen diese Ansicht nimmt Zitelmann Stellung 5 . Wolle man die Wirksamkeit der Einwilligung behaupten, so müsse man sie aus irgendeinem positivrechtlichen Grundsatz ableiten. Als solcher biete sich „lediglich der Grundsatz über Rechtsgeschäfte dar, der Satz nämlich, daß im Privatrecht die Person innerhalb gewisser Schranken die Macht hat, ihre Rechtsverhältnisse selbst zu gestalten". Gegen die Auffassung Linckelmanns, die Einwilligung richte sich nicht auf einen rechtlichen Erfolg und sei mithin rein tatsächlicher Natur, wendet Zitelmann ein, die Absicht des Erklärenden brauche keine juristisch ausgeprägte zu sein. Es genüge, wenn sie auf einen tatsächlichen Erfolg gehe, solange der Erklärende diesen als einen rechtlich bedeutsamen von der Rechtsordnung anerkannt wissen wolle 6 . Zwar richte sich der empirische Gehalt einer Einwilligung in der Regel nicht auf den Ausschluß der Rechtswidrigkeit, doch wolle der Einwilligende den Gegner zu einer Handlung ermächtigen. Da die Einwilligung ein Rechtsgeschäft sei, liege es zunächst nahe, sie als Verzicht auf die Folgen der unrechtmäßigen Handlung zu deuten 7 . Diese Konstruktion sei aber unzutreffend, vielmehr werde die Rechtswidrigkeit unmittelbar beseitigt. Konstruktiv geschehe das, indem der Einwilligende dem Einwilligungsempfänger ein Recht einräume, die betreffende Handlung vorzunehmen 8 . Da nach allgemeinen Grundsätzen das spezielle Eingriffsrecht dem allgemeinen Verbotsrecht vorgehe, sei die Handlung rechtmäßig. Der Frage, ob die Einwilligung als Vertrag oder als einseitiges Rechtsgeschäft anzusehen sei, komme nur geringe praktische Bedeutung zu, da der Gegner die Einwilligung konkludent annehme, wenn er in Kenntnis der Gestattung handle. Dennoch sei die Einordnung als einseitiges Rechtsgeschäft vorzugswürdig, wie sich aus der Parallele zu anderen, gesetzlich geregelten Zustimmungserklärungen (§§ 1001, 684, 709, 704, 922 B G B ) ergebe 9 . Von einem Vertrag, der möglicherweise der Einwilligung zugrunde liege, sei diese gedanklich zu trennen 10 . Analog zur Rechtslage bei der Vollmacht sei die Einwilligung ein abstraktes Rechtsgeschäft 11 . Die Unwirksamkeit des Vertrages berühre ihre Geltung nicht, doch könne § 139 B G B zur Anwendung kommen. O b die Einwilligung widerruflich sei, bestimme sich nach dem zugrunde Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (48). A.a.O., S. 51. 7 A . a . O . , S . 53 ff. 8 A. a. O., S. 56. Allerdings sind die Ausführungen Zitelmanns zu der Frage, ob dem Einwilligungsempfänger auch im Fall der widerruflichen Einwilligung ein subjektives Recht eingeräumt wird, nicht ganz eindeutig, vgl. andererseits S. 50. 9 A . a . O . , S . 59 f. 10 A. a. O., S. 49. 11 A.a.O., S. 61. 5 6

I. Die frühe

Rechtsgeschäftstheorie

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liegenden Vertrag 12 . Aus der Rechtsnatur der Einwilligung folgert Zitelmann, daß sie nur wirksam sei, wenn sie in allen Punkten die Voraussetzungen für ein Rechtsgeschäft erfülle 13 . Insbesondere setze sie eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung und Geschäftsfähigkeit voraus 14 . Unwirksam sei eine Einwilligung dann, wenn die Ausübung eines Rechts einem anderen nicht überlassen werden dürfe, Beispiele seinen das Namensrecht und der Nießbrauch 15 . Allerdings sei auch bei Unübertragbarkeit eines Rechts die Ausübung in der Regel überlaßbar, da die Überlassung nur eine Art der Selbstausübung sei. Weiterhin könne sich die Unwirksamkeit der Einwilligung aus dem Gesetz ergeben, Beispiele seien § 825 BGB und §§ 142, 216 StGB 16 . Schließlich könne ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Nichtigkeit führen 17 . Dabei sei allerdings wiederum das Abstraktionsprinzip zu beachten: Erheblich sei nur die Sittenwidrigkeit der Handlung selbst, nicht diejenige einer zugrunde liegenden Vereinbarung, etwa der Vereinbarung eines Entgelts. Zwischen subjektiven Rechten und Rechtsgütern wie Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit müsse unterschieden werden. Bei subjektiven Rechten widerspreche in aller Regel die Ausübungsüberlassung ebensowenig wie die Übertragung den guten Sitten. Hingegen sei im Bereich der Rechtsgüter die Einwilligung in jedem Einzelfall auf ihre Vereinbarkeit mit den guten Sitten hin zu überprüfen. Hier sei eine gewisse Kasuistik nicht zu vermeiden. Entscheidende Bedeutung komme dabei dem Zweck der Einwilligung zu. Das gelte nicht nur für als sicher erwartete Verletzungen, sondern auch für die Einwilligung in Risiken. Sei die Einwilligung unwirksam, so könne die Haftung des Eingreifenden immer noch wegen fehlenden Verschuldens entfallen 18 . Zudem könne eine unwirksame Einwilligung als Mitverschulden nach § 254 BGB zu berücksichtigen sein 19 . Die Rechtsgeschäftstheorie Zitelmanns setzte sich in der Literatur schnell durch. In einigen Kommentaren und Lehrbüchern wird sie in den folgenden Jahren mit Zustimmung zitiert 20 . Bei Tuhr findet sich die Einschränkung, daß die Einwilligung wohl ein Rechtsgeschäft, jedenfalls aber eine Rechtshandlung sei, auf die die rechtsgeschäftlichen Vorschriften analog anzuwenden seien 21 . Fischer folgt Zitelmann weitgehend, warnt aber vor einer schablonenartigen Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit. Zwar 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

A.a.O., S. 46f., 50. A.a.O., S. 48, 62, 66. A.a.O., S. 62f. A.a.O., S. 68f. A.a. O., S. 67 ff. A.a.O., S. 72ff. A.a.O., S. 63f. A.a.O., S. 64f. Vgl. Planck\ Anm. II 3 zu § 823; v. Tuhr, § 88 IV 4 (S. 467ff.); Fischer, S. 271 ff. v. Tuhr, a.a.O., S. 467.

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Privatrecht

könne ein Minderjähriger eine Einwilligung nicht selbständig erteilen, doch sei seine Einwilligung je nach Einzelfall und nach in konstanter Praxis zu bestimmendem Lebensalter zusätzlich zu derjenigen des gesetzlichen Vertreters erforderlich 22 . Während sich die Rechtsgeschäftstheorie im Strafrecht nie vollständig durchsetzen konnte 2 3 , blieben im zivilrechtlichen Schrifttum vor 1945 Einwände gegen die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung vereinzelt 24 . Lediglich Manigk unterschied in einer 1939 erschienenen umfassenden Untersuchung mit dem Titel „Das rechtswirksame Verhalten" die Einwilligung von den rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen 25 . Sie sei eine bloße Rechtshandlung und setze als solche keine Erklärung voraus, sondern sei als emotionale Entscheidung „reines Denken" 2 6 . Entscheidend sei daher im Privat- wie im Strafrecht nur der wirkliche, tatsächliche Wille des Verletzten.

2. Rechtsgeschäftliche Argumentationen in der des RG und den frühen Urteilen des BGH

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung des R G und des B G H im Rahmen der „Einwilligungslehren" zu behandeln, ist nicht unproblematisch. Wie schon eingangs gezeigt, stellen sich je nach dem subjektiven Recht, auf das sich die Einwilligung bezieht, sehr unterschiedliche Fragen. Die Rechtsprechung hat sich meist um eine pragmatische Lösung der jeweils aufgeworfenen Probleme - in der Mehrzahl der Fälle die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger - bemüht und dabei, sieht man von zwei frühen Urteilen des B G H ab, nicht den Versuch unternommen, die dogmatische Basis der Einwilligung allgemein zu klären. Wenn daher in der Literatur die Ansicht vertreten wird, das R G sei in seinen zivilrechtlichen Urteilen der Rechtsgeschäftstheorie gefolgt 27 , so handelt es sich um eine plakative Verkürzung. Richtig daran ist, daß das R G mit gewissen Einschränkungen die rechtsgeschäftlichen Vorschriften des B G B auf die Einwilligung angewandt und diese dabei bisweilen als „Willenerklärung" bezeichnet hat. Allerdings handelte es sich dabei um beiläufige Hinweise, die meist nicht auf einer Auseinandersetzung mit dem Schrifttum beruhten. Außerdem sollte die Rechtsprechung des R G zur Einwilligung nicht auf die vielzitierten Urteile zum ärztlichen Heileingriff reduziert werden, auch andere Fischer, S. 277 f. Die Zustimmung des Kommentars von Frank, 41,392 (394); 72, 399 (400)\ Honig, S. 158 ff.; Mezger, 24 Gegen die Rechtsgeschäftstheorie aber Dietz, und Manigk (folgende Fußn.). 25 Manigk, S. 508 ff. 2 6 A.a.O., S. 510. 27 So ausdrücklich Voll, S. 37, ähnlich Resch, S. Dasch, S. 41. 22

23

S. 141, blieb vereinzelt, dagegen RGSt Der Gerichtssaal 89 (1923) 207 (276f.). S. 228ff.; Heck SchR, § 146 (S. 441)

15; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (111);

I. Die frühe

Rechtsgeschäftstheorie

39

Fallkonstellationen sind aufschlußreich. So hat das R G das „Handeln auf eigene Gefahr" zunächst eigenständig erklärt, später aber als Einwilligung angesehen. Auch der vom R G anerkannte Gestattungsvertrag über die Nutzung eines Namens oder Kennzeichens ist eine einwilligungsähnliche Konstellation, die von der späteren Rechtsprechung der Einwilligung im Bereich besonderer Persönlichkeitsrechte zugrunde gelegt wurde. Da die Aussagekraft der jeweiligen Urteile durch die zugrunde liegende Spezialmaterie begrenzt wird, können sie nur mit Vorsicht verallgemeinert werden. Die erste Linie von Entscheidungen betrifft den ärztlichen Heileingriff. Erstmals hatte das R G 1894 in einem strafrechtlichen Urteil 2 8 entschieden, daß der Heileingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung zu beurteilen sei, die zu ihrer Rechtfertigung der Einwilligung des Patienten bedürfe. Als das Gericht nach der Jahrhundertwende in drei Fällen zur Einwilligungsfähigkeit im Zivilrecht Stellung nehmen mußte, übernahm es diese Konstruktion. In einer Entscheidung aus dem Jahre 190 7 2 9 vertrat das R G den Standpunkt, die Rechtfertigung eines ärztlichen Heileingriffs hänge von einer „zustimmenden Willenserklärung des Kranken oder seines gesetzlichen Vertreters" ab. Daher seien die §§ 107, 113 B G B unmittelbar anwendbar. Ein Jahr später bestätigte das R G diese Rechtsprechung im Fall eines sechsjährigen Jungen, dessen Eltern der vom Beklagten durchgeführten Operation nicht zugestimmt hatten 30 . Die Urteilsbegründung geht auf die Rechtsnatur der Einwilligung nicht ein, doch lassen einige Ausführungen erkennen, daß das Gericht die Einwilligung als Rechtsgeschäft ansieht 31 . Ein ähnliches Bild bietet ein Urteil von 1907, in dem das R G für den Fall eines versuchten Doppelliebesselbstmords die Einwilligung in eine Tötung für unbeachtlich erklärte 32 . Das Gericht stützte sich hier unter anderem auf § 138 B G B , ohne dessen Anwendbarkeit zu problematisieren. Erst im dritten Urteil zur Einwilligungsfähigkeit aus dem Jahre 1911 33 ging das Gericht auf den Meinungsstreit zwischen Zitelmann und Linckelmann über die Rechtsnatur der Einwilligung ein, enthielt sich aber einer Stellungnahme. Sehe man mit der herrschenden Meinung die Einwilligung als Rechtsgeschäft an, so könne die unmittelbare Anwendbarkeit des § 107 B G B „einem Zweifel nicht unterliegen". Selbst wenn man aber mit der Gegenansicht von einer tatsächlichen Erklärung ausgehe, müsse es wegen der schwerwiegenden Bedeutung des Eingriffs und mit Rücksicht auf die elterliche Gewalt bei der Altersgrenze des § 107 B G B bleiben. RGSt 25, 375. R G J W 1907, 505. 30 R G Z 68, 431. 31 S. etwa a.a.O., S. 436: „Die H.W. (...) war zur Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung nicht befugt." 32 R G Z 66, 306. 33 R G J W 1911, 748. 28

29

40

^ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

Drei spätere Urteile des RG zum ärztlichen Heileingriff sind vor allem bemerkenswert, weil das Gericht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gegen Angriffe verteidigte, die auf der nationalsozialistischen Ideologie beruhten. In den ersten beiden Fällen fehlte die Einwilligung des Patienten ganz 34 . Dementsprechend gehen die Urteile nur auf die Frage ein, ob die jeweiligen Eingriffe dennoch gerechtfertigt waren, Ausführungen zur Rechtsnatur der Einwilligung finden sich nicht. In der dritten dieser Entscheidungen führt das RG aus, eine Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung sei unwirksam, wenn sie nach einer widerrechtlichen Drohung, einer arglistigen Täuschung oder ohne vorhergehende ärztliche Aufklärung erteilt werde 35 . Nach der Einschätzung Roseners rückte das Gericht damit von der Rechtsgeschäftstheorie ab, da es die Bestimmungen des BGB zur Anfechtung von Willenserklärungen nicht anwandte 36 . Sicherlich handelte es sich hier um eine Modifizierung der Theorie Zitelmanns, der die uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 119ff. BGB bejaht hatte: Einerseits bezieht sich das RG zur Abgrenzung relevanter von irrelevanten Willensmängeln teilweise auf § 123 BGB, andererseits verlangt es keine Anfechtungserklärung. Der BGH setzte anfangs die pragmatische Linie des RG fort und wandte ebenfalls die rechtsgeschäftlichen Vorschriften des BGB an, ohne sich zur Rechtsnatur der Einwilligung zu äußern. Ein Urteil von 1952 37 betraf den Tod einer Frau nach einer mißlungenen Abtreibung. Eine Einwilligung, so heißt es in der Begründung, sei nicht nur unbeachtlich, wenn sie durch Willensmängel beeinflußt werde, sondern auch, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße (§§ 134, 138 BGB). „Diese Voraussetzung" (sie) liege hier vor, da sowohl der Arzt als auch die Schwangere nach § 218 StGB strafbar seien 38 . Kurze Zeit später vollzog der BGH allerdings eine Kehrtwende, von der im folgenden Abschnitt die Rede sein wird. Zuvor soll aber die Rechtsprechung des RG zum „Handeln auf eigene Gefahr" angesprochen werden. Während die typische Situation der Einwilligung dadurch gekennzeichnet ist, daß der Rechtsinhaber in die Herbeiführung eines als sicher vorgestellten Erfolges einwilligt, begibt sich der Geschädigte beim „Handeln auf eigene Gefahr" freiwillig in eine riskante Situation. Die rechtliche Beurteilung kann hier entweder beim Entschluß des Geschädigten ansetzen und zu einer rechtsgeschäftlichen Lösung gelangen oder eine von dessen Willen unabhängige objektive Zurechnung vornehmen 39 . Das RG 34 RGZ 151, 349 (die Klägerin sträubte sich gegen die Einspritzung); 163, 129 (die Einwilligung bezog sich nur auf die Entfernung einer Geschwulst, der beklagte Arzt entfernte aber die ganze rechte Brust). 35 RGZ 168,206(210,213). 36 Rosener, S. 45 (Fußn. 56); zust. Daseh, S. 41 (Fußn. 82). 37 BGHZ 7, 198. 38 A.a.O., S. 207. 39 Näher hierzu unten, § 9 IV 2 a.

I. Die frühe

Rechtsgeschäftstheorie

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schwankte zwischen verschiedenen Ansätzen 40 . In einigen Urteilen wird betont, der Schadensersatzanspruch könne ausgeschlossen sein, wenn sich der Kläger einer vermeidbaren Gefahr bewußt aussetze, ohne hierzu durch ein gesetzliches, berufliches oder sittliches Gebot verpflichtet zu sein. Neben diese Behandlung des „Handelns auf eigene Gefahr" als selbständigen, wenn auch dogmatisch nicht näher begründeten 41 Haftungsausschlußgrund tritt die vertragliche Konstruktion eines stillschweigenden Haftungsverzichts. Beide Wege des Haftungsausschlusses treten nebeneinander auf, in einigen Urteilen verschwimmen sie zu einer Rechtsfigur. Daneben finden sich Entscheidungen, in der die bewußte Inkaufnahme des Risikos nicht als Haftungsausschlußgrund, sondern als Faktor der Schadensteilung unter § 254 BGB angesehen wird 42 . Erst als sich das RG 1933 im Fall eines minderjährigen Geschädigten zu einer dogmatischen Stellungnahme gezwungen sah, entschied es sich unter dem Eindruck eines Aufsatzes von Fladn dafür, die Risikoübernahme als Einwilligung einzustufen 44 . In diesem Zusammenhang äußerte sich das Gericht deutlicher als in allen Urteilen zum ärztlichen Heileingriff zur Rechtsnatur der Einwilligung: Sie sei eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die den Vorschriften über Willenserklärungen unterliege. Sowohl das RG als auch anfangs der BGH blieben bei dieser Ansicht 45 . In einigen Urteilen wurden das „Handeln auf eigene Gefahr", verstanden als Einwilligung, und der stillschweigende vertragliche Haftungsverzicht nebeneinandergestellt. Da beide Haftungsausschlußgründe eine Willenserklärung voraussetzten, scheiterten sie in den meisten Fällen aus identischen Gründen 46 . Ebenso wie in seiner Rechtsprechung zum ärztlichen Heileingriff wandte sich später der BGH auch hier vom rechtsgeschäftlichen Ansatz des RG ab. Schließlich soll eine Linie von Urteilen nicht unerwähnt bleiben, die sich bis heute auf die Dogmatik der Einwilligung im Bereich der Persönlichkeitsrechte auswirkt. Das Namensrecht ( § 1 2 BGB) galt stets als unübertragbar. Gleichzeitig wurde aber früh das praktische Bedürfnis erkannt, Dritten die Nutzung des Namens zu gestatten 47 . Das RG löste dieses Problem ebenso wie die verwandte Frage im Firmen- und Markenrecht mit einer einwilligungs-

40 Vgl. den ausführlichen Überblick über die Rechtsprechung des RG bei Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, S. 15 ff. 41 Stoll, a.a.O., S. 24. 42 Vgl. RGZ 130, 162 (169). 43 Fiad, Das Recht 1919, 13 ff. 44 RGZ 141,262 (265). 45 Vgl. RGZ 145, 390 (394 f.); BGHZ 2, 159 (161 f.). 46 Vgl. RGZ 141, 262 (264 f.: Kläger war nicht unbeschränkt geschäftsfähig); RGZ 145 390 (395: keine Willenserklärung des Fahrgasts); BGHZ 2, 159 (163: kein Gefahrbewußtsein des Klägers, daher Annahme einer Willenserklärung gekünstelt). 47 Vgl. hierzu schon RGZ 5, 171 (176).

42

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

ähnlichen Konstruktion 48 . Zwar schloß das Gericht aus der Unübertragbarkeit des Namens auf die Unmöglichkeit, anderen Personen Rechte an dem Namen einzuräumen. Es ließ aber einen schuldrechtlichen Gestattungsvertrag zu, in dem sich der Namensinhaber verpflichtet, seine Rechte aus § 12 BGB nicht auszuüben 49 . In einigen Entscheidungen ist auch von einem Verzicht auf das Verbietungsrecht die Rede, ohne daß damit in der Sache etwas anderes gemeint war 50 . Obwohl es naheliegend gewesen wäre, setzte sich das RG in seinen Entscheidungen zum Namens- und Kennzeichenrecht, soweit ersichtlich, nicht mit seiner Rechtsprechung zum ärztlichen Heileingriff oder zum „Handeln auf eigene Gefahr" auseinander.

II. Die Kritik an der Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Rechtsprechung

seit der Entscheidung

BGHZ 29, 33

War die Rechtsgeschäftstheorie im wesentlichen eine Schöpfung des Schrifttums, so ging der Impuls für die weitgehende Abwendung von rechtsgeschäftlichen Erklärungsmodellen von einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 195851 aus, nachdem sie sich schon in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung abgezeichnet hatte 52 . Im zugrunde liegenden Fall hatte der fast volljährige Kläger den Arzt vor einem operativen Eingriff ausdrücklich darum gebeten, die Einwilligung der Eltern nicht einzuholen. Er sei aus der sowjetisch besetzten Zone geflohen und seine Eltern, die dort zurückgeblieben seien, könnten schweren Belästigungen ausgesetzt sein, wenn man von seiner Flucht Kenntnis erlange. Die Operation schlug fehl und führte beim Kläger zu einer Stimmbandlähmung. Der BGH hält die Einwilligung des Klägers zwar wegen unzureichender Aufklärung für unwirksam, der größte Teil der Entscheidung betrifft aber die Frage, ob wegen der Minderjährigkeit des Klägers die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter hätte eingeholt werden müssen. Der BGH nimmt den Fall zum Anlaß, um die Rechtsgeschäftstheorie aufzugeben und zugleich die alleinige Einwilligungszuständigkeit des Klägers zu bejahen. In seiner Begründung setzt sich das Gericht mit der Anwendung des § 107 BGB in der Rechtsprechung des RG auseinander. Als Beleg werden drei reichsgerichtliche Präzedenzfälle zitiert 53 , von denen einer 48

Vgl. Bußmann,

S. 112ff. m.w.N.; Gotting,

S. 104ff.; Müller,

Firmenlizenz, S. 17f.,

56 ff. 49 RGZ 74,308 (312) - „Graf Zeppelin"; RG JW 1921,824 (825f.) m. Anm. Adler, 1927, 117(118); 1932, 1911 (1913), vgl. auch Bußmann, S. 116f. m.w.N. 50 Bußmann, S. 117 (Fußn. 5). 51 BGHZ 29, 33. 52 OLG München NJW 1958, 633 (634). 53 BGHZ 29, 33 (35).

II. Die Kritik an der

Recbtsgeschäftstheorie

43

allerdings die M i n d e r j ä h r i g e n f r a g e gar nicht betraf 5 4 , w ä h r e n d sie in einem anderen n u r am R a n d e auftauchte 5 5 . G e g e n die rechtsgeschäftliche A r g u m e n tation des R G in Zivilsachen f ü h r t der B G H u n t e r teilweise w ö r t l i c h e r B e z u g nahme auf eine strafrechtliche Entscheidung des R G v o n 1908 5 6 die Ü b e r l e g u n g an, bei der Einwilligung zu einem Eingriff in die körperliche Integrität handle es sich „nicht um eine Einwilligung im Sinne des § 183 B G B , also nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern um eine Gestattung oder E r mächtigung zur V o r n a h m e tatsächlicher Handlungen, die in den R e c h t s k r e i s des G e s t a t t e n d e n eingreifen" 5 7 . L e b e n und k ö r p e r l i c h e U n v e r s e h e r t h e i t seien Rechtsgüter, nicht hingegen s u b j e k t i v e R e c h t e , ü b e r die der Träger wie ü b e r ein dingliches R e c h t o d e r ein R e c h t s v e r h ä l t n i s verfügen k ö n n e . D i e §§ 107 ff. B G B seien mithin n i c h t u n m i t t e l b a r anwendbar. A u c h eine analoge A n w e n dung w i r d abgelehnt. V i e l m e h r sei die E i n w i l l i g u n g eines M i n d e r j ä h r i g e n i m m e r d a n n w i r k s a m , w e n n er „nach seiner geistigen und sittlichen R e i f e die B e d e u t u n g und Tragweite des Eingriffs und seiner G e s t a t t u n g zu ermessen vermag". I n der F o l g e z e i t bekräftigte der B G H in z w e i E n t s c h e i d u n g e n zur U n t e r b r i n g u n g p s y c h i s c h K r a n k e r in geschlossenen A n s t a l t e n seine A b w e n d u n g v o n der Rechtsgeschäftstheorie 5 8 . D i e weitere R e c h t s p r e c h u n g z u m ärztlichen Heileingriff ist hingegen für die dogmatische E i n o r d n u n g der Einwilligung nicht m e h r sehr ergiebig. Vielmehr befaßt sich das G e r i c h t in verschiedenen E n t s c h e i d u n g e n mit W i r k s a m k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n und zieht dabei teilweise rechtsgeschäftliche V o r s c h r i f t e n analog heran. B e i der B e u r t e i l u n g der E i n willigungsfähigkeit n i m m t der B G H z w a r w i e d e r h o l t auf seine E n t s c h e i d u n g v o n 1 9 5 8 B e z u g , s c h r ä n k t ihre T r a g w e i t e in z w e i U r t e i l e n v o n 1 9 7 0 und 1971 aber deutlich ein, indem er mit stark generalisierenden A r g u m e n t e n einer 15und einer 16-jährigen Patientin die alleinige Einwilligungsfähigkeit abspricht 5 9 . I n einer E n t s c h e i d u n g v o n 1976 erwägt der B G H , auf die E i n w i l l i g u n g in eine Sterilisation § 138 B G B analog a n z u w e n d e n , läßt die F r a g e aber offen und verneint in casu die Sittenwidrigkeit. D e n W i d e r r u f einer Einwilligung legt das G e r i c h t in einem U r t e i l v o n 1980 nach §§ 133, 157 B G B aus und begründet diesen Schritt damit, daß die Behandlungseinwilligung mit der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung „ i m m e r h i n v e r w a n d t " sei. I m J a h r e 1984 b e z e i c h n e t der B G H sogar die Einwilligung eines Patienten einmal als „Willenserklä54 D e r Kläger in R G Z 168, 206 war volljährig, Fragen der Einwilligungsfähigkeit spielten in diesem Urteil keine Rolle. 55 In R G Z 68, 431 betrug das Alter des Klägers zur Zeit der Operation sechs Jahre. Da er zweifellos noch nicht über die hinreichende Einsichtsfähigkeit verfügte, bestand für das R G keine Veranlassung, auf die Frage der Einwilligungsfähigkeit einzugehen. 56 R G S t 41, 392 (395 f.). 57 B G H Z 29, 33 (36). 58 B G H VersR 1961, 632; B G H N J W 1964, 1177 (1178). 59 B G H N J W 1970, 511 und 1972, 335, näher zu diesen Entscheidungen unten, § 11 II 1.

44

5 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

rung" 6 0 , doch wäre es wohl eine Überinterpretation dieser Wortwahl, hierin eine Rückwendung zur Rechtsgeschäftstheorie zu erblicken. Insgesamt ist das Problem der ärztlichen Aufklärungspflicht ganz in den Vordergrund gerückt, von Funktion und Voraussetzungen der Einwilligung ist allenfalls noch am Rand die Rede. Fazit dieser Urteilsauswertung ist, daß der B G H die Rechtsprechung des R G nur halbherzig aufgegeben hat. Die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe wird nach wie vor als rechtsgeschäftsähnlich begriffen, die wesentlichen Unterschiede zur Rechtsgeschäftstheorie bestehen lediglich darin, daß die §§ 107ff. B G B nicht schematisch angewandt werden 61 und daß Willensmängel auch ohne Anfechtung zur Nichtigkeit führen. Deutlicher hat der B G H den rechtsgeschäftlichen Ansatz im Hinblick auf das „Handeln auf eigene Gefahr" aufgegeben. In einem Grundsatzurteil von 1961 62 sprach sich der B G H nachdrücklich gegen die Deutung dieser Rechtsfigur als Einwilligung aus. Das „Handeln auf eigene Gefahr" beurteilt die Rechtsprechung seitdem nach §§ 242, 254 B G B : Je nach Lage des Einzelfalls kommt ein völliger Haftungsausschluß oder eine Haftungsminderung in Betracht 63 . Inzwischen hat sich auf dieser Grundlage eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, die hier nicht näher zu interessieren braucht. Für die allgemeine Theorie der Einwilligung ist an dieser Stelle nur noch von Interesse, daß nach Ansicht des B G H immerhin bei ausgesprochen gefährlichen Sportarten wie etwa bei „gefährlichen Autorennen, waghalsiger Felskletterei, bei Boxund Ringkämpfen u. dgl." 6 4 eine Einwilligung in Betracht kommt. In einer neueren Entscheidung präzisiert der B G H , daß eine Einwilligung mehr als nur die Gestattung einer Handlung sei, sie setze zudem ein Einverständnis mit der Rechtsgutsverletzung voraus, das in den Fällen gemeinsamen riskanten Verhaltens meist nicht vorliege 65 . Am wenigsten geklärt ist die dogmatische Einordnung der Einwilligung im persönlichkeitsrechtlichen Bereich. In einem Urteil zur Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§ 22 K U G ) durch Verbreitung von Nacktaufnahmen läßt der B G H diese Frage offen und bejaht - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Einwilligung im Medizinrecht - lediglich ein Mitentscheidungsrecht der Minderjährigen über die Veröffentlichung ihres Bildes 66 . Über eine alleinige Entscheidungsbefugnis brauchte das Gericht nach Lage des B G H N J W 1984, 1395 (1396). Insoweit schließt sich auch der Regierungsentwurf zum Betreuungsgesetz, BT-Drucks. 11/4528 v. 11.5.1989, S. 71, der „gefestigten Rechtsprechung" an. Zur Ansicht Pawlowskis, FS Hagen, S. 5 (6), damit sei der Streit um die Rechtsnatur der Einwilligung entschieden, unten, § 9 III 2 b. 62 B G H Z 34, 355, näher zu dieser Entscheidung unten, § 9 IV 2 a. 63 Vgl. B G H Z 34, 355 (363 ff.); 63, 140 (145ff.); N J W - R R 1995, 857 (858). 64 B G H Z 63, 140 (144); 39, 156 (161). 65 B G H N J W - R R 1995, 857 (858). 66 B G H G R U R 1975, 561 - „ N a c k t a u f n a h m e n ' m. Anm. Neubert. 60 61

II. Die Kritik an der

Rechtsgescbäftstheorie

45

Falls nicht zu urteilen. Auch in der Ne«d-Entscheidung 67 , die einer weitgehenden Kommerzialisierung des Rechts am eigenen Bild den Weg ebnet und die daher im Schrifttum unterschiedlich beurteilt wird, läßt der BGH die Rechtsnatur der Einwilligung offen. Lediglich eine Passage in der Entscheidung, nach der die Gestattung nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen ist und ausdrücklich oder stillschweigend, beschränkt oder unbeschränkt erteilt werden kann, erinnert terminologisch an Ausführungen zu Lizenz- und Nutzungsverträgen. Auch das Ergebnis - ein Anspruch aus Eingriffskondiktion für den Verwerter - läßt sich wohl nur rechtsgeschäftlich begründen. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist hier uneinheitlich. Während einige Gerichte die Einwilligung nach § 22 KUG entweder aufgrund der reichsgerichtlichen Konstruktion des schuldrechtlichen Gestattungsvertrags oder ohne nähere Begründung als rechtsgeschäftliche Willenserklärung ansehen 68 , haben andere Gerichte auch in diesem Bereich das rechtsgeschäftlichen Erklärungsmodell aufgegeben 69 . 2. Die Einwilligung

als geschäftsähnliche

Handlung

Schon bevor sich der BGH von der Rechtsgeschäftstheorie abwandte, hatte Larenz eine eingeschränkte Version dieser Lehre vertreten. Die Einwilligung könne Teil eines auf weitere Rechtsfolgen gerichteten Vertrages wie eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrages, sein oder isoliert erteilt werden. Im ersteren Fall sei sie Teil des Rechtsgeschäfts, mit dessen Wirksamkeit sie stehe und falle, im letzteren Fall eine geschäftsähnliche Erklärung, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte nur mit Einschränkungen anzuwenden seien70. Nach der Entscheidung BGHZ 29, 33 begann sich der letzte Teil dieser Aussage in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur durchzusetzen. Heute wird die Einwilligung, die teils im Rahmen der Rechtfertigungsgründe, teils im Zusammenhang mit der Rechtsgeschäftslehre behandelt wird, meist als geschäftsähnliche Handlung bezeichnet, ohne daß dieser Begriff dogmatisch näher untersucht wird 71 . Der Zusammenhang zu sonstigen geschäftsähnlichen ErBGH GRUR 1987, 128, näher zu diesem Urteil unten, § 8 II 3 a. So OLG München AfP 1982, 230 (232) - „ a m e r i k a n i s c h e Liebesschulen"; OLG Hamburg AfP 1981, 356 (357) - „intime Sprechstunde" \ vgl. auch Dasch, S. 39 m.w.N. 69 So OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 742 (743); OLG Köln AfP 1969, 118 (119) - „popart"; für die Einwilligung in die Verwendung personenbezogener Daten OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 302 (303) „Gewinnspiel". 70 Larenz SchR II, § 71 I 1 (S. 594). 71 So Erman/Brox, Rz. 6 Einl. § 104; Erman/Schiemann, Rz. 147 zu § 823; Medicus AT, Rz. 200 und SchR II, Rz. 765; MüKoV Gitter, Rz. 89 vor § 104 (anders aber mittlerweile in der 4. Aufl. MüKo/Schmidt, Rz. 19ff. zu § 105); MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; Nüssgens, FS Nirk, S. 745 (747); Palandt/Heinrichs, Rz. 6 vor § 104; Soergel/Fahse, Rz. 18 zu § 227; Soergel/Zeuner, Rz. 197 zu § 823; Staudinger12/Schäfer, Rz. 456, 458 zu § 823. 67

68

46

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

klärungen wie etwa der Mahnung oder der Mängelrüge bleibt in der Regel ebenso offen wie die von Larenz angesprochene Frage nach dem Verhältnis zwischen Einwilligung und zugrunde liegendem Vertrag72. 3. Die Einwilligung

als

Realakt

Ein Teil der Lehre grenzt sich noch schärfer von der Rechtsgeschäftstheorie ab und vertritt die Ansicht, die Einwilligung sei ein bloßer Rechtsschutzverzicht und als solcher weder Rechtsgeschäft noch geschäftsähnliche Handlung73. Die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte seien mithin unanwendbar. Damit nähern sich diese Autoren der im Strafrecht herrschenden Ansicht an und sprechen sich dementsprechend teilweise auch dafür aus, die strafrechtlichen Grundsätze zur Einwilligung heranzuziehen74. Ähnlich wie in den Stellungnahmen der herrschenden Meinung verbleibt es regelmäßig bei diesem kurzen Hinweis. Vor allem findet sich meist keine Erklärung dafür, warum dieser (nicht-rechtsgeschäftliche) Verzicht den Einwilligenden insoweit bindet, als er nach erfolgtem Eingriff an seiner Erklärung festgehalten wird. Um eine ausführliche Begründung bemüht sich Schenke75. Für ihn ist die Einwilligung keine Willenserklärung76, da sie kein Recht begründet, aufhebt oder ändert. Insbesondere werde dem Täter77 kein Eingriffsrecht eingeräumt, denn die Einwilligung sei jederzeit widerruflich und ein Recht zur Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter wäre ohnehin sittenwidrig. Zudem sei die Begründung eines Rechts, selbst wenn man sie mit 2,itelmann annehme, vom Einwilligenden nicht gewollt; er wolle nur ein tatsächliches Verhalten gestatten. Schließlich werde die generelle Anwendung der rechtsgeschäftlichen Vorschriften des BGB den vielfältigen Erscheinungsformen der Einwilligung nicht gerecht. Auch als geschäftsähnliche Erklärung könne die Einwilligung nicht angesehen werden, da auch diese Kategorie rechtlich relevanten Handelns nur vorliege, wenn sie zu einer Begründung, Aufhebung oder Änderung eines Rechts führe78. Statt dessen vollzieht sich der Ausschluß der Rechtswidrigkeit nach Ansicht von Schenke nicht durch privatautonome Rechtssetzung, sondern auf objektiv-rechtlicher Ebene. Wenn der Rechtsinhaber mit dem schädigenden Erfolg einverstanden sei, so entfalle das Erfolgsunrecht, das notwendiger Bestandteil der Rechtswidrigkeit sei79. In diesem Fall fehle das Auch insoweit Larenz folgend Staudingern/Schäfer, Rz. 456 zu § 823. So Deutsch A H R , Rz. 282;RGRK/Steffens,Rz. 377 zu § 823; ähnlich Bucher, S. 118. 74 So ausdrücklich RGRK/Steffens, a.a.O. 75 Schenke, Die Einwilligung des Verletzten im Zivilrecht (1965). 76 A.a.O., S. 24ff. 77 Die strafrechtliche Terminologie in der Untersuchung Schenkes ist kein Zufall, da er sich im wesentlichen auf strafrechtliche Quellen stützt. 78 A.a.O., S. 30f. 79 A.a.O., S. 44ff. 72 73

II. Die Kritik an der

Rechtsgeschäftstheorie

47

Interesse des Rechtsinhabers an Rechtsschutz, daher brauche die Rechtsordnung ihm diesen Schutz auch nicht aufzudrängen. Konsequenz dieses Gedankens sei, daß die Einwilligung nicht geäußert zu werden brauche und auch dann Wirksamkeit entfalte, wenn der Täter nichts von ihr wisse80. In diesem Punkt weiß sich Schenke mit Boehmer einig, der ebenfalls die Äußerung der Einwilligung nicht für erforderlich hält und zur Begründung auf die Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag verweist, bei der ebenfalls der Wille des Geschäftsherrn nicht zum Ausdruck zu kommen braucht 8 '. Eigenständige Wege gehen Bucher und Münzberg. Beide lehnen nicht nur die Rechtsgeschäftstheorie ab, sondern sprechen sich darüber hinaus gegen die Einstufung der Einwilligung als selbständigen Rechtfertigungsgrund aus, wenn auch auf unterschiedlicher dogmatischer Grundlage. Bucher entwickelt auf der Basis der Imperativentheorie seine Theorie vom subjektiven Recht als Normsetzungsbefugnis82. Das Recht verschaffe seinem Inhaber die Kompetenz, anderen Personen durch Erhebung eines Abwehranspruchs ein Verhalten vorzuschreiben. In diesem Zusammenhang sei die Einwilligung keine selbständige normative Erscheinung, sondern bringe lediglich den Umstand zum Ausdruck, daß der Rechtsträger keinen Abwehranspruch erhebe83. Nach Münzberg setzt das Urteil über die Rechtswidrigkeit einer Handlung stets eine Interessenabwägung voraus84. Sämtliche Rechtfertigungsgründe seien Anwendungsfälle dieser Abwägung. Daher soll auch die Einwilligung kein selbständiger Rechtfertigungsgrund, sondern lediglich eines von mehreren Abwägungsmomenten sein85. Die zweigleisige Prüfung der herrschenden Ansicht, die zum einen nach den Voraussetzungen der Einwilligung, zum anderen nach der Verfügbarkeit des betreffenden Rechtsguts frage, sei verfehlt86. Sicherlich spreche bei ausschließlich privaten Gütern die Interessenabwägung eindeutig für die Zulässigkeit der Tat, daraus könne aber nicht gefolgert werden, daß die Einwilligung die allgemeine Interessenabwägung völlig verdränge87.

80 81 82 83 84 85 86 87

A. a. O., S. 43ff., 47ff. Boehmer, M D R 1959, 705. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis (1965). A . a . O . , S. 118. Münzberg, S. 259 ff. A . a . O . , S. 311. A . a . O . , S. 314. A.a.O., S. 311.

48

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

I I I . Die Renaissance der Rechtsgeschäftstheorie 1. Die Einwilligung

als rechtsgeschäftliche

Ermächtigung

(Rosener)

Obwohl sich die herrschende Lehre mit dem B G H von der Rechtsgeschäftstheorie abwandte, wurde sie doch von einzelnen Autoren weiterhin vertreten 88 . Ein ausführliches, wenn auch seinerzeit zu Unrecht wenig beachtetes rechtsgeschäftliches Erklärungsmodell entwickelte 1965 Rosener-89. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist, daß die Zuordnung einer Erklärung zur Gruppe der Rechtsgeschäfte zweierlei voraussetze: Es müsse eine Rechtswirkung eintreten, die gerade auf der von einem Rechtsfolgewillen getragenen Erklärung beruhe. Sowohl die rechtliche Wirkung der Einwilligung als auch der Rechtsfolgewille des Einwilligenden seien in Literatur und Rechtsprechung zu Unrecht bestritten worden. Die rechtliche Wirkung der Einwilligung bestehe primär darin, daß ihrem Empfänger eine Position rechtlichen Dürfens eingeräumt werde 90 ; der Ausschluß der Haftung sei nur eine Folge hiervon. Daher bestehe eine Parallele zwischen der rechtfertigenden Einwilligung einerseits und der Einwilligung im Sinne des § 183 B G B , der Ermächtigung (§ 185 B G B ) und der Vollmacht (§ 166 II B G B ) andererseits. All diese Rechtsfiguren könnten unter dem Oberbegriff der „Ermächtigung" zusammengefaßt werden 91 . Diese Kategorie einseitiger und in der Regel widerruflicher Rechtsgeschäfte sei in der älteren Literatur ausführlich behandelt, oft aber ohne ersichtlichen Grund auf die Gestattung rechtsgeschäftlichen Handelns beschränkt worden. Eine Ermächtigung verschaffe dem Empfänger noch kein subjektives Recht, denn dessen Position könne vom Rechtsinhaber j ederzeit durch Widerruf oder durch eigene Vornahme der erlaubten Handlung gegenstandslos gemacht werden 92 . Vielmehr werde dem Einwilligungsempfänger lediglich eine in ihrem Bestand nicht gesicherte Ausübungsmöglichkeit übertragen 93 . Er erhalte dabei nicht sämtliche Befugnisse aus dem Recht, sondern dürfe vorbehaltlich eines Widerrufs bestimmte Ausübungshandlungen vornehmen, die ihm zuvor verwehrt waren. Wenn so auch kein neues subjektives Recht entstehe, so werde zwischen dem Einwilligenden und dem Einwilligungsempfänger immerhin

88 So von Enneccerus/Nipperdey, § 212 II 3 (S. 1315); Enneccerus/Lehmann, § 231 III 3 (S. 932); Wolf SchR, § 20 B 5 (S. 540); ebenso mittlerweile MüKo/Schmidt, Rz. 19ff. zu §105. 89 Die Dissertation Roseners trägt zwar den Titel „Die Einwilligung in Heileingriffe", hat aber die allgemeine dogmatische Einordnung der Einwilligung zum Schwerpunkt. 90 A.a.O., S. 100ff. 91 A.a.O., S. 87ff. 92 A.a.O., S. 100ff. 93 A.a.O., S. 98f., 110.

III. Die Renaissance der

Rechtsgeschäftstheorie

49

ein Rechtsverhältnis geschaffen 9 4 . Auf die Schaffung dieses Rechtsverhältnisses beziehe sich auch der Rechtsfolgewille des Einwilligenden 9 5 . Für die A n nahme eines solchen Willens genüge es, wenn der Erklärende einen tatsächlichen Erfolg als rechtlich gesicherten anstrebe, es genüge, wie Rosener in Anlehnung an einen strafrechtlichen Begriff formuliert, eine „Parallelwertung in der Laiensphäre" 9 6 . Zwar strebe der Einwilligende meist nicht den Ausschluß etwaiger Schadensersatzansprüche an, doch sei es keine Fiktion anzunehmen, daß er dem anderen einen Eingriff erlauben wolle. In der Literatur werde demgegenüber oft fälschlich aus der tatsächlichen Natur des erlaubten Verhaltens auf die tatsächliche Natur der Erlaubnis geschlossen. Entscheidend sei aber nicht die Rechtsnatur des Eingriffs, sondern die Rechtsnatur der Erklärung. Sie sei rechtsgeschäftlich, da sie bewirke, daß der andere seine Handlung vornehmen „dürfe" 9 7 . D i e Einwilligung sei ein Verfügungsgeschäft, das von einem eventuell zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft gedanklich zu trennen sei 98 . Zwar werde vielfach zwischen Rechten und Rechtsgütern, über die ihrem Träger keine Verfügungsbefugnis zustehe, unterschieden. Schon diese Unterscheidung sei jedoch abzulehnen 9 9 . In der Tat lege der Wortlaut des § 823 I B G B sie nahe, doch er stamme aus einer Zeit, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch nicht allgemein anerkannt worden sei. Im Rahmen der grundrechtlich verfaßten Ordnung könne kein Zweifel daran bestehen, daß es sich hier um ein subjektives Recht handle. Es sei das Mutterrecht der Rechte an Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Zwar seien diese höchstpersönlichen R e c h te nicht in ihrer Gesamtheit übertragbar, doch sei es verfehlt, die Begriffe „verfügen" und „insgesamt übertragen" gleichzusetzen 1 0 0 . Auch wenn nicht das gesamte Recht, sondern lediglich ein Teil der Ausübungsbefugnisse übertragen werde, handle es sich um eine Verfügung. Schließlich kritisiert Rosener das methodische Vorgehen derjenigen, die bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtsgeschäftslehre als für die Einwilligung unpassend erachten und aus diesem Grund ihre Rechtsgeschäftsnatur ablehnen. Aus der Einordnung eines bestimmten Vorgangs unter ein Rechtsinstitut folge noch nicht zwingend die Anwendbarkeit aller für dieses Institut im Gesetz vorgegebener Bestimmungen 1 0 1 . In der Tat seien die §§ 104 ff. B G B für die Einwilligung im höchstpersönlichen Bereich unpassend 1 0 2 . Ver94 95 96 97 98 99 100 101 102

A.a.O,S. A.a.O., S. A.a.O., S. A.a.O.,S. A.a.O., S. A.a.O., S. A.a.O., S. A.a.O., S. A.a.O., S.

108 ff. 114ff. 116f. 119. 110, 120ff. 88ff. 122f. 133. 113ff.

50

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

glichen mit der Interessenlage bei vermögensrechtlichen Austauschgeschäften komme hier dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen eine höhere und dem Verkehrsschutz eine geringere Bedeutung zu. Während der schweizerische Gesetzgeber in Art. 19 II ZGB dieses Problem erkannt und geregelt habe, bestehe im BGB eine planwidrige Lücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden könne. Aus dem Rechtsgedanken verschiedener Teilregelungen der Mündigkeit folgert Rosener, daß die Einwilligungsfähigkeit bei einem Lebensalter von unter 14 Jahren generell verneint, bei einem Alter über 18 Jahre generell bejaht werden sollte 103 . Im Zwischenbereich sei auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abzustellen. Eine solche Regelung könne durch Richterrecht erfolgen, vorzuziehen sei aber eine Gesetzesänderung 104 . Auch die Bestimmungen des BGB über Willensmängel, insbesondere die Regelung der Anfechtungsfrist in §§ 121, 124 BGB, hält Rosener für unpassend 105 . Auch hier gelte, daß das Selbstbestimmungsrecht des Erklärenden gegenüber dem Verkehrsinteresse an Rechtssicherheit stärker zu gewichten sei. Daher sei der Rechtsprechung zuzustimmen, die im Fall von Willensmängeln eine automatische Unwirksamkeit der Einwilligung annehme.

2. Induktive

Herleitung

der Rechtsgeschäftsnatur

(Kohte)

Erheblich größere Aufmerksamkeit als der Argumentation Roseners wurde einem Aufsatz von Kohte mit dem Titel „Die rechtfertigende Einwilligung" zuteil 106 , der 1985 erschien. Neu am Ansatz Kohtes ist, daß er zunächst die tatsächlichen Erscheinungsformen der Einwilligung in unterschiedlichen Bereichen des Privatrechts, namentlich dem Datenschutzrecht, dem Medizinrecht, dem Recht am eigenen Bild und dem Arbeitsrecht in den Blick nimmt 107 . Angesichts dieses „Panoramas der Rechtsprobleme" erschienen Funktion und Rechtsnatur der rechtfertigenden Einwilligung als nicht hinreichend geklärt 108 . Ähnlich wie Rosener kritisiert Kohte die deduktive Methodik, die besonders in der Entscheidung BGHZ 29, 33 deutlich werde 109 . Anstatt abstrakt zur Rechtsnatur der Einwilligung Stellung zu nehmen und aus dieser Position Rechtsfolgen herzuleiten, seien ausgehend von der Funktion der Einwilligung, die der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts diene, die jeweiligen rechtsgeschäftlichen Normen daraufhin zu überprüfen, ob sie angesichts dieses Zwecks passend erschienen 110 . 103 104 105 106 107 108 109 110

A.a.O., S. 147, seinerzeit lag das Volljährigkeitsalter noch bei 21 Jahren. A.a.O., S. 151. A.a.O., S. 152ff. Kohte, AcP 185 (1985) 105 ff. A.a.O., S. 106ff. A.a.O.,S. 108. A.a.O.,S. 114 ff. A.a.O., S. 120.

III. Die Renaissance der

Rechtsgeschäftstheorie

51

In seiner Untersuchung ausgewählter Einwilligungsvoraussetzungen weist Kohte die Angemessenheit zahlreicher rechtsgeschäftlicher Vorschriften anhand praktischer Beispiele nach, während er sich andererseits dafür ausspricht, im Bereich höchstpersönlicher Rechte gewisse Modifikationen zuzulassen. So sei die Einwilligung eine zugangsbedürftige Erklärung, die auch konkludent abgegeben werden könne 111 , für die Auslegung der Einwilligung sei der Maßstab der §§ 133,157 BGB passend 112 . Die Einbeziehung- und Inhaltskontrolle nach dem A G B G (nunmehr §§ 305 ff. BGB) sei nicht nur angemessen, sondern sogar zur Sicherung des Selbstbestimmungsrechts erforderlich 113 ; zum gleichen Zweck erweise sich § 138 BGB als wichtiges Kontrollinstrument 114 . Die Einwilligung in körperliche Eingriffe sei stets widerruflich, während bei Eingriffen in Eigentumsrechte der Erteilung einer unwiderrufliche Einwilligung keine Bedenken entgegenstünden 115 . Diese Abweichung von § 13012 BGB sei keineswegs ein Einwand gegen die Rechtsgeschäftstheorie, denn auch verschiedene im BGB geregelte Rechtsgeschäfte, beispielsweise die Vollmacht, seien widerruflich. Auch die Vorschriften des BGB über Willensmängel hält Kohte für anwendbar, da auch im Bereich der Einwilligung ein Ausgleich zwischen Willensfreiheit und Verkehrsschutz erforderlich sei116. Stellvertretung bei der Einwilligung sei nicht per se ausgeschlossen 117 , vielmehr müsse erneut nach der Art des betroffenen Rechtsguts differenziert werden. Die Frage der Einwilligungsfähigkeit schließlich müsse durch eine offene Abwägung der widerstreitenden Interessen geregelt werden 118 . Die Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich könne hier Abweichungen von den §§ 107ff. BGB rechtfertigen, wie etwa die Parallele zu § 3 6 SGB I, einem gesetzlich geregelten Fall der Teilmündigkeit, zeige. Als Fazit der Untersuchung stellt Kohte eine Funktionsgleichheit von Einwilligung und Willenserklärung fest: Beide zielten auf die Verwirklichung von Selbstbestimmung und seien so Instrumente der Privatautonomie 119 . Daher sei der Versuch der Rechtsprechung wenig sinnvoll, die Einwilligung von den rechtsgeschäftlichen Aktstypen abzukoppeln. Die induktive Untersuchung bestätige, daß sich mit Hilfe des rechtsgeschäftlichen Instrumentariums angemessene Ergebnisse erzielen ließen. Teilweise erweise es sich sogar zum Schutz der Selbstbestimmung in sensiblen Bereichen als besonders geeignet. Soweit 111 112 113 114 115 116 117 118 119

A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O.,

S. 121 ff. S. 124ff. S. 128ff. S. 131 ff. S. 137ff. S. 139ff. S. 142f. S. 143ff. S. 152ff.

52

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

die §§ 104ff. BGB keine sachgerechte Lösung böten, liege das weniger an Besonderheiten der Einwilligung als daran, daß im Bereich höchstpersönlicher Rechte das Verhältnis zwischen Selbstbestimmung und Verkehrsschutz anders zu bestimmen sei. Wie jede rechtsgeschäftliche Regelung stoße auch das Recht der Einwilligung da an seine Grenzen, wo zwischen den Parteien keine Freiheit und Gleichheit bestehe 120 . Diese Ungleichgewichtslagen seien aber durch Anwendung der §§ 138, 242 BGB zu lösen. Zudem sei die individuelle Einwilligung in vielen Fällen notwendige, aber nicht zugleich hinreichende Bedingung der Rechtmäßigkeit 121 . Gerade im Medizinrecht gebe es weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen des Eingriffs. Insgesamt erlaube die Rechtsgeschäftstheorie zwar nicht die mechanische Ableitung von Einzelfalllösungen, wohl aber eine wirksame Konsistenzkontrolle 122 .

3. Die Einwilligung als privatautonome eines flexiblen Systems deliktsrechtlicher Beurteilungskriterien (Resch)

Rechtsgestaltung im Rahmen und rechtsgeschäftlicher

Von einem rechtsgeschäftlichen Ansatz geht auch eine neuere Untersuchung von Resch aus, die zwar in erster Linie das österreichische Recht betrifft, sich aber auch auf zahlreiche deutsche Quellen stützt 123 . Nach Ansicht von Resch greifen sämtliche Argumente gegen den Rechtsgeschäftscharakter der Einwilligung nicht durch 124 . Die abweichende Beurteilung im Strafrecht sei unerheblich, da zwischen Straf- und Zivilrecht kein notwendiger Entscheidungsgleichklang bestehe. Zwar seien im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit gegenüber dem Regelfall gewisse Modifikationen erforderlich, doch seien die allgemeinen Altersgrenzen ohnehin in verschiedenen Fällen durchbrochen. Auch der Umstand, daß bestimmte Rechtsgüter der rechtsgeschäftlichen Verfügung entzogen seien, spreche nicht gegen die Einordnung der Einwilligung als Rechtsgeschäft, denn im Ergebnis herrsche Einigkeit, daß auch über diese Güter disponiert werden könne. Auf dieser Grundlage definiert Resch die Einwilligung als rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der ein Rechtsgutinhaber sein Einverständnis zu einer ansonsten rechtswidrigen und an sich eine Schadensersatzsanktion auslösenden Rechtsgutsgefährdung oder -beeinträchtigung erklärt 125 . Die weitere Einordnung ergebe, daß es sich erstens um ein Verfügungsgeschäft, zweitens um ein einseitiges Rechtsgeschäft handle 126 .

120 121

A.a.O., S. 153f. A.a.O., S. 154f.

122

A.a.O., S. 160f.

123

Resch, Die Einwilligung des Geschädigten (1997). A.a.O., S. 31 ff. A.a.O., S. 37. A.a.O., S. 38,41.

124 125 126

III. Die Renaissance der Rechtsgeschäftstheorie

53

D i e Einwilligung sei A u s ü b u n g des verfassungsrechtlich geschützten Selbstb e s t i m m u n g s r e c h t s 1 2 7 . D i e p r i v a t a u t o n o m e G e s t a l t u n g löse den schadensersatzrechtlichen Z u r e c h n u n g s z u s a m m e n h a n g ' 2 8 . D a es sich u m eine R e c h t s gestaltung handle, sei die E i n w i l l i g u n g in der R e g e l kein bloßer R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d , vielmehr schließe er bereits d e n T a t b e s t a n d aus. D i e s e R e c h t s g e s t a l t u n g k ö n n e aber nur in den G r e n z e n w i r k s a m sein, die v o n der R e c h t s o r d n u n g f ü r p r i v a t a u t o n o m e s H a n d e l n gesetzt werden. D i e s e G r e n zen will Resch nicht nach einem statischen M o d e l l , s o n d e r n mit H i l f e eines flexiblen S y s t e m s bestimmen 1 2 9 . Entscheidender Parameter sei die Q u a l i t ä t des geschützten R e c h t s g u t s ; in diesem Z u s a m m e n h a n g k ö n n e zwischen a b s o lut indisponiblen, relativ indisponiblen u n d frei d i s p o n i b l e n R e c h t s g ü t e r n unterschieden werden 1 3 0 . Als je schutzwürdiger die R e c h t s o r d n u n g ein Rechtsgut bewerte, desto höher seien die A n f o r d e r u n g e n f ü r das einwandfreie Z u s t a n d e k o m m e n der Einwilligung, d e s t o höher sei die informationelle A b s i cherung d u r c h A u f k l ä r u n g s p f l i c h t e n , desto eher m ü s s e der Rechtsgutsinhaber selbst einwilligen, d e s t o leichter bestehe die M ö g l i c h k e i t eines Widerrufs u n d desto eher k o m m e - in Fällen „typischerweise verdünnter W i l l e n s b i l d u n g " ein gänzlicher A u s s c h l u ß der Einwilligungsmöglichkeit in Betracht 1 3 1 . Hinsichtlich seines praktischen Ertrags f ü h r t dieses M o d e l l allerdings zu ähnlichen E r g e b n i s s e n , wie sie f ü r das deutsche Recht Kohte b e f ü r w o r t e t . Einwilligungen Minderjähriger k ö n n t e n je nach b e t r o f f e n e m R e c h t s g u t nach vier Modellen beurteilt werden 1 3 2 . Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern könne ein Alleinentscheidungsrecht des einsichtsfähigen Minderjährigen bestehen, jedenfalls sei seine Einwilligung kumulativ neben derjenigen der gesetzlichen Vertreter erforderlich. Soweit es das K i n d e s w o h l gebiete, k ö n n e immerhin ein A n h ö r u n g s r e c h t des M i n d e r j ä h r i g e n bestehen. H i n g e g e n bestehe im vermögensrechtlichen Bereich generell ein Alleinentscheidungsrecht der gesetzlichen Vertreter. D i e Einwilligung sei eine e m p f a n g s b e d ü r f t i g e E r k l ä r u n g , sie k ö n n e auch k o n k l u d e n t oder f o r m u l a r m ä ß i g a b g e g e b e n werden 1 3 3 . Eine Stellvertretung sei in h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n in der R e g e l ausg e s c h l o s s e n , a n s o n s t e n zulässig 1 3 4 . D i e A u s l e g u n g f o l g e den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vorschriften, i n s b e s o n d e r e gebe es keine Regel, Einwilligungserklärungen im Zweifel eng auszulegen 1 3 5 . O b die Einwilligung widerruflich sei, richte sich nach d e m z u g r u n d e liegenden Vertrag u n d nach 127 128 129 130 131 132 133 134 135

A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O., A.a.O.,

S. S. S. S. S. S. S. S. S.

74ff. 79. 115ff. 118f. 116. 128ff. 134ff. 139f. 140ff.

54

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

dem betroffenen Rechtsgut' 3 6 . Die praktische Relevanz der Vorschriften über Willensmängel sei durch etwaige Widerrufsmöglichkeiten eingeschränkt, im übrigen seien sie jedoch anwendbar 137 .

IV. Bereichsspezifische Ansätze 1.

Medizinrecht

Während allgemeine Abhandlungen zur Einwilligung im Zivilrecht selten sind und die Einwilligung in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur meist nur eine knappe Erwähnung findet, ist in der medizinrechtlichen Literatur die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe ein häufig behandeltes Thema. Bei näherem Hinsehen ist allerdings meist nicht die Einwilligung selbst Gegenstand der Erörterungen; vielmehr stehen der Streit um die Körperverletzungstheorie der Rechtsprechung 1 3 8 und die Modalitäten der ärztlichen Aufklärungspflicht im Mittelpunkt. Die grundsätzlichen Fragen nach der Rechtsnatur, der Funktion und der systematischen Stellung der Einwilligung werden hingegen im medizinrechtlichen Schrifttum meist nur kurz angesprochen, die Erörterung praktischer Aspekte steht im Vordergrund. Rechtsgeschäftliche Ansätze sind im medizinrechtlichen Schrifttum wenig verbreitet 139 . Für diese Haltung gibt es, abgesehen vom Einfluß der Leitentscheidung B G H Z 29, 33, im wesentlichen zwei Gründe. Zum einen bemühen sich viele medizinrechtliche Autoren um eine enge Abstimmung zwischen Delikts- und Strafrecht, die teilweise so weit geht, daß beide Bereiche bisweilen nicht deutlich voneinander unterschieden werden. Da sich das Strafrecht seit langem von der Rechtsgeschäftstheorie abgewandt hat, erscheint eine Abkopplung der Einwilligung von §§ 104ff. B G B als Voraussetzung für eine einheitliche, disziplinübergreifende Lösung. Zum anderen betont das medizinrechtliche Schrifttum die überragende Bedeutung, die der Selbstbestimmung des Patienten zukommt. Während die Rechtsgeschäftslehre einen Ausgleich zwischen dem subjektiven Willen des Erklärenden und dem Verkehrsschutz und mithin zwischen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zum Ziel hat, spielt im Medizinrecht angesichts der besonderen Verantwortungsstellung des Arztes der Schutz des Erklärungsempfängers nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch gibt es im neueren Schrifttum auch Stimmen, die sich für die A.a.O., S. 146ff. A.a.O., S. 156ff. 138 Näher zu diesem Meinungsstreit unten, § 10 II 1. 139 Gegen die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung etwa Deutsch MedR, Rz. 105 und VersR 1993, 1465; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 39 mit Fußn. 129; Laufs ArztR, Rz. 222 mit Fußn. 120; Giesen ArztHR, Rz. 250 mit Fußn. 261; Nüßgens, FS Nirk, S. 745 (747). 136 137

IV. Bereichsspezifische

Ansätze

55

Rechtsgeschäftstheorie aussprechen 140 : Der Einwilligung des Patienten sei durchaus ein Rechtsfolgewille immanent. Der Patient erteile willentlich eine Erlaubnis zu einem körperlichen Eingriff und ihm sei angesichts der öffentlichen Diskussion über Fragen der Arzthaftung in der Regel auch durchaus bewußt, daß er damit eine rechtlich relevante Gestaltung vornehme. Sie gestalte das Arzt-Patienten-Verhältnis, indem sie den Rahmen für die Eingriffserlaubnis des Arztes abstecke. Das Urteil BGHZ 29, 33 betreffe die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger, die durchaus auch bei einer rechtsgeschäftlichen Deutung der Einwilligung abweichend von den §§ 107 ff. geregelt werden könne. Persönlichkeitsrechte

2.

Die zweite Gruppe von Rechten, die Anlaß zu Untersuchungen über die Einwilligung gegeben haben, sind die Persönlichkeitsrechte im übrigen. In diesem Bereich findet die Einwilligung nicht nur verschiedentlich eine gesetzliche Erwähnung - die §§ 22 KUG, 22 HGB, 4 BDSG wurden bereits als Beispiele genannt - , sie stellt auch nach verbreiteter Ansicht das einzige Instrument dar, das dem Rechtsinhaber Dispositionen über sein Recht erlaubt. So erklärt sich, daß insbesondere die Einwilligung nach § 22 KUG, die datenschutzrechtliche Einwilligung, aber auch die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung allgemein bereits Gegenstand eingehender Untersuchungen waren. Während im Medizinrecht die Einwilligung einhellig als einseitige, widerrufliche Erklärung angesehen wird, bei der nur die rechtsgeschäftliche Natur umstritten ist, werden zur persönlichkeitsrechtlichen Einwilligung sehr unterschiedliche dogmatische Erklärungsmodelle angeboten. Sie lassen sich in vier Gruppen ordnen, die zugleich unterschiedliche Standpunkte zur Frage der wirtschaftlichen Verwertung von Persönlichkeitsrechten erkennen lassen. Als naheliegend erscheint es zunächst, die Rechtsprechung zum ärztlichen Heileingriff zu verallgemeinern. Die Einwilligung wäre demnach eine einseitige, geschäftsähnliche Erklärung, die sich im deliktsrechtlichen Tatbestandsaufbau als Rechtfertigungsgrund auswirkt. In der Tat wird teilweise im Anschluß an die Leitentscheidung BGHZ 29, 33 die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung nach § 22 KUG verneint und daraus die Unanwendbarkeit der §§ 104 ff. BGB abgeleitet 141 . Vor allem im Datenschutzrecht ist diese Auffassung verbreitet 142 . Auch diejenigen Autoren, die der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten insgesamt kritisch gegenüberstehen, folgen diesem Modell. Sie halten im Bereich der Persönlichkeitsrechte weder echte Rechtsübertragungen noch die Erteilung von unwiderruflichen und mit Elementen So Rouka, S. 90 f.; Schöllhammer, S. 41 ff.; Voll, S. 42. O L G Karlsruhe F a m R Z 1983, 742 (743) m. abl. A n m . v. Bosch; O L G Köln A f P 1970, 133; Heidenreich A f P 1982, 960 (961 ff.). 142 Vgl. Auernhammer, Rz. 11 zu § 4 ; Ordemann/Schomerus, A n m . 5.3 zu § 4 , beide m . w . N . ; dagegen aber Simitis in Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, Rz. 28 zu § 4. 140

141

56

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

der Verkehrsfähigkeit ausgestatteten Einwilligungen für möglich 143 . Auch eine Einwilligung, die gegen Entgelt erteilt wird, wäre demnach frei widerruflich, die weitere Verwertung des Bildes müßte unterbleiben. Da aber auch nach dieser Ansicht immerhin eine vertragliche Verpflichtung zur Erteilung der Einwilligung in den Grenzen des § 138 B G B möglich ist 144 , wäre der Abgebildete bei einem Widerruf der Einwilligung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen möglicherweise zu Schadensersatz verpflichtet 145 . Ein anderes Modell hat seinen Ursprung im Namens- und Kennzeichenrecht, es wird aber auch für die Einwilligung nach § 22 K U G vertreten. Nach dieser Konstruktion greift die Einwilligung erst bei den Rechtsfolgen der Verletzung ein und ist als antizipierter Erlaß (§ 397 B G B ) oder als pactum de non petendo aufzufassen 146 . Folge ist, daß ein Anspruch wegen einer Persönlichkeitsverletzung entweder - bei Annahme eines Erlasses - nicht entsteht 147 oder - bei Annahme eines pactum de non petendo - einredebehaftet ist. Als Vertrag ist die Einwilligung nach dieser Konstruktion begriffsnotwendig ein Rechtsgeschäft, so daß die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 104 B G B außer Frage steht 148 . Kritiker 149 wenden jedoch ein, daß nach dieser Ansicht die Rechtswidrigkeit der Handlung bestehenbleibe, da sich ein Erlaß oder ein pactum de non petendo erst auf der Rechtsfolgenseite auswirke. Das führe zu unangemessenen Konsequenzen: Notwehr und Nothilfe blieben erlaubt, § 276 III B G B sei an143 Schuck UrhR, Rz. 51 f., 565ff. und AcP 195 (1995) 594 (597); Baston-Vogt, S. 251 ff.; ähnlich Peifer, S. 312 ff., der allerdings der Einwilligung die Wirkung eines schuldrechtlichen Ausübungsverzichts beimißt, a.a.O., S. 314. 144 Schack UrhR, Rz. 566; Peifer, S. 307; Baston-Vogt, S. 252. 145 Baston-Vogt, S. 237. 146 So O L G München AfP 1982, 230 (232) - „amerikanische Liebesschulen"-, OLG München ZUM 1985, 448 (450) - „Sammelbilder"; v. Gamm, Einf. Rz. 109; Peifer, S. 314; MüKo1 /Schwerdtner, Rz. 166 (s. aber Rz. 167: die Einwilligung in die Herstellung des Bildnisses sei „sicherlich kein Rechtsgeschäft im Sinne der §§ 104ff."); offen nunmehr in der 4. Aufl. MüKo/Rixecker, Rz. 38, Anh. § 12. 147 So v. Gamm, a.a.O., und die h.M. zum Erlaß einer künftigen Forderung, vgl. Larenz, § 19 I a (S. 268). Es könnte eingewandt werden, daß ein Erlaß begrifflich das vorherige Entstehen der Forderung, zumindest für eine juristische Sekunde, voraussetzt, s. Dasch, S. 29, doch die h.M. zieht diese Konsequenz nicht: Nur wenn die Forderung gar nicht erst entstehe, werde dies dem angestrebten Erfolg gerecht, so die Begründung bei Larenz, a.a.O. 148 O L G München AfP 1982, 230 (232); Helle, AfP 1985, 93 (94). Teilweise wird die Einwilligung als Rechtsgeschäft eingestuft, ohne daß deutlich wird, ob damit ein vertraglicher Verzicht oder eine einseitige, rechtfertigende Erlaubnis (im folgenden Text das dritte Deutungsmodell) gemeint ist, so etwa O L G Hamburg AfP 1981, 356 (357) - „intime Sprechstunde"; O L G Düsseldorf AfP 1984, 229 (230) - „Rückansicht"; Frömming/Peters, N J W 1996, 958 (wo zum Beleg für die Rechtsgeschäftsnatur das o.a. Urteil des O L G München zitiert, gleichzeitig aber auf die Möglichkeit hingewiesen wird, die Einwilligung einseitig zu erteilen); Schricker/Gerstenberg1, Rz. 14 zu § 60/§ 22 K U G ; WenzeP, Rz. 4.15. 149 Dasch, S. 28 ff.; Helle, S. 102; Gotting, S. 146.

AfP 1985, 93 (95) und Besondere Persönlichkeitsrechte,

IV. Bereichsspezifische

Ansätze

57

wendbar, die Strafbarkeit nach § 33 K U G bleibe bestehen. Z u d e m sei fraglich, ob ein antizipierter Erlaß dogmatisch überhaupt möglich sei. Helle, Dascb u n d andere Gegner des soeben dargestellten Modells sehen demgegenüber die Einwilligung als einseitige Erklärung des Betroffenen an. Im Gegensatz zur erstgenannten K o n s t r u k t i o n halten sie aber die E i n o r d n u n g als Rechtsgeschäft durchaus f ü r zutreffend 1 5 0 u n d weisen z u r Begründ u n g darauf hin, daß auch der Abgebildete mit der Einwilligung Privatautonomie ausübe. Das Regelungsprogramm der §§ 104ff. B G B erscheine weitgehend als passend 1 5 1 , sei aber auch gewissen Modifikationen zugänglich 152 , o h n e daß die Einwilligung damit ihren rechtsgeschäftlichen Charakter verliere. Vom z u g r u n d e liegenden Vertrag sei die Einwilligung zu unterscheiden 1 5 3 . Sie sei kein Verpflichtungsgeschäft, sondern entweder verfügungsähnlich 154 , oder ein der Vollmacht vergleichbares Tertium 1 5 5 . U m s t r i t t e n ist innerhalb dieser G r u p p e von A u t o r e n die E i n o r d n u n g der Einwilligung im Tatbestandsaufbau. F ü r Helle ist die Einwilligung nach § 22, 1 K U G ein negatives Tatbestandsmerkmal 1 5 6 : Die Vorschrift schütze den Willen des A b gebildeten, daher k ö n n e bei Vorliegen der Einwilligung von einer Verletzung keine Rede sein. Z u d e m sei die Erteilung der Einwilligung die Regel, ihre Versagung die A u s n a h m e , daher k ö n n e die Bildnisverwendung die Rechtswidrigkeit n o c h nicht indizieren. D e m widerspricht Dasch157: Die Vermutung des § 22, 2 K U G , der zufolge bei Zahlung eines Entgelts die Einwilligung als erteilt gilt, spreche dafür, die Einwilligung als Ausnahmefall anzusehen. Im übrigen sei eine Gleichbehandlung mit der Einwilligung im Medizinrecht anzustreben, die ganz überwiegend als Rechtfertigungsgrund angesehen werde. Die bisher genannten Deutungsmodelle stimmen in einem P u n k t überein: Sie differenzieren nicht zwischen Einwilligungen, die unentgeltlich u n d zu ideellen Zwecken erteilt w e r d e n u n d zwischen vertraglichen Gestattungen, f ü r die eine Gegenleistung erbracht wird. Viele der genannten A u t o r e n halten im kommerziellen Bereich zwar die Erteilung unwiderruflicher Einwilligungen f ü r möglich, setzen diese aber entweder nicht zur E i n r ä u m u n g von N u t zungsrechten in Beziehung 1 5 8 oder lehnen eine solche ausdrücklich ab 159 . 150 Dasch, S. 48 ff.; Helle, A f P 1985, 93 (97) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 103; offen Gotting, S. 166. 151 Helle, A f P 1985, 93 (97). 152 Vgl. Dasch, S. 85, 99 ff. 153 Helle, A f P 1985, 93 (97), Dasch, S. 61. 154 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 109. 155 Dasch, S. 51. 156 Helle, A f P 1985, 93 (96). 157 Dasch, S. 31 ff. 158 Vgl. Dasch, S. 51 f.; Gotting, S. 142, anders allerdings S. 279. 159 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 114f., offener aber in RabelsZ 60 (1996) 448 (469 f.).

58

§ 4 Die Einwilligungslehre

im neueren

Privatrecht

Demgegenüber wendet Forkel seine ursprünglich für immaterialgüterrechtliche Verfügungen entwickelte Theorie der gebundenen Rechtsübertragungen, auf die näher einzugehen sein wird, auch auf dem Gebiet der Persönlichkeitsrechte an160, im neueren Schrifttum findet er für diese Ansicht verstärkt Zustimmung161. Folge dieser Ansicht ist, daß zwischen schlichten, einseitigen und widerruflichen Einwilligungen einerseits und zweiseitigen, grundsätzlich bindenden Rechtsübertragungen andererseits differenziert werden muß. Einiges spricht dann dafür, den Begriff der Einwilligung auf erstere zu beschränken. Forkel nimmt zu dieser terminologischen Frage nicht ausdrücklich Stellung, folgt aber letztlich dem hier vorgeschlagenen Begriffsverständnis, etwa wenn er im urheberrechtlichen Zusammenhang darauf hinweist, daß eine bloße Einwilligung dem Nutzungsberechtigten nicht das notwendige Maß an Sicherheit vermittle162. Nachzutragen bleibt, daß sich diese Modelle nicht immer so klar voneinander trennen lassen, wie es hier den Anschein hat. So wird teilweise die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung bejaht, ohne daß zugleich auf die Frage eingegangen wird, ob es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft oder einen Vertrag handelt163. Diese Stellungnahmen erlauben keine eindeutige Entscheidung darüber, ob sie dem zweiten, dem dritten oder gar dem vierten Modell zuzuordnen sind. Insbesondere die Abgrenzung zwischen dem dritten und dem vierten Modell kann Schwierigkeiten bereiten. So sprechen sich einige Befürworter des dritten Modells unter teilweisem Bezug auf allgemeine Stellungnahmen zur Einwilligung im Deliktsrecht dafür aus, eine unwiderrufliche und teilweise verkehrsfähige Einwilligung zuzulassen, zeigen aber zugleich Sympathie für die Theorie ForkelsU4. Dabei wird nicht immer deutlich, ob Einwilligung und gebundene Rechtsübertragung voneinander zu unterscheiden sein sollen oder ob letztere unter den Oberbegriff der Einwilligung zu subsumieren ist.

160 Forkel, G R U R 1988, 491 (499), verlangt allerdings als Voraussetzung der Übertragbarkeit eine Vergegenständlichung des Abbilds in einem bestimmten Bild oder einer bestimmten Bildserie; weiter Magold, S. 515 ff. 161 Magold, a.a.O. und S. 566f.; Freitag, S. 164ff.; nunmehr auch Wenzel, Rz. 7.36 (anders noch die 2. Aufl., s. oben, Fußn. 148). 162 Forkel, S. 180. 163 S. die Nachw. oben, Fußn. 148. 164 So behandelt Gotting zunächst die von der Rechtsübertragung unterschiedene Einwilligung (S. 142ff., s. insb. S. 162, Fußn. 104: Die Einwilligung verleihe kein subjektives Recht), spricht sich aber später (S. 279) dafür aus, die Einräumung absoluter, quasidinglicher Nutzungsrechte zuzulassen.

V. Zusammenfassender

Überblick

über das Meinungsspektrum

59

V. Zusammenfassender Uberblick über das Meinungsspektrum Das Spektrum der Ansichten sei durch ein Schaubild verdeutlicht: Rechtsnatur der Einwilligung

Rechtsgeschäft

Vertrag: antizipierter Verzicht oder pactum de non petendo (v. Gamm, Schwerdtner)

geschäftsähnliche Handlung (h.A. in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur)

einseitiges Rechtsgeschäft

strenge Rechtsgeschäftstheorie (Zitelmann)

Rechtsschutzverzicht (Schenke, Deutsch)

Realakt

Interessenabwägung (Münzberg)

Nichtgeltendmachung von Abwehransprüchen (Bucher)

modifizierte Rechtsgeschäftstheorie (Rosener, Kohte, Dasch, Resch)

Die neuere Rechtsprechung läßt sich in diesen Überblick nicht eindeutig einordnen. Nach der Entscheidung BGHZ 29, 33 folgen die meisten Urteile zum ärztlichen Heileingriff der mittleren Ansicht, während für Einwilligungen im Bereich der besonderen Persönlichkeitsrechte einige Gerichte nach wie vor von rechtsgeschäftlichen Erklärungsmodellen ausgehen.

2. Teil

Grundlegung und dogmatische Einordnung

§ 5 „Volenti non fit iniuria" als Gerechtigkeitsprinzip I. Zur Bedeutung der rechtsethischen Vorüberlegungen Das Rechtssprichwort „volenti non fit iniuria" stellt die Essenz einer Theorie der Einwilligung dar: Niemand kann sich über eine Handlung beschweren, die mit seinem Willen vorgenommen wurde. Der Satz gilt nicht nur im rechtlichen Bereich, sondern er verkörpert ein Gerechtigkeitsprinzip 1 von hoher Plausibilität, das insbesondere im alltäglichen moralischen Diskurs seinen festen Platz hat 2 . Einige Überlegungen zum ethischen Gehalt dieses Prinzips sollen hier den Ausgangspunkt für die folgende rechtliche Theorie darstellen. Die rechtsethische Analyse ermöglicht es, einige wesentliche, dem Institut der Einwilligung zugrunde liegende Gerechtigkeitsüberlegungen unabhängig von der Systematik des Zivilrechts herauszuarbeiten. Damit ist keine Stellungnahme zu der rechtsphilosophischen Grundfrage beabsichtigt, inwieweit das Recht ethischen Grundsätzen zu entsprechen hat. Jedenfalls ermöglicht die Ausleuchtung des ethischen Hindergrunds eine kritische Überprüfung der durch dogmatische Überlegungen gewonnenen Ergebnisse. Ebenso wie das Wort „Einwilligung" ist allerdings auch der Satz „volenti non fit iniuria" nur von begrenzter begrifflicher Trennschärfe. Er liegt nicht nur den typischen Fällen der Einwilligung zugrunde, sondern wird auch in zwei Bedeutungsvarianten verwandt, die über diesen Bereich hinausgehen. Erstens w i r d der Satz auch gelegentlich herangezogen, u m die Bindungsw i r k u n g vertraglicher Versprechen zu erklären oder staatlichen Zwang zur Durchsetzung vertraglicher Verpflichtungen zu legitimieren 3 . Ein besonderes Beispiel für diesen Sprachgebrauch bietet die politische Philosophie, in der zuweilen über die Plausibilität gesellschaftsvertraglicher Theorien unter der Fragestellung diskutiert wird, ob staatlicher Zwang durch den Grundsatz „volenti non fit iniuria" gerechtfertigt ist 4 . Zweitens wird vor allem im engli1 2

V g I J o e r d e n , ARSP 74 (1988) 307 (314). Was sich etwa darin äußert, daß der Satz zum „Zitatenschatz des Gebildeten gehört",

Roxin AT I, § 13, Rz. 1.

3 Vgl. Canaris, AcP 2000 (200) 273 ( 2 8 4 ) ; J o e r d e n , ARSP 74 (1988) 307 (314): „Auch die Regel,volenti non fit iniuria' (...) ist Bedingung der Möglichkeit einer jeden Einigung, da man über sie keine Vereinbarung treffen kann. Man muß sie vielmehr für jede Vereinbarung immer schon voraussetzen." 4 Vgl. etwa die Begründung der Staatsgewalt bei Hobbes, Leviathan, Kap. 18 a. E. Bei

64

§ 5 „ Volenti non fit iniuria " als

Gerechtigkeitsprinzip

sehen Recht „volenti non fit iniuria" zur Umschreibung der Fälle verwendet, die im deutschen Recht in die Kategorie des „Handelns auf eigene Gefahr" fallen 5 . Beide Bedeutungsvarianten verweisen auf Abgrenzungsprobleme, die zu erörtern sein werden: Wie verhält sich die Einwilligung zum Vertrag einerseits und zum „Handeln auf eigene Gefahr" andererseits? Wenn hier aber als Auftakt zu einer Theorie der Einwilligung über den ethischen Gehalt des Satzes „volenti non fit iniuria" nachgedacht wird, so interessieren naturgemäß vor allem die Fälle, in denen das Prinzip die Wirkung einer Einwilligung erklärt. Sucht man im philosophisch-ethischen Schrifttum nach Analysen des Prinzips, so wird man meist enttäuscht6. Seine vermeintliche Selbstverständlichkeit 7 und seine Stellung zwischen Ethik und Recht scheinen eingehenden Untersuchungen bisher im Wege gestanden zu haben. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, daß der Grundsatz auf zwei Kernbegriffen der Ethik beruht, oder, präziser formuliert, sie zueinander in das logische Verhältnis von Voraussetzung und Folge bringt. Indem das Sprichwort beim Willen des Betroffenen ansetzt, bringt es zum Ausdruck, daß Ausgangspunkt für die Legitimation der betreffenden Handlung allein dessen Willensentscheidung ist. Wer das Prinzip anwendet, erkennt damit zugleich an, daß der Betroffene in dieser Hinsicht dispositionsbefugt ist, daß es sich um eine eigene Angelegenheit handelt, über die er selbst entscheiden kann. Damit beruht die Legitimationskraft des Grundsatzes „volenti non fit iniuria" auf dem Gedanken der Selbstbestimmung, genauer: Er setzt die Möglichkeit der Selbstbestimmung voraus und erkennt die Einwilligung als deren Ausübung an. Diesem Zusammenhang zwischen Einwilligung und Selbstbestimmung soll in einem ersten Schritt nachgegangen werden (II). Damit ist der ethische Gehalt des Prinzips „volenti non fit iniuria" aber noch nicht vollständig beschrieben. Die Selbstbestimmung stellt nämlich die Voraussetzung, nicht hingegen die eigentliche normative Aussage des Satzes dar. Vor allem wird mit den Worten „non fit iniuria" die Folge der WillensRawls, Theory of Justice, §§ 24, 38 und passim, rechtfertigt sich staatlicher Zwang durch ein Ubereinkommen, das die Mitglieder der Gesellschaft schließen würden, wenn sie durch einen „Schleier des Nichtwissens" an der Kenntnis ihrer jeweiligen konkreten Lebensumstände gehindert wären; die Rechtfertigung beruht also auf dem Satz „volenti non fit iniuria", der Wille ist aber ein hypothetischer; krit. hierzu Kleinig, S. 63 ff. (insb. 66); Kliemt, Rawls' Kritik, S. 114 f. und Zustimmungstheorien, S. 77 f. 5 V g l . J a f f e y , [1985] C.L.J. 87ff.; Clerk & Lindseil/ Brazier, Rz. 3-72 ff.; zur Abgrenzung im deutschen Recht s. unten, § 9 IV 2. 6 Eine Ausnahme bildet die Paternalismusdebatte; hier beziehen sich verschiedene Autoren auf den „volenti"-Grundsatz, vgl. etwa. Feinberg, S. 4; Kleinig, S. 66; näher hierzu sogleich, II 3. 7 S. oben, § 3 I, II. Erinnert sei vor allem an die Einschätzung Schopenhauers, Preisschrift über die Grundlage der Moral, § 5, der den Grundsatz als „selbst-evident" einschätzt.

II.

Selbstbestimmung

65

entscheidung betont: Der Betroffene wird an seinem einmal geäußerten Willen festgehalten, ihm wird wegen seines zuvor geäußerten Willens die ursprünglich mögliche Berufung auf die Normwidrigkeit der Handlung abgeschnitten. Damit wird als Kehrseite der Selbstbestimmung die Selbstverantwortung des Einwilligenden hervorgehoben: Wenn die Gesellschaft die Willensentscheidung ernst nimmt, bedeutet das zugleich, daß der Erklärende zu ihr stehen muß. Der Zusammenhang zwischen Einwilligung und Selbstverantwortung wird im zweiten Schritt der folgenden Überlegungen untersucht (III).

II.

Selbstbestimmung

Die Begriffe „Selbstbestimmung" und, in noch stärkerem Maße, „Autonomie" sind im Laufe der Philosophiegeschichte in höchst unterschiedlichen Bedeutungen verwendet worden 8 . Autonomie (von auxöc; - selbst und rio^og - Gesetz) bedeutet Freiheit von Fremdbestimmung (Heteronomie) und zielt auf Emanzipation von Bindungen und Bedingungen, die von außen kommen 9 . Es liegt auf der Hand, daß die Bedeutung dieses Begriffs stark vom jeweiligen Kontext abhängig ist, insbesondere von der möglichen Quelle von Fremdbestimmung, von der eine Unabhängigkeit postuliert wird. Beim Satz „volenti non fit iniuria" geht es um Freiheit von einer gesellschaftlich-objektiven Entscheidung über Normgemäßheit oder Normwidrigkeit. Jedes Normsystem stellt allgemeine Regeln auf, die prinzipiell unabhängig vom Willen des einzelnen gelten. Auch im Rahmen der meisten Rechtfertigungsgründe w i r d objektiv über die Rechtfertigung entschieden: Unabhängig vom Willen des Eingreifenden wird dessen Eingriffsinteresse gegen das Integritätsinteresse des Betroffenen abgewogen. Fällt hingegen eine Verhaltensweise in den Anwendungsbereich des „volenti"-Satzes, so ist der Wille des Betroffenen unabhängig von objektiven Vernünftigkeitserwägungen hinreichende Bedingung ihrer Rechtmäßigkeit. Dieser Ansicht haben für das Strafrecht vor allem Noll10, für das Zivilrecht Münzberg11 entgegengehalten, auch die Einwilligung beruhe auf einer Interessenabwägung: Abgewogen werde zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Rechtsinhabers und öffentlichen Interessen am Erhalt der betroffenen Rechtsgüter. Die dogmatische Auseinandersetzung mit dieser Ansicht soll später erfolgen 1 2 . Bei rechts8 Vgl. den Überblick bei Pohlmann in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort „Autonomie"; Holm in Encyclopedia of Applied Ethics, Stichwort „Autonomy" und Reath in Routledge Encyclopedia of Philosophy, Stichwort „Autonomy, Ethical". 9 Hollerbach, S. 16. 10 Noll, S. 75. 11 Münzberg, S. 310 ff. 12 S. unten, § 9 III 2 a.

66

§ 5 „ Volenti nonfit

iniuria" als

Gerechtigkeitsprinzip

ethischer Betrachtung läßt sich vorwegnehmen, daß diese Theorie ungeeignet erscheint, den Freiheitsgehalt des „volenti"-Satzes zutreffend zu erfassen. Freiheit ist innerhalb einer organisierten Gesellschaft niemals unbegrenzt, wie etwa ein Blick auf grundlegende Freiheiten des Zivilrechts zeigt: Der Freiheit des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren, sind ebenso Grenzen gesetzt, wie der allgemeinen Vertragsfreiheit. Jede dieser Freiheiten könnte auch von ihren Grenzen her als Interessenabwägung gedeutet werden, dabei würde aber ihr entscheidendes Charakteristikum verlorengehen, das in der Gewährung eines Freiraums für Selbstbestimmung besteht. Ebenso drückt der Satz „volenti non fit iniuria" aus, daß ein Selbstbestimmungsrecht ausgeübt wurde. Die Schranken der Einwilligung sind der Rahmen, innerhalb dessen das Prinzip gilt, sie sind aber nicht Teil seiner Aussage. Die Einwilligung dient also der Aktualisierung von Autonomie. Wer das Sprichwort „volenti non fit iniuria" anwendet, erkennt damit zugleich die in eigenen Angelegenheiten Befugnis des Betroffenen zur Selbstbestimmung an. Da die Lehre von der Einwilligung mithin Teilaspekt einer Theorie der Selbstbestimmung innerhalb normativ verfaßter Gesellschaften ist, bietet sich ein Blick auf den Begriff der Autonomie in der Philosophie an. Jede Theorie der Autonomie berührt in mehr oder weniger starkem Maße drei Grundfragen. Erstens muß sie begründen, warum selbstbestimmte Entscheidungen Respekt verdienen (1). Zweitens fragt sich, unter welchen Voraussetzungen eine Verhaltensweise Ausdruck autonomen Entscheidens ist (2). Drittens muß jede Theorie der Autonomie zu den Grenzen der Selbstbestimmung Stellung nehmen (3). Im folgenden sollen einige grundlegende Antworten skizziert werden, die seit der Philosophie der Aufklärung auf diese Fragen gegeben wurden. Es liegt auf der Hand, daß es sich dabei nicht um mehr als um eine äußerst grobe Skizze handeln kann. 1. Begründung vor individueller

der Notwendigkeit des Selbstbestimmung

Respekts

Warum soll die freie Entscheidung des einzelnen über seine eigenen Angelegenheiten Gewicht haben? Das erste grundlegende Argument für diese Forderung geht auf Kant zurück, in dessen praktischer Philosophie der zuvor vorwiegend im politischen Zusammenhang gebrauchte Begriff der Autonomie13 seine Wendung ins Individual-Ethische erfuhr. Das Anliegen Kants besteht darin, einen obersten Grundsatz der Moralität zu identifizieren, der unabhängig von jeder Erfahrung, also a priori gilt14. Die Suche nach einem 13 In der griechischen Antike war „Autonomie" noch in erster Linie ein politischer Begriff, der für die Freiheit der polis von Fremdherrschaft stand, s. Pohlmann in Historisches Wörterbuch der Philosophie, Stichwort „Autonomie"; Hollerbach, S. 19. 14 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 33 ff.

II.

Selbstbestimmung

67

solchen Grundsatz wäre zum Scheitern verurteilt, wenn sämtliche menschlichen Handlungen vollständig von Umwelteinflüssen bestimmt würden. Zwar leugnet Kant nicht, daß menschliche Handlungen sinnlich wahrnehmbare Ursachen haben, er stellt aber neben diese Kausalkette den freien Willen als Begriff der Vernunft15. Da der Mensch über freien Willen verfügt, kann er sich selbst ein moralisches Gesetz geben und im Einklang mit diesem Gesetz Maxime des praktischen Handelns bilden. Das oberste moralische Gesetz nennt Kant den kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde." 16 Autonomie ist bei Kant also in erster Linie Autonomie des Willens von äußeren Einflüssen, sei es von Einflüssen der Natur, sei es von einem göttlichen Willen. Da aber die Fähigkeit zur moralischen Selbstgesetzgebung „Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur" ist17, ergibt sich aus dem kategorischen Imperativ zugleich eine weitere, gesellschaftlich bedeutsame normative Folgerung: Aufgrund seiner Autonomie ist jeder Mensch „Zweck an sich selbst", daher muß jeder andere Mensch zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel behandelt werden18. Die sittliche Autonomie verleiht dem Menschen also Würde, diese Menschenwürde ist von allen anderen zu achten. Auch für die Rechtsordnung folgt daraus eine Vorgabe: Das Recht muß jedem einzelnen einen Freiheitsraum belassen, der es ihm ermöglicht, im Einklang mit seiner freien Willensentscheidung zu handeln19. So ergibt sich letztlich auch der Rechtsbegriff Kants aus der Bedeutung der Autonomie: „Recht ist (...) der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." 20 Kants Gründung der Rechtslehre auf den Gedanken der individuellen Autonomie ist von Hegel mit dem Argument kritisiert worden, sie habe „ein Für-Sich-Sein und die Einzelheit zum Prinzip" gemacht21. Wenn das Individuum nur in seiner Isolierung betrachtet werde, habe das Recht lediglich eine negative, beschränkende Bedeutung22. Demgegenüber realisiert sich für Hegel A.a.O., S. 81 ff. A.a.O., S. 51. 17 A.a.O., S. 69. 18 A.a.O., S. 63f. 19 Das bedeutet allerdings zugleich, daß der Autonomiebegriff Kants sich von der Idee der Selbstbestimmung unterscheidet, die dem „volenti"-Satz zugrunde liegt. Während Kant auf die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit freien Entscheidens und nach der Begründung der Verbindlichkeit von Normen fragt, ist die äußere Selbstbestimmung, um die es im folgenden Text geht, eine „Minimalfreiheit". 20 Kant, Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Rechtslehre, § B (S. 337). 21 Hegel, Uber die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, zit. nach Welzel, Naturrecht, S. 174. 22 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 29. 15 16

68

§ 5 „ Volenti non fit irtiuria " als

Gerecbtigkeitsprinzip

wahre Freiheit nicht in der Abgrenzung, sondern in der Gemeinschaft. Die individuelle Freiheit bedarf erst der Vermittlung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit, um zur konkreten Freiheit zu werden. Allerdings ist mit dieser Kritik an der individuellen Autonomie als Zentralbegriff der Sittlichkeit nicht zugleich die normative Forderung verworfen, daß die Gesellschaft den Individuen Freiräume zur Selbstbestimmung lassen soll. Das ergibt sich aus Hegels Eigentumsbegriff. In Anschluß an Kant formuliert Hegel das Rechtsgebot: „Sei eine Person und respektiere die anderen als Personen" 2 3 . Ein Subjekt wird für Hegel aber erst dadurch zur Person, daß sie sich „eine äußere Sphäre ihrer Freiheit" gibt 24 , indem sie Sachen in Besitz nimmt und dadurch mit ihrem Willen erfüllt 25 . Dabei geht der Eigentumsbegriff Hegels über den Bereich der körperlichen Gegenstände hinaus und umfaßt auch geistiges Eigentum 26 . Sogar der eigene Körper gehört zur äußeren Freiheitssphäre, auch ihn nimmt nach Hegel eine Person dadurch in Besitz, daß sie ihn mit ihrem Willen erfüllt 27 . Damit muß der Ansicht Fezers widersprochen werden, die „Ökonomisierung" des subjektiven Rechts bei Savigny sei hegelianisch 28 . Vielmehr macht Hegel gerade die Bedeutung der personalen Freiheitssphäre, die sowohl den Körper als auch das Sacheigentum umfaßt, besonders deutlich. Zwar ist das Eigentum als subjektives Recht zunächst bei isolierter Betrachtung noch Teil des abstrakten Rechts, doch wird beim Ubergang vom abstrakten Recht zur Sittlichkeit auch der Respekt vor gewissen Reservaten der freien Entscheidung zum allgemeinen Prinzip, insoweit kommt auch dem Satz „volenti non fit iniuria" sein Platz im Rahmen einer sittlichen Ordnung zu. Auf einer anderen Ebene liegt die Argumentation, mit der Mill das Postulat der größtmöglichen Freiheit des Bürgers von staatlichem Zwang begründet. In seiner Schrift „ O n Liberty" wendet sich Mill gegen staatlichen und gesellschaftlichen Paternalismus: Die Freiheit des einzelnen dürfe nur zum Schutz anderer eingeschränkt werden, niemals jedoch zu seinem eigenen physischen oder moralischen Schutz 29 : „Each is the proper guardian of his own health, whether bodily, mental or spiritual" 30 . Wenn also eine Person sich selbst schadet, so kann es nur legitim sein, sie zu beraten, niemals darf sie jedoch zu ihrem eigenen Wohl gezwungen werden 31 . Auch wenn andere bei der Selbstverletzung Hilfe leisten, muß deren Handlung grundsätzlich ebenso erlaubt 23 24 25 26 27

28 29 30 31

A.a.O., §36. A.a.O., §41. A.a.O., §§44, 55. A.a.O., §43. A.a.O., §§47,48,57. Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 267. Mill, On Liberty, S. 68. A.a.O., S. 72. A.a.O., S. 68.

II.

Selbstbestimmung

69

sein, wie die Selbstverletzung selbst32. Im Gegensatz zu Kants deontologischem Ansatz begründet Mill die Bedeutung der Selbstbestimmung jedoch utilitaristisch. Gesellschaftlicher Zwang nach eingefahrenen Regeln behindere die Kreativität und damit die Fortentwicklung der Gesellschaft33. Zudem bedeute für jeden Menschen die Selbstbestimmung eine Steigerung der Lebensqualität34, daher erhöhe die Möglichkeit individueller Selbstbestimmung den gesamtgesellschaftlichen Nutzen 35 . Die Sicherung der Freiheit des einzelnen gegenüber staatlicher Bevormundung ist Hauptanliegen des modernen Liberalismus. Er wird in einer Vielzahl von Strömungen vertreten, die hier nicht im einzelnen dargelegt zu werden brauchen. Es sei nur beispielhaft auf den stark von Kant beeinflußten deontologischen Begründungsansatz der politischen Philosophie von Rawls hingewiesen36. Demgegenüber hat sich die utilitaristische Begründung der Autonomie stark auf die Ökonomie ausgewirkt. In Fortführung des Gedankens von Adam Smith, daß gesellschaftlicher Nutzen maximiert wird, wenn die Individuen ihr Handeln an ihren individuellen Präferenzen ausrichten, spielt in der modernen Ökonomie und mithin auch in der ökonomischen Analyse des Rechts der Gedanke der Präferenzautonomie als normatives Prinzip eine bedeutende Rolle 37 . Dieser sehr gedrängte Uberblick über die Bedeutung des Autonomiebegriffs in der Philosophie ermöglicht eine rechtsethische Antwort auf die erste Frage. Zwar sagt der Satz „volenti non fit iniuria" selbst noch nichts darüber, warum ein Selbstbestimmungsrecht des einzelnen in eigenen Angelegenheiten anerkannt werden soll, denn diese Frage ist der Anwendung des Prinzips logisch vorgelagert. Zur Begründung haben sich jedoch zwei Argumente herauskristallisiert. Das deontologische Argument lautet, daß die Fähigkeit des Menschen zu autonomem Entscheiden seine Würde ausmacht. Der Respekt vor der Menschenwürde und der Personenhaftigkeit gebietet es, den Individuen in der Gesellschaft ein Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten zuzuerkennen. Die gleiche Forderung läßt sich zusätzlich utilitaristisch begründen. Da jeder Mensch selbstbestimmtes Handeln der Fremdbestimmung A . a . O . , S . 168. A . a . O . , S . 122. 34 S. 119ff., s. auch Holm in Encyclopedia of Applied Ethics, Stichwort „Autonomy". 35 Zur utilitaristischen Begründung des Autonomiegedankens bei Mill auch Holm in Encyclopedia of Applied Ethics, Stichwort „Autonomy". Dagegen rückt Eidenmüller, S. 332, die Argumentation Mills in die Nähe der deontologischen Begründungsansätze: Die Verteidigung der Präferenzautonomie beruhe auch bei Mill auf dem Respekt für die Menschenwürde. 36 Rawls, Kantian Constructivism in Moral Theory (1980) und Theory of Justice, § 40 (S. 251 ff.). 37 Vgl. die Darstellungen bei Drexl, S. 91 ff. und Eidenmüller, S. 323 ff., insb. 333 ff. m. w. N. 32

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Gerechtigkeitsprinzip

vorzieht, maximiert die Zuerkennung von Selbstbestimmungsrechten den gesellschaftlichen Nutzen. Zudem werden zahlreiche Güter effektiver verwaltet, wenn sie der Selbstbestimmung des einzelnen überlassen werden. Auch das Effizienzkriterium, das der ökonomischen Analyse des Rechts zugrunde liegt, wird damit oft für die Gewährung von Selbstbestimmungsrechten streiten38. Die Kritik, die Hegel und in der modernen Philosophie die Kommunitaristen39 gegen die zentrale Stellung der individuellen Autonomie in der Philosophie vorgetragen haben, widerspricht dem nicht, da mit dem Satz „volenti non fit iniuria" nicht die extreme normative Forderung verbunden ist, daß Selbstbestimmung grenzenlos gelten oder stets vor Allgemeininteressen Vorrang erhalten sollte. Zwar wird eine liberale Theorie Einschränkungen der Selbstbestimmung kritischer gegenüberstehen, als eine Ethik, die vor allem die Einbettung des einzelnen in die Gesellschaft hervorhebt. Das entwertet jedoch nicht die Notwendigkeit individueller Selbstbestimmung an sich. Die Forderung nach Respekt für individuelle Selbstbestimmung ist auch integraler Bestandteil zahlreicher Teilbereiche der Ethik. So ist im Zivilrecht die Privatautonomie nicht nur ein willkürlich gesetztes Prinzip, sondern findet zugleich ihre Rechtfertigung zum einen in der Anerkennung der Würde und der Selbstbestimmung des Menschen 40 , zum anderen in ihrer Effizienz 41 . Ein weiterer Bereich, in dem der Respekt von der individuellen Autonomie zentrale Bedeutung erlangt, ist die Bioethik. Der rechtliche Grundsatz, daß ärztliche Heilbehandlungen und medizinische Experimente nur mit Einwilligung des Patienten stattfinden dürfen, wurzelt in der ethischen Uberzeugung, daß die Selbstbestimmung des Menschen über den eigenen Körper Ausfluß der Menschenwürde ist42. Vor allem in anglo-amerikanischen Schrifttum sind zudem utilitaristische Begründungsansätze verbreitet, die darauf verweisen, daß medizinische Eingriffe bei Vorliegen einer Einwilligung mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen und Kosten minimieren43. Die Betonung der Patientenautonomie bedeutet zugleich eine Absage an einen ärztlichen Paternalismus44, der dem Wohl des Kranken (salus aegroti) stets Vorrang vor dessen Willen (voluntas aegroti) beimißt, und an die im Nationalsozialis-

38 Grundlegend zum Zusammenhang zwischen ökonomischer Analyse und Selbstbestimmung Drexl, S. 206 ff. und passim. 3 9 Vgl. etwa Taylor, S. 369 ff.; Sandel, S. 175 ff. 40 Flume AT II, § 1,1 (S. 1); Drexl, S. 253 ff.; Hollerbach, S. 20; Larenz/Wolf, § 1, Rz. 2. 41 Vgl. O L G Stuttgart, N J W 1979, 2409 (2410); Eidenmüller, S. 333; Cooter/Ulen, S. 78 ff.; modifizierend Drexl, S. 206 ff. 42 Giesen in Lexikon der Bioethik, Stichwort „Einwilligung", S. 539; Beauchamp, S. 3 ff.; Levine in Encyclopedia of Bioethics, Stichwort „Informed Consent", S. 1242 f.; HdA/ Laufs, § 61, Rz. 14; Deutsch MedR, Rz. 102 f. 43 Levine, a.a.O., S. 1242f.; Hare, S. 154. 44 Vgl. Buchanan, S. 61 ff.; Kleinig, S. 115 ff.

II.

Selbstbestimmung

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mus verbreitete Auffassung, entscheidend sei in erster Linie das Gemeinwohl, namentlich die Volksgesundheit45. Die ethische Forderung nach Respekt für die Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten stellt einen gemeinsamen Nenner dar, auf den sich die eingangs in § 2 dieser Arbeit dargestellten höchstpersönlichen und vermögensrechtlichen Fallkonstellationen bringen lassen. Die ethischen Überlegungen verweisen auf ihre rechtsdogmatische Entsprechung und geben damit einen ersten Programmpunkt für die folgende Untersuchung vor. Das Zivilrecht schützt die Selbstbestimmung in verschiedener Weise: durch die allgemeine Privatautonomie und durch den Schutz subjektiver Rechte, daneben ist nach einer verbreiteten Ansicht die Selbstbestimmung in höchstpersönlichen Angelegenheiten vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfaßt. Es wird zu klären sein, welchem dieser Bereiche die Selbstbestimmung durch Einwilligung zuzuordnen ist. 2. Voraussetzungen

autonomen

Entscheidens

Wann ist eine Entscheidung Ausdruck von Autonomie? Diese Frage scheint zunächst auf die schwierige Problematik hinauszulaufen, ob Willensfreiheit möglich ist46. Ein Determinist wird möglicherweise leugnen, daß es sinnvoll ist, von „autonomen Entscheidungen" überhaupt zu reden. Allerdings ist der Determinismus nicht nur in der neueren Philosophie auf dem Rückzug, er ist auch als Grundannahme für Normensysteme, die auf die Möglichkeit von Zurechnung angewiesen sind, unbrauchbar. Dementsprechend erkennen sämtliche Theorien, die selbstbestimmtes Handeln für möglich halten, an, daß es „eine ganze Reihe von Bedingungen der Möglichkeit von Selbstbestimmung" gibt, die das Prinzip der Selbstbestimmung nicht selbst schaffen und garantieren kann47. Nach Schopenhauer kann sich der Päderast nicht auf den Grundsatz „volenti non fit iniuria" berufen, da durch sein Handeln der „jüngere und unerfahrenere Teil verdorben" wird48. Mill bezeichnet die Reife einer Person als notwendige Bedingung von Autonomie49. Die Ablehnung des Paternalismus ändere nichts daran, daß Kinder und minderjährige Jugendliche vor ihren eigenen Handlungen ebenso zu beschützen seien wie vor äußeren Eingriffen50. 45 Zur Auseinandersetzung mit dieser Auffassung in der späten Rechtsprechung des R G vgl. R G Z 151, 349 (350 f.); 168, 206 (210). 46 Zu dieser Frage umfassend Pothast, Die Unzulänglichkeit der Freiheitsbeweise (1987). 47 Höllerbach, S. 25. 48 Schopenhauer, Preisschrift über die Grundlage der Moral, § 5. 49 Mill, O n Liberty, S. 69. 50 Die gleiche Möglichkeit erwägt Mill übrigens für primitive Gesellschaften. Das Prinzip der Freiheit könne erst zur Anwendung kommen, wenn die Menschheit zum freien und gleichen Diskurs in der Lage sei. Vor diesem Zeitpunkt gebe es für sie keine andere Möglichkeit, als einem Akbar oder Charlemagne zu gehorchen.

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§ 5 „ Volenti non fit iniuria" als

Gerechtigkeitsprinzip

Jedes Normsystem ist mit einem Problem konfrontiert, das für die Bioethik Faden und Beauchamp besonders deutlich herausgearbeitet haben51: Die Grenze zwischen fremd- und selbstbestimmten Entscheidungen läßt sich oft nicht eindeutig festlegen, vielmehr verläuft zwischen beiden Extrempositionen ein Kontinuum. Das gilt zunächst für die zunehmende Fähigkeit Minderjähriger zur Selbstbestimmung. Eine feste Grenze der Zurechnungsfähigkeit, wie sie etwa Mill vorschwebt und wie sie das BGB in den §§ 104ff. vorsieht, hat zwar den Vorteil der Klarheit und Sicherheit, sie vernachlässigt aber die Möglichkeit, daß auch Minderjährige in bestimmten Situationen entscheidungsfähig sein können. Ein ähnliches Problem bereitet die Frage, ab welchem Informationsstand Selbstbestimmung möglich ist. Auch nach der gewissenhaftesten ärztlichen Aufklärung ist ein medizinisch nicht ausgebildeter Patient regelmäßig nicht in der Lage, Chancen und Risiken eines Heileingriffs vollständig einzuschätzen. Jedes Normsystem muß entscheiden, ab welchem Informationsstand es eine Entscheidung als selbstbestimmt anerkennt und wer in welchem Maß für die Beschaffung der Information zuständig ist. Drittens kann äußerer Zwang zwar im Extremfall entweder völlig fehlen oder umgekehrt die Entscheidungsfreiheit völlig ausschließen, doch gibt es auch hier einen grauen Bereich, etwa in Fällen wirtschaftlichen Zwangs. Sämtliche Probleme können sich für die Philosophie und die Psychologie stellen, sicherlich stellen sie zentrale Schwierigkeiten der rechtlichen Beurteilung dar und werden daher in dieser Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Einwilligungsvoraussetzungen erörtert. 3. Grenzen

der

Autonomie

Autonomie ist niemals schrankenlos. Sofern ein Individuum nicht allein auf einer einsamen Insel lebt, sondern in eine Gesellschaft eingebunden ist, muß seine Freiheit mit derjenigen aller anderen Individuen in Einklang gebracht werden. Außerdem muß jede auf dem Gedanken der Autonomie beruhende Theorie zu einem Phänomen Stellung nehmen, das häufig als das Freiheitsparadoxon bezeichnet wird: Unbeschränkte Freiheit hat die Tendenz, sich selbst aufzuheben. Auf der „Makroebene" der Gesellschaft insgesamt bedarf das Problem der Machtkonzentration, die zu Freiheitsbeschränkungen führt, der Aufmerksamkeit52, während auf der im Rahmen dieser Arbeit stärker relevanten „Mikroebene" des einzelnen Individuums die Frage zu beantworten ist, ob das Selbstbestimmungsrecht auch die Macht umfaßt, bestimmte Freiheiten in irreversibler Weise aufzugeben. Daß die Selbstbestimmung einer Person durch die Rechte anderer begrenzt wird, ist wohl allgemein anerkannt. Für Kant ist die Abstimmung der indivi51 52

Faden/Beauchamp, Dazu Fikentscher,

S. 235 ff. Die Freiheit und ihr Paradox (1997); Drexl, S. 110.

II.

Selbstbestimmung

73

duellen F r e i h e i t s b e r e i c h e gerade die vorrangige A u f g a b e des R e c h t s 5 3 , und Mill faßt sein liberales C r e d o in die W o r t e : „ T h e o n l y p u r p o s e f o r w h i c h p o w e r can be rightfully exercised over any o t h e r m e m b e r o f a civilised Community, against his will, is to prevent

harm

to others."54

A u c h im R e c h t ist

diese S c h r a n k e der H a n d l u n g s f r e i h e i t verankert, s o w o h l A r t . 2 I G G als auch § 9 0 3 B G B enthalten klassische F o r m u l i e r u n g e n dieses G e d a n k e n s . Allgemeininteressen, die sich nicht zu subjektiven R e c h t e n D r i t t e r verdichtet haben, k ö n n e n das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen ebenfalls b e schränken. Allerdings kann das Allgemeininteresse in einer liberalen Gesellschaft keinen kategorischen Vorrang v o r Individualinteressen beanspruchen, vielmehr ist eine A b w ä g u n g erforderlich. N i c h t u n p r o b l e m a t i s c h ist eine A r g u mentation, die besonders zur Rechtfertigung der absoluten Einwilligungssperre für T ö t u n g e n (§ 2 1 6 S t G B ) herangezogen wird: E i n e Zulassung der T ö t u n g auf Verlangen durchbreche das Tabu, das für T ö t u n g e n gelte und schwäche damit den L e b e n s s c h u t z insgesamt 5 5 . Dieses A r g u m e n t läßt sich verallgemeinern: W e n n die Zulässigkeit einer H a n d l u n g mit Willen des B e t r o f f e n e n die G e f a h r erhöht, daß die gleiche H a n d l u n g in anderen Situationen auch gegen den Willen der B e t r o f f e n e n v o r g e n o m m e n wird, so spricht das für B e s c h r ä n k u n g e n der Dispositionsbefugnis im öffentlichen Interesse. O b dieses A r g u m e n t aber plausibel ist oder nur v o r g e s c h o b e n wird, u m andere G r ü n d e für die B e s c h r ä n k u n g des Selbstbestimmungsrechts zu verdecken, wird zu erörtern sein. Schließlich b e r u h e n B e s c h r ä n k u n g e n der S e l b s t b e s t i m m u n g bisweilen auf der B e s t r e b u n g , eine P e r s o n v o r sich selbst zu s c h ü t z e n . D i e s e S c h r a n k e n sind ihrer N a t u r nach paternalistisch, g e h ö r e n also zur G r u p p e staatlicher o d e r gesellschaftlicher M a ß n a h m e n , die gegen den W i l l e n des Individuums, aber zur F ö r d e r u n g seines eigenen B e s t e n v o r g e n o m m e n w e r d e n 5 6 . O b und u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n paternalistische H a n d l u n g e n gerechtfertigt sein k ö n n e n , ist eine in der ethischen D i s k u s s i o n h ö c h s t u m s t r i t t e n e F r a g e 5 7 . P r i ma facie erscheint Paternalismus als das G e g e n t e i l v o n R e s p e k t f ü r A u t o n o mie: I n d e m d e r p a t e r familias

f ü r sein u n m ü n d i g e s K i n d handelt, setzt er sein

eigenes E r m e s s e n an die Stelle der a u t o n o m e n E n t s c h e i d u n g des K i n d e s . D e m e n t s p r e c h e n d ist die P a t e r n a l i s m u s k r i t i k ein G r u n d a n l i e g e n Mills, das im m o d e r n e n L i b e r a l i s m u s häufig aufgegriffen wird. A u c h die juristische L i t e r a tur in D e u t s c h l a n d hat sich dieses T h e m a s in den letzten J a h r e n verstärkt a n g e n o m m e n 5 8 . D a b e i ü b e r w i e g t im S c h r i f t t u m ebenfalls eine antipaternalisS. zum Rechtsbegriff Kants oben, II 1. Mill, On Liberty, S. 68. 55 Vgl. die Nachweise unten, § 14 IV 1. 56 Vgl. die Definitionen bei Feinberg, S. 3; Dworkin, S. 20 und Metzger, S. 97. 57 Vgl. Dworkin, S. 19ff., \ 05ii.-, Feinberg, S. 3 ff. Kleinig, S. 3 ff.; und den Überblick bei Enderlein, § 1 (S. 7ff.) und Eidenmüller, § 9 (S. 358ff.), beide m.w.N. 58 Vgl. aus verfassungsrechtlicher Sicht Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst (1992); aus zivilrechtlicher Sicht Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht 53 54

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§ 5 „ Volenti nonfit

iniuria" als

Gerechtigkeitsprinzip

tische Grundeinstellung. In der Tat bedeutet etwa die Betonung der Autonomie des Patienten in der Medizinethik zugleich eine Absage an Eingriffe, die der Arzt ohne den Willen des Patienten zu dessen eigenem Besten vornimmt 5 9 . Dennoch gibt es nur wenige, die paternalistisch motivierte Maßnahmen radikal und absolut ablehnen. Zunächst kann, wie oben gesehen, nur derjenige Respekt vor selbstbestimmten Entscheidungen verlangen, der in seiner Person die Voraussetzungen autonomen Handelns erfüllt. Daher ist es für eine Rechtsordnung unproblematisch, ja sogar im Gegenteil geboten, Minderjährige und Personen, deren Willensbildung durch Mängel beeinträchtigt ist, vor den Folgen ihrer eigenen Entscheidungen zu schützen 60 . Man mag Schutzmaßnahmen dieser Art unter den Begriff des „weichen Paternalismus" 6 1 subsumieren und sich dafür auf die etymologische Wurzel des Begriffs berufen 62 , sie sind jedoch weitgehend unproblematisch. Je höher allerdings die Anforderungen an die Autonomie einer Entscheidung gesteckt werden, desto geringer wird der Unterschied zum „harten Paternalismus", also zur Mißachtung des Willens einer mündigen und frei verantwortlich handelnden Person zu deren eigenem Besten. Einen Grenzfall bilden absolute Einwilligungssperren, die mit der Unmöglichkeit begründet werden, die Freiwilligkeit des Einwilligenden mit Sicherheit festzustellen; eine Begründung, die sowohl in der Diskussion um § 216 StGB 6 3 als auch als Rechtfertigung für das Verbot der Lebendspende von Organen zugunsten Fremder in § 8 I 2 des neuen Transplantationsgesetzes anzutreffen ist 64 . Auch wer den „harten Paternalismus" grundsätzlich ablehnt, muß sich mit dem Paradox der Freiheit auseinandersetzen. Mill diskutiert den Fall einer Person, die sich selbst in die Sklaverei verkauft, und hält diesen Selbstversklavungsvertrag - dem das römische Recht, wie gesehen 65 , durchaus Wirkung beimaß - für nichtig: „The principle of freedom cannot require that he should be free not to be free." 66 Weitergehend erwägt er, diesen Gedanken auf dauerhafte Freiheitsbeschränkungen im nichtvermögensrechtlichen Bereich auszudehnen: „(...) there are perhaps no contracts or engagements, except those that relate to money or money's worth, of which one can venture to say that there (1996); Eidenmüller, § 9 (S. 358 ff.); Singer, J Z 1995, 1133 ff.; aus urheberrechtlicher Sicht Metzger, S. 92 ff.; aus strafrechtlicher Sicht Sternberg-Lieben, S. 33 ff.; Niedermair, S. 108 ff. 5 9 Vgl. Buchanan, S. 61 ff.; Giesen in Lexikon der Bioethik, Stichwort „Einwilligung", S. 539. 6 0 Vgl. Dworkin, S. 28; Feinberg, S. 8 f.; Enderlein, S. 41 ff.; Metzger, S. 97. 61 Diese Begrifflichkeit ist in der amerikanischen Diskussion gebräuchlich, s. nur Dworkin, S. 107. 6 2 Der pater familias handelt ja gerade für sein unmündiges Kind, vgl. auch Eidenmüller, S. 359. 63 S. hierzu unten, § 14 IV 1. 64 S. hierzu unten, § 6 IV 3 e. 65 S. oben, § 3 I. 66 Mill, On Liberty, S. 173.

II. Selbstbestimmung

75

ought to be no liberty whatever of retraction" 6 7 . Das Prinzip, daß die Freiheit nicht z u r völligen A u f g a b e der Freiheit berechtigt, hat sich nicht nur in der Ethik durchgesetzt, sondern hat auch in viele R e c h t s o r d n u n g e n Eingang gefunden. Besonders klar heißt es in Art. 27 des schweizerischen Z G B : (1) Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. (2) Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. A u c h w e n n dieser G r u n d s a t z intuitiv einleuchtet, fällt es doch nicht ganz leicht, ihn zu begründen u n d seine genaue R e c h w e i t e zu bestimmen. Ein Weg führt über die Vermutung, niemand lasse sich freiwillig auf einen irreversiblen Freiheitsverlust ein. Die Willensbildung dessen, der sich selbst in die Sklaverei begebe, aber auch dessen, der in seine T ö t u n g einwillige, leide daher unter einem Defekt, so daß schon der „weiche Paternalismus" für die U n w i r k s a m k e i t der Entscheidung spreche. Dieses A r g u m e n t ist plausibel, solange es sich u m eine widerlegliche V e r m u t u n g handelt. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß sowohl sie Selbstversklavung als auch der Todeswunsch auf rationalen Motiven beruhen 6 8 . Eine absolute Einwilligungssperre, die den Gegenbeweis einer auton o m e n Willensbildung nicht zuläßt, ist mit dieser Ü b e r l e g u n g also schwer zu rechtfertigen. Ein zweiter Weg beruht auf der Berücksichtigung von Langzeitpräferenzen 6 9 oder dem G e d a n k e n der Freiheitsmaximierung 7 0 : Wer sich seiner Freiheit entäußere, befriedige damit z w a r eine aktuell bestehende Präferenz, verliere aber gleichzeitig auf lange Sicht alle Möglichkeiten, selbst gesetzte Z w e c k e zu verfolgen. Es sei daher legitim, einer Entscheidung die W i r k s a m k e i t zu versagen, w e n n damit gleichzeitig auf lange Sicht die Freiheit des Entscheidenden maximiert werde. Allerdings leidet diese Theorie daran, daß sie die a u t o n o m e G e w i c h t u n g von Kurz- u n d Langzeitpräferenzen d u r c h eine heteron o m e ersetzt: W a r u m soll nicht jeder selbst entscheiden, ob er eine gegenwärtige W a h l m ö g l i c h k e i t ausübt und d a f ü r auf eine z u k ü n f t i g e verzichtet? Z u d e m setzt der Gedanke der Freiheitsmaximierung voraus, daß es objektive u n d allgemeingültige Kriterien zur G e w i c h t u n g von W a h l m ö g l i c h k e i t e n gibt. Das dürfte aber nur in extremen Situationen der Fall sein. D a h e r spricht eine V e r m u t u n g gegen die Vertretbarkeit solcher N o r m e n , die nicht die Sicherung a u t o n o m e n Entscheidens b e z w e c k e n , s o n d e r n auch 67

Mill, a.a.O. Vgl. Feinberg, S. 12, und Dworkin, S. I l l : „There is nothing in the idea of autonomy which precludes a person from saying: I want to be a person who acts at the command of others. I define myself as a slave and endorse those attitudes and preferences. My autonomy consists in being a slave." 69 Cooter, (1989) 64 Notre Dame L.Rev. 817 (825); Dworkin, S. 28; zur Kritik Eidenmüller, S. 367ff., Metzger, S. 97ff., beide m.w.N. 70 Enderlein, § 7 (S. 52ff.) m.w.N. 68

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Gerechtigkeitsprinzip

freiwillig und in Kenntnis aller entscheidungserheblichen Umstände durch einwilligungsfähige Personen erteilten Gestattungen die Wirksamkeit versagen. Die Grenze ist dann erreicht, wenn die Einwilligung zum irreversiblen Verlust von Handlungsmöglichkeiten führt, die für ein Leben als autonome Person essentiell sind 71 . In diesem Fall können es der Gedanke der Freiheitsmaximierung und das G e b o t , jeden Menschen als Person zu respektieren, rechtfertigen, die Einwilligung einer objektiven Vernünftigkeitskontrolle zu unterwerfen 7 2 oder sie im Grenzfall sogar ganz für unwirksam zu erklären. Das gilt sowohl für den Verlust physischer Handlungsmöglichkeiten, sei es durch Tötung, sei es durch den irreversiblen Verlust von Körperteilen oder Organen, und für dauerhafte Veränderungen und Beeinträchtigungen der Persönlichkeit als auch für den völligen Verlust der materiellen Lebensgrundlagen. Es wird sich zeigen, daß unter diesen einschränkenden Voraussetzungen ein „Schutz vor sich selbst" nicht nur ethisch legitim ist, sondern auch verschiedenen Vorschriften des Privatrechts zugrunde liegt 73 . Schließlich ist für die Einwilligungslehre eine Frage von Bedeutung, die unter dem Stichwort „Selbstpaternalismus" erörtert wird: Kann eine Person sich selbst so binden, daß eigene unerwünschte zukünftige Handlungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden? Das Paradebeispiel für diese Konstellation entstammt der Odyssee: U m den Gesängen der Sirenen nicht zu erliegen, läßt sich Odysseus an den Mast seines Schiffes binden und weist seine Mannschaft an, ihn auch dann keinesfalls zu befreien, wenn er es selbst wünschen sollte 74 . Während dieses klassische Beispiel noch vergleichsweise einfach zu lösen ist betört vom Gesang der Sirenen wird Odysseus einwilligungsunfähig, so daß der Widerruf seiner Einwilligung in die Freiheitsberaubung unbeachtlich ist 75 - fällt die ethische wie die juristische Beurteilung von Situationen schwer, in der eine Person auch auf die Möglichkeit einen zukünftigen, frei verantwortlich geäußerten Widerrufs verzichtet. Bei der fremdnützigen Einwilligung läßt sich die Bindung noch mit dem Interesse des Einwilligungsempfängers rechtfertigen. Sehr fraglich ist aber, ob auch eine eigennützige, unwiderrufliche Einwilligung, etwa zur Einweisung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses 7 6 , wirksam ist 77 . Ahnlich Eidenmüller, S. 383 ff.; Kleinig, S. 68, 76. In diesem Sinne auch Eidenmüller, S. 383ff. 73 S. unten, § 14 III 3 a. 74 Homer, Odyssee, Zwölfter Gesang, zu diesem Beispiel Elster, Ulysses and the Sirens (1984), S. 36ff.; Eidenmüller, S. 376; Enderlein, S. 29f.; Kleinig, S. 57. 75 In der Terminologie der Paternalismusdiskussion ist der Widerruf also aus „weich paternalistischen" Gründen unbeachtlich, zutreffend Enderlein, S. 30. 76 Vgl. den Sachverhalt von BGH NJW 1964, 1177. Elster, S. 38, weist auf ein norwegisches Gesetz hin, das ausdrücklich die unwiderrufliche Einwilligung zur Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus vorsieht. 77 Während die Frage für die Einwilligung, soweit ersichtlich, bisher nicht erörtert 71

72

III.

Selbstverantwortung

77

Schon diese knappe Skizze zeigt, daß keine Theorie, die auf dem Gedanken der Autonomie aufbaut, ohne eine Bestimmung ihrer Grenzen auskommt. Die Bestimmung der Schranken des Prinzips „volenti non fit iniuria" gehört zu den schwierigsten Aufgaben einer Theorie der Einwilligung. Während in der neueren strafrechtlichen Literatur verstärkt über diese Problematik nachgedacht wird und im Verfassungsrecht immerhin eine heftige Diskussion um die Zulässigkeit paternalistischer Freiheitsbeschränkungen entbrannt ist, zeigt die Zivilrechtswissenschaft hinsichtlich der Schranken der Einwilligung bisher wenig Problembewußtsein. Damit ist ein weiterer Punkt für die folgende Untersuchung vorgegeben.

III. Selbstverantwortung Selbstverantwortung ist das Korrelat der Selbstbestimmung. Es ist eine Grundannahme der Ethik, daß derjenige, der selbstbestimmt handelt, für die Folgen seiner Handlung einstehen muß 78 . Während problematisch ist, ob Verantwortung ohne Freiheit denkbar ist 79 , ist umgekehrt selbstverständlich, daß Freiheit Verantwortung mit sich bringt. Das Fehlen von Selbstverantwortung entwertet die Selbstbestimmung: Wer zwar tun und lassen kann, was er will, aber nicht für die Folgen einstehen muß, wird nicht ernst genommen, sondern entmündigt. Insofern hat das Wort Hegels, der Verbrecher werde durch die Strafe als Vernünftiger geehrt80, Bedeutung über die Straftheorie hinaus: Durch die Zuschreibung von Verantwortung wird die Würde der Person anerkannt 81 . Üblicherweise drückt der Begriff der Verantwortung aus, daß ein Ereignis einer Person zugerechnet wird und daß diese Zurechnung Sanktionen gesellschaftlicher oder rechtlicher Art bewirkt: Verantwortung löst Haftung aus. „Volenti non fit iniuria" beschreibt hingegen die spiegelbildliche Situation: Die Einwilligung läßt eine ansonsten gegebene Haftung entfallen, sie ist ein Zurechnungsausschlußgrund. Ein Verhalten, das sich ohne die Einwilligung als Ubergriff einer Person auf den Rechtskreis einer anderen dargestellt hätte, wird aufgrund der Einwilligung dem Organisationskreis des Betroffenen zugerechnet 82 . Am deutlichsten wird dies bei den Fällen, die oben in der Typowurde, hält die h. M. eine unwiderrufliche Vollmacht nur für wirksam, wenn sie im Interesse des Bevollmächtigten erteilt wird, näher zu dieser Frage unten, § 8 IV 2; vgl. auch Enderlein, S. 60. 78 Larenz/Wolf, § 2 Rz. 25; vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 428; Mayer-Maly, S. 277. 7 9 Aus dieser Frage bezieht die Diskussion über Determinismus und Handlungsfreiheit ihre praktische Bedeutung, vgl. Pothast, S. 10 und passim. 80 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 100. 81 Vgl. Larenz/Wolf, § 2, Rz. 25; Pawlowski MethL, Rz. 911. 82 Vgl. Jakobs AT, 7/104.

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iniuria" als

Gerechtigkeitsprinzip

logie der Einwilligungsformen als „eigennützige Einwilligung" bezeichnet wurde. Wer im eigenen Interesse um einen Eingriff nachsucht, verfolgt einen selbst gesetzten Zweck unter Einschaltung einer Hilfsperson 83 : Der Grundstückseigentümer kann einen störenden Baum in seinem Garten selbst fällen oder einen Gärtner zur Hilfe rufen. In beiden Fällen stellt sich der Geschehensablauf als eigene Organisation des Hausherrn dar. Tatsächlich hat im zweiten Fall zwar der Gärtner gehandelt, normativ wird das Verhalten jedoch dem Grundstückseigentümer zugerechnet. In den Fällen der fremdnützigen Einwilligung verfolgt der Eingreifende zwar einen eigenen Zweck, mittelbar aber auch einen Zweck des Einwilligenden, der die Einwilligung um einer Gegenleistung willen oder aus altruistischen Gründen erteilt. Hier handelt es sich um einen Fall gemeinsamer Zwecksetzung, wie er typischerweise Verträgen zugrunde liegt. Die Willensäußerung des Betroffenen verändert also die Zurechnung, was besonders bei einem Blick auf die verschiedene Beurteilung des jeweiligen Geschehensablaufs aus der sozialen, vorrechtlichen Perspektive deutlich wird. Was, in der Sprache Luhmanns, ohne die Einwilligung eine Enttäuschung normativer Erwartungen 84 wäre, wird durch die Einwilligung in der Regel 85 in eine sozialtypische Situation umdefiniert, die nicht einmal prima facie Erwartungen enttäuscht 86 . Das sei an drei Beispielen verdeutlicht: Die Einwilligung des Hausherren unterscheidet den Gast vom Eindringling, ein Gedanke, der besonders im anglo-amerikanischen Recht deutlich wird, das im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zwischen der Haftung des Grundbesitzers gegenüber einem trespasser und einem visitor differenziert 87 . Die Einwilligung des Patienten unterscheidet den Arzt vom Messerstecher, ein Umstand der nach verbreiteter Ansicht in der Literatur durch die Rechtfertigungskonstruktion der Rechtsprechung nicht hinreichend verdeutlicht wird. Schließlich unterscheidet die Einwilligung der Frau den Partner vom Vergewaltiger. In ihrer gesellschaftlichen Bedeutung verleiht die Einwilligung also, anders als etwa die Notwehr, nicht eine Eingriffsbefugnis im Ausnahmefall, sondern definiert eine Situation meist als alltäglich und als sozial unauffällig. Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 16. Zum Begriff der normativen Erwartung Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 ff. 85 Reicht die Einwilligung nicht hin, um die Situation als sozialüblich zu definieren, so wird es sich meist um Grenzfälle handeln, in denen die Dispositionsbefugnis des Einwilligenden fraglich ist: Eine Tötung wird auch durch die Einwilligung des Getöteten nicht sozialüblich, dem Einwilligenden fehlt aber auch nach §216 StGB die Dispositionsbefugnis. Zur Anwendbarkeit des §216 StGB als Einwilligungssperre im Zivilrecht s. unten, § 14 IV 1. 86 Jakobs AT, 7/112. 87 Vgl. zum englischen Recht Clerk & Lindseil/Tettenborn, Kap. 10, (insb. Rz. 10-13, S. 229 ff.; zum US-Recht Restatement (Second) of Torts, 10-62); Winfield & Jolowicz, § 330, comments c, e; Page, § 3.3; Harper/James/Grey, § 1.11 (S. 1:47f.). 83 84

III.

Selbstverantwortung

79

Die Selbstverantwortung äußert sich nunmehr darin, daß der Einwilligende an dieser Definition festgehalten wird, er kann sie nicht nachträglich ändern. Damit kann die Einwilligung durchaus als bindend bezeichnet werden, wenn auch im Regelfall ihrer Widerruflichkeit nur in einem schwachen Sinne: Bis zum Eingriff kann sie widerrufen werden, doch nachdem der Eingriff erfolgt ist, kann sich der Einwilligende nicht mehr von ihr lösen. Aus privatrechtlicher Perspektive äußert sich die Verantwortlichkeit für die Einwilligung im Verlust eines Schadensersatzanspruchs. Hier zeigt sich bereits ein wesentlicher Unterschied zwischen der Wirkung der Einwilligung im Straf- und im Zivilrecht, auf den zurückzukommen sein wird. Im Strafrecht erleidet der Einwilligende dadurch, daß die Strafbarkeit der betreffenden Handlung entfällt, keinen unmittelbaren rechtlichen Nachteil. Hingegen ist im Zivilrecht die Wirkung der Einwilligung derjenigen des Verzichts ähnlich. Ebenso wie der Gedanke der Selbstbestimmung stellt auch der Gedanke der Selbstverantwortung eine Klammer zwischen den verschiedenen Situationen der Einwilligung dar. Zwar ist die Rede von der Selbstverantwortung im vermögensrechtlichen Bereich, in dem die Geltung der Privatautonomie außer Zweifel steht, verbreiteter als bei der Beurteilung höchstpersönlicher Fallkonstellationen. Dennoch kann nicht bezweifelt werden, daß auch der Patient, der in eine Operation einwilligt, damit ein erhebliches Maß an Verantwortung übernimmt. Indem er dem Arzt die Erlaubnis zum Eingriff erteilt, entlastet er ihn von der Verantwortung für die Risiken der kunstgerecht durchgeführten Therapie. Auch wenn für die Rechtfertigung des ärztlichen Heileingriffs auch alternative, vom Willen des Patienten unabhängige Argumente in Betracht kommen, ist es nach heute überwiegender Auffassung doch auf den Gedanken der Selbstverantwortung zurückzuführen, daß der Patient den Arzt nicht in Anspruch nehmen kann, wenn sich diese Risiken realisieren. Die Selbstverantwortung wirkt sich auf die Freiheit des Einwilligenden ambivalent aus. Ex post führt die Einwilligung zu einer Einbuße an Freiheit, da der Einwilligende die Möglichkeit verliert, zwischen einer nachträglichen Duldung und der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zu wählen. Ex ante hingegen erweitert die normative Erwartung, daß die Einwilligung Bestand hat, den Aktionskreis des Einwilligenden, da der Einwilligungsempfänger seine Handlung in aller Regel nicht vornehmen würde, wenn er Sanktionen befürchten müßte. Bei der eigennützigen Einwilligung verspricht sich der Einwilligende von der Handlung unmittelbar einen Vorteil. Die fremdnützige Einwilligung erteilt er hingegen aus Altruismus oder um eines mittelbaren Vorteils, etwa einer Gegenleistung, willen. In beiden Fällen liegt die Sicherheit, die der Grundsatz „volenti non fit iniuria" dem Eingreifenden bietet, auch im Interesse des Einwilligenden. Diese praktische Erwägung unterstützt den theoretischen Gedanken, daß Freiheit ohne Verantwortung einer Entmündigung gleichkommt. Nur die Selbstverantwortung des Einwilli-

80

§ S „ Volenti non fit iniuria" als

Gerechtigkeitsprinzip

genden, die sich darin äußert, daß er an seiner eigenen Definition der betreffenden Handlung als sozial unauffällig festgehalten wird, trägt der Bedeutung der Einwilligung als Aktualisierung von Autonomie Rechnung. Damit ist zugleich ein weiterer Untersuchungsgegenstand vorgegeben. E b e n s o wie die Selbstbestimmung wirkt sich im Zivilrecht auch der Gedanke der Selbstverantwortung in verschiedener Weise aus. E r liegt der Bindung an rechtsgeschäftliche Erklärungen ebenso zugrunde wie der Vertrauenshaftung und der Verschuldenshaftung für unerlaubte Handlungen. Jedem dieser Bereiche könnte die Einwilligung zuzuordnen sein, ihre Geltung könnte sich aus der Rechtsgeschäftslehre, aus dem Gedanken des „venire contra factum proprium" oder aus dem Gedanken des Verschuldens gegen sich selbst erklären. Daher gehört es zu den Aufgaben der folgenden Untersuchung, den Geltungsgrund der Einwilligung zu analysieren und damit zu begründen, um welche Kategorie der Selbstverantwortung es sich dabei handelt.

§ 6 Verfassungsrechtlicher Rahmen I. Die Bedeutung der Grundrechte für die Einwilligungslehre Uber wenige Themen w i r d in der modernen Zivilrechtswissenschaft so vehement gestritten wie über den Einfluß der Grundrechte auf das Privatrecht. Die neuere Rechtsprechung des BVerfG, die in Ausnahmefällen auf grundrechtlicher Basis korrigierend in das Gefüge des Zivilrechts eingreift 1 , hat sowohl Zustimmung 2 als auch heftige Kritik 3 ausgelöst. Wenn hier verfassungsrechtliche Überlegungen zum Ausgangspunkt einer privatrechtlichen Theorie der Einwilligung gemacht werden, so scheint damit die „bange Frage" Deutschs nach der Entstehung eines Verfassungsprivatrechts 4 im positiven Sinne beantwortet zu werden. Bei näherem Hinsehen erweist sich hingegen, daß die hier interessierenden Fallkonstellationen gegenüber den in der Literatur umstrittenen Fällen einige Besonderheiten aufweisen. Im Rahmen einer Theorie der Einwilligung steht nämlich nicht etwa die Einschränkung der im einzelnen gesetzlich ausgestalteten Privatautonomie zur Debatte, sondern die Formulierung von Grenzen und Voraussetzungen der Selbstbestimmung in einem Bereich, in dem ihre Anerkennung weder gesetzlich geregelt noch dogmatisch völlig erfaßt ist. Das zeigt ein Blick auf die einschlägigen verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zur Einwilligung. N u r in einem Teil dieser Fälle willigt ein Privater staatlichen Stellen gegenüber in eine Grundrechtsbeeinträchtigung ein. Häufig handelt es sich dagegen um eine Einwilligung unter Privaten, die ihre öffentlich-rechtliche Bedeutung erst durch staatliche Einschränkungen der Dispositionsbefugnis gewinnt. Besonders problematisch sind dabei Einwilligungen im nichtvermögensrechtlichen Bereich. So betrifft die erste

1 Beispielhaft seien hier nur die Handelsvertreter-Entscheidung, BVerfGE 81,242, und die Bürgschafts-Entscheidung, BVerfGE 89, 214, angeführt. Vgl. im übrigen die u m f a n g reichen Nachweise bei Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999); Diedericbsen, A c P 1 9 8 ( 1 9 9 8 ) 171 ff. und Hager, J Z 1994, 373 ff. 2 Im Grundsatz zustimmend etwa Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 23 ff. und passim; Drexl, S. 263 ff.; Hager, J Z 1994, 373 (374 ff.); Wiedemann, J Z 1994, 411 ff. 3 Vehemente Kritik von Zöllner, A c P 196 (1996) 1 ff. und Diedericbsen, A c P 198 (1998) 171 ff.; vorsichtig kritisch Medicus, A c P 192 (1992) 35 (63 ff.). 4 Deutsch A H R , Rz. 34, ähnlich Diedericbsen, a . a . O . , S. 218ff.

82

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Peep-Show-Entscheidung des BVerwG 5 , die zum umstrittenen Paradebeispiel in der Diskussion um die Zulässigkeit paternalistischer Einschränkungen der Dispositionsfreiheit geworden ist, zunächst einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag 6 , verbunden mit einer Erlaubnis der Darstellerinnen gegenüber dem Betreiber der Show zu einer Veranstaltung, die ohne diese Erlaubnis das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Darstellerinnen verletzt hätte. Die öffentlich-rechtliche Qualität kam erst durch das gewerberechtliche Genehmigungserfordernis hinzu. Ein weiteres Beispiel, das sich zugleich als „roter Faden" durch die folgende Analyse ziehen soll, ist der kürzlich ergangene Nichtannahmebeschluß des BVerfG 7 zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen die in § 8 I 2 des Transplantationsgesetzes (TPG) vorgesehene Einschränkung der Lebendspende nicht regenerierbarer Organe auf Spenden zugunsten von nahen Verwandten und dem Spender besonders nahestehenden Personen 8 . In diesem Fall begehrten die Beschwerdeführer der Sache nach nichts anderes als die straf- und zivilrechtliche 9 Wirksamkeit der Einwilligung des Spenders zur Organentnahme. Die Beispiele machen deutlich, daß es vor allem im Hinblick auf höchstpersönliche Einwilligungen um Voraussetzungen und Grenzen autonomen Entscheidens in einem Bereich geht, der gerade nicht in den klassischen Anwendungsbereich der Privatautonomie fällt. Vielmehr ergibt sich die Möglichkeit der Selbstbestimmung erst aus einer komplexen Abwägung zwischen zwei bedeutenden grundrechtlichen Aspekten: dem Schutz der wichtigsten Persönlichkeitsgüter einerseits und der Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers andererseits. Anders als im vermögensrechtlichen Kernbereich der Privatautonomie herrscht hier in der Zivilrechtsdogmatik Unsicherheit 10 . Die Selbstbestimmung durch rechtsgeschäftliche Erklärung ist außerhalb des Vermögensrechts nicht BVerwGE 64, 274. Das betont auch Hager, JZ 1994, 373 (380) mit Hinweis auf eine vergleichbare Entscheidung des BAG, JZ 1976, 688, in der es um die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Vorführung des Geschlechtsverkehrs auf der Bühne ging. 7 BVerfG NJW 1999, 3399, dazu krit. Gutmann, NJW 1999, 3387ff.; allg. zum TPG aus zivilrechtlicher Sicht Forkel, Jura 2001, 73 ff. 8 § 8 I 2 TPG bestimmt für die Organentnahme bei lebenden Spendern: „Die Entnahme von Organen, die sich nicht wieder bilden können, ist darüber hinaus nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen." 9 Unmittelbar enthält das TPG nur strafrechtliche Sanktionen, ein Verstoß gegen § 8 I 2 TPG kann nach § 19 II TPG mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Allerdings führt § 8 I 2 TPG auch zur Nichtigkeit der zivilrechtlichen Einwilligung, zur Begründung unten, § 14 III 2. 10 So kann im Rahmen der zivilrechtlichen Einwilligungslehre bisher von einer „Verbindung von logisch klarem Aufbau, scharfer Begriffsbildung und Elastizität durch unbestimmte Rechtsbegriffe", aus der sich für Diederichsen, AcP 198 (1998) 171 (229), der 5

6

I. Die Bedeutung

der Grundrechte

für die Einwilligungslehre

83

ohne weiteres hinreichende Rechtfertigung für den Eintritt einer für den Erklärenden nachteiligen Rechtsfolge 11 . Gerade einige der Autoren, die sich vehement gegen verfassungsrechtliche Eingriffe in die Privatautonomie zur Wehr setzen, betrachten Schranken der Einwilligung in die Beeinträchtigung von Persönlichkeitsgütern als selbstverständlich 12 . Das Verfassungsrecht, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsgebot, kann hier dazu verhelfen, die Grenzen der Autonomie „zu akzentuieren und begrifflich klarer zu fassen" 13 . Auch wenn keineswegs einer lehrbuchmäßig-dogmatischen Lösung schwieriger rechtsethischer Problemfälle das Wort geredet werden soll, verdient es doch festgehalten zu werden, daß verfassungsrechtliche Überlegungen hier nicht in Konkurrenz zur Zivilrechtsdogmatik treten, sondern deren rationalen Konturen in einem Bereich schärfen, in dem bisher allzu häufig aufgrund irrationaler Vorverständnisse entschieden wird. Eine Stellungnahme im Meinungsstreit um den Stellenwert der Grundrechte im Privatrecht ist dabei nicht erforderlich. Erörterungen zur weithin abgelehnten unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 14 bedarf es nicht, da nicht die Bindung des Einwilligenden oder des Einwilligungsempfängers an Grundrechte untersucht wird, sondern die verfassungsrechtliche Bindung des privatrechtlichen Gesetzgebers und der Zivilgerichte bei der Bestimmung von Voraussetzungen und Grenzen der Einwilligung. Sieht man mit einer neueren, im wesentlichen von Canaris begründeten Lehre 15 den Privatrechtsgesetzgeber und daneben auch die zivilrechtliche Rechtsprechung als verpflichtet an, einerseits die Grundrechte der Bürger gegen rechtswidrige Eingriffe Privater zu schützen, andererseits die Freiheit der Bürger nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen, so tritt die typische Interessenlage in einer zivilrechtlichen Einwilligungssituation besonders deutlich hervor: Einerseits ist die Einwilligung Ausdruck von Selbstbestimmung, so daß sich Beschränkungen der Einwilligungsbefugnis als Freiheitsbeschränkungen auswirken. Andererseits erlaubt der Einwilligende einer anderen Person einen Eingriff in seine

besondere, gegen verfassungsrechtliche Einbrüche zu schützende Wert der zivilrechtlichen Kodifikation ergibt, nicht die Rede sein. 11 Vgl. Singer, J Z 1995, 1133 (1139). 12 Vgl. Zöllner, Ac? 196 (1996) 1 ( l l . F u ß n . 42): „Daß § 216 StGB mit der Verfassung in Einklang steht, ist selbstverständlich." 13 Singer,}Z 1995, 1133 (1139). 14 Grundlegend Nipperdey, FS Molitor, S. 17ff. und Enneccerus/Nipperdey, § 15 II 4 c (S. 93 ff.). Inzwischen w i r d diese Theorie im Schrifttum unter H i n w e i s auf Art. 1 III (Staat als Grundrechtsadressat) und die Bedeutung der Privatautonomie fast einhellig abgelehnt, vgl. Canaris, AcP 184 (1984) 201 (203 ff.); Medicus, A c P 192 (1992) 35 (43); Stern StR III/ 1, § 76 III 2 (S. 1553 ff.); Zöllner, A c P 196 (1996) 1 (8). 15 Canaris, A c P 184 (1984) 201 (225 ff.), J Z 1987, 993 ff. und Grundrechte und Privatrecht, ebenso Drexl, S. 229ff.; Hager, J Z 1994, 373 (374ff.); Stern StR III/l, § 76 IV 5 (S. 1572); krit. die oben, Fußn. 3 Genannten.

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$ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

grundrechtlich geschützten Güter, die der Staat grundsätzlich zu schützen verpflichtet ist. Wo das Selbstbestimmungsrecht aufhört und die Schutzpflicht vor Fremdverletzungen anfängt, ist eine der Grundfragen der Einwilligungslehre. Doch auch auf die traditionelle Theorie von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 16 lassen sich die folgenden Überlegungen stützen. D a die Einwilligung gesetzlich nicht geregelt ist, handelt es sich methodologisch bei der Entwicklung einer privatrechtlichen Einwilligungslehre um Lückenfüllung 17 . Der wohl allgemein anerkannte Satz, daß sich die Grundrechte besonders bei der Konkretisierung der Generalklauseln auswirken 18 , bedarf der Erweiterung: Auch in gesetzlich nicht ausgeformten Bereichen muß sich die Rechtsprechung in besonderem Maße von den Wertungen der Verfassung leiten lassen 19 . Ahnlich wie bei der Anwendung der Generalklauseln geht es hier um richterliche Rechtsfortbildung intra oder praeter legem20. In diesem Sinne begründen die Richter Hirsch, Niebier und Steinberger in ihrem Sondervotum zum Beschluß des B VerfG zu Grundfragen des Arzthaftungsprozesses die besondere Bedeutung des Verfassungsrechts für Fragen der Einwilligung mit dem Argument, die Einwilligungstatbestände seien „Generalklauseln im weiteren Sinne" 2 1 . Selbst Kritiker der neueren Rechtsprechung des BVerfG würden die Bedeutung der Grundrechte für die Einwilligungslehre möglicherweise nicht in Abrede stellen, da es um den rechtlichen Rahmen für Selbstbestimmung in einem Bereich geht, in dem sie offensichtlich gewisser Einschränkungen bedarf.

II. Betroffene Grundrechtspositionen Welche Grundrechtspositionen in einer typischen Einwilligungssituation unter Privaten betroffen sein können, läßt sich am besten beispielhaft anhand des bereits erwähnten Nichtannahmebeschlusses des BVerfG zum T P G demonstrieren 22 . Dem Beschluß lagen die Verfassungsbeschwerden dreier Personen 16 Grundlegend Dürig, FS Nawiasky, S. 157ff. (insb. 176ff.), ihm folgend B V e r f G E 7, 198 (205) - „Lüth", 73, 261 (269) - „Sozialplan"; vgl. im Schrifttum Larenz/Wolf, §4, Rz. 50 ff.-Jarass/Pieroth, Rz. 11 vor Art. 1; krit. Hager, J Z 1994, 373 (374). 17 So zutreffend Canaris, Feststellung von Lücken, § 104; Rosener, S. 141 ff. 18 B V e r f G E 7, 198 (205 f.); 42, 143 (148); 73, 261 (269); 89, 214 (229). 19 Stern StR I I I / l , § 76 IV 7 c (S. 1585). 2 0 Vgl. zum Unterschied zwischen beiden Formen der Rechtsfortbildung Larenz/ Canaris MethL, Kap. 5, 5 (S. 252). Hält man den Satz „volenti non fit iniuria" für eine N o r m des Gewohnheitsrechts, so hat die Einwilligungslehre die Ausfüllung dieser N o r m zum Gegenstand, es geht also um Rechtsfindung intra legem. Betont man hingegen, daß das B G B die Einwilligung nicht regelt und insoweit eine (planmäßige) Lücke läßt, so handelt es sich um Rechtsfortbildung praeter legem. 21 B V e r f G E 52, 131 (172). 2 2 BVerfG N J W 1999, 3399 (3400 ff.).

II. Betroffene

Grundrechtspositionen

85

zugrunde: des prospektiven Spenders einer Niere, des prospektiven Empfängers und des behandelnden Arztes. Der Spender sah sich durch das Verbot der Lebendspende zugunsten von Fremden in seinen Grundrechten aus Art. 2 I, 2 1 1 1 , 1 1 und 103 II GG verletzt. Er trug vor, er verlange für die Organspende keine Gegenleistung und sei allein aus moralischen Gründen zur Organspende bereit. Die medizinischen Risiken seien für ihn gering und er sei bereit, sich jedem angemessenen Verfahren zur Feststellung der Freiwilligkeit seiner Spendenbereitschaft zu unterziehen. Der liberale Staat dürfe dem einzelnen nicht vorschreiben, was dieser zum Selbstschutz zu tun und zu unterlassen habe; die Entscheidung über die eigene körperliche Integrität, die auch die Inkaufnahme von Risiken und Schäden einschließe, genieße den Schutz des Grundgesetzes. Der Empfänger stützte sich auf Art. 1 I, 2 I und II, 3 I und 191 GG. Er verwies darauf, daß er sich in einer konkreten Lebensgefahr befinde, wenn ihm nicht bald ein Organ gespendet werde. Die Wahrscheinlichkeit, daß er eine postmortal entnommene Niere erhalte, sei gering, obwohl er sich bereits seit Jahren auf der Warteliste befinde. Im familiären Umfeld habe er keinen geeigneten Spender. Der behandelnde Arzt schließlich sah sich durch das Verbot in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 I GG), daneben in seinen Grundrechten aus Art. 4 I, 2 I und II, 1 I sowie 103 II GG verletzt. Das Beispiel läßt sich verallgemeinern. Der Einwilligende erlaubt die Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Interesses, etwa der körperlichen Integrität (Art. 2 II 1 GG), und beruft sich für diese Erlaubnis auf sein Selbstbestimmungsrecht über eigene Angelegenheiten. Der Grundrechtsschutz des Einwilligenden ist also zweidimensional. Kennzeichnend für die typische Einwilligungssituation ist aus verfassungsrechtlicher Sicht das Spannungsverhältnis zwischen der staatlichen Schutzpflicht für Grundrechte, deren Untersuchung den Auftakt der folgenden Überlegungen bildet (III), und dem Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers, das es anschließend zu analysieren gilt (IV). Auch der Begünstigte der konsentierten Handlung, der mit dem Einwilligungsempfänger identisch sein kann, aber - wie das Beispiel zeigt nicht identisch sein muß, kann sich häufig auf ein Grundrecht berufen. Daneben ist auch die Freiheit des Einwilligungsempfängers zur Vornahme der konsentierten Handlung in der Regel grundrechtlich geschützt. Schließlich sind auch die Rechte Unbeteiligter und die Interessen der Allgemeinheit - im Beispielsfall etwa das Allgemeininteresse an der Verhinderung des Organhandels - zu berücksichtigen. Sie treten aber nicht als selbständige Grundrechtspositionen in Erscheinung, sondern wirken sich auf die Schranken der Einwilligungsbefugnis aus.

86

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

III. Die Schutzfunktion der Grundrechte Die klassische Funktion der Grundrechte ist die Abwehrfunktion: Der Bürger kann sich gegen staatliche Eingriffe zur Wehr setzen. Beeinträchtigungen durch Private stellen zwar als solche keine Grundrechtseingriffe dar, für den Staat folgt aber aus der objektiven Garantie der Grundrechte eine Schutzpflicht 23 . Rechtsphilosophisch läßt sich diese Pflicht mit dem von Hobbes formulierten Gedanken untermauern, daß der Bürger sich dem Staat unterordnet und dessen Gewaltmonopol akzeptiert, dafür aber im Gegenzug staatlichen Schutz verlangen kann24. Der Staat kann die Grundrechte seiner Bürger durch das Straf- oder Polizeirecht schützen, doch auch das Privatrecht spielt eine erhebliche Rolle bei der Erfüllung des staatlichen Schutzauftrags. Insbesondere wirkt sich nach der - freilich nicht unbestrittenen 25 - Auffassung von Canaris das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Bereich des staatlichen Schutzauftrags als Untermaßverbot aus: Der Staat genießt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht einen weiten Gestaltungsspielraum, unterschreitet er aber das Mindestmaß gebotenen Schutzes, so verletzt er seinen Schutzauftrag. Die Schutzpflicht trifft primär den Gesetzgeber, daneben aber auch die Exekutive und die Rechtsprechung 26 , die aufgerufen ist, das notwendigerweise unvollständige gesetzgeberische Programm durch Konkretisierung zu vervollständigen27. Im Zivilrecht ist das Deliktsrecht das klassische Mittel zum Rechtsschutz der Bürger gegen Übergriffe durch andere. In einer typischen deliktsrechtlichen Fallkonstellation gilt es aus verfassungsrechtlicher Sicht, das Interesse des Geschädigten am Erhalt seiner Rechtsgüter gegen die Handlungsfreiheit des Schädigers abzuwägen. Die Einwilligungssituation weist demgegenüber die Besonderheit auf, daß zum Zeitpunkt der Erteilung der Einwilligung die Interessen aller unmittelbar Beteiligten für die Wirksamkeit der Einwilligung streiten und sich, anders als im Regelfall deliktsrechtlicher Streitigkeiten, nicht Schädiger und Geschädigter mit gegenläufigen Interessen gegenüberstehen. Daher hatten sämtliche Verfassungsbeschwerden gegen § 8 I 2 T P G dasselbe 23 Vgl. BVerfGE 39, 1 (41 ff.) - „Fristenlösung"-, 46, 160 (164f.) - „Schleyer"-, 53, 30 (57ff.) - „Mülheim-Kärlich"-, umfassender Überblick bei HdStR/Zsensee, § 1 1 1 , Rz. 77ff.; Stern StR III/l, § 76 IV 5 (S. 1572ff.). 24 Hobbes, Leviathan, Kap. 18; Isensee, a.a.O., Rz. 83. 25 Kritik wird erstens von denjenigen Autoren geäußert, die grundrechtlichen Korrekturen der Zivilrechtsdogmatik skeptisch gegenüberstehen, vgl. Zöllner, AcP 196 (1996) 1 (11); zweitens von einigen Befürwortern der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die jedoch die Trennung zwischen Schutz- und Abwehrfunktion der Grundrechte für undurchführbar halten, so Hager, J Z 1994, 373 (381 ff.). 26 BVerfGE 81,242 (256); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 23 ff.; krit. Zöllner, AcP 196 (1996) 1 (8 mit Fußn. 29). 27 Zum Zusammenwirken der Gesetzgebung und der Rechtsprechung bei der Normbildung vgl. Müller, Juristische Methodik, Rz. 248 ff.; Ohly, Richterrecht, S. 256,266 ff.

III. Die Schutzfunktion der Grundrechte

87

Ziel, und die Rechtfertigung der Vorschrift, die das B V e r f G schwerpunktmäßig im Hinblick auf die Beschwerde des prospektiven Empfängers vornimmt, gilt entsprechend auch für die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Spenders. Anders stellt sich die Situation dann dar, wenn sich der Einwilligende von seiner Einwilligung nachträglich lösen und von Handelnden Schadensersatz verlangen möchte. In diesem Fall geht es nicht mehr um die A c h tung seines Selbstbestimmungsrechts, sondern um die Frage, inwieweit die Einwilligung zu einer Selbstbindung geführt hat, also letztlich um Selbstverantwortung. Damit bestehen - zunächst noch völlig unabhängig von der Frage nach der Rechtsnatur der Einwilligung - deutliche Parallelen zur Freiheitsbeschränkung durch vertragliche Selbstbindung, also zum Thema „Schutz und Grenzen der Privatautonomie". Im Vordergrund der verfassungsrechtlichen Problematik steht jeweils nicht die Abwägung zwischen dem Schutz des Geschädigten und der Freiheit des Handelnden, sondern das Verhältnis zwischen der Selbstbestimmung des Disponierenden und dem Schutz seiner Rechtsgüter vor den nachteiligen Folgen seiner Entscheidung. Diese Fragestellung läßt sich anhand der oben angestellten rechtsethischen Überlegungen präzisieren. Es hatte sich gezeigt, daß die eigentliche Trennlinie im Rahmen der Zurechnung nicht zwischen der eigenhändigen Selbstverletzung und der Fremdverletzung, sondern zwischen Eingriffen aufgrund einer autonomen Entscheidung des Rechtsträgers einerseits und heteronomen Eingriffen andererseits verläuft, daß aber die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit autonomen Entscheidens außerordentlich schwierig zu beantworten ist. Es sei daran erinnert, daß keine Theorie, die autonomen Entscheidungen einen zentralen Stellenwert einräumt, ohne eine Regelung der Voraussetzungen auskommt, unter denen eine Entscheidung als Ausdruck von Autonomie angesehen werden kann. Vorschriften dieser Art sind daher auch selbstverständlicher Bestandteil des Privatrechts, insbesondere der Rechtsgeschäftslehre. Sie haben einen Doppelcharakter: Einerseits konstituieren sie Freiheit, andererseits können sie freiheitsbeschränkend wirken. Während in der juristischen Literatur im Hinblick auf die Voraussetzungen privatautonomen Handelns häufig nur der erste Aspekt hervorgehoben wird, rückt ihre gerade in der amerikanischen Diskussion vorgenommene Subsumtion unter den Begriff des „weichen Paternalismus" ihren potentiell freiheitsbeschränkenden C h a rakter in den Mittelpunkt. In grundrechtsdogmatischen Kategorien ausgedrückt ergibt sich aus dieser Doppelnatur zunächst, daß der Staat aufgrund der Schutzfunktion der Grundrechte dazu verpflichtet ist, den einzelnen nicht nur vor Fremdverletzungen ohne Einwilligung, sondern auch vor solchen Eingriffen zu schützen, denen eine nur scheinbar selbstbestimmte Einwilligung vorangeht 2 8 . D e r Staat ist also nicht nur berechtigt, sondern sogar ver28

Vgl. HdStR/Isensee,

§ 111, Rz. 115.

88

$ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

pflichtet, Einwilligungen nur unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen, insbesondere für die Wirksamkeit einer Einwilligung eine gewisse Einsichtsfähigkeit und Freiwilligkeit vorauszusetzen. Andererseits kann die klassische Abwehrfunktion der Grundrechte zum Tragen kommen, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung der Voraussetzungen autonomen Entscheidens über das Ziel hinausschießt und die Selbstbestimmung übermäßig einschränkt 29 . Ein theoretisches Beispiel aus der Rechtsgeschäftslehre wäre eine generelle Festsetzung der Altersgrenze für die Geschäftsfähigkeit auf 25 Jahre 30 . Ein komplexeres praktisches Beispiel bietet § 8 I 2 TPG. Die absolute Einwilligungssperre hinsichtlich von Organspenden Lebender zugunsten fernstehender Personen wurde vom Gesetzgeber nicht zuletzt mit der Überlegung begründet, es gebe in dieser Situation keinen zuverlässigen Weg zur Feststellung der Freiwilligkeit der Spende 31 . Hier handelt es sich um einen Grenzfall, in dem die Sicherung der Voraussetzungen von Autonomie in einen völligen Ausschluß selbstbestimmten Entscheidens umschlägt. Gerade angesichts dieses Spannungsverhältnisses zwischen dem Untermaßverbot bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht und dem Ubermaßverbot im Hinblick auf Beschränkungen der Selbstbestimmung kommt dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, wie auch das BVerfG wiederholt betont hat 32 . Ein Gesetzgeber oder, angesichts des gegenwärtigen Fehlens einer gesetzlichen Regelung, ein Gericht, das die Einwilligung eines sechsjährigen Kindes in eine erhebliche Körperverletzung ohne weiteres als wirksam ansähe, würde wohl gegen die aus Art. 2 II 1 GG folgende Schutzpflicht verstoßen 33 . Umgekehrt verstieße der Gesetzgeber gegen das Ubermaßverbot, wenn er die Grenze der Einwilligungsfähigkeit generell auf das 25. Lebensjahr festlegen würde. Für die schwierige und umstrittene Frage, ob ältere und offenbar einsichtsfähige Jugendliche ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter wirksam in körperliche Eingriffe einwilligen können 34 , gibt das Grundgesetz jedoch nichts her. Der Rahmen, den die Grundrechte dem Staat setzten, ist zu weit, um die Antwort auf diese Frage zu präjudizieren. Dasselbe gilt für die übrigen Einwilligungsvoraussetzungen. Einerseits würde eine Norm, die den Einwilligenden selbst an eine abgenötigte Einwilligung bindet, gegen das Schutzgebot verstoßen, andererseits können Privatrechtsgesetzgeber und Zivilgerichte weitgehend selbständig beurteilen, wann 29 Hierzu eingehend Canaris, JZ 1987, 993 (996 ff.); vgl. auch HdStR/Isensee, §111, Rz. 114. 30 Beispiel von Canaris, a. a. O., S. 995, dort auch praktische Beispiele gesetzlicher Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit, die aus verfassungsrechtlicher Sicht verdächtig erscheinen. 31 Näher hierzu unten, IV 3 e. 32 Vgl. nur BVerfGE 81, 242 (255); BVerfG NJW 1999, 3399 (3401). 33 Vgl. Maunz-Dürig/Dürig, Rz. 37 zu Art. 2 II. 34 Eingehend zu dieser Frage unten, § 11 II, V.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

89

in Fällen sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeitsverhältnisse Einwilligungen wirksam sein oder welche Maßnahmen zur Sicherung der Freiwilligkeit bei Eingriffen in bedeutende höchstpersönliche Rechte getroffen werden sollen. Allgemeiner formuliert ergibt sich aus den Grundrechten nur, daß der Staat die Wirksamkeit der Einwilligung einerseits an bestimmte Mindestvoraussetzungen binden muß und daß andererseits diese Voraussetzungen die Selbstbestimmung nicht unverhältnismäßig einschränken dürfen. Der genaue Zuschnitt der Einwilligungsvoraussetzungen bleibt dabei dem Gesetzgeber und dem Rechtsanwender überlassen.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers

1. Grundrechtsdogmatische

Verankerung

a) Der Grundrechtsverzicht in der Staatsrechtslehre Wer einen grundrechtlichen Schutz des Rechts zur Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten behauptet, muß zunächst begründen, ob und in welchem Ausmaß Grundrechte überhaupt disponibel sind. In der verfassungsrechtlichen Lehre wird diese Frage üblicherweise unter dem Stichwort „Grundrechtsverzicht" abgehandelt. Diese Terminologie ist besonders aus zivilrechtlicher Sicht unglücklich, denn sie suggeriert, daß Gegenstand der Erörterungen ein Totalverzicht auf Grundrechte ist, den niemand für möglich hält 35 . Selbst wenn man unter „Verzicht" die „individuelle Verfügung über Grundrechtspositionen" versteht 36 , bleibt der Einwand bestehen, daß eine Theorie, die von der einseitigen, widerruflichen Einwilligung bis zum öffentlich-rechtlichen Vertrag 37 sämtliche Dispositionsmöglichkeiten zu erfassen sucht, notwendigerweise zu allgemein und abstrakt bleibt. Amelung hat sich daher dafür ausgesprochen, den Begriff der Einwilligung, verstanden als „kleinsten Baustein einer Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria" 38 ins Verfassungsrecht einzuführen, konnte sich mit diesem Vorschlag aber bisher nicht durchsetzen 39 . Aus zivilrechtlicher Sicht besteht bei der Auswertung der ver35 Vgl. die Kritik von Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527 (531); Amelung, Einwilligung, S. 116 f.; Stern StR III/2, § 86 I 1 (S. 887 f.). 36 So Pietzcker, a. a. O.; ihm folgend Stern, a. a. O. 37 Geregelt in §§ 54 ff. VwVfG (Bund) und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen. 38 Amelung, a.a.O., S. 17; ähnlich Schwabe, Probleme der Grundrech tsdogmatik, S. 98 ff. und JZ 1998, 66 (68); Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527 (530). 39 Gegen Amelung etwa Stern StR III/2, § 86113 (S. 905 f.); beim Begriff „Grundrechtsverzicht" bleiben auch HdStR/Lerche, § 122, Rz. 45; Jarass/Pieroth, Rz. 34; Pieroth/ Schlink, Rz. 131 ff.; Robbers, JuS 1985, 925.

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§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

fassungsrechtlichen Literatur ein weiteres Problem darin, daß die spezifisch öffentlich-rechtliche Fragestellung im Vordergrund steht, ob der einzelne staatlichen Stellen ein Verhalten erlauben kann, das ohne diese Erlaubnis als Grundrechtsverletzung anzusehen wäre. Beispiele 40 sind die Gestattung eines Hauseigentümers an die Polizei, sein Haus ohne richterliche Anordnung zu durchsuchen, die Praxis einer Lokalzeitung, der Kommunalverwaltung Berichte über lokalpolitische Ereignisse zur Korrektur vorzulegen, oder die freiwillige Teilnahme von Wehrpflichtigen an Einsätzen der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebiets 4 1 . Es liegt auf der Hand, daß hier Teilaspekte eine Rolle spielen, die im Rahmen einer zivilrechtlichen Untersuchung ausgeklammert bleiben können. So ist spezifisch auf das Bürger-Staat-Verhältnis die Frage bezogen, ob die Grundsätze vom Vorrang und vom Vorbehalt des Gesetzes Einfluß auf die Einwilligungsbefugnis haben 42 . Auch kann die Freiwilligkeit der Einwilligung besonders zweifelhaft sein, wenn eine staatliche Stelle androht, den Eingriff ansonsten zwangsweise vorzunehmen. Im Rahmen einer privatrechtlichen Untersuchung ist die Grundrechtslehre hingegen vor allem darauf zu befragen, was sie über das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers und damit über die Disponibilität von Grundrechten aussagen kann. In der älteren Lehre wurde teilweise die Möglichkeit eines Grundrechtsverzichts insgesamt in Abrede gestellt 43 . Grundrechte, so hieß es mit Hinweis auf Art. 1 II G G , seien unveräußerlich, zudem seien sie nicht nur subjektive Rechte, sondern zugleich konstitutive Bestandteile der demokratischen Werteordnung und als solche der individuellen Disposition entzogen. Die pauschale Annahme der Unverzichtbarkeit beruhte wohl nicht zuletzt auf der oben angesprochenen fehlenden terminologischen Differenzierung zwischen der totalen Aufgabe eines Grundrechts und der sachlich und zeitlich begrenzten, möglicherweise sogar widerruflichen Erlaubnis. Teilweise wurde versucht, zwischen dem Verzicht auf das Recht einerseits und auf seine Ausübung andererseits zu unterscheiden 44 . Diesem Ansatz wird allerdings zu Recht entgegengehalten, ein Recht, das nicht ausgeübt werden könne, verkomme zum „nudum ius" 45 , im übrigen befürworte niemand den Totalverzicht, so daß die Lehre vom Ausübungsverzicht letztlich zu einer nicht näher begrün40 Weitere Beispiele bei Amelung, Einwilligung, S. 11 ff.; Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527 (528 ff.); Pieroth/Schlink, Rz. 132; Robbers, JuS 1985, 925 (926). 41 Vgl. dazu Heimann, ZRP 1996, 20 (25 ff.). 42 Vgl. zu diesem Punkt Pietzcker, a.a.O., S. 534ff.; Amelung, Einwilligung, S. 63ff.; Stern StR III/2, § 86 II 2 (S. 919ff.); Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 14ff. 43 Vgl. Sturm, S. 192 ff. (insbes. 197 f.), und die Nachweise bei Stern StR III/2, § 86 I 5 (S. 894) und Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 2 ff. 44 Vgl. die Nachw. bei Stern StR III/2, § 86 II 2 (S. 903). 45 Düng, AöR 81 (1956) 117 (152); Robbers, JuS 1985, 925; Stern StR III/2, § 86 II 2 (S. 904); v. Münch/Kunig, Rz. 63 vor Art. 1-19.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

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deten undifferenzierten Anerkennung des Verzichts führe 46 . Im Laufe der 70er Jahre setzte sich die heute wohl herrschende differenzierende Auffassung durch, die bemüht ist, sowohl den Freiheitsgehalt der Grundrechte als auch ihren Charakter als Teil der öffentlichen Werteordnung zu berücksichtigen 47 . In der Tat ist wohl unbestreitbar, daß ein Ausschluß jeder Dispositionsfreiheit der liberalen Garantie der Grundrechte zuwiderliefe 48 und daß im übrigen bei pragmatischer Betrachtung die Verwaltung einen „schwarzen Freitag" erleben würde, wenn jede Kooperation mit dem Bürger entfiele und alle Maßnahmen zwangsweise durchgesetzt werden müßten 49 . Daher wird inzwischen kaum noch bestritten, daß der einzelne über seine grundrechtlich geschützten Positionen jedenfalls dann durch inhaltlich begrenzte Erlaubnisse disponieren kann, wenn keine spezialgesetzlichen Verbote 50 oder öffentlichen Interessen entgegenstehen. Zugleich wird darauf hingewiesen, daß nicht alle Grundrechte im gleichen Maße der Disposition zugänglich sind. Die Rechtsprechung hat zwar bisher zum Grundrechtsverzicht keine einheitliche dogmatische Linie gefunden 51 , hat aber in einigen Fällen die individuelle Disposition über grundrechtlich geschützte Positionen durchaus anerkannt 52 . b) Selbstbestimmung über Vermögen Damit ist allerdings die Frage nach der grundrechtsdogmatischen Verankerung des privatrechtlichen Selbstbestimmungsrechts in eigenen Angelegenheiten noch nicht beantwortet. Zunächst scheint es nahezuliegen, sie als Teil der Privatautonomie anzusehen, die verfassungsrechtlich jedenfalls 53 durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) 54 , gegenüber umfassenden 46 Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527 (538); ähnlich Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 11. 47 So Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527ff.; Stern StR III/2, § 86; Robbers, JuS 1985, 925 (926ff.); Bleckmann, JZ 1988, 57ff. und Staatsrecht II, § 15; HdStR/Isensee, § 111, Rz. 60, und HdStR/Lerche, § 122, Rz. 45; Jarass/Pieroth, Rz. 43 vor Art. 1; Pieroth/Schlink, Rz. 137 ff.; speziell für die Einwilligung Amelung, Einwilligung, S. 19 ff. und passim. 48 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 28; Stern StR III/2, § 86 II 4 (S. 907). 49 Amelung, Einwilligung, S. 10. 50 Vgl. den Uberblick über die Vorschriften, die einen Verzicht ausschließen, bei Stern StR III/2, § 86 I 4 (S. 890 ff.) 51 Stern StR III/2, § 86 I 5c (S. 901). 52 Vgl. etwa BVerfGE 65,1 (43 f.) (Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten); BVerfGE 52, 131 (168) (Einwilligung des Patienten in ärztliche Heileingriffe); BVerwGE 5, 128 (134ff.) (Unverletzlichkeit der Wohnung); BGHZ 79, 131 (135ff.) (vertragliche Verpflichtung zur Rücknahme eines Widerspruchs); und den Überblick über die Rechtsprechung bei Stern StR III/2, § 86 I 5b (S. 897 ff.) und Robbers, JuS 1985, 925 (930 f.). 53 Vorbehaltlich der Garantie durch spezielle Grundrechte, hierzu sogleich. 54 BVerfGE 8, 274 (328); 72, 155 (179); 89, 214 (231); HdStR/Erichsen, § 152, Rz. 58; Larenz/Wolf, § 4, Rz. 55.

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§ 6 Verfassungsrechtlicher

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Einschränkungen wie etwa der Entmündigung auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. 1 I G G ) 5 5 geschützt ist. Allerdings betreffen sowohl die Entscheidungen des BVerfG wie auch einschlägige Äußerungen in der Lehre den klassischen Anwendungsbereich der Privatautonomie, nämlich die vertragliche Verpflichtung. O b sich die der Einwilligung zugrunde liegende Dispositionsbefugnis aber primär aus der Privatautonomie im engeren Sinne 56 ergibt, ist angesichts des Meinungsstreits um die Rechtsnatur der Einwilligung zumindest sehr problematisch. Sicherlich sehen im privatrechtlichen Schrifttum einige Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie die Einwilligung ohne weiteres als Ausdruck der in Art. 2 I G G geschützten Privatautonomie an 57 , doch läßt sich bereits vor einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur der Einwilligung sagen, daß die Einwilligung eine Dispositionsbefugnis voraussetzt, die über die allgemeine Vertragsfreiheit hinausgeht 58 . Diese Problematik ist im vermögensrechtlichen Bereich nicht unbekannt: Die Verpflichtungsmacht ist ein Anwendungsfall der allgemeinen Vertragsfreiheit, die Verfügungsmacht jedoch ergibt sich primär aus dem Zuweisungsgehalt des subjektiven Rechts. Daher gehört nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG und herrschender Lehre zum Kernbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 G G nicht nur der Bestand des Eigentumsobjekts und seine sachenrechtliche Zuordnung zum Eigentümer, sondern auch die Befugnis des Eigentümers, den Eigentumsgegenstand zu nutzen und darüber zu verfügen 59 . Auch die Vertragsfreiheit hinsichtlich des Abschlusses von Verfügungsgeschäften ist in Art. 14 G G garantiert, Art. 2 I G G ist insoweit subsidiär 60 . Die Beschränkung der Veräußerungsmöglichkeit greift ebenso in das Eigentumsrecht ein wie die praktische Unkündbarkeit von Pachtverträgen 61 . Auch die Möglichkeit, gegenüber anderen Personen in eine Beeinträchtigung oder Zerstörung des Eigentumsobjekts einzuwilligen, fällt in den Schutzbereich des Art. 14 G G , wie etwa eine Entscheidung des BVerfG zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz zeigt 62 . § 13 I dieses Gesetzes bestimmte, daß die Beseitigung eines Kulturdenkmals der Genehmigung bedarf und nur im BVerfGE 72, 155 ( I 7 0 ) ; j a r a s s / P i e r o t h , Rz. 35, 42 zu Art. 2. Bisweilen wird auch die Alleinzuständigkeit des Rechtsinhabers im Bereich seiner subjektiven Rechte als Erscheinungsform der Privatautonomie angesehen, Privatautonomie im engeren Sinne bezeichnet hingegen die Fähigkeit, durch rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Rechtsfolgen zu begründen; näher hierzu unten, § 9 II 1 a. 57 So vor allem Resch, S. 46 ff., ähnlich bereits Kohte, AcP 185 (1985) 105 (110). 58 Hierzu eingehend unten, § 14 II. 59 BVerfGE 26, 215 (222); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 52, 1 (30 f.); BVerwGE 92, 322 (327); Jarass/Pieroth, Rz. 17 zu Art. 14; Pieroth/Schlink, Rz. 914. 60 Maunz-Dürig/Dürig, Rz. 53 zu Art. 2 I. 61 BVerfGE 52, 1 (29 ff.). 62 BVerfGE 100, 226 = J Z 1999, 895 m. Anm. Ossenbühl. 55 56

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

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öffentlichen Interesse genehmigt werden kann. Eigentümerinteressen blieben bei der Entscheidung über die Genehmigung unberücksichtigt. Das BVerfG erklärte diese Vorschrift insoweit für verfassungswidrig, als sie auch dann keine Ausnahme zugunsten des Eigentümers zuläßt, wenn für ein geschütztes Baudenkmal keine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Dieser Entscheidung liegt aus zivilrechtlicher Sicht eine Einwilligungskonstellation zugrunde, auch wenn für das BVerfG kein Anlaß bestand, auf diesen Umstand einzugehen. Der Eigentümer des betreffenden Baudenkmals beabsichtigte, über sein Eigentumsobjekt durch Erteilung einer Einwilligung in den Abriß zu disponieren. Diese Möglichkeit nahm ihm das Denkmalschutzgesetz 63 . Dasselbe gilt für die übrigen Vermögensrechte, die dem weiten verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff unterfallen. Ein Beispiel bietet das Urheberrecht, das als Mischrecht mit Vermögens- und persönlichkeitsrechtlichen Elementen hinsichtlich der Verwertungsrechte dem Schutz des Art. 14 G G unterfällt 64 . Dieser Schutz umfaßt nicht nur den Bestand des Ausschlußrechts, sondern auch das Recht der wirtschaftlichen Nutzung durch Einräumung von Nutzungsrechten 65 . Im Bereich der Vermögensrechte besteht also keine Notwendigkeit, zur Begründung des Selbstbestimmungsrechts auf Art. 2 I G G zurückzugreifen 66 . Im Gegenteil verdient es hervorgehoben zu werden, daß die Disposition über Vermögensgegenstände Ausübung des in Art. 141 G G geschützten Grundrechts ist. Die Verortung der Dispositionsbefugnis in Art. 14 G G selbst erscheint nicht nur wegen der Parallele zu § 903 B G B , sondern auch aufgrund der prinzipiellen Überlegung attraktiv, daß diese Konstruktion den Freiheitsgehalt des Eigentums optimal zum Ausdruck bringt. c) Selbstbestimmung in persönlichen Angelegenheiten Erheblich größere Schwierigkeiten bereitet die Begründung des Selbstbestimmungsrechts im nichtvermögensrechtlichen Bereich, zu dem hier sowohl das Recht auf Leben, körperliche Integrität und Bewegungsfreiheit (Art. 2 II G G ) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. 1 I G G ) als auch andere personale Freiheitsrechte wie etwa die Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 I und III G G ) gerechnet werden sollen. Es herrscht Unklarheit darüber, ob diese Grundrechte überhaupt disponibel sind, in welchem Ausmaß eine Disposition möglich ist und wo das Selbstbestimmungsrecht systematisch zu verorten ist. 63 Allerdings ist fraglich, ob das öffentlich-rechtliche Abrißverbot zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Einwilligung führt, hierzu unten, § 14 III 2. 64 Vgl. Fechner, S. \92tf.; Schricker/Schricker,Rz. 12Einl.UrhG;ScW/feUrhR,Rz. 82ff. 65 BVerfGE 31, 229 (240f.), 49, 382 (392), 79, 29 (40); Schricker/Melichar; Rz. 8 vor §§ 45 ff.; Schuck UrhR, Rz. 84. 66 Vgl. Fechner, S. 192; HdStR/Erichsen, § 152, Rz. 59.

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§ 6 Verfassungsrechtlicher

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Bei einem näheren Blick auf diese Grundrechte wird deutlich, daß sie sich stark hinsichtlich ihres Gemeinschaftsbezugs unterscheiden. Die Meinungsund Pressefreiheit ist ebenso wie andere Bürgerrechte nicht nur ein liberales Freiheitsrecht, sie ist zugleich wesentliches Strukturprinzip der freiheitlichdemokratische Grundordnung. Einschränkungen begegnen hier spezifisch öffentlich-rechtlichen Bedenken, die im Rahmen der zivilrechtlichen Einwilligungslehre nicht der Erörterung bedürfen. Demgegenüber sind andere Grundrechte, vor allem das Recht auf Leben, körperliche Integrität und Freiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, höchstpersönlicher Natur und weisen allenfalls einen geringen Gemeinschaftsbezug auf. Wenn diese Rechte häufig als „unveräußerlich" bezeichnet werden, so läßt sich dies weniger auf einen Gemeinschaftsvorbehalt als auf den Einfluß Savignys zurückführen, von dem im historischen Teil dieser Arbeit die Rede war 67 und der den B G B Gesetzgeber dazu bewog, in § 823 I B G B dem Eigentumsrecht die „Rechtsgüter" Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit gegenüberzustellen. In Art. 2 II G G wird zwar im Gegensatz zu § 823 I B G B ausdrücklich ein Recht auf Leben, körperliche Integrität und Freiheit anerkannt, dennoch besteht eine häufig nicht näher begründete Abneigung dagegen, diese Rechte als disponibel anzusehen. Diese Abneigung mag auf den unglücklichen Begriff des „Grundrechtsverzichts" zurückzuführen sein, der nicht hinreichend zwischen einer völligen Aufgabe oder Übertragung des Rechts und einer sachlich und zeitlich begrenzten Eingriffserlaubnis differenziert. Betrachtet man paradigmatisch das Recht auf körperliche Integrität, so stellt sich heraus, daß dieses Recht zwar nicht vollends aufgegeben werden kann, daß aber jeder die Befugnis hat, nicht nur selbst über ärztliche Heileingriffe zu entscheiden, sondern auch in bestimmtem Maße objektiv unvernünftige Schädigungen und Gefährdungen der körperlichen Integrität zu erlauben. Umstritten ist hier nicht die Dispositionsbefugnis als solche, sondern ihre dogmatische Verankerung und ihre Grenzen. Lediglich für das Recht auf Leben (Art. 2 II 1 G G ) ist die Ansicht verbreitet, es sei schlechthin nicht disponibel und es gebe kein „Verfügungsrecht über das eigene Leben" 6 8 . So sieht nach der Ansicht von Dürig die Rechtsordnung im Selbstmord und in der Selbstverstümmelung „Störungsanlagen", zudem zeige § 216 StGB, daß der Grundrechtsinhaber kein Verfügungsrecht über das Leben auf andere übertragen könne 69 . In der Tat ist das Leben ein Grenzfall, weil das einfache Recht eine kategorische Einwilligungssperre enthält. Andererseits läßt sich kaum bestreiten, daß diese Einwilligungssperre freiheitsbeschränkend wirkt, wenn auch möglicherweise aus gu67

S. oben, § 3 II.

Maunz-Dürig/Dürig, Lorenz, § 128, R z . 62. 69 Dürig, a. a. O . 68

R z . 12 zu Art. 2 II; v. Münch/Kunig,Kx.

50 zu A r t . 2 ; H d S t R /

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrecbtsträgers

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ten Gründen. § 216 StGB beschränkt zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) und ist daher rechtfertigungsbedürftig. Dieser Rechtfertigungszwang darf nicht umgangen werden, indem bestimmte Freiheiten a priori aus dem Schutzbereich der Grundrechte herausdefiniert werden 70 . Erst recht ist Dürigs Schluß vom einfachen Recht auf den Schutzbereich des Art. 2 II GG unzulässig. Es zeigt sich also, daß es ein Fehlschluß wäre, von der „Unveräußerlichkeit" höchstpersönlicher Rechte auf ein Fehlen jeder Dispositionsbefugnis zu schließen. Abgesehen vom Sonderfall des Rechts auf Leben herrscht vielmehr Einigkeit, daß auch die Einwilligung in Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter grundrechtlichen Schutz genießt. Umstritten ist hingegen, ob dieser Schutz im jeweiligen Einzelgrundrecht, in der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) oder im allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu verankern ist. Exemplarisch seien hier erneut wegen ihrer praktischen Bedeutung Dispositionen über die körperliche Integrität herausgegriffen: Schützt Art. 2 II 1,2. Alt. GG neben der körperlichen Integrität auch die Entscheidungsbefugnis über den eigenen Körper? Rechtsprechung und Literatur sind uneinheitlich. Häufig wird lapidar auf Art. 2 I GG verwiesen, etwa von der Mehrheit der Richter im bereits erwähnten Beschluß des BVerfG zu verfassungsrechtlichen Fragen des Arzthaftungsprozesses 71 . Demgegenüber sieht das zur selben Entscheidung ergangene Sondervotum der Richter Hirsch, Niebier und Steinberger72 ebenso wie ein Teil der Literatur 73 die Selbstbestimmung über den eigenen Körper als von Art. 2 II 1 GG geschützt an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird in der verfassungsrechtlichen Literatur selten als Grundlage des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper genannt, statt dessen findet sich bisweilen der Hinweis, hier handle es sich um eine vor allem im Zivilrecht verbreitete Konstruktion. Die erstgenannte Ansicht kann sich auf die Tradition der Grundrechte als Abwehrrechte und den Wortlaut des Art. 2 II 1 GG berufen, der von nicht von Selbstbestimmung, sondern von „körperlicher Integrität" spricht. Amelung7* weist zudem auf den Fall fehlender Dispositionsbefugnis hin: Das Kleinkind könne nicht wirksam in Verletzungen einwilligen, dennoch sei seine körperliche Integrität deshalb nicht weniger stark geschützt. Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Die Entscheidung über höchstpersönliche Angelegenheiten ist dem Staat ebenso entzogen, wie die Entscheidung über die Nutzung 70 So auf der Grundlage von Art. 2 I Jarass/Pieroth, Rz. 8 zu Art. 2; Sachs, Rz. 211 zu Art. 2; Schwabe, J Z 1998, 66 (69); gegen die A u f f a n g f u n k t i o n des Art. 2 I G G in diesem Fall aber HdStR/Lorenz, § 128, R z . 62. 71 BVerfGE 52, 131(168); ebenso Jarass/Pieroth, R z . 71 zu Art. 2; vgl. auch MaunzDürig/Dürig, R z . 12, 30 zu Art. 2 II. 72 BVerfGE 52, 131(175). 73 HdStR/Lorenz, § 128, Rz. 66; v. Münch / Kunig, R z . 72 zu Art. 2; ähnlich aus zivilrechtlicher Sicht Forkel, J u r a 2001, 73 (64 f.); a. A . Schwabe, J Z 1998, 66 (69). 74 Amelung, Einwilligung, S. 27.

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§ 6 Verfassungsrechtlicher

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und Veräußerung von Eigentumsgegenständen. Sicherlich ist die körperliche Integrität - wie andere Persönlichkeitsgüter auch - als ganze unveräußerlich, doch die Schranken der Dispositionsbefugnis liegen auf einer anderen, der Bestimmung des Schutzbereichs nachgeschalteten Stufe. Wenn subjektive Rechte in Anlehnung an den Rechtsbegriff Kants Freiheitsbereiche abgrenzen, innerhalb derer nicht der Staat sondern der Rechtsinhaber entscheidungszuständig ist, so muß das erst recht für höchstpersönliche Rechte gelten. Das Argument A melungs läßt sich in gleicherweise für das Eigentum formulieren, obwohl er hier die Dispositionsbefugnis mit der herrschenden Meinung in Art. 14 GG verortet 75 . Vor allem verkennt diese Argumentation den Unterschied zwischen Dispositionsbefugnis und Einwilligungsfähigkeit. Die Dispositionsbefugnis über Grundrechtsgüter sollte also auch im nichtvermögensrechtlichen Bereich primär im jeweiligen Spezialgrundrecht verortet werden, Art. 2 I GG ist subsidiär und kommt nur bei Fehlen eines einschlägigen Spezialgrundrechts zur Anwendung. Der Meinungsstreit über die Verortung der Dispositionsbefugnis über höchstpersönliche Rechtsgüter darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß praktisch die Gemeinsamkeit beider Ansichten erheblicher ist als der Unterschied: Es steht außer Zweifel, daß die Selbstbestimmung in höchstpersönlichen Bereich grundrechtlichen Schutz genießt, sei es durch das jeweilige Spezialgrundrecht, sei es durch Art. 21 GG. Schranken der Selbstbestimmung sind daher nach jeder denkbaren Ansicht nicht selbstverständlich, sondern rechtfertigungsbedürftig. 2. Eingriff in den

Schutzbereich

Das Selbstbestimmungsrecht des Grundrechtsträgers wird sicherlich beschränkt, wenn ihm die eigene Vornahme einer in den Schutzbereich eines Grundrechts fallenden Handlung untersagt wird. So beschränkt das an den Eigentümer gerichtete Verbot, sein unter Denkmalschutz gestelltes Haus selbst abzureißen, seine durch Art. 14 GG garantierten Befugnisse 76 , und ein Verbot der Selbstverletzung, wie es etwa § 109 StGB 77 vorsieht, ist je nach Verortung des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper als Eingriff in Art. 2 II 1 GG oder 2 I GG rechtfertigungsbedürftig. Wird hingegen die Möglichkeit des Grundrechtsträgers eingeschränkt, mit rechtfertigender Wirkung anderen Personen Eingriffe zu gestatten, so könnte A . a . O . , S. 30 BVerfGE 100, 226 (240 f.). 77 § 109 StGB stellt die Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung unter Strafe. Die Freiheitsbeschränkung durch diese - praktisch wenig bedeutende - Vorschrift w i r d nach h. M . durch das öffentliche Interesse am Erhalt der personellen Verteidigungskraft gerechtfertigt, vgl. Schönke-Schröder/Eser, Rz. 1 zu § 109. 75

76

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

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vordergründig der freiheitsbeschränkende Gehalt dieser Einschränkung mit dem Argument geleugnet werden, daß nur dem Handelnden eine Sanktion angedroht wird, während dem Grundrechtsträger die Möglichkeit verbleibt, die betreffende Handlung selbst vorzunehmen. Schon im Rahmen der rechtsethischen Überlegungen hat sich indes gezeigt, daß dieser Gedanke zu kurz greift. Wer über die Möglichkeit verfügt, anderen Personen mit rechtfertigender Wirkung Eingriffe zu gestatten, kann durch die Delegation von Handlungen und die Einschaltung von Hilfspersonen seinen Aktionsrahmen erweitern. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, so besteht für ihn faktisch kaum noch die Aussicht, einen Handlungswilligen zu finden, da die Handlung mit einer Sanktion bedroht wäre. Man kann eine solche Beschränkung als mittelbaren Eingriff bezeichnen 78 , da sich die Sanktionsandrohung gegen einen Dritten richtet, doch im praktischen Ergebnis wirkt diese Beschränkung ebenso einschneidend: Da kaum ein Eigentümer über die Möglichkeit verfügen wird, sein Haus eigenhändig abzureißen, trifft ihn eine denkmalschutzrechtliche Einwilligungssperre praktisch härter als das Verbot, das Haus selbst zu beseitigen. Daher besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Anlaß, hinsichtlich der Eingriffsqualität eines Verbots zwischen der Selbstvornahme und der autonomen Gestattung eines Eingriffs zu differenzieren. Wird dem Eigentümer die Möglichkeit verwehrt, einer anderen Person einen Eingriff in sein Eigentum zu erlauben, so handelt es sich um eine Beschränkung der Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit, die nach der Rechtsprechung des BVerfG regelmäßig als Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) anzusehen ist 79 . Auch eine Vorschrift, die bestimmte Einwilligungen in Einwirkungen auf den Körper für unwirksam erklärt, greift in die Dispositionsfreiheit des Einwilligenden ein und bedarf daher der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Dementsprechend bejaht das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluß zu den Verfassungsbeschwerden gegen das TPG die Eingriffsqualität des § 8 12 TPG im Bezug auf das körperliche Selbstbestimmungsrecht des prospektiven Spenders 80 .

3. Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung

a) Die Gestaltungsfreiheit des privatrechtlichen Gesetzgebers und ihre Grenzen Da gesetzliche oder richterrechtliche Beschränkungen der Dispositionsfreiheit in den Schutzbereich spezieller Grundrechte und, subsidiär, der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) eingreifen, bedürfen sie der verfassungs78 79 80

Schwabe, JZ 1998, 66 (68); Sternberg-Lieben, Näher zu dieser Einordnung sogleich, 3 a. BVerfG NJW 1999, 3499 (3402, Ziff. 2c).

S. 24.

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5 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

rechtlichen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung kann sich aus einem Gesetzesvorbehalt, unter den das betreffende Grundrecht gestellt ist, oder aus kollidierendem Verfassungsrecht ergeben 81 . Allerdings ist die übliche Form der Schrankenprüfung auf staatliche Eingriffe zugeschnitten und nicht ohne weiteres auf Einschränkungen der Befugnis zur Selbstbestimmung unter Privaten übertragbar 82 . Hier steht die rechtliche Ausgestaltung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts 83 durch den Privatrechtsgesetzgeber und die Rechtsprechung 84 im Vordergrund. Im vermögensrechtlichen Bereich berücksichtigt Art. 1412 GG diese Problematik. Der Gesetzgeber ist befugt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu regeln, er ist dabei aber nicht frei von verfassungsrechtlichen Vorgaben. Beschränkungen der Dispositionsfreiheit dürfen nur zu einem verfassungsrechtlich billigenswerten Zweck erfolgen und müssen dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen 85 . Der Gesetzgeber kann also entscheiden, welche Eigentumsrechte er schafft und in welchem Maße er sie disponibel ausgestaltet, und kann die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Verfügungen regeln. Ein sachlicher Unterschied zwischen Inhaltsregelungen und Schrankenregelungen besteht dabei nicht: Es ist oft reiner Zufall, ob ein eng definiertes Recht oder ein weites Recht mit umfangreichen Schranken geschaffen wird 8 6 . Bei der Konstituierung der Eigentumsordnung muß der Gesetzgeber sowohl zwischen den konkurrierenden Rechten Privater als auch zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl abwägen 87 . Beschränkungen der Nutzungsund Dispositionsbefugnis sind regelmäßig Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Daraus folgt, daß auch die Möglichkeit, wirksame Einwilligungen zu erteilen, gesetzlich eingeschränkt werden kann, daß diese Einschränkungen aber einem billigenswerten Zweck dienen und dem Ubermaßverbot entsprechen müssen. Schwerer fällt die Einordnung von Einwilligungsschranken außerhalb des Art. 14 GG, doch auch hier gilt, daß der Gesetzgeber die Selbstbestimmung 81 Vgl. Pieroth/Schlink, Rz. 252ff.; Jarass/Pieroth, Rz. 37 vor Art. 1; HdStR/Lerche, § 122, Rz. l f . 82 Treffend di Fabio, JZ 1993, 689 (691): „Durch die dogmatische Erweiterung der Grundrechtsfunktionen auf die Schutzidee wird die bipolare rationale Ordnung der Grundrechte im Verhältnis von Staat und Bürger aufgelöst und in eine tripolare Struktur überführt". Damit verlieren in Fallkonstellationen der hier diskutierten Art die Gesetzesvorbehalte weitgehend ihre Bedeutung, s. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 88ff. 83 Lerche,HdStR% 121,Rz. 37ff., spricht treffend von der „Prägung" des Grundrechts. 84 Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt, daß dem Gesetzgeber dabei die Ausgestaltungsprärogative zukommt, s. HdStR/Isensee, § 115, Rz. 141. 85 Vgl. Maunz-Dürig/Papier, Rz. 301 ff. zu Art. 14; Jarass/Pieroth, Rz. 33 zu Art. 14; Stern StR III/2, § 84 III 5 b (S. 800 f.). 86 Maunz-Dürig/Papier, Rz. 300 zu Art. 14. 87 Maunz-Dürig/Papier, a. a. O.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

99

der Grundrechtsträger im einzelnen ausgestalten muß. So genießt der Gesetzgeber bei der Regelung von Voraussetzungen und Schranken von Dispositionen über die körperliche Integrität einen weiten Gestaltungsspielraum, ist aber an das Verhältnismäßigkeitsgebot gebunden 88 . Dasselbe gilt für die übrigen Persönlichkeitsrechte. Beispielsweise beruht die Regelung des Rechts am eigenen Bild in §§ 22, 23 K U G auf einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsinteresse des Abgebildeten und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mag man angesichts dieses Beispiels noch die praktische Relevanz der verfassungsrechtlichen Uberprüfung bezweifeln, da ja der vorkonstitutionelle Gesetzgeber ohne die Orientierung durch den grundrechtlichen Rahmen ein durchaus angemessenes Ergebnis erzielt hat, so macht ein Gegenbeispiel, das aus Island berichtet wird 89 , die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Rahmens deutlich. Das isländische Parlament hat im Jahre 1998 ein Gesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage eine Datenbank mit Informationen über die Abstammung der isländischen Bürger und über deren Gesundheitsdaten erstellt werden und einem privaten Unternehmen zur kommerziellen Verwertung zugänglich gemacht werden soll, um diesem Forschungen über den Zusammenhang zwischen genetischen Anlagen und Krankheiten zu ermöglichen. Eine Einwilligung der Bürger ist nicht erforderlich, doch erhalten sie eine Widerspruchsmöglichkeit. Zwar werden die Datensätze anonymisiert, Kritiker befürchten jedoch, daß angesichts der geringen Einwohnerzahl Islands Rückschlüsse auf die Identität einzelner Personen möglich bleiben. Würde in Deutschland das informationelle Selbstbestimmungsrecht in vergleichbarer Form auf eine Widerspruchsmöglichkeit beschränkt, so müßte eine verfassungsrechtliche Uberprüfung anhand von Art. 2 I i.V.m. 1 I G G erfolgen. Einiges spricht dafür, daß hier der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten wäre und daß mithin diese Überprüfung zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen würde. Die grundrechtsdogmatische Frage, ob diese Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers und der Gerichte außerhalb des Art. 14 G G der Rechtfertigung durch Grundrechtsschranken bedarf oder ob es sich auch außerhalb ausdrücklich in der Verfassung enthaltener Ausgestaltungsvorbehalte um eine selbstverständliche Abwägungsaufgabe des Gesetzgebers handelt 90 , braucht hier nicht vertieft zu werden. Selbst wenn man ersteres annimmt, ließe sich diese Kompetenz wohl auf kollidierendes Verfassungsrecht stützten: Das Selbstbestimmungsrecht ist mit den verfassungsrechtlich geschützten Posi88 Dementsprechend hat auch das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluß zu § 8 I 2 T P G die Einwilligungsschranke einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen, in diesem Rahmen aber den gesetzgeberischen Spielraum betont, N J W 1999, 3399 (3401 f.). 89 Vgl. Science v. 14.8.1998, Vol. 281, S. 890; Sokol, N J W 2002, 1763 ff. 90 Vgl. hierzu HdStR/Isensee, § 115, Rz. 136ff.; HdStR/Lerche, § 121, Rz. 3SH.;Jarass/ Pieroth, Rz. 32 f. vor Art. 1.

100

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

tionen anderer, den Allgemeininteressen und dem grundrechtlichen Schutzauftrag in Einklang zu bringen. In diesem Sinne sollen nunmehr die Zwecke untersucht werden, auf die sich Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts stützen lassen: die Rechte anderer (b), Allgemeininteressen (c), die Garantie der Menschenwürde (d) und schließlich möglicherweise die staatliche Schutzpflicht für die Grundrechte des Einwilligenden selbst (e) ergeben. b) Rechte anderer In privatrechtlichen Streitigkeiten können sich häufig beide Konfliktparteien auf die Grundrechte berufen. Es entsteht eine Kollision, bei deren Lösung der Privatrechtsgesetzgeber und die zivilrechtliche Rechtsprechung sich bemühen müssen, die widerstreitenden Positionen im Sinne einer „praktischen Konkordanz" 91 zum Einklang zu bringen. In Einwilligungskonstellationen bestehen allerdings Besonderheiten, die es ratsam erscheinen lassen, zwischen den Rechten Dritter, den Rechten des Einwilligungsempfängers und den Rechten des von der Einwilligung Begünstigten zu unterscheiden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Dispositionsfähigkeit des Einwilligenden dort an ihre Grenzen stößt, wo die Einwilligung die Rechte unbeteiligter Dritter beeinträchtigt. Sind etwa mehrere Personen gemeinschaftliche Eigentümer einer Sache, so verlangt Art. 14 I G G nicht, daß jeder Teilhaber selbständig in die Zerstörung des Gegenstands einwilligen kann. Vielmehr besteht eine Kollision zwischen dem Dispositionsinteresse des einen Teilhabers und des Erhaltungsinteresses der übrigen Teilhaber, die das B G B in §§ 741 ff. löst92. Allgemeiner gesagt bezieht sich die Dispositionsbefugnis des Grundrechtsträgers nur auf sein eigenes Recht, erlaubt ihm aber nicht die Beeinträchtigung fremder Rechte. Im Hinblick auf den Einwilligungsempfänger muß zwischen drei Fallvarianten differenziert werden. Erstens kann, wie etwa im Beispiel der isländischen Gen-Datenbank, fraglich sein, ob dem Rechtsträger überhaupt ein Selbstbestimmungsrecht zuerkannt wird und ob es durch eine Einwilligungslösung stark oder durch eine Widerspruchslösung schwach ausgestaltet wird. In diesem Fall besteht der klassische Interessenkonflikt zwischen dem Interesse des Rechtsträgers an der Integrität seiner Rechtsgüter und der Handlungsfreiheit des Eingreifenden. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die widerstreitenden Positionen unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Zweitens kann die Berechtigung von Einwilligungsschranken fraglich sein. Wenn der Einwilligende sein Selbstbestimmungsrecht gegen ein Verbot durchsetzen will, besteht, wie oben gesehen, kein Konflikt mit den Interessen des Handelnden. Wie das Beispiel des Nicht91 92

Begriff nach Hesse, Rz. 72. S. unten, § 14 II 2.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

101

annahmebeschlusses zu § 8 I 2 T P G zeigt, streiten in diesem Fall die Interessen des Einwilligenden wie des Handelnden für die Wirksamkeit der Einwilligung, Einschränkungen lassen sich nur auf Allgemeininteressen oder auf den Schutz des Einwilligenden selbst stützen. Möchte sich drittens der Einwilligende nachträglich von seiner Einwilligung lösen, so kommt es wieder zu einem Konflikt mit den Interessen des Handelnden. Anders als in der ersten Variante kommt dabei aber der autonomen Disposition des Einwilligenden über sein Grundrechtsgut entscheidende Bedeutung zu93: Sofern sein Selbstbestimmungsrecht nicht aufgrund von Allgemeininteressen oder wegen der Schutzfunktion der Grundrechte eingeschränkt war, fallen seine Interessen im Rahmen der Abwägung nicht mehr ins Gewicht. Schließlich sind die Interessen dessen zu berücksichtigen, der von der konsentierten Handlung begünstigt wird. Dabei kann es sich um den Einwilligenden selbst oder den Einwilligungsempfänger handeln, deren bereits erwähnte Interessen durch diesen Faktor verstärkt werden. Handelt es sich um einen Dritten, so fügt dessen Interesse der Grundrechtsprüfung ebenfalls keinen neuen Aspekt hinzu, sondern verstärkt nur das Gewicht, das der Selbstbestimmung des Einwilligenden zukommt. Dementsprechend verläuft auch die Eingriffs- und Rechtfertigungsprüfung parallel, wie ebenfalls der Nichtannahmebeschluß zum T P G deutlich zeigt. Wird dem Einwilligenden die Möglichkeit zur Erteilung einer rechtswirksamen Erlaubnis genommen, so verliert auch der Begünstigte die Chance auf die erstrebte Handlung. Damit wirkt sich der Ausschluß der Einwilligung auch hinsichtlich seiner Grundrechte als Eingriff aus. Für die Rechtfertigung dieses Eingriffs gelten die oben angestellten Überlegungen: Auch hier kommen in erster Linie die Rechte Dritter, Allgemeininteressen und die Sicherung autonomen Entscheidens durch den Einwilligenden als beschränkende Faktoren in Betracht. c) Allgemeininteressen Wesentlich häufiger werden Einschränkungen der Dispositionsbefugnis mit Allgemeininteressen gerechtfertigt. Beispiele sind der Schutz von Kulturdenkmälern zur Rechtfertigung eines denkmalschutzrechtlichen Beseitigungsverbots, die Verhinderung des Organhandels zur Rechtfertigung des § 8 I 2 T P G oder der Erhalt des Respekts vor dem Leben, der in der Strafrechtswissenschaft zur Rechtfertigung des § 216 StGB angeführt wird. In der Tat greift es zu kurz, die Grundrechte nur als liberale Abwehrrechte zu begreifen und darüber ihren Gemeinschaftsbezug zu übersehen; Art. 14 II G G proklamiert die Sozialbindung des Eigentums ausdrücklich. Andererseits kann nicht jedes Gemeinschaftsinteresse Grundrechtseingriffe legitimieren. 93 Vgl. BVerfGE 81,242 (254); Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 17; §111, Rz. 60; Metzger, S. 90; Zöllner, AcP 196 (1996) 1 (13).

HdStR/Isensee,

102

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Soweit es um staatliche Eingriffe gegen den Willen des Grundrechtsträgers geht, liegt eine bedeutende Funktion der Grundrechtsschranken in der Abwägung zwischen Abwehrbefugnis und Gemeinschaftsbezug. Auch für Einschränkungen der Dispositionsbefugnis unter Privaten gilt, daß nicht jedes Allgemeininteresse die Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Grundrechtsinhabers rechtfertigen kann 94 . Es muß sich um ein Gemeinschaftsinteresse von hohem Wert handeln. Insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter werden dazu geeignet sein, Einschränkungen der Dispositionsfreiheit zu begründen. Allerdings läßt sich eine abstrakte Rangfolge nicht begründen, entscheidend ist die Abwägung im Einzelfall. Vor allem muß die Einschränkung dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen 95 . Sie muß also erstens geeignet und zweitens erforderlich sein, um das entsprechende Allgemeininteresse zu schützen oder zu fördern. Drittens muß es verhältnismäßig im engeren Sinne sein, der Schutz des Allgemeininteresses darf also nicht außerhalb jeden Verhältnisses zur Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts stehen. Im Nichtannahmebeschluß zu den Verfassungsbeschwerden gegen § 8 I 2 TPG führt das BVerfG - allerdings im Hinblick auf den Eingriff in das Recht auf körperliche Integrität des prospektiven Empfängers der Niere - eine geradezu schulmäßige Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, die in diesem Fall nach Ansicht der Kammer die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestätigt 96 . Der Gesetzgeber habe das Verbot der Organspende an fernstehende Personen mit den Zielen begründet, den Vorrang der postmortalen Organspende zu gewährleisten, die Freiwilligkeit der Spende sicherzustellen und jeder Form des Organhandels vorzubeugen. Diese Gründe seien vernünftige Belange des Allgemeinwohls. Die Vorschrift sei geeignet, die genannten Ziele zu erreichen, insbesondere schließe sie den Organhandel effektiv aus. Hinsichtlich der Erforderlichkeit, also der Frage, ob kein gleich wirksames, das Grundrecht aber weniger stark einschränkendes Mittel bestehe, genieße der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungsspielraum. Innerhalb dieses Spielraums habe sich der Gesetzgeber mit der Annahme bewegt, die Freiwilligkeit könne bei einer Spende zugunsten Nahestehender eher vermutet werden und die Verhinderung eines Organhandels sei ansonsten schwer möglich. Schließlich sei die Einschränkung auch verhältnismäßig im engeren Sinn, obwohl auf der Seite des prospektiven Organempfängers ein herausragendes Rechtsgut auf 94 So für den Grundrechtsverzicht im öffentlichen Recht aber wohl Sturm, S. 197, dagegen zutreffend Robbers, JuS 1985, 925 (930); vgl. auch Sternberg-Lieben, S. 54 mit Fußn. 133. 95 Vgl. zu den Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgebots statt aller HdStR/ Isensee, §111, Rz. 71; Pieroth/Schlink, Rz. 279 ff.; Stern StR III/2, § 84 II (S. 775 ff.); alle m. w.N. 96 NJW 1999, 3399 (3401 f.).

IV. Das Selbstbestimmungsreckt

des Grundrechtsträgers

103

dem Spiel stehe. Es gelte nämlich, im sensiblen Bereich der Transplantationsmedizin ein „Höchstmaß an Seriosität und Sicherheit herzustellen" und damit langfristig die Spendenbereitschaft der Bevölkerung zu fördern. Während der Kammer darin zuzustimmen ist, daß die Verfassungsmäßigkeit des § 8 I 2 T P G nicht an der Erforderlichkeit scheitert, da sie nur bei Vorliegen eines ebenso effektiven milderen Mittels ausscheidet 97 , ist die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bedenklich: Den von der Kammer angeführten Allgemeininteressen standen mit dem Interesse des prospektiven Empfängers an einer besseren Uberlebenschance und mit dem Selbstbestimmungsrecht des prospektiven Spenders zwei verfassungsrechtlich geschützte Höchstwerte gegenüber. In diesem Punkt läßt sich die Entscheidung wohl nur mit dem Respekt vor der gesetzgeberischen Entscheidung rechtfertigen. d) Menschenwürde Im verfassungsrechtlichen Schrifttum herrscht weitgehende Einigkeit darüber, daß Art. 1 I G G eine Schranke der Dispositionsfreiheit darstellt: Auf seine Menschenwürde kann niemand verzichten 98 . Vielfach wird ergänzend darauf hingewiesen, daß jedes Grundrecht einen „Menschenwürdekern" aufweist, der ebenfalls unverzichtbar ist 99 . Dieses Argument wird durch einen Hinweis auf Art. 19 II G G gestützt, der den Kernbereich der Grundrechte für unantastbar erklärt 100 . Schwierigkeiten bereitet allerdings die materielle Bestimmung des jeweiligen Menschenwürdekerns, zumal, wie gesehen 101 , gerade die Autonomie einen wesentlichen Bestandteil der Menschenwürde darstellt 102 . Sicherlich verstoßen einige Eingriffe nur dann gegen die Menschenwürde, wenn sie zwangsweise erfolgen, während bei Vorliegen einer Einwilligung die Menschenwürde nicht tangiert wird. Ein Beispiel stellen medizinische Experimente dar 103 . Werden sie an Gefangenen gegen deren Willen durchgeführt, so ist die Menschenwürde verletzt. Daraus läßt sich aber noch nicht folgern, daß medizinische Versuche in keinem Fall durch eine Einwilligung gerechtfertigt werden können. Inwieweit der Staat die Menschenwürde einer Person auch gegen eine eigenen Entscheidung schützen darf, ist höchst umstritten 104 . Kontrovers wird im Pieroth/Schlink, Rz. 285; Stern StR III/2, § 84 II 3 (S. 779). HdStR/Isensee, § 111, Rz. 115; Stern StR III/2, § 86 III 3a (S. 923); Pieroth/Schlink, Rz. 137. 99 Stern, a.a.O., S. 924; Pieroth/Schlink, a.a.O. 100 Bleckmann, Staatsrecht II, § 15, Rz. 23; Stern, a.a.O., S. 925. 101 § 5 111. 102 Vgl. Amelung, Einwilligung, S. 48f.; HdStR/Isensee, § 111, Rz. 115; Hillgruher, S. 108 f.; Metzger, S. 96; Pieroth/Schlink, Rz. 355; ähnlich die Theorie Luhmanns, Grundrechte, S. 53 ff. 103 Beispiel von Pietzcker, Der Staat 17 (1978) 527 (537). 104 Gegen eine solche Befugnis Hillgruher, Der Schutz des Menschen vor sich selbst (1992); Sternberg-Lieben, S. 47f.; Metzger, S. 92ff., 100; v. Münch/Kunig, Rz. 63 vor 97 98

104

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Schrifttum vor allem105 über die oben bereits erwähnte erste Peep-ShowEntscheidung des BVerwG diskutiert 106 . In diesem Fall hatte das Gericht die Versagung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für eine Peep-Show mit dem Argument aufrechterhalten, eine solche Darbietung erniedrige die Darstellerinnen zu bloßen Objekten, verletze also deren Menschenwürde. Der freiwilligen Entscheidung der Frauen zur Darbietung ihres Körpers maß das Gericht kein Gewicht bei: Die Menschenwürde sei unverzichtbar, sie müsse wegen ihrer objektiven Bedeutung auch gegenüber abweichenden subjektiven Vorstellungen des einzelnen durchgesetzt werden. Während einige Autoren 107 dieser Begründung folgen, kritisieren andere diese Entscheidung heftig: Aufgabe des Staats sei es nicht, den einzelnen zu bessern. Gerade die Vernachlässigung der autonomen Entscheidung der betroffenen Frauen verletze deren Menschenwürde. Das Beispiel zeigt die Problematik der Menschenwürde als Schranke der Dispositionsbefugnis. Zwar ist die Würde des Menschen im Grundsatz unverzichtbar, doch gerade bei der Anwendung des Art. 1 I GG muß auch die persönliche Autonomie sehr hoch bewertet werden. Zur Begründung sei an die oben angestellten Überlegungen zum Autonomiebegriff Kants erinnert: Die Autonomie der Person ist geradezu die Essenz der Menschenwürde. Für das Recht folgt daraus die Verpflichtung, jede Person als Subjekt anzusehen und damit jeder Person einen Freiraum für eigenes, selbstbestimmtes Handeln zu eröffnen. Nach diesem Verständnis verpflichtet Art. 1 I, III GG den Staat nicht etwa dazu, seine Bürger zu objektiv definiertem würdigem Verhalten zu erziehen, sondern im Gegenteil dazu, deren Autonomie nach Möglichkeit zu respektieren. Daher dürfte sich aus der Garantie der Menschenwürde nicht viel mehr als eine Lösung für extreme Fälle der Freiheitsbeschränkung ergeben. Der von Mill angesprochene Fall des Selbstverkaufs in die Sklaverei wäre ein solcher Anwendungsfall: Im Licht von Art. 1 GG kann das Recht den dauerhaften und unumkehrbaren Verzicht einer Person auf die eigene Freiheit nicht hinnehmen. Auch läßt sich mit Stern aus Art. 1 GG die Unwirksamkeit eines Totalverzichts auf ein Grundrecht108 ableiten. Die Freiheit zur Art. 1-19; Rz. 36 zu Art. 1; alle m.w.N.; differenzierend HdStR/Isensee, § 111, Rz. 113, 115. 105 Ein weiterer umstrittener Beispielsfall ist die Fernsehshow „Big Brother", vgl. Dörr/ Cole, K&R 2000, 369ff.; Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 395 (401 f.); Hinnchs, NJW 2000, 2173 (2174 f.); näher dazu unten, § 14 IV 3 b. 106 BVerwGE 64, 274, vgl. auch die zweite Peep-Show-Entscheidung, BVerwGE 84, 314, bestätigt zuletzt von BVerwG GewArch 1998, 419; zu beiden Urteilen Discher, JuS 1991,642 ff. Vgl. auch die Entscheidung des VG Neustadt, NVwZ 1993,98, zum „Zwergenweitwurf", dazu rechtsvergleichend Rädler, DOV 1997, 109ff. 107 Vgl. die Darstellung des Meinungsstreits bei Hillgruber, S. 104 ff. und den Uberblick bei v. Münch / Kunig, Rz. 36 zu Art. 1. 108 Stern StR III/2, § 86 IV 2 (S. 928).

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

105

Einwilligung in weniger gravierende Freiheitsbeschränkungen läßt sich hingegen auch dann nicht auf Art. 1 G G stützen, wenn das betreffende Verhalten von der Mehrheit der Bevölkerung als unwürdig empfunden wird. Im Gegenteil schützt Art. 2 I G G wohl auch die Freiheit einer Frau, sich in einer Peep-Show zu exponieren. Die Argumentation des BVerfG, die Art. 1 G G in diesem Fall zur Grundlage für eine Freiheitsbeschränkung macht, ist abzulehnen. e) Schutz vor sich selbst? Damit ist der Kern der Paternalismusdebatte erreicht. Erlaubt oder gebietet sogar die Verfassung die Einschränkung der Selbstbestimmung eines Grundrechtsträgers in dessen eigenem „wohlverstandenem" Interesse? 109 Die bisherigen Überlegungen zwingen zur Unterscheidung zwischen Regeln, die der Sicherung der Voraussetzungen autonomen Entscheidens dienen, und Normen, die einer Disposition auch dann die Wirksamkeit versagen, wenn die Willensbildung unter keinerlei Mängeln leidet. Zur ersten Fallgruppe sei daran erinnert, daß der Staat nicht nur berechtigt, sondern aufgrund der Schutzfunktion der Grundrechte sogar verpflichtet ist, die Wirksamkeit einer Einwilligung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Diese Voraussetzungen können sich je nach Bedeutung des betroffenen Rechts, nach den Folgen des Eingriffs, nach der Eigen- oder Fremdnützigkeit der Einwilligung und nach typischen Gefährdungen der Autonomie durchaus unterscheiden. Je strenger die Wirksamkeitsvoraussetzungen, desto mehr wird die Einwilligung erschwert. Da diese Voraussetzungen die Dispositionsfreiheit zugleich konstituieren und begrenzen, genießen Gesetzgeber und Gerichte zwar einen weiten Gestaltungsspielraum, sind aber an das Ubermaßverbot gebunden. Sämtliche Einwilligungsvoraussetzungen müssen daher einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Ein Grenzfall ist dann erreicht, wenn nach Einschätzung des Gesetzgebers keine geeigneten Verfahren ersichtlich sind, die eine autonome Entscheidung über die Einwilligung sicherstellen können. § 8 I 2 T P G regelt einen solchen Grenzfall. Das BVerfG weist auf die Verpflichtung des Gesetzgebers hin, potentielle Organspender vor Gesundheitsschädigungen zu schützen. Zwar genieße auch die Selbstgefährdung verfassungsrechtlichen Schutz, doch sei der Gesetzgeber legitimerweise davon ausgegangen, daß bei einer Organspende an Fremde „kein Verfahren, so ausgereift es auch sei, für sich genommen in der Lage wäre, die Freiwilligkeit der Spenderentscheidung (...) sicherzustellen" 110 . Hier 109 Im Verfassungsrecht werden die Fragen nach der Zulässigkeit eines „Schutz vor sich selbst" und nach der Bedeutung, die in diesem Zusammenhang Art. 1 I G G zukommt, in der Regel gemeinsam erörtert, vgl. daher zum Schrifttum die Nachw. oben, Fußn. 102, außerdem Schwabe, J Z 1998, 69 ff. 110 NJW1999,3399 (3401, Ziff. 2 a cc (1)); krit. hierzu Gutmann, NJW1999,3387 (3388).

106

§ 6 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

geht die Sicherung der Voraussetzungen der Autonomie in einen Entzug der Autonomie über, und es ist wohl mehr als ein lapsus linguae, wenn das BVerfG später den „vom Gesetzgeber legitimerweise verfolgten,Schutz des Spenders vor sich selbst'" als Argument für die Rechtmäßigkeit des § 8 12 TPG ins Feld führt 111 . Methodologisch ist dem BVerfG darin zuzustimmen, daß auch in dieser Situation eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden muß. Dabei ist es wohl richtig, daß eine Disposition im Extremfall dann unterbunden werden kann, wenn sich die Freiwilligkeit durch keinerlei Maßnahme feststellen läßt. Allerdings handelt es sich dann um eine so gravierende Freiheitsbeschränkung, daß die Existenz milderer Mittel zur Feststellung der Freiwilligkeit streng zu überprüfen ist. Auch im Fall der Organspende kämen als Maßnahmen zur Feststellung der Freiwilligkeit zusätzlich zu einer ausführlichen ärztlichen Aufklärung noch die Anhörung durch eine Ethik-Kommission und eine obligatorische Bedenkzeit 112 in Betracht. Es erweckt Bedenken, daß das BVerfG auf diese Möglichkeiten mit keinem Wort eingeht. Selbst wenn letztlich der Gesetzgeber die Entscheidung darüber treffen muß, ob diese Maßnahmen zur Sicherstellung der Freiwilligkeit hinreichen, müssen sie immerhin in Betracht gezogen werden. Wie im vorigen Abschnitt gesehen 113 , ist in der Paternalismusdiskussion die Frage heftig umstritten, ob auch autonomen Entscheidungen mit der Begründung die Anerkennung versagt werden kann, daß für die Zukunft zu einer irreversiblen Freiheitsbeschränkung führen. Eine solche Beschränkung kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein, das Extrembeispiel für die erste Fallgruppe ist der Selbstverkauf in die Sklaverei, Beispiele für die zweite Fallgruppe sind die Einwilligung in eine Verstümmelung oder, extrem, die Einwilligung in eine Tötung. Ob allerdings dieser Gedanke der „paternalistischen Freiheitsmaximierung" mit der Forderung nach Respekt für die Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten vereinbar ist, ist sehr fraglich. Die Antwort muß differenzierend ausfallen. Entscheidet sich der Gesetzgeber für diese Form des Paternalismus, so ist diese Entscheidung als Ausdruck der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit jedenfalls dann hinzunehmen, wenn es um irreversible Eingriffe von existentieller Bedeutung geht. Schwerer fällt die Entscheidung in gesetzlich nicht geregelten Bereichen, in denen der Rechtsanwender selbst aufgerufen ist, die Grenzen der Selbstbestimmung festzulegen. Hier werden sich zunächst viele Fälle der ersten, oben erörterten Fallgruppe zuordnen lassen. So spricht eine Vermutung dagegen, daß sich eine Person freiwillig in die Sklaverei verkauft. Stellt sich eine Entscheidung aber auch bei Anwendung strenger Kriterien als autonom dar, so kann ihr nur in NJW 1999, 3399 (3402, Ziff. 2 c); krit. hierzu Forkel, Jura 2001, 73 (78). Im US-Schrifttum als „cooling off-period" bezeichnet, vgl. Eidenmüller, S. 360 mit Fußn. 10. 111

112

1,3

§5 113.

IV. Das Selbstbestimmungsrecht

des Grundrechtsträgers

107

Extremfällen, etwa dem vollständigen Freiheitsverlust im Sklavereibeispiel, der Respekt versagt werden. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Einwilligungsschranke sind hier höher als bei einer Entscheidung des Gesetzgebers. So war vor der Verabschiedung des T P G auch die Lebendspende eines Doppelorgans grundsätzlich zulässig 114 . Der bloße Umstand, daß der Spender das betreffende Organ endgültig verliert, führte noch nicht die Unwirksamkeit der Einwilligung herbei. Als Fazit läßt sich festhalten, daß aus verfassungsrechtlicher Sicht der rechtliche Schutz einer Person vor den Folgen ihres eigenen Handelns nur dann unbedenklich ist, wenn dieses Handeln nicht auf einer autonomen Entscheidung beruht oder wenn hieran zumindest ernsthafte Zweifel bestehen. Erlaubt hingegen eine mündige Person freiwillig und in Kenntnis der Folgen einen Eingriff in ihre Rechtssphäre, so kann dieser Erlaubnis nur im Extremfall eines irreversiblen Verlusts der Freiheit oder wesentlicher Grundlagen ihrer Ausübung der Respekt versagt werden. Dieses Kriterium ist notwendigerweise unbestimmt, zumal es sich bei den genannten Fällen oft um Grenzsituationen handelt, die sich ethisch wie juristisch einer einfachen Beurteilung entziehen. Dennoch soll unten in § 14 bei der Erörterung der Schranken der Einwilligung der Versuch einer Konkretisierung anhand einiger im Zivilrecht problematischer Fallkonstellationen unternommen werden.

114

Vgl. Deutsch MedR 3 , Rz. 501, zur neuen Rechtslage nunmehr die 4. Aufl., Rz. 507.

§ 7 Privatrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre I. Privatrechtliche Einwilligungslehre versus „Einheit der Rechtsordnung"

1. Die

Problematik

Nachdem bisher der rechtsethische und verfassungsrechtliche Rahmen der Einwilligungslehre abgesteckt wurde, gilt es nunmehr, die Einwilligung in das System des Privatrechts einzuordnen. Allerdings ist das Anliegen, eine spezifisch privatrechtliche Theorie der Einwilligung zu entwickeln, einem grundsätzlichen Einwand ausgesetzt: Es scheint dem Postulat der „Einheit der Rechtsordnung" zuwiderzulaufen. Eine von mehreren Ausprägungen 1 dieses Gedankens ist die Forderung, daß unterschiedliche Teilrechtsordnungen die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht unterschiedlich beurteilen dürfen, oder, um eine bekannte Formulierung Engischs zu zitieren: „Es kann nicht dasselbe Verhalten zugleich verboten und geboten oder verboten und erlaubt «2 sein. Akzeptiert man diese These, so liegt es nahe, die strafrechtliche Rechtsprechung und Lehre in die Untersuchung nicht nur einzubeziehen, sondern darüber hinaus eine einheitliche Theorie der Einwilligung, losgelöst von spezifisch zivilrechtlichen Systembegriffen, zu entwickeln. Zugleich wären Voraussetzungen und Schranken der Einwilligung für das Zivil- und das Strafrecht einheitlich zu bestimmen. Hält man hingegen eine gespaltene Beurteilung der Rechtswidrigkeit für möglich, so könnten zwar einzelne Elemente der strafrechtlichen Einwilligungslehre durchaus ins Zivilrecht transportiert werden, zwingend wäre ein Gleichlauf zwischen der Einwilligung im Straf- und Zivilrecht hingegen nicht. Erstaunlicherweise wird die Alternative zwischen einem privatrechtsspezifischen Ansatz und einer einheitlichen Theorie, die für die gesamte Rechtsordnung Geltung beansprucht, in der zivilrechtlichen Li1 Felix, S. 157 ff., unterscheidet vier Forderungen, die aus dem Grundsatz abgeleitet werden: (1) Einheitlichkeit der Rechtsbegriffe, (2) einheitliche Beurteilung der Rechtswidrigkeit, (3) Beachtung wirksamer Verwaltungsakte, (4) Verbot der Beeinträchtigung der Zielsetzungen aus anderen Teilrechtsordnungen. 2 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 53.

/. Privatrechtliche

Einwilligungslehre

versus „ Einheit der Rechtsordnung"

109

teratur kaum 3 problematisiert. Vielmehr stehen sich Stellungnahmen, in denen das Strafrecht weitgehend unberücksichtigt bleibt 4 , und solche, die teilweise mit großer Selbstverständlichkeit - von einer Einheitlichkeit der Einwilligungslehre ausgehen 5 , weitgehend unvermittelt gegenüber. Auch in der Rechtsprechung finden sich Entscheidungen, die um eine enge Abstimmung mit dem Strafrecht bemüht sind 6 , ebenso wie Urteile, die ausschließlich mit zivilrechtlichen Systembegriffen operieren 7 . Bereits der Titel der vorliegenden Arbeit verrät, daß hier ein spezifisch privatrechtlicher Ansatz wegen der Funktionsverschiedenheit von Privatund Strafrecht für möglich und angemessen gehalten wird. Zur Begründung dieser grundsätzlichen Weichenstellung soll im folgenden zunächst der Gedanke der „Einheit der Rechtsordnung" und die Kritik an diesem Topos dargestellt werden (2). Wie in neuerer Zeit die Arbeiten vom Günther•8 und Felix9 gezeigt haben, kann dieses Thema durchaus Gegenstand einer eigenen Habilitationsschrift sein. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit versteht es sich daher von selbst, daß die Behandlung nur skizzenartig und von vornherein beschränkt auf die Frage nach der Einheitlichkeit der Einwilligungslehre erfolgen kann. Auch die anschließende Stellungnahme (3) beschränkt sich auf den Bereich der Einwilligung. Insbesondere geht sie den drei Grundfragen nach Einheit oder Differenz der Einwilligungslehre, nach Einheitlichkeit oder Verschiedenheit der Einwilligungsvoraussetzungen und nach der Übertragbarkeit der außerzivilrechtlichen Einwilligungsschranken nach.

3

S. aber die Nachw. zu Stellungnahmen aus zivilrechtlicher Sicht unten, I 2. So bei Larenz SchR II, § 71 I 1 (S. 594); MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; Dasch, S. 31 ff., 40 ff.; Gotting, S. 145 ff. 5 RGRK/Steffen, Rz. 377 zu § 823; Soergel/Fahse, Rz. 17ff. (insb. 21) zu § 227. Gerade im medizinrechtlichen Schrifttum w e r d e n häufig strafrechtliche Fundstellen als Beleg f ü r Aussagen z u m Privatrecht angeführt, s. etwa Deutsch MedR, Rz. 105 mit F u ß n . 9; Laufs A r z t R , Rz. 222 mit F u ß n . 121; Fischer, FS Deutsch, S. 545 ff. (für die mutmaßliche Einwilligung). 6 B G H 2 29,33 (37); 34,355 (363); O L G M ü n c h e n N J W 1 9 5 8 , 6 3 3 (634) näher zu diesen Urteilen unten, I 2 a. 7 So wird in B G H N J W 1956, 1106 (1107) das Vorliegen einer Einwilligung in eine Freiheitsentziehung bejaht, o b w o h l es sich strafrechtlich u m ein tatbestandsausschließendes Einverständnis gehandelt hätte. Vgl. auch B G H N J W 1980, 1903. 8 Günther, Strafrechtswidrigkeit u n d Strafunrechtsausschluß (1983). 9 Felix, Einheit der R e c h t s o r d n u n g (1998). 4

110

§ 7 Privatrechtliche

2. Das Postulat in Rechtsprechung

und strafrechtliche

der „ Einheit der und Schrifttum

Einwilligungslehre

Rechtsordnung"

a) Entwicklung und Inhalt Mit der Forderung nach einer einheitlichen Beurteilung der Rechtswidrigkeit in der gesamten Rechtsordnung setzt sich schon Zitelmann auseinander10. Naturgemäß sei der Begriff der Rechtswidrigkeit ein einheitlicher11: Sei eine Handlung durch irgendeinen Rechtssatz in irgendeinem Rechtsteil verboten, so sei sie eben verboten. Allerdings könnten die einzelnen Rechtsteile an die Vornahme der verbotenen Handlung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. Umgekehrt sei es durchaus denkbar, daß eine Teilrechtsordnung die Rechtswidrigkeit nur mit Wirkung für ihre eigenen Verbotstatbestände ausschließe. Dabei könne sich ergeben, daß diese Ausnahme von anderen Teilrechtsordnungen übernommen werde. So knüpften etwa die Straftatbestände des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts an die zivilrechtliche Entscheidung über das Vorliegen einer Verletzungshandlung an, während das Zivilrecht umgekehrt im Fall des § 823 II BGB die Beurteilung der Rechtswidrigkeit aus der Teildisziplin übernehme, der das Schutzgesetz entstamme. Engisch, dessen Heidelberger Antrittsvorlesung von 1935 nach wie vor für den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung grundlegend ist, geht in seiner Forderung nach Einheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils über Zitelmann hinaus. Rechtspflichtbegründungen und Unrechtsausschließungen wirkten sich allgemein aus12. Zwar seien die Unrechtsfolgen unterschiedlich, doch es sei ein Mißgriff, deswegen von Privat- oder Strafrechtswidrigkeit zu sprechen13. Werde ein bestimmtes Verhalten von einer Norm verboten und von einer anderen erlaubt, so handle es sich um einen Normwiderspruch, der zu berichtigen sei. Zur Vermeidung solcher Unstimmigkeiten erscheine die Bestrebung nicht unfruchtbar, einen „allgemeinsten Teil des Rechts" zu schaffen14. Neben die normlogische Begründung tritt bei Engisch eine von nationalsozialistischen Untertönen nicht freie Argumentation: Die Unterscheidung zwischen der Verletzung öffentlicher und privater Interessen werde in Zukunft in dem Maße an Bedeutung verlieren, wie die gegenseitige enge Verflechtung von Individual- und Allgemeininteressen anerkannt werde15.

Nachweise zum älteren Schrifttum bei Günther, § 2 I, II (S. 9 ff.). Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (11); ähnlich Fischer, S. 115. 12 In diesem Sinne auch der Beschluß des 34. DJT aus dem Jahre 1926: „Die Grenze zwischen Recht und Unrecht muß im bürgerlichen Recht dieselbe sein wie im Strafrecht", Verhandlungen des 34 DJT, Bd. 2, S. 513. 13 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 58. 14 A.a.O., S. 80. 15 A.a.O., S. 58. 10

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Im neueren Schrifttum wird aus dem Gedanken der „Einheit der Rechtsordnung" vor allem die universelle Geltung der Rechtfertigungsgründe abgeleitet. Die sowohl im Straf- als auch im Privatrecht herrschende Ansicht erkennt zwar an, daß die Teilrechtsordnungen auf Tatbestandsebene voneinander abweichen. Rechtfertigungsgründe jedoch sollen aus der Gesamtheit der Rechtsordnung herzuleiten sein, also Geltung für sämtliche Teilrechtsordnungen beanspruchen können 16 . Insbesondere werden die bürgerlichrechtlichen Vorschriften über den aggressiven und den defensiven Notstand (§§ 228, 904 BGB) und die strafrechtliche Bestimmung über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) weithin als Ausdruck eines universell gültigen Interessenabwägungsprinzips angesehen17. Im gleichen Sinne begründete der BGH in einem frühen strafrechtlichen Urteil die rechtfertigende Wirkung eines landesrechtlich begründeten Züchtigungsrechts ausdrücklich mit der „Einheit der Rechtsordnung" 18 . Aufschlußreich ist der Wandel hinsichtlich der Folgerungen, die im Laufe der Jahrzehnte aus dem Postulat der Einheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils für die Einwilligungslehre abgeleitet wurden. Zitelmann vertrat die Ansicht, hier strahle die privatrechtliche Beurteilung auf das Strafrecht aus: Die Einwilligung habe die Wirkung, dem Empfänger ein Recht zur Vornahme der Handlung zu geben. Wie sich eine solche Rechtseinräumung vollziehe, regle das Privatrecht. Wenn es eine Einwilligung als wirksam anerkenne, gelte die Rechtfertigung mithin immer auch für das Strafrecht. Zitelmann gelangte also zur Einheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils, indem er den Geltungsanspruch seiner privatrechtlich begründeten Rechtsgeschäftstheorie auf das Strafrecht erstreckte. Auch wenn die Rechtsgeschäftslehre zunächst auch von Teilen der Strafrechtslehre übernommen wurde 19 , regte sich dort doch bald Widerspruch. Eine zunehmende Zahl strafrechtlicher Autoren sprach sich für eine „Befreiung vom zivilistischen Denken" 20 und eine eigenständige strafrechtliche Einwilligungslehre aus21, Bruns stellte die Einwilligung sogar als „besonders schönes Beispiel für die Unzulässigkeit der Übertragung zivil-

16 Vgl. aus der privatrechtlichen Literatur Larenz / CanarisSchKl\/2,% 75 II 2c (S. 363); Fikentscher SchR, Rz. 494; aus der strafrechtlichen Literatur Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 27 vor §§ 32 ff.; LK/Hirsch, Rz. 10 vor §§ 3 2 f f . - J e s c h e c k / W e i g e n d , § 31 III 1 (327). 17 Vgl. Larenz/Canaris, a.a.O.; Schönke-Schröder/Lenckner/Perron, Rz. 30 zu § 34; Roxin AT I, § 16, Rz. 96; Jescheck/Weigend, § 33 III 3 (S. 358); vgl. auch Jakobs AT, 13/ 46 ff. (§ 228 BGB als eigenständiger Rechtfertigungsgrund im Strafrecht). 18 BGH St 11,241 (244). 19 Frank, S. 141; Fischer, S. 271 ff. (der seiner weitgehend privatrechtlich begründeten Rechtsgeschäftstheorie auch Wirkung für das Strafrecht beimaß); dagegen Honig, S. 158 ff. 20 So der programmatische Titel einer Schrift von Bruns aus dem Jahre 1938. 21 Honig, S. 158ff.; Mezger, Der Gerichtssaal 89 (1923) 207 (276f.); vgl. auch die Darstellung bei Noll, S. 68 ff.

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rechtlicher Begriffe und Gedankengänge auf das Strafrecht" heraus 2 2 . Selbst Engisch führte die Einwilligung nicht etwa als Anwendungsfall für das Prinzip von der „Einheit der Rechtsordnung" an, sondern erörterte das Beispiel im Zusammenhang mit der Analogie. Zwar sei grundsätzlich auch die analoge Anwendung von N o r m e n über die Grenzen einzelner Teilrechtsordnungen hinaus möglich, doch sei stets von Fall zu Fall die Rechtsähnlichkeit zu prüfen. So sei es „gewiß" nach dem Stand der Lehre unstatthaft, die Einwilligung des Verletzten im Strafrecht unbesehen nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über private Rechtsgeschäfte zu behandeln 2 3 . In der neuen Strafrechtsliteratur grenzen sich auch diejenigen Autoren, die der Forderung nach „Einheit der Rechtsordnung" grundsätzlich zustimmen, von der Rechtsgeschäftstheorie ab und betonen dabei die Funktionsunterschiede zwischen beiden juristischen Disziplinen 2 4 . So handelt es sich nach Jescheck bei der Einwilligung um eine eigenständige Rechtsfigur des Strafrechts 25 . Selbst eine Analogie zur bürgerlich-rechtlichen Willenserklärung scheide aus, da es im Strafrecht weder u m den Schutz des Minderjährigen noch um den Schutz des Rechtsverkehrs gehe, sondern allein um die Frage der Strafwürdigkeit einer Handlung, der der Verletzte zugestimmt habe. Die von Teilen der Lehre befürwortete Übertragung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit bei Eingriffen in Vermögensrechte überzeuge nicht und lasse sich insbesondere nicht überzeugend mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung begründen, „da die Wirksamkeit von Verträgen sich nach anderen Regeln bestimmen kann als die Strafwürdigkeit eines Eingriffs in fremdes Vermögen" 26 . Ahnlich argumentiert Stratenwerth: Die wirksame Einwilligung mache die Handlung nicht im positiven Sinne „rechtmäßig", sondern beseitige nur den Widerspruch zur Selbstbestimmung des Betroffenen und damit das strafrechtlich relevante Unrecht 2 7 . Baumann hält Abweichungen bei der Einwilligungsfähigkeit für möglich, da im Zivilrecht klare Altersgrenzen um der Rechtssicherheit willen erforderlich seien 28 . Nachdem sich mittlerweile die strafrechtliche Einwilligungslehre von der privatrechtlichen Dogmatik nicht nur gelöst, sondern sie an Umfang und Differenzierungsgrad auch überholt hat, w i r d eine Ausstrahlung des Privatrechts auf das Strafrecht allenfalls noch in Teilbereichen erwogen 2 9 . Statt desBruns, S. 262. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 77. 24 S. außer den in den folgenden Fußn. Genannten LK/Hirsch, Rz. 109 vor § 32. 25 Jescheck/Weigend, § 34 IV 1 (S. 381). 26 A.a.O., Fußn. 44. 27 Stratenwerth AT, § 9, Rz. 24. 28 Baumann7, § 21 II 4 (S. 331). 29 Wie erwähnt, spricht sich ein Teil der strafrechtlichen Literatur für die Anwendung der §§ 104 ff. BGB auf Einwilligungen im vermögensrechtlichen Bereich aus, s. die Nachw. unten, § 11 IV. 22 23

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sen neigen mittlerweile der BGH und Teile der Lehre umgekehrt zur Übernahme von Elementen der strafrechtlichen Einwilligungsdogmatik ins Zivilrecht. Der BGH beruft sich in seiner Minderjährigenentscheidung bei der Aufgabe der Rechtsgeschäftstheorie auf die strafrechtliche Rechtsprechung und Literatur 30 . Noch deutlicher orientiert sich das Gericht in seiner Mitfahrerentscheidung an der strafrechtlichen Lehre. Das Strafrecht behandle die Einwilligung zu einem Eingriff in die körperliche Integrität gerade nicht nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Willenserklärung: „So führte die Lehre, die die Eigengefährdung als rechtfertigende Willenserklärung verstand, zwangsläufig dazu, daß dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung bei der Beurteilung rechtswidrigen Verhaltens Abbruch getan wurde." 31 Das vermutlich nachdrücklichste Bekenntnis zur einheitlichen Beurteilung der Einwilligung findet sich in einem Urteil des OLG München von 1956, in dem noch vor der Grundsatzentscheidung des BGH die Einwilligung eines Minderjährigen in eine ärztliche Heilbehandlung für wirksam erklärt wird: „Wie das LG mit Recht betont, kann für das Zivilrecht und das Strafrecht nur ein einheitlicher Begriff der Widerrechtlichkeit in Frage kommen, eine verschiedenartige Behandlung dagegen müßte gegen die Einheit der Rechtsordnung und zugleich gegen die Gesetze der Logik verstoßen; dies gilt umso mehr, als das BGB in dem § 823 Abs. 2 BGB noch ausdrücklich auf die strafrechtlichen Schutzgesetze verweist. Wenn eine Tat i. S. des Strafrechts rechtmäßig ist, kann sie auch keine zivilrechtlichen Rechtsfolgen nach sich ziehen." 32

Auch das Schrifttum bejaht teilweise die Übernahme der strafrechtlichen Grundsätze zur Einwilligung 33 , allerdings meist ohne eingehende Erörterung des Problems. Versuche wie derjenige Münzbergs, auf der gemeinsamen Grundlage straf- und zivilrechtlicher Quellen zu einer einheitlichen Theorie der Rechtswidrigkeit im Straf- und Haftungsrecht unter Einbeziehung der Einwilligung zu gelangen34, sind demgegenüber selten. b) Kritik Der Gedanke von der „Einheit der Rechtsordnung" ist in zunehmendem Maße der Kritik aus sämtlichen juristischen Disziplinen ausgesetzt. Lobe wies schon früh darauf hin, daß die einzelnen Rechtsgebiete unterschiedliche Lebensbeziehungen regelten und daß sich daher auch die Feststellung der

BGHZ 29, 33 (37). BGHZ 34, 355 (363). 32 OLG München NJW 1958, 633 (634), zustimmend LG Tübingen NJW 1960, 1389 (1390). 33 Deutlich RGRK/Steffen, Rz. 377 zu § 823: „Deshalb können die im Strafrecht für sie fdie Einwilligung] entwickelten Grundsätze herangezogen werden." 34 Münzberg, S. 14 und passim, zur Einwilligung S. 310 ff. 30 31

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Rechtmäßigkeit nur auf das jeweilige Rechtsgebiet beziehe35. Im neueren strafrechtlichen Schrifttum hat sich vor allem Günther vehement dafür ausgesprochen, die Strafrechtswidrigkeit als besondere, gesteigerte Form der Rechtswidrigkeit anzuerkennen. Ein einheitliches Rechtswidrigkeitsurteil müsse „die Unterschiede in der Teleologie der einzelnen Rechtsgebiete (...) nivellieren und die alte Weisheit mißachten: Qui bene distinguit, bene iudicat." 36 Ein „allgemeiner, umfassender, materialer Wertungen weitgehend beraubter Begriff der Rechtswidrigkeit" sei im Strafrecht wenig hilfreich37. Vielmehr gehe es darum, diejenigen Verhaltensweisen zu identifizieren, die „mittels Kriminalisierung die besonderen Unrechtsfolgen des Strafrechts auslösen". Für das Strafrecht als ultima ratio der Sozialprävention gebiete das Verhältnismäßigkeitsprinzip, daß zwar Rechtfertigungsgründe aus anderen Rechtsgebieten anzuerkennen seien, daß das Strafrecht seinerseits aber gesteigerte Anforderungen an die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens stellen könne38. Diese Einschätzung wird mittlerweile von etlichen Autoren geteilt39. Nach Ansicht von Roxin wäre es zwar ein unerträglicher Wertungswiderspruch und widerspräche der Subsidiarität des Strafrechts, wenn ein in irgendeinem Rechtsgebiet gestattetes Verhalten gleichwohl bestraft würde40. Hingegen sei es weder denknotwendig noch stets kriminalpolitisch angezeigt, ein zivilrechtlich verbotenes Verhalten, das zugleich einen Straftatbestand erfülle, auch zu bestrafen41. Das Strafrecht könne die zivilrechtliche Mißbilligung zur Kenntnis nehmen, brauche sie aber nicht zu teilen. Umgekehrt sei es nicht zu beanstanden, wenn das Zivilrecht wegen einer strafrechtlich gerechtfertigten Handlung Schadensersatz wegen rechtswidrigen Verhaltens anordne42. Jakobs fragt danach, ob es in sämtlichen Rechtsgebieten um die Bewertung identischer Bewertungsgegenstände im identischen Kontext gehe. Sei das der Fall, so sei in allen Gebieten nach identischen Maximen zu werten; das Postulat der Einheit der Rechtsordnung sei insoweit Ausprägung des Postulats einer widerspruchsfreien Rechtsordnung43. Seien aber Bewertungsgegenstand oder Kontext nicht identisch, so seien unterschiedliche Bewertungen der Rechtswidrigkeit ebenso möglich wie die rechtsgebietsspezifische Tatbestandsbil-

Lobe, S. 33 (34). Günther, S. 61 f. 37 A.a.O., S. 55. 38 Günther, S. 235 ff. und passim; zustimmend für die Einwilligung aus zivilrechtlicher Sicht Kohte, AcP 185 (1985) 105 (157). 39 Vgl. außer den in den folgenden Fußn. Genannten Baumann/Weber/Mitsch, § 16, Rz. 4ff.; Maurach/Zipf, § 25, Rz. 12. 40 Roxin AT I, § 14, Rz. 31. 41 A.a.O., Rz. 32. 42 A.a.O., Rz. 35. 43 Jakobs KI, 11/5. 35 36

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dung. Bezogen auf den Gegenstand der Wertung könne also eine Einheit weder stets behauptet noch stets ausgeschlossen werden44. Aus verfassungsrechtlicher Sicht setzt sich Kirchhof in einer Schrift mit dem beredten Titel „Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung" kritisch mit der Forderung nach einheitlicher Beurteilung der Rechtswidrigkeit auseinander. Die Einheit der Rechtsordnung zeige sich nicht darin, daß jeder einzelne Rechtssatz für die gesamte Rechtsordnung stehe, die einende und friedensstiftende Kraft einer Rechtsordnung stütze sich vielmehr nur auf die Widerspruchsfreiheit der Einzelaussagen der Rechtsordnung45. Eine Rechtsordnung bewähre sich gerade dann, wenn sie sachgerecht differenziere und einen Vorgang aus der Perspektive des jeweiligen Teilrechtsgebiets beurteile46. Die Teilbereiche des Rechts hätten unterschiedliche Aufgaben, so daß die Anweisungen von einzelnen Rechtssätzen inhaltlich nicht übereinstimmten47. Dementsprechend könnten die einzelnen Rechtswidrigkeitsbeurteilungen voneinander abweichen. Auch eine Verselbständigung der Rechtswidrigkeitsfrage in einem Rechtfertigungsgrund begründe nicht notwendigerweise eine einheitliche rechtliche Beurteilung ein und desselben Verhaltens48. Die „Einheit der Rechtsordnung" sei in erster Linie ein Auftrag an den Gesetzgeber und eine Anweisung an den Rechtsanwender, Wertungswidersprüche durch systematische und teleologische Auslegung auszugleichen49. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt in ihrer umfangreichen verfassungsrechtlichen Untersuchung Felix. Sie weist nach, daß die Verfassung nur die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, nicht aber die einheitliche Beurteilung der Rechtswidrigkeit in allen juristischen Teildisziplinen fordert50. Insbesondere stehe das Rechtsstaatsprinzip einem gespaltenen Rechtswidrigkeitsurteil nicht entgegen, da der Bürger keinem unlösbaren Normenkonflikt ausgesetzt sei: Wenn ein Teilgebiet der Rechtsordnung das Verhalten untersage, so könne und müsse der Bürger es unterlassen51. Auch im Privatrecht wird eine spezifisch zivilrechtliche Rechtswidrigkeit weithin für möglich gehalten52. Deutsch hält die Bildung eines Begriffs der Gesamtrechtswidrigkeit zwar theoretisch nicht für ausgeschlossen, aber wegen der damit notwendigerweise einhergehenden Verallgemeinerung für un-

A . a . O . , 11/6. Kirchhof, S. 8. 4 6 A . a . O . , S . 37. 47 A . a . O . , S . 10. 48 A.a.O., S. 28. 4 9 A.a.O., S. 30f. 50 Felix, S. 142 ff., 404 und passim. 51 A.a.O., S. 233ff., insb. 250f. 52 Vgl. neben den in den folgenden Fußn. angeführten Nachw. auch Baur, AcP 160 (1961)465 (469). 44 45

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zweckmäßig 53 . Im Hinblick auf die Rechtfertigungsgründe sei zu differenzieren: Verpflichte die Rechtsordnung den Handelnden zum Eingriff oder verschaffe sie ihm zumindest ein Eingriffsrecht, so sei die Rechtfertigung universal. Im übrigen seien die Rechtfertigungsgründe zunächst auf ihr eigenes Rechtsgebiet beschränkt, könnten aber bei Parallelität der Ordnungsaufgaben in eine andere Disziplin transportiert werden 54 . Im Rahmen kritischer Auseinandersetzungen mit der „Einheit der Rechtsordnung" wird die Notwendigkeit der Differenzierung häufig gerade mit Beispielen aus der Einwilligungslehre belegt 55 . Für Roxin ist es durchaus hinnehmbar, daß die herrschende Meinung im Strafrecht die Einwilligung eines Jugendlichen in eine Beschädigung seines Eigentums als wirksam ansehe, während das Zivilrecht aufgrund der §§ 104ff. B G B zum gegenteiligen Ergebnis komme 5 6 . Günther57 verdeutlicht die Notwendigkeit einer Unterscheidung an der umstrittenen Zabnextraktions-Entscheidung des B G H 5 8 , in der die Strafbarkeit eines Arztes bejaht wurde, der einer Patientin auf deren Wunsch nach entsprechender Aufklärung sämtliche Zähne gezogen hatte, obwohl dieser Eingriff medizinisch nicht indiziert war. Hier möge das Verhalten des Arztes aus arzt- und haftungsrechtlicher Sicht durchaus zu mißbilligen sein, doch es fehle die gesteigerte Mißbilligung, die Voraussetzung der Bestrafung sei. Insgesamt sei zu überlegen, ob das Zivilrecht nicht die ärztliche Aufklärungspflicht an strengeren Maßstäben messen solle als das Strafrecht. Sternberg-Lieben spricht sich gegen die Übernahme außerstrafrechtlicher Einwilligungsschranken ins Strafrecht aus und vertritt ebenfalls die Ansicht, eine Einwilligung in eine Heilbehandlung, die gegen ärztliches Standesrecht verstoße, könne strafrechtlich durchaus wirksam sein, während das Zivilrecht zur Haftung des Arztes gelange 59 . Aus zivilrechtlicher Sicht betonen Kohte60, Rescbbl und Schenke62 die Autonomie der privatrechtlichen Einwilligungslehre. Deutsch ordnet die Einwilligung der Gruppe von Rechtfertigungsgründen zu, die nicht notwendigerweise universelle Wirkung entfalten 63 : Wer auf fremdem Grund ohne Baugenehmigung mit Zustimmung 53

Deutsch A H R , Rz. 253. Deutsch, FS Wahl, S. 339 (347 f.). 55 Vgl. MaurachfZipf, § 25, Rz. 12; so im älteren Schrifttum bereits Bruns, S. 262; Lohe, S. 33 (40). 56 Roxin A T I, § 14, Rz. 33, das Beispiel betrifft zwar die mutmaßliche Einwilligung, es sei aber in diesem Punkt nach den für die Einwilligung geltenden Regeln zu lösen. 57 Günther, S. 349. 58 B G H N J W 1978, 1206, näher zu dieser Entscheidung unten, § 14 IV 2 b. 59 Sternberg-Lieben, § 4 (S. 170 ff.), insb. S. 191 ff. 60 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (156ff.). 61 Resch, S. 32 f. 62 Schenke, § 2 (S. 5 ff.). 63 A . a . O . , S. 348. 54

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des Eigentümers baue, handle zivilrechtlich erlaubt, verstoße aber zugleich gegen öffentliches Baurecht64. 3. Stellungnahme:

die Notwendigkeit

der

Differenzierung

a) Methodologische Grundlagen Der Begriff von der „Einheit der Rechtsordnung" ist ein griffiges Schlagwort, doch bei näherem Hinsehen ist er von Unklarheiten umgeben. Als Maximalforderung verstanden besagt er, daß die Rechtswidrigkeit jeder Handlung in sämtlichen Rechtsgebieten einheitlich zu erfolgen hat. Eine solche Vereinheitlichung würde aber, mit den Worten Kirchhofs, zur „Vergröberung und Vereinfachung"65 führen und die Funktions- und Strukturunterschiede zwischen den juristischen Disziplinen einebnen. Mit Larenz kann die Rechtswidrigkeit als funktionsbestimmter Rechtsbegriff bezeichnet werden, dessen Inhalt aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang zu ermitteln ist66. Der Regelungsgegenstand des Zivilrechts geht über denjenigen des Strafrechts hinaus. Das Strafrecht fragt lediglich danach, wann das Verhalten des Täters einen solchen Grad an Mißbilligung verdient, daß die Bestrafung eine geeignete und erforderliche staatliche Reaktion darstellt. Im Rahmen der Rechtfertigungsgründe geht es darum, unter welchen Bedingungen das Strafrecht seinen Schutz zurücknimmt. Für die zivilrechtliche Beurteilung kommen weitere Aspekte hinzu. Hier gilt es, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Schädigers und des Geschädigten herbeizuführen. Im Rahmen der Rechtfertigung fragt sich nicht nur, ob der Rechtsschutz für den Verletzten entfällt, sondern auch, welcher Art die Eingriffsbefugnis des Handelnden ist. Daher stellen sich für den zivilrechtlichen Begriff der Rechtswidrigkeit teilweise andere Fragen als im Strafrecht. Der Nivellierung dieser Unterschiede birgt entweder die Gefahr von Fehlbeurteilungen oder das Risiko einer übersteigerten Abstraktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs. Zudem behauptet die Lehre von der Einheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils einen sachlich nicht gerechtfertigten Wertungsunterschied zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungsebene. Es ist unbestritten, daß jede Teilrechtsordnung die Voraussetzungen tatbestandlichen Unrechts autonom formulieren kann. Dementsprechend weicht die zivilrechtliche Tatbestandsbildung von der strafrechtlichen ab. Bestimmte Unrechtskategorien des Strafrechts, etwa der strafbare Versuch, haben keine zivilrechtliche Entsprechung, andere strafrechtliche Delikte, etwa das Verbot der Trunkenheitsfahrt in §316 StGB, 64 65 66

Deutsch AHR, Rz. 262. Kirchhof,i S. 38. Larenz/Canaris MethL, S. 311; zust. Kohte, AcP 185 (1985) 105 (157).

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Einwilligungslehre

pönalisieren eine Handlung auch dann, wenn sie keinerlei private Interessen verletzt. Umgekehrt lösen zahlreiche Verhaltensweisen, etwa die fahrlässige Sachbeschädigung, einen Schadensersatzanspruch aus, ohne einen strafrechtlichen Unrechtstatbestand zu erfüllen. Bei anderen Delikten, etwa der Körperverletzung, laufen die straf- und die privatrechtlichen Unrechtstatbestände hingegen parallel. Die Tatbestandsbildung trägt also dem Umstand Rechnung, daß die Bewertungskriterien der juristischen Teildisziplinen voneinander abweichen können, aber nicht müssen. Warum diese Differenzierungsmöglichkeit auf der Rechtswidrigkeitsebene ausgeschaltet sein soll, leuchtet nicht ein. Sicherlich mag die Auslegung der jeweiligen rechtfertigenden Norm ergeben, daß sie universelle Geltung beansprucht. Auch kann sich die Interessenlage in zwei Teilrechtsordnungen durchaus so weitgehend entsprechen, daß die Übertragung eines Rechtfertigungsgrundes angemessen oder sogar geboten erscheint. Die Voraussetzungen für eine einheitliche Beurteilung der Rechtswidrigkeit können also durchaus gegeben sein, zwingend ist dies jedoch nicht. Schließlich sollten Normen oder Norminterpretationen einer anderen Teilrechtsordnung nicht blind rezipiert werden. Das Zivilrecht übernimmt durchaus Wertungen aus anderen Teilrechtsordnungen, macht diese Übernahme aber von spezifisch zivilrechtlichen Rezeptionskriterien abhängig, wie das Beispiel der §§ 823 II 67 , 134 BGB, 1 UWG 6 8 zeigt. Allgemeiner ausgedrückt ist der bloße Normmangel in einer Rechtsdisziplin kein hinreichendes Kriterium für eine automatische Übernahme. Das Zivilrecht ist bei der Formulierung der Bedingungen für die Rezeption außerzivilrechtlicher Gesetzesnormen autonom. Noch größere Vorsicht ist bei der Übernahme von rationes decidendi gerichtlicher Entscheidungen oder von Lehrmeinungen geboten, 67 Die Verletzung eines außerzivilrechtlichen Gesetzes löst nur dann einen Schadensersatzanspruch aus, wenn dieses Gesetz den Schutz des Anspruchstellers bezweckt. 68 Nicht jeder zu Wettbewerbszwecken begangene Gesetzesverstoß führt zur Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG. Die h.M. differenziert zwischen „wertbezogenen" und „wertneutralen" Normen. Die Verletzung einer „sittlich fundierten" Vorschrift soll grundsätzlich die Unlauterkeit indizieren, ohne daß es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsumstände bedarf, während bei einem Verstoß gegen eine „wertneutrale" Vorschrift nur unter dem Gesichtspunkt des ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprungs zur Sittenwidrigkeit führen soll, vgl. BGHZ 110, 278 (290) - „Werbung im Programm"; Baumhach/Hefermehl, Rz. 609ff. zu § 1; Köhler/Piper, Rz. 612 zu § 1, beide m.w.N. Allerdings erscheint diese Zweiteilung als zu pauschal, vor allem nimmt die Qualifizierung einer Norm als „wertbezogen" mit der Folge der Sittenwidrigkeit per se das Ergebnis einer komplexen wettbewerbsrechtliche Beurteilung vorweg, s. Schricker, Gesetzesverletzung, S. 239 ff., 275. Auch der BGH tendiert in seiner neuesten Rechtsprechung dazu, beim Verstoß gegen wertbezogene Normen auf den Schutzzweck der Vorschrift abzustellen und die Sittenwidrigkeit von einer Gesamtwürdigung der Fallumstände abhängig zu machen, s. BGHZ 140, 134 (138f.) - „Hormonpräparate"; BGH GRUR 2000, 237 (238) „Giftnotruf-Box"; Köhler/Piper, Rz. 613 zu § 1.

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die für die gesetzlich weitgehend ungeregelte Einwilligungslehre vorwiegend zur Debatte steht. Die rechtliche Aussage ersterer beschränkt sich auf den zugrunde liegenden Sachverhalt. Schon die Übertragung auf andere Fälle der betreffenden Teilrechtsordnung bedeutet eine Verallgemeinerung, über die Teildisziplin hinaus darf eine Verallgemeinerung jedenfalls nur behutsam erfolgen. Lehrmeinungen beziehen sich in besonderem Maße auf das System der jeweiligen Teilrechtsordnung und berücksichtigen meist nicht die Interessenlage, die in den anderen juristischen Disziplinen vorherrscht. Es wird deutlich, daß die Voraussetzungen für eine Übernahme des Rechtswidrigkeitsurteils aus einer anderen Teilrechtsordnung eng mit den Kriterien für eine Analogie verwandt sind69. Die Analogie ist zulässig, wenn eine planwidrige Regelungslücke besteht und die Sach- und Interessenlage vergleichbar ist. Auch die Übernahme von Normen, die für das Rechtswidrigkeitsurteil konstitutiv sind, ist nur statthaft, wenn das die Rezeption steuernde Gesetz keine abweichenden Regelungen enthält. Aber selbst wenn in diesem Gesetz einschlägige Vorschriften fehlen, muß stets die Angemessenheit der für das andere Rechtsgebiet gefundenen Rechtswidrigkeitsbeurteilung gesondert festgestellt werden. Die Forderung nach „Einheit der Rechtsordnung" ist damit im eingeschränkten Sinn als Postulat der „Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung" zu verstehen70. Sie ist eine Aufgabe an den Gesetzgeber und den Rechtsanwender, Wertungswidersprüche nach Möglichkeit zu vermeiden, zwingt aber nicht in jedem Fall zur einheitlichen Beurteilung der Rechtswidrigkeit. Die Ablehnung eines strengen Gleichlaufs der Rechtswidrigkeit führt weder, wie Engisch befürchtet, zu einem Normwiderspruch noch verstößt sie, entgegen dem O L G München, gegen die Gesetze der Logik. Es besteht insoweit kein normlogischer Unterschied zwischen der Tatbestands- und der Rechtswidrigkeitsebene. Ebensowenig wie es eine Normkollision darstellt, daß unter strafrechtlichen Gesichtspunkten die fahrlässige Sachbeschädigung normativ irrelevant ist, während sie unter § 823 I B G B eine rechtswidrige Verletzungshandlung darstellt, verstößt es gegen das logische Prinzip des Widerspruchs, wenn die Teilrechtsordnungen unterschiedliche Bewertungskriterien an die Rechtswidrigkeit anlegen71. Auch die Effizienz der Verhaltenssteuerung durch Rechtsnormen und die Vorhersehbarkeit des Rechts für den Bürger werden dadurch nicht untergraben, denn der Bürger kann und muß sein Verhalten nach der jeweils strengsten Teilrechtsordnung ausrichten. 6 9 So für die Einwilligung auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 77, allerdings ohne das Verhältnis zur Forderung nach strikter Einheitlichkeit des Rechtswidrigkeitsurteils zu klären. 70 Vgl. Kirchhof, S. 38; Felix S. 142ff., 4 0 4 - J a k o b s AT, U / 5 . 71 Das gilt selbstverständlich nur, solange nicht dasselbe Verhalten von einer Teilrechtsordnung verboten, von der anderen aber geboten wird.

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und strafrechtliche

Einwilligungslehre

Schließlich läßt sich auch aus der E x i s t e n z des § 823 I I B G B kein G e g e n a r g u m e n t ableiten. E s ist nicht u n g e w ö h n l i c h , daß eine Verhaltensweise einen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h nach § 823 I B G B auslöst, w ä h r e n d gleichzeitig der A n s p r u c h n a c h § 823 II B G B scheitert, sei es weil der Tatbestand des S c h u t z gesetzes nicht vollständig erfüllt ist, sei es weil für das S c h u t z g e s e t z ein anderer V e r s c h u l d e n s m a ß s t a b gilt 7 2 . U m g e k e h r t verlangt das B G B nach § 823 I I 2 B G B auch dann Verschulden, w e n n das S c h u t z g e s e t z dies nicht anordnet. W i e d e r u m ist nicht zu b e g r ü n d e n , w a r u m diese A b w e i c h u n g e n u n p r o b l e m a tisch, a b w e i c h e n d e B e u r t e i l u n g e n der R e c h t s w i d r i g k e i t aber unzulässig sein sollen. b ) K e i n e E i n h e i t der Einwilligungslehre E s ü b e r r a s c h t nicht, daß im S c h r i f t t u m gerade die Einwilligung häufig als Beispiel eines R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d e s angeführt wird, dessen Z u s c h n i t t sich in den einzelnen T e i l r e c h t s o r d n u n g e n unterscheiden k a n n . E s läßt sich eine R e i h e v o n S y s t e m - und F u n k t i o n s u n t e r s c h i e d e n z w i s c h e n Straf- und Zivilrecht aufführen, die eine unterschiedliche B e u r t e i l u n g der E i n w i l l i g u n g r e c h t fertigen k ö n n e n . Erstens wirkt sich die unterschiedliche Tatbestandsbildung auf die D o g m a t i k der Einwilligung besonders aus, da das tatbestandliche U n r e c h t B e z u g s p u n k t der v o m Einwilligenden erteilten Erlaubnis ist. I m Strafrecht läßt sich zwischen Tatbeständen, die ein Handeln gegen oder o h n e den Willen des O p f e r s voraussetzen und Tatbeständen, die auch mit Z u s t i m m u n g des O p f e r s verwirklicht werden k ö n n e n , unterscheiden. D i e herrschende M e i n u n g differenziert auf dieser Grundlage zwischen dem tatbestandsausschließenden

Einverständnis

und der rechtfertigenden Einwilligung und leitet aus dieser Unterscheidung weitreichende K o n s e q u e n z e n für die jeweiligen W i r k s a m k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n ab 7 3 . I m Privatrecht hingegen fehlt, v o n A u s n a h m e n abgesehen, eine derartig präzise Tatbestandbildung; so verlangt § 823 I B G B lediglich eine „Verletz u n g " der aufgeführten s u b j e k t i v e n R e c h t e . E i n e U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n Einwilligung u n d Einverständnis liegt, wie sogleich zu zeigen sein wird, angesichts dieser F o r m der Tatbestandsbildung wesentlich w e n i g e r nahe. Z w e i t e n s unterscheiden sich die m ö g l i c h e n R e c h t s f o l g e n der Einwilligung. W ä h r e n d im Strafrecht hinsichtlich des S c h u l d s p r u c h s n u r die W a h l z w i s c h e n Strafbarkeit u n d Straffreiheit besteht 7 4 , erlaubt § 2 5 4 B G B eine A b s t u f u n g der 72 In diesem Zusammenhang sei vor allem auf den Unterschied zwischen dem zivilrechtlichen und dem strafrechtlichen Begriff der Fahrlässigkeit hingewiesen, vgl. Deutsch, FS Wahl, S. 339 (345); Fikentscher SchR, Rz. 508. 73 Näher hierzu sogleich, II 1. 74 Zwar sorgen die Strafzumessung und die Möglichkeiten der Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 153 ff. StPO für Flexibilität auf der Rechtsfolgenseite, dennoch muß die strafrechtliche Einwilligungslehre entscheiden, ob der Handelnde als Täter Zentralfigur

/. Privatrechtliche

Einwilligungslehre

versus „ Einheit der Rechtsordnung"

121

Haftung. Zwar wird sich im Rahmen der weiteren Untersuchung zeigen, daß eine wirksame Einwilligung auch im Zivilrecht die Haftung vollständig ausschließt, doch in Randbereichen erlangt § 254 BGB Bedeutung 75 . So kann sich das Zivilrecht im Rahmen bestimmter Einwilligungsvoraussetzungen einen strengeren Maßstab als das Strafrecht erlauben, da § 254 BGB es auch im Fall einer unwirksamen Einwilligung ermöglicht, den Verursachungsanteil des Verletzten zu berücksichtigen und so zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen. Vor allem wirkt sich aus, daß zivilrechtlich zahlreiche Fälle des „Handelns auf eigene Gefahr" nach § 254 BGB gelöst werden können, während strafrechtlich wegen des Fehlens einer entsprechend flexiblen Rechtsfolge das „Handeln auf eigene Gefahr" von der herrschenden Ansicht als Fall der rechtfertigenden Einwilligung angesehen wird 76 . Aus genau diesem Grund hat sich der BGH in seiner Mitfahrerentscheidung durch Aufgabe der „Einwilligungslösung" des RG und Anwendung des § 254 BGB von der strafrechtlichen Beurteilung entfernt 77 . Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß sich der BGH in der Urteilsbegründung ausdrücklich auf die „Einheit der Rechtsordnung" beruft 78 . Drittens bestehen erhebliche Funktionsunterschiede zwischen beiden Rechtsgebieten, die sich vor allem auf die Beurteilung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung auswirken. Das Strafrecht ist insoweit Teil des öffentlichen Rechts, als der staatliche Strafanspruch gegenüber dem Täter im Mittelpunkt der Beurteilung steht. Dem Zivilrecht hingegen ist die Regelung von Voraussetzungen und Wirkungen der Selbstbestimmung ein zentrales Anliegen. Anders als Notwehr und Notstand, die auf einer objektiven Interessenabwägung beruhen, ist die Einwilligung Ausdruck von Selbstbestimmung. Während es gute Gründe dafür gibt, die objektive Abwägung zwischen des deliktischen Geschehens ist oder ob die Handlung dem Organisationskreis des Einwilligenden zugerechnet werden kann. Während das zivile Haftungsrecht nach der angemessenen Kompensation zugunsten des Verletzten fragt, lautet die primäre strafrechtliche Frage, ob der Täter strafwürdiges Unrecht begangen hat, vgl. Geppert, ZStW 83 (1971) 987 (989f.). 75 Deutsch, FS Wahl, S. 339 (348), führt die Existenz einer nur die Haftung beseitigenden Einwilligung neben der unrechtsausschließenden Einwilligung im Zivilrecht als Argument gegen eine einheitliche Theorie der Einwilligung an. Daran ist zutreffend, daß das Verhalten des Geschädigten im Zivilrecht nach § 254 BGB zum Wegfall der Haftung ohne Rechtfertigung des Verhaltens führen kann. Allerdings handelt es sich dabei nach hier vertretener Auffassung nicht um eine Einwilligung, sondern um ein Handeln auf eigene Gefahr, s. unten, § 9 IV 2. 76 Vgl. BGHSt 6, 232 (234); Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 102 vor §§ 32 ff.; LK! Hirsch, Rz. 94, 106 f. vor § 32; zu abweichenden Lösungsansätzen vgl .Jakobs AT, 7/128 ff; Frisch, JuS 1990, 362 ff.; Göhel, S. 26 ff. 77 Geppert, ZStW 83, 947 (989 f.); Günther, S. 67; ähnlich Kohte, AcP 185 (1985) 105 (157). 78 BGHZ 34, 355 (363).

122

§ 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

Rechtsgüterschutz und Eingriffsinteresse in Straf- und Privatrecht einheitlich vorzunehmen, muß die Zivilrechtsdogmatik die Einwilligung zu den anderen gesetzlich vorgesehenen Formen der privaten Selbstbestimmung in Beziehung setzen. Es gilt dabei nicht nur, Widerspruchsfreiheit zwischen Straf- und Zivilrecht anzustreben, sondern auch Wertungswidersprüche innerhalb der Zivilrechtsordnung zu vermeiden. Wer etwa in Anlehnung an strafrechtliche Lehren behauptet, die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit seien für die Einwilligung schlechthin unpassend, muß sich mit dem Einwand auseinandersetzen, daß Erlaubnisse häufig auch in vertraglicher Form erteilt werden und daß in diesem Fall die §§ 104 ff. BGB selbstverständlich gelten. Die Strafrechtsdogmatik hingegen braucht sich um die Abstimmung der Einwilligungslehre mit dem System des Zivilrechts naturgemäß in erheblich geringerem Maße zu kümmern. Damit hängt ein weiterer Unterschied zusammen. Da die Strafverfolgung vom Willen des Opfers grundsätzlich 79 unabhängig ist, ist unerheblich, ob sich das Opfer nach dem Eingriff noch an die Einwilligung gebunden fühlt. Hingegen folgt aus der Dispositionsmaxime des Zivilprozeßrechts, daß Fragen der Einwilligung überhaupt nur dann praktisch relevant werden, wenn der Einwilligende mit dem Eingriff nicht mehr einverstanden ist. Damit rückt der Grundsatz der Selbstverantwortung ins Blickfeld. Anders als im Strafrecht nimmt der Einwilligende mit seiner Einwilligung unmittelbar einen rechtlichen Nachteil in Kauf, denn er verliert mögliche Abwehr- und Schadensersatzansprüche. So stellt sich also nicht nur die dogmatische Aufgabe, die Einwilligung zu anderen Formen des Haftungsausschlusses - etwa dem Verzicht - ins Verhältnis zu setzen, sondern es wird auch der Schutz des Einwilligenden in Fällen beeinträchtigter Selbstbestimmung zum rechtlichen Anliegen. Dabei kann der Minderjährigenschutz ebenso Bedeutung erlangen wie der Verbraucherschutz, etwa bei Einwilligungserklärungen als Bestandteil allgemeiner Geschäftsbedingungen 80 . Die strafrechtlichen Rechtsfolgen hingegen betreffen die Rechtsstellung des Opfers nicht unmittelbar, daher sind etwa Fragen des Minderjährigenschutzes für die strafrechtliche Einwilligungslehre von erheblich geringerer Bedeutung 81 . Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß die Zivilrechtslehre zwar die hochentwickelte strafrechtliche Einwilligungslehre nicht außer Betracht lassen und bei gleichgelagerten Problemen gleiche Lösungen anstreben sollte, daß sich aber sowohl andere Fragen stellen als auch bei gleichen Fragen abweichende Resultate ergeben können. Daraus ergeben sich Folgerungen für die dogmatiSieht man von den Antrags- und Privatklagedelikten ab. Zu diesem Problem unten, § 15 I. 81 Jescheck/Weigend, § 34 IV 1 (S. 381). Das schließt allerdings nicht aus, daß sich das Strafrecht bei der Verfügung über rechtsgeschäftlich bedeutende Positionen an den §§ 104ff. BGB orientiert, s. unten, Fußn. 96 und § 11 IV. 79 80

I. Privatrechtliche

Einwilligungslehre

versus „Einheit

der Rechtsordnung"

123

sehen Grundlagen, für die Voraussetzungen und für die Schranken der Einwilligung. Die privatrechtliche Einwilligungsdogmatik kann eigene Wege gehen. Grundbegriffe der strafrechtlichen Einwilligungslehre wie etwa die Dichotomie zwischen Einwilligung und Einverständnis werden sich im weiteren Verlauf der Untersuchung für das Zivilrecht als unpassend erweisen. Wesentliche Aufgabe ist dagegen die Einordnung der Einwilligung in das System des Zivilrechts, insbesondere die Klärung des Verhältnisses zu anderen Formen der Selbstbestimmung. Für die Voraussetzungen der Einwilligung ist denjenigen strafrechtlichen Autoren zuzustimmen, deren Ansicht nach das Zivilrecht strengere Maßstäbe als das Strafrecht aufstellen kann. Der Minderjährigenschutz kann gebieten, daß die Einwilligung eines einsichtsfähigen Minderjährigen in die Beschädigung einer ihm gehörenden Sache unwirksam ist, während die herrschende Meinung im Strafrecht sie für wirksam hält 82 . Auch kann das Zivilrecht, dessen Augenmerk auf das Rechtsverhältnis zwischen Einwilligendem und Einwilligungsempfänger gerichtet ist, eine Erklärung der Einwilligung und möglicherweise sogar ihren Zugang verlangen83, obwohl sich ein Teil der strafrechtlichen Lehre mit dem bloßen zustimmenden Willen des Opfers begnügt und die herrschende Meinung immerhin jede Form der Äußerung für die Wirksamkeit der Einwilligung genügen läßt 84 . Wesentlich problematischer ist indes, ob der nahezu allgemein akzeptierte Umkehrschluß zutreffend ist, daß eine strengere strafrechtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Einwilligung stets ausgeschlossen ist85, daß also - mit anderen Worten - eine einseitige Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts besteht. Zweifel an dieser These können bei einem Blick auf die abweichende Behandlung von Irrtümern auftauchen. So hält eine verbreitete Ansicht im Strafrecht die irrtumsbehaftete Einwilligung in sehr weitgehendem Maße für nichtig und weist darauf hin, daß den Interessen des redlichen Einwilligungsempfängers im Rahmen des Verschuldens Rechnung getragen werden könne 86 . Für das Privatrecht ist diese Argumentation versperrt, weil sich die Einwilligung hier auch auf nicht verschuldensabhängige Ansprüche, etwa auf negatorische und quasi-negatorische Ansprüche, erstreckt 87 . Die Lösung dieses Problems soll unten im Zusammenhang mit der Behandlung von Willensmängeln erarbeitet

Roxin AT I, § 14, Rz. 33; allgemein zur Einwilligungsfähigkeit unten, § 1 1 . Allgemein zu Erklärung und Zugang unten, § 12 I. 84 S. unten, § 1 2 11. 85 So mit Nachdruck Günther, S. 363; Roxin AT I, § 14, Rz. 31; Sternberg-Lieben, S. 182 f. 86 So vor allem Amelung, Irrtum, S. 17 und passim, zur Auseinandersetzung mit dieser Ansicht s. unten, § 13 I 2. 87 Vgl. Deutsch A H R , Rz. 250 und unten, § 9 II 3 b. 82

83

124

$ 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

werden; doch es ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß das Privatrecht den Kreis der beachtlichen Irrtümer enger zieht und damit die Einwilligung in weitergehendem Maße für wirksam hält. Auch bei der Normierung von Schranken der Einwilligung kann das Privatrecht über das Strafrecht hinausgehen. So ist die Schranke der Sittenwidrigkeit, die § 228 StGB für Körperverletzungen mit Willen des Opfers setzt, im Strafrecht angesichts des Bestimmtheitsgebots nicht unproblematisch. Die herrschende Meinung lehnt eine Übertragung auf andere Tatbestände ab 88 , und selbst gegen die Anwendung des § 228 StGB im Rahmen der Körperverletzung werden gewichtige Bedenken vorgetragen 8 9 . Das Privatrecht ist hingegen nicht an ein vergleichbar strenges Bestimmtheitsgebot gebunden, im Gegenteil findet der Begriff der Sittenwidrigkeit sogar im Rahmen der Haftungsvoraussetzungen Verwendung (§§ 826 BGB, 1 U W G ) . Es ist also durchaus denkbar, daß die Sittenwidrigkeit zur privatrechtlichen Nichtigkeit der Einwilligung führt, die strafrechtliche Einwilligung aber unberührt läßt. Eine äußerst schwierige Frage ist dagegen, ob umgekehrt alle strafrechtlichen Schranken der Einwilligung auf das Privatrecht durchschlagen, oder ob das Privatrecht auch dann eine Rechtfertigung zulassen kann, wenn das Strafrecht lediglich aus Gründen des öffentlichen Interesses eine Rechtfertigung versagt.

II. Negatives Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund? Strafrechtliche Aussagen zur Einwilligung dürfen also nicht unbesehen ins Privatrecht übernommen werden. Diese These sei anhand einer in der Strafrechtslehre umstrittenen und im Privatrecht weitgehend ungeklärten Problematik verdeutlicht: der Frage nach der Stellung der Einwilligung im Deliktsaufbau. Während die herrschende Meinung im Strafrecht zwischen dem tatbestandsausschließenden Einverständnis und der rechtfertigenden Einwilligung differenziert, hält eine neuere Auffassung die Einwilligung stets für ein negatives Tatbestandsmerkmal (1). Im Privatrecht herrscht hingegen Unklarheit, ob die Einwilligung immer einen Rechtfertigungsgrund darstellt oder ob nach strafrechtlichem Vorbild zu differenzieren ist (2). Es wird sich zeigen, daß die im Strafrecht vorherrschende Unterscheidung nicht ins Privatrecht übernommen werden kann und daß daher eine autonom privatrechtliche Lösung gesucht werden muß (3). 88 Geppert, Z S t W 83, 947 (956); Baumann/Weber/Mitsch, § 17, Rz. 112; Jescheck/ Weigend, § 34 III 4 (S. 380); Schönke-Schröder/Lenckner, R z . 37 vor §§ 32ff. (allerdings für Ü b e r t r a g u n g des § 228 auf schimpfliche, m e n s c h e n u n w ü r d i g e Ehrverletzungen); a. A. Jakobs AT, 14/9; Göbel, S. 63 f. 89 Eingehend hierzu Niedermair, S. 257 ff. und passim.

II. Negatives

1. Der Meinungsstand

Tatbestandsmerkmal

im

oder Rechtfertigungsgrund?

125

Strafrecht

Einige Straftatbestände, etwa diejenigen der Freiheitsdelikte, des Hausfriedensbruchs (§ 123 I StGB) oder des Diebstahls (§ 242 I StGB), sind so formuliert, daß sie nur gegen den Willen des Opfers verwirklicht werden können. Andere, namentlich die Körperverletzung (§ 223 StGB) und die Sachbeschädigung (§ 303 I StGB), stellen dagegen unabhängig von jedem Willensmoment lediglich auf eine Substanzverletzung im natürlichen Sinn ab. Die herrschende Meinung sieht sich durch diese Zweiteilung zu einer Unterscheidung zwischen dem tatbestandsausschließenden Einverständnis und der rechtfertigenden Einwilligung veranlaßt90. Dabei soll es sich um zwei sachlich verschiedene Rechtsinstitute handeln91, die sich vor allem hinsichtlich ihrer Wirksamkeitsvoraussetzungen unterscheiden92. Für Geerds, auf den die heute übliche Terminologie zurückgeht, ist das Einverständnis rein tatsächlicher Natur: Es brauche im Unterschied zur Einwilligung nicht geäußert zu werden, erfordere keine Einsichtsfähigkeit und sei gegen Irrtümer und gegen Sittenwidrigkeit resistent93. Diese generelle Aussage erscheint mittlerweile auch vielen Vertretern der herrschenden Meinung als zu pauschal. Zunehmend wird für die Voraussetzungen des Einverständnisses auf den jeweiligen Tatbestand abgestellt94. Während es beispielsweise für die Wirksamkeit des Einverständnisses mit der Wegnahme in § 242 StGB nach wie vor auf den natürlichen Willen ankommen soll95, werden bei Tatbeständen, die den Schutz rechtsgeschäftlich bedeutender Positionen zum Gegenstand haben, strengere Anforderungen befürwortet 96 . Allerdings wird die klassische Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis im neueren Schrifttum zunehmend kritisiert97. Namentlich Kientzy>i und Roxin99 wenden ein, daß alle Individualrechtsgüter der Selbstverwirklichung dienen. Geschützt sei nicht der Bestand des Rechtsobjekts, 90 BGHSt 17,359f.; LK/Hirsch, Rz. 96ff. vor § 32;Jescheck/Weigend, § 3413 (S. 375); Noll, S. 74 ff. 91 LK/Hirsch, Rz. 99 vor § 32. 92 Vgl. den Überblick bei Roxin, § 13, Rz. 4 ff. 93 Geerds, GA 1954, 262 ff. 94 LK/Hirsch, Rz. 100 vor §32; Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 32 vor §§ 32ff.; Jescheck/Weigend, § 34 I 2 a (S. 374) 95 Vgl. Schönke-Schröder/Eser, Rz. 36 zu § 242; Tröndle/Fischer, Rz. 22 zu § 242. Beispiel (RG JW 1939, 224): Das Einverständnis eines Betrunkenen mit der Wegnahme ist wirksam, es kommt nur eine Bestrafung wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) in Betracht. 96 Beispiel: Ein Jugendlicher kann im Rahmen des § 142 StGB (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) nicht wirksam auf die dort vorgesehenen Feststellungen verzichten, OLG Karlsruhe, GA 1970, 311 (312); Jescheck/Weigend, § 34 I 2a (S. 374) 97 Vgl. neben den in den folgenden Fußnoten Genannten Rudolphi, ZStW 86 (1974) 87; Weigend, ZStW98 (1986) 47ff.; Kühne, JZ1979,241 f.; Göbel, S. 68ff; Rönnau, S. 116ff., 453. 98 Kientzy, S. 65 ff. 99 Roxin AT I, § 13, Rz. 12ff.

126

§ 7 Privatrechtliche und strafrechtliche

Einwilligungslehre

sondern die Willenherrschaft des Subjekts. Rechtsgut und Verfügungsbefugnis bildeten nicht nur eine Einheit, sondern Verfügungsgegenstand und Verfügungsbefugnis seien „in ihrer Aufeinanderbezogenheit selbst das im Tatbestand geschützte Rechtsgut" 1 0 0 . Daher sei die Zweiteilung dogmatisch unbegründet und zudem praktisch nicht überzeugend durchführbar 101 . Einwilligung und Einverständnis seien psychologisch identisch 102 . Die Einordnung in eine der beiden Kategorien hänge von der Formulierung des Tatbestands und damit letztlich von der Frage ab, ob die deutsche Sprache ein Wort für die Verletzung ohne den Willen des Opfers kenne 1 0 3 . Im Gegensatz zur herrschenden Meinung schließt nach dieser Ansicht der Wille des Betroffenen zur Aufgabe des Rechtsobjekts in jedem Fall den Tatbestand aus. F ü r die Voraussetzungen der Einwilligung sei dabei die pauschale Zweiteilung der herrschenden Meinung ohne Erkenntniswert, vielmehr müsse in jedem Fall eine Auslegung der Vorschriften des Besonderen Teils erfolgen. Einen eigenen Weg beschreitet Jakobsm: Neben dem Einverständnis gebe es eine tatbestandsausschließende Einwilligung; sie komme aber nur bei disponiblen Rechtsgütern in Betracht. Reiche der Wille des Dispositionsbefugten hingegen zur Rechtfertigung nicht aus, sondern müsse - wie etwa bei der Einwilligung in körperliche Eingriffe von einer gewissen Erheblichkeit - ein vernünftiger Einsatz des Guts hinzukommen, so sei die Einwilligung Rechtfertigungsgrund. D e m Meinungsstreit hegt die Frage zugrunde, in welchem Verhältnis die physische Integrität der einzelnen Rechtsobjekte zum Willen ihres Inhabers steht. Wenn die Substanz im öffentlichen Interesse zunächst unabhängig vom Willen des jeweiligen Rechtsinhabers geschützt ist, bietet sich eine Trennung zwischen Tatbestandserfüllung und Rechtswidrigkeit an 105 . Bei Rechtsgütern, die - wie Leben und körperliche Integrität - nicht unbeschränkt zur Disposition ihres Inhabers stehen, leuchtet diese Auffassung stärker ein als bei G ü tern, über die in vollem Maße verfügt werden kann. Die Gegenansicht erscheint aus liberaler Sicht attraktiv 106 , denn sie rückt durch eine Subjektivierung des Rechtsgutsbegriffs 1 0 7 die Entscheidungsfreiheit des Rechtsgutsinhabers in den Mittelpunkt. Es wird betont, daß im Gegensatz zu den eigentlichen Rechtfertigungsgründen die strafausschließende Wirkung der Einwilligung gerade nicht auf einer Interessenabwägung, sondern ausschließlich auf der

100

101 102 103 104 105 106 107

Rudolphi,

ZStW 86 (1974) 82 (87).

Roxin AT I, § 13, Rz. 22; Kühne, JZ 1979, 241 (242). Kientzy, S. 2. Roxin AT I, § 13, Rz. 30. Jakobs KI, 7/111 ff.; 14/4 ff. Vgl.Jescheck/Weigend, § 34 I 3 (S. 375). Vgl. Roxin, § 13, Rz. 12; § 2, Rz. 9 ff. Kritisch gegenüber einer solchen Subjektivierung LK/Hirsch,

Jescheck/Weigend,

§ 34 I 2 b (S. 375).

Rz. 98 vor § 32;

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

127

Selbstbestimmung des Betroffenen beruht 108 . Jedoch erfordert die Legitimierung der Einwilligungsschranken einen gesteigerten Argumentationsaufwand. 2. Der Meinungsstand

im

Privatrecht

In der Lehrbuch- und Kommentarliteratur wird die Einwilligung üblicherweise ohne nähere Begründung zu den Rechtfertigungsgründen gezählt 109 . Ob es neben dieser „rechtfertigenden Einwilligung" auch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis gibt, bleibt häufig offen. Die strafrechtlichen Lehren bleiben meist unberücksichtigt 110 , von einigen Autoren wird jedoch die strafrechtliche Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis kommentarlos ins Privatrecht übernommen 111 . Auch Abhandlungen, die sich eingehend mit der Einwilligung befassen, bleiben oft unergiebig. Für Zitelmann folgt die Einordnung der Einwilligung unter die Rechtfertigungsgründe daraus, daß durch sie ein allgemeines Verbot für einen Sonderfall zurückgenommen wird 112 . Allerdings geht er auf die Möglichkeit eines den Tatbestand ausschließenden Einverständnisses nicht ein. Dietznl räumt zwar ein, daß der Eigentümer seine Sache selbst zerstören kann, ohne Eigentum zu verletzen, hält aber beim Eingriff eines anderen in das Substrat des Eigentumsrechts immer eine tatbestandliche Eigentumsverletzung für gegeben. Mit dem naheliegenden Einwand, daß der Eigentümer auch durch Einschaltung eines Dritten „nach Belieben mit der Sache verfahren kann" (§ 903 BGB) und mithin durch Erteilung der Einwilligung sein Recht gerade ausübt, setzt sich Dietz jedoch nicht auseinander. Schenke übernimmt die strafrechtliche Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis, ohne ihre Berechtigung speziell für das Privatrecht zu untersuchen 114 . Bei der Lösung von Einzelfällen unterscheidet er anhand der betroffenen Rechtsgüter. So soll die Einwilligung in Freiheitsberaubungen und Ehrverletzungen den Tatbestand ausschließen, die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe, die Weitergabe von Geheimnissen und Verbreitung des Bildes Vgl. Roxin, § 13, Rz. 20 f. Deutlich Wiese, FS Hubmann, 481 (484), der von den „klassischen Rechtfertigungsgründen" wie Einwilligung, Notwehr, Notstand, etc. spricht; s. auch Deutsch AHR, Rz. 282; Esser/Schmidt, § 25 IV 2 (S. 70 f.); Fikentscher SchR, Rz. 495; Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594); Larenz /Canaris SchR II/2, § 75 II 2 c (363); Medicus SchR II, Rz. 765; Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823. 110 Was Helle, AfP 1985, 93 (96 mit Fußn. 59) zu Recht kritisiert. 111 So Soergel/Fahse, Rz. 21 zu § 227; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 102; Baston-Vogt, S. 226; Schenke, S. 1 f.; v. Weiser, S. 60f. 112 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (11). 113 Dietz, S. 216. 114 Schenke, S. 2, 5 ff. Die Auseinandersetzung mit der Ansicht, die einen Unterschied zwischen Einwilligung und Einverständnis leugnet (S. 124 ff.), beruht auf der Annahme, daß die Problematik im Straf- und Privatrecht dieselbe ist. 108

109

128

§ 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

nach § 22 K U G jedoch rechtfertigen 115 . Auch Kohte geht von einem Unterschied zwischen rechtfertigender Einwilligung und tatbestandsausschließendem Einverständnis aus 116 . Dabei weist er zwar auf die praktische Bedeutung der Frage für die Verteilung der Beweislast hin, zieht aber anschließend im Rahmen seiner Überlegungen zur rechtfertigenden Einwilligung Beispielsfälle heran, in denen das Strafrecht zum Tatbestandsausschluß gelangen würde 117 . Rescb will die Wirkung der Einwilligung nur dann auf die bloße Rechtfertigung beschränken, wenn die Parteien vorrangig die bloße Vermeidung von Schadensersatzansprüchen bezwecken. Hingegen sei es konstruiert, beim vertraglich vereinbarten Abriß eines Altbaus eine tatbestandliche Sachbeschädigung anzunehmen 118 . Während in der allgemeinen Literatur zur Einwilligung die Problematik meist nicht vertieft wird, findet hinsichtlich zweier bedeutender Fallgruppen eine gewisse Diskussion über die Einordnung der Einwilligung in den Deliktsaufbau statt. Die Einwilligung nach § 22 K U G wird in Teilen von Rechtsprechung und Lehre als Rechtfertigungsgrund angesehen 119 , während andere Autoren die Erteilung der Einwilligung gerade als Ausübung der tatbestandlich geschützten Entscheidungsfreiheit über die Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit ansehen und konsequent einen Tatbestandsausschluß annehmen 120 . Dasch, der das Problem für § 22 K U G wohl am eingehendsten behandelt, gelangt nach eigenem Eingeständnis nicht zu einer eindeutigen Lösung, neigt aber nach einer Analyse des Gesetzeswortlauts und der einschlägigen Rechtsprechung dazu, die Einwilligung als Ausnahmefall und mithin als Rechtfertigungsgrund anzusehen. Für die Persönlichkeitsrechte im allgemeinen befürwortet Hubmann eine Differenzierung 121 . Wo die Einwilligung gerade Ausübung eines Rechts sei, sei schon tatbestandsmäßig keine Rechtsverletzung gegeben. Beispiele seien die Bestellung eines Portraits beim Fotografen, A.a.O., S. 136, 172, 184, 194, 203. Kohte, AcP 185 (1985) 105 (111 mit Fußn. 32). 117 Vgl. a.a.O. S. 126: Einwilligung nach § 3 B D S G a.F., im Rahmen des verwandten § 203 StGB schließt die die Einwilligung nach h. M. den Tatbestand aus, vgl. SchönkeSchröder/Lenckner, Rz. 22 zu § 203 m.w.N.; S. 151: Einwilligung eines psychisch Kranken in die Einweisung in eine geschlossene Anstalt, im Rahmen der Freiheitsberaubung nach § 239 StGB schließt die Einwilligung den Tatbestand aus, vgl. Schönke-Schröder/ Eser, Rz. 8 zu § 239 m.w.N. 118 Resch, S. 160. 119 O L G Hamburg AfP 1981, 356 (357) - „Intime Sprechstunde"; wohl auch B G H G R U R 1975, 561 (563) - „ N a c k t a u f n a h m e n " ; Dasch, S. 35; Schenke, S. 203. 120 Helle, AfP 1985, 93 (96); Heidenreich, AfP 1971, 68, anders aber in AfP 1970, 960; Gotting, S. 146; MüKo/Rixecker, Rz. 38, Anh. § 12; Reinhardt, J Z 1959, 41 ff., 44; Wenzel, Rz. 7.35. 121 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 150, 170; differenzierend auch Gotting, S. 146; Krüger-Nieland, Karlsruher Forum 1961, 15 f.; sowie - für das Markenrecht - O L G Düsseldorf Mitt. 1998 372 (374) - „stüssy", näher zu diesem Fall unten, II 3 b. 115 116

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

129

die Veröffentlichung der eigenen Stimme auf Tonband oder die Preisgabe eines Geheimnisses. Werde dagegen in besonderen Fällen die Einwilligung in eine Beeinträchtigung erteilt, so sei sie Rechtfertigungsgrund. Paradebeispiel für die letztgenannte Alternative sei die Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff. Diese Frage ist im Medizinrecht allerdings heftig umstritten. Dabei betrifft der Streit die dogmatische Frage nach dem O r t der Einwilligung im Deliktsaufbau nur am Rande. In erster Linie geht es darum, ob der eigenmächtige, lege artis durchgeführte Heileingriff eine Körperverletzung oder lediglich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Praktischer Hintergrund der Diskussion ist die Frage nach den Rechtsfolgen und der prozessualen Behandlung von Verletzungen der ärztlichen Aufklärungspflicht. Auf diese Problematik wird unten näher einzugehen sein. Hier mag der Hinweis genügen, daß die herrschende Meinung den ärztlichen Heileingriff für eine tatbestandsmäßige Körperverletzung hält, die erst durch die nach vorheriger Aufklärung erteilte Einwilligung des Patienten gerechtfertigt wird 1 2 2 . Abweichend bewertet auch Mertens123 den eigenmächtigen Heileingriff als Körperverletzung, spricht sich aber dafür aus, die Einwilligung bereits auf Tatbestandsebene eingreifen zu lassen. Der Arzt sei zur Heilbehandlung verpflichtet, die Erfüllung dieser Rechtspflicht könne nicht die Rechtswidrigkeit indizieren. Hingegen bestreitet eine starke Gegenansicht, daß die lege artis durchgeführte Heilbehandlung Körperverletzung sein könne. Betroffen von der ärztlichen Eigenmacht sei nur das Selbstbestimmungsrecht des Patienten 124 . Das Verbot der eigenmächtigen Heilbehandlung erscheint damit als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das Fehlen der Einwilligung ist (negatives) Tatbestandsmerkmal dieses Verbots. Diese Konstruktion befürworten auch Autoren, die im übrigen die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund ansehen 125 . Schließlich gibt es Stimmen, die der gesamten Problematik die Relevanz absprechen: Aus praktischer Sicht sei die Einordnung der Einwilligung in den Tatbestandsaufbau unerheblich 1 2 6 , daher könne die Erörterung der verschiedenen strafrechtlichen Lehren für das Zivilrecht unterbleiben 1 2 7 .

S. die Nachw. unten, §§ 10 II 1 a; 13 II 2. MüKo/Mertens, Rz. 363 zu § 823. 124 Enneccerus/Nipperdey, § 212 II 3 (S. 1315); Larenz ! Canaris SchR II/2, § 76 II 1 g (S. 383 f.); ausführlicher und mit weiteren Nachw. zu dieser Ansicht unten, §§ 10 II 1 a; 13 122

123

112.

125 Canaris, a . a . O . (zum Heileingriff), § 75 II 2 c (S. 363: Einwilligung als Rechtfertigungsgrund). 126 Gotting, S. 147. 127 Staudinger12/Schäfer, Rz. 466 zu § 823; ähnlich für § 1004 Münzberg, S. 402 mit Fußn. 824.

130

3.

5 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

Stellungnahme

a) Übernahme strafrechtlicher Lehren Unabhängig von ihrer praktischen Relevanz ist die Einordnung der Einwilligung in die Architektur des Deliktstatbestands eine interessante Bewährungsprobe für jede These zum Verhältnis von straf- und privatrechtlicher Einwilligungslehre. Da der dreistufige Deliktsaufbau aus der Strafrechtswissenschaft stammt und da dort die Stellung der Einwilligung erheblich gründlicher untersucht wurde, scheint sich die Übernahme strafrechtlicher Gedanken zunächst anzubieten. Bei näherem Hinsehen verliert dieser Ansatz aber seine Überzeugungskraft. Die gesamte strafrechtliche Diskussion beruht nämlich auf der vergleichsweise konkreten Tatbestandsbildung des StGB, die durch das Bestimmtheitsgebot veranlaßt ist 128 . Der Tatbestand übt eine Appellfunktion aus, soll also dem Täter die Impulse geben, die Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts nachzuprüfen 1 2 9 . Dabei berücksichtigt der strafrechtliche Gesetzgeber, daß sich der Unrechtsgehalt einiger Handlungen nicht ohne Bezug auf den Willen des Opfers beschreiben läßt. Die Tathandlung des Hausfriedensbruchs (§ 123 I StGB) oder der Gebrauchsanmaßung an Kraftfahrzeugen (§ 248 b I StGB) - um zwei Beispiele herauszugreifen - unterscheidet sich äußerlich nicht von alltäglichen und sozialüblichen Handlungen. Erst der entgegenstehende Wille des Opfers erlaubt die negative Bewertung der Handlung. Besonders deutlich wird die unrechtskonstituierende Funktion des Willensmoments bei der Nötigung (§ 240 I StGB), die gerade darin besteht, daß das Opfer gegen seinen Willen zu einer Handlung gezwungen wird. Wer für das Privatrecht in scheinbarer Konkordanz mit dem Strafrecht behauptet, die Einwilligung sei stets ein Rechtfertigungsgrund, übersieht, daß die Zustimmung des Opfers bei Delikten dieses Typs nach allgemeiner Ansicht im Strafrecht immer den Tatbestand ausschließt. Will man die im Straf recht herrschende Ansicht auf das Privatrecht übertragen, so muß man zwischen Delikten differenzieren, bei denen das Einverständnis bereits den Tatbestand ausschließt und solchen Delikten, bei denen die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund wirkt. Doch auch die Übertragung dieser Dichotomie ist wegen des höheren Abstraktionsniveaus der privatrechtlichen Deliktstatbestände nicht ohne erhebliche Modifikationen möglich. Während sich die Tatbestände der Körperverletzung und der Freiheits128

Art. 103 II GG, § 1 StGB. Zum strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vgl. BVerfG

NJW 1986,167; 1987,44;Schönke-Schröder/Eser,

Rz. 17ff.zu§ 1 \Jescheck/Weigend,%

15

III 3 (S. 136 f.). 129 Jescheck/Weigend, § 31 I 2 (S. 324); Roxin AT I, § 14, Rz. 64 ff.; Lenckner, Rz. 19 vor §§ 13 ff.; Welzel StR, § 22 III 1 f (S. 163).

Schönke-Schröder/

II. Negatives Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

131

beraubung in §§ 223, 239 I StGB einerseits und in § 823 I BGB andererseits noch weitgehend ähneln, zerfällt die Eigentumsverletzung, die § 823 I BGB generell zur Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs macht, im Strafrecht in Delikte von beiderlei Kategorie: Beim Hausfriedensbruch (§ 123 I StGB) und der Gebrauchsanmaßung (§ 248 b I StGB) schließt das Einverständnis den Tatbestand aus 130 , bei der Sachbeschädigung (§ 303 I BGB) ist die Einwilligung nach herrschender Meinung Rechtfertigungsgrund 131 . Die sachliche Berechtigung dieser Unterscheidung wird schon im Strafrecht bestritten 132 , innerhalb des Eigentumsschutzes nach §§ 823 1,1004 BGB läßt sie sich aber mangels gesetzlicher Anhaltspunkte in unveränderter Form nicht nachvollziehen. Will man also im Privatrecht überhaupt zwischen Einwilligung und Einverständnis unterscheiden, so müssen autonome privatrechtliche Abgrenzungskriterien gesucht werden, die im Einzelfall zu einer vom Strafrecht abweichenden Beurteilung führen können. Lediglich die neuere strafrechtliche Lehre von der stets tatbestandsausschließenden Wirkung der Einwilligung ließe sich mit gleichen Ergebnissen für das Zivilrecht vertreten. Ein weiteres Argument spricht gegen die Übernahme der im Strafrecht herrschenden Ansicht. Der dreistufige Deliktsaufbau ist selbst ein Produkt strafrechtlichen Denkens 1 3 3 . Vor allem die Appellfunktion des Tatbestands beruht auf dem Zweck der Prävention. Hingegen findet die H a u p t f u n k t i o n des zivilen Haftungsrechts, das auf den gerechten Ausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem zielt, im dreistufigen Aufbau nur unvollkommen Ausdruck, da das Schadenserfordernis außerhalb des dreistufigen Tatbestands steht 134 . Während es im Deliktsrecht dennoch aus „erkenntnistheoretischen und didaktischen" 1 3 5 Gründen gerechtfertigt ist, am Dreieraufbau festzuhalten, hat er sich außerhalb der §§ 823 ff. BGB nicht durchsetzen können. Wird die Duldungspflicht im Rahmen des § 1004 BGB bisweilen noch als Rechtfertigungsgrund eingestuft, so findet sich diese Terminologie schon zu § 986 BGB selten, obwohl auch diese Vorschrift ein Gegenrecht betrifft, das den Besitz einer fremden Sache rechtfertigt. Vollends unüblich ist der dreistufige Aufbau im Vertragsrecht. Hier ist die Einwilligung entweder im Rahmen der rechtshindernden 1 3 6 oder der rechtsvernichtenden Einwendungen 1 3 7 zu prüfen. Die Mehrzahl der privatrechtlichen Stellungnahmen zum Standort der Einwilligung geht offensichtlich vom Leitbild des § 823 I BGB aus. Der An130 W^.Schönke-Schröder/Lenckner,Kz. 22 zu § \23;Schönke-Schröder/Eser,Rz. 7zu § 248 b. 131 Vgl. Schönke-Schröder/Stree, Rz. 12 zu § 303 m . w . N . 132 Vgl. die oben, II 1 a. E. Genannten. 133 Deutsch A H R , Rz. 44; ausführlicher die Vorauflage, § 9 I 2 (S. 111). 134 Deutsch AHR 1 , § 8 I 2 (S. 101). 135 A.a.O., § 8 14 (S. 104). 136 So Larenz/Wolf, § 18, Rz. 53. 137 Hierfür spricht die Parallelität zwischen Einwilligung und Verzicht, s. unten, § 10 V 1.

132

§ 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

Wendungsbereich der Einwilligung ist aber weiter, insbesondere geht er über das „strafrechtsnahe" Deliktsrecht hinaus. b) Die Bedeutung der Frage im Privatrecht Damit ist der Nachweis geführt, daß die herrschende Meinung im Strafrecht nicht ohne weiteres ins Privatrecht übernommen werden kann. Bevor allerdings eine eigenständige zivilrechtliche Lösung gesucht wird, stellt sich die Frage, ob es auf die systematische Einordnung der Einwilligung im Privatrecht überhaupt ankommt, oder ob es sich hier um ein irrelevantes dogmatisches Glasperlenspiel handelt. Für die herrschende Meinung im Strafrecht ist die Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis höchst bedeutend, da sich die Voraussetzungen beider Rechtsfiguren unterscheiden. Allerdings ist die Anknüpfung der Voraussetzungen an die systematische Einordnung schon im Strafrecht nicht unumstritten. Mit Recht weisen die Kritiker auf die psychologische Identität von Einwilligung und Einverständnis hin und fordern, die Einwilligungsvoraussetzungen von der Auslegung der jeweiligen Vorschrift des Besonderen Teil abhängig zu machen. Aus privatrechtlicher Sicht ist es angesichts des Fehlens gesetzlicher Anhaltspunkte vollends ungerechtfertigt, erhebliche Konsequenzen an die Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis zu knüpfen. So müssen die Anforderungen an die Einwilligung des Eigentümers unabhängig davon bestimmt werden, ob er mit der Gestattung zum Betreten seines Hauses (strafrechtlich ein Einverständnis) eine völlig sozialübliche Handlung erlaubt oder mit dem Auftrag zum Fällen eines Baums im Garten (strafrechtlich eine Einwilligung) eine Handlung gestattet, die bei naturalistischer Betrachtung eine Sache zerstört und daher rechtfertigungsbedürftig erscheint. Auch im persönlichkeitsrechtlichen Bereich wäre eine Unterscheidung der Einwilligungsvoraussetzungen je nach Stellung im Deliktsaufbau sachlich unberechtigt. Die Einwilligung des Patienten in eine Operation ist nach herrschender Meinung Rechtfertigungsgrund, die Einwilligung eines psychisch Kranken in eine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt wäre wohl, ihre Wirksamkeit vorausgesetzt, Einverständnis, da sich eine Freiheitsberaubung nicht ohne Bezug auf den Willen des Eingeschlossenen definieren läßt 138 . Im ersten Fall strenge Voraussetzungen aufzustellen, im zweiten aber - nach strafrechtlichem Vorbild - den „natürlichen Willen" genügen zu lassen, ließe sich nicht rational begründen. Es wird sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen, daß durchaus bei den Einwilligungsvoraussetzungen Differenzierungen vorzunehmen sind. Sie müs138 So Schenke, S. 172, und die h . M . zu § 239 StGB, vgl. Schönke-Schröder/Eser, Rz. 8 zu § 239 m . w . N . Anders aber ohne Begründung B G H N J W 1964, 1177, krit. mit Recht Helle, A f P 1985, 93 (96 mit Fußn. 59).

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

133

sen aber an die Natur des betroffenen Rechtsguts anknüpfen. Insbesondere wird zwischen reinen Vermögensrechten, reinen Persönlichkeitsrechten und Persönlichkeitsrechten mit immaterialgüterrechtlichen Elementen zu unterscheiden sein. Die Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis, die quer durch diese Fallgruppen gehen würde, ist dabei nicht von Bedeutung. Eine weitere strafrechtliche Auswirkung der Unterscheidung betrifft die Irrtumslehre. Der Tatbestandsirrtum unterfällt § 16 StGB, während über die Behandlung von Irrtümern über Rechtfertigungsgründe Streit herrscht 139 . Fällt der von A beauftragte Gärtner aus Versehen einen Baum auf dem Grundstück des B, so läge bei tatbestandsausschließender Wirkung der Einwilligung ein Tatbestandsirrtum vor, der nach § 16 StGB den Vorsatz ausschließt. Sieht man die Einwilligung aber mit der herrschenden Meinung als Rechtfertigungsgrund an, so wäre der Gärtner nach der strengen Schuldtheorie grundsätzlich wegen einer vorsätzlichen Sachbeschädigung nach § 303 I StGB strafbar, da er die Voraussetzungen des Tatbestands kannte und ein Irrtum über Rechtfertigungsgründe als Verbotsirrtum nach § 17 StGB zu behandeln ist. Nach der herrschenden eingeschränkten Schuldtheorie läge aber ein analog § 1 6 StGB 140 zu behandelnder Erlaubnistatbestandsirrtum vor, so daß sich der Gärtner mangels Strafbarkeit der fahrlässigen Sachbeschädigung nicht strafbar gemacht hätte. Es liegt auf der Hand, daß diese Problematik im Privatrecht, das in allen hier relevanten Haftungsnormen nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheidet, keine Bedeutung hat. Im übrigen gilt nach herrschender privatrechtlicher Lehre die im Strafrecht wegen §§ 16,17 StGB überholte Vorsatztheorie 141 , so daß dem Gärtner in unserem Beispiel jedenfalls kein vorsätzlichen Handeln zur Last fiele. Allerdings wird vielfach der Einordnungsfrage im Privatrecht aus einem Grund Bedeutung beigemessen, der wiederum im Strafrecht keine Rolle spielt. Für die Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen soll der Schädiger die Beweislast tragen 142 , während der Anspruchsteller nach ganz überwiegender Ansicht sämtliche Voraussetzungen des Haftungstatbestandes - darunter auch die negativen Tatbestandsmekmale - beweisen muß 143 . Bei Anwendung dieser Faustregel, deren Plausibilität auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen ist, ist die Einordnungsfrage durchaus von erheblicher praktischer 139 Vgl. die Nachweise z u m Streitstand bei Schönke-Scbröder/Cramer, Rz. 14 ff. zu § 16;Jescheck/Weigend, § 41 III IV (S. 462ff.). 140 Allerdings ist innerhalb der eingeschränkten Schuldtheorie umstritten, w i e die Rechtsfolgen des § 16 StGB zur Geltung gebracht werden können. Die h . M . , der hier gefolgt wird, wendet § 16 analog an, vgl. B G H S t 3, 105 (106 f.); 3, 194 (196); Schönke-Schröder/ Cramer, R z . 17 zu § 16 m. w. N . z u m Streitstand. 141 Deutsch A H R , R z . 354 ff. m . w . N . 142 B G H G R U R 2000, 879 (880) - „stüssy"; Deutsch A H R , Rz. 258. 143 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 117 II 2 (S. 671); Stein-Jonas/Leipold, Rz. 60 zu § 286 V; Dasch, S. 34.

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$ 7 Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

Bedeutung. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, daß die Beweislast für „negative Tatbestandsmerkmale" weniger eindeutig verteilt ist, als dies scheinen mag. Der aus dem Strafrecht entnommene Begriff des „negativen Tatbestandsmerkmals" als Gegenbegriff zum Rechtfertigungsgrund 144 ist nämlich nur scheinbar identisch mit dem gleichlautenden Begriff des Zivilprozeßrechts. Die häufig in der zivilprozessualen Literatur zu findende Aussage, der Anspruchsteller habe auch negative Anspruchsvoraussetzungen zu beweisen, besagt lediglich, daß die Notwendigkeit eines Negativbeweises nicht per se zu einer Umkehrung der Beweislast führt 145 . So muß der Kläger etwa eine Pflichtverletzung des Beklagten auch dann beweisen, wenn diese in einem pflichtwidrigen Unterlassen besteht 146 . Damit ist nicht zugleich gesagt, daß die Zuordnung eines Merkmals zum Tatbestand automatisch zur Beweislast des Klägers führt 147 . Vielmehr kann es, was allerdings häufig verkannt wird 148 , auch hier durchaus bei dem Grundsatz bleiben, daß jede Partei die ihr günstigen Umstände zu beweisen hat 149 . Die Einwilligung ist eine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung 150 , für die unabhängig von ihrem systematischen Standort derjenige die Beweislast trägt, der sich auf sie beruft 151 . Dementsprechend spricht nichts dagegen, dem Schädiger grundsätzlich die Beweislast für die Voraussetzungen ihm günstiger negativer Tatbestandsmerkmale aufzuerlegen 152 . Davon abgesehen erscheint es jedoch als zu undifferenziert, die Beweislastverteilung in Einwilligungsfällen von schlichten Faustregeln abhängig zu machen, während in anderen Bereichen des Zivilrechts bereits ein wesentlich feineres Instrumentarium entwickelt wurde 153 . So spricht sich Canaris mit 144 Der Begriff spielt insbesondere in der Auseinandersetzung der h.M. mit der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen , die von einem zweistufigen Deliktsaufbau aus Unrechtstatbestand und Schuld ausgeht, eine Rolle, vgl. zum Streitstand Jescheck/Weigend, § 25 III (S. 248 ff.); Roxin AT I, § 10, Rz. 13 ff.; Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 18 vor §§ 13 ff. 145 Rosenberg/Schwab/Gottwald\ Stein-Jonas/Leipold, a.a.O. (vorletzte Fußn.). 146 B G H N J W 1985, 1774 (1775). 147 So ist anerkannt, daß der Besitzer, der sich auf ein Recht zum Besitz nach § 986 B G B beruft, hierfür die Beweislast trägt, B G H - R R 1986,282; Palandt/Bassenge, Rz. 2 zu § 986; MüKo/Medicus, Rz. 26 zu § 985; Raiser, FS Wolff, S. 123 (135); ebenso für das Patentrecht B G H Z 82, 13 (18). Als Rechtfertigungsgrund wird § 986 B G B aber üblicherweise nicht angesehen. 148 Etwa vom O L G Düsseldorf in Mitt. 1998, 372 (374) - „stüssy", wo das O L G aus der systematischen Einordnung der Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal auf die Beweislast des Klägers schließt. 149 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 117 II 2 (S. 671). 150 Larenz/Wolf, § 18, Rz. 53. 151 Stein-Jonas/Leipold, Rz. 65 zu § 286 V; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 117 II 2 (S. 672). 152 Ähnlich für unabgegrenzte Tatbestände Deutsch a.a. O. 153 Vgl. Larenz/Canaris SchR II/2, § 76 II 1 G (S. 384); Deutsch, a.a.O., Rz. 255.

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

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Recht dagegen aus, die Beweislastverteilung im Prozeß wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht schematisch an die Einordnung der Einwilligung in den Deliktsaufbau zu koppeln 154 . Statt dessen solle offen mit Gerechtigkeitskriterien argumentiert werden. Da dem Patienten der Negativbeweis einer nicht erfolgten Aufklärung nahezu unmöglich sei, sei es angemessen, den Arzt mit der Beweisführung zu belasten. Diesem Argument hat Baumgärtel mit guten Gründen widersprochen 155 . Auf diese Streitfrage wird bei der dogmatischen Einordnung der ärztlichen Aufklärungspflicht zurückzukommen sein 156 . Jedenfalls gilt es, für die prozessualen Fragen der Aufklärungspflichtverletzung eine ähnlich differenzierte Lösung zu entwickeln, wie sie bereits für ärztliche Behandlungsfehler besteht. Ein weiteres Beispiel bietet das Markenrecht, das nach § 24 I MarkenG erschöpft ist, wenn die Ware innerhalb der EU bzw. des EWR mit Zustimmung des Markeninhabers auf den Markt gebracht wurde. Fraglich und umstritten ist, wer im Streitfall diese Zustimmung zu beweisen hat 157 . Während nach altem Recht der Tatbestand der Markenverletzung (§ 24 I WZG) lediglich eine Benutzungshandlung voraussetzte und die Zustimmung des Markeninhabers nach überwiegender Ansicht im Rahmen der Widerrechtlichkeit zu prüfen war 158 , untersagt nunmehr § 14 II MarkenG die Vornahme bestimmter Benutzungshandlungen „ohne Zustimmung des Markeninhabers". Im stüssyFall, der kürzlich vom BGH dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde 159 , folgerte das OLG Düsseldorf als Vorinstanz aus der neuen Fassung des Tatbestands, nunmehr sei die Zustimmung des Markeninhabers negatives Tatbestandsmerkmal, im Verletzungsverfahren sei mithin der Kläger für ihr Fehlen darlegungs- und beweispflichtig 160 . Da die Erschöpfung gemäß § 24 I MarkenG aber eine Einwendung darstelle, für deren tatsächliche Voraussetzungen der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig sei, bestehe ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Grundsätzen, so daß das Gericht eine Abwägung vornehmen müsse. Dem widerspricht der BGH: Die Worte „ohne Zustimmung" drückten nichts anderes als das Erfordernis der Widerrechtlichkeit aus, so daß nach allgemeinen Grundsätzen der Beklagte das Vorliegen Larenz/Canaris SchR \l/2, § 76 II 1 G (S. 384). Baumgärtel, GS Bruns, S. 93 ff. 156 S. unten, § 13 II 5. 157 Vgl. zu dieser Frage aus der Rechtsprechung BGH GRUR 2000, 879 - „stüssy", zur parallelen Problematik im Patentrecht BGHZ 143,268 - „Karate"; aus der Literatur Hays, [2000] E. I. P. R. 353 ff.; Ingerl/Rohnke, Rz. 15 zu § 24; Joller, GRUR Int. 1998,751 (762 f.); Plassmann, WRP 1999, 1011 ff. 158 BGH GRUR 2000, 879 (880); Busse /Stark, Rz. 10 zu § 24. 159 GRUR 2000, 879. 160 OLG Düsseldorf Mitt. 1998,372 (374); so zuvor bereits Pickrahn, GRUR 1996,383 (385f.); Ingerl/Rohnke, Rz. 26 zu § 14, Rz. 15 zu § 24; zust. Plassmann, WRP 1999, 1011 (1014). 154

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Privatrechtliche

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

der Zustimmung zu beweisen habe 161 . Allerdings wird bei näherem Hinsehen deutlich, daß es sich hier um eine rechtspolitische Frage handelt, die sich durch eine rein formale Konstruktion nicht befriedigend lösen läßt. Trägt der Markeninhaber für seine Zustimmung die Beweislast, so wird er mit einem aufwendigen Negativbeweis belastet 162 . Folgt man hingegen der Ansicht des B G H , so wird der Parallelimport von Markenartikeln erheblich erschwert, da der Importeur im Verletzungsstreit gezwungen ist, seine Bezugsquellen offenzulegen. Damit wird es dem Markeninhaber ermöglicht, Lücken in seinem Vertriebssystem aufzuspüren und zu schließen. Der B G H sieht diese Problematik 163 , erkennt insbesondere, daß seine Ansicht mit Art. 28 E G V unvereinbar sein könnte, da sie dem Markeninhaber ein Instrument zur Abschottung nationaler Märkte in die H a n d gibt, und legt die Frage nach der Beweislastverteilung daher dem E u G H vor. Anzustreben ist wohl eine differenzierende Lösung 164 , die entweder darin bestehen kann, daß der Markeninhaber zunächst zur „Zustimmungslage" vortragen muß, während der angegriffene Verletzer letztlich die Beweislast trägt 165 , darin, daß der Markeninhaber den Weg der Ware von der Produktionsstätte zum ersten Abnehmer und ein diesem gegenüber ausgesprochene Verbot einer A u s f u h r der Waren in den E W R dartut 166 , oder darin, daß den Markeninhaber die Obliegenheit trifft, alle ihm zumutbaren Möglichkeiten der Kennzeichnung auszuschöpfen 1 6 7 . Die schwierige und nach dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutige Einordnung der Zustimmung in den dreistufigen Tatbestandsaufbau kann hier nicht mehr als eine Faustregel sein, die allenfalls einen Einstieg in die komplexe Problematik bietet, aber keinesfalls als alleinige Begründung für die Beweislastverteilung hinreicht. c) Ergebnis Die praktische Bedeutung der Frage nach der systematischen Stellung der Einwilligung im dreistufigen Deliktsaufbau sollte also nicht überschätzt werden. Wie Deutsch zutreffend bemerkt, ist gegenüber sachlich-inhaltlichen Schlüssen aus der Einordnung größte Skepsis angezeigt 168 . Vor allem die gängige Praxis, die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von der systematischen Stellung der Einwilligung abhängig zu machen, stellt oft eine Vergrö161

B G H G R U R 2000, 879 (880). Vgl. Plassmann, WRP 1999, 1011 (1015). 163 B G H G R U R 2000, 879 (881). 164 Vgl. Plassmann, WRP 1999, 1011 (1016ff.); Luhberger, WRP 2001, 75 (78ff.). 165 So O L G Hamburg NJW-RR 1998, 402 - „DC-Schuke", zust. Joller, G R U R Int. 1998, 751 (763); ähnlich O L G Düsseldorf Mitt. 1998, 372 (374). 166 So Ingerl/Rohnke, Rz. 15 zu § 24. 167 Hierzu tendiert der BGH, G R U R 2000, 879 (882). 168 Deutsch AHR 1 , § 8 I 4 (S. 104f.). 162

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

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berung und Vereinfachung dar, die geeignet ist, komplexe Wertungsfragen zu verdecken. Der Grund für den geringen teleologischen Gehalt der systematischen Einordnung dürfte darin bestehen, daß in Einwilligungsfällen oft von einer unrechtsindizierenden Wirkung des Tatbestands oder von einem RegelAusnahme-Verhältnis zwischen Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung keine Rede sein kann. Die Annahme, ein Kunde, der zur Geschäftszeit einen Supermarkt betritt, oder ein Mieter, der sich in der gemieteten Wohnung aufhält, verletzten prima facie in rechtswidriger Weise fremdes Eigentum, stellt die soziale Bewertung des Geschehens in beiden Beispielen auf den Kopf. In diesem Punkt unterscheidet sich die Einwilligung grundlegend von Rechtfertigungsgründen wie der Notwehr oder dem Notstand, die auf einer objektiven Abwägung zwischen dem Schutz des Rechtsinhabers und dem Eingriffsinteresse des Handelnden beruhen und meist geradezu extreme Ausnahmefälle darstellen. Dieser Befund weckt an der im Privatrecht herrschenden, aber oft nicht näher analysierten Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund zumindest erhebliche Zweifel. Sucht man nach Argumenten für die herrschende Meinung, so läßt sich vor allem die Gegenüberstellung von abstraktem Verbot und konkreter Erlaubnis ins Feld führen 169 , die in der Tat für Einwilligungsfälle typisch ist. Es erscheint logisch, auf einer ersten Stufe den Schutzbereich des Tatbestands allgemein zu bestimmen und auf einer zweiten Stufe den Umfang der durch Einwilligung eingeräumten Handlungsbefugnis festzustellen. Die Regelungstechnik der §§ 985, 986 B G B und der beiden Absätze des § 1004 B G B bietet einen gesetzlichen Anhaltspunkt für diese Prüfungsmethode. Selbst bei Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in dessen Rahmen nach überwiegender Ansicht die Tatbestandsverwirklichung noch nicht die Rechtswidrigkeit indiziert, sprechen gute Gründe dafür, daß zunächst das geschützte Interesse bestimmt und sodann die Einwilligung geprüft wird 170 . Allerdings können beide Schritte dieser Prüfung durchaus auf Tatbestandsebene erfolgen 171 . So bilden etwa im Rahmen des § 1004 B G B die Beeinträchtigung des Eigentums gemäß Abs. 1 und die Duldungspflicht gemäß Abs. 2 auch dann logisch getrennte Prüfungspunkte, wenn man mit einer verbreiteten Ansicht die Duldungspflicht nicht mit der Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung verknüpft 172 . Vollends unüblich ist es, das Recht zum Besitz im Sinne des Vgl. Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (11); Adomeit, S. 33 mit Fußn. 65. Vgl. Larenz / CanarisSchRII/2, § 8 0 I I I ( S . 5l7ti.);Erman/EbmannRz. 73 Anh. zu § 12; Baston-Vogt, S. 165; Wiese, FS Duden, S. 719 (724). 171 So für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Krüger-Nieland, Karlsruher Forum 1961, 15 f. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für die Möglichkeit einer tatbestandsausschließenden Zustimmung bietet § 858 I B G B , dazu Baur/Stürner, § 9, Rz. 3, allerdings handelt es sich bei der Zustimmung des Besitzers nach hier vertretener Ansicht nicht um einen Fall der Einwilligung, s. zur Abgrenzung unten, § 10 IV 2. 172 So für den Beseitigungsanspruch Larenz/Canaris SchR II/2 § 86 IV 1 (S. 691); 169 170

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und strafrechtliche

Einwilligungslehre

§ 986 B G B als Rechtfertigungsgrund anzusehen, obwohl auch die Prüfung dieser Vorschrift gegenüber der Prüfung der Eigentumslage logisch nachrangig ist und sogar anerkannt ist, daß der Besitzer für sein Recht zum Besitz die Darlegungs- und Beweislast trägt. Die herrschende Meinung vernachlässigt, daß die Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit nicht nur eine rechtslogisch-konstruktive ist, sondern auch von Wertungsgesichtspunkten getragen wird. Der strafrechtliche Begriff von der „Appellfunktion des Tatbestands" bringt dies zum Ausdruck: Die Tatbestandsverwirklichung ist regelmäßig auch rechtswidrig. Diese Maxime versagt in der Mehrzahl aller Einwilligungsfälle, sofern der Tatbestand unabhängig vom Willen des Betroffenen definiert wird. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß auch nach herrschender Lehre im Verfassungsrecht die individuelle Disposition über ein Grundrechtsgut bereits den Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts ausschließt und nicht erst auf der Stufe der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu prüfen ist 173 . Damit sind allerdings die Versuche noch nicht widerlegt, nach strafrechtlichem Vorbild auch im Privatrecht zwischen Einwilligung und Einverständnis zu differenzieren und damit dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Einwilligung sowohl den sozialüblichen Regelfall als auch - wie etwa bei der Einwilligung in eine schwere Körperverletzung - den Ausnahmefall erfassen kann. Allerdings bieten die Haftungstatbestände des Privatrechts hier erheblich weniger Orientierung als ihre genauer gefaßten strafrechtlichen Verwandten. Abgesehen von der Körperverletzung dürfte die Identifizierung eindeutiger Fälle schwerfallen, in denen tatbestandliches Unrecht unabhängig vom Willen des Geschädigten definiert werden kann 174 . So enthält etwa § 22 K U G durchaus einen abgegrenzten Tatbestand, der das Angriffsobjekt unabhängig vom Willen des Betroffenen definiert: Ein Bildnis kann mit dem oder gegen den Willen des Abgebildeten verbreitet oder ausgestellt werden. Andererseits wird die Einwilligung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit ausdrücklich erwähnt. Es erstaunt nicht, daß der Einwilligung gemäß § 22, 1 K U G in der Literatur teils tatbestandsausschließende, teils rechtfertigende Wirkung beigemessen wird 175 . Folgert man aus der willensunabhängigen Definition des Tatobjekts, die Einwilligung sei Rechtfertigungsgrund, so entsteht ein sachlich nicht begründeter Unterschied zur Anfertigung des Bildnisses, die in den Münzberg, S. 390 ff.; 401 ff.; Picker, S. 171 ff.; zur Bedeutung der Einwilligung im Rahmen des § 1004 s. unten, § 9 II 3 b. 173 Vgl. Schwabe, S. 98ff.; v. Münch/Kunig, Rz. 62 vor Art. 1-19; Pieroth/Schlink, Rz. 141. 174 So erscheint etwa die Entscheidung Schenkes, S. 194, 203, für die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung bei der Weitergabe von Geheimnissen und der Verbreitung fremder Bildnisse (§ 22 K U G ) zumindest als zweifelhaft. 175 S. oben, Fußn. 119f.

II. Negatives

Tatbestandsmerkmal

oder Rechtfertigungsgrund?

139

Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt, innerhalb dessen der Einwilligung nach verbreiteter Ansicht tatbestandsausschließende Wirkung zukommt 176 . Ebensowenig wie eine Orientierung an den im Privatrecht oft weiten und offenen Tatbestandsformulierungen verhelfen tatbestandsunabhängige materielle Kriterien zu einer praktikablen Abgrenzung. Zwar beruhen insbesondere die Unterscheidung Hubmannsvl zwischen üblichen und unüblichen Eingriffen und die im Strafrecht von Jakobs178 vorgenommene Unterscheidung zwischen disponiblen und nicht disponiblen Rechtsgütern auf einer zutreffenden materiellen Differenzierung zwischen dem sozial unauffälligen Normalfall, in dem von einer Unrechtsindikation keine Rede sein kann, und dem auffälligen und mithin rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall. Beide Ansätze setzen aber voraus, daß vor der Einordnung in den Deliktsaufbau schwierige Wertungsfragen zu lösen sind. Der didaktische Wert des Dreieraufbaus 179 würde dadurch zunichte gemacht. Im Ergebnis erscheint eine Unterscheidung zwischen Einverständnis und Einwilligung im Privatrecht daher nicht als sinnvoll. Im folgenden Abschnitt wird sich zeigen, daß die Einwilligung Aktualisierung einer Dispositionsbefugnis ist, die aus dem jeweiligen subjektiven Recht folgt. Das gilt selbst bei den sogenannten Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit oder, allgemeiner, bei eingeschränkt disponiblen Rechten. Dieser Gedanke findet sich in ähnlicher Form in der Einwilligungslehre Roxins, der darauf hinweist, daß Rechtsgüter - der Zivilrechtler würde an dieser Stelle von „subjektiven Rechten" sprechen - der freien Entfaltung des einzelnen dienen180. Eine Handlung, die auf einer Disposition des Rechtsgutsträgers beruht, ist für Roxin nicht etwa Einschränkung dieser freien Entfaltung, sondern deren Ausdruck. In der Tat dringt der Einwilligungsempfänger - anders als etwa der Verteidiger im Fall der Notwehr - nicht in rechtfertigungsbedürftiger Weise in den Schutzbereich eines subjektiven Rechts ein, sondern ordnet sich dem Rechtsinhaber unter, indem einer einen von diesem gesetzten Zweck verfolgt. Der Freiheitsgehalt subjektiver Privatrechte läßt sich nicht auf den naturalistisch verstandenen Bestandsschutz verengen, sondern kommt vielmehr vor allem darin zum Ausdruck, daß das subjektive Recht seinem Inhaber regelmäßig einen ausschließlichen Handlungsbereich vorbehält. Nimmt der Rechtsinhaber eine ihm vorbehaltene Handlung selbst vor, so übt er sein Recht aus, ohne daß es sinnvoll wäre, zwischen dem Bestand 176 Krüger-Nieland, Karlsruher Forum 1961, 15 f.; Reinhardt, JZ 1959, 41 ff.; BastonVogt, S. 226; wohl auch Larenz/Canaris § 76 II 1 g (S. 384). 177 S. oben, Fußn. 121. 178 S. oben, Fußn. 104. 179 Der nach Deutsch AHR 1 , § 8 14 (S. 104) den wesentlichen Grund für das Festhalten am dreistufigen Deliktsaufbau darstellt. 180 Roxin AT I, § 13, Rz. 12, näher zu dieser Ansicht oben, II 1.

140

§ 7 Privatrechtlicbe

und strafrechtliche

Einwilligungslehre

des Rechts und seiner Ausübung zu unterscheiden. Auch die Einwilligung ist aber eine Form der Rechtsausübung, die Vornahme der konsentierten Handlung ist M i t w i r k u n g bei dieser Rechtsausübung. Daher sollte sie schon tatbestandlich nicht als Rechtsverletzung angesehen werden. Ein wesentlicher Vorzug der hier vertretenen Ansicht besteht darin, daß sie die Abhängigkeit der Einwilligungsvoraussetzungen vom jeweils betroffenen Rechtsgut betont und damit die notwendige Unterscheidung zwischen Persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Einwilligungen erlaubt. Zwar lassen sich allgemeine Aussagen über die Einwilligungsvoraussetzungen treffen, in Einzelfragen w i r d sich jedoch eine Differenzierung als erforderlich erweisen. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen strafrechtlichen und privatrechtlichen Einwilligungsvoraussetzungen: Die Zuordnung der Einwilligung zur Tatbestandsebene unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Formulierung der Voraussetzungen die spezifische Funktion des jeweiligen Tatbestands zu beachten. Sie ist, wie gesehen, in beiden juristischen Disziplinen nicht notwendigerweise identisch.

§ 8 Die Stufenleiter der Gestattungen I. Ausgangspunkt 1. Einwilligungsbegriff und Abstraktion Nachdem der rechtsphilosophische und verfassungsrechtliche Rahmen abgesteckt ist und geklärt wurde, daß die privatrechtliche und die strafrechtliche Einwilligungslehre unterschiedliche Wege gehen können, gilt es, die Einwilligung ins System des Privatrechts einzuordnen. Folgt man dem in der Literatur üblichen Argumentationsmuster, so müßte an diesem Punkt zur Rechtsnatur „der" Einwilligung Stellung genommen werden und vor allem geklärt werden, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt. Allerdings stimmt es skeptisch, daß die Antwort auf diese Frage offenbar sehr von der jeweiligen Fallgestaltung abhängt, zu deren Lösung das Institut der Einwilligung beitragen soll. Während etwa im Medizinrecht die Rechtsgeschäftstheorie kaum vertreten wird, ist sie in der Literatur zu § 22 K U G ganz herrschend 1 . Der Uberblick in § 2 dieser Arbeit hat das weite Spektrum möglicher Anwendungsfälle der Einwilligung demonstriert. Dessen ungeachtet geht die herrschende Lehre nahezu unkritisch davon aus, daß die Einwilligung als einheitliches Rechtsinstitut begriffen werden kann. Auch wenn dieser Problematik selten nachgegangen wird, scheint doch die Mehrzahl aller Autoren anzunehmen, daß etwa die Einwilligung in einen ärztlichen Heileingriff und die Einwilligung in eine Verbreitung des Bildnisses einer Person nach § 22 K U G grundsätzlich Erscheinungsformen derselben Rechtsfigur sind 2 und daß der Beurteilung beider Fallsituationen gemeinsame Prinzipien zugrunde liegen. Diese Annahme ist aber alles andere als unproblematisch. Betrachtet man mit der herrschenden Meinung in der Lehrbuch- und Kommentarliteratur die Einwilligung als einseitige, grundsätzlich widerrufliche 3 Erklärung, die sich auf einen Verletzungserfolg bezieht, so erweisen sich beide Gestattungen als S. die Nachw. oben, § 4 IV 2. Vgl. etwa Gotting, S. 142; Ordemann/Schomerus, Anm. 5.1 zu § 4 ; Erman/Schiemann, Rz. 147 zu § 823; Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823; Soergel/Zeuner, Rz. 225 zu § 823. 3 So Deutsch A H R , Rz. 282; v. Tuhr AT II/2, § 88 (S. 469); Soergel/Zeuner, Rz. 225 zu § 823; RGRK/Steffen, Rz. 379 zu § 823; die Möglichkeit einer bindenden Einwilligung im vertraglichen Kontext bejahen hingegen Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594); Soergel/Fahse, 1

2

142

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

untypisch. Die Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff weist, wie Deutsch gezeigt hat 4 , drei Bezugspunkte auf. Durch ihre Erteilung erlaubt der Patient erstens einen finalen Eingriff in die körperliche Integrität, der zwangsläufig erfolgen muß. Zweitens übernimmt der Patient das Risiko, daß der lege artis durchgeführte Eingriff fehlschlägt oder unerwünschte Nebenfolgen auslöst. Drittens willigt der Patient in gewisse Eingriffe in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nämlich die Erhebung und Speicherung von Krankheitsdaten ein. Der praktisch wichtigste Bezugspunkt, über den in fast allen Arzthaftungsprozessen mit Einwilligungsproblematik gestritten wird, ist die Risikoübernahme. Da sich diese Einwilligung nicht auf einen Erfolg, sondern auf ein Risiko bezieht, scheint sie sich bei näherem Hinsehen als „Handeln auf eigene Gefahr" zu erweisen 5 . Demgegenüber besteht bei der Einwilligung nach § 22 KUG kein Zweifel daran, daß sich die Erlaubnis auf einen finalen Eingriff bezieht. Untypisch ist dieser Fall der Einwilligung in anderer Hinsicht. Sofern es sich im Rahmen des § 22 KUG um Vereinbarungen mit wirtschaftlicher Bedeutung handelt, spricht einiges dafür, daß der Einwilligungsempfänger in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der Einwilligung schutzwürdig ist. Auch wenn die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsaspekten rechtspolitisch und dogmatisch umstritten ist, zeigt doch schon der Gesetzestext, daß eine gewisse wirtschaftliche Nutzung des eigenen Bildes zulässig und unverdächtig ist 6 . Aus diesem Grund halten es die meisten Kommentatoren für möglich, im Rahmen des § 22 KUG eine unwiderrufliche Einwilligung zu erteilen, die in ihren praktischen Konsequenzen von immaterialgüterrechtlichen Lizenzen kaum zu unterscheiden ist 7 . Damit hat es den Anschein, als sei die Einwilligung nach § 22 KUG, sofern sie als bindende erteilt wird, ebenfalls keine Einwilligung, sondern müßte bei exakter Ausdrucksweise eher als „Lizenz" 8 oder als „Einräumung eines Nutzungsrechts" bezeichnet werden. Wenn sich angeblich typische Anwendungsfälle eines Rechtsbegriffs bei Licht betrachtet als untypisch entpuppen, stellt sich die Frage nach der Berechtigung und der Leistungsfähigkeit des Begriffs. Die methodologische Einsicht, daß ein Begriff mit fortschreitender Abstraktion zunehmend an Inhalt verliert 9 , verweist auf ein Dilemma der Einwilligungslehre. Entweder R z . 23 zu § 227; Staudinger/Hager, Rz. C 176 zu § 823; näher z u r Widerruflichkeit unten, § 12 IV. 4 Deutsch, A c P 192 (1992) 161 (166 f.). 5 So in der Tat Deutsch, A c P 192 (1992) 161(167) und M e d R , Rz. 104. 6 S. § 22, 2 K U G : „Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, w e n n der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt." 7 Vgl. die N a c h w . oben, § 4 IV 2, näher zur A b g r e n z u n g sogleich, II 3. 8 Vgl. Ullmann, Persönlichkeitsrechte in Lizenz?, A f P 1999, 209. 9 Treffend Baumbach/Hefermehl, R z . 157 Einl. U W G : „Wer etwas über einen oberbayerischen Bauern aussagen will, dem nutzt der Oberbegriff Mensch, Europäer noch sehr wenig."

I.

Ausgangspunkt

143

der Begriff der Einwilligung umfaßt alle unterschiedlichen Formen der Eingriffserlaubnis und läuft damit Gefahr, kaum noch brauchbare allgemeine Leitlinien zur Lösung einzelner Fälle zu geben, oder er wird mit präzisen Konturen versehen und von verwandten Begriffen abgegrenzt, womit die Gefahr besteht, daß einige weithin als typisch empfundene Fallgruppen aus der Einwilligungslehre „hinausdefiniert" werden. Jedenfalls muß vor dem begriffsjuristischen Fehlschluß gewarnt werden, die bloße Qualifizierung einer Erlaubnis als „Einwilligung" erlaube die Anwendung von N o r m e n , die in Wirklichkeit nur für eine bestimmte Fallgruppe der Einwilligung volle Geltung beanspruchen.

2. Der Gedanke

der

Stufenleiter

Ziel der Einwilligungsdogmatik darf also nicht nur sein, die Rechtsnatur „der" Einwilligung zu klären. Ebenso bedeutend ist die Systematisierung aller Institute, die sich auf den Grundsatz „volenti non fit iniuria" zurückführen lassen, eine sinnvolle Differenzierung zwischen den einzelnen Erscheinungsformen und eine möglichst klare Begriffsbildung. Eine Mehrzahl von Rechtsfiguren knüpft an willensbestimmtes Handeln des Verletzten die Rechtsfolge des Haftungsausschlusses oder immerhin der Haftungsminderung. Sowohl die Rechtsübertragung, der Gestattungsvertrag, der Verzicht und der Haftungsausschluß erfüllen diese Merkmale als auch das „Handeln auf eigene Gefahr", die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und im weiteren Sinne auch die Verwirkung und allgemein das Mitverschulden. Die Frage lautet also weniger, ob die eingangs genannten Erklärungsansätze berechtigt sind, als w o die Einwilligung einzuordnen ist und wie sich der Einwilligungsbegriff zweckmäßig begrenzen läßt. D e r Schlüssel zur Antwort liegt im Gedanken der Stufenleiter des „volenti non fit iniuria", der anhand eines Beispiels eingeführt werden soll. Möchte ein Grundeigentümer seinem Nachbarn die Uberquerung des Grundstücks gestatten, so stellt ihm die Rechtsordnung verschiedene Gestaltungsformen zur Verfügung 10 . Grenzfall ist die translative Rechtsübertragung: Wenn der N a c h bar das Grundstück mit allen zugehörigen Befugnissen gemäß § 873 I B G B erwirbt, so darf er in Zukunft selbstverständlich das Grundstück nach freiem Belieben überqueren. Das spezifische Wegerecht kann immerhin in F o r m einer Dienstbarkeit mit dinglicher Wirkung erteilt werden (§§ 1018, 1090 B G B ) . Als weniger intensive F o r m der Gestattung kommt ein Mietoder Leihvertrag in Betracht. Schließlich kann der Eigentümer seinem Nachbarn die Erlaubnis auch in frei widerruflicher F o r m erteilen. Die genannten Rechtsfiguren stehen zueinander in einem Stufen Verhältnis. Jeweils erteilt der Rechts10

Zur Stufenleiter der Gestattungen im Sachenrecht MüKo/Medicus,

§ 1004; Baur/Stürner,

§ 12, Rz. 9.

Rz. 53 ff. zu

144

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

inhaber eine Erlaubnis, die zur Rechtmäßigkeit der Eingriffshandlung führt. Unterschiedlich ist lediglich die Intensität der rechtlichen Bindung. Durch die Rechtsübertragung erwirbt der Handelnde ein dingliches Recht, durch die vertragliche Gestattung einen schuldrechtlichen Anspruch, während ihm die schlichte Einwilligung nur nützt, solange sie nicht widerrufen wurde. Die einseitige, widerrufliche Einwilligung bildet also die niedrigste Stufe des „volenti non fit iniuria" im engeren Sinn: Sie ist eine Erlaubnis, die zur Rechtmäßigkeit der Handlung führt, sie verschafft dem Handelnden aber kein gegen den Willen des Grundeigentümers durchsetzbares Recht. Nicht für jedes subjektive Recht steht die gesamte Leiter der Dispositionsmöglichkeiten zur Verfügung. So ist beim Urheberrecht 11 die translative Ubertragung inter vivos gemäß § 29 I U r h G ausgeschlossen, im übrigen kann der Urheber sein Recht aber durch Einräumung ausschließlicher oder einfacher Nutzungsrechte, durch schlichte schuldvertragliche Gestattung oder durch einseitige Einwilligung verwerten. Der Nießbrauch ist unübertragbar, immerhin kann aber einem anderen durch schuldrechtliche Gestattung die Ausübung überlassen werden (§ 1059 B G B ) . Bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit besteht selbst diese Möglichkeit nur, wenn der Eigentümer sie eingeräumt hat (§ 1092 I 2 B G B ) . Während in diesen Fällen das Gesetz eindeutig regelt, welche Formen der Disposition möglich sind, ist die Frage bei den Persönlichkeitsrechten offen und umstritten. Nach verbreiteter Ansicht folgt aus dem Grundsatz der Unübertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten, daß die Einwilligung die einzige Form der Rechtsgestaltung ist, die dem Rechtsinhaber zur Verfügung steht. Auf diese Frage wird im Rahmen der folgenden Überlegungen einzugehen sein. Unterhalb der widerruflichen Einwilligung lassen sich diejenigen Rechtsinstitute einordnen, die zwar auch auf den Willen des Geschädigten abstellen, diesen allein aber nicht für den Haftungsausschluß genügen lassen. Das gilt zunächst für die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, die nach herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Ansicht im Privatrecht als Rechtfertigungsgrund anzusehen ist, während die Gegenansicht den im Strafrecht üblichen Begriff der mutmaßlichen Einwilligung verwendet oder die Rechtfertigung auf Notstandsgesichtspunkte stützt. Die Geschäftsführung ist dann berechtigt, wenn ihre Übernahme dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (§ 683 B G B ) ; soweit ausnahmsweise ein wirklicher Wille feststellbar ist, besteht also ein fließender Übergang zur Einwilligung. In der Regel ist aber für die Berechtigung des Geschäftsführers der mutmaßliche Wille und das Interesse des Geschäftsherrn entscheidend, die regelmäßig durch eine objektive Abwägung festge11 Zur Stufenleiter der Gestattungen im Urheberrecht Schricker/Schricker, vor § § 2 8 ff.

Rz. 17 ff.

I.

Ausgangspunkt

145

stellt werden. Auch das „Handeln auf eigene Gefahr", also die freiwillige Teilnahme des Geschädigten an einer gefährlichen Situation, weist ein voluntatives Element auf, führt aber nach heute ganz herrschender Ansicht regelmäßig nicht zum vollständigen Haftungsausschluß und schon gar nicht zu einer Rechtfertigung des riskanten Verhaltens, sondern begründet lediglich ein Mitverschulden im Sinne des § 254 B G B . Schließlich hat auch das Verbot des venire contra factum proprium im Grenzbereich der Einwilligung einen unbestreitbaren Anwendungsbereich, sofern die Voraussetzungen einer Verwirkung vorliegen. Auch die bloße Duldung des Eingriffs kann die Haftung ausschließen, wenn zusätzliche Umstände das Vertrauen des Handelnden auf das Einverständnis des Rechtsinhabers begründet haben und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Der Gedanke der Stufenleiter demonstriert dreierlei. Erstens erweist sich, daß die Frage nach der Rechtsnatur auf jeder Stufe getrennt zu prüfen ist. Die Rechtsübertragung ist als Verfügung, der Gestattungsvertrag als Schuldvertrag zweifellos Rechtsgeschäft, das Deliktsrecht knüpft lediglich an diese privatautonomen Gestaltungen an. Sofern man überhaupt von einer „unwiderruflichen Einwilligung" sprechen kann, begründet auch sie ein Eingriffsrecht des Handelnden, dessen Entstehung wohl nur rechtsgeschäftlich erklärt werden kann. Lediglich bei der widerruflichen Einwilligung kann streitig sein, ob es sich um ein Rechtsgeschäft, eine geschäftsähnliche Erklärung oder einen Realakt handelt. Unterhalb der Einwilligung hingegen versagen rechtsgeschäftliche Erklärungsansätze. Der Haftungsausschluß oder die Haftungsminderung nach § 254 B G B beim „Handeln auf eigene Gefahr" beruhen nicht auf der Selbstbestimmung des Geschädigten, sondern, wie noch zu zeigen sein wird, auf einer objektiven Gewichtung der Verursachungsanteile. Die Rechtfertigung durch berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag ergibt sich ebenfalls nicht aus Rechtsgeschäft, sondern aus Gesetz. Auch Verwirkung und Duldung sind als Anwendungsfälle des Vertrauensschutzes im engeren Sinne vom rechtsgeschäftlichen Haftungsausschluß zu unterscheiden. Zweitens beantwortet der Gedanke der Stufenleiter noch nicht die terminologische Frage, welche Stufen dem Begriff der „Einwilligung" zuzuordnen sind. Aus deliktsrechtlicher Perspektive liegt es nahe, auch die konstitutive Rechtsübertragung und den Gestattungsvertrag als Formen der Einwilligung anzusehen, während die Sachen- oder immaterialgüterrechtliche Perspektive eher dafür spricht, die einzelnen Formen der Disposition terminologisch auseinanderzuhalten und daher den Einwilligungsbegriff auf die schlichte, einseitige Einwilligung zu beschränken. Auch ist es nicht ausgeschlossen, das „Handeln auf eigene Gefahr" als Fall der Einwilligung zu bezeichnen 12 und dabei gegebenenfalls zwischen einer „echten" und einer „unechten" Einwilli12

So Deutsch, FS Wahl, S. 339 (347 f.).

146

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

gung 13 oder zwischen einer „rechtsgeschäftlichen" und einer „nicht rechtsgeschäftlichen" Einwilligung 14 zu unterscheiden. Wie im folgenden näher zu begründen sein wird, beruht die klarste und daher vorzugswürdige Terminologie auf zwei Abgrenzungen. Zum einen sollte kein Haftungsausschluß, der nicht allein auf dem Gedanken der Selbstbestimmung beruht, als Einwilligung bezeichnet werden. Zum anderen sollte die Einwilligung im engeren Sinne von der Rechtsübertragung und dem Gestattungsvertrag unterschieden werden. Einwilligung, vertragliche Erlaubnis und konstitutive Rechtsübertragung beruhen aber gemeinsam auf dem Gedanken des „volenti non fit iniuria" und können daher unter den Oberbegriff der „Gestattung" gefaßt werden. Drittens kann, wenn die Voraussetzungen für die jeweils intensivere Stufe fehlen, die niedrigere Stufe eingreifen. Im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Gestattungsformen ergibt sich diese Möglichkeit aus § 140 BGB: Schlägt eine konstitutive Rechtsübertragung fehl, so kann sie in einen schuldrechtlichen Gestattungsvertrag umgedeutet werden, kommt ein Gestattungsvertrag nicht zustande, so kann immerhin eine Einwilligung vorliegen. Unterhalb der rechtsgeschäftlichen Gestattungen ist eine Umdeutung nicht mehr möglich, doch immerhin kann die unwirksame Einwilligung nach § 254 BGB den Schadensersatzanspruch des Einwilligenden herabsetzen oder sogar vollends ausschließen. Im folgenden soll es zunächst um die Ausprägungen des Grundsatzes „volenti non fit iniuria" im engeren Sinne gehen. Dabei handelt es sich um die Rechtsübertragung (II), die schuldvertragliche Gestattung (III) und um die widerrufliche Einwilligung (V). Ob zwischen den letztgenannten Stufen die „unwiderrufliche Einwilligung" als selbständige Rechtsfigur einzuordnen ist, oder ob es sich hier stets um Rechtsübertragungen oder schuldvertragliche Gestattungen handelt, wird ebenfalls zu klären sein (IV). Die Gemeinsamkeit sämtlicher Gestattungsformen besteht darin, daß der Haftungsausschluß einzig und allein auf dem Willen der Beteiligten beruht. Die Rechtsnatur der widerruflichen Einwilligung und ihre Abgrenzung von verwandten Rechtsinstituten ist Gegenstand des folgenden § 9. Abschließend sei der Gedanke der Stufenleiter durch das nachfolgende Schaubild verdeutlicht.

13 Diese Terminologie findet sich besonders im schweizerischen Schrifttum, das der „unechten Einwilligung" des Art. 44 O R eine „echte", rechtfertigende Einwilligung gegenüberstellt, vgl. Berner Kommentar/Brehm, Rz. 6f. zu Art. 44; Honsell/Vogt/Wiegand, Rz. 4 zu Art. 44. N ä h e r zu Art. 44 O R unten, § 9 III 2 a. 14 Ähnlich Resch, S. 45, 161 („rechtsgeschäftliche Einwilligung" versus „nichtrechtsgeschäftlich erklärtes Einverständnis").

II.

Rechtsübertragungen

translative Rechtsübertragung (Grenzfall) konstitutive Rechtsübertragung schuldvertragliche Gestattung

147

Gestattungen (Unrechtsausschluß beruht ausschließlich auf dem Willen des Betroffenen, also auf dem Prinzip „volenti non fit iniuria".)

unwiderrufliche Einwilligung (selbständige Bedeutung zweifelhaft) widerrufliche, einseitige Einwilligung = Einwilligung im engeren Sinne berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag/mutmaßliche Einwilligung „Handeln auf eigene Gefahr" Verwirkung/Duldung

verwandte Rechtsfiguren (Rechtfertigung, Haftungsausschluß oder Haftungsteilung beruht nicht ausschließlich auf dem Willen des Betroffenen15, sein Verhalten ist nur einer von mehreren Faktoren im Rahmen einer Interessenabwägung.)

II. Rechtsübertragungen 1. Translative und konstitutive

Rechtsübertragung

Die stärkste Position erhält der Handelnde, wenn ihm ein dingliches Recht eingeräumt wird, das ihn zur Vornahme der Handlung berechtigt. Mit v. Tuhr läßt sich zwischen der translativen 16 und der konstitutiven Rechtsübertragung unterscheiden 1 7 . Durch erstere überträgt der Veräußerer das gesamte Recht rückhaltlos auf den Erwerber. Damit endet die Rechtszuständigkeit des Veräußerers, sämtliche aus dem Recht fließenden Befugnisse kann nunmehr allein der Erwerber ausüben. F ü r die Einwilligungslehre ist die translative Rechtsübertragung nur als Grenzfall interessant: D a sie nicht nur einen k o n kreten Eingriff erlaubt, sondern die gesamte Rechtszuständigkeit überträgt, unterscheidet sie sich grundlegend von der Einwilligung. Dasselbe gilt für den Verzicht, den das B G B in verschiedenen Ausprägungen regelt 1 8 . Auch er ist 15 Ausnahme ist die in der Praxis seltene berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag mit Willen des Geschäftsführers, s. unten, § 9 IV 1 c. 16 Genau genommen ist der Begriff der translativen Rechtsübertragung ein Pleonasmus, zutreffend Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, § 6 VII (S. 46); dennoch soll er hier seiner Gebräuchlichkeit wegen verwendet werden. 17 v. Tuhr KI I I / l , § 45 (S. 59 ff., 62 ff.); ihm folgend Larenz/Wolf, § 14, Rz. 35; Ulmer, §§ 83 II, 86 II (S. 359, 371); Kraßer, G R U R Int. 1973, 230 (232); inhaltlich zust. aber krit. zur Begriffswahl Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 44. 18 S. insb. §§ 397, 875, 928, 959; vgl. daneben den Überblick bei Seetzen, S. 1 und Erman/Westermann, Rz. 1 zu § 397.

148

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

eine Verfügung 19 , die zum Erlöschen der Rechtszuständigkeit des Verzichtenden führt 20 . Allerdings erwirbt niemand eine korrespondierende Rechtsposition; vielmehr wird die allgemeine Handlungsfreiheit wiederhergestellt, die zuvor durch das subjektive Recht beschränkt war. Während der vollständige Verzicht auf das Stammrecht sich damit deutlich von der Einwilligung unterscheidet, können sich der Teilverzicht und der Verzicht auf Abwehransprüche mit der Einwilligung überschneiden, doch diese Abgrenzungsfrage sei vorläufig zurückgestellt 21 . Die konstitutive Rechtsübertragung verdankt ihre Bezeichnung dem U m stand, daß sie ein Tochterrecht zur Entstehung bringt, das in isolierter Form zuvor nicht vorhanden war. Die Einräumung beschränkter dinglicher Rechte an Sachen ist konstitutive Übertragung, auch wenn im B G B durchgängig der Begriff der „Belastung" verwendet wird 22 . Daß dennoch eine Übertragung vorliegt, ergibt sich daraus, daß ein bestimmtes aus dem subjektiven Recht fließendes Interesse dergestalt dem Erwerber eingeräumt wird, daß der Veräußerer insoweit die Verfügungsbefugnis verliert. Für die Einräumung von Rechten an Sachen gilt der numerus clausus des Sachenrechts: Es können nur die gesetzlich vorgesehenen dinglichen Rechte eingeräumt werden, hingegen ist es nicht möglich, durch Parteivereinbarung neuartige Rechte zu schaffen 23 . Aus diesem Grund ist auch der Teilverzicht auf das Eigentum, insbesondere der Verzicht zugunsten einer bestimmten Person, ausgeschlossen 24 . Die beschränkten dinglichen Rechte des B G B beinhalten teils relativ abstrakt definierte und weitgehende, teils sehr konkrete Befugnisse 25 . So gebühren dem Nießbraucher grundsätzlich sämtliche Nutzungen 26 , während eine Grunddienstbarkeit nur eine eingeschränkte Nutzung des dienenden Grundstücks gestattet 27 und sich auf ein sehr konkret definiertes Interesse beziehen kann 28 . Besondere Bedeutung gewinnt die konstitutive Rechtsübertragung im Imma-

19 Vgl. Seetzen, S. 3; für § 397 Erman/Wettermann, Rz. 1 zu § 397; für § 24 II H G B Canaris H R , § 10, Rz. 47. 20 Definition nach v. Tuhr, ATII/1, § 5 4 V I ( S . 264 f.): Der Verzicht ist die Aufgabe eines subjektiven Privatrechts, ohne daß dieses auf eine andere Person übertragen wird. 21 S. unten, §§ 8 IV 3; 9 II 1 b und 10 V. Die Abgrenzungsschwierigkeiten resultieren nicht zuletzt daraus, daß der Begriff „Verzicht" häufig im untechnischen Sinne verwendet wird, wie schon v. Tubr, a. a. O. (S. 269) vermerkt. 22 Eingehend Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, § 5 (S. 23 ff.); vgl. im übrigen die in Fußn. 17 Genannten. 23 Heck SachR, § 1 ,10 (S. 5); Westermann, § 1 12 (Rz. 3); MüKo/Quack, Rz. 29ff. Einl. Sachenrecht. 24 Vgl. v. Tuhr AT ll/\, § 47 II (S. 99 mit Fußn. 52); Seetzen, S. 23. 25 Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 36. 26 § 1030 B G B . 27 Staudinger /Ring, Rz. 28 zu § 1018. 28 § 1018 B G B . Beispiel: Verlegung einer Rohrleitung über das dienende Grundstück.

II.

Rechtsübertragungen

149

terialgüterrecht29, in dem nach herrschender Ansicht kein numerus clausus der möglichen gegenständlichen30 Rechte herrscht31. Durch Erteilung einer ausschließlichen Lizenz im gewerblichen Rechtsschutz oder durch Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts im Urheberrecht erlangt der Lizenznehmer oder Nutzungsberechtigte ein gegenständliches Recht32, das ihm nicht nur gegenüber dem Schutzrechtsinhaber eine gesicherte Position verleiht, sondern ihm auch grundsätzlich33 die Kompetenz einräumt, gegen Schutzrechtsverletzungen durch Dritte vorzugehen. Hingegen ist die Einordnung der einfachen Lizenz und des einfachen Nutzungsrechts umstritten34. Anders als bei der translativen Rechtsübertragung bleibt bei der konstitutiven Übertragung eine Verbindung zwischen dem Stammrecht und dem Tochterrecht bestehen; Forkel hat zur Verdeutlichung dieses Umstands den Begriff der „gebundenen Rechtsübertragung" geprägt35. Die Bindung äußert sich zunächst in der - freilich je nach Recht unterschiedlich ausgestalteten - Konsolidation, oder allgemeiner im „Heimfall" des Tochterrechts bei Wegfall des geschützten Interesses36. Daneben bestehen bei Rechten mit persönlichkeitsrechtlichem Einschlag diejenigen Befugnisse des Rechtsinhabers, die dessen ideelle Interessen schützen, ungeachtet der Übertragung der Verwertungsbefugnisse weitgehend fort 37 . Besonders deutlich ist diese Bindung beim Urheberrecht ausgeprägt38, das den Urheber nicht nur in seinen Vermögensinteressen, sondern auch in seinen persönlichen Beziehungen zum Werk schützt 2 9 So bereits v. Tuhr A T I I / l , § 45 II 1 (S. 67); eingehend Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, § 7 (S. 49 ff.) und passim; Kraßer, G R U R Int. 1973, 230 ff.; Ulmer, § 83 II (S. 359); Schricker /Schricker, Rz. 43 vor §§ 28 ff. 3 0 Im Anschluß an Ulmer, § 18 IV (S. 118) und Forkel, a . a . O . , S. 75ff. wird hier der Begriff des „dinglichen" Rechts für Immaterialgüterrechte wegen seiner Beziehung auf körperliche Gegenstände vermieden, Kritik an der hier gewählten Terminologie aber bei Hilty, S. 110. 31 Ulmer, § 84 I 3 (S. 362); Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 67 ff.; Kraßer, G R U R Int. 1973, 230 (232); Schricker/Schricker, Rz. 52 vor §§ 28 ff. Allerdings muß nach h. M. eine hinreichend klare Abgrenzbarkeit gewährleistet sein, s. Forkel, a. a. O., S. 234 ff.; Ulmer, a. a. O.; Schricker, a. a. O . m. w. N . 32 Forkel, § 7 (S. 50); § 15 (S. 222); speziell zum Patentrecht: Benkard/Ullmann, Rz. 53 zu § 15; Bernhardt /Kraßer, § 40 V b (S. 691); zum Markenrecht: Fezer, Rz. 8 zu § 30; zum Urheberrecht: Schricker/Schricker, Rz. 48 vor §§ 28 ff.; Rehbinder, Rz. 307; rechtsvergleichend Hilty, S. 107 ff. 33 S. aber die markenrechtliche Sonderregelung in § 30 III MarkenG. 34 Zur einfachen Patentlizenz Forkel, § 8 (S. 78ff.); Kraßer, G R U R Int. 1983, 537ff. einerseits; Benkard/Ullmann, Rz. 56 zu § 15 m. w. N . andererseits; zur einfachen Markenlizenz Fezer, Rz. 7 zu § 30; zum einfachen Nutzungsrecht im Urheberrecht Ulmer, § 85 III (S. 368 f.); Schricker / Schricker,49vor§§ 28 ff. einerseits; Fromm/Nordemann/Hertin, Rz. 2 zu §§ 31/32 andererseits. 35 Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, § 6 VII (S. 44 ff.). 36 Forkel, a . a . O . , S . 37 f. 37 Forkel, a . a . O . , § 13IV 3 (S. 192) und passim. 38 Vgl. Ulmer, § 83 II (S. 359 f.); Schricker/Schricker, Rz. 43 vor §§ 28 ff.; Schack U r h R , Rz. 530 f.

150

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestaltungen

( § 1 1 U r h G ) : Der Urheber behält sowohl gegenüber der Allgemeinheit als auch gegenüber dem Inhaber des Nutzungsrechts urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse, die Ausdruck der Bindung des Nutzungsrechts an das Mutterrecht sind.

2. Einwilligung und

Rechtsübertragung

Das Verhältnis der Einwilligung zur Rechtsübertragung ist nicht vollständig geklärt. Die Anwendungsbereiche der Prinzipien „volenti non fit iniuria" und „nullus videtur dolo facere, qui iure suo utitur" 3 9 überschneiden sich immer dann, wenn dem Berechtigten sein Recht vom Betroffenen eingeräumt wurde. Bei den Beratungen zum B G B wurde in Anlehnung an historische Vorbilder 40 erwogen, im Rahmen des Deliktsrechts den Grundsatz zu kodifizieren, daß niemand rechtswidrig handelt, der ein eigenes Recht ausübt 41 , dieser Vorschlag konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Seitdem finden sich in der Literatur zwei Auffassungen, die aber meist nur angedeutet und nicht im einzelnen entwickelt werden. Die eine Gruppe von Autoren differenziert ausdrücklich zwischen der Ausübung eigener Rechte und dem Handeln aufgrund einer Einwilligung, sei es, indem sie im Rahmen der Rechtfertigungsgründe zwischen der Ausübung eines subjektiven Rechts oder der Rechtfertigung durch Vertrag einerseits und der Einwilligung andererseits unterscheiden, sei es, indem sie - ähnlich wie hier - eine Stufenleiter der Erlaubnisse aufstellen und den Begriff der „Einwilligung" der niedrigsten Stufe vorbehalten 42 . Andere sehen die Einräumung eines dinglichen Rechts ausdrücklich als Fall der Einwilligung an 43 oder behandeln die Abgrenzungsfrage nicht, führen aber Beispielsfälle für die Einwilligung heran, in denen die betreffende Erlaubnis üblicherweise in der Form der Rechtsübertragung erfolgt 44 . In der Tat sind die konstitutive Rechtsübertragung und die Einwilligung verwandt. Das Interesse, dessen Verfolgung dem Begünstigten erlaubt wird, 39

Gai. D.50.17.55.

Vgl. § 118 des Sächsischen B G B von 1863: „Wer von seinem Rechte Gebrauch macht, oder mit Einwilligung des Verletzten handelt, begeht keine Rechtsverletzung."; ähnlich P r A L R Teil 1, 6. Tit. § 36 und Art. 211 des Dresdner Entwurfs von 1866. 41 Vgl. den bei Jakobs/Schubert, §§ 823, 826, S. 873 zitierten Antrag zu § 1 des Teilentwurfs „Unerlaubte Handlungen": „Die Verpflichtung zum Schadensersatz fällt weg, wenn der Schadenszufügende in Ausübung eines Rechts gehandelt hat." 4 2 So Enneccerus/Nipperdey, § 212 II 1 (S. 1314); Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 243; Schricker/Schricker, Rz. 17 ff., 27 vor §§ 2 8 ff. ; ähnlich MüKo/ Medicus, Rz. 55 zu § 1004 („untypische, meist gefälligkeitshalber erteilte Erlaubnis" im Gegensatz zu dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Duldungspflichten). 43 v. Tuhr AT II/2, § 88 (S. 468); ähnlich wohl Larenz SchR II, § 71 I 1 (S. 594). 4 4 So nennt Deutsch A H R , Rz. 262, die Zustimmung zu einem Uberbau als Beispiel der Einwilligung. Diese Zustimmung dürfte aber in aller Regel in F o r m der translativen oder konstitutiven Rechtsübertragung erfolgen, da der Überbauer ein Interesse daran hat, eine gesicherte, dauerhafte Rechtsposition zu erlangen. 40

II.

Rechtsübertragungen

151

kann bei beiden Rechtsinstituten identisch sein, unterschiedlich ist, wie o b e n gesehen, nur die Intensität des durch die Erlaubnis vermittelten R e c h t s s c h u t zes. A n dieser Stelle zeigt sich eine gewisse Spannung zwischen der sachenoder immaterialgüterrechtlichen und der deliktsrechtlichen Perspektive. W e r sich bemüht, sämtliche D i s p o s i t i o n s m ö g l i c h k e i t e n über einen körperlichen oder einen immateriellen Gegenstand systematisch zu erfassen, kann auf eine Differenzierung zwischen Rechtsübertragung, schuldrechtlichem Gestattungsvertrag und einseitiger Einwilligung nicht verzichten. Fragt man j e d o c h schlicht nach der R e c h t m ä ß i g k e i t einer Handlung, so ist weniger bedeutsam, welche Ausprägung des Prinzips „volenti n o n fit iniuria" vorliegt, solange die betreffende Erlaubnis sich als Aktualisierung der Selbstbestimmung des R e c h t s inhabers darstellt. S o erklärt sich, daß vor allem das delikts- und strafrechtliche Schrifttum dieser Abgrenzungsfrage oft keine große A u f m e r k s a m k e i t widmet. D e n n o c h sollte zwischen der Einwilligung im engeren Sinne und intensiveren F o r m e n der Gestattung klar unterschieden werden. A u s systematischer Sicht ist es unbefriedigend, w e n n dieselbe rechtliche Gestaltung im Sachenrecht als E i n r ä u m u n g eines beschränkten dinglichen R e c h t s und im D e l i k t s r e c h t als Einwilligung bezeichnet wird. A u c h aus deliktsrechtlicher Perspektive ist der rechtfertigende A s p e k t bei der A u s ü b u n g subjektiver, v o m B e t r o f f e n e n eingeräumter R e c h t e zweifellos die privatautonom begründete Rechtszuständigkeit, dies sollte auch in der deliktsrechtlichen Terminologie verdeutlicht werden. Z u d e m bestünde, w e n n die „Einwilligung" als O b e r b e g r i f f sämtlicher G e stattungsformen verbraucht wäre, die N o t w e n d i g k e i t , einen neuen, k o m p l e x e n B e g r i f f der „einseitigen, schlichten E i n w i l l i g u n g " zu bilden. Schließlich wird die Frage, welche F o r m der Gestattung vorliegt, auch im D e l i k t s r e c h t bei der F r a g e der W i d e r r u f l i c h k e i t relevant. B e r u h t die R e c h t f e r t i g u n g auf einer Rechtsübertragung, so k o m m t ein W i d e r r u f durch den I n h a b e r des S t a m m rechts nur ausnahmsweise und unter den besonderen Voraussetzungen in B e tracht, die für das jeweilige Rechtsverhältnis gelten. D e m g e g e n ü b e r ist die schlichte Einwilligung in aller Regel widerruflich. E s erscheint damit vorzugsw ü r d i g , alle A u s p r ä g u n g e n des Satzes „volenti n o n fit iniuria" unter d e m O b e r b e g r i f f der „ G e s t a t t u n g " o d e r der „ E i n w i l l i g u n g im weiteren S i n n e " z u s a m m e n z u f a s s e n , der sich in R e c h t s ü b e r t r a g u n g , s c h u l d r e c h t l i c h e n G e stattungsvertrag und einseitige Einwilligung im engeren Sinne untergliedert.

3. „ Gebundene

Übertragung"persönlichkeitsrechtlicher

Befugnisse ?

a) D e r M e i n u n g s s t a n d W ä h r e n d sich diese A b g r e n z u n g im S a c h e n - u n d I m m a t e r i a l g ü t e r r e c h t 4 5 o h n e weiteres d u r c h f ü h r e n läßt, ist sie im B e r e i c h der P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t e Z w e i 45 Besonderheiten gelten für das Urheberpersönlichkeitsrecht, s. dazu die folgenden Ausführungen und unten, § 10 III 3.

152

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

fein ausgesetzt. Einerseits gelten Persönlichkeitsrechte als unübertragbar, andererseits kann durchaus ein praktisches Bedürfnis dafür bestehen, bindende Dispositionen über Persönlichkeitsrechte zuzulassen. Soweit Vereinbarungen über Persönlichkeitsrechte überhaupt Gegenstand gesetzlicher Normen sind, sehen diese indes meist als Dispositionsmöglichkeit nur die „Einwilligung" vor 46 . Die Einwilligung muß also im persönlichkeitsrechtlichen Bereich möglicherweise Funktionen erfüllen, für die im vermögensrechtlichen Bereich verschiedene Arten der Rechtsübertragung zur Verfügung stehen 47 . Vor allem ist die Einwilligung nach verbreiteter Ansicht das geeignete rechtliche Instrument zur wirtschaftlichen Verwertung von Persönlichkeitsrechten. Für die herrschende Lehre liegt dieser Gedanke in der Tat nahe, denn sie folgert aus dem Grundsatz der Unübertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten, daß die Nutzung von Persönlichkeitsaspekten nicht mit gegenständlicher, sondern nur mit schuldrechtlicher Wirkung gestattet werden kann 48 , sei es in der Form eines schuldrechtlichen Gestattungsvertrags, sei es in der Form der einseitigen, rechtfertigenden Erlaubnis 49 . Die widerrufliche Einwilligung nach medizinrechtlichem Vorbild ist jedoch als Instrument der Kommerzialisierung nur bedingt geeignet, da sie dem Handelnden lediglich eine äußerst schwache, von der Willkür des Einwilligenden abhängende Eingriffsbefugnis verschafft und das Vertrauen des Handelnden auf den Fortbestand der Einwilligung nicht zu schützen vermag. Ein vor allem von Helle, Dasch und Gotting aufgezeigter Weg führt über eine Anreicherung der Einwilligung um Elemente der Lizenz. Erstens soll es trotz der einseitigen Natur der Einwilligung möglich sein, sie in unwiderruflicher oder jedenfalls eingeschränkt widerruflicher Weise zu erteilen 50 . Zweitens soll die durch die Einwilligung erlangte Rechtsposition analog §§ 413, 398 BGB übertragbar sein 51 . Schließlich kann sich der Einwilligungsempfänger zwar nicht aus eigenem Recht gegen Dritte wehren, praktisch läßt sich jedoch das gleiche Ergebnis erreichen, wenn man die Möglichkeit der gewillkürten Prozeßstandschaft bejaht 52 . Allerdings wird diese Konstruktion aus zwei Richtungen angegriffen. A m einen Ende des Meinungsspektrums stehen diejenigen Autoren, die der wirtSo etwa die §§ 22 KUG; 22 I, 24 II HGB; 4 I BDSG. So ausdrücklich Dasch, S. 35. 48 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 114ff. und AfP 1985, 93 {W)-,Dasch, S. 35; Gotting, S. 142 (weitergehend aber S. 279); zum Namensrecht MüKo/Schwerdtner,Kz. 128, 134 z u § 12. 49 Helle, AfP 1985, 93 (94) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 102; Dasch, S. 29; Gotting, S. 145. 50 Helle, AfP 1985,93 (100) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 117; Dasch, S. 85 ff.; Gotting, S. 149 ff. 51 Helle, AfP 1985, 93 (99) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 109; Dasch, S. 94 f.; Gotting, S. 162 ff. 52 Dafür BGHZ 119,237 (242); Prantl, AfP 1984,17 (21); Schricker, EWiR § 22 KUG 1/ 87, 80; krit. insoweit allerdings Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 116. 46

47

II.

Rechtsübertragungen

153

schaftlichen Verwertung von Persönlichkeitsrechten insgesamt skeptisch gegenüberstehen. So hält Schack es nicht für die Aufgabe der Rechtsordnung, die maximale Kommerzialisierung der Persönlichkeit durch Schaffung eines neuen marktgängigen Immaterialgüterrechts abzusichern, da es sich in letzter Konsequenz gegen das Individuum selbst richten und seine Persönlichkeit für Dritte verfügbar machen würde 5 3 . Im Anschluß an diesen Gedanken vertritt Peifer die These, die Persönlichkeitsrechte schützten in erster Linie ideelle Interessen, sie dürften nicht in handelbare Marktgüter umgewandelt werden 54 . Die Individualität einer Person sei von ihr nicht ablösbar und mithin auch nicht übertragbar 5 5 . Auch für Baston-Vogt dient das Persönlichkeitsrecht vorwiegend ideellen Interessen, es solle nicht die „möglichst reibungslose Vermarktung", sondern vielmehr die Selbstbestimmung seines Trägers sichern 56 . In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung weitgehend parallel zur medizinrechtlichen Einwilligung zu beurteilen und insbesondere ihren jederzeitigen Widerruf zuzulassen. Der Einwilligende wäre dann nur schuldrechtlich zur Erteilung der Einwilligung verpflichtet. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so setzt er sich vertraglichen Schadensersatzansprüchen aus, die betreffende Handlung muß aber unterbleiben 5 7 . Vom anderen Ende der Meinungspalette läßt sich hingegen einwenden, die Einwilligung sei wegen ihrer Schwäche als Grundlage für wirtschaftliche Dispositionen insgesamt ungeeignet, es gehe in Wirklichkeit darum, die Übertragung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse in gewissem Ausmaß zuzulassen. In extremer Form ist diese Auffassung im US-Recht verwirklicht. Hier wurde schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts das right of privacy richterrechtlich anerkannt 5 8 . Diese Recht schützt den einzelnen in seiner Privatsphäre, es wird daher oft plakativ als das „Recht, in Ruhe gelassen zu werden" (right to be left alone) bezeichnet. Als verstärkt Fälle der kommerziellen Verwertung von Bildern und Namen bekannter Persönlichkeiten vor die Gerichte gelangten, zeigten sich die Grenzen dieses Rechts. Da es sich auf den privaten Bereich bezog, versagte es, wenn der jeweilige Kläger gerade bewußt an die Öffentlichkeit ging. Vor diesem Hintergrund spaltete sich in der Rechtsprechung aus dem right of privacy das right of publicity ab, das einer Person das alleinige 53 Schack UrhR, Rz. 51, AcP 195 (1995) 594 f. und JZ 2000, 1060 (1062); ähnlich Peifer, S. 315ff., 325f.; vgl. auch Wandtke, GRUR 1995, 385 (391). 54 Peifer, S. 270 ff., 326. 55 A.a.O., S. 325. 56 Baston-Vogt, S. 252f. 57 Baston-Vogt, S. 236f.; einschränkend jedoch Peifer, S. 314 (Einwilligung als schuldvertraglicher Ausübungsverzicht). 58 Zu Entwicklung und Inhalt des right of privacy und des right of publicity vgl. McCarthy, Kap. 1 und passim; Gotting, S. 168 ff.; Peifer, S. 274 ff.

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$ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Recht garantiert, Persönlichkeitsmerkmale zu vermarkten. Dieses Recht ist nach überwiegender Auffassung ein Immaterialgüterrecht, an dem nicht nur ausschließliche Lizenzen erteilt werden können, sondern das sogar vollständig übertragbar ist. Ein drastisches Beispiel bietet der Brooke Shields-Fall, in dem es der Schauspielerin versagt wurde, die Verbreitung von Nacktaufnahmen zu verhindern, die von ihr als Zehnjähriger angefertigt wurden. Die Eltern hatten die Rechte an diesen Aufnahmen in einem Lizenzvertrag übertragen, und das Gericht wies die Klage unter Hinweis auf die bindende Natur dieser Übertragung ab59. Auch im deutschen Recht vertreten einige Autoren ein dualistisches Modell und unterscheiden zwischen Persönlichkeitsrechten und Persönlichkeitsgegenständen, die sich - nach dem Beispiel des Markenrechts - zu Immaterialgüterrechten verselbständigt haben. Gerade das Firmenrecht wird häufig auch dann als reines Immaterialgüterrecht aufgefaßt, wenn es sich um eine Personenfirma handelt60, allgemeiner unterscheidet Klippel zwischen einem Namenspersönlichkeits- und einem Namensimmaterialgüterrecht61. Beuthin und Schmölz führen in Anlehnung an die Immaterialgüterrechte den Begriff der „Persönlichkeitsgüterrechte" ein, die als Vermögensrechte in weitgehendem Maße übertragbar sein sollen62. Nach dieser Auffassung bleibt es beim Grundsatz der Unübertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten. Dennoch braucht die Einwilligung dann nicht als Instrument der wirtschaftlichen Verwertung bemüht zu werden, wenn sich das betreffende Persönlichkeitsinteresse von der Persönlichkeit abgespalten und zum selbständig übertragbaren Immaterialgüterrecht entwickelt hat. Ein anderer Ansatz orientiert sich an der monistischen Theorie des deutschen Urheberrechts, das die vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers in einem einheitlichen Recht schützt63. Nach diesem Vorbild lassen sich auch Persönlichkeitsrechte als einheitliche Rechte mit vermögensrechtlichen Elementen begreifen64, an denen in gewissem Ausmaß gegenständliche Nutzungsrechte oder Lizenzen erteilt werden können. Protagonist dieser Ansicht ist Hans Forkel, der seine oben vorgestellte Theorie der gebundenen Rechtsübertragung jedenfalls dann auf Persönlichkeitsrechte angewandt wissen will, wenn diese eine gewisse Vergegenständlichung 59 Shields v. Gross, 448 N.E.2d 108, 461 N. Y.2d 254 (1983), dazu McCarthy, § 10.39; Gotting, S. 236; näher zu dieser Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Einwilligungsbefugnis unten, § 11 III. 60 Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (497); Gotting, S. 122; so mittlerweile auch Canaris H R , § 10, Rz. 9 unter Aufgabe der bis zur Voraufl. vertretenen Auffassung. 61 Klippel, Schutz des Namens, S. 479 ff. 62 Beuthien/Schmölz, S. 25 ff. 63 § 11 UrhG. Grundlegend zur monistischen Theorie Ulmer, § 18 (S. 114 ff.). 64 In diese Richtung tendiert nunmehr auch der B G H in seiner Marlene DietrichEntscheidung, B G H Z 143, 214, näher hierzu im folgenden Text.

II.

Rechtsübertragungen

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erfahren haben 65 . Durch die Rechtsübertragung erlange der Begünstigte eine abgesicherte Stellung, insbesondere sei es konstruktiv ohne weiteres möglich, seine Klagebefugnis gegen Dritte aus eigenem Recht und die Übertragbarkeit der Befugnis zu begründen. Andererseits werde durch die gebundene Ubertragung nicht etwa ein Ausverkauf der Persönlichkeit bewirkt, da erstens die Rechtseinräumung begrenzt und zweckgebunden sei und da zweitens eine Bindung an das Stammrecht bestehen bleibe, die sich etwa in einer Widerrufsmöglichkeit des Rechtsinhabers aus wichtigem Grund äußere. Folgt man dieser Ansicht, so kann auch für Dispositionen über Persönlichkeitsrechte die gesamte Stufenleiter der Gestattungen mit Ausnahme der translativen Ubertragung zur Verfügung stehen. Allerdings muß für jeden einzelnen Persönlichkeitsaspekt ermittelt werden, in welchem Maß er von der Persönlichkeit ablösbar und damit disponibel ist. Die Rechtsprechung bietet kein ganz einheitliches Bild. Nach der Uniixjrszi^fseraWera-Entscheidung des B G H kann eine Universität einem Merchandising-Unternehmen kein dingliches Nutzungsrecht an ihrem Namen, Wappen und Siegel einräumen, sondern nur durch schuldrechtlichen Vertrag die Ausübung des Namensrechts gestatten 66 . Auch die namensrechtliche Gestattung des bisherigen Inhabers gemäß §§ 22 I, 24 II HGB bei der Firmenfortführung wird entweder als obligatorischer Gestattungsvertrag 67 oder als einseitige Gestattung eingestuft 68 . Entsprechend kann nach einer Entscheidung des OLG München das Recht am eigenen Bild nicht Gegenstand eines dinglich wirkenden Nutzungsrechts sein 69 . Eine gegenläufige Tendenz zeigt sich hingegen in den BGH-Entscheidungen Nena70 und Marlene Dietrich71. Im erstgenannten Fall hatte die Schlagersängerin einem Verwerter in einem „Merchandising- Sponsor-Promotion-Vertrag" „sämtliche für die kommerzielle Nutzung des akustischen und optischen Umfeldes von N E N A erforderlichen Rechte (...), insbesondere das Recht am eigenen Bild" übertragen. Der B G H sprach dem Verwerter einen Bereicherungsanspruch gegen einen 65 Forkel, FS Paulick, S. 101 ff.; GRUR 1988,491 ff.; NJW 1993,3181 ff.; LM § 823 (Ah) Nr, 231; ebenso Brandl, AfP 1981, 351; Freitag, S. 164 ff.; Gotting, S. 279 (dagegen aber S. 162 mit Fußn. 104); Magold, S. 515 ff., 666 f.; MüKo/Rixecker, Rz. 44, Anh. § 12; Ulimann, WRP 2000, 1049 (1053); Wenzel, Rz. 7.34; in diesem Sinne bereits Adler, JW 1921, 824 (825). 66 BGHZ 119, 237 (240) „Universitätsemblem". 67 BGHZ 122, 71 (73) - „Decker"; GRUR 1991, 393 (395) - „Ott International". 68 OLG München, DB 1999, 2353 (2354) - „ v o s s m s . d e " , offen aber mittlerweile BGH „vossius.de". NJW 2002, 2093 - „Vossius & Partner"; NJW 2002, 2096 69 OLG München ZUM 1997, 388 - „Schwarzer S h e r i f f . 70 GRUR 1987,128, dazu Schricker, EWiR § 22 KUG, 1/87; Hubmann, Schulze BGHZ 356, 5 ff. 71 BGHZ 143, 214, vgl. dazu die Anm. v. Gotting, NJW 2001, 585 ff.; Schock, JZ 2000; 1060 ff.; Wagner, GRUR 2000, 717 ff.; vgl. auch die Parallelentscheidung BGH LM § 823 (Ah) BGB Nr. 132 m. Anm. Forkel = GRUR 2000, 715 - „Der blaue Engel".

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§ 8 Die Stufenleiter der Gestattungen

Konkurrenten zu, der unerlaubt Fanartikel mit dem Bild der Sängerin vertrieben hatte. In der Begründung bezeichnet der B G H die Frage, ob das Recht am eigenen Bild wegen seines persönlichkeitsrechtlichen Charakters übertragbar sei, ausdrücklich als „umstritten". Auf die Streitfrage komme es aber nicht an, denn jedenfalls sei die Klägerin aufgrund der von Nena erteilten „Generalermächtigung" hinsichtlich des Anspruchs aus § 812 I 1, 2. Alt. B G B aktivlegitimiert. Die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses bleibt in der Entscheidung aber im dunkeln 72 . Vor allem wird nicht deutlich, ob der B G H die Möglichkeit einer gebundenen Rechtsübertragung anerkennt 7 3 , oder das Ergebnis auf eine gewillkürte Prozeßstandschaft stützt 74 . Hingegen war im Marlene Dietrich-Fall die Frage nach der Ubertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten inter vivos nicht entscheidungserheblich, da es um Ansprüche der Erbin gegen die unerlaubte Verwendung des Namens ihrer Mutter ging. Allerdings setzt sich die Urteilsbegründung ausführlich mit der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsaspekten auseinander und bekennt sich zu der Auffassung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen dienten nicht nur dem Schutz ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit 7 5 . Eine Reihe von Gesichtspunkten spreche dafür, daß „die Vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht in derselben Weise unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden seien wie der Teil des Persönlichkeitsrechts, der dem Schutz ideeller Interessen" diene 76 . Hinter der Problematik verbergen sich zwei Fragen: zum einen die stark rechtspolitisch geprägte Frage, in welchem Umfang Persönlichkeitsrechte disponibel und insbesondere der kommerziellen Verwertung zugänglich sein sollten (b), zum anderen die rein rechtsdogmatische Frage, wie sich diese Dispositionen konstruktiv verwirklichen lassen (c). b) Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte? Die erste Frage kann in dieser Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden, da sie umfangreiche Untersuchungen zu Natur und Dogmatik der Persönlichkeitsrechte erfordern würde. Die Einwilligungsdogmatik betrifft hingegen nicht die Natur des jeweiligen subjektiven Rechts, sondern nur das Instrument der Disposition, und berührt querschnittartig sämtliche subjektiven 72 Krit. daher Larenz/Canaris, § 69 I 2 d (S. 175); Gotting, S. 63; Helle, RabelsZ 60 (1996) 448 (467); Hubmann, Schulze BGHZ 356,5 (8); Schricker, EWiR 1987, § 22 KUG/1. 73 Dafür Hubmann, a.a.O.; Ulimann, WRP 2000, 1049 (1052). 74 Dafür Schricker a.a.O. 75 BGHZ 143, 214 (erster Leitsatz und 219). 76 A.a.O. S. 221 ff. mit zahlreichen Nachweisen, vgl. auch Ullmann, WRP 2000, 1049 (1051 f.); zust. Forkel,Anm. zu BGH LM § 823 (Ah) BGB Nr. 132; Gotting, NJW 2001, 585 ff.; Wagner, GRUR 2000, 709 (717f.), krit. Schack, JZ 2000, 1060 (1062).

II.

Rechtsübertragungen

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Rechte. Daher sei die Antwort nur skizziert, bevor die eigentlich relevante zweite Frage aufgegriffen wird. Ergänzend sei auf die inzwischen recht umfangreiche Literatur zu dieser Problematik, vor allem auf die Arbeiten von ForkeF7, Gotting78 und Peifer79 sowie die umfangreichen Nachweise in der Marlene ßzeinc^-Entscheidung 80 verwiesen 81 . Sicherlich stand bei der Entwicklung der Persönlichkeitsrechte deren ideelle Ausrichtung im Vordergrund 82 . Die Unterscheidung zwischen dem Eigentum als „äußerer Sphäre der Freiheit" (Hegel)*3 und der autonomen Persönlichkeit selbst hat, wie gesehen, eine weit zurückreichende rechtsphilosophische Tradition 84 . Dementsprechend erschienen lange die Begriffe „Vermögensrecht" und „Persönlichkeitsrecht" als Gegensatzpaar. Bezeichnend sind die Ausführungen des RG im Graf Zeppelin-Fall, einer frühen Entscheidung zur Kommerzialisierung von Persönlichkeitselementen: „Einem fein fühlenden Menschen widerstrebt es, wenn sein Name mit gewissen Waren in Verbindung gebracht oder von übel beleumundeten Firmen benutzt wird." 85 Die Erfahrungen der NS-Diktatur, die schließlich zur Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die zivilrechtliche Rechtsprechung führten, trugen zur Betonung des ideellen Charakters bei. In seiner Schachtbrief-Entscheidung, die allerdings keine vermögensrechtlichen Aspekte zum Gegenstand hatte, stützte sich der B G H auf Art. 1 I i.V. m. Art. 2 I GG 86 , während Art. 14 GG, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht bisher nicht herangezogen wurde. Allerdings erkannten mit Gierkeiv, Gareisss und Kohlet schon früh führende Theoretiker des Persön77 Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 9, 192 ff.; FS Paulick, S. 101 ff.; G R U R 1988, 491 ff. 78 Gotting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte (1995). 79 Peifer, Individualität im Zivilrecht (2001). 80 B G H Z 143, 214 (221 ff.). 81 Vgl. außerdem Freitag, Die Kommerzialisierung von Darbietung und Persönlichkeit des ausübenden Künstlers (1993); Magold, Personenmerchandising - Der Schutz der Persona im Recht der USA und Deutschlands (1994); Helle, RabelsZ 60 (1996) 448 ff.; MüKo/Rixecker, Rz. 36ff., Anh. § 12. 82 Vgl. B G H Z 143, 214 (218); Gotting, S. 4ff.; Helle, RabelsZ 60 (1996) 448 (454). 83 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41. 84 S. oben, § 3 II. 85 R G Z 74, 308 (311). Dieser Satz aus der Urteilsbegründung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei der Graf Ze^e/m-Entscheidung um einen frühen Fall der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsaspekten handelt, vgl. auch Gotting, S. 45 f.; Ulimann, W R P 2000, 1049 (1052). Graf Zeppelin verwendete seinen Namen und sein Bild selbst kommerziell und wurde vom RG gegen die unerlaubte Kommerzialisierung durch einen Dritten geschützt. Für ein abgeleitetes dingliches Namensrecht bereits Adler, JW 1921, 824 (825). 86 B G H Z 13,334. 87 v. Gierke, § 81 II 2 (S. 706). 88 Gareis, A d H W R 35 (1877) 185 (201 f.); vgl. auch Klippel, FS Traub, S. 211 (226). 89 Köhler, § 190 VII (S. 520 ff.).

158

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

lichkeitsrechts dessen vermögensrechtliche Bedeutung an, auch Hubmann, dessen Monographie die Grundlage für die Entwicklung der persönlichkeitsrechtlichen Dogmatik nach dem 2. Weltkrieg bildet, verschließt sich ihr nicht 90 . Die Rechtsprechung hat die wirtschaftliche Komponente der Persönlichkeitsrechte mittlerweile vor allem in einer Reihe bereicherungsrechtlicher Entscheidungen gegen Ausbeutung durch Unbefugte geschützt 91 und jüngst in der Marlene Dietrich-Entscheidung erneut nachdrücklich anerkannt 92 . In der Tat sitzen die verschiedenen Persönlichkeitsinteressen, um einen vielzitierten Ausdruck von Hubmann zu bemühen, der Person unterschiedlich dicht auf dem Leib 93 . Nicht alle Persönlichkeitsinteressen eignen sich zur kommerziellen Verwertung, doch läßt sich andererseits nicht leugnen, daß einige Persönlichkeitsaspekte durchaus eine vermögensrechtliche Komponente aufweisen können 94 . An dieser Stelle kommen die oben angestellten rechtsethischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen ins Spiel. Persönlichkeitsrechte sind Freiheitsrechte, die ihrem Inhaber die Verfolgung eigener Zwecke erlauben. Oft lassen sich diese Zwecke allein nicht effektiv verfolgen. Schränkt das Recht die Möglichkeit des Rechtsinhabers zur Einschaltung von Hilfspersonen ein, so ist dies eine rechtfertigungsbedürftige Freiheitsbeschränkung 95 . Da das Recht die wirtschaftliche Verwertung von Persönlichkeitsaspekten nicht generell mißbilligt, wie sich etwa mit Satz 2 des § 22 KUG belegen läßt, kann es dem einzelnen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die effektivste Vermarktungsmöglichkeit auch nur dann vorenthalten, wenn sich die gegen die Disposition sprechenden Interessen nicht mit milderen Mitteln erreichen lassen 96 . 90 Allerdings differenziert Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 134 f., zwischen den wirtschaftlich verwertbaren und daher auch unter Art. 14 GG fallenden besonderen Persönlichkeitsrechten und dem einer Kommerzialisierung nicht zugänglichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 91 BGHZ 20, 345 (355) - , , / W Daklke"; 81, 75 (80ff.) - „Carrera"-, GRUR 1979, 732 (734) - „ F u ß b a l l t o r 1 9 9 2 , 557 (558) - Joachim Fuchsberger"; vgl. auch Gotting, S. 49ff. m.w. N. 92 BGHZ 143, 214(219). 93 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 133. 94 Vgl. Gotting, S. 41 ff., 79ff., 134ff.; Peifer, S. 147ff., der insoweit zwischen Persönlichkeitsgütern und Persönlichkeitsinteressen unterscheidet. 95 Der Paternalismusvorwurf an die Gegenansicht läßt sich entgegen Peifer, S. 327, nicht mit Hinweis auf den möglichen markenrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsattributen entkräften, da das Markenrecht nicht die ausschließliche Verwertung des Persönlichkeitsaspekts absichert, sondern in erster Linie dessen Nutzung als Herkunftsindikator schützt, wie auch Peifer, S. 299, selbst einräumt. Wenn aber das rechtliche Instrumentarium für die kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitsaspekten auf eine häufig unpassende Schutzform beschränkt wird und diese Beschränkung unter anderem damit begründet wird, die Verwendung der Persönlichkeitsmerkmale „könne sich gegen die Person selbst richten" (a. a. O., S. 326), so wird die betreffende Person vor den Folgen ihrer eigenen Entscheidung geschützt. S. zur Problematik eines solchen „Schutzes vor sich selbst" oben, § 5 II 3 . 96 Ähnl. Helle, RabelsZ 60 (1996) 448 (460); MüKo/Rixecker, Rz. 44, Anh. § 12.

II.

Rechtsübertragungen

159

Damit wird nicht etwa einer grenzenlosen Kommerzialisierung das Wort geredet. Natürlich kann es Gründe geben, die bindenden Dispositionen über Persönlichkeitsrechte entgegenstehen. Insbesondere können der Schutz des Rechtsinhabers vor übermäßigen zukünftigen Freiheitsbeschränkungen oder vor Druck und Ausbeutung seiner Notlage eine Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit rechtfertigen. Diese Gründe müssen allerdings benannt und gegen das Selbstbestimmungsinteresse des Rechtsträgers abgewogen werden. Diese Abwägung ist sicherlich komplex, sie darf aber nicht durch holzschnittartige Lösungen ersetzt werden. Eine generelle Beschränkung der Dispositionsmöglichkeit des Rechtsinhabers auf das schwache Instrument der widerruflichen Einwilligung würde hingegen weit über das Ziel hinausschießen und damit gegen das auch im Privatrecht geltende Gebot der Verhältnismäßigkeit 97 verstoßen. c) Die Einwilligung als Instrument der Kommerzialisierung? Damit ist die zweite Frage erreicht, der im Rahmen der Einwilligungsdogmatik erheblich größere Bedeutung zukommt: Ist die Einwilligung wirklich das geeignete Instrument, um diese Dispositionen zu ermöglichen? Die Antwort erschließt sich bei einem Blick auf die Interessen der Beteiligten. Erstens liegt es häufig im Interesse beider Vertragspartner, dem Begünstigten eine eigene Klagebefugnis gegen Dritte zu verschaffen. Der Nena-VzW bietet das beste Beispiel: Wer einer Agentur exklusive Vermarktungsrechte einräumt, möchte selbst mit der Rechtsverfolgung nichts zu tun haben 98 . In Parenthese sei angefügt, daß dies sogar der Fall sein kann, wenn es um die Verfolgung rein ideeller persönlichkeitsrechtlicher Interessen geht 99 . Zweitens kann auch eine gewisse Ubertragbarkeit der Befugnis auf Dritte sinnvoll sein, sofern der Begünstigte nicht aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses die einzige Person ist, der die Handlung gestattet werden soll. Drittens muß bei einer namensrechtlichen Gestattung, die dem Empfänger eine Nutzung des Namens als Kennzeichen erlaubt, gewährleistet sein, daß sich der Empfänger auf die Priorität der Kennzeichnung berufen kann 100 . Schließlich ist es interessengerecht, einerseits dem Rechtsinhaber bei Vorliegen wichtiger Gründe den Widerruf der Befugnis zu ermöglichen, andererseits aber den Begünstigten Dazu oben, § 6 I, III, IV. Vgl. auch den Sachverhalt von BGHZ 119, 237 (238) - „Universitätsemblem": Die klagende GmbH hatte sich der Universität Heidelberg gegenüber vertraglich u. a. dazu verpflichtet, gegen die mißbräuchliche Nutzung des Namens, Siegels oder Wappens der Universität vorzugehen. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Verpflichtung den Namensträger selbst entlastet. 99 Vgl. den Sachverhalt von BGHZ 15, 249 - „Cosima Wagner", dazu Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 201 und NJW 1993, 3181; vgl. auch Metzger, S. 47 ff. 100 Vgl. den Sachverhalt von BGHZ 122, 71 „Decker". 97 98

160

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

vor willkürlichen Entscheidungen des Rechtsinhabers zu schützen101. Läßt man zu, daß sich dieser frei von seiner Gestattung lösen kann, so erweitert man zwar vordergründig den Spielraum des Disponierenden, doch auf die zweischneidige Natur dieser Freiheitserweiterung wurde oben bereits hingewiesen102. Schreibt das Recht eine unabdingbare Möglichkeit zum freien Widerruf vor, so wird es erheblich schwieriger, einen Verwerter zu finden, der bereit ist, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Durch die Einräumung einer gegenständlichen Rechtsposition lassen sich diese Ergebnisse zwanglos erreichen. Wie Forkel gezeigt hat, führt eine solche „gebundene Rechtseinräumung" keineswegs zu einer „ideellen Selbstentäußerung" 103 . Erstens ist die konstitutive Rechtsübertragung durch das Interesse begrenzt, dessen Ausübung dem Begünstigten erlaubt werden soll. Im Urheberrecht liegt dieser Gedanke der Zweckübertragungstheorie zugrunde104, die in § 31 IV, V UrhG Ausdruck findet105. Die entsprechende Anwendung dieser Regel auf die Übertragung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse bietet sich an106 und verhindert unbestimmte Generalübertragungen107, die den Disponierenden völlig dem Verwerter ausliefern. Außerdem kann sich die Bindung des Tochterrechts an das Mutterrecht gerade in der Befugnis äußern, die Berechtigung aus wichtigem Grund zu widerrufen108. Sowohl auf die Auslegung von Gestattungen als auch auf deren Widerruf wird später zurückzukommen sein109. Die herrschende Meinung gelangt zwar weitgehend zum gleichen Ergebnis, doch der konstruktive Weg über eine Anreicherung der Einwilligung durch Elemente des Lizenzvertrages ist eine Verlegenheitslösung. Deutlich wird dies vor allem bei der Frage, ob die „unwiderrufliche Einwilligung" ein subjektives Recht vermittelt. In Anlehnung an die herrschende Ansicht zur widerruflichen Einwilligung wird diese Frage häufig verneint, was wiederum 101 Deutlich etwa die Interessenabwägung in O L G München, D B 1999, 2353 (2355) „vossius.de"; B G H N J W 2002, 2093 (2094) - „Vossius & Partner". 102 § § 5 III; 6 IV 2. 103 Wie Baston-Vogt, S. 253, befürchtet. 104 Zur Zweckübertragungstheorie allgemein Ulmer, § 84 III (S. 364f.); Schricker/ Schricker, Rz. 31 zu §§ 31/32; Schack UrhR, Rz. 547; Schweyer, S. 5, 64 ff. und passim, s. auch unten, § 12 II. 105 Vgl. auch §§ 37, 44, 88 II UrhG. 106 So Schricker, FS Hubmann, S. 409 (419) für den Integritätsschutz des Urhebers; Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 16 zu § 60/§ 22 K U G für das Recht am eigenen Bild; Rüll, S. 276 für das Persönlichkeitsrecht des ausübenden Künstlers; für gebundene Rechtsübertragungen Forkel, G R U R 1988, 491 (501); Gotting, S. 280; Freitag, S. 173, Magold, S. 567; näher hierzu unten, § 12 II. 107 Bedenklich insoweit die Annahme einer „Generalermächtigung" durch den B G H im Nena-Fall, G R U R 1987, 128 (129), vgl. Forkel, G R U R 1988, 491 (500f.); Gotting, S. 280. 108 Näher hierzu unten, § 12 IV 3. 109 Unten, § 12 II, IV.

II.

Rechtsübertragungen

161

zu konstruktiven Schwierigkeiten bei der Übertragung führt. Nach Gotting ist „die Einwilligung" analog §§ 413, 398 B G B übertragbar, wobei nicht immer deutlich wird, ob die Einwilligung nur eine Erklärung oder auch eine Rechtsposition ist 110 . Dasch spricht immerhin von der Übertragung der „aus der Einwilligung resultierenden Befugnis", doch auch hier wird nicht recht klar, warum diese Befugnis einerseits kein subjektives Recht darstellt, andererseits aber hinsichtlich der Übertragbarkeit wie ein solches zu behandeln ist 111 . Ein Blick auf die Interessen der Beteiligten zeigt, daß der Gestattungsempfänger eine vom Willen des Gestattenden unabhängige Rechtsstellung, also nichts anderes als ein echtes Verwertungsrecht erlangen soll. Ein solches subjektives Recht entsteht nach der Systematik des B G B - von atypischen Ausnahmen abgesehen112 - nicht durch einseitige Erklärung, sondern nur durch Vertrag. Nach der Gegenansicht läßt hingegen die einseitige Einwilligung eine Position entstehen, die sich ohne dogmatische Unstimmigkeiten nicht klar bezeichnen läßt. Wer immerhin von vornherein von einem schuldrechtlichen Gestattungsvertrag oder einer vertraglichen Überlassung der Ausübung spricht, vermeidet zwar diese Schwierigkeit, da Gegenstand der Abtretung ein Anspruch ist, muß aber, um dem Verwerter einen eigenen Rechtsschutz gegen Dritte zu ermöglichen, Zuflucht zur „Krücke" 113 der gewillkürten Prozeßstandschaft nehmen und sich zugleich darüber hinwegsetzen, daß diese grundsätzlich die Abtretbarkeit des geltend gemachten Rechts voraussetzt114. Auch die Berufung des Vertragspartners auf die kennzeichenrechtliche Priorität erreicht die herrschende Meinung nur mit der Hilfskonstruktion einer Analogie zu § 986 I BGB 1 1 5 . Aus methodologischer Sicht birgt die Instrumentalisierung der Einwilligung für die wirtschaftliche Nutzung von Persönlichkeitsaspekten schließlich die Gefahr, daß Rechtssätze, die für die schwache Dispositionsform der widerruflichen Einwilligung entwickelt wurden, wegen der Gleichheit des Begriffs ungeprüft auf die intensivere Stufe der „unwiderruflichen Einwilligung" übertragen werden. Läßt man hingegen auch für Dispositionen über Persönlichkeitsrechte die gesamte Stufenleiter des „volenti non fit iniuria" mit Ausnahme der translativen Rechtsübertragung zu, so wird eine klare 110 Gegen die Entstehung eines subjektiven Rechts Gotting, S. 162 mit Fußn. 104; im Sinne der hier vertretenen Ansicht hingegen S. 279. 111 Die Begründung der Analogie fällt sowohl bei Dasch, S. 95, als auch bei Gotting, S. 162, insb. Fußn. 104, recht knapp aus. Insoweit zutreffend die Kritik von Schack, AcP 195 (1995) 594 (598) an der Auffassung Gottings. 112 Die Auslobung (§ 657 B G B ) ist eine einseitige Erklärung, die einen Anspruch auf die ausgelobte Belohnung begründet. 113 Helle, RabelsZ 60 (1996) 448 (466). 114 B G H G R U R 1969, 426 (428) - „Detektei"; 1978, 583 (585) - „Motorkettensäge" m. Anm. Harmsen; 1983, 379 (381) - „Geldmafiosi'; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 116. 115 B G H Z 122, 71 (74) - „Decker"; krit. insoweit Canaris HR, § 10, Rz. 30.

162

§ 8 Die Stufenleiter der Gestattungen

Unterscheidung zwischen der Rechtsübertragung, dem schuldrechtlichen Gestattungsvertrag und der schwachen, weil widerruflichen Einwilligung möglich. Selbst wenn es auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, trägt diese Differenzierung zum Schutz der Persönlichkeit bei, weil die Rechtsübertragung nicht unter dem verharmlosenden Etikett der „Einwilligung" verborgen wird, sondern in ihrer ganzen Konsequenz zum Ausdruck kommt. d) Einwände D a die Lehre von der konstitutiven, „gebundenen" Übertragung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse angemessene Ergebnisse mit Hilfe einer K o n struktion erreicht, die gegenüber der herrschenden Meinung den Vorzug größerer Einfachheit und Klarheit hat, kann sie nur verworfen werden, wenn ihr zwingende Einwände entgegenstehen. Hier drängt sich erstens das D o g m a der Unübertragbarkeit der Persönlichkeitsrechte auf. Es ist aber zu undifferenziert, da es im Hinblick auf die translative Rechtsübertragung formuliert ist. Ein völliger Ausschluß der konstitutiven Rechtsübertragung wird hieraus zwar in der Literatur gelegentlich abgeleitet, läßt sich aber, wie gesehen, weder rechtsphilosophisch noch privatrechtsdogmatisch begründen. Ein zweiter Einwand ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, denn in verschiedenen einschlägigen N o r m e n ist ausdrücklich von der „Einwilligung" die Rede. D a der Gesetzgeber an anderer Stelle von „Übertragungen" 1 1 6 „Lizenzen" 1 1 7 oder der Einräumung von „Nutzungsrechten" 1 1 8 spricht, scheint daraus e contrario die Unzulässigkeit der konstitutiven Rechtsübertragung jedenfalls im Bereich der §§ 22 H G B , 22 K U G zu folgen. D e m ist aber zu entgegnen, daß die Dogmatik der Persönlichkeitsrechte in diesem Punkt bisher nicht so weit gereift ist, daß sich eine allgemein akzeptierte Begrifflichkeit entwickelt hat. N o c h erheblich weniger war dies der Fall, als die §§ 22 H G B , 22 K U G entstanden. D e r Wortlaut des § 2 2 H G B , der auf das 1857-1861 entstandene A D H G B zurückgeht, wurde zwar bisweilen als Argument gegen die M ö g lichkeit einer Übertragung der Firma angeführt 1 1 9 , sollte aber - um eine frühe Kommentierung des A D H G B zu zitieren - wohl nur zum Ausdruck bringen, daß die Fortführung der Firma einer „ausdrücklichen Übereinkunft beziehungsweise Disposition" 1 2 0 bedarf. Zudem sprach schon seinerzeit § 23 H G B von der „Veräußerung" der Firma 1 2 1 . D i e Begründung 1 2 2 und die Beratungen §§15 1 PatG; 22 I GebrMG; 3 GeschmMG. §§ 15 II PatG; 22 II GebrMG; 30 I MarkenG. 118 §31 IUrhG. 119 Staub3/Würdinger, Anm. 33 zu § 22; Anklänge an eine begriffliche Argumentation auch in RGZ 9, 104(106). 120 v. Hahn, § 6 zu Art. 22 ADHGB (1877). 121 Vgl. Canaris HR, § 10, Rz. 30. 122 Abgedr. in GRUR 1906, 11 (25). 116 117

II.

Rechtsübertragungen

163

des Reichstags 123 zu § 22 K U G aus dem Jahre 1906 machen deutlich, daß die sachliche Berechtigung des Rechts am eigenen Bilde und seine Schranken heftig umstritten waren, daß aber der Art der Disposition keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es ist also bereits problematisch, die Wahl des Begriffs „Einwilligung" als bewußte gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Rechtsübertragung anzusehen. Im übrigen ist fraglich, ob die Rechtswissenschaft an überholte dogmatische Vorstellungen des historischen Gesetzgebers gebunden ist 124 . Ein Beispiel, in dem die Praxis den Begriff der „Einwilligung" weit auslegt, ist § 23 U r h G : Obwohl in dieser Vorschrift von der „Einwilligung" des Urhebers in Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werks die Rede ist, subsumiert die herrschende Meinung darunter auch die Einräumung gegenständlicher Nutzungsrechte 1 2 5 . Nachdem §§ 22 H G B , 22 K U G keine eindeutigen Indizien enthalten, die gegen die Zulässigkeit konstitutiver Rechtsübertragungen sprechen, erscheint auch hier eine enge Auslegung nicht zwingend. Drittens hat namentlich Helle Bedenken dagegen, im Wege der Rechtsfortbildung gesetzlich nicht vorgesehene dingliche Rechte zu schaffen 126 . Allerdings gibt es außerhalb des Sachenrechts keinen numerus clausus der vom Rechtsinhaber einräumbaren gegenständlichen Befugnisse 127 . Im Immaterialgüterrecht ist allgemein anerkannt, daß ein solcher Grundsatz angesichts der Vielfalt möglicher Nutzungsarten die Verwertungsfreiheit des Rechtsinhabers unangemessen einschränken würde. Dem Verkehrsinteresse an klar abgegrenzten Rechtspositionen, das den Typenzwang im Sachenrecht legitimiert, kommt demgegenüber im Immaterialgüterrecht eine geringere Bedeutung zu 1 2 8 . Diese Überlegung muß erst recht für den Bereich der Persönlichkeitsrechte gelten, dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber weitgehend unterlassen hat. Hier bestehen entgegen Helle keine Bedenken dagegen, eine Herausbildung neuer gegenständlicher Rechte im Wege der Rechtsfortbildung zuzulassen. Schließlich kann viertens eingewandt werden, daß die konAbgedr. in G R U R 1906, 156 ff. Vgl. hierzu Pawlowski MethL, Rz. 407, 411. 125 Der Begriff der „Einwilligung" nach § 23 U r h G umfaßt also die gesamte Stufenleiter der Gestattungen von der Einräumung eines gegenständlichen Nutzungsrechts über die schuldrechtliche vertragliche Gestattung bis hin zur einseitigen Einwilligung, s. Schricker/ Loewenheim, Rz. 19 zu § 23; v. Gamm, Urheberrecht, Rz. 3 zu § 23; a. A. Fromm! Nor demann/Vinck, Rz. 3 zu § 23; Möhring/Nicolini/Ahlberg, Rz. 14 zu § 23, beide allerdings unter verfehltem Bezug auf § 183 B G B . 126 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 114 und RabelsZ 60 (1996) 448 (474). Ergänzend argumentiert Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 115, es sei auch nicht möglich, einem Vertragspartner die Benutzung körperlicher Gegenstände mit dinglicher Wirkung zu gestatten. Diese Auffassung ist unzutreffend, wie das Beispiel des Nießbrauchs (§§ 1030 ff. B G B ) zeigt. 127 S. oben, Fußn. 31. 128 Allerdings gebietet das Verkehrsinteresse nach h.M. eine hinreichend klare Abgrenzbarkeit der übertragenen Befugnisse, s. oben, Fußn. 31. 123

124

164

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

stitutive Rechtsübertragung als Erklärungsmodell für zahlreiche persönlichkeitsrechtliche Dispositionen nicht taugt, weil sie entweder bezogen auf die konkrete Interessenlage zu weit geht oder weil sie Einwänden aus dem Regelungszusammenhang des betreffenden Rechtsgebiets ausgesetzt ist. Beides ist richtig, spricht aber nicht gegen den hier entwickelten Gedankengang. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei betont, daß jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob das betreffende Persönlichkeitsinteresse der gebundenen Ubertragung zugänglich ist. Dabei müssen sowohl die Aspekte, die gegen eine Bindung des Rechtsinhabers sprechen, als auch die rechtliche Ausgestaltung des betreffenden Persönlichkeitsinteresses berücksichtigt werden. Beispiele für diese Abwägung werden unten erörtert, doch sei bereits hier darauf verwiesen, daß schon die wenigen einschlägigen gesetzlichen Regelungen auf eine Palette der Dispositionsmöglichkeiten von der Anerkennung einer Verwertung gegen Entgelt beim Bildnis (§ 22, 2 KUG) bis zum Verbot der kommerziellen Verwertung von Körperteilen hinweisen 129 . Hier geht es nur um den Nachweis, daß grundsätzlich auch im persönlichkeitsrechtlichen Bereich die gesamte Stufenleiter des „volenti non fit iniuria" mit Ausnahme der translativen Rechtsübertragung zur Verfügung steht. Die These, daß Persönlichkeitsinteressen der konstitutiven Rechtsübertragung niemals zugänglich sind, erweist sich damit als ebenso falsch wie die umgekehrte Behauptung, Rechtsübertragungen seien hier stets möglich. Der Ertrag dieser Überlegung besteht nicht in einem Patentrezept zur Lösung aller schwierigen Einzelfälle, sondern in einer Konturierung des Einwilligungsbegriffs. Auch im Rahmen von Dispositionen über Persönlichkeitsrechte läßt sich klar zwischen der konstitutiven Rechtsübertragung, dem schuldrechtlichen Gestattungsvertrag und der einseitigen Einwilligung unterscheiden. Der Versuch, die einseitige Einwilligung zum Instrument der Kommerzialisierung zu machen, führt zu vermeidbaren Unklarheiten und ist daher abzulehnen. Das bedeutet allerdings auch, daß der schwankende Gebrauch des Einwilligungsbegriffs durch den Gesetzgeber noch nicht abschließend darüber bestimmt, welches Rechtsinstitut sich dahinter verbirgt. So gebührt, um ein Beispiel anzuführen, Köhler Zustimmung dafür, daß er in einem Beitrag zum Firmenrecht den Begriff der „Einwilligung" in §§ 22 ff. HGB stets in Anführungszeichen setzt. Auf die Rechtsnatur dieser angeblichen „Einwilligung" wird zurückzukommen sein 130 , doch sei vorweggenommen, daß sie in Wirklichkeit je nach dogmatischem Ansatz entweder Rechtsübertragung nach §§ 413, 398 BGB 131 , gegebenenfalls kombiniert mit einer namensrechtlichen Forkel, Anm. zu BGH LM § 823 (Ah) BGB Nr. 123. S. unten, § 101112 b. 131 So die heute ganz herrschende Ansicht, vgl. BGH NJW 1994, 2025 (2026); Baumbach/Hopt, Rz. 8 zu § 22; MüKo/Bokelmann, Rz. 41 zu § 22; Canaris HR, § 10, Rz. 30; Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (499 f.). 129 130

III. Schuldrechtliche

Gestattungsverträge

165

Gestattung 132 , oder schuldrechtlicher Gestattungsvertrag 133 ist. Lediglich um eine einseitige Einwilligung im engeren Sinne dürfte es sich in aller Regel nicht handeln 134 . Das Ergebnis ist eine Entlastung der Einwilligungslehre. Da auch Persönlichkeitsrechte im Grundsatz Gegenstand echter Lizenzen oder Nutzungsrechte sein können, besteht für die Rechtswissenschaft die Aufgabe, in Analogie zum Urheberrecht ein eigenes Persönlichkeitsvertragsrecht zu entwickeln. Die Einwilligungsdogmatik ist hierfür ungeeignet. Die vorliegende Arbeit wird diese Aufgabe daher nicht erfüllen können. Immerhin werden unten im Zusammenhang der Einwilligungsvoraussetzungen die wichtigsten Einzelfragen, die sich bei der wirtschaftlichen Verwertung der Persönlichkeitsrechte stellen, wegen ihres Sachzusammenhangs zur Einwilligungslehre mitbehandelt.

III. Schuldrechtliche Gestattungsverträge

1. Schuldrechtliche

Gestattung und

Verdinglichung

Unter einem Gestattungsvertrag soll ein schuldrechtlicher Vertrag verstanden werden, mit dem eine Partei der anderen ein tatsächliches Verhalten erlaubt, das der Gestattende dem Gestattungsempfänger ansonsten verbieten könnte. Das BGB kennt den Begriff des „Gestattungsvertrags" zwar nicht, die Gebrauchsüberlassungsverträge Miete, Pacht und Leihe lassen sich aber zwanglos in diese Kategorie einordnen 135 . Andere, untypische Gestattungen können im Rahmen der Vertragsfreiheit (§311 I BGB = § 305 a.F. BGB) vereinbart werden. Beispiele sind Nutzungsgestattungen ohne wesentliche Besitzüberlassung wie etwa die Gestattung zur Aufstellung von Werbetafeln auf einem Golfplatz 136 , nachbarrechtliche Gestattungen zu Verhaltensweisen, die ansonsten das Grundeigentum des Gestattenden beeinträchtigen würden, oder Gestattungen zur Zerstörung eines Gegenstandes, etwa zur Beseitigung eines die Sicht behindernden Baumes. 132 Die wiederum als gebundene Rechtsübertragung oder als schuldrechtlicher Gestattungsvertrag konstruiert werden kann, für ersteres Forkel, FS Paulick, S. 101 (111 ff.) m. w.N.; Canaris HR 22 , § 10 II 2 c (S. 161); für letzeres BGH GRUR1991,393 (394) - „Ott International"; Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (500 f.). Dagegen hält Gotting, S. 121 f., auch bei der Personenfirma eine namensrechtliche Gestattung neben der Übertragung nicht für erforderlich. 133 So die ältere Rechtsprechung und Lehre, vgl. RGZ 9, 104 (106); 107, 31 (33) und die Nachw. bei Gotting, S. 119, und Bußmann, S. 94. 134 So allerdings Staub}/Würdinger, Anm. 33 zu § 22. 135 Enger Roquette, § 535, Nr. 165; Canaris, FS Flume, S. 371 (395): Gestattungsvertrag als Gegenbegriff zum Mietvertrag. 136 S. BGH NJW-RR 1994,558 f.; vgl. auch BGHZ 47,202 (Aufstellung eines Automaten in einer Gaststätte).

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§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Zwar können sämtliche der erwähnten Gestattungen auch in der Form eines dinglichen Rechts erteilt werden 137 , doch die hier zu analysierenden Verträge sind schuldrechtlicher Natur, gewähren dem Gestattungsempfänger also nur einen Anspruch gegen den Gestattenden. Allerdings haben Dulckeitm, Diederichsen139 und Canaris140 auf das Phänomen der Verdinglichung obligatorischer Rechtspositionen aufmerksam gemacht. Betrachtet man die Insolvenzfestigkeit, die Klagebefugnis gegen Dritte und den Sukzessionsschutz als Merkmale der Dinglichkeit 141 , so zeigt sich, daß Schuldverhältnisse einzelne dieser Charakteristika durchaus aufweisen können. Der Mieter eines Grundstücks genießt nach § 566 I B G B (= § 571 I B G B a.F.) Sukzessionsschutz, außerdem überträgt ihm der Vermieter berechtigten Besitz, der nach ganz überwiegender Auffassung nach § 823 I B G B gegen Beeinträchtigungen durch Dritte geschützt ist. Die Einräumung des berechtigten Besitzes weist nach verbreiteter Ansicht ein Verfügungselement auf142 und läßt sich gedanklich von der Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung trennen 143 , allerdings soll die Einigung regelmäßig im Verpflichtungsvertrag liegen, so daß das Abstraktionsprinzip unanwendbar ist 144 . Im Immaterialgüterrecht wurden früher die einfache Lizenz und das einfache Nutzungsrecht als rein schuldrechtliche „negative Lizenzen" angesehen, deren Wirkung nur darin besteht, Abwehransprüche des Rechtsinhabers auszuschließen145. Inzwischen hat sich jedoch die Auffassung durchgesetzt, daß auch die einfache Lizenz und das einfache Nutzungsrecht dem Begünstigten ein positives Benutzungsrecht verschaffen146. Da sie darüber hinaus mit Suk137 Die Gebrauchsüberlassung kann durch Einräumung eines Nießbrauchs, Gestattungen zu einzelnen Verhaltensweisen können durch Einräumung einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit erfolgen. 138 Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte (1951). 139 Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen, § 6ff. (S. 37ff.), insb. § § 1 0 (S. 59 ff.), 14 (S. 84 ff., 94: die obligatorischen Besitzrechte seien „nach Art der beschränkt dinglichen Rechte zu konstruieren"). 140 Canaris, FS Flume, S. 370 ff. 141 Vgl. Canaris, a.a.O., S. 373f. 142 Deutlich Diederichsen, a. a. O., S. 97: „Von unserem Standpunkt aus ist die Ausübungsüberlassung jedoch nichts anderes als die Einräumung eines relativen Herrschaftsrechts, also konstitutive Rechtsübertragung im Innenverhältnis" (Hervorhebung im Original). 143 Canaris, a.a.O., S. 401 f.; Diederichsen, a.a.O., S. 112; Raupe, JherJB 71 (1922) 97 (103); Raiser, FS Wolff, S. 123 (138); Flume AT II, § 57 1 d (S. 907f.) mit Hinweis auf R G Z 80, 395; 124, 28. 144 Canaris, a.a.O.; Diederichsen, a. a.O., § 16 (S. 116ff.); Raape, a.a.O., 147 ff. 145 Vgl. zum Patentrecht: R G Z 76, 235; 90, 162 (164); B G H Z 83, 251 (256); Bernhardt/ Kraßer, § 40 Va 1 (S. 690); zum Markenrecht: B G H Z 1, 241 (246) - „Piek Fein"; 44, 372 ( 3 7 5 ) - „ M e ß m e r - T e e //"; Bußmann, S. 124-,Fezer, Rz. 1 0 z u § 30 MarkenG, beide m.w.N. 146 Vgl. zum Patentrecht Bernhardt/Kraßer, a.a.O.; Kraßer, G R U R Int. 1983, 537 (543); Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 80 ff.; zum Markenrecht Fezer, Rz. 7 zu

III.

Schuldrechtliche

Gestattungsverträge

167

zessionsschutz ausgestattet sind 146a , liegt ein Element der Dinglichkeit vor. Bei der einfachen Lizenz und dem einfachen Nutzungsrecht dürfte es sich also um gegenständliche Rechte, mindestens aber um eine dem Mietvertrag vergleichbare Mischform handeln. Auch bei der einfachen Lizenz und dem einfachen Nutzungsrecht läßt sich gedanklich zwischen Verpflichtung und Verfügung unterscheiden 147 , auch wenn beide Akte üblicherweise in einem einheitlichen Vertrag enthalten sind. Ebenso wie bei ausschließlichen Lizenzen und Nutzungsrechten hält die herrschende Meinung jedoch das Abstraktionsprinzip für unanwendbar, da sich der Umfang der eingeräumten Befugnisse ohne den zugrunde liegenden Vertrag nicht bestimmen läßt 148 . 2. Einwilligung

und schuldrechtlicher

Gestattungsvertrag

Wenn schon das Verhältnis der Einwilligung zur Rechtsübertragung unklar ist, so gilt dies in gesteigertem Maße für das Verhältnis zum schuldrechtlichen Gestattungsvertrag. Von der Ansicht, daß sich beide Rechtsfiguren gegenseitig ausschließen über die Annahme einer Uberschneidung bis hin zur Identität werden sämtliche Auffassungen vertreten. Bei näherem Hinsehen geht es um zwei unterscheidbare Fragen. Erstens fragt sich, ob eine gedankliche Trennung zwischen Schuldvertrag und Einwilligung möglich ist oder ob die schuldrechtliche Verpflichtung zur Duldung einer Handlung mit der Einwilligung identisch ist. Hält man eine Trennung für möglich, so stellt sich zweitens die Frage, ob das Erlaubniselement im Rahmen von Schuldverträgen stets als Einwilligung zu qualifizieren ist oder ob hier vielmehr ein verfügungsähnlicher Vertrag vorliegt, der eine Zwischenstufe zwischen Rechtsübertragung und einseitiger, widerruflicher Einwilligung bildet. Die verwandte Frage nach der Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips sei vorläufig zurückgestellt. Sie wird im Rahmen der Nichtigkeitsgründe im 3. Teil dieser Arbeit 149 behandelt. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der ersten Frage findet sich in der älteren Literatur. Insbesondere setzte sich Zitelmann dafür ein, ähnlich wie im Recht der gewillkürten Stellvertretung zwischen der schuldrechtlichen Verpflichtung und der Einwilligung zu unterscheiden 150 . Durch den Schuldvertrag könne sich der Rechtsinhaber zur Erteilung der Einwilligung ver-

§ 30; z u m Urheberrecht Ulmer, § 85 III (S. 369); Schricker/Schricker, Rz. 49 vor §§ 28 ff., alle m. w . N . 146a N ä h e r hierzu unten, § 10 IV 3. 147 Kraßer, G R U R Int. 1973, 230 (234). 148 Kraßer, a. a. O., S. 237 f.; forfo/, Gebundene R e c h t s ü b e r t r a g u n g e n ^ 12 II 4 (S. 155ff.); Schricker/Schricker, R z . 59 ff. vor §§ 28 ff. m . w . N.; vgl. auch die Sondervorschrift des § 9 I VerlG; a. A. Schack U r h R , Rz. 526. 149 § 15 III. 150 Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (43 ff.).

168

5 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

pflichten, doch die Existenz der Forderung mache die Handlung noch nicht zu einer rechtmäßigen; der Verpflichtete müsse seine Gestattung auch wirklich geben. Die Auffassung Zitelmanns fand nicht nur in der Literatur seiner Zeit einige Zustimmung 151 , auch einige der heutigen Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie schließen sich ihr an 152 . Nach der Gegenansicht, die besonders im persönlichkeitsrechtlichen Schrifttum vertreten wird, lassen sich Einwilligung und Gestattungsvertrag hingegen nicht unterscheiden 153 . Insbesondere wenn die Einwilligung die obligatorische Verpflichtung darstellt, von dem Schutzrecht keinen Gebrauch zu machen 154 , so ist sie Teil des schuldrechtlichen Gestattungsvertrags. Eine vermittelnde Position nehmen diejenigen Autoren ein, die die Gestattung zwar als eigenständigen Vertragsbestandteil, aber als Teil eines einheitlichen Gestattungsvertrags ansehen 155 . Dem entspricht im allgemeinen Schrifttum die von Larenz vertretene Ansicht, eine Einwilligung könne Bestandteil eines Vertrages, etwa eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags, sein oder isoliert erteilt werden 156 . Im ersteren Fall sei sie Teil eines Rechtsgeschäfts, mit deren Wirkung sie stehe und falle, im letzteren Fall sei sie geschäftsähnliche Willenserklärung. Nimmt man zu diesen Ansichten Stellung, so erweist sich die gedankliche Trennung zwischen der Verpflichtung zur Gestattung und der Gestattung selbst nur dann als unmöglich, wenn man die Einwilligung als pactum de non petendo ansieht. Wie unten ausführlich zu begründen sein wird, greift diese Konstruktion zu kurz, da sie die tatbestandsausschließende Wirkung 157 der Einwilligung nicht zu erklären vermag. Betrachtet man die Einwilligung hingegen als eine Erlaubnis, die den Verletzungstatbestand ausschließt, so handelt es sich nicht um eine Verpflichtung. Damit läßt sich - ebenso wie bei der konstitutiven Rechtsübertragung - logisch die schuldrechtliche Verpflichtung von der eigentlichen Gestattung unterscheiden. Betrachtet man exemplarisch den Mietvertrag, so enthält dieser in der Tat ein gesondertes Gestattungselement: Der Vermieter verpflichtet sich zur Gebrauchsüberlassung und erfüllt diese Verpflichtung, indem er dem Mieter berechtigten Besitz an der Mietsache verschafft und zugleich in deren vertragsgemäßen Gebrauch „einwilligt". Unterläßt der Vermieter dies, so verletzt er seine vertragliche Fischer, S. 279; Dietz, S. 221 ff.; Raupe, JherJB 71 (1922) 97 (103) und passim. Kokte, AcP 185 (1985) 105 (136); Dascb, S. 61; Gotting, S. 159. 153 Helle, AfP 1985, 93 (99); Frömming/Peters, N J W 1996, 958; MüKo/Schwerdtner, Rz. 134 zu § 12. 154 So insbesondere Schwerdtner, a.a.O.; v. Gamm, Einf., Rz. 109. 155 Staudinger/Hager, Rz. C 176 zu § 823. Allerdings gehen diese Ansicht und die Annahme einer Identität zwischen Verpflichtung und Einwilligung ineinander über;Dasch, S. 60, behandelt sie daher gemeinsam unter dem Oberbegriff „Einheitstheorie". 156 Larenz SchR II, § 71 I 1 (S. 594). 157 Zur tatbestandsausschließenden Wirkung der Einwilligung oben, § 7 II 3 c, derselbe Einwand besteht aber, wenn man die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund ansieht. 151 152

III. Schuldrechtliche Ge stattungsverträge

169

Hauptleistungspflicht und kann vom Mieter auf Erfüllung verklagt werden. Im Rahmen von Gestattungsverträgen, die nicht mit einer Einräumung des Besitzes verbunden sind, läßt sich die eigentliche Gestattung schwieriger von der Verpflichtung zur Gestattung trennen. Immerhin ist eine solche Trennung aber logisch möglich, insbesondere brauchen Verpflichtung und die infolge der Verpflichtung erteilte Gestattung nicht notwendigerweise in einem Akt zu erfolgen. Unabhängig von der später zu behandelnden Frage nach der Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips findet also jedenfalls das Trennungsprinzip auch beim schuldrechtlichen Gestattungsvertrag Anwendung. Wer zwischen der Verpflichtung zur Gestattung und der Gestattung selbst unterscheidet, muß Stellung zu der Frage beziehen, ob es sich bei letzterer um eine einseitige Einwilligung oder um einen Vertrag handelt, der Ähnlichkeiten mit der Rechtsübertragung aufweist. Wie oben gesehen, wird zumindest für die Gebrauchsüberlassungsverträge des B G B verbreitet die Ansicht vertreten, die Verschaffung des berechtigten Besitzes ähnele der Ubereignung und sei daher analog §§ 929ff. B G B zu beurteilen 158 . In der Tat erlangt der Pächter, Mieter oder Entleiher ein Recht zum Besitz, das gemäß §§ 823 1,1004 I B G B gegenüber jedermann geschützt ist und das im Fall von Pacht und Miete sogar mit dem Sukzessionsschutz gemäß § 566 I B G B ein Element der Dinglichkeit aufweist. Ein gesonderter Widerruf kommt nicht in Betracht, vielmehr richtet sich die Dauer der Berechtigung nach dem Mietvertrag. Zwar mag man mit Larenz159 von einem Einwilligungselement des Mietvertrags sprechen, diese „mietvertragliche Einwilligung" weist aber größere Nähe zur Rechtsübertragung als zur widerruflichen Einwilligung auf. Im Rahmen von immaterialgüterrechtlichen oder persönlichkeitsrechtlichen Gestattungsverträgen liegt die Unterscheidung zwischen vertraglicher Gestattung und einseitiger Einwilligung zwar weniger deutlich auf der Hand, doch auch hier sollte sie vorgenommen werden. Mit dem Gestattungsvertrag soll dem Berechtigten ein vom Willen des Gestattenden unabhängiges obligatorisches Eingriffs- oder Verwertungsrecht eingeräumt werden. Trennt man logisch zwischen der Verpflichtung zur Gestattung und der Erfüllung durch Erteilung der Gestattung, so wird deutlich, daß letztere große Ähnlichkeit zur Einräumung eines gegenständlichen Rechts aufweist. Es fehlen zwar die typischen Merkmale der Gegenständlichkeit, insbesondere die eigene Klagebefugnis gegen Dritte und der Sukzessionsschutz, im Verhältnis zwischen Gestattendem und Gestattungsempfänger ähneln sich beide Konstellationen aber weitgehend. Als Ergebnis sei festgehalten, daß im Rahmen schuldrechtlicher Gestattungsverträge ebenso wie bei der Rechtsübertragung zwischen der Verpflichtung zur Gestattung und ihrer Erfüllung zu unterscheiden ist. Die eigentliche 158 159

S. oben, Fußn. 142 f. Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594).

170

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Gestattung ist im Gegensatz zur widerruflichen Einwilligung ein Vertrag, auf der Stufenleiter der Gestattungen ist sie unterhalb der Rechtsübertragung, aber oberhalb der einseitigen Einwilligung einzuordnen.

IV. Die „unwiderrufliche Einwilligung" als selbständige Rechtsfigur? 1. Vorbemerkung zur Terminologie Die bisherigen Überlegungen haben erstes Licht in das Dunkel u m die Konturen des Einwilligungsbegriffs gebracht. Es zeichnet sich ab, daß gemeinhin von der Einwilligung in zwei verschiedenen Bedeutungsvarianten die Rede ist. Die „Einwilligung im weiteren Sinne" ist ein Oberbegriff für sämtliche Gestattungsformen, unabhängig davon, ob es sich um eine Rechtsübertragung, einen Verzicht, eine schuldvertragliche Gestattung oder eine einseitige Einwilligung handelt. Dieser Sprachgebrauch, der etwa den §§ 22,1 KUG; 22 I, 24 I H G B ; 23, 1 U r h G zugrunde liegt, bietet sich besonders aus der Perspektive des Deliktsrechts an, denn er betont die aus haftungsrechtlicher Sicht wichtigste Gemeinsamkeit aller Gestattungen: ihre rechtfertigende oder nach hier vertretener Auffassung - bereits tatbestandsausschließende Wirkung. Geht man von dieser Bedeutungsvariante aus, so steht die Möglichkeit einer unwiderruflichen Einwilligung außer Frage. Allerdings ist damit noch nichts über deren dogmatische Konstruktion ausgesagt: Es kann sich um eine Rechtsübertragung, einen Verzicht oder eine schuldvertragliche Gestattung handeln. Im Rahmen dieser Arbeit soll allerdings versucht werden, der „Einwilligung im weiteren Sinne" eine „Einwilligung im engeren Sinne" gegenüberzustellen, die sich von den stärkeren Formen der Gestattung unterscheidet und die als eigenständiges Rechtsinstitut begriffen werden kann. Diese Einwilligung ist im Regelfall frei widerruflich. Allerdings w i r d vielfach die Ansicht vertreten, daß es auch eine einseitige, unwiderrufliche Einwilligung gibt, die auf der Stufenleiter der Gestattungen zwischen der schuldvertraglichen Gestattung und der einseitigen, widerruflichen Einwilligung einzuordnen wäre, und die also durch die bisher erörterten Rechtsfiguren noch nicht erfaßt worden wäre. Bei der Untersuchung der Frage nach der Rechtsnatur dieser „unwiderruflichen Einwilligung" sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: die Gestattung gegenüber einer bestimmten Person und die Gestattung gegenüber der Allgemeinheit.

IV. Die „unwiderrufliche

Einwilligung"

als selbständige

Rechtsfigur?

171

2. „ Unwiderrufliche Einwilligung" gegenüber einer bestimmten Person Nach verbreiteter Auffassung steht es dem Rechtsinhaber jedenfalls im Bereich ganz oder teilweise disponibler Rechte frei, ob er eine widerrufliche oder eine unwiderrufliche Einwilligung erteilt 160 . Wie oben gesehen, halten einige Autoren die unwiderrufliche Einwilligung für das geeignete Instrument zur Ermöglichung von Dispositionen über Persönlichkeitsrechte 161 , auch für das Urheberrecht wird die Möglichkeit der einseitigen, unwiderruflichen Einwilligung zum Teil befürwortet 162 . Die gleiche Ansicht wird für die Einwilligung innerhalb bestehender vertraglicher Schuldverhältnisse vertreten 163 , von denen unten 164 noch ausführlich die Rede sein soll. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt bieten in diesem Fall die §§ 540, 553 B G B (= § 549 I, II B G B a.F.). Nach § 540 I B G B ist der Mieter ohne Erlaubnis des Vermieters nicht zur Untervermietung berechtigt, eine korrespondierende Willenserklärung des Mieters verlangt das Gesetz aber nur nach § 553 II BGB, einer Sondervorschrift für den Fall, daß dem Vermieter von Wohnraum die Erteilung der Erlaubnis nur gegen Erhöhung der Miete zuzumuten ist. Die Gegenüberstellung beider Absätze legt es nahe, die Erlaubnis gemäß § 5401 B G B als einseitiges Rechtsgeschäft anzusehen165. Alledem liegt eine Annahme zugrunde, die auf den ersten Blick äußerst plausibel erscheint: Solange der Rechtsinhaber nur seine eigene Rechtsposition zurücknimmt und damit reflexartig die Position seines Gegenübers verbessert, scheint ein Vertrag nicht erforderlich zu sein. Im Gegenteil scheint der Grundsatz der Privatautonomie dafür zu sprechen, daß der Einwilligende seine Einwilligung nicht nur bedingt oder unbedingt, begrenzt oder unbegrenzt, sondern auch widerruflich oder unwiderruflich erteilen kann. In diesem Sinne hält Kohte die von Schenke vertretene Ansicht, eine „unwiderrufliche Einwilligung" sei in Wirklichkeit die vertragliche Begründung eines Eingriffsrechts 166 , für eine „nicht mehr nachvollziehbare Konstruktionsjurisprudenz" 167 .

160 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (137); Resch, S. 108, 150; so bereits Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (45 ff.). 161 Helle, AfP 1985,93 (100) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. U7;Dasch,S. 85ff.; Gotting, S. 149 ff. 162 Schricker/Schricker, Rz. 18 zu § 29 und in FS Hubmann, S. 409 (414 ff., 419). 163 So zu § 549 B G B a. F. Staudinger/Emmerich, Rz. 42 zu § 549; zu § 60 H G B Staub/ Konzen/Weber, Rz. 22 zu § 60; zu § 112 H G B Baumbach/Hopt, Rz. 9 zu § 112, weitere Nachw. unten, § 10 V 2. 164 § 10 V. 165 Näher hierzu unten, § 10 V 2 c. 166 Schenke, S. 106. 167 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (137).

172

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Bedenken gegen diese Auffassung erheben sich aber, wenn man die Wirkung der widerruflichen Einwilligung und der unwiderruflichen Gestattung miteinander vergleicht. Die widerrufliche Einwilligung begründet lediglich das Vertrauen des Einwilligungsempfängers darauf, daß die Handlung vorbehaltlich eines Widerrufs rechtmäßig ist. Sie macht also die Befugnis des Handelnden in weitgehendem Maße vom Willen des Rechtsinhabers abhängig. Daher wird die eigennützige Einwilligung typischerweise als widerrufliche erteilt: Sie erlaubt dem Einwilligenden die Einschaltung von Hilfspersonen, beschränkt seine Freiheit bis zur Vornahme der Handlung aber in keiner Weise. Hingegen verschafft die unwiderrufliche Gestattung dem Einwilligungsempfänger ein subjektives Recht auf Vornahme der Handlung. Sie schützt damit das Interesse, das dieser mit der Handlung verfolgt, besonders effektiv und wird dementsprechend typischerweise im Fall der fremdnützigen Einwilligung erteilt. Den Rechtskreis des Einwilligenden betrifft sie in erheblich intensiverer Weise: Er kann sich gegen die Handlung - vorbehaltlich besonderer Widerrufsrechte - nicht mehr wehren und ist so einer begrenzten Fremdbestimmung ausgeliefert. Damit tritt das Stufenverhältnis zwischen der unwiderruflichen Gestattung und der widerruflichen Einwilligung zutage: Oft wird im persönlichkeitsrechtlichen Bereich erstere unwirksam sein, letztere aber zur Verfügung stehen. An dieser Stelle drängt sich die Parallele zur rechtsgeschäftlichen Vollmacht (§ 166 II 1 BGB) auf. Ebenso wie die Einwilligung erlaubt sie dem Vertreter eine Einwirkung auf den Rechtskreis des Geschäftsherren. Einerseits erweitert sie den Aktionsradius des Geschäftsherrn, andererseits führt sie auch zu einer nicht ganz ungefährlichen Fremdbestimmung 168 . Aus diesem Grund wurde noch von der Ersten Kommission erwogen, die Widerruflichkeit der Vollmacht zwingend vorzuschreiben 169 . In § 168, 2 BGB findet sich diese Überlegung in abgeschwächter Form: Die Vollmacht ist grundsätzlich widerruflich. Die Unwiderruflichkeit muß sich daher aus einer besonderen Erklärung ergeben, außerdem ist die Unwiderruflichkeitsklausel nur dann wirksam, wenn sie im Interesse des Bevollmächtigten oder eines Dritten erteilt wird und im zugrunde liegenden Rechtsverhältnis einen berechtigten Grund findet 170 . Da der Stellvertreter durch die unwiderruflichen Vollmacht eine eigenständige, vom Willen des Geschäftsherren unabhängige Rechtsposition erlangt, wird die unwiderrufliche Vollmacht weithin als eigenständige Rechts-

168

Müller-Freienfels, S. 110; Flume AT II, § 53, 1 (S. 877); Staudinger/Schilken, Rz. 8 zu § 168. 169 Vgl. zur Geschichte des § 168 Flume AT II, § 53, 1 (S. 876ff.). 170 B G H W M 1985, 646 (647); Flume AT II, § 53, 3 (S. 880); Larenz/Wolf § 47, R z . 52; MüKo/Schramm, Rz. 21 zu § 168; Staudinger/Schilken, Rz. 8 zu § 168; großzügiger Soergel/ Leptien, Rz. 22 zu § 168.

IV. Die „ unwiderrufliche

Einwilligung " als selbständige Rechtsfigur f

173

figur angesehen 171 . Nach der Rechtsprechung des RG 1 7 2 , der ein Teil der Lehre 173 folgt, kann sie im Gegensatz zur widerruflichen Vollmacht nur durch Vertrag erteilt werden. Allerdings läßt die wohl herrschende Lehre 174 die Erteilung durch einseitige Erklärung mit dem Argument zu, der Vollmachtgeber könne einseitig alle Modalitäten der Vollmacht bestimmen, also auch die Frage der Widerruflichkeit. Der Meinungsstreit um die dogmatische Konstruktion der unwiderruflichen Vollmacht erweckt Zweifel an der Möglichkeit einer einseitigen, unwiderruflichen Einwilligung. Nach der Systematik des BGB, die vor allem in den §§ 397 I, 516 I BGB zum Ausdruck kommt, setzt die Entstehung eines subjektiven Rechts grundsätzlich die Zustimmung des Begünstigten voraus. D e m liegt der Gedanke zugrunde, daß sich niemand eine Verbesserung seiner Rechtsposition aufzudrängen lassen braucht 175 . Während für die einseitige Erteilbarkeit der unwiderruflichen Vollmacht noch argumentiert werden kann, daß sie selbst kein subjektives Recht entstehen läßt, sondern nur die Vornahme eines weiteren Rechtsgeschäfts ermöglicht, verändert die unwiderrufliche Gestattung unmittelbar die Rechtsposition des Begünstigten. Der Gedankengang sei am Beispiel der Aneignungsgestattung (§ 956 BGB) verdeutlicht. Während der Wortlaut der Vorschrift dafür spricht, daß es sich bei der Gestattung u m ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, halten auch die Vertreter der herrschenden Aneignungstheorie 1 7 6 in systemkonformer Auslegung des § 956 BGB die Gestattung für einen Vertrag, durch den zwar nicht die betreffende Sache übereignet, wohl aber ein Fruchterwerbsrecht zugewendet wird 177 . Das Beispiel läßt sich verallgemeinern: Die Einräumung einer bindenden Eingriffsbefugnis bedarf ebenso wie der Verzicht auf Abwehrrechte zugunsten einer bestimmten Person 178 der Annahme durch den Begünstigten. Diese 171 Flume AT II, § 53, 1 (S. 876f.); Müller-Freienfels, S. 109ff.; Soergel/Leptien, Rz. 22 zu § 168. 172 R G Z 109, 331 (333); JW 1932, 1548 m. zust. Anm. Raape. 173 Palandt/Heinrichs, Rz. 6 zu § 168; RGRK/Steffen, Rz. 3 zu § 168; Hopt, Z H R 133 (1970) 305 (317); Müller-Freienfels, S. 110. 174 Enneccerus/Nipperdey, §186, Fußn. 15; Flume AT II, § 5 3 , 5 (S. 882); MüKo/ Schramm, Rz. 20 zu § 168; Soergel/Leptien, Rz. 22 zu § 168; Staudinger/Schilken, Rz. 11 zu § 168. 175 Mot. II, S. 288; Latenz SchR I, § 19 I 1 a (S. 267); MüKo/Kollhosser, Rz. 9 zu § 516; Staudinger/Cremer, Rz. 4 zu §516; Nordemann, G R U R 1969, 127 (128); zur rechtspolitischen Kritik Heck SchR, §§ 41, 2 (S. 122); 58 (S. 173); Staudinger/Riehle, Rz. 2 ff. zu § 397 (insb. Rz. 5: „Prinzipienreiterei"). 176 Die Übereignungstheorie hält § 956 BGB für einen Sonderfall des § 929 BGB, während die Aneignungstheorie zwischen der Gestattung und der Aneignung unterscheidet, näher zu diesem Meinungsstreit unten, § 10 IV 1 m.w. N . 177 v. Tuhr AT II/2, § 78 I 6 (S. 213 mit Fußn. 17); Staudinger/Gursky, Rz. 9 zu § 956 m. w.N.; Westermann, § 57 III 2 b (S. 463). 178 So für den Verzicht im Urheberrecht Nordemann, G R U R 1969, 127 (128); ähnlich Seetzen, S. 48; für § 24 II H G B wohl ebenso Canans H R § 10, Rz. 48 mit Fußn. 57.

174

5 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Gestattung ist verfügungsähnlich 179 , im Regelfall liegt ihr ein entsprechender Verpflichtungsvertrag zugrunde 180 . Die Frage, ob die unwiderrufliche Gestattung ausnahmsweise auch isoliert erteilt werden kann 181 , wird zwar zu bejahen sein, ist allerdings von geringer praktischer Bedeutung, da im Fall einer unwiderruflichen Gestattung nach den Umständen meist auch eine zugrunde liegende vertragliche Duldungspflicht anzunehmen ist. Zwischen schuldvertraglicher Gestattung und widerruflicher Einwilligung ist demnach jedenfalls dann kein Raum für eine „unwiderrufliche Einwilligung", wenn die Erlaubnis gegenüber einem bestimmten Empfänger ausgesprochen wird. Die angebliche „unwiderrufliche Einwilligung" ist in diesem Fall ein Vertrag, der klar von der „Einwilligung im engeren Sinne" abgegrenzt werden sollte. Sofern man sich dieser Notwendigkeit bewußt ist, mag man durchaus von einer „Einwilligung im weiteren Sinne" sprechen, im folgenden wird allerdings versucht, soweit dies angesichts des üblichen, oft ungenauen Sprachgebrauchs möglich ist, die „Gestattung" als Oberbegriff für Rechtsübertragung, Verzicht und schuldvertragliche Gestattung zu verwenden, den Begriff der „Einwilligung" hingegen für die einseitige „Einwilligung im engeren Sinne" zu reservieren. Entgegen Kohte handelt es sich bei dieser Unterscheidung nicht etwa um eine „inhaltlich nicht mehr nachvollziehbare Konstruktionsjurisprudenz" 182 . Vielmehr ist die Verschiedenheit der dogmatischen Konstruktion Ausdruck einer unterschiedlichen Interessenlage: Auf den Fortbestand der unwiderruflichen Gestattung kann der Empfänger vertrauen, sie eignet sich damit als Grundlage für wirtschaftliche Dispositionen. Allerdings sei eingeräumt, daß der praktische Unterschied zwischen einseitiger Erklärung und Vertrag wegen des § 1 5 1 , 1 BGB oft gering ist 183 : Sofern der Gestattungsempfänger lediglich begünstigt wird, ist der Zugang der Annahmeerklärung meist unüblich und daher entbehrlich.

3. „ Unwiderrufliche einem unbestimmten

Einwilligung" Personenkreis

gegenüber

Die konstruktiven Bedenken, die gegen eine unwiderrufliche, einseitige Einwilligung sprechen, bestehen allerdings nicht im gleichen Maße, wenn die Erlaubnis gegenüber einem unbestimmten Personenkreis ausgesprochen wird. Beispiele sind die Freigabe einer privaten Grünfläche zur öffentlichen Benutzung, die Herausgabe eines Pressekommuniques oder die unentgeltliche Bereitstellung von Software (Freeware). Während der Erlaß einer Forderung 179 Zur Abgrenzung der widerruflichen Einwilligung von der Verfügung im einzelnen unten, § 9 II 1 c. 180 Zur Frage nach der Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips s. unten, § 15 III. 181 So Dasch,S. 87. 182 S. oben, Fußn. 167. 183 Vgl. Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (59); für § 397 Heck SchR § 58, 2 (S. 173).

IV. Die „unwiderrufliche

Einwilligung"

als selbständige

Rechtsfigur

f

175

gemäß § 397 I B G B einen Vertrag voraussetzt, ist der Verzicht auf ein dingliches Recht gegenüber der Allgemeinheit regelmäßig durch einseitige Erklärung möglich 184 . Auch die Besonderheit der Auslobung (§ 657 B G B ) , die ausnahmsweise ein subjektives Recht durch einseitige Erklärung entstehen läßt, beruht darauf, daß es sich um ein Versprechen an die Öffentlichkeit handelt. Zwar ist auch bei einer Gestattung gegenüber der Allgemeinheit die Annahme eines Vertrags nicht ausgeschlossen, da auch ein Angebot ad incertas personas durchaus möglich ist 185 , doch läuft diese Konstruktion hier oft auf eine Fiktion hinaus. Bevor in den genannten Fällen aber eine Einwilligung im engeren Sinne angenommen wird, muß geprüft werden, ob sich die betreffende Gestattung nicht doch unter eines der oben erörterten Rechtsinstitute subsumieren läßt. So fällt im Immaterialgüterrecht die Abgrenzung zwischen einer an die Ö f fentlichkeit gerichteten Einwilligung, einem Verzicht und einem Vertragsschluß oft schwer, wie zwei urheberrechtliche Beispiele verdeutlichen mögen. Für den in einem Buch enthaltenen Vermerk „Nachdruck erlaubt" wird in der Literatur jede der soeben genannten Konstruktionen vertreten 186 . Da der Urheber sich des betreffenden Verwertungsrechts völlig begibt, liegt in diesem Fall ebenso wie im Beispiel des Pressekommuniques die Annahme eines einseitigen Verzichts nahe. Während im Sachenrecht der Typenzwang den Verzicht auf einzelne, aus dem dinglichen Recht fließende Befugnisse verbietet 187 , ist ein solcher Teilverzicht im Immaterialgüterrecht möglich, da ein numerus clausus der möglichen Verfügungen hier nicht besteht 188 . Im Unterschied zur Einwilligung im engeren Sinne wirkt der Verzicht gegenständlich und führt dazu, daß das Recht, soweit der Verzicht reicht, erlischt. Hingegen beruht die Verbreitung der Freeware nach ganz herrschender Meinung nicht auf einem Verzicht oder einer einseitigen Einwilligung, sondern auf der Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts an jedermann gemäß § 31 I, II UrhG 1 8 9 .

184 S. vor allem § 875 I B G B , daneben §§ 928, 959, 1064, 1168, 1255 B G B ; vgl. auch Erman/^/Jestermann, Rz. 1 zu § 397; Seetzen, S. 29 ff. 185 Vgl. Fiume AT II, § 35 I 1 (S. 636); Larenz/Wolf, § 29, Rz. 21; Erman/Hefermehl, Rz. 4 zu § 145; MüKo/Kramer, Rz. 8 zu § 145. 186 Für Verzicht Ulmer, § 84 V (S. 366); Schricker/Schricker, Rz. 18 zu § 29; Seetzen, S. 46 ff.; B G H Z 129, 66 (72, allerdings obiter); für Einwilligung (als einfachere konstruktive Alternative zur Annahme eines Verzichts) Schricker a. a. O.; für Einräumung einfacher Nutzungsrechte an jedermann Fromm/Nordemann /Hertin, Rz. 2 zu § 28; Schack UrhR, Rz. 311. 187 Vgl. Seetzen, S. 21 ff.; allgemein zum Typenzwang Westermann, § 1 1 2 (S. 3 ) ; M ü K o / Quack, Einl. Sachenrecht, Rz. 29 ff. 188 S. oben, Fußn. 31, und Seetzen, S. 23. 189 Marly, Rz. 289; Schricker/Loewenheim, Rz. 3 zu § 69c; offen Schwarz /Schwarz, 3.22 (S. 75); speziell für die Open-Source-Software (zur Abgrenzung s. folgende Fußn.) Metzger/Jaeger, G R U R Int. 1999, 839 (842 f.); Koch, C R 2000, 333.

176

§ 8 Die Stufenleiter

der

Gestattungen

Jedenfalls für die Open Source Software 1 9 0 , deren bekanntestes Beispiel das Betriebssystem „Linux" darstellt 191 , erscheint diese Konstruktion angemessen: Zum einen werden die Nutzungsbedingungen als „General Public License" 192 bezeichnet und bedürfen nach der Vorstellung ihrer Verfasser offensichtlich der Annahme, zum anderen übernimmt der Nutzer mit der Annahme eigene Verpflichtungen 1 9 3 . Allerdings findet sich auch hier in der Literatur der Hinweis darauf, daß im deutschen Recht der praktische Unterschied zwischen den unterschiedlichen Konstruktionen wegen der Regelung des § 151,1 BGB gering ist 194 . Es dürften nur wenige Ausnahmefälle verbleiben, die sich nicht unter andere Rechtsinstitute subsumieren lassen. Die Freigabe der privaten Grünfläche mag ein Beispiel sein: Ein Teilverzicht auf bestimmte aus dem Grundeigentum fließende Abwehrbefugnisse scheitert am Typenzwang des Sachenrechts, und die Annahme eines Vertrags zwischen Nutzern der Grünfläche und dem Eigentümer wäre eine Fiktion. Allerdings bedarf es in diesem Beispiel einer genauen Prüfung, ob der Eigentümer wirklich seine Widerrufsmöglichkeit aus der Hand geben will, oder ob es sich um einen Fall der widerruflichen Einwilligung handelt. Fazit ist, daß eine unwiderrufliche, einseitige Einwilligung gegenüber einem unbestimmten Personenkreis konstruktiv möglich ist. Allerdings ist die Subsumtion unter anerkannte Rechtsinstitute des Zivilrechts oft möglich und vorzugswürdig.

V. Die widerrufliche Einwilligung Die widerrufliche Einwilligung, die nach Abschichtung der intensiveren Gestattungsformen übrigbleibt, ist die schwächste Erscheinungsform der Gestattung. Sie bewirkt zwar die Rechtmäßigkeit der betreffenden Handlung, vermittelt aber keine Rechtsposition, die in ihrem Bestand vom Willen des Einwilligenden unabhängig ist. Damit fehlt ihr das für subjektive Rechte 190 Ebenso wie die Freeware im allgemeinen kann die Open Source Software von jedermann kostenfrei genutzt werden. Darüber hinaus darf jeder Nutzer die Software bearbeiten oder umgestalten, muß aber die Ergebnisse in Form des Quellcodes allgemein verfügbar machen, vgl. Metzger/Jaeger, GRUR Int. 1999, 839 (Fußn. 4); Koch, CR 2000, 2 73 f. 191 Vgl. hierzu Metzger/Jaeger, GRUR Int. 1999, 839 ff.;Kocb, CR 2000,273 ff., 333 ff. 192 Hierzu Metzger/Jaeger, GRUR Int. 1999, 839 (842 f.); Koch, CR 2000, 333 ff. 193 Etwa die Verpflichtung, abgeleitete Programme Dritten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, das Programm mit Quellcode auszuliefern und veränderte Dateien mit einem Hinweis auf die Veränderung zu versehen, s. Metzger!faeger, a. a. O. Zwar könnte die Erfüllung dieser Verpflichtungen auch als Bedingungen der einseitigen Einwilligung angesehen werden, diese Deutung erschiene aber gekünstelt. 194 Schwarz/Schwarz, 3.22 (S. 75).

V. Die widerrufliche

Einwilligung

177

konstitutive Element der Durchsetzbarkeit gegenüber dem Verpflichteten 195 . In Anlehnung an eine treffende Formulierung Krückmanns^b kann dem Einwilligungsempfänger, der auf Duldung des Eingriffs klagt, jederzeit entgegengehalten werden: „Der Einwilligende hat Dir heute morgen unmittelbar vor dem Termin die Befugnis entzogen." 197 Da die Befugnis des Handelnden vom Willen des Einwilligenden abhängig bleibt, ist sie für wirtschaftlich bedeutsame Dispositionen uninteressant. Die Funktion der Einwilligung im engeren Sinne ist damit nur noch eine dreifache. Erstens ist sie Instrument der Selbstbestimmung über Persönlichkeitsaspekte, die nicht Gegenstand von Rechtsübertragungen oder von bindenden schuldrechtlichen Vereinbarungen sein können. Diese Funktion kommt vor allem im Medizinrecht zum Tragen, da unwiderrufliche Gestattungen zu Eingriffen in die körperliche Integrität ausgeschlossen sind. Zweitens ermöglicht die Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich Gestattungen, an die der Gestattende nicht gebunden ist, bevor der Eingriff erfolgt. Sie ist daher das typische Instrument für gefälligkeitshalber erteilte Erlaubnisse. Drittens kann die Einwilligung gem. § 140 B G B als Auffangtatbestand zum Tragen kommen, wenn intensivere Gestattungsformen zwar beabsichtigt waren, aber fehlgeschlagen sind 198 .

195 196

Zutreffend Rosener, S. 107. Krückmann, Reichsgerichts-FS III, S. 77 (88), allerdings bezogen auf die Ermächti-

gung197 Allerdings ist zu ergänzen, daß der Widerruf nach hier vertretener Auffassung nur wirksam ist, wenn er dem Einwilligungsempfänger gegenüber erklärt wird, s. unten § 12 IV 1. 198 Vgl. B G H N J W 1994, 2755 (2756).

§ 9 Die Rechtsnatur der Einwilligung I. Ausgangspunkt Die Frage nach der Rechtsnatur der Einwilligung erhält nach den bisherigen Überlegungen eine zweigeteilte Antwort, die auf der Unterscheidung zwischen der „Einwilligung im weiteren Sinne", also sämtlichen Ausprägungen der Maxime „volenti non fit iniuria", und der „Einwilligung im engeren Sinne" beruht. Wie sich gezeigt hat, können der „Einwilligung im weiteren Sinne" verschiedene dogmatische Konstruktionen zugrunde liegen: Es kann sich um Verfügungsgeschäfte, Schuldverträge oder einseitige Erklärungen handeln. Daher sollte man den Begriff „Einwilligung" in dieser Bedeutungsvariante wegen seiner Ungenauigkeit und der Gefahr von Verwechslungen nach Möglichkeit gänzlich vermeiden, und statt dessen von „Gestattungen" sprechen. Der eigentliche Streit um die Rechtsnatur der Einwilligung bezieht sich hingegen auf die „Einwilligung im engeren Sinne", also die einseitige und in aller Regel widerrufliche Einwilligung. Während die Rechtsnatur der Rechtsübertragung und der schuldvertraglichen Gestattung außer Zweifel steht, befindet sich diese „schlichte" Einwilligung an der Nahtstelle zwischen Rechtsgeschäftslehre und Deliktsrecht. Sowohl diese Grenzstellung als auch der Umstand, daß die widerrufliche Einwilligung meist entweder für höchstpersönliche Gestattungen oder gefälligkeitshalber erteilte Erlaubnisse eingesetzt wird, lassen ihre Zuordnung zu den Rechtsgeschäften fraglich erscheinen. Rechtsnatur und Rechtsfolgen der Einwilligung im engeren Sinne bedürfen daher an dieser Stelle der näheren Untersuchung. Dabei soll in einem ersten Schritt die dogmatische Verankerung der Dispositionsbefugnis analysiert werden, die der Einwilligung zugrunde liegt (II). Im zweiten Schritt gilt es sodann, zur kontrovers diskutierten Frage nach der Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung Stellung zu nehmen (III), bevor abschließend die Einwilligung im engeren Sinne von verwandten Rechtsfiguren abgegrenzt wird, die zwar ebenfalls die Haftung ausschließen oder mindern, aber nicht ausschließlich auf dem Gedanken „volenti non fit iniuria", sondern auf einer objektiven Interessenabwägung beruhen.

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

179

II. Selbstbestimmung und subjektives R e c h t

1. Die Einwilligung als befugniserweiternde über subjektive Rechte

Disposition

a) Die dogmatische Verankerung der Dispositionsbefugnis Die Diskussion um die Rechtsnatur der Einwilligung kreist vorwiegend um die Frage, ob es sich bei der Einwilligung um ein Rechtsgeschäft handelt. Damit wird die Problematik verengt, da die Rechtsgeschäftslehre Grund und Voraussetzungen des Selbstbestimmungsrechts nicht thematisieren kann, das durch die Einwilligung ausgeübt wird. Die Delegation der Bestimmung über Recht und Unrecht von der Gemeinschaft auf den einzelnen bedarf aber der Begründung. Zwar mag sich diese Notwendigkeit im Zivilrecht, dem der Schutz und die Ermöglichung von Selbstbestimmung zentrale Anliegen sind, weniger stark aufdrängen als im Strafrecht1. Auch im Privatrecht erfährt die Idee der Selbstbestimmung jedoch unterschiedliche Ausprägungen. Das Privatrecht schützt Freiheit vor allem in zweifacher Hinsicht: durch die Gewährleistung der Privatautonomie2 und durch den Schutz subjektiver Rechte3. Der Freiheitsgehalt der Privatautonomie besteht darin, daß der einzelne seine rechtlichen Verhältnisse eigenverantwortlich regeln kann4. Privatautonomie ist also Freiheit im Sinne einer institutionellen Kompetenz5: Die Privatrechtsordnung räumt dem einzelnen durch Schaffung institutioneller Voraussetzungen die Möglichkeit ein, nach freiem Willen Rechtsfolgen herbeizuführen6. Demgegenüber gewährt das subjektive Recht seinem Träger 1 Warum die Einwilligung, wie Noll, S. 60, Fußn. 3 formuliert, die „Möglichkeit der Privatautonomie im Strafrecht" eröffnen kann, bedarf angesichts der öffentlich-rechtlichen Natur des Strafrechts der Begründung, vgl .Jakobs AT, 14/1. 2 Die besonderen Freiheiten des Erb- und Familienrechts, namentlich die Testierfreiheit (§ 1937 B G B ) und die Ehefreiheit (vgl. § 1297 B G B ) sind Unterfälle der Privatautonomie, da es sich um rechtsgeschäftliche Gestaltung handelt, vgl. Mayer-Maly, Verantwortlichkeit und Recht, S. 268; Larenz/Wolf, § 2, Rz. 16. 3 Larenz/Wolf AT, § 2, Rz. 15, 18; Medicus AT, Rz. 173 f. Sieht man die Privatautonomie hingegen als Oberbegriff über Vertrags-, Eigentums- und Testierfreiheit an und definiert sie allgemein als „Selbstbestimmung des einzelnen in Angelegenheiten des Privatrechts", so Krampe, Staatslexikon, Stichwort „Privatautonomie", so bedarf der Begriff der Privatautonomie einer Untergliederung. Zu unterscheiden sind dann die Privatautonomie im engeren Sinne, also die Gestaltung von Rechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft und der Schutz subjektiver Rechte, der sich nicht in der Möglichkeit zu rechtsgeschäftlichem Handeln erschöpft, s. dazu den folgenden Text. 4 Vgl. die berühmte Definition von Flume AT II, § 1, 1 (S. 1): „Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen." 5 Zum Begriff der institutionellen Kompetenz vgl. Alexy, S. 215. 6 Vgl. Bydlinski,$. 127; Medicus AT, Rz. 174 f. Allerdings ist umstritten, ob der einzelne mit dem Rechtsgeschäft Recht setzt, oder ob die vom einzelnen vorgenommene Gestal-

180

5 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

eine Freiheitssphäre 7 , innerhalb derer er sowohl in faktischer als auch in rechtlicher Hinsicht zur Eigenregie8 befugt ist. Da dem Rechtsinhaber eine Abwehrbefugnis zukommt, sind subjektive Rechte „bewehrte Rechte"9. Privatautonomie und die Freiheitsgarantie subjektiver Rechte verhalten sich zueinander wie zwei sich schneidende Kreise. Privatautonomes Handeln setzt nicht das Bestehen subjektiver Rechte voraus, andererseits schützen subjektive Rechte auch die Freiheit zu lediglich faktischem Handeln. Soweit ein subjektives Recht aber eine Dispositionsbefugnis gewährt, wird diese in der Regel durch privatautonome Rechtssetzung ausgeübt. Die Schnittmenge betrifft also vorwiegend Verfügungen. Neben der Privatautonomie und den durch subjektive Rechte geschützten Freiheitssphären ist indirekt im Privatrecht auch die allgemeine Handlungsfreiheit insoweit geschützt, als das Deliktsrecht nur bestimmte Handlungsweisen verbietet, oder, mit den Worten von Hobbes: „In cases where the Soveraign has prescribed no rule, there the Subject hath the Liberty to do, or forbeare, according to his own discretion." 10 Beim Zuschnitt deliktsrechtlicher Normen ist der Gesetzgeber gehalten, zwischen dem Schutz des Integritätsinteresses potentieller Verletzter und der allgemeinen Handlungsfreiheit abzuwägen 11 . Diese Freiheit ist allerdings „unbewehrt" 12 , die Rechtsordnung gewährt dem einzelnen also keinerlei Ausschlußrechte. Die Einwilligung könnte sich nunmehr auf jede dieser Freiheiten zurückführen lassen. Es könnte sich um privatautonome Rechtsgestaltung, um die faktische Ausübung subjektiver Rechte oder auch nur um einen Gebrauch der allgemeinen Handlungsfreiheit handeln. In der Literatur werden in der Tat sämtliche dieser Anknüpfungspunkte herangezogen. Die Vertreter der Rechtsgeschäftslehre betrachten die Einwilligung als selbstbestimmte Gestaltung eines Rechtsverhältnisses und damit als Gebrauch der Privatautonomie 13 . Sofern diese Autoren die Einwilligung als Verfügung oder als verfügungsähnliches Rechtsgeschäft ansehen, beziehen sie sich zusätzlich auf die Verfügungsbefugnis, die aus subjektiven Rechten folgt 14 . Die Rückführung der Einwilligung auf das subjektive Recht ist auch außerhalb der Rechtsgeschäftstung lediglich von der Rechtsordnung als Rechtens anerkannt wird, im ersteren Sinne Kelsen, S. 261 f., im letzteren Sinne Flume AT II, § 1 , 4 (S. 5f.). 7 Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 531 ff. und passim; Larenz/Wolf, § 14, Rz. 4. 8 Begriff nach Luhmann, Grundrechte, S. 73, Fußn. 54; vgl. auch Dasch, S. 10. 9 Begriff nach Alexy, S. 208. 10 Hobbes, Leviathan, Kap. 21 (S. 152); dazu Alexy, S. 202. 11 Larenz/Canaris SchR II/2, § 75 I 1, 2 d, 3 b (S. 350, 352, 357); aus der Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rz. 39; Cooter/Ulen, S. 271 ff. 12 Alexy, S. 202 f. 13 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (110); Resch, S. 46 ff. 14 Resch, S. 38; wohl auch Kohte, a.a.O.

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

181

theorie verbreitet 15 . Allerdings ist vor allem für die Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff umstritten, ob die Dispositionsbefugnis spezifisch aus dem Schutz der körperlichen Integrität folgt, oder ob die Befugnis zur Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten eine selbständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt 16 . Wieder andere Autoren verweisen zur Begründung des Selbstbestimmungsrechts auf die allgemeine Handlungsfreiheit 17 . Die Einwilligung ist eine Erlaubnis, die ein abstrakt-generelles Verbot durch eine konkret-individuelle, ausnahmsweise auch eine konkret-generelle 18 Eingriffsbefugnis modifiziert. Diese Definition enthält zwei Voraussetzungen. Zum einen muß eine grundsätzliche Abwehrbefugnis bestehen. Eine Einwilligung in eine Handlung, die ohnehin allgemein erlaubt ist, würde ins Leere gehen: Zwar mag eine Person einer anderen den Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße gestatten, diese Gestattung wäre aber sinnlos und ohne rechtliche Bedeutung. Zum anderen muß gerade der Einwilligende dispositionsbefugt sein, die Wahrnehmung des betreffenden Interesses muß also ihm allein zugewiesen sein. Weder die Verletzung öffentlicher Interessen noch der Interessen Dritter kann der einzelne wirksam erlauben. Hier zeigt sich, daß sowohl die bloße Begründung der Einwilligungsbefugnis mit der Privatautonomie als auch der Hinweis auf die allgemeine Handlungsfreiheit zu kurz greifen, da sie weder das Bestehen eines allgemeinen Abwehrrechts noch das Erfordernis einer spezifischen Dispositionsbefugnis erklären können. Hingegen drängt sich der Bezug beider Voraussetzungen zum subjektiven Recht geradezu auf. Der Begriff des subjektiven Rechts ist in Rechtstheorie und -dogmatik häufig analysiert worden und ist dementsprechend umstritten. Neben rechtsphilosophische Theorien, die nach der Begründung und dem Umfang individueller Rechte fragen, treten analytische Modelle, die sich um eine Klärung der rechtslogischen Struktur subjektiver Rechte bemühen 19 . Eine Darstellung und Würdigung dieser verschiedenen Ansätze würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen 20 . Es mag hier genügen, mit der herrschenden Kombinationstheorie 21 die beiden wesentlichen Merkmale des subjektiven Rechts 15 Vgl. zum Privatrecht Deutsch A H R , Rz. 282; ähnlich zum Strafrecht Roxin AT I, § 13, Rz. 12 ff. 16 S. zu dieser Frage unten, II 2 b. 17 So etwa Amelung, Einwilligung, S. 26 ff.; Fischer, FS Deutsch, S. 545 (548). 18 Zur Einwilligung gegenüber einem unbestimmten Personenkreis s. oben, § 8 IV 3. 19 Vgl. den Uberblick über die verschiedenen möglichen Fragestellungen bei Alexy, S. 159 ff. 2 0 Weiterführend Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis (1965)\ Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht (1975); Fezer, Teilhabe und Verantwortung (1986), Larenz, FS Sontis, S. 129 ff.; Raiser, J Z 1961, 465 ff. 21 Vgl. v. Gierke, § 27 II 3 (S. 253); v. Tuhr AT I, § 1 (S. 53 ff.); Enneccerus/Nipperdey,

182

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

hervorzuheben, die auf Savigny und Jhering zurückgehen. Nach Savigny gewährt das subjektive Recht seinem Träger eine Willensmacht22. Damit wird der Freiheitsgehalt des subjektiven Rechts deutlich: Es garantiert eine Freiheitssphäre, innerhalb derer seinem Träger die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Gestaltung zukommt. Ein System von subjektiven Rechten erscheint damit als Umsetzung des Kantseben Rechtsbegriffs ins Privatrecht23, denn es gewährleistet die „Vereinigung der Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit" 24 . Demgegenüber waren für Jhering subjektive Rechte rechtlich geschützte Interessen25. Diese Definition ergänzt den Rechtsbegriff Savignys26, denn sie hebt die Bedeutung des Zuschnitts subjektiver Rechte hervor. Welche Interessen dem einzelnen zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen werden sollen, unterliegt primär der Entscheidung des Gesetzgebers, subsidiär der Rechtsprechung sowie, bei privatautonomer Gestaltung, der Parteien. Subjektive Rechte sind grundlegende Ordnungskriterien des Privatrechts27. Sie schaffen eine Zuständigkeitsordnung die nicht nur durch die §§ 823 I, 1004 BGB, sondern auch durch die Eingriffskondiktion und die Geschäftsführung ohne Auftrag abgesichert ist. Nach herrschender, aber nicht unbestrittener28 Ansicht sind subjektive Rechte Bündel29 von Abwehr-, Handlungs- und Dispositionsbefugnissen30: Sie erlauben es ihrem Inhaber nicht nur, sich gegen Eingriffe durch Auslösen rechtlicher Sanktionen zur Wehr zu setzen, sondern eröffnen ihm auch in der Regel einen tatsächlichen Handlungsspielraum und sind jedenfalls soweit es sich um übertragbare Rechte handelt - Quelle der Verfügungsmacht. Mit der Herleitung der Einwilligungsbefugnis aus dem subjektiven Recht ist noch nicht geklärt, welcher dieser drei Ausprägungen subjektiver Rechte die Einwilligung zuzuordnen ist.

§ 72 a (S. 428 ff.); Larenz/Wolf, § 14, Rz. 18; Medicus AT, Rz. 70 und die Nachw. bei Raiser,]Z 1961,465. 22 v. Savigny, § 4 (S. 7); ebenso Windscheid, § 37 (S. 156); zu den Veränderungen in der Lehre Wmdscheids vgl. Raiser, J Z 1961, 465 (l.Sp.). 23 Vgl. Larenz/Canaris SchR II/2, § 75 I 1 (S. 350). 24 Zum Rechtsbegriff Kants oben, § 5 II 1. 25 v. Jhering, Geist des römischen Rechts III, § 60 (S. 327 ff., 339). Näher zu Jherings Theorie des subjektiven Rechts Wagner, AcP 193 (1993) 319ff. 26 Zur Vereinbarkeit beider Theorien Wagner, a. a. O., S. 341. 27 Vgl. Larenz/Canaris SchR II/2, § 75 11 (S. 350), § 69 11 c (S. 170); Fezer, S. 532 und passim. 28 Dagegen vor allem die Theorien von Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis (1965) und Kelsen, 130ff. 29 Alexy, S. 224. 30 Larenz/Wolf, § 14, Rz. 8; § 15, Rz. 2 ff.

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

183

b) Die Einwilligung als Verzicht auf die Abwehrbefugnis? Auf den ersten Blick scheint es nahezuliegen, die Einwilligung als Verzicht auf die Geltendmachung der Ansprüche zu deuten, die aus der Verletzung des subjektiven Rechts folgen. Diese Konstruktion erscheint zunächst denjenigen Autoren attraktiv, die das subjektive Recht ausschließlich von der Abwehrbefugnis her deuten. So ist für Bucher das subjektive Recht eine Normsetzungsbefugnis: Durch Verleihung eines subjektiven Rechts ermöglicht es die Rechtsordnung dem Rechtsträger, nach seinem Willen Verbotsnormen zu setzen und so Verhaltenspflichten zu begründen 31 . Der Satz „volenti non fit iniuria" besagt dann nichts anderes, als daß der Rechtsträger genau dies unterläßt: „Dessen Einwilligung' ist keine selbständige normative Erscheinung, sondern lediglich die Tatsache, daß der Rechtsträger keinen Anspruch auf Nicht-Verletzung des Rechtsobjekts erhebt oder allenfalls einen kraft Vermutung oder früherer Anspruchserhebung bereits bestehenden Anspruch außer Kraft setzt." 32 So sehr diese These innerhalb des von Bucher auf der Grundlage der Imperativentheorie entwickelten Systems logisch erscheint, so deutlich tritt ihr Defizit zutage: Sie vermag nicht zu erklären, warum der Einwilligende nach erfolgtem Eingriff an seine Einwilligung gebunden ist. Daß der Rechtsträger lediglich keinen „Anspruch auf Nicht-Verletzung des Rechtsguts" erhebt, bedeutet noch nicht, daß er in die Handlung eingewilligt hat. Anders als im Strafrecht zieht eine rechtswidrige Handlung aufgrund der Dispositionsmaxime nur dann eine zivilrechtliche Sanktion nach sich, wenn der Geschädigte sie verlangt. Macht er seinen Anspruch zunächst nicht geltend, so kann er dies innerhalb der Verjährungsfrist jederzeit nachholen. Erst die wirksame Einwilligung schließt dies aus, sie ist also mehr als die bloße Nicht-Abwehr. Daher vermag dieses Modell völlig unabhängig von den Einwänden, die in der Rechtstheorie gegen die Imperativentheorie vorgebracht werden 33 , nicht zu überzeugen. Einem ähnlichen Einwand ist der Versuch ausgesetzt, die im Strafrecht herrschende Auffassung von der Einwilligung als Rechtsschutzverzicht ins Privatrecht zu übernehmen 3 4 . Während im Strafrecht, dessen Augenmerk auf den staatlichen Strafanspruch gegenüber dem Täter gerichtet ist, ein Verzicht des Opfers gegenüber der Allgemeinheit Auswirkungen haben mag, geht es im privatrechtlichen Deliktsrecht in erster Linie um die gerechte Aufteilung der Schadensfolgen zwischen Schädiger und Geschädigtem. Sicherlich kann letzterer auf Schadensersatzansprüche verzichten, doch sieht das Gesetz dafür einen Erlaß vertrag (§ 397 BGB) vor 35 . Wie sich ein Verzicht gegenüber der 31 32 33 34 35

Bucher, S. 55 ff. und passim. Bucher, S. 118. Vgl. hierzu Larenz /Canaris M e t h L , S. 74 ff. So Deutsch A H R , R z . 282; Schenke, S. 45. Der Erlaß kann also nicht durch einseitige Erklärung herbeigeführt werden, vgl.

184

§ 9 Die Rechtsnatur der

Einwilligung

Allgemeinheit, der nicht den Voraussetzungen für Rechtsgeschäfte zu genügen braucht, privatrechtlich auswirken soll, bleibt dunkel. Auch dieses Erklärungsmodell scheitert also bereits daran, daß es nicht erklären kann, warum der Verzicht auf die Abwehrbefugnis den Einwilligenden nach erfolgtem Eingriff bindet. Dieses Defizit vermeidet die Theorie, die - vor allem f ü r die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung - die früher herrschende Konstruktion der einfachen Lizenz aus dem Immaterialgüterrecht übernimmt 3 6 . Die Einwilligung ist demnach bindender Verzicht auf die Geltendmachung künftiger Schadensersatzansprüche, die in Form eines antizipierten Erlasses (§ 397 BGB) oder als pactum de non petendo vereinbart wird. Als Vertrag ist dieser Verzicht ohne weiteres bindend. Die Unverfügbarkeit der Persönlichkeitsrechte kann gegen diese Theorie ebenfalls nicht eingewandt werden, da sich die Vereinbarung nur auf die vermögensrechtlichen Folgen der Rechtsverletzung bezieht. Ebenso wie über diese Ansprüche problemlos durch Abtretung oder Erlaß verfügt werden kann, kann auf sie auch verzichtet werden 3 7 . Dennoch sprechen auch gegen diese Konstruktion entscheidende Argumente. Zunächst greift hier die Kritik durch, die oft - zu Unrecht, wie sich zeigen wird - der Rechtsgeschäftstheorie insgesamt entgegengehalten wird. Es ist meist eine Fiktion, den Parteien den rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausschluß der Rechtsfolgen zu unterstellen. Ihrem sozialen Sinn nach ist die Einwilligung Erlaubnis, doch über mögliche Schadensersatzfolgen denken die Beteiligten meist nicht nach 38 . Außerdem sind der pactum de non petendo und der Erlaß gemäß §§3111,397 I BGB Verträge, daher sind die §§ 104ff. BGB ohne weiteres anwendbar. Zwar wird sich zeigen, daß die Vorschriften über Willenserklärungen auch für die Einwilligung von Bedeutung sind, doch bedürfen sie der Modifikation, insbesondere f ü r Einwilligungen im höchstpersönlichen Bereich. Indem bei einem isolierten Blick auf die Rechtsfolgen auch die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter auf ihre vermögensrechtlichen Folgen reduziert wird, entfällt die Möglichkeit dieser Modifikation, Folge ist eine unkritische Anwendung der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB über Rechtsgeschäfte. Schließlich bestehen konstruktive Bedenken, auf die ebenfalls in der Literatur wiederholt hingewiesen wurde. Abgesehen davon, daß die Möglichkeit eines antizipierten Erlasses umstritten ist 39 , bestimmt § 276 III BGB (= R G Z 72,168 (170f.); 110,409 (418); B G H NJW1987,3203; Larenz SchR I, § 191 a (S. 267); MüKo/v. Feldmann, Rz. 1 zu § 397; Staudinger/Rieble, Rz. 1 zu § 397 m . w . N . 36 S. die Nachw. oben, § 4 IV 2. 37 Larenz/Wolf AT, § 15, Rz. 27; v. Gamm, Einf. Rz. 109; Schricker/Schricker, Rz. 17 zu § 29 und in FS Hubmann, S. 409 (413); Seetzen, S. 23 f. 38 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (54). 39 Dafür mittlerweile aber die Rechtsprechung, s. B G H Z 40, 326 (330), anders noch R G Z 148, 257 (262). Die h.L. nimmt zwar keinen Erlaß ¡.S.d. § 397 BGB an, mißt der Vereinbarung aber die Wirkung bei, daß die Forderung gar nicht erst entsteht, s. Erman/

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

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§ 276 II a.F. BGB), daß die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. Da diese Bestimmung schon wegen ihres systematischen Zusammenhangs zum allgemeinen Verschuldensmaßstab des § 276 I BGB auch für das Deliktsrecht gilt 40 und da Eingriffe aufgrund einer Einwilligung regelmäßig vorsätzlich erfolgen, läuft ein vorweggenommener Ausschluß der Rechtsfolgen meist leer 41 . Vor allem kann diese Lehre ebensowenig wie die Theorie vom Rechtsschutzverzicht erklären, warum die Einwilligung das Unrecht der betreffenden Handlung mit allgemeiner Wirkung ausschließt. Bei einer bloßen Einwirkung auf die Rechtsfolgen bliebe das Verhalten verboten, lediglich die Unrechtsfolgen träten nicht ein. Als Lackmustest dient die „Notwehrprobe": Da die Handlung rechtswidrig bliebe, wären Notwehr und Nothilfe weiterhin erlaubt 42 . Während der Hinweis auf die mögliche Notwehr durch den Einwilligenden selbst noch als rein theoretisch abgetan werden kann, da der Einwilligende ja entweder mit der Handlung einverstanden ist oder die Erlaubnis durch die Notwehrhandlung konkludent widerruft, ist Nothilfe durch Dritte eine durchaus realistische Möglichkeit, wie ein Beispiel von Helle zeigt 43 . Würde die Einwilligung in eine Nacktaufnahme nach § 22 KUG lediglich mögliche Schadensersatzansprüche ausschließen, so wäre es militanten Pornographiegegnern erlaubt, in Nothilfe die Verbreitung der Aufnahmen zu verhindern. Ein Ausschluß der Rechtsfolgen ohne vollständigen Unrechtsausschluß entspricht weder dem sozialen Sinn der Einwilligung noch den Interessen der Beteiligten. c) Die Einwilligung als Ausübung der Dispositionsbefugnis Damit rückt derjenige Aspekt des subjektiven Rechts ins Blickfeld, der meist verengend als „Verfügungsbefugnis" bezeichnet wird. Das Prinzip der Privatautonomie allein reicht nicht aus, um die Wirksamkeit von Verfügungen zu begründen, da grundsätzlich 44 nur der Rechtsinhaber wirksam verfügen kann. Verfügungen setzen eine Rechtszuständigkeit voraus, die jedenfalls bei absoluten Vermögensrechten wie dem Eigentum nach herrschender Ansicht unmittelbar aus dem subjektiven Recht folgt 45 . Vieles spricht dafür, daß die Westermann, Rz. 4 a zu § 397; Larenz SchR I, § 19 I a (S. 268); Palandt/Heinrichs, Rz. 2 zu § 379. 40 Dietz, S. 226; Erman/Battes, Rz. 4 zu § 276; Palandt /Heinrichs, R z . 4 zu § 276. 41 Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (54); Dietz, S. 226. 42 Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (53); Dasch, S. 30; Helle, A f P 1985, 93 (94). 43 Helle, a . a . O . , Fußn. 22. 44 Vorbehaltlich der Stellvertretung, der Ermächtigung (§ 185 B G B ) und der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb. 45 Vgl. Larenz /Wolf, § 15, Rz. 22 ff.; MüKo/Säcker, Rz. 6 zu § 903; Soergel/Baur, Rz. 33 zu § 903; zur Verankerung der Verfügungsbefugnis in Art. 14 GG oben, § 6 IV 1 b. Im älteren Schrifttum w u r d e diese Ansicht allerdings vor allem von Thon, S. 328 f., mit dem A r g u m e n t bestritten, das Objekt der Übertragung könne nicht zugleich das sein, w a s

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§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

Befugnis zur Erteilung einer wirksamen Einwilligung im engeren Sinne als ein Minus in der Verfügungsbefugnis enthalten ist. Die Einwilligung ist insofern mit den Verfügungen verwandt, als sie dem Einwilligungsempfänger unmittelbar eine - wenn auch widerrufliche - Eingriffsbefugnis verschafft. Zum Teil wird die Einwilligung in der Literatur aus diesem Grund als Verfügung angesehen 46 . Gegen diese Auffassung spricht aber, daß es bei der Einwilligung an dem entscheidenden Kriterium der Verfügung, nämlich dem Verbrauch von Verfügungsmacht 47 , fehlt 48 : Auch nach Erteilung der Einwilligung kann der Rechtsinhaber die betreffende Handlung nicht nur selbst vornehmen, er kann sie auch Dritten nach wie vor gestatten. Die Einwilligung schafft eine parallele Befugnis, führt also nicht zu einer Zuständigkeitsveränderung, sondern zu einer Zuständigkeitserweiterung. Insofern weist sie eine Parallele zur rechtsgeschäftlichen Vollmacht (§§ 164,166 II BGB) und zur Ermächtigung auf (§ 185 I BGB) 49 , deren Verfügungsnatur im übrigen ebenfalls umstritten ist 50 . Ebenso wie jene Rechtsfiguren die Kompetenz zur rechtsgeschäftlichen Bindung des Geschäftsherren auf den Vertreter oder den Ermächtigten erweitern, ohne daß der Geschäftsherr diese Kompetenz zugleich verliert, erweitert die Einwilligung eine bestimmte aus dem subjektiven Recht folgende Befugnis auf den Einwilligungsempfänger. In beiden Fällen tritt neben die primäre und originäre Zuständigkeit eine sekundäre, abgeleitete Zuständigkeit 51 . Untechnisch gesprochen ist die Einwilligung eine „Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen" 5 2 . A m Beispiel des Eigentums sei diese Parallele verdeutlicht: Hat der Eigentümer in die Verfügung, die ein anderer trifft, zuvor nach § 185 I BGB eingewilligt, so verfügt dieser als Berechtigter, damit entfällt bereits der Tatbestand des § 823 I BGB. Zerstört der andere die Sache mit Einwilligung des Eigentümers, so handelt er erlaubt, damit entfällt jedenfalls die Rechtswidrigkeit, nach hier vertretener Ansicht sogar bereits der Tatbestand des § 823 I BGB. Gelegentlich ist zu lesen, die unrechtsausschließende Einwilligung und die Einwilliübertrage: „Ich vermag einen Stein eine Strecke weit zu werfen: aber niemand wird sagen, daß mir der Stein erst die Kraft zum Werfen verlieh." Gegen Thon zutreffend Krückmann, AcP 103 (1908) 139 (254); vgl. auch Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 14 mit Fußn. 38. 46 So Rosener, S. 120; MüKoi/Gitter, Rz. 86 vor § 104; für das österreichische Recht Resch, S. 38. 47 Kraßer, GRUR Int. 1973, 230 (232); 1983, 537f. 48 Gotting, S. 144; ähnlich Dasch, S. 35 (allerdings ohne die hier vorgenommene Abgrenzung der Einwilligung i. e. S. von stärkeren Formen der Disposition). 49 Rosener, S. 100 ff. 50 Vgl. zum Streitstand Müller-Freienfels, S. 253 ff.; Thiele, S. 290 ff.; Erman /Palm, Rz. 19 vor § 104; Flume AT II, §§ 11, 5 d (S. 145), 52, 4 (S. 866). 51 So für die Vollmacht Müller-Freienfels, S. 83 ff., 101; Thiele, S. 61 f.; für die Einwilligung i.S.d. §§ 183, 185 I Thiele, S. 154. 52 Vgl. Rosener, S. 87 ff. (insb. 95).

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

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gung gem. §§ 183, 185 I B G B hätten nichts miteinander zu tun 53 . Es dürfte deutlich geworden sein, daß diese Aussage zu weit geht. Allerdings hat die gedankliche Parallele Grenzen. Anders als Vollmacht und Ermächtigung richtet sich die Einwilligung nicht auf ein Rechtsgeschäft, sondern auf eine faktische Handlung, zudem wirkt sie sich regelmäßig nur im Zweipersonenverhältnis zwischen Einwilligendem und Handelndem aus, während sich Vollmacht und Ermächtigung auf ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten beziehen. Aus diesem Grund erlangen Verkehrsschutzinteressen im Recht der Stellvertretung und der Ermächtigung eine wesentliche Bedeutung, während sie bei der unrechtsausschließenden Einwilligung erheblich weniger ins Gewicht fallen. 2.

Einwände

Während die Deutung der Einwilligung als verfügungsähnliche, befugniserweiternde Disposition über ein subjektives Recht für das Eigentum und die übrigen Vermögensrechte naheliegt, sieht sie sich vor allem im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte Einwänden ausgesetzt. Erstens kann ihr für die praktisch wichtige Fallgruppe der Eingriffe in die körperliche Integrität entgegengehalten werden, der Körper sei im Rahmen des § 823 I B G B lediglich als Rechtsgut in seiner faktischen Integrität geschützt, sei aber nicht Gegenstand eines subjektiven Rechts (a). Damit hängt zweitens zusammen, daß nach einer verbreiteten Ansicht das Selbstbestimmungsrecht über persönliche Angelegenheiten als selbständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vom jeweils geschützten Persönlichkeitsinteresse zu unterscheiden ist (b). Außerdem scheint die Erklärung für sämtliche Tatbestände des Deliktsrechts zu versagen, die im Gegensatz zu § 823 I B G B nicht auf die Verletzung absoluter Rechte abstellen (c). a) Leben, Körper und Gesundheit als Rechtsgüter oder als Gegenstand von Persönlichkeitsrechten? Die Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern wird nicht nur vom Wortlaut des § 823 I B G B nahegelegt, sie entsprach auch zur Zeit der Beratungen zum B G B einer verbreiteten, auf Savigny zurückgehenden Auffassung 54 . Allerdings zeigt die Entstehungsgeschichte des § 823 I B G B 5 5 , daß die Auseinandersetzung über die dogmatische Erfassung der Persönlichkeitsgüter auch die Arbeit beider Kommissionen beeinflußte. Schlug die Erste Kommission noch eine Formulierung vor, in der die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre der Verletzung eines Rechts 53

mann, 54 55

So Fischer, S. 278; Dietz, S. 228; Gotting, S. 143, Fußn. 5; in der Tendenz auch ZitelAcP 99 (1906) 1 (58). S. zur Auffassung Savignys oben, § 3 II. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 474 ff.

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§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

gleichgestellt wurden 56 , so verzichtete die Zweite Kommission auf einen solchen Zusatz57, da für die Mehrheit der Kommissionsmitglieder ausgemacht war, daß auch die „sogenannten Persönlichkeitsrechte" zum Rechtskreis des einzelnen zu zählen seien58. Die endgültige Fassung, die § 823 I in der Redaktionskommission des Reichstags erhielt, wurde seinerzeit weniger als Stellungnahme im dogmatischen Streit um die Natur der Persönlichkeitsrechte denn als Klarstellung verstanden, daß auch Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit deliktsrechtlichen Schutz genießen sollten59. Erst in der Literatur zum BGB setzte sich die Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern weitgehend durch. Sie entsprach für lange Zeit der herrschenden Meinung 60 und diente nicht zuletzt als Argument gegen die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 61 . Mittlerweile ist diese Auffassung durch drei Entwicklungen ins Wanken geraten. Erstens verbürgt seit Inkrafttreten des Grundgesetzes Art. 2 II 1 GG ausdrücklich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Zweitens ist über das Argument Savignys, ein „Recht an sich selbst" habe kein Objekt und sei daher logisch unmöglich 62 , seit der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Rechtsentwicklung hinweggegangen. In der Tat beruht dieser Gedanke auf einer unangemessen engen gegenständlichen Auffassung vom Rechtsobjekt 63 . Das geschützte Interesse kann durchaus immaterieller Natur sein, wie die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht zeigen. Auch höchstpersönliche Interessen wie etwa das Interesse an autonomer Selbstdarstellung des einzelnen im Bild als Gegenstand des § 22 KUG 64 lassen sich als Rechtsobjekte begreifen, ohne daß es eines gegenständlichen Substrats bedürfte. Drittens hat sich seit den Zeiten Savignys die gesellschaft56 § 704 II des Ersten Entwurfs lautete: „Hat Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines Anderen verletzt, so ist er den durch die Rechtsverletzung dem Anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen verpflichtet, auch wenn die Entstehung des Schadens nicht vorauszusehen war. Als Verletzung eines Rechts im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen." 57 § 746 I 1 des Zweiten Entwurfs lautete: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt oder wer gegen ein den Schutz des Anderen bezwekkendes Gesetz verstößt, ist dem Anderen zum Ersätze des dadurch verursachten Schadens verpflichtet." 58 Prot. II, S. 568. 59 Vgl. Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 487. 60 Vgl. RGZ 51, 369 (372 ff.); BGHZ 8, 243 (247f.); 29, 33 (36); Oertmann, Anm. 1 zu § 823; Planck, Anm. II 1 f. zu § 823; Rümelin, AcP 90 (1900) 171 (238, Fußn. 69); Enneccerus/Lehmann, § 233 I 2 (S. 936). 61 RGZ 51, 369 (372ff.); 69, 401 (403f.); Oertmann, Rümelin, beide a.a.O. 62 So allerdings noch Medicus BR, Rz. 615, der das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus diesem Grund als „juristische Mißgeburt" bezeichnet. 63 So schon v. Gierke, §§ 29 II 1 (S. 260); 81 I, II (S. 702 ff.). 64 Dazu Dasch, S. 13 m.w.N.

II. Selbstbestimmung

und subjektives Recht

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liehe Einschätzung der Dispositionsmacht des einzelnen über den eigenen Körper erheblich verändert. War für Savigny der Gedanke an ein Recht zum Selbstmord noch eine absurde Vorstellung, so ist heute der Suizid nicht nur erlaubt, er wird auch von weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr sittlich mißbilligt. Zwar ist die Tötung auf Verlangen nach wie vor strafbar, doch ist die kategorische Einwilligungssperre des § 216 S t G B seit den 70er Jahren in den Brennpunkt der Kritik geraten 6 5 . Auch das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts durchgesetzt und ist erst mit der Anerkennung umfangreicher ärztlicher Aufklärungspflichten seit den 50er Jahren auf nationaler wie auf internationaler Ebene im heute geltenden Ausmaß entfaltet worden 6 6 . D i e Auffassung Savignys beruht also auf einer Prämisse, die in dieser F o r m nicht mehr zeitgemäß ist. Schließlich wird gegen eine Anerkennung subjektiver Rechte an Leben und körperlicher Integrität deren Unübertragbarkeit ins Feld geführt 6 7 . So betont der B G H , über die in § 823 I B G B geschützten Rechtsgüter könne „ein Mensch nicht verfügen wie über eine ihm gehörige Sache, ein ihm zustehendes dingliches Recht oder ein Rechtsverhältnis" 6 8 . Allerdings ist die Übertragbarkeit kein notwendiges Attribut eines subjektiven Rechts 6 9 , und der Umstand, daß über den eigenen Körper nicht wie über eine Sache verfügt werden kann, bedeutet nicht zugleich, daß er lediglich in seinem faktischen Bestand geschützt wäre. Versteht man subjektive Rechte als Freiheitssphären, die der staatlichen Entscheidungshoheit entzogen und dem Rechtsinhaber zur alleinigen Wahrnehmung zugewiesen sind, so spricht alles für die Annahme eines subjektiven Rechts auf körperliche Integrität. D e r eigene Körper steht im Mittelpunkt der ureigenen Freiheitssphäre der Person, und es ist unstreitig, daß jeder mit seinem Körper grundsätzlich „nach Belieben verfahren" darf 7 0 , daß also jeder für Entscheidungen über die körperliche Integrität alleinzuständig ist. Das Recht am eigenen Körper weist nicht nur eine Ausschlußfunktion, sondern auch einen positiven Gehalt auf 71 . Die Einschränkung der Dispositionsbefugnis ändert nichts daran, daß auch diese Rechtsgüter nicht lediglich in ihrer objektiv-medizinischen Faktizität geschützt, sondern ihrem Träger zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen sind. Daher haben die Vermögensrechte und das Persönlichkeitsrecht auf körperliche Integrität trotz ihrer unterschiedlichen Verfügbarkeit eine gemeinsame Struktur. In beiden Fällen handelt es sich um subjektive Rechte, die sich 65 66

67 68

69 70 71

Näher hierzu unten, § 14 IV 1. Näher hierzu unten, §§ 10 II la; 13 II 2, 4. B G H Z 8, 243 (247); 29, 33 (36); Deutsch AHR, Rz. 59. B G H Z 29, 33 (36).

Larenz/Wolf, § 14, Rz. 21. Larenz/Canaris SchR II/2, § 76 I 1 a (S. 374). Larenz/Canaris, a.a.O.

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§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

auf ein Rechtsgut beziehen. Ebenso wie die Sache Rechtsgut des Eigentums ist, stehen auch die Persönlichkeitsrechtsgüter nicht isoliert im Raum, sondern sind Gegenstände von Ausschluß-, Handlungs- und, in begrenztem Maße, auch Dispositionsbefugnissen. b) Verankerung des Selbstbestimmungsrechts in persönlichen Angelegenheiten Allerdings ist die Ansicht, das Selbstbestimmungsrecht in persönlichen Angelegenheiten hänge untrennbar mit dem jeweils geschützten Persönlichkeitsgut zusammen, alles andere als unumstritten. Nach einer verbreiteten Auffassung ist diese Entscheidungsfreiheit vielmehr als eigenständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen. Die Kontroverse wird vor allem im Rahmen der Diskussion um die rechtliche Bewertung des eigenmächtigen ärztlichen Heileingriffs ausgetragen, sie wird daher von spezifischen Fragen des Arzthaftungsrechts überlagert. Seit langem ist die Beurteilung des ärztlichen Heileingriffs als tatbestandsmäßige Körperverletzung durch die Rechtsprechung in der straf- und zivilrechtlichen Lehre heftiger Kritik ausgesetzt, auf die später zurückzukommen sein wird 72 . An dieser Stelle interessiert vorläufig nur das Argument der Kritiker, der eigenmächtige, aber indizierte und lege artis durchgeführte Heileingriff verletze nicht das Interesse des Patienten an körperlicher Integrität, sondern lediglich sein Selbstbestimmungsrecht73, der Eingriff sei daher nicht als Körperverletzung, sondern nur als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bewerten. Damit wird impliziert, daß zwischen dem Interesse an körperlicher Integrität und dem Interesse an Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu unterscheiden ist. Auch über das Medizinrecht hinaus wird die Ansicht vertreten, das Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten sei eine selbständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts74. Diese Auffassung kann sich auf einige Urteile des BGH berufen, in denen sehr allgemein die personale oder gar wirtschaftliche Selbstbestimmung als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bezeichnet wird 75 . Die Gegenansicht haben für den ärztlichen Heileingriff Deutsch, für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Hubmann begründet. Für Deutsch kann das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper nicht vom Recht auf körperliche Integrität getrennt werden. Zwar sei zutreffend, daß der eigenmächS. unten, § 10 II 1. So Laufs, NJW 1974, 2025 (2026ff.) und NJW 1997, 1609 (1611); Larenz/Canaris, SchR II/2, §§ 76 II 1 g (S. 383), 80 II 6 c (S. 514); Wiethölter, S. 71 (101 ff.); weitere Nachw. unten, § 10 II 1. 74 So Baston-Vogt, S. 214ff.; Kau, S. 77ff. 75 Vgl. etwa BGH NJW 1965, 685 ( 6 8 6 ) - „ S o r a y a " ; BGHZ 98, 94 (98) - „BMW, krit. Erman /Ehmann, Rz. 19, Anh. zu § 12. 72

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II. Selbstbestimmung

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tige Heileingriff in erster Linie in die Entscheidungsfreiheit des Patienten eingreife, diese Freiheit sei aber Teil des „Persönlichkeitsrechts am eigenen Körper" 76 . Sie sei „gewissermaßen transparent", hinter ihr werde das zur eigenen Bestimmung zugewiesene Rechtsgut sichtbar 77 . Die Freiheit, über Heileingriffe zu entscheiden, habe keinen eigenen Schutzbereich, sie werde rechtlich nur im Tatbestand der Körper- und Gesundheitsverletzung erfaßt. Ahnlich argumentiert mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht Hubmannn. Das Selbstbestimmungsrecht sei mit jedem einzelnen Persönlichkeitsgut verbunden und empfange seinen Inhalt und Umfang erst aus diesem Gut. Ein allgemeines Selbstbestimmungsrecht, verstanden als besonderes Persönlichkeitsgut, tauge nicht zur Abgrenzung des Persönlichkeitsrechts. Inwieweit der einzelne über seinen Körper, seinen Namen oder sein Bildnis entscheiden könne, hänge von Natur und Wert der betreffenden Güter ab, das Persönlichkeitsgut sei also entscheidend für das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht. Diese Ansicht verdient nachdrückliche Zustimmung. Rechtsgut und Selbstbestimmungsrecht sind aufeinander bezogen. Ähnlich wie im Strafrecht nach Rudolphi „Verfügungsgegenstand und Verfügungsbefugnis (...) in ihrem Aufeinanderbezogensein" das tatbestandlich geschützte Rechtsgut bilden 79 , so fehlt auch im Privatrecht einem isolierten Selbstbestimmungsrecht der konkrete Bezugspunkt. Soll sich das Selbstbestimmungsrecht von der allgemeinen Handlungsfreiheit unterscheiden, so bedarf es der Eingrenzung. Es ist die Leistung der subjektiven Rechte, Autonomiebereiche abzustecken, indem bestimmte Interessen dem einzelnen zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen werden. Je klarer das Interesse konturiert werden kann, desto effektiver ist der Schutz, den das subjektive Recht vermittelt. Ausgehend von dieser Prämisse erscheint es konsequent, auch das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper nicht im allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu verankern, sondern mit einer neueren Entscheidung des BGH den Schutz von „Körper und Gesundheit" in § 823 I BGB als gesetzlich ausgeformten Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufzufassen 80 , der gleichermaßen die körperliche und gesundheitliche Integrität wie die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des eigenen Körpers erfaßt 81 . 76 Deutsch, NJW 1965, 1985 (1989) im Anschluß an Larenz SchR II, § 72 I b (S. 606 f.); Forkel, Jura 2001, 73 ff; ebenso mittlerweile BGHZ 124, 52 (54). Näher zum ärztlichen Heileingriff unten, § 10 II 1. 77 Deutsch, a. a. O. 78 Hubmann, GS Schmidt, S. 161 (163); Erman /Ehmann, Rz. 19, Anh. zu § 12; ähnlich Larenz/Canaris SchR II/2, § 80 II 6 c (S. 514), allerdings mit abweichender Schlußfolgerung für die Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper. 79 Rudolphi, ZStW 86 (1974) 82 (87), zust. Roxin AT I, § 13, Rz. 14. 80 BGHZ 124, 52 (54); dazu ausführlich Forkel, Jura 2001, 73 ff. 81 Hierzu treffend Roxin AT I, § 13, Rz. 14: Der Körper ist Schutzobjekt „nicht als

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5 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

c) Verengung der Perspektive auf den Schutz absoluter Rechte? Ein dritter Einwand gegen die Herleitung der Dispositionsbefugnis aus dem subjektiven Recht stützt sich nicht auf die Dichotomie von Persönlichkeitsund Vermögensrechten, sondern auf die unterschiedliche Struktur der Haftungstatbestände. Die hier vertretene Theorie scheint auf diejenigen Normen zugeschnitten zu sein, die als Anknüpfungspunkt für die Haftung die Verletzung absoluter Rechte wählen. Sie erscheint weniger geeignet, die Wirkung der Einwilligung im Rahmen derjenigen deliktsrechtlichen Tatbestände zu erklären, die auf die Verletzung von Handlungspflichten oder einen Verstoß gegen die guten Sitten abstellen. Allerdings stehen der Schutz absoluter Rechte in § 823 I B G B und die handlungsbezogen formulierten Tatbestände des Deliktsrechts nicht beziehungslos nebeneinander. Im Rahmen des § 823 II B G B gibt es zahlreiche Schutzgesetze, die den parallel gegebenen Schutz nach § 823 I B G B nur verdeutlichen und präzisieren 82 . Hier folgt die Einwilligungsbefugnis aus dem dahinter stehenden subjektiven Recht, wie sich am Beispiel des § 303 I StGB verdeutlichen läßt. Wenn auch das strafrechtliche Verbot der Sachbeschädigung handlungsbezogen formuliert ist, so folgt die Dispositionsbefugnis zur Erteilung einer Einwilligung auch im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 823 II B G B , 303 StGB doch aus dem Eigentum selbst. An dieser Stelle drängt sich die Parallele zu der oben dargestellten 83 , von Roxin, Kientzy und anderen vertretenen strafrechtlichen Einwilligungslehre auf. Rechtsgüter dienen demnach der freien Entfaltung des einzelnen, die Einwilligung ist Ausdruck dieses Freiheitsraums, der durch das jeweilige Rechtsgut verbürgt ist 84 . O b das betreffende Rechtsgut im Sinne des § 823 I B G B umfassend als Gegenstand eines absoluten Rechts, oder nur in Ausschnitten durch spezielle Verhaltenspflichten geschützt wird, ist für die Verankerung der Dispositionsbefugnis unerheblich. Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne der §§ 826 B G B , 1 U W G kann mit der Verletzung eines subjektiven Rechts einhergehen. Ein Beispiel bieten die Urteile des B G H zur Telefonwerbung, die ohne Einwilligung des Beworbenen einen Verstoß gegen § 1 U W G darstellt 85 . Das Verdikt der Sittenwidrigkeit knüpft hier an den Eingriff in die Privatsphäre des Adressaten an. Die Parallele zur Briefkastenwerbung, die vom B G H unter dem Gesichtspunkt einer Persönlichkeitsverletzung nach §§ 823 1,1004 B G B Anhäufung von Fleisch und Knochen, sondern nur in Verbindung mit dem Geist, der in ihm wohnt und ihn beherrscht". 82 Larenz/Canaris SchR II/2, § 77 I 1 a (S. 431); Staudinger/Hager, Rz. G 1 zu § 823. 83

§7 11 1.

Roxin, AT, § 13, Rz. 12 ff. 85 B G H Z 54,188 - „ Telefonwerbung I"; B G H G R U R 1 9 8 9 , 753 - „Telefonwerbung II"; G R U R 1990, 280 - „Telefonwerbung III" ; zuletzt G R U R 2000, 818 „Telefonwerbung VI"; zum Ganzen Schmid, S. 13 ff. 84

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

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beurteilt wurde, verdeutlicht diesen Gedanken 86 . Grund für die Prüfung des Anspruchs unter § 1 U W G ist allein die erweiterte wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis gemäß § 13 II U W G . Gerade weil im Fall der Telefonwerbung das öffentliche Interesse an der Verhinderung dieser Werbemethode gegenüber dem privaten Interesse des Beworbenen am Schutz seiner Privatsphäre zurücktritt, gewährt die Rechtsprechung diesem zutreffenderweise eine Dispositionsbefugnis, macht also die Zulässigkeit der Telefonwerbung von seiner Einwilligung abhängig. Auch hier folgt die Dispositionsbefugnis aus dem subjektiven Recht. Es bleiben diejenigen Verhaltenspflichten, hinter denen kein absolutes, nach § 823 I BGB geschütztes Recht steht. Beispiele sind die Verpflichtung des Unfallbeteiligten nach § 142 StGB, die vorgeschriebenen Feststellungen zu ermöglichen 87 , oder die unter gewissen Voraussetzungen gemäß § 1 U W G sittenwidrige Nachahmung eines nicht sondergesetzlich geschützten Produkts 88 . Auch in diesem Fall erlangt aber der Begünstigte eine Rechtsstellung, die einem subjektiven Recht zumindest vergleichbar ist. Indem die Rechtsordnung ein bestimmtes Individualinteresse rechtlich schützt, schafft sie einen Freiheitsraum, der oft eine ähnliche Funktion aufweist wie die in § 823 I BGB geschützten Rechte und Rechtsgüter 89 , mindestens aber einem relativen subjektiven Recht vergleichbar ist. Kann etwa das Unfallopfer von den anderen Unfallbeteiligten verlangen, daß sie die notwendigen Feststellungen ermöglichen, und ist diese Pflicht nach § 823 II BGB und analog § 1004 BGB mit einem Schadensersatzanspruch und einem quasi-negatorischen Abwehranspruch sanktioniert, so besteht kein struktureller Unterschied zu einer Forderung. Tatsächlich läßt sich der Fall bilden, daß eine entsprechende Mitteilungspflicht vertraglich vereinbart wird, etwa zwischen einer Autovermietung und dem Mieter eines Fahrzeugs. Besonders deutlich wird der Ubergang zum subjektiven Recht im wettbewerbsrechtlichen Beispiel. Während nach Ansicht der Rechtsprechung an Produkten, die nicht sondergesetzlich ge86 In BGHZ 60,296 (299) und 106,229 (232) wird die Briefkastenwerbung nach §§ 823, 1004 BGB beurteilt, in beiden Fällen hatte der Empfänger der Werbung geklagt. In BGH GRUR 1992, 617 - „Briefkastenwerbung" werden diese Grundsätze auf § 1 UWG übertragen, da der klagende Verbraucherschutzverband in diesem Fall nach § 13 II UWG seine Klage nur auf den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, nicht jedoch auf die unerlaubte Handlung nach § 823 BGB stützten konnte. Zum Abwehranspruch gemäß § 823 I i.V. m. § 1004 I BGB analog gegen unerwünschte Telefonwerbung Scbmid, S. 23 ff. m.w.N. 87 Zur Schutzgesetzeigenschaft des § 142 I StGB s. RGZ 172,11 (15); BGH NJW 1981, 750 (beschränkt auf den Schutz des Geschädigten); MüKo/Mertens, Rz. 194 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. G 42 zu § 823. 88 Vgl. aus der umfangreichen und differenzierten Rechtsprechung nur BGH GRUR 1996, 210 (211 ff.) - „ V a k u u m p u m p e n " ; 1998, 830 (832f.) - „Les-Paul-Gitarren"; dazu Baumbach/Hefermehl, Rz. 439 ff. zu § 1; Köhler/Piper, Rz. 482 ff. zu § 1; Kur, GRUR 1990, 1 ff.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb (1995), S. 93ff. und passim, alle m.w.N. 89 Larenz/Canans SchR II/2, § 69 I 1 c (S. 170).

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der

Einwilligung

schützt sind, kein echtes Leistungsschutzrecht besteht 90 , wird in der Literatur gefordert, die Position des Berechtigten als echtes subjektives Recht zu begreifen, das nicht nur Schutz nach § 823 I BGB genießt, sondern auch durch Lizenzvergabe verwertet werden kann 91 . Die hier aufgezeigte Vergleichbarkeit von subjektivem Recht und sonstigen deliktsrechtlich geschützten Interessensphären kann allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn ein Schutzgesetz sowohl Allgemein- als auch Individualinteressen schützt 92 , wie es etwa bei einigen Vorschriften des straf- und verwaltungsrechtlichen Umweltrechts 9 3 der Fall ist. Hier ist das betreffende Rechtsgut dem Individuum von der Rechtsordnung nicht völlig zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen, die Dispositionsbefugnis des einzelnen erstreckt sich nicht auf das öffentliche Interesse. Ob eine Einwilligung in derartigen Fällen unwirksam ist oder die zivilrechtliche Haftung auszuschließen vermag, ist eine bisher weitgehend ungeklärte Frage, auf die in § 14 zurückzukommen sein wird. An dieser Stelle sei allerdings vorweggenommen, daß aus privatrechtlicher Sicht zwischen dem öffentlichen Interesse etwa am Umweltschutz - und dem darin enthaltenen Individualinteresse etwa an der individuellen Gesundheit oder an der Unversehrtheit des Grundeigentums - zu unterscheiden ist. Sofern die Rechtsordnung dem einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand gibt, den betreffenden Bereich mit den Mitteln des Privatrechts gegen Störer zu verteidigen 94 , besteht parallel zum Schutz des Gemeinschaftsguts eine rechtlich geschützte individuelle Freiheitssphäre, die zugleich eine Dispositionsbefugnis verbürgt. Übt der Berechtigte diese Dispositionsbefugnis aus, so entfällt der Anlaß dafür, das betreffende Rechtsgut mit privatrechtlichen Sanktionen zu schützen, wohingegen strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionen durchaus unberührt bleiben können. Einiges spricht dafür, diesen deliktsrechtlich geschützten individuellen Freiheitsbereich in Anlehnung an die Unterscheidung Jberings zwischen Rechtsreflex und Recht 95 als Gegenstand eines subjektiven Rechts anzusehen, jedenfalls besteht eine weitgehende strukturelle Ähnlichkeit. 90 Vgl. etwa BGH GRUR 1995, 581 (583) - „Silberdistel"; 1998, 830 (833) - „Les-PaulGitarren". 91 So Köhler, WRP 1999, 1075 (1077ff.); für die Kodifizierung neuer Sonderrechte in Teilbereichen Kur, GRUR 1990, 1 (15); beide m. w.N. 92 Für die Anerkennung einer Vorschrift als Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB ist es nicht erforderlich, daß sie ausschließlich Individualinteressen schützt, es genügt, wenn der Individualschutz zu einem anderen Normzweck, etwa dem Schutz von Gemeinschaftsgütern, hinzutritt, s. BGHZ 40, 306 (307); 100, 13 (15); Soergel/Zeuner, Rz. 289 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. G 19 zu § 823; beide m.w. N. 93 Vgl. Rengier, NJW 1990, 2506 ff.; Schönke-Schröder/Cramer, Rz. 8 vor §§ 324 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 1995, 1363 (1365), näher zu diesem Beispiel unten, § 14 III 2. 94 So nach BGHZ 40, 306 (307) das Kriterium für die Schutzgesetzeigenschaft i.S.d. § 823 II BGB; dazu Staudinger/Hager, Rz. G 21 zu § 823. 95 v. Jhering, JherJB 10 (1871) 245 ff.; dazu Wagner, AcP 193 (1993) 319 (331 ff.).

II. Selbstbestimmung

3.

und subjektives

Recht

195

Folgerungen

a) Voraussetzungen der Einwilligung Die Verankerung der Dispositionsbefugnis im subjektiven Recht ist nicht nur von theoretischer Bedeutung. Vielmehr bestimmt das jeweilige, von der Einwilligung berührte subjektive Recht auch über Art und Umfang der Dispositionsbefugnis und beeinflußt die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung. Die Konsequenzen zeigen sich bei der Bestimmung der Einwilligungsvoraussetzungen und sollen daher im 3. Teil der Arbeit in einzelnen entwickelt werden. An dieser Stelle mag ein knapper Ausblick die Bedeutung der subjektiven Rechte illustrieren. Erstens entscheidet das subjektive Recht darüber, ob eine Einwilligung des Betroffenen überhaupt zur Rechtfertigung des betreffenden Verhaltens erforderlich ist. Das ist nicht der Fall, wenn das betreffende Interesse nur durch objektive Normen geschützt ist, denen kein subjektives Abwehr- und Entscheidungsrecht korrespondiert, oder wenn zwar ein subjektives Recht besteht, der Einwilligende aber nicht dessen Inhaber ist. Sind mehrere gemeinschaftlich Inhaber des Rechts, so steht die Dispositionsbefugnis grundsätzlich nur allen Inhabern gemeinsam zu 96 . Doch auch wenn der Einwilligende alleiniger Inhaber ist, ist seine positive Einwilligung dann nicht erforderlich, wenn die Normen, die das subjektive Recht konstituieren, ihm lediglich ein Widerspruchsrecht einräumen. Ähnlich wirken sich Vorschriften wie § 22, 2 K U G aus, nach denen das Vorliegen einer Einwilligung vermutet wird. Das Widerspruchsrecht ist eine schwächere Form der Dispositionsbefugnis, da hier die Aktionslast für die Verhinderung des Eingriffs auf den Rechtsinhaber verlagert wird 97 . Primär ist der Gesetzgeber aufgerufen, zwischen einem Verbot mit Einwilligungsvorbehalt und einer Erlaubnis mit Widerspruchsmöglichkeit zu entscheiden 98 , doch sekundär kann die Rechtsprechung den gesetzlichen Rahmen füllen. So hängt nach der Rechtsprechung des B G H die Rechtmäßigkeit der Telefonwerbung von der Einwilligung des Beworbenen ab 99 , während die Werbung per Brief oder Handzettel erlaubt ist, solange der

Näher hierzu unten, § 14 II 2. Vgl. Baston-Vogt, S. 246 ff., die zutreffend auf die Parallele der Erlaubnis mit Widerspruchsmöglichkeit zur mutmaßlichen Einwilligung hinweist, näher hierzu unten, III 1 a. 98 So war vor Erlaß des Transplantationsgesetzes die Frage heftig umstritten, ob die postmortale Organentnahme von der Einwilligung des Spenders abhängen oder ob ihm lediglich die Möglichkeit eines Widerspruchs eingeräumt werden sollte, vgl. den Uberblick bei Deutsch MedR 3 , Rz. 508ff.; Baston-Vogt, S. 323ff.; Forkel, Jura 2001, 73 (76). Zur Reduktion des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinsichtlich der Nutzung von Daten über Abstammung und Krankheiten auf ein Widerspruchsrecht durch den isländischen Gesetzgeber s. oben, § 6 IV 3 a. 99 S. die Nachw. oben, Fußn. 85. 96 97

196

§ 9 Die Recbtsnatur

der

Einwilligung

Beworbene nicht widerspricht 100 . Anders formuliert: Aufgrund einer Abwägung zwischen den Interessen des Werbenden und des Beworbenen hat die Rechtsprechung eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts je nach Art und Schwere des Eingriffs unterschiedlich ausgestaltet. Zweitens bestimmt der Zuschnitt des jeweiligen subjektiven Rechts maßgeblich über den Umfang der Dispositionsbefugnis 101 . Sie kann auch dann beschränkt sein, wenn der Einwilligende alleiniger Inhaber des betreffenden subjektiven Rechts ist. Dabei ist zwischen immanenten und externen Schranken zu unterscheiden. Immanente Schranken ergeben sich aus Natur und Zuschnitt des jeweiligen subjektiven Rechts. Beispiele sind die Unübertragbarkeit und Unvererblichkeit des Nießbrauchs gemäß § 1059 BGB, aber auch die Einschränkung der Verfügungsbefugnis über Persönlichkeitsrechte, auf die sich auch die Unübertragbarkeit des Urheberrechts unter Lebenden gemäß § 29 I UrhG zurückführen läßt. Immanente Schranken gelten allgemein, sie schließen die betreffende Art der Disposition vollständig aus. Sie können sich auf sämtliche Stufen auf der Stufenleiter der Dispositionen beziehen, also wie etwa § 29 UrhG die translative Rechtsübertragung, weitergehend - wie § 1059 BGB - jede Form der Rechtsübertragung, darüber hinaus - wie etwa beim Recht aus sexuelle Selbstbestimmung - jede vertragliche Bindung oder sogar, wie § 216 StGB, auch die einfache Einwilligung ausschließen. Externe Schranken knüpfen demgegenüber nicht an das subjektive Recht als solches an, sondern beschränken die Dispositionsbefugnis über ein grundsätzlich verfügbares Recht im konkreten Fall. Beispiele sind behördliche Veräußerungsverbote oder denkmalschutzrechtliche Erhaltungsgebote. Sie schränken zwar das Eigentum ein, das Eigentum als solches bleibt aber ein verfügbares Recht. Damit läßt sich die eingangs getroffene Feststellung präzisieren: Das subjektive Recht bestimmt über die immanenten, nicht jedoch über die externen Schranken. Die Auslegung des subjektiven Rechts, genauer der Normen, die das subjektive Recht konstituieren, ist für die Ermittlung der immanenten Schranken von zentraler Bedeutung. Schließlich kann sich die Natur des subjektiven Rechts, über das disponiert wird, auf die Einwilligungsvoraussetzungen auswirken. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Einwilligung als Rechtsgeschäft, geschäftsähnliche Handlung oder Realakt ansieht 102 . Insbesondere die Differenzierung zwischen Vermögens- und Persönlichkeitsrechten wird sich in diesem Zusammenhang als bedeutend erweisen. Die Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich wird in größerem Maße nach den rechtsgeschäftlichen Vorschriften zu beurteilen 100 BGHZ 60, 296 (299); 106, 229 (232); GRUR 1992, 617 - „ B r i e f k a s t e n w e r b u n g " , dazu Baston-Vogt, S. 248ff. 101 Näher hierzu unten, § 14 III. 102 Wie hier Deutsch AHR, Rz. 282, der aber im Gegensatz zu der im folgenden zu entwickelnden Auffassung die Einwilligung als Realakt auffaßt.

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

197

sein als die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung, insbesondere was die Regelung der Geschäftsfähigkeit betrifft 103 . Auch die Frage, ob den Handelnden eine Aufklärungspflicht trifft und worauf sich die Aufklärung beziehen muß, hängt entscheidend vom jeweiligen subjektiven Recht ab, kurz: die Aufklärungspflicht ist rechtsgutsbezogen 104 . b) Rechtsfolgen der Einwilligung Meist wird die Einwilligung im Privatrecht als Rechtfertigungsgrund bezeichnet, ohne daß die dogmatische Grundlage der Rechtfertigung präzisiert wird. Dabei bleibt oft unklar, auf welche Weise sich die privatautonome Gestaltung des Einwilligenden gerade im Bereich der außervertraglichen Haftung auswirkt. Entgegen der herrschenden Meinung wurde oben in § 7 II der Einwilligung tatbestandsausschließende Wirkung beigemessen. Diese Ansicht läßt sich jetzt konkretisieren. Die konsentierte Handlung ist kein Ubergriff auf die durch das subjektive Recht geschützte Freiheitssphäre, vielmehr ist die Einwilligung Ausübung des subjektiven Rechts. Für die deliktsrechtliche Wertung besteht kein Unterschied zwischen der Situation, daß der Rechtsinhaber eine ihm vorbehaltene Handlung selbst vornimmt, und dem Fall, daß er die Handlung an einen anderen delegiert. Der entscheidende Unterschied zu Rechtfertigungsgründen wie der Notwehr oder der Nothilfe besteht also darin, daß nicht einmal prima facie von einer Verletzung des Rechts die Rede sein kann. Vielmehr definiert der Rechtsinhaber selbst, welche Handlungen Realisierung seiner geschützten Handlungsfreiheit und welche Handlungen Verletzung seines Rechts sind. Daraus folgt, daß Haftungstatbestände, die an die Verletzung eines Rechts anknüpfen, im Fall der Einwilligung nicht erfüllt sind; der Annahme eines Rechtfertigungsgrundes bedarf es nicht mehr. Wer mit Erlaubnis des Eigentümers dessen Sache zerstört, begeht zwar bei naturalistischer Betrachtung eine Sachbeschädigung, nach normativer Wertung aber keine Eigentumsverletzung gemäß § 823 I BGB. Vielmehr hat der Eigentümer sich für einen bestimmten Umgang mit der Sache entschieden, der Einwilligungsempfänger hilft ihm, diesen Willen in die Tat umzusetzen. Zweifel können lediglich hinsichtlich der Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit bestehen, da jedenfalls eine Verletzung des Lebens und der körperlichen Integrität unabhängig vom Willen des Betroffenen möglich ist. Wie oben gesehen, handelt es sich aber auch hier nicht um isolierte Rechtsgüter, sondern um Gegenstände subjektiver Rechte. Daher sollte man auch hier zwischen dem natürlichen Eingriff und der durch normative Wertung bestimmten Verletzung des Rechts auf körperliche Integrität unterscheiden. Letztere scheidet aus, wenn der Betrof103 104

Näher hierzu unten, § 11 V. Näher hierzu unten, § 13 II 5.

198

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

fene dem Eingriff zugestimmt hat. Damit ist es insbesondere für den ärztlichen Heileingriff möglich, zwei scheinbar gegensätzliche Auffassungen zu vereinbaren: Der eigenmächtige Eingriff ist, wie noch zu zeigen sein wird 105 , auch bei kunstgerechter Durchführung eine Verletzung der körperlichen Integrität, der Eingriff nach Aufklärung und Einwilligung ist hingegen nicht einmal tatbestandlich eine Körperverletzung 106 . Nicht nur im Rahmen des § 823 I B G B schließt die Einwilligung bereits die Verletzung aus, dasselbe gilt für Vorschriften, die dem Rechtsinhaber die ausschließliche Befugnis zur Vornahme bestimmter Handlungen zuweisen und anderen Personen verbieten, diese ohne Zustimmung des Rechtsinhabers vorzunehmen 1 0 7 . So ist etwa die Kennzeichnung von Waren in Ausübung einer Markenlizenz keine tatbestandliche Markenverletzung gemäß § 14 II Nr. 1 MarkenG, sondern aus Sicht des Markeninhabers eine sozialübliche Verwertung des Schutzrechts 108 . Die Literatur zur Einwilligung konzentriert sich meist auf Schadensersatzansprüche. Die Einwilligung bewirkt jedoch darüber hinaus, daß sämtliche Abwehransprüche, die an eine Rechtsverletzung anknüpfen, entfallen. Das gilt insbesondere für negatorische und quasinegatorische Ansprüche aus § 1004 B G B . Betrachtet man allerdings die Gesetzgebungstechnik, die dieser N o r m zugrunde liegt, so kann man an der Zuordnung der Einwilligung zur Tatbestandsebene zweifeln. Die Einwilligung des Rechtsinhabers begründet nämlich eine Duldungspflicht 109 ; § 1004 II B G B wird aber nach verbreiteter Ansicht als Gegenstück zur Rechtswidrigkeitsprüfung in § 823 I B G B angesehen 110 . Hier ist nicht der Raum zur eingehenden Behandlung der umstrittenen Frage, ob der Anspruch aus § 1004 B G B Rechtswidrigkeit voraussetzt 111 . Allerdings wird man wohl mit Münzbergn2, Canarisui und anderen zwischen S. unten, § 1 0 1 1 1 a. So auch für das Zivilrecht MiiKo/Mertens, Rz. 359ff. (insb. 363) zu § 823; für das Strafrecht Roxin AT I, § 13, Rz. 24. 107 Diese Gesetzgebungstechnik findet sich insbesondere im Immaterialgüterrecht. Im Urheberrecht führen die §§ 12 ff. (Urheberpersönlichkeitsrecht) und 15 ff. U r h G (Verwertungsrechte) die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers auf, im Patent- und Markenrecht definieren die §§ 9 PatG, 14 MarkenG die einzelnen Verletzungshandlungen. 108 O L G Düsseldorf Mitt. 1998, 372 (374) - „stüssy"; Ingerl/Rohnke, Rz. 26 zu § 14; Pickrahn, G R U R 1996, 383 (385 f.); Plassmann, W R P 1999, 1011 (1014); a.A. allerdings gegen das O L G Düsseldorf im stüssy-Fall B G H G R U R 2000, 879 (880); näher hierzu oben, § 7 II 3 b. 109 Vgl. MüKo/Medicus, Rz. 55 zu § 1004; Soergel/Mühl, Rz. 194 zu § 1004; Larenz/ Canaris SchR II/2, § 86 IV 2 b (S. 694); a.A. allerdings Staudinger/Gursky, Rz. 187 zu § 1004, s. zu dieser Ansicht den folgenden Text. 110 Vgl. Baur, AcP 160 (1961) 465 (470 f.); Soergel/Mühl, Rz. 81 zu § 1004; mit Einschränkungen MüKo/Medicus, Rz. 51 zu § 1004. 111 So die h.L., vgl. Baur, AcP 160 (1961) 465 ff.; Soergel/Mühl, Rz. 81, 193 zu § 1004; Westermann, § 36 III (S. 268); im Grundsatz MüKo/Medicus, Rz. 51 zu § 1004. 112 Münzberg, S. 375ff.; ihm folgend B G H Z 66, 37 (39). 113 Larenz/Canaris SchR II/2, § 86 IV 1 (S. 691 f.). 105 106

II. Selbstbestimmung

und subjektives

Recht

199

dem Unterlassungs- und dem Beseitigungsanspruch differenzieren müssen. Letzterer ist auch gegeben, wenn die Herbeiführung eines Erfolgs ursprünglich rechtmäßig war, etwa weil der Rechtsvorgänger die beeinträchtigende Handlung aufgrund eines Vertrages mit dem Eigentümer vornahm, auf den sich der Rechtsnachfolger nicht berufen kann 114 . Auch hat der Eigentümer durchaus die Möglichkeit, nur in einen Erfolg, nicht jedoch in den Weg dorthin einzuwilligen 115 . In diesem Fall ist die Handlung rechtswidrig, dennoch steht dem Rechtsinhaber kein Beseitigungsanspruch zu. Daher sollte die Bedeutung der Formulierung des § 1004 B G B nicht überbewertet werden, sie ist in erster Linie Ausdruck der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verteilung der Beweislast 116 . Erlaubt der Rechtsinhaber eine Handlung, die das subjektive Recht ihm allein vorbehält, so usurpiert, um ein von Picker formuliertes Kriterium zu übernehmen 117 , der Handelnde keine Rechtsmacht, sondern ordnet sich dem Willen des Rechtsinhabers unter, damit liegt eine Rechtsverletzung nicht einmal prima facie vor. Allerdings ist mit dieser Aussage keine Stellungnahme zu der im einzelnen umstrittenen Usurpationstheorie Pickers beabsichtigt 118 , zumal einer ihrer Aspekte für die Einwilligungslehre zu einer Schwierigkeit führt. Nach Picker sind vergangene Handlungen im Rahmen des § 1004 B G B unerheblich, entscheidend ist nur, ob der Störer durch sein Handeln oder den Zustand seiner Sachen die Sachherrschaft des Berechtigten gegenwärtig beeinträchtigt 119 . Auf dieser Grundlage ist es konsequent, wenn Gursky eine durch widerrufliche Einwilligung begründete Duldungspflicht für eine contradictio in adjecto hält: Sofern kein bindender Vertrag vorliege, könne der Eigentümer seine Einwilligung widerrufen und eröffne sich damit den Abwehranspruch 120 . Die zweifelhafte Folge dieser Ansicht ist, daß sich der Einwilligende von seiner Erlaubnis auch dann grundlos lösen kann, wenn sie sich auf eine einmalige Handlung mit vorhersehbarer Folge bezieht: Wer mit Erlaubnis des Eigentümers eine diesen störende Böschung aufschüttet 121 , würde zwar rechtmäßig handeln, könnte aber dennoch sofort nach Ende der Arbeiten zur Beseitigung aufgefordert werden. Um diesem mißlichen Ergeb-

B G H Z 66, 37 (39). Beispiel von Münzberg, S. 403: Ein Grundeigentümer gestattet es seinem Nachbarn, auf dem Grundstück einen Hügel abzutragen, verbietet ihm jedoch die gefährliche Sprengung. Wenn der Nachbar die Sprengung dennoch vornimmt, haftet er für die daraus entstehenden Schäden, ist aber nicht nach § 1004 dazu verpflichtet, den Hügel wieder aufzuschütten. 116 Münzberg, S. 378. 1,7 Picker, S. 129 und passim. 118 Vgl. zum Streitstand Staudinger/Gursky, Rz. 1 ff. zu § 1004 mit zahlreichen Nachweisen. 119 Picker, S. 130. 120 Staudinger/Gursky, Rz. 187 zu § 1004; ebenso Westermann, § 36 III (S. 269f.). 121 Beispiel nach O V G Münster N J W 1985, 644. 114

115

200

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

nis zu entgehen, sieht sich Gursky gezwungen, in weitgehendem Maße vertragliche Duldungspflichten anzunehmen122 und im übrigen mit Treu und Glauben zu argumentieren123. Diese Schwierigkeit zeigt, daß auch widerruflichen Einwilligungen im Rahmen des § 1004 B G B nicht jede Wirkung abgesprochen werden kann. Immer wenn der störende Zustand durch eine Handlung entstanden ist, die der Störer selbst mit Einwilligung des Eigentümers vorgenommen hat, kann sich der Eigentümer von dieser Erlaubnis dann nicht mehr nachträglich lösen, wenn sie sich auf eine einmalige Handlung bezieht und die Beeinträchtigung notwendige Folge der Handlung ist 124 . Dem Schutz absoluter Rechte dienen auch die Geschäftsführung ohne Auftrag und die Eingriffskondiktion 125 . Auch hier schließt die Einwilligung des Rechtsinhabers die jeweiligen Ansprüche aus. Im Rahmen des § 677 B G B vermittelt die Einwilligung eine „sonstige Berechtigung", die konsentierte Handlung stellt also keine Geschäftsführung ohne Auftrag dar. Hinsichtlich der Auswirkung der Einwilligung auf bereicherungsrechtliche Ansprüche muß differenziert werden. Was die Leistungskondiktion anbetrifft, so ist von entscheidender Bedeutung, ob das Abstraktionsprinzip auf die Einwilligung Anwendung findet. Diese Frage sei vorläufig zurückgestellt. Hingegen schließt eine wirksame Einwilligung als Disposition über subjektive Rechte die Eingriffskondiktion aus. Der Zusammenhang wird besonders deutlich, wenn man der herrschenden Zuweisungstheorie126 folgt: Wer mit Zustimmung des Berechtigten in ein Gut eingreift, usurpiert keine fremde Rechtsmacht und greift daher nicht in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts ein. Außerhalb des Schutzes absoluter Rechte hängen die Auswirkungen der Einwilligung entscheidend vom jeweiligen Haftungstatbestand ab. Bei der Anwendung des § 823 II B G B ist primär zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Schutzgesetzes erfüllt sind. Dabei richten sich auch die Beachtlichkeit und die Voraussetzungen der Einwilligung nach dem jeweiligen Schutzgesetz. Sofern etwa im Strafrecht der natürliche Wille für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis genügt, entfällt die Haftung, auch wenn das Zivilrecht strengere Voraussetzungen an die Einwilligung stellt. Umgekehrt ist fraglich, welche Auswirkungen eine Einwilligung hat, die strafrechtlich lediglich aus Gründen des öffentlichen Interesses unbeachtlich ist. Hier wären die Voraussetzungen des Schutzgesetzes erfüllt, so daß ein Anspruch gem. § 823 II BGB zu bestehen scheint, obwohl der Betroffene eingewilligt hat. Da dieses Problem eng mit der Frage nach der Bedeutung außerprivatrechtlicher Einwilligungsschranken für Gursky, a. a. O. Gursky, a . a . O . , R z . 188. 124 Zutreffend Münzberg, S. 405 f. 125 Vgl. Larenz/Canaris SchR \V2, § 69 I 1 c (S. 170f.). 126 Zur Zuweisungstheorie vgl. statt aller Fikentscher SchR, Rz. 1118; Larenz!Canaris SchR II/2, § 69 I 1 b, c (S. 169ff.); MüKo/Lieb, Rz. 204f. zu § 812, alle m.w.N. 122 123

III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft

201

die zivilrechtliche Haftung zusammenhängt, soll es unten in § 14 behandelt werden. Ebenfalls mit den Schranken der Dispositionsbefugnis haben die Auswirkungen der Einwilligung auf die Haftung nach §§ 826 B G B , 1 U W G zu tun. Sofern sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit nur auf die Verletzung privater Interessen stützt, über die der Betroffene dispositionsbefugt ist, schließt seine Einwilligung die Annahme eines Sittenverstoßes aus. Wird die Sittenwidrigkeit jedoch mit der Verletzung öffentlicher Interessen begründet, so fehlt dem Einwilligenden die Dispositionsbefugnis. Wenn sowohl öffentliche als auch private Interessen verletzt werden, so ist fraglich, ob der Einwilligende seine Abwehrrechte behält. Auch dieser Fragestellung wird unten in § 14 nachzugehen sein.

III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft 1. Methodenkritik

an der bisherigen

Diskussion

Seit den Tagen Zitelmanns wird die privatrechtliche Diskussion von der Frage beherrscht, ob die Einwilligung als Rechtsgeschäft anzusehen ist. Die K o n zentration auf diese Fragestellung bedeutet nicht nur eine Verengung der Problematik, vor allem ist kritisch zu vermerken, daß vielen Diskussionsbeiträgen eine anfechtbare Methodik zugrunde liegt. Zitelmann gebührt das unbestrittene Verdienst, als erster eine vollständige Einwilligungslehre vorgelegt zu haben, die zahlreiche überzeugende Ergebnisse hervorbringt und durch ihre logische Geschlossenheit beeindruckt. Dennoch gibt die Methode seiner Argumentation Anlaß zur Kritik, denn er bestimmt die Voraussetzungen der Einwilligung deduktiv. D a die Einwilligung gesetzlich nicht geregelt sei, müsse ihre Geltung aus irgendeinem positivrechtlichen Grundsatz hergeleitet werden. Als solcher k o m m e lediglich der Grundsatz der Rechtsgeschäftslehre in Betracht, dem zufolge im Privatrecht jede Person ihre Rechtsverhältnisse selbst gestalten könne 1 2 7 . Nachdem Zitelmann auf diese Weise die Einwilligung als Rechtsgeschäft identifiziert hat, leitet er die Antwort auf alle Einzelfragen aus der Rechtsgeschäftslehre ab 128 . Während er dabei immerhin sämtliche Einzelergebnisse so eingehend begründet, daß ihnen ein hohes M a ß an Plausibilität zukommt, gehen im Anschluß an Zitelmann die Rechtsprechung des R G und Teile des Schrifttums zu einer schematischen Subsumtion der Einwilligung unter die §§ 104 ff. B G B über. In einem Urteil von 1911 geht das R G zwar auf den Meinungsstreit um die Rechtsnatur der Einwilligung 127

Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (48).

Deutlich etwa a.a.O., S. 66 (zu §§ 134, 138 B G B ) : „Vielmehr muß man auch bei dieser Frage wieder streng die Folgerungen aus der rechtsgeschäftlichen Natur der Einwilligung ziehen; die Antwort lautet wie bei jedem Rechtsgeschäft (...)." 128

202

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

ein, bedient sich aber bei der Subsumtion unter die Rechtsgeschäftstheorie der folgenden deduktiven Argumentation: „(•••) daß die persönliche Zustimmung des Minderjährigen, auch wenn er eine gewisse Verstandesreife erlangt hat, nicht genügt, kann einem Zweifel nicht unterliegen, wenn diese Einwilligung als ein Rechtsgeschäft aufzufassen, § 107 also unmittelbar anzuwenden ist." 129

Ahnlich argumentiert das RG in seiner umstrittenen Entscheidung zur Teilnahme eines Minderjährigen an einer gefährlichen Autofahrt von 1933, in der das Gericht das „Handeln auf eigene Gefahr" als Einwilligung einordnet: „Die Einwilligung wird demnach als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung angesehen, die den Vorschriften über die Willenserklärungen unterliegt, somit insbesondere unwirksam ist bei Minderjährigkeit des auf eigene Gefahr Handelnden." 130

Wie seitdem vielfach kritisiert worden ist, beruht diese Argumentation auf einem begriffsjuristischen Fehlschluß. In prägnanter Weise formuliert diese Kritik Noll: Es sei „verfehlt und illusorisch, aus einem Begriff mehr herausholen zu wollen, als man bei seiner Schöpfung hineingelegt hat"131. Gerade die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit sind so ersichtlich auf eine andere Situation zugeschnitten, daß ihre Aussagekraft für die Einwilligungslehre begrenzt ist. Allerdings hatte sich auch unter den Anhängern der Rechtsgeschäftstheorie Fischer schon 1911 gegen eine „schablonenmäßige" Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit ausgesprochen132. Während der BGH später die Unangemessenheit der §§ 107ff. BGB für Einwilligungen in körperliche Eingriffe zum Anlaß nahm, um die Rechtsgeschäftstheorie insgesamt aufzugeben, ging Rosener im Anschluß an Fischer einen anderen Weg. In einem Vergleich zur Lehre von den Ermächtigungen gelangte er zu dem Ergebnis, die Einwilligung sei eine Erlaubnis, mit der zwar kein Recht übertragen, aber immerhin ein „Dürfen" eingeräumt werde 133 . Damit sei die Einwilligung zwar Rechtsgeschäft 134 , diese Annahme zwinge aber - im Gegensatz zur Auffassung Zitelmanns - keineswegs zugleich zur Anwendung aller gesetzlichen Regelungen des Rechtsgeschäfts. Vielmehr sei „jeweils unter Berücksichtigung der Interessenlage ihre Brauchbarkeit zu prüfen" 135 . Diesem Ansatz folgen im neueren Schrifttum so viele Autoren, daß von einer RenaisRG JW 1911, 748 (Hervorhebung vom Verf.). RGZ 141, 262 (265, Hervorhebung vom Verf.); ähnlich zuvor schon die Argumentation bei Flad, Das Recht 1919, 14 (18), auf die sich das RG maßgeblich stützt. 131 Noll, S. 69. 132 Fischer, S. 277. 133 Rosener, S. 99 ff. und passim. 134 A.a.O., S. 120ff. 135 A.a.O., S. 133. 129 130

III.

Die Einwilligung als

Rechtsgeschäft

203

sance der Rechtsgeschäftstheorie in modifizierter Form gesprochen werden kann136. Vor allem Kohte hat sich dabei mit Nachdruck gegen einen deduktiven Ansatz ausgesprochen und betont, die Regelungsprobleme seien jeweils für sich zu untersuchen. Dabei biete es sich aber an, von den jeweiligen rechtsgeschäftlichen Normen auszugehen und zu prüfen, ob die zugrunde liegenden Wertungen passen oder ob die Besonderheiten der Einwilligung andere Lösungen erforderlich machen137. Während wohl keiner der neueren Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie die Einwilligung blind unter die Normen der Rechtsgeschäftslehre subsumiert, sondern jeweils deren Angemessenheit prüft, ist es erstaunlich, daß umgekehrt unter den Gegnern rechtsgeschäftlicher Erklärungsmodelle noch verbreitet von der Unangemessenheit einzelner rechtsgeschäftlicher Vorschriften auf die Unbrauchbarkeit der Rechtsgeschäftslehre insgesamt geschlossen wird. Deutlich heißt es etwa bei Laufs, die Einwilligungsfähigkeit falle nicht mit der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit zusammen, die Einwilligung trage also keinen rechtsgeschäftlichen Charakter 138 . Deutschiy> kritisiert die Arbeit Schöllhammers, der die Wirkung der Patientenverfügung in durchaus differenzierender Weise140 rechtgeschäftlich erklärt, mit der Bemerkung, es sei unangebracht, das schwierige Institut der Patientenverfügung schulmäßig der Willenserklärung zu unterwerfen. Der Vorwurf der „schulmäßigen" Subsumtion trifft indes nur die Vertreter der älteren, strengen Variante der Rechtsgeschäftslehre. Aus methodologischer Perspektive resultiert die Schwierigkeit aus dem Unterschied zwischen dem hohen Abstraktionsniveau, auf dem der Rechtsgeschäftsbegriff angesiedelt ist, und der erheblich konkreteren Vorstellung vom wirtschaftlichen Austauschverhältnis, das den §§ 104ff. B G B zugrunde liegt141. Während sich einige dieser Vorschriften ersichtlich am Kaufvertrag und verwandten Schuldverträgen orientieren 142 , umfaßt andererseits der Rechtsgeschäftsbegriff auch höchstpersönliche Geschäfte wie Ehe, Adoption oder Testament. Die Abstraktion darf, wie Flume zutreffend warnt, nicht zur Näher dazu oben, § 4 III. Kohte, AcP 185 (1985) 105 (120); ihm folgend Gotting, S. 148; vgl. auch MüKo/ Rixecker, Rz. 38, Anh. § 12. 138 Laufs ArztR, Rz. 222 mit Fußn. 120. 139 Deutsch, VersR 1993, 1465. 140 Deutlich Schöllhammer, S. 45: „Die dargestellten Meinungen zeigen, daß mit der dogmatischen Einordnung nicht bereits alle Anschlußfragen abschließend und eindeutig beantwortet werden können. Vielmehr ist jeweils für die aufgeworfene Einzelfrage zu klären, ob die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Willenserklärung für die Situation der Einwilligung in eine ärztliche Behandlung interessengerecht ist." 141 Vgl. Flume AT II, § 2, 5 (S. 30); im Anschluß daran Dasch, S. 54; Gotting, S. 166. 142 Flume, a. a. O. (S. 31). Deutlich wird die Orientierung am Kaufvertrag etwa in § 110 BGB, näher zur Unangemessenheit der Ausnahmen vom Grundsatz des § 107 B G B für die Einwilligung unten, § 11 V. 136 137

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$ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

Herleitung von Rechtsfolgen aus dem abstrakten Begriff führen, die die Eigenart der unter der Abstraktion begriffenen Erscheinung nicht beachten 143 . Daher bedürfen die in §§ 104ff. B G B getroffenen Regelungen bei der Beurteilung untypischer Rechtsgeschäfte der Modifikation. So gilt erstens § 130 I 2 B G B , der nur dem vor Zugang der Willenserklärung eingegangenen Widerruf Wirksamkeit beimißt, uneingeschränkt nur für Verpflichtungsgeschäfte. Die dingliche Einigung nach § 873 I ist hingegen kraft gesetzlicher Anordnung 1 4 4 , diejenige nach § 929 I B G B immerhin nach h.M. 1 4 5 bis zum Abschluß des Übereignungstatbestands frei widerruflich. Auch bei zuständigkeitserweiternden Geschäften wie der Vollmacht oder der Ermächtigung nach § 185 I B G B ist die Widerruflichkeit gem. §§ 168, 2; 183, 1 B G B die Regel, die Bindung die Ausnahme. Zweitens bedarf die ex-tunc-Wirkung der Anfechtung nach § 142 I B G B zum Teil bei der Anfechtung von in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen der Modifikation 1 4 6 . Vor allem aber gelten drittens die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit nur für Vermögenswerte Geschäfte uneingeschränkt, während für höchstpersönliche Geschäfte verschiedene Sonderregeln bestehen 147 . Der schweizerische Gesetzgeber hat diesen Wertungsunterschied erkannt und in Art. 19 II Z G B die Ausübung von Persönlichkeitsrechten durch urteilsfähige Unmündige für wirksam erklärt 148 , während sich im deutschen Privatrecht die Defizite des B G B im persönlichkeitsrechtlichen Bereich an dieser Stelle besonders deutlich zeigen. Bei der Einwilligung können sämtliche der genannten Faktoren einzeln oder insgesamt vorliegen. Erstens begründet die Einwilligung keine Verpflichtung. Wenn sie überhaupt als Rechtsgeschäft anzusehen ist, dann ähnelt sie eher der Verfügung 149 oder weist Verwandtschaft mit den zuständigkeitsFlume, a.a.O. (S. 31). § 873 II. 145 B G H N J W 1979, 213 (214); Baur/Stürner, § 5, Rz. 36; Erman/Michalski, Rz. 5 zu § 929; MüKo/Quack, Rz. 99 zu § 929, alle m. w.N.; dagegen Westermann, § 38, 4 (S. 280); Schrödermeier/Woopen, J A 1985, 622 ff. Auf die Parallele zwischen der Widerruflichkeit der Einwilligung und der Widerruflichkeit der dinglichen Einigung verweist Deutsch, N J W 1979, 1905 (1906). 146 R G Z 165, 193 (201 ff.); Brox, S. 214ff.; Larenz/Wolf, § 44, Rz. 39 (S. 833); MüKo/ Mayer-Maly, Rz. 15 zu § 142, alle m.w.N. 147 Etwa §§ 1303 II; 1746; 2229 B G B ; 5 RelKErzG; 36 SGB I, vgl. auch die Übersichten bei Beitzke, FS Flume I, S. 317 ff. und Soergel/Strätz, Rz. 42 ff. zu § 1626; ebenso zur Einwilligung zahlreiche Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie, etwa Rosener, S. 146; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (144ff.); Dasch, S. 105. 148 Art. 19 Z G B lautet: (1) Urteilsfähige unmündige oder entmündigte Personen können sich nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter durch ihre Handlungen verpflichten. (2) Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, und Rechte auszuüben, die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen. (3) Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. 149 S. oben, II 1 c. 143

144

III.

Die Einwilligung

als

Rechtsgeschäft

205

erweiternden Geschäften Vollmacht und Ermächtigung auf 150 . Aufgrund dieser Parallele müßte die Widerruflichkeit der Einwilligung die Regel sein 151 . Zweitens betrifft die Einwilligung häufig fortdauernde Eingriffe 152 , doch selbst Einwilligungen in einmalige Eingriffe können nach erfolgtem Eingriff kaum sinnvoll rückabgewickelt werden. Selbst wenn man daher entgegen der herrschenden Meinung die Vorschriften über die Anfechtung anwenden will, kann die Unmöglichkeit, einen einmal geschehenen Eingriff rückgängig zu machen, zu einer Abweichung von § 142 I BGB Anlaß geben 153 . Schließlich ist die Einwilligung häufig Instrument zur Ausübung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse, so daß auch auf der Grundlage der Rechtsgeschäftslehre die §§ 107 ff. BGB nicht uneingeschränkt angewandt werden können 154 . Selbst wenn es sich also im weiteren Verlauf der Arbeit als angemessen herausstellt, die Einwilligung als Rechtsgeschäft zu begreifen, so ist sie jedenfalls ein höchst untypisches Rechtsgeschäft. Damit ist der Kern der Methodenkritik erreicht. Wer die rechtsgeschäftliche Natur der Einwilligung bejaht, ist gezwungen, bei der Anwendung der rechtsgeschäftlichen Vorschriften im Einzelfall teleologische Reduktionen155 vorzunehmen. Beispielsweise wäre die Einwilligung eines einsichtsfähigen Minderjährigen in eine Heilbehandlung prima facie unter §§ 107,111 156 BGB zu subsumieren, § 107 BGB ist aber insoweit zu weit gefaßt, als ihm - anders als Art. 19 II des schweizerischen ZGB - die erforderliche Einschränkung für die Ausübung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse fehlt. Wer hingegen die Einwilligung nicht als Rechtsgeschäft betrachtet, kommt dennoch nicht an dem Umstand vorbei, daß die Einwilligung jedenfalls in aller Regel 157 auf einem Kommunikationsakt beruht 158 , der den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge bewirkt 159 . Vor allem die Parallele zwischen vertraglichen Gestattungen und der einseitigen Einwilligung drängt sich in vielen Fallkonstellationen so sehr auf, daß zumindest eine analoge Anwendung der rechtsgeschäftlichen Vorschriften zu prüfen ist 160 . Insoweit ist die Argumentation des B G H in So Rosener, S. 87 ff. , s. auch oben, II 1 c. N ä h e r hierzu unten, § 12 IV 1. 152 Beispiel: Die Einwilligung nach § 22 I K U G bezieht sich in der Regel auf fortdauernde Veröffentlichungen des Bildnisses. 153 N ä h e r hierzu unten, § 13 I 5. 154 N ä h e r hierzu unten, § 11 V. 155 Zu den Voraussetzungen einer teleologischen R e d u k t i o n Larenz/Canaris MethL, S. 210 ff.; Pawlowski M e t h L , Rz. 493 ff. 156 § 111 B G B ist selbstverständlich nur dann einschlägig, w e n n man die Einwilligung mit der herrschenden Ansicht innerhalb der Rechtsgeschäftstheorie als einseitiges Rechtsgeschäft ansieht. 157 Zur Frage des Erklärungserfordernisses näher unten, § 12 I. 158 Begriff nach Kohte, A c P 185 (1985) 105 (122). 159 Dies räumt auch B G H Z 29, 33 (36) ein. 160 In diesem Sinne die h. L. von der Einwilligung als geschäftsähnlicher Willenserklä150

151

206

§9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

seiner Minderjährigenentscheidung zutreffend 161 : Nachdem er die unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 107ff. BGB abgelehnt hat, prüft er eine Analogie und bejaht dabei sogar die Rechtsähnlichkeit. Allerdings sei die Analogie nicht vom Zweck der gesetzlichen Regelung geboten, da der einsichtsfähige Minderjährige des gesetzlichen Schutzes entraten könne. Ob dieses Argument zutrifft, braucht hier noch nicht erörtert zu werden, doch es wird deutlich, daß die Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie mit Hilfe der teleologischen Reduktion 162 durchaus zum selben Ergebnis gelangen können und auch in der Tat mehrheitlich gelangen163. Betrachtet man das Ergebnis, so bedeutet es meist keinen Unterschied, ob vom Ausgangspunkt der Rechtsgeschäftstheorie die teleologische Reduktion oder vom Ausgangspunkt der Gegenposition die Analogie geprüft wird. Damit hat es den Anschein, als sei in der Diskussion um die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung viel Tinte ohne großen Erkenntnisgewinn vergossen worden. Man könnte mit Flume der Ansicht sein, es sei „nichts damit gewonnen, daß man die Einwilligung als eine rechtsgeschäftliche Handlung einordnet" 164 , oder gar in die skeptische Einschätzung Gottings einstimmen, letzten Endes sei die Einordnung „Geschmackssache" 165 . Das hieße aber, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Stellungnahme im Streit um die Rechtsgeschäftstheorie hat zwar weniger weitgehende Konsequenzen als viele Befürworter und Gegner dieser Theorie gleichermaßen meinen, doch das Ergebnis ist keineswegs völlig gleichgültig. Immerhin bietet der Rechtsgeschäftsbegriff eine gewisse Orientierung und entscheidet über die Argumentationslast. Wer vom rechtsgeschäftlichen Charakter ausgeht, kann die rechtsgeschäftlichen Normen als Ausgangspunkt für die Prüfung der einzelnen Rechtsprobleme der Einwilligungslehre wählen, sofern er sich der Möglichkeit bewußt bleibt, daß diese Normen der Modifikation bedürfen können. Wer hingegen den Rechtsgeschäftscharakter ablehnt, ist der Gefahr einer einzelfallbezogenen Rechtsschöpfung ausgesetzt, die zwar in vielen Fällen zu billigen Ergebnissen führen mag, deren Vorhersehbarkeit aber beträchtlich eingeschränkt ist.

rung, vgl. Larenz SchR II, § 711 c 1 (S. 594); MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; Staudinger12/ Schäfer, Rz. 456 zu § 823; Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (11, 15); Lipp, S. 31, 198; vgl. außerdem die Nachw. oben, § 4 II 2. 161 BGH a.a.O. 162 Wobei allerdings nicht immer deutlich wird, daß es sich aus der Sicht der Rechtsgeschäftstheorie nicht um eine Analogie, sondern um eine teleologische Reduktion des § 107 BGB handelt, vgl. Rosener, S. 143; Resch, S. 128. 163 In diesem Sinne etwa Rosener, S. 150; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (150); Resch, S. 128ff.; Voll, S. 66ff. 164 Flume, AT, § 13, 11 f (S. 219); ähnl. MüKo/Rixecker, Rz. 38, Anh. § 12; Körner, FS Simitis, S. 131 (132). 165 Gotting, S. 166.

III.

2.

Die Einwilligung als

Rechtsgeschäft

207

Stellungnahme

a) Die Einwilligung im allgemeinen Dem Prinzip „volenti non fit iniuria" liegen die Ideen der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung zugrunde: Die Einwilligung ist Aktualisierung von Autonomie. Damit drängt sich der Gedanke an die Privatautonomie geradezu auf: Das Instrument, das die Privatrechtsordnung dem einzelnen zur Regelung seiner Rechtsverhältnisse zur Verfügung stellt, ist das Rechtsgeschäft. Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung beruht einzig und allein auf der Willkür des Einwilligenden, so daß auch hier die grundlegende Aussage der Rechtsgeschäftslehre gilt: Stat pro ratione voluntas166. Sofern die Rechtsordnung ein Selbstbestimmungsrecht einräumt, delegiert sie damit zugleich die Macht, in diesem Autonomiebereich über Recht und Unrecht zu entscheiden. Nähert man sich der Problematik also zunächst nicht mit der psychologisierenden Frage167, welche Rechtsfolgen dem Einwilligenden aktuell vor Augen stehen, sondern fragt nach dem funktionalen Zusammenhang zwischen Einwilligung und Privatautonomie, so liegt es nahe, die Einwilligung als Rechtsgeschäft zu qualifizieren. Doch auch auf die Frage nach dem Bezugspunkt des rechtsgeschäftlichen Willens gibt es eine befriedigende Antwort. Sie wurde in besonderer Deutlichkeit von Rosener aufgezeigt168 und kam bereits mehrfach zur Sprache. Die Einwilligung ist eine Erlaubnis, durch die das Rechtsverhältnis zwischen Einwilligendem und Handelndem umgestaltet wird: Das generelle Eingriffsverbot wird durch eine spezielle, zweckgebundene Eingriffsbefugnis modifiziert169. Die rechtliche Wirkung dieser Erlaubnis entspricht ihrer sozialen Bedeutung. Wer einen ungebetenen Gast in die Wohnung einläßt, wer die Zu diesem Prinzip Flume AT II, § 1 , 5 (S. 6). Zutreffende Kritik an dieser verbreiteten Art der Fragestellung bei Helle, AfP 1985, 93 (97). 168 Rosener, S. 99 ff. 169 Daher greift es zu kurz, wenn Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 14 f. argumentiert, Willenserklärung einerseits und Einwilligung andererseits stünden im Kontext unterschiedlicher Normarten. Amelung unterscheidet im Anschluß an Searle konstitutive Normen, die Voraussetzungen für die privatautonome Rechtsgestaltung aufstellen, und regulative Normen, die bestimmte Verhaltensweisen ge- oder verbieten. Dabei übersieht Amelung, daß Willenserklärungen, die stets eine Ausübung einer durch konstitutive Normen eingeräumten Kompetenz darstellen, zugleich auf die Voraussetzungen regulativer Normen einwirken können: Wenn ich eine bewegliche Sache erwerbe, schließe ich ein Rechtsgeschäft ab (Ausübung einer durch konstitutive Normen vermittelten Kompetenz), bewirke damit aber zugleich, daß ich an der erworbenen Sache keine Sachbeschädigung und keinen Diebstahl mehr begehen kann (Bezug auf regulative Normen des Privat- und Strafrechts). Ebenso setzt die Einwilligung konstitutive Normen (etwa Regelungen der Einwilligungsfähigkeit oder Dispositionsbefugnis) voraus, wirkt aber zugleich auf die Voraussetzung einer regulative Norm ein. 166 167

208

§ 9 Die Rechtsnatur der Einwilligung

Beseitigung eines Baumes im eigenen Garten in Auftrag gibt oder wer in eine Operation einwilligt, weiß durchaus, daß er eine Handlung erlaubt, die er verbieten könnte. E r weiß auch, daß die betreffende Handlung durch diese Erlaubnis zu einem sozialüblichen Verhalten wird, über das er sich anschließend nicht mehr beschweren kann. Damit hat er, mit einem strafrechtlichen Ausdruck, eine zutreffende „Parallelwertung in der Laiensphäre" 1 7 0 vorgenommen und die Rechtswirkung der Einwilligung richtig erfaßt. Einige Gegner der Rechtsgeschäftstheorie verkennen diesen Umstand, weil sie - ausdrücklich oder implizit - als Rechtsfolge der Einwilligung nur den Verlust von Schadensersatzansprüchen ansehen und auf dieser Grundlage argumentieren, der Rechtsinhaber denke bei Erteilung der Einwilligung nicht über mögliche Schadensersatzansprüche nach. D e r Verlust des Schadensersatzans p r u c h s - u n d übrigens auch der Verlust von Ansprüchen aus § 1004 B G B , aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag und aus ungerechtfertigter Bereicherung - ist aber nur eine weitere Folge der primären Weichenstellung zwischen Tatbestandsausschluß und Rechtsverletzung. Ebensowenig wie der Schenker die §§ 516ff. B G B oder der Verleiher die §§ 598ff. B G B zu kennen braucht, ist es erforderlich, daß dem Einwilligenden sämtliche Konsequenzen der Rechtfertigung vor Augen stehen, solange er nur die Bedeutung der Worte „Du darfst" zutreffend erfaßt hat. D i e Schwäche vieler nicht-rechtsgeschäftlicher Erklärungsmodelle besteht darin, daß sie nur die Rechtsgeschäftstheorie bestreiten, ohne ihr einen konstruktiven eigenen Ansatz gegenüberzustellen. Wer die Einwilligung als faktisches Absehen von der Geltendmachung von Abwehransprüchen oder als nicht-rechtsgeschäftlichen Rechtsschutzverzicht begreift, kann nicht begründen, warum die Einwilligung nach erfolgtem Eingriff nicht zurückgenommen werden kann 1 7 1 . D i e von Münzberg vertretene Ansicht, der Wille des Rechtsinhabers sei nur ein unselbständiger Faktor im Rahmen einer objektiven Interessenabwägung 1 7 2 , leuchtet jedenfalls für die vollständig disponiblen Vermögensrechte nicht ein. Insgesamt spricht gegen diese Theorie, daß sie die Einwilligung von ihren Grenzen her deutet und damit den Freiheitsgehalt der Einwilligungslehre verfehlt. Freiheit ist niemals schrankenlos; wie oben gesehen, muß sich jede Theorie, die auf dem Gedanken der Autonomie aufbaut, zugleich mit deren Grenzen befassen. Im Zivilrecht ist die Ausübung jedes subjektiven Rechts Schranken unterworfen. Es ist keine Besonderheit der Einwilligung, daß bei der Bestimmung dieser Schranken eine Abwägung erfolgen muß, im Gegenteil ist sie immer Teil der Auslegung der N o r m e n , die 170 Zur strafrechtlichen Bedeutung Welzel, § 13 14 (S. 73); im vorliegenden Zusammenhang verwendet von Rosener, S. 117, m. Nachw. auf entsprechende Verwendungen des Begriffs in der älteren Lit. 171 S. oben, II 1 b.

172

Münzberg, S. 311.

III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft

209

das jeweilige subjektive Recht konstituieren. Die Existenz von Schranken und die Notwendigkeit der Abwägung zwischen dem Wert der Selbstbestimmung und entgegenstehenden Interessen ändert aber nichts daran, daß die Disposition letztlich gilt, weil sie der Rechtsträger will. Sicherlich gibt es verschiedene mit der Einwilligung verwandte Rechtsinstitute, die auf einer objektiven A b wägung beruhen. Sie sollten aber von der Einwilligung klar unterschieden werden. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf das schweizerische Recht, w o Art. 44 I O R zunächst den Anschein erweckt, als sei die Einwilligung lediglich der Grenzfall des Mitverschuldens: „Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt oder haben Umstände, für die er einstehen muß, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermäßigen oder gänzlich von ihr entbinden." Anders als der Wortlaut vermuten läßt, fällt aber nach herrschender Ansicht die „echte", rechtfertigende Einwilligung gerade nicht unter diese Vorschrift 173 . Selbst wenn eine von der Rechtsgeschäftslehre abgekoppelte Einwilligungslehre konstruktiv möglich wäre, so müßte sie doch die Gesichtspunkte benennen, die den Zurechnungszusammenhang zwischen Schaden und Handelndem unterbrechen. Kriterien, wie sie die Vorschriften über Willenserklärungen bieten, fehlen im Deliktsrecht aber weitgehend, sie könnten allenfalls aus dem Strafrecht übernommen werden, in dem aber ebenfalls Streit über zahlreiche Einwilligungsvoraussetzungen herrscht und dessen Funktion sich zudem von der des Privatrechts unterscheidet 1 7 4 . Zudem hätte eine eigenständige deliktsrechtliche Einwilligungslehre den Nachteil, die Wirkung der Einwilligung im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse nicht befriedigend begründen zu können. Es versteht sich von selbst, daß vertragliche Schuldverhältnisse von den Parteien durch Rechtsgeschäft aufgehoben oder verändert werden können. Soweit eine Einwilligung im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse überhaupt möglich ist 175 , spricht einiges dafür, sie jedenfalls hier als Rechtsgeschäft anzusehen, da sie eine vertragliche Verpflichtung im Einzelfall modifiziert und damit eine weitgehende Verwandtschaft zum Änderungsvertrag und zum Erlaß aufweist. Schließlich muß auch von einer deliktsrechtlichen Perspektive anerkannt werden, daß die Rechtsübertragung und die unwiderrufliche Gestattung als Verträge zu qualifizieren sind. Vertragliche Gestattung und widerrufliche Einwilligung gehen aber ineinander über, wie etwa das Beispiel des § 604 I I I B G B zeigt. Warum die bloße Widerruflichkeit einen Unterschied der Rechtsnatur begründen soll, ist nicht einsichtig. 173 Vgl. Berner Kommentar/Brehm, zu Art. 44. 174 S. oben, § 7 1 3 . 175 Näher hierzu unten, § 10 V.

Rz. 6f. zu Art. 44; Honsell/Vogt/Wiegand,

Rz. 4

210

§ 9 Die Recbtsnatur

der

Einwilligung

Ebensowenig wie ein rein delikts- oder schadensrechtlicher Denkansatz kann die Deutung der Einwilligung als geschäftsähnliche Handlung befriedigen, weil diese Ansicht nur sagt, was die Einwilligung nicht ist. Sie definiert sich damit negativ in Abgrenzung zur Rechtsgeschäftslehre teilt aber letztlich deren rechtsgeschäftlichen Ausgangspunkt176. Weder sind bisher die Versuche gelungen, die „geschäftsähnlichen Handlungen" als eigene dogmatische Kategorie mit einheitlichen Prinzipien zu begreifen, noch erklärt diese Einordnung, wie sich die Selbstbestimmung durch Einwilligung vollzieht und warum sie zur Rechtfertigung führt. Damit fehlt dieser auf den ersten Blick vermittelnden Auffassung ein eigenständiger dogmatischer Erklärungswert. Es handelt sich letztlich um nichts anderes als die resignierende Feststellung, die Einwilligung sei ein der systematischen Einordnung nicht zugängliches Rechtsinstitut sui generis. b) Die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung im besonderen Die wesentlichen Einwände gegen die Rechtsgeschäftstheorie beziehen sich allerdings nicht auf das Wesen der Einwilligung im allgemeinen, sondern auf die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung, insbesondere auf die Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff. Die Rechtsgeschäftslehre des bürgerlichen Rechts, die im Hinblick auf wirtschaftsrechtliche Austauschgeschäfte ausgestaltet wurde, erscheint hier prima facie als unpassend. Die klassische Trias der Einwände wird vom B G H in seiner Minderjährigenentscheidung177 formuliert. Wegen ihrer nachhaltigen Wirkung auf die spätere Rechtsprechung und Lehre178 sei die betreffende Passage wörtlich wiedergegeben: 176 Nicht umsonst findet sich diese Ansicht besonders häufig in Kommentaren und Lehrbüchern zum Allgemeinen Teil des B G B , vgl. Erman/Brox, Rz. 6 Einl. § 104; Medicus AT, Rz. 200; MUKo3/Gitter, Rz. 89 vor § 104; Palandt/Heinrichs, Rz. 6 vor § 104; Soergel/ Fahse, Rz. 18 zu § 2 2 7 . 177 B G H Z 2 9 , 33. 178 Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (6 mit Fußn. 1), ihm folgend Lipp, S. 31 (Fußn. 74) und 198 (Fußn. 22), hat jüngst die Ansicht vertreten, für die Einwilligung im persönlichkeitsrechtlichen Bereich habe sich der Meinungsstreit erledigt, da sich der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Betreuungsgesetzes der h.M. angeschlossen habe, der zufolge es für die Einwilligungsfähigkeit nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ankommt, so in der Tat BT-Drucks. 11/4528 v. 11.5.1989, S. 71. Das Ergebnis sei ein „Gewinn an rechtsdogmatischer Klarheit". Allerdings gehen die Gesetzgebungsmaterialien nicht auf den Meinungsstreit um die Rechtsnatur der Einwilligung ein, sondern billigen nur en passant die von der Rechtsprechung vollzogene Loslösung der Einwilligungsfähigkeit von den §§ 104ff. B G B . Die Ansicht, der Gesetzgeber könne auf diese Weise eine obendrein dogmatisch fragwürdige Rechtsprechung „zementieren", ohne die Problematik gesetzlich regeln oder auch nur eingehend erörtern zu müssen, dürfte die Bindungswirkung von Gesetzgebungsmaterialien überschätzen. Das gilt in diesem Fall um so mehr, als sich die vom Gesetzgeber gebilligte Rechtsprechung auch auf der Grundlage der Rechtsgeschäftstheorie vertreten und sogar dogmatisch klarer begründen läßt.

III.

Die Einwilligung als

Rechtsgeschäft

211

„Bei der Einwilligung zu einem Eingriff in die körperliche Integrität handelt es sich nicht um eine Einwilligung im Sinne des § 183 B G B , nicht um die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft, also nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern um eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. Wie das Reichsgericht in der grundlegenden Entscheidung R G S t 41, 392 (395) hierzu ausgeführt hat, gehören das Leben und die körperliche Unversehrtheit wie auch die Ehre zu den sog. Rechtsgütern, die zwar Dritten gegenüber Rechtsschutz genießen, selbst aber nicht Gegenstand eines Rechts ihres Trägers sind. Uber sie kann ein Mensch nicht verfügen wie über eine ihm gehörige Sache, ein ihm zustehendes dingliches Recht oder ein Rechtsverhältnis. Die Vorschriften der §§ 107 ff. B G B , die rechtsgeschäftliche Willenserklärungen betreffen, sind daher auf die Einwilligung zu einem ärztlichen Eingriff nicht unmittelbar anzuwenden." 1 7 9

Das erste Argument des B G H beruht auf der Abgrenzung der rechtfertigenden Einwilligung von der vorherigen Zustimmung nach § 183 B G B . Ungenau formuliert das Gericht, es handle sich hier nicht um einen Fall des § 183 B G B , also nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Der zutreffende Hinweis auf den Unterschied zwischen beiden Rechtsfiguren besagt aber noch nichts darüber, ob die rechtfertigende Einwilligung nicht möglicherweise ein andersartiges Rechtsgeschäft darstellt. Schwerer wiegt das Argument, die Einwilligung beziehe sich auf tatsächliche Handlungen und sei daher selbst tatsächlicher Natur. Diese Überlegung vermengt aber in unzulässiger Weise die Erlaubnis mit dem Bezugspunkt der Erlaubnis. Sicherlich ist die Einwilligung des § 183 B G B ebenso wie die Vollmacht ein Rechtsgeschäft, das sich auf ein anderes Rechtsgeschäft bezieht. Es gibt aber durchaus auch Rechtsgeschäfte, die tatsächliche Handlungen erlauben, Beispiele sind die Grunddienstbarkeit oder der Mietvertrag. Wer an dieser Stelle einwendet, daß dort der Berechtigte immerhin im Gegensatz zum Einwilligungsempfänger ein subjektives Recht zur Vornahme der betreffenden Handlung erlange, verkennt, daß auch die Einräumung einer widerruflichen Eingriffsbefugnis das Rechtsverhältnis zwischen Einwilligendem und Handelndem umgestaltet. Sicherlich ist - wie das Bild der Stufenleiter in aller Deutlichkeit zeigt - seine Berechtigung schwächer, doch auch die Einräumung dieser schwachen Berechtigung ist Rechtsgestaltung. Zweitens unterscheidet der B G H zwischen der Verfügung über Vermögensrechte und der Gestattung eines Eingriffs in höchstpersönliche Rechtsgüter. Dabei geht er von der oben 180 widerlegten Ansicht aus, die körperliche Integrität sei als Rechtsgut lediglich in ihrer Faktizität geschützt, sei aber nicht Gegenstand eines subjektiven Rechts. Unabhängig von dieser Frage geht das Argument des B G H aber am Kern der Frage vorbei. Sicherlich kann über den eigenen Körper nicht wie über eine Sache verfügt werden. Ebenso sicher ist 179 180

B G H Z 29, 33 (36). II 2 a.

212

5 9 Die Rechtsnatur der

Einwilligung

aber, daß auch über die körperliche Integrität mit Hilfe der Einwilligung disponiert werden kann. Warum diese Disposition nicht als Minus gegenüber der Verfügung, sondern als ein Aliud mit völlig anderer Rechtsnatur zu verstehen ist, begründet diese Überlegung nicht. Vor allem erwähnt das Gericht nicht die wesentliche Parallele zwischen Verfügung und Einwilligung, nämlich den Gedanken der Selbstbestimmung. Selbstverständlich geht es auch bei der Einwilligung im höchstpersönlichen Bereich u m privatautonomes H a n deln, sofern man den Begriff nur von seiner wirtschaftlichen Konnotation löst. W ü r d e das deutsche Privatrecht den Begriff des Rechtsgeschäfts wirklich dem vermögensrechtlichen Bereich vorbehalten, so wäre den Kritikern der Rechtsgeschäftstheorie zuzustimmen: Die Einwilligungslehre müßte zwischen der rechtsgeschäftlichen vermögensrechtlichen Einwilligung und der nicht-rechtsgeschäftlichen höchstpersönlichen Einwilligung unterscheiden. Der Rechtsgeschäftsbegriff ist aber nicht derartig begrenzt; er ist weit genug, um beide Erscheinungsformen der Einwilligung zu umfassen. Drittens hält der B G H die §§ 107ff. BGB für unanwendbar und bezieht sich damit implizit auf den wesentlichen Einwand, der in der Literatur der Rechtsgeschäftstheorie entgegengehalten wird: Da einige Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre für höchstpersönliche Angelegenheiten unpassend seien, könne die Einwilligung im persönlichkeitsrechtlichen Bereich kein Rechtsgeschäft sein. Wie soeben gezeigt, handelt es sich hier u m den Fehlschluß vom Rechtsgeschäftsbegriff auf die notwendige Anwendbarkeit sämtlicher Vorschriften der §§ 104 ff. BGB in der Umkehrung. Den Vorschriften des Allgemeinen Teils über Rechtsgeschäfte liegt das Leitbild wirtschaftlicher Austauschgeschäfte zugrunde, das ein geringeres Abstraktionsniveau aufweist als der Rechtsgeschäftsbegriff selbst. Auf untypische Rechtsgeschäfte sind einzelne dieser Vorschriften unanwendbar, ohne daß damit die Rechtsgeschäftstheorie widerlegt wäre. Vielmehr muß auf ihrer Grundlage stets die Möglichkeit der teleologischen Reduktion ebenso mitbedacht werden, wie der B G H umgekehrt mit Recht die analoge A n w e n d u n g des § 107 BGB prüft. Das Ergebnis wird sich meist nicht unterscheiden. Allerdings argumentieren einige Autoren radikaler: Die Vorschriften über Willenserklärungen seien insgesamt unpassend 181 , da sie auf einer Abwägung zwischen dem Willen des Erklärenden und Verkehrsschutzgesichtspunkten beruhten, die bei der Einwilligung irrelevant seien 182 . Diese Argumentation verkennt, daß der Einwilligungsempfänger durchaus ein berechtigtes Interesse daran hat, auf die Einwilligungserklärung vertrauen zu können, solange sie nicht widerrufen wurde. Zwar können ihn Aufklärungspflichten treffen, die dazu führen, daß Unklarheiten der Erklärung oder Irrtümer zu seinen Lasten gehen, diese Punkte lassen sich 181 182

Deutsch A H R , Rz. 282. So Berger, JZ 2000, 797 (801, insb. Fußn. 46, 47);Schünemann, VersR 1981,306 (307).

III. Die Einwilligung als Rechtsgeschäft

213

bei Anwendung der Vorschriften des BGB über Willenserklärungen aber durchaus berücksichtigen 183 . Außerdem entspricht das Bestehen von Aufklärungspflichten zwar im Medizinrecht dem Normalfall, außerhalb dieses Bereichs bedürfen sie hingegen der besonderen Begründung; vorzugswürdig ist eine Einwilligungsdogmatik, die sowohl arztrechtliche als auch nichtmedizinische Fallkonstellationen erklären kann. Schließlich kann den Interessen des Einwilligungsempfängers auch nicht, wie teilweise im Anschluß an das Strafrecht behauptet wird, im Rahmen der Verschuldensprüfung hinreichend Rechnung getragen werden 184 , da sich die Einwilligung auch auf verschuldensunabhängige Ansprüche, insbesondere den Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB und die Eingriffskondiktion nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB auswirkt 185 . Es ist verständlich, daß viele Gegner der Rechtsgeschäftstheorie ein Unbehagen dagegen verspüren, den wirtschaftsrechtlich geprägten Rechtsgeschäftsbegriff auf höchstpersönliche Dispositionen anzuwenden 1 8 6 . Ein ethisch sensibler Bereich, in dem es um Heilkunst und menschliche Zuwendung geht 187 , scheint durch die Anwendung rechtsgeschäftlicher Kriterien kommerziellen Erwägungen ausgeliefert zu werden. In der Tat ist die Idee der Privatautonomie wirtschaftlich geprägt, da das BGB im Bereich der Persönlichkeitsrechte erhebliche Defizite aufweist. Das schweizerische Recht ist in diesem Punkt, wie gesehen, fortschrittlicher. Es enthält nicht nur Vorschriften über das Persönlichkeitsrecht, sondern trägt bei der Regelung der Geschäftsfähigkeit auch den Besonderheiten höchstpersönlicher Dispositionen Rechnung. Es wäre aber verfehlt, aus den Defiziten des deutschen bürgerlichen Rechts den Schluß zu ziehen, die Einwilligungslehre müßte eigenständige Wege gehen und den teleologischen Gehalt der Rechtsgeschäftslehre dabei außer acht lassen. Funktional ist die Einwilligung Rechtsgestaltung, und schon de lege lata enthalten die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen zahlreiche Sicherungen der Selbstbestimmung, die auch im Rahmen des Medizinrechts durchaus ihre Wirkung entfalten können. Ein Beispiel ist die A G B 183

Dies wird sich im 3. Teil der Arbeit vor allem für die Auslegung (§ 12 II) und die Irrtumsfolgen (§13 1) zeigen. 184 So Berger, a. a. O., Fußn. 47; ebenso im Strafrecht Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 17. 185 S. oben, II 3 b. 186 Deutlich Schünemann, VersR 1981, 306 (307): „Dennoch bliebe bei einer solchen (d.h. einer rechtsgeschäftlichen, Anm.d.Verf.) Lösung ein Unbehagen zurück. Die Zustimmung zu einer Operation ist vom Abschluß eines Kaufvertrages über ein neues Auto grundlegend verschieden." 187 So steht nach Wiethölter, S. 104, das Verhältnis zwischen Arzt und Patient „in der Mitte zwischen der rechtsfreien Beziehung Seelsorger-Christ einerseits und der nichtrechtsfreien Beziehung etwa des Schneiders zum Auftraggeber"; ähnlich Laufs ArztR, Rz. 160.

214

5 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

Kontrolle, die, wie sich unten in § 15 zeigen wird, gerade den Patienten, dem in der Klinik Formulare vorgelegt werden, wirksam schützen kann. Die Sicherung der Selbstbestimmung im höchstpersönlichen Bereich entspricht einem Gebot der Verfassung, ihre verläßliche Ausgestaltung ist ein Auftrag 188 , dem das Zivilrecht bisher nur unvollständig nachgekommen ist. Durch eine vom Gesetz losgelöste Einwilligungslehre läßt sich diese Aufgabe weniger gut erfüllen als durch eine Weiterentwicklung der Rechtsgeschäftslehre für Rechtsgestaltungen im höchstpersönlichen Bereich. Zwar ist hier letztlich der Gesetzgeber gefordert, doch wie die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts demonstriert, kann im Fall gesetzgeberischer Untätigkeit auch der Rechtsanwender praeter legem überzeugende Lösungen entwickeln. Die Einwilligung ist also ein Rechtsgeschäft, wenn auch ein untypisches. Damit ist die Methode für die Untersuchung der einzelnen Einwilligungsvoraussetzungen im 3. Teil dieser Arbeit vorgegeben. Ausgangspunkt sind die Vorschriften des B G B über Rechtsgeschäfte, allerdings muß stets geprüft werden, ob die Besonderheiten der Einwilligung im allgemeinen oder der persönlichkeitsrechtlichen Einwilligung im besonderen eine teleologische Reduktion der jeweiligen Vorschrift erforderlich machen.

IV. Abgrenzung von verwandten, nicht-rechtsgeschäftlichen Instituten 1. Die mutmaßliche

Einwilligung

a) Fallgruppen Fehlt eine Einwilligung, so kann dies auf verschiedenen Gründen beruhen. Der Rechtsträger kann sich bewußt gegen den Eingriff entschieden haben, so daß die Verweigerung der Einwilligung als Akt der Selbstbestimmung anzusehen ist. Andererseits kann dem Rechtsträger auch die Möglichkeit gefehlt haben, einen entsprechenden Willen zu bilden oder zu äußern. In dieser Situation erlaubt es die mutmaßliche Einwilligung, eine Hypothese darüber anzustellen, wie der Rechtsträger entschieden hätte, wenn er zu einer Entscheidung in der Lage gewesen wäre. Meist werden zwei Fallgruppen unterschieden 189 . In den Fällen des überwiegenden Interesses liegt eine Güter- und Interessenkollision im Lebensbereich des Verletzten vor, über die er selbst nicht rechtzeitig Berger, J Z 2000, 797 (798). Allerdings ist diese Unterscheidung vor allem in der strafrechtlichen Literatur üblich, vgl .Jescheck/Weigend, § 34 V I I 1 (S. 385 ff.); LK/Hirsch, Rz. 133 vor § 32; Roxin AT I, § 16, Rz. 25 ff.; Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 54 vor §§ 32 ff., ebenso zum Zivilrecht Fikentscher SchR, Rz. 496; Soergel/Fahse, Rz. 24 mit Fußn. 32; Zitelmann, AcP 99 (1906) 188

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IV. Abgrenzung

von verwandten,

nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

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entscheiden kann. Beispiele sind die Operation Bewußtloser oder das Eindringen in eine fremde Wohnung zur Behebung eines Wasserschadens. Dieser Fall steht dem Notstand nahe, allerdings stehen beide Rechtsgüter dem Verletzten zu, außerdem soll die Interessenabwägung nach Ansicht der meisten Autoren nicht rein objektiv, sondern mit Rücksicht auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen erfolgen190. Demgegenüber zeichnen sich die praktisch erheblich weniger bedeutsamen191 Fälle des mangelnden Interesses dadurch aus, daß der Täter zwar im eigenen Interesse in das Rechtsgut des anderen eingreift, aber wegen der Geringfügigkeit des Eingriffs oder besonderer persönlicher Beziehungen von der Zustimmung des Rechtsgutsinhabers ausgehen kann. Mit Zitelmann geht es um Fälle, in denen „[ich] eilig einer Sache [bedarf], etwa eines Buches zur Benutzung, eines Glases Wein zur raschen Stärkung, einiger Zündhölzer zum Mitnehmen, komme zu meinem Freunde, um sie zu erbitten, und nehme sie, da ich ihn nicht zu Hause finde, mir selbst in der Annahme, daß der Hausherr sie mir ohne weiteres gegeben haben würde" 192 . Ein im Strafrecht umstrittener Fall ist die kurzfristige Entnahme von Kleingeld aus einer Kasse gegen spätere Einlage des entsprechenden Betrags193. Wie eine umfangreiche Rechtsprechung dokumentiert, finden sich die praktisch wichtigsten Anwendungsfälle für die Fallgruppe des „überwiegenden Interesses" im Medizinrecht 194 . Vor allem die Behandlung Bewußtloser, daneben auch ärztliche Eingriffe an Minderjährigen, deren gesetzlicher Vertreter unerreichbar ist, geben zu Konflikten Anlaß. Anhand derartiger Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung mittlerweile detaillierte Kriterien dafür herausgearbeitet, wann auf die Einwilligung des Betroffenen oder seines Vertreters verzichtet und auf die mutmaßliche Einwilligung zurückgegriffen werden kann. Schon früh entschied das RG, bei Fehlen der Einwilligung des Patienten komme eine Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei Gefahr im Verzug, in Betracht195. Auch dann sei 1(111 ff., 128 ff.). Hingegen wird in der zivilrechtlichen Literatur meist nur die Fallgruppe des überwiegenden Interesses erwähnt, vgl. Deutsch AHR, Rz. 283; RGRK/Steffens, Rz. 383 zu § 823; Staudinger12/Schäfer, Rz. 446, 482 zu § 823. 190 Deutsch AHR, Rz. 283; Fischer, FS Deutsch, S. 545 (548); Laufs ArztR, Rz. 226; RGRK/Steffen, Rz. 383 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 115 zu § 823. 191 Stärker Wollschläger, S. 272, der diese „Bagatellfälle" zivilrechtlich für belanglos hält. 192 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (128). 193 Für mutmaßliche Einwilligung OLG Celle NJW 1974, 1833; dagegen OLG Köln NJW 1968, 2348; Günther, S. 351 f.;.Jakobs AT, 15/18. 194 Vgl. die Darstellungen bei Deutsch, MedR, Rz. 109f.; Giesen ArztHR, Rz. 238ff.; HdA/Laufs, § 64, Rz. 11 ff; Fischer, FS Deutsch, S. 545 ff.; Staudinger/Hager, Rz. I 115 ff. zu § 823. 195 RGZ 68, 431 (434).

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der

Einwilligung

die Einwilligung nur entbehrlich, wenn sie aus besonderen Gründen, etwa wegen Bewußtlosigkeit des Kranken oder der unvorhersehbaren Notwendigkeit einer Operationserweiterung, nicht eingeholt werden könne196. Der Arzt müsse außerdem nach dem bisherigen Verhalten des Kranken annehmen können, „daß dieser, wenn er gefragt werden könnte, seine Einwilligung nicht versagen würde". Der BGH führte diese Rechtsprechung fort und verfeinerte sie für den problematischen Fall der nicht vorhersehbaren Operationserweiterung. Stelle sich die Notwendigkeit eines erweiterten und mit zusätzlichen Risiken behafteten Eingriffs erst während der Operation heraus, so dürfe der Eingriff fortgeführt werden, wenn der Abbruch den Patienten mindestens ebensosehr gefährde wie die Fortführung, wenn er also medizinisch kontraindiziert sei. Könne die Operation aber ohne Gefährdung des Patienten unterbrochen oder abgebrochen werden, so sei dessen Einwilligung einzuholen197. Das OLG Frankfurt nahm kurze Zeit später im Anschluß an Uhlenbruck198 eine weitere Präzisierung vor. Die Einwilligung des Patienten sei für die Operationserweiterung entbehrlich, wenn erstens die während des Eingriffs erkannte Erkrankung ohne Behandlung in absehbarer Zeit zum Tode führe, zweitens eine Unterbrechung des Eingriffs zu neuen, gefährlichen Komplikationen führe und drittens ein der Operationserweiterung entgegenstehender Wille des Patienten nicht ernsthaft zu erwarten sei199. Inzwischen äußerte sich der BGH in einer strafrechtlichen Entscheidung200, die in der Literatur kritisiert wird 201 , allerdings weniger zurückhaltend: Eine mutmaßliche Einwilligung, die übrigens einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund und nicht lediglich einen Anwendungsfall des rechtfertigenden Notstands darstelle, könne im Fall einer Operationserweiterung nicht nur bei vitaler Indikation angenommen werden. Vielmehr sei der mutmaßliche Wille des Patienten „aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, aus seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln". Objektive Kriterien hätten keine eigenständige Bedeutung, doch könne im Zweifel davon ausgegangen werden, daß der Wille des Patienten mit dem übereinstimme, was „gemeinhin als normal und vernünftig angesehen wird". Die Bedeutung früherer Aussagen des Patienten betont der BGH in einer neueren Entscheidung202, die eine Entbindung zum Gegenstand hatte. Der mutmaßliche A.a.O.,S. 354 f. So zum Strafrecht BGHSt 11, 111 (114), im Anschluß daran für das Zivilrecht BGH NJW 1977, 337 (338). 198 Uhlenbruck, VersR 1968, 1101 (1110). 199 OLG Frankfurt NJW 1981, 1322 (1324). 200 BGHSt 35,246 =JZ 1988,1021 m. Anm. Weitzel (aus medizinischer Sicht), Geppert (aus strafrechtlicher Sicht), Giesen (aus zivilrechtlicher Sicht). 201 So Giesen, a.a.O., S. 1030ff.; Geppert, a.a.O., S. 1028; Fischer, FS Deutsch, S. 545 (553); Staudinger/Hager, Rz. 1116. 202 BGH NJW 1993, 2372 (2374) m. Anm. Laufs/Hiersche. 196 197

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Wille der Mutter richte sich nicht notwendigerweise auf die Geburtsmethode, die geringere Risiken für die Mutter und größere Risiken für das Kind beinhalte. Vielmehr müsse der Arzt prüfen, ob sich die Mutter früher zur G e fahrtragung geäußert habe. Das Schrifttum folgt weitgehend den Grundlinien der Rechtsprechung 2 0 3 und betont vor allem die Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung 2 0 4 . Sie komme nur in Betracht, wenn die Einwilligung nicht eingeholt werden könne und der Eingriff unaufschiebbar sei. Auch die Grundsätze des B G H zur Operationserweiterung werden grundsätzlich befürwortet: Wenn die Unterbrechung ohne ernsthafte Risiken für den Patienten möglich sei, so habe sie zu erfolgen; wenn der Abbruch hingegen das Leben des Patienten gefährde, so müsse er unterbleiben. N u r im Bereich zwischen diesen Extremen werden unterschiedliche Nuancen vertreten. Zur Gewichtung von objektivem Interesse und subjektivem Willen des Betroffenen spricht sich die ganz herrschende Meinung dafür aus, die Grundsätze der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag heranzuziehen 2 0 5 . D e r Arzt soll demnach die zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln. In Ermanglung besonderer Hinweise könne aber eine medizinisch indizierte Maßnahme als interessengerecht angesehen werden. Während die Grundsätze zur Notfalloperation weitgehende Akzeptanz finden, ist wesentlich zweifelhafter, ob auch die Fallgruppe des „mangelnden Interesses" ihre Berechtigung hat. Aus privatrechtlicher Sicht erscheint dies zweifelhaft. Meist wird sich der Betroffene nicht wehren, so daß aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als im Strafrecht - kein Entscheidungsbedarf besteht. Zudem wird es meist an einem Schaden fehlen 206 . Entscheidet sich der Betroffene aber, gegen den Eingriff vorzugehen, so war die Vermutung seiner Zustimmung offenbar fehlerhaft. In diesem Fall eine Rechtfertigung anzunehmen hieße, den Rechtsschutz des Betroffenen übermäßig zu beeinträchtigen. Die Lösung muß daher beim Verschulden ansetzen: Konnte der Handelnde vernünftigerweise annehmen, der Betroffene wäre ohne weiteres einverstanden gewesen, so handelte er nicht fahrlässig. In allen übrigen Fällen spricht grundsätzlich nichts gegen die Haftung des „Selbstbedieners". Etwas anderes gilt jedoch, wenn Gesetzgeber oder Rechtsprechung ein subjektives Recht nicht als „Einwilligungsrecht", sondern lediglich als „Widerspruchsrecht" ausge203

S. die Nachw. oben, Fußn. 194. Deutsch AHR, Rz. 283; Fischer, FS Deutsch, S. 545 (548); Laufs ArztR, Rz. 226; MüKo/Mertens, Rz. 451 zu § 823; RGRK/Steffens, Rz. 383 zu § 823; Soergel/Zeuner, Rz. 232 zu § 823. 205 Deutsch MedR, Rz. 109; Laufs ArztR, Rz. 226; RGRK/Steffen, Rz. 383 zu § 823; Soergel/Zeuner, Rz. 232 zu § 823. 206 Wollschläger, S. 272. 204

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der

Einwilligung

stalten 207 . Wie oben gesehen, handelt es sich dabei um eine Ausgestaltung, genauer um eine Schwächung des jeweiligen subjektiven Rechts. In allen genannten Fällen wird aufgrund einer objektiven Interessenabwägung die Einwilligung des Rechtsinhabers vermutet. Diese „Erlaubnis mit Widerspruchsvorbehalt" läßt sich als eine gesetzlich oder richterrechtlich zugelassene Form der mutmaßlichen Einwilligung verstehen 208 . Sie verschiebt die Aktionslast auf den Rechtsinhaber: Er muß sich aktiv gegen den Eingriff wehren. Das bedeutet eine Schwächung des betreffenden subjektiven Rechts, da die Gefahr besteht, daß der wirkliche Wille des Rechtsinhabers mißachtet wird. Andererseits stellt das Widerspruchsrecht eine Ubergangsform zwischen Einwilligungsrecht und objektiver, willensunabhängiger Erlaubnis dar, die im Randbereich der Sozialadäquanz für Praktikabilität sorgt, ohne den Betroffenen völlig rechtlos zu stellen. Ein Paradebeispiel bietet die Briefkastenwerbung 209 . Es wäre - wie ausländische Rechtsordnungen zeigen 210 - durchaus denkbar, die Briefkastenwerbung generell als sozialadäquat anzusehen und mithin zu erlauben, ohne dem Adressaten eine Widerspruchsmöglichkeit einzuräumen. Der Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist minimal, andererseits wäre es für den Werbenden kaum praktikabel, in jedem Einzelfall eine Einwilligung einzuholen. b) Theorie der mutmaßlichen Einwilligung Bisher war stets im Einklang mit der in Straf- und Medizinrecht üblichen Terminologie von der „mutmaßlichen Einwilligung" die Rede. Allerdings ist das Verhältnis zwischen mutmaßlicher Einwilligung und Geschäftsführung ohne Auftrag umstritten. Zitelmann2n lehnte den Begriff der „mutmaßlichen Einwilligung" als ungenau und irreführend ab. Vielmehr ergebe sich die Rechtfertigung unmittelbar aus §§ 677ff. B G B : Da der Gesetzgeber hier die „Menschenhilfe" ausdrücklich erlaube, müsse er sie insgesamt als gerechtfertigt S. hierzu oben, II 3 a. Baston-Vogt, S. 244ff. 209 Zur Beurteilung der Briefkastenwerbung im deutschen Recht oben, Fußn. 86. 210 Vgl. in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, die Länderberichte Belgien (Henning-Bodewig), Rz. 312; Dänemark (Kur / Schovsho), Rz. 106; Frankreich (Dreier/v. Lewinski), Rz. 131; Italien (Bastian), Rz. 118; Niederlande (Henning-Bodewig), Rz. 313; Norwegen {Kur), Rz. 138, 140; Schweiz ( K n a a k ) Rz. 156; Vereinigtes Königreich (Ohly), Rz. 89, 93; aus denen hervorgeht, daß in den genannten Ländern kein rechtliches Verbot der Briefkastenwerbung ersichtlich ist. Lediglich in Schweden {Kur), Rz. 189, stellt die Mißachtung des Wunschs, keine Werbesendungen zu erhalten, einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften dar, in den Niederlanden, Rz. 589, ergibt sich eine vergleichbare Bestimmung aus den Regeln der Werbeselbstkontrolle. 207 208

211 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (102ff.); ihm in der Argumentation folgend Fischer, S. 281 ff.; Staudinger/Wittmann, Rz. 9 vor §§ 677ff.; für das Strafrecht Schroth, JuS 1992, 476 (477).

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ansehen. Zwar seien unmittelbar nur die Verpflichtungen des Geschäftsherren und des Geschäftsführers geregelt, aus der Systematik des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag folge aber deren rechtfertigende Wirkung. So verpflichte § 677 BGB den Geschäftsführer dazu, das Geschäft in Einklang mit Wille und Interesse des Geschäftsherren zu führen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könne das Recht nicht als rechtswidrig beurteilen, ohne sich selbst zu widersprechen. § 678 BGB enthalte eine Verpflichtung zum Schadenersatz f ü r den Fall, daß die Übernahme des Geschäfts dem Willen des Geschäftsherrn widerspreche. Daraus folge e contrario, daß im übrigen eine Schadensersatzpflicht nicht bestehe. Auch könne das Gesetz kaum in § 683 BGB den Ersatz von Aufwendungen für eine Handlung anordnen, die rechtswidrig sei. Die Ansicht Zitelmanns hat in der älteren Literatur einige Zustimmung gefunden 2 1 2 , während sich im neueren privatrechtlichen Schrifttum auch an dieser Stelle das verbreitete Desinteresse an den Rechtfertigungsgründen zeigt 213 . Teils wird lapidar auf die rechtfertigende Wirkung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen 214 , andere Autoren sprechen von der mutmaßlichen Einwilligung, weisen aber zugleich darauf hin, daß für deren Voraussetzungen die §§ 677, 683 BGB entsprechend anwendbar seien 215 . Stärker hat sich die herrschende Ansicht im Strafrecht von der zivilrechtlichen Beurteilung gelöst. Sie betrachtet die mutmaßliche Einwilligung als eigenständigen Rechtfertigungsgrund, der an die Einwilligung angelehnt, ihr gegenüber aber subsidiär ist 216 . In einem deutlicheren Gegensatz zur Lehre Zitelmanns steht eine in der strafrechtlichen Literatur verbreitete 217 und im Privatrecht insbesondere von Wollschläger218 und Seiler219 vertretene Ansicht, nach der sich die Rechtferti212 Fischer, S. 281 ff.; Oertmann, A n m . 7 e zu § 823; vgl. auch die Nachw. bei 'Wollschläger, S. 271 f. 213 Ausführliche Begründung der Legitimierungsfunktion aber bei Staudinger/Wittmann, Rz. 8 vor §§ 677 ff. 214 Palandt/Thomas, Rz. 5 vor § 677; Staudinger12/Schäfer, Rz. 453 zu § 823; Batsch, A c P 171 (1971) 218 (224) hält die Rechtfertigung durch berechtigte G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g f ü r einen selbstverständlichen Anwendungsfall der Rechtfertigung kraft schuldrechtlicher Befugnis. 215 Deutsch A H R , Rz. 283; Fikentscher SchR, Rz. 496; Larenz, SchR II, § 71 I c 2 (S. 595); MüKo/Mertens, Rz. 43 zu § 823; RGRK/Steffen, Rz. 383 zu § 823; Soergel/ Zeuner, Rz. 232 zu § 823 (anders allerdings Soergel/Fahse, Rz. 24 f. zu § 227, der zwischen mutmaßlicher Einwilligung u n d G o A unterscheidet). 216 Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 54ff. (insb. 55) vor §§ 32ff.; Jescheck/Weigend, § 34 VII 2 (S. 387f.); Roxin, AT I, § 17, Rz. 7f.; f ü r die G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht hingegen Günther, S. 51 ff., 301 ff.; Schroth, JuS 92, 476. 217 Vgl. Welzel StR, § 14 V (S. 88); Geilen, S. 142f.; Noll, S. 137f.; Schmidhäuser AT, 9/ 48. 218 Wollschläger, S. 274 ff. 219 MüKo /Seiler, Rz. 17 vor § 677.

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gung des Notfalleingriffs nicht nach der Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern analog § 34 StGB nach den Kollisionsregeln des rechtfertigenden Notstands richtet. Eine Rechtfertigung nach §§ 677ff. B G B sei teils zu eng, teils zu weit. Einerseits bilde die Ubereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen eine zu strenge Voraussetzung. Der Arzt, der einen Bewußtlosen nach den allgemein akzeptierten Kunstregeln behandle, müsse als gerechtfertigt angesehen werden, auch wenn der Patient sich als Anhänger der Naturheilkunde vermutlich jede schulmedizinische Behandlung verbitten würde220. Andererseits erfasse die Geschäftsführung ohne Auftrag auch nützliche Eingriffe außerhalb von Notsituationen, in denen eine Rechtfertigung nicht angemessen sei221. Insbesondere gehe es nicht an, dem Geschäftsführer in den Fällen des § 679 B G B ein Eingriffsrecht gegen den Willen des Geschäftsherrn zuzugestehen. In der strafrechtlichen Literatur wird zudem verbreitet die Anwendbarkeit des § 684, 2 B G B abgelehnt: Eine nachträgliche Genehmigung mit rechtfertigender Kraft komme nicht in Betracht, da die Rechtswidrigkeit zum Tatzeitpunkt feststehen müsse. c) Stellungnahme und Abgrenzung Bei der mutmaßlichen Einwilligung überlagern sich eine subjektiv-voluntative und eine objektive Komponente, wobei letztere in der Praxis aber deutlich überwiegt. Einerseits kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen an, andererseits muß man bei Fehlen anderer Anhaltspunkte annehmen, daß der Betroffene vernünftig entscheiden würde. Damit ist praktisch oft eine objektive Kosten-Nutzen-Abwägung ausschlaggebend222. Da aber die mutmaßliche Einwilligung, anders als das sogleich zu analysierende „unechte Handeln auf eigene Gefahr", nicht nur zur Anwendung des § 254 B G B , sondern zur vollständigen Rechtfertigung führt, birgt sie für den Betroffenen, wie Fischer treffend formuliert, die Gefahr der „unbequemen Bevormundung" durch „tatkräftige Freunde" 223 . Ausgehend von der Idee der Autonomie sind die verschiedenen dogmatischen Erklärungsansätze daran zu messen, in welchem Maße sie dem wirklichen Willen des Betroffenen Vorrang vor der objektiven Interessenabwägung einräumen und wie sie vermeiden, daß die strengen Einwilligungsvoraussetzungen durch die Unterstellung eines mutmaßlichen Willens unterlaufen werden. Alle Theorien sind sich im Grundsatz darin einig, daß der wirkliche Wille gegenüber dem mutmaßlichen Willen und dem objektiven Interesse Vorrang genießt. Gegenüber einer tatsächlich erklärten Einwilligung ist die mutmaßli220 221 222 223

Wollschläger, S. 277; MüKo/Seiler, a. a. O . MüKo/Seiler, a.a.O. Kötz, FS Großfeld, S. 583 (585ff.). Fischer, S. 281.

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che Einwilligung subsidiär 224 , die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind nicht anwendbar, da der Einwilligungsempfänger zur Vornahme der Handlung im Sinne des § 677 BGB berechtigt ist. In der Praxis muß man daher Entscheidungen, in denen zwar keine Einwilligung vorlag, wohl aber der wirkliche Wille des Geschäftsherrn für die Geschäftsführung sprach, mit der Lupe suchen225. Bedeutsamer ist der umgekehrte Fall, daß sich der Betroffene aus Gründen gegen die Handlung ausspricht, die nach dem herrschenden gesellschaftlichen Konsens als unvernünftig gelten. Diese Situation kann etwa bei der medizinischen Behandlung von Zeugen Jehovas auftreten, denen ihr Glaube die Annahme von Bluttransfusionen verbietet226. Darf ein Arzt bei einem Bewußtlosen, von dessen rigoroser Haltung in diesem Punkt er weiß, die Transfusion vornehmen, wenn sie das einzige Mittel ist, um das Leben des Patienten zu retten? Angenommen, es bestehen deutliche Anzeichen dafür, daß der Patient seinen ablehnenden Willen in der Notsituation wirklich aufrecht erhält und nicht revidiert 227 , so gelangt die Lehre von der mutmaßlichen Einwilligung aufgrund einer Interessenabwägung zum selben Ergebnis, das sich auch bei Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag ergibt. Nach §§ 677, 683 BGB setzt sich der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn abgesehen von den Fällen des § 679 BGB durch. Da niemand eine Rechtspflicht zum Überleben hat (§ 679, 1. Alt. BGB) und keine Unterhaltspflicht verletzt wird (§ 679, 2. Alt. BGB), wäre die Transfusion rechtswidrig 228 . Anders ist nach § 679, 2. Alt. BGB zu entscheiden, wenn es um das Leben des minderjährigen Kindes eines Zeugen Jehovas geht: In diesem Fall würden die Eltern mit ihrer Weigerung eine Unterhaltspflicht verletzen, so daß ihr entgegenstehender Wille nach § 679 BGB unbeachtlich wäre. Zu einem anderen Ergebnis gelangt, wie erwähnt, Wollschläger: Er hält aufgrund einer objektiven Interessenabwägung die Behandlung für gerechtfertigt. Dagegen spricht, daß er sein Ergebnis aus einer dogmatischen Konzeption ableitet, innerhalb derer das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen von vornherein 224 S. zum Zivilrecht die Nachw. oben, Fußn. 204; zum Strafrecht BGHSt 16, 309 (312); Jescheck/Weigend, § 34 VII 1 (S. 385); Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 54 vor §§ 32 ff. 225 Vgl. Kötz, FS Großfeld, S. 583 (589); s. aber BGH NJW 1979, 598 (599). 226 Zu dieser Problematik eingehend Bender, MedR 1999,260 ff. (insb. 260 zum religiösen Hintergrund). 227 Hier liegt in der Praxis meist das eigentliche Problem, vgl. Deutsch, NJW 1979,1905 (1909); Fischer, FS Deutsch, S. 545 (555); Staudinger/Hager, Rz. I 117 zu § 823 und - zur Patientenverfügung - unten, § 10 II 2. Ein starkes, wenn nicht sogar zwingendes Indiz für den Fortbestand des Willens ist die antizipierte Behandlungsanweisung in einem „Dokument zur ärztlichen Versorgung", das Zeugen Jehovas mit sich zu tragen pflegen, der Wortlaut ist wiedergegeben bei Bender, MedR 1999, 260 (262). 228 So aufgrund der Theorie der mutmaßlichen Einwilligung Bender, MedR 1999, 260 (262); Deutsch, NJW 1979, 1905 (1908); Schünemann, VersR 1981, 306 (308); nach GoAGrundsätzen Medicus BR, Rz. 422; mit beiderlei Begründung Laufs ArztR, Rz. 226; Staudinger/Hager, Rz. I 115 zu § 823.

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ausgeklammert ist. Damit ist der Bevormundung aktuell Entscheidungsunfähiger durch Personen, die glauben deren „wahres Wohl" besser einschätzen zu können, Tür und Tor geöffnet. Hingegen gewährt das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag in diesem Fall der Selbstbestimmung des Patienten den Vorrang und trifft damit die zutreffende Abgrenzung zwischen „Menschenhilfe" und Schutz vor aufgedrängter Interessenwahrung. Damit sind die Probleme der Behandlungsverweigerung allerdings erst angerissen. In voller Schärfe tauchen sie bei der Beurteilung der Patientenverfügung auf, auf die zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukommen sein wird 229 . Nicht immer gelangt man bei Anwendung des § 679 BGB allerdings so eindeutig zu interessengerechten Ergebnissen 230 . Während sich die Grundgedanken der Geschäftsführung ohne Auftrag und der mutmaßlichen Einwilligung entsprechen, erlaubt § 679 BGB, angewandt im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung, Eingriffe gegen den Willen des Betroffenen, genauer eine private Ersatzvornahme, wenn Rechtspflichten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden. So ist der Eigentümer eines einsturzgefährdeten Hauses seinem Nachbarn, dessen Grundstück bedroht ist, aus § 908 BGB und aus §§ 836 I, 1004 I BGB zur Beseitigung der Gefahr verpflichtet; die Erfüllung dieser Pflicht muß der Nachbar grundsätzlich auf dem Klagewege erstreiten. Nach § 679 BGB stellt sich der Abriß jedoch, wie der B G H für die Giebelmauer eines im Krieg beschädigten Hauses entschieden hat, als berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag dar 231 . Damit verschaffen die §§ 677, 683 i.V.m. § 679 BGB, verstanden als Rechtfertigungsgrund, dem Nachbarn unter Umständen die Befugnis, das Gebäude selbst abzureißen. Auf diese Weise erlangt er neben dem Notstand (§§ 228, 904 BGB, 34 StGB) und der Selbsthilfe (§ 229 BGB) eine zusätzliche Eingriffsbefugnis. Immerhin verlangt § 679 BGB, daß die Erfüllung der Pflicht im öffentlichen Interesse liegen und daß die Geschäftsführung nach wie vor dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn entsprechen muß. Vor allem aber S. unten, § 1 0 112. Nur am Rande sei auf die nach heutigem Verständnis fast schon kuriose Entscheidung des OLG Colmar, DJZ 1916, 1179, hingewiesen, die Züchtigung fremder Kinder, sei wegen des öffentlichen Interesses an richtiger Kindererziehung selbst bei entgegenstehendem Willen der Eltern nach §§ 677, 683 i.V.m.§ 679 BGB gerechtfertigt. Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (115), sprach sich zwar gegen die Anwendbarkeit des § 679 BGB aus (da der Vater später die Züchtigung nachholen könne, bestehe keine Gefahr im Verzug), bejahte aber grundsätzlich das „stellvertretende Züchtigungsrecht" aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Darin folgte ihm in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, vgl. die Nachw. bei Wollschläger, S. 273. Inzwischen wird diese Ansicht zu Recht allgemein abgelehnt: Es ist höchstpersönliche Angelegenheit der Eltern, über ihre Erziehungsmethoden zu entscheiden, zutreffend OLG Saarbrücken NJW 1963, 2379; Wollschläger, a . a . O . - , ] e s c h e c k / W e i g e n d , § 34 VII 4 (S. 389). 231 BGHZ 16, 12 (16). Kritisch zur Erfüllung fremder Polizeipflichten im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag Wollschläger, S. 154 ff. 229 230

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Instituten

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legitimiert § 679 BGB die Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn nur, wenn ansonsten die Pflicht nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Damit ordnet § 679 BGB ebenso wie die Vorschriften über den Notstand und die Selbsthilfe den Vorrang staatlicher Verfahren an: Wenn der Nachbar im genannten Beispiel rechtzeitig eine einstweilige Verfügung erstreiten kann, so ist sein eigenes Eingreifen nicht gerechtfertigt. Im Ergebnis dürfte also die mit § 679 BGB begründete berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht weitergehen, als die parallel mögliche Rechtfertigung nach Notstandsgesichtspunkten. Es ist aber nicht zu verkennen, daß die Geschäftsführung ohne Auftrag in diesem Fall mit dem Grundsatz „volenti non fit iniuria" nichts zu tun hat. Vielmehr begründet § 679 i.V.m. §§ 677, 683 BGB ein notstandsähnliches Eingriffsrecht. Gewisse Bedenken gegen eine Rechtfertigung durch berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag resultieren auch aus der Gefahr, daß der Wille des Geschäftsherrn vorschnell unterstellt wird 232 . Erstens braucht nach §§ 677, 683 BGB der Wille des Geschäftsherrn nicht gegenüber dem Geschäftsführer geäußert zu werden, es genügt, wenn er irgendwie zutage tritt 233 . Damit können die strengen Erklärungserfordernisse, die sich für bestimmte Fallgruppen der Einwilligung herausgebildet haben 234 , unterlaufen werden. Zweitens muß der Geschäftsführer zwar nach § 681 BGB die Geschäftsführung sobald wie möglich dem Geschäftsführer anzeigen und dessen Entscheidung abwarten, wenn nicht Gefahr im Verzug vorliegt, der Verstoß gegen diese Pflicht macht die Geschäftsführung aber nicht zur unberechtigten 235 . Vor allem ist der Geschäftsführer nicht verpflichtet, den aktuellen Willen des Geschäftsherrn soweit möglich und zumutbar - zu ermitteln 236 . Die Subsidiarität gegenüber der Einwilligung ist also in den §§ 677ff. BGB schwächer ausgestaltet als bei der mutmaßlichen Einwilligung in der Gestalt, die sie durch die medizinrechtliche Rechtsprechung erhalten hat. Vor allem ist die Geschäftsführungsbefugnis nach 232 Als Beispiel möge folgende Passage aus einem Urteil des O L G Koblenz, N J W - R R 1995, 15, dienen (hier ohne Zitate wiedergegeben): „Allerdings hat die Bekl. neuerdings vorgetragen, sie sei mit einer umfassenden Dachsanierung nicht einverstanden gewesen. Allein dies ist jedoch unbeachtlich. § 683 BGB hebt nur insoweit auf den tatsächlichen Willen des Geschäftsherrn ab, als dieser Wille geäußert w o r d e n ist. Eine entsprechende Ä u ß e r u n g der Bekl. ist jedoch nicht zu ersehen. Damit k o m m t es auf den mutmaßlichen Willen an, der regelmäßig mit dem Interesse gleichzusetzen ist und dementsprechend im vorliegenden Fall trotz der hohen Kosten einer Dacherneuerung angesichts der aufgezeigten Wirtschaftlichkeitserwägungen zu bejahen ist." 233 Medicus BR, R z . 423; Erman/Ehmann, Rz. 3 zu § 683; Palandt/Sprau, Rz. 6 zu § 683. 234 H i e r z u näher unten, § 12 I. 235 § 681 B G B enthält nämlich keine Voraussetzung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern statuiert eine Nebenpflicht des Geschäftsführers, B G H Z 65, 354 (356f.); Staudinger/Wittmann, R z . 1, 3 zu § 681; MüKo/Seiler, R z . 9 zu § 681. 236 Helm, S. 402.

224

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

§§ 677, 683 B G B nicht auf Notfälle beschränkt 237 , so daß jedenfalls bei bloßer Lektüre des Gesetzestextes ärztliche Eingriffe an Entscheidungsunfähigen in einem weiteren Ausmaß zulässig zu sein scheinen als nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Notfalloperation. Allerdings ist der Gesetzestext wohl flexibel genug, um im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung eine stärkere Berücksichtigung der Autonomie des Betroffenen zu gestatten. Möglich ist es zunächst, das Selbstbestimmungsinteresse bei der objektiven Interessenabwägung zu berücksichtigen, außerdem ist immerhin zu erwägen, ob die Erfüllung der Pflicht aus § 681 B G B schon de lege lata echte Voraussetzung der Rechtfertigung sein oder ob immerhin de lege ferenda eine Nachforschungspflicht des Geschäftsführers vorgesehen werden sollte 238 . Nicht nur der geäußerte, sondern auch der feststellbare Wille des Betroffenen muß also Vorrang gegenüber der objektiven Interessenabwägung genießen. Dieses strikte Erfordernis kann allerdings gelockert werden, wenn Gesetzgebung oder Rechtsprechung ein subjektives Recht dadurch schwächen, daß sie es nicht als „Einwilligungs-", sondern nur als „Widerspruchsrecht" ausgestalten. Diese Konstruktion sollte aber auf gesetzlich geregelte oder praeter legem von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Fazit ist, daß zwischen der Einwilligung und der mutmaßlichen Einwilligung ein klares Stufenverhältnis besteht. Sowohl die Einwilligung als auch ihre Verweigerung sperren den Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung. Können aber eine eindeutige Erlaubnis oder deren eindeutige Verweigerung nicht eingeholt werden, so ermöglicht die mutmaßliche Einwilligung eine Rechtfertigung, die zwar auf einer objektiven Abwägung beruht, aber, wie Taupitz treffend formuliert, unter einem „subjektiven Korrekturvorbehalt" steht 239 . Dieser Gedanke liegt dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde, die sich daher als Regelungsgrundlage für die mutmaßliche Einwilligung eignet, sofern die Voraussetzung des mutmaßlichen Willens unter Berücksichtigung der Autonomie des Betroffenen ausgelegt wird. § 679 B G B bleibt dabei allerdings ein Fremdkörper, dessen rechtfertigende Wirkung allein auf Notstandsgesichtspunkten beruht. Da die Geschäftsführung ohne Auftrag selbst nur das Schuldverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer regelt, entspricht sie rechtslogisch dem Verpflichtungsvertrag, der einer vertraglichen Gestattung zugrunde liegt. Ebenso wie dort terminologisch zwischen Verpflichtungsvertrag und Gestattung getrennt wurde, läßt sich begrifflich die „mutmaßliche Einwilligung" als Rechtfertigungsgrund durchaus vom zugrunde liegenden Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag unterscheiden. In diesem Sinne wird im folgenden ausschließlich von der „mut237 MüKo/Seiler, Rz. 17 vor §§ 677ff., führt diesen Gedanken als Argument gegen die rechtfertigende Wirkung der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag an. 238 So Helm, a. a. O. 239 Taupitz, N J W 2000, Sonderbeilage zum 63. DJT, S. 6 (7).

IV. Abgrenzung

von verwandten,

nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

225

maßlichen Einwilligung" die Rede sein. Diese Unterscheidung ist allerdings nicht mit inhaltlichen Konsequenzen verbunden, da sich die Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung nach §§ 677, 683 B G B beurteilen.

2. Das „ Handeln auf eigene

Gefahr"

a) Theorie des „Handelns auf eigene Gefahr" „Handeln auf eigene Gefahr" ist ein schillernder Begriff ohne allgemein akzeptierte dogmatische Grundlage. Es soll anzunehmen sein, wenn sich der Geschädigte freiwillig in eine gefährliche Situation begibt, die dann zum Schadenseintritt führt 240 . Typische Fallgruppen, die unter dieser Rubrik erörtert werden, sind die Teilnahme an gefährlichen Fahrten 2 4 1 , Sportverletzungen 242 , die Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen 243 und das Betreten fremder Grundstücke 2 4 4 . Mit der Einwilligung hat das „Handeln auf eigene Gefahr" gemeinsam, daß der Geschädigte einem anderen freiwillig eine Einwirkung auf seine Rechtsgüter ermöglicht. Allerdings ist die typische Einwilligungskonstellation durch eine beiderseitige Finalität gekennzeichnet: Der Rechtsinhaber erlaubt einem anderen bewußt eine Handlung, die seiner Vorstellung nach einen bestimmten Erfolg bewirkt, der andere nimmt diese Handlung gezielt vor. Demgegenüber fehlt es beim typischen Handeln auf eigene Gefahr an einem Kommunikationsakt, der sich als Eingriffserlaubnis deuten läßt. Vielmehr nimmt der Rechtsinhaber das Risiko passiv hin. Auch der Schädiger führt den Eingriff nicht zielgerichtet herbei, sondern handelt meist fahrlässig. Das R G bewertete die Selbstgefährdung ursprünglich nur als Mitverschulden im Sinne des § 254 B G B , zog aber später den Gedanken des „Handelns auf eigene Gefahr" heran, um Härten der Gefährdungshaftung zu mildern 245 . Erst im Jahre 1933 änderte das R G unter dem Eindruck eines Aufsatzes von Flad24b seine Rechtsprechung und sah das „Handeln auf eigene Gefahr" nunmehr als Unterfall der Einwilligung, diese wiederum als eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung an 247 . Der B G H schloß sich dieser Konstruktion anStaudinger/Hager, Rz. 48 vor §§ 823 ff.; MüKo/Grunsky, Rz. 34 zu § 254. Beispiel: B G H Z 34, 355 (Verletzung bei einer riskanten Autofahrt). 2 4 2 Beispiel: B G H Z 63, 140 (Verletzung beim Fußballspiel). 2 4 3 Beispiel: A G Olpe M D R 1959, 302 (Verletzung bei einem Schützenfest). 2 4 4 Umfangreiche Nachweise zur Kasuistik bei Stoll, S. 14 ff. und passim; vgl. außerdem MüKo/Grunsky, Rz. 36f. zu § 2 5 4 ; speziell zu Sportverletzungen Staudinger/Hager, Rz. 50 ff. vor § 823 ff. 2 4 5 Vgl. im einzelnen die Analyse der älteren Rechtsprechung bei Stoll, S. 14ff. und den Überblick in B G H Z 34, 355 (358f.) und bei Staudinger/Hager, Rz. 48 vor §§ 823 ff. 246 Flad, Das Recht 1919, 15 ff. 2 4 7 R G Z 141, 262 (265). 240

241

226

5 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

fangs an 248 , gab sie aber nach heftiger Kritik in der Literatur 249 in seiner Mitfabrerentscbeidung250, die eine Verletzung eines minderjährigen Mitfahrers bei einer gefährlichen Autofahrt betraf, mit sechs Argumenten auf. Erstens handle der Fahrgast allenfalls fahrlässig, daher sei es eine Fiktion, ihm einen rechtsgeschäftlichen Erklärungswillen zu unterstellen. Zweitens sei eine Einwilligung in eine Körperverletzung mit Todesfolge unwirksam, eine Einwilligung in schwere Verletzungen verstoße möglicherweise gegen die guten Sitten. Daher hänge bei Zugrundelegung einer Einwilligungskonstruktion der Haftungsausschluß von der Schwere des Erfolgs ab, ohne daß dies haftungsrechtlich einleuchte. Drittens sei es verfehlt, auf den Zugang der Einwilligung beim Schädiger und damit auf dessen Empfangsfähigkeit abzustellen. Viertens sei die Anwendung der §§ 107ff. BGB unpassend. Fünftens habe das Abstellen auf ein Gefährdungsbewußtsein beim Fahrgast zu einer unsicheren Rechtsprechung geführt. Sechstens gebiete es der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, die Rechtswidrigkeit im Zivilrecht ebenso zu beurteilen wie im Strafrecht. Dort werde die Einwilligung jedoch nicht den bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen über Willenserklärungen unterstellt. Seitdem wird in ständiger Rechtsprechung das Handeln auf eigene Gefahr nicht mehr als Rechtfertigungsgrund angesehen. Statt dessen wird die Selbstgefährdung als haftungsmindernder Faktor nach §§ 242, 254 BGB berücksichtigt: Wenn der Geschädigte den Schädiger ohne Rücksicht auf seine Mitwirkung in Anspruch nehme, so sei dies als venire contra factum proprium treuwidrig. Die Abwägung betrachtet die Rechtsprechung als Frage des Einzelfalls. Sie kann zum völligen Ausschluß des Ersatzanspruchs oder zur Haftungsteilung führen. Grundlegend für die Beurteilung des „Handelns auf eigene Gefahr" im Schrifttum ist die gleichnamige Monographie von Stoll aus dem Jahre 1961. In dieser rechtsvergleichenden Untersuchung unterscheidet Stoll ausgehend von der Lehre vom Handlungsunrecht zwischen „echtem" und „unechtem Handeln auf eigene Gefahr" 251 . Ersteres wirke sich nicht erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit aus, seine haftungsausschließende Wirkung sei bereits Konsequenz einer entsprechenden Begrenzung der Verkehrspflichten: „Das Handeln auf eigene Gefahr beginnt dort, wo die Schutzpflicht oder Schutzgarantie des Gefährders aufhört" 252 . Diese Pflichtenstellung müsse konkret für das jeweilige Rechtsverhältnis ermittelt werden, es gebe durchaus auch Situationen, in denen der Gefährder verpflichtet sei, eine andere Person vor einer freiwilligen Selbstgefährdung zu schützen. Sofern dies der Fall sei, komme 248 249 250 251 252

BGHZ2,159. Vgl. die Nachw. in BGHZ 34, 355 (360). BGHZ 34, 355. Stoll, S. 206 ff., 305 ff. und passim. A. a. O., S. 366.

IV. Abgrenzung von verwandten, nicbt-recbtsgescbäftlichen

Instituten

227

allenfalls ein „unechtes Handeln auf eigene Gefahr" in Betracht, bei dem sich der Aspekt der Selbstgefährdung nur unter dem Aspekt des Mitverschuldens auswirke253. Fiktive Rechtsgeschäftskonstruktionen seien in diesem Bereich ebenso abzulehnen wie der Versuch, § 254 B G B mit Hilfe des § 242 B G B zu umgehen. Die Mitfahrerentscheidung des B G H und die Arbeit Stolls, beide aus dem Jahr 1961, haben dazu geführt, daß die Beurteilung des „Handelns auf eigene Gefahr" nach den Grundsätzen der Einwilligung heute, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten wird. Hingegen ist im neueren Schrifttum nach wie vor umstritten, ob die Selbstgefährdung insgesamt nur auf der Rechtsfolgenebene nach § 254 B G B zu bewerten ist, oder ob es daneben - in der Terminologie Stolls - ein „echtes", also unrechtsausschließendes Handeln auf eigene Gefahr gibt254. Die erstgenannte Lösung vertritt Deutsch255: Das „Handeln auf eigene Gefahr" sei „gewissermaßen das Übernahme- oder einleitende Verschulden bei der Mithaftung des § 254". Die deliktsrechtliche Zurechnung müsse abwägen zwischen der Verursachung der Gefahr durch den Schädiger und der Teilnahme an der Gefahr durch den Geschädigten, für diese „Sphärenbetrachtung" sei die Analogie zu § 254 B G B angemessen. Entgegen Stoll bestehe indes keine Veranlassung, bereits die Schutzpflicht zurückzunehmen. Larenz25b beschränkt das „Handeln auf eigene Gefahr" auf die Gefährdungshaftung. Ihr Zweck bestehe regelmäßig darin, denjenigen zu entschädigen, der einer Gefahr nicht ausweichen könne. Setze sich jemand bewußt einer solchen Gefahr aus, ohne durch eine Rechts-, Berufs-, oder Sittenpflicht hierzu genötigt worden zu sein, so treffe dieser Schutzzweck auf ihn nicht mehr zu. Hingegen sei die Selbstgefährdung im Bereich der Verschuldenshaftung nur nach § 254 B G B zu bewerten. Demgegenüber halten andere Autoren im Anschluß an Stoll die Verletzung, die unter Einhaltung objektiver Verkehrspflichten geschieht, für nicht rechtswidrig257. Weitergehend kann nach Ansicht von Dunz25i das „Handeln auf eigene Gefahr" in zwei Situationen unrechtsausschließend wirken. Zum einen 253 254 255

A . a . O . , S. 305ff., 367 (Zusammenfassung). Vgl. den Uberblick über den Meinungsstand bei Schlosser, Jura 1985, 554. Deutsch A H R , § 20 II (S. 328 f.); für die regelmäßige Lösung über § 2 5 4 B G B auch

Lange, § 10 XIV (S. 403 ff.); Schlosser, Jura 1985, 554; Staudinger/Schäfer,

Rz. 73 vor

§§ 823 ff. (der allerdings unter der Uberschrift „verbleibende Fälle des Handelns auf eigene Gefahr" bei besonders gefährlichen Sportarten eine Einwilligung annimmt, a.a.O., Rz. 76). 256

Larenz SchR I, § 31 I c (S. 440); ebenso Lange, § 10 XIV 1 (S. 638).

Fikentscher SchR, Rz. 497; weiter differenzierend die Vorauflage, § 52 I I I 7 (S. 319: vierfache Wirkung der Selbstgefährdung: (1) Unrechtsausschluß bei Einhaltung der objektiven Verkehrspflichten, (2) Begrenzung der Schuldformen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei Hilfeleistung, (3) Entschuldigung bei unvermeidbarem Irrtum des Schädigers, (4) ansonsten Anwendung des § 254 B G B ) . 257

258

D « n z , J Z 1987, 63 (66 f.).

228

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

könne, wie etwa beim Fußballspiel, unabhängig von etwaigen Erklärungen der Spieler schon objektiv die Verkehrspflicht entsprechend begrenzt sein. Zum anderen könnten zwei Personen oder kleine Gruppen auch die unter ihnen geltenden und nur sie berührenden Verhaltenspflichten autonom bestimmen, dies aber nur durch ausdrücklichen oder konkludenten Vertrag. Hierfür sprächen zwei Argumente. Erstens könne in den Grenzen des § 228 StGB auch in schwere Verletzungen eingewilligt werden, also müsse erst recht eine bloße Gefährdung erlaubt werden können. Zweitens sei die Selbstgefährdung an sich erlaubt, die Teilnahme daran könne also nicht haftungsauslösend sein. Hielten sich die Beteiligten an die autonom gesetzten Verhaltensregeln, so handelten sie verkehrsgerecht und mithin nicht rechtswidrig. b) Stellungnahme und Abgrenzung Die freiwillige Beteiligung an gefährlichen Situationen wirft komplexe haftungsrechtliche Probleme auf, mit denen sich mittlerweile nicht nur im Privatrecht, sondern auch im Strafrecht zahlreiche Autoren beschäftigen. Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, dieser umfangreichen Diskussion, in der zudem zunehmend nach Fallgruppen differenziert wird, gerecht zu werden. Aufgabe der folgenden Überlegungen ist es nur, dem Institut der Einwilligung durch Abgrenzung zum „Handeln auf eigene Gefahr" klare Konturen zu verleihen. Anders als im typischen Fall der Einwilligung geht es beim „Handeln auf eigene Gefahr" um die Zurechnung von Risiken. Dabei überlagern sich ebenso wie bei der mutmaßlichen Einwilligung - objektive und subjektivvoluntative Faktoren: Sowohl die objektive Bewertung des riskanten Verhaltens als auch die freiwillige Selbstgefährdung des Geschädigten gehen in die Bewertung ein. In Stolls Fällen des „echten Handelns auf eigene Gefahr" steht das objektive Element ganz im Vordergrund: Das Verhalten entspricht einer gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensnorm - unabhängig davon, ob man diesen Gedanken auf Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Verschuldensebene zur Geltung bringt. Paradebeispiel ist die Verletzung eines Zuschauers bei Sportveranstaltungen: Entscheidend ist nicht, ob der Zuschauer einwilligt, sondern ob der Veranstalter die nötigen Sicherungsmaßnahmen getroffen hat259. In den Fällen des „unechten Handelns auf eigene Gefahr" ist die Selbstgefährdung ein Faktor, der im Rahmen des § 254 B G B bei der objektiven Abwägung der Verschuldensanteile berücksichtigt wird. Hingegen beruht die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung ausschließlich auf der Idee der Selbstbestimmung: Entscheidend ist der Wille des Betroffenen, die objektive Beurteilung der Handlung spielt nur bei der Bestimmung der Einwilligungs259 Vgl. B G H NJW 1984, 801 ff. (Eishockey); O L G Koblenz, NJW-RR 2001, 526 f. (Baseball).

IV. Abgrenzung von verwandten, nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

229

schranken eine Rolle. Der Gedanke der Selbstbestimmung und die Einordnung der Einwilligung als Rechtsgeschäft lassen sich für die Abgrenzung zwischen Einwilligung und Handeln auf eigene Gefahr fruchtbar machen. Dazu ist es zunächst erforderlich, auf die Frage einzugehen, ob sich die Einwilligung auf die Handlung, den Verletzungserfolg oder auf beides bezieht. Während im strafrechtlichen Schrifttum über den Bezugspunkt der Einwilligung kontrovers diskutiert wird 260 , neigen im Privatrecht Rechtsprechung und Schrifttum dazu, die Einwilligung ohne weitere Erörterung auf den Erfolg zu beziehen. Mit der sozialen Realität scheint diese Auffassung zunächst schwer vereinbar zu sein, da meist eine bestimmte Handlung, nicht hingegen jede beliebige Herbeiführung eines Verletzungserfolgs erlaubt wird: Die Einwilligung ist situations- und zweckgebunden. Das Paar, das dem Fotografen die Ausstellung des Hochzeitsfotos im Schaufenster erlaubt, ist nicht mit der Veröffentlichung des Bildes schlechthin, sondern nur mit einer bestimmten Art der Ausstellung einverstanden. Ebenso stimmt der Zitelmannsche Wirt 261 , der es zechenden Studenten erlaubt, ihre Gläser an die Wand zu werfen, nicht zugleich der Zerstörung dieser Gläser durch dieselben Studenten am nächsten Morgen zu. Allerdings zeigen beide Beispiele auch, daß der Erfolg der jeweiligen Handlung durchaus eine Rolle spielt: Sowohl das Brautpaar als auch der Wirt wissen, daß in ein ihnen zustehendes Rechtsgut eingegriffen wird, und wollen diesen Eingriff. Der Bezugspunkt der Einwilligung muß mit Blick auf den Unrechtstatbestand und unter Berücksichtigung der Funktion der Einwilligung bestimmt werden. Das tatbestandliche Unrecht kann sich in einer Handlung erschöpfen, etwa wenn sich ein Trompeter gegenüber seinem Nachbarn vertraglich verpflichtet, das Üben zu bestimmten Tageszeiten zu unterlassen. Bezugspunkt der Einwilligung ist hier nur eine Handlung. § 823 I B G B als wichtigster Anwendungsbereich der Einwilligung ist hingegen erfolgsbezogen formuliert. Eine Zustimmung zu einer Handlung ohne jede Vorstellung vom möglichen Verletzungserfolg kann hier das tatbestandliche Unrecht nicht vollständig ausschließen. Die Zustimmung zur Handlung ist in diesem Fall nicht zugleich eine Gefährdungserlaubnis. Umgekehrt muß sich die Einwilligung neben dem Erfolg indes auch auf die betreffende Handlung beziehen, denn die Einwilligung modifiziert das generelle Verbot durch eine konkrete, zweckgebundene Eingriffsbefugnis, die sich auf eine bestimmte Handlung oder eine nach Kriterien des Einwilligenden bestimmbare Klasse von Handlungen beschränkt. Der Bezugspunkt der Einwilligung ergibt sich also aus dem Tatbestand. Handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, so muß sich die Einwilligung auf Handlung und Erfolg erstrecken. 260 Vgl. etwa Jakobs AT, 7/125 ff.; Roxin AT I, § 11, Rz. 105 ff.; Lenckner, Rz. 104 vor §§ 32 ff.; Stratenwerth AT, § 15, Rz. 36. 261 Beispiel von Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (54).

Schönke-Schröder/

230

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

Damit ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Präzisierung des Einwilligungsbegriffs gewonnen: Der Einwilligende muß vom Eintritt des Verletzungserfolgs wissen und ihn billigen. Uberträgt man, wie der B G H in seiner Mitfahrerentscheidung, die Grundsätze über Vorsatz und Fahrlässigkeit von der Fremdschädigung auf die Einwilligung, so ergibt sich, daß die Einwilligung stets Vorsatz erfordert. Die bloße fahrlässige Selbstgefährdung hingegen führt nach den Grundsätzen zum „Handeln auf eigene Gefahr" nur ausnahmsweise zur vollständigen Rechtfertigung, regelmäßig hingegen nur zur Anwendung des § 254 B G B . Die Unterscheidung zwischen den typischen Situationen der Einwilligung und des „Handelns auf eigene Gefahr" fällt demnach nicht schwer, denn es bestehen zwei Unterschiede, die sich am Beispiel der Mitfahrerentscheidung des B G H verdeutlichen lassen. Erstens wird in einer typischen Einwilligungssituation der Eintritt des Erfolgs von den Beteiligten als sicher vorausgesetzt. Es wird also in einen Erfolg, nicht lediglich in ein Risiko eingewilligt. Zweitens wäre es, wie das Urteil mit allgemeiner Zustimmung der Literatur feststellt, eine Fiktion, dem Verhalten des sorglosen Fahrgasts Erklärungswert beizumessen. Er handelt in der Regel nicht vorsätzlich, sondern in erkennbarer Weise fahrlässig262 und nimmt die Gefahr nur passiv hin, statt aktiv in sie einzuwilligen. In dieser Situation ist das Willenselement zu schwach, als daß es eine Rechtfertigung des Verletzungsverhaltens bewirken könnte. Im Gegenteil bedarf der Gefährdete nach wie vor des Schutzes der Rechtsordnung, damit der Erfolg nach Möglichkeit ausbleibt. Der Notwehrtest verdeutlicht dies: Hätte im vom B G H entschiedenen Mitfahrerfall ein anderer Mitfahrer die Möglichkeit gehabt, den Fahrer gewaltsam vom Beschleunigen auf abschüssiger Straße vor einer Kurve abzuhalten, so hätte er diese Möglichkeit bei Einhalten der übrigen Notwehrvoraussetzungen zweifellos wahrnehmen können. Abgrenzungsprobleme bestehen aber, wenn der Betroffene bewußt und in Kenntnis des Risikos eine gefährliche Handlung erlaubt. Als Beispiel sei der Memelfall, eine strafrechtliche Entscheidung des R G aus dem Jahre 1923, angeführt 263 . Der Angeklagte hatte bei stürmischem Wetter und Hochwasser versucht, zwei Fahrgäste auf deren Bitte in seinem Kahn über die Memel zu setzen. Der Kahn kenterte und beide ertranken. Vor Beginn der Uberfahrt hatte der Angeklagte sie aber auf die Gefahren des Unternehmens „wieder262 Nach B G H Z 91, 324 (329f.) kann auch fahrlässiges Verhalten als Willenserklärung zu werten sein, wenn der Erklärende hätte erkennen können, daß sein Verhalten als Willenserklärung verstanden werden würde und wenn es der Empfänger auch tatsächlich so verstanden hat. Dieser Fall kann zwar auch in Einwilligungskonstellationen vorliegen, vgl. als Beispiel den unten, § 12 12, erörterten amerikanischen Fall O'Brien v. CunardS. S. Co., in den Fällen des „Handelns auf eigene Gefahr" fehlt es aber schon am objektiven Anschein einer Erklärung. 263 R G S t 5 7 , 172.

IV. Abgrenzung

von verwandten,

nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

231

holt und nachdrücklich" hingewiesen und erst „auf ihr unausgesetztes Drängen und, als sie seinen persönlichen Mut in Zweifel zogen, widerwillig nachgegeben und aus Gutmütigkeit, um ihnen gefällig zu sein, sein eigenes Leben mit aufs Spiel gesetzt" 264 . Da er auch während der Uberfahrt die nötige Sorgfalt hatte walten lassen, sprach das RG ihn mit der Begründung frei, es fehle an der nach § 222 StGB erforderlichen Fahrlässigkeit. Zivilrechtlich stellt sich aber weitergehend die Frage, ob der Fährmann nicht bereits wegen der Einwilligung der Fahrgäste gerechtfertigt handelte. Die herrschende Meinung nimmt die Abgrenzung zwischen Einwilligung und „Handeln auf eigene Gefahr" meist - ausdrücklich oder unausgesprochen - nach der Frage vor, ob für den Einwilligenden der Erfolg erwünscht ist oder ob er den Erfolgseintritt für sicher hält. Die subjektive Einstellung des Einwilligenden entspricht in der ersten Variante der Absicht, in der zweiten Variante dem dolus directus 2. Grades. Daneben kennt die Vorsatzlehre aber den dolus eventualis: Vorsätzlich handelt bereits, wer mit der Möglichkeit der Verletzung ernsthaft rechnet und sie in dem Sinne billigt, daß er sich dennoch nicht von seinem Handeln abbringen läßt265. Anders als in den Fällen des erstrebten Erfolgs übernimmt hier der Einwilligende nur ein Risiko; anders als in den typischen Fällen des Handelns auf eigene Gefahr übernimmt er dieses Risiko aber nach einer bewußten Abwägung zwischen dem Wert der Handlung und der Gefahr. Die entsprechende Einstellung sollte auch für die Einwilligung genügen. Die Sicherheit des Erfolgseintritts ist ein unbefriedigendes und wenig trennscharfes Kriterium: Wenn der Hausherr mit seinen Gästen ein Wettwerfen auf leere Flaschen veranstaltet, kann es für Rechtsnatur und Voraussetzungen seiner Einwilligung nicht darauf ankommen, ob er seine Gäste für gute Werfer hält. Auch ob der Erfolg als solcher erwünscht ist, kann nicht entscheidend sein, da der Einwilligende im Rahmen seiner Autonomie bewußt Risiko und Nutzen der Handlung selbst abwägen kann. Auch die Entscheidung für ein Risiko ist Aktualisierung von Autonomie: Wer in den finalen Eingriff einwilligen kann, kann auch in die Gefährdung einwilligen. Auch die „Risikoeinwilligung" ist also eine echte Einwilligung. Davon sorgfältig zu trennen sind die Fragen, ob überhaupt ein Verhalten mit Erklärungswert vorliegt und ob - bei der Gefährdung von Leib und Leben - Schranken der Dispositionsbefugnis eingreifen. Es ist nicht zu verkennen, daß die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit einige Schwierigkeiten bereitet. An dieser Stelle bietet aber die Einordnung der Einwilligung als Rechtsgeschäft wertvolle Anhaltspunkte. Sind die Voraussetzungen für die Annahme A . a . O . , S. 174. Mit dieser Definition von Larenz SchR § 20 II (S. 280), mag es an dieser Stelle sein Bewenden haben. Im Strafrecht ist die A b g r e n z u n g des dolus eventualis von der Fahrlässigkeit allerdings heftig umstritten, vgl. z u m Streitstand statt aller Schönke-Schröder/ Cramer, Rz. 72 ff. zu § 15 m . w . N. 264

265

232

§ 9 Die Recbtsnatur

der

Einwilligung

einer Willenserklärung erfüllt, so entspricht die subjektive Einstellung des Erklärenden dem Vorsatz 266 , unabhängig davon, ob sich die Erklärung auf die finale Herbeiführung eines Erfolges oder auf ein Risiko bezieht. Im Memelfall lag demnach eine echte Einwilligung vor: Der Fährmann hatte die Passagiere über die Gefahr aufgeklärt, sie entschieden sich bewußt für das Risiko. Eine andere Frage ist, ob die Wirksamkeit dieser Einwilligung nach zivilrechtlicher Beurteilung an der Einwilligungsschranke des § 2 1 6 StGB scheitert. Diese Frage, auf die später zurückzukommen sein wird 2 6 7 , stellt sich aber ebenso bei der Einwilligung in einen gezielten Eingriff. Ist hingegen die Annahme einer Willenserklärung - wie im Mitfahrerfall - eine Fiktion, so kann nicht von Selbstbestimmung ausgegangen werden, und eine Lösung über § 254 B G B ist angemessen.

3. Venire contra factum proprium Wer den Eindruck erweckt, mit einer Handlung einverstanden zu sein, sich aber nach ihrer Vornahme über sie beschwert, setzt sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Daher liegt es auf den ersten Blick nahe, das Verbot des venire contra factum proprium, das allgemein als Ausprägung des § 242 B G B anerkannt ist 268 , für die Einwilligungslehre fruchtbar zu machen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, daß der Rückgriff auf § 242 B G B in vielen Fallkonstellationen entbehrlich ist, da vorrangig zu prüfende Rechtsinstitute eingreifen. Vor allem ist die Einwilligung selbst kein Unterfall des venire contra factum proprium, sondern - nach hier vertretener Ansicht - ein Rechtsgeschäft 269 . Das Vertrauen des Handelnden gründet sich auf die mit Erteilung der Einwilligung ausgesprochene Erlaubnis, es ist damit Unterfall des allgemeinen Vertrauens auf die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen 270 . Die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 242 B G B ist allerdings im Grenzbereich der Einwilligungslehre erwägenswert. Wer einen Eingriff in seine Rechtssphäre hinnimmt, ohne sich zu wehren, erklärt damit noch nicht seine Einwilligung 271 . Allerdings kann sein Verhalten dazu führen, daß der Handelnde mit einer Duldung seines Verhaltens rechnen durfte. In diesem Fall besteht ein Bedürfnis danach, das Vertrauen des Handelnden auf diese Duldung zu schützen. Bevor jedoch auf das Verbot des 2 6 6 Sieht man von dem oben, Fußn. 262, erwähnten Sonderfall des fehlenden Erklärungsbewußtseins ab, der hier aus den genannten Gründen nicht zu interessieren braucht. 2 6 7 S. unten, § 14 IV1. 268 MüKo/Roth, Rz. 322 zu § 242; Fikentscher SchR, Rz. 179; Larenz SchR I, § 10 II b (S. 133); ausführlich Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (1993). 2 6 9 S. oben, III 2. 2 7 0 Zur Abgrenzung der Vertrauenshaftung von der Rechtsgeschäftslehre Canaris, Vertrauenshaftung, § 33 I 2 (S. 414ff.). 271 Näher hierzu unten, § 12 I.

IV. Abgrenzung

von verwandten,

nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

233

widersprüchlichen Verhaltens zurückgegriffen wird, muß vorrangig ermittelt werden, ob das Verhalten des Rechtsinhabers nicht doch als konkludente Einwilligung zu werten ist und ob im übrigen sämtliche Voraussetzungen des Abwehranspruchs vorliegen. Vor allem im Rahmen der Verschuldenshaftung erübrigt sich die Anwendung des § 242 B G B , wenn der Handelnde bei Aufbietung der verkehrsüblichen Sorgfalt davon ausgehen konnte, der Rechtsinhaber sei mit dem Eingriff einverstanden272. Damit bleibt für den Vertrauensschutz im engeren Sinne nur noch ein reduzierter Anwendungsbereich. Sucht man nach Anknüpfungspunkten unter den bekannten Ausprägungen der Vertrauenshaftung, so scheint sich zunächst eine Parallele zur Rechtsscheinsvollmacht2n anzubieten, die gemeinhin in die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht unterteilt wird 274 . Allerdings schützen beide Varianten der Rechtsscheinsvollmacht nicht etwa das Vertrauen des Vertreters, sondern dasjenige des Dritten, der vom Bestehen der Vollmacht ausgeht. Sie unterscheidet sich nach herrschender Meinung 275 von der konkludenten Vollmacht darin, daß sie nicht konstitutiv, sondern deklaratorisch ist: Das Duldungsverhalten soll keine Vollmacht begründen, aber es erweckt den Anschein, eine Vollmacht sei erteilt worden. Im Verhältnis des Geschäftsherrn zum Vertreter hingegen bedarf es nach verbreiteter Ansicht der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht nicht. Hier soll eine konkludente Vollmachterteilung anzunehmen sein, wenn ersterer gegenüber letzterem den Eindruck erweckt als bevollmächtige er ihn 276 . Die Konstruktion einer „Duldungseinwilligung" nach dem Vorbild der Duldungsvollmacht wäre also verfehlt, da im Regelfall die Einwilligung den Handelnden nicht zu Handlungen mit Wirkung gegenüber Dritten berechtigt. Ein Verlust von Abwehransprüchen kann sich hingegen aus den Grundsätzen über die Verwirkung ergeben. Die Verwirkung infolge Zeitablaufs, um die es hier im Gegensatz zur Verwirkung wegen mißbilligten früheren Verhal-

Staudinger12/Medicus, Rz. 140 zu § 254. Begriff im Anschluß an Soergel/Leptien, Rz. 17 zu § 167 und Staudinger/Schilken, Rz. 32 zu § 167, die sich dafür aussprechen, die gemeinsame dogmatische Grundlage von Duldungs- und Anscheinsvollmacht zu betonen. 274 Der Unterschied zur Anscheinsvollmacht besteht in der Kenntnis des Geschäftsherren vom Handeln des Vertreters: Während der Geschäftsherr dieses Verhalten im Fall der Duldungsvollmacht kennt, ist die Anscheinsvollmacht dadurch gekennzeichnet, daß er es kennen müßte; s. B G H LM Nr. 4 zu § 167 (1. und 2. Leitsatz); Canaris, Vertrauenshaftung, S. 39; Erman/Palm, Rz. 7 zu § 167; Larenz/Wolf, § 48, Rz. 21, 26. 275 B G H L M N r . 4zu § 167; Canaris, Vertrauenshaftung,S. 4\;Soergel/Leptien,Rz. 17f. zu § 167; MüKo/Schramm, Rz. 36ff. zu § 167; Larenz/Wolf, § 48, Rz. 22f.; Medicus AT, Rz. 930; anders Flume AT II, § 49, 3 (S. 828: „Duldungsvollmacht" als Unterfall der konkludent erteilten Vollmacht); Palandt/Heinrichs, Rz. 11 zu § 173. 2 7 6 In diesem Punkt besteht kein Meinungsunterschied zwischen den in der vorigen Fußn. zitierten Autoren. 272

273

234

$ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

tens 277 geht, führt dazu, daß der Gläubiger bei einer „illoyal verspäteten Geltendmachung" 2 7 8 sein Recht nicht mehr ausüben kann 279 . Die Rechtsfigur der Verwirkung hat besonders im Marken- und Wettbewerbsrecht 2 8 0 Bedeutung erlangt 281 . Nach den Grundsätzen, die von der Rechtsprechung zum W Z G und zum U W G entwickelt wurden, kann der Inhaber eines Kennzeichens seine Abwehrrechte gegen dessen unbefugte Benutzung durch eine andere Person dann nicht mehr ausüben, wenn er sich über einen längeren Zeitraum in vermeidbarer Weise nicht gegen die Verletzung gewehrt hat, der Verletzer auf die Duldung seines Verhaltens vertrauen durfte und einen wertvollen Besitzstand aufgebaut hat. Eine teilweise Kodifizierung haben diese G r u n d sätze in § 21 MarkenG erfahren, der die Verwirkung zugunsten des Inhabers eines prioritätsjüngeren Kennzeichenrechts nach fünfjähriger Untätigkeit des Markeninhabers eintreten läßt. Allerdings behalten neben dieser Sonderregelung die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung ihre Geltung 282 . Die Besonderheit der Verwirkung im Immaterialgüterrecht besteht darin, daß sie nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Z u k u n f t wirken kann. Während außerhalb dieses Sondergebiets die Verwirkung in aller Regel nur dazu führt, daß in der Vergangenheit begründete Forderungen nicht mehr durchgesetzt werden können, kann der Begünstigte der immaterialgüterrechtlichen Verwirkung das Kennzeichen oder den sonstigen immateriellen Gegenstand auch in Z u k u n f t weiterbenutzen, sofern nicht nur der Schadensersatz-, sondern auch der Unterlassungsanspruch verwirkt ist 283 . Dennoch verliert der Rechtsinhaber sein Immaterialgüterrecht nicht völlig, sondern darf es weiterhin nutzen und gegen Dritte verteidigen 284 . Die Verwirkung ist nur einer von mehreren Unterfällen der Lehre vom venire contra factum proprium. Im Randbereich der Einwilligung gehen Ver277

Vgl. zu dieser A b g r e n z u n g MiiKo/Roth, Rz. 361 zu § 242. B G H Z 25, 47 (52). 279 Erman/Werner, Rz. 84 zu § 242; MüKo/Roth, Rz. 360 zu § 242. Zu den Voraussetzungen der Verwirkung vgl. MüKo/Roth, Rz. 365 ff. zu § 242; Palandt/Heinrichs, Rz. 93 ff. zu § 242, allgemein zu den Voraussetzungen der Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff. 280 D a n e b e n auch im übrigen Immaterialgüterrecht; z u m Patentrecht vgl. Beiert Wieczorek, G R U R 1976, 566 ff.; z u m U r h e b e r r e c h t vgl. B G H G R U R 1977, 42 (46) „Schmalfilmrechte" m. A n m . Reimer, Schricker/Wild, Rz. 93ff. zu § 97. 281 D a z u Klaka, G R U R 1970, 265 ff.; Fezer, Rz. 21 ff. zu § 21 M a r k e n G ; Köhler/Piper, Rz. 145ff. vor § 13. 282 § 2 1 IV M a r k e n G . 283 Voraussetzung f ü r letzteres ist, daß der Verpflichtete mit der D u l d u n g seines Verhaltens rechnen d u r f t e u n d sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand geschaffen hat, vgl. B G H G R U R 1989, 449 (451 f.) - „ M a r i t i m " ; 1993, 151 (153) - „Universitätsemblem" (insoweit in B G H Z 119,237 nicht abgedr.); Köhler/Piper, Rz. 145 vor § 13; Klaka, G R U R 1970, 265 (268). 284 B G H G R U R 1977, 42 (46) - „Schmalfilmrechte" m. A n m . Reimer, Klaka, a . a . O . , S. 271; Köhler/Piper, Rz. 163 vor § 13. 278

IV. Abgrenzung

von verwandten,

nicht-rechtsgeschäftlichen

Instituten

235

Wirkung und Duldung ineinander über. Während das typusbildende Merkmal der Verwirkung im Zeitablauf besteht 285 , kann eine Duldung, die fast schon als konkludente Einwilligung anzusehen ist, auch ohne ausgeprägtes zeitliches Moment einen Vertrauenstatbestand begründen. Dabei erweist sich das Verhältnis zwischen Einwilligung und Duldung als Stufenverhältnis. Die Einwilligung ist vorrangig zu prüfen; wenn sie wirksam erteilt wurde, führt sie zur Rechtfertigung des Verhaltens. Demgegenüber bewirkt die bloße Duldung allenfalls, daß der Berechtigte seine Abwehransprüche nicht mehr geltend machen kann. Selbst diese Rechtsfolge tritt aber nicht nur aufgrund der Duldung ein, sondern sie hängt von zusätzlichen Voraussetzungen ab. Erstens muß der Rechtsinhaber einen Vertrauenstatbestand gesetzt haben, sei es indem er sich gegen die Rechtsverletzung über einen langen Zeitraum nicht gewehrt hat, sei es, indem er unterhalb der Einwilligungsschwelle den Anschein erweckt hat, er sei mit der Verletzung einverstanden. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann vor allem bei wiederholten oder fortdauernden Eingriffen entstehen. Wer seinem Nachbarn mehrfach die Uberquerung seines Grundstücks in gleichartigen Situationen erlaubt, erweckt die Erwartung, daß die Erlaubnis fortbesteht, bis er widerspricht. Eine fortdauernde Duldung kann also die Aktionslast auf den Rechtsinhaber verschieben 286 , sie weist damit eine gewisse Nähe zur mutmaßlichen Einwilligung auf. Zweitens muß der Handelnde auf die Duldung seiner Handlung vertrauen. Das setzt grundsätzlich voraus, daß er vom entgegenstehenden Willen des Rechtsinhabers weder weiß noch infolge von Fahrlässigkeit nicht weiß. Besonderheiten gelten hier allerdings für die Verwirkung im Immaterialgüterrecht, die unter Umständen auch zugunsten Bösgläubiger eingreifen kann 287 . Schließlich muß das Vertrauen des Handelnden schutzwürdig sein. Die Schutzwürdigkeit ergibt sich aus einer Interessenabwägung, in deren Rahmen die Stärke des Vertrauenstatbestands und die Art des betroffenen Rechts zu berücksichtigen sind. Bei höchstpersönlichen Rechten kann die Duldung nur in Ausnahmefällen die Abwehransprüche des Rechtsinhabers entfallen lassen. In der Regel schließen Duldung und Verwirkung nur die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund vergangenen Verhaltens aus, verschaffen dem Handelnden aber keine Befugnis, sein Verhalten auch in der Zukunft fortzusetzen. Das folgt schon daraus, daß die Duldung ansonsten zu einer erheblich einschneidenderen Beeinträchtigung eines Rechts führen würde als die regelmäßig widerrufliche Einwilligung. Eine andere Rechtsfolge kann jedoch ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes angemessen sein. Eine gesetzliche Ausprägung dieses Gedankens findet sich in § 912 BGB, dem 285

Canaris, Vertrauenshaftung, S. 373. Die Situation stellt sich dann ähnlich dar w i e bei einer A b s c h w ä c h u n g eines Einwilligungsrechts z u m Widerrufsrecht, s. oben, II 3 a und IV 1 a. 287 B G H G R U R 1989, 449 (453) - „Maritim"; Köhler/Piper, Rz. 149 vor § 13. 286

236

§ 9 Die Rechtsnatur

der

Einwilligung

zufolge der Grundeigentümer, der sich gegen einen Überbau nicht sofort zur Wehr setzt, diesen gegen Zahlung einer Entschädigung zu dulden hat. Auch die Rechtsprechung zur Verwirkung des Unterlassungsanspruchs im Immaterialgüterrecht beruht auf dem Gedanken des Bestandsschutzes. Hat der unbefugte Benutzer eines Immaterialguts einen schutzwürdigen Besitzstand erworben, so darf er seine Benutzungshandlungen im gleichen Umfang wie bisher fortsetzen. Für die Verwirkung von Schadensersatzansprüchen wegen vergangener Benutzungshandlungen besteht dieses Erfordernis hingegen nicht 288 . Diese Gedanken lassen sich verallgemeinern: Die Duldung eines an sich rechtswidrigen Verhaltens durch den Rechtsinhaber kann dazu führen, daß er Schadensersatz- oder Beseitigungsansprüche wegen dieses vergangenen Verhaltens nicht mehr geltend machen kann. Für die Zukunft kann er die betreffenden Handlungen jedoch untersagen, wenn sich der Handelnde nicht ausnahmsweise auf den Gedanken des Bestandsschutzes berufen kann.

288

BGH GRUR 1988, 776 (778) - „PPC

§ 1 0 Ausgewählte Anwendungsfälle I. Ü b e r b l i c k Durch die bisherigen Überlegungen hat die Einwilligung Konturen gewonnen. Sie ist eine rechtsgeschäftliche Disposition über ein rechtlich geschütztes Individualinteresse. Als solche läßt sie sich eindeutig von allen Rechtsfiguren abgrenzen, die zwar zu einem Haftungsausschluß oder einer Haftungsminderung führen, diese aber nicht vom subjektiven Willen des Betroffenen, sondern von einer objektiven Abwägung abhängig machen. Doch auch hinter dem Prinzip „volenti non fit iniuria" im engeren Sinne verbergen sich verschiedene Rechtsinstitute. Sie haben zwar gemeinsam, daß ihre haftungsausschließende Wirkung einzig und allein auf einer privatautonomen Gestaltung beruht, aber sie unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität ihrer rechtlichen Bindungswirkung: Rechtsübertragung, schuldvertragliche Gestattung und einseitige Einwilligung stehen insofern zueinander in einem Stufenverhältnis. Die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitten sollen nunmehr anhand ausgewählter Einzelfälle überprüft und präzisiert werden. Dabei ist Ziel der folgenden Überlegungen nur, die jeweilige Zustimmung des Betroffenen dogmatisch einzuordnen. Hingegen werden Fragen, die mit den einzelnen Einwilligungsvoraussetzungen zusammenhängen, im 3. Teil dieser Arbeit behandelt und an dieser Stelle vorläufig ausgeklammert. Die folgenden Überlegungen erheben nicht den Anspruch, eine vollständige Übersicht über sämtliche Anwendungsfälle der Einwilligung zu bieten. Vielmehr wurden nur Fallgestaltungen ausgewählt, in denen entweder zweifelhaft erscheint, ob überhaupt von einer Einwilligung die Rede sein kann, oder fraglich ist, auf welches subjektive Recht sie sich bezieht. Wie eingangs in § 2 gesehen, erlangt die Einwilligung besonders als Instrument für Dispositionen über Persönlichkeitsrechte praktische Bedeutung. Sie stehen daher am Anfang der folgenden Ausführungen. Dabei läßt sich zwischen Einwilligungen in Eingriffe in die körperliche Integrität und sonstigen persönlichkeitsrechtlichen Einwilligungen unterscheiden. Zwar ist auch das Recht auf körperliche Integrität ein Persönlichkeitsrecht 1 , dennoch handelt es sich bei körperlichen Eingriffen um einen eigenständigen, stark medizin1

S. oben, § 9 II 2 a.

238

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

rechtlich geprägten Problemkreis (II). Im Bereich der übrigen Persönlichkeitsrechte g e w i n n t d e m g e g e n ü b e r die A b g r e n z u n g zwischen der schlichten, einseitigen E i n w i l l i g u n g u n d bindenden Gestattungen zu k o m m e r z i e l l e n Z w e c k e n besondere B e d e u t u n g (III). D a m i t ist z u g l e i c h verdeutlicht, d a ß die anschließ e n d e Ü b e r s c h r i f t „ E i n w i l l i g u n g e n i m Bereich absoluter V e r m ö g e n s r e c h t e " ( I V ) nicht suggerieren soll, das Begriffspaar „Persönlichkeitsrecht" u n d „Vermögensrecht" sei disjunktiv 2 , sondern lediglich den Bereich reiner Vermögensrechte 3 u m s c h r e i b e n soll. A b s c h l i e ß e n d w i r d der bisher w e i t g e h e n d u n g e k l ä r ten F u n k t i o n der E i n w i l l i g u n g i m R a h m e n bestehender, insbesondere i m R a h m e n vertraglicher Schuldverhältnisse n a c h g e g a n g e n (V).

II. Körperliche Integrität 1. Der ärztliche

Heileingriff

a) Der e i g e n m ä c h t i g e Heileingriff als Körper- oder Persönlichkeitsverletzung ? Die B e u r t e i l u n g des ä r z t l i c h e n H e i l e i n g r i f f s d u r c h die R e c h t s p r e c h u n g geht auf ein strafrechtliches U r t e i l des Reichsgerichts aus d e m J a h r e 1894 z u r ü c k 4 u n d hat sich in ü b e r 100 J a h r e n nicht w e s e n t l i c h geändert. Im z u g r u n d e liegenden Fall operierte ein A r z t ein siebenjähriges M ä d c h e n , o b w o h l ihr Vater als „ A n h ä n g e r der s o g e n a n n t e n N a t u r h e i l k u n d e ein g r u n d s ä t z l i c h e r G e g n e r der C h i r u r g i e " w a r u n d der O p e r a t i o n m e h r f a c h w i d e r s p r o c h e n hatte. D i e O p e r a t i o n verlief erfolgreich. W ä h r e n d die V o r i n s t a n z den A r z t v o m V o r w u r f der K ö r p e r v e r l e t z u n g freisprach, d a sich die G e s u n d h e i t des Kindes nicht verschlechtert, s o n d e r n gebessert habe, folgte das R G der A n s i c h t des O b e r r e i c h s a n w a l t s 5 , der „nur die H a n d l u n g in ihrer ä u ß e r e n E r s c h e i n u n g und den ihr d i r e k t u n d u n m i t t e l b a r z u k o m m e n d e n W i r k u n g e n auf den m e n s c h lichen K ö r p e r " f ü r m a ß g e b l i c h hielt. Insbesondere w i e s das Gericht das A r g u m e n t z u r ü c k , ein a p p r o b i e r t e r A r z t sei bei k u n s t g e r e c h t e n Eingriffen schon a u f g r u n d eines b e s o n d e r e n Berufsrechts gerechtfertigt: „Daß jemand nach eigener Uberzeugung oder nach dem Urteile seiner Berufsgenossen die Fähigkeit besitzt, das wahre Interesse seines Nächsten besser zu verstehen als dieser selbst, dessen körperliches oder geistiges Wohl durch geschickt und intelligent angewendete Mittel vernünftiger fördern zu können, als dieser es vermag, gewährt jenem entfernt nicht irgend eine rechtliche Befugnis, nunmehr nach eigenem Ermes2 3

Gegen diese Annahme mit Nachdruck Gotting, S. 9. Allerdings unter Einschluß der vermögensrechtlichen Aspekte des Urheberrechts,

das Immaterialgüter- und persönlichkeitsrechtliche Aspekte vereint. 4 5

RGSt 25, 375. A.a.O., S. 385f.

II. Körperliche

Integrität

239

sen in die Rechtssphäre des anderen einzugreifen, diesem Gewalt anzuthun und dessen Körper willkürlich zum Gegenstande gutgemeinter Heilversuche zu benutzen." 6

Vielmehr sei es der Wille des Kranken, der den A r z t legitimiere, seine Befugnisse b e r u h t e n auf der „privaten Willkür" des Patienten 7 . Dieser Ansatz w u r de nicht n u r in weiteren strafrechtlichen Entscheidungen des R G bestätigt 8 , sondern bald auch auf das Zivilrecht übertragen. Mehrfach betonte das R G , die Berechtigung des Arztes hänge von der „ z u s t i m m e n d e n Willenserklär u n g " des K r a n k e n ab 9 . A u c h als die starke B e t o n u n g des Selbstbestimmungsrechts des Patienten in nationalsozialistischer Zeit angegriffen w u r d e , hielt das R G an seiner Rechtsprechung fest. In drei Urteilen 1 0 , die m a n durchaus als mutig bezeichnen kann, wies das Gericht die Auffassung zurück, im Interesse der Volksgesundheit 1 1 u n d angesichts des Gesetzes zur Verhütung erbkranken N a c h w u c h s e s müsse ein ärztliches Recht z u r Zwangsbehandlung anerkannt werden 1 2 . D e r B G H f ü h r t e die Rechtsprechung des Reichsgerichts f o r t u n d begründete die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts zusätzlich mit Art. 2 II 1 G G 1 3 oder dem d u r c h Art. 1 I i.V. m. 2 I G G garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht 1 4 . Z w a r gab der Gerichtshof in seiner oben schon analysierten Minderjährigenentscheidung15 die Rechtsgeschäftstheorie auf und stuft seitdem die Einwilligung als nichtrechtsgeschäftliche „Gestattung oder Ermächtigung z u r Vornahme tatsächlicher H a n d l u n g e n " ein, d o c h die g r u n d sätzliche K o n s t r u k t i o n des ärztlichen Heileingriffs als tatbestandsmäßiger Körperverletzung blieb davon u n b e r ü h r t . Das gilt sowohl f ü r die zivil- als auch f ü r die strafrechtliche Rechtsprechung. Beide Zweige der ordentlichen Gerichtsbarkeit b e m ü h e n sich in diesem P u n k t auffällig u m eine Einheitlichkeit ihrer Rechtsprechung, f ü r den VI. Zivilsenat w a r diese A b s t i m m u n g ein wesentliches A r g u m e n t dafür, die Rechtsgeschäftstheorie der Einwilligung aufzugeben 1 6 . 6

A.a.O., S. 378. A.a.O., S. 380. 8 RGSt 38, 34; 61,242 (256); seit B G H St 11,111 (112); 12,379 (382) auch st. Rspr. des BGH. 9 RG JW 1907, 505; RGZ 68, 431 (433 f.); in JW 1911, 748 zitiert das RG bereits den 1909 erschienenen Aufsatz Zitelmanns. 10 RGZ 151, 349; 163, 129; 168, 206. 11 Vgl. § 19 der Reichsärzteordnung von 1935, zit. in RGZ 151, 349 (351), der es der deutschen Ärzteschaft zur Aufgabe machte, „zum Wohle von Volk und Reich für die Erhaltung der Gesundheit, des Erbguts und der Rasse des deutschen Volkes zu wirken". 12 Vgl. die Argumentation der Vorinstanz in RGZ 151, 349 (350f.); und die Revisionsbegründung in RGZ 168, 206 (210). 13 B G H Z 29, 46 (49); 29, 176 (179); 106, 391 (397). 14 Vgl. etwa B G H Z 67, 48 (50); 106, 391 (397). 15 B G H Z 29, 33, dazu oben, § 9 III 2 b. 16 B G H Z 29, 33 (36 f.); deutlicher wird diese Erwägung in B G H Z 34, 355 (362 f.). 7

240

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

S o w o h l von Teilen der Zivil- als auch besonders der Strafrechtswissenschaft wird die v o n der R e c h t s p r e c h u n g v o r g e n o m m e n e tatbestandliche „Gleichstellung des Arztes mit dem M e s s e r s t e c h e r " allerdings entschieden abgelehnt 1 7 . Angriffspunkte sind die dogmatische K o n s t r u k t i o n und ihre praktischen A u s wirkungen. D i e Einstufung des Heileingriffs als Körperverletzung sei ein „juristischer K u n s t f e h l e r " 1 8 ; denn der kunstgerecht durchgeführte ärztliche Eingriff sei sozialadäquat 1 9 , sein sozialer Sinn richte sich nicht auf eine Verletzung, sondern auf Heilung. D i e medizinische Behandlung sei kein „künstlich von außen gegen den kranken O r g a n i s m u s durchgeführter gewaltsamer E i n g r i f f " , vielmehr setze der A r z t als minister naturae die Heilkräfte der N a t u r um 2 0 . V o m eigenmächtigen, aber indizierten und lege artis durchgeführten Heileingriff sei nicht das körperliche W o h l des Patienten betroffen, da der nach den Regeln der Heilkunst behandelte K r a n k e gesundheitlich optimal versorgt werde 2 1 . D a h e r dürfe nicht in einer Augenblicksaufnahme der jeweilige Einzelakt zugrundegelegt werden, vielmehr sei Bewertungsgrundlage das Gesamtgeschehen 2 2 . I m Privatrecht sei das Leitbild v o m Heileingriff als Körperverletzung zudem eine der U r s a c h e n dafür, daß der V o r w u r f der Aufklärungspflichtverletzung z u m Ausweichtatbestand für Kläger geworden sei, denen der N a c h w e i s eines B e handlungsfehlers nicht gelinge. W ä h r e n d die K r i t i k im Strafrecht in die A u f f o r derung an den Gesetzgeber mündet, einen Tatbestand des eigenmächtigen H e i l eingriffs ins S t G B aufzunehmen 2 3 , wird im Zivilrecht die alternative L ö s u n g auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützt. N a c h Laufs2"'

gibt es keine v o m

H e i l z w e c k unabhängige A u t o n o m i e des Patienten. Vielmehr sei Rechtfertigungsgrund der H e i l z w e c k , die Einwilligung wirke nur als Rechtfertigungs17 Vgl. aus der kaum überschaubaren Menge strafrechtlicher Beiträge nur den Überblick bei LK/Lilie, Rz. lff. (insb. 3) vor § 2 2 3 und Schönke-Scbröder/Eser, Rz. 30 zu Rz. 8/30, 34. § 223; Welzel, § 39 I 3 a (S. 278); Maurach/Schröder/Maiwaid, 18 Tröndle, M D R 1983, 881. 19 Enneccerus/Nipperdey, § 212 III 3 (S. 1315). 20 Laufs, N J W 1974, 2025 (2026). 21 A.a.O., S. 2028f. 22 Vgl. LK/Lilie, Rz. 3 vor § 223; Schönke-Schröder/Eser, Rz. 29 zu § 223 (mit dem Beispiel einer schmerzlindernden Injektion); Tröndle /Fischer, Rz. 9 b zu §223; Welzel StR, § 39 I 3 a (S. 278). 23 Ein solcher Spezialtatbestand, wie ihn das österreichische StGB in § 110 enthält, war auch in Deutschland Bestandteil verschiedener Reformentwürfe, erstmals als § 279 des Entwurfs von 1911, später auch der Entwürfe von 1919, 1922, 1925, 1927/1930 und 1936; §§ 161 und 162 des Entwurfs von 1962 und § 123 des Alternativentwurfs von 1970, s. den Uberblick bei Katzenmeier, ZRP 1997, 156 (158, Fußn. 34). Nachdem in jüngerer Zeit angesichts der gefestigten Rechtsprechung gesetzgeberischer Handlungsbedarf verneint wurde, legte 1996 das Bundesministerium der Justiz einen neuen Referentenentwurf zur Strafrechtsreform vor, der in § 229 StGB einen Sonderstraftatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlung vorsah, der Entwurf wurde aber wieder zurückgezogen, vgl. LK/Lilie, Rz. 6 vor § 223 (Wortlaut abgedr. in Fußn. 26); Laufs, NJW 1997, 1609 (1610, Fußn. 38). 24

S. vor allem Laufs, NJW 1969, 529 ff.; 1974, 2025 ff. und ArztR, Rz. 540 f.

II. Körperliche

Integrität

241

schranke 25 . Verletzt sei also das Selbstbestimmungsrecht, es sei Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sein Tatbestand erlaube die gerade im Bereich der Aufklärungspflichten dringend erforderliche Abwägung, bei der Indikationsgrad, mögliche Alternativen und die körperliche und seelische Konstitution des Kranken berücksichtigt werden könnten 26 . Auch die Rechtsfolgen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung seien angemessen: Wegen der Verletzung seiner Entschließungsfreiheit stehe dem Patienten ein Schmerzensgeld (§ 847 BGB) zu. Hingegen schulde der Arzt keinen Schadensersatz für die Folgen einer mißlungenen Behandlung, solange diese lege artis durchgeführt worden sei, denn es realisiere sich kein zusätzliches, der Sphäre des Arztes entstammendes Risiko 2 7 . Auch für Wiethölter28 ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der zutreffende dogmatische Ansatzpunkt zur Beurteilung des eigenmächtigen Heileingriffs. Der Schaden des Patienten bestehe einzig und allein darin, daß er nicht habe (mit)bestimmen können, hierfür könne er Schmerzensgeld verlangen 29 . Hingegen stehe die Gesundheitsbeschädigung durch einen mißlungenen, aber lege artis durchgeführten Heileingriff nicht im Schutzzweckzusammenhang mit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Es sei unsinnig zu fragen, wie der Patient ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Niemand könne Jahre nach einer Operation beurteilen, wie er sich bei zutreffender Aufklärung entschieden hätte. Auch könnten die Vor- und Nachteile eines Heilakts nicht saldiert werden. Daran zeige sich, daß ein Ersatz für Körperschäden eine unpassende Sanktion für eine Verletzung der Aufklärungspflicht sei 30 . Dieser Punkt ist allerdings auch unter den Befürwortern der „Persönlichkeitsrechtstheorie" nicht unstreitig. Nach einer bereits 1961 von Weitna.uerix vertretenen und inzwischen von Canarisi2 aufgegriffenen Ansicht liegt der Unrechtsgehalt des eigenmächtigen Heileingriffs zwar in der Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, doch soll ein Gesundheitsschaden bei Verwirklichung eines aufklärungspflichtigen Risikos in den Schutzbereich der Aufklärungspflicht fallen. Diese Kritik ist allerdings nicht unwidersprochen geblieben. Für das Privatrecht hat sich vor allem Deutsch darum bemüht, den Ansatz der Rechtsprechung dogmatisch zu untermauern 3 3 . Für die Einordnung des eigenmäch25

Laufs, N J W 1974, 2025 (2026). A . a. O., S. 2028; ebenso nunmehr Katzenmeier in seiner nach A b s c h l u ß des M a n u skripts der vorliegenden Arbeit erschienenen Monographie zum Arzthaftungsrecht, S. 118ff. 27 A. a. O., S. 2029 und A r z t R , Rz. 125. 28 Wiethölter, S. 71 (101 ff.). 29 A . a . O . , S . 109. 30 A . a . O . , S . 108 ff. 31 Weitnauer, D B 1961, Beil. 21, S. 1 (2). 32 Larenz/Canaris SchR II/2, § 76 II 1 g (S. 383 f.); zust. Katzenmeier, ZRP 1997, 156 (160). 33 Deutsch, N J W 1965,1985ff. und AcP 192 (1992) 161 (165ff.); s. a u c h M e d R , Rz. 102ff.; zust. Nüßgens in FS N i r k , S. 745 (746); Voll, S. 162. 26

242

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

tigen Heileingriffs als Körperverletzung sprächen zwei Argumente. Erstens dürfe sie sich nicht nur am geschützten Rechtsgut orientieren, vielmehr sei der gesamte Schutzbereich maßgeblich, der sich auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen bestimme 34 . Sei nur die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts Ansatzpunkt, so erhalte der Patient einerseits zu viel, andererseits zu wenig 35 . Einerseits könne er auch bei einem gelungenen eigenmächtigen Eingriff, eine hinreichend schwere Rechtsverletzung vorausgesetzt, Schmerzensgeld verlangen, andererseits trage der Patient das Risiko des Fehlschlags, dem er sich im Fall der Aufklärung nicht ausgesetzt hätte. Zweitens könne das Selbstbestimmungsrecht nicht vom Recht auf körperliche Integrität getrennt werden. Die Rechtsgüter Körper, Gesundheit und Freiheit stünden, jedenfalls soweit es um die Heilung einer Krankheit gehe, zur Disposition des Rechtsgutträgers 36 . Zwar sei zutreffend, daß der eigenmächtige Heileingriff in erster Linie in die Entscheidungsfreiheit des Patienten eingreife, diese Freiheit sei aber Teil des „Persönlichkeitsrechts am eigenen Körper" 3 7 . Sie sei „gewissermaßen transparent", hinter ihr werde das zur eigenen Bestimmung zugewiesene Rechtsgut sichtbar 38 . Die Freiheit, über Heileingriffe zu entscheiden, habe keinen eigenen Schutzbereich, sie werde rechtlich nur im Tatbestand der Körper- und Gesundheitsverletzung erfaßt. Die Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit ist durch die Überlegungen in § 9 vorgezeichnet. Es gibt kein isoliertes Selbstbestimmungsrecht, vielmehr besteht die besondere Leistung der subjektiven Rechte darin, bestimmte Interessen zum Mittelpunkt von Autonomiebereichen zu machen. Die körperliche Integrität ist ein solches Interesse. Sie ist nicht nur in ihrer Faktizität geschützt, sondern ist Gegenstand eines subjektiven Rechts. Gerade im Medizinrecht erweist sich diese Ansicht als sachgerecht. Die Einwilligung des Patienten gewinnt ihre überragende praktische Bedeutung dadurch 39 , daß der Patient selbst entscheiden kann, ob er das Risiko von Nebenwirkungen und Fehlschlägen übernimmt. Zwar ist oft auch das Unterbleiben einer Behandlung riskant, doch die mit Fehlschlägen und Nebenwirkungen des Eingriffs verbundene Gefahr entstammt der Sphäre des Arztes. Schafft er dieses Risiko ohne die Einwilligung des Patienten, so gefährdet er dessen Gesundheit in unerlaubter Weise. Daß er im Fall einer medizinischen Indikation nur die besten Absichten verfolgt, ändert nichts daran, daß es sich um ein unerlaubtes Risiko handelt. Anders wäre es nur, wenn der medizinisch indizierte und lege artis durchgeführte ärztliche Heileingriff unabhängig vom Willen des Patien34 35 36 37 38 39

Deutsch, N J W 1965, 1985 (1988). Deutsch, AcP 192 (1992) 161 (178). Deutsch, AcP 192 (1992) 161 (166). Deutsch, N J W 1965, 1985 (1989), näher zu diesem Aspekt oben, § 9 II 2 a m.w.N. Deutsch, a. a. O. Zu den drei Bezugspunkten der Einwilligung des Patienten s. oben, § 8 I 1.

II. Körperliche

Integrität

243

ten objektiv erlaubt wäre, wodurch freilich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten weitgehend entwertet würde. Wenn der Patient das Risiko nicht durch Erteilung der Einwilligung übernommen hat, ist es sachgerecht, den Arzt für alle gesundheitlichen Schäden haften zu lassen, die sich aus der Verwirklichung des Risikos ergeben. Die Gegner der Rechtsprechung haben weniger den Fall des eigentlichen eigenmächtigen Eingriffs vor Augen, sondern vielmehr die Behandlung nach Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Vor allem die frühe Rechtsprechung des BGH wurde hier als zu streng empfunden, außerdem entzündet sich die Kritik daran, daß Klagen wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht wegen der für den Patienten günstigeren Beweislastverteilung zum Ausweg geworden sind, wenn sich Behandlungsfehler nicht beweisen lassen. Beide Bedenken sind berechtigt, doch sie sprechen nicht gegen die Körperverletzungstheorie als solche, sondern gegen das Ausmaß der Aufklärungspflicht und gegen die Verteilung der Beweislast. Diese Punkte sollen unten 40 aufgegriffen werden, wenn im Zusammenhang mit den Willensmängeln auch die Aufklärungspflichten analysiert werden. Dort wird insbesondere ein Vergleich mit dem US-Recht zeigen, daß die Gleichbehandlung von ärztlicher Eigenmacht und bloßer Verletzung der Aufklärungspflicht keineswegs zwingend ist. Kritik an der Rechtsprechung sollte hier ansetzen: Die Körperverletzungstheorie führt zu sachgerechten Ergebnissen, aber die gegenwärtig vorgenommene Verteilung der Beweislast für Verletzungen der Aufklärungspflicht ist nicht über jeden Zweifel erhaben. b) Einwilligung oder „Handeln auf eigene Gefahr"? Weniger Aufmerksamkeit findet in Rechtsprechung und Literatur ein anderes dogmatisches Problem, das aber bei näherem Hinsehen die herrschende Meinung mit einem Dilemma konfrontiert. Einerseits wird die Einwilligung des Patienten gemeinhin als echte Einwilligung behandelt; insbesondere genügt es nicht, daß sich der Patient freiwillig in Behandlung begibt, es ist zusätzlich eine Einwilligungserklärung erforderlich, die bestimmten Wirksamkeitsvoraussetzungen genügen muß. Außerdem führt die Einwilligung, jedenfalls nach der Körperverletzungskonstruktion der Rechtsprechung, zu einer vollen Rechtfertigung nicht nur des finalen Eingriffs, sondern auch des riskanten Verhaltens, das jeder Heileingriff in mehr oder weniger starkem Maße beinhaltet. Andererseits wird gemeinhin die Abgrenzung der Einwilligung vom „Handeln auf eigene Gefahr" nach den Kriterien vorgenommen, ob der Erfolg als sicher angenommen wird und ob er vom Einwilligenden herbeigewünscht wird. Nach diesen Kriterien wäre die angebliche Heileinwilligung aber hinsichtlich der Risikoübernahme, also ihres praktisch wichtigsten Be40

§ 13 II.

244

5 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

zugspunkts, in Wirklichkeit Handeln auf eigene Gefahr, wie Deutsch41 in der Tat konsequent annimmt. Die in § 9IV 2 dieser Arbeit angestellten Überlegungen weisen den Ausweg aus diesem Dilemma. Die Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff ist ein geradezu klassischer Fall der Risikoeinwilligung. Der Patient kennt nach dem Aufklärungsgespräch das Risiko, auf das er sich einläßt, und ist selbst aufgerufen, die Gefahr gegen die Heilungschancen abzuwägen. Wie in der medizinrechtlichen Literatur mit Recht hervorgehoben wird, handelt es sich bei dieser Entscheidung um einen Akt der Autonomie; der Patient übernimmt selbst die Verantwortung für die Risiken des kunstgerechten Eingriffs. Zwar wünscht sich der Patient nichts mehr, als daß sich dieses Risiko nicht realisiert. Dennoch ist es keine Fiktion, eine echte Einwilligung anzunehmen. Hingegen führen weder die Figur des „echten" noch des „unechten Handelns auf eigene Gefahr" zu einer sachgerechten Lösung. Für das „unechte Handeln auf eigene Gefahr", dessen Bedeutung sich in der Anwendung des § 254 BGB erschöpft, liegt das auf der Hand: Es geht nicht um die Abwägung von Verursachungsanteilen, sondern um das Vorliegen bestimmter Einwilligungsvoraussetzungen, die sicherstellen sollen, daß wirklich eine autonome Entscheidung vorliegt; außerdem ist die Rechtsfolge des § 254 BGB unangemessen, da der Arzt gezwungen wäre, einen rechtswidrigen Eingriff vorzunehmen. Zur Annahme eines „echten Handelns auf eigene Gefahr" gelangen in der Tat diejenigen, die das ärztliche Handeln für objektiv erlaubt halten und die Einwilligung lediglich als Begrenzung dieser Erlaubnis ansehen. Diese Ansicht ist konstruktiv durchführbar und führt zu dem richtigen Ergebnis, daß das ärztliche Handeln nach erfolgter Einwilligung als rechtmäßig zu beurteilen ist. Sie verschiebt aber den Akzent von der Autonomie des Patienten auf die objektive Rechtfertigung. Damit birgt sie zumindest die Gefahr einer Verharmlosung der ärztlichen Eigenmacht und stößt außerdem bei der Beurteilung „objektiv unvernünftiger" kosmetischer Eingriffe wie der Tätowierung oder des Piercing auf Schwierigkeiten, deren Rechtfertigung einzig und allein auf der Willkür des Einwilligenden beruht.

2. Patientenautonomie

am

Lebensende

Die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben beschäftigt Ethik und Recht schon seit Jahrhunderten. Während lange die ethische und juristische Bewertung des Suizids im Vordergrund stand 42 , hat mittlerweile die medizinische Entwicklung dazu geführt, daß sich die Diskussion auf die Sterbehilfe und die Selbstbestimmung des Patienten in Fragen der lebensretDeutsch, AcP 192 (1992), 161 (167) und MedR, Rz. 104. Vgl. hierzu aus rechtsphilosophischer Sicht Jakobs, Tötung auf Verlangen, s. 5 ff. m. w.N. 41

42

II. Körperliche

Integrität

245

tenden Intensivbehandlung konzentriert. D i e s e P r o b l e m a t i k ist derzeit so aktuell wie selten zuvor. D i e zivilrechtliche Abteilung des 63. D e u t s c h e n J u r i s t e n tages in Leipzig hat sich im J a h r e 2 0 0 0 mit der Frage befaßt, o b sich zivilrechtliche Regelungen zur A b s i c h e r u n g der Patientenautonomie am L e b e n s e n d e empfehlen. Taupitz

gibt in seinem G u t a c h t e n einen umfassenden U b e r b l i c k

über die verschiedenen Aspekte und unterbreitet Gesetzgebungsvorschläge 4 3 . A u c h im ü b r i g e n ist die M e n g e der L i t e r a t u r k a u m n o c h ü b e r s c h a u b a r 4 4 . N i c h t alle F r a g e n , die auf dem J u r i s t e n t a g verhandelt w u r d e n , sind im R a h men dieser A r b e i t relevant. D i e E i n w i l l i g u n g ist eine W i l l e n s ä u ß e r u n g , die M e h r z a h l der p r o b l e m a t i s c h e n Fälle betrifft aber gerade Situationen, in denen der Patient zur B i l d u n g eines b e a c h t l i c h e n Willens nicht m e h r in der L a g e ist. H i e r fragt sich v o r allem, o b eine B e h a n d l u n g bei irreversiblem B e w u ß t s e i n s verlust eingestellt w e r d e n darf u n d w e r ü b e r die Einstellung entscheidet. R e c h t l i c h geht es hier einerseits u m die G a r a n t e n p f l i c h t des A r z t e s zur R e t tung des L e b e n s seines Patienten, andererseits u m die V o r a u s s e t z u n g e n der m u t m a ß l i c h e n Einwilligung, die z u r R e c h t f e r t i g u n g der B e h a n d l u n g erforderlich ist. D e r A n w e n d u n g s b e r e i c h der E i n w i l l i g u n g s l e h r e w i r d damit verlassen: E n t s c h e i d e n d ist nicht m e h r in erster L i n i e die a u t o n o m e E n t s c h e i dung des Patienten, sondern eine objektive A b w ä g u n g , die allenfalls angesichts f r ü h e r e r Ä u ß e r u n g e n des P a t i e n t e n unter einem „subjektiven

Korrektur-

v o r b e h a l t " 4 5 steht. Ist der Patient hingegen n o c h in der Lage, seinen W i l l e n z u m A u s d r u c k zu b r i n g e n , so unterscheidet sich die Situation rechtlich meist nicht v o m N o r m a l f a l l des ärztlichen Heileingriffs. Willigt der Patient w i r k sam in die B e h a n d l u n g ein, so ist sie r e c h t m ä ß i g ; die Einwilligungsfähigkeit, die gerade in m e d i z i n i s c h e n G r e n z s i t u a t i o n e n p r o b l e m a t i s c h sein kann 4 6 , ist eine E i n w i l l i g u n g s v o r a u s s e t z u n g und wird daher im 3. Teil der A r b e i t erörtert. Verweigert der Patient hingegen die Einwilligung, so ist der R ü c k g r i f f auf die m u t m a ß l i c h e Einwilligung gesperrt 4 7 . F ü h r t der A r z t den E i n g r i f f d e n n o c h durch, so haftet er für alle daraus entstehenden Schäden und m a c h t sich o b e n d r e i n strafbar. U n b e a c h t l i c h ist der Wille des Patienten n u r dann, w e n n er die aktive Sterbehilfe, also einen direkt auf die T ö t u n g abzielenden E i n g r i f f ,

43 Zusammenfassung inNJW2000, Sonderbeilage zum 63. DJT, S. 6 ff.; dazu Berger, J Z 2000, 797 ff.; Spickhoff, N J W 2000, 2297 ff.; vgl. auch den Tagungsbericht von Werner, J Z 2001, 287ff. 44 Vgl. insb. die eingehende Analyse der Vorsorgevollmacht in den jüngst erschienenen Habilitationsschriften von Prinz von Sachsen Gessaphe, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige (1999), S. 265 ff., und Lipp, Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson (2000), S. 194 ff.; vgl. weiterhin Eibach, MedR 2000, 10ff.; Hufen, N J W 2001, 849ff.; Kutzer, MedR 2001, 77ff.; Laufs, N J W 2000, 1757 (1765); Uhlenhruck, NJW 2001,2770 ff. und in HdA, § 132; und die Nachw. unten, Fußn. 51. 45 Taupitz, NJW 2000, Sonderbeilage zum 63. DJT, S. 6 (7). 46 Hierzu Taupitz, a. a. O., S. 8. 47 S. oben, § 9 IV 1 c.

246

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

verlangt. Die Tötung auf Verlangen ist strafbar ( § 2 1 6 StGB), die in dieser Vorschrift inzident aufgestellte Einwilligungssperre gilt nach heute allgemeiner Auffassung auch im Zivilrecht, im Zusammenhang mit den objektiven Schranken der Dispositionsbefugnis wird in § 14 dieser Arbeit näher von den privatrechtlichen Aspekten der Tötung auf Verlangen die Rede sein. Klärungsbedürftig ist an dieser Stelle lediglich das Verhältnis zwischen der Einwilligung und denjenigen Dispositionen, die ein noch Einwilligungsfähiger für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit trifft. Taupitz erörtert drei mögliche Gestaltungen: die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung 48 . Durch erstere wird einem Vertreter die Kompetenz eingeräumt, im Fall der Einwilligungsunfähigkeit die Entscheidung über die Behandlung zu treffen, die zweite Erklärung enthält Vorschläge für die Auswahl eines Betreuers und die Durchführung der Betreuung. Beide Gestaltungsformen haben gemeinsam, daß sie Dreieckskonstellationen betreffen, in denen die Entscheidung über die Behandlung nicht vom Patienten, sondern von einem Vertreter oder Betreuer getroffen wird, hiervon soll unten im Zusammenhang mit der Stellvertretung die Rede sein (§ 16). Die Patientenverfügung, bisweilen auch als „Patiententestament" 49 bezeichnet, wirkt sich hingegen wie die Einwilligung im Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Arzt und Patienten aus. Es handelt sich um eine antizipierte Behandlungsanweisung für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit 50 . Sie kann entweder die Behandlung erlauben - in diesem Fall ist sie eine antizipierte Einwilligung - , oder im Gegenteil die Behandlung verbieten. Umstritten ist vor allem die rechtliche Wirkung der antizipierten Behandlungsverweigerung51. In ihrer üblichen Form untersagt sie eine Intensivtherapie und Reanimation für den Fall des irreversiblen Bewußtseinsverlusts, wahrscheinlicher schwerer Dauerschäden des Gehirns, des Ausfalls lebenswichtiger Organe oder einer infausten Prognose hinsichtlich der Erkrankung 52 . Hält man die Patientenverfügung für bindend, so sperrt sie den Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung. Eine dennoch stattfindende Heilbehandlung wäre also rechtswidrig. Nach früher üblicher medizinischer Praxis, der die herrschende Meinung im Medizinrecht zustimmte 53 , Taupitz, a.a.O., S. 9f. Die Patientenverfügung ist aber eine Erklärung unter Lebenden, sie hat daher mit dem Testament nach § 1937 B G B nichts zu tun, vgl. Verrel, MedR 1999, 547. 50 Vgl. Deutsch, N J W 1979, 1905 (1908f.); Berger, J Z 2000, 797 (800). 51 Vgl. zu dieser Problematik statt aller Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments (1993); Uhlenhruck, Selbstbestimmtes Sterben durch Patienten-Testament, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung (1997); Eisenbart, Patienten-Testament und Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten (1998); Tüllmich, N J W 1990, 2301 ff; Uhlenhruck, N J W 1978, 566 ff.; Verrel, MedR 1999, 547 ff. 52 Vgl. das Muster einer Patientenverfügung bei Uhlenhruck, N J W 1978, 566 (569 f.). 53 So etwa Laufs ArztR, Rz. 293; Spann, MedR 1983, 13 ff.; zurückhaltend auch Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2301 f.). 48

49

II. Körperliche

Integrität

247

war eine solche Erklärung allerdings nicht bindend, sondern stellte nur eines von mehreren Indizien bei der Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens dar. Als Begründung wurde darauf verwiesen, daß „solche Willensäußerungen in der Regel in gesunden Tagen aufgrund anderer Einsicht verfaßt wurden und daß Hoffnung oftmals in aussichtslos erscheinenden Tagen wächst" 5 4 . Die psychische Verfassung bei Abfassung der Verfügung sei mit derjenigen in der Krise nicht vergleichbar. Außerdem sei der Wunsch nach einem Behandlungsabbruch oft nur der Appell nach mehr Zuwendung. Allerdings befindet sich zur Zeit die Meinung in der Öffentlichkeit wie in der Rechtslehre im Wandel. Diejenigen, die eine Bindungswirkung befürworten 5 5 , weisen darauf hin, daß im Grenzbereich zwischen Leben und Tod jede Entscheidung mit dem Risiko behaftet ist, dem wahren aktuellen Willen des Patienten nicht zu entsprechen. Juristisch wird argumentiert, eine Einwilligung bleibe grundsätzlich bis zu ihrem Widerruf gültig, und eine „Entaktualisierung" könne gerade dann nicht ohne weiteres vermutet werden, wenn die Erklärung bewußt im Hinblick auf ein in weiter Zukunft liegendes Ereignis abgefaßt werde. In dieser Situation erscheine es konsequent, im Zweifel dem Patienten die Verantwortung für seine eigene Erklärung aufzubürden 5 6 . Mittlerweile hat die Bundesärztekammer ihre Richtlinien geändert 57 . Nunmehr werden Patientenverfügungen für den Fall als bindend bezeichnet, daß sie sich „auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, daß der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde." 5 8 Auch die christlichen Kirchen haben sich mit dieser Problematik befaßt und eine „christliche Patientenverfügung" vorgelegt 59 . Einen Schritt weiter sind viele Bundesstaaten der U S A , w o die Voraussetzungen und Wirkungen der Patientenverfügung, oft als Jiving will" bezeichnet, mittlerweise gesetzlich geregelt sind 60 . Die betreffenden Bestimmungen des kalifornischen Natural Death Acts beginnen mit folgender Deklaration des zugrunde liegenden Prinzips:

54 So Ziff. IV der früheren medizinisch-ethischen Richtlinien der Bundesärztekammer für die ärztliche Behandlung sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten vom 24.2.1995, abgedr. in N J W 1996, 767 (768). 55 So mit unterschiedlichen Nuancen MüKo/Mertens, Rz. 450 zu § 82i;Palandt/Diederichsen, Rz. 10 vor § 1896; Berger, JZ 2000, 797 (800 f.); Füllmich, N J W 1990, 2301 ff; Schöllhammer, S. 116 ff. und passim; Sternberg-Lieben, N J W 1985, 2734 ff.; Taupitz, N J W 2000, Sonderbeil, zum 63 DJT, S. 6 (9); Uhlenbruck, N J W 1978,566 ff.; Verrei, MedR 1999, 547 ff. 56 Vgl. Schöllhammer, S. 114. 57 Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung vom 11.9.1998, abgedr. in N J W 1998, 3406 f. 58 A. a. O., Ziff. V. 59 Dazu Beykirch/Knüppel, N J W 2000, 1776 ff. 60 Vgl. den Uberblick bei Furrow / Greaney /Johnson /Jost / Schwartz, § 17-21.

248

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

„In recognition of the dignity and privacy that a person has a right to expect, the Legislature hereby declares that the laws of the State of California shall recognize the right of an adult person to make a written declaration instructing his or her physician to withold or withdraw life-sustaining treatment in the event of a terminal condition or permanent unconscious condition, in the event that the person is unable to make those decisions for himself or herself." 61 Die Wirksamkeitserfordernisse sind streng 6 2 . Der Erklärende m u ß mindestens 18 Jahre alt u n d bei voller geistiger Gesundheit sein. Die Erklärung m u ß von z w e i Personen bezeugt w e r d e n , die nicht z u m medizinischen Personal gehören dürfen u n d von denen mindestens eine nicht zu den Erben des Erklärenden zählen darf. Erforderlich ist Schriftform, das Gesetz gibt einen bestimmten f o r m u l a r m ä ß i g e n Text vor. Die jederzeit widerrufliche 6 3 Erklärung tritt in Kraft, w e n n sie d e m behandelnden A r z t übergeben w u r d e und w e n n dieser sowie ein zweiter, an der Behandlung nicht beteiligter A r z t einen z u m Tode führenden Krankheitsverlauf oder einen dauerhaften Bewußtseinsverlust festgestellt haben 6 4 . W i r k u n g der Erklärung ist, daß der A r z t , der die Behandlung in Einklang mit der Verfügung abbricht, von allen straf-, zivil- u n d berufsrechtlichen Folgen freigestellt wird 6 5 . Der behandelnde A r z t ist z w a r nicht z u m B e h a n d l u n g s a b b r u c h verpflichtet, m u ß den Patienten aber im Fall einer eigenen Gewissensentscheidung gegen den A b b r u c h an einen anderen A r z t überweisen, der bereit ist, die B e s t i m m u n g e n des Patienten in die Tat umzusetzen 6 6 . H i e r soll nicht der Versuch u n t e r n o m m e n w e r d e n , ein ethisch u n d rechtspolitisch s c h w i e r i g e s P r o b l e m mit den M i t t e l n der juristischen D o g m a t i k zu lösen 6 7 . D e n n o c h sprechen die G r u n d s ä t z e der S e l b s t b e s t i m m u n g u n d Selbstv e r a n t w o r t u n g , auf denen die hier e n t w i c k e l t e E i n w i l l i g u n g s l e h r e beruht, dafür, der P a t i e n t e n v e r f ü g u n g eine ebensolche rechtliche B i n d u n g s w i r k u n g b e i z u m e s s e n w i e der E i n w i l l i g u n g . D e r R e s p e k t vor der S e l b s t b e s t i m m u n g verlangt, d a ß die antizipierte E n t s c h e i d u n g nicht u n t e r H i n w e i s auf die bloße M ö g l i c h k e i t einer W i l l e n s ä n d e r u n g beiseite geschoben w i r d . U n t e r d e m Gesichtspunkt der S e l b s t v e r a n t w o r t u n g erscheint es als berechtigt, d e m V e r f ü genden das R i s i k o f ü r spätere W i l l e n s ä n d e r u n g e n a u f z u b ü r d e n . Das gilt u m so mehr, als es k e i n sicheres Verfahren z u r Feststellung des m u t m a ß l i c h e n Willens gibt. U m allerdings sicherzustellen, daß es sich bei der Verfügung u m eine a u t o n o m e u n d ernsthafte Entscheidung handelt, sollten strenge W i r k s a m keitsvoraussetzungen gelten 6 8 , insbesondere Geschäftsfähigkeit u n d Schrift61 62 63 64 65 66 67 68

§ 7185.5 (d). §7186.5. §7188. §7187.5. § 7190.5. § 7190. Insoweit zutreffend die Warnung von Deutsch, VersR 1993, 1465. Vgl. hierzu die Vorschläge von Taupitz in seinem Gutachten zum 63. DJT, s. NJW

II. Körperliche

Integrität

249

form, wobei an das Dokument bestimmte inhaltliche Anforderungen gestellt werden können; auch die Anwesenheit von Zeugen könnte nach amerikanischem Vorbild vorgeschrieben werden. Ob allerdings mit Taupitz wirklich die Wirksamkeit der Verfügung von einer vorherigen ärztlichen Aufklärung abhängig gemacht werden sollte69, ist fraglich. Eine solche Voraussetzung würde die Erstellung der Verfügung praktisch erheblich erschweren, zudem bedarf der Verfügende - anders als vor einer Operation - keiner Aufklärung über Risiken, die er ohne die entsprechenden Informationen nicht einschätzen kann. Das Risiko des Behandlungsabbruchs dürfte ihm auch ohne Aufklärung klar vor Augen stehen. Wie jede Einwilligung muß auch die Patientenverfügung widerruflich sein, wobei an den Widerruf geringere Anforderungen als an die Verfügung selbst gestellt werden können. Allerdings genügen eine Verschlechterung der Gesundheit oder der Eintritt der Bewußtlosigkeit noch nicht für die Annahme einer „Entaktualisierung" der Verfügung70, da ihre Wirksamkeit ansonsten im Regelfall untergraben würde. Etliches spricht für eine gesetzliche Regelung: Sie würde nicht nur für Rechtssicherheit sorgen, sondern auch der Akzeptanz der Patientenverfügung in der Bevölkerung und in der Ärzteschaft zum Durchbruch verhelfen. 3. Entnahme und Verwendung von Körpersubstanzen am Beispiel des Falles Moore v. Regents of the University of California Im Normalfall des ärztlichen Heileingriffs übernimmt der Patient durch Erteilung seiner Einwilligung das mit dem Eingriff verbundene Gesundheitsrisiko. Es liegt also auf der Hand, daß sein Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper betroffen ist, fraglich und umstritten ist nur, ob dieses Recht zum Schutzbereich des Rechts auf körperliche Integrität oder zu demjenigen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu rechnen ist. Erheblich komplexere Zuordnungsfragen entstehen, wenn im Zuge des Eingriffs Körpersubstanzen, seien es Organe, Gewebe oder Blut, entnommen werden. Hier geht das Interesse des Betroffenen über den bloßen Erhalt der körperlichen Integrität hinaus. Geschieht die Entnahme zu Diagnosezwecken, so erlaubt die Probe Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand oder auf weitere körperliche Eigenschaften des Patienten, die er möglicherweise geheimhalten möchte. Die entnommene Substanz kann aber auch unmittelbar weiteren medizinischen Zwecken dienen, die entweder - wie etwa bei der homologen Insemination 2000, Sonderbeil, zum 63. DJT, S. 6 (9); dazu Berger, J Z 2000, 797 (801 f.); Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2301 f.). 6 9 So Taupitz, a. a. O.; zust. Berger, a. a. O.; Spickhoff, a. a. O.. Diese Forderung war auf dem Juristentag umstritten, vgl. FAZ v. 28.9.2000. 70 Ahnlich Schöllhammer, S. 122; a. A. für die antizipierte Verweigerung von Bluttransfusionen Deutsch, N J W 1979, 1905 (1909).

250

5 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

im u n m i t t e l b a r e n Interesse des Spenders liegen, oder aber - wie bei der O r ganspende und regelmäßig bei der B l u t s p e n d e - altruistischen Z w e c k e n dienen. Schließlich sind auch k o m m e r z i e l l e B e w e g g r ü n d e nicht ausgeschlossen, auch w e n n sie im m e d i z i n i s c h e n K o n t e x t bisweilen gern verschwiegen w e r den. Blut und Blutplasma sind Waren, die gegen Entgelt gehandelt werden, und viele S p e n d e r geben B l u t u m der E n t s c h ä d i g u n g willen, deren G e w ä h r u n g § 1 0 T P G ausdrücklich erlaubt. D a r ü b e r hinaus eröffnet die B i o t e c h n o l o g i e ein weites F e l d für die E n t w i c k l u n g m e d i z i n i s c h e r P r o d u k t e auf der Basis genetischer I n f o r m a t i o n e n 7 1 . D i e s e r w i r t s c h a f t l i c h e n Realität trägt mittlerweile die P r ä a m b e l der E G - R i c h t l i n i e ü b e r den r e c h t l i c h e n S c h u t z b i o t e c h n o logischer E r f i n d u n g e n 7 2 R e c h n u n g , in deren E r w ä g u n g s g r u n d 2 6 es heißt: „Hat eine Erfindung biologisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so muß bei einer Patentanmeldung die Person, bei der Entnahmen vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben, gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach Inkenntnissetzung und freiwillig der Entnahme zuzustimmen." W e l c h e R e c h t s f r a g e n im Z u s a m m e n h a n g mit der E i n w i l l i g u n g des Spenders v o n K ö r p e r s u b s t a n z e n entstehen k ö n n e n , verdeutlicht der kalifornische

Moo-

re-Fall 7 3 . D e r K l ä g e r u n t e r z o g sich einem Heileingriff, in dessen Verlauf seine M i l z entfernt w u r d e . D e r H e i l e i n g r i f f w a r medizinisch erforderlich und verlief erfolgreich. Z u v o r w a r der Patient ü b e r Verlauf und R i s i k e n des Eingriffs aufgeklärt w o r d e n und hatte eingewilligt. H i n g e g e n w u r d e ihm v e r s c h w i e gen, daß die e n t n o m m e n e n G e w e b e z e l l e n ein b e s t i m m t e s P r o t e i n in b e s o n d e rer M e n g e p r o d u z i e r t e n . E s handelte sich u m g e w ö h n l i c h e Zellen, die in j e d e m m e n s c h l i c h e n K ö r p e r v o r h a n d e n sind; ihre b e s o n d e r e F ä h i g k e i t erhielten sie erst d u r c h den Virusbefall. D i e s e r für M o o r e l e b e n s b e d r o h e n d e F a k t o r w a r zugleich k o m m e r z i e l l v o n b e s o n d e r e m Interesse. A u s den e n t n o m m e n e n Zellen w u r d e auf b i o t e c h n o l o g i s c h e m W e g e eine Zellinie entwickelt, auf die ein P a t e n t erteilt wurde 7 4 . D i e E r f i n d u n g erwies sich später als außerordentlich gewinnbringend. Als M o o r e davon erfuhr, verklagte er den A r z t , den Träger Vgl. Straus in Gene, Neurone, Qubits & Co, S. 217 (218). ABl. EG Nr. L 213 v. 30.7.1998, S. 13 = G R U R Int. 1998, 675 (677); vgl. dazu die Entscheidung des EuGH über die Nichtigkeitsklage der Niederlande gegen die Richtlinie, C-377/98, Niederlande et al./Europäisches Parlament et al., Slg. 2001,1-7079 = G R U R Int. 2001, 1043 m. Anm. Spranger; aus der Literatur Beyleveld, [2000] I.P.Q. 1 ff.; Straus, Dt. Ärztebl. 2000, A-1061ff. und in Gene, Neurone, Qubits & Co., S. 217 (221 f.); demnächst ausführlich Krefft, Patente auf human-genomische Erfindungen unter besonderer Berücksichtigung des EST-Problems. 73 John Moore v. The Regents of the University of California et al, 271 Cal. Rptr. 146, 793 P. 2d 476(1990). 74 Zur Problematik der Patentierung menschlicher Gene und DNA-Sequenzen vgl. Fuchs, JZ 1999, 597 ff.; Gerin, FS Deutsch, S. 561 ff.; Haedicke, JuS 2002,113 ff.; Moufang, G R U R Int. 1993, 439 ff; Spranger, G R U R Int. 1999, 595 ff.; Straus, G R U R 1992, 252 ff.; 2001, 1016ff. und in Gene, Neurone, Qubits & Co, S. 217 (219ff.). 71

72

II. Körperliche

Integrität

251

des Krankenhauses und die Lizenznehmer 75 . Wegen prozessualer Besonderheiten führte der Supreme Court of California nur eine Schlüssigkeitsprüfung durch und nahm zu der Frage Stellung, ob sich der Kläger mit seinem Begehren auf eine anerkannte Anspruchsgrundlage berufen konnte. Das Gericht verneinte die Voraussetzungen des eigentumsrechtlichen cowwerwow-Anspruchs, mit der Unterschlagung des deutschen Strafrechts vergleichbar, entschied aber, daß der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Die Einzelheiten des kalifornischen Rechts brauchen hier nicht vertieft zu werden, die folgenden Überlegungen beschränken sich auf die Beurteilung des Falls nach deutschem Zivilrecht 76 . Wie in § 9 II dieser Arbeit begründet wurde, bezieht sich jede Einwilligung auf ein bestimmtes subjektives Recht. Der .Moore-Fall macht besonders deutlich, daß es sich bei dieser These nicht um ein theoretisches Konstrukt, sondern um den entscheidenden Anknüpfungspunkt für die praktische Lösung handelt. Die Voraussetzungen der Einwilligung hängen zum Teil vom betroffenen Recht ab, wobei besonders zwischen vermögensrechtlichen und persönlichkeitsbezogenen Dispositionen Unterschiede bestehen. Zudem ist die Aufklärungspflicht rechtsgutsbezogen. Schließlich hängen die Rechtsfolgen eines Eingriffs ohne Einwilligung davon ab, ob dem verletzten Recht ein vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt zukommt. Werden Körpersubstanzen entnommen und zu Forschungszwecken verwendet, so weist die Einwilligung des Spenders zumindest zwei 7 7 Bezugspunkte auf 78 : zum einen den Eingriff in die körperliche Integrität bei Entnahme der Substanzen, zum anderen die weitere Verwendung der Körpersubstanzen. Die in der Biotechnologie-Richtlinie vorgenommene Verweisung auf das nationale Recht ist problematisch, da unklar ist, welcher dieser Bezugspunkte gemeint ist und wie sich Mängel oder - falls überhaupt möglich - ein Widerruf der Einwilligung auf die Erteilung oder den Bestand eines Patents auswirken 79 . 75 Moore berief sich auf insgesamt 13 Anspruchsgrundlagen, darunter sowohl Ansprüche auf Schadensersatz als auch auf Bereicherungsausgleich, s. Fußn. 4 der Urteilsbegründung. 76 Dazu umfassend Taupitz, A c P 191 (1991) 201 ff. 77 Dritter Bezugspunkt ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, soweit aus der Dokumentation zur Probe die Identität des Spenders hervorgeht. Da das entnommene Material Rückschlüsse auf die physische Konstitution des Spenders zuläßt, handelt es sich um Gesundheitsdaten, die nur mit Einwilligung des Spenders verarbeitet werden dürfen, insoweit zutreffend Beyleveld, [2000] I . P . Q . 1 (14ff.). 78 Differenzierend auch Generalanwalt Jacobs in seinen Schlußanträgen zur Nichtigkeitsklage der Niederlande gegen die Richtlinie (oben, Fußn. 72), Rz. 209; aus der Literatur Krefft, V.B.4; für das allgemeine Zivilrecht Taupitz, AcP 191 (1991) 201 (206ff.); aus rechtstheoretischer Sicht Joerden, Rechtstheorie 22 (1991) 165 ff. Vgl. auch die Unterscheidung zwischen den drei Bezugspunkten der Einwilligung des Patienten im Medizinrecht bei Deutsch, A c P 192 (1992) 161 (167). 79 Deutlicher der folgende Erwägungsgrund 27, der A n g a b e n z u m Herkunftsort biologischen Materials pflanzlichen oder tierischen U r s p r u n g s verlangt, zugleich aber aus-

252

§10

Ausgewählte

Anwendungsfälle

Sicherlich stellt die Entnahme von Körpersubstanzen einen Eingriff in die körperliche Integrität dar. Allerdings war im Afoore-Fall dieser Eingriff medizinisch erforderlich und von der Einwilligung des Patienten gedeckt. Dennoch bejahte der Supreme Court of California eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht. Im Mehrheitsvotum wird der Standpunkt vertreten, ein Arzt habe nicht nur über Verlauf und Risiken, sondern auch über diejenigen persönlichen Interessen an der Behandlung aufzuklären, die nicht mit der Gesundheit des Patienten in Verbindung stünden 80 . Der mögliche Konflikt zwischen dem Wohl des Kranken und den eigenen wirtschaftlichen Interessen sei nämlich ein zusätzliches Risiko der Behandlung. Diese Argumentation überzeugt nicht. Eine solche Pflicht zur Aufklärung über sämtliche persönlichen Interessen dürfte zu weit gehen und kaum praktikabel sein81. Vor allem trifft die Argumentation aber nicht den Kern des Falls. Folge eines Aufklärungsmangels ist die Haftung des Arztes für den Fall, daß sich das aufklärungsbedürftige Risiko verwirklicht 82 . Im Moore-Fall war die Operation aber nicht nur medizinisch indiziert und in Kenntnis ihrer Risiken vom Patienten erlaubt worden, sie war auch erfolgreich. Wenn also das wirtschaftliche Interesse des Arztes tatsächlich ein Risiko für den erfolgreichen Ausgang der Operation bedeutete, so hat es sich nicht realisiert. Die körperliche Integrität Moores wurde nicht geschädigt. Etwas anderes mag allenfalls für die Nachuntersuchungen gelten, zu denen er einbestellt wurde und die nach dem bestrittenen Vortrag des Klägers medizinisch nicht erforderlich waren 83 . Allerdings gibt es eine Möglichkeit, das Bestimmungsrecht über Körpersubstanzen dennoch auf das Recht auf körperliche Integrität zu stützen, wie die Entscheidung des B G H im Sperma-Fall zeigt 84 . In einer Klinik war fahrlässig das konservierte Sperma eines Mannes vernichtet worden, der später durch eine Operation seine Zeugungsfähigkeit verlor. Der B G H bejahte einen Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823 I, 847 I B G B wegen Körperverletzung: Entnommene Körpersubstanzen seien auch nach ihrer Trennung noch Körperteile, wenn die Absicht bestehe, sie später wieder mit dem Körper zu vereinigen 85 . Dieses „überraschende" 86 Urteil wird in der Literatur überwie-

drücklich bestimmt, die Prüfung der Patentanmeldungen und der Bestand erteilter Patente bleibe hiervon unberührt. Nach dem Wortlaut beider Erwägungsgründe ist unklar, ob dasselbe für Erwägungsgrund 26 gilt, oder ob e contrario geschlossen werden kann, daß sich das Fehlen der Einwilligung des Spenders doch auf die Patentierung auswirkt. 80 2 71 Cal. Rptr. 146 (149ff.), 793 P.2d 479 (482ff.). 81 Taupitz, AcP 191 (1991) 201 (207). 82 S. oben, II 1 a und unten, § 13 II. 83 Fußn. 8 der Urteilsbegründung. 84 B G H Z 124, 52. 85 A.a.O., S. 55. 86 Deutsch MedR, Rz. 489.

II. Körperliche

Integrität

253

gend abgelehnt 87 . Zwar ist dem B G H darin zuzustimmen, daß das Recht auf körperliche Integrität einen gesetzlich geregelten besonderen Ausschnitt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht darstellt 88 , abgetrennte Körperteile oder entnommene Körpersubstanzen sind aber keine „Exklaven" des lebenden Körpers. Der bloße Wille des Spenders zur späteren Re-Implantation ist keine hinreichend klare Grundlage für die Entscheidung darüber, was noch als Körperteil anzusehen ist, zumal wohl nicht die Absicht bestand, die entnommene Körpersubstanz später wieder mit dem Körper des Klägers zu vereinigen. Das Interesse an der Weiterbestimmung über entnommene Körpersubstanzen ist also nicht mit dem Interesse an körperlicher Integrität identisch. Ein großer Teil der Entscheidung des Supreme Court of California ist der Frage gewidmet, ob durch die Verwendung der Körperzellen das Eigentum des Klägers verletzt wurde 89 . Die Mehrheit der Richter lehnte dies mit weitgehend rechtspolitischer Argumentation ab: Die Freiheit der Forschung werde unerträglich gefährdet, wenn sich ein Forscher jeweils über den „Stammbaum der Einwilligungen (consensual pedigree)" einer Probe informieren müsse 90 . Im deutschen Recht sprechen dogmatische Argumente dagegen, das Weiterbestimmungsrecht über Körpersubstanzen auf das Eigentum an den Zellen zu stützen. Zum einen gibt der Patient in aller Regel das Eigentum an entnommenem Körpermaterial auf oder übereignet es an den Träger der Klinik, schon allein weil er nicht selbst für die Entsorgung verantwortlich sein möchte 91 . Zum anderen ist Gegenstand der Verwertung weniger das körperliche Material selbst als die in ihm verkörperte Information 92 . Insbesondere wenn aus den entnommenen Zellen nur der „Bauplan" ermittelt und die gewünschte Substanz anschließend synthetisch hergestellt wird, hilft das Sacheigentum nicht weiter. Auch mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Spenders ist das Weiterbestimmungsrecht nicht in jedem Fall mit gleicher Uberzeugungskraft zu begründen. Zwar bestimmt das Genom die Identität seines Trägers, doch manifestiert sich in jedem Gen „das Echo der Evolutionsgeschichte" 9 3 . Immerhin teilt der Mensch 98,5 % der D N A in jeder gegebenen Region des Genoms mit Schimpansen 94 . Im Moore-Fall ergab ein Sachverständigengutachten, daß die besondere Funktion der fraglichen Zellen gerade nicht auf die individuellen Gene des Klägers, sondern auf die Infektion der Zellen zurück-

Vgl. Deutsch, a. a. O. m.w.N. B G H Z 124, 52 (54), hierzu oben, § 9 II 2 1 a, b. Aus diesem Grund zustimmend Forkel, Jura 2001, 73 (74 f.). 89 271 Cal. Rptr. 146 (153 ff.), 793 P.2d 479 (486 ff.). 90 A.a.O., S. 163 bzw. 496. 91 Vgl. Taupitz, AcP 191 (1991) 201 (208 f.). 92 A.a.O., S. 209f. 93 So Ernst-Ludwig Winnacker in einem Interview mit der SZ vom 29.12.1997. 94 Straus in Gene, Neurone, Qubits & Co, S. 217. 87

88

254

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

zuführen war 95 . Während sich in anderen Fällen 96 eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts mit der Einzigartigkeit des Menschen oder seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründen läßt, greift diese Argumentation hier nicht. Am überzeugendsten läßt sich das Bestimmungsrecht wohl noch auf den persönlichkeitsrechtlichen Gedanken stützen, daß eine Person zum bloßen Objekt erniedrigt würde, wenn ohne ihre Kenntnis ihr Körper als „Materiallager" benutzt wird 97 . O b dieser Gedanke allerdings wirklich zur Begründung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausreicht, ist zweifelhaft 98 . Für Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einwilligung ergibt sich damit zunächst, daß der Spender dem mit der Entnahme verbundenen körperlichen Eingriff nach vorheriger Aufklärung über dessen Verlauf und Risiken zustimmen muß. Unterläßt der Arzt diese Aufklärung oder täuscht er einen Heilzweck vor, obwohl der Eingriff nur der Gewinnung und anschließenden Verwertung der Körpersubstanz dient, so begeht er eine Körperverletzung 99 . Aus zivilrechtlicher Sicht entstehen damit vertragliche 100 und deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche, aus patentrechtlicher Perspektive, die hier nicht vertieft werden kann und demnächst an anderer Stelle ausführlicher zu analysieren sein wird, spricht einiges dafür, daß ein Patent auf eine Erfindung, die aus der Körpersubstanz entwickelt würde, wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten (§ 2 Nr. 1 PatG, Art. 53 lit. a E P U ) nicht erteilt werden könnte oder nach bereits erfolgter Erteilung gem. § 2 1 1 PatG widerrufen oder für nichtig erklärt werden könnte 1 0 1 . Wiedergegeben in Fußn. 30 der Urteilsbegründung. Etwa im Sperma-Fall des B G H : Keimzellen verkörpern die individuelle Identität des Spenders. 97 Vgl. Taupitz, AcP 191 (1991)201 (212), der aber an der Tragfähigkeit dieser Begründung zweifelt. 98 Vgl. Taupitz, a. a. O., S. 208ff. (insb. 214,218); Peifer, S. 355; Baston-Vogt, S. 290; vgl. auch Forkel, Jura 2001, 73 (75: „Wo die inhaltlichen Grenzen dieses Selbstbestimmungsrechts liegen, ist bis heute viel weniger geklärt als die Frage, wie weit der Schutz gegen Angriffe auf die Unversehrtheit reicht."). 99 Zu den Folgen einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht unten, § 13 II 5. 100 Vgl. hierzu Taupitz, a.a.O., S. 217. 101 Problematisch ist dabei allerdings zum einen, daß die Generalklausel des § 2 Nr. 1 PatG nur auf die Veröffentlichung und die Verwendung der Erfindung, nicht auf deren Zustandekommen abstellt. Allerdings kann nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht in der patentrechtlichen Literatur auch ein Verstoß gegen grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung bei Tätigung der Erfindung den Tatbestand des § 2 Nr. 1 PatG erfüllen, vgl. Moufang, G R U R Int. 1993, 439 (446); ihm folgend Fuchs, J Z 1999, 597 (604); Schulte, Rz. 56 f. zu § 2; a. A. Busse/Keukenschrijver, Rz. 11 zu § 2. Zum anderen würde das Erteilungsverfahren durch die Prüfung komplexer zivilrechtlicher Einwilligungsfragen erheblich belastet und verzögert. Daher erscheint es erwägenswert, in Analogie zu § 71 PatG die Verletzung der Rechte des Spenders nicht schon im Prüfungsverfahren, sondern erst auf die Rechtsbehelfe des Spenders hin nach Erteilung des Patents zu berücksichtigen. 95 %

II. Körperliche

Integrität

255

Häufiger dürfte in der Praxis aber die Konstellation des Moore-Falls vorkommen, in dem der körperliche Eingriff an sich medizinisch notwendig und von der Einwilligung des Patienten gedeckt war. Zwischen dem Interesse, durch einen ärztlichen Eingriff nicht gesundheitlich geschädigt zu werden, und dem Interesse, über die weitere Verwendung der entnommenen Substanzen bestimmen zu können, muß aber unterschieden werden. Das wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich die Verwendungsmöglichkeit oft erst nach Abschluß des Eingriffs herausstellen wird. Der Eingriff wird in diesem Fall durch die anschließende unerlaubte Verwendung der Körpersubstanzen nicht rückwirkend zur Körperverletzung. Auch eine Aufklärungspflicht über die weitere Verwendung des Materials besteht nur, wenn dem Spender insoweit ein Bestimmungsrecht zusteht. Ob das der Fall ist, muß, wie gesehen, differenziert beantwortet werden. Sofern bei der beabsichtigten Verwendung gerade die Individualität des Spenders ausgenutzt werden soll, was etwa bei der Verwendung von Keimzellen der Fall ist, so bedarf der Verwerter der Zustimmung des Spenders. Sollen aber lediglich biologische Funktionen der betreffenden Zellen genutzt werden, die bei einer größeren Bevölkerungsgruppe oder gar bei jedem Menschen vorhanden sind oder die lediglich auf der krankhaften Veränderung der Zellen beruhen, so erscheint es sehr zweifelhaft, ob eine Zustimmung des Spenders nach deutschem Recht erforderlich ist 102 . Auch Erwägungsgrund 26 der Richtlinie zwingt entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht 103 nicht zur Anerkennung eines solchen Rechts, wie insbesondere 104 die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 105 zeigt. Bejaht man ein persönlichkeitsrechtliches Bestimmungsrecht über entnommene Körpersubstanzen, sei es generell, sei es wie hier nur für einen Ausnahmefall, so erhebt sich die Folgefrage, ob dieses Recht auch der kommerziellen Verwertung zugänglich ist und ob der Spender über sein Recht mit Hilfe Vgl. die Nachw. oben, Fußn. 98. Beyleveld, [2000] I.P.Q. lff. 104 Weitere Argumente für die hier vertretene Ansicht sind erstens, daß nach der Rechtsprechung des EuGH keine Umsetzungspflicht für Erwägungsgründe der Präambel einer Richtlinie besteht, vgl. EuGH, Rs. C-162/97, Gunnar Nilsson etat, Slg. 1998,1-7477, Ziff. 54; zweitens, daß über das Bestehen eines Weiterbestimmungsrechts über Körpersubstanzen zwischen den Mitgliedstaaten der EU bisher keine Einigkeit besteht. Würde ein solches Recht eingeführt, so bedeutete das einen weitgehenden Eingriff in das Privatrecht der Mitgliedstaaten, bei dem fraglich wäre, ob er von der Kompetenznorm des Art. 94 EGV gedeckt wäre. 105 Das Europäische Parlament hatte die Aufnahme einer Bestimmung in die Richtlinie vorgeschlagen, der zufolge die Aufklärung des Spenders über die beabsichtigte Patentanmeldung und dessen anschließende Zustimmung Voraussetzungen einer Patenterteilung und vom Anmelder nachzuweisen sein sollten, s. Art. 8 II des vom Parlament vorgelegten Änderungsvorschlags v. 22.9.1997, ABl. EG Nr. C 286, S. 87. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission und dem Rat aber nicht übernommen. 102

103

256

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

bindender Gestattungsformen106 disponieren kann. Einerseits ist schwer ersichtlich, aus welchem Grund ihm eine solche privatautonome Gestaltung verwehrt werden könnte: Das Verbot des Organhandels betrifft regenerierbare Körpersubstanzen nicht und eine immanente Schranke der Dispositionsbefugnis ist in diesem Fall nicht einfach zu begründen107. Andererseits erscheint die Vorstellung von Verhandlungen zwischen Arzt und Patient über die Modalitäten eines „Verwertungsvertrages" sicherlich als wenig glücklich108. Eine befriedigende Lösung kann wohl nur der Gesetzgeber, etwa im Rahmen einer Ergänzung des Transfusionsgesetzes, finden. Dabei könnte vorgesehen werden, daß der Spender seine Einwilligung in die kommerzielle Nutzung von Zahlungen in einen Forschungs- oder Patientenbetreuungsfonds abhängig machen kann109. In diesem Fall bestünden wohl auch weniger Bedenken, die Einwilligung des Patienten in die Forschung und kommerzielle Verwertung jedenfalls im Hinblick auf bereits begonnene Forschungsprojekte als grundsätzlich bindend und damit konstruktiv zumindest als schuldvertragliche Gestattung anzusehen. Es zeigt sich, daß verschiedene Aspekte des Moore-Y&Ws über den Bereich dieser Arbeit hinausweisen und an dieser Stelle nicht eingehend erörtert werden können. Die entscheidende Weichenstellung besteht in der Identifizierung des Rechts, das im Fall eines Eingriffs ohne Einwilligung verletzt wurde, und der Feststellung, in welchem Ausmaß dieses Recht disponibel ist. Sind diese Fragen, die der Einwilligungslehre vorgelagert sind, einmal beantwortet, so ist die Beurteilung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einwilligung vorgezeichnet. Dasselbe gilt in den übrigen eingangs erwähnten Fällen, etwa hinsichtlich heimlicher HIV-Tests110 oder hinsichtlich moderner diagnostischer Methoden111. Zunächst muß beurteilt werden, wie weit das Recht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung reicht. Die Einwilligungslehre kann diese Frage nicht aus eigener Kraft beantworten. Ist aber festgestellt, daß der Betroffene das ausschließliche Recht hat, über die Verwendung der erhobenen Information zu bestimmen, so bestimmen die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung darüber, ob dieses Recht wirksam ausgeübt wurde.

Vgl. hierzu die oben in § 8 entwickelte Stufenleiter der Gestattungen. Vgl. zu den Schranken der Dispositionsbefugnis im einzelnen unten, § 14. 108 Straus in Gene, Neurone, Qubits & Co, S. 217 (223). 109 So der Vorschlag von Straus, a. a. O. 110 Hierzu Giesen ArztHR, Rz. 244 ff.; Laufs ArztR, Rz. 229; aus strafrechtlicher Sicht Lesch, NJW 1989, 2309ff. 111 Vgl. hierzu Damm, MedR 1999, 437 ff. 106 107

II. Körperliche

4.

Integrität

257

Sportverletzungen

In den Grenzbereich zwischen der Einwilligung und dem „Handeln auf eigene Gefahr" fällt die freiwillige Teilnahme an regelgeleitetem sozialem Kontakt 112 , insbesondere am Sport. Hier fragt sich, ob der Teilnehmer konkludent in alle üblicherweise zu erwartenden Verletzungen einwilligt oder ob die Haftung des Verletzers aus Gründen entfällt, die vom Willen des Verletzten unabhängig sind. Die Rechtsprechung grenzt auch hier nach der Frage ab, ob der Sportler mit der Verletzung rechnet und ob sie erwünscht ist. Deutlich wird dieser Gedankengang etwa in folgender Passage der Fußballentscheidung: „Beim Fußballspiel soll aber der Spieler möglichst nicht verletzt werden. Dennoch seine Einwilligung zu unterstellen, wäre in der Tat (...) eine künstliche Unterstellung und nur bei ausgesprochen gefährlichen Sportarten in Betracht zu ziehen (...). Ein Fußballspieler indes hofft und erwartet auch - dies nicht zuletzt im Hinblick auf die für alle Teilnehmer am Spiel geltenden Bestimmungen - , es werde zu keinen Verletzungen kommen (...)." 1 1 3

Statt dessen neigt der BGH dazu, den Haftungsausschlusses für Verletzungen beim regelgerechten Spiel auf das Verbot des venire contra factum proprium zu stützen, läßt die Frage der dogmatischen Einordnung aber letztlich offen. Seitdem hat die Rechtsprechung eine Skala der haftungsrechtlichen Bewertung von Sportverletzungen entwickelt 114 . Eine Verletzung bei regelgerechtem Spiel löst keine Haftung aus. Ein leichtes Foul, das bei kampfbetonten Sportarten passieren kann, wird als verkehrspflichtwidrig, nicht jedoch als haftungsbegründend eingestuft. Als dogmatische Begründung für dieses Ergebnis kommen die Gedanken des venire contra factum proprium, des bereichsspezifischen Sorgfaltsverstoßes oder eine Analogie zu §§ 708,1359 BGB in Betracht. Ein schweres Foul löst die Schadenshaftung aus, doch ist das Mitverschulden des Geschädigten über § 254 BGB zu berücksichtigen. Nur bei besonders gefährlichen Sportarten wie Box- oder Ringkämpfen soll nach der Rechtsprechung die Annahme einer Einwilligung in Betracht kommen 115 . In der Literatur wird eine Vielzahl von Ansichten vertreten. Einige Autoren sprechen sich für einen Tatbestandsausschluß aus, da ein spielregelgerechtes Verhalten nicht gegen die Verkehrspflichten verstoße 116 . Diese Lösung liegt vor allem für Anhänger der Lehre vom Handlungsunrecht nahe, doch auch wer mit der herrschenden Meinung bei direkten Verletzungen der Begriff nach Jakobs AT, 7/126. BGHZ63, 140(144). 114 S. den Überblick in BGH NJW-RR 1995, 857 = LM Nr. 160 zu § 823 (Aa) m. Anm. Schiemann und BGH NJW 1976, 957 (Fußball); 1976, 2161 (Basketball); vgl. auch Staudinger / Schiemann, Rz. 67 zu § 254. 115 BGHZ 63, 140 (144, dort aber als obiter dictum). 116 Grunsky, S. 14f.; MüKo/Mertens, Rz. 332 zu § 823; Soergel/Zeuner, Rz. 76 vor § 823; Staudinger/Schiemann, Rz. 67 zu § 254; Staudinger / Hager, Rz. 54 vor §§ 823 ff. 112

113

258

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

Lehre vom Erfolgsunrecht folgt, kann in diesem Fall eine Ausnahme von dem Satz annehmen, daß bei direkter Verletzung die Rechtswidrigkeit indiziert ist 117 . Andere Autoren setzen beim Verschulden an: Zwar könne den Sportverbänden nicht die Definitionsmacht über Recht und Unrecht überlassen werden, doch handle nicht fahrlässig, wer sich an die Regeln halte 118 . In diesem Zusammenhang wird ein „gleitender Fahrlässigkeitsmaßstab" nach dem Vorbild der Grundsätze über schadensgeneigte Arbeit vorgeschlagen 119 . Eine Lösung nach Einwilligungsgrundsätzen wird im Anschluß an die Rechtsprechung weithin für besonders gefährliche Sportarten 120 , seltener hingegen für normale Kampfsportarten 121 befürwortet. Nach der in § 9 IV 2 entwickelten Abgrenzung der Einwilligung vom Handeln auf eigene Gefahr kommt es nicht darauf an, ob der Spieler die Verletzung herbeiwünscht oder ob der Erfolg wahrscheinlich ist. Statt dessen muß gefragt werden, ob die Teilnahme am betreffenden Wettkampf als konkludente Erlaubnis zu einer Handlung zu werten ist, deren Verletzungserfolg der Betroffene zumindest im Sinne eines dolus eventualis in seinen Willen aufnimmt. Das muß mit dem B G H und der herrschenden Meinung jedenfalls für solche Sportarten verneint werden, in denen die Regeln Verletzungen gerade verhindern sollen. Hier steht dem Spieler die Möglichkeit der Verletzung nicht aktuell vor Augen, außerdem wäre es gerade beim Fußballspiel eine reine Fiktion, Kommunikationsakte zwischen sämtlichen Spielern anzunehmen. Für den Haftungsausschluß entscheidend ist vielmehr, daß es sich um einen regelgeleiteten sozialen Kontakt handelt. Nicht die einzelnen Spieler definieren die Grenze zwischen Recht und Unrecht, sondern die Spielregeln. Dementsprechend bietet für den einzelnen Sportler nicht das Einverständnis der Mitspieler den Handlungsanlaß, vielmehr vertraut er darauf, daß sein Verhalten objektiv erlaubt ist. Das wird bei einem Vergleich zwischen einer Verletzung beim regelgerechten Fußballspiel und einer Verletzung infolge einer Rangelei besonders deutlich, auf die der BGH mit Recht nur § 254 BGB angewandt hat 122 . Hier fehlt es an der objektiven Risikoabwägung, die zu einer ausdrücklichen Billigung des Geschehens führt. Nicht umsonst ist im einen Fall von „Sport", im anderen Fall von einer „Balgerei" 123 die Rede. Das Verhalten des Geschädigten ist aber in beiden Fällen gleich: Er läßt sich auf So Hager, a.a.O. Deutsch AHR, Rz. 294 und VersR 1974,1045 (1048); Lange, § 10 XV 2-4 (S. 644 ff.). 1,9 Deutsch, VersR 1974, 1045 (1051). 120 So Lange, § 10 XV 1 (S. 644); Palandt/Thomas, Rz. 122 zu § 823; krit. auch insoweit Soergel/Zeuner, Rz. 76 vor § 823; Staudinger/Schiemann, Rz. 67 zu § 254. 121 So Deutsch, VersR 1974, 1045 (1047) und MüKo/Mertens, Rz. 333 zu § 823, die allerdings unter der „Gefährdungseinwilligung" eine nach § 254 BGB zu behandelnde Art des Handelns auf eigene Gefahr verstehen; ähnlich Ehert, JuS 1999, 754 (759). 122 BGH NJW-RR 1995, 857(858). 123 A.a.O.,S. 858,1. Sp. 117

118

III.

Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

259

einen sozialen Kontakt ein, dessen Gefahren zwar erkennbar sind, die ihn aber nicht aktuell vor Augen stehen. Die subjektive Einstellung der Beteiligten zu möglichen Körperverletzungen und der Erlaubnisgehalt des Verhaltens dürfte sich in beiden Fällen nicht unterscheiden. Entscheidend ist also nicht die Einwilligung des Sportlers, sondern der Umstand, daß ein riskanter sozialer Kontakt gesellschaftlich geduldet und bestimmten Regeln unterworfen wird. Im Rahmen einer Arbeit zur Einwilligung kann es letztlich offenbleiben, ob die Haftung des Sportlers für Verletzungen seiner Mitspieler an fehlender Tatbestandsmäßigkeit oder fehlendem Verschulden scheitert. Der Notwehrtest spricht aber für erstere Lösung: Gegen einen nach Fußballregeln erlaubten Körpereinsatz darf der betroffene Gegenspieler trotz der Verletzungsgefahr keine Notwehr üben. Die Verletzung sollte hier also ausnahmsweise nicht die Rechtswidrigkeit indizieren: Wer sich an die Regeln hält, handelt erlaubt. Auch leichte Regelverstöße bleiben danach rechtswidrig, doch wird in aller Regel der Verschuldensvorwurf entfallen. Näher liegt die Annahme einer Einwilligung bei Kontaktsportarten wie dem Boxen, in denen es zwangsläufig zu Handlungen kommt, die nach allgemeinen Grundsätzen als Körperverletzungen zu beurteilen wären. Hier kann keiner der Beteiligten damit rechnen, ohne Schläge davonzukommen. Dennoch ist auch hier in erster Linie entscheidend, daß der Sport trotz seiner Gefährlichkeit bei Einhalten der Regeln 124 objektiv geduldet wird. Daher ist auch der Boxhieb gegen einen unerkannt einwilligungsunfähigen Gegner nicht rechtswidrig.

III. Persönlichkeitsrechte im übrigen 1. Recht am eigenen Bild Bildnisse dürfen nach § 22, 1 K U G nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Es handelt sich hier um einen praktisch äußerst relevanten und zudem um einen der wenigen gesetzlich geregelten Fälle der Einwilligung, daher haben sich Rechtsprechung und Literatur mit der Einwilligung nach § 22, 1 K U G vergleichsweise intensiv befaßt 125 . Vor allem auf die Arbeit von Dascb aus dem Jahre 1990, in der

124 Einigkeit besteht darüber, daß auch im Boxsport der Verletzer bei einer vorsätzlichen Regelüberschreitung in vollem Maße gemäß § 823 I B G B haftet, als Beispiel sei an den WM-Kampf im Schwergewicht zwischen Mike Tyson und Evander Holyfield am 28.6.1997 erinnert, in dessen Verlauf Tyson seinem Gegner ein Stück des rechten Ohrs abbiß. 125 Zu erwähnen sind hier insbesondere Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild (1990)•, Helle, AfP 1985,93 und Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht (1991), S. 101 ff.; Schricker/Gerstenberg, Rz. 13ff. zu § 60/§ 22 K U G .

260

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

Rechtsnatur und Wirksamkeitsvoraussetzungen eingehend erörtert werden, kann an dieser Stelle aufgebaut werden. Das Recht am eigenen Bild ist das Paradebeispiel eines Persönlichkeitsrechts mit potentiellem Vermögenswert. Ein Fotomodell lebt von der Kommerzialisierung des Rechtes am eigenen Bild, sie ist zweifellos möglich und von Grenzfällen abgesehen - unbedenklich. Damit stellt sich unter § 22 KUG die Frage in reiner Form, ob die Einwilligung als Instrument der Kommerzialisierung taugt. Die Ergebnisse des § 8 dieser Arbeit seien hier in aller Kürze in Erinnerung gerufen. Die einseitige, widerrufliche Einwilligung nach medizinrechtlichem Vorbild entspricht regelmäßig nicht den Absichten des Abgebildeten und des Verwerters, und es besteht beim Recht am eigenen Bild kein Anlaß, effektive Vermarktungsmöglichkeiten wegen der persönlichkeitsrechtlichen Natur des Vertragsgegenstands auszuschließen. Doch auch der von der wohl herrschenden Meinung gewählte Weg einer Anreicherung der einseitigen Einwilligung um Elemente der Lizenz ist eine Verlegenheitslösung, zu der weder die Natur der Persönlichkeitsrechte noch der Gesetzeswortlaut zwingen. Vielmehr sollte dem Abgebildeten die gesamte Palette von Dispositionsmöglichkeiten mit Ausnahme der translativen Rechtsübertragung zur Verfügung stehen. Der Begriff der „Einwilligung" in § 22 KUG umfaßt also schon de lege lata sämtliche Gestattungen, de lege ferenda sollte dieser Umstand verdeutlicht werden, indem das Wort „Einwilligung" durch das Wort „Zustimmung" oder „Gestattung" ersetzt wird.

2.

Namensrecht

a) Bürgerlicher Name und Familienrecht Der bürgerliche Name steht nicht zur freien Verfügung des Namensinhabers126 und kann nur unter engen Voraussetzungen geändert werden. Einige Vorschriften zur Namensänderung finden sich im Familienrecht. Sie knüpfen in ihrer Mehrzahl an einen familienrechtlichen Tatbestand wie die Ehe oder die Adoption an und regeln dessen Folgen für die Namen der Beteiligten127. Ehegatten sollen einen gemeinsamen Ehenamen wählen (§ 1355 I BGB), sie bestimmen ihn durch übereinstimmende Willenserklärungen 128 gegenüber dem Standesbeamten (§ 1355 III BGB). Der Ehegatte, der den Namen des 126 S. Nr. 30 I 1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen, abgedr. bei MüKoi/Schwerdtner, Anh. zu § 12. Im deutschen Recht wird damit der Ordnungsfunktion des Namens ein höherer Stellenwert eingeräumt als im römischen und im gemeinen Recht, wo der Grundsatz der Namensänderungsfreiheit herrschte, s. Klippel, Schutz des Namens, S. 42. 127 Vgl. insbesondere §§ 1355, 1757 BGB. 128 Zur Rechtsnatur der Bestimmungserklärung MüKo/Wacke, Rz. 14 zu § 1355.

III. Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

261

anderen annimmt, erlangt auf diese Weise ein eigenes, wenn auch abgeleitetes Namensrecht. Nach Auflösung der Ehe kann der angenommene Ehename weitergeführt werden. Den speziellen Untersagungstatbestand des früheren § 57 EheG für den Fall schwerer sittlicher Verfehlungen enthält das neue Recht nicht mehr. Dennoch kann das Recht, den angenommenen Ehenamen weiterzuführen, in extremen Fällen verwirkt werden 129 . So verhilft § 12 BGB zu einem Unterlassungsanspruch gegen einen Serienbetrüger, der den neuen Namen zur Verübung weiterer Straftaten nutzt 130 . Während bei § 1355 BGB das Einwilligungselement noch weitgehend hinter die Änderung des familienrechtlichen Status zurücktritt, tritt es bei der Einbenennung nach §§ 1617 a II, 1618 BGB, die eine Namenserteilung unter Ausschluß aller familienrechtlichen Konsequenzen bewirkt 131 , deutlicher hervor. Verschiedene Zustimmungen sind hier zu unterscheiden. Die Einbenennung selbst wird vom Gesetz nicht als „Einwilligung" bezeichnet, obwohl es sich der Sache nach um eine Gestattung handelt, da der Namensinhaber einer anderen Person ein tatsächliches Verhalten erlaubt, das ohne diese Erlaubnis Abwehransprüche nach § 12 BGB auslösen würde. In der Tat bezeichnete das RG in einer frühen Entscheidung die Erlaubnis des Vaters als „Einwilligung". Sie verleihe dem unehelichen Kind zwar kein subjektives Namensrecht, führe aber zum Ausschluß aller Abwehransprüche des Namensträgers 132 . Anders ist die Rechtslage nach §§ 1617a II, 1618 BGB: Das Kind erhält durch die Einbenennung selbst den betreffenden Familiennamen, die Eintragung ins Geburtenbuch hat nur deklaratorische Bedeutung 133 . Die einseitige Einbenennung durch den allein sorgeberechtigten Elternteil (§ 1617a II BGB) ist nach wohl allgemeiner Ansicht ein einseitiges Rechtsgeschäft 134 . Auch für die beiderseitige Einbenennung durch sorgeberechtigten Elternteil und Stiefelternteil (§ 1618, 1 BGB) besteht Einigkeit über die rechtsgeschäftliche Natur der Erklärung, umstritten ist nur, ob es sich um ein einseitiges oder ein zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt 135 . Von der Einbenennungserklärung sind die nach §§ 1617a II 2, 1618, 3 erforderlichen „Einwilligungen" des anderen Elternteils und gegebenenfalls des Kindes zu unterscheiden. Hier handelt es sich um Zustimmungen zu einem Rechtsgeschäft, also um Zustimmungen im Sinne der §§ 182 ff. BGB, wobei allerdings die „Einwilligung" MüKo/Wacke, Rz. 28 zu § 1355. OLG Braunschweig NJW 1979, 1463 (1464). 131 Erman/Michalski, Rz. 4 zu § 1618; zu § 1618 a.F. Diederichsen, NJW 1976, 1169 (1175); MüKo/Hinz, Rz. 1 zu § 1618. 132 RGZ 5, 171 (175f.); vgl. auch RG JW 1924, 164 und Bußmann, S. 113. 133 Palandt/Diederichsen, Rz. 23 zu § 1618; zu § 1618 a.F. BayObLG FamRZ 1964, 457f.; MüKo/Hinz, Rz. 24 zu § 1618. 134 Palandt/Diederichsen, Rz. 20 zu § 1617a; MüKo/Hinz, Rz. 17 zu § 1618 a.F. 135 Für ersteres Erman/Michalski, Rz. 4 zu § 1618; Palandt/Diederichsen, Rz. 13 zu § 1618; für letzteres MüKo/Hinz, Rz. 17f. zu § 1618 a.F. 129 130

262

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

entgegen § 183 B G B nicht vor der Einbenennungserklärung erklärt zu werden braucht 1 3 6 , wie sich mittlerweile wohl aus der Verweisung auf § 1617c I B G B ergibt. Auch wenn die Einwilligungen nach den genannten Vorschriften damit nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, ist doch interessant, daß § 1617c I B G B in Satz 2 beschränkt geschäftsfähigen Kindern ab Vollendung des 14. Lebensjahres eine eigene Einwilligungszuständigkeit zuweist, allerdings zusätzlich die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters verlangt. b) Name und Firma Ausdrücklich wird der Begriff der „Einwilligung" im Firmenrecht verwandt, das in dieser Hinsicht durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 nicht verändert wurde. Die Fortführung der Firma durch den Erwerber eines Handelsgeschäfts ist nur zulässig, „wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen" (§ 22 I H G B ) . Gemäß § 24 I H G B darf die Firma bei Gesellschafterwechsel grundsätzlich fortgeführt werden, ohne daß irgend jemand zustimmen müßte. Nur wenn die Firma den bürgerlichen Namen des ausscheidenden Gesellschafters enthält, ist gemäß § 24 II H G B dessen Einwilligung erforderlich. Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 18 II, 200 IV U m w G . Allerdings verschleiert die unglückliche Wortwahl des Gesetzgebers, daß sich hinter dem Begriff „Einwilligung" verschiedene rechtliche Gestaltungsformen verbergen können. Das wird vor allem bei einem Blick auf die Transaktionen deutlich, die von § 22 H G B erfaßt werden. Die „Einwilligung" des bisherigen Inhabers hat, vor allem wenn die Firma seinen bürgerlichen Namen enthält, zwei Gegenstände 137 : Zum einen verschafft sie dem Erwerber das Recht an der Firma, zum anderen schließt sie Abwehransprüche des Namensinhabers gemäß § 12 B G B gegen die Verwendung der Firma in Zukunft aus. Die Übertragung der Firma ist nach mittlerweile 138 ganz herrschender Ansicht eine translative Rechtsübertragung gemäß §§ 413, 398 ff. B G B 1 3 9 . Der Erwerber erlangt das volle, abgeleitete Firmenrecht, kann also im eigenen Namen gegen Dritte Abwehransprüche gemäß §§ 12 B G B , 37 H G B erheben, die Firma weiterübertragen und sich auf die Priorität der Firma berufen. Enthält die Firma den Namen des bisherigen Firmeninhabers oder, im Fall des § 24 II H G B , des ausscheidenden Gesellschafters, so ist die „Einwilligung" aber zugleich Disposition über dessen Namensrecht. Nach wohl herrschender Meinung muß zwischen dem übertragbaren Firmenrecht und dem un136 Dieser Punkt war unter § 1618 a. F. umstritten, wie hier Palandt/ Diederichsen, Rz. 6 zu § 1618 a.F.; MüKo/Hinz, Rz. 22 zu § 1618 a.F.; a. A. O L G Stuttgart StAZ 1979, 202. 137 Hierzu eingehend Köhler, FS Fikentscher, S. 494; Canaris H R , § 10, Rz. 27 ff. 138 Anders die ältere Rechtsprechung, vgl. R G Z 9, 104 (106); 107, 31 (33). 139 Baumbach/Hopt, Rz. 9 zu § 22; Canaris, § 10, Rz. 30; Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (499); MüKo/Bokelmann, Rz. 41 zu § 22, Rz. 7 zu § 23; Staub/Hüffer, Rz. 24 zu § 22.

III.

Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

263

übertragbaren Namensrecht unterschieden werden 140 . Mit der Veräußerung des Geschäftsbetriebs löst sich die Firma vom Namensträger und wird zum reinen Immaterialgüterrecht, zur Übertragung kommt aber eine namensrechtliche Gestattung hinzu. Bei ihr handelt es sich nach überwiegender Ansicht im Rahmen des § 22 HGB um einen schuldrechtlichen Vertrag 141 , bei § 24 II HGB hingegen um eine einseitige Gestattung 142 , nach der Gegenansicht Forkels um eine gebundene Rechtsübertragung 143 . Canaris hielt früher das Firmenrecht, sofern die Firma den Namen des Kaufmanns enthält, für ein beschränktes gegenständliches Namensrecht, das im Fall des § 22 HGB insgesamt übertragen wird 144 , hat diese Ansicht aber mittlerweile aufgegeben und faßt nunmehr das Firmenrecht des Erwerbers als eigenständiges Vollrecht auf, das sich bereits als solches gegenüber dem Namensrecht des Veräußerers durchsetzt 145 . Im Fall des § 24 II HGB soll hingegen ein gegenständlich wirkender Teilverzicht des ausscheidenden Gesellschafters auf sein Untersagungsrecht aus § 12 BGB vorliegen 146 . Sämtliche Konstruktionen haben gemeinsam, daß dem Namensinhaber die Befugnis verbleibt, gegen einen ehrschädigenden Gebrauch der Firma nach § 12 BGB vorzugehen. Diese Befugnis ergibt sich entweder aus der Auslegung der namensrechtlichen Gestattung oder Ubertragung, die nur die Nutzung der Firma zum ordnungsgemäßen Verhalten im Wirtschaftsverkehr umfaßt 147 , oder aus einem Rückrufsrecht analog § 42 UrhG 1 4 8 . Hingegen spricht sich Gotting149 gegen eine solche Abwehrbefugnis des bisherigen Namensträgers aus: Als reines Immaterialgüterrecht gehe die Firma ohne jeden persönlichkeitsrechtlichen Rest auf den Erwerber über. Die Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit sei nur kurz skizziert. Die Unterscheidung zwischen dem rein immaterialgüterrechtlichen Firmenrecht und den verbleibenden namensrechtlichen Befugnissen des bisherigen Inhabers hat den Vorteil, in gleicher Weise auf das Markenrecht anwendbar zu sein, das nach allgemeiner Ansicht ein reines Immaterialgüterrecht darstellt, 140 So, wenn auch mit unterschiedlicher Bewertung der namensrechtlichen Gestattung Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (495 ff.); Forkel, FS Paulick, S. 101 ( l l l f . ) ; Klippel, Schutz des Namens, S. 479ff.; MüKo/Bokelmann, R z . 8 zu § 23; Staub/Hüffer, Rz. 24 zu § 22. 141 B G H G R U R 1991, 393 (394) - „ O t t International"; B G H Z 119, 237 (241) - „Universitätsemblem"', 122, 71 (73) - „Decker"', Köhler, a. a. O., S. 500ff. 142 B a y O b L G N J W 1998, 1158 (1159); O L G M ü n c h e n DB 1999,2353 (2354) - „vossius.de"; Koller/Roth/Morck, Rz. 19 zu § 24; Staub/Hüffer, Rz. 12 zu § 24. 143 Forkel, FS Paulick, S. 101 (112 ff.); N J W 1993,3181 ff.; ebenso für § 22 Staub/Hüffer, Rz. 24 zu § 22; offen MüKo/Bokelmann Rz. 8 zu § 23. 144 Canaris HR 2 2 , § 10 I 4, II 2 c, d (S. 158, 160 f.). 145 Canaris H R , § 10, R z . 9, 36. 146 A . a . O . , Rz. 47. 147 So Canaris H R , § 10, R z . 38; Köhler, a. a. O., S. 506 ff.; vgl. auch B G H Z 32,103 (111) - „Vogeler". 148 So Forkel, FS Paulick, S. 101 (114). 149 Gotting, S. 121 f.

264

§10

Ausgewählte

Anwendungsfälle

aber ebenfalls den Namen einer Person zum Gegenstand haben kann. Zudem ist bei Annahme eines einheitlichen Rechts schwer zu erklären, daß das Firmenrecht beim Tod des Namensträgers fortbesteht 1 5 0 . Die namensrechtliche Gestattung kann man mit Forkel als konstitutive, „gebundene" Rechtsübertragung oder mit Canaris als dinglichen Teilverzicht auf die Abwehrbefugnis aus § 12 B G B 1 5 1 ansehen. Auf diese Weise kann der Erwerber namensrechtliche Ansprüche gegen Dritte im eigenen Namen erheben und sich auf die Priorität des Namensrechts des Namensträgers berufen, ohne daß Zuflucht zu einer analogen Anwendung des § 986 I B G B genommen werden müßte 152 . Dem Interesse des Namensträgers, gegen eine ehrverletzende Verwendung seines „guten Namens" durch den Erwerber vorzugehen, kann man entgegen Gotting nicht jede Berechtigung versagen, wie soeben gesehen, ist es in vergleichbarer Weise im ehelichen Namensrecht anerkannt. Allerdings bedarf es zur Begründung des Abwehranspruchs aus § 12 B G B nicht der Annahme eines Rückrufsrechts, das im Handelsrecht anders als im Urheberrecht dogmatischen Bedenken ausgesetzt ist 153 . Wie im 3. Teil der Arbeit zu zeigen sein wird, ist die Auslegung der Gestattung gegenüber dem Rückruf vorrangig. Sie ergibt im Regelfall, daß die Gestattung zum Namensgebrauch kein Verhalten umfaßt, das dem Namensträger „Schande macht". Wichtiger als die Stellungnahme zum Verhältnis zwischen Firmen- und Namensrecht ist aber die Feststellung, daß aus der Entscheidung des Gesetzgebers für den Begriff „Einwilligung" in §§ 22, 24 H G B weder Schlüsse auf die Rechtsnatur dieser Gestattung noch auf einzelne Eigenschaften wie etwa die Widerruflichkeit gezogen werden dürfen. Mit Recht verwendet Roth bei seiner Kommentierung des § 22 H G B stets den Begriff „Einwilligung (Gestattung)" 1 5 4 , und Köhler setzt bei seiner Analyse des Verhältnisses zwischen Namens- und Firmenrecht den Begriff „Einwilligung" durchgängig in Anführungszeichen 155 . Für welche Konstruktion man sich auch entscheidet, die „Einwilligung" in §§ 22 H G B ist jedenfalls vertraglicher Natur. Verfehlt ist es daher, wenn im Schrifttum die Einwilligung nach § 22 H G B in den Grenzen des § 242 B G B für widerruflich gehalten wird 156 . Auch die Einwilligung im Sinne Zutreffend Köhler, a.a.O., S. 496; so mittlerweile auch Canaris H R , § 10, Rz. 9. Canaris H R , § 19, Rz. 47, wobei allerdings nicht einleuchtet, warum diese Konstruktion nicht auch für den Fall des § 22 gelten soll. Auch hier begibt sich der Veräußerer doch in dem vertraglich vereinbarten Ausmaß seines Abwehrrechts. Vgl. zur verwandten Frage im Urheberrecht unten, Fußn. 201. 152 So Forkel, a. a. O., S. 112 f.; a. A. Köhler, a. a. O., S. 501 f. 153 Gegen Forkel zutreffend Canaris HR, § 10, Rz. 38: Der Veräußerer kann den Geschäftsbetrieb nicht zurückverlangen, Firma und Geschäftsbetrieb sind aber gemäß § 23 H G B untrennbar verbunden. 154 Koller/Roth /Morck, Rz. 6, 11 zu § 22; inkonsequent dagegen Rz. 10 zu § 24. 155 Köhler, FS Fikentscher, S. 494 (498 und passim). 156 Zu Recht kritisch Köhler, a. a. O., S. 506 m. w. N. 150

151

III. Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

265

des § 24 II HGB läßt eine unwiderrufliche Nutzungsbefugnis entstehen und sollte daher ebenfalls als Vertrag aufgefaßt werden 157 . Es überzeugt nicht, daß in einigen Urteilen, die im Schrifttum mit Zustimmung zitiert werden, in scheinbarer Subsumtion unter den Gesetzestext die „Einwilligung" des Namensinhabers in § 24 II HGB als einseitige Gestattung angesehen wird 158 . Eine Änderung des Gesetzestextes wäre dringend wünschenswert. Während der Text der §§ 22 I, 24 II HGB noch ersichtlich vom Leitbild der Personenfirma ausgeht, wird sich nach der Liberalisierung des Firmenrechts die in erster Linie immaterialgüterrechtliche Sach- und Phantasiefirma 159 , die nunmehr auch der Einzelkaufmann wählen darf 160 , vermutlich immer mehr zum Normalfall entwickeln wird. Vor allem in dieser Situation verdunkelt der Begriff „Einwilligung" den wirklichen Charakter der Firmenübertragung 161 . c) Name und Merchandising Der Name einer bekannten Persönlichkeit läßt sich in ähnlicher Form wie ihr Bild in der Werbung vermarkten, etwa indem der Werbetext darauf hinweist, die Persönlichkeit benutze ein bestimmtes Produkt, oder indem der Name als Marke angemeldet wird, obwohl der Namensträger die Ware selbst nicht herstellt oder vertreibt 162 . Es ist unstreitig, daß der Namensträger gegen eine unbefugte kommerzielle Verwendung seines Namens vorgehen kann, Unklarheit besteht nur über die Rechtsgrundlage. Sofern in der Öffentlichkeit eine Zuordnungsverwirrung entsteht, ist das Namensrecht des § 12 BGB verletzt 163 . Allerdings gewinnt mittlerweile in Rechtsprechung und Schrifttum die Ansicht an Befürwortern, daß dies bereits der Fall ist, wenn der Eindruck entsteht, der Namensträger habe die Verwendung seines Namens gestattet 164 . Lediglich wenn eine Gestattung nicht angenommen werden kann,

157 Das gilt auch für die von Canaris vorgeschlagene Konstruktion eines dinglichen Teilverzichts. Sofern der Verzicht zugunsten einer bestimmten Person erklärt wird, bedarf er der Annahme, s. oben, § 8 IV 2, ebenso wohl Canaris HR, § 10, Rz. 47 mit Fußn. 57. 158 BayObLG NJW 1998, 1158 (1159); OLG München DB 1999, 2353 (2354) „vossius.de"-, offen hingegen nunmehr BGH NJW 2002, 2093 (2094f.) - „Vossius & Partner"; 2002, 2096 (2097) „vossius.de". 159 Auf die §22 fraglos ebenfalls anwendbar ist, s. Baumbach/Hopt, Rz. 1 zu §22; MüKo/Bokelmann, Rz. 3 zu § 22; Staub/Hüffer, Rz. 3 zu § 22. 160 Anders früher § 18 I HGB. 161 Darüber hinaus ist der teleologische Gehalt des § 22 I HGB für den Fall der Sachund Phantasiefirma ebenso fragwürdig geworden wie derjenige des § 24 II HGB, zur Kritik Canaris HR, § 10, Rz. 34, 46. 162 Beispiel: das Golf-Sondermodell „Bon Jovi". 163 BGHZ 30, 7 (9) - „Caterina Valente"; 81, 75 (78) - „Carrera"; MüKo/Schwerdtner, Rz. 104 f. zu § 12. 164 BGHZ 119, 237 (245f.) - „ U n i v e r s i t ä t s e m b l e m " ; Knaak, Rz 16; RGRK/KrügerNieland, Rz. 84 zu § 12; a. A. MüKo/Schwerdtner, Rz. 188 zu § 12.

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Ausgewählte

Anwendungsfälle

beispielsweise weil der Name in einem geschmacklosen Zusammenhang verwendet wird 165 , sollen sich die Abwehransprüche des Namensträgers aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergeben. Unabhängig von der Rechtsgrundlage schließt jedenfalls die Zustimmung des Namensträgers eine Rechtsverletzung aus. Damit besteht eine Interessenlage, die derjenigen bei der Verwertung des Rechts am eigenen Bild vergleichbar ist. Ein typischer Fall lag der vom B G H entschiedenen UniversitätsewzWera-Entscheidung zugrunde 166 . Die Universität Heidelberg hatte der Klägerin in einem Vertrag „die gewerblichen Verwertungs- und Nutzungsechte des Namens, Siegels und Wappens uneingeschränkt" übertragen. Der B G H gab ihrer Klage aus § 12 B G B gegen die Beklagten statt, die ohne Erlaubnis der Universität T-Shirts und Sweatshirts vertrieben hatten. Da der B G H das Namensrecht aber für unübertragbar hält und auch eine Übertragung der Unterlassungsansprüche an § 399 B G B scheitern läßt, muß er zu der umständlichen Konstruktion der gewillkürten Prozeßstandschaft Zuflucht nehmen, um das angemessene Ergebnis zu erzielen 167 . Auch hier erscheint es einfacher und überzeugender, für Dispositionen über das Namensrecht die gesamte Stufenleiter der Gestattungen mit Ausnahme der translativen Übertragung zur Verfügung zu stellen 168 , wobei allerdings das Allgemeininteresse an der Vermeidung von Zuordnungstäuschungen zu berücksichtigen ist. Gerade die konstitutive, „gebundene" Rechtsübertragung wird oft den Interessen der Parteien entsprechen, da sie es dem Verwerter erlaubt, aus eigenem Recht gegen die unbefugte Verwendung des Namens durch Dritte namensrechtliche Abwehransprüche geltend zu machen und sich dabei auf die Priorität des ursprünglichen Namens zu berufen 169 . Öffentliche Ordnungsinteressen sind nicht berührt, da bei einer berechtigten Nutzung des Namens im Rahmen des personality merchandising keine Zuordnungsverwirrung in der Öffentlichkeit entsteht. Den Interessen des Namensträgers läßt sich Rechnung tragen, indem man bei der Auslegung die urheberrechtliche Zweckübertragungslehre entsprechend heranzieht. Damit sind nicht nur unbestimmte Generaleinwilligungen ausgeschlossen, auch der Ausschluß ehrverletzender Verwendungen des Namens ergibt sich bereits aus der Auslegung der Gestattung. Dem Interesse des Namensträgers daran, bei einem Wandel seiner per165 Beispiele: B G H Z 30, 7 - „Caterina Valente" (Abbildung der Sängerin in einer Werbung für ein Haftpräparat für dritte Zähne); B G H Z 98, 94 - „BMW" (Aufkleber in Form der BMW-Marke mit dem Slogan „Bums Mal Wieder"). 166 B G H Z 119,237, dazu Forkel, N J W 1993, 3181 ff.; Schricker, EWiR § 12 B G B , 1/93. 167 Kritisch Schricker, a.a.O., Ziff. 4: „Die rechtliche Wertung hinkt hinter der wirtschaftlichen Realität her." 168 Forkel, N J W 1993, 3181 ff. und G R U R 1998, 491 (495 f.). 169 So Forkel, a.a.O.; dagegen erzielt die h.M. dasselbe Ergebnis durch eine analoge Anwendung des § 9861 B G B , so Erman/Westermann,Kz. 30 zu § 12\ MüKo / Schwerdtner, Rz. 76 zu § 12, beide m.w.N.; vgl. auch die oben zu § 22 H G B angeführten Nachweise.

III.

Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

267

sönlichen Überzeugungen dem kommerziellen Gebrauch seines Namens nicht hilflos ausgeliefert zu sein, läßt sich durch ein Rückrufsrecht analog § 42 U r h G Rechnung tragen. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich also, statt von einer „Einwilligung" von einer „Gestattung" zu sprechen und anschließend durch Auslegung der Vereinbarung zwischen Namensträger und Verwerter zu ermitteln, welche Gestattungsform der Absicht der Parteien am besten entspricht.

3.

Urheberpersönlichkeitsrecht

Das Urheberpersönlichkeitsrecht stellt im Rahmen der Persönlichkeitsrechte eine Besonderheit dar. Es ist einerseits ein Persönlichkeitsrecht, andererseits Teil des einheitlichen Urheberrechts, das auch die vermögensrechtlichen Belange des Urhebers schützt ( § 1 1 UrhG). Damit bekennt sich das deutsche Urheberrecht zur monistischen Theorie: Zwar wird zwischen Verwertungsrechten und dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterschieden, doch fließen beide Befugnisse aus einem einheitlichen Recht 1 7 0 ; es handelt sich, nach einem bekannten Wort Eugen Ulmers, um zwei Wurzeln eines einheitlichen Stamms 171 . Während das Urheberrechtsgesetz die Einräumung von Nutzungsrechten in §§ 31 ff. im einzelnen regelt, fehlen entsprechende Bestimmungen für Dispositionen über Urheberpersönlichkeitsrechte. In welchem Maße sie möglich sind, ist bisher ebensowenig abschließend geklärt wie die Frage, wie solche Rechtsgestaltungen dogmatisch zu erfassen sind 172 . Während sich einzelne Autoren gegen jede vertragliche Einschränkungsmöglichkeit aussprechen 173 , halten andere bindende schuldrechtliche Vereinbarungen 174 oder sogar Rechtsgeschäfte mit gegenständlicher Wirkung wie die konstitutive, „gebundene" Rechtsübertragung 175 oder den Verzicht 176 für möglich. Die jeweiligen Ansichten werden oft nur knapp und ohne Abstimmung mit den Systembegriffen des bürgerlichen Rechts angedeutet 177 . Auch die Terminologie des Gesetzes ist schwankend. Während der Gesetzgeber in den §§ 12 ff. U r h G davon abgesehen hat, den Begriff der „Einwilligung" zu verwenden, findet er sich in 170 Vgl. Ulmer, § 17 II, 18 (S. 112ff.); Schricker/Dietz, Rz. 11 ff. vor §§ 12ff.; Rehbinder, § 8 II (Rz. 75 ff.). 171 Ulmer, § 18 I 4 (S. 116). 172 Vgl. zum Meinungsstand Schricker /Dietz, Rz. 26 ff. vor §§ 12 ff.; Schricker in FS Hubmann, S. 409 (413ff.); Metzger, S. 37ff.; Forkel, § 13 (S. 168ff.,); Rehbinder, §§44 (Rz. 318 ff.). 173 So Möhring/Nicolini/Kroitzsch, Rz. 14 zu § 11. 174 So Schricker / Dietz, Rz. 2 6 v o r § § 12{{.m.w.~N.;Fromm/Nordemann/Hertin,'Rz. 4 vor § 12 ff. 175 So Forkel, a.a.O. und G R U R 1988, 491 (496ff.); Metzger, S. 226f.; Rehbinder, Rz. 320; dagegen Ulmer, § 89 I (S. 379); Fromm/Nordemann/Hertin, Rz. 4 vor § 12. 176 Grundlegend Seetzen, der Verzicht im Immaterialgüterrecht (1969), S. 42ff. 177 Entsprechende Kritik bei Schricker, Informationsgesellschaft, S. 90.

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5 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

anderen Bestimmungen, ohne daß diesem Sprachgebrauch offenbar eine einheitliche Konzeption zugrunde liegt 178 . N a c h § 23, 1 U r h G dürfen Bearbeitungen und Umgestaltungen nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Diese „Einwilligung" ist nach Loewenheim in der Regel als Einräumung eines gegenständlichen Nutzungsrechts aufzufassen 179 , sie ist damit Oberbegriff für sämtliche Gestattungsformen. Die von Vinck vertretene Gegenansicht, gemeint sei eine Erklärung i.S.d. § 183 BGB 180 , übersieht, daß sich die Einwilligung hier auf ein tatsächliches Verhalten und nicht auf ein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft bezieht 181 . Besondere Schwierigkeiten bereitet die dogmatische Einordnung der „Einwilligungsrechte" 182 des ausübenden Künstlers nach §§ 74 ff. U r h G und des Veranstalters nach § 81 U r h G . Das Gesetz sieht hier bewußt davon ab, von der Einräumung von Nutzungsrechten zu sprechen. G r u n d dafür ist nach v. Gamm, daß der Gesetzgeber das Recht des ausübenden Künstlers als einheitliches Leistungsschutzrecht mit Persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Elementen ausgestaltet hat 183 . Die Äußerungen des Schrifttums zur Rechtsnatur dieser Einwilligung fallen nicht eindeutig aus. Krüger bezieht sich auf das Schrifttum zur Einwilligung im allgemeinen Zivilrecht und bezeichnet sie als einseitige Erklärung, die kein ausschließliches Recht beim Einwilligungsempfänger zur Entstehung bringe, sondern lediglich „Duldung fremder Rechtsausübung" sei 184 . Immerhin werde diese „Einwilligung" in der Regel im Rahmen eines schuldrechtlichen Vertrages erteilt, statt dessen sei aber auch die Erteilung einer einseitigen, widerruflichen Einwilligung möglich 185 . U m eine gesetzliche Klärung der Frage nach dem zulässigen Ausmaß rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen über Urheberpersönlichkeitsrechte bemühte

178 Vgl. außer den im folgenden Text genannten Vorschriften § 8 II U r h G , auf den unten, § 14 II 2, im Z u s a m m e n h a n g mit der Rechtsinhaberschaft mehrerer z u r ü c k z u k o m men sein wird, u n d §§ 113 ff. U r h G , die f ü r die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in das U r h e b e r r e c h t u n d in dem U r h e b e r gehörende Originale auf die Einwilligung des U r h e b e r s abstellen, diese „Einwilligung" wird in der Literatur allgemein als Fall des § 183 B G B angesehen, vgl. Schricker/Wild, § 3 zu § 113; Fromm/Nordemann/Vinck, Rz. 2 zu §113. 179 Schricker/Loewenheim, Rz. 27 zu § 23; v. Gamm, Rz. 3, 5 zu § 23. 180 Fromm/Nordemann/Vinck, Rz. 3 zu § 23; Möhring/Nicolini/Ahlberg, Rz. 10 zu § 23; dagegen zutreffend v. Gamm, Rz. 3 zu § 23 u n d Einl. Rz. 28. 181 S. zu diesem Unterschied oben, § 1 II. 182 Dieser Begriff hat sich im Anschluß an § 80 II U r h G eingebürgert, vgl. Ulmer, § 123 (S. 524); Schricker/Krüger, Rz. 11 vor §§ 73 ff. 183 v. Gamm, Einl. Rz. 36, 37, der die Begriffswahl des Gesetzgebers, vor allem beim Recht des Veranstalters, kritisiert; vgl. auch Schricker/Krüger, Rz. 11 f. vor §§ 73 ff. Z u r monistischen D e u t u n g der Leistungsschutzrechte vgl. Schricker/Dietz, Rz. 18 vor §§ 12 ff.; dagegen Schack U r h R , Rz. 606. 184 Schricker/Krüger, Rz. 7 zu § 74. 185 Vgl. Ulmer, 123 III 2 (S. 528); Schricker /Krüger, Rz. 8 , 1 0 zu § 74.

III. Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

269

sich der „Professorenentwurf" zur Reform des Urheberverrtagsrechts 186 . § 39 des Entwurfs, der aber vom Gesetzgeber nicht übernommen wurde 187 , erklärt Vereinbarungen über die Veröffentlichung des Werks, die Urheberbezeichnung und über Änderungen des Werks in eingeschränktem Ausmaß für zulässig. Insbesondere soll der Urheber nach § 39 II „für eine genau beschränkte Nutzung auf die Anbringung der Urheberbezeichnung und die Nennung des Urhebernamens verzichten" und nach § 39 III Änderungen des Werkes, seines Titels oder der Urheberbezeichnung gestatten können, sofern diese Änderungen im Zusammenhang mit einer Werknutzung stehen, nach Art und Ausmaß genau bezeichnet sind und sich auf eine bestimmte beschränkte Nutzung des Werkes beziehen. Der Verzicht nach Abs. 2 und die Gestattung nach Abs. 3 sollen widerruflich sein, allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft und für solche Nutzungen, die noch nicht begonnen wurden. Wie der Entwurf zeigt, muß eine Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit und dem Ausmaß von Dispositionen über Urheberpersönlichkeitsrechte differenziert ausfallen 188 , zumal die einzelnen Befugnisse unterschiedliche rechtslogische Strukturen aufweisen. Das Veröffentlichungsrecht wird seiner Natur nach durch einmalige Ausübung verbraucht 189 , das Recht auf Urhebernennung umfaßt sowohl ein Abwehrrecht als auch einen Anspruch auf die Vornahme einer Handlung, während das Recht, Entstellungen zu verbieten, in erster Linie eine Abwehrbefugnis enthält. Zudem bestehen Unterschiede zwischen der Verwertung und der treuhänderischen Wahrnehmung 190 . Hier ist nicht der Raum, auf sämtliche möglichen Gestaltungsformen einzugehen, zumal jüngst Metzger eine eingehende Untersuchung zu Rechtsgeschäften über das Urheberpersönlichkeitsrecht vorgelegt hat, auf deren Ergebnisse hier verwiesen werden kann 191 . Der Beitrag zur Dogmatik der Verfügungen über Urheberpersönlichkeitsrechte, den die Einwilligungslehre zu leisten vermag, darf ohnehin nicht überschätzt werden. Sie kann nur systematisieren, nicht aber aus eigener Kraft die Frage beantworten, in welchem Ausmaß Persönlichkeitsrechte disponibel sind. Die Stufenleiter der Gestattungen zwingt 186 Dietz/Loewenheim/Nordemann/Schricker/Vogel, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern, GRUR 2000, 765. 187 § 39 wurde in unveränderter Form beibehalten, vgl. die Gegenüberstellung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/6433 v. 26.6.2001, und der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 14/8058 v. 23.1.2002, S. 9f., doch wurde bei der Redaktion des Gesetzestextes offenbar übersehen, daß § 29 II UrhG n. F. nach wie vor auf die „in § 39 geregelten Rechtsgeschäfte über Urheberpersönlichkeitsrechte" verweist. 188 Vgl. auch die Begründung zu § 39, GRUR 2000, 765 (776). 189 Schricker/Dietz, Rz. 26 vor §§ 12 ff. 190 Vgl. BGHZ 15, 249 - „Cosima Wagner"-, BGH GRUR 1971, 35 - „Maske in Blau" m. Anm. Ulmer, Ulmer, § 89 II 1 (S. 380). 191 Metzger, Rechtsgeschäfte über das Droit moral im deutschen und französischen Urheberrecht (2002).

270

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

nur zur klaren Unterscheidung der unterschiedlich intensiven Gestattungsformen, nicht hingegen für jede beabsichtigte Rechtsgestaltung zu einer bestimmten dogmatischen Konstruktion. Ob also Änderungen am Werk nur durch widerrufliche Einwilligung, durch schuldrechtliche Gestattung oder sogar durch konstitutive Rechtsübertragung erlaubt werden können, ist eine genuin urheberrechtliche Frage, deren Antwort hier allenfalls angedeutet werden kann. Das Gesetz besagt nur, daß das Urheberrecht insgesamt inter vivos nicht übertragbar ist (§ 29 I UrhG), daraus folgt aber nicht die Unmöglichkeit konstitutiver Rechtsübertragungen 192 , geschweige denn schuldrechtlicher Gestattungen. Im Gegenteil läßt § 39 I UrhG auf die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Änderung des Werks, des Titels oder der Urheberbezeichnung schließen 193 . Im Vergleich zu den übrigen Persönlichkeitsrechten spricht sogar als zusätzliches Argument für die Zulässigkeit bindender Gestaltungen, daß über das Urheberpersönlichkeitsrecht meist im Zusammenhang mit der Einräumung von Nutzungsrechten disponiert wird. Dabei müssen dem Verwerter zumindest diejenigen Eingriffsbefugnisse verschafft werden können, die er zur Ausübung seines Nutzungsrechts benötigt 194 . So schließt die Einräumung des Verlagsrechts an einem bisher unveröffentlichten Buch die Verfügung über das Veröffentlichungsrecht zwangsläufig mit ein 195 . Auch wenn eine Verfilmung eines Romans beabsichtigt ist, die erheblich von der Vorlage abweicht, so muß der Produzent durch Vereinbarung mit dem Autor sicherstellen können, daß die Verfilmung in der abgesprochenen Form möglich ist 196 . Der Schutz der Persönlichkeitsinteressen des Urhebers zwingt keineswegs zum Ausschluß jeder Bindung, sondern - wie unten 197 im Anschluß an Schrickerm näher auszuführen sein wird - nur zur Kontrolle ihres Umfangs. Kennt im Beispiel der Verfilmung der Urheber die beabsichtigte Änderung vor Erteilung der Gestattung, so kann er grundsätzlich an ihr festgehalten werden 199 . Gestattet er die Änderung unter diesen Voraussetzungen, so handelt es sich nach hier vertretener Ansicht 200 nicht um eine einseitige EinwilliS. oben § 8 II 3, und Metzger, S. 165 ff. Schricker, Informationsgesellschaft, S. 79 und die Begründung zu § 39 des Reformentwurfs, GRUR 2000, 765 (777). 194 Darüber besteht Einigkeit, vgl. Fromm/Nordemann/Hertin, Rz. 4; Ulmer, § 89 I (S. 379); Schricker/Dietz, Rz. 26 vor §§ 12ff. m.w.N. Umstritten ist aber, ob daraus die Möglichkeit gebundener Rechtsübertragungen folgt, dafür Schuck UrhR, Rz. 563. 195 Vgl. BGHZ 15, 249 (258) - „Cosima Wagner". 1% Beispiel: OLG München GRUR 1986,460 - „Die unendliche Geschichte"; näher zu diesem Fall unten, § 14 IV 3 b. 197 § 14 IV 3 a, b. 198 Schricker, FS Hubmann, S. 409 (417 ff.), und Informationsgesellschaft, S. 93 ff. 199 OLG München, a.a.O., S. 463; Schricker, FS Hubmann, S. 409 (419). 200 S. oben, § 8 II-IV, insb. IV 2. 192

193

IV. Absolute

Vermögensrechte

271

gung. Die Änderung des Werks kann in bindender Form nur vertraglich gestattet werden, dabei ist es Auslegungsfrage, ob eine schuldrechtliche Gestattung oder darüber hinaus die Einräumung einer gegenständlichen Rechtsposition beabsichtigt ist 201 . Letzteres kommt vor allem in Betracht, wenn der Verwerter die Möglichkeit erhalten soll, selbständig gegen Entstellungen des Werkes durch Dritte vorzugehen 202 . Das Beispiel zeigt, daß Dispositionen über Urheberpersönlichkeitsrechte verschiedene Formen annehmen können. Oft entsprechen Gestaltungen mit gegenständlicher Wirkung wie die konstitutive Rechtsübertragung und der Verzicht oder rein schuldvertragliche Gestattungen der Absicht der Beteiligten. In diesem Fall sollte der Begriff „Einwilligung" vermieden werden, da er die Verwechslung mit der einseitigen Erlaubnis und der vorherigen Zustimmung im Sinne des § 183 BGB begünstigt und außerdem die freie Widerruflichkeit suggeriert.

IV. Absolute Vermögensrechte

1. Eigentum

und beschränkte

dingliche

Rechte

Das Eigentum gewährt dem Eigentümer das Recht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903, 1 BGB). Das Gesetz stellt ihm eine Stufenleiter rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch hier sollte zwischen der translativen Rechtsübertragung, den verschiedenen Formen der Belastung, schuldrechtlichen Gestattungsverträgen wie der Miete, Pacht oder Leihe und der einseitigen, widerruflichen Einwilligung unterschieden werden 203 . Im Gegensatz zur widerruflichen Einwilligung erfordern die meisten gesetzlich geregelten Dispositionen einen Vertrag; auch die Verschaffung von berechtigtem Besitz im 201 Da bei der Gestattung von Änderungen dem Verwerter in jedem Fall eine positive Handlungsbefugnis zu deren Vornahme eingeräumt werden soll, handelt es sich wohl nicht um einen Verzicht des Urhebers, sondern um eine Gestattung, a.A. Schricker, FS Hubmann, S. 409 (410), vgl. auch Seetzen, S. 48; insgesamt kritisch zur Figur des Verzichts in diesem Zusammenhang Metzger, S. 39 (Fußn. 221). Etwas anderes gilt, wenn die urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnis nach ihrer rechtslogischen Struktur einen Anspruch auf eine Handlung darstellt. Auf einen solchen Anspruch kann der Urheber verzichten, wobei, da der numerus clausus des Sachenrechts nicht gilt, auch ein Verzicht gegenüber einer Person möglich ist, vgl. Seetzen, S. 44 ff.; Schricker/Schricker, Rz. 18 zu § 29; zu § 24 II HGB Canaris HR, § 10, Rz. 47. In diesem Sinne auch die Terminologie in § 39 des Diskussionsentwurfs zur Urheberrechtsreform. 202 Für die Möglichkeit einer gebundenen Rechtsübertragung in diesem FallForkel, S. 187 und in GRUR Int. 1988,491 (497); Rehbinder, § 44 I (Rz. 319f.); für eine Ermächtigung nach § 185 I BGB mit dem prozessualen Gegenstück einer Prozeßstandschaft Schack UrhR, Rz. 564f.; Ulmer, § 89 I (S. 379). 203 S. oben, § 8 III 2.

272

$ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

Rahmen von Gebrauchsüberlassungsverträgen sollte als Vertrag angesehen werden 2 0 4 . Einen Grenzfall stellt die in § 956 B G B geregelte Aneignungsgestattung dar; nicht umsonst wird die Erlaubnis zum Ernten von Früchten im Rahmen von Abhandlungen über die Einwilligung bisweilen als Beispiel angeführt 2 0 5 . Die Rechtsnatur der Aneignungsgestattung ist umstritten 2 0 6 . N a c h der Ubertragungstheorie handelt es sich um einen Sonderfall des § 929 B G B 2 0 7 , nach der wohl herrschenden Aneignungstheorie hingegen um eine einseitige Verfügung, die eine ebenso einseitige Erwerbsberechtigung begründet 2 0 8 . Unabhängig von der dogmatischen Konstruktion unterscheidet sich die Aneignungsgestattung von der Einwilligung jedenfalls darin, daß es sich um eine translative Rechtsübertragung handelt: Das Eigentum an den Früchten geht unter den Voraussetzungen des § 956 B G B vollständig auf dem Erwerber über, während sich bei der Einwilligung die Rechtsinhaberschaft nicht ändert. Dennoch bestehen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechtsinstituten. Insbesondere wird sich zeigen, daß die Widerruflichkeit gleich zu beurteilen ist: Wie gem. § 956 I 2 B G B die Aneignungsgestattung, so ist auch die Einwilligung nur dann unwiderruflich, wenn der Rechtsinhaber zur Gestattung verpflichtet ist. I m Gegensatz zum Eigentum verleihen beschränkte dingliche Rechte ihrem Inhaber nur eine eingeschränkte Dispositionsmacht. D i e Beschränkung kann sich darin äußern, daß nur bestimmte Arten von Dispositionen möglich sind. So ist der Nießbrauch unübertragbar, doch seine Ausübung kann anderen überlassen werden (§ 1059 B G B ) . Vermietet der Nießbraucher den G e genstand, so handelt es sich nicht einmal um eine Überlassung zur Ausübung, vielmehr übt der Nießbraucher sein Recht durch die Vermietung selbst aus 209 . Dementsprechend kann er einem Dritten die Nutzung des Gegenstandes auch durch einfache Einwilligung gestatten. D e r Inhaber einer Dienstbarkeit kann dem Eigentümer eine Handlung erlauben, die ansonsten die Dienstbarkeit beeinträchtigen und daher gem. § 1027 B G B Abwehransprüche auslösen würde. Sofern er die Erlaubnis einem Dritten erteilt, entfaltet sie gegenüber dem Eigentümer nur Wirksamkeit, wenn sich die Handlung innerhalb der von der Dienstbarkeit umfaßten Nutzung hält. 204 205 206

§ 956.

S. oben, § 8 III 2. Etwa von Dietz, S. 233. Vgl. die umfassende Darstellung des Streitstands bei Staudinger/Gursky,

Rz. 7 ff. zu

207 So im Anschluß an Mot. III, S. 368, RGZ 78, 35 (36); 108, 269 (272); Heck SachR, § 63, 5 (S. 265); Zitelmann, JherJB 70 (1921) 1 (28 ff., 36ff.). 208 So Baur/Stürner, § 53, Rz. 57; Erman/Hefermehl, Rz. 4 zu § 956; Westermann, § 57 III 2 b (S. 462 f.); MüKo/Quack, Rz. 2 zu § 956; Soergel/Mühl, Rz. 2 zu § 956; Staudinger/ Gursky, Rz. 9 zu § 956. 209 BGHZ 109, 111 (1. Leitsatz und 115); MüKo/Petzoldt, Rz. 4 zu § 1059; Palandt/ Bassenge, Rz. 2 zu § 1059.

IV. Absolute

2.

Vermögensrechte

273

Besitz

Nach den Ergebnissen des § 9 dieser Arbeit ist die Einwilligung ein Rechtsgeschäft. Ein wesentlicher Einwand gegen diese These wurde dort allerdings noch nicht erörtert: Besitzschutzansprüche nach §§ 861, 862 BGB bestehen gem. § 858 I BGB nur, wenn die Wegnahme oder Beeinträchtigung ohne den Willen des Besitzers erfolgt ist. Die Zustimmung des Besitzers ist aber nach herrschender Meinung kein Rechtsgeschäft 210 , sondern Kundgabe eines natürlichen Willens211. Als solche ist sie gegen Irrtum und Täuschung resistent 212 und verlangt keine Geschäfts- oder Einsichtsfähigkeit, sondern nur die Fähigkeit, einen Willensentschluß zu fassen 213 . Auch an die Kundgabe der Zustimmung werden nur geringe Anforderungen gestellt. Das RG bejahte sie in einem Fall, in dem der Besitzer ins Ausland geflohen war: Seine nach außen deutlich gewordene Gleichgültigkeit schließe die Annahme eines entgegenstehenden Willens aus214. Wenn die Zustimmung des Besitzers i. S. d. § 858 BGB ein Unterfall der Einwilligung ist215, so läßt sich die These von deren rechtsgeschäftlicher Natur nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten. Vielmehr wäre zu prüfen, ob nicht auch für weitere Fälle der Einwilligung der natürliche Wille genügt. Allerdings ist äußerst umstritten, ob der Besitz als solcher als „sonstiges Recht" durch § 823 I BGB geschützt ist216. Klarer als in der Rechtsprechung, die diese Frage teilweise pauschal bejaht hat 217 , wird in der Literatur zwischen berechtigtem und unberechtigtem Besitz differenziert. Der auf einer obligatorischen Berechtigung beruhende Besitz ist nach allgemeiner Ansicht ein Recht im Sinne des § 823 I BGB, wobei allerdings einige Autoren auf den berechtigten Besitz218, andere auf das Besitzrec^i abstellen 219 . Demgegenüber 210 A.A. aber Heck SachR, § 13, 6a (S. 48f.); Baur/Stürner, § 9, Rz. 5; Mittenzwei, MDR 1987, 883 (884). 211 B G H Z 4, 10 (37); Erman/Werner, Rz. 6 zu § 858; MüKo/Joost, Rz. 7 zu § 858; Soergel/Mühl, Rz. 5 zu § 858; Staudinger/Bund, Rz. 18 zu § 858. 212 B G H Z 4, 10 (37); MüKo/Joost, Rz. 8 zu § 858; Staudinger/Bund, Rz. 21 zu § 858 m. w. N. 213 MüKo/Joost, Rz. 8 zu § 858; a. A. Heck, SachR, § 13, 6a (S. 48f.); ähnlich Mittenzwei, MDR 1987, 883 (884). 214 RGZ 72, 192 (198f.). 215 Die Frage wird im Schrifttum selten erörtert, immerhin verweisen MüKo/Joost, Rz. 7 zu § 858 mit Fußn. 36 und Staudinger/Bund, Rz. 19 zu § 858 auf den Aufsatz Kohtes zur Einwilligung. 216 Vgl. die Nachweise zum Streitstand bei MüKo/Mertens, Rz. 145ff. zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. B 167 ff. zu § 823; Medicus, AcP 165 (1965) 115 ff.; Larenz / Canaris SchRII/2, §76 II 4 f (S. 396 f.). 217 Vgl. die Nachw. bei RGRK/Steffen, Rz. 33 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. B 167 zu § 823. 218 So Fikentscher SchR, Rz. 1214; Medicus, AcP 165 (1965) 115 (136f., 148); MüKo/ Mertens Rz. 146 zu § 823. 219 Grundlegend Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 66 f., 87 ff.; s. auch Larenz/Canaris SchRII/2, §76 II 4 f (S. 396f.).

274

^ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

wird zum nicht berechtigten Besitz ein weites Spektrum von Ansichten vertreten, das von der grundsätzlichen Einordnung des Besitzes unter § 823 I BGB 220 über den deliktsrechtlichen Schutz des redlichen, unverklagten Besitzers (§§ 987f., 990, 993 I BGB) 221 bis zur Ablehnung jedes Schutzes durch § 823 I BGB 222 reicht. Es ist hier nicht erforderlich, auf den Meinungsstreit näher einzugehen. Jedenfalls ist der Besitz kein subjektives Recht, sondern ein tatsächliches Gewaltverhältnis 223 . Auch wenn er ohne Rücksicht auf seine Berechtigung nach §§ 861 f. BGB geschützt ist, so fehlt ihm doch jeder Zuweisungsgehalt. Auch dem Dieb stehen Besitzschutzansprüche zu, aber er bleibt Ansprüchen des Eigentümers aus §§ 985ff., 1007, 823 BGB ausgesetzt. Ebensowenig wie die Besitzübertragung nach § 856 BGB beim neuen Besitzer eine vollwertige Rechtsposition entstehen läßt, führt also die Zustimmung i. S. d. § 858 BGB zu einer vollständigen Rechtfertigung. Nur aus diesem Grund ist es erträglich, die Zustimmung zur Wegnahme oder Besitzstörung mit der herrschenden Meinung schon bei Vorliegen eines natürlichen Willens anzunehmen. Die Bedenken Hecks, der aus Gründen des Minderjährigenschutzes die Zustimmung als Rechtsgeschäft ansehen will 224 , greifen nur deshalb nicht durch, weil dem Minderjährigen weitergehende Ansprüche aus Eigentum erhalten bleiben. Ebensowenig wie die tatsächliche Natur der Besitzaufgabe nach § 856 BGB zu einer allgemeinen Regel für den Verzicht insgesamt verallgemeinert werden kann, taugt die Zustimmung i.S.d. § 858 I BGB als Modell für die Einwilligung. Während die Einwilligung eine Berechtigung verschafft, betreffen die §§ 856, 858 BGB nur die Änderung der tatsächlichen Gewaltverhältnisse. Im Schrifttum zu § 8581 BGB ist meist von einer „Einwilligung" nicht die Rede; in der Tat sollte auch terminologisch zwischen der tatsächlichen Zustimmung und der rechtsgeschäftlichen Einwilligung unterschieden werden. Von der Zustimmung zur tatsächlichen Wegnahme ist die Einräumung des berechtigten Besitzes streng zu unterscheiden: Sie ist nur durch Rechtsgeschäft möglich, bringt damit aber auch ein subjektives Recht zum Entstehen, das in vollem Maße den Schutz des § 823 I BGB genießt.

3.

Immaterialgüterrechte

Die gewerblichen Schutzrechte, von denen hier exemplarisch das Patent- und das Markenrecht behandelt werden sollen, gewähren ihrem Inhaber eine umfassende Dispositionsbefugnis über den Schutzgegenstand. Wie oben bereits 220 221 222 223 224

So Fraenkel, S. 176 ff. So Medicus, AcP 165 (1965) 115 (132ff.). So Larenz/Canaris SchR U/2, § 76 II 4 f (S. 396 f.). Fikentscher SchR, Rz. 1214; Larenz/Canaris, a. a. O., S. 396. S. oben, Fußn. 210.

IV. Absolute

Vermögensrechte

275

gesehen, läßt sich ähnlich wie beim Sacheigentum eine Stufenleiter möglicher Nutzungsgestattungen bilden, die hier sogar besonders deutlich hervortritt, weil Probleme des Besitzes nicht den Blick verstellen. Gewerbliche Schutzrechte sind frei übertragbar 225 . Die translative Übertragung ist intensivste Form und zugleich Grenzfall der Nutzungsgestattung: Der Erwerber erlangt das umfassende Nutzungsrecht, während der Veräußerer jede Befugnis verliert. Eine Stufe niedriger ist die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz angesiedelt. Hier behält der Rechtsinhaber zwar das Stammrecht, verliert aber die Nutzungsbefugnis an den Lizenznehmer 226 . Hier handelt es sich um eine konstitutive Rechtsübertragung, die der Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts an Sachen vergleichbar ist 227 . Schwächer ist die Rechtsposition des Nutzungsberechtigten bei der einfachen Lizenz ausgestaltet, denn hier bleibt der Rechtsinhaber zur eigenen Nutzung des Schutzgegenstandes und zur Erteilung weiterer einfacher Lizenzen befugt. Die einfache Lizenz wurde in der Rechtsprechung lange als pactum de non petendo angesehen, der dem Lizenznehmer gegen den Lizenzgeber nur einen negativen Anspruch auf Unterlassung der Geltendmachung von Abwehransprüchen einräumen sollte 228 . Demgegenüber setzt sich in immer stärkerem Maße die Ansicht durch, auch einfache Lizenzen und Nutzungsrechte seien gegenständliche Rechte, ihre Einräumung mithin eine konstitutive Rechtsübertragung 229 . In der Tat weisen diese Rechte einige oder sogar sämtliche Merkmale der Dinglichkeit auf. So genießt auch die einfache Lizenz Sukzessionsschutz (§§ 15 III PatG, 30 V MarkenG). Hinsichtlich der Abwehrbefugnisse des Nutzungsberechtigten gegen Dritte geht das Markenrecht am weitesten: Es gibt auch dem Nehmer einer einfachen Lizenz eine Klagebefugnis aus eigenem Recht, die allerdings von der Zustimmung des Lizenzgebers abhängt (§ 30 III MarkenG). Dagegen gewährt die einfache Patentlizenz dem Lizenznehmer keine eigene Klagebefugms, er kann allenfalls Ansprüche des Rechtsinhabers im Wege der Prozeßstandschaft geltend machen 230 . Auf niedrigerer Stufe kann der Rechtsinhaber 225 Vgl. § § 1 5 PatG, 22 I GebrauchsmusterG, I I I SortenschutzG, 3 GeschmacksmusterG. W ä h r e n d nach altem Recht das Warenzeichen an den Geschäftsbetrieb gebunden w a r ( § 8 1 W Z G in der Fassung vor Inkrafttreten des Erstreckungsgesetzes von 1992), ist die M a r k e inzwischen frei übertragbar: § 27 M a r k e n G . 226 Vgl. zur Patentlizenz Bernhardt/Kraßer, § 40 V b (S. 691 ff.); Forkel, § 7 (S. 49 ff.); zur M a r k e n l i z e n z Fezer, R z . 7 zu § 30. 227 Forkel, § 6 VII (S. 44 ff.) und passim. 228 Vgl. z u m Patentrecht: R G Z 76, 235; 9 0 , 1 6 2 (164); B G H Z 83,251 (256); Bernhardt/ Kraßer, § 40 V a 1 (S. 690); z u m Markenrecht: B G H Z 1, 241 (246) - „Piek Fein"-, 44, 372 ( 3 7 5 ) - „ M e ß m e r - T e e //"; Bußmann, S. 124; Fezer, R z . 1 0 z u § 30 M a r k e n G , beide m . w . N . 229 Vgl. z u r einfachen Patentlizenz Forkel, § 8 (S. 78 ff.); Kraßer, G R U R Int. 1983, 537ff.; anders noch z u m Patentrecht Benkard/Ulimann, R z . 56 zu § 15 m . w . N . ; z u r einfachen M a r k e n l i z e n z Fezer, Rz. 6 ff. zu § 30. 230 Vgl. Benkard/Ulimann, Rz. 57 zu § 15 PatG m . w . N . ; Bernhardt/Kraßer, § 40 V c bb (S. 693).

276

5 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

dem N u t z e r auch eine rein schuldrechtliche Nutzungsbefugnis einräumen, die keinerlei Merkmale der Dinglichkeit aufweist. Zwar ist im Patent- und Markenrecht anders als in § 33 U r h G die Abdingbarkeit des Sukzessionsschutzes nicht gesetzlich festgelegt, doch die gleiche Möglichkeit folgt aus der Vertragsfreiheit der Parteien 231 . Ebenso wie beim Sacheigentum gibt es zwei Möglichkeiten, den Begriff der Einwilligung zu dieser Stufenleiter in Beziehung zu setzen. Man kann die Einwilligung entweder als Oberbegriff sämtlicher Zustimmungen des Rechtsinhabers zur N u t z u n g des geschützten Immaterialguts, möglicherweise unter Ausklammerung der translativen Rechtsübertragung, oder als besondere, schwache Form der Gestattung ansehen. Die letztgenannte Bedeutungsvariante, die hier bevorzugt wird, kann sich auf das Patent- und das Markengesetz berufen, die als Oberbegriff für alle Nutzungsgestattungen das Wort „Zustimmung" verwenden; von einer „Einwilligung" ist nur im verfahrensrechtlichen Zusammenhang die Rede 232 , sieht man von § 12 VI A r b N E r f G ab, wo die „Einwilligung" in eine andere Regelung der Vergütung dogmatisch wohl als Annahme eines Angebots auf Abschluß eines Änderungsvertrags zu qualifizieren ist233. Dementsprechend sucht man in der patent- und markenrechtlichen Literatur meist vergebens nach Ausführungen zur Einwilligung. Bisweilen wird der Begriff beiläufig als Synonym für „Zustimmung" gebraucht 234 . Als Spezialbegriff für eine einseitige, widerrufliche Nutzungsgestattung wird er kaum verwendet, was wohl an der wirtschaftlichen Prägung der gewerblichen Schutzrechte und an der Unbrauchbarkeit dieser einseitigen Gestattungen im Wirtschaftsverkehr liegen dürfte. Anders als die gewerblichen Schutzrechte weist das Urheberrecht, wie gesehen, starke persönlichkeitsrechtliche Züge auf. Für die Theorie der Einwilligung ergeben sich im Bereich der Vermögensrechte einerseits und auf dem Gebiet der Persönlichkeitsrechte andererseits unterschiedliche Probleme. Das Urheberrecht berührt hingegen beide Problemkreise. Nachdem oben zur Einwilligung im Bereich des Urheberpersönlichkeitsrechts Stellung genommen wurde, braucht nur noch auf die wirtschaftliche N u t z u n g des Werkes eingegangen zu werden. Blickt man auf die Einräumung von Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UrhG), so zeigen sich Parallelen zu der soeben für die gewerblichen Schutzrechte aufgezeigten Stufenleiter 235 . Zwar ist das Urheberrecht wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Prägung inter vivos nicht übertragbar (§ 29 I UrhG), alle übrigen Stufen finden sich aber in gleicher Form. Das 231

Vgl. Fezer, Rz. 7 zu § 30. Vgl. etwa § 34 I PatG. 233 Die Regelung der Vergütung erfolgt nämlich gemäß § 12 I A r b N E r f G durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. 234 So etwa bei Benkard/Bruchhausen, Rz. 58 zu § 9 PatG. 235 Schricker/Schricker, Rz. 17 ff. vor §§ 28 ff. 232

V. Einwilligungen

im Rahmen bestehender

Schuldverhältnisse

T77

ausschließliche Nutzungsrecht wird ebenso wie die ausschließliche Lizenz allgemein als gegenständliches Recht angesehen236. Für das einfache Nutzungsrecht ist diese Einordnung zwar umstritten237, jedenfalls weist es mit dem Sukzessionsschutz nach § 33 UrhG aber ein Element der Dinglichkeit auf. Da § 33 UrhG abdingbar ist, kann der Urheber die Nutzung seines Werkes auch rein schuldrechtlich gestatten238. Ahnlich wie im Rahmen der gewerblichen Schutzrechte ist unklar, in welchem Verhältnis die Einwilligung zu diesen Gestattungsformen steht. Das UrhG verwendet zwar verschiedentlich, wie oben gesehen, den Begriff der „Einwilligung", ohne daß diesem Sprachgebrauch allerdings eine einheitliche dogmatische Konzeption zugrunde liegt. Der hier vertretenen Auffassung entspricht es, die Einwilligung nicht als Oberbegriff aller Gestattungen zu behandeln, sondern mit Schricker239, die „schlichte einseitige Einwilligung" noch unterhalb der rein schuldrechtlichen Erlaubnis als unterste Sprosse der Leiter der Gestattungsmöglichkeiten anzusiedeln.

V. Einwilligungen im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse 1. Grundsatz

und

Abgrenzungen

Die bisherigen Überlegungen betrafen Eingriffe in absolute Rechte. Kaum geklärt ist dagegen, ob der Einwilligung auch im Rahmen von vertraglichen Schuldverhältnissen eine Funktion zukommt. Bei der Lektüre der von der Rechtsprechung entschiedenen und im Schrifttum diskutierten Fälle hat es oft den Anschein, als beschränke sich der Anwendungsbereich der Einwilligung auf die deliktsrechtliche Haftung. Andererseits wird die Einwilligung gemeinhin als allgemeiner, für die gesamte Rechtsordnung geltender Rechtfertigungsgrund angesehen240, Fikentscher bezeichnet sie sogar als wichtigsten Rechtfertigungsgrund im Vertragsrecht241. Derselbe Zwiespalt läßt sich auch in den Kodifikationen und Kodifikationsentwürfen des 19. Jahrhunderts nachweisen. Sofern sie Regelungen zur Einwilligung enthielten, finden

236 237

Vgl. Schricker/Schricker, Rz. 48 vor §§ 28 ff.; Rehbinder, § 43 II 2 (Rz. 307). Vgl. zum Streitstand Ulmer, § 85 III (S. 368); Schricker/Schricker, Rz. 49 vor §§28 ff.

einerseits; Fromm/Nordemann/Hertin, 238

Vgl. Schricker/Schricker,

239

Schricker/Schricker,

Rz. 2 zu §§ 31/32 andererseits.

Rz. 25 vor §§ 28 ff.; v. Gamm, Rz. 5 zu § 33.

Rz. 27 vor § § 2 8 ff.; im Anschluß daran auch

Hertin, Rz. 7 vor §31. 240 Vgl. Fikentscher SchR, Rz. 495; Larenz/Canaris Soergel/Fahse, Rz. 17 zu § 227. 241 Fikentscher, a. a. O.

Nordemann/

SchR II/2, § 75 II 2 c (S. 363);

278

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

sich diese ausnahmsweise im Rahmen allgemeiner Vorschriften 242 , meist aber in den jeweiligen Abschnitten über unerlaubte Handlungen 243 . Zweifellos sind vertragliche Ansprüche der privatautonomen Disposition der Parteien zugänglich. Gewissermaßen beruht das gesamte Vertragsrecht auf dem Prinzip „volenti non fit iniuria", da sich jede vertragliche Verpflichtung auf die Selbstbestimmung der Parteien zurückführen läßt 244 . Schwierigkeiten bereitet im Vertragsrecht nicht die Legitimation der Selbstbestimmung, sondern die Abgrenzung der Einwilligung von den zahlreichen gesetzlich geregelten Gestaltungsformen. Vor allem der Erlaß (§ 397 B G B ) und der Aufhebungsvertrag führen dazu, daß bestehende vertragliche Pflichten ohne Erfüllung erlöschen. Da im Vertragsrecht der dreistufige Aufbau des Deliktsrechts unüblich ist 245 , werden beide Rechtsfiguren dennoch nicht als Rechtfertigungsgründe angesehen. In beiden Fällen handelt es sich um Verträge 246 , während die Einwilligung nach herrschender Meinung durch einseitige Erklärung erteilt werden kann. Eine Abgrenzung ist also erforderlich, fällt aber nicht leicht, zumal das Problem in der Literatur bisher offenbar übersehen wurde. In drei Schritten soll versucht werden, der Einwilligung im Vertragsrecht Konturen zu verleihen. Erstens ist die Einwilligung eine Disposition über bereits bestehende Rechte. Sie kann damit von allen Erklärungen unterschieden werden, durch die der Vertrag erst zustande kommt. Wie zu Beginn dieser Arbeit gesehen, können von der haftungsausschließenden Einwilligung zum einen die Annahme eines Vertragsangebots, die im österreichischen A B G B als „Einwilligung" bezeichnet wird 247 , zum anderen die vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft, für die § 183 I B G B ebenfalls den Begriff „Einwilligung" verwendet, unterschieden werden. Auch das Nachgeben bei Vertragsschluß ist keine Einwilligung, ebensowenig die Billigung des gekauften Gegenstandes gemäß § 454 I B G B (= § 495 I B G B a.F.) beim Kauf auf Probe, denn auch sie führt erst dazu, daß der unter aufschiebender Bedingung geschlossene Kaufvertrag unbedingt wirksam wird.

242 So § 118 des Sächsichen Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1863, das allerdings zugleich mit § 780 eine Vorschrift über die Einwilligung im Abschnitt über unerlaubte Handlungen enthielt. 243 So § 706 des ersten Entwurfs zum B G B ; Art. 221 des Dresdner Entwurfs von 1866; Art. 55 II Nr. 5 des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1861/1864; vgl. auch Art. 44 des schweizerischen O R . 244 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000) 273 (284). 245 S. oben, § 7 II 3 b. 246 Insbesondere kann der Erlaß nicht durch einseitige Erklärung herbeigeführt werden, vgl. R G Z 72, 168 (171); 110, 409 (418); B G H N J W 1987, 3203;Larenz SchR I, § 19 I a (S. 267); MüKo/v. Feldmann, Rz. 1 zu § 397; Staudinger/Rieble, Rz. 1 zu § 397 m.w.N. 247 Vgl. etwa §§ 869, 877 A B G B .

V. Einwilligungen

im Rahmen

bestehender

Schuldverhältnisse

279

Zweitens ist die Einwilligung eine Erlaubnis zur Vornahme einer Handlung, die ansonsten ein Recht des Einwilligenden verletzen würde. Als solche unterscheidet sie sich von der Erfüllung (§ 362 BGB). Dieselbe Erklärung, die sich aus deliktsrechtlicher Sicht als Einwilligung darstellt, ist im Vertragsrecht dann Erfüllung, wenn der Schuldner zur Erteilung der Einwilligung verpflichtet ist. Verpflichtet sich ein Fotomodell dazu, die Anfertigung und Veröffentlichung von Modefotos zuzulassen, so ist seine Zustimmung zugleich aus deliktsrechtlicher Perspektive Einwilligung in einen Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild (§ 22 K U G ) und aus vertragsrechtlichem Blickwinkel Erfüllung einer Hauptleistungspflicht. Andere Einwilligungen sind Gegenstand vertraglicher Nebenpflichten, etwa wenn sich aus einem Vertrag zwischen einem Musiker und einem Konzertveranstalter die Verpflichtung des ersteren ergibt, ein Foto für die Prospekt- und Plakatwerbung bereitzustellen. In beiden Fällen wäre es offensichtlich verfehlt, die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund im Vertragsrecht anzusehen: Die Einwilligung rechtfertigt nicht, sie erfüllt. Auch eine Verpflichtung zur Einholung der Einwilligung kann sich aus dem Vertrag ergeben. Paradebeispiel ist der Behandlungsvertrag im Medizinrecht, der den Arzt nicht nur dazu verpflichtet, den Patienten lege artis zu behandeln, sondern auch dazu, keine Eingriffe ohne Einwilligung vorzunehmen 248 . Hier verletzt immerhin, parallel zur deliktsrechtlichen Wertung, die Durchführung des Heileingriffs ohne Einwilligung eine vertragliche Pflicht. Die Einwilligung rechtfertigt aber nicht eine prima facie vorliegende Vertragsverletzung, vielmehr erfüllt der Arzt sein vertragliches Versprechen, indem er die Einwilligung einholt. Ebensowenig wie die Erfüllung selbst haftungsausschließende Einwilligung ist, sind dies Mitwirkungshandlungen des Gläubigers im Zusammenhang mit der Erfüllung. Die Annahme einer Leistung als vertragsgemäß ist damit ebensowenig Einwilligung wie die Annahme einer anderen als der vereinbarten Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB). Am schwierigsten fällt drittens die Abgrenzung der Einwilligung vom Erlaß (§ 397 BGB), dem Aufhebungs- und dem Änderungsvertrag. Schon Hobbes erwähnt die Vertragsaufhebung als Anwendungsfall des Prinzips „volenti non fit iniuria" 249 : Indem jemand wolle, daß etwas geschehe, das nach dem Vertrage nicht erlaubt sei, werde der Vertrag selbst aufgehoben, es kehre das Recht zur Vornahme der Handlung zurück, daher geschehe kein Unrecht. Legt man diese Überlegung zugrunde, so scheint die einseitige Einwilligung weitgehend ihres Anwendungsbereichs im Vertragsrecht beraubt: Wenn der Verkäufer in eine Verletzung der Verpflichtung des Käufers aus § 433 II BGB „einwilligt", erläßt 248 Deutsch MedR, Rz. 103. Ahnliches gilt für die Verpflichtung des Arztes, Körpersubstanzen nicht ohne Zustimmung des Patienten kommerziell zu verwerten, vgl. Taupitz, AcP 191 (1991) 201 (217) und oben, § 10 II 3. 249 Hobbes, De Cive, III 7.

280

5 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

er bei L i c h t betrachtet die Kaufpreisschuld ganz oder teilweise. D i e s e W i r k u n g k a n n er nicht durch einseitige E r k l ä r u n g herbeiführen, erforderlich ist gemäß § 3 9 7 B G B ein Erlaßvertrag. D i e A b g r e n z u n g zwischen Einwilligung und Verzicht hatte sich s c h o n o b e n 2 5 0 als p r o b l e m a t i s c h herausgestellt. I m m e r h i n läßt sich für absolute R e c h t e feststellen, daß die Einwilligung die R e c h t e des E i n willigenden g e g e n ü b e r D r i t t e n nicht b e r ü h r t , w ä h r e n d der V e r z i c h t seine Rechtszuständigkeit insgesamt aufhebt. E i n Teilverzicht auf das E i g e n t u m z u gunsten einer P e r s o n verstößt gegen den T y p e n z w a n g des Sachenrechts und ist damit unzulässig. Verträge w i r k e n aber grundsätzlich nur zwischen den Parteien, so daß dieses A b g r e n z u n g s k r i t e r i u m entfällt. D a s Schuldverhältnis gibt dem G l ä u b i g e r das R e c h t , v o m Schuldner ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 241 I B G B ) . E r l a u b t der G l ä u b i g e r d e m Schuldner n u n m e h r ein v o m Vertrag abweichendes Verhalten, so entfällt die ursprüngliche vertragliche Verpflichtung zumindest teilweise. E b e n s o wie b e i m Verzicht, aber im G e g e n s a t z zur Einwilligung besteht das S t a m m r e c h t insoweit nicht fort. Als entscheidendes A b g r e n z u n g s k r i t e r i u m erscheint in diesem Fall die W i derruflichkeit. D i e einfache, widerrufliche Einwilligung unterscheidet sich v o m E r l a ß darin, daß der Gläubiger durch seinen W i d e r r u f die Pflicht jederzeit wieder aufleben lassen kann. B e z i e h t sich der Vertrag auf einen einmaligen Leistungsaustausch, so k o m m t eine solche widerrufliche Einwilligung k a u m in Betracht: D i e vertragliche Pflicht kann nur bestehen oder nicht bestehen. A n ders ist es bei Dauerschuldverhältnissen. H i e r kann der Gläubiger bestimmte Pflichten durchaus vorübergehend suspendieren, ohne sich des Anspruchs vollständig zu begeben. D e r Vermieter kann dem M i e t e r vorübergehend und w i derruflich einen grundsätzlich vertragswidrigen G e b r a u c h der Mietsache (vgl. § 541 B G B ) gestatten, ohne daß dadurch der Mietvertrag inhaltlich verändert würde. Dasselbe gilt, w e n n sich ein T r o m p e t e r gegenüber seinem N a c h b a r n vertraglich verpflichtet, nicht bei o f f e n e m Fenster zu blasen: D e r Gläubiger kann dem T r o m p e t e r ein einmaliges Ständchen unter freiem H i m m e l erlauben, o h n e den Vertrag zu modifizieren. Sobald die „Einwilligung" aber unwiderruflich erteilt werden soll, ist nach den o b e n in § 8 angestellten Ü b e r l e g u n g e n ein Vertrag erforderlich. Dasselbe gilt für die D i s p o s i t i o n ü b e r vertragliche Schuldverhältnisse: E r l a u b t der G l ä u b i g e r dem Schuldner bindend ein Verhalten, das v o n der vertraglichen Pflicht abweicht, so wird das Pflichtengefüge des Vertrages modifiziert. D e r Schuldner erlangt eine Verbesserung seiner Rechtsstellung, indem ihm seine Pflicht erlassen wird und er im gleichen M a ß e seine allgemeine Handlungsfreiheit zurückerlangt. Sofern dies nur in bestimmter H i n s i c h t geschieht, handelt es sich nicht u m einen vollständigen E r l a ß , sondern - je nach Fallgestaltung - u m einen Teilerlaß oder einen Änderungsvertrag. Z w a r ist im Schrifttum, wie sich anhand einiger der folgenden Anwendungsfälle zeigen 250

§ 8 IV 2.

V. Einwilligungen

im Rahmen

bestehender

Schuldverhältnisse

281

wird, die - oft unausgesprochene - Annahme verbreitet, der Gläubiger könnte die Verbesserung der Rechtslage des Schuldners durch einseitige Erklärung herbeiführen. Diese Auffassung steht aber in deutlichem Widerspruch zur Systematik des Schuldrechts, sie ist vor allem mit § 397 BGB nicht vereinbar. Die Konsequenz der hier vertretenen Abgrenzung besteht darin, daß der Schuldner dem Erlaß oder der Vertragsänderung zustimmen muß. Erhebliche praktische Auswirkungen hat dieser Unterschied zur einseitigen Einwilligung allerdings nicht, da der Zugang der Annahmeerklärung regelmäßig nach § 151 BGB entbehrlich ist. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der Gläubiger selbstverständlich einem Verhalten des Schuldners zustimmen kann, das ohne diese Zustimmung als rechtswidrige 251 Pflichtverletzung (§ 280 I BGB) anzusehen gewesen wäre und die Rechtsfolgen der §§ 280ff., 323 ff. BGB ausgelöst hätte. Allerdings erteilt der Gläubiger in diesem Fall meist keine einseitige Einwilligung, sondern schließt mit dem Schuldner einen Erlaß-, Aufhebungs- oder Änderungsvertrag. Diese Änderung des vertraglichen Pflichtengefüges führt dazu, daß die erlaubte Handlung schon tatbestandlich nicht mehr als Pflichtverletzung angesehen werden kann. Eine Einwilligung im engeren Sinne liegt nur vor, wenn es sich um eine widerrufliche Gestattung handelt. Eine solche dürfte nur im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen oder hinsichtlich vertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommen.

2. Einzelfälle252 a) Vorbehaltlose Annahme trotz Mangelkenntnis (§§ 536 b, 640 II BGB) Im Miet- und Werkvertragsrecht (§§ 536 b, 640 II BGB), nach früherer Rechtslage auch im Kaufrecht (§ 464 BGB a.E), führt die vorbehaltlose Annahme einer vertraglichen Leistung in Kenntnis eines Mangels zum Verlust der an den Mangel anknüpfenden Rechtsbehelfe 253 . Diese Bestimmungen weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit der Einwilligung auf, da die Annahme unabhängig von ihrer Rechtsnatur zumindest willensbestimmtes Handeln voraussetzt 254 251 A u c h die Verletzung einer vertraglichen Pflicht ist ein rechtswidriges Verhalten, das durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt w e r d e n kann, s. Fikentscher SchR, Rz. 493. 252 Die im folgenden zitierten Kommentarstellen beziehen sich noch auf die bis 31.12. 2001 gültige N u m e r i e r u n g der §§ des BGB. 253 Ähnlich auch § 442 I B G B (= § 460, 1 B G B a.F.), der nicht auf den Z e i t p u n k t der A n n a h m e , sondern auf den des Vertragsschlusses abstellt, u n d § 341 III BGB, der den Verlust des A n s p r u c h s auf eine Vertragsstrafe f ü r den Fall bestimmt, daß der Gläubiger die Erfüllung vorbehaltlos annimmt. 254 N a c h h. M. handelt es sich bei der A n n a h m e u m eine rechtsgeschäftsähnliche H a n d lung, vgl. z u m Meinungsstand Larenz SchR I I / l , § 53 III a (S. 364 ff.); Soergel/Huber, Rz. 9 zu § 464.

282

§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

und da der Verlust von Ansprüchen wegen vertragswidrigen Handelns auch die typische Rechtsfolge der Einwilligung darstellt. In der Tat heißt es bereits in den Motiven, die vorbehaltlose Annahme in Kenntnis des Mangels sei als Verzicht zu bewerten 255 . Es handelt sich aber weder um einen Verzicht im technischen Sinne des Wortes 2 5 6 noch um eine Einwilligung. Im Gegensatz zum Verzicht setzten die genannten Bestimmungen keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswillen voraus 257 , vielmehr wird der Verzicht allenfalls vermutet 258 . Anders als bei der Einwilligung kommt es nicht darauf an, ob der Einwilligende ein vertragswidriges Verhalten ausdrücklich oder konkludent erlaubt. Zwar ist in der Literatur umstritten, ob die §§ 536 b, 640 II B G B und § 464 a.F. B G B gesetzlich geregelte Fälle des venire contra factum proprium darstellen 259 oder dem Interesse beider Parteien an der Vermeidung unnötiger Kosten und Risiken dienen 260 , doch findet nach allen Erklärungsmodellen der Verlust der Mängelrechte seine Legitimation nicht in der Selbstbestimmung des Annehmenden, sondern in objektiven Überlegungen. Anders formuliert: Die Rechtsfolge tritt nicht kraft privatautonomen Handelns, sondern kraft Gesetzes ein 261 . Dem entspricht, daß das Verhalten des Annehmenden aus deliktsrechtlicher Sicht nicht zum Verlust von Schadensersatzansprüchen wegen Personen- und Sachschäden führt, sondern nur als Mitverschulden (§ 254 I B G B ) zu berücksichtigen ist 262 . b) Erlaubnis des Vermieters zur Untervermietung (§ 540 I B G B ) In den Beratungen zum B G B wurde kontrovers darüber diskutiert, ob der Mieter nach dem Vorbild des gemeinen Rechts und ausländischer Rechtsordnungen generell das Recht zur Untervermietung der Mietsache zustehen solle 263 . Die Zweite Kommission entschied sich dagegen und behielt dem Vermieter das Recht vor, eigens über die Untervermietung zu entscheiden. Mot. II, S. 229; ebenso R G Z 64, 236 (238); 101, 64 (73); B G H Z 50, 364 (366f.). Köhler, J Z 1989, 761 (762, 769, 770f., 772); Larenz SchR I I / l , § 41 I d 3 (S. 48). 257 R G WarnR 1918, Nr. 114; Staudmger/Honsell,Rz. 1 zu § 464. Ein weiterer Gegensatz zum rechtsgeschäftlich erklärten Verzicht besteht darin, daß eine Anfechtung nach § 1 1 9 1 B G B nicht in Betracht kommt, s. Larenz, a.a.O. 258 Vgl. Soergel/Huber, Rz. 1 zu § 464; Rz. 3 zu § 460. 259 So die h. M., vgl. zu § 460: B G H N J W 1989,2050; zu § 464: Soergel/Huber, Rz. 1 zu § 464; Staudinger/Honsel!, Rz. 1 zu § 464; ähnlich Larenz SchR II, § 41 I d 3 (S. 48); krit. Köhler, J Z 1989, 761 (762, 769). 2 6 0 So Köhler, J Z 1989, 761 ff. mit eingehender Darstellung des Meinungsstandes. 261 So zum ähnlich gelagerten § 341 III B G B R G Z 53, 356 (358), B G H Z 97, 224 (227); vgl. im übrigen Larenz § 41 I d 3 (S. 48); Soergel/Huber, Rz. 1 zu § 464. 262 Staudinger/Honseil, Rz. 9 zu § 4 9 4 ; Staudinger/Emmerich, Rz. 9 zu § 539; alle m. w. N. 263 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 549 B G B MüKo/Voelskow, Rz. 1 f. zu § 549. 255 256

V. Einwilligungen

im Rahmen

bestehender

Schuldverhältnisse

283

Überläßt der Mieter den Gebrauch der gemieteten Sache ohne die Erlaubnis des Vermieters einem Dritten, so begeht er eine Verletzung des Mietvertrags im Sinne des § 541 BGB, zudem verletzt er das Eigentum des Vermieters 264 . Damit wird deutlich, daß die Erlaubnis des Vermieters zumindest „unverkennbar gewisse Parallelen zu einer rechtfertigenden Einwilligung" 265 aufweist. Allerdings ist die Rechtsnatur der Erlaubnis umstritten. Eine ältere Ansicht sah sie als Einwilligung im Sinne der §§ 183, 185 BGB an: Der Mietvertrag weise Elemente einer Verfügung auf, ohne die Erlaubnis des Vermieters sei der Mieter zu dieser Verfügung nicht berechtigt, daher sei der Untermietvertrag ohne die Erlaubnis unwirksam 2 6 6 . Der praktische Hintergrund dieser Argumentation besteht darin, daß sie den Weg zur Anwendung des § 816 I 1 BGB eröffnet: Ist die unberechtigte Untervermietung eine unwirksame Verfügung, so kann der Vermieter sie nachträglich genehmigen und den Untermietzins abschöpfen 267 . Der B G H hat diese Konstruktion mittlerweile mehrfach 2 6 8 mit dem Argument zurückgewiesen, die Vermietung sei keine Verfügung, im übrigen sei die Untervermietung auch dann, wenn sie unberechtigt erfolge, ein dem Mieter zugewiesenes Geschäft. Daher sei die Erlaubnis keine Zustimmung gemäß §§ 182ff. BGB, sondern eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die die sonst gegebene Vertragswidrigkeit der Gebrauchsüberlassung an Dritte (§ 541 BGB) ausschließe 269 . Die Ergebnisse des § 8 dieser Arbeit legen eine Differenzierung zwischen dem Mietvertrag und seiner Erfüllung durch Überlassung des Besitzes nahe. Der Untermietvertrag selbst ist, wie der B G H mit Recht annimmt, ein reiner Schuldvertrag, dessen Wirksamkeit von der Berechtigung des Mieters nicht abhängt. Etwas anderes gilt für die Überlassung des berechtigten Besitzes, die Elemente der Verdinglichung aufweist. Sie setzt eine Rechtszuständigkeit voraus, die aus dem Eigentum oder einer Ermächtigung durch den Eigentümer fließt. Diese Berechtigung fehlt dem unerlaubt handelnden Mieter. Entgegen der Ansicht des B G H ist die Untervermietung in diesem Fall eben kein „dem Mieter zugewiesenes Geschäft" 270 . Zwar könnte der Vermieter bei bestehen264

Staudinger/Emmerich, Rz. 106 f. zu § 549. Staudinger/Emmerich, Rz. 41 zu § 549. 266 Grundlegend Diederichsen, N J W 1964, 2296; zuvor bereits Dommnich, N J W 1955, 1620 f.; einschränkend Lenk, N J W 1956, 290. 267 Dieses Ergebnis wird in der Literatur auch von A u t o r e n b e f ü r w o r t e t , die die Erlaubnis nicht f ü r eine Einwilligung gemäß §§ 183 I, 185 I B G B halten, vgl. MüKo/Voelskow, Rz. 17 zu § 5 4 9 . 268 B G H Z 59, 3 (7); B G H Z 131, 297 (304 ff.); zust. Palandt/Putzo, Rz. 11 zu § 549; Reuter/Martinek, S. 310; Söllner, JuS 1967, 449 (452). 269 B G H Z 59, 3 (7). 270 Vgl. Larenz/Canaris SchR II/2, § 69 I 2 a; Theuffel, JuS 1997, 886 (888); allerdings löst Canaris, a . a . O . , § 69 II 1 d (S. 182) den Fall nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB. 265

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§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

dem Mietvertrag die Sache nicht selbst an Dritte überlassen, dennoch behält ihm das Gesetz die Entscheidungsbefugnis über die Untervermietung vor. Erst die Erlaubnis des Vermieters führt - wie im übrigen auch der B G H annimmt dazu, daß der Mieter dem Untermieter berechtigten Besitz verschaffen kann. Insoweit ist sie also Ermächtigung analog 271 §§ 183,185 BGB, und dem Vermieter steht bei unberechtigter Untervermietung die Möglichkeit der Genehmigung und der Kondiktion analog § 816 I 1 BGB zu. Selbstverständlich muß beim Anspruchsumfang der bereits vom Mieter erlangte Mietzins berücksichtigt werden, der Anspruch geht also auf den Betrag, um den der Vermieter bei Gestattung der Untervermietung die Miete hätte erhöhen können 272 . Hingegen ist die bloße unberechtigte Überlassung des Besitzes eine tatsächliche Handlung, die sowohl den Mietvertrag als auch das Eigentum des Vermieters verletzt. Insofern ist die Erlaubnis eine haftungsausschließende „Einwilligung im weiteren Sinne" oder besser eine Gestattung. Sie erlaubt zugleich den Eingriff in das Eigentum als auch die Abweichung vom vertraglich vereinbarten Verhalten. Diese Doppelnatur der Erlaubnis ist nicht ungewöhnlich, sie besteht auch, wenn der Eigentümer einer anderen Person die Wegnahme und Veräußerung einer ihm gehörenden Sache erlaubt. Problematisch ist allerdings die Abgrenzung dieser Gestattung von der Vertragsänderung. Das Gesetz differenziert hier zwischen der (einseitigen) Erlaubnis gemäß § 540 I BGB und der Vertragsänderung im Falle der Mieterhöhung nach § 553 II BGB, die von dem Einverständnis des Mieters abhängt. Diese Differenzierung leuchtet für den Fall der frei widerruflichen Erlaubnis ein, denn sie suspendiert das Verbot der Untervermietung nur vorübergehend, ohne ein Vertrauen des Mieters auf den Fortbestand seiner Berechtigung zu begründen, und ist daher keine Vertragsänderung. Eine solche frei widerrufliche Erlaubnis entspricht aber nicht dem Regelfall, in dem die Erlaubnis nur aus wichtigem Grund 2 7 3 widerrufen werden kann. Eine weitergehende Widerrufsmöglichkeit m u ß sich der Vermieter ausdrücklich vorbehalten 274 , allerdings ist auch ein solcher Widerrufsvorbehalt nur in den Grenzen von Treu und Glauben möglich und bei der Wohnraummiete durch § 553 III BGB gänzlich ausgeschlossen 275 . Auch die grundsätzlich unwiderrufliche Erlaub271

O b die §§ 183, 185, 816 BGB unmittelbar oder analog anwendbar sind, ist ebenfalls umstritten, für direkte Anwendung Diedericbsen, N J W 1964, 2296, für analoge Anwendung MüKo/Voelskow, Rz. 17 zu § 549; Staudinger/Emmerich, Rz. 107 zu § 549, beide m . w . N . Die Antwort hängt davon ab, ob man die Überlassung des berechtigten Besitzes als echte Verfügung oder nur als verfügungsähnliches Geschäft ansieht. 272 So etwa der Antrag des Klägers in B G H Z 131, 297. 273 Beispiel: B G H Z 89, 308, Eröffnung eines Sex-Shops bei allgemeiner Erlaubnis zur gewerblichen Untervermietung. 274 Vgl. MüKo/Voelskow, Rz. 16 zu § 549; Staudinger/Emmerich, Rz. 50 zu § 549. 275 Staudinger/Emmerich, Rz. 51 zu § 549. Ein uneingeschränkter Widerrufsvorbehalt in AGB ist nach § 9 II Nr. 1 A G B G unwirksam: B G H N J W 1987, 1692.

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nis kann nach dem Wortlaut des § 540 I B G B durch einseitige Erklärung erteilt werden 276 . Dem liegt wohl die Auffassung zugrunde, der Mieter brauche nur einer Abänderung des Mietvertrages zu seinem Nachteil, vor allem also einer Mieterhöhung, zuzustimmen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist aber inkonsequent, denn auch die unwiderrufliche Erlaubnis als solche erweitert den vertragsmäßigen Gebrauch des Mieters 277 . Sie ist also ebenfalls eine Vertragsänderung, die sich allerdings nur zugunsten des Mieters auswirkt. Als solche kann sie nach der Wertung der §§ 397 I, 516 I B G B nur durch Vertrag vorgenommen werden. Dies entspricht auch praktisch dem Regelfall, da die Erlaubnis zur Untervermietung entweder schon in den Mietvertrag aufgenommen oder später auf ein Ersuchen des Mieters erteilt wird, das konstruktiv als Angebot zur Vertragsänderung anzusehen ist. Grammatikalische und systematische Auslegung des § 540 I B G B führen in dieser Frage also zu unterschiedlichen Ergebnissen. Letzteres erscheint zwar vorzugswürdig, praktische Unterschiede zur Gegenansicht dürften sich aber kaum ergeben. c) Einwilligung in die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit (§§ 60, 112 H G B ; 88 AktG) Wettbewerbsverbote sind im Arbeits- und Gesellschaftsrecht von großer praktischer Bedeutung. Sie ergeben sich aus einer vertraglichen Vereinbarung 278 oder aus dispositivem Gesetzesrecht. Gesetzliche Wettbewerbsverbote enthalten insbesondere die §§ 6 0 1 , 1 1 2 I H G B , 88 I AktG. Diese weitgehend gleichlautenden Bestimmungen verbieten dem Handlungsgehilfen, dem Gesellschafter einer O H G und dem Vorstandsmitglied einer A G während der Dauer des Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnisses den Betrieb eines Handelsgewerbes und die Geschäftstätigkeit im Handelszweig des Berechtigten, allerdings nur, sofern sie ohne dessen Einwilligung erfolgt. Nach §§ 60 II, 112 II H G B wird die Einwilligung vermutet, wenn der Berechtigte bei Vertragsschluß von der Konkurrenztätigkeit weiß und sie nicht ausdrücklich verbietet. Die Einwilligung rechtfertigt ein bestimmtes tatsächliches Verhalten, das ansonsten verboten wäre 279 , es handelt sich also um eine Einwilligung bzw. Gestattung im Sinne dieser Arbeit. Die verbreitet vertretene Gegenansicht, die eine Einwilligung im Sinne des § 183 B G B annimmt 2 8 0 , ist unzutreffend. So ausdrücklich Staudinger/Emmerich, Rz. 42 zu § 549. Staudinger/Emmerich, Rz. 41 zu § 549, der allerdings daraus nicht die hier befürwortete Konsequenz zieht. 278 Die allerdings nur in den Grenzen der §§ 74 ff. H G B , 138 B G B und der Vorschriften des G W B möglich ist. 2 7 9 Zutreffend MüKo/v. Hoyningen-Huene, Rz. 27 zu § 60. 2 8 0 So zu § 60 H G B Heymann/Honseil, Rz. 25 zu § 60; Staub/Konzen/Weher, Rz. 22 zu § 60; einschränkend Baumbach/Hopt, Rz. 9 zu § 112 (§§ 182-184 B G B gelten entsprechend); zu § 88 AktG Großkomm/Meyer-Eandrut, Anm. 5 zu § 88; Hüffer, Rz. 5 zu § 88. 276

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§ 10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

Sie beruht auf einer Verwechslung der beiden unterschiedlichen Rechtsinstitute, die der Gesetzgeber unglücklicherweise gleichermaßen als „Einwilligung" bezeichnet hat. Ebenso verfehlt ist die aus dieser Annahme teilweise gezogene Schlußfolgerung, die nachträgliche Genehmigung einer Konkurrenztätigkeit habe dieselbe Wirkung wie eine Einwilligung, da beide Erklärungen gemäß §§ 183,184 BGB einander gleichstünden 281 . Vielmehr gilt auch hier die allgemeine Regel, die im 3. Teil dieser Arbeit näher zu begründen sein wird: Die nachträgliche „Genehmigung" rechtfertigt nicht, sondern ist allenfalls als Verzicht auf die aus der Rechtsverletzung folgenden Ansprüche anzusehen 282 . N a c h wohl allgemeiner und zutreffender Ansicht ist die Einwilligung im Sinne der genannten Vorschriften ein Rechtsgeschäft 283 . Sie bedarf daher der Auslegung und kann grundsätzlich auch konkludent erteilt werden 284 . Eine Ausnahme gilt nur im Aktienrecht, da die Einwilligung im Sinne des § 88 I A k t G nicht anders als durch Beschluß des Aufsichtsrats erteilt werden kann, dem konkludente Beschlüsse verwehrt sind 285 . Umstritten ist, ob die Einwilligung widerrufen werden kann. Nach einer Ansicht k o m m t ein Widerruf allenfalls aus wichtigem G r u n d in Betracht, sofern er nicht ausdrücklich vorbehalten wurde 2 8 6 , nach der vorwiegend zu § 88 A k t G vertretenen Gegenansicht ist die Widerruflichkeit Auslegungsfrage 287 . Sei die Einwilligung im Anstellungsvertrag oder im Gesellschaftsvertrag erteilt worden, so sei sie unwiderruflich, im übrigen sei die Einwilligung in den Betrieb eines Handelsgeschäfts im Zweifel unwiderruflich, die Einwilligung in einzelne geschäftliche Tätigkeiten hingegen im Zweifel widerruflich. N a c h der hier vertretenen Konzeption hängt die Frage mit der Abgrenzung zwischen einseitiger Einwilligung und Anderungsvertrag zusammen. Die völlige Aufhebung des Wettbewerbsverbots ist nicht durch einseitige Erklärung, sondern nur durch Vertrag möglich, da es sich konstruktiv um einen Erlaß (§ 397 BGB) handelt. 281 S oHeymann/Honseil, Rz. 26 zu § 60; Staub/Konzen /Weber, Rz. 22 zu § 60; unklar Baumbach/Hopt, R z . 6 zu § 60 („Nachträgliche G e n e h m i g u n g bzw. Verzicht w i r k t gleich."). 282 Zutreffend daher die h . M . zu § 88 A k t G , insb. Kölner Kommentar/Mertens, Rz. 12 zu § 88 (Genehmigung bedeutungslos, da Aufsichtsrat gem. § 93 IV A k t G nicht berechtigt, über Ersatzansprüche der Gesellschaft zu verfügen); ebenso Hüffer, Rz. 5 zu § 88; einschränkend Großkomm. /Meyer-Landrut, A n m . 5 zu § 88. 283 So zu § 60 H G B Hey mann/ Honseil, Rz. 25 zu § 60; MüKo/v. Hoyningen-Huene, Rz. 25 zu § 60; Staub /Konzen/Weber, Rz. 22 zu § 60. 284 R G Z 109, 355; Hey mann!Honseil, Rz. 25 zu § 6 0 ; MüKo/v. Hoyningen-Huene, Rz. 26 zu § 60. 285 Großkomm. /Meyer-Landrut, A n m . 5 zu § 88 m.w. N . 286 So Baumbach/Hopt, Rz. 6 zu § 60, 9 zu § 112; Heymann/Honseil, Rz. 25 zu § 60; MüKo/v. Hoyningen-Huene, Rz. 25 zu § 60 m. w. N . 287 So Großkomm. /Meyer-Landrut, A n m . 5 zu §88; Kölner Kommentar/Mertens, Rz. 13 zu § 88.

V. Einwilligungen

im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse

287

Dasselbe gilt für eine sachliche, zeitliche oder räumliche Einschränkung des Wettbewerbsverbots, die als Teilerlaß bzw. Vertragsänderung zu werten ist. Beide Gestaltungen sind grundsätzlich unwiderruflich, allenfalls ein Widerruf aus wichtigem G r u n d ist denkbar. Davon zu unterscheiden ist die einseitige Einwilligung, die den Vertrag nicht ändert, sondern nur eine vertragliche Verpflichtung vorübergehend suspendiert. Sie ist widerruflich, wenn auch Treu und Glauben einen Widerruf zur Unzeit verbieten. Welche der beiden Gestaltungen vorliegt, ist - wie die letztgenannte Literaturansicht zutreffend annimmt - Auslegungssache. Wird die „Einwilligung" im Anstellungs- oder Gesellschaftsvertrag erteilt, so ist sie Bestandteil des Vertrages und mithin als vertragliche Vereinbarung unwiderruflich 2 8 8 . Im übrigen ist immer dann eine unwiderrufliche Vereinbarung anzunehmen, wenn die Umstände ergeben, daß eine Konkurrenztätigkeit von gewisser Dauer beabsichtigt ist, die Investitionen erfordert. N u r die vertragliche Aufhebung oder Einschränkung des Wettbewerbsverbots schafft hierzu die notwendige Grundlage. Handelt es sich hingegen u m eine vereinzelte Tätigkeit, so kann eine widerrufliche Einwilligung nach den Umständen des Falls auch dann in Betracht kommen, wenn kein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt vorliegt. d) Zustimmung zu Maßnahmen der Verwaltung oder Geschäftsführung (§§ 744, 745, 709 BGB) Im Normalfall wird die Einwilligung im Zweipersonenverhältnis erteilt. Komplexere Rechtsbeziehungen bestehen, wenn ein Recht mehreren Personen zusteht, wie es im Fall der schlichten Rechtsgemeinschaft (§§ 741 ff.) und der Gesamthand (etwa gemäß §§ 705, 719 BGB) der Fall ist. Betrachtet man zunächst exemplarisch die Bruchteilsgemeinschaft, so bietet es sich an, zwischen Eingriffen durch einen Teilhaber einerseits und durch Dritte andererseits zu unterscheiden. Der Eingriff des Dritten ist nur rechtmäßig, wenn entweder die Teilhaber gemeinsam eingewilligt haben oder ein Teilhaber die Einwilligung erklärt hat, der gesetzlich oder vertraglich hierzu ermächtigt war. In dieser Situation geht es um die Wirksamkeit der Einwilligung im Außenverhältnis, also nicht um einen besonderen Anwendungsfall der Einwilligung, sondern u m eine Einwilligungsvoraussetzung, nämlich die Dispositionsbefugnis. Hiervon soll unten in § 14 die Rede sein. Handelt hingegen ein Teilhaber, ohne hierzu befugt zu sein, so verletzt er eine Pflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis 289 , das zwischen ihm und den übrigen Teilha288 Nach Baumbach/Hopt, Rz. 13 zu § 112 HGB, kommt in diesem Fall § 112 H G B schon gar nicht zur Anwendung. 289 Zur Gemeinschaft als Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse zwischen den Teilhabern vgl. B G H Z 62, 243 (246); Larenz SchR II, § 61 I (S. 414f.); MüKo/Schmidt, Rz. 3 zu §741.

288

§10 Ausgewählte

Anwendungsfälle

bern besteht. Haben diese der Handlung aber zuvor zugestimmt, so ist sie rechtmäßig. Die Zustimmung der Teilhaber zur Verwaltung des Gegenstandes (§§ 744, 745 BGB), aber auch zur überproportionalen Fruchtziehung (§ 743 I BGB) oder Benutzung (§ 743 II BGB) weist damit Parallelen zur Einwilligung auf. In § 744 II BGB verwendet der Gesetzgeber sogar den Begriff: Jeder Teilhaber ist berechtigt, notwendige Erhaltungsmaßnahmen vorzunehmen, er kann verlangen, daß die übrigen Teilhaber ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erteilen. Die Rechtsnatur dieser „Einwilligung" ist umstritten. Teilweise wird sie in der Literatur für einen Anwendungsfall des § 183 BGB gehalten 290 . Das ist aber nur zutreffend, sofern die Erhaltungsmaßnahme im Abschluß eines Rechtsgeschäfts oder in einer Prozeßhandlung besteht; in diesem Fall verschafft die Zustimmung der übrigen dem Handelnden nach herrschender Ansicht im Außenverhältnis Vertretungs- und Verfügungsmacht 291 . Oft wird sich die „Einwilligung" aber auf ein tatsächliches Handeln, beispielsweise die Reparatur einer Sache, den Bau einer Stützungsmauer oder das Schneiden einer Hecke beziehen. In diesem Fall handelt es sich nicht, wie in §§ 182ff. BGB vorausgesetzt, um eine Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft. Dennoch liegt keine Einwilligung im Sinne dieser Arbeit vor, da die Vornahme notwendiger Erhaltungsmaßnahmen schon kraft der in § 744 II BGB getroffenen gesetzlichen Regelung rechtmäßig ist, so daß es zur Rechtfertigung der Einwilligung nicht mehr bedarf. Die „Einwilligung" im Sinne des § 744 II BGB dient nur dazu, in tatsächlicher Hinsicht festzustellen, daß die Maßnahme wirklich „notwendig" ist 292 . Hat ein Teilhaber „eingewilligt", so ist ihm, wenn er später vom Handelnden gemäß § 748 BGB auf Erstattung der anteiligen Kosten in Anspruch genommen wird, der Einwand abgeschnitten, es habe der Erhaltungsmaßnahme nicht bedurft 293 . Im übrigen können die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des Gegenstandes durch Beschluß regeln (§ 745 BGB). Der Begriff des Beschlusses findet nicht nur an dieser Stelle Verwendung, sondern gehört auch zu den Kernbegriffen des Gesellschaftsrechts. Nach mittlerweile wohl allgemeiner Ansicht handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das sich aus einzelnen Willenserklärungen zusammensetzt 294 . Erlaubt ein Beschluß eine tatsächliche Handlung, etwa eine Verwaltungsmaßnahme, so hat er im InnenVgl. MüKo/Schmidt, Rz. 40 zu §§ 744, 745 m.w.N. BGHZ 17, 181 (184); MüKo/Schmidt, Rz. 40 zu § 744, 745; Staudinger/Langhein, Rz. 27 zu § 744; a. A. Palandt/Sprau, Rz. 3 zu § 744 (wegen Außenwirkung des § 744 II bereits gesetzliche Vertretungs- und Verfügungsmacht für notwendige Maßnahmen). 292 Vgl. Staudinger/Langhein, a.a.O.; MüKo /Schmidt, a.a.O., mit dem Hinweis, der Prozeß um die Einwilligung sei daher in Wirklichkeit Feststellungsstreit. 293 So bereits Mot. II, S. 878. 294 Vgl. Larenz/Wolf, § 23, Rz. 17ff.; Erman/Westermann, Rz. 19 zu § 709; MüKo/ Schmidt, Rz. 47 zu § 709; alle m.w.N. 290 291

V. Einwilligungen im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse

289

Verhältnis zwischen den Teilhabern die gleiche Wirkung wie eine Einwilligung im Zweipersonenverhältnis. Die Handlung wird rechtmäßig, und die übrigen Teilhaber verlieren mögliche Abwehransprüche. Trotz dieser Parallelität der Rechtsfolgen empfiehlt es sich, terminologisch zwischen der einseitigen Einwilligung und dem mehrseitigen Beschluß zu unterscheiden. Dieselben Überlegungen gelten für das Gesellschaftsrecht. Die Geschäftsführung, die von der Vertretung zu unterscheiden ist, umfaßt tatsächliches und rechtsgeschäftliches Handeln 2 9 5 . Steht die Geschäftsführung, wie von § 709 I B G B als Regelfall vorgesehen, allen Gesellschaftern gemeinsam zu, so kann im Einzelfall einem Gesellschafter durch Beschluß die Befugnis zur Vornahme einer tatsächlichen Handlung eingeräumt werden, die sich auf einen der Gesellschaft zustehenden Gegenstand bezieht. Dieser Beschluß legitimiert die Handlung im Innenverhältnis. Er ist daher mit der Einwilligung verwandt, unterscheidet sich von ihr aber durch seine Rechtsnatur als mehrseitiges Rechtsgeschäft.

2 9 5 Vgl. Erman/Westermann, Sprau, Rz. 1 vor § 709.

Rz. 5 zu § 709; MüKo/Schmidt,

Rz. 7 zu § 709; Palandt/

3. Teil

Wirksamkeitsvoraussetzungen

§ 1 1 Einwilligungsfähigkeit I. Einführung Eine Person ist einwilligungsfähig, w e n n sie nach der Wertung der Rechtsordnung über die Fähigkeit verfügt, selbständig wirksam in einen Eingriff einwilligen zu können. Die Problematik der Einwilligungsfähigkeit liegt an der Schnittstelle zwischen Deliktsrecht, Rechtsgeschäftslehre und Familienrecht. Mit den §§ 1 0 4 f f . B G B enthält der Allgemeine Teil des B G B ein Modell, das allerdings auf vermögensrechtliche Geschäfte zugeschnitten ist und für Dispositionen im höchstpersönlichen Bereich nicht ohne weiteres passend erscheint. Ein konkurrierendes Lösungsmodell bietet im Deliktsrecht § 828 BGB. Das familienrechtliche Spannungsverhältnis zwischen elterlicher Sorge und wachsender Reife Jugendlicher tritt vor allem bei Einwilligungen im persönlichkeitsrechtlichen Bereich deutlich zutage. Einerseits ist gerade die Sorge um das körperliche Wohl des Kindes zentraler Bestandteil der in §§ 1626 I, 1631 ff. B G B geregelten und v o n A r t . 6 II G G geschützten Personensorge 1 , andererseits ist das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen in besonderem Maße berührt. W ä h r e n d einige ausländische Rechtsordnungen Sondervorschriften zur Entscheidungskompetenz über ärztliche Heileingriffe aufweisen 2 , ist dem deutschen Gesetzgeber trotz mehrerer Anläufe 3 eine solche Regelung bisher 1 BGHZ 105, 45 (47f.); Gemhuber/Coester-Waltjen, § 62 III 2 (S. 1008); Lüderitz FamR, Rz. 836ff.; MüKo/Hinz, Rz. 3 zu § 1631; Soergel/Strätz, Rz. 2 zu § 1631. 2 S. zum britischen und US-amerikanischen Recht unten, II 3, vgl. außerdem § 8 III des österreichischen Krankenanstaltsgesetzes, dazu Edlbacher, OJZ 1982, 365 ff., und die rechtsvergleichenden Hinweise bei Giesen, International Medical Malpractice Law, § 35 II (Rz. 896 ff.), und Belling/Eberl/Michlik, Das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger bei medizinischen Eingriffen (1994). 3 Im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der elterlichen Sorge von 1974 war beabsichtigt, eine solche Sondervorschrift als § 1626a BGB einzuführen, s. BT-Drucks. 7/ 2060 v. 2. 5. 1974. § 1626a stieß aber auf den Widerstand des Bundesrats und war im Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge von 1979 nicht mehr enthalten. Auch im Rahmen der 1990 erfolgten Reform des Betreuungsrechts kam es nicht zu einer Regelung der Einwilligungsfähigkeit, vielmehr schloß sich der Regierungsentwurf ausdrücklich der „gefestigten Rechtsprechung" an, s. BT-Drucks. 11/4528 v. 11.5.1989, S. 71. Im Strafrecht wurde im Zuge der Beratungen zum 5. Gesetz zur Reform des Strafrechts erwogen, die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger in einen Schwangerschaftsabbruch und eine Sterilisation zu regeln, s. etwa BT-Drucks. 7/1982 v. 10.4.1974, S. 28 f., 31 (§ 219 d bzw. e und § 226 b), doch auch dieser Vorschlag erlangte nie Gesetzeskraft.

294

§ 11

Einwilligungsfähigkeit

nicht gelungen 4 . Daher erstaunt es nicht, daß die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger im Bereich der Persönlichkeitsrechte Gegenstand zahlreicher Urteile und einer kontroversen Diskussion im Schrifttum ist. Die medizinrechtliche Rechtsprechung hat sich mit Zustimmung eines Teiles der Literatur 5 bei der Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit im Bereich der körperlichen Integrität weitgehend von den §§ 104ff. B G B gelöst und die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre durch ein umfangreiches, wenn auch nicht völlig widerspruchsfreies Fallrecht ersetzt (II). Bei der Beurteilung von Dispositionen über die übrigen Persönlichkeitsrechte suchen Rechtsprechung und Schrifttum Orientierung einerseits am Medizinrecht, andererseits aber vor allem dann an vermögensrechtlichen Wertungen, wenn die Einwilligung Instrument der Kommerzialisierung von Vermögensrechten ist (III). Hingegen findet die im Strafrecht umstrittene Frage nach der Einwilligungsfähigkeit im rein vermögensrechtlichen Bereich in der privatrechtlichen Literatur kaum Beachtung (IV). Die abschließende Stellungnahme wird zwischen diesen Kategorien differenzieren müssen (V). Die folgenden Überlegungen beschränken sich auf die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger. Die Einwilligungsfähigkeit Erwachsener ist im Regelfall unproblematisch. Schwierigkeiten ergeben sich aber zum einen, wenn im Einzelfall die Unvernünftigkeit der Einwilligung Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit weckt. Diese Frage, die der strafrechtlichen Zahnextraktions-Hntscheidurig des B G H 6 zugrunde liegt, soll unten im Zusammenhang mit den Einwilligungsschranken behandelt werden 7 . Zum anderen besteht im Betreuungsrecht, das in §§ 1904ff. B G B einschlägige Vorschriften enthält, ein Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und dem Schutzbedürfnis des Betreuten. Diese Problematik soll hier ausgeklammert bleiben, zumal die Einwilligung im Betreuungsrecht in zwei jüngst erschienenen Habilitationsschriften eingehend behandelt wird 8 .

4 Allerdings regeln einige Spezialvorschriften die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger für besondere ärztliche Eingriffe wie Sterilisation, Kastration oder Arzneimitteltest, hierzu unten, II 4. 5 Auch der Regierungsentwurf zum Betreuungsgesetz, BT-Drucks. 11/4528 v. 11.5.1989, S. 71, schließt sich der „gefestigten Rechtsprechung" an, der zufolge es für die Einwilligungsfähigkeit nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ankommt. Zur Ansicht Pawlowskis, FS Hagen, S. 5 (6), damit habe sich der Streit um die dogmatische Einordnung der Einwilligung erledigt, oben, § 9 III 2 b. 6 B G H N J W 1978, 1206. 7 S. unten, § 14 IV 2 b. 8 v. Sachsen Gessapbe, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige (1999), S. 333 ff.; Lipp, Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson (2000), S. 164 ff., 179 ff. 188 ff.

II. Körperliche

Integrität

295

II. Körperliche Integrität 1. Die Entwicklung zur individuellen

der Rechtsprechung: Einsichtsfähigkeit

Von §107 BGB

Seit jeher haben sowohl das RG als auch der B G H ihre Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit eng mit der Frage verknüpft, ob die Einwilligung als Willenserklärung anzusehen ist. Die Rechtsprechung des RG in Zivilsachen bejahte die rechtsgeschäftliche Natur und schloß daraus auf die Anwendbarkeit der §§ 104ff. BGB. Einer Entscheidung aus dem Jahre 19079 lag der Fall zugrunde, daß die 18jährige, also nach damaligem Recht minderjährige Klägerin ohne Zustimmung ihrer Eltern in eine Schieloperation eingewilligt und aufgrund deren Mißlingens ein Auge verloren hatte. Das RG hielt die Einwilligung für unwirksam: Die Berechtigung des Arztes hänge von einer „zustimmenden Willenserklärung des Kranken oder seines gesetzlichen Vertreters" ab, daher sei § 107 BGB unmittelbar anwendbar. Der Umstand, daß die Eltern ihre Tochter dazu ermächtigt hatten, eine Dienstbotentätigkeit aufzunehmen, führe nicht nach § 113 BGB dazu, daß die Klägerin allein habe einwilligen können. Kurze Zeit später bestätigte das RG diese Rechtsprechung in zwei weiteren Entscheidungen 10 . Während die Strafsenate des RG zu keinem Zeitpunkt die Einwilligungsfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit koppelten, sondern auf die individuelle Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abstellten 11 , blieb die zivilrechtliche Rechtsprechung unverändert. Die drei letzten Urteile des RG zur Einwilligung in ärztliche Behandlungen gingen zwar von der Rechtsgeschäftstheorie aus, betrafen aber volljährige Kläger 12 . Auch eine frühe Entscheidung des BGH, die noch auf dieser Theorie beruhte, ging auf die Minderjährigenproblematik nicht ein 13 . Die Grundsatzentscheidung des B G H aus dem Jahre 195814, mit der das Gericht seine Rechtsprechung zur Einwilligungsfähigkeit änderte, beruht in ihrer Argumentation, wie oben gesehen, ebenfalls auf einer Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur der Einwilligung. Der VI. Zivilsenat verwarf in diesem Urteil die Rechtsgeschäftstheorie und verneinte daher eine unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 107ff. BGB 15 . Eine Analogie wurde mit drei Argumenten abgelehnt. Erstens bedürfe der Minderjährige dann keines Schutzes, wenn er „nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und R G J W 1907, 505. RGZ 68, 431; R G J W 1911, 748. 11 RGSt 29,398 (399); 41,392 (394); 72,399 (400); so später auch der BGH, s. BGHSt 5, 362 (363); 23, 1 (4); weitere Nachw. bei LK/Hirsch, Rz. 118 vor § 32. 12 RGZ 151, 349; 163, 129; 168, 206. 13 BGHZ 7, 198. 14 BGHZ 29, 33; so zuvor bereits OLG München, NJW 1958, 633 f. 15 A.a.O., S.36Í. 9

10

296

§11

Einwilligungsfähigkeit

Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen" vermöge. Zweitens stehe das elterliche Personensorgerecht (§ 1626 BGB) dem Alleinentscheidungsrecht des Minderjährigen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Einholung der elterlichen Zustimmung undurchführbar sei und der Minderjährige kurz vor der Volljährigkeitsgrenze stehe. Drittens ermögliche die Entkopplung von Einwilligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit eine Harmonisierung mit der strafrechtlichen Rechtsprechung. Auf diese Argumente wird in der abschließenden Stellungnahme zurückzukommen sein. Schon hier sei aber vermerkt, daß das Urteil unverdienterweise zur Leitentscheidung geworden ist, da der zugrunde liegende Fall aus drei Gründen eine geradezu extreme Ausnahmesituation darstellt 16 . Erstens erteilte der Kläger seine Einwilligung wenige Monate vor Erreichen des Volljährigkeitsalters, das seinerzeit noch 21 Jahre betrug 17 . Zweitens waren seine Eltern unerreichbar, so daß der Fall schon auf der Grundlage der reichsgerichtlichen Rechtsprechung mit der Figur der mutmaßlichen Einwilligung hätte gelöst werden können 18 . Drittens hatte der Kläger selbst darum gebeten, seine in der damaligen DDR lebenden Eltern nicht um ihre Zustimmung zu ersuchen, um ihnen Schwierigkeiten zu ersparen. Das Verhalten des Klägers war also als venire contra factum proprium in hohem Maße treuwidrig 1 9 , so daß ihm auch aus diesem Grund die Berufung auf die Unwirksamkeit seiner Einwilligung zu versagen war. In der Tat schränkte der BGH später die Tragweite der angeblichen Leitentscheidung merklich ein. In zwei Urteilen von 1970 20 und 197121 hielt er die jeweilige Einwilligung einer 15- und einer 16-jährigen Patientin ohne Zustimmung der Eltern für unwirksam. Dieser Umstand allein wäre noch nicht auffällig, da die Einwilligungsfähigkeit auch nach der Entscheidung von 1958 dann fehlt, wenn der Minderjährige nicht über die erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt, doch gehen beide Urteile über eine bloße Anwendung dieser Regel hinaus. In beiden Fällen, in denen es jeweils um kosmetische Eingriffe ging, stellte der B G H generalisierend auf die Einsichtsfähigkeit von „Menschen dieses Alters" 22 oder gar von „jungen Mädchen dieses Alters" 23 ab. In 16 Zudem weist Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (12) darauf hin, daß es sich bei den Ausführungen zur Einwilligungsfähigkeit genau genommen um obiter dicta handelt: Tragender Entscheidungsgrund, auf den die Urteilsbegründung allerdings nur am Rande eingeht, ist die unzureichende Aufklärung durch den beklagten Arzt, s. BGHZ 29, 33 (37). 17 Hierauf verweist auch Staudinger/Hager, Rz. I 97 zu § 823. 18 So auch Boehmer, MDR 1959, 705 (707); Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (12); Lipp, S. 31 (Fußn. 70); Staudinger/Hager, a. a. O. 19 Vgl. Boehmer, a. a. O.; Pawlowski, a. a. O. mit Fußn. 32. 20 BGH NJW 1970, 511. 21 BGH NJW 1972, 335. 22 BGH NJW 1970, 511 (512). 23 BGH NJW 1972, 335 (337).

II. Körperliche

Integrität

297

diesem Zusammenhang nahm der B G H eine deutliche Abgrenzung zu seinem Urteil von 1958 vor. Zwischen Minderjährigen im 21. und im 17. Lebensjahr bestünden in bezug auf die geistige Entwicklung und allgemeine Reife erhebliche Unterschiede, was sich an der seinerzeit geführten Diskussion um eine Absenkung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre zeige. Schon aufgrund des Instituts der Personensorge sei davon auszugehen, daß der Minderjährige auch außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs bei wichtigen Entscheidungen der elterlichen Unterstützung bedürfe. Die Einwilligung des Jugendlichen aufgrund einer nur an ihn gerichteten Aufklärung könne deshalb bei einerseits aufschiebbaren, andererseits nicht unwichtigen Entscheidungen über eine ärztliche Behandlung nicht genügen. In einem neueren Urteil 2 4 wird die alleinige Einwilligungsfähigkeit eines beinahe 18jährigen Klägers nicht einmal erwogen. Es heißt lediglich, daß es für die Annahme einer hypothetischen Einwilligung auch auf den Willen des Klägers angekommen wäre. Auch das B a y O b L G äußerte sich in einem Urteil von 1986 einschränkend: Selbst wenn eine wirksame Einwilligung des Kindes möglich sei, mache dies die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht entbehrlich, wenn deren Einholung nichts im Wege stehe 25 . Eine Entscheidung des B G H von 1988, in der es allerdings um einen siebenjährigen Jungen ging, enthält den Grundsatz, die Einwilligung sei als Ausübung der Personensorge in der Regel von beiden Eltern zu erteilen 26 . N u r in bestimmten Ausnahmefällen, besonders bei Eilund Notmaßnahmen, bei Geschäften des Alltags und Besorgungen minderer Bedeutung, könne ein Elternteil allein einwilligen. Im übrigen könne der Arzt in bestimmten Grenzen darauf vertrauen, der einwilligende Elternteil sei vom anderen ermächtigt worden. Es hat den Anschein, als habe dieses RegelAusnahme-Verhältnis weitergehende Bedeutung. Auch für die Frage, ob ein einsichtsfähiger Minderjähriger allein in eine Behandlung einwilligen kann, bietet dieses Schema wohl ein genaueres Bild von der bisherigen Rechtsprechung als die zu allgemeinen Formulierungen aus dem Urteil von 195 8 27 , die zu einiger Rechtsunsicherheit geführt haben 28 . Die vielzitierte Regel, daß ein Minderjähriger bei hinreichender Einsichtsfähigkeit selbständig in ärztliche Eingriffe einwilligen kann, erscheint also im Licht der folgenden Entscheidungen nicht als korrekte Zusammenfassung der Rechtsprechung. Praktisch B G H NJW 1991, 2344 (2345). BayObLG FamRZ 1987, 87 (89); ebenso O L G Hamm NJW 1998, 3424 (3425: ein Jugendlicher könne „bis zum Eintritt der Volljährigkeit grundsätzlich keine rechtswirksame Einwilligung zu einer Heilbehandlung erteilen"). 26 B G H Z 105, 45 (47f.). 27 In diesem Sinne auch die Urteilsanmerkung von Giesen, JZ 1989,93 (94), der aus dem Urteil folgert, die Eltern seien „in der Regel zuzuziehen". 28 In diesem Sinne auch Belling, FuR 1990, 68 (69); MüKoVGitter, Rz. 89 vor § 104; Voll, S. 63; und die ablehnende Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des § 1626a im Jahre 1974, BT-Drucks. 7/2060, S. 51. 24

25

298

§ 11

Einwilligungsfähigkeit

ist jedem Arzt anzuraten, die Einwilligung der Eltern bei jedem nicht trivialen Eingriff nach Möglichkeit einzuholen 29 .

2. Die Beurteilung

der Einwilligungsfähigkeit

im

Schrifttum

Trägt man die Stellungnahmen in der Literatur zur Einwilligungsfähigkeit zusammen, so bestätigt sich, daß es sich hier um eine Schnittstelle zwischen Deliktsrecht, Rechtsgeschäftslehre und Familienrecht handelt. In der Kommentarliteratur finden sich einschlägige Ausführungen in den Kommentierungen zu §§ 104ff., 823 und 1626 BGB, und Lehrbücher zum Allgemeinen Teil des BGB behandeln die Frage 30 ebenso wie Gesamtdarstellungen des Familienrechts 31 . Schärfer als in der Rechtsprechung wird in der Literatur zwischen einem Mitentscheidungsrecht und einer echten Alleinzuständigkeit des Jugendlichen unterschieden 32 . Daß ihm zumindest ersteres zukommen sollte, wird mittlerweile, soweit ersichtlich, allgemein befürwortet 33 . Auch Autoren, die sich grundsätzlich für eine Anwendung des § 107 BGB aussprechen, erscheint es als unvertretbar, das Selbstbestimmungsrecht eines einsichtsfähigen Minderjährigen völlig zu übergehen 34 . Erstaunlicherweise sah der Entwurf eines § 1626 a BGB von 1974 genau dies vor 35 . Zwar sollte dem einsichtsfähigen Minderjährigen eine selbständige Einwilligungszuständigkeit eingeräumt werden, doch sollten auch die Eltern die Möglichkeit erhalten, unabhängig von der Entscheidung ihres Kindes die Einwilligung zu erteilen 36 . Diese rechtliche Möglichkeit einer Zwangsbehandlung gegen den Willen des einsichtsfähigen Jugendlichen wird in der Literatur inzwischen offenbar einhellig als Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts Minderjähriger und als Widerspruch zu der Maßgabe des § 1626 II BGB angesehen, ihre wachsende Fähigkeit zur Eigenverantwortung zu berücksichtigen. 29 Hierzu raten auch Giesen, International Medicai Malpractice Law, Rz. 897, und HdA/Laufs, § 66, Rz. 9. 30 Vgl. etwa Fiume AT II, § 13, 11 f (S. 218 ff.); Medicus AT, Rz. 200. 31 Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, § 57 VII 4 (S. 883 f.); Lüderitz FamR, Rz. 836ff. 32 Vgl. Kobte, AcP 185 (1985) 105 (143); Belling, FuR 1990, 68 (76); Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (17ff.); Lüderitz, AcP 178 (1978) 263 (275), unterscheidet zwischen (1) Mitbestimmung im Innenverhältnis, (2) Mitbestimmung mit Außenwirkung und (3) echter Teilmündigkeit. 33 Ausführliche Begründungen bei Belling, FuR 1990, 68 (70 ff.), Kobte, AcP 185 (1985) 105 (144f.); vgl. auch MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; Lipp, S. 34; Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (17ff.); Staudinger'2/Schäfer, Rz. 461 f. zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 99 zu § 823. 34 Vgl. Bosch, FamRZ 1959, 203; MuKo*/Gitter, Rz. 89 vor § 104, ohne diese Einschränkung aber nunmehr Schmitt in der 4. Aufl., Rz. 22 zu § 105 (Persönlichkeitsschutz zugunsten des Minderjährigen notfalls über § 1666). 35 BT-Drucks. 7/2060 v. 2. 5.1974; s. insb. Ziff. 4-6 der Begründung zu § 1626 a, a. a. O., S. 18. 36 Eine solche „alternative Doppelzuständigkeit" wird auch im englischen Recht angenommen, s. unten II 3.

II. Körperliche

Integrität

299

Weit weniger Konsens herrscht hingegen darüber, ob dem Minderjährigen eine echte Teilmündigkeit 3 7 zuerkannt werden soll, ob er also auch ohne oder gegen den Willen der Eltern Eingriffe in seine körperliche Integrität erlauben kann. Während eine besonders im familienrechtlichen Schrifttum vorherrschende Ansicht dies bejaht, spricht sich eine zweite Gruppe von Autoren grundsätzlich für eine Doppelzuständigkeit von Jugendlichem und Eltern und für eine Alleinentscheidungsbefugnis nur im Ausnahmefall aus. Die erstgenannte Ansicht, die der ganz überwiegenden Meinung im Strafrecht entspricht 38 , wird eingehend von Belling begründet 3 9 . Das Personensorgerecht sei treuhänderisch gebunden. Die Eltern seien gehalten, auf die wachsende Fähigkeit des Kindes zur Selbstbestimmung Rücksicht zu nehmen (§ 1626 II BGB). Zudem sei das Kind Träger der Grundrechte auf Ungestörtheit der Körpersphäre (Art. 2 II 1 GG) und auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 I i.V.m. 1 I GG), als Grundrechtsträger werde es mit zunehmendem Alter grundrechtsmündig 4 0 . Die Entscheidungsbefugnis des einsichtsfähigen Jugendlichen könne nicht auf die Ablehnung medizinischer Behandlungen beschränkt bleiben, denn die Entscheidung, sich nicht behandeln zu lassen, verdiene nicht mehr Respekt, als die Entscheidung für die Behandlung. Sofern der Minderjährige über die Fähigkeit zur medizinischen Selbstbestimmung verfüge 4 1 , trete das elterliche Personensorgerecht mithin zurück. Es erlösche aber nicht völlig, sondern werde vom Mitentscheidungsrecht zum Informationsanspruch abgeschwächt. Diese Wertung decke sich mit § 36 I S G B I 42 , 37 Unter „Teilmündigkeit" wird die rechtliche Handlungsfähigkeit für eine begrenzte Gruppe von Handlungen verstanden, s. Gernhuber/Coester-Waltjen, § 57 VII 3 (S. 882). 38 V g l . A m e l u n g , ZStW 104 (1992) 525 {527 {.)•, Amelung/Eymann,]x& 2001, 937 (941); LK/Hirsch, Rz. 16 zu § 228; Schönke-Schröder/Eser, Rz. 38 zu § 223; Roxin AT I, § 13, Rz. 5 5 - J e s c h e c k / W e i g e n d , § 34IV 1 (S. 381);.Jakobs AT, 14/7; a. A. Köhler StR AT, S. 251 ff.; anders allerdings einige der genannten Autoren für die Einwilligung in Eigentumseingriffe, s. dazu unten IV. 39 Belling, FuR 90, 68 (70ff., 76), und Belling/Abel/Michlik, S. 103 ff. 40 Zur Theorie der Grundrechtsmündigkeit grundlegend Krüger, FamRZ 1956, 329 ff., vgl. auch Schwerdtner, AcP 173 (1973), 227ff., allerdings teilweise mit übertriebener Emphase, s. etwa S. 248: „Es gilt daher, Fehlentwicklungen repressiver Gesellschaftsstrukturen entgegenzuwirken, die im traditionellen Familienzusammenhang zwangsläufig immer wieder verklemmte Individuen hervorbringen müssen ... Das kann nur durch Abbau der elterlichen Fürsorgepflichten zu Gunsten des Kindes und die Zulassung des freien, lustbetonten, emanzipierten, glücklichen neuen Menschen geschaffen werden." 41 Wenn diese Fähigkeit zweifelhaft ist, soll nach Belling, a. a. O., S. 77, das Vormundschaftsgericht analog § 14 Nr. 5 RPflG über die Einwilligungsfähigkeit entscheiden. 42 § 36 SGB I lautet: (1) Wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, kann Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen. Der Leistungsträger soll den gesetzlichen Vertreter über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen unterrichten. (2) Die Handlungsfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 kann vom gesetzlichen Vertreter durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger eingeschränkt werden. Die Rück-

300

§11

Einwilligungsfähigkeit

der Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit zuerkenne, diese aber durch ein Informationsrecht der Eltern ergänze. Einschränkend schlägt Lüderitz vor, dem Jugendlichen eine Alleinentscheidungsbefugnis, den Erziehungsberechtigten aber analog § 36 II SGB I ein Widerspruchsrecht zuzugestehen 43 . Gernhuber/Coester-Waltjen halten die Loslösung von § 107 BGB für einen Fall legitimer Rechtsfortbildung 44 . Die Legitimität ergebe sich daraus, daß im höchstpersönlichen Bereich so früh wie möglich Selbstbestimmung herrschen müsse 45 . Freilich verliere diese Freiheit erheblich an Wert, wenn der Minderjährige nicht zugleich den Arztvertrag abschließen könne 46 . § 361 SGB I gewähre zwar dem Jugendlichen ab dem 15. Lebensjahr ein Antragsrecht für Sozialleistungen mit Sperrmöglichkeit der Eltern, so daß er bei gesetzlicher Krankenversicherung bereits handlungsfähig sei, doch sei de lege ferenda weitergehend an eine begrenzte Teilmündigkeit für alle Kinder zu denken. Auch Kohte47 sieht in § 36 SGB I einen Hinweis darauf, daß im Bereich der medizinischen Selbstbestimmung dem Minderjährigen eine Teilmündigkeit zuerkannt werden sollte. Die §§ 107ff. BGB würden im Bereich höchstpersönlicher Geschäfte in zahlreichen Spezialregelungen entweder durch ein Mitentscheidungsrecht des Jugendlichen ergänzt oder sogar völlig durchbrochen 48 . Der Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes trete zurück, da der Arzt die Einsichtsfähigkeit des Patienten im Rahmen der Untersuchung feststellen könne 49 . Das treuhänderisch gebundene Elternrecht weiche in dem Maße, in dem das Kind in die Mündigkeit hineinwachse. Auch verschiedene andere Autoren 50 betonen die überragende Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts im Bereich höchstpersönlicher Entscheidungen und verweisen auf die Begrenzung der elterlichen Sorge durch die Grundrechtsmündigkeit des Minderjährigen, die zur Anerkennung von nähme von Anträgen, der Verzicht auf Sozialleistungen und die Entgegennahme von Darlehen bedürfen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. 43 Lüderitz, AcP 178 (1978) 263 (277) und FamR, Rz. 837. 44 Gernhuber/Coester-Waltjen,§ 57VII4(S. 883 f.); weitergehend Rosener, S. 151,der die Grundsätze der Rechtsprechung bereits als Gewohnheitsrecht ansieht, und Lüderitz FamR, Rz. 837, nach dessen Ansicht der Gesetzgeber durch Verzicht auf den geplanten § 1626 a BGB (s. zu diesem Gesetzgebungsvorschlag oben I), die „Generalklausel der Rechtsprechung" bestätigt habe, ähnlich Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (6). 45 Gernhuber/Coester-Waltjen a.a.O.; vgl. auch Gernhuber, FamRZ 1962, 89 (93f.). 46 Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O.; ähnlich für die Einwilligungsbefugnis des Betreuers nach §§ 1903 f. BGB die Kritik von Schwab in MüKo, Rz. 6 zu § 1904. 47 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (143ff.). 48 A.a.O., S. 144f., 147; vgl. auch Flume AT II, § 13, 11 f (S. 221); Beitzke, FS Flume, S. 317 (325 ff.); Rosener, S. 146. 49 A.a.O., S. 146; ebenso Belling, FuR 1990, 68 (75); Rosener, S. 149; v. Sachsen-Gessaphe, S. 346. 50 Boehmer, MDR 1959, 705 (707); Deutsch, AcP 192 (1992) 161 (175); Esser/Schmidt, § 25 IV 2 (S. 71); RGRK/Krüger-Nieland, Rz. 11 zu § 106; Schünemann, VersR 1981, 306 (307); Trockel, NJW 1972, 1493; Voll, S. 61 ff.; wohl auch Kern, NJW 1994, 753 (755).

II. Körperliche

Integrität

301

Teilmündigkeiten in besonders grundrechtssensiblen Bereichen zwinge. Die Belange des Verkehrsschutzes müßten demgegenüber zurücktreten, zumal der Arzt bei einem Irrtum über die Einsichtsfähigkeit durch das Verschuldenserfordernis des Deliktsrechts geschützt werde 51 . Umstritten ist allerdings unter den Befürwortern einer Teilmündigkeit für die Einwilligung in körperliche Eingriffe, ob eine untere Altersgrenze gezogen werden soll. Während einige Autoren eine solche Grenze völlig ablehnen 52 , sprechen sich andere dafür aus, die Einsichtsfähigkeit von Kindern unter 14 Jahren generell zu verneinen 53 , von Jugendlichen ab dem 14. bzw. 16. Lebensjahr hingegen zu vermuten 54 . In seinem Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag hat sich jüngst Taupitz dafür ausgesprochen, die Altersgrenze von 14 Jahren de lege lata und erst recht de lege ferenda zur Richtschnur für die Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit zu machen 55 . Den Befürwortern einer Teilmündigkeit steht eine beachtliche Gruppe von Autoren gegenüber, die sich für eine kumulative Doppelzuständigkeit 56 von einsichtsfähigem Minderjährigem und gesetzlichen Vertretern aussprechen 57 . Pawlowski verweist auf das verfassungsrechtlich geschützte elterliche Personensorgerecht, das allenfalls durch Gesetz eingeschränkt werden dürfe 58 . Mertens59 warnt davor, nach Absenkung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre die Reife Minderjähriger unkritisch anzunehmen. Soweit möglich sei auch die Einwilligung der Eltern einzuholen, in Kollisionsfällen gehe das Elternrecht vor, sofern sachliche Gründe für deren Ansicht bestünden. Auch nach Flumew ist grundsätzlich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. Anders sei es nur bei geringfügigen Eingriffen, bei denen mit der Zustimmung des Vertreters zu rechnen sei, und bei Unerreichbarkeit der gesetzlichen VerRosener, S. 149. So Bellmg, FuR 1990, 68 (75); Trockel, NJW 1972, 1439. 53 So Deutsch MedR, Rz. 105; HdA/Laufs, § 66, Rz. 9; Rosener, S. 146; Tempel, NJW 1980, 609 (614); Voll, S. 68. 54 Vgl. Deutsch MedR, Rz. 105; Rouka, S. 117ff., insb. 147 und passim. 55 Taupitz, NJW 2000, Sonderbeil, zum 63. DJT, S. 6 (8); zust. Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2299 f.); ähnlich Lipp, S. 84 ff. 56 Im Fall einer kumulativen Doppelzuständigkeit ist sowohl die Einwilligung des Minderjährigen als auch diejenige seiner gesetzlichen Vertreter erforderlich, im Fall der alternativen Doppelzuständigkeit genügt eine von beiden. 57 Vgl. außer den im folgenden Text Genannten Medicus AT, Rz. 201; MüKoy/Gitter, Rz. 88 vor § 104; Palandt/Heinrichs, Rz. 8 vor § 104; Staudinger/Hager, Rz. I 97 ff. zu § 823; aus dem medizinrechtlichen Schrifttum Laufs ArztR, Rz. 222; Giesen ArztHR, Rz. 252; einschränkend Taupitz in seinem Gutachten zum 63. DJT, s. die Sonderbeil. NJW 2000, S. 6 (8, Nr. 6: Doppelzuständigkeit nur bei Lebensgefahr oder der Gefahr erheblicher Schäden); dazu krit. Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2300). 58 Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (13 f.); zust. Lipp, S. 33 59 MüKo/Mertens, Rz. 39, 447 zu § 823. 60 Flume AT II, § 13, 11 (S. 219); ähnlich die Ausnahmen nach Kern, NJW 1994, 753 (756). 51

52

302

§11

Einwilligungsfähigkeit

treter. Hefermehlbx hält die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters für erforderlich, wenn sie unschwer und ohne Gefahr für Leben und Gesundheit des Minderjährigen zu erlangen ist oder wenn bei mißbräuchlicher Verweigerung rechtzeitig die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1666 B G B ) eingeholt werden kann. Noch zurückhaltender gegenüber einer Teilmündigkeit äußern sich Gitter62 und Bosch63, nach deren Ansicht die §§ 104ff. B G B auf Einwilligungen in körperliche Eingriffe uneingeschränkt anzuwenden sind. Die Ähnlichkeit zur rechtsgeschäftlichen Erklärung zeige sich darin, daß der Einwilligende über seinen deliktischen Schadensersatzanspruch und damit letztlich über seinen Vermögenswert verfüge 64 . Der Normzweck der §§ 104 ff. B G B , nämlich der Schutz des Minderjährigen, der Rechtssicherheit und des Personensorgerechts, treffe uneingeschränkt zu. Insbesondere könne dem Arzt nicht das Risiko aufgebürdet werden, die geistige und sittliche Reife des Minderjährigen zutreffend zu beurteilen 65 , es bestehe auch in diesem Bereich ein Bedürfnis nach festen Altersgrenzen 66 . Allerdings müsse dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen durch Zuerkennung eines Vetorechts gegen die Entscheidungen seiner gesetzlichen Vertreter Rechnung getragen werden 67 .

3. Die Einwilligungsfähigkeit

im englischen

und amerikanischen

Recht

Im englischen Recht bestimmt See. 8(1) Family Law Reform Act 1969, daß in Abweichung vom allgemeinen Volljährigkeitsalter bereits 16jährige wirksam in ärztliche Eingriffe einwilligen und zugleich den entsprechenden Behandlungsvertrag abschließen können. Nach Abs. (3) dieser Vorschrift ist aber die Einwilligungsfähigkeit jüngerer Minderjähriger nach common law nicht ausgeschlossen. Dementsprechend entschied das House of Lords in seinem GillickUrteil 6 8 , daß eine Minderjährige auch vor dem 16. Geburtstag in körperliche Eingriffe einwilligen kann, sofern sie über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügt. In der Praxis werden einwilligungsfähige Minderjährige seitdem häufig als „Gillick competent minors" bezeichnet. Allerdings geben nach einem

Soergel/Hefermehl, Rz. 19 zu § 107. MiiKo* /Gitter, Rz. 89 vor § 104; ähnlich nunmehr in der 4. Aufl. Schmitt, Rz, 21 f. zu § 105. 63 Bosch, Grundsatzfragen, S. 42 ff.; ähnlich Reuter, S. 206 ff., 215, der allerdings ausnahmsweise bei Eingriffen lebensgestaltenden Charakters eine Alleinzuständigkeit des Minderjährigen bejaht. 64 Gitter und Schmitt, a.a. O. (vorletzte Fußn.). 65 Gitter, a.a.O. 66 Bosch, a. a. O., S. 45, und FamRZ 1959, 203. 67 Gitter, a.a.O., Bosch, Grundsatzfragen, S. 43, und FamRZ 1959, 203. 68 Gillickv. West Norfolk and Wisbech Area Health Authority [1986] A . C . 112 (166ff.) per Lord Fräser, (182 ff.) per Lord Scarman, näher zu diesem Urteil sogleich, II 4 b. 61 62

II. Körperliche

Integrität

303

Urteil des Court of Appeal von 1992 6 9 weder das Gesetz noch die Einwilligungsfähigkeit nach common law dem Minderjährigen ein Vetorecht gegen Entscheidungen seiner Eltern oder, sofern zuständigkeitsbegründende Umstände vorliegen, des Gerichts. Lord Donaldson verglich in diesem Zusammenhang die Einwilligung mit einer schußsicheren Weste. Sofern dem Arzt eine wirksame Einwilligung erteilt worden sei, so sei er vor deliktsrechtlichen Angriffen des Patienten geschützt 70 . Allerdings sei kein Arzt verpflichtet, eine Behandlung aufgrund der Einwilligung der Eltern gegen den Willen des Patienten durchzuführen, vielmehr müsse er dessen Willen bei seiner Entscheidung über die Behandlung berücksichtigen. Anders als im englischen Recht gilt im U S - R e c h t der Grundsatz, daß die Einwilligungsfähigkeit erst mit Volljährigkeit erreicht wird. Ausnahmen gelten für emancipated minors, für bestimmte Heileingriffe nach Maßgabe spezieller Gesetze und in eingeschränkter F o r m für einsichtsfähige Jugendliche {mature minors)71. Mit der ema.ncipa.tion, die etwa mit der Heirat oder der Aufnahme bestimmter Beschäftigungsverhältnisse einhergeht 72 , erlangt ein Minderjähriger weitgehend die rechtliche Stellung eines Erwachsenen, darunter auch die Einwilligungsfähigkeit 7 3 . Darüber hinaus haben die meisten U S Bundesstaaten besondere gesetzliche Bestimmungen für Heilbehandlungen an Minderjährigen erlassen. Diese Vorschriften setzen aber üblicherweise das Einwilligungsalter nicht generell herab, sondern regeln Sonderfälle. So kann nach kalifornischem Recht ein 15jähriger dann selbständig in eine Heilbehandlung einwilligen, wenn er von seinen Eltern getrennt lebt und seine finanziellen Angelegenheiten selbst verwaltet 74 . Willigt er selbständig ein, so sind die Eltern für die finanziellen Folgen nicht haftbar, Einwilligungsfähigkeit und Kompetenz zum Vertragssschluß laufen also parallel. Sonderregeln des kalifornischen Gesetzes betreffen psychische Behandlungen 7 5 , Empfängnisverhütung und Abtreibung 7 6 , Behandlungen von Geschlechtskrankheiten 77 und Behandlungen nach Vergewaltigungen 78 .

Re W. (A Minor) (Medical Treatment) [1992] 4 All E.R. 627. A. a. O., S. 635. 71 Einen Uberblick über die Ausnahmen bieten die Urteile Cardwell v. Bechtol 724 S. W.2d 739 (747), 67 A. L. R.4th 479 (1987) und Younts v. St. Francis Hospital and School of Nursing, Inc. 669 P.2d 330 (337), 205 Kan. 292 (1970). 72 Beispiel einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift: § 7002 Family Code (Kalifornien). 73 Beispiel: § 7050 (e)(1) Family Code (Kalifornien). 74 § 6922 Family Code. 75 § 6924 Family Code. 76 § 6925 Family Code. 77 § 6926 Family Code. 78 § 6927 Family Code. 69

70

304

§11

Einwilligungsfähigkeit

Darüber hinaus nehmen einige Autoren 79 mit der Unterstützung des Restatement (Second) of Torts 80 an, daß die Einwilligungsfähigkeit für einsichtsfähige Jugendliche die Regel, nicht die Ausnahme sei, doch diese Annahme ist problematisch. Zwar schließt das Gesetzesrecht ebensowenig wie im englischen Recht eine weitergehende Einwilligungsfähigkeit nach common law aus 81 , doch haben sich die Gerichte in diesem Punkt meist restriktiv verhalten 82 . Als Beispiel sei die Entscheidung Cardwell v. BechtoP3 angeführt, in der sich der Supreme Court of Tennessee mit dieser Frage ausgiebig auseinandersetzt. Zunächst betont das Gericht, daß die Bestimmungen des Staates Tennessee zur Einwilligungsfähigkeit in speziellen Situationen nicht als abschließende Regelung des Gesamtkomplexes zu verstehen seien und daß daher das common law ergänzend heranzuziehen sei. Insbesondere biete die zur Bestimmung der Deliktsfähigkeit anerkannte „rule of sevens" eine Orientierungshilfe. Nach dieser Regel sei bei einem Alter von weniger als 7 Jahren die Deliktsfähigkeit zu verneinen, bei einem Alter zwischen 7 und 14 Jahren spreche eine widerlegliche Vermutung dagegen, bei einem Alter von 14 bis 21 Jahren spreche eine widerlegliche Vermutung dafür, wobei die letztgenannte Altersgrenze inzwischen auf 18 Jahre herabzusetzen sei. Dennoch muß nach Ansicht des Gerichts die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger die Ausnahme bleiben 84 . Auch die widerlegliche Vermutung, die ab dem 14. Lebensjahr gelte, sei durch die besonderen Fallumstände der zugrunde liegenden Präjudizien einzuschränken. Dementsprechend bemüht sich das Gericht bei der Formulierung des Sachverhalts auffällig darum, besondere Gründe für die Einwilligungsfähigkeit der Klägerin im konkreten Fall herauszuarbeiten. Sie habe zur Zeit des fraglichen Heileingriffs fünf Monate vor Erreichen der Volljährigkeit gestanden, habe auf der High School gute Noten erzielt, habe den Führerschein schon mit 16 Jahren gemacht und zudem vom Vater die Erlaubnis erhalten, sein Scheckbuch zu benutzen, wovon sie verantwortungsbewußt Gebrauch gemacht habe. Diese Enscheidung bestätigt die Analyse

Prosser/Keeton, § 18 (S. 115); Harper/James/Gray, § 3.10. Restatement (Second) of Torts, § 892A, comment (b). § 892A selbst bestimmt lediglich, daß die Einwilligungsfähigkeit (capacity) oder wirksame Vertretung Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist. 81 Vgl. Cardwell v. Bechtol 724 S.W.2d 739 (744), 67 A.L.R.4th 479 (1987). 82 Deutlich etwa folgende Passage aus der Entscheidung Zoski v. Gaines 260 N.W. 99 (102), 271 Mich. 1 (1935): „Except in the very extreme cases, a surgeon has no legal right to operate upon a child without the consent of his parents or guardian". Vgl. auch Bonner v. Moran 126 F.2d 121, 75 U . S . A p p . D . C . 156, 139 A . L . R . 1266 (1941) und die Nachw. bei Popper, (1998) 47 DePaul L. Rev. 819 (831), und Wadlington, [1994] U. 111. L.Rev. 311 (323 ff.). 83 Cardwell v. Bechtol 724 S.W.2d 739. 84 A.a.O., S. 755. 79

80

II. Körperliche

Integrität

305

Poppers*5, daß die „mature minor exception" vor allem bei intelligenten Minderjährigen zum Tragen kommt, die kurz vor der Volljährigkeit stehen 86 .

4. Besondere

Fallgruppen

a) Kosmetische Eingriffe Der Heileingriff zeichnet sich dadurch aus, daß nicht nur die Entscheidung des Patienten, sondern auch der Heilzweck den Handlungsanlaß für den Arzt bildet. Neben den Aspekt der Selbstbestimmung des Rechtsinhabers tritt also mit der medizinischen Indikation ein objektives Kriterium, das für die L ö sung von Konflikten im Eltern-Kind-Verhältnis herangezogen werden kann. Stimmen die Eltern einer medizinisch notwendigen Maßnahme aus sachwidrigen Gründen nicht zu, so stellt diese Weigerung einen Mißbrauch des Sorgerechts nach § 1666 B G B dar 87 . Anders ist die Situation bei kosmetischen Eingriffen, die - von Grenzfällen abgesehen - ihre Rechtfertigung ausschließlich im Willen des Rechtsinhabers finden. Hier wird der persönlichkeitsrechtliche Einschlag des Rechts auf körperliche Integrität besonders deutlich, da der Eingriff nicht der Wiederherstellung der Gesundheit, sondern der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit dient. Damit treten für die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit zwei gegenläufige Argumente hervor: Einerseits ist die Selbstbestimmung von besonderer Bedeutung, andererseits besteht keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff. Für kosmetische Eingriffe, die von einem Arzt durchgeführt werden und mit einem Gesundheitsrisiko behaftet sind, überwiegt in Rechtsprechung und Literatur der letztgenannte Aspekt. Die oben erwähnten restriktiven Urteile des B G H von 1970 88 und 1971 89 , in denen einer 15- und einer 16-jährigen Patientin die alleinige Einwilligungsfähigkeit abgesprochen wurde, betrafen kosmetische Behandlungen. In der zweiten dieser Entscheidungen 90 ist für den B G H unter anderem die Überlegung ausschlaggebend, daß „gerade ein junges Mädchen dieses Alters erfahrungsgemäß einer kosmetische Verbesserungen versprechenden Maßnahme eher unbedenklich zuzustimmen neigt". 85 Popper, (1998) 47 DePaul L. Rev. 819 (831), der eine mittlere Lösung bevorzugt: der Minderjährige sei anzuhören, doch letztlich blieben die Eltern entscheidungszuständig, a.a.O., S. 832ff.; vgl. auch Wadlington, [1994] U. Iii. L.Rev. 311 (329ff.). 86 Beispiele: In Re E. G. 549 N.E.2d 322, 133 III. 2d 98 (1989) (Verweigerung einer Bluttransfusion durch 17jährige); Lacey v. Laird 139 N.E.2d 25, 166 Ohio St. 12 (1956) (kosmetischer Eingriff an 18jähriger, also nach damaligem Recht noch Minderjähriger); Younts v. St. Francis Hospital and Schoolof Nursing, Inc. 469 P.2d 330,205 Kan. 292 (1970) (Behandlung einer geringfügigen Quetschung bei 17jähriger). 87 Näher hierzu unten, § 16 I. 88 B G H N J W 1970, 511. 89 B G H N J W 1972,335. 90 A.a.O., S. 337.

306

§11

Einwilligungsfähigkeit

Parallel zur Entscheidung über die Einwilligungsfähigkeit entspricht es für diese Fallgruppe ständiger Rechtsprechung, daß an die ärztliche Aufklärungspflicht besonders hohe Maßstäbe anzulegen sind 91 . Kaum diskutiert 92 wird hingegen über kosmetische Eingriffe, die nicht von Ärzten durchgeführt werden, obwohl Tätowierungen und Piercings 93 durchaus Regelungsprobleme aufwerfen, wie ein Blick ins anglo-amerikanische Recht zeigt. In Großbritannien 94 und den meisten US-Bundesstaaten 95 ist die Tätowierung Minderjähriger gesetzlich verboten. Auch das Piercing Minderjähriger ist mittlerweile in zahlreichen US-Bundesstaaten Einschränkungen unterworfen, nach kalifornischem Strafrecht ist es etwa nur in Anwesenheit oder mit notarieller Erlaubnis eines gesetzlichen Vertreters zulässig 96 . b) Fortpflanzungsmedizin Von besonderer rechtspolitischer Brisanz sind Fragen der Fortpflanzungsmedizin, da über sie in der Gesellschaft kein ethischer Konsens besteht. Galt früher die Gefälligkeitssterilisation als sittenwidrig, die Empfängnisverhütung durch Minderjährige als anstößig und stand die Abtreibung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, unter Strafe, so ist inzwischen eine weitgehende Liberalisierung eingetreten, der freilich von Teilen der Gesellschaft energisch widersprochen wird. Die Problematik der Sittenwidrigkeit wird in § 14 behandelt, sie soll hier vorläufig zurückgestellt werden. Zur Einwilligungsfähigkeit selbst bestehen nur für die Kastration und die Sterilisation Spezialregelungen. Am höchsten ist die Altersgrenze von 25 Jahren gemäß § 2 I Nr. 3 Kastrationsgesetz. Auf eine Altersgrenze von 18 Jahren läuft § 1631 c BGB hinaus, dem zufolge weder Minderjährige noch ihre gesetzlichen Vertreter in eine Sterilisation einwilligen können 97 . 91 Vgl. BGH NJW 1991, 2349; OLG Hamburg MDR 1982, 580; Palandt/Thomas, Rz. 48 zu § 823. 92 Vgl. aber Kern, NJW 1994, 753 (756, Fußn. 46). 93 Zur Definition VG Gießen NJW 1999, 1800 (1801): „Hierbei werden Metallteile in den verschiedensten Formen, etwa als Ringe, Ketten, Stecker oder ähnliche Gegenstände nicht nur im gesamten Gesichtsbereich einschließlich der Zunge, sondern auch an den unterschiedlichsten Körperstellen angebracht." Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken subsumiert das VG auch das Piercing ohne Lokalanästhesie unter den Begriff der Heilkunde, die Betreiberin eines Piercing-Studios benötigte demnach eine Erlaubnis nach § 1 I HeilpraktikerG. Vgl. zur Aufklärungspflicht über die Gesundheitsgefahren des Piercing auch AG Neubrandenburg NJW 2001, 902. 94 See. 1 Tattooing of Minors Act 1969. Vgl. zum Piercing die Anfrage des Abgeordneten Clark im House of Commons vom 20. 4. 1999, Hansard 1999, col. 483. Die Antwort der Regierung verweist auf das Erfordernis der Einsichtsfähigkeit nach common law, das allerdings Personen unter 16 Jahren nicht ermöglicht, in einen indecent assault einzuwilligen. 95 S. nur See. 653 des kalifornischen Penal Code. 96 See. 652 Penal Code. 97 Vgl. auch den strafrechtlichen Reformvorschlag eines § 226 b, nach dessen Abs. V für

II. Körperliche

Integrität

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Die Frage, ob ein Arzt einer Minderjährigen vor ihrem 16. Lebensjahr ohne Wissen und Zustimmung ihrer Eltern Kontrazeptiva verabreichen darf, war in Großbritannien Gegenstand einer familienrechtlichen Grundsatzentscheidung des House of Lords 9 8 . Im Gegensatz zur Vorinstanz bejahte die Mehrheit der Lordrichter diese Frage unter den Voraussetzungen, daß erstens das Mädchen den ärztlichen Rat verstehen kann, zweitens der Arzt sie nicht überzeugen kann, die Frage mit ihren Eltern zu besprechen, drittens die Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie unabhängig von empfängnisverhütenden Maßnahmen demnächst Geschlechtsverkehr haben wird, viertens ihr ohne die Empfängnisverhütung körperlicher oder seelischer Schaden droht und fünftens die Verabreichung empfängnisverhütender Mittel nach Einschätzung des Arztes in ihrem besten Interesse i s t " . Zur Begründung wiesen die Richter darauf hin, das Sorgerecht sei ein allmählich schwindendes Recht („a dwindling right") 1 0 0 , und es müsse berücksichtigt werden, daß viele Mädchen eher Geschlechtsverkehr ohne Verhütungsmaßnahmen haben als das Problem mit ihren Eltern besprechen würden. Im deutschen Recht sind höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage nicht bekannt, doch die Grundsätze des House of Lords entsprechen der hierzulande in der Literatur herrschenden Ansicht 101 . Das Verständnis des Sorgerechts als „dwindling right" erinnert an die Formulierung Gernhubers, die elterliche Sorge bewähre sich „in der eigenen Verflüchtigung und schließlichen Auflösung" 1 0 2 . Wenn auch einige Autoren auf die Gesundheitsrisiken von Empfängnisverhütungsmitteln hinweisen, herrscht letztlich doch weitgehender Konsens darüber, daß Minderjährige auch ohne Zustimmung der Eltern die Möglichkeit haben müssen, eine Schwangerschaft zu vermeiden. Begründet wird dieses Ergebnis teils mit dem Gedanken, daß die Geburt eines Kindes für die minderjährige Mutter eine lebenslange Verantwortung begründet 103 , teils wird auf die grundrechtlich geschützte 104 Freiheit, sich nicht fortzupflanzen, hingewiesen.

Sterilisationen bis zum 18. Lebensjahr eine Doppelzuständigkeit von gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem gegeben sein sollte, BT-Drucks. 7/1982 v. 10.4.1974, S. 31. 98 Gillick v. West Norfolk and Wisbech Area Health Authority, [1986] A.C. 112; vgl. auch die Leitentscheidung des US Supreme Court zur gleichen Problematik Carey v. Population Services Int. 431 U.S. 678, 97 S.Ct. 2010, 52 L.Ed.2d 675 (1977) mit stark formuliertem abweichendem Votum von Rehnquist J., a.a.O., S. 717ff. 99 A. a. O., S. 174 per Lord Fräser; abweichend allerdings die Voten von Lord Brandon, a.a.O., S. 195ff., und Lord Lempleman, a.a.O., S. 199ff. 100 Der Begriff wurde von Lord Denning M. R. in Hewer v. Bryant [1970] 1 Q. B. 357 (369) geprägt, mit Zustimmung zitiert in Gillick, a.a.O., S. 172 per Lord Fräser. 101 Vgl. Gröming, NJW 1971,233 (234); Deutsch MedR, Rz. 417; Belling, FuR 1990,68 (76); Voll, S. 71; zurückhaltend aber Laufs ArztR, Rz. 222. 102 Gernhuber, FamRZ 1962, 89 (93). 103 Vgl. Belling, Voll a.a.O. 104 Ramm,]Z 1989, 861 ff.

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§11

Einwilligungsfähigkeit

Wesentlich problematischer ist die vor allem in den USA intensiv diskutierte Frage, ob diese Grundsätze auch für den Schwangerschaftsabbruch gelten. Der US Supreme Court entschied, nachdem er in Roe v. WadeK5 ein strafrechtliches Verbot der Abtreibung für verfassungswidrig erklärt hatte, in Planned Parenthood of Central Missouri v. Danfortbw6, daß einzelstaatliche Gesetze den Eltern minderjähriger Schwangerer kein absolutes Vetorecht gegen eine Abtreibungsentscheidung ihrer Tochter einräumen dürfen. Stets müsse ein Verfahren bereitgestellt werden, in dem ein Gericht über die Einsichtsfähigkeit der Frau befinden und daraufhin den Schwangerschaftsabbruch gestatten könne (judicial by-pass procedure). Verfassungswidrig sind, wie der Supreme Court in späteren Entscheidungen 107 feststellte, sowohl eine Vorschrift, der zufolge vor Beginn eines solchen Verfahrens die Eltern zu informieren sind, als auch eine Bestimmung, die es dem Gericht erlaubt, gegen den Willen einer einsichtsfähigen Schwangeren zu entscheiden. Nur wenn das Gericht die Einsichtsfähigkeit verneine, könne es die Entscheidung treffen, die objektiv im besten Interesse der Minderjährigen sei. Der kalifornische Gesetzgeber orientierte sich bei der Neufassung des Familienrechts an dieser Rechtsprechung und verlangte für die Rechtfertigung eines Schwangerschaftsabbruchs neben der Einwilligung der Schwangeren alternativ die Einwilligung der Eltern oder eine gerichtliche Genehmigung. Der Supreme Court of California erklärte aber die neugefaßte Vorschrift in einer Mehrheitsentscheidung für verfassungswidrig 108 . Da die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch nicht aufgeschoben werden könne und gravierendste Konsequenzen für alle zukünftigen Entscheidungsmöglichkeiten im Leben der Frau habe, gebiete es das in der kalifornischen Verfassung garantierte right of privacy, der minderjährigen Schwangeren die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Schwangerschaftsabbruch einzuräumen. Zur Bestimmung ihrer Einsichtsfähigkeit bringe der behandelnde Arzt die notwendige Kompetenz auf, hierüber bräuchten weder die Eltern noch ein Gericht zu entscheiden. Dem widersprach allerdings in einem vergleichbaren Fall der Supreme Court of Mississippi 109 . Er hielt das Erfordernis der elterlichen Zustimmung mit der 105 410 U.S. 113, 93 S.Ct. 705, 35 L.Ed.2d 147 (1973); allerdings ist diese Entscheidung inzwischen durch das Urteil Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey 112 S.Ct. 2791, 120 L.Ed.2d 674 deutlich eingeschränkt worden. Einzelstaatliche Einschränkungen der Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch sind demnach zulässig, soweit sie keine unangemessene Belastung (undue burden) für die Schwangere darstellen. 106 428 U.S. 52, 96 S.Ct. 2831, 49 L.Ed.2d 788 (1976). 107 Bellotti v. Band (II) 443 U. S. 622,99 S.Ct. 3035,61 L.Ed.2d 797 (1979); City of Akron v. Akron Center for Reproductive Health, Inc. 462 U.S. 416,103 S.Ct. 2481, 76 L.Ed.2d 687 (1983); Lambert v. Wicklund 520 U.S. 292, 117 S.Ct. 1169, 137L.Ed.2d 464(1997). 108 American Academy of Pedriatrics v. Lungren 940 P.2.d 797, 16 Cal. 4th 308, 66 Cal.Rptr. 2d 210 ( 1997). 109 Pro Choice Mississippi v. Fordice 716 So.2d 645 (1998).

II. Körperliche

Integrität

309

Alternative einer gerichtlichen Entscheidung für verfassungsgemäß und verwies zur Begründung auf die Schwierigkeiten bei der Feststellung der E i n sichtsfähigkeit und die Notwendigkeit des elterlichen Beistands bei der E n t scheidung über die Schwangerschaft. In Deutschland enthielt der Entwurf zum 5. Gesetz zur Strafrechtsreform von 1974 eine Vorschrift, in der die Einwilligungsfähigkeit für Schwangerschaftsunterbrechungen ab dem 16. Lebensjahr bejaht wurde 1 1 0 , dieser Vorschlag erlangte aber nie Gesetzeskraft. Vor der Neuregelung der § § 2 1 8 ff. S t G B im Jahre 1995 1 1 1 fand sich in Rechtsprechung und Literatur eine breite Palette von Auffassungen. Das L G München I bejahte in einem Urteil von 1978 1 1 2 auf der Grundlage der B G H - R e c h t s p r e c h u n g zum ärztlichen Heileingriff die Einwilligungsfähigkeit einer 16jährigen Schwangeren, deren Eltern aus religiösen Gründen ihre Zustimmung zu der Schwangerschaftsunterbrechung verweigert hatten. D e m widersprach einige Jahre später das A G Celle 1 1 3 : Ein nahezu 17 Jahre altes Mädchen sei bei durchschnittlicher Intelligenz und Lebenserfahrung mit der Beurteilung der Situation überfordert. In der Literatur wurde teils eine Doppelzuständigkeit von Eltern und Minderjähriger befürwortet 1 1 4 , teils wurde davon ausgegangen, die für die Einwilligungsfähigkeit erforderliche geistige und sittliche Reife liege in der Regel ab dem 16. Lebensjahr vor 1 1 5 , teils wurde ein Alleinentscheidungsrecht der Schwangeren für den Fall angenommen, daß andernfalls ihr Wohl gefährdet würde 1 1 6 . Wie sich die Diskussion nach der Neuregelung der §§ 218 ff. S t G B entwickeln wird, ist noch nicht abzusehen 1 1 7 . Das B V e r f G geht in seinem 2. Schwangerschaftsabbruchsurteil 1 1 8 , das den jetzigen Strafvorschriften zugrunde liegt, offenbar von der Einwilligungsbefugnis Minderjähriger aus, wenn es auf Modalitäten des Beratungsverfahrens bei der Beratung minderjähriger Schwangerer eingeht 1 1 9 , auch die wohl herrschende Ansicht in der Literatur nimmt eine alleinige Entscheidungsbefugnis der minderjährigen Schwangeren jedenfalls ab dem 16. Lebensjahr an 1 2 0 . Im Gegensatz dazu entschied 1998 das O L G H a m m , eine Minderjährige bedürfe zur Vornahme eines Schwangerschaftsab-

BT-Drucks. 7/1982 v. 10.4.1974, S. 28 (§ 219 d III). Zur Geschichte der Reform des § 218 Schönke-Schröder/Eser, Rz. 1 ff. vor §§ 218 ff. 112 LG München I N J W 1980, 646. 113 AG Celle NJW 1987, 2307(2308). 114 Trockel, NJW 1972, 1493 (1496). 115 HdA/Ulsenheimer, § 143, Rz. 29 (der diese Auffassung nach der Neuregelung der §§ 218 ff. StGB beibehalten hat). 116 Lüderitz, AcP 178 (1978) 263 (279). 1.7 Vgl. den Überblick bei Scherer, FamRZ 1997, 589 ff. 1 . 8 BVerfGE 88, 203. 119 A.a.O., S. 285. 120 Deutsch MedR, Rz. 423; Laufs ArztR, Rz. 359f.; Voll, S. 73; a.A. MüKo/Hinz, Rz. 36 a zu § 1666. 110 111

310

5 11

Einwilligungsfähigkeit

bruchs in jedem Fall der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters 121 . Die Entscheidung habe für die Schwangere nicht selten schwere physische und psychische Folgen. Angesichts des Schutzes, den Minderjährige allgemein im rechtsgeschäftlichen Verkehr genössen, könne der minderjährigen Schwangeren keine Entscheidung aufgebürdet werden, deren ethisch-moralische Bedeutung sie überfordern müsse, auch wenn ihr dies möglicherweise aktuell nicht bewußt sei. Wenn die Eltern ihre somit erforderliche Zustimmung verweigerten, so handelten sie jedenfalls dann nicht mißbräuchlich im Sinne des § 16661 B G B , wenn sie bereit seien, ihrer Tochter mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Anders als im Fall des ärztlichen Heileingriffs geht es bei der Entscheidung der Schwangeren über den Abbruch nicht nur um ihr eigenes Wohl, sondern auch um das Schicksal des ungeborenen Kindes. Belling122 unterscheidet daher zwischen der Fähigkeit zur medizinischen Selbstbestimmung, die für jede Einwilligung in ärztliche Eingriffe erforderlich sei, und der Fähigkeit zur Rechtsgüterabwägung, die vor einer Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch bejaht werden müsse. Diese Fähigkeit fehle einer minderjährigen Schwangeren in der Regel 123 . Da aber auch die Eltern der Schwangeren regelmäßig keine geeigneten Sachwalter der Interessen des Ungeborenen seien, sei für den Nasciturus ein Pfleger nach § 1912 I B G B zu bestellen. Allerdings ist die Anwendbarkeit des § 1912 B G B auf den Fall des Schwangerschaftsabbruchs im Schrifttum sehr umstritten 124 . Dabei geht es nicht speziell um die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger, auch gegen die Entscheidung volljähriger Schwangerer könnte auf der Grundlage des § 1912 B G B vorgegangen werden 125 . Damit würde aber jedenfalls dann ein Wertungswiderspruch innerhalb der Rechtsordnung heraufbeschworen, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach § 218a StGB straflos ist 126 . Da der Pfleger verpflichtet wäre, gerade die Rechte des ungeborenen Kindes wahrzunehmen, wäre von ihm eine neutrale Konfliktentscheidung nicht zu erwarten, zumal für diese Entscheidung seit dem Wegfall der Indikationen in § 218 StGB keine objektiven Kriterien mehr zur Verfügung stehen: Selbst wenn die Schwangere physisch, psychisch und sozial dazu in der Lage wäre, das Kind auszutragen, ist sie 121 O L G Hamm N J W 1998, 3424 (3425); ebenso Scherer, FamRZ 1997, 589 (592); MüKo/Schmitt, Rz. 21 zu § 105. 122 Belling, FuR 1990, 68 (74 f.). 123 Anders aber nach der Neuregelung der § § 2 1 8 ff. StGB Belling/Eberl/Michlik, S. 115, 150: Die im folgenden Text vorgestellte Lösung komme nur noch bei fehlender Einsichtsfähigkeit in Betracht. 124 Vgl. Coester-Waltjen, N J W 1985, 2175 (2176 f.); Mittenzwei, AcP 187 (1987) 247 (280ff.); krit. MüKo/Schwah, Rz. 4 zu § 1912 m.w.N.; Erman/Holzhauer, Rz. 1 zu § 1912. 125 Vgl. auch Vennemann, FamRZ 1987, 1069. 126 MüKo/Schwab, Rz. 4 zu § 1912; Coester-Waltjen, N J W 1985,2175 (2176, allerdings ausdrücklich beschränkt auf den Fall der straflosen Abtreibung).

II. Körperliche

Integrität

311

hierzu nicht verpflichtet 127 . Es liegt in der Logik des heutigen § 218a S t G B , auch die minderjährige Schwangere selbst über den Abbruch entscheiden zu lassen oder als Alternative zur Einwilligung der gesetzlichen Vertreter ein gerichtliches Verfahren, möglicherweise auf der Grundlage des § 1666 B G B 1 2 8 , vorzusehen. Die Entscheidung zwischen beiden Varianten ist letztlich eine politische, eine Lösung durch den Gesetzgeber wäre empfehlenswert. c) Arzneimitteltest und Organspende Bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln und der Organspende scheint es sich auf den ersten Blick um zwei nicht miteinander verwandte Problemkreise zu handeln. Die hier interessierende Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, daß in beiden Fällen der Eingriff nicht ausschließlich im Interesse des Rechtsinhabers vorgenommen wird. Es gibt also auch für Eingriffe in die körperliche Integrität die Möglichkeit der fremdnützigen Einwilligung, die im Bereich des Eigentums und der Persönlichkeitsrechte weit verbreitet ist. In gewissen Maße wird der Körper eines Menschen auf diese Weise instrumentalisiert, was ethische und rechtliche Bedenken weckt. Aus diesem Grund bedarf die Zulässigkeit der fremdnützigen Einwilligung in körperliche Eingriffe unten im Rahmen der Sittenwidrigkeit noch der näheren Erörterung 1 2 9 . Für die Einwilligungsfähigkeit ist lediglich festzuhalten, daß in diesem Bereich der Umstand, daß der Minderjährige aus dem Eingriff selbst keinen unmittelbaren Nutzen zieht, Grund für eine besonders strenge Beurteilung ist. Hinsichtlich der klinischen Prüfung von Arzneimitteln hat sich diese Uberlegung in der gesetzlichen Regelung niedergeschlagen. Nach § 40 IV A M G 1 3 0 A.A. O L G Hamm N J W 1998, 3424 (3425). Zur Frage der Anwendbarkeit des § 1666 auf den Nasciturus vgl. O L G Hamm, N J W 1998,3424 (3425); MüKo/Hinz,Rz. 36a f. zu § \ 6 6 6 ; S t a n d i n g e r u / C o e s t e r , Rz. 28ff. zu § 1666 m.w.N. 129 S. unten, § 1 4 IV 2. 130 § 40 IV A M G lautet: Auf eine klinische Prüfung bei Minderjährigen finden die Absätze 1 bis 3 mit folgender Maßgabe Anwendung: 1. Das Arzneimittel muß zum Erkennen oder zum Verhüten von Krankheiten bei Minderjährigen bestimmt sein. 2. Die Anwendung des Arzneimittels muß nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein, um bei dem Minderjährigen Krankheiten zu erkennen oder ihn vor Krankheiten zu schützen. 3. Die klinische Prüfung an Erwachsenen darf nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft keine ausreichenden Prüfergebnisse erwarten lassen. 4. Die Einwilligung wird durch den gesetzlichen Vertreter abgegeben. Sie ist nur wirksam, wenn dieser durch einen Arzt über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist. Ist der Minderjährige in der Lage, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, so ist auch seine schriftliche Einwilligung erforderlich. 127

128

312

§11

Einwilligungsfähigkeit

ist der Test bei Minderjährigen überhaupt nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig 131 . Hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit differenziert Abs. IV Nr. 4: Grundsätzlich ist der gesetzliche Vertreter einwilligungszuständig und über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufzuklären. Ist aber auch der Minderjährige hinreichend einsichtsfähig, so ist zusätzlich auch seine Einwilligung erforderlich. Dasselbe gilt nach § 41 Nr. 3 A M G , falls das Medikament zur Behebung einer Krankheit eingesetzt wird, an der der Patient leidet. § 40 IV Nr. 4 und § 41 Nr. 3 A M G sind also gesetzlich geregelte Fälle einer Doppelzuständigkeit. Hinsichtlich der Lebendspende von Organen war die Rechtslage früher umstritten 132 ; doch mittlerweile bestimmt § 8 I Nr. 1 T P G , daß der Spender volljährig sein muß. Das Transfusionsgesetz hingegen enthält keine Sonderregelung, die amtliche Begründung weist darauf hin, daß die §§ 1626ff., §§ 1901 ff. B G B durch § 6 T P G , der die Einwilligung in die Blutentnahme regelt, unberührt bleiben 133 .

III. Persönlichkeitsrechte im übrigen Die Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff ist insoweit ein Sonderfall, als sie zum einen im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses erteilt wird, in dessen Rahmen den Einwilligungsempfänger besondere Pflichten treffen, und zum anderen im Regelfall vom Patienten gegeben wird, weil der Eingriff in seinem eigenen Interesse liegt. Im übrigen persönlichkeitsrechtlichen Bereich bleibt es zwar dabei, daß die Entscheidung über die Einwilligung höchstpersönlichen Charakter trägt, andererseits kann ihre Erteilung aber durchaus einen kommerziellen Hintergrund haben. In diesen Fällen ist in erster Linie der Einwilligungsempfänger an der Einwilligung interessiert, während sie der Einwilligende um einer Gegenleistung willen oder in der Hoffnung späteren Ruhms erteilt. Typische Fallkonstellationen aus der Praxis, in denen sich Fragen des Minderjährigenschutzes stellen, sind die Anfertigung von Nacktfotos minderjähriger Mädchen und die Vermarktung von Persönlichkeitsaspekten jugendlicher Sport- und Medienstars. Ahnlich wie zum ärztlichen Heileingriff werden in Rechtsprechung und Schrifttum drei Ansichten vertreten 1 3 4 . Die erste Auffassung stellt im Anschluß an die medizinrechtliche Leitentscheidung B G H Z 29, 33 ausschließlich auf die Einsichtsfähigkeit des betroffenen Minderjährigen ab, die zweite befürwortet die Anwendung der §§ 104ff. B G B ohne Modifikationen, die dritte erwägt eine „Doppelzustän131 Ebenso § 17 IV Medizinproduktegesetz; strenger § 4 1 VI Nr. 1 Strahlenschutzverordnung (Einwilligung nur wirksam, wenn Proband geschäftsfähig). 132 Vgl. Laufs ArztR, Rz. 276; Rouka, S. 172 ff., Voll, S. 324 ff. 133 BT-Drucks. 13/9594 v. 13.1.1998, Erläuterung zu § 6 I T F G . 134 Einteilung nach Dasch, S. 97 ff.

III. Persönlichkeitsrechte

im

übrigen

313

digkeit" von Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter in dem Sinne, daß zur Rechtmäßigkeit der Eingriffshandlung die Einwilligung beider kumulativ erforderlich ist. Auf die individuelle Einsichtsfähigkeit stellt das OLG Karlsruhe in einem Fall 135 ab, dessen Sachverhalt durchaus typisch ist, dessen Lösung aber keineswegs auf der Hand liegt. Ein 17jähriges Mädchen hatte sich im Urlaub auf Ibiza mit nacktem Oberkörper fotografieren lassen. Der Fotograf ließ sich von ihr schriftlich sämtliche Veröffentlichungs- und Verbreitungsrechte übertragen und versichern, sie sei „mit der uneingeschränkten Reproduktion in allen Werbebereichen einverstanden". Die Urlauberin erhielt als Gegenleistung, wie im Tatbestand des Urteils berichtet wird, lediglich „Obst und Wein". Das Foto wurde später im Sommerkatalog eines Reiseveranstalters abgebildet. Das Gericht differenziert zwischen der Einwilligung nach § 22 KUG und der vertraglichen Rechtseinräumung. Erstere sei keine Willenserklärung, daher seien die §§ 107ff. BGB unanwendbar; vielmehr müsse der zunehmenden Entscheidungsfähigkeit Minderjähriger Rechnung getragen werden. Das Foto sei im übrigen „dezent aufgenommen", es zeige die Klägerin „in durchaus natürlicher Weise". Ihre Einsichtsfähigkeit könne bejaht werden: Immerhin besuche sie die 11. Klasse des Gymnasiums und habe von ihren Eltern die Erlaubnis erhalten, ohne deren Begleitung Urlaub zu machen. Auf die vertragliche Rechtsübertragung seien hingegen die §§ 107ff. BGB anwendbar, sie sei mithin unwirksam. Die Lösung der Einwilligungsfähigkeit von der Geschäftsfähigkeit findet auch im Schrifttum Zustimmung. In seiner grundlegenden Monographie zum Persönlichkeitsrecht vertritt Hubmann die Ansicht, einsichtsfähige Minderjährige seien selbst für die Erteilung der Einwilligung zuständig 136 . Soweit jedoch das Personensorgerecht der Eltern berührt werde, sei auch deren Zustimmung nötig, so etwa beim Abschluß eines Verlagsvertrages über die Veröffentlichung von Tagebuchaufzeichnungen des Jugendlichen. Auch BastonVogi137 betont die überragende Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts bei Entscheidungen im höchstpersönlichen Bereich, ohne dabei freilich zwischen dem ärztlichen Heileingriff und anderen persönlichkeitsrechtlichen Fallkonstellationen zu differenzieren. Eine Bevormundung durch andere müsse hier vermieden werden, daher sei auch eine Typisierung, wie sie in § 107 BGB vorgenommen werde, abzulehnen. Die damit verbundene Einschränkung des Verkehrsschutzes müsse hingenommen werden. Zwar werde im Schrifttum vielfach erwogen, kumulativ die Einwilligung der Eltern und des Minderjährigen zu erlangen, doch sei ein Alleinentscheidungsrecht des Minderjährigen 135 136 137

OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 742 m. krit. Anra. Bosch. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 171. Baston-Vogt, S. 228ff.

314

§ 11

Einwilligungsfähigkeit

vorzugswürdig 138 . Ein Teilbereich, in dem die Abweichung von den §§ 107ff. BGB als herrschend bezeichnet werden kann, ist das Datenschutzrecht. Hier verwerfen mehrere Autoren die Rechtsgeschäftstheorie und schließen daraus, die Geschäftsfähigkeit sei unerheblich 139 . Im Ergebnis vertritt diese Ansicht auch Simitis140, der grundsätzlich die Einwilligung als Rechtsgeschäft ansieht. In verschiedenen Bereichen gewähre das Recht dem Jugendlichen eine Teilautonomie, hier müsse er auch der Verarbeitung personenbezogener Daten selbst zustimmen können. Das gelte etwa bei Aktivitäten im Rahmen der Schülervertretung oder im Ausbildungsbereich. Wann immer ein Minderjähriger in einen ärztlichen Heileingriff einwilligen könne, müsse er auch befugt sein, die entsprechenden persönlichen Informationen preiszugeben. Im Sozialrecht ergebe sich die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger ab dem 15. Lebensjahr bereits aus § 36 SGB I. Hingegen liegt die uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 107ff. BGB zunächst für diejenigen Gerichte und Autoren auf der Hand, nach deren Ansicht die Einwilligung als vertraglicher Verzicht oder als pactum de non petendo anzusehen ist141. Schwerdtner142 befürwortet diese Konstruktion zwar nur für die Einwilligung nach § 22 KUG, während er die Einwilligung in die Aufnahme eines Bildes nicht für ein Rechtsgeschäft hält. Auch für letztere bedürfe ein Minderjähriger aber der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter. Helle143 faßt die Einwilligung nach § 22 KUG zwar nicht als Vertrag, sondern als einseitiges Rechtsgeschäft auf, hält aber ebenfalls die Anwendung der §§ 107ff. BGB für angemessen. Die Grundrechtsmündigkeit Minderjähriger, auf die sich die Gegenansicht berufe, könne sich negativ, also als Vetorecht des Minderjährigen gegen eine Entscheidung seiner gesetzlichen Vertreter, oder positiv, also als Alleinentscheidungsbefugnis auswirken. Beides sei abzulehnen. Gegen ein Vetorecht des Minderjährigen spreche die damit verbundene Einschränkung des Verkehrsschutzes. Während sie beim ärztlichen Heileingriff eher hingenommen werden könne, da der Arzt den Patienten persönlich untersuche, bekomme der Bildjournalist den Abgebildeten möglicherweise gar nicht zu Augen, wenn er mit den Eltern kontrahiere. Das gleiche Argument spreche gegen eine Alleinentscheidungsbefugnis einsichtsA.a.O., S. 232 (Fußn. 108). Ordemann / Schomerus, Anm. 5.3 zu § 4; Auernhammer, Rz. 11 zu § 4; v. Uckermann, DuD 1979,163 (166). 140 Simitis in Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, Rz. 28 zu § 4; zust. Körner, FS Simitis, S. 131 (132). 141 So OLG München AfP 1982, 230 (232) - „Amerikanische LiebesschulenOLG Düsseldorf AfP 1984, 229 (230) - „Rückansicht"; v. Gamm, Einf. Rz. 108; SchrickerV Gerstenberg, Rz. 14 zu § 60/§ 22 KUG (für Doppelzuständigkeit aber nunmehr Gotting in der 2. Aufl.); Frömming/Peters, NJW 1996, 958. 142 MüKoVSchwerdtner, Rz. 167 zu § 12. 143 Helle, AfP 1985, 93 (98) und Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 104 f. 138

139

III.

Persönlichkeitsrechte

im

315

übrigen

fähiger Jugendlicher. Sie könne zudem nur contra legem angenommen werden. Die Gerichte seien aber nicht dazu befugt, sich über den klaren Wortlaut der §§ 107 ff. B G B hinwegzusetzen. Die extremen Konsequenzen dieser Ansicht zeigt eine Entscheidung aus dem Staat New York. Nach dortigem Recht ist das right of publicity, das Verwertungsrecht an Persönlichkeitsaspekten, ein echtes Immaterialgüterrecht, an dem Lizenzen erteilt werden können. In Shields v. Gross144 ging es um Nacktaufnahmen der 10jährigen Brooke Shields, des späteren Filmstars. Die Eltern hatten die Veröffentlichung der Aufnahmen in einem Lizenzvertrag 145 gestattet. Im Alter von 17 Jahren widerrief Shields die von ihren Eltern erteilte Lizenz und verklagte den Fotografen wegen einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Die Mehrheit des New York Court of Appeals wies die Klage ab. Das Gesetz des Staates New York, in dem die rights of publicity und privacy geregelt sind, verlange nur die Einwilligung der Eltern und gewähre dem Minderjährigen keine Mitspracherechte 146 . Der Lizenzvertrag sei daher für die Klägerin bindend, zumal die Eltern von einer Befristung abgesehen hätten. Die Mindermeinung 147 berief sich auf den Minderjähigenschutz nach common law, den das Gesetz nicht verdrängt habe. Ein Kind dürfe nicht für immer an eine von den Eltern erteilte Lizenz gebunden sein, „where the continued invasion of the child's privacy may cause the child enormous embarrassment, distress and humiliation" 148 . Im neueren Schrifttum wird verstärkt die „Theorie der Doppelzuständigkeit" vertreten, der zufolge eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines einsichtsfähigen Minderjährigen nur ausscheidet, wenn kumulativ seine Einwilligung und die seiner gesetzlichen Vertreter vorliegt. Soweit ersichtlich, wurde eine solche Doppelzuständigkeit erstmals vom B G H in einer Entscheidung von 1974 erwogen 149 , deren Sachverhalt Parallelen zum New Yorker 144 448 N. E.2d 108, 461 N.Y.2d 254 (1983), dazu McCarthy, § 10.39; Gotting, S. 236; vgl. auch Faloona by Frederickson v. Hustler Magazine, Inc. 799 F.2d 1000 (1986). 145 Die entscheidende Vertragsklausel lautete (Hervorhebung vom Verf.): „I hereby give the photographer, his legal representatives, and assigns, those for whom the photographer is acting, and those acting with his permission, or his employees, the right and permission to copyright and/or use, reuse and/or publish, and republish photographic pictures or portraits of me, or in which I may be distorted in character, or form, in conjunction with my own or a fictitious name, or reproductions thereof in color, or black and white made through any media by the photographer at his studio or elsewhere, for any purpose whatsoever, including the use of any printed matter in conjunction therewith. (...) I hereby waive any right to inspect or approve the finished photograph or advertising copy or printed matter that may be used in conjunction therewith or to the eventual use that it may be applied."

A.a.O., S. I l l f. A.a.O., S. 112 ff. per Jasen J. 148 A.a.O.,S. 112. 149 BGH GRUR 1975, 561 - „Nacktaufnahmen' Rixecker, Rz. 39, Anh. § 12. 146 147

m. Anm. Neubert;

zust.

MiiKo/

316

§11

Einwilligungsfähigkeit

Brooke Shields-Fall aufweist. Ein Fotograf hatte Nacktaufnahmen von einer 16jährigen angefertigt, die nach Absprache mit dem Mädchen auf der „photokina 1966" ausgestellt werden sollten. Ihre Mutter erteilte dem Fotografen eine umfassende Verwertungsbefugnis und erhielt dafür 300 DM. Der B G H wies die Klage, die von der inzwischen volljährigen Abgebildeten erhoben wurde, ab. Einiges spreche dafür, daß wegen der Grundrechtsmündigkeit Minderjähriger deren Einwilligungsfähigkeit bejaht werden müsse. Durchaus erwägenswert sei es auch, neben der Einwilligung der Minderjährigen zusätzlich die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter zu fordern, wobei allerdings die Belange der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes angemessen zu berücksichtigen seien. Letztlich hielt der B G H diese Frage jedoch nicht für entscheidungserheblich. Jedenfalls sei die Zustimmung der Minderjährigen nur für die Veröffentlichung des Bildes erforderlich, nicht jedoch für deren finanzielle Rahmenbedingungen. Die Vorinstanz habe aber festgestellt, daß die Klägerin mit der Veröffentlichung selbst grundsätzlich einverstanden gewesen und nur mit der Gegenleistung unzufrieden gewesen sei. Diese Differenzierung wird im Schrifttum kritisiert: Wenn die Minderjährige über die Veröffentlichung entscheiden dürfe, müsse sich diese Befugnis auch auf die Bedingungen der Veröffentlichung erstrecken 150 . Der Gedanke der Doppelzuständigkeit im allgemeinen wird hingegen häufig mit Zustimmung aufgegriffen 151 . Kokte152 hält in höchstpersönlichen Angelegenheiten die Einwilligung einsichtsfähiger Minderjähriger für unentbehrlich. In bestimmten Bereichen sei sogar eine alleinige Entscheidungsbefugnis vorzugswürdig, das gelte jedoch nicht für das Recht am eigenen Bild. Hier stehe der Minderjährige oft mächtigen Medienunternehmen gegenüber. In dieser Situation gelte es, sein Selbstbestimmungsrecht nicht nur gegen die Eltern, sondern auch gegen Dritte zu sichern. Dasch weist darauf hin, daß das Recht am eigenen Bild eine Vermögens- und eine persönlichkeitsrechtliche Komponente aufweist153. Hierin unterscheide es sich vom Recht auf körperliche Integrität, um das es in der Leitentscheidung B G H Z 29, 33 gegangen sei. Wegen der vermögensrechtlichen Komponente seien die §§ 107ff. B G B unmittelbar anwendbar, doch wegen der persönlichkeitsrechtlichen Komponente müsse dem Minderjährigen ein nach außen wirkendes Mitentscheidungsrecht eingeräumt werden. Es handle sich hier um eine teleologische Reduktion des § 1626 I B G B , die angesichts des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts des Minderjährigen gerechtfertigt sei. Da die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen in der Praxis schwierig festzustellen sei, die Rechtssicherheit aber garantiert Neubert, G R U R 1975, 564 (565), zust. Gotting, S. 155. Vgl. außer den im folgenden Text Genannten Bosch FamRZ 1983, 744; Resch, S. 130 (für das österreichische Recht). 152 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (149f.). 153 Dasch, S. 101. 150

151

IV. Eigentum

und sonstige

Vermögensrechte

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werden müsse, sei eine Typisierung vorzunehmen. Aus vergleichbaren Bestimmungen über eine Teilmündigkeit Minderjähriger leitet Dasch eine Altersgrenze von 14 Jahren her, oberhalb derer die Einwilligung des Minderjährigen regelmäßig zusätzlich zur derjenigen der gesetzlichen Vertreter erforderlich sein soll 154 . Auch Gotting hält die Doppelzuständigkeit für einen angemessenen Kompromiß zwischen der gesetzlichen Entscheidung für das Elternrecht und der wachsenden Fähigkeit Jugendlicher zur Selbstbestimmung 155 und schließt sich auch hinsichtlich-der Altersgrenze von 14 Jahren Dasch an. Die Mitentscheidungsbefugnis beziehe sich nicht nur auf die Einwilligung, sondern auch auf eine möglicherweise zuvor eingegangene vertragliche Verpflichtung zur Abgabe der Einwilligung 156 . Zudem müsse dem Jugendlichen ein Widerrufsrecht zugestanden werden, sobald er die Einsichtsfähigkeit erlange: Eine dauerhafte Fremdbestimmung hinsichtlich der kommerziellen Verwertung seiner Identitätsmerkmale, zu der er nicht stehe, sei nicht hinnehmbar 157 .

IV. Eigentum und sonstige Vermögensrechte Während sich mit der Einwilligungsfähigkeit im Medizinrecht und im übrigen persönlichkeitsrechtlichen Bereich eine umfangreiche Literatur befaßt, werden die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einwilligung im Bereich des Eigentums und der übrigen reinen Vermögensrechte im Privatrecht kaum thematisiert. Einschlägige Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Soweit in der Literatur überhaupt zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen differenziert wird, wird für die Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich meist die Anwendung der §§ 104ff. BGB, sei es unmittelbar oder analog, befürwortet 158 . Im Strafrecht ist diese Frage allerdings umstritten. Eine starke Mindermeinung folgt dem Zivilrecht und spricht sich dafür aus, bei der Verletzung von Vermögensrechten, etwa der Sachbeschädigung (§ 303 StGB), die Einwilligungsfähigkeit nach §§ 104ff. BGB zu beurteilen 159 . Demgegenüber löst sich die herrschende Meinung auch hier vom Zivilrecht 160 .

A.a.O., S. 105. Gotting, S. 155 und Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 14 zu § 60/§ 22 KUG; ebenso nunmehr MüKo/Rixecker, Rz. 39, Anh. § 12. 156 A.a.O., S. 157. 157 A.a.O., S. 156. 158 So MiiKo/Schmitt, Rz. 20 zu § 105; RGRK/Krüger-Nieland, Rz. 10 zu § 106; Palandt/Heinrichs, Rz. 74 zu § 254; Staudinger11/Schäfer, Rz. 457 zu § 823. 159 Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 39 vor §§ 32 ff .-Jakobs AT, 7/114. 160 Amelung, ZStW 104 (1992) 525ff.; Baumann/Weber/Müsch, § 17, Rz. 103; LK/ Hirsch, Rz. 118 vor § 32 m . w . N , ; J e s c h e c k / W e i g e n d , § 34 IV 1 (S. 381); Stratenwerth AT, § 9, Rz. 24. 154

155

318

§11

Einwilligungsfähigkeit

V. Stellungnahme Das Gesetz bietet für die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit zwei verschiedene mögliche Anknüpfungspunkte. Die §§ 104ff. BGB regeln die Geschäftsfähigkeit als Voraussetzung für die Ausübung von Privatautonomie. Sie dienen in erster Linie dem Minderjährigenschutz, allerdings sorgen sie zudem durch starre Altersgrenzen für Rechtssicherheit 161 . Aus familienrechtlichem Blickwinkel dienen die Vorschriften nicht nur der Vermögens- sondern auch der Personensorge: Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung gehören für den gesetzlichen Vertreter zur Erfüllung seiner Erziehungsaufgaben 162 . Demgegenüber macht § 828 III BGB vorbehaltlich der Sondervorschrift des Abs. 2 die Deliktsfähigkeit oberhalb des siebten Lebensjahres vom einzelfallbezogenen Maßstab der Einsichtsfähigkeit abhängig. Diese im Vergleich zur Geschäftsfähigkeit weitergehende Verantwortlichkeit Minderjähriger findet ihre Rechtfertigung im Schutzbedürfnis des Geschädigten, der meist nicht die Wahl hat, dem sozialen Kontakt mit dem Schädiger aus dem Weg zu gehen, und in der mit zunehmendem Alter wachsenden Fähigkeit Jugendlicher, ihr Verhalten an Normen auszurichten 163 . Nach den Ergebnissen des § 9 dieser Arbeit liegt auf der Hand, welche Vorschriften als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit vorzugswürdig sind. Die Einwilligung ist Aktualisierung von Autonomie, ihre rechtfertigende Wirkung beruht auf dem Recht und der Fähigkeit des Einwilligenden zur Selbstbestimmung 164 . Hierin besteht der wesentliche Unterschied der Einwilligung zum „Handeln auf eigene Gefahr", dessen Bedeutung sich in einer objektiven Abwägung von Risikoanteilen erschöpft 165 . Der methodische Ansatz für die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit wurde oben 166 abstrakt entwickelt: Die §§ 104ff. BGB sind anwendbar, allerdings muß fallgruppenweise die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion geprüft werden. Sie besteht nicht für alle Dispositionen in gleichem Maße. Bei Dispositionen über das Eigentum und die übrigen reinen Vermögensrechte besteht kein Anlaß, von den §§ 104 ff. BGB abzuweichen. Sämtliche Normzwecke der Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit treffen hier zu. Der Minderjährige bedarf des Schutzes vor Vermögenseinbußen. Da die Einwilligung zum Verlust von Schadensersatzansprüchen führt, ähnelt ihre recht161 Vgl. MüKo/Schmitt, Rz. l f f . v o r § \04;Soergel/Hefermehl,Rz. 1 0 v o r § 104 ;Medicus AT, Rz. 535f.; Larenz/Wolf, § 25, Rz. 1, 3 (S. 484); Flume AT II, § 13, 2 (S. 183); Canaris, Vertrauenshaftung, S. 452. 162 MüKo/Schmitt, Rz. 4 vor § 104. 163 Vgl. Canaris, N J W 1964, 1987 (1990f.). 164 Das übersieht Göbel, S. 80, wenn er aus strafrechtlicher Sicht die privatrechtliche Einwilligungsfähigkeit in § 828 BGB verortet. 165 S. oben, § 9 IV 2.

166

§91112.

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Stellungnahme

319

liehe Wirkung derjenigen des Verzichts; die Einwilligung bewirkt für den Minderjährigen also ausschließlich einen rechtlichen Nachteil. Auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das den §§ 104ff. BGB zugrunde liegt, läßt sich für die Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich nicht von der Hand weisen. Der Einwilligungsempfänger hat oft nicht die Möglichkeit, sich ein Bild von der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen zu machen, hat aber ein schützenswertes Interesse, vor dem Eingriff zu wissen, woran er ist. Die Berücksichtigung der Interessen des Eingreifenden im Rahmen des Verschuldens ist nicht immer möglich, da die Einwilligung auch verschuldensunabhängige Ansprüche erfaßt 167 . Schließlich entsprechen Einwilligungskonstellationen im vermögensrechtlichen Bereich wertungsmäßig häufig Fällen, in denen die §§ 104ff. BGB fraglos eingreifen: Die Erlaubnis zur Zerstörung einer Sache führt ebenso zu ihrem vollständigen Verlust wie ihre Ubereignung, und der Abschluß eines Leihvertrages läßt sich kaum von einer schlichten Nutzungseinwilligung unterscheiden. Allenfalls könnte man einwenden, daß die §§ 104ff. BGB kein Schlupfloch für alltägliche Dispositionen von geringer wirtschaftlicher Bedeutung vorsehen, doch diese Kritik richtet sich in gleichem Maße gegen die äußerst rigide Regelung der Geschäftsfähigkeit im allgemeinen. So ist selbst die Schenkung von Gegenständen minimalen Werts dem beschränkt Geschäftsfähigen nicht nur ohne, sondern selbst mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter verwehrt 168 , sofern es sich nicht um eine Pflicht- oder Anstandsschenkung handelt (§ 1641 BGB). Die Beschränkung der Einwilligungsfähigkeit ist also systemgerecht. Fazit ist, daß die §§ 104 ff. BGB für Einwilligungen im vermögensrechtlichen Bereich unmittelbar gelten. Wegen § 111 BGB ist für die Einwilligung (im engeren Sinne) die vorherige Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich, denn sie ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Hingegen liegen bei Dispositionen über Persönlichkeitsrechte die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion grundsätzlich vor. Während der schweizerische Gesetzgeber in Art. 19 II ZGB eine Ausnahme für Geschäfte vorsieht, die der Verwirklichung von Persönlichkeitsrechten dienen, standen dem deutschen Gesetzgeber bei der Formulierung der §§ 104ff. BGB persönlichkeitsbezogene Rechtsgeschäfte nicht vor Augen, obwohl mittlerweile verschiedene Teilregelungen die Mündigkeit für höchstpersönliche Geschäfte schon bei einem Alter von 14 oder 16 Jahren vorsehen 169 . Insbesondere sind die in §§ 107ff. BGB zugelassenen Ausnahmen vom Grundsatz der beschränk-

S. oben, § 9 II 3 b. Vgl. O L G Stuttgart F a m R Z 1969,39 (40); MüKo/Schmitt, Rz. 22 zu § 117; Soergel/ Strätz, R z . 2 zu § 1641. 169 Etwa §§ 1303 II; 1746; 2229 BGB, 5 RelKEG, 36 SGB I, vgl. auch die Übersichten bei Beitzke, FS Flume I, S. 317ff. und Soergel/Strätz, Rz. 42ff. zu § 1626. 167

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§ 11

Einwilligungsfähigkeit

ten Geschäftsfähigkeit erkennbar auf vermögensrechtliche Austauschgeschäfte zugeschnitten. Allerdings muß zwischen einem Mitentscheidungsrecht und einem Alleinentscheidungsrecht des Minderjährigen unterschieden werden. Im Innenverhältnis zwischen Eltern und Kind verpflichtet bereits § 1626 II B G B die Eltern dazu, die Meinung des einsichtsfähigen Minderjährigen zu berücksichtigen. Alles spricht dafür, diese Mitentscheidungsbefugnis im persönlichkeitsrechtlichen Bereich auf das Außenverhältnis zum Einwilligungsempfänger zu erstrecken. Diese Erstreckung dürfte vor allem im Medizinrecht bereits gängiger Praxis entsprechen und zudem verfassungsrechtlich geboten sein 170 : Eine Zwangsbehandlung wäre ein schwerer Eingriff in das Recht auf körperliche Integrität (Art. 2 II 1 G G ) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. 1 I G G ) , die bereits dem Minderjährigen zustehen. Erst recht darf eine kommerzielle Verwertung von Persönlichkeitsaspekten des einsichtsfähigen Minderjährigen nicht gegen seinen Willen erfolgen. Dabei sollte sich entgegen der Ansicht des B G H sein Mitentscheidungsrecht nicht nur auf die Gestattung selbst, sondern auch auf den zugrunde liegenden Verpflichtungsvertrag erstrecken. Könnten die gesetzlichen Vertreter die Verpflichtung zur Erteilung der Gestattung für den Minderjährigen wirksam abschließen, so wäre sein Mitentscheidungsrecht hinsichtlich der eigentlichen Gestattung entwertet. Doch auch auf die Modalitäten der Gestattung, vor allem auf die Gegenleistung, sollte sich das Mitbestimmungsrecht beziehen. Es wäre unrealistisch zu glauben, daß die Höhe der Gegenleistung ohne Einfluß auf die Entscheidung über die persönlichkeitsrechtliche Gestattung ist. Dabei können es durchaus ehrenwerte höchstpersönliche Überlegungen sein, die den Ausschlag gegen eine Gestattung für 150 Euro und für eine Gestattung für 15.000 Euro geben 171 . Zwar führt diese Lösung im Vergleich zu einer alleinigen Entscheidungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter zu einer gewissen Rechtsunsicherheit, sie kann aber aus zwei Gründen in Kauf genommen werden. Erstens legen verschiedene gesetzliche Spezialvorschriften eine Typisierung nahe, die im amerikanischen Recht anschaulich als „rule of sevens" bezeichnet wird: Bei einem Alter von bis zu 7 Jahren wird das Fehlen der Einwilligungsfähigkeit unwiderleglich vermutet, bis zum 14. Lebensjahr spricht eine wider170 Zwar ist der in diesem Zusammenhang häufig verwendete Begriff der „Grundrechtsmündigkeit" insofern irreführend, als die Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten nicht unmittelbar gelten, vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, § 7 I (S. 60 ff.); Soergel/Strätz, Rz. 47 zu § 1626. Da es sich aber bei der Einwilligungslehre um einen gesetzlich nicht ausgestalteten Bereich handelt, sind die Wertungen der Grundrechte, darunter die zunehmende Reife Minderjähriger zur Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Positionen, dennoch für die Bestimmung der Einwilligungsvoraussetzungen von besonderer Bedeutung, s. oben, § 6 I. 171 In diesem Sinne Neubert in seiner Anmerkung zur Nacktauf «¿^raen-Entscheidung des B G H , G R U R 1975, 564 (565).

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Stellungnahme

321

legliche Vermutung gegen die Einsichtsfähigkeit, ab dem 14. Lebensjahr spricht eine widerlegliche Vermutung dafür. Zweitens läuft bei Zustimmung der gesetzlichen Vertreter das Mitentscheidungsrecht des Minderjährigen praktisch auf ein Vetorecht hinaus. Dabei ist das Fehlen seines Einverständnisses wohl praktisch die Ausnahme, im übrigen kommt es regelmäßig so deutlich zum Ausdruck, daß es in diesem Fall dem Gestattungsempfänger zugemutet werden muß, ein persönliches Gespräch mit dem Minderjährigen zu führen und bei dessen Weigerung im Zweifel von der geplanten Handlung abzusehen. Als Zwischenergebnis sei also festgehalten, daß Eingriffe in Persönlichkeitsrechte einsichtsfähiger Minderjähriger ohne deren Einwilligung jedenfalls rechtswidrig sind. Damit bleibt die Frage nach einer alleinigen Entscheidungsbefugnis. Hier läßt sich eine weitere Differenzierung nach Fallgruppen nicht umgehen. Für die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe sehen verschiedene ausländische Rechtsordnungen eine echte Teilmündigkeit Minderjähriger vor; sie erscheint auch in Deutschland vielen Autoren als angemessen. Dennoch bestehen gegen diese Ansicht gravierende Bedenken; auch die Rechtsprechung ist bei näherem Hinsehen zurückhaltender, als der weithin übliche lapidare Hinwies auf den Leitsatz der Entscheidung BGHZ 29, 33 vermuten läßt. Es ist schwer einzusehen, warum der Minderjährige bei nicht völlig ungefährlichen Heileingriffen weniger des Schutzes bedürfen sollte als bei vermögensrechtlichen Geschäften. Schon volljährige Patienten sind mit der Abwägung zwischen Heilungschancen und Risiken oft überfordert. U m so mehr bedürfen Jugendliche hier des elterlichen Rates. Das Argument des BGH, das Erfordernis der Einsichtsfähigkeit gewährleiste den Minderjährigenschutz, greift zu kurz, denn es vernachlässigt die Schwierigkeiten bei der Feststellung der konkreten Einsichtsfähigkeit. Vor allem überschätzt der BGH die Möglichkeiten des Arztes, sich in einem kurzen Gespräch mit dem Patienten ein zuverlässiges Urteil über dessen Reife zu bilden: Der Arzt ist trotz seiner praktischen Erfahrung im Umgang mit Patienten nicht zwangsläufig ein guter Jugendpsychologe. Zwar könnte an dieser Stelle eingewandt werden, daß Fehler bei der Beurteilung der Einsichtsfähigkeit zu Lasten des Eingreifenden gehen, da der Schadensersatzanspruch bei fehlender Einsichtsfähigkeit ja bestehenbleibt, doch damit würde die Problematik auf ihren vermögensrechtlichen Aspekt verkürzt. In Einwilligungsfällen muß aber auch die Präventionsfunktion des Privatrechts berücksichtigt werden, von der unten noch die Rede sein wird 172 : Ein Mitentscheidungsrecht der gesetzlichen Vertreter trägt zur Verhinderung solcher Eingriffe bei, in die der Minderjährige ohne volles Bewußtsein ihrer Tragweite eingewilligt hat. Auch der Aspekt der Rechtssicherheit, den der BGH in seiner Leitentscheidung nicht erwähnt, darf nicht außer acht bleiben. 172

Näher zur Präventionsfunktion des Privatrechts unten, § 14 III 2.

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5 11

Einwilligungsfähigkeit

Überzeugend argumentiert Gitter, dem behandelnden Arzt könne „nicht das Risiko aufgebürdet werden, die geistige und sittliche Reife des Minderjährigen zutreffend zu beurteilen" 173 . O b die bloße Berücksichtigung von Irrtümern im Rahmen des Verschuldens zum Schutz des Arztes ausreicht, erscheint angesichts des im Zivilrecht gültigen objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs, bei dessen Anwendung an die Sorgfaltspflichten des Arztes strenge Anforderungen gestellt werden, als fraglich. Wenn es also - wie im Regelfall - rechtzeitig möglich ist, muß der Arzt die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter einholen, was übrigens auch die Spezialvorschrift des § 40 IV A M G bekräftigt. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen, die sich oben bereits bei der Rechtsprechungsanalyse und im Rechtsvergleich herauskristallisiert haben. Erstens ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter entbehrlich, wenn sie nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Begrenzt auf diese Ausnahmesituation ist die Entscheidung B G H Z 29, 33 zutreffend, dogmatisch überzeugender hätte sie sich aber mit den Grundsätzen zur mutmaßlichen Einwilligung 174 begründen lassen: Die objektive Indikation und die Einwilligung des minderjährigen Patienten sprechen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte für eine mutmaßliche Zustimmung der Eltern. Zweitens greift bei mißbräuchlicher Verweigerung der Zustimmung durch die Eltern grundsätzlich § 1666 B G B ein, ausnahmsweise kann aber der Eingriff ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erfolgen, wenn diese ohne Gefahr für den Patienten nicht abgewartet werden kann. Hält man § 679 B G B in diesem Fall für anwendbar 175 , so läßt sich auch in diesem Fall eine mutmaßliche Einwilligung der Eltern annehmen. Drittens spricht einiges für eine alleinige Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen, wenn es sich um kleinere, völlig ungefährliche Maßnahmen handelt 176 : Wenn ein 16jähriger nach einem Fahrradunfall eine Tetanusspritze bekommen soll, wird dies ohne Zustimmung der Eltern möglich sein. Die vierte Fallgruppe betrifft die Sexualmedizin und die Kosmetik. Diese Eingriffe dienen nicht Heilzwecken und sind daher keiner objektiven Abwägung zugänglich, stellen aber typische Konfliktfälle im Eltern-KindVerhältnis dar. Jegliche rechtliche Lösung sollte hier vermeiden, daß der oder die Minderjährige mit Folgen belastet wird, die über die Volljährigkeitsgrenze hinausreichen. Daraus ergibt sich, daß eine einsichtsfähige Minderjährige allein über Maßnahmen der Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsun173 MüKoi/Gitter, Rz. 89 vor § 104; ähnlich Schünemann, VersR 1981, 306 ff., der dieses Risiko aber für unvermeidbar hält und lediglich die Eintragung von Zweifeln an der Einwilligungsfähigkeit in der Krankenakte anregt. 174 S. oben, § 9 IV 1. 175 So Lüderitz FamR, Rz. 839, s. zu dieser Frage oben, § 9 IV 1 c. 176 Dabei sind Abgrenzungsschwierigkeiten unvermeidlich, s. dazu den folgenden Text und Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2300, allerdings mit erstaunlicher Bewertung: Für die Arzte sei die Unsicherheit nicht unbedingt von Nachteil, bilde sie doch die Grundlage für einen entschuldigenden Verbotsirrtum).

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Stellungnahme

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terbrechung entscheiden kann, da die Geburt eines Kindes gerade eine solche irreversible Folge darstellt. Etwas anderes gilt nur für unumkehrbare körperliche Eingriffe wie die Sterilisation: § 1631 c B G B , der die Sterilisation Minderjähriger sowohl mit deren Einwilligung als auch mit Einwilligung der gesetzlichen Vertreter ausschließt, bestätigt die hier vorgeschlagene Regel. Uber geringfügige kosmetische Eingriffe sollte der oder die Minderjährige selbst entscheiden können, die Grenze ist aber bei Eingriffen erreicht, die Gesundheitsrisiken beinhalten oder die sich nicht ohne weiteres rückgängig machen lassen. Das dürfte nicht nur bei Tätowierungen, sondern auch beim Piercing 177 der Fall sein. Was die Persönlichkeitsrechte im übrigen, vor allem das praktisch in diesem Zusammenhang oft einschlägige Recht am eigenen Bild betrifft, so muß ebenfalls nach der Schwere des Eingriffs diferenziert werden. Einen Anhaltspunkt bietet die Unterscheidung zwischen der fremdnützigen, unwiderruflichen Gestattung und der eigennützigen, widerruflichen Einwilligung. Erstere liegt regelmäßig vor, wenn die Einwilligung um einer Gegenleistung willen erteilt wird und der Persönlichkeitsaspekt kommerziell verwertet werden soll. Hier sind zwar der Verpflichtungsvertrag und die eigentliche Gestattung voneinander zu unterscheiden, doch in beiden Fällen handelt es sich um Verträge 178 . Ihre einheitliche Beurteilung nach dem Prinzip der Doppelzuständigkeit trägt dem Mischcharakter von persönlichkeitsrechtlicher Disposition und wirtschaftlichem Austauschgeschäft am besten Rechnung 179 . Dagegen sprechen gute Gründe gegen eine alleinige Entscheidungsbefugnis des oder der Minderjährigen. Zunächst muß er oder sie vor voreiligen Entscheidungen geschützt werden, die gerade dann drohen, wenn die Veröffentlichung des Bildes Popularität und Bekanntheit verspricht. Dabei ist zu bedenken, daß es sich beim Vertragspartner nicht um einen der Heilkunst verpflichteten Arzt, sondern um einen wirtschaftlich denkenden Verwerter handelt. Gerade das oben analysierte Urteil des O L G Karlsruhe demonstriert die Gefahr, daß die Einwilligungsfähigkeit vorschnell unterstellt wird: O b ein Mädchen wirklich die Tragweite der Veröffentlichung eines Oben-ohne-Fotos im Prospekt eines Reiseveranstalters ermessen kann, weil sie die Obersekunda eines Gymnasiums besucht und weil sie die Erlaubnis erhält, ohne Begleitung ihrer Eltern nach Ibiza zu reisen, erscheint doch äußerst fraglich. Auch bei Annahme einer Doppelzuständigkeit kann es zwar zu Fehlbeurteilungen kommen, der Minderjährigenschutz wird aber durch die Mitentscheidungsbefugnis der gesetzli177 D a s Piercing ist insofern ein irreversibler Eingriff, als das Loch in der Haut sichtbar bleibt. Außerdem bestehen Gesundheitsrisiken, vor allem kann es zu Entzündungen, zum Blutverlust oder zur Durchtrennung eines Nervs kommen, vgl. die Urteile des V G Gießen, N J W 1999, 1800 ff. und des A G Neubrandenburg N J W 2001, 902. 178 S. oben, § 8 II 3 c, III 2, IV 2. 179 So überzeugend Dasch, S. 103.

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§11

Einwilligungsfähigkeit

chen Vertreter verstärkt, die dazu führen kann, daß der Eingriff in Zweifelsfällen unterbleibt. Auch der Aspekt der Rechtssicherheit darf nicht unterschätzt werden: O f t hat der Verwerter keine Möglichkeit, sich ein zuverlässiges Bild über die Entscheidungsfähigkeit des Minderjährigen zu bilden. Zwar spricht dieser Aspekt auch gegen eine Mitentscheidungsbefugnis des Minderjährigen, diese führt aber, wie oben gesehen, zu erheblich geringeren praktischen Schwierigkeiten. Drittens spielt gerade hier auch die Bedeutung der elterlichen Zustimmung als Instrument der Personensorge eine Rolle: Solange die Eltern mit der Personensorge betraut sind, sollten sie bei der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsaspekten oder gar der Veröffentlichung von Nacktaufnahmen ein Mitspracherecht haben. Im Vorgriff auf die Überlegungen zum Widerrufsrecht in § 13 sei erneut das Wertungskriterium herangezogen, daß Minderjährige nach Möglichkeit nicht über die Grenze der Volljährigkeit hinaus mit den Folgen von Einwilligungen ihrer gesetzlichen Vertreter belastet werden sollten. Diese Überlegung spricht für den Vorschlag Gottings, dem Minderjährigen mit Erlangung der Einsichtsfähigkeit, spätestens jedoch mit Erreichen des Volljährigkeitsalters ein Widerrufsrecht einzuräumen, das nicht an das Vorliegen eines besonderen Grundes gekoppelt ist. Der Grundsatz der Doppelzuständigkeit bei unwiderruflichen Gestattungen gilt auch für das Datenschutzrecht 1 8 0 , allerdings ist hier besonders § 113 B G B zu beachten. Auch darüber hinaus kann eine „Annexkompetenz" des Minderjährigen zur alleinigen Erteilung datenschutzrechtlicher Einwilligungen bestehen. Insbesondere kann er, wenn er ausnahmsweise zur alleinigen Entscheidung über einen ärztlichen Heileingriff befugt ist, auch der Erhebung und Speicherung der Patientendaten zustimmen. Unpassend ist die Theorie der Doppelzuständigkeit hingegen für die Beurteilung der widerruflichen Einwilligung in alltägliche persönlichkeitsbezogene Eingriffe ohne nennenswerte nachteilige Konsequenzen für den Einwilligenden. N a c h strafrechtlicher Systematik würde es sich hier in der Regel um ein Einverständnis handeln, das überhaupt erst den Unterschied zwischen sozialtypischen Handlungen und Persönlichkeitsverletzungen begründet. Wer unbefugt Personen in deren Privatsphäre fotografiert oder vertrauliche Tagebuchaufzeichnungen veröffentlicht, begeht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1 8 1 . Werden diese Handlungen aber im privaten Rahmen mit Einwilligung der Betroffenen vorgenommen, so sind sie ganz sozialüblich 1 8 2 . Hier wäre es nicht nur unpraktikabel, für die wirksame Einwilli180 So auch § 45 I JArbSchG, der für die Einwilligung in die Weitergabe bestimmter Krankheitsdaten über minderjährige Arbeitnehmer die Doppelzuständigkeit von Minderjährigem und Personensorgeberechtigtem anordnet. 181 Vgl. Staudinger/Hager, Rz. C 158, C 167ff. m.w.N. 182 Vgl. hierzu das Diktum von Taft J. in der US-Entscheidung Lacey v. Laird 139 N. E.2d 25 (34): „Does any boy who kisses a girl under the age of 21 with her consent but

V.

Stellungnahme

325

gung Minderjähriger die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter zu verlangen, es würde auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Minderjährigen grundlos beeinträchtigen. Sicherlich ist diese Ansicht insofern problematisch, als keine klare Grenze zwischen beiden Typen von Eingriffen besteht, doch die Notwendigkeit einer de-minimis-Regel für unwesentliche Eingriffe läßt sich nicht von der Hand weisen. Die Abgrenzung kann durch ein „bewegliches System" erfolgen 183 , innerhalb dessen die Schwere des Eingriffs und seiner Folgen, das eigene Interesse des Einwilligenden am Eingriff selbst und die kommerzielle oder private Natur der Handlung berücksichtigt werden. Bei widerruflichen Einwilligungen in alltägliche Handlungen im nicht-kommerziellen Kontext erscheint demnach - ähnlich wie bei ungefährlichen körperlichen Eingriffen ohne nachteilige Folgen - die Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen als ausreichend. Es ergibt sich also ein differenziertes Bild, das sich selbst de lege ferenda einer präzisen gesetzlichen Regelung nach dem Vorbild vieler US-Bundesstaaten entziehen dürfte. Eine flexible Norm, die der richterrechtlichen Konkretisierung durch Fallgruppen bedarf 184 , läßt sich wohl nicht vermeiden. Dennoch würde der Gesetzgeber zur Rechtsklarheit beitragen, wenn er in § 107 BGB einen Absatz nach dem Vorbild des Art. 19 II des schweizerischen ZGB einfügen würde 185 . Damit wäre geklärt, daß Geschäftsunfähige nicht wirksam einwilligen können, während die konkurrierende oder ausschließliche Einwilligungsfähigkeit beschränkt Geschäftsfähiger in persönlichkeitsrechtlichen Fragen von deren Einsichtsfähigkeit abhängt. Zusätzlich könnte eine Spezialregelung für die ärztliche Behandlung im Rahmen der §§ 1626ff. BGB erfolgen. Sofern oben ausnahmsweise eine alleinige Einwilligungszuständigkeit Minderjähriger für ärztliche Eingriffe befürwortet wurde, sollten sich zumindest de lege ferenda die Ausnahmen nach dem Vorbild der oben dargestellten englischen und amerikanischen Bestimmungen auch auf den Abschluß des Behandlungsvertrags erstrecken. Die herrschende Meinung, die zwar die Einwilligung zuläßt, den zugrunde liegenden Vertrag aber den §§ 104ff. BGB unterwirft, ist hier inkonsequent. Damit zeigt sich im übrigen erneut, daß die Notwendigkeit, die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit für persönlichkeitsrechtliche Einwilligungen zu modifizieren, nicht gegen die Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung spricht. Der Behandlungsvertrag ist zweifellos ein Rechtsgeschäft, dennoch erscheinen hinsichtlich seiner Wirkwithout the consent of her parents thereby expose himself to an action for assault and battery ( . . . ) ? " 183 Begriff im Anschluß an Wilburg, A c P 163 (1964) 346 ff., weitere N a c h w . bei MüKo/ Mayer-Maly/Armbrüster, Rz. 29 zu § 138; zur Bedeutung im Rahmen der Einwilligungslehre Resch, S. 117. 184 Zur Konkretisierung von Generalklauseln durch Fallgruppenbildung Ohly, Richterrecht, S. 300 ff. 185 Yg[ auch J e n Gesetzgebungsvorschlag von Rosener, S. 150.

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samkeitsvoraussetzungen die parallelen Modifikationen der Geschäftsfähigkeit angemessen. De lege lata muß es bei der teleologischen Reduktion des § 1 0 7 BGB bleiben. Allerdings ist die Rechtsprechung aufgefordert, das hier dargestellte Regel- Ausnahme-Verhältnis für ärztliche Heileingriffe, das sie der Sache nach vertritt, deutlicher zum Ausdruck zu bringen und den irreführend weiten Leitsatz der Entscheidung BGHZ 29,33 insoweit zu berichtigen. Ist die Einwilligung des Minderjährigen nach diesen Grundsätzen unwirksam, so kann dennoch § 254 BGB eingreifen. Das gilt vor allem für die Fälle des „Handelns auf eigene Gefahr", etwa Raufereien oder gefährliche Fahrten. Das Mitverschulden des Minderjährigen richtet sich hier nach § 828 BGB. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch zum soeben Ausgeführten, da es unter § 254 BGB nicht um Selbstbestimmung, sondern um die objektive Bewertung unvorsichtigen Verhaltens geht 186 . Wieder anders fällt, wie oben gesehen 187 , die Wertung bei Sportverletzungen aus: Das regelgerechte Spiel ist objektiv erlaubt, bei leicht regelwidrigen Verletzungen entfällt der Fahrlässigkeitsvorwurf, wenn solche Regelwidrigkeiten üblicherweise vorkommen. Die Einwilligungsfähigkeit des minderjährigen Sportlers ist hier unerheblich 188 .

186 Ähnlich MüKo^/Gitter, Rz. 96 vor § 104, etwas anders nunmehr in der 4. Aufl. Schmitt, Rz. 24 zu § 105 (Einwilligung in riskantes Verhalten unterfällt den §§ 105,107, die Anwendbarkeit des § 254 bleibt hiervon aber unberührt); vgl. auch B G H Z 55, 128 (136). 187 § 10 II 4. 188 Vgl. O L G Düsseldorf, N J W - R R 2000, 1116.

§ 1 2 Die Einwilligung als Kommunikationsakt: Erklärung, Auslegung, Zeitpunkt, Widerruf I. Erklärung 1. Das Erklärungserfordernis

im deutschen Straf- und

Zivilrecht

Der Satz „volenti non fit iniuria" scheint zu implizieren, daß es für die Wirksamkeit der Einwilligung lediglich auf den Willen, nicht jedoch auf dessen Erklärung ankommt. In der Tat wird diese Auffassung im Strafrecht von der Willensrichtungstheorie vertreten und mit dem Argument begründet, entscheidend sei nur die Beziehung des Dispositionsbefugten zu seinem Rechtsgut. Richte sich sein Wille auf dessen Aufgabe, so übe er damit sein Selbstbestimmungsrecht aus 1 . Wenn also die Einwilligung auf dem Gedanken der Autonomie beruhe, müsse der bloße innere Wille ausreichen 2 . Die damit notwendig verbundenen Beweisschwierigkeiten seien hinzunehmen, zumal sie generell bei der Feststellung subjektiver Umstände bestünden 3 . Eine andere Frage sei, ob der Handelnde bei Vornahme des Eingriffs von der Einwilligung gewußt habe. Sei dies bei einer stillschweigenden Einwilligung nicht der Fall, so sei er wegen Versuchs zu bestrafen 4 . Die herrschende Meinung im Strafrecht lehnt demgegenüber zwar die Anwendung der privatrechtlichen Vorschriften über die Abgabe und den Zugang von Willenserklärungen ab, verlangt aber immerhin die Kundgabe der Einwilligung 5 : Ein nicht hervortretender Gedanke sei nicht Ausdruck des Willens und mangels Feststellbarkeit nicht zur Anknüpfung von Rechtsfolgen geeignet 6 . Auch im Zivilrecht wird die Willensrichtungstheorie vereinzelt vertreten. Für Manigk ist die Einwilligung als emotionaler Vorgang „reines Denken" 7 , vergleichbar der Verzeihung (§§ 532, 2337, 2343 B G B ) , die allgemein als rein

Göbel, S. 136; Jakobs AT, 7/115 (s. aber 7/110, Fußn. 162). Schmidhäuser AT, 8/151 ff. 3 Göbel, S. 136; ähnlich aus privatrechtlicher Sicht Schenke, S. 50. 4 Göbel, S. 134; Stratenwerth, § 9, Rz. 28. 5 Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 43 vor §§ 32ff.; LK/Hirsch, Rz. 109ff. vor § 3 2 ; Roxin AT I, § 13, Rz. 42 ff., alle m.w.N. 6 Roxin AT I, § 13, Rz. 44. 7 Manigk, S. 510. 1

2

328

5 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

innerer Vorgang aufgefaßt wird 8 . Schenke9 argumentiert, ein schützenswertes Interesse sei nicht mehr vorhanden, wenn der Verletzte innerlich mit dem Eingriff einverstanden sei. Der Handelnde seinerseits sei im Fall eines Irrtums hinreichend durch das Verschuldenserfordernis geschützt. Boehmerw verweist auf die Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag: Wenn nach §§ 677 ff. B G B der bloße Wille des Geschäftsherren zur Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung ausreiche, so müsse das auch bei der Einwilligung der Fall sein. Dem widerspricht Kohten: Die Einwilligung bewirke im Zivilrecht, anders als im Strafrecht, für den Erklärenden einen unmittelbaren rechtlichen Nachteil, nämlich den Verlust seines Schadensersatzanspruchs. Diese Rechtsfolge könne nicht durch bloßes Schweigen ausgelöst werden. Gegen die Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag spreche der Unterschied beider Rechtsinstitute. Die rechtfertigende Wirkung letzterer erkläre sich aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren, von denen der Wille des Geschäftsherren nur einer sei. Mittlerweile 12 wird im Privatrecht kaum noch bestritten, daß die Einwilligung einer Erklärung bedarf 13 und daß insbesondere das bloße Dulden einer Rechtsverletzung noch keine Einwilligung ist 14 . Ganz herrschend ist diese Ansicht im Medizinrecht 15 , wo sie auch von Autoren vertreten wird, die im übrigen der Rechtsgeschäftstheorie kritisch gegenüberstehen 16 . Dasselbe gilt für Eingriffe in Persönlichkeitsrechte im übrigen, wo ebenfalls die Auffassung überwiegt, daß nur bei Vorliegen einer Erklärung von wirklicher Selbstbestimmung die Rede sein kann 17 . Während die herrschende Lehre im Zivil- und im Strafrecht darin übereinstimmt, daß die Einwilligung erklärt werden muß, herrscht keine Einigkeit B G H Z 91,273 (280); Erman/Seiler, Rz. 2 zu § 532; MüKo/Kollhosser, Rz. 2 zu § 532. Schenke, S. 47 ff. (insb. 52). 10 Boehmer, M D R 1959, 705. 11 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (122 f.). 12 Die oben für die Gegenansicht zitierten Arbeiten von Manigk, Boehme und Schenke stammen aus den Jahren 1939, 1959 und 1965. 13 B G H N J W 1956, 1106 (1107); unklar dagegen B G H N J W 1964, 1177. Vgl. aus der Literatur Kohte, AcP 185 (1985) 105 (121 ff.); Resch, S. 134 ff.; Deutsch A H R , Rz. 282; MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; RGRK/Steffen, Rz. 379 zu § 823; Staudingeru/Schäfer, Rz. 463 zu § 823; vgl. auch die Nachw. in der folgenden Fußn. 14 Treffend auf der Grundlage des englischen Rechts das Diktum von Bowen L.J. in Thomas v. Quartermaine (1887) 18 Q . B . D . 685 (696): „The maxim is not ,scienti non fit iniuria', but ,volenti'". Zum deutschen Recht O L G Karlsruhe N J W 1987, 1489; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (123); Baston-Vogt, S. 234; Staudinger/Hager, Rz. 1109, unklar hingegen Rz. C 177. 15 B G H Z 67,48 (55);Deutsch MedR, Rz. li9;HdA/Ulsenheimer, § 139, Rz. 34;Rosener, S. 124; Voll, S. 105. 16 So Deutsch, a. a. O. 17 Für die Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie liegt dieses Ergebnis auf der Hand, vgl. Helle, AfP 1985, 93 (98); Gotting, S. 147; wohl auch Dasch, S. 45; ebenso aber trotz Ablehnung der Rechtsgeschäftstheorie Baston-Vogt, S. 234. 8 9

I.

Erklärung

329

darüber, ob die Äußerung gegenüber dem Handelnden erfolgen muß. Nach der im Strafrecht überwiegenden Auffassung ist das nicht der Fall, eine Erklärung gegenüber Dritten genügt 18 . Im Privatrecht wird die Frage vor allem im Medizinrecht erörtert. Diejenigen Autoren, die das Problem ansprechen, gehen davon aus, daß die Einwilligung grundsätzlich gegenüber demjenigen ausgesprochen werden muß, der den Eingriff vornimmt 19 . Die Einwilligung zu einer Operation kann also nicht gegenüber einer beliebigen Person, etwa einem Freund oder Nachbarn erklärt werden, selbst das Pflegepersonal ist wohl zu ihrer Entgegennahme nicht befugt 20 . Allerdings läßt es sich im Rahmen der Organisationsstruktur eines Krankenhauses zuweilen nicht vermeiden, daß ein Arzt aufklärt und die Einwilligung entgegennimmt, während ein anderer den Eingriff vornimmt, so daß der Patient die Person des Operateurs nicht kennt 21 . Diese Praxis wurde zwar vom BGH in einer Entscheidung als bedenklich bezeichnet 22 , sie wird im Schrifttum jedoch weitgehend toleriert, jedenfalls sofern sich für den Patienten das Eingriffsrisiko nicht erhöht 23 . Eine konkludente Erklärung reicht nach allgemeiner Ansicht aus 24 , sofern nicht ausnahmsweise - wie für bestimmte medizinische Eingriffe 25 und die Verarbeitung personenbezogener Daten 26 - gesetzliche Formvorschriften beS. die Nachw. oben, Fußn. 5. Vgl. Voll, S. 110. Häufig wird in der medizinrechtlichen Literatur nur darauf hingewiesen, daß grundsätzlich der behandelnde Arzt den Patienten aufzuklären hat, nicht jedoch, ob auch die Einwilligung ihm gegenüber zu erklären ist, vgl. etwa Laufs ArztR, Rz. 210; Tempel, NJW 1980, 609 (615). 20 Auch hier ist freilich meist nur davon die Rede, daß der Arzt die Aufklärung nicht an das Pflegepersonal delegieren kann, vgl. etwa Deutsch MedR, Rz. 134, 137; Tempel, NJW 1980, 609 (615). Da allerdings die Einwilligung Teil des Aufklärungsgesprächs ist, muß auch die Einwilligung dem Arzt zugehen. Allerdings kann eine Krankenschwester die Einwilligung überbringen, sie wird in diesem Fall als Empfangsbotin tätig. 21 Vgl. etwa den Sachverhalt der Entscheidung BGH NJW 1983, 2075 m. Anm. v. Ahrens. 22 BGH a.a.O., S. 2076; allerdings stellt BGH NJW 1984, 655 klar, daß die Einwilligung in diesen Fällen dennoch wirksam ist. 23 Vgl. Ahrens, a. a. O., S. 2077; Laufs ArztR, Rz. 211, und in HdA, § 66, Rz. 2; Deutsch MedR, Rz. 137; Voll, S. 110; einschränkend Tempel, NJW 1980, 609 (615). 24 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (123); Resch, S. 135f.; Deutsch AHR, Rz. 282; RGRK/ S t e f f e n , Rz. 379 zu § 823; Staudinger'2/Schäfer, Rz. 463 zu § 823; speziell zum Medizinrecht Deutsch MedR, Rz. 106; HdA/Ulsenheimer, § 139, Rz. 34; zu den Persönlichkeitsrechten im übrigen Staudinger/Hager, Rz. C 177 zu § 823 m.w. N. 25 S. insbesondere § 40 I i. V.m. II 1 Nr. 2 AMG (klinische Prüfung von Arzneimitteln: Schriftform), § 8 II 3 TPG (Lebendspende von Organen: Niederschrift über Inhalt der Aufklärung und Einwilligungserklärung des Organspenders, Unterschrift der aufklärenden Personen, des weiteren bei der Aufklärung anwesenden Arztes und des Spenders). 26 S. insbesondere § 4a I 3,4 (Schriftform, sofern nicht aufgrund besonderer Umstände andere Form angemessen; Hervorhebung, wenn Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben wird), das Schriftformerfordernis dient nicht nur Beweiszwecken, vielmehr ist bei Verletzung die Einwilligungserklärung gem. § 125 BGB nichtig, vgl. Simitis 18

19

330

5 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

stehen. Allerdings verleitet diese Regel leicht dazu, eine Erklärung zu unterstellen. Gerade die Rechtsprechung des R G zum Handeln auf eigene Gefahr wird heute dafür kritisiert, daß die Annahme einer Einwilligung des Geschädigten häufig nichts anderes als eine Fiktion war 27 . Angesichts dieser Erfahrung warnen einige Autoren davor, eine konkludente Einwilligung leichthin anzunehmen 28 . Auch der B G H hat diesen Standpunkt in einer Reihe datenschutzrechtlicher Entscheidungen zur Weitergabe von Patienten- oder Mandantendaten vertreten 29 . In seiner Entscheidung zur Abtretung einer ärztlichen Honorarforderung an eine Inkassostelle 30 sprach sich der B G H gegen die Annahme einer stillschweigenden Einwilligung der Patienten in die damit verbundene Datenübermittlung aus, wenn der Arzt lediglich auf die Übermittlung mit einem Aushang im Wartezimmer hinweist. Dem Arzt obliege es nämlich, die Zustimmung seiner Patienten in eindeutiger und unmißverständlicher Weise einzuholen. In casu sei zu einem solchen Hinweis jedoch nichts vorgetragen worden, zudem sei keineswegs anzunehmen, daß die Einziehung ärztlicher Forderungen durch eine Verrechnungsstelle inzwischen so üblich sei, daß ein Arztbesuch ohne entsprechenden Widerspruch nach § 157 B G B nur als konkludente Einwilligung zu verstehen sei. Kurze Zeit später präzisierte das Gericht diese Grundsätze in einer Entscheidung über die Ubergabe einer Patientenkartei bei einer Veräußerung einer Arztpraxis 31 . Erstens sei eine solche Ubergabe der Kartei nicht so allgemein üblich, daß aus jedem Arztbesuch die konkludente Einwilligung des Patienten abgeleitet werden

in: Simitis/Dammann/Geiger/Mallmann/ Walz, Rz. 39 zu § 4; Ordemann/Schomerus, Anm. 6.1 zu § 4; Auernhammer, Rz. 14 zu § 4. Eine neuartige Formvorschrift für den elektronischen Verkehr mit Daten enthält § 4 II T D D S G (vgl. zur bis 2001 geltenden Fassung Ihde, C R 2000, 413 (419)): „Bietet der Diensteanbieter dem Nutzer die elektronische Einwilligung an, so hat er sicherzustellen, daß 1. sie nur durch eine eindeutige und bewußte Handlung des Nutzers erfolgen kann, 2. die Einwilligung protokolliert wird und 3. der Inhalt der Einwilligung jederzeit vom Nutzer abgerufen werden kann." 27 S. oben, § 9 IV 2 a. Problematisch insoweit die Lösung verschiedener Fälle des freiwillig eingegangenen riskanten sozialen Kontakts mit Hilfe einer „stillschweigenden Einwilligung" bei Ebert, JuS 1999, 754 (757). 28 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (123f.); Baston-Vogt, S. 235. 29 Vergleichbare Beispiele lassen sich aus der Rechtsprechung zu § 22 K U G anführen, s. etwa O L G Frankfurt N J W - R R 1990, 1439 (Überrumplung durch Fotografen vor der Haustür), O L G Köln VersR 1997, 1500 (Joggen am Strand in unbekleidetem Zustand ist keine konkludente Einwilligung), O L G München AfP 1995, 658 (659) (öffentliche Zugänghchkeit eines Gottesdienstes läßt nicht auf Einwilligung zum Fotografieren schließen) einerseits; B G H G R U R 1962, 211 (211 f.) - „Hochzeitsbild" (Zulassung von Pressefotografen zur Hochzeitsfeier), L G Aachen U F I T A 30 (1960) 113 (118) (Teilnahme eines Mannequins an einer Modenschau) andererseits. 30 31

B G H Z 115, 123 (127f.). B G H Z 116,268 (274f.); vgl. auch B G H Z 148, 97 (Veräußerung einer Anwaltskanzlei).

I.

Erklärung

331

könne. Zweitens genüge auch ein bloßer schriftlicher Hinweis im Wartezimmer nicht, da es nicht Sache des Betroffenen sei, der Weitergabe seiner Daten ausdrücklich zu widersprechen. Suche der Patient allerdings den Ubernehmer zwecks einer Heilbehandlung auf, könne dies als konkludente Zustimmung gewertet werden. In allen übrigen Fällen müsse der Patient seine Einwilligung ausdrücklich erteilen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung erklärte der BGH in einem späteren Urteil 32 auch die Abtretung der Honorarforderung eines Rechtsanwalts wegen der damit verbundenen Auskunftspflicht nach § 402 BGB für nichtig. Eine parallele Entwicklung läßt sich in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zur Einholung graphologischer Gutachten beobachten. Hatte das ArbG München 1975 noch entschieden, daß ein Arbeitnehmer, der seinem Arbeitgeber einen handgeschriebenen Lebenslauf zusende, damit konkludent in die Einholung eines solchen Gutachtens einwillige 33 , so verlangte bald darauf das LAG Baden-Württemberg 3 4 und später auch das BAG 3 5 eine ausdrücklich erklärte Einwilligung. Andererseits gibt es Situationen, in denen schon die bloße Duldung des Betroffenen ausreicht, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen. Dabei gehen konkludente Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung mit Widerspruchsvorbehalt ineinander über. Oben 36 war von der Rechtsprechung zur Briefkastenwerbung die Rede. Hier kann nach Ansicht des BGH nicht von vornherein angenommen werden, der Empfänger lehne diese Form der Werbung ab. Vielmehr wird von ihm verlangt, seine Ablehnung nach außen hin deutlich kundzutun. Eine ähnliche Übung läßt sich in verschiedenen Alltagssituationen beobachten. Während die heimliche Aufnahme eines Bildes grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten verletzt, ist ein solches Verhalten auf Festen und Feiern gang und gäbe 37 . Oft werden gerade solche Aufnahmen später von allen Beteiligten als besonders lustig empfunden. Die geltenden gesellschaftlichen Normen verlangen vom Gast, daß er seine Ablehnung deutlich zum Ausdruck bringt. Wäre ein Gericht mit einem solchen Fall befaßt, so würde es vermutlich nicht anders entscheiden 38 .

B G H Z 122,115 (119). ArbG München N J W 1975, 1908. 34 L A G Baden-Württemberg, N J W 1976, 310 (311). 35 BAG DB 1983, 2780, zust. Kohte, AcP 185 (1985) 105 (127). 36 § 9 II 3 a. 37 Vgl. den Sachverhalt von LG Oldenburg G R U R 1988, 694 - „ G r i l l f e s t i n dem allerdings die Besonderheit bestand, daß die fraglichen Fotos die Klägerin in einer kompromittierenden Situation zeigten. 38 Das LG Oldenburg hat diese Frage in seiner „Gn7Z/esi"-Entscheidung offengelassen und angenommen, die Klägerin habe eine mögliche Einwilligung jedenfalls widerrufen. 32

33

332 2. Implied

§ 12 Die Einwilligung

als

consent im anglo-amerikanischen

Kommunikationsakt

Recht

Selbst diejenigen deutschen Autoren, nach deren Ansicht die Einwilligung in körperliche Eingriffe nicht als Rechtsgeschäft anzusehen ist, orientieren sich doch vielfach an den rechtsgeschäftlichen Vorschriften über Erklärung und Zugang. Demgegenüber kennt das anglo-amerikanische Recht den Begriff des Rechtsgeschäfts nicht. Er befindet sich auf einer Abstraktionshöhe, die der problemorientierten Argumentationsweise des common law fremd ist39. Dementsprechend fehlt eine klare Abgrenzung zwischen der konkludenten Einwilligung und einem Haftungsausschluß aufgrund eines durch den Rechtsinhaber hervorgerufenen Anscheins oder aufgrund von Sozialüblichkeit. Sowohl im englischen als auch im amerikanischen Recht ist anerkannt, daß eine Einwilligung nicht nur dann wirksam ist, wenn sie vom Rechtsinhaber erklärt wurde, sondern auch, wenn sie der Handelnde aufgrund der Fallumstände vernünftigerweise annehmen konnte40. Im letzteren Fall ist meist vom implied consent die Rede41; wenn der wirkliche Wille dem äußeren Anschein widerspricht, wird auch der Begriff „apparent consent" verwendet42. In einigen Fällen, in denen amerikanische Gerichte bei Eingriffen in die körperliche Integrität oder in sonstige Persönlichkeitsrechte einen implied consent angenommen haben, wäre nach deutschem Recht eine konkludente Einwilligung zu bejahen. Ein klassisches Beispiel bietet der Fall O'Brien v. Cunará S.S. Co. 43 . Wegen der strengen Quarantänebestimmungen für Einwanderer nahm ein Arzt an Bord eines im Hafen von Boston eingetroffenen Schiffes Impfungen vor. Die Passagiere, die sich impfen lassen wollten, bildeten an Deck eine Schlange. Die Klägerin wollte sich nicht der Impfung unterziehen, stellte sich aber dennoch an und hob, als die Reihe an ihr war, den Arm. Daraufhin nahm der Arzt die Impfung vor44. In dieser Situation durfte Vgl. Zweigert/Kötz, § 11 II (S. 145 f.). S. für das englische Recht Salmond & Heuston, S. 475; Winfield & Jolowicz, S. 726; für das US-Recht Prosser/Keeton, § 18, s. insb. S. 113: „In our society we must perforce rely upon the overt works and acts of others, rather than upon their undisclosed minds"; Harper/James/Gray, § 3.10 (S. 3:40); und § 892 des Restatement (Second) of Torts: „(1) Consent is willingness in fact for conduct to occur. It may be manifested by action or inaction and need not be communicated to the actor. (2) If words or conduct are reasonably understood by another to be intended as consent, they constitute apparent consent and are as effective as consent in fact." 41 Vgl. das Restatement, a.a.O., comment b. 42 Vgl. das Restatement, a. a. O., comment c. 43 2 8 N . E . 266, 154 Mass. 272 (1891). 44 Manchen deutschen Leser wird dieser Fall an den bekannten Schulfall der Trierer Weinversteigerung erinnern. In der Tat verdeutlicht das Beispiel die oben, § 9 IV 2 b, vorgenommene Abgrenzung zwischen der Einwilligung im Fall des fehlenden Erklärungsbewußtseins und dem „Handeln auf eigene Gefahr". Im hier genannten Beispiel wäre auch nach deutschen Recht trotz des fehlenden inneren Willens der Patientin eine konkludente Einwilligung anzunehmen, da ihr Verhalten vom Arzt in diesem Sinne verstanden werden 39

40

I.

Erklärung

333

der Arzt nach Ansicht des Gerichts vernünftigerweise davon ausgehen, daß die Klägerin mit der Impfung einverstanden war. Ähnlich entschied die Rechtsprechung in späteren Fällen, in denen sich ein Patient zum Arzt begab und die Behandlung widerspruchslos über sich ergehen ließ 45 . Allerdings ist es für die Wirksamkeit der Einwilligung nicht erforderlich, daß der Rechtsinhaber überhaupt ein Erklärungszeichen setzt. Auch bloßes Dulden eines Eingriffs kann genügen, wenn der Eingreifende vernünftigerweise einen Widerspruch hätte erwarten können. In den Erläuterungen zum Restatement of Torts wird dazu das Beispiel eines Mädchens gebildet, das sich küssen läßt, obwohl sie den Kuß innerlich ablehnt46. Auch wenn fraglich ist, ob diese Auffassung angesichts der gestiegenen Wachsamkeit der amerikanischen Gesellschaft gegenüber sexuellen Belästigungen noch aufrechterhalten würde, so zeigt sich doch, daß durch die Figur des implied consent die Aktionslast auf die Betroffene verschoben wird. Vollends deutlich wird diese Problematik in medizinrechtlichen Entscheidungen wie etwa Hernandez v. United States47. Hier war es entgegen der Übung in der betreffenden Klinik versäumt worden, eine schriftliche Einwilligung des Klägers einzuholen. Dieser behauptete später, er habe nicht eingewilligt, habe sich aber aus Angst nicht gewehrt. Das Gericht ließ diesen Einwand nicht gelten: Es sei für den Patienten deutlich gewesen, daß eine Operation beabsichtigt gewesen sei. Er hätte protestieren können, habe das aber nicht getan, daher sei seine Einwilligung wirksam. Die Gefahren einer einseitigen Betonung der gesellschaftlichen Konvention zu Lasten des Betroffenen zeigt das Urteil des Supreme Court of Florida in Florida Publishing Company v. Fletcher48. Ein Mädchen war bei einem Brand ums Leben gekommen. Der Einsatzleiter der Feuerwehr erlaubte nach Abschluß der Löscharbeiten anwesenden Journalisten, das Haus zu betreten und unter anderem die mit Kreide auf den Fußboden gezeichnete Silhouette des verstorbenen Mädchens aufzunehmen. Die Fotos wurden später in der Florida Times veröffentlicht. Die Mutter klagte auf Schadensersatz, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs und einer Verletzung des right of privacy, doch der Supreme Court of Florida wies die Klage wegen des Vorliegens eines implied consent ab: Das Verhalten des Einsatzleiters sei üblich gewesen, daher hätten die Journalisten vom Vorliegen einer Einwilligung ausgehen können. Unterstützend verwies das Gericht auf das öffentliche Informationsinterdurfte. Hingegen zeichnen sich die Fälle des „Handelns auf eigene Gefahr" nach der oben vertretenen Abgrenzung dadurch aus, daß das Verhalten des Geschädigten objektiv nicht als Einwilligung, sondern nur als Risikoteilnahme erscheint. 45 Dicenzo v. Berg 16 A.2d 15 (17), 340 Pa. 305 (1940); Cardwell v. Bechtol 724 S. W.2d 739 (746), 67 A.L.R.4th 479 (1987); Hernandez v. United States 465 F.Supp. 1071 (1073) (Kan. 1979); Banks v. Wittenberg 266 N.W.2d 788 (791), 82 Mich.App. 274 (1978). 4 6 Restatement (Second) of Torts, § 892, comment c, Beispiel 3. 47 465 F.Supp. 1071 (1073). 48 340 So.2d 914 (1976).

334

§ 12 Die Einwilligung als

Kommunikationsakt

esse 4 9 . I n dieser Situation w a r die A n n a h m e eines implied

consent

eine reine

F i k t i o n , in W i r k l i c h k e i t ging es u m den K o n f l i k t z w i s c h e n den s u b j e k t i v e n R e c h t e n der B e t r o f f e n e n u n d der Pressefreiheit. D i e s e r K o n f l i k t verlangt nach speziellen Eingriffsbefugnissen, wie sie im d e u t s c h e n R e c h t etwa § 2 3 K U G bereithält. B e s o n d e r s häufig v e r s c h w i m m t die A b g r e n z u n g z w i s c h e n der E i n w i l l i gung und o b j e k t i v e n S c h r a n k e n des jeweiligen R e c h t s bei E i n g r i f f e n in das G r u n d e i g e n t u m 5 0 und das geistige E i g e n t u m {intellectualproperty).

E i n e er-

h e b l i c h e Z a h l v o n U S - E n t s c h e i d u n g e n b e f a ß t sich mit der Frage, w a n n ein vernünftiger B e o b a c h t e r aufgrund der F a l l u m s t ä n d e u n d der o r t s ü b l i c h e n Verhaltensweisen eine E r l a u b n i s des G r u n d b e s i t z e r s a n n e h m e n w ü r d e . S o w i r d etwa regelmäßig a n g e n o m m e n , daß ein H a u s b e s i t z e r damit einverstanden ist, daß B e s u c h e r das G r u n d s t ü c k b e t r e t e n , um z u r E i n g a n g s t ü r zu gelangen 5 1 . In u n b e w o h n t e n G e b i e t e n k a n n sogar eine implied

licence

angenom-

m e n w e r d e n , w e n n Passanten das G e l ä n d e ü b l i c h e r w e i s e z u m J a g e n , F i s c h e n o d e r W a n d e r n betreten 5 2 ; u m diese S i t u a t i o n e n zu regeln, h a b e n verschiedene U S - B u n d e s s t a a t e n i n z w i s c h e n recreational

use statutes

erlassen. I n all diesen

F ä l l e n genügt das S c h w e i g e n des G r u n d b e s i t z e r s nicht, u m eine E r l a u b n i s auszuschließen 5 3 . E r m u ß aktive G e g e n m a ß n a h m e n ergreifen, etwa ein sichtbares und verständliches Schild 5 4 aufstellen oder das G e l ä n d e einzäunen 5 5 . 49 Beide Aspekte gehen in dem Urteil ineinander über, vgl. S. 917: „(...) the defense of custom and usage is but another way of expressing consent by implication." 50 Hier ist die Frage nach dem Vorliegen einer Einwilligung zusätzlich von Bedeutung für die Verkehrssicherungspflicht des Grundeigentümers, für die zwischen unbefugtem und befugtem Betreten des Grundes differenziert wird, vgl. zur Bedeutung der implied licence in diesem Zusammenhang zum englischen Recht Winfield & Jolowicz, S. 229 ff.; Clerk & Lindseil/Tettenborn, Rz. 10-14; zum US-Recht Marlon Investment Co. v. Conner 149 So.2d 312 (315), 246 Miss. 343 (1963); Restatement (Second) of Torts, § 330, comments c, e\Page, § 3.3 \ Harper/James/Grey, § 1.11 (S. 1:47 f.). 51 Vgl. Singleton v. Jackson 935 P.2d 644 (647), 85 Wash. App. 835 (1997) (Zeugin Jehovas darf an der Haustür klingeln); Smith v. VonCannon 197 E.E.2d 524 (529), 283 N. C. 656 (1973) (Taxifahrer darf in der Einfahrt wenden); Garrard v. McComas 450 N.E.2d 730 (733), 5 Ohio App. 3d 179 (1982) (Wer sich verlaufen hat, darf sich einem fremden Haus nähern, um nach dem Weg zu fragen). 52 McKee v. Gratz 260 U.S. 127 (136), 43 S.Ct. 16, 67 L.Ed. 167 (1922) per Holmes J.: „The strict rule of the English common law as to entry upon a close must be taken to be mitigated by common understanding with regard to the large expanses of unenclosed and uncultivated land in many parts at least in this country. Over these it is customary to wander, shoot and fish at will until the owner sees fit to prohibit it. A license may be implied from the habits of the country." 53 McKee v. Kratz, a. a. O.; Cox v. Hayes 192 N. W.2d 68 (71), 34 Mich. App. 527 (1971). 54 Vgl .Jones v. Manhart 585 P.2d 1250 (1253), 120 Ariz. 338 (1978): „The sign .Trespassers will be eaten' could be reasonably interpreted as a joke." 55 Für die Frage, welche Gegenmaßnahmen vernünftigerweise erwartet werden können, kommt es sehr auf die Umstände des Einzelfalls an, vgl. die Warnung bei Winfield & Jolowicz, S. 229: „(...) failure to turn one's premises into a fortress does not confer a licence

I.

Erklärung

335

Selbst wenn Passanten über längere Zeit den entgegenstehenden Willen des Grundbesitzers mißachten und er daraufhin nichts unternimmt, kann von einer implied licence auszugehen sein 56 . Nach allgemeiner Ansicht sind solche implied licences auch im Recht des geistigen Eigentums möglich 57 . Auch hier ist bisweilen ihre Abgrenzung zu den objektiven Schranken des Schutzrechts fraglich. Aufschlußreich ist etwa, daß in einer umfassenden Darstellung des Lizenzvertragsrechts die implied licence im Kapitel involuntary licensing dargestellt58 und so in einem Atemzug mit der Zwangslizenz genannt wird. Auch die Erschöpfung des Schutzrechts beim Verkauf wird bisweilen mit einer implied licence begründet 59 . Ein Paradebeispiel hierfür bietet die Entscheidung des englischen High Court in Zino Davidoff v. A & G Imports60. In diesem Fall ging es um die im europäischen Markenrecht höchst umstrittene Frage61 des Parallelimports von Markenartikeln aus einem Nicht-Mitgliedstaat des EWR 6 2 . Der E u G H hatte zuvor in seinem Silhouette-Urteil63 entschieden, daß das europäische Markenrecht den Grundsatz der internationalen Erschöpfung ausschließe: Das Markenrecht sei immer dann, aber auch nur dann erschöpft, wenn die mit der Marke versehene Ware mit Zustimmung des Markeninhabers innerhalb des E W R auf den Markt gebracht worden sei. Der Fall, über den der High Court zu entscheiden hatte, betraf eine so typische Situation eines Parallelimports aus einem Staat außerhalb des EWR, daß die Klägerin den Erlaß eines Urteils im summarischen Verfahren beantragt on anyone who may seek to take advantage of one's inaction", und Edwards v. Railway Executive [1952] A . C . 737 (746). 56 Loweryv. Walker [1911] A . C . 10; Imre v. Riegel Paper Co. 132 A.2d 505 (508 f.), 24 N . J . 438 (1957). Sorgt der Grundbesitzer jedoch für eine Absperrung und hält sie weitgehend intakt, so scheidet die Annahme einer Erlaubnis aus: Edwards v. Railway Executive [1952] A. C. 737.; Longbottom v. Sim-Kar Lighting Fixture Co. 651 A.2d 621 (623), 96 Ed. Law Rep. 620 (1994). Vgl. auch zum englischen Recht Clerk & Lindseil /Tettenborn, Rz. 10-16, 82; zum US-Recht James, (1954) 63 Yale L.J. 144 (181). 57 Zur implied licence im britischen Patentrecht Terrell, Rz. 10.29 f.; im britischen Urheberrecht Copinger/Skone James, Rz. 5—208 ff.; im US-Urheberrecht Effects Associates, Inc. v. Larry Cohen 908 F.2d 555 (558 f.), 15 U.S.P.Q.2d 1559 (1990) I.A. E. Inc. v. Shaver 74 F.3d 768 (775f.), 3 7 U . S . P . Q . 2 d 1436 (1996). 58 Dratler, § 3-04. 59 Walker, §20:7. 6 0 [1999] R.P.C. 631; dazu Carboni, [1999] E . I . P . R . 424; Hays, [2000] E . I . P . R . 353ff.; Ohly, (1999) 30 I . I . C . 512 (528ff.); Swift, [2000] E . I . P . R . 376ff. 61 Vgl. zum Stand der Diskussion Albert/Heath, G R U R 1998, 642 ff.-, Joller, G R U R Int. 1998, 751 ff.; Ohly, (1999) 30 I . I . C . 512 (520ff.); Sack, G R U R 1999, 193 (210ff.) und den von Hassemer verfaßten Tagungsbericht über die Arbeitssitzung der Fachgruppe für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht auf der Tagung für Rechtsvergleichung in Freiburg, 24.9.1999, veröff. in G R U R Int. 2000, 624 ff. 62 Die Wirkung der EG-Markenrechtsrichtlinie wurde auf die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erstreckt, s. Art. 65 II i.V.m. Anhang X V I I des EWR-Abkommens. 63 Rs. C-355/96, Silhouette International Schmied/Hartlauer, Slg. 1998 1-4799.

336

§ 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

hatte. Justice Laddie lehnte diesen Antrag mit einer Begründung ab, die keinen Zweifel daran ließ, daß er die Silhouette-Entscheidung inhaltlich ablehnte 64 . Zwar sah er sich an sie gebunden, doch hatte sich der E u G H zuvor noch nicht dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen von einer Zustimmung des Markeninhabers ausgegangen werden konnte und nach welchem Recht diese Frage zu entscheiden war. Justice Laddie legte diese Frage nunmehr dem E u G H vor, entschied aber im summarischen Verfahren, die Frage richte sich nach dem Vertragsstatut, hier nach englischem Recht. Nach common law enthalte ein Kaufvertrag bei Fehlen ausdrücklicher gegenteiliger Vereinbarungen eine implied licence, die es dem Käufer erlaube, nach Belieben mit der gekauften Sache zu verfahren 65 . Damit stimme der Verkäufer auch dem Reimport der Sache in die Europäische Union zu 66 . Auch wenn man mit Justice Laddie die Rechtslage zur Erschöpfung des Markenrechts nach der S?7Äo«efie-Entscheidung für unbefriedigend hält 67 , fordert diese Argumentation, die mittlerweile auch vom E u G H zurückgewiesen wurde 68 , aus der Sicht der Einwilligungslehre die Kritik geradezu heraus. Nichts sprach nach dem ausführlich dargestellten Sachverhalt der Entscheidung dafür, daß der Markeninhaber mit dem Reimport einverstanden war. Im Gegenteil enthielt der Vertriebsvertrag der Markeninhaberin mit dem Großhändler eine ausdrückliche Verpflichtung, die Waren nur innerhalb des Absatzgebiets, das einige südostasiatische Staaten umfaßte, zu vertreiben. Es war lediglich versäumt worden, diese Verpflichtung lückenlos entlang der Vertriebskette weiterzugeben oder auf den Waren einen deutlichen Hinweis auf die Vertriebsbeschränkung anzubringen. Der Davidoff-Fall zeigt deutlich die Gefahren einer großzügigen Annahme von implied licences. Wer die Zustimmung des Rechtsinhabers unterstellt, erspart sich die schwierige objektive Abwägung zwischen dem Interesse des Rechtsinhabers und dem öffentlichen Interesse. Zudem hat der Grundsatz „volenti non fit iniuria" eine starke intuitive Legitimationswirkung, während die Einschränkung subjektiver Rechte aufgrund öffentlicher Interessen stets auf eine gewisse Skepsis stößt. Sofern aber keinerlei Anhaltspunkte für eine tatsächliche Zustimmung des Rechtsinhabers bestehen, läuft die Annahme einer implied licence auf eine methodenunehrliche Fiktion heraus69, die die eigentliche Begründung verschleiert. 64 Vgl. [1999] R. P. C. 631 (643), Ziff. 36: „In my view this illustrates how Silhouette has bestowed on a trade mark owner a parasitic right to interfere with the distribution of goods which bears little or no relationship to the proper function of the trade mark right." 65 [1999] R.P.C. 631 (642), Ziff. 29f. m.w.N. zu einschlägigen Präjudizien. 66 Anders allerdings die Parallelentscheidung des schottischen Court of Sessions, dazu Swift, [2000] E . I . P . R . 376ff. 67 So etwa Albert/Heath, G R U R 1998, 642 ff.; Joller, G R U R Int. 1998, 751 (756 ff.); Ohly, (1999) 30 I . I . C . 512 (530); alle m.w.N. 6 8 Verb. Rs. 414-416/99, Davidoff /A & G Imports u. a., G R U R Int. 2002, 147 m. Anm. Ohly. 69 Krit. auch Cornish, [1998] E . I . P . R . 172 (177); Swift, [2000] E . I . P . R . 376 (378).

I.

3.

Erklärung

337

Stellungnahme

Die Einwilligung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Erklärung. Diese im Privatrecht herrschende Auffassung folgt zwingend aus der Idee der Selbstbestimmung und dem Gedanken der Selbstverantwortung. Die im strafrechtlichen Schrifttum vertretene Ansicht, Selbstbestimmung liege vor, wenn der Inhaber eines Rechtsguts die Verletzung innerlich wolle, ist jedenfalls für das Privatrecht nicht haltbar. Selbstbestimmung über eigene subjektive Rechte wird hier nur relevant, wenn sie durch eine Willenserklärung objektiviert wird. So ist nicht nur für die Übertragung, sondern auch für die Aufgabe eines Rechts stets eine Erklärung erforderlich 70 . Stärker noch fällt der Aspekt der Selbstverantwortung ins Gewicht. Die Einwilligung kann insofern durchaus als bindend bezeichnet werden, als der Einwilligende sämtliche Ersatz- und Beseitigungsansprüche verliert. Ein nicht geäußerter Wille kann einen solchen Verlust noch nicht herbeiführen. Der bloße Wille ist flüchtig und kann sich von Augenblick zu Augenblick verändern. Erst mit der Erklärung ist der Willensbildungsprozeß zum Abschluß gekommen. Eine weitere Überlegung untermauert das Erklärungserfordernis. Zwar wird gelegentlich angenommen, die einseitige Einwilligung begründe wegen ihrer Widerruflichkeit beim Empfänger kein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Eingriffshandlung, doch diese Ansicht beruht auf einer Verwechslung des Vertrauens auf die Gültigkeit der nicht widerrufenen Einwilligung mit dem Vertrauen auf ihren Fortbestand. Solange die Einwilligung nicht widerrufen wurde, ist das Vertrauen des Einwilligungsempfängers durchaus schutzwürdig. Ist die Einwilligung einmal erklärt, so ist eine Mentalreservation des Einwilligenden unbeachtlich ( § 1 1 6 B G B ) 7 1 ; vor der Einwilligungserklärung fehlt dem Vertrauen des Handelnden auf die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens jedoch in aller Regel 72 die Grundlage, es verdient daher keinen Schutz. Ebenso wie bei einem Eingriff ohne vorherige Einwilligung der spätere Entschluß des Geschädigten, von Schadensersatzansprüchen abzusehen, erst dann rechtlich relevant wird, wenn er rechtsgeschäftlich auf die Ansprüche verzichtet 73 , so behält der

70 Vgl. nur §§ 875, 928, 959 B G B . Der Einwand Schenkes, S. 51, § 959 B G B rechtfertige sich allein aus dem Umstand, daß die Herrenlosigkeit gegenüber jedermann eintrete, leuchtet nicht ein. Auch wenn die Aufhebung des Rechts einer bestimmten Person zugute kommt, ist eine Erklärung erforderlich, vgl. etwa § 875 I 2, 2. Alt. B G B . 71 O b man § 116 B G B zur Begründung heranzieht oder die Unbeachtlichkeit der Mentalreservation auf allgemeine Zurechnungsgrundsätze stützt, ist unerheblich. Auch im strafrechtlichen Schrifttum wird verbreitet die Mentalreservation für unbeachtlich gehalten, obwohl hier die Rechtsgeschäftstheorie nicht mehr vertreten wird, vgl .Jakobs AT, 7/ 110; Arzt, S. 49. 72 Ausnahmsweise kommt ein Vertrauensschutz unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium in Betracht, s. oben, § 9 IV 3. 73 Allerdings nur bis zur Grenze der Verwirkung, s. oben, a.a.O.

338

§ 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

Rechtsinhaber, der vor dem Eingriff einen inneren zustimmenden Willen bildet, die Möglichkeit, seine Meinung jederzeit zu ändern, ohne dies zu erkennen zu geben. Der Hinweis auf die Geschäftsführung ohne Auftrag vermag diese These nicht zu widerlegen. Hier handelt es sich um ein komplexes Rechtsinstitut, bei dem der bloße Wille des Geschäftsherren durch zusätzliche Voraussetzungen ergänzt wird. Im übrigen ist die Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber der Einwilligung strikt subsidiär. Sofern der Gesetzeswortlaut einen Eingriff aufgrund des nicht geäußerten Willens des Geschäftsherrn zuläßt, bedarf nach der oben begründeten Ansicht 74 § 683,1 BGB der einschränkenden Auslegung: Eine Rechtfertigung des Eingriffs kommt nur in Betracht, wenn für den Geschäftsführer nicht die Möglichkeit bestand, rechtzeitig den wirklichen Willen des Geschäftsherrn in Erfahrung zu bringen. In einer prägnanten Formulierung hat Kohte die entscheidende Überlegung zusammengefaßt: Die Einwilligung ist ein Kommunikationsakt 7 5 . Nur die Erlaubnis des Rechtsinhabers verschafft dem Einwilligungsempfänger einen Handlungsanlaß. Damit ist zugleich gesagt, daß die Einwilligung gerade gegenüber dem Handelnden erklärt werden muß. Die im Strafrecht herrschende Gegenansicht überzeugt nur, wenn man den einzigen Zweck des Erklärungserfordernisses in der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten sieht: Ein beliebiger Dritter hat zwar mit dem Rechtsverhältnis zwischen Einwilligendem und Handelndem nichts zu tun, er kann aber immerhin im Prozeß als Zeuge geladen werden. Beruht hingegen, wie soeben gezeigt, das Erklärungserfordernis auf dem Gedanken, daß nur bei Erteilung einer Eingriffserlaubnis der Entscheidungsprozeß wirklich abgeschlossen ist und daß der Handelnde nur dann einen Anlaß zum Eingreifen hat, wenn ihm der Eingriff gestattet wurde, so wird deutlich, daß die Erklärung gegenüber einem unbeteiligten Dritten nicht genügen kann: Wenn ein Münchener seinem Nachbarn erzählt, er wolle auf seinem Zweitgrundstück in Hamburg einen Baum fällen lassen, so ist dies für das Zweipersonenverhältnis zwischen dem Grundeigentümer und einem Hamburger Gärtner ebenso unbeachtlich wie ein bloßer innerer Wille 76 . Für das Verständnis der Einwilligung als Kommunikationsakt spricht im übrigen auch der Zusammenhang mit einigen weiteren Einwilligungsvoraussetzungen: Sofern Aufklärungspflichten bestehen, müssen sie im Zweipersonenverhältnis zwischen Einwilligungsempfänger und Einwilligendem erfüllt werden. Das wird vor allem im Medizinrecht deutlich: Selbstverständlich kann es für die Rechtmäßigkeit der Operation nicht genügen, wenn der Patient seine § 9 IV 1 c. Kohte, AcP 185 (1985) 105 (122). 76 Beispiel von Schenke, S. 51, der daraus allerdings genau die entgegengesetzte Folgerung zieht: Da die Mitteilung an den Nachbarn unerheblich sei, bedürfe es gar keiner Verlautbarung der Einwilligung. 74

75

I.

Erklärung

339

Zustimmung einem Freund im vertraulichen Gespräch mitteilt. Löst man die Einwilligung vom Arzt-Patienten-Verhältnis, so verliert sie ihren Sinn. Auch die Auslegung ist nur sinnvoll, wenn auf den Empfängerhorizont des Einwilligungsempfängers abgestellt werden kann. So ist bei der Verwertung von Persönlichkeitsaspekten der Zweck der Gestattung für deren Begrenzung von ganz entscheidender Bedeutung. Dieser Zweck ist aber kontextbezogen. Wird die Gestattung vom Kontext getrennt, etwa indem der Verwendung eines Bildnisses nach § 22 K U G nicht gegenüber dem Fotografen, sondern gegenüber der besten Freundin zugestimmt wird, so fehlen die entscheidenden Auslegungskriterien. Da also die Einwilligung gegenüber dem Handelnden erklärt werden muß, ist sie in der Sprache der Rechtsgeschäftslehre eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Allerdings kommen Fälle, in denen die Einwilligung nicht dem Handelnden oder einem für ihn Empfangsbevollmächtigten, sondern einem unbeteiligten Dritten mitgeteilt wird, in der Praxis kaum vor, wie das weitgehende Fehlen einschlägiger Entscheidungen zeigt. Erheblich größere praktische Bedeutung kommt der Frage zu, wann ein Verhalten zur Annahme einer konkludenten Einwilligung berechtigt. Von der ausdrücklichen, womöglich sogar schriftlichen Einwilligungserklärung bis hin zu einem Verhalten, das man vernünftigerweise als Zustimmung deuten muß, besteht ein kontinuierlicher Ubergang. Sowohl die deutsche Rechtsprechung zum „Handeln auf eigene Gefahr" als auch vor allem die englischen und amerikanischen Entscheidungen zum implied consent belegen die Versuchung, eine Zustimmung, die objektiv geboten oder naheliegend erscheint, ohne tatsächliche Hinwiese auf den Willen des Betroffenen zu unterstellen. Auf die Gefahr eines solchen Vorgehens wurde oben hingewiesen: Großzügigkeit bei der Annahme konkludenter Einwilligungen führt leicht dazu, daß die Voraussetzungen objektiver Schranken des Rechts oder anderer Rechtfertigungsgründe unterlaufen werden. Allerdings würde es auch zu weit gehen, eine allgemeine Vermutung gegen das Vorliegen einer konkludenten Einwilligung aufzustellen 77 . In vielen alltäglichen Situationen - erinnert sei an das Beispiel der Fotografien während einer privaten Feier - fehlt es an deutlichen Erklärungszeichen, bisweilen reduziert sich das Einwilligungserfordernis dabei auf ein bloßes Widerspruchsrecht. Vieles hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; das ist bei der Feststellung konkludenter Willenserklärungen auch keineswegs ungewöhnlich. Allgemein läßt sich aber die Regel formulieren: Je gewichtiger der Eingriff und je wertvoller das betroffene Rechtsgut, desto eindeutiger muß die Einwilligungserklärung ausfallen.

77

Zutreffend Rescb, S. 136 f.

340

5 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

II. Auslegung Die Einwilligung kann inhaltlich, räumlich oder zeitlich beschränkt werden 78 . Eine solche Beschränkung ist die Regel, denn selten beabsichtigt der Einwilligende die völlige Preisgabe eines Rechts. Daher ist die Auslegung der Einwilligungserklärung von erheblicher praktischer Bedeutung. Typische Beispiele bietet die Rechtsprechung zu § 22 KUG, etwa der Paul Dahlke-FaM79. Der Schauspieler hatte sich fotografieren lassen und war mit der Veröffentlichung der Fotos im redaktionellen Teil einer Zeitschrift einverstanden. Eines der Fotos, das den Schauspieler auf einem Motorroller sitzend zeigte, wurde später als Teil einer Werbeanzeige veröffentlicht. Der BGH sprach dem Schauspieler Schadensersatz wegen einer Verletzung seines Rechts am eigenen Bild zu: Die Einwilligung des Klägers müsse unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ausgelegt werden. Die Auslegung ergebe, daß er der Veröffentlichung im redaktionellen Teil zugestimmt, nicht hingegen sein Bild für Werbezwecke zur Verfügung gestellt habe. Eine Vielzahl von Entscheidungen des BGH und der Instanzgerichte haben diesen Ansatz mittlerweile bestätigt und ausgebaut 80 . So ist ein Brautpaar, das der Veröffentlichung von Hochzeitsfotos zum Zweck der Berichterstattung über die Hochzeit zustimmt, nicht zugleich mit der Nutzung des Fotos in einem allgemeinen Pressebericht über die Eheanbahnung einverstanden 81 , und Darsteller eines Aufklärungsfilms willigen nicht zugleich in die Nutzung der Aufnahmen zur Werbung für sexuelle Stärkungsmittel ein82; an weiteren Beispielen mangelt es nicht 83 . Auch im Medizinrecht spielt die Auslegung eine nicht zu unterschätzende Rolle. So bezieht sich die Einwilligung des Patienten nur auf den Eingriff, über den zuvor aufgeklärt wurde 84 . Wird eine andersartige Operation ausge78 S. BGHZ20,345 (348) - „PaulDahlke"; vgl. auch die entsprechende Bestimmung für die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte in § 32 UrhG. Das US-Restatement (Second) of Torts bestimmt in § 892 A (3): „Conditional consent or consent restricted as to time, area or in other respects is effective only within the limits of the condition or restriction." Vgl. dazu Ashcraft v. King 278 Cal.Rptr. 900, 228, Cal.App. 3d 604 (1991): Einwilligung in Bluttransfusion unter der Bedingung, daß nur von Verwandten gespendetes Blut verwendet wird. 79 BGH a.a.O. 80 Vgl. neben den aufgeführten Beispielen auch den Uberblick bei Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 16ff. zu § 60/§ 22 KUG. 81 BGH GRUR 1962, 211 (212) - „ H o c h z e i t s b i l d " . 82 BGH GRUR 1972, 97 (99) - „Liebestropfen" m. Anm. v. Fischotter. 83 Vgl. zur unerlaubten werblichen Nutzung OLG Koblenz GRUR 1995, 771 - „Werbefoto"; OLG Karlsruhe GRUR 1989, 73 - „Body Painting"; OLG Frankfurt GRUR 1986, 614 - „Ferienprospekt"; zur unerlaubten Veröffentlichung in einem sexuell reißerischen Kontext AG Hamburg GRUR 1990, 149 - „Fröhliche Radlerrunde"; AG Kaufbeuren GRUR 1988, 452 „Saunafoto". 84 Vgl. RGZ 163,129; BGH NJW 1977, 337; NJW 1989, 1541 (1542); Giesen ArztHR, Rz. Iii ;MüKo! Mertens,^.. 446 zu § S23;RGRK/Steffen, Rz. 381 z u § 823; Voll, S. llOff.

II.

Auslegung

341

führt, so geht die Einwilligung grundsätzlich 85 ins Leere, und der Eingriff ist allenfalls unter den Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung gerechtfertigt. Der Konstruktion, daß der Aufklärungsmangel zur Nichtigkeit der Einwilligung führt 8 6 , bedarf es in diesen Fällen nicht. Ein anschauliches Beispiel entstammt dem US-Recht, in dem dieselbe Regel gilt87: In Mohr v. Williams88 hatte die Patientin einer Operation am rechten O h r zugestimmt. Als sich die Patientin schon in Narkose befand, erkannte der Arzt, daß das linke O h r dringender einer Behandlung bedurfte, und nahm den Eingriff am linken O h r vor. Der Arzt wurde wegen Körperverletzung verurteilt, allerdings wurde der Patientin in Anbetracht des Erfolgs der Operation nur ein symbolischer Schadensersatz zugesprochen. Auch die umstrittene Frage, ob ein ärztlicher Heileingriff nur bei medizinischer Indikation zulässig ist, stellt sich bei sorgfältiger Auslegung meist nicht: Üblicherweise stimmt der Patient nur medizinisch erforderlichen und erfolgversprechenden Maßnahmen zu. Problematisch sind also nur Ausnahmefälle wie der ZahnextraktionsfalP9, in denen der Patient ausdrücklich einen medizinisch sinnlosen Eingriff wünscht. Was die Auslegungskriterien anbelangt, so zieht die Rechtsprechung sowohl zur Einwilligung des Patienten 90 als auch zur Einwilligung nach § 22 KUG 9 1 mit weitgehender Zustimmung der Literatur 92 die allgemeinen Grundsätze für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) heran. Maßgeblich ist also der Empfängerhorizont, nicht der innere Wille des Einwilligenden. Dafür spricht auch nach der hier vertretenen Ansicht die Natur der Einwilligung als Kommunikationsakt. Das Vertrauen des Einwilligungsempfängers auf die Rechtmäßigkeit seines Eingriffs vorbehalt85 Allerdings kann die Einwilligung unter U m s t ä n d e n gleichartige, nicht risikoreichere O p e r a t i o n s m e t h o d e n decken, vgl. B G H N J W 1988, 1514 (1515); RGRK/Nüßgens, Anh. II zu § 823, Rz. 68; krit. Giesen, a. a. O . 86 N ä h e r hierzu unten, § 13 II 2-A. 87 S. § 892 A (2) des Restatement (Second) of Torts: „ C o n s e n t must be (...) (b) to the particular conduct, or to substantially the same conduct." Vgl. dazu Prosser/Keeton, § 18 (S. 118); Harper/James/Gray, § 3.10 (S. 3:44), beide m. w . N . 88 104 N . W . 12, 95 Minn. 261 (1905). 89 B G H N J W 1978, 1206, dazu unten § 14 IV 2 b. 90 B G H N J W 1980, 1903 f. (zwar ging es u m die Auslegung eines Widerrufs, doch erklärt der B G H ausdrücklich die §§ 133,157 B G B auch auf die Einwilligung f ü r a n w e n d bar); O L G Karlsruhe VersR 1979, 58. 91 B G H Z 20, 345 (348) u n d 1. Leitsatz; O L G M ü n c h e n A f P 1995, 658 (659). 92 Vgl. zur Einwilligung gem. § 2 2 K U G Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 15 zu § 60/§ 22 K U G ; v. Gamm, Einl., Rz. 109; Neumann-Duesberg, Schulze O L G Z 90, S. 5 (7); z u m ärztlichen Heileingriff MüKo/Mertens, Rz. 446 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 109 zu § 823; Schmid, N J W 1980, 2601 (2602); Nüßgens, FS N i r k , S. 745 (747); allgemein Kohte, A c P 185 (1985) 195 (125); Münzberg, S. 410 (Fußn. 833: Maßgeblichkeit des objektiven E m p f ä n g e r h o r i z o n t s trotz A b l e h n u n g der Rechtsgeschäftstheorie); a. A. Berger, J Z 2000, 797 (801, F u ß n . 46); zurückhaltend f ü r Einwilligungsformulare mit A n k r e u z m ö g lichkeit Deutsch M e d R , Rz. 139.

342

§12

Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

lieh eines Widerrufs ist schutzwürdig, damit ist entscheidend, wie der Empfänger die Erklärung nach den Umständen verstehen durfte. Treffen ihn allerdings besondere Aufklärungspflichten, so können Unklarheiten über die Reichweite der Einwilligungserklärung in weitergehendem Maße zu seinen Lasten gehen 93 . Von den verschiedenen Auslegungskriterien kommt der teleologischen Auslegung besondere Bedeutung zu 94 . Die Einwilligung wird in aller Regel zu einem bestimmten Zweck erteilt, der selten ausdrücklich festgelegt wird, sich aber meist aus den Umständen ergibt. Beispiele sind der Heilzweck beim ärztlichen Eingriff oder die Ermöglichung der Berichterstattung im Hochzeitsbild-FzW'. Dieser Zweck bestimmt die Grenzen der Einwilligung: Erlaubt sind nur Handlungen, die diesem Zweck dienen 96 . Damit liegt es nahe, jedenfalls für die Auslegung von Gestattungen im persönlichkeitsrechtlichen Bereich die urheberrechtliche Zweckübertragungsregel entsprechend heranzuziehen 97 . Diese Lehre, die teilweise in § 3 1 I V und V U r h G kodifiziert wurde 98 , besagt, daß der Urheber im Zweifel Rechte nur in dem Umfang überträgt, der für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist 99 . Es handelt sich bei der Zweckübertragungstheorie im Kern um eine materielle 100 Auslegungsregel 101 , die im Grundsatz der teleologischen Auslegung wurzelt 102 . Der Grundgedanke, daß urheberrechtliche Befugnisse wegen der engen Bindung zwischen Autor und Werk die Tendenz haben, so weit wie möglich beim Urheber zu verbleiben 103 , läßt sich auf Persönlich93 Vgl. RGRK/Steffen, Rz. 381 zu § 823; Baston-Vogt, S. 234. Allerdings bedarf das Bestehen der Aufklärungspflicht einer besonderen Begründung, die Rechtsprechung zum ärztlichen Heileingriff ist nur beschränkt verallgemeinerungsfähig, näher hierzu unten § 1 3 II 5, unklar insoweit Steffen a.a.O. Entgegen Baston-Vogt, a.a.O., trifft den Einwilligungsempfänger nicht schon bei jeder fremdnützigen Einwilligung eine zusätzliche Pflicht, den wirklichen Willen des Einwilligenden zu ermitteln. 94 Vgl. zur teleologischen Auslegung B G H Z 20, 109 (110); MüKo/Mayer-Maly, Rz. 7 z u § 133. 95 B G H G R U R 1962, 211. 96 Vgl. B G H G R U R 1985, 398 ( 3 9 9 ) - „Nacktfoto"-, O L G Frankfurt G R U R 1986,614 (615) „Ferienprospekt". 97 So Scbricker, FS Hubmann, S. 409 (419) für den Integritätsschutz des Urhebers; Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 16 zu § 60/§ 22 K U G für das Recht am eigenen Bild; Rull, S. 276 für das Persönlichkeitsrecht des ausübenden Künstlers; für gebundene Rechtsübertragungen Forkel, G R U R 1988, 491 (501); Freitag, S. 173; Magold, S. 567. 98 Zum Verhältnis zwischen der allgemeinen Zweckübertragungslehre und § § 3 1 V UrhG vgl. Schweyer, S. 72. 99 Ulmer, § 84 III (S. 364f.); Schricker /Schricker, Rz. 31 zu §§ 31/32; Schack UrhR, Rz. 547; Schweyer, S. 5, 64 ff. und passim, dort auch umfangreiche Nachweise zu Entstehung und Umfang der Zweckübertragungslehre. 100 Vgl. zum Begriff der materiellen Auslegungsregel Soergel/Hefermekl, Rz. 30 zu §133. 101 Vgl. Schricker/Schricker, Rz. 31 zu §§ 31/32. 102 Vgl. Schricker/Schricker, Rz. 32 zu §§ 31/32. 103 Ulmer, § 84 IV (S. 365); B G H G R U R 1979, 637 (639) - „White Christmas".

II. Auslegung

343

keitsrechte im allgemeinen übertragen. Ü b e r die übliche und ohnehin gebotene teleologische Auslegung geht die Zweckübertragungsregel vor allem insofern hinaus, als sie unspezifizierte Generaleinwilligungen ausschließt. Zwar findet sich in Rechtsprechung und Literatur zu § 22 K U G im Anschluß an ein Urteil des O L G Freiburg 1 0 4 bisweilen der Satz, die Einwilligung könne auch generell erteilt werden 1 0 5 ; analysiert man jedoch den zugrunde liegenden Fall, so stellt sich heraus, daß er sich gerade auf der Grundlage der Zweckübertragungslehre zutreffend lösen läßt. Ein Croupier war von seinem Arbeitgeber zu Fotoaufnahmen einbestellt worden. Eine der Aufnahmen, die später im Werbeprospekt der Spielbank abgedruckt wurde, zeigte ihn im Smoking würfelspielend an der Seite einer Dame. Nach Ende seines Arbeitsverhältnisses behauptete er, er habe einer Nutzung der Aufnahmen zu Werbezwecken nicht zugestimmt. Das O L G hat die Klage zutreffend abgewiesen. Allerdings ist der entscheidende Grund nicht, daß der Croupier jeder beliebigen Verwendung des Fotos zugestimmt hätte, sondern daß die Verwendung der Fotos im Werbematerial der Spielbank nach den Umständen so nahelag, daß sie vom Zweck der Einwilligung umfaßt wurde. Eine konsequente Anwendung der Zweckübertragungsregel verhilft oft zu einer überzeugenden Lösung derjenigen Fälle, in denen die herrschende Meinung auf die Unübertragbarkeit persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse rekurriert. Zum einen kann die teleologische Auslegung ergeben, daß gerade entstellende und ehrverletzende Nutzungen des betreffenden Persönlichkeitsaspekts nicht von der Einwilligung erfaßt werden. Wenn sich etwa eine fröhliche Radlerrunde mit einer jungen Frau abbilden läßt, deckt die Einwilligung nicht die Veröffentlichung des Bildes zusammen mit Nacktfotos der jungen Frau in einer Serie „Die schönsten Mädchen - die schönsten Strände" 1 0 6 . Zum anderen schließt die Zweckübertragungsregel unbestimmte Generaleinwilligungen aus, die den betreffenden Persönlichkeitsaspekt der unkontrollierten Willkür des Einwilligungsempfängers ausliefern. Wie Schricker für den Schutz des Urhebers vor Entstellungen des Werks (§ 14 U r h G ) gezeigt hat 107 , führt die vom Gesetzgeber intendierte Unveräußerlichkeit zu besonders strengen A n forderungen an die Konkretisierung und Präzision bei der Bestimmung der Reichweite der Einwilligung. Ist der konkrete Eingriff hingegen bestimmt und dem Einwilligenden bekannt, so ist seine Einwilligung im Zweifel wirksam 108 . 104 OLG Freiburg GRUR 1953, 404 (405) - „Croupier" = Schulze OLGZ 90 m. Anm. Neumann-Duesberg. 105 OLG Nürnberg GRUR 1957,296 (297) - „Fotomodell"\Neumann-Duesberg, GRUR 1954, 45 (46). 106 AG Hamburg GRUR 1990, 149 (150) - „Fröhliche Radlerrunde". 107 Schricker, FS Hubmann, S. 409 (419). 108 Näher hierzu unten, § 14 IV 3 a.

344

§ 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

III. D e r Z e i t p u n k t d e r E i n w i l l i g u n g Im Privatrecht w i e im Strafrecht herrscht weitgehende109 Einigkeit darüber, d a ß die E i n w i l l i g u n g v o r d e m Eingriff e r k l ä r t w e r d e n m u ß , w ä h r e n d die n a c h t r ä g l i c h e G e n e h m i g u n g allenfalls als V e r z i c h t auf die R e c h t s f o l g e n der H a n d l u n g 1 1 0 a n g e s e h e n w e r d e n k a n n 1 1 1 . A l l e r d i n g s bleibt es m e i s t bei der B e h a u p t u n g ; B e g r ü n d u n g s v e r s u c h e sind selten. Bei n ä h e r e m H i n s e h e n ist die T h e s e a b e r w e n i g e r s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , als sie es auf d e n ersten B l i c k z u sein scheint. Z u n ä c h s t geht das b e g r i f f l i c h e A r g u m e n t , § 1 8 3 , 1 B G B d e f i n i e r e die E i n w i l l i g u n g als vorherige Z u s t i m m u n g 1 1 2 , fehl. Z u m e i n e n ist d i e E i n w i l l i g u n g i. S. d. § 183 B G B m i t d e r r e c h t f e r t i g e n d e n E i n w i l l i g u n g nicht identisch, die D e f i n i t i o n dieser V o r s c h r i f t m i t h i n nicht e i n s c h l ä g i g . Z u m a n d e r e n w ä r e es, w e n n m a n w i r k l i c h v o m W o r t l a u t des § 183 B G B b e u n r u h i g t w ä r e , t e r m i nologisch ohne weiteres möglich, der vorherigen Einwilligung parallel zu § 184 I B G B eine n a c h t r ä g l i c h e r e c h t f e r t i g e n d e G e n e h m i g u n g an die Seite z u stellen 1 1 3 . Z w e i t e n s folgt z w a r i m S t r a f r e c h t aus A r t . 103 II G G , § 1 S t G B 109 Unklar allenfalls BGH JZ 1999, 632 (633) - „elektronische Pressearchive"-. Die Verfolgung einer Urheberrechtsverletzung nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des „Vorsprungs durch Rechtsbruch" komme nicht in Betracht, da andernfalls dem Inhaber des Urheberrechts die Entscheidungsbefugnis über die Rechtsverfolgung dadurch genommen werde, daß er „darauf beschränkt würde, lediglich mit Wirkung für die Zukunft wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen dadurch die Grundlage zu nehmen, daß er in Eingriffe in sein Recht einwilligt", hingegen „die Rechtswidrigkeit bereits begangener Urheberrechtsverletzungen und die daraus Dritten für die Vergangenheit erwachsenden wettbewerbsrechtlichen (...A)nsprüche nicht rückwirkend durch eine entsprechende Erklärung" beseitigen könne. Gegen diese Argumentation zutreffend Schricker, JZ 1999, 635 (636). 110 Im Strafrecht kann die nachträgliche Genehmigung unter Umständen einen Verzicht auf die Ausübung des Strafantragsrechts darstellen, vgl. LK/Hirsch, Rz. 112 vor § 32 m. w. N. 111 Vgl. zum allgemeinen Zivilrecht OLG München, NJW-RR 1991, 477 (478); OLG Köln, MDR 1992, 447f.; MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; RGRK/Steffen, Rz. 379 zu § 823; Soergel/Fahse, Rz. 22 zu § 227; Staudinger11/Schäfer, Rz. 463 zu § 823; Deutsch AHR, Rz. 282; Schenke, S. 120 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (100 ff.); Dietz, S. 233; zum Urheberrecht Schricker/Loewenheim, Rz. 14 zu § 8 UrhG und die amtliche Begründung zu § 8 UrhG, BT-Drucks. 4/270 v. 23.3.1962, S. 41; zum Wettbewerbsrecht Schricker, JZ 1999, 635 (636); zum Datenschutzrecht Simitis in Simitis/Damann /Geiger/Mallmann / Walz, Rz. 34 zu § 4 BDSG; zum Strafrecht BGHSt 7, 294 (295); 17, 359 (360); Amelung/ Eymann, JuS 2001, 937 (941); LK/Hirsch, Rz. 112 vor § 32 m.w.N. 112 So etwa Ihde, CR 2000,413 (418); Anklänge an dieses Argument auch bei Schricker/ Loewenheim, Rz. 1 4 z u § 8;Schack UrhR, Rz. 284. Auch der amtlichen Begründung zu § 8 UrhG, BT-Drucks. 4/270 v. 23.3.1962, S. 41, liegt offensichtlich die Vorstellung zugrunde, wegen § 183 BGB sei auch die unrechtsausschließende Einwilligung schon begrifflich nur die vorherige Gestattung. 113 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (100) weist mit Recht darauf hin, daß § 184 BGB nicht unmittelbar anwendbar ist. Sein Gegenschluß, daß es „mithin" keine rückwirkende Rechtfertigung geben könne, überzeugt allerdings nicht: Auch abgesehen von § 184 BGB könnte

III. Der Zeitpunkt

der

Einwilligung

345

zwingend, daß die Strafbarkeit zum Tatzeitpunkt (§ 8 StGB) feststehen muß 114 , das BGB hingegen kennt durchaus die Rückwirkung von Willenserklärungen, erwähnt seien nur die ex-tunc-Wirkung der Anfechtung (§ 142 I BGB) und die Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 I BGB) 115 . Gerade § 142 I BGB kann durchaus dazu führen, daß sich die Beurteilung der Rechtswidrigkeit rückwirkend ändert. Wird etwa eine Ubereignungserklärung durch den Veräußerer angefochten, so wird der Anfechtungsgegner rückwirkend zum Nichtberechtigten und kann sowohl bei Zerstörung der Sache als auch bei einer Weiterveräußerung Schadensersatzansprüchen gem. §§ 989, 990 oder §§ 823 ff. BGB ausgesetzt sein 116 . Während sich in dieser Situation die Rechtslage des Anfechtungsgegners sogar rückwirkend verschlechtert, wäre eine rückwirkende, rechtfertigende Erlaubnis für den Handelnden rechtlich nur vorteilhaft. In diesem Sinne hat es der BGH, wenn auch nur in einem obiter dictum, für möglich gehalten, daß ein Besitzrecht vertraglich mit rückwirkender Kraft eingeräumt wird 117 . Auch die §§ 684,1001 BGB legen der Genehmigung tatsächlicher Handlungen rückwirkende Kraft bei. Dennoch gibt es drei Gründe, die entscheidend für die herrschende Meinung sprechen. Erstens kann das Eigentum sowohl durch tatsächliche Eingriffe als auch durch Rechtsgeschäfte verletzt werden 118 . Wird aber der Tatbestand des § 823 I BGB durch die Verfügung eines Nichtberechtigten erfüllt, so führt die Genehmigung nach § 185 II 1 BGB nach überwiegender Ansicht weder dazu, daß der Verfügende rückwirkend zum Berechtigten wird, noch dazu, daß sein Verhalten gerechtfertigt wäre 119 . Im Gegenteil hat der BGH entschieden, daß dem früheren Eigentümer auch im Fall der Genehmigung gegen den Verfügenden ein Schadensersatzanspruch nach §§ 989, 990 BGB oder § 823 I BGB zustehen kann. Allerdings sei zu prüfen, ob die Genehmies doch eine rückwirkend rechtfertigende Genehmigung geben, ebenso wie es neben § 183 BGB eine vorherige rechtfertigende Einwilligung gibt. 114 Kühne,]Z 1979,241 (243); Brandts/Schlehofer, JZ 1987,442 (445); Roxin AT I, § 13, Rz. 66. Daher kann es zu Abweichungen zwischen der strafrechtlichen und der privatrechtlichen Beurteilung einer Handlung kommen. So ist im Strafrecht die ex-tunc-Wirkung der Anfechtung nach § 142 BGB für den Tatbestand der Eigentumsdelikte ohne Bedeutung, s. Schönke-Scbröder/Eser, Rz. 4 zu § 246 BGB; auch schließt das Bestehen eines Widerrufsrechts i.S.d. § 355 BGB (= § 361a a.F.) nicht die Vollendung des Betrugs aus, vgl. Schönke-Scbröder/Cramer, Rz. 131 zu § 263, jeweils m.w.N. 115 Die hier, wie zur Klarstellung wiederholt sei, nicht unmittelbar eingreift. 116 Vgl. RGZ 138, 45; Staudinger/Roth, Rz. 40 zu § 142; MüKo/Medicus, Rz. 17 vor §§ 987-1003; Weimar, MDR 1975,116 f.; für das Verschulden ist § 142 II BGB zu beachten. 117 BGH NJW 1977, 31 (34), zust. MüKo/Medicus, Rz. 15 vor §§ 987-1003. 118 Vgl. zur Verfügung eines Nichtberechtigten als Eigentumsverletzung statt aller Staudinger /Hager, Rz. B 65 m.w.N. 119 BGH JZ 1961,24 m. zust. Anm. Kaiser (insoweit in BGHZ 32,53 nicht abgedr.); DB 1976, 814 (815); MüKo/Lieb, Rz. 24 (Fußn. 37) zu § 816; Soergel/Mühl, Rz. 4 zu § 816; Thiele, S. 158; ebenso, wenn auch mit Bedenken Erman/'Westermann, Rz. 3 zu § 816; a. A. noch v. Tuhr AT II 2, § 78 (Fußn. 124).

346

§ 12 Die Einwilligung als

Kommunikationsakt

gung als Verzicht auf Schadensersatzansprüche auszulegen sei 120 . Raiser hat diesem Ergebnis nachdrücklich zugestimmt: „Keine Logik unseres Rechtssystems nötigt uns, der Genehmigung gleichzeitig auch die Wirkung einer Verzeihung des dem Eigentümer widerfahrenen Unrechts zuzusprechen." 1 2 1 Einiges spricht dafür, die Einwilligung in eine tatsächliche Handlung ebenso zu behandeln: Das Unrecht als solches bleibt bestehen, später kann allenfalls auf die Folgen verzichtet werden. Zweitens stellt die Notwehrprobe den Lackmustest für die Beurteilung der Rechtsverletzung dar. Zwar wird der Rechtsinhaber kaum zunächst N o t w e h r üben und später das Verhalten gutheißen, doch Nothilfe durch Dritte ist durchaus denkbar. Könnte der Rechtsinhaber den Tatbestandsausschluß nachträglich herbeiführen, so würde die Nothilfehandlung rückwirkend rechtswidrig 122 . Drittens ist der Gleichlauf zwischen privatrechtlicher und strafrechtlicher Rechtswidrigkeit zwar nach den Ergebnissen des § 7 dieser Arbeit nicht zwingend geboten, immerhin aber anzustreben. Gerade wenn dieselbe Handlung - wie etwa im Fall vorsätzlicher Verletzungen der gewerblichen Schutzrechte 123 oder des Urheberrechts 1 2 4 - sowohl privatrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen auslöst, wäre es ungereimt, wenn die Strafbarkeit fortbestünde, während zivilrechtlich ein rückwirkender Tatbestandsausschluß einträte 125 . Im Ergebnis ist der herrschenden Ansicht also zuzustimmen: Die Einwilligung muß vor dem Eingriff erklärt werden, die nachträgliche Zustimmung hingegen kann allenfalls einen Verzicht 1 2 6 auf sämtliche oder einzelne Unrechtsfolgen 1 2 7 darstellen.

IV. Widerruf 1.

Grundsatz

Unstreitig kann die Einwilligung nicht mehr widerrufen werden, wenn der Eingriff bereits erfolgt ist. Weniger einhellig fällt in Rechtsprechung und Literatur die Beurteilung der Widerruflichkeit für die Zeit vor dem Eingriff oder während fortdauernder Eingriffe aus. Entscheidend ist hier die Natur

120 121

122

S. die beiden in der vorigen Fußn. zitierten Urteile. Raiser,] Z 1961,26.

Vgl. Soergel/Fahse,

Rz. 22 zu § 227.

Vgl. §§ 142 PatG, 143 ff. MarkenG. 124 Vgl. § § 1 0 6 f f . U r h G . 125 Vgl. die amtl. Begründung zu § 8 UrhG, BT-Drucks. 4/270 v. 23.3.1962, S. 41. 126 Der Verzicht kann sich gem. § 140 B G B durch Umdeutung einer nachträglichen Erlaubnis ergeben, s. Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (102). 127 Es ist durchaus denkbar, daß der Geschädigte auf einzelne Ansprüche verzichtet, z. B. im Fall einer schweren Ehrkränkung nur einen Widerruf fordert, aber auf Schmerzensgeldansprüche verzichtet. 123

IV.

Widerruf

347

des jeweiligen subjektiven Rechts. Während eine unwiderrufliche Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich bei Bestehen einer vertraglichen Duldungspflicht für möglich gehalten wird 128 , ist umgekehrt die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe nach wohl allgemeiner Ansicht frei widerruflich 129 . Umstritten ist hingegen die Widerruflichkeit sonstiger persönlichkeitsrechtlicher Einwilligungen, insbesondere soweit sie das Recht am eigenen Bild oder das Namensrecht betreffen 130 . Hintergrund des Meinungsstreits ist die Diskussion um die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten. Wer ihr ablehnend gegenübersteht, wird dazu neigen, die Einwilligung auch hier nach medizinrechtlichem Vorbild als frei widerruflich anzusehen 131 . Die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur hält aber jedenfalls dann das Vertrauen des Handelnden auf den Fortbestand der Einwilligung für schutzwürdig, wenn eine vertragliche Verpflichtung zur Gestattung eingegangen wurde. Allerdings reicht die Palette der Ansichten von der grundsätzlichen Widerruflichkeit der Einwilligung und einer Bindung nach Treu und Glauben als Ausnahme 132 über die grundsätzliche Unwiderruflichkeit und einem Widerrufsrecht analog § 42 I U r h G als Ausnahme 133 bis hin zur völligen Unwiderruflichkeit 134 . Der Meinungsstreit bedarf hier nicht der eingehenden Darstellung, da er durch die Ergebnisse des § 8 dieser Arbeit, wo die wesentlichen Argumente bereits diskutiert wurden, weitgehend seine Bedeutung verliert. Bei der widerruflichen Einwilligung und der unwiderruflichen Gestattung handelt es sich nämlich um zwei verschiedene Rechtsinstitute.

128 Vgl. MüKo/Mertens, Rz. 39 zu § 823; Soergel/Fabse, Rz. 23 zu § 227; Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594); a. A. (allerdings ohne Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten der subjektiven Rechte) Deutsch A H R , Rz. 282; RGRK/Steffens, Rz. 379 zu § 823. 129 Vgl. B G H N J W 1980, 1903; Deutsch MedR, Rz. 106; Voll, S. 139; MüKo/Mertens, Rz. 446 zu § 823; Rosener, S. 69; Trockel, N J W 1970,489 (490). Umstritten ist lediglich, ob ein Widerruf nach Beginn der Operation ausgeschlossen sein sollte, dafür Tempel, N J W 1980, 609 (614), dagegen Voll, S. 140. 130 S. außer der folgenden Darstellung oben, § 8 II 3 a, und den Uberblick bei Dasch, S. 82 ff. 131 Baston-Vogt, S. 236f.; Schack UrhR, Rz. 567; in der älteren Literatur war diese Ansicht weiter verbreitet, vgl. die Nachw. bei Dasch, S. 84 (Fußn. 353). Ohne Begründung geht das O L G München, AfP 1983, 230 (Tbl)- „amerikanische Liebesschulen" - v o n einer Widerrufsmöglichkeit aus, doch ging es in dem Fall um Nacktfotos von einer Minderjährigen, so daß hier wohl auch die h. M. einen Widerruf zulassen würde. 132 Hubmann, S. 171; diese Ansicht ist im Datenschutzrecht herrschend, näher hierzu unten, IV 2. 133 Helle, AfP 1985, 93 {\QQ)\Dasch, S. 84; Gotting, S. 149ff. und in Schricker/Gerstenberg-Götting, Rz. 14 zu § 60/§ 22 K U G ; MüKo/Rixecker, Rz. 41 Anh. § 12; ebenso Forkel, G R U R 1988, 491 (500) und Magold, S. 567, allerdings für die „gebundene Rechtsübertragung". 134 So v. Gamm, Einf., Rz. 109; MüKo3/Schwerdtner Rz. 167 zu § 12 (anders allerdings in Rz. 166 für die Einwilligung in die Verfügungsgewalt über das Negativ); vgl. auch O L G Freiburg G R U R 1953, 404 (405) „Croupier".

348

5 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

Die widerrufliche Einwilligung bildet die unterste Stufe der Leiter des „volenti non fit iniuria". Sie ist das geeignete Instrument für Dispositionen, die wegen der Natur des betreffenden subjektiven Rechts nicht in bindender Form vorgenommen werden können oder die - wie vor allem bloße Erlaubnisse aus Gefälligkeit - nach dem Willen des Rechtsinhabers nicht binden sollen. Die Widerruflichkeit spricht nicht gegen die Zuordnung der Einwilligung zu den Rechtsgeschäften, da § 130 I B G B , der den Widerruf einer Willenserklärung nur bis zu ihrem Zugang zuläßt, uneingeschränkt nur für das Angebot zum Abschluß eines Verpflichtungsvertrags oder seine Annahme gilt. Hingegen ist die dingliche Einigung im Fall des § 873 B G B nach gesetzlicher Anordnung, im Fall des § 929 B G B immerhin nach herrschender Meinung 135 bis zum Abschluß des Ubereignungstatbestands frei widerruflich, und für die mit der Einwilligung verwandte Aneignungsgestattung bestimmt § 956 I 2 B G B , daß die Gestattung nur dann unwiderruflich ist, wenn der Eigentümer zu ihrer Erteilung verpflichtet ist. Noch größer ist die Gemeinsamkeit der Einwilligung mit den übrigen zuständigkeitserweiternden Geschäften 136 , insbesondere der Vollmacht und der Einwilligung i.S.d. § 183 B G B , für die ebenfalls der Grundsatz der Widerruflichkeit gilt (§§ 168,2; 183,1 B G B ) . Dieser Grundsatz beruht auf einer Wertung, die in gleichem Maße auf die unrechtsausschließende Einwilligung paßt: Wer einem anderen eine Einwirkung auf seinen Rechtskreis ermöglicht, setzt sich damit einer gewissen Fremdbestimmung aus. Dieses Risiko wird der Rechtsinhaber nur eingehen, wenn er dem anderen vertraut. Ist das Vertrauen weggefallen, so muß der Widerruf möglich sein. Grundsätzlich gelten für den Widerruf dieselben Voraussetzungen wie für die Einwilligung. Insbesondere muß der Widerrufende einwilligungsfähig sein und den Widerruf ausdrücklich oder konkludent erklärt haben. Der B G H hat auf die Auslegung einer Widerrufserklärung §§ 133,157 B G B angewandt und entschieden, das bloße Vorbringen von Bedenken in Frageform sei noch kein Widerruf 137 . Ahnlich wie die unwiderrufliche Vollmacht ist auch die „unwiderrufliche Einwilligung" ein eigenständiges Rechtsinstitut, genauer: ein Oberbegriff für verschiedene Rechtsinstitute 138 . Hier unterwirft sich der Empfänger nicht dem Willen des Erteilenden, sondern erlangt eine eigene, gesicherte Rechtsstellung. Während deren Qualifikation bei der Vollmacht noch fraglich sein kann, handelt es sich bei der Rechtsposition des Empfängers einer „unwiderruflichen Einwilligung" um ein subjektives Recht. Ihr liegt - ähnlich wie der 135 B G H N J W 1979, 213 (214); Baur/Stürner, § 5, Rz. 36; Erman/Michalski, Rz. 5 zu § 929; MüKo/Quack, Rz. 99 zu § 929, alle m.w.N.; dagegen Westermann, § 38, 4 (S. 280); Schrödermeier/Woopen, JA 1985, 622 ff. 136 S. oben, § 9 II 1 c. 137 B G H N J W 1980, 1903 (1904). Ähnlich in den USA Mims v. Boland 138 S.E.2d 902 (907 f.), 110 Ga.App. 477 (1964). 138 S. oben, § 8 IV.

IV. Widerruf

349

unwiderruflichen Gestattung nach § 9 5 6 1 2 B G B - in aller Regel eine vertragliche Duldungspflicht zugrunde, von der sie allerdings logisch zu trennen ist. D a sie dem Begünstigten unmittelbar ein subjektives Recht verschafft, kann auch sie selbst nach hier vertretener Ansicht nur durch Vertrag erteilt werden, sofern es sich nicht ausnahmsweise um eine Erklärung gegenüber der Allgemeinheit handelt. Aus diesem Blickwinkel ist die „unwiderrufliche Einwilligung" wenig mehr als ein ungenauer Oberbegriff für verschiedene Formen der Rechtsübertragung, des Verzichts und der schuldvertraglichen Gestattung. Viel Klarheit wäre gewonnen, wenn nach dem Vorbild der Immaterialgüterrechte auch bei Dispositionen über Persönlichkeitsrechte deutlich zwischen den unterschiedlichen, eine Stufenleiter bildenden Erscheinungsformen des „volenti non fit iniuria" unterschieden würde. Die Frage nach der Widerruflichkeit der Einwilligung ist also falsch gestellt. Entscheidend ist nicht die Ausgestaltung des Rechtsinstituts „Einwilligung", sondern die Auslegung des jeweiligen subjektiven Rechts und die Feststellung, welche Gestaltungsformen möglich und gewollt sind. Das gilt insbesondere für Dispositionen über Persönlichkeitsrechte: Hält man bindende G e stattungen nicht für völlig ausgeschlossen, so sollte man Farbe bekennen und von der „Lizenzerteilung" 1 3 9 oder der „Einräumung von Nutzungsrechten" sprechen. O b eine konstitutive Rechtsübertragung, ein Verzicht, eine vertragliche Gestattung oder eine widerrufliche Einwilligung vorliegt, ist bei Fehlen eindeutiger Vereinbarungen durch Auslegung zu ermitteln. Wird die Gestattung gegen Entgelt erteilt, so liegt in aller Regel eine Rechtsübertragung, ein Verzicht oder eine schuldvertragliche Gestattung vor. Hingegen spricht bei unentgeltlichen Gestattungen, insbesondere bei gefälligkeitshalber erteilten Erlaubnissen, von denen sich der Rechtsinhaber keinen unmittelbaren Vorteil verspricht, eine starke Vermutung für die Widerruflichkeit. Neben der widerruflichen Einwilligung, die sowohl isoliert als auch im vertraglichen Kontext erteilt werden kann, und der vertraglichen Gestattung wird eine isolierte, unwiderrufliche Einwilligung 1 4 0 nur selten in Betracht kommen 1 4 1 . Jedenfalls

139 Vgl. Ulimann, AfP 1999, 209, der seinen Aufsatz mit der Frage überschreibt: „Persönlichkeitsrechte als Lizenz?" Nach hier vertretener Ansicht hängt die Antwort davon ab, ob man bindende Gestattungen im persönlichkeitsrechtlichen Bereich zulassen will. Ist dies der Fall, dann muß die Frage Ullmanns bejaht werden. 140 Erneut ist die Parallele zur Vollmacht interessant: Eine isolierte, unwiderrufliche Vollmacht ist nach h.M. ausgeschlossen. Vielmehr muß die Unwiderruflichkeit im zugrunde liegenden Rechtsverhältnis einen rechtfertigenden Grund finden, ansonsten ist die Vollmacht entgegen der Absicht des Vollmachtgebers widerruflich, s. B G H N J W 1988, 2603; Larenz/Wolf, § 47, Rz. 52; MüKo/Scbramm, Rz. 21 zu § 168. 141 Für die Möglichkeit einer isolierten, unwiderruflichen Einwilligung Dascb, S. 87, allerdings ohne Nennung von Beispielen. Sie dürfte praktisch vor allem bei Erlaubnissen gegenüber einem unbestimmten Personenkreis in Betracht kommen, dazu oben, § 8 IV 3, s. auch die folgende Fußn.

350

§12

Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

sofern die Erlaubnis gegenüber einer bestimmten Person erteilt wird, dürfte es sich hier aber um ein weitgehend akademisches Problem handeln, da im Fall einer unwiderruflichen Gestattung nach den Umständen meist auch eine zugrunde liegende vertragliche Duldungspflicht anzunehmen ist 142 .

2. Der Widerruf als treu widriges Verhalten ? Demgegenüber wird im Schrifttum zum Teil angenommen, die Widerruflichkeit der isolierten Einwilligung sei dann eingeschränkt, wenn das Vertrauen des Empfängers auf ihren Fortbestand ausnahmsweise nach § 242 B G B schutzwürdig sei 143 . Damit verwandt ist die für die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung im allgemeinen vertretene Ansicht, der grundlose Widerruf könne nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein 144 . Andere Autoren halten immerhin den Widerruf einer Einwilligung zur Unzeit für treuwidrig 145 und wollen ihm daher aufgrund von § 242 B G B die Wirkungen bis zum angemessenen Zeitpunkt versagen. Nach der hier vertretenen Konzeption erscheint es wenig einleuchtend, den Ausschluß des grundlosen Widerrufs auf das Prinzip von Treu und Glauben zu stützen. Dagegen spricht vor allem die Subsidiarität des Vertrauensschutzes nach § 242 B G B . Wenn eine rechtsgeschäftliche Gestattung in unwiderruflicher Form erteilt werden kann, dann bedarf es des Rückgriffs auf Treu und Glauben nicht, um in bestimmten Fällen den Widerruf auszuschließen. Die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 242 B G B ist in diesem Fall eine Hilfskonstruktion, mit der versucht wird, den Grundsatz der Widerruflichkeit persönlichkeitsrechtlicher Einwilligungen aufrechtzuerhalten, gleichzeitig aber seine unbilligen Konsequenzen zu vermeiden. Wie in § 8 dargelegt, steht auch für Dispositionen über Persönlichkeitsrechte grundsätzlich die gesamte Stufenleiter der Gestattungen mit Ausnahme der translativen Rechtsübertragung zur Verfügung. Sind bindende Gestattungen möglich, so ist die schwache Gestattungsform der widerruflichen Einwilligung hierfür das fal142 An dieser Stelle sei auf das oben, § 5 II 3, angesprochene Problem des Selbstpaternalismus hingewiesen, innerhalb dessen sich die Frage stellt, ob eine Person im eigenen Interesse eine unwiderrufliche Einwilligung erteilen kann. Sofern es sich um disponible Rechte handelt, spricht nichts dagegen, es wird sich dann konstruktiv allerdings meist nicht um eine Einwilligung, sondern um einen Vertrag mit treuhänderischem Charakter handeln. O b allerdings auch im Bereich eingeschränkt disponibler Rechte, insbesondere für Einwilligungen in körperliche Eingriffe oder Freiheitsbeschränkungen, unwiderrufliche Einwilligungen möglich sind, erscheint sehr fraglich, da dies auf eine begrenzte Selbstentmündigung hinausliefe, vgl. Lipp, S. 202.

So Gotting, S. 152. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 171; besonders häufig findet sich diese Ansicht in der datenschutzrechtlichen Literatur, s. Auernhammer, Rz. 11 zu § 4 ; Ordemann/ Schomerus, Anm. 7.1 zu § 4; Scbaffland/Wiltfang, Rz. 20 zu § 4. 145 Simitis in Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, Rz. 71 zu § 4. 143 144

IV.

Widerruf

351

sehe Instrument. Statt dessen ist von den Parteien regelmäßig eine gebundene Rechtsübertragung oder immerhin eine vertragliche Gestattung beabsichtigt. Behält sich aber der Rechtsinhaber den jederzeitigen Widerruf vor oder erlaubt das betreffende Persönlichkeitsrecht keine Bindung, so darf der Widerruf nicht durch die Hintertür des § 242 B G B ausgeschlossen werden. Welche Umstände gegen eine vertragliche Gestattung, aber für einen Vertrauensschutz des Empfängers sprechen könnten, ist schwer vorstellbar 146 . Am Beispiel des § 4 B D S G , für den die hier kritisierte Ansicht häufig vertreten wird 147 , läßt sich diese Überlegung illustrieren. Die Bestimmung erlaubt die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur, wenn sie von einem gesetzlichen Erlaubnistatbestand oder der Einwilligung des Betroffenen gedeckt wird. Ein Beispiel für eine komplexe Mischung aus objektiver Rechtfertigung und Rechtfertigung nach dem Grundsatz „volenti non fit iniuria" bietet die heute übliche 148 Schufa-Klausel 149 . Sie wird in der Praxis vom Kreditnehmer im Rahmen des Beratungsgesprächs unterschrieben; damit willigt er in die Übermittlung bestimmter Daten ein und befreit zugleich den Kreditgeber in gewissen Punkten vom Bankgeheimnis 150 . Die Schufa-Klausel berührt verschiedene Grundfragen der Einwilligungslehre, insbesondere das Problem der Scheinfreiwilligkeit, das Verhältnis zwischen Einwilligung und objektiven Rechtfertigungsgründen und die A G B - K o n trolle von Einwilligungserklärungen. Betrachtet man aber hier zunächst nur die Frage der Widerruflichkeit, so zeigt sich, daß § 242 B G B zur Lösung wenig beizutragen hat. Es entspricht der Absicht beider Parteien, daß die Datenübermittlung während der ganzen Laufzeit des Kreditvertrags zulässig 146 Aus diesem Grund leuchtet es auch nicht ein, wenn Dasch, S. 88, zwar den freien Widerruf der isolierten, „einfach" erteilten Einwilligung zulassen, dem Einwilligungsempfänger aber einen Schadensersatzanspruch analog § 122 B G B zubilligen will. Da ein Vertrauenstatbestand nicht gegeben ist, gibt es auch keinen Grund für eine Vertrauenshaftung, so gegen Dasch zutreffend Gotting, S. 152 (Fußn. 54). 147 Auernhammer, Anm. 7.1 zu § 4; Schaffland/ Rz. 11 zu § 4; Ordemann/Schomerus, Wiltfang, Rz. 20 zu § 4. 148 Die bis 1985 gebräuchliche Schufa-Klausel hielt der B G H in B G H Z 95, 362 für unvereinbar mit § 9 A G B G , vgl. zu diesem Urteil Simitis, JZ 1985, 188 ff. 149 S. zur Schufa-Klausel auch unten, § 15 I 2; vgl. daneben Staub/Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 72 ff.; Schwintowski/Schäfer, § 1, Rz. 174 ff. und den Disput zwischen Kloepfer/Kutzschbach, M M R 1998, 650 ff. einerseits und Kamiah, M M R 1999, 395 ff. andererseits; aus dem älteren Schrifttum Simon, C R 1988, 637; Geiger, C R 1985, 72. 150 Die seit 1985 übliche Schufa-Klausel, abgedr. bei Canaris a.a.O., Rz. 74 f, enthält eine Einwilligungserklärung hinsichtlich der Übermittlung von Daten zur Person und zur vertragsgemäßen Abwicklung des Kredits, einen Hinweis auf die nach §§ 28, 29 B D S G zulässige Übermittlung von Daten zur nicht vertragsgemäßen Abwicklung und eine Befreiung vom Bankgeheimnis hinsichtlich der letztgenannten Daten. Es handelt sich also um eine komplexe Mischung aus Rechtfertigung durch selbstbestimmte Gestattung und objektiver Rechtfertigung, näher hierzu Canaris, a.a.O., Rz. 72ff.; Kamlab, M M R 1999, 395 (397 ff.); krit. Kloepfer/Kutzschbach, M M R 1998, 650 ff.

352

§ 12 Die Einwilligung

als

Kommunikationsakt

sein soll, die Erlaubnis kann also grundsätzlich 151 nicht widerrufen werden, solange der Vertrag läuft. Diese Erteilung einer unwiderruflichen Gestattung 152 zum Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 153 ist unbedenklich, sofern die Art, der Zweck und die Dauer der Datenverwertung begrenzt sind und die Klausel einer AGB-Kontrolle standhält 154 . Wäre das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aber so sensibel, daß auch die Verwertung bestimmter Daten zu einem bestimmten Zweck nur in stets widerruflicher Form gestattet werden könnte, so wäre ein grundloser Widerruf des Kreditnehmers nicht treuwidrig, sondern müßte im Gegenteil wegen der höchstpersönlichen Natur des betreffenden Interesses möglich sein. Man sollte also die Frage der Widerruflichkeit nicht über § 242 B G B klären, sondern in jedem Einzelfall offen erörtern, in welchem Ausmaß bindende Gestattungen erteilt werden können und inwieweit dies dem rechtsgeschäftlich erklärten Willen der Beteiligten entspricht. Beim Ausschluß des Widerrufs zur Unzeit handelt es sich hingegen um ein anders gelagertes Problem. Hier wird nicht behauptet, daß der Widerruf selbst gegen Treu und Glauben verstoße, vielmehr geht es um die Art der Ausübung eines an sich fraglos gegebenen Widerrufsrechts. Aus § 242 B G B ergibt sich, daß die Befugnis zur einseitigen Rechtsgestaltung nicht ohne Rücksicht auf die Interessen des Widerrufsempfängers und möglicherweise betroffener Dritter ausgeübt werden darf. Das Hochzeitspaar, das dem Fotografen gefälligkeitshalber die Ausstellung des Hochzeitsfotos im Schaufenster des Ateliers erlaubt, erteilt im Zweifel eine jederzeit widerrufliche Einwilligung. Ein grundloser Widerruf dieser Einwilligung ist nicht treuwidrig, doch folgt aus § 242 B G B , daß das Paar die Entfernung des Bildes nur während der Geschäftsstunden verlangen kann. Im gleichen Sinne ist Simitis darin zuzustimmen, daß beim Widerruf einer Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten im Interesse der speichernden Stelle der Widerruf rechtzeitig anzukündigen und der Stelle genügend Zeit zur Löschung einzuräumen ist 155 .

151 Eine Ausnahme ist für den Fall denkbar, daß die Verarbeitung der Daten dem Betroffenen objektiv nicht mehr zumutbar ist, so Simitis in Simitis/Damann/Geiger/ Mallmann/Walz, Rz. 70 zu § 4. 152 Da das Kreditinstitut ein subjektives Recht auf Verarbeitung und Weitergabe der Daten erlangt, sollte diese Gestattung konstruktiv nicht als Einwilligung im engeren Sinne, sondern als schuldrechtlicher Gestattungsvertrag begriffen werden, s. oben, § 8 IV 2. Unabhängig von der Konstruktion ist aber jedenfalls entscheidend, ob die Erteilung einer unwiderruflichen Erlaubnis möglich und beabsichtigt ist. Ist dies der Fall, so bedarf es des Rückgriffs auf § 242 B G B nicht mehr. 153 Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Grundlage des Bankgeheimnisses Schwintowski/Schäfer, § 1, Rz. 134. 154 Hierin bestand das Problem der bis 1985 üblichen Schufa-Klausel, die vom B G H in B G H Z 95, 362 für unvereinbar mit § 9 A G B G (= § 307 B G B n.F.) erklärt wurde. 155 Simitis in: Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, Rz. 71 zu § 4.

IV.

3. Der Widerruf bindender

353

Widerruf

persönlicbkeitsrechtlicher

Gestaltungen

Auch wenn bei Persönlichkeitsrechten, die der Kommerzialisierung zugänglich sind, keine prinzipiellen Erwägungen gegen die Zulässigkeit bindender Gestattungen sprechen, so sind sich doch die meisten Autoren darüber einig, daß der Grundsatz „pacta sunt servanda" gewisser Einschränkungen bedarf. Hierfür sprechen zwei Überlegungen. Zum einen sind persönlichkeitsrechtliche Gestattungen häufig Dauerschuldverhältnisse, bei denen die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht völlig ausgeschlossen werden kann 156 . Zum anderen werden die vermögensrechtlichen Aspekte von persönlichkeitsrechtlichen überlagert. Die Gegenstände der Kommerzialisierung sind meist externe Verkörperungen der Persönlichkeit 157 , die ihrerseits das Bild der Person in der Öffentlichkeit beeinflussen. Wie schon Hu.bm.ann158 und nach ihm Helle159 und Gotting160 betont haben, wandelt sich die Persönlichkeit im Laufe der Zeit, während die konkrete Verkörperung in einem Foto oder einem urheberrechtlich geschützten Werk statisch bleibt 161 . Es entspricht sowohl der grundrechtlichen Wertung der Art. 2 I i.V.m. 1 I G G , als auch dem einfach-rechtlichen Gedanken des § 42 UrhG, der Person im Fall gewandelter Uberzeugung einen Rückruf dieser Verkörperung aus der öffentlichen Sphäre zu ermöglichen, selbst wenn sich der bereits entstandene Eindruck oft nicht mehr völlig ungeschehen machen läßt. Die besondere Natur der Persönlichkeitsrechte gebietet die Rückrufs- oder Kündigungsmöglichkeit aus höchstpersönlichen, nicht jedoch aus vermögensbezogenen Gründen. So könnte ein Popstar, der sich zum strengen Anhänger einer Religionsgemeinschaft gewandelt hat 162 , die Veröffentlichung von Bildern oder von Musik aus früheren Tagen verhindern. Ebenso kann ein Musiker, der die Aufnahme in ein Symphonieorchester anstrebt, seine Einwilligung zur Veröffentlichung eines Fotos widerrufen, das ihn in seiner früheren Tätigkeit als Primas einer Zigeunerkapelle zeigt 163 . Der Frau, die während eines Grillfestes in kompromittierenden Situationen gezeigt wird 164 , steht 156 So nunmehr ausdrücklich § 314 BGB; vgl. zur früheren Rechtslage B G H Z 50, 312 (315); Larenz SchR I, § 2 VI (S. 32); Fikentscher SchR, Rz. 36, 188. 157 Vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 220 ff. 158 A.a.O., S.59f. 159 Helle, AfP 1985, 93 (100). 160 Gotting, S. 150. 161 p r ä g n a n t formuliert diesen Gedanken die 17jährige Brooke Shields in ihrer Klage gegen die Veröffentlichung von Nacktfotos, die von ihr im Alter von 10 Jahren aufgenommen wurden: „They are not me now", s. Shields v. Gross, 448 N. E.2d 108 (112). 162 Wie etwa der Sänger Cat Stevens, der sich zum Islam bekannte und den Namen Yusuf Islam annahm, s. die biographischen Angaben auf der Website www.catstevens.com. 163 Vgl. O G H ÖB1. 1970, 155 (157) „Zigeunerprimas". 164 Vgl. L G Oldenburg, G R U R 1988, 694 - „Grillfest".

354

5 12 Die Einwilligung als

Kommunikationsakt

ebenfalls ein Widerrufsrecht zu, wobei in diesem Fall schon das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung und erst recht das Bestehen einer grundsätzlich bindenden Gestattung fraglich sind. Zwar bietet sich § 4 2 1 U r h G insoweit als Grundlage für einen Analogieschluß an, doch dürfen die dort aufgestellten strengen Voraussetzungen für einen Rückruf nicht dazu führen, daß die A n forderungen an den Nachweis eines Überzeugungswandels überspannt werden 1 6 5 . Erleichterte Voraussetzungen sollten vor allem gelten, wenn die Gestattung von einem gesetzlichen Vertreter erteilt wurde. Wie Gotting überzeugend begründet, sollte der Minderjährige mit Erreichen der Einsichtsfähigkeit, spätestens aber mit Beginn der Volljährigkeit die Möglichkeit zum freien Widerruf erhalten 1 6 6 . N a c h deutschem Recht wäre also der Brooke Shields-Fall167 im Sinne des Minderheitsvotums zu entscheiden: Das Selbstbestimmungsrecht der Minderjährigen setzt sich gegenüber dem Interesse des Verwerters an Rechtssicherheit durch. Dennoch dürfen die Interessen des Gestattungsempfängers nicht unberücksichtigt bleiben. E r hat Anlaß, auf den Fortbestand der Gestattung zu vertrauen. Zudem stammt der Grund für den Widerruf - die Wandlung der Persönlichkeit - ausschließlich aus der Sphäre des Gestattenden. Daher erscheint es gerechtfertigt, den Gestattungsempfänger für den Verlust seiner Nutzungsbefugnis zu kompensieren. Als Grundlage für einen Analogieschluß bieten sich sowohl § 42 III U r h G als auch § 122 B G B an. § 42 III U r h G betrifft genau den Fall der gewandelten Überzeugung, allerdings hat die Rechtsfolge der „angemessenen Entschädigung" dazu geführt, daß das R ü c k rufsrecht des § 42 U r h G praktisch leerläuft 1 6 8 . Auch § 122 B G B beruht auf dem Gedanken, daß der Empfänger einer Erklärung auf deren Wirksamkeit vertraut hat und daß ihm daher der Vertrauensschaden zu ersetzen ist, wenn der Anfechtungsgrund der Sphäre des Anfechtenden entstammt. Auch dieser Gedanke erscheint für den Widerruf persönlichkeitsrechtlicher Gestattungen passend, zudem hat die in § 122 vorgesehene Rechtsfolge die Konsequenz, daß die Hürde für den Widerruf niedriger ist, während gleichzeitig Vermögenseinbußen des Verwerters durch den Widerruf vermieden werden. Mit einer verbreiteten Literaturansicht sollte dem Gestattungsempfänger im Fall des Widerrufs also ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 I B G B 1 6 9 , nicht jedoch ein Anspruch auf angemessene Entschädigung analog § 42 III 1 U r h G zustehen. § 122 II B G B ermöglicht in diesem Rahmen 165 So zu § 42 UrhG Schricker/Dietz, Rz. 24 zu § 42; ähnl. MüKo/Rixecker, Rz. 41, Anh. § 12. 166 Gotting, S. 156 f. 167 Oben, Fußn. 161, ausführlich zu diesem Fall oben, § 11 III. 168 Vgl. Schricker/Dietz, Rz. 3 zu § 42. 169 So Canaris, AcP 184 (1984) 201 (233 f.); Helle, AfP 1985, 93 (101); Dasch, S. 87; Gotting, S. 151; a. A. (§ 42 III UrhG analog) MüKo/Rixecker, Rz. 41, Anh. § 12.

IV.

Widerruf

355

eine gerechte Lösung von Fällen, in denen der Verwerter den Grund für die spätere Widerruflichkeit bereits bei Vertragsschluß kennt oder kennen muß, insbesondere wenn sich der Uberzeugungswandel bereits bei Vertragsschluß abzeichnet 170 . Hingegen erscheinen § 42 II U r h G , der die Unverzichtbarkeit des Rückrufsrechts vorsieht, und § 42 IV U r h G , der dem früheren Inhaber des Nutzungsrechts bei erneuter Verwertungsabsicht durch den Urheber eine Option einräumt, als analogiefähig.

170 § 122 II B G B ist insbesondere beim Widerruf von Gestattungen anwendbar, die gesetzliche Vertreter für Minderjährige erklären: Wer sich von den Eltern eines Minderjährigen ohne dessen Zustimmung eine persönlichkeitsrechtliche Gestattung erteilen läßt, muß mit dem späteren Widerruf durch den Minderjährigen rechnen.

§ 1 3 Willensmängel und Aufklärungspflichten I. Willensmängel 1.

Einführung

Ebenso wie jede Willenserklärung kann auch die Einwilligung mit Willensmängeln behaftet sein. Dem Einwilligenden kann bei der Umsetzung seines Willens in die Einwilligungserklärung ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum unterlaufen, er kann sich jedoch auch bereits in der Phase der Willensbildung irren, sei es weil er sich über Art, Ausmaß oder Folgen des Eingriffs nicht im klaren ist, sei es weil er sich über Begleitumstände des Eingriffs wie etwa Modalitäten der Gegenleistung irrt. An dieser Stelle wird zugleich deutlich, warum die beiden Problemkreise „Willensmängel" und „Aufklärungspflichten" eng miteinander zusammenhängen: Der Aufklärungsmangel führt regelmäßig beim Einwilligenden zu einer Fehlvorstellung. Daher werden hier beide Prolemkreise zu einem Abschnitt zusammengefaßt. Ein Willensmangel ist einseitig, wenn er ausschließlich der Sphäre des Einwilligenden entstammt, es kann aber auch der Einwilligungsempfänger für den Willensmangel verantwortlich sein. Das ist der Fall, wenn der Einwilligungsempfänger den Irrtum durch Täuschung hervorgerufen hat oder den Verletzten durch Drohung zur Einwilligung gezwungen hat. In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Behandlung von Willensmängeln der wohl am wenigsten geklärte Aspekt der Einwilligungslehre. Während viele Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie die vollständige Anwendbarkeit der §§ 119ff. B G B befürworten, ohne die Angemessenheit dieser Vorschriften im einzelnen zu untersuchen, hat sich ein Teil der Rechtsprechung und Literatur in diesem Punkt völlig von den Vorschriften über Rechtsgeschäfte gelöst, ohne freilich eine geschlossene alternative Konzeption an deren Stelle zu setzen. Demgegenüber hat sich die strafrechtliche Lehre zwar intensiv mit der Problematik befaßt, dabei jedoch keine Einigkeit erzielt, sondern im Gegenteil eine unübersichtliche Vielfalt von Theorien hervorgebracht. Die folgende Darstellung geht vom Strafrecht aus (2), da im Zivilrecht mittlerweile häufig strafrechtliche Lehren rezipiert werden (3). Ein Blick auf das angloamerikanische Recht (4) führt eine pragmatische Lösung in die Überlegungen ein, bevor in der abschließenden Stellungnahme (5) versucht wird, Klarheit in die verwirrende Materie zu bringen. Im anschließenden Teil II dieses Ab-

I.

Willensmängel

357

schnitts geht es speziell um die ärztliche Aufklärungspflicht, die zur Lehre von den Willensmängeln in Beziehung gesetzt werden soll. 2. Der Meinungsstand

im

Strafrecht

Rechtsprechung und Literatur im Strafrecht 1 lösten sich schon früh von den privatrechtlichen Vorschriften über die Anfechtung, da insbesondere die Rückwirkung gemäß § 142 I BGB für das Strafrecht allgemein als unpassend erschien2. Allerdings entstand so ein dogmatisches Vakuum, das erst allmählich gefüllt wurde. In der frühen strafrechtlichen Rechtsprechung des B G H finden sich verschiedentlich allgemeine und pauschale Aussagen, denen eine stark auf den Einzelfall bezogene Lösung folgt. So hielt das Gericht eine Kastration, die in einem Konzentrationslager mit Willen des Gefangenen erfolgt war, für rechtswidrig 3 : Die Einwilligung müsse freiwillig erfolgen; das sei nicht der Fall, wenn der Einwilligende sie erteile, um aus einer rechtsstaatswidrigen Gefangenschaft freizukommen. Im Famulus-Fall4 hatte der B G H über die Strafbarkeit einiger Medizinalpraktikanten zu entscheiden, die sich gegenüber den Patienten als Ärzte ausgegeben und so deren Einwilligung erschlichen hatten. Nachdem es im Urteil zunächst allgemein heißt, Willensmängel nähmen der Einwilligung regelmäßig die rechtfertigende Kraft 5 , wird zwischen medizinisch sehr einfachen Eingriffen und schwierigen Behandlungen differenziert. Im ersten Fall trete „nach allgemeiner, in der Sache begründeter Auffassung" die Approbation des Behandelnden in den Hintergrund, daher schließe ein Irrtum des Patienten die Rechtfertigung nicht aus6. Uberschreite die Behandlung hingegen die Grenzen der für Famuli erlaubten Eingriffe, so liege keine wirksame Einwilligung vor 7 . Die Literatur folgte der Rechtsprechung 8 anfangs und hielt ebenfalls grundsätzlich sämtliche Willensmängel mit Ausnahme bloßer Motivirrtümer für beachtlich 9 . Dieser Auffassung stellte Arzt in seiner Tübinger Antrittsvorlesung 10 eine Theorie gegenüber, die mittlerweile auch im Privatrecht Anhänger findet 11 . 1 Umfassend zur Entwicklung von Rechtsprechung und Lehre im Strafrecht Kußmann, S. 4 ff., 205 ff. 2 Vgl. Kühne, JZ 1979, 241 (242 f.). 3 BGHSt4,113(118);vgl. dagegen aber zur Einwilligung eines nach rechtsstaatlichem Verfahren eingesperrten Untersuchungshäftlings BGHSt 19, 201 (206). 4 BGHSt 16, 309. 5 A.a.O., S. 310. 6 A.a.O., S. 311. 7 A.a.O., S. 315. 8 Vgl. neben den im Text genannten Entscheidungen des B G H noch O L G Stuttgart NJW 1962, 62; 1982, 2266; O L G Hamm NJW 1987, 1035. 9 Vgl. Tröndle, Rz. 3 b vor § 32, und die Nachw. bei Kußmann, S. 4, 205. 10 Arzt, Willensmängel bei der Einwilligung (1970). 11 S. etwa RGRK/Steffen, Rz. 380 zu § 823.

358

§ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

Sowohl hinsichtlich der Täuschung als auch hinsichtlich des einfachen Irrtums sei zwischen rechtsgutsbezogenen und rechtsgutsfremden Irrtümern zu differenzieren 12 . Von ersteren könne gesprochen werden, wenn dem Einwilligenden nicht klar sei, was er preisgebe 13 . Solche Irrtümer seien stets beachtlich, dies gelte sowohl für die rechtfertigende Einwilligung als auch für das tatbestandsausschließende Einverständnis. Irre sich der Einwilligende hingegen über rechtsgutsfremde Umstände, so sei der Handelnde nur unter den Voraussetzungen des Betrugs- oder Nötigungstatbestandes strafbar (§§ 263, 240 StGB) 1 4 . Die Dispositionsfreiheit sei nämlich nicht generell, sondern immer nur in bezug auf ein bestimmtes Rechtsgut geschützt 15 . Insbesondere wenn der Einwilligende ein Rechtsgut um einer Gegenleistung willen aufopfere und sich über deren Modalitäten täusche, wolle er den Eingriff in sein Rechtsgut, betrogen werde er nur um den Tauschwert. Die Drohung hält Arzt stets für rechtsgutsbezogen 16 . Umgekehrt sei ein Erklärungsirrtum im Strafrecht unbeachtlich, denn das Verantwortungsprinzip verbiete es, dem Täter das Risiko für einen Erklärungsfehler des Einwilligenden aufzubürden 17 . Die Ansicht von Arzt wird mittlerweile so weitgehend geteilt, daß sie wohl als herrschend bezeichnet werden kann 18 . Allerdings haben andere Autoren aufbauend auf der Unterscheidung zwischen rechtsgutsbezogenen und anderen Irrtümern weitere Differenzierungen entwickelt. Kühnel>> akzentuiert stärker die Selbstverantwortung des Einwilligenden: Wenn dieser die Konfliktlage durch einen Inhalts-, Erklärungs- oder Motivirrtum selbst schaffe, so müsse er auch für die Folgen einstehen. Etwas anderes gelte nur, wenn der Einwilligungsempfänger den Mangel kenne oder ihn selbst veranlaßt habe. In diesem Fall sei die Einwilligung ihm gegenüber wegen Rechtsmißbrauchs relativ unwirksam. Für Roxin20 kann die Einwilligung nur dann wirksam sein, wenn sie nach normativen Maßstäben noch als Ausdruck der Autonomie des Rechtsgutsträgers anzusehen ist. Das soll im Fall von rechtsgutsbezogenen Täuschungen nicht der Fall sein, darüber hinaus aber auch bei Täuschungen über altruistische Zwecke und bei Vorspiegelung einer notstandsähnlichen Lage ausscheiden. Einfache Irrtümer seien unbeachtlich, es sei denn, der Einwilligungsempfänger durchschaue sie und nutze sie bewußt für sich aus oder Arzt, S. 19 ff., 30 und passim. A . a . O . , S. 22. 14 A.a.O., S. 17ff. 15 A.a.O., S. 42. 16 A.a.O., S. 32. 17 A.a.O., S. 48ff. 18 Der Theorie von Arzt folgen im Grundsatz Jescheck/Weigend, § 34 IV 3 (S. 382); Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 46 f. vor § § 3 2 ff.; krit. nunmehr mit eigenständiger Konstruktion Rönnau, S. 278 ff. 19 Kühne, J Z 1979,241 (243ff.). 20 Roxin AT I, § 13, Rz. 68 ff. 12

13

I.

Willensmängel

359

es treffe ihn ihn eine Aufklärungspflicht./ii&ofc21 und GöbeP2 verneinen bei rechtsgutsbezogenen Irrtümern schon nach Auslegungsgrundsätzen das Vorliegen einer Einwilligung und behandeln im übrigen Drohungen und Täuschungen nach den Grundsätzen über die mittelbare Täterschaft: Da die Verletzung eines Einwilligenden der Selbstverletzung wertungsmäßig gleichstehe, hafte der Drohende oder Täuschende als mittelbarer Täter, wenn die Tat nach den normativen Kriterien der Täterschaft seinem Organisationskreis zuzurechnen sei. Gegenüber diesen verschiedenen Ansätzen hat jüngst Amelimg2i den Versuch unternommen, die früher herrschende Meinung zu rehabilitieren. Die Einwilligung setze keinen Vertrauenstatbestand, sondern sei nur Information über eine momentane Willenslage. Daher bestehe kein Anlaß, das Vertrauen des Handelnden bei der Beurteilung einer mit Willensmängeln behafteten Einwilligung zu berücksichtigen. Als autonom läßt Amelung daher nur eine Einwilligung gelten, die der Einwilligende in Ubereinstimmung mit seinem eigenen Wertesystem erteilt. Damit führen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, neben Drohungen und Täuschungen auch sämtliche einfachen Irrtümer zur Unwirksamkeit der Einwilligung, ohne daß es auf den Rechtsgutsbezug ankäme. Die Interessen des Einwilligungsempfängers hingegen sollen ausschließlich im Rahmen des subjektiven Tatbestands Berücksichtigung finden: Kennt der Täter den Mangel, so handelt er vorsätzlich, kennt er ihn nicht, so kommt allenfalls Fahrlässigkeit in Betracht. 3. Der Meinungsstand

im

Privatrecht

a) Rechtsprechung Auch im Privatrecht hat die Loslösung von der Rechtsgeschäftslehre zu einiger Unsicherheit geführt, vor allem was die Frage relevanter Irrtümer anbetrifft. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt Unklarheiten in der Rechtsprechung. In seiner letzten Entscheidung zum ärztlichen Heileingriff ging das RG offenbar24 von der automatischen Nichtigkeit der Einwilligung im Fall einer Drohung, einer Täuschung oder eines Aufklärungsmangels aus25. Damit löste sich das Gericht vorsichtig von der Rechtsgeschäftstheorie, denn das Jakobs AT, 7/117ff. Göbel, S. 85 ff. 23 Amelung, Irrtum und Täuschung als Grundlage von Willensmängeln bei der Einwilligung des Verletzten (1998); zusammenfassend in Amelung/Eymann, JuS 2001, 937 (943 f.); zust. Müsch, J Z 1999, 513. 24 Das Gericht geht auf diese Frage nicht ausdrücklich ein, stellt aber eine durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung beeinflußte Einwilligung dem völligen Fehlen einer Einwilligung gleich. 25 RGZ 168, 206 (210); bestätigt in B G H Z 7,198 (207). 21 22

360

§13

Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

Erfordernis der Anfechtung wurde fallengelassen und der Aufklärungsmangel trat neben die in § 119 B G B erwähnten Irrtümer. Beide Modifikationen der Rechtsgeschäftslehre nahm das R G aber ohne Begründung und nähere Analyse vor. Auch der B G H bemühte sich zu keinem Zeitpunkt darum, die ärztliche Aufklärungspflicht zur Lehre von den Willensmängeln in Beziehung zu setzen. Bezeichnend ist eine Passage in einem der ElektroschockUrteile des B G H aus den 50er Jahren, in dem das Gericht knapp die Auffassung der Revision zurückweist, die Einwilligung des Patienten sei trotz des Aufklärungsmangels gültig und hätte „höchstens nach §§ 161 ff. B G B " (sie!) angefochten werden können 26 . Unvermittelt neben diesen medizinrechtlichen Urteilen stehen persönlichkeitsrechtliche Entscheidungen, in denen die Rechtsprechung wie selbstverständlich von der Anwendbarkeit der §§ 119ff. B G B ausgegangen ist27. Das wohl einzige Urteil, in dem sich der B G H mit den Auswirkungen eines Irrtums auf die Einwilligung im Zivilrecht näher auseinandergesetzt hat28, trägt ebenfalls wenig zur Klärung der Problematik bei. Die Klägerin war an Tuberkulose erkrankt und hatte einen Selbstmordversuch unternommen. Daraufhin wurde sie ohne richterlichen Beschluß, aber angeblich mit ihrem Einverständnis in der geschlossenen Abteilung einer Nervenklinik untergebracht. Das Weihnachtsfest durfte die Klägerin zu Hause bei ihrem Ehemann verbringen, doch wies der behandelnde Arzt das Ehepaar darauf hin, daß die Klägerin durch die Polizei abgeholt würde, wenn ihr Ehemann sie nach dem Fest nicht zurückbrächte. Die Klägerin verlangte später Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Freiheitsberaubung. Das Berufungsgericht gab der Klage teilweise mit der Begründung statt, die Einwilligung sei unwirksam gewesen. Die Klägerin habe die Anstalt jederzeit verlassen können, hierüber habe sie der behandelnde Arzt aber pflichtwidrig nicht aufgeklärt. Der B G H wertete den Sachverhalt jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung, sondern setzte beim Irrtum der Klägerin an. Eine Einwilligung, die durch Gewalt, Zwang, rechtswidrige Drohung oder arglistige Täuschung herbeigeführt werde, sei nicht freiwillig und mithin unwirksam. Anders sei es, wenn der Rechtsinhaber einem „einfachen Irrtum" unterliege: „Diese durch einen Irrtum beeinflußte Einwilligung ist grundsätzlich noch freiwillig, also rechtsbeständig, zumal die Möglichkeit einer Anfechtung außer Betracht zu bleiben hat, weil diese Einwilligung keine Willenserklärung ist. (...) Trotzdem sind Willensmängel nicht völlig unbeachtlich; entscheidend ist bei einer irrigen Einwilligung, ob nach Lage der Verhältnisse der Wille in einer Art und in einem Maße beeinträchtigt ist, daß die Willensentschließung noch als Ausfluß einer eigenen wah26 27 28

B G H N J W 1956, 1106. So etwa O L G Hamburg, Schulze O L G Z 122, 6 B G H N J W 1964, 1177.

„Heidi".

I.

Willensmängel

361

ren inneren Willensbildung des Betroffenen gelten kann (RGSt 41, 392, 395; BGHSt 16, 309)." 29 Zwar verwies der B G H den Fall an das Berufungsgericht zurück und entschied nicht über die Wirksamkeit der Einwilligung, doch lag für den B G H die Annahme eines „einfachen Irrtums" immerhin nahe. Viele Patienten hätten den Wunsch, entlassen zu werden. Lehne der Arzt ab, so verblieben sie „widerstrebend und unwillig, aber in einer Form in der Anstalt, die als freiwillig zu werten sei". Sofern die Klägerin aufgrund der „aus ärztlicher Verantwortung heraus" erfolgten Ablehnung geglaubt habe, die Anstalt nicht verlassen zu dürfen, so führe dieser Irrtum nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung. Dieses Urteil, das in der weiteren Entwicklung der zivilrechtlichen Rechtsprechung vereinzelt geblieben ist 30 , wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. D e r Zusammenhang zwischen der Verletzung der Aufklärungspflicht und dem dadurch hervorgerufenen Irrtum bleibt ebenso offen wie die Bedeutung und die systematische Stellung des dunklen Begriffs „einfacher Irrtum" 3 1 . Auf den zugrunde liegenden Fall bezogen ist es erstaunlich, daß der B G H dazu neigt, den Irrtum als unbeachtlich anzusehen. Immerhin grenzte das Verhalten des Arztes an eine widerrechtliche Drohung, was am Ende des Urteils zumindest anklingt. Aufschlußreich ist die Entscheidung also vor allem, weil sie verdeutlicht, wie wenig der Einfluß von Willensmängeln auf die Wirksamkeit der Einwilligung in Wirklichkeit dogmatisch geklärt ist. b) Schrifttum In der Literatur stehen sich zwei Ansätze weitgehend unvermittelt gegenüber, eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegenauffassung findet meist nicht statt. In der Lehrbuch- und Kommentarliteratur und im medizinrechtlichen Schrifttum bleibt es meist bei dem apodiktischen Hinweis, die Einwilligung müsse freiwillig erteilt werden 32 , daher mache sie eine Drohung oder eine arglistige Täuschung unwirksam 3 3 . Soweit die Auswirkung von Irrtümern angesprochen wird, finden sich unterschiedlichste Lösungen. Einige Autoren halten jede irrtumsbehaftete Einwilligung für unwirksam 3 4 , andere verweisen auf die oben dargestellte Unterscheidung des B G H zwischen einfachen und relevanten Irrtümern 3 5 , die frühere strafrechtliche Ansicht von der A.a.O., S. 1178. Ähnlich allerdings noch BGH VersR 1961, 632. 31 Krit. auch Kohte, AcP 185 (1985) 105 (140); Dasch, S. 78 f. 32 HdA / Ulsenheimer, § 142, Rz. 29. 33 Deutsch AHR, Rz. 282; Erman/Schiemann, Rz. 147 zu § 823; HdA/Ulsenheimer, § 139, Rz. 35; Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823; RGRK/Steffen, Rz. 380 zu § 823; Staudinger12/Schäfer, Rz. 464 zu § 823. 34 Berger, JZ 2000, 797 (801, Fußn. 47). 35 Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823; Staudinger12/Schäfer, Rz. 464 zu § 823. 29

30

362

5 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

Unbeachtlichkeit des Motivirrtums 3 6 oder die von Arzt begründete Lehre vom rechtsgutsrelevanten Irrtum 37 , wieder andere halten nur den einseitigen Irrtum des Einwilligenden für unbeachtlich 38 . Auch ein Teil der persönlichkeitsrechtlichen Literatur orientiert sich am Strafrecht und am Medizinrecht: Zwang oder Täuschung führten ebenso zur Nichtigkeit der Einwilligung 39 wie die Verletzung einer speziellen Aufklärungspflicht, wie sie insbesondere § 4a 12 BDSG für die datenschutzrechtliche Einwilligung vorsieht 40 . Weitergehend wird teilweise eine Verallgemeinerung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärungspflicht für den gesamten persönlichkeitsrechtlichen Bereich befürwortet 41 . So müsse ein Fotograf, der eine Wandergruppe aufnehme, die Teilnehmer über eine geplante Veröffentlichung in einem Werbeprospekt in Kenntnis setzen 42 . Dieses Beispiel zeigt, daß die Problemkreise „Auslegung", „Aufklärungspflicht" und „Willensmängel" an dieser Stelle ineinander übergehen, da der BGH im Paul Dahlke-Y&W in einer ähnlichen Konstellation durch Anwendung der §§ 133,157 BGB zum gleichen Ergebnis gelangte. Ob auch jenseits der Verletzung von Aufklärungspflichten jeder Irrtum des Erklärenden zur Nichtigkeit der Einwilligung führt, ist weitgehend ungeklärt. Nach Art. 2 h der EG-Datenschutzrichtlinie kann nur eine „Willensbekundung, die ohne Zwang für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt" überhaupt als Einwilligung angesehen werden, gem. § 4a I 1 BDSG muß die Einwilligung auf der „freien Entscheidung des Betroffenen" beruhen. Auch im Schrifttum findet sich der Hinweis, der Rechtsträger müsse wissen, in was er einwillige 43 . Dabei bleibt unerörtert, ob die vom BGH konstatierte Unbeachtlichkeit des „einfachen Irrtums" Geltung für den gesamten persönlichkeitsrechtlichen Bereich beanspruchen kann. Die Gegenansicht folgt - meist ohne nähere Analyse 4 4 - der von Zitelmanri45 vorgeschlagenen Anwendung der §§ 119ff. BGB. Ausführlich begründen diesen Ansatz Kohte46 für die Einwilligung im allgemeinen und Schenke, S. 68 f. RGRK/Steffen, Rz. 380 zu § 823. 38 Deutsch AHR, Rz. 282. 39 Schaffland/Wiltfang, Rz. 16 zu § 4 BDSG. 40 Auernhammer, Rz. 13 zu § 4 BDSG; Baston-Vogt, S. 239; so auch auf der Grundlage der Rechtsgeschäftstheorie Simitis in Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, Rz. 60 zu § 4. 41 Baston-Vogt, S. 242; Schaffland/mitfang, Rz. 11 zu § 4 BDSG. 42 Schaffland/Wiltfang, a.a.O. 43 Baston-Vogt, S. 237; Ordemann/Schomerus, Anm. 5.3 zu § 4 BDSG. 44 So Frömming/Peters, NJW 1996, 958 (959); Gotting, S. 159 (Fußn. 90); Helle, AfP 1985, 93 (99); Simitis in: Simitis/Damann/Geiger!Mallmann/Walz, BDSG 1990, Rz. 30 zu § 4. 45 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (62). 46 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (139ff.); ihm folgend für das österreichische Recht Resch, S. 157. 36 37

I.

Willensmängel

363

Dasch47 für die Einwilligung nach § 22 KUG. Beide Autoren weisen darauf hin, daß die §§ 119ff. BGB das Ergebnis einer Abwägung zwischen Willensautonomie und Verkehrsschutz darstellen 48 . Zwar seien die Vorschriften des Allgemeinen Teils auf den Warenaustausch zugeschnitten, doch auch im persönlichkeitsrechtlichen Bereich vertraue der Erklärungsempfänger auf die Gültigkeit der Einwilligung; auch hier sei die Selbstverantwortung Korrelat der Selbstbestimmung. Abgesehen von dieser grundsätzlichen Überlegung liege der Vorzug der §§ 119, 123 BGB in ihrer Präzision. Diese Tatbestände seien für die Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Willensmängeln besser geeignet als unbestimmte Begriffe wie „Freiwilligkeit" oder „einfacher Irrtum" 49 . Auch die übrigen Voraussetzungen der Anfechtung seien angemessen. Die Anfechtungserklärung nach § 143 BGB könne konkludent erfolgen, etwa durch die Erhebung einer Schadensersatzklage 50 . Im Interesse der Rechtsklarheit seien auch die Anfechtungsfristen der §§ 121, 124 BGB anwendbar 51 . Das Merkmal „unverzüglich" in § 121 BGB sei hinreichend flexibel, unangemessene Folgen der Jahresfrist in § 124 BGB könnten durch §§ 242, 826 BGB abgemildert werden. Letzteres ist allerdings auch unter den Vertretern der Rechtsgeschäftstheorie nicht unumstritten. So hält Rosener52 zwar das Erfordernis der Anfechtungserklärung (§ 143 BGB) für unproblematisch, die Regelung der Anfechtungsfrist (§§ 121, 124 BGB) jedoch für unpassend. Bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften sei das Verkehrsinteresse von geringerem Gewicht. Hier müsse es möglich sein, sich jederzeit auf die Fehlerhaftigkeit der Einwilligung zu berufen. Das zeige gerade das Medizinrecht: Ein bedachter Patient werde nicht beim ersten Verdacht auf negative Auswirkungen einer Operation Schadensersatzansprüche geltend machen, sondern zunächst in der Hoffnung auf Besserung des Gesundheitszustandes zögern. Hier sei es unangemessen, dem Patienten die Berufung auf Aufklärungsmängel nur bei unverzüglicher Anfechtung zu erlauben.

4. Der Einfluß von Willensmängeln

nach anglo-amerikanischem

Recht

Sowohl im englischen als auch im amerikanischen Recht ist anerkannt, daß eine Einwilligung freiwillig erteilt werden muß und daß daher eine durch Drohung hervorgerufene Einwilligung unwirksam ist 53 . Allerdings bereitet die Abgrenzung der Drohung von Zwangslagen, für die der Handelnde nicht Dasch, S. 76; ihm folgend Gotting, S. 159 (Fußn. 90). Kohte, a.a.O., S. 140; Dasch, S. 78. 49 Kohte, a.a.O., S. 140; Dasch, S. 78f. 50 Kohte, a.a.O., S. 141; Dasch, S. 79. 51 Kohte, a.a.O., S. 141 •, Dasch, S. 79, 81. 52 Rosener, S. 153 f. 53 Zum englischen Recht s. Chatterton v. Gerson [1981] Q.B. 432 (442); Salmond & Heuston, S. 477; Clerk & Lindseil/Brazier, Rz. 13-11; zum US-Recht Prosser/Keeton, 47 48

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und

Aufklärungspflichten

verantwortlich ist, vor allem in zwei Fallgruppen Schwierigkeiten. Erstens ist die Einwilligung eines Strafgefangenen in medizinische Behandlungen nicht ohne weiteres unwirksam, doch muß das Gericht die Freiwilligkeit im Einzelfall besonders kritisch überprüfen 54 . Zweitens wird vor allem in den USA kontrovers darüber diskutiert, ob wirtschaftlicher Druck, vor allem die Drohung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, ausreicht, um zur Nichtigkeit der Einwilligung zu führen 55 . Ein Beispiel bietet der Fall Reavis v. Slominski56, in dem eine Angestellte sich aus Sorge um ihren Arbeitsplatz widerstrebend auf eine sexuelle Beziehung mit ihrem Arbeitgeber einließ. Die Mehrheit des Supreme Court von Nebraska entschied, daß bloßer wirtschaftlicher Druck (economic duress) noch nicht als Drohung zu werten sei. Einer der Richter widersprach jedoch in seinem abweichenden Votum dieser Auffassung nachdrücklich. Gerade angesichts schärferer Gesetze gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz könne eine solche Einwilligung nicht als freiwillig angesehen werden. Oft sei der Arbeitsplatz so wertvoll, daß eine Drohung mit dessen Verlust schwerer wiege als die Androhung von Gewalt 57 . Hinsichtlich der Auswirkung von Irrtümern differenziert das US Restatement of Torts in zweifacher Hinsicht 58 . Erstens ist ein Irrtum nur dann relevant, wenn er sich auf die Natur des Eingriffs, nicht jedoch, wenn er sich auf die weiteren Umstände der Handlung ( c o l l a t e r a l mattters) bezieht59. Erheblich ist etwa das Vortäuschen einer Heilbehandlung, wenn der körperliche Eingriff in Wirklichkeit anderen Zwecken dient. Als Beispiel für einen unerheblichen Irrtum nennt das Restatement die Täuschung einer Prostituierten, die mit Falschgeld bezahlt wird. Zweitens wirkt sich ein Irrtum des Einwilligenden nur dann aus, wenn der Einwilligungsempfänger ihn hervorgerufen hat oder von dem Irrtum weiß. Das englische Recht ist hier zurückhaltender. Sicher ist nur, daß die durch Täuschung hervorgerufene Einwilligung nichtig ist, dagegen ist nicht geklärt, ob die bloße Kenntnis des Handelnden vom Irrtum genügt60. Schwierigkeiten bereitet sowohl im englischen als auch im § 18 (S. 121); Harper/James/Gray, § 3.10 (S. 3:40f.); und das Restatement (Second) of Tort, § 892 B: „(3) Consent is not effective if it is given under duress." 54 Freeman v. Home O f f i c e (No. 2) [1984] Q.B. 524 (554, 557). 55 Zurückhaltend Prosser/Keeton, § 18(S. 121) mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung. 56 Reavis v. Slominski 551 N.W.2d 528 (541), 50 Neb. 711 (1996). 57 Dissenting opinion Gerrard J., a. a. O., S. 545 f. 58 § 892B (2) lautet: „If the person consenting to the conduct of another is induced to consent by a substantial mistake concerning the nature of the invasion of his interests or the extent of the harm to be expected from it and the mistake is known to the other or is induced by the other's misrepresentation, the consent is not effective for the unexpected invasion or harm." 59 Restatement (Second) of Tort, § 892B, comment g; Prosser/Keeton, § 18 (S. 120); Harper /James/Gray, § 3.10 (S. 3:42). 60 Vgl. Clerk & Lindsell/Brazier, Rz. 13-10; Salmond & Heuston, S. 477 f.

I.

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amerikanischen Recht die Täuschung durch Unterlassen. Hinsichtlich der ärztlichen Aufklärungspflicht differenziert, wie sogleich zu zeigen sein wird61, das englische Recht und das Recht der meisten US-Bundesstaaten zwischen der Aufklärung über Art und sichere Folgen des Eingriffs selbst und der Risikoaufklärung. Immer wenn der Patient die Natur des Eingriffs im großen und ganzen verstanden hat, ist seine Einwilligung wirksam. Fehler bei der Risikoaufklärung werden hingegen Behandlungsfehlern gleichgestellt. Sie lassen die Einwilligung unberührt und führen zur negligence-Haftung. Umstrittener ist die Frage, ob eine Einwilligung zum Geschlechtsverkehr unwirksam ist, wenn der Partner mit einer Geschlechtskrankheit oder dem HI-Virus infiziert ist und diese Infektion verschweigt. Während im US-Recht meist von der Nichtigkeit der Einwilligung mit der Folge der Haftung für alle durch eine Infektion hervorgerufenen Schäden ausgegangen wird, hält die Mehrzahl der englischen Autoren die Einwilligung für wirksam62. Stellungnahme

5.

Im Fall von Willensmängeln besteht ein Interessenkonflikt. Der Einwilligende möchte sich - ganz im Sinne des Prinzips „volenti non fit iniuria" - nur Eingriffe gefallen lassen, die auf seinem wirklichen Willen beruhen. Der Handelnde hingegen möchte darauf vertrauen können, daß die Einwilligung so gilt, wie er sie redhcherweise verstehen durfte. Dieser Konflikt unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem in §§ 119ff. B G B geregelten. Dort wie hier gibt es keine logisch zwingende Lösung63. Im Gegenteil ist das Regelungsmodell, für das sich die Verfasser des B G B entschieden haben, in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen hängt die Beachtlichkeit von Willensmängeln nicht davon ab, ob sie dem Erklärenden oder dem Erklärungsempfänger zuzurechnen sind64, zum anderen hat der Gesetzgeber sich nicht für die einfache Nichtigkeit sondern die dogmatisch aufwendigere Anfechtbarkeit mit Rückwirkung entschieden65. Andere interessengerechte Lösungen sind möglich und wurden in der Tat in ausländischen Rechtsordnungen gewählt66. Versucht man nun, den Interessenkonflikt zwischen Einwilligendem und Einwilligungsempfänger frei von jeder gesetzlichen Vorgabe einer gerechten Regelung zuzuführen, so sind verschiedenste Modelle denkbar. § 1 3 114. Für Wirksamkeit Clerk & Lindseil/Brazier, Rz. 13-10; Winfield & Jolowicz S. 727, ebenso Hegarty v. Shine, (1878) 14 Cox C . C . 124 (145), wo allerdings auch das Prinzip „ex turpi causa non oritur actio" eine tragend Rolle spielte; dagegen Salmond & Heuston, S. 477 f. 63 Vgl Flume AT,§ 19 (S. 399);Dasch, S. 78; Thiele, S. 84; Zweigert/Kötz, § 311 (S. 406). 64 Vgl. Zweigert/Kötz, § 31 II (S. 410). 65 Vgl. Larenz/Wolf, § 35, Rz. 34; Thiele, S. 84. 66 Vgl. Zweigert/Kötz, % 31 (S. 405 ff.). 61

62

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Aufklärungspflichten

Dem entspricht die verwirrende Vielfalt der im Privat- und Strafrecht vertretenen Konstruktionen. Angesichts dieser Meinungsverschiedenheit zeigt sich der Vorzug des hier zugrundegelegten methodischen Ansatzes: Die Einwilligung ist Rechtsgeschäft, daher dienen die rechtsgeschäftlichen Vorschriften als Ausgangspunkt; sie können aber der teleologischen Reduktion bedürfen. Wer von ihnen abweichen will, trägt die Argumentationslast; die §§ 119ff. B G B sind also unmittelbar anwendbar, wenn keine zwingenden Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie für die spezielle Problematik des Auseinanderfallens von wirklichem Willen und Einwilligungserklärung nicht passen. Auf diese Weise läßt es sich vermeiden, die relativ bestimmte gesetzliche Terminologie durch dunkle und unklare Begriffe wie denjenigen der „Freiwilligkeit" oder den vom B G H verwendeten Terminus des „einfachen Irrtums" zu ersetzen. Zudem muß jeder, der die §§ 119 ff. B G B auf die Einwilligung für unanwendbar hält, erklären, worin der spezifische Unterschied zwischen der Einwilligung und vertraglichen Gestattungen wie etwa dem Mietvertrag besteht, auf den die Vorschriften über die Anfechtung zweifellos anwendbar sind. Zuvor sei allerdings auf vier Situationen hingewiesen, in denen sich das Problem der Willensmängel bei der Einwilligung gar nicht erst stellt. Erstens gilt bei der Einwilligung wie bei jeder Willenserklärung der Vorrang der Auslegung 67 . Daher fehlt es in vielen Fällen, in denen ein rechtsgutsbezogener Irrtum zu bestehen scheint, bereits an einer Einwilligung, die den konkreten Eingriff deckt 68 . Wer sich wie Paul Dahlke für den redaktionellen Teil einer Tageszeitung fotografieren läßt 69 , willigt nicht in die Verwendung seines Bildes in einer Werbeanzeige ein. Eines Rückgriffs auf die Irrtumslehre bedarf es insoweit nicht. Dasselbe gilt für einige Beispiele, die in der strafrechtlichen Literatur erörtert werden: Wer in einen Faustschlag einwilligt, erlaubt nicht zugleich den Hieb mit einem Schlagring 70 . Zweitens rechtfertigt die Einwilligung nach der oben vorgenommenen Abgrenzung vom „Handeln auf eigene Gefahr" 7 1 nicht die Schaffung eines Risikos, das der Einwilligende nicht kennt: Der Anhalter, der sich in einem Fahrzeug mit einem für ihn unerkennbaren Defekt der Bremsen mitnehmen läßt, willigt nicht in die damit verbundenen Gefahren ein. Dasselbe gilt für den im Strafrecht und im anglo-amerikanischen Recht umstrittenen Fall des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs 67 Vgl. Flume AT II, § 21, 2 (S. 418); Larenz/Wolf § 36, Rz. 36; Zweigert/Kotz, § 31 I (S. 407). 68 So aus strafrechtlicher Sicht Jakobs AT, 7/117; Göbel, S. 86; ähnlich für das österreichische Zivilrecht Resch, S. 156. 69 B G H Z 20, 345, näher zu diesem Fall oben, § 12 II. 70 Beispiel von Arzt, Willensmängel, S. 20; Lösung aus strafrechtlicher Sicht wie hier von Göbel, S. 86. 71 S. oben, § 9 III 2 b.

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Willensmängel

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mit einem HlV-infizierten Partner, der seine Infektion verheimlicht 72 . In beiden Fällen kommt eine Rechtfertigung nicht in Betracht, allenfalls kann es über § 254 BGB zu einer Haftungsminderung kommen. Drittens betrifft die Problematik nur bereits erfolgte Eingriffe. Steht der Eingriff noch bevor, so kann der Betroffene im Fall der einfachen Einwilligung jederzeit widerrufen; auf das Vorliegen eines Willensmangels kommt es nicht an 73 . Wurde der Eingriff aber in bindender Form durch Vertrag gestattet, so muß der Gestattende die Bindung nach allgemeinen Vorschriften lösen, indem er den Vertrag kündigt oder nach §§ 119ff. BGB anficht. Viertens betrifft der im Strafrecht häufig erörterte Irrtum über die Gegenleistung aus privatrechtlicher Sicht nicht die Gestattung selbst, sondern das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft 74 . Sofern die Rechtsordnung eine vertragliche Bindung überhaupt zuläßt, handelt es sich um einen normalen gegenseitigen Vertrag, der unter den Voraussetzungen der § § 1 1 9 ff. BGB anfechtbar ist. Ob von einer wirksamen Anfechtung auch die Gestattung selbst erfaßt wird, hängt von der Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips ab, über die unten 75 entschieden werden soll. Nach diesen Vorbemerkungen soll zunächst überprüft werden, zu welchen Ergebnissen eine Anwendung der §§ 119ff. BGB führen würde, bevor über Modifikationen des gesetzlichen Regelwerks nachgedacht wird. Sie kommen in zweierlei Hinsicht in Betracht. Erstens bedarf die Angemessenheit der Anfechtungsgründe der Uberprüfung, zweitens kann sich der Schwebezustand bis zur Entscheidung über die Anfechtung als für die Einwilligung untragbar erweisen. Beide Aspekte sollten deutlich getrennt werden. So ist es, wie die späte medizinrechtliche Rechtsprechung des RG zeigt, durchaus denkbar, die Anfechtungsgründe der §§ 119, 123 BGB auch auf die Einwilligung anzuwenden, als Rechtsfolge aber die automatische Nichtigkeit anzunehmen 76 . Was die Kategorien erheblicher Willensmängel betrifft, so können beide Alternativen des § 119 I BGB auch bei der Einwilligung ohne weiteres vorliegen. Auch § 119 II BGB ist einschlägig. So bestand ein Irrtum über die Eigenschaft, genauer: die Qualifikation einer Person, im oben dargestellten Famulus-

72 Im Strafrecht w i r d die Problematik nicht unter Einwilligungsgesichtspunkten, sondern vorwiegend unter der Fragestellung diskutiert, ob eine Fremdgefährdung oder die Teilnahme an einer Selbstgefährdung vorliegt, vgl. B G H S t 36, 1 (17); B a y O b L G 1990, 131 (132); Schönke-Schröder/Lenckner, R z . 52a, 107 vor §§ 32ff. m . w . N . Die hier vertretene Lösung stellt das privatrechtliche Gegenstück dieser strafrechtlichen Zurechnungserwägungen dar. 73 Vgl. Rosener, S. 152. 74 Vgl. Kokte, A c P 185 (1985) 105 (139). 75 § 15 III. 76 R G Z 168, 206 (210).

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Fall 77 . Bei Anwendung des § 119 II BGB wäre im Ergebnis dem B G H zu folgen: Die fehlende Approbation ist nur dann nach objektiver Verkehrsanschauung wesentlich, wenn Eingriffe der betreffenden Art üblicherweise dem Arzt vorbehalten bleiben. Die Bedeutung des Irrtums über Eigenschaften einer Sache scheint bei der Einwilligung auf den ersten Blick beschränkt zu sein. Allerdings besteht im Schrifttum Einigkeit darüber, daß der Anwendungsbereich des § 119 II BGB nicht auf Irrtümer über Personen und Sachen im Sinne des § 90 BGB beschränkt ist, sondern daß der Begriff „Sache" hier als „Gegenstand" zu verstehen ist 78 . Legt man § 119 II BGB in diesem Sinne aus, so erfaßt er zwanglos die von Arzt als „rechtsgutsbezogen" bezeichneten Irrtümer. Gegenstand der Einwilligungserklärung ist eine Eingriffsbefugnis, und wer sich über Art, Maß oder Folgen des Eingriffs täuscht, irrt über wesentliche Eigenschaften der Befugnis. Hinsichtlich von Täuschungen und Drohungen enthält § 123 BGB außer dem Kausalitätserfordernis keinerlei Einschränkungen der Anfechtbarkeit, allerdings trifft § 123 II BGB für die Täuschung durch Dritte eine Regelung, die auch für Einwilligungen als praktikabel erscheint. Vergleicht man dieses Modell mit den Ansichten, die in der Literatur vertreten werden, so zeigen sich weitgehende Ubereinstimmungen. Allerdings hat sich vor allem Amelung für eine Art reiner Willenstheorie ausgesprochen, nach der sämtliche Motivirrtümer erheblich sein sollen 79 . Demgegenüber erscheint die in § 119 II BGB getroffene Abgrenzung nach der Verkehrswesentlichkeit als vorzugswürdig. Die reine Motivation des Einwilligenden ist für den Einwilligungsempfänger nicht erkennbar, schärfer formuliert: Sie geht ihn nichts an. Wer sich einer Schönheitsoperation unterzieht, um eine unerhörte Liebe zu beeindrucken, trägt allein das Fehlschlagsrisiko. Das gilt selbst dann, wenn der operierende Chirurg positiv weiß, daß der oder die Auserkorene ein strikter Gegner der Schönheitschirurgie und der Plan damit zum Mißerfolg verdammt ist. Erwägenswerter ist umgekehrt eine Einschränkung des Kreises der beachtlichen Irrtümer nach Zurechnungsgesichtspunkten. Erheblich wären demnach nur Willensmängel, die der Einwilligungsempfänger hervorgerufen hat, durch Vernachlässigung einer Aufklärungspflicht nicht abgewandt hat oder immerhin kannte oder hätte kennen müssen. Auf einer solchen „Sphärentheorie" beruht die Regelung des US Restatement of Torts, im deutschen Strafrecht wird sie von Kühne vertreten. Sie entspricht der 77 Allerdings gehen hier Auslegung und Irrtumslehre ineinander über. Es ist fraglich, ob überhaupt eine Einwilligung vorlag: Wer in eine Operation einwilligt, willigt unter normalen Umständen nur in ihre Vornahme durch einen Arzt ein. 78 Flume AT II, § 24, 2 e (S. 482). Vgl. auch RGZ 149, 235 (238); BGH BB 1952, 330;

MüKo/Kramer, Rz. 128 zu § 119 m. w.N.

79 Vgl. zur Auffassung Amelungs, die Nachweise oben, I 2; ebenso aus zivilrechtlicher Sicht Berger, JZ 2000, 797 (801, Fußn. 47).

1.

Willensmängel

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Risikoverteilung des § 122 II B G B und führt durchaus zu überzeugenden Ergebnissen. Allerdings hat sich der Gesetzgeber nicht für diese Lösung entschieden, obwohl sie allgemein für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen nahegelegen hätte 80 . Außerdem wird auch ohne Modifikation der gesetzlichen Regelung im Bereich der Verschuldenshaftung bei Anwendung des § 142 II B G B meist dasselbe Ergebnis herauskommen. Die Unterschiede zeigen sich immer dann, wenn die objektive Rechtswidrigkeit ausschlaggebend ist, vor allem also bei der Notwehr und im Rahmen des § 1004 B G B . Allerdings liegt es im Wesen dieser Rechtsinstitute, daß der Eingreifende auch das Risiko unverschuldeter Irrtümer trägt. Sofern der Irrtum aus der Sphäre des Einwilligenden stammt, ist der Eingreifende immerhin über § 122 B G B geschützt. Es besteht also keine Veranlassung, bei der Bestimmung relevanter Willensmängel von §§ 119, 123 B G B abzuweichen. Der Hauptunterschied zu den strafrechtlichen und vielen privatrechtlichen Lehren besteht nicht bei der Abgrenzung der erheblichen von den unerheblichen Willensmängeln, sondern bei deren Folgen. Während nach einhelliger Ansicht im Strafrecht und nach wohl herrschender Meinung im Zivilrecht Willensmängel per se zur Nichtigkeit führen, sehen die §§ 142f. B G B die Anfechtbarkeit vor. Hiergegen, vor allem gegen die in § 142 I B G B angeordnete Rückwirkung der Anfechtung bestehen im Schrifttum erhebliche Bedenken 81 . Eindringlich formulierte bereits 1933 Dietz dieses Unbehagen: „Die Rückwirkung der Anfechtung verträgt sich schlechterdings nicht mit dem Wesen der Einwilligung. Habe ich dem A, den ich irrtümlich für einen mir unbekannten Freund meines Bruders halte, erlaubt, bei mir im Garten Blumen zu pflücken, so ( . . . ) kann (ich) die einmal gegebene Einwilligung für die Vergangenheit nicht wieder beseitigen, mit der Folge, daß die inzwischen vorgenommenen Handlungen widerrechtlich werden. Die Widerrechtlichkeit ist eine .Eigenschaft' der historischen Handlung. Entscheidend ist allein, ob damals, im Augenblick der Tat, die Handlung durch meine Einwilligung gedeckt war oder nicht. ( . . . ) War damals das Blumenpflücken rechtmäßig, dann bleibt es auch rechtmäßig. Etwas anderes ist es, wenn A die Einwilligung erschlichen hat, sei es, daß er meinen Irrtum erkannte oder gar erregte, dann liegt keine wirksame Einwilligung vor." 8 2

Diese Argumentation ist naturalistisch 83 : Die Rechtswidrigkeit wird als „Eigenschaft" begriffen, die in der Welt ist und anschließend nicht mehr beseitigt

Vgl.dagegen§ 871 des österreichischen A B G B , dazu Zweigert/Kötz, § 31 II (S. 410). Vgl. etwa die klassische Formulierung beiHdA/Ulsenbeimer, § 139, Rz. 35: „Willensmängel machen die Einwilligung rechtlich unbeachtlich, d.h. konkret: Drohung und Zwang, Täuschung und Irrtum bewirken die Unwirksamkeit der Einwilligung", ebenso Staudinger/Hager, Rz. 1111 zu § 823. 82 Dietz, S. 233. 83 So auch K G M D R 1967, 404 gegen einen Ausschluß der Rückwirkung bei der Anfechtung eines Mietvertrags. 80 81

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und

Aufklärungspflichten

werden kann. Das Argument mag im Strafrecht zwingend sein 84 , es widerspricht aber der Logik des § 142 I B G B , der häufig dazu führt, daß eine Berechtigung nachträglich entfällt. Wird etwa eine Ubereignung wirksam angefochten, so verliert der Erwerber rückwirkend alle Rechte aus dem Eigentum 85 . Zwar hat die Anfechtung von bestimmten Dauerschuldverhältnissen, insbesondere von Arbeits- und Gesellschaftsverträgen, nach inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigter Ansicht keine Rückwirkung, dies gilt aber nicht etwa für Dauerschuldverhältnisse jeder Art 86 . So verliert ein Mieter bei wirksamer Anfechtung des Mietvertrages rückwirkend sein Recht zum Besitz 87 . Das von Dietz gewählte Beispiel ist besonders aufschlußreich, denn die Erlaubnis zum Blumenpflücken ist eine Erwerbsgestattung i.S.d. § 956 I B G B , die nach einer Ansicht als Angebot zur Ubereignung nach § 929 B G B , nach der Gegenansicht als einseitige Verfügung anzusehen ist 88 . Unabhängig von der Konstruktion handelt es sich aber zweifellos um eine Willenserklärung. Wenn Dietz hier § 142 B G B für unanwendbar hält, setzt er sich über den Gesetzeswortlaut hinweg. Den Weg zu einer sachgerechten Lösung weist die oben in § 8 vorgenommene Unterscheidung zwischen der Rechtsübertragung und der vertraglichen Gestattung einerseits und der einseitigen Einwilligung andererseits. Eine automatische Nichtigkeit ersterer im Fall von Willensmängeln ist mit § 142 I B G B nicht zu vereinbaren 89 . Die rückwirkende Änderung der Rechtmäßigkeit bei der Anfechtung vertraglicher Gestattungen ist im Gesetz angelegt und läßt daher keinen Raum für eine teleologische Reduktion. Auch ein Wertungsargument spricht für die Anfechtbarkeit mit ex-tunc-Wirkung. Die Möglichkeit zur Anfechtung verschafft dem Erklärenden ein Wahlrecht 90 . Es kann für ihn durchaus sinnvoll sein, die mangelhafte Gestattung gelten zu lassen, zumal sie in der Regel in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung erteilt wurde: Bei Nichtigkeit per se hätte der Einwilligende seine vertraglich versprochene Leistung nicht erbracht. Auch die gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsfristen führen zu vertretbaren Ergebnissen, da im Fall vertraglicher 84 Vgl. die zum Parallelproblem der rückwirkenden Genehmigung angeführten Nachweise, oben § 12 III. 85 Vgl. R G Z 138, 45; Staudinger/Roth, Rz. 40 zu § 142; MüKo/Medicus, Rz. 17 vor §§ 987-1003; Weimar, M D R 1975, 116 f. 86 Vgl. MüKo/Mayer-Maly/Busche, Rz. 1 5 z u § 142; Staudinger/ Roth, Rz. 3 6 z u § 142, beide m.w.N.; a. A. Erman!Brox, Rz. 10 zu § 142. 87 K G M D R 1967, 404; vgl. auch die in der vorigen Fußn. angeführten Nachw. Unklar ist die Rückwirkung der Anfechtung für den Lizenzvertrag im Immaterialgüterrecht. Der B G H hat in einer unveröffentlichten Entscheidung die Rückwirkung in einem obiter dictum zugelassen, s. B G H v. 13. 7. 1982, X ZR 50/81, S. 7 - „Skiliegesitz". 88 Vgl. MüKo/Quack, Rz. 2 zu § 956; Soergel/Mühl, Rz. 2 zu § 956, beide m.w.N. 89 Ähnlich Soergel/Fahse, Rz. 23 zu § 227. 9 0 Vgl. für die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen im allgemeinen Flume AT II, § 31, 1 (S. 557); Larenz/Wolf, § 35, Rz. 34.

I.

Willensmängel

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Gestattungen das Vertrauen des Gestattungsempfängers auf den Fortbestand seiner Berechtigung grundsätzlich Schutz genießt und er daher erwarten kann, von deren Wegfall unverzüglich (§ 121 I BGB), oder im Fall des § 123 BGB immerhin binnen Jahresfrist (§ 124 I BGB) Kenntnis zu erhalten 91 . Eine andere Bewertung ist f ü r die einseitige Einwilligung angemessen. Sie beruht nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung, daher braucht dem Einwilligenden kein Wahlrecht eingeräumt zu werden. Sofern er die Rechtswidrigkeit nicht geltend machen möchte, zwingt ihn niemand zur Klageerhebung. Eine Nichtigkeit per se ist also unschädlich, zumal dem Einwilligenden die Möglichkeit bleibt, gegenüber dem Handelnden auf Schadensersatzansprüche zu verzichten. Unter diesen Umständen sprechen das Erfordernis der Rechtssicherheit und der - immerhin anzustrebende - Gleichlauf mit dem Strafrecht gegen einen Schwebezustand. Ein weiterer Gesichtspunkt tritt hinzu: Im Bereich höchstpersönlicher Einwilligungen führen die Fristen der §§ 121 I, 124 I BGB zu untragbaren Ergebnissen. Während bei vermögensrechtlichen Austauschgeschäften der Erklärungsempfänger ein Interesse an baldiger Klarheit hat, ist dieses Interesse im Fall der einseitigen Einwilligung gering, da der Handelnde auch bei deren Nichtigkeit keine weiteren Dispositionen treffen muß. Andererseits hat der Einwilligende ein gesteigertes Interesse daran, sorgfältig das Für und Wider des rechtlichen Vorgehens gegen den Handelnden abzuwägen. Der Hinweis Kohtes auf die Flexibilität des § 121 BGB und die Möglichkeit einer Korrektur des § 124 BGB nach Treu und Glauben überzeugt demgegenüber nicht: Die zweifellos gegebene Flexibilität des Merkmals „unverzüglich" besteht nur in sehr engen zeitlichen Grenzen, und bevor eine klare gesetzliche Frist nach § 242 BGB korrigiert wird, erscheint es methodisch vorzugswürdig, die Anfechtungsfristen insgesamt auf Einwilligungen für unanwendbar zu halten. Aus diesen Gründen erscheint der Mechanismus der §§ 142, 143 BGB für einseitige Einwilligungen als wenig sachgerecht 92 , eine teleologische Reduktion insoweit als legitim. Zwei grundlegende dogmatische Weichenstellungen dieser Arbeit führen also zu einem angemessenen, eng am Gesetz orientierten Ergebnis. Z u m einen ermöglicht die Unterscheidung zwischen der vertraglichen Gestattung und der einseitigen Einwilligung eine Differenzierung, die einen Widerspruch zwischen Einwilligungslehre und Vertragsrecht verhindert und zugleich durch die 91 Insoweit zutreffend Dasch, S. 79, der allerdings nicht zwischen der vertraglichen Gestattung und der einseitigen Einwilligung differenziert. 92 Zwar könnte man mit Rosener, S. 153 f., erwägen, auf der grundsätzlichen Anfechtbarkeit zu bestehen und lediglich eine teleologische Reduktion der §§ 121, 124 BGB vorzunehmen, doch in den Fällen der einseitigen Einwilligung läuft die Annahme einer Anfechtungserklärung jedenfalls dann meist auf eine Fiktion hinaus, wenn der Verletzte keine Klage erhebt. So erscheint es konstruiert, wenn Dasch, S. 80, eine Notwehrhandlung des Einwilligenden als konkludente Anfechtung ansieht.

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und

Aufklärungspflicbten

teleologische Reduktion der §§ 142,143 B G B eine sinnvolle Lösung für höchstpersönliche Einwilligungen ermöglicht. Zum anderen verhilft das Verständnis der Einwilligung als Rechtsgeschäft der Irrtumslehre zu einer klaren dogmatischen Grundlage, die gerade angesichts der unübersichtlichen Vielfalt zivilrechtlicher Lösungen als besonders wünschenswert erscheint. Dabei wird den Interessen des Einwilligenden weitgehend Rechnung getragen, da die Einwilligung auch bei zahlreichen einseitigen Irrtümern nichtig ist. Das Interesse des Einwilligungsempfängers wird durch das Verschuldenserfordernis und durch § 122 II B G B geschützt: Er haftet im Rahmen der Verschuldenshaftung nur, wenn er den Willensmangel kannte oder kennen mußte (§ 142 II B G B ) . Bloße einseitige Irrtümer, die für den Einwilligungsempfänger nicht erkennbar waren, fallen ihm also nicht zur Last. Damit besteht ein hinreichend flexibles Kriterium, das es insbesondere ermöglicht, Aufklärungspflichten des Einwilligungsempfängers Rechnung zu tragen. Außerhalb der Verschuldenshaftung treffen den Einwilligungsempfänger bei Vorliegen eines beachtlichen Willensmangels zwar die Konsequenzen seines rechtswidrigen Handelns, die vermögensrechtlichen Folgen kann er aber unter den Voraussetzungen des § 1 2 2 B G B auf den Einwilligenden abwälzen 93 .

II. Aufklärungspflichten 1.

Einführung

Zwischen Aufklärungspflichten und Willensmängeln besteht ein enger Zusammenhang. Der Aufklärungsmangel führt dazu, daß beim Erklärenden eine Fehlvorstellung hervorgerufen oder aufrechterhalten wird, so daß die Willensbildung im Vorfeld der Erklärungshandlung unter einer Störung leidet. Grundsätzlich ist jeder selbst dafür zuständig, sich für eigene Entscheidungen die nötige Informationsgrundlage zu verschaffen. Die Bedeutung der Aufklärungspflicht besteht darin, daß sie dieses Informationsrisiko verlagert. Allgemein spielen Aufklärungspflichten im Privatrecht in zwei unterschiedlichen Regelungskontexten eine Rolle. Soweit Vorschriften eine arglistige Täuschung voraussetzen, steht dem die bewußte Verletzung einer Aufklärungspflicht gleich, insbesondere ist sie nach § 123 I B G B Anfechtungsgrund 94 . Aber auch unabhängig von der Gültigkeit der Erklärung des Getäuschten kann die Ver93 Im Fall des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 I B G B muß der Handelnde also mangels einer Duldungspflicht (§ 1004 II B G B ) die Beeinträchtigung zwar beseitigen, die finanziellen Folgen trägt aber unter den Voraussetzungen des § 122 B G B der Einwilligende. 94 Statt aller MüKo / Kramer, Rz. 14 zu § 123; Larenz/Wolf, § 37, Rz. 5, beide m. w.N. Entsprechendes gilt im Strafrecht für § 263 StGB, vgl. Scbönke-Scbröder/Cramer, Rz. 18 zu § 263.

II.

Aufklärungspflichten

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letzung einer Aufklärungspflicht die Haftung aus Vertrag 95 oder Delikt 96 auslösen. Im deutschen Recht wird allerdings bisher kaum der Versuch unternommen, die Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Einwilligung zur Lehre von den Willensmängeln oder den Aufklärungspflichten im übrigen Privatrecht in Beziehung zu setzen. Statt dessen hat vor allem die Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärungspflicht eine erhebliche Eigendynamik entwickelt und sich von zivilrechtlichen Systembegriffen weitgehend gelöst. Mittlerweile besteht zu den Modalitäten der Aufklärung eine umfangreiche und differenzierte Kasuistik. Sie beruht auf einer Prämisse, die in der Rechtsprechung nicht mehr in Frage gestellt wird: Die Aufklärung ist Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung, daher ist die Einwilligung bei Aufklärungsmängeln nichtig. Da der ärztliche Eingriff also nicht von einem Rechtfertigungsgrund gedeckt wird, ist er rechtswidrige Körperverletzung, so daß der Arzt dem Patienten für alle Schäden haftet, die sich aus dem Eingriff ergeben. Die Entwicklung dieser Rechtsprechung bildet den Ausgangspunkt der folgenden Darstellung (2). Die Literatur (3) folgt zum Teil der Rechtsprechung, zum Teil kritisiert sie hingegen, wie oben gezeigt 97 , die Einordnung der ärztlichen Eigenmacht als Körperverletzung. Erstaunlicherweise greifen aber auch die Kritiker der Rechtsprechung nur selten die Gleichsetzung des Eingriffs nach mangelhafter Aufklärung mit dem ohne jede Einwilligung erfolgenden Eingriff an. Daß diese Gleichsetzung nicht zwingend ist, zeigt ein Blick ins US-Recht (4), dem der Begriff des „informed consent" entstammt. Wie sich zeigen wird, liegt diesem Ausdruck, der auch hierzulande in zunehmendem Maße Verwendung findet, eine dogmatische Konstruktion zugrunde, die für das deutsche Recht bisher kaum erwogen wurde. Im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen steht die ärztliche Aufklärungspflicht, die in allgemeiner Form gesetzlich bisher nicht geregelt wurde. Nur für spezielle medizinische Situationen ist die Aufklärung ausdrücklich vorgeschrieben, insbesondere für die klinische Prüfung von Arzneimitteln (§ 40 I Nr. 2 A M G ) , die Lebendspende von Organen (§ 8 II 1 TPG) 9 8 , die 95 Vgl. den Überblick über vertragliche Aufklärungspflichten bei Erman/Werner, Rz. 63 f. zu § 2 4 2 . 96 Insbesondere kann die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung einer Offenbarungspflicht die Haftung nach § 826 B G B auslösen, vgl. Erman/Schiemann, Rz. 35, 38 zu § 826; Larenz/Canaris SchR II/2, § 7 8 I V 3 (S. 4bO);Soergel/Hönn/Dönneweg, Rz. 109 ff., 191 ff. zu § 826, alle m.w.N. 97 § 10 II 1. 98 Nach § 8 II T P G gelten zusätzliche Kautelen: Die Aufklärung muß durch einen Arzt in Anwesenheit eines weiteren Arztes und, soweit erforderlich, anderer sachverständiger Personen erfolgen. Der Inhalt der Aufklärung und die Einwilligungserklärung des Organspenders sind in einer Niederschrift aufzuzeichnen, die von den aufklärenden Personen, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist.

374

§ 13 Willensmängel und

Aufklärungspflichten

Blutspende ( § 6 1 T F G ) und die Kastration ( § 3 1 KastrG). Auch einige internationale und supranationale Deklarationen und Rechtsakte sehen eine Aufklärungspflicht vor, etwa Ziff. B 22 der Deklaration von Helsinki in der Neufassung von 2 0 0 0 " , Art. 5 II des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin des Europarates 1 0 0 und Erwägungsgrund 26 der E G - R i c h t l i n i e zur Patentierung biotechnologischer Erfindungen 1 0 1 . Außerhalb des Medizinrechts bestehen nur vereinzelt gesetzliche Aufklärungspflichten, das praktisch wichtigste Beispiel findet sich im Datenschutzrecht, w o die E G - D a t e n schutzrichtlinie 1 0 2 , das B D S G 1 0 3 und die Datenschutzgesetze der Länder 1 0 4 spezielle Aufklärungspflichten enthalten. O b darüber hinaus die Aufklärung über den Zweck des Eingriffs eine allgemeine Voraussetzung der Einwilligung oder jedenfalls der persönlichkeitsrechtlichen Einwilligung darstellt, ist bisher kaum geklärt. Auf diese Frage wird in der abschließenden Stellungnahme (5) zurückzukommen sein.

2. Die ärztliche Aufklärungspflicht der Rechtsprechung

in der

Beurteilung

Die Beurteilung des ärztlichen Heileingriffs durch die Rechtsprechung wurzelt in Entscheidungen des Reichsgerichts zu eigenmächtigen Eingriffen, denen entweder gar keine Einwilligung oder eine unwirksame Einwilligung Minderjähriger vorausging. Aufklärungspflichten spielten in der Rechtsprechung des R G noch keine nennenswerte Rolle. Dementsprechend unterschied das Gericht regelmäßig nicht zwischen den unterschiedlichen Bezugspunkten der Einwilligung, nämlich dem finalen Eingriff in die körperliche Integrität und dem Risiko von Fehlschlägen und Nebenwirkungen. N o c h 1912 entschied das Gericht, eine allgemeine ärztliche Aufklärungspflicht bestehe nicht, vielmehr sei die umfassende Belehrung des Kranken über alle möglichen Folgen der Operation nicht selten sogar falsch, da der Kranke von einer zweckmäßigen Operation abgeschreckt oder so verängstigt werden könne, daß der Heilerfolg gefährdet sei 1 0 5 . Erst nach 1930 begann das R G , eine Rechtspflicht des Arztes zur Aufklärung vorsichtig zu befürworten. In einer Abgedr. in NJW 2001, 1774ff. Abgedr. bei Deutsch MedR, Rz. 1032. 101 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.7.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl. EG Nr. L 213 vom 30.7.1998, S. 13 = GRUR Int. 1998, 675. 102 Art. 2 h, lOff. der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31; dazu Dammann/Simitis, Rz. 24 zu Art. 2; Ehmann/Helf rieh, Rz. 70 zu Art. 2. 103 § 4a I 2 BDSG, dazu Körner, FS Simitis, S. 131 (139ff.). 104 Beispiel: Art. 15 II des bayerischen Datenschutzgesetzes. 105 RGZ 78, 432 (434). 99

100

II.

Aufklärungspflichten

375

Entscheidung von 1931 1 0 6 , die allerdings im Schrifttum teilweise abgelehnt wurde 1 0 7 , leitete das R G die ärztliche Aufklärungspflicht aus dem Behandlungsvertrag ab: Rufe der Arzt beim Patienten einen Irrtum hervor, so hafte er wegen Verletzung seiner allgemeinen Beratungspflicht auf Ersatz des Schadens, den der Patient dadurch erleide, daß er sich der Operation unterziehe. In der letzten Entscheidung des R G zur Einwilligung des Patienten von 1941 1 0 8 fand die ärztliche Aufklärungspflicht nur am Rande Erwähnung. D e r Fall wurde mit der Maßgabe an die Vorinstanz zurückverwiesen, sie möge aufklären, „ob der Kläger die Einwilligung in die Verödungsbehandlung ohne hinreichende B e lehrung über die Tragweite dieser Behandlungsart erteilt" habe, denn „auch eine Einwilligung, die von dem Kranken angesichts hiernach notwendiger, aber unzureichender oder gänzlich unterlassener Aufklärung erteilt wird, kann den Eingriff nicht rechtfertigen". Eine Begründung unterblieb allerdings ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der früheren Rechtsprechung. Ins allgemeine Bewußtsein der Juristen und Mediziner drang die Aufklärungsproblematik erst mit vier Urteilen, die der B G H in den Jahren 1954 bis 1959 fällte 109 . Im ersten dieser Fälle war der Patient nicht über die Risiken einer Elektroschockbehandlung aufgeklärt worden 1 1 0 . D e r B G H wies die Auffassung der Revision zurück, die Einwilligung sei gültig und allenfalls anfechtbar. Vielmehr sei eine Einwilligung nur wirksam, wenn der Patient „Wesen, Bedeutung und Tragweite des ärztlichen Eingriffs jedenfalls in seinen Grundzügen erkannt" habe 1 1 1 . Zur Begründung bezog sich der B G H auf einige Entscheidungen des R G und des B G H zum „Handeln auf eigene Gefahr", vor allem zur Teilnahme an einer gefährlichen Autofahrt, und auf zwei arztrechtliche Urteile des R G . Dieser Versuch, das Urteil in eine kontinuierliche Entwicklung einzubetten, gibt Anlaß zur Kritik. D i e „Mitfahrerfälle" weisen zum ärztlichen Eingriff erhebliche Unterschiede auf 112 , die der B G H mit keinem W o r t erwähnt. D i e Ausführungen des R G zur Aufklärungspflicht, die in der Begründung zitiert werden, sind obiter dicta, ohne daß der B G H dies kenntlich macht 1 1 3 . N e b e n die richterrechtliche Herleitung der Rechtspflicht 106 RG JW 1932, 3328 (3329f.) m. Anm. v. Straßmann, Neukirch und Philipsborn; vgl. auch O L G Naumburg JW 1932, 3369 (3370). 107 Ablehnend die in der vorigen Fußn. zit. Anm. von Straßmann und Neukirch, zweifeld diejenige von Philipshorn. 108 RGZ 168, 206 (213). 109 BGH v. 10. 7.1954-,,/. Elektroschockurteil", veröffentlicht erst zwei Jahre später in NJW1956,1106 (1107); BGHZ 29,46 (49ff., 58)-„2. Elektroschockurteil";'&GHZ2% 176 (180)- „Strahlenurteil"-, BGHSt 11, 111 - „Myomurteil". 110 BGH NJW 1956, 1106. 111 BGH NJW 1956, 1106 (1107) im Anschluß an Eberhard Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, S. 96. 112 S. oben, § 9 IV 2 a. 113 Der BGH führt ein wörtliches Zitat aus RGZ 163, 129 (138) an, ohne jedoch zu erwähnen, daß das RG wenige Sätze zuvor (S. 137) die Frage der Aufklärungspflicht

376

§ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

zur Aufklärung treten allerdings Wertungsgesichtspunkte, die später im 2. Elektrosckockurteillu noch ergänzt wurden: Das Erfordernis einer Einwilligung gründe im verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Patienten 115 . Nur wenn der Patient in groben Zügen wisse, was er riskiere, könne die Einwilligung ihren Sinn und Zweck erfüllen, den Eingriff zu rechtfertigen und einen Teil der Verantwortung des Arztes auf den Patienten zu übertragen116. Aus diesem Grund sei die Aufklärung für den Arzt zugleich rechtliche und ethische Verpflichtung117. Seit diesen Urteilen hat sich die Grundaussage der Rechtsprechung nicht mehr verändert. In den zahlreichen Urteilen zur Aufklärungspflicht, die seitdem ergangen sind, wurde nur die innere Struktur des Richterrechts verfeinert 118 . Inzwischen besteht ein dichtes Netz von Präjudizien, das Adressat, Umfang, Zeitpunkt und Form der Aufklärung vergleichsweise detailliert regelt. Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist es nicht erforderlich, die Linien dieses komplexen Richterrechts im einzelnen nachzuzeichnen. Eine in wenige Sätze gedrängte Zusammenfassung möge zum Verständnis der folgenden Überlegungen genügen, im übrigen sei auf die Menge einschlägiger Darstellungen in der Literatur verwiesen119. Das Aufklärungsgespräch muß vom Arzt selbst geführt werden120. Adressat ist derjenige, der für die Erteilung der Einwilligung zuständig ist, also in aller Regel der Rechtsinhaber oder sein gesetzlicher Vertreter121. Gegenstand der Aufklärung sind in erster Linie der Befund (Diagnoseaufklärung), Art, Tragweite, Dringlichkeit, voraussichtlicher Verlauf und sichere Folgen des Eingriffs (Verlaufsaufklärung) und Risiken und mögliche Nebenwirkungen der Behandlung (Risikoaufklärung)122. Der Umfang der Aufklärung bestimmt sich nach mehreren Faktoren, die ein

ausdrücklich offengelassen hatte. Auch bei der zweiten Fundstelle, R G Z 168, 206 (210, 213) - vom B G H fälschlich als R G Z 178 zitiert - handelt es sich um ein obiter dictum, da die Einwilligung in casu durch eine Drohung veranlaßt worden war. 114 B G H Z 29, 46. 115 B G H Z 29, 46 (49, 54f.); B G H St 11, 111 (113 f.). 116 B G H Z 29, 46 (54). 117 B G H N J W 1956, 1106 (1107); B G H Z 29, 46 (50). 118 Grundlegend aus der neueren Rechtsprechung vor allem die Urteile B G H Z 90, 103 und 106,391. 119 Vgl. aus der Fülle der Literatur Deutsch MedR, Rz. 100 ff.; Giesen ArztHR, Rz. 200 ff.; HdA/Laufs, 11. Kapitel (§§61 ff.); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 322ff.; Laufs ArztR, Rz. 160 ff.; Tempel, N J W 1980, 609 ff.; MüKo /Mertens, Rz. 419ff. zu § 823; Palandt/ Thomas, Rz. 45 ff. zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 76 ff. sowie die jährlichen Berichte zum Medizinrecht von Laufs, zuletzt N J W 2000, 1757 (1760). 120 B G H N J W 1974, 604; B G H Z 90, 103 (110f.); B G H N J W 1985, 1399; Deutsch MedR, Rz. 137; Laufs ArztR, Rz. 210; MüKo/Mertens, Rz. 442 zu § 823 B G B . 121 B G H Z 29, 33 (37); Deutsch MedR, Rz. 145; HdA/Laufs, § 66, Rz. 7. 122 B G H Z 29, 46 (50); 90, 103 (106); 106, 391 (399); Deutsch MedR, Rz. 112ff.; HdA/ Laufs, § 6 3 , Rz. 11 ff.

II.

Aufklärungspflichten

377

„bewegliches System" 123 bilden: Je größer und je typischer ein bestimmtes Risiko, je weniger dringlich und je vermeidbarer der Eingriff, desto mehr ist aufzuklären 124 . Die Aufklärung muß so zeitig erfolgen, daß der Patient noch eine genügende Bedenkzeit hat 125 : Wenn der Patient bereits auf dem Operationstisch liegt, ist es zu spät 126 ; ob eine Aufklärung am Vorabend genügt, hängt von den Besonderheiten des Einzelfalls ab 127 . Das Aufklärungsgespräch soll dem Patienten ermöglichen, die Behandlung in ihren groben Zügen zu verstehen 128 . Auch wenn zunehmend Formulare und Broschüren zur Aufklärung verwendet werden, macht das die mündliche Aufklärung nicht entbehrlich 129 . Ein Formerfordernis für die Einwilligung besteht nicht, doch wird in der Praxis inzwischen vom Patienten häufig eine schriftliche Erklärung verlangt 130 . Die Aufklärung ist entbehrlich, wenn der Patient bereits aufgeklärt ist oder selbst über die notwendigen medizinischen Kenntnisse verfügt 131 . Der Patient kann auf die Aufklärung verzichten, der Verzicht ist aber nur wirksam, wenn der Patient ihn deutlich zu erkennen gibt 132 . Umstritten ist die Frage, wann der Arzt aus therapeutischen Gründen von der Aufklärung absehen kann. Die strenge Haltung der Rechtsprechung zu diesem Punkt 133 wird im Schrifttum als zu engherzig kritisiert 134 . Rechtsfolge der unzureichenden oder fehlenden Aufklärung ist, wie dargestellt, die Unwirksamkeit der Einwilligung. Sofern nicht andere Rechtfertigungsgründe eingreifen - zu denken ist insbesondere an die mutmaßliche Einwilligung oder den rechtfertigenden Notstand - haftet der Arzt aus Vertrag oder nach § 823 I BGB wegen Körperverletzung für alle Folgeschäden 135 . Da die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vom 123 Begriff im Anschluß an Wilburg, AcP 163 (1964) 346 ff.; weitere Nachw. bei MüKo/ Mayer-Maly/Armbrüster, Rz. 29 zu § 138. 124 Tempel, NJW 1980, 609 (611 ff.); MüKo/Mertens, Rz. 423 zu § 823; Staudinger/ Hager, Rz. I 84 zu § 823. 125 Ausführlich Deutsch, NJW 1979,1905 ff.; vgl. auch HdA/Laufs, § 66, Rz. 6; MüKo/ Mertens, Rz. 44 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 106ff. zu § 823. 126 BGH VersR 1983, 957; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2355. 127 OLG Köln NJW 1992, 1564; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 347; grundsätzlich bejahend Deutsch, NJW 1979, 1905 (1907); grundsätzlich verneinend Tempel, NJW 1980, 609 (615). 128 BGHZ 90, 103 (108); 106, 391 (399); MüKo/Mertens, Rz. 432 zu § 823. 129 BGHZ 90, 103 (110); HdA/Laufs, § 66, Rz. 14; MüKo/Mertens, Rz. 442 zu § 823; Tempel, NJW 1980, 609 (616). 130 S. das Textbeispiel in § 15 I, Fußn. 2. 131 BGH NJW 1980,633 (634); OLG Hamm VersR 1998,322 (323); Staudinger/Hager, Rz. I 101 m.w.N. 132 BGHZ 29, 46 (54); HdA/Laufs, § 64, Rz. 17f.; MüKo/Mertens, Rz. 445 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 100 zu § 823; Tempel, NJW 1980, 609 (614). 133 Vgl. BGHZ 29, 176 (182); 90, 103 (109f.). 134 Etwa von Tempel, NJW 1980, 609 (614); Deutsch ArztR, Rz. 149 ff. und NJW 1980, 1305 (1306f.); HdA/Laufs, § 64, Rz. 21; MüKo/Mertens, Rz. 436 zu § 823. 135 Zusammenfassend BGHZ 106,391 (398); HdA/Laufs, § 67; Staudinger/Hager, Rz. I 118 ff. zu § 823.

378

§ 13 Willensmängel und

Aufklärungspflichten

Schädiger zu beweisen sind, trägt der Arzt nach der Konstruktion der Rechtsprechung die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er den Patienten ausreichend aufgeklärt hat 136 . Diese Beweislastverteilung ist für den Patienten günstiger als im Bereich der Behandlungsfehler, die er als Anspruchsteller nachzuweisen hat 137 . Dies dürfte der wichtigste Grund dafür sein, daß sich die Aufklärungspflichtverletzung in Arzthaftungsprozessen zum häufig herangezogenen Ausweichtatbestand entwickelt hat. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Schädigung ist nur gegeben, wenn der Patient bei hinreichender Aufklärung seine Einwilligung nicht erteilt hätte. Die Rechtsprechung läßt den auf diese Überlegung gestützten Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens durch den Arzt in engen Grenzen zu 138 : Auf den Einwand hin hat der Patient darzulegen, daß er vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Ein weiteres Zurechnungsproblem besteht in der Frage, ob der Arzt nur dann haftet, wenn sich gerade das aufklärungspflichtige Risiko verwirklicht hat 139 . Die Rechtsprechung differenziert: Grundsätzlich haftet der Arzt auch für solche Risiken, über die er nicht aufzuklären brauchte, doch ausnahmsweise entfällt der Zurechnungszusammenhang, wenn dem Patienten insgesamt ein angemessenes Risikobewußtsein vermittelt wurde 140 . Ein nach § 254 BGB anspruchsminderndes Mitverschulden des Patienten bei mangelhafter ärztlicher Beratung kommt nur ausnahmsweise, etwa bei falschen Auskünften über persönliche Verhältnisse, in Betracht 141 . Das BVerfG hat inzwischen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur ärztlichen Aufklärungspflicht für verfassungsgemäß erklärt 142 . Meist wird zwischen der soeben dargestellten Selbstbestimmungsaufklärung, die von der ganz herrschenden Meinung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Einwilligung angesehen wird, und der therapeutischen Aufklärung unterschieden 143 . Letztere, die auch als Sicherungsaufklärung bezeichnet wird, soll 136 B G H N J W 1978, 587 (588); 1984,1807 = JZ 1985,236 m. Anm. Giesen-, B G H NJW 1992, 741 (742); Müller, N J W 1997, 3049 (3051); eingehend Franzki, S. 120 ff.; krit. Baumgärtel in Gedächtnisschrift Bruns, S. 93 ff.; s. zur Beweislast auch unten, II 5. 137 B G H Z 99, 391 (398); 129, 6 (10); 132, 47 (49); Baumgärtel/Baumgärtel, Rz. 1 ff. zu § 823, Anh. C II; Deutsch MedR, Rz. 156ff.; HdA/Laufs, § 63, Rz. 3; MüKo/Mertens, Rz. 405 ff.; Müller, NJW 1997, 3049. 138 B G H Z 90, 96 (99 f.); N J W 1991, 1543; 2342, 2344; Nüßgens, FS Nirk, S. 745 ff.; Deutsch MedR, Rz. \b\-,MüKo/Mertens, Rz. 454 zu § 823;Staudinger/Hager, Rz. 1121 ff. zu § 823 m . w . N . 139 B G H Z 144, 1; B G H N J W 2001, 2798; Steffen, FS Medicus, S. 637ff. 140 B G H Z 106, 391 (396 ff.); vgl. auch B G H Z 90, 96 (101); Giesen ArztHR, Rz. 295 ff.; Staudinger/Hager, Rz. I 119 f. zu § 823 m.w.N.; krit. Deutsch MedR, Rz. 165. 141 B G H NJW 1976,363 (364); N J W 1997,1635; Staudinger/Hager, Rz. 1114 zu § 823. 142 BVerfGE 52, 131; strenger allerdings die abweichende Meinung der Richter Hirsch, Niebier und Steinberger, a. a. O., S. 171 ff. 143 B G H Z 107, 222; B G H N J W 1994, 3012; Deutsch MedR, Rz. 118; Laufs ArztR, Rz. 163 ff., 168 und HdA/Laufs, § 62, Rz. 1; Staudinger/Hager, Rz. I 78 zu § 823.

II.

379

Aufklärungspflichten

dem Patienten Anleitungen für eine gesunde Lebensführung geben und vor nachteiligen Folgen des eigenen Verhaltens warnen. Mängel bei der therapeutischen Aufklärung gelten als Behandlungsfehler, für die den Patienten die Beweislast trifft. Auch die Aufklärung über die Risiken der Nichtbehandlung fällt in diese Kategorie144. Zwar gehört sie inhaltlich eher zur Selbstbestimmungsaufklärung, da sie dem Patienten Informationen für die Entscheidung zwischen Einwilligung und Behandlungsverweigerung gibt, die Verletzung dieser Aufklärungspflicht wird jedoch als Behandlungsfehler eingestuft und der entsprechenden Beweislastverteilung unterworfen145. 3. Ansätze zu Entkopplung in der Literatur

von Einwilligung

und

Aufklärungspflicht

Die Gleichstellung des Eingriffs nach unzureichender Risikoaufklärung mit dem eigenmächtigen Heileingriff wird auch in der Literatur kaum in Frage gestellt oder auch nur einer eingehenden Analyse unterzogen. Diejenigen Autoren, die der Körperverletzungstheorie der Rechtsprechung folgen, verweisen meist auf die überragende Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts, das der Patient ohne vorherige ärztliche Aufklärung nicht sinnvoll wahrnehmen könne146. Deutsch erwägt zwar, die mangelhafte Aufklärung parallel im Vertrags- und Deliktsrecht als selbständige fahrlässige Pflichtverletzung zu beurteilen, zieht aber letztlich aus Gründen der Beweislastverteilung die Konstruktion der Rechtsprechung vor147. Zwar ist die Körperverletzungskonstruktion der Rechtsprechung, wie oben dargestellt148, starker Kritik ausgesetzt, die aber bei der Einordnung des Heileingriffs als tatbestandliche Körperverletzung ansetzt. Sowohl der eigenmächtige Eingriff als auch der Eingriff ohne vorherige hinreichende Aufklärung werden als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen149, für die freilich nach verbreiteter Auffassung der Patient die Beweislast tragen soll, da bei Eingriffen ins allgemeine Persönlichkeitsrecht die Rechtswidrigkeit nicht indiziert sei. Der Unterschied zur herrschenden Ansicht betrifft also das verletzte Recht, nicht hingegen den Zusammenhang zwischen Aufklärung und Einwilligung: Auch nach der „PerB G H Z 107, 222 (227); Laufs ArztR, Rz. 163, und in HdA, § 62, Rz. 3; Staudinger/ Rz. I 28 zu § 823; offen Deutsch MedR, Rz. 117. 145 B G H Z 107, 222 (228). 146 Deutsch MedR, Rz. 111 und N J W 1979,1905; Giesen ArztHR, Rz. 204,213; MüKo/ Mertens, Rz. 419 zu § 823; Staudinger/Hager, Rz. I 76 zu § 823; vgl. auch die abweichende Meinung der Richter Hirsch, Niehler und Steinberger in der Entscheidung des BVerfG zu Grundfragen der ärztlichen Aufklärungspflicht, B V e r f G E 52, 131 (176). 147 Deutsch MedR, Rz. 157. 148 § 10 II 1. 149 Deutlich etwa Larenz/Canaris, § 76 II 1 g (S. 383), der den eigenmächtigen Heileingriff als Verletzung der körperlichen Integrität des Patienten ohne hinreichende Risikoaufklärung definiert; anders allerdings Wiethölter, S. 103, s. den folgenden Text. 144

Hager,

380

§ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

sönlichkeitsrechtstheorie" ist die Einwilligung nach unzureichender Aufklärung unwirksam. Diese „nivellierende Gleichstellung der Nichtaufklärung mit dem Fall der fehlenden Einwilligung" stellt Geilen in Frage 150 . In seiner strafrechtlichen Untersuchung, die auch zahlreiche anregende Gedanken zum Zivilrecht enthält, kritisiert er, daß die Rechtsprechung für die Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff die Kopplung zwischen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung aufgelöst habe. Indem der Arzt zur „Selbstbestimmungsfürsorge" verpflichtet werde, werde ausgerechnet die Beseitigung der Mündigkeit der Willensbildung zu einem Postulat der Autonomie 151 . Begründet werde diese systemfremde Konstruktion mit dem „üblichen, lakonischen und insoweit gar nicht mehr in Frage gestellten Hinweis, daß eine wirksame Einwilligung in ,Kenntnis von Bedeutung und Tragweite' erteilt" sein müsse 152 . Die Aufklärung als Wirksamkeitsvoraussetzung einer deliktsrechtlichen Einwilligung sei eine „ganz singuläre Erscheinung", der „mit apodiktischen Postulaten, mit einer kurzerhand unterschobenen ,Wesensvoraussetzung'" nicht beizukommen sei153. Die Konstruktion von Rechtsprechung und herrschender Meinung setze die Akzente falsch, denn sie führe dazu, daß Lücken im Vorstellungsbild des Patienten als etwas Irreguläres begriffen würden 154 . Damit werde aber die Möglichkeit durchschnittlicher Patienten, Ablauf und Risiko einer Heilbehandlung intellektuell und voluntativ zu erfassen, maßlos überschätzt. Demgegenüber unterscheidet Geilen zwischen der „Finalitätseinwilligung", die sich auf den gezielt vorgenommenen körperlichen Eingriff bezieht, und der „Risikoeinwilligung" 155 . Hinsichtlich ersterer sei eine Aufklärung eigentlich nicht erforderlich. Der Patient müsse hierfür nur die Zielrichtung des Eingriffs selbst erfaßt haben, also etwa wissen, daß ihm kein Zahn extrahiert werde, sondern Nieren- oder Gallensteine 156 . Die Aufklärung beziehe sich vielmehr auf die mit einer Einwilligung verbundene Risikoübernahme. Daher sei auch die Persönlichkeitsrechtstheorie abzulehnen, denn es gehe nicht um isolierten Freiheitsschutz, sondern um eine möglichst fehlerfreie Motivation bei der Übernahme eines Risikos für Körper und Gesundheit 157 . Im Ergebnis spricht sich Geilen dafür aus, hinsichtlich des Eingriffs ohne jede Einwilligung die Körperverletzungskonstruktion beizubehalten 158 . Hingegen lasse sich die Aufklärung von der Therapie nicht trennen, beide 150 151 152 153 154

155 156 157 158

Geilen, Einwilligung und ärztliche Aufklärungspflicht, S. 158. A.a.O., S. 151. A.a.O., S. 152. A.a.O., S. 159. A.a.O., S. 160.

A.a.O., S. 136ff.

A.a.O.,S. 139. A.a.O.,S. 168. A.a.O., S. 175.

II.

381

Aufklärungspflichten

Bereiche seien funktionell verzahnt159. Die Aufklärungspflicht müsse also unabhängig von der Einwilligung gesehen werden, inhaltlich sei sie flexibel zu gestalten und an die ärztliche Standesethik anzulehnen160. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag von Brüggemeier, die Aufklärungspflicht als berufsspezifische ärztliche Verhaltenspflicht anzusehen und aus dem Zusammenhang mit der Einwilligung zu lösen161. Die Einwilligung verliere damit ihre zentrale haftungsrechtliche Funktion und die Aufklärungspflicht werde unter die übrigen ärztlichen Verhaltenspflichten eingeordnet. Schutzobjekt der Aufklärungspflicht sei dabei das „Selbstbestimmungsrecht über die leiblich-psychische Integrität", das zwei Aspekte aufweise: Autonomie und körperliche Integrität. Beides lasse sich im Sinne eines „Persönhchkeitsrechts am eigenen Körper" (Larenz) oder im Sinne der von Deutsch begründeten „Transparenztheorie" nicht trennen. Diese Konstruktion modifiziere die bisherige Beweislastverteilung. Nach allgemeinen Regeln treffe den Patienten danach die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Aufklärungspflicht, für ihre Verletzung, für die Voraussetzungen des Schadenseintritts und die haftungsausfüllende Kausalität. Allerdings könne in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Produzentenhaftung eine Beweislastumkehr für den Fall angenommen werden, daß das Gericht das Bestehen einer Aufklärungspflicht bejahe. Zu einer ähnlichen Konstruktion gelangt auf der Grundlage der Persönlichkeitsrechtstheorie Wiethölter162: Der lege artis vorgenommene Heileingriff sei keine Körperverletzung, doch die Nichtaufklärung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Damit sei die Aufklärung nicht Voraussetzung eines Rechtfertigungsgrundes, vielmehr sei die Nichtaufklärung ein spezifisches Element des Unrechts selbst. 4. Die Theorie des „informed ihre Diskussion im englischen

consent" im US-Recht Recht

und

Das Spannungsverhältnis zwischen salus und voluntas aegroti beschäftigt nicht nur die Gerichte in Deutschland; es ist der Medizin geradezu inhärent und taucht vor allem in Gesellschaften auf, die über eine hochentwickelte medizinische Versorgung verfügen. Der Blick der Rechtsvergleicher richtet sich dabei vor allem auf das Recht der USA 163 . Hier begünstigen BesonderheiA . a . O . , S. 180, 184. A . a . O . , S. 180, 192. 161 Brüggemeier, Rz. 634, 701 f. 162 Wiethölter, S. 103. 163 Vgl. etwa die rechtsvergleichenden Hinweise bei Giesen, Medical Malpractice Law, § 20 (Rz. 482 ff.); Deutsch/Geiger in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 1049 (1079ff.); Franzki, S. 137ff., und die Monographien von Linzbach, Informed Consent (1980); Hauschild, Der Maßstab für die ärztliche Aufklärung im amerikanischen, englischen und deutschen Recht (1994). 159 160

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§ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

ten des Verfahrensrechts und des anwaltlichen Standesrechts Arzthaftungsklagen164, und die bisweilen zugesprochenen hohen Schadensersatzsummen machen das amerikanische Recht für viele Mediziner zum Schreckensbild165. Im Kontrast dazu nimmt das englische Recht, obwohl es als Mutterrechtsordnung der common /¿w-Familie die gleiche dogmatische Grundstruktur wie das amerikanische Recht aufweist, gegenüber Klagen von Patienten gegen ihre Arzte eine deutlich restriktivere Haltung ein. „Patients who did pursue such claims often found scant sympathy from Her Majesty's judges", kommentiert eine der führenden Kennerinnen des Arzthaftungsrechts166. Für eine Theorie der Einwilligung sind besonders die konstruktiven Grundlagen des Begriffs „informed consent" von Interesse167. Er wurde von der amerikanischen Rechtsprechung geprägt, findet aber auch hierzulande immer häufiger Verwendung168. Freilich zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß es sich dabei um ein Schlagwort von beinahe „journalistischem Charakter" 169 handelt, dem keine einheitliche Theorie zugrunde liegt. Vielmehr sind nach wie vor sowohl die dogmatische Grundlage für die Haftung wegen unzureichender Aufklärung als auch der Standard der Aufklärung umstritten. Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung waren die Deliktstatbestände170 assault und battery, im englischen Recht häufig unter dem Oberbegriff trespass 164 Erwähnung verdienen vor allem zwei Besonderheiten. Erstens hat bei zivilrechtlichen Schadensersatzklagen der Kläger ein Recht auf eine Verhandlung vor einem Geschworenengericht, zweitens sind in der US-Anwaltschaft Erfolgshonorare (contingency fees) nicht etwa standeswidrig, sondern im Gegenteil gang und gäbe, vgl. Reimann, S. 99 f. 165 Zur Illustration sei auf zwei zugegebenermaßen völlig willkürlich ausgewählte Beispiele mit persönlichkeitsrechtlichem Bezug verwiesen. Im Fall George v. International Society for Krishna Consciousness of California, 4 Cal.Rptr.2d 473 (1992), wurde einem ehemaligen Sektenmitglied und ihrer Mutter wegen Freiheitsberaubung und intentional infliction of emotional harm erstinstanzlich eine Schadensersatzsumme von über 32 Millionen Dollar zugesprochen (allerdings wurde das Urteil insoweit später aufgehoben). Dagegen wurde in B G H Z 124,52 ein Krankenhaus, das Sperma eines später Zeugungsunfähigen fahrlässig vernichtet hatte, lediglich auf Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 D M in Anspruch genommen. Vgl. auch Deutsch/Geiger, a.a.O., S. 1079f., 1082f.

Brazier, (1987) 7 L.S. 169. Vgl. zur Einwilligung in ärztliche Heileingriffe im englischen Recht Brazier, (1987) 7 L.S. 169ff.; Robertson, (1981) 97 L . Q . R . 102ff.; Clerk & Lindseil/Brazier, Rz. 8-25ff., 8-38; Winfield/Jolowicz, S. 726f.; zur Theorie des „informed consent" im US-Recht Faden/Beauchamp, A History and Theory of Informed Consent, S. 23 ff., 114ff.; Katz, The Silent World of Doctor and Patient, S. 48ff.; Furrow/Greany/Johnson/Jost/Schwartz, § 6-9ff. (S. 409ff.); McCoid, (1957) 41 Minn. L.Rev. 381 ff.; Plante, (1968) 36 Fordham L.Rev. 639ff.. 168 So etwa zum Medizinrecht Laufs, N J W 2000; 1757 (1760); Nüßgens, FS Nirk, S. 744 (748); zum Datenschutzrecht Körner, FS Simitis, S. 131 ff.; Tinnefeld/Ehmann, Rz. 212; zum Patentrecht Straus, Dt. Ärztebl. 2000, A-1061 (1063). 169 Plante, (1968) 36 Fordham L.Rev. 639. 170 Zwar hat der Patient in aller Regel auch vertragliche Ansprüche gegen den Arzt, denn wie das deutsche Recht kennt auch das anglo-amerikanische Recht kein Prinzip des non166

167

II. to the person

Aufklärungspflichten

383

z u s a m m e n g e f a ß t , die t r o t z gewisser U n t e r s c h i e d e f u n k t i o n a l

Ä h n l i c h k e i t m i t d e r K ö r p e r v e r l e t z u n g des d e u t s c h e n R e c h t s a u f w e i s e n 1 7 1 . S c h o n f r ü h e r k a n n t e d a s common

law ein S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t d e s P a t i e n -

t e n ü b e r H e i l e i n g r i f f e a n . I n d e r E n t s c h e i d u n g Slater v. Baker and

Stapleton172

v o n 1767 e n t s c h i e d L o r d C h i e f J u s t i c e W i l m o t : „(•••) indeed it is reasonable that a patient should be told what is about to be done to him, that he may take courage and p u t himself in such a situation as to enable him to undergo the operation." D a d e r A r z t d e n E i n g r i f f o h n e E i n w i l l i g u n g des P a t i e n t e n v o r g e n o m m e n h a t t e , v e r u r t e i l t e i h n d e r e n g l i s c h e H i g h C o u r t w e g e n trespass. D i e a m e r i k a n i s c h e R e c h t s p r e c h u n g ü b e r n a h m diese R e g e l b e r e i t s i m 19. J a h r h u n d e r t 1 7 3 u n d b e s t ä t i g t e sie z u B e g i n n dieses J a h r h u n d e r t s in d r e i g r u n d l e g e n d e n E n t s c h e i dungen174. In einem dieser Urteile formulierte Justice C a r d o z o einen später v i e l z i t i e r t e n Satz: „Every h u m a n being of adult years and sound mind has a right to determine what shall be done with his body; and a surgeon w h o p e r f o r m s an operation without his patient's consent commits an assault, for which he is liable in damages." 1 7 5 J e d e r H e i l e i n g r i f f o h n e E i n w i l l i g u n g d e s P a t i e n t e n f ü h r t also i m a n g l o - a m e r i k a n i s c h e n R e c h t z u r H a f t u n g d e s A r z t e s a u s assault

o d e r battery,

daran hat

sich bis h e u t e n i c h t s g e ä n d e r t 1 7 6 . A l l e r d i n g s b e t r a f e n die ä l t e r e n E n t s c h e i d u n gen, e b e n s o w i e in D e u t s c h l a n d , n u r Fälle e c h t e r ä r z t l i c h e r E i g e n m a c h t , bei d e n e n jede Einwilligung fehlte. E r s t in d e n 5 0 e r J a h r e n t a u c h t e d a s P r o b l e m d e r I n f o r m a t i o n d e s P a t i e n t e n a m j u r i s t i s c h e n H o r i z o n t auf 1 7 7 . I n d e m U r t e i l Salgo v. Leland

Stanford

fr.

cumul. Dennoch dominieren in der Praxis deliktsrechtliche Ansprüche, da deren Rechtsfolgen für den Patienten in aller Regel günstiger sind. So kann nur nach Deliktsrecht Schmerzensgeld zugesprochen werden, vgl. zum englischen Recht Clerk & Lindseil/Burrows, Rz. 27-47; zudem besteht im US-Recht jedenfalls bei vorsätzlichen Eingriffen die Möglichkeit, punitive damages zu verhängen, vgl. Dobbs, (1989) 40 Ala. L.Rev. 831; zu aggravated und exemplary damages im englischen Recht Clerk & Lindseil/Burrows, Rz. 29-121 ff. 171 Vgl. Zweigert/Kotz, § 40 III (S. 607f.). 172 2 Wils. K. B. 359 = 95 E. R. 860 (862). Übrigens handelte es sich hier um einen frühen Fall eines Heilexperiments: Der beklagte Arzt hatte den Patienten bei der Anwendung eines neuartigen Apparats verletzt, der von einer Zeugin als „a heavy steel thing that had teeth and would stretch or lengthen the leg" beschrieben wird. 173 State v. Housekeeper 16 A. 382 (383 f.), 70 Md. 162 (1889); vgl. auch Katz, S. 49. 174 Mohrv. Williams 104 N.W. 12 (14f.), 95 Minn. 261 (1905); Pratt v. Davis 79 N . E . 562 (564), 224 III. 300 (1906); Schloendorff v. Society of New York Hospital 105 N . E . 92 (93), 211 N.Y. 125 (1914); dazu Faden/Beauchamp, S. 119 ff.; Katz, S. 49ff. 175 Schloendorff v. Society of New York Hospitals , a.a.O., S. 93. 176 S. zum englischen Recht Chatterton v. Gerson [1981] Q. B. 432 (442); zum US-Recht Lojuk v. Quandt 706 F.2d 1456 (1460) (1983); Mink v. University of Chicago 460 F.Supp. 713 (716) (1978); Harper/James/Gray, § 3:10 (S. 3:45). 177 Faden/Beauchamp, S. 125, stellen diese Entwicklung unter der treffenden Uberschrift „1957-1972: Consent Becomes Informed" dar.

384

§ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

University Board of Trusteesm aus dem Jahre 1957 wurde der Begriff „informed consent" erstmals verwendet. Gleichzeitig wurde eine Frage aufgeworfen, die sich aus einer Besonderheit des common law erklärt, nämlich der Unterscheidung zwischen speziellen Deliktstatbeständen, die an die vorsätzliche Verletzung eines Rechtsguts anknüpfen {intentional torts) und der allgemeinen Haftung aus dem tort of negligence, der nur eine Schädigung durch die fahrlässige Verletzung einer Sorgfaltspflicht ( d u t y of care) voraussetzt, nicht hingegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts. Einige Urteile aus den 50er Jahren, darunter die .Wgo-Entscheidung, äußern sich noch nicht eindeutig dazu, ob die unzureichende ärztliche Aufklärung zur Nichtigkeit der Einwilligung und damit zur Haftung wegen vorsätzlicher Körperverletzung oder nur zur Haftung wegen einer fahrlässigen Pflichtverletzung führt. Anders als in Deutschland wandten sich aber in der Folgezeit die Gerichte der meisten US-Bundesstaaten von der Körperverletzungskonstruktion ab 179 . Ausschlaggebend für diesen Schritt war zum einen die Überlegung, daß nur der Eingriff ohne jede Einwilligung einen hinreichend schweren Verstoß gegen gesellschaftlich anerkannte Regeln darstelle, während der Arzt im Fall eines Aufklärungsmangels immerhin im guten Glauben handle 180 . Im Vordergrund stehe nicht der Angriff auf die körperliche Integrität, sondern die gerechte Risikoverteilung 181 . Zum anderen wurde die Einordnung der Aufklärungspflicht in die Reihe der übrigen ärztlichen Sorgfaltspflichten als sachgerecht empfunden. Bei der Bestimmung der jeweiligen duty of care könne den Postulaten der Flexibilität und der Einzelfallgerechtigkeit stärker Rechnung getragen werden als bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Einwilligung. Damit werde dem behandelnden Arzt ein größerer Spielraum eingeräumt 182 . Inzwischen liegt eine battery nach ganz überwiegender Ansicht, die auch in 317 P. 2d 170 (181), 154 Cal. App. 2d 560 (1957). Vgl. Natanson v. Kline, 350 P.2d 1093 (1100), 186 Kan. 393 (1960); Trogun v. Fruchtman 207 N.W.2d 297 (311 ff.), 58 Wis.2d 569 (1973); Cobbs v. Grant, 502 P.2d 1 (8), 104 Cal.Rptr. 505, 8 Cal.3d 229 (1972); Furrow/Greany/Joknson/Jost/Schwartz, §6-9 (S. 410ff.); Faden/Beauchamp, S. 129ff.; Linzbach, S. 41 ff. Eine Ausnahme bildet das Recht von Pennsylvania und Tennessee, wo nach wie vor die Körperverletzungskonstruktion gilt, vgl. Sagala v. Tavares, 533 A.2d 165 (169), Pa.Super. 573 (1987); Ray v. Scheiben 484 S.W.2d 63 (70) (1972); Cardwell v. Bechtol 724 S.W.2d 739 (750 f.), 67 A.L.R.4th 479 (1987). 178

179

180 Nathanson v. Kline 350 P.2d 1093 (1100); Trogun v. Fruchtman 207 N.W.2d 297 (312 f.), wo zudem darauf hingewiesen wird, daß die ärztliche Haftpflichtversicherung möglicherweise die Haftung für vorsätzliches Fehlverhalten nicht abdecke und daß, punitive damages, die nur bei vorsätzlichen Verletzungen zugesprochen werden können, im Fall der Aufklärungspflichtverletzung unangemessen seien. 181 Nathanson v. Kline, a.a.O.; Woolley v. Henderson 418 A.2d 1123 (1129): „Doctors are not insurers". 182 Plante, (1968) 36 Fordham L. Rev. 639ff.; McCoid, (1957) 41 Minn. L. Rev. 381 ££.; Canterbury v. Spence 464 F.2d 772 (780, Fußn. 15).

II.

Aufklärungspflichten

385

die G e s e t z e einiger Staaten E i n g a n g g e f u n d e n hat u n d v o m Restatement of Torts gebilligt wird 1 8 3 , nur dann vor, w e n n der Patient ü b e r h a u p t nicht eingewilligt hat oder w e n n er nicht über die N a t u r des E i n g r i f f s selbst aufgeklärt w u r d e . M ä n g e l in der R i s i k o a u f k l ä r u n g hingegen sind selbständige Pflichtverletzungen, die aber die Wirksamkeit der Einwilligung unberührt lassen. U m s t r i t t e n ist allerdings der A u f k l ä r u n g s s t a n d a r d . W ä h r e n d die M e h r z a h l aller B u n d e s s t a a t e n die ärztlichen Standesregeln als M a ß s t a b z u g r u n d e legen u n d - gegebenenfalls d u r c h Sachverständigenbeweis - ermitteln, wie sich ein vernünftiger A r z t in der gleichen Situation verhalten hätte (pbysician-based Standard)184, geht eine starke M i n d e r m e i n u n g im A n s c h l u ß an das Urteil des District of C o l u m b i a Circuit C o u r t of A p p e a l s im Fall Canterbury v. Spencem v o n der F r a g e aus, w o r ü b e r ein vernünftiger Patient A u f k l ä r u n g erwartet {reasonable patient Standard). Eine dritte Möglichkeit, die darin besteht, auf den jeweiligen individuellen Patienten abzustellen ( s u b j e c t i v e patient Standard), w i r d allgemein abgelehnt 1 8 6 . U n a b h ä n g i g v o n der F r a g e nach d e m Standard ist der Patient in den U S A jedenfalls f ü r das Bestehen einer A u f klärungspflicht, f ü r das U n t e r b l e i b e n der hinreichenden A u f k l ä r u n g u n d daf ü r darlegungs- u n d beweispflichtig, daß er sich bei pflichtgemäßer I n f o r m a tion d e m Eingriff nicht u n t e r z o g e n hätte 1 8 7 . Letzteres wird meist anhand des M a ß s t a b s eines vernünftigen Patienten {reasonablepatient) festgestellt 1 8 8 . D i e gleiche Regel gilt spiegelbildlich f ü r den Fall des „ i n f o r m e d r e f u s a l " , in d e m der Patient a u f g r u n d einer unvollständigen A u f k l ä r u n g fälschlicherweise seine Einwilligung in eine indizierte B e h a n d l u n g versagt hat 1 8 9 . I n d e m die K ö r p e r v e r l e t z u n g s k o n s t r u k t i o n a u f g e g e b e n w u r d e , verlor auch der Begriff „informed consent" seinen eigentlichen Sinn 1 9 0 . Einwilligung u n d I n f o r m a t i o n s p f l i c h t w u r d e n voneinander getrennt. Meisel weist mit R e c h t darauf hin, daß es auf den E n t s c h e i d u n g s p r o z e ß , nicht j e d o c h auf dessen Restatement (Second) of Torts, comment i zu § 892A. Vgl. Smith v. Weaver, 407 N.W.2d 174 (178f.), 225 Neb. 569 (1987); Wooley v. Henderson, 418 A.2d 1123 (1130) (1980); zum Ganzen Furrow/Greany/Johnson/Jost/ Schwanz, § 6-10 (S. 412ff.); Faden/Beauchamp, S. 132ff. 185 464 F.2d 772 (783ff.), 150 U.S.App. D.C. 263 (1972). 186 Canterbury v. Spence, a.a.O., S. 787; Furrow/Greaney/Johnson/Jost/Sckwartz, § 6-10 (c). 187 Selbst bei einer auf Körperverletzung gestützten Klage muß der Patient - anders als im deutschen Recht - das Fehlen der Einwilligung beweisen; vgl. Furrow/Greany/Johnson /Jost/Schwartz, § 6-9 (S. 410); Linzbach, S. 39ff. 188 Vgl. Canterbury v. Spence, 464 F.2d 772 (790) (1972); Cunningham v. United States, 683 F.2d 847 (849) (1981); Furrow/Greany/Johnson/Jost/Schwartz, §6-14 (S. 433 ff.) m. w.N. 189 Vgl Truman v. Thomas, 611 P.2d 902, 165 Cal. Rptr. 308, 27 Cal.3d 285 (1980); Furrow/Greany/Johnson/Jost/Schwartz, § 6-11 f (S. 424 f.). 190 Canterbury v. Spence 464 F.2d 772 (780, Fußn. 15); umfassende Kritik bei Plante, (1968) 36 Fordham L. Rev. 639 ff. 183

184

386

§13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

Ergebnis ankommt. Entscheidend sei das „informed decision-making", bei dem Arzt und Patient zusammenarbeiten müßten. Hingegen sei unerheblich, ob der Patient sich letztlich für oder gegen den Eingriff entscheide. Es gebe keinen Grund, eine der beiden Situationen zu bevorzugen191. Im englischen Recht wird aus ähnlichen Gründen der Begriff „informed consent" in der Literatur kritisiert192 und von den Gerichten vermieden193. Ebenso wie die Gerichte der meisten US-Bundesstaaten trennt die englische Rechtsprechung die Risikoaufklärung von der Wirksamkeit der Einwilligung. Letztere schließt als Rechtfertigungsgrund den Vorwurf einer Körperverletzung schon dann aus, wenn der Patient in groben Umrissen die Natur des bevorstehenden Eingriffs versteht194. Eine unzureichende Risikoaufklärung führt hingegen lediglich zur Haftung nach dem tort of negligencem, dessen Voraussetzungen der Kläger zu beweisen hat.

5.

Stellungnahme

Die Versuchung ist groß, von einer Einordnung der ärztlichen Aufklärungspflicht ins System des Zivilrechts völlig abzusehen, den Grundsatz von der Nichtigkeit der Einwilligung bei mangelhafter Aufklärung als Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung hinzunehmen und ihn nicht weiter zu analysieren. Das gilt um so mehr, als die Rechtsprechung mittlerweile nicht nur eine erhebliche Verfestigung und Ausdifferenzierung, sondern auch eine Kodifikation in einigen Spezialgesetzen erfahren hat. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber in Zukunft eine vergleichbare Vorschrift für den ärztlichen Heileingriff im allgemeinen erläßt. Dennoch wäre eine Resignation der Rechtswissenschaft vor der medizinrechtlichen Praxis unbefriedigend, weil sie diesen Bereich der Stimmigkeitskontrolle der Dogmatik entziehen würde. Sicherlich dürfen die ethisch sensiblen Fragen der Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht unbesehen Rechtsvorschriften unterworfen werden, die zur Regelung wirtschaftlicher Austauschverhältnisse geschaffen wurden. Ob die allgemeinen Grundsätze über Aufklärungspflichten im ZivilMeisel, (1988) 16 Law, Medicine & Health Care 210 (215f.). Vgl. Robertson, (1981) 97 L.Q.R. 102 (126); Clerk & Lindsell/Brazier, Rz. 8-38; Winfield/Jolowicz, S. 726. ' 93 Vgl. etwa die unten näher erörterte Leitentscheidung des House of Lords in Sidaway v. Bethlem Royal Hospital Governors, [1985] 1 All E.R. 643, in der sämtliche Richter bemüht sind, den Begriff nur auf das Recht der USA zu beziehen: S. 649 per Lord Scarman, S. 658 per Lord Diplock, S. 660 per Lord Bridge; vgl. auch Hills v. Potter, [1983] 3 All E. R. 716(721). 194 Vgl. Chatterton v. Gerson [1981] 1 All E.R. 257 (265). 195 Vgl. Sidaway v. Bethlem Royal Hospital Governors, [1985] 1 All E.R. 643 (650) per Lord Scarman; Chatterton v. Gerson, [1981] 1 All E.R. 257 (265); Hills v. Potter, [1983] 3 All E.R. 716 (720ff.); Brazier, (1987) 7 L.S. 169 (179ff.);Feng, (1987) 7 L.S. 149ff. 191 192

II.

Aufklärungspflichten

387

recht aber wirklich nicht für das Medizinrecht angemessen sind, bedarf der Uberprüfung. Die Verletzung einer Aufklärungspflicht kann aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln beurteilt werden: aus der Perspektive des Aufzuklärenden, der wegen der unzureichenden Aufklärung einer Fehlvorstellung unterliegt, oder mit Blick auf die Pflichtverletzung des Aufklärungspflichtigen. Den ersten Weg wählt die herrschende Meinung in Deutschland. Sie argumentiert, daß eine Einwilligung nach unzureichender Aufklärung nicht als Ausdruck der Selbstbestimmung des Patienten angesehen werden kann; daher ist sie rechtlich unbeachtlich und die beabsichtigte Verlagerung des mit einem kunstgerecht ausgeführten Heileingriff verbundenen Risikos findet nicht statt. Diese Konstruktion läßt sich zwanglos mit der oben dargestellten Irrtumslehre vereinbaren. Die Verletzung der Aufklärungspflicht erfüllt den Tatbestand der arglistigen Täuschung (§ 123 I B G B ) , wenn der Arzt die Aufklärung bewußt unterläßt oder zur Beruhigung des Patienten Risiken verschweigt, die er kennt. Der Umstand, daß es sich dabei um eine „pia fraus medicorum" zum Besten des Patienten handeln mag, ändert daran nichts, da „Arglist" i.S.d. § 123 B G B lediglich Vorsatz, nicht jedoch eine verwerfliche Willensrichtung voraussetzt196. Die fahrlässige Täuschung ruft immerhin beim Patienten einen nach § 119 II B G B erheblichen rechtsgutsbezogenen Irrtum hervor, der im Rahmen der Verschuldensprüfung des § 823 I B G B dem Arzt zur Last fällt, wenn er ihn hätte erkennen und ausräumen müssen 197 . Zwar wäre bei Anwendung des § 142 I B G B die Einwilligung nicht per se nichtig, sondern lediglich anfechtbar, da es sich bei der Einwilligung des Patienten aber um eine einseitige, widerrufliche Einwilligung handelt, greift die oben vorgenommene teleologische Reduktion der §§ 142, 143 B G B ein. Daher ist die Einwilligung bei Vorliegen einer Aufklärungspflichtverletzung unwirksam. Der zweite denkbare Ansatzpunkt liegt der Theorie des „informed consent" im US-Recht zugrunde, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß der ausländische Rechtsbegriff ins deutsche Schrifttum meist ohne die zugrunde liegende juristische Konstruktion importiert wird. Wenn der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt, so handelt es sich demnach unabhängig von der Wirksamkeit der Einwilligung um eine haftungsbegründende Pflichtverletzung. Hinsichtlich der Haftung des Arztes wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Behandlungsvertrag liegt diese Konstruktion auch im deutschen Recht 196 Vgl. Flume AT II, § 29, 2 (S. 543); MüKo/Kramer, Rz. 9 zu § 123; Soergel/Hefermehl, Rz. 25 zu § 123. 197 Daraus folgt, daß bei einer unverschuldeten Fehlaufklärung, die sich etwa aus einer unvermeidbaren Fehldiagnose ergeben kann, zwar ein Irrtum des Patienten vorliegt, den der Arzt aber nicht hätte erkennen können. Damit entfällt im Rahmen des § 823 I B G B das Verschulden, vgl. O L G Köln N J W 1998, 3422, s. auch unten, Fußn. 200.

388

5 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflickten

nahe198; sie wurde übrigens auch vom RG gewählt, als es erstmals das Bestehen einer Pflicht zur Risikoaufklärung anerkannte 199 . Doch auch im Deliktsrecht ist diese Lösung möglich. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist in diesem Fall nicht mehr die Eingriffshandlung, sondern das Unterlassen der Aufklärung. Eine Haftung für Unterlassen setzt das Bestehen einer Rechtspflicht zum Handeln voraus, die sich für den behandelnden Arzt unproblematisch begründen läßt, sei es mit dem Behandlungsvertrag oder der tatsächlichen Übernahme, sei es mit seiner Berufspflicht. Folge der Pflichtverletzung ist, daß der Patient sich einer Behandlung unterzieht, die ihrerseits einen Schaden verursacht. Diese Konstruktion hat drei entscheidende Vorteile. Erstens muß die herrschende Meinung mit der Annahme arbeiten, ein Patient handle nur nach Aufklärung autonom. In Wirklichkeit ist die angebliche Autonomie Ergebnis einer rechtlichen Zuschreibung, die oft an eine Fiktion grenzt. Häufig sind Patienten psychisch oder intellektuell nicht in der Lage, die ärztliche Information zu verarbeiten und die Risiken der Behandlung realistisch einzuschätzen. Diese praktisch kaum zu leugnende Tatsache spricht nicht gegen die Aufklärungspflicht als solche, wohl aber gegen die psychologisch fragwürdige Zweiteilung zwischen fehlender Selbstbestimmung bei fehlerhafter Aufklärung und Autonomie nach pflichtgemäßer Belehrung. Überzeugender erscheint es, den normativen Ausgangspunkt einer Pflichtverletzung zu wählen: Hat der Arzt seine - freilich auf die Verständnismöglichkeiten des Patienten zugeschnittene Pflicht erfüllt, so ist es unerheblich, ob der Patient in seinem Innersten die Information wirklich verstanden und verarbeitet hat. Zweitens ermöglicht diese Konstruktion die Gleichbehandlung des „informed consent" mit dem „informed refusal". Jeweils muß der Arzt dem Patienten die entscheidungserheblichen Informationen zur Verfügung stellen. Ob der Patient anschließend einwilligt oder die Behandlung ablehnt, kann keinen wertungserheblichen Unterschied begründen. Damit wird drittens deutlich, daß sich die Aufklärungspflicht nicht von der Behandlungspflicht trennen läßt 200 . Auch das Aufklärungsgespräch gehört zur Therapie, die Trennung zwischen „Selbstbestimmungsaufklärung" und „therapeutischer Aufklärung" erscheint künstlich. 198 Vgl. Deutsch MedR, Rz. 157 (allerdings könne die Pflicht des Arztes auch so formuliert werden, daß er den Patienten nicht ohne Einwilligung nach vorheriger Aufklärung behandeln dürfe); Wietbölter, S. 105. 199 R G J W 1932, 3328 (3329). 200 Das wird vor allem deutlich, wenn der Aufklärungsmangel, wie in einem vom O L G Köln, N J W 1998, 3422, entschiedenen Fall, die konsequente Folge einer Fehldiagnose darstellt. Nach h. M. ist in diesem Fall die Einwilligung unwirksam, daher liegt objektiv eine Körperverletzung wegen eines eigenmächtigen Heileingriffs vor, jedoch entfällt möglicherweise das Verschulden. Diese Konstruktion verzerrt die haftungsrechtliche Perspektive. Der Vorwurf an den Arzt lautet doch nicht: „Du hast Dich über den wahren Willen Deines Patienten hinweggesetzt", sondern: „Dir ist bei der Diagnose ein Fehler unterlaufen", in diesem Sinne auch die Urteilsbegründung des O L G Köln, a.a.O., II 1.

II.

Aufklärungspflichten

389

Beide Ansätze unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihrer materiellen Rechtsfolgen. Zum einen ist jeweils der genaue Zuschnitt der Aufklärungspflicht von entscheidender Bedeutung, zum anderen haftet der Arzt für sämtliche Körperschäden, die durch die Behandlung verursacht werden. D a ß dieses Ergebnis sachgerecht ist, w u r d e oben begründet. Bei der Lösung der herrschenden Meinung folgt es daraus, daß der Rechtfertigungsgrund f ü r die Körperverletzung entfällt, bei der alternativen Lösung ergibt er sich aus der Rechtsgutsbezogenheit der Aufklärungspflicht. Ein Unterschied scheint nur hinsichtlich der Beweislast zu bestehen. Das Vorliegen einer Pflichtverletzung muß grundsätzlich der Anspruchsteller beweisen, eine Beweislastumkehr k o m m t nur hinsichtlich der Kausalität und des Verschuldens in Betracht. Dementsprechend folgt die Beweislastverteilung im Fall einer BehandlungsVerweigerung nach fehlerhafter Aufklärung der Beweislastverteilung bei Behandlungsfehlern: Die Darlegungs- und Beweislast für den Aufklärungsmangel trifft den Patienten, doch bei schweren Aufklärungsmängeln tritt eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität ein. Etwas anderes gilt nach herrschender Meinung für den spiegelbildlichen Fall der Einwilligung nach fehlerhafter Aufklärung: Da derjenige sämtliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes beweisen muß, der sich darauf beruft, und da die Aufklärung Wirksamkeitsvoraussetzung der Einwilligung ist, trifft den Arzt die Beweislast. Doch diese Argumentation ist nur scheinbar zwingend 2 0 1 . Selbst wenn man, entgegen der hier vertretenen Ansicht 202 , die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund ansieht, handelt es sich doch um eine Erklärung. Damit rückt ein beweisrechtlicher Grundsatz ins Blickfeld, der, soweit ersichtlich, bisher nicht beachtet wurde: Wer sich auf die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit einer Willenserklärung beruft, trägt hierfür die Beweislast 203 . Behauptet im Fall des § 123 I BGB der Anfechtende, der Anfechtungsgegner habe ihm pflichtwidrig Informationen verschwiegen, so muß der Gegner zwar substantiiert vortragen, zu welcher Zeit und mit welchem Inhalt er die erforderlichen Hinweise gegeben hat, daraufhin muß der Anfechtende aber das Gegenteil beweisen 204 . Faßt man wie in dieser Arbeit die Einwilligung als Willenserklärung auf, so kann für sie nichts anderes gelten als für sonstige rechtsgeschäftliche Gestattungen. So muß derjenige, der zur Verteidigung gegen einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB für sich in Anspruch nimmt, dessen Bestehen beweisen.

201 A.A. Staudinger/Hager, Rz. 1126 zu § 823: Die Beweislastverteilung sei „selbstverständliche Konsequenz" aus der dogmatischen Konstruktion der h.M. 202 Zur tatbestandsausschließenden Wirkung der Einwilligung oben, § 7 II. 203 Vgl. zu § 123 B G H NJW 1957, 988; Erman/Brox, Rz. 53 zu § 123; Soergel / Hefermehl, Rz. 57 zu § 123; zu § 138 Soergel/Hefermehl, Rz. 62 zu § 138; Staudinger/Sack, Rz. 75 zu § 138. 204 RG Recht 1915, Nr. 2427; O L G Köln NJW-RR 1992, 908 (910); Baumgärtel/ Laumen, Rz. 5 zu § 123 m.w.N.

390

$ 13 Willensmängel

und

Aufklärungspflichten

Behauptet aber im Fall eines unstreitig abgeschlossenen Mietvertrags der Eigentümer, er habe den Vertrag wirksam angefochten, so trägt er die Beweislast für das Vorliegen des Anfechtungsgrundes. An dieser Stelle liegt der Einwand auf der Hand, die Einwilligung sei nach im Medizinrecht überwiegender Ansicht keine Willenerklärung. Dagegen ist zu sagen, daß auch die Gegner der Rechtsgeschäftstheorie zumindest die analoge Anwendbarkeit der Vorschriften über Willenserklärungen prüfen müssen 205 . Der recht grobschlächtigen und in Einwilligungsfällen zweifelhaften Regel, die Tatbestandsmäßigkeit der Körperverletzung indiziere die Rechtswidrigkeit 206 , steht eine andere Regel gegenüber, nach der die Abgabe einer Erklärung deren Wirksamkeit indiziert. Dieser Zusammenhang wird von der herrschenden Meinung übersehen, weil sie die Abstimmung der Aufklärungspflichtverletzung mit der Lehre von den Willensmängeln vernachlässigt. Allerdings soll hier nicht eine Faustregel durch eine andere ersetzt werden. Zutreffend fordert Canaris, die Frage der Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozeß nicht von derartig undifferenzierten Regeln abhängig zu machen, sondern offen mit den maßgeblichen Gerechtigkeitskriterien zu begründen 207 . Hier gibt es für beide Seiten gute Argumente. Einerseits wird dem Patienten, wenn er für das Fehlen der Aufklärung beweispflichtig ist, ein schwer zu führender Negativbeweis aufgebürdet 208 . Zwar kann ihm durch ärztliche Dokumentationspflichten 209 , durch eine Behauptungslast des Arztes für Zeitpunkt und Inhalt des Aufklärungsgesprächs und durch eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität bei schweren Aufklärungspflichtverletzungen 210 geholfen werden 211 , letztlich wird seine Klage in einer nonliquet-Situation aber abgewiesen. Andererseits würde der Wechsel bei der Beweislast die systemwidrige Auffangfunktion des Anspruchs wegen Aufklärungspflichtverletzung beenden 212 und für die Zukunft verhindern, daß S. oben, § 9 1 1 1 1 . Krit. für die Aufklärungspflicht Baumgärtel, GS Bruns, S. 93 (106: pflichtgemäße Aufklärung als Regel, nicht als Ausnahme), dagegen Franzki, S. 124; Giesen ArztHR, Rz. 465. 207 Larenz/Canaris SchR II/2, § 76 II 1 g (S. 384). Krit. gegenüber einem bisweilen anzutreffenden Schematismus auch Deutsch A H R , Rz. 255. 208 So Canaris, a.a.O.; Franzki, S. 123f.; Nüßgen, FS Hauß, S. 287 (291); Staudinger/ Hager, Rz. I 126 zu § 823. 209 Vgl. B G H Z 99, 391 und Baumgärtel, GS Bruns, S. 93 (106). 2 1 0 So B G H Z 107, 222 (228) für den Fall der Nichtbehandlung nach fehlerhafter Aufklärung. 211 Dies halten Esser/Weyers, § 55 I (S. 155) für den „richtigeren direkten Weg", um dem Patienten aus seiner Beweisnot zu helfen. 212 Für eine Änderung der Beweislastverteilung auch Laufs ArztR, Rz. 176; Baumgärtel, GS Bruns, S. 94 (102 ff., 106); vorsichtig kritisch Deutsch A H R , Rz. 255. Baumgärtel hat seine Kritik an der h. M. allerdings mittlerweile aufgegeben, s. Baumgärtel/Baumgärtel, Rz. 50 zu § 823, Anh. C II. 205 206

II.

Aufklärungspflichten

391

„der Sack der Aufklärungspflichtverletzung geschlagen wird, während der Esel des oft kaum zu beweisenden Behandlungsfehlers getroffen werden soll" 213 . Letztlich handelt es sich um eine komplexe Wertungsfrage, deren überzeugende Beantwortung tiefere prozeßrechtliche Überlegungen erfordert, als sie diese Arbeit zu leisten vermag. Es soll daher bei dem Hinweis bleiben, daß die Dogmatik der Einwilligung entgegen der herrschenden Meinung nicht zu der von ihr befürworteten Lösung zwingt, sondern eher in die entgegengesetzte Richtung weist, zumal es für die hier erwogene Harmonisierung der Beweislastregelung bei Aufklärungspflichtverletzungen mit derjenigen bei sonstigen ärztlichen Pflichtverletzungen gute Gründe gibt. Damit gilt es abschließend nur noch, zur Frage der Aufklärungspflichten außerhalb des Medizinrechts Stellung zu nehmen. Nach den bisherigen Uberlegungen liegt auf der Hand, daß die Aufklärung nicht stets Voraussetzung der Einwilligung ist, daß also den Einwilligungsempfänger keineswegs immer eine Aufklärungspflicht trifft. Die arztrechtliche Rechtsprechung läßt sich nicht verallgemeinern, da sie auf den Besonderheiten des Arzt-PatientenVerhältnisses beruht. Vielmehr muß fallgruppenweise herausgearbeitet werden, in welchen Situationen es angemessen ist, das Informationsrisiko dem Einwilligungsempfänger aufzubürden. Kriterien sind das Berufsbild des Einwilligungsempfängers, sein Informationsvorsprung, die Natur des betroffenen Rechts und die Schwere des Eingriffs. So treffen den Friseur nicht dieselben Aufklärungspflichten wie den Arzt bei der kosmetischen Chirurgie 214 , weil ein Haarschnitt ein leichter Eingriff von vergänglicher Wirkung ist und weil das Risiko unvorteilhafter Frisuren allgemein bekannt ist. Auch sind die ärztlichen Aufklärungspflichten nicht auf den Tierarzt übertragbar 215 : Zwar dürfte dessen Informationsvorsprung ähnlich groß sein, doch es geht trotz der Regelung des § 90 a BGB nur um Selbstbestimmung im wirtschaftlichen Bereich. Schließlich ist zu beachten, daß die Einwilligung außerhalb des Medizinrechts häufig nicht Risiken, sondern finale Eingriffe betrifft, bei denen keine komplexen Aufklärungsprobleme entstehen. Beabsichtigt der Einwilligungsempfänger hier einen Eingriff, den er mit dem Einwilligenden nicht abgesprochen hat, so ist schon nach allgemeinen Auslegungsregeln der Eingriff nicht von der Einwilligung gedeckt.

Esser/Weyers, § 55 I (S. 154). Bei kosmetischen Operationen treffen den Arzt besonders strenge Aufklärungspflichten: Er muß umfassend, sorgfältig, unter Umständen auch schonungslos und hart anhand von Fotografien aufklären, vgl. BGH NJW 1991, 2349; OLG Düsseldorf, VersR 1999, 61; Palandt/Thomas, Rz. 48 zu § 823. 215 BGH NJW 1980,1904; Baumgärtel/Baumgärtel, Rz. 82 zu § 823, Anh. C II; Schulze, S. 131 ff. 213

214

§ 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen I. Einführung Dispositionsbefugt ist, wem die Rechtsmacht zukommt, eine Handlung oder Unterlassung eines anderen zu erlauben, die ohne diese Erlaubnis rechtswidrig wäre. Die Dispositionsbefugnis1 ist also eine mit der Verfügungsmacht verwandte2 spezielle Zuständigkeit, die dem Befugten ein rechtliches Können verschafft, über das andere nicht verfügen. Die Einwilligungsbefugnis ist der für die vorliegende Arbeit entscheidende Unterfall der Dispositionsbefugnis, doch auch die stärker bindenden Gestattungsformen wie die schuldvertragliche Gestattung und die konstitutive Rechtsübertragung, die hier terminologisch von der Einwilligung im engeren Sinne unterschieden werden3, setzen Dispositionsbefugnis voraus. Da im Rahmen dieser Arbeit die gesamte Stufenleiter der Gestattungen interessiert, wird hier bewußt der weitere Begriff verwendet. Die Dispositionsbefugnis ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit einer Einwilligung: Auch wenn die Befugnis gegeben ist, müssen die übrigen Voraussetzungen vorliegen; fehlt sie jedoch, so ist die Einwilligung auch bei Vorliegen aller anderen Einwilligungsvoraussetzungen unwirksam. Trotz der grundsätzlichen Trennung zwischen der Dispositionsbefugnis und den übrigen Einwilligungsvoraussetzungen besteht eine gewisse Wechselwirkung. Ein völliger Ausschluß der Dispositionsbefugnis kann damit begründet werden, daß die Erfüllung der übrigen Einwilligungsvoraussetzungen nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann; umgekehrt können strenge Wirksamkeitsvoraussetzungen in einigen Fallgruppen absolute Einwilligungssperren entbehrlich machen. Die positive Feststellung der Dispositionsbefugnis, die am Anfang der folgenden Ausführungen steht (II), bereitet nur vergleichsweise geringe Probleme. 1 Streng genommen wäre der Begriff „Dispositionsmacht" genauer, da es sich nicht um ein „ D ü r f e n " , sondern um ein „ K ö n n e n " handelt, das insoweit mit der Verfügungsmacht und der Vertretungsmacht verwandt ist. D e n n o c h wird hier der im Schrifttum gebräuchliche Begriff „Dispositionsbefugnis" verwendet, zumal auch das B G B im Sachenrecht von der „Berechtigung" zur Verfügung spricht. 2 Näher zum Verhältnis zwischen Verfügungsmacht und Dispositionsbefugnis oben, § 9 II 1 a. 3 S. oben, § 8 I I - I V .

II. Dispositionsbefugnis

und Rechtsinhaberschaft

393

Erheblich größere Schwierigkeiten birgt der negative Aspekt der Thematik, nämlich die Frage nach den Schranken der Dispositionsbefugnis. Einwilligungsschranken oder -sperren sind Normen, die bestimmen, daß auch der Rechtsinhaber keine wirksame Einwilligung erteilen kann. Da diese Normen nicht an subjektive Eigenschaften oder Fähigkeiten des Rechtsinhabers, sondern an eine objektive Bewertung anknüpfen, läßt sich präziser von „objektiven Schranken der Einwilligung" sprechen. Sie waren im Strafrecht in jüngster Zeit Gegenstand umfangreicher Arbeiten 4 , sind aber im Privatrecht bisher kaum untersucht worden. Die Problematik weist eine rechtsethische Komponente auf. Wenn die Einwilligung Aktualisierung von Autonomie ist, fragt sich, wie sich Einschränkungen der Autonomie für solche Entscheidungen rechtfertigen lassen, die im übrigen sämtliche Kriterien für autonomes Entscheiden erfüllen. Eine rechtsdogmatische Arbeit stößt hier an ihre Grenzen. Während im folgenden (III) der Versuch unternommen werden soll, die Prinzipien einer privatrechtlichen Dogmatik der Einwilligungsschranken zu entwickeln, ist es weder möglich, die gesamte strafrechtliche und rechtsphilosophische Diskussion aufzuarbeiten noch sämtliche Einzelfragen zu lösen. Abschließend sollen daher nur ausgewählte Anwendungsfälle exemplarisch aufgegriffen werden (IV).

II. Dispositionsbefugnis und Rechtsinhaberschaft 1. Alleinige

Rechtsinhaberschaft

Sowohl im Privatrecht als auch im Strafrecht ist allgemein anerkannt, daß nicht jedermann wirksam in einen Eingriff in ein bestimmtes Rechtsgut einwilligen kann, sondern daß die Dispositionsbefugnis eine spezielle Zuordnung des betreffenden Rechtsguts zum Einwilligenden voraussetzt 5 . Insofern unterscheidet sich die Erteilung der Einwilligung vom Eingehen einer bloßen schuldrechtlichen Verpflichtung. Welcher Art diese Zuordnung ist, wurde oben in § 9 geklärt: Die Dispositionsbefugnis ist Teil des Zuweisungsgehalts des jeweiligen subjektiven Rechts. Steht ein subjektives Recht nur einer Person zu, so fällt die positive Feststellung der Dispositionsbefugnis nicht schwer: Die Zerstörung, Beschädigung oder Nutzung einer Sache kann grundsätzlich nur der Eigentümer wirksam gestatten, die Erlaubnis zur Vornahme von 4 Vgl. Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung (1997); Niedermair, Körperverletzung mit Einwilligung und die guten Sitten (1999). 5 Vgl. zum Privatrecht Deutsch A H R , Rz. 282; Enneccerus/Nipperdey, § 2 1 2 II 3 (S. 1314); RGRK/Steffen, Rz. 382 zu § 823; MüKo/Mertens, Rz. 40 zu § 823; zum Strafrecht B G H N J W 1992, 250 (251); Schönke-Schröder/Lenckner, Rz. 36 vor §§ 32 ff.; LK/ Hirsch, Rz. 114 vor §§ 32ff.; Jescheck/Weigend, § 34 III (S. 378ff.); Roxin AT I, § 13, Rz. 31.

394

§ 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

Eingriffen in die körperliche Integrität kann im Grundsatz nur jede Person selbst erteilen. Ist dem Inhaber eines Vermögensrechts ausnahmsweise die Verfügungsbefugnis entzogen, so fehlt ihm regelmäßig auch die für die Einwilligung erforderliche Dispositionsbefugnis. So kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 80 I InsO nur noch der Insolvenzverwalter wirksam in die Nutzung oder Zerstörung von Gegenständen einwilligen, die in die Insolvenzmasse fallen 6 . Die Anknüpfung an das subjektive Recht scheint zwar zunächst nur dort weiterzuhelfen, wo sich die Einwilligung auf einen Eingriff in ein absolutes Recht oder eine Forderung bezieht, doch kann hier auf die Überlegungen in § 9 verwiesen werden: Sofern die Rechtsordnung eine Person nicht nur als durch ein Verhaltensgebot reflexartig geschützt betrachtet, sondern ihr einen eigenen Schadensersatzanspruch gewährt, ist die Position dieser Person mit einem subjektiven Recht vergleichbar.

2. Rechtsinhaberschaft

mehrerer

Steht ein Vermögensrecht mehreren Personen zu, so richtet sich die Dispositionsbefugnis nach §§ 741 ff. B G B , sofern keine Sondervorschriften eingreifen. Die Entscheidung über die Gestattung ist eine Verwaltungsentscheidung i.S.d. §§ 744, 745 B G B 7 und steht daher allen Teilhabern gemeinschaftlich zu. Dabei ist allerdings entsprechend den Ergebnissen des § 8 dieser Arbeit 8 zwischen der Verpflichtung zur Erteilung der Gestattung und der Gestattung selbst zu unterscheiden. Schließt etwa ein Teilhaber ohne Zustimmung der anderen einen Mietvertrag, so ist dieser Vertrag zwar wirksam, kann aber ohne Zustimmung der übrigen Teilhaber nicht erfüllt werden 9 . Sofern die betreffende Handlung zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört (§ 745 I B G B ) und nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Gegenstands führt (§ 745 III B G B ) , kann die Erteilung der Einwilligung durch Mehrheitsentscheidung beschlossen werden. Allerdings ist umstritten, ob ein solcher Mehrheitsbeschluß den Handelnden zugleich Vertretungs- und Verfügungsmacht im Außenverhältnis verschafft, die zur Wirksamkeit der Gestattung erforderlich ist 10 . Dafür spricht, daß die Mehrheit ansonsten zu dem komplizierten Weg gezwungen ist, die Zustimmung der Minderheit im Klagewege zu erstreiten. Folgt man dieser Lösung, so kommt es nicht mehr auf die ebenfalls B G H N J W 1992, 250 (251) (strafrechtliche Entscheidung zu § 6 KO). Sofern die Gestattung in der Form einer Belastung mit einem beschränkten dinglichen Recht erfolgt, ist sie zugleich Verfügung i. S. d. § 747 B G B , was jedoch die Anwendbarkeit der §§ 744, 745 B G B nicht ausschließt, s. B G H Z 101, 24 (26f.). 8 § 8 III 2. 9 O L G Karlsruhe O L G Z 1981, 207 (209). 10 Dafür B G H Z 56, 47 (50, unter ausdrücklicher Ausnahme der Verfügungsmacht); MüKo/Karsten Schmidt, Rz. 26 zu §§ 744, 745 m.w.N.; dagegen Staudinger/Langbein, Rz. 39ff. zu § 745. 6

7

II. Dispositionsbefugnis

und Rechtsinhaberschaft

395

umstrittene Frage an, ob unter den Begriff der „Verfügung" in § 747 B G B nur die Belastung mit einem dinglichen Recht 1 1 , oder auch die Verschaffung des berechtigten Besitzes bei Vermietung und Verpachtung fällt 12 . Sofern das Recht allerdings einer Gesamthandsgemeinschaft zusteht, werden die §§ 741 ff. B G B durch die §§ 705ff. B G B verdrängt. Die Entscheidung über die Erteilung der Gestattung ist in diesem Fall eine Maßnahme der Geschäftsführung (§ 709 B G B ) , da die Einwilligung aber gegenüber einem Dritten abgegeben wird, setzt ihre Wirksamkeit das Bestehen von Vertretungsmacht (§ 714 B G B ) voraus. Für Immaterialgüterrechte ergeben sich gewisse Besonderheiten, soweit die jeweiligen Rechte einen persönlichkeitsrechtlichen Einschlag aufweisen. Weitgehend den soeben dargelegten Regeln folgt die Dispositionsbefugnis über gewerbliche Schutzrechte. So bildet eine Mehrheit von Erfindern (§ 6, 2 PatG) grundsätzlich eine Bruchteilsgemeinschaft, bei Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks i.S.d. § 705 B G B hingegen eine Gesamthandsgemeinschaft 13 . Im ersteren Fall kann über die Verwertung des Patents, sei es durch Erteilung einer Lizenz, sei es durch Erteilung einer widerruflichen Einwilligung, durch einvernehmliche Entscheidung (§ 744 I B G B ) oder durch Mehrheitsbeschluß (§ 745 I B G B ) entschieden werden, letzteres jedoch nur, sofern sich die Lizenzerteilung im Rahmen einer ordentlichen Verwaltung hält 14 . Auf das Erfinderpersönlichkeitsrecht auf Erfindernennung sind die Regeln der §§ 741 ff. B G B , die auf die Verwaltung von Vermögensrechten zugeschnitten sind, nach herrschender Meinung jedoch nicht anwendbar 15 . Jeder Miterfinder kann selbständig auf seiner Nennung bestehen oder im Gegenteil das Unterbleiben der Nennung nach § 63 I 3 PatG beantragen. Auch mehrere Markeninhaber bilden grundsätzlich eine Bruchteilsgemeinschaft 16 , Besonderheiten bestehen für die Erteilung von Lizenzen zur Nutzung von Kollektivmarken (§§ 97 ff. MarkenG) 1 7 . Für die Miturheberschaft bestimmt § 8 II 1 U r h G die gesamthänderische Gebundenheit des Veröffentlichungsrechts und der Verwertungsrechte, so daß die §§ 709, 714 B G B eingreifen 18 . Nach dem gesetzgeberischen Leitbild 11 So die h.M., s. R G Z 58, 36 (37 f.); MüKo/Karsten Schmidt, Rz. 2 zu § 747; Staudinger/Langhein, Rz. 10 zu § 747. 12 So Flume AT II, § 11, 5 a (S. 141), s. auch oben, § 8 III 1. 13 B G H Z 73, 337 (347f.) = G R U R 1979, 540 (542) - „Biedermeiermanschetten" m. Anm. Schwanhäusser; Bernhardt/Kraßer, § 19 V a 3 (S. 199); Benkard/Bruchhausen, Rz. 34 zu § 6; a. A. hinsichtlich der Gesamthandsgemeinschaft MüKo/Karsten Schmidt, Rz. 57 zu § 7 4 1 . 14 Bernhardt /Kraßer, § 19 V b 3 (S. 203). 15 Benkard/Bruchhausen, Rz. 32 zu § 6 m.w.N. 16 MüKo/Karsten Schmidt, Rz. 59a zu § 741. 17 Vgl. hierzu Fezer, Rz. 25 zu § 97. 18 Abweichend nimmt Karsten Schmidt in MüKo, Rz. 58 zu § 741 eine, wenn auch modifizierte, Bruchteilsgemeinschaft an.

3%

5 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

ist daher die Einwilligung aller Miturheber erforderlich, doch kann die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen vereinbart werden. Die Grenze solcher Vereinbarungen ist erreicht, wo die Urheberpersönlichkeitsrechte der Miturheber berührt werden 19 . Hingegen sind Änderungen des Werks nur mit Einwilligung aller Miturheber zulässig (§ 8 1 1 1 , 2 . HS UrhG) 2 0 , allerdings darf - ebenso wie hinsichtlich der Veröffentlichung und Verwertung - ein Miturheber seine Einwilligung nicht wider Treu und Glauben verweigern (§ 8 II 2 UrhG). Auch darüber hinaus hält die herrschende Meinung die vermögensrechtlich geprägten Vorschriften über die Gesamthandsgemeinschaft auf urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse für unanwendbar. Sie sollen daher jedem Miturheber selbständig zustehen 21 . Auch über den immaterialgüterrechtlichen Bereich hinaus können persönlichkeitsrechtliche Befugnisse mehreren Personen zustehen. Beispiele sind das Recht am eigenen Bild (§ 22 K U G ) beim Gruppenfoto oder gemeinsame persönliche Geheimnisse von Paaren. Auch hier erscheinen die vermögensrechtlichen Regeln der §§ 741 ff. B G B , 705ff. B G B unpassend, vielmehr sind Einwilligungen grundsätzlich nur wirksam, wenn sie von sämtlichen Rechtsinhabern erteilt werden. Das sollte auch bei der kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsaspekten, etwa bei der Vermarktung des Fotos einer Popgruppe, gelten. Die praktische Schwierigkeit, die für den Verwerter mit der Einholung der Einwilligung sämtlicher Personen verbunden ist, wird für das Recht am eigenen Bild durch die Regel des § 22, 2 K U G reduziert, nach dem die Einwilligung als erteilt gilt, wenn der Abgebildete für die Verbreitung des Bildnisses eine Gegenleistung erhält. Im übrigen besteht die Möglichkeit der Stellvertretung 22 und - je nach Charakter des Rechts - der Übertragung zur Wahrnehmung 23 .

Ulmer, § 34 III 4 (S. 193); Schricker/Loewenheim, Rz. 13 zu § 8. Die in der Vorschrift erwähnte „Einwilligung" ist eine Einwilligung im Sinne dieser Arbeit, also keine vorherige Zustimmung i. S. d. § 183 B G B , mißverständlich insoweit Schricker/Loewenheim, Rz. 14 zu § 8; Schack UrhR, Rz. 284. Auch den Erwägungen in der amtlichen Begründung zu § 8 UrhG, BT-Drucks. 4/240 v. 23.3.1962, S. 41, scheint die Subsumtion der Einwilligung unter § 183 B G B zugrunde zu liegen, auch wenn die Vorschrift nicht ausdrücklich zitiert wird. 21 Schricker/Loewenheim, Rz. 10 zu § 8; Schack UrhR, Rz. 283. 2 2 S. unten, § 16 II. 23 Vgl. hierzu für das Urheberpersönlichkeitsrecht B G H Z 15, 249 (258f.) „Cosima Wagner"; Metzger, S. 47ff.; v. Weiser, Die Wahrnehmung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Befugnisse durch Dritte (2000); für Persönlichkeitsrechte im allgemeinen Forkel, G R U R 1988, 491 (496, 498ff.). 19

20

III. Objektive

Schranken

der Dispositionsbefugnis

397

III. Objektive Schranken der Dispositionsbefugnis 1. Der gegenwärtige

Stand der

Diskussion

Der strafrechtliche Gesetzgeber hat zwei wesentliche Einwilligungsschranken ausdrücklich normiert 24 . § 216 StGB sieht eine Strafmilderung für eine Tötung vor, die auf das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten hin erfolgt. Indirekt wird damit zugleich eine absolute Einwilligungssperre aufgestellt: Eine Tötung wird bestraft, selbst wenn sie mit Einwilligung des Getöteten erfolgt 25 . Während § 216 StGB schon Bestandteil der ursprünglichen Fassung des StGB von 1871 war 26 , wurde die zweite wesentliche Einwilligungsschranke erst 1933 gesetzlich positiviert, nachdem sie sich allerdings zuvor in der Rechtsprechung bereits herausgebildet hatte: Nach § 228 StGB (früher § 226a StGB) 27 ist eine Körperverletzung trotz Einwilligung des Verletzten rechtswidrig, wenn die Tat gegen die guten Sitten verstößt. Die strafrechtliche Lehre von den Schranken der Einwilligung kann, wie in § 7 begründet, nicht unbesehen ins Privatrecht übertragen werden. Daher überrascht es, daß das zivilrechtliche Schrifttum diesem Problemkreis bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat. In der Lehrbuch- und Kommentarliteratur wird meist ohne nähere Analyse und Begründung entweder auf §§216, 228 StGB 28 oder allgemein auf die Schranke der guten Sitten 29 verwiesen. In speziellen Abhandlungen über die Einwilligung wird 24 Eine weitere Einwilligungsschranke stellt § 109 StGB auf, der die Selbstverstümmelung zum Zweck der Wehrpflichtentziehung bestraft. Im übrigen kann im Strafrecht eine Einwilligung dann nicht rechtfertigen, wenn der Tatbestand überhaupt nur mit Zustimmung des anderen Teil begangen werden kann, s. etwa §§ 173 I (Inzest), 302 a I (Wucher). Weitere Schranken finden sich im Nebenstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht, vgl. etwa den oben in § 6 II bereits analysierten § 8 12 TPG, außerdem § § 2 9 1 Nr. 1,6, 7,10,29a I Nr. 1, 2 BtMG; § 211 i.V. m. § 3 GjS; § 12 i.V.m. § 3ff. JÖSchG. 25 LK/Jähnke, Rz. 17 zu § 216; Schönke-Schröder/Eser, Rz. 13 zu § 216; Göbel, S. 29. 26 Vgl. zur historischen Entwicklung Maurach /Schroeder/Maiwald, § 2 , Rz. 60. In einigen früheren Strafgesetzen wie etwa dem preußischen StGB fehlte noch jede Strafmilderung für diesen Tatbestand; dieselbe Rechtslage besteht heute noch im englischen und amerikanischen Recht, vgl. zum US-Recht Turner v. State 108 S.W. 1139 (1140), 119 Tenn. 663 (1908);Sitten Füller 278 N.W.2d 756 (761), 203 Neb. 233 (1979): „Murderis no less murder because the homicide is committed at the desire of the victim". Noch lange galt nach common law sogar der Selbstmord als Straftat, vgl. etwa die Entscheidung des englischen High Court in K. v. Mann [1914] 2 K.B. 107 (108). 27 Im folgenden Text ist auch dann von § 228 StGB die Rede, wenn die zitierten Autoren § 226a nach der alten Fassung des StGB zitieren. 28 So Staudinger/Schäfer, Rz. 464 zu § 823; Soergel/Fahse, Rz. 17 zu § 227; RGRK/ S t e f f e n , Rz. 382 zu § 823. 29 So MüKo/Mertens, Rz. 40 zu § 823; Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823; speziell § 138 BGB ziehen Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 172; Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594) heran; sowohl auf § 226 a StGB a.F. als auch auf § 138 BGB bezieht sich Forkel, JZ 1974, 593 (595).

398

5 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

die Problematik häufig am Beispiel der Körperverletzung erörtert. Dabei herrscht Uneinigkeit, ob als normativer Anknüpfungspunkt § 138 B G B oder § 228 S t G B herangezogen werden soll. Für die frühe Rechtsgeschäftstheorie konnte hierüber aus zwei Gründen noch kein Zweifel bestehen. Erstens folgte aus der systematischen Einordnung der Einwilligung unter den Oberbegriff des Rechtsgeschäfts die unmittelbare Anwendbarkeit des § 138 B G B , zweitens wurde § 228 erst im Jahre 1933 eingeführt. Dementsprechend widmete Zitelmann in seinen Überlegungen zur Einwilligung der Uberprüfung nach Maßgabe des § 138 B G B breiten Raum 3 0 . Die Befürworter der Rechtsgeschäftstheorie schlössen sich der Konstruktion Zitelmanns an 31 . Auch der B G H beurteilte in einer frühen Entscheidung 32 eine Einwilligung in einen strafbaren Schwangerschaftsabbruch nach §§ 134, 138 B G B , kürzte aber den Schadensersatzanspruch der Schwangeren nach § 254 B G B . Auch nachdem der B G H die Rechtsgeschäftstheorie aufgegeben hatte, erwog er noch die analoge Anwendung des § 138 B G B auf den Fall einer Sterilisation 33 . Ähnlich argumentieren die modernen Vertreter der Rechtsgeschäftstheorie. Kohte hält die Überprüfung der Einwilligung mittels einer Generalklausel für unerläßlich, da nur sie eine schnelle und flexible Reaktion auf neue Entwicklungen wie etwa die Gentechnologie ermögliche 34 . Dabei sei für die zivilrechtliche Beurteilung § 138 B G B gegenüber § 2 2 8 S t G B vorzugswürdig. Abgesehen davon, daß sich letztere N o r m wegen ihrer nationalsozialistisch belasteten Entstehungsgeschichte für eine zivilrechtliche Verallgemeinerung kaum eigne 35 , sei ihr Anwendungsbereich auch zu eng 36 . Wesentliche Fallgruppen der Sittenwidrigkeit seien die unzulässige Freiheitsentäußerung, die Herabwürdigung des Einwilligenden zum bloßen Objekt, die Verletzung standesrechtlicher Regeln und der Machtmißbrauch. Vor allem die letztgenannte Fallgruppe lasse sich nur mit Hilfe von § 138 I B G B befriedigend lösen 37 . In seiner Untersuchung zum österreichischen Recht ordnet Resch die Einwilligung als Rechtsgeschäft, genauer als Verfügungsgeschäft, ein, das der österreichischen Parallelvorschrift zu § 138 B G B 3 8 unterfalle 39 . Ohne auf den möglichen U n Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (72 ff.). Vgl.v. Tuhr, § 88 IV 4 (S. 469 f.); Enneccerus / Nipperdey, § 212 II 3 (S. 1315); Fischer, S. 274 f.; trotz seiner Kritik an der Rechtsgeschäftstheorie auch Dietz, S. 232 f. 32 B G H Z 7, 198 (207). 33 B G H Z 67, 48 (51). 34 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (135). 35 Diese Annahme ist allerdings unberechtigt: § 226 a StGB stellte lediglich eine Kodifikation der älteren reichsgerichtlichen Rechtsprechung dar und fand sich seit 1913 in verschiedenen Reformentwürfen, vgl. zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Hirsch in LK, vor Rz. 1 zu § 228 und in FS Welzel, S. 775 (797 f.); Niedermair, S. 1 ff. 36 A.a.O., S. 131 ff., 135. 37 A . a . O . , S . 134. 38 § 879 des österreichischen A B G B . 39 Resch, S. 79. 30 31

III. Objektive

Schranken

der Dispositionsbefugnis

399

terschied zwischen beiden Bestimmungen einzugehen, spricht sich Resch allerdings im weiteren Verlauf seiner Argumentation dafür aus, für körperliche Eingriffe das österreichische Gegenstück zu § 228 StGB40 heranzuziehen41. Jedenfalls sei die Sittenwidrigkeit nach einem beweglichen System zu beurteilen42. Die körperliche Integrität sei ein „relativ indisponibles Rechtsgut"43, daher bedürfe das Verhältnis zwischen dem Ausmaß des Eingriffs und seinem Risiko einerseits und seinem Zweck und Nutzen andererseits einer besonderen Uberprüfung. Gerade die Schranken der Einwilligung im persönlichkeitsrechtlichen Bereich werden häufig auf § 138 BGB zurückgeführt 44 , selbst von Autoren, die der Rechtsgeschäftstheorie im übrigen skeptisch gegenüberstehen45. Nachdem sich der BGH von der Rechtsgeschäftstheorie abgewandt hatte, regte sich jedoch auch in der Literatur Widerspruch gegen die Anwendung des § 138 I BGB. Nach Ansicht von Schenke ist im Zivilrecht ebenso wie im Strafrecht nicht die Erklärung des Verletzten, sondern die Tat des Eingreifenden der eigentliche Gegenstand der rechtlichen Uberprüfung 46 . Sei nur die Einwilligung, nicht jedoch der Eingriff sittenwidrig - etwa wenn ein Spender eine lebensrettende Blutspende von einer nicht akzeptablen Gegenleistung abhängig mache - so müsse die Einwilligung wirksam sein. Umgekehrt könne aber der Geschädigte aus ehrbaren Motiven in eine sittenwidrige Handlung einwilligen, so wenn sich ein Unbeteiligter einem Straftäter zum Austausch gegen das bedrohte Opfer anbiete47. Hier müsse der Einwilligende seinen Schadensersatzanspruch behalten. Gegen § 138 I BGB spreche zunächst, daß die Einwilligung keine Willenserklärung sei48. Darüber hinaus profitiere bei der Einwilligung gerade der Erklärende von der Unwirksamkeit seiner Erklärung. Entgegen der Wertung des § 817,2 BGB werde also bei Anwendung des § 138 BGB gerade der sittenwidrig Handelnde begünstigt49. Auch für Deutsch hängt die Wirksamkeit der Einwilligung nicht von den technischen Vorschriften über die Nichtigkeit von Willenserklärungen, sondern von Voraussetzungen ab, die aus dem Schutzbereich des Guts oder Interesses, auf das verzichtet § 90 I des österreichischen StGB. Resch, S. 88. 42 A.a.O., S. 80f., 115ff. 43 A.a.O., S. 118. 44 Vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 171; Forkel, JZ 1974, 593 (595); Seetzen, S. 64; Wiese, FS Duden, S. 719 (738). 45 So etwa Hubmann, a. a. O. 46 Schenke, S. 74. Diese Ansicht ist im Strafrecht ganz herrschend, vgl. RGSt 74, 95; BGH St 4, 91; Schönke-Schröder/Stree, Rz. 7, 9 zu § 228; LK/Hirsch, Rz. 7 zu § 228; dagegen aber aus verfassungsrechtlicher Sicht Amelung, Einwilligung, S. 56 f. 47 Schenke, S. 72. 48 A.a.O., S. 75. 49 A.a.O., S. 76ff. 40 41

400

§ 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen

werden solle und seiner eventuellen Unverzichtbarkeit abzuleiten seien 50 . Auch im neueren persönlichkeitsrechtlichen Schrifttum ist die Ansicht verbreitet, die Grenzen der Einwilligung seien nicht aus § 138 B G B herzuleiten, sondern stellten immanente Schranken des jeweiligen Rechts dar 51 . Die im Schrifttum diskutierten Ansätze liegen methodologisch auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Wer die Übernahme der §§ 216, 228 S t G B befürwortet, spricht sich für eine strafrechtsakzessorische Lösung aus, wer die Grenzen der Einwilligung aus immanenten Schranken der subjektiven Rechte herleitet oder mit § 138 B G B begründet, vertritt einen privatrechtsimmanenten Ansatz. Im Rahmen ersterer beschränkt sich die zivilrechtliche Rechtsanwendung auf die Subsumtion unter die strafrechtliche N o r m und die Prüfung, ob die Kriterien für deren Übernahme ins Zivilrecht erfüllt sind, während bei letzterem eine eigenständige Abwägung zwischen der Selbstbestimmung und den Gründen für ihre Beschränkung stattfinden muß. Beide Wege können durchaus miteinander vereinbar sein, wie für den spiegelbildlichen Fall der Unrechtsbegründung die beiden Absätze des § 823 B G B zeigen. O f t werden den außerprivatrechtlichen Schrankenbestimmungen Überlegungen zugrunde liegen, die in gleicher F o r m bei der Bestimmung der immanenten Schranken subjektiver Privatrechte oder unter § 138 B G B anzustellen wären. N e b e n dieser Schnittmenge gibt es aber auch Fallkonstellationen, die sich nur mit einem der beiden Ansätze befriedigend lösen lassen. Einerseits ist die Regelung der Einwilligungsschranken außerhalb des Privatrechts fragmentarisch, gerade die Dispositionsbefugnis im Bereich der Persönlichkeitsrechte ist gesetzlich weitgehend ungeregelt. Hier kommt das Privatrecht ohne eine eigene Schrankentheorie nicht aus. Andererseits hat der Gesetzgeber im S t G B , im Nebenstrafrecht und in anderen öffentlich-rechtlichen Gesetzen bisweilen rechtspolitisch umstrittene Fragen entschieden, ein Beispiel bietet das Transplantationsgesetz. Hier wäre es verfehlt, die gesetzliche Regelung zu ignorieren und den Streit um die angemessene Lösung unter privatrechtlichen Vorzeichen neu zu beginnen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst versucht, Kriterien für die Übernahme außerprivatrechtlicher Einwilligungsschranken ins Privatrecht zu formulieren (2), bevor anschließend Orientierungspunkte für die zivilrechtsimmanente Abwägung erörtert werden (3).

2. Die Rezeption außerprivatrechtlicher

Schranken

Vielen Autoren erscheint die Geltung der strafrechtlichen Einwilligungsschranken im Privatrecht als so evident, daß sie keiner Begründung bedarf. Vor allem die Übernahme der §§ 216, 228 S t G B wird häufig unkritisch bejaht 5 2 . 50 51 52

Deutsch AHR, Rz. 282. Vgl. Baston-Vogt, S. 240; wohl auch Forkel, GRUR 1988, 491 (493, 498f.). Vgl. RGRK/Steffen, Rz. 382 zu § 823; Staudinger/Schäfer, Rz. 464 zu § 823; Soergel/

III.

Objektive

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der Dispositionsbefugnis

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Auch Zitelmann, der die Frage aus privatrechtlicher Sicht bisher wohl am gründlichsten untersucht hat, hielt die Einwilligung im Privatrecht immer dann nach § 134 B G B für nichtig, wenn die Einwilligung die Strafbarkeit nicht beseitigt53, sei es weil das Strafrecht eine ausdrückliche Einwilligungssperre vorsieht54, sei es weil dem Einwilligenden auch die eigenhändige Vornahme der Handlung verboten wäre55. Zweifel entstehen aber bei einem Blick auf die Entstehungsgeschichte des B G B und bei einem Vergleich mit dem anglo-amerikanischen Recht. Wie oben gesehen56, enthielt der erste Entwurf zum B G B in § 706 noch eine Bestimmung, der zufolge die Einwilligung auch dann die Rechtswidrigkeit beseitigen sollte, wenn die Handlung strafbar blieb. Die Vorschrift wurde zwar später gestrichen, doch die Frage nach der Ubertragbarkeit außerprivatrechtlicher Einwilligungsschranken wurde in diesem Zusammenhang von der Vorkommission des Reichsjustizamts durchaus differenziert beantwortet: Wenn die Handlung nach anderen Vorschriften rechtswidrig bleibe, so müsse geprüft werden, ob das bürgerliche Recht den Geschädigten auch gegen seine eigene Einwilligung schützen wolle und ob der vorhergehende Verzicht auf die Entschädigung gegen die guten Sitten verstoße57. Eine ähnliche Lösung, wie sie die Erste Kommission erwog, findet sich im englischen und amerikanischen Recht, obwohl im dortigen Strafrecht der Einwilligung des Opfers nur in sehr eingeschränktem Maße rechtfertigende Wirkung beigemessen wird58. Zwar wird gelegentlich die Ansicht vertreten, auch zivilrechtliche Sanktionen trügen zur Abschreckung bei, daher müsse die strafrechtliche Unwirksamkeit der Einwilligung auf das Zivilrecht durchFahse, Rz. 17 zu § 227: Der Rechtsgutträger könne nicht wirksam über das Recht verfügen, wenn „die Einwilligung in die Körperverletzung gegen die guten Sitten verstößt (StGB § 226a ...)". § 228 (= § 226a a.F.) stellt aber gerade nicht auf die Sittenwidrigkeit der Einwilligung, sondern auf diejenige der Tat ab, s. oben, Fußn. 46. 53 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (69 f.); ebenso Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594). 54 Beispiel Zitelmanns-, Die nach § 109 StGB (früher § 142 StGB) strafbare Selbstverstümmelung zur Wehrpflichtentziehung. 55 Beispiel Zitelmanns, übernommen von Larenz, a. a. O.: Die nach § 308 StGB strafbare Brandstiftung am eigenen Haus. 56 § 3 III 3. 57 Protokolle des Reichsjustizamts, S. 536, zit. nach Jakobs/Schubert, §§ 652-853, S. 894. 58 Die Tötung auf Verlangen ist nicht nur strafbar, es besteht auch keine dem § 216 StGB vergleichbare Strafmilderung, s. oben, Fußn. 26. Auch im übrigen wird argumentiert, die Einwilligung des Opfers beseitige in der Regel nicht das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, vgl. Restatement (Second) of Torts, § 892C, comment b. Bekanntestes Beispiel aus der neueren englischen Rechtsprechung ist der Fall R. v. Brown, in dem sich Homosexuelle bei sado-masochistischen Aktivitäten erhebliche Verletzungen zugefügt hatten. Das House of Lords hielt die Einwilligung der Beteiligten für unwirksam und verurteilte wegen Körperverletzung, [1994] 1 A. C. 212; vgl. auch A. G. 's Reference (No. 6 of 1980) [1981] Q . B . 715.

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5 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre Grenzen

schlagen 59 . In der Literatur herrschend 6 0 ist jedoch die Gegenansicht, der auch einige US-Gerichte 6 1 , das Restatement of Torts 62 und die überwiegende Ansicht im englischen Recht 63 folgen und die von Prosser/Keeton folgendermaßen formuliert wird: „Consent avoids recovery simply because it destroys the wrongfulness of the conduct as between the consenting parties, however harmful it might be to the interests of others, and even though it is perhaps both immoral and criminal." 6 4

Die Begründung stützt sich vor allem auf den Grundsatz „ex turpi causa non oritur actio". Da der Einwilligende meist selbst zu dem strafbaren Verhalten anstifte und oft daran aktiv beteiligt sei, könne ihm kein Rechtsschutz gewährt werden. D e m Argument, die zivilrechtliche Sanktion unterstütze die Abschreckungswirkung des Strafrechts, sei erstens entgegenzuhalten, die Strafverfolgung reiche zum Schutz des öffentlichen Interesses aus, zweitens spreche dagegen, daß oft der Einwilligende der eigentliche Initiator des Verhaltens sei und mithin durch den drohenden Verlust seines Ersatzanspruchs abgeschreckt werden müsse. In der Rechtsprechung findet sich diese Argumentation vor allem in Fällen illegaler Abtreibungen 6 5 . Hier wird zusätzlich darauf verwiesen, daß die Strafnorm dem Schutz des ungeborenen Lebens, nicht aber dem Schutz der finanziellen Interessen der Mutter diene 66 . Allgemein anerkannt ist jedoch, daß eine strafrechtliche Einwilligungsschranke dann auf das Zivilrecht durchschlägt, wenn sie gerade dem Schutz einer bestimmten Perso59

Etwa in einigen US-Entscheidungen, die illegale Abtreibungen zum Gegenstand hatten: Milliken v. Heddesheimer 144 N . E . 264, 100 Ohio St. 381 (1924);/oj v. Brown 252 P.2d 889 (892), 173 Kan. 833 (1953); Crawford v. City of Kansas City 952 F.Supp. 1467 (1447) (1997); s. aber zu den gegenläufigen Entscheidungen in anderen US-Bundesstaaten den folgenden Text. 60 Vgl. Bohlen, (1924) 24 Col.L.Rev. 819ff.; Harper/James/Gray, §3.10 (S. 3:48f. m. w.N.); Prosser/Keeton, § 18 (S. 122 f.). 61 White v. Gill 309 So.2d 744 (1975); Lykins v. Hamrick 137 S.W. 852 (853), 144 Ky. 80 (1911); Sayadoff v. Warda 271 P.2d 140,125 Cal. App. 2d 626 (630f.) (1954); Szadiwicz v. Cantor 154 N . E . 251, 257 Mass. 518(519), 49 A.L.R. 958 (1926); Symone T.v. Lieber 205 A.D.2d 609 (610), 613 N.Y.S. 2d 404 (1994). 62 Sec. 892C lautet: (1) Except as stated in subsection (2), consent is effective to bar recovery in a tort action although the conduct consented to is a crime. (2) If conduct is made criminal in order to protect a certain class of persons irrespective of their consent, the consent of members of that class to the conduct is not effective to bar a tort action. 63 Murphy v. Culhane [1977] Q.B. 94 (98); Airedale N.H.S. Trust v. Bland [1993] 2 W.L.R. 316 (392); Salmond/Heuston, S. 481; Clerk & Lindsell/Brazier, Rz. 3-60, 13-08. 64 Prosser/Keeton, § 18 (S. 113). 65 Sayadoff v. Warda 271 P.2d 140, 125 Cal. App. 2d 626 (630 f.) (1954); Szadiwicz v. Cantor 154 N . E . 251, 257 Mass. 518(519), 49 A.L.R. 958 (1926); Symone T.v. Lieber 205 A.D.2d 609 (610), 613 N.Y.S. 2d 404 (1994). 66 Prosser/Keeton, § 18 (S. 123) m . w . N .

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nengruppe dient. Wichtigstes Beispiel ist das Verbot sexueller Handlungen mit Kindern. Selbst wenn das Kind einwilligt und über die notwendige Einwilligungsfähigkeit verfügt, ist die Einwilligung zivilrechtlich unwirksam. Ein Schadensersatzanspruch wegen assault oder battery, die anders als der deutsche Körperverletzungstatbestand bereits mit der Berührung des Opfers vollendet sind, ist mithin nicht ausgeschlossen. Dieser Exkurs in die Rechtsgeschichte und ins ausländische Recht lenkt den Blick auf einen Gedanken, der oben in § 7 herausgearbeitet wurde: Die Voraussetzungen der Einwilligung müssen an den Aufgaben der jeweiligen juristischen Disziplin ausgerichtet werden. Das Privatrecht im allgemeinen und das Deliktsrecht im besonderen dienen in erster Linie dem gerechten Ausgleich zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner. Gegen die Übertragung strafrechtlicher Einwilligungsschranken können daher zwei Argumente sprechen. Erstens profitiert der Einwilligende von der Nichtigkeit der Einwilligung unmittelbar dadurch, daß er seinen Schadensersatzanspruch behält. Durch Erteilung der Einwilligung wird der Einwilligende aber gerade selbst zur Schlüsselfigur des Geschehens, wie etwa anhand eines abgewandelten Beispiels von Zitelmann67 deutlich wird: Wenn ein Eigentümer sein in einem Wohngebiet gelegenes Haus zur Durchführung eines Versicherungsbetruges anzünden, den Brand aber nicht höchstpersönlich legen möchte, so macht sich der Brandstifter, der im Auftrag des Eigentümers die Tat ausführt, trotz dessen Einwilligung nach §§ 306 a II, 265 I, 52 StGB strafbar68. Wenn dieser Umstand aber im Innenverhältnis zwischen Eigentümer und Brandstifter zum Entstehen eines Schadensersatzanspruchs wegen Eigentumsverletzung führen würde, würde gerade der Initiator des Gesetzesverstoßes, der strafrechtlich zumindest als Anstifter haftet69, belohnt. Zweitens bleibt, wenn das private Schutzinteresse durch die Einwilligung entfällt, nur das öffentliche Interesse als Rechtfertigung für die Sanktion übrig. Gegen letzteren Gedanken kann allerdings eingewandt werden, daß öffentliche Interessen im Privatrecht durchaus von Bedeutung sind. Deutliche Berücksichtigung finden sie 67 Zitelmann gelangt allerdings wegen der fortbestehenden Strafbarkeit der Brandstiftung zur Unwirksamkeit der Einwilligung, AcP 99 (1906) 1 (69 f.); ebenso Larenz SchR II, § 71 I c 1 (S. 594). 68 Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 306 a II ist allerdings, daß andere Menschen durch die Brandstiftung konkret in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung gebracht werden, s. Scbönke-Schröder/Heine, Rz. 19 zu § 306 a; vgl. zur Einwilligung des Eigentümers in eine Brandstiftung auch B G H M D R bei Holtz, 1989,493. Täter des Versicherungsbetruges nach § 265 StGB ist wohl nicht der Eigentümer selbst, sondern nur der Brandstifter. Die Einwilligung des Eigentümers rechtfertigt nicht, da § 265 StGB die Versicherung schützt. 69 Die schwierige strafrechtliche Frage, ob der Eigentümer, der den Brand nicht selbst legt, möglicherweise sogar als Mittäter strafbar ist, mag hier offenbleiben, vgl. dazu B G H N J W 1951, 204; B G H M D R bei Holtz 1989, 493; Ranft, Jura 1985, 393 (395, 397ff.).

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

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im Rahmen des § 134 BGB und der Sittenwidrigkeitsklauseln (§§ 138, 826 BGB, 1 U W G ) . Außerdem setzt sich immer stärker die Einsicht durch, daß sich die Funktion des zivilen Haftungsrechts nicht im gerechten Ausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem erschöpft, sondern daß zur Kompensationsfunktion die Präventionsfunktion hinzutritt 70 . Nach Kötz sind strafund zivilrechtliche Verhaltenspflichten „funktionell H o l z vom gleichen Stamm" 7 ', und es läßt sich in der Tat kaum leugnen, daß auch die zivilrechtlichen Sanktionen eine erhebliche verhaltenssteuernde Wirkung entfalten. Am Beispiel des Medizinrechts läßt sich diese These verdeutlichen: Kunstgerechtes ärztliches Verhalten ist sicherlich bereits durch den Hippokratischen Eid geboten 72 , doch die Gefahr erheblicher Schadensersatzansprüche bei Behandlungsfehlern oder Verletzungen der ärztlichen Aufklärungspflicht verstärken die medizinethischen Verhaltensgebote in äußerst effektiver Weise. An dieser Stelle ist nicht der Raum, die gesamte Diskussion über die Präventionsfunktion des Privatrechts aufzuarbeiten oder zu kommentieren. Es mag der Hinweis genügen, daß sich der B G H in seiner Caroline von Monaco-Entscheidung73 nachdrücklich zum Präventionszweck des zivilen Haftungsrechts bekannt hat. Allerdings betraf dieser Fall ebenso wie die gemeinhin in der Literatur diskutierten Sachverhalte eine Rechtsverletzung gegen den Willen des Opfers. In diesem Normalfall führen spezial- und generalpräventive Erwägungen zum gleichen Ergebnis wie der Kompensationsgedanke. Schadensersatz gleicht die Einbuße des Verletzten aus, setzt für den Verletzer einen Anreiz dafür, ähnliche Eingriffe in Zukunft zu unterlassen (Spezialprävention), wirkt auf die Allgemeinheit abschreckend (negative Generalprävention) und bekräftigt die Verhaltensnorm (positive Generalprävention) 74 . Die Besonderheit der Einwilligungsfälle besteht nun darin, daß ein Bedürfnis nach Prävention besteht, Kompensation zugunsten des Verletzten aber häufig ungerecht wäre. Drei Lösungen erscheinen denkbar. Der erste Weg entspricht der wohl herrschenden Meinung: Strafrechtliche und andere außerprivatrechtliche Einwilligungssperren schließen stets auch die privatrechtliche Wirksamkeit der 70

Vgl. Deutsch A H R , Rz. 18,907 u n d J Z 1971,244 (246); Enneccerus/Nipperdey AT I, § 101 IV 1 (S. 597); Kötz, FS Steindorff, S. 643 ff.; Canans, FS Deutsch, S. 85 (105); rechtsvergleichend Stoll, Haftungsfolgen, S. 60 ff., 209 ff.; einschränkend Larenz SchR I, § 27 I (S. 351). 71 Kötz, a . a . O . , S. 658. 72 „Meine Verordnungen werde ich treffen zu N u t z u n d F r o m m e n der Kranken nach meinem besten Vermögen u n d Urteil, sie schützen vor allem, was ihnen Schaden und U n r e c h t zufügen könnte." D e r gesamte Hippokratische Eid ist abgedruckt bei Deutsch M e d R , Rz. 1029. 73 B G H Z 128, 1 (16), dazu Canans, FS Deutsch, S. 85 (105 ff.); Gounalakis, A f P 1998, 10 (15 ff.); vgl. auch B G H Z 35, 363 (369). 74 Z u den unterschiedlichen Ausprägungen des Präventionsgedankens vgl .Jakobs AT, 1/15, 27ff.; Jescheck/Weigend, § 8 V (S. 75 ff.); Roxin AT I, § 3, Rz. 11 ff., 37ff.

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Einwilligung aus, allerdings kann das Verhalten des Verletzten nach § 254 BGB zur Kürzung oder sogar zum Wegfall des Schadensersatzanspruchs führen 75 . Diese Lösung vermeidet eine Spaltung des Rechtswidrigkeitsurteils: Ein Verhalten, das strafrechtlich verboten bleibt, kann auch im Privatrecht niemand wirksam erlauben. Außerdem ermöglicht § 254 BGB eine flexible Berücksichtigung der Verursachungsanteile. Andererseits zwingt dieser Ansatz dazu, Schadensersatz dem Grunde nach zuzuerkennen, obwohl nur rein öffentliche Interessen dafür sprechen. Die zweite Möglichkeit führt über den Rechtsgedanken des § 817, 2 BGB76. Ebenso wie dort eine Leistung nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende selbst gegen die guten Sitten verstößt, könnte der Schadensersatzanspruch gesperrt sein, wenn der Einwilligende selbst gegen die Strafnorm verstößt, insbesondere wenn er nach allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften als Anstifter zu behandeln wäre. Diese Lösung ermöglicht es ebenfalls, die Handlung als rechtswidrig einzustufen, berücksichtigt aber darüber hinaus, daß generalpräventive Überlegungen auch gegen eine Begünstigung des Einwilligenden sprechen, ein Gedanke, der auch § 817, 2 BGB zugrunde liegt77. Andererseits bestehen in der Rechtsprechung und Teilen der Literatur 78 erhebliche Bedenken gegen eine Ausdehnung dieser Bestimmung, die gerade wegen ihres generalpräventiven Charakters als Ausnahmevorschrift gilt. Schließlich besteht die radikalste Lösung darin, auch in dieser Hinsicht die privatrechtliche Wertung von der strafrechtlichen abzukoppeln. Die gerade im strafrechtlichen Schrifttum verbreitete These, das Privatrecht könne eine Einwilligung strenger beurteilen als das Strafrecht, nicht jedoch umgekehrt, würde damit verworfen. Den Weg zu einer auch für das deutsche Recht überzeugenden Antwort weist das US Restatement of Torts, das nach dem Schutzzweck der Einwilligungssperre differenziert. Bezweckt die Norm zumindest auch den Schutz des Einwilligenden, so spricht alles für eine Unwirksamkeit der Einwilligung. Die Kompensation ist in diesem Fall nicht unbillig, da gerade der Betroffene selbst vor den Folgen seiner Einwilligung geschützt werden soll. Zu diesen Folgen gehören nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die vermögensrechtlichen Konsequenzen, die durch den Schadensersatzanspruch ausgeglichen werden. Auch der Präventionsgedanke ist in besonderem Maße einschlägig: Es soll nicht nur die Verhaltensnorm allgemein bestärkt werden, So Zitelmann, A c P 99 (1906) 1 (70). So Schenke, S. 83. 77 Zur R ü c k f ü h r u n g des § 817, 2 B G B auf das Prinzip der Generalprävention Larenz/ Canaris SchR II/2, § 68 III 3 a (S. 162). 78 Vgl. B G H Z 44, 1 (6f.), J Z 1964, 558 und die Rechtsprechungsübersicht bei RGRK/ Heimann-Trosien, Rz. 13 zu § 817; außerdem z u m Meinungsstand MüKo/Lieb, Rz. 24ff. zu § 817; Larenz/Canaris SchR II/2, § 68 III 3 e, f (S. 165f.); Reuter/Marünek, § 6 V 1f (S. 213 ff.). 75 76

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sondern die Handlung soll gerade im Interesse des Geschädigten unterbleiben. Das Paradebeispiel für diese Fallgruppe sind Arbeitsschutzbestimmungen, die den Arbeitnehmer selbst dann schützen sollen, wenn er auf den Schutz verzichtet 79 . Ein weiteres Beispiel bietet § 8 12 TPG, der, wie gesehen, nicht nur dem Allgemeininteresse an der Verhinderung des Organhandels, sondern auch dem Schutz des Spenders dient, da sich die Freiwilligkeit seiner Spende nicht mit letzter Sicherheit feststellen läßt 80 . Es entspricht dem Zweck dieser Norm, daß zivilrechtliche Sanktionen die Prävention verstärken und daß der Arzt, der den Eingriff gleichwohl durchführt, dem Spender auf Schadensersatz haftet. Daß § 8 12 TPG nach verbreiteter und richtiger Ansicht zu restriktiv ausgefallen ist81, steht auf einem anderen Blatt: Diese gesetzgeberische Entscheidung hat auch der Privatrechtsanwender zu respektieren. Selbstverständlich kann der Schadensersatzanspruch am fehlenden Verschulden des Schädigers scheitern, auch kann § 254 BGB eingreifen. Im Rahmen der Prüfung des Mitverschuldens muß berücksichtigt werden, ob der Einwilligende oder der Einwilligungsempfänger eigentlicher Initiator des Geschehens war und wie stark die individualschützende Funktion der betreffenden Norm neben parallel vorliegenden Rechtfertigungen durch öffentliche Interessen ausgeprägt ist. Erklärt die außerprivatrechtliche Norm die Einwilligung jedoch ausschließlich wegen eines Verstoßes der Tat gegen öffentliche Interessen für unwirksam, so ist ein Schadensersatzanspruch zugunsten des Einwilligenden nicht gerechtfertigt. Die Präventionsfunktion allein vermag in dieser Situation die zivilrechtliche Haftung nicht zu rechtfertigen, da es sich um eine unselbständige Funktion des Haftungsrechts handelt: Unabhängig von präventiven Zielsetzungen muß der Schadensersatzanspruch stets mit dem Wiedergutmachungsinteresse des Geschädigten begründen lassen 82 . Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der konsentierte Eingriff nur gegen öffentliche Interessen verstößt, im Gegenteil würde der Verletzte ungerechtfertigterweise profitieren. Im Beispiel Zitelmanns verdient der Eigentümer des brennenden Hauses selbst keinen Schutz, sondern ist im Gegenteil der eigentliche Übeltäter. Dasselbe gilt im eingangs 83 gebildeten Fall, daß ein Grundeigentümer seinem Nachbarn eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung auf seinem Grund erlaubt. Auch dieser Eigentümer disponiert mit der Einwilligung über ein verfügbares Recht, und es besteht kein Anlaß, ihn an dieser Disposition nicht festzuhalten. Diese Überlegung findet ihre Begründung darin, daß die genannten Normen Rechte Dritter oder Gemeinschaftsgüter wie die Umwelt schützen, die sich vom 79 80 81 82 83

OLG Hamm AP 1 zu § 7 JArbSchG; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (131, Fußn. 119). S. oben, § 6 IV 3 e. Näher hierzu unten, IV 2 b. Stoll, Haftungsfolgen, S. 209; Canaris, FS Deutsch, S. 85 (105). § 2 III.

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Schutz der jeweiligen Sache unterscheiden lassen. Wenn über das private Rechtsgut wirksam disponiert wurde, gilt es nur noch, die Verletzung der Rechte Dritter oder des Gemeinschaftsguts zu sanktionieren. Erstere bleiben aber von der Einwilligung unberührt, während der Schutz des letzteren Aufgabe des Strafrechts, nicht des Privatrechts ist 84 . Damit wird der konstruktive Weg deutlich, mit dem sich das intuitiv als gerecht empfundene Ergebnis begründen läßt. Durch die Einwilligung in den Eingriff in das private Rechtsgut entfällt bereits der Tatbestand der zivilrechtlichen Haftungsnorm, wie besonders das umweltrechtliche Beispiel verdeutlicht. Unter § 823 I B G B liegt keine Eigentumsverletzung mehr vor, wenn der Grundeigentümer die Ablagerung umweltgefährdender Abfälle gestattet hat. Das Gemeinschaftsgut Umwelt, über das der Eigentümer nicht disponieren kann, wird nicht nach § 823 I B G B privatrechtlich, sondern lediglich nach §§ 324ff. StGB und verwaltungsrechtlichen Vorschriften öffentlich-rechtlich geschützt. Zwar spricht einiges dafür, die §§ 324ff. S t G B als Schutzgesetze im Sinne des § 823 II B G B anzusehen 85 , aber nur soweit dort private Rechtsgüter geschützt sind 86 . Ist über diese Rechtsgüter wirksam disponiert worden, so fehlt es an einer Schutzgesetzverletzung. Die Verletzung des Gemeinschaftsguts, das für sich genommen die Einordnung als Schutzgesetz gerade nicht stützen würde, ist insoweit privatrechtlich unerheblich. Daher bedarf es weder eines Rückgriffs auf § 254 B G B noch auf § 817,2 B G B , zumal die Anwendung der letztgenannten N o r m nach herrschender Meinung Kenntnis von dem Gesetz- oder Sittenverstoß voraussetzt 87 , was in einer Einwilligungskonstellation unangemessen wäre: Grund für den Wegfall des Schadensersatzanspruchs ist die selbstbestimmte Disposition über eigene Rechtsgüter, nicht die Sittenwidrigkeit des eigenen Verhaltens. Die hier entwickelte Lösung entspricht spiegelbildlich dem § 823 II B G B : Ebensowenig wie dort jede Gesetzesverletzung einen Schadensersatzanspruch begründet, ist die Einwilligung im Privatrecht immer schon unwirksam, wenn die Handlung strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich rechtswidrig bleibt. Entscheidend ist in beiden Fällen der Schutzzweck der rezipierten Norm. 84 Zwar ist umstritten, inwieweit das Privatrecht zum Schutz von Gemeinschaftsgütern, insbesondere der Umwelt, beitragen kann, vgl. hierzu das Gutachten von Marburger zum 56. DJT, krit. AXZM Medicus, J Z 1986, 778 ff. (insb. 779), der zutreffend daraufhinweist, daß die privatrechtliche Einklagbarkeit des Gemeinschaftsguts Umwelt durch jedermann auf eine „zivilrechtliche Popularklage" hinausliefe. 85 Die Frage wurde, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden, vgl. die umfassende Übersicht (Stand Januar 1999) bei Staudinger/Hager, Rz. G 42 zu§ 823, in der die §§ 324 ff. StGB nicht erwähnt werden. 86 Eine ähnliche Abgrenzung nimmt O L G Düsseldorf VersR 1995, 1363 (1365) für § 2 I 2 AbfG vor. 87 B G H Z 50, 90 (92); MüKo/Lieb, Rz. 37 zu § 812; Larenz/Canaris SchR II/2, § 68 III 3 b (S. 163); a. A. Reuter/Martinek, § 6 V 1 e (S. 212f.).

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5 14 Die Dispositionsbefugnis

3. Privatrechtliche

Schranken

der

und ihre

Grenzen

Dispositionsbefugnis

a) Dogmatische Grundlagen Parallel zur Übernahme außerprivatrechtlicher Einwilligungsschranken ist das Privatrecht selbst aufgerufen, über die Grenzen der Dispositionsbefugnis zu bestimmen. Unbeantwortet ist damit allerdings noch die Frage, ob sich diese Beschränkungen, soweit sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, aus § 138 B G B ergeben, oder ob es sich um immanente Schranken der jeweiligen subjektiven Rechte handelt. Nach der oben in § 9 begründeten Ansicht ist die Einwilligung Rechtsgeschäft, so daß die Anwendbarkeit des § 138 B G B nicht schon an der Rechtsnatur der Einwilligung scheitert. Vielmehr ist die grundsätzliche Frage aufgeworfen, wo Grenzen der Privatautonomie, die sich aus der höchstpersönlichen Natur des Regelungsgegenstands oder dem Paradox der Freiheit ergeben, systematisch zu verorten sind. Anders als die strafrechtliche Lehre darf sich eine privatrechtliche Theorie in diesem Zusammenhang nicht auf die Schranken der widerruflichen Einwilligung beschränken, sondern muß Vorschriften in die Analyse einbeziehen, die für bestimmte Rechte stärker bindende Dispositionsformen ausschließen. Hält man sich diesen Aspekt vor Augen, so spricht für die Annahme immanenter Schranken zunächst die Parallele zum Eigentum und den beschränkt dinglichen Rechten. Ist eine bestimmte Disposition im Sachenrecht nicht vorgesehen, so ist sie nicht etwa verboten, sondern rechtlich unmöglich. So ist § 1059 B G B , der die Unübertragbarkeit des Nießbrauchs feststellt, kein Verbotsgesetz 88 , sondern als immanente Schranke Teil der Normen, die das subjektive Recht überhaupt erst konstituieren. Nichts anderes gilt, wenn ein Persönlichkeitsrecht wegen der unlösbaren Verbindung des Rechtsguts zur Person nicht vollständig übertragbar ist. Auch die translative Übertragung des Urheberrechts unter Lebenden ist nicht verboten oder sittenwidrig, vielmehr ist der Ausschluß der Übertragbarkeit in § 29 I U r h G Ausdruck der besonderen Natur des Rechts. Selbst absolute oder relative Einwilligungssperren, also Normen, die auch der widerruflichen Einwilligung stets oder unter bestimmten Voraussetzungen die Wirksamkeit versagen, beruhen aus zwei Gründen regelmäßig nicht auf einer sittlichen Mißbilligung der Einwilligung. Erstens geht es in der Regel nicht um die Sittenwidrigkeit der Einwilligung selbst 89 , sondern allenfalls um eine Bewertung der Eingriffshandlung 90 : Wenn ein Todeswilliger in die T ö 88 Vgl. B G H Z 23, 293 (für gesetzlich nicht vorgesehene Modifikationen des Pfandrechts); Soergel/Hefermehl, Rz. 3 zu § 134. 89 Gegenstand des Sittenwidrigkeitsurteils unter § 138 B G B ist das Rechtsgeschäft als Regelung, s. Flume AT II, § 18,2 a (S. 368). Der Regelungsgehalt der Einwilligung besteht in der (meist sittlich neutralen) Erlaubnis zur Eingriffshandlung, s. oben, § 9 III 2 a. 90 Zutreffend Schenke, S. 70 ff. So auch die ganz h. M. im Strafrecht zu § 228 StGB, s. die Nachweise in Fußn. 46.

III.

Objektive

Schranken

der Dispositionsbefugnis

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tung einwilligt, handelt er nach heutiger Auffassung 91 wohl nicht sittenwidrig, dennoch vermag seine Einwilligung die negative normative Beurteilung der Handlung nicht zu beseitigen. Selbst wenn die Einwilligung der Verwirklichung rechtlich mißbilligter Fernziele gilt, bleibt sie selbst sittlich neutral. So entschied der B G H zu Recht, daß die Einwilligung in einen fingierten Verkehrsunfall nicht aus dem Grunde unwirksam ist, daß anschließend die KfzVersicherung getäuscht werden soll 92 . Anders ist es möglicherweise, wenn der Einwilligungsempfänger auf die Erteilung der Einwilligung unter Umständen einwirkt, die als sittenwidrig zu bewerten sind. In diesen Fällen, die etwa bei Mißbrauch von Machtstellungen eintreten können, erwägt Kohte zu Recht die Anwendung des § 138 I B G B 9 3 . Allerdings handelt es sich hier nicht um die an dieser Stelle erörterten Beschränkungen der Dispositionsbefugnis, sondern um die Sicherung einer autonomen Entscheidung im Einzelfall. Beispielsweise kann jeder Einwilligungsfähige nach freiem Willen in die Durchführung eines HIV-Tests einwilligen, die Dispositionsbefugnis ist insoweit unbeschränkt. Eine ganz andere Frage, auf die in § 15 zurückzukommen sein wird, ist, ob die Einwilligung eines Arbeitnehmers in einen HIV-Test wirksam ist, wenn sie vom Arbeitgeber erzwungen wurde. Zweitens erscheint der Maßstab der Sittenwidrigkeit selbst dann als unpassend, wenn die Eingriffshandlung in die Bewertung einbezogen wird. Das zeigt sich besonders deutlich in einem Urteil, in dem der B G H die Einwilligung in eine Sterilisation am Maßstab der guten Sitten, verstanden als „die Grundvorstellungen von dem, was nach den herrschenden Anschauungen unseres Rechts- und Kulturkreises innerhalb der sozialen Gemeinschaft vom Einzelnen an sittlichem Verhalten verlangt wird", überprüft 94 . Dieser Obersatz ist irreführend und für die weitere Urteilsbegründung nicht maßgeblich. Entscheidend ist weder eine moralische Wertung - der mögliche Verstoß einer freiwilligen Sterilisation gegen die Sexualmoral hält der B G H zu Recht nicht für entscheidungserheblich 95 - noch etwaige Anforderungen der Gesellschaft an das sittliche Verhalten ihrer Mitglieder, sondern eine Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und dem Schutz der Einwilligenden vor der unbedachten irreversiblen Aufgabe essentieller Lebensgüter. Diese Abwägung, die der B G H in seiner Entscheidung übrigens in ausführlicher und einfühlsamer Weise vornimmt 96 , hat wenig mit einer sittlichen Wertung zu 91 Die eindeutige sittliche Verurteilung des Suizids, von der noch das R G in R G Z 66, 306 (308) und Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (77), ausgingen, dürfte in der heutigen Gesellschaft jedenfalls nicht mehr dem allgemeinen Konsens entsprechen. 92 B G H Z 71, 339 (340). 93 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (134). 94 B G H Z 67, 48 (50f.). 95 A . a . O . , S . 52. 96 A. a. O., S. 53 f., näher hierzu unten, IV 2 b.

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

tun. Die Einwilligende mißbraucht nicht ihre Gestaltungsmacht, vielmehr ist ihre Dispositionsbefugnis von vornherein beschränkt. Es drängt sich die gedankliche Parallele zur Verpflichtung zu bestimmten höchstpersönlichen Handlungen, etwa zur Einnahme empfängnisverhütender Mittel oder zum Wechsel der Konfession auf, die nach verbreiteter Ansicht nicht erst nach § 1 3 8 BGB 97 , sondern schon deshalb nichtig sein sollen, weil derartige Handlungen der rechtsgeschäftlichen Regelung entzogen sind 98 . Für Canaris handelt es sich hier um ungeschriebene Schranken der Privatautonomie, die § 138 BGB vorausliegen und eher mit dem Tatbestand der rechtlichen Unmöglichkeit als mit der Sittenwidrigkeit vereinbar sind 99 . In ähnlicher Weise sind auch in den hier diskutierten Fällen nicht die Gestattung oder die Eingriffshandlung sittlich anstößig, vielmehr läßt das Recht die Disposition als solche nicht zu. Damit gebührt im Ergebnis 100 Deutschm Zustimmung: Die Einwilligungsschranken ergeben sich aus dem jeweiligen subjektiven Recht, eines Rückgriffs auf § 138 I BGB bedarf es nicht. b) Abwägungsmethode und -kriterien Ansatzpunkt für die Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsinteresse des Rechtsinhabers und den Faktoren, die der Wirksamkeit der Disposition entgegenstehen, sind die oben in § 6 angestellten verfassungsrechtlichen Uberlegungen. Besondere Bedeutung kommt den Grundrechten bei der Anwendung der Generalklauseln zu, dasselbe gilt für Rechtsbereiche, die insgesamt gesetzlich nicht geregelt sind. Die Schranken der Dispositionsbefugnis im persönlichkeitsrechtlichen Bereich sind ein Paradebeispiel: Nach einer verbreiteten Ansicht beruhen sie auf § 138 I BGB, also einer Generalklausel, während sie sich nach hier vertretener Ansicht aus den jeweiligen subjektiven Rechten ergeben, die weitgehend gesetzlich nicht ausgestaltet sind. Es erscheint daher gerechtfertigt, eine Theorie der Schranken auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip zu stützen. Demnach muß jede Beschränkung der Dispositionsbefugnis einem vertretbaren Zweck dienen (aa) und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich sein. Insbeson97 So aber die h.M., vgl. Medicus AT,Rz. 703; MüKo/Mayer-Maly/Armbrüster, Rz. 57f., 127f. zu § 138; Palandt/Heinrichs, Rz. 56 zu § 138; Staudinger/Sack, Rz. 464 zu § 138. 98 So Canaris, AcP 184 (1984) 201 (232 ff.); Flume AT II, §§ 7,2 (S. 82 f.), 18,2 (S. 369); Larenz/Wolf, § 22, Rz. 42f. (dagegen aber § 41, Rz. 54ff.); Soergel/Hefermehl, Rz. 21 zu §138. 99 Canaris, AcP 184 (1984) 201 (235) m.w.N., insb. mit Hinweis auf die Entscheidung RGZ 57, 250, wo das RG die Verpflichtung zur Ehescheidung nach jüdischem Ritus mit der Begründung für nichtig erklärte, die Parteien hätten etwas vereinbart „was Gegenstand einer rechtlichen Verpflichtung überhaupt nicht sein kann" (a. a. O., S. 257). 100 Wenn auch nicht in der Begründung: Als Gegner der Rechtsgeschäftstheorie lehnt Deutsch die Anwendbarkeit der Rechtsgeschäftslehre insgesamt ab. 101 Deutsch AHR, Rz. 282.

III. Objektive

Schranken

der Dispositionsbefugnis

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dere muß die Beschränkung auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen, der Zweck darf also nicht außer Verhältnis zum Wert der Selbstbestimmung stehen (bb). aa) Erste Voraussetzung: legitimer Zweck Die denkbaren Zwecke, auf denen Einwilligungsschranken beruhen können, wurden im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überlegungen bereits untersucht: Es handelt sich um Rechte Dritter, Allgemeininteressen und ausnahmsweise den Schutz des Disponierenden vor den nachteiligen Folgen seiner eigenen Entscheidung im Fall des drohenden irreversiblen Freiheitsverlustes. Die Kollision des Selbstbestimmungsrechts mit Rechten Dritter bereitet meist keine größeren Schwierigkeiten. Bestehen an einem Gegenstand verschiedene Rechte, so rechtfertigt die Disposition über ein Recht nicht den Eingriff in das andere. Willigt der Eigentümer eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks in den Abriß des darauf erbauten Hauses durch einen Unternehmer ein, so entfällt sein Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsverletzung, die Ansprüche des Inhabers der Grundschuld bleiben davon aber unberührt 102 . Im persönlichkeitsrechtlichen Bereich ist eine vergleichbare Uberlagerung verschiedener Rechte zwar selten, aber nicht ausgeschlossen. Ein Beispiel bieten die neueren Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin 103 : Hier können neben den Interessen der Eltern die zukünftigen Interessen des ungeborenen Kindes ins Gewicht fallen. So ist nach verbreiteter Ansicht die anonyme heterologe Insemination unzulässig, weil dem Kind später die Möglichkeit fehlt, seine Abstammung festzustellen und die damit verbundenen Unterhalts- und Sorgeansprüche durchzusetzen 104 . Für die Einwilligungslehre bedeutet das, daß die Einwilligung der Mutter und des Samenspenders zwar wirksam sind und ihre jeweiligen Ansprüche gegen den Arzt ausschließen, daß die Rechte des Kindes aber unberührt bleiben. Auch Allgemeininteressen können die Dispositionsbefugnis beschränken. Allerdings muß die Durchsetzung des betreffenden Interesses im liberalen Staat legitim sein. Das ist fraglich, wenn eine Einwilligungsschranke lediglich mit dem Erhalt der Sexualmoral gerechtfertigt wird. So hielt das RG in verschiedenen strafrechtlichen Entscheidungen noch die Einwilligung in sadomasochistische Praktiken für unwirksam 105 , im englischen Recht gelangte in 102

BGHZ 65, 211 (212); Medicus

SchR II, Rz. 806; Staudinger/Hager,

Rz. B 129 zu

§ 823. 103 Vgl. zu dieser Problematik Laufs, JZ 1986,769 ff. und in HdA, § 129; Püttner/Brühl, JZ 1987, 529ff. 104 So HdA/Laufs, § 129, Rz. 38; Püttner/Brühl, a. a. O., S. 532, vgl. auch BVerfG NJW 1989 891 f. (Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung); krit. Deutsch MedR, Rz. 432. 105 RG JW 1928, 2229 m. krit. Anm. v Bohne-, 1929, 1015; 1938, 30f.; DR 1943, 234; weitere Nachw. und eingehende Kritik dieser Rspr. bei Niedermair, S. 184 ff.

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5 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

neuerer Zeit das House of Lords in R.v. Brown106 zum selben Ergebnis. Analysiert man diese Urteile, so zeigt sich die Notwendigkeit, nach der Schwere des Eingriffs zu differenzieren. Soweit die Einwilligung unerhebliche Körperverletzungen ohne bleibende Schäden betrifft, läßt sich eine Einwilligungssperre nicht begründen. Zum einen ist der Schutz der Sexualmoral angesichts einer zunehmenden Liberalisierung der öffentlichen Meinung, eines schwindenden gesellschaftlichen Konsenses in moralischen Fragen und angesichts des grundrechtlichen Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung durch Art. 2 I i.V.m. 1 I G G kein Zweck, der eine Freiheitsbeschränkung rechtfertigen kann. Zum anderen liegt den reichsgerichtlichen Entscheidungen, die zum Straftatbestand der Körperverletzung ergangen sind, eine Rechtsgutvertauschung 107 zugrunde: Geschützt wird nicht das Rechtsgut des § 223 StGB, sondern die öffentliche Moral. Handelt es sich hingegen um schwere Körperverletzungen, wie dies offenbar in der Entscheidung des House of Lords der Fall war, so können andere Erwägungen eingreifen 108 . Hier erlaubt in engen Grenzen der Gedanke der Freiheitsmaximierung eine Kontrolle der Einwilligung an objektiven Maßstäben, so daß, wie noch zu zeigen sein wird, die Einwilligung in schwere Körperverletzungen nur wirksam ist, wenn sie einem objektiv vernünftigen Zweck dient 109 . Der Grenzbereich zwischen dem Schutz von Allgemeininteressen und Schutz einer Person vor sich selbst ist erreicht, wenn die Unwirksamkeit einer Disposition über eigene Angelegenheiten mit dem Schutz der Menschenwürde oder der Unverfügbarkeit eines Kernbereichs der Persönlichkeitsrechte begründet wird. Die Begründung einer solchen Einwilligungsschranke mit öffentlichen Interessen ist, wie oben 110 gesehen, aus mehreren Gründen problematisch. Erstens ist die Autonomie selbst essentieller Bestandteil der Menschenwürde, zweitens verlangt gerade die äußerste Persönlichkeitsnähe den Ausschluß staatlicher Mitentscheidungsrechte, drittens verleitet der Rekurs auf Menschenwürde und Persönlichkeitskern zu Scheinbegründungen. Vor allem bestehen aber, wie oben gesehen, speziell im Privatrecht Bedenken dagegen, lediglich aus Gründen des öffentlichen Interesses den Einwilligenden von den [1994] 1 A . C . 212. Arzt, Willensmängel, S. 37; Göbel, S. 57; LK/Hirsch, Rz. 9 zu § 228; Niedermair, S. 187; Schönke-Scbröder/Stree, Rz. 8 zu § 228; Sternberg-Lieben, S. 519, der ein umfassendes Verbot der Rechtsgutsvertauschung durch objektive Einwilligungsschranken postuliert (S. 512 ff.). 108 So auch die Differenzierung bei Schönke-Schröder/Stree, Rz. 8 zu § 228; gegen jede Einschränkung der Dispositionsbefugnis Niedermair, S. 191. 109 Die von Niedermair, S. 50, aufgeworfene Frage, ob der Masochist von der Domina Schmerzensgeld verlangen kann, muß also generell verneint werden. Handelt es sich aber ausnahmsweise um irreversible Verletzungen, so kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, der aber nach § 254 B G B zu kürzen ist. 110 §§ 5 II 3; 6 IV 3 d, e. 106

107

III.

Objektive

Schranken

der Dispositionsbefugnis

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Folgen seiner eigenen Disposition zu befreien. Aus privatrechtlicher Sicht sollte die Entscheidung über die Wirksamkeit der Einwilligung in diesen Fällen also nur von der Frage abhängen, ob der Einwilligende gerade vor den nachteiligen Folgen seiner eigenen Entscheidung geschützt werden soll. Ein solcher Schutz einer Person vor sich selbst ist dem Privatrecht keineswegs völlig wesensfremd 111 . Zunächst sind Regeln, die sicherstellen sollen, daß die Disposition auf einer autonomen Entscheidung beruht, nicht nur legitim, sondern im Gegenteil für das bürgerliche Recht typisch. Zu den Vorschriften dieser Art gehören nicht nur der Minderjährigenschutz und die Vorschriften über Willensmängel, sondern auch Bestimmungen, die der Warnung und dem Schutz vor Übereilung dienen, etwa Formvorschriften oder Widerrufsrechte. Wie sich schon in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt hat, stellt die Sicherung autonomen Entscheidens den Schwerpunkt der Einwilligungslehre dar. Meist läßt sich eine objektive Einwilligungssperre durch sachgerechte Auslegungsregeln, Aufklärungspflichten und Widerrufsrechte vermeiden. In extremen Fällen gestörter Willensbildung kann im Einzelfall oder in typischen Fallgruppen § 138 I B G B eingreifen, ohne daß Anlaß zu einer allgemeinen Schranke der Dispositionsbefugnis bestünde. Eine deliktsrechtliche Norm, die sich auf diesen Gedanken zurückführen läßt, ist § 825 B G B : Die Einwilligung in sexuelle Handlungen ist für den Schadensersatzanspruch unerheblich, wenn sie „durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses" herbeigeführt wurde. Zwar wird die Norm weithin für obsolet gehalten, da die sexuelle Selbstbestimmung mittlerweile über das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist 112 . Gerade für die Einwilligungslehre ist sie aber wegen der sachgerechten Beschränkung der Einwilligungswirkungen interessant und insoweit wohl auch der Generalisierung zugänglich. Allerdings gibt es darüber hinaus auch durchaus privatrechtliche Normen, die selbst einer bedachten und mangelfreien Willenserklärung die Wirksamkeit versagen. Sie lassen sich meist auf den Gedanken zurückführen, den Art. 27 II des schweizerischen Z G B ausdrücklich formuliert: Niemand kann sich seiner Freiheit völlig entäußern. Beispiele sind § 310 B G B a. F., der im früheren Recht die Verpflichtung zu Übertragung des eigenen künftigen Vermögens für nichtig erklärte, und die Vorschriften zum Schutz höchstpersönlicher Freiheiten wie der Ehefreiheit (§ 1297 B G B ) und der Testierfreiheit

111 Vgl. Singer, J Z 1995, 1133 (1134 f.) und die umfangreiche Analyse bei Enderlein, §§ 16-29 (S. 173-437). 112 Staudinger/Hager, Rz. 1 zu § 825; MüKo/Mertens, Rz. 1 zu § 825. Das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002, B G B l . I S. 2674, behielt § 825 allerdings bei und nahm lediglich eine geschlechtsneutrale Formulierung vor. 113 Zutreffend Resch, S. 117, in Anknüpfung an Wilburg, AcP 163 (1964) 346 ff.

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und ihre

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(§ 2302 B G B ) . Diese Vorschriften bekräftigen das oben gewonnene Ergebnis: Die Einwilligung in Eingriffe, die zum irreversiblen Verlust der Freiheit, der personalen Selbstbestimmung oder essentieller tatsächlicher Voraussetzungen eines selbstbestimmten Lebens führen, kann einer Kontrolle anhand einer objektiven Güterabwägung unterworfen und auf dieser Grundlage für nichtig erklärt werden. In diesem Ausnahmefall bestimmt sich die Unwirksamkeit der Einwilligung nach verschiedenen Faktoren, die zu einem „beweglichen System" verbunden sind 113 . In die Abwägung gehen das Gewicht des aufgegebenen Rechtsguts, der Zweck der Einwilligung und das Gewicht der Zweifel an einer wirklich autonomen Entscheidung ein. bb) Zweite Voraussetzung: Verhältnismäßigkeit Als Beschränkungen eines Selbstbestimmungsrechts müssen sämtliche Einwilligungsschranken dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen114. Die Beschränkung muß also erstens geeignet sein, das der Selbstbestimmung entgegenstehende Interesse zu fördern, genauer: gerade das Fortbestehen privatrechtlicher Sanktionen muß zum Erreichen des Zwecks beitragen. Zweitens muß die Beschränkung der Dispositionsbefugnis erforderlich sein, es darf also kein weniger beschränkendes Mittel geben, mit dem sich der Zweck ebenso effektiv erreichen läßt. Drittens muß der Zweck, der die Einschränkung rechtfertigt, zum Wert der Selbstbestimmung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Auf dieser Stufe findet also eine Abwägung im engeren Sinne statt. Häufig wird sich auf der Stufe der Erforderlichkeit herausstellen, daß zwar weniger weitgehende Beschränkungen der Dispositionsfreiheit bestehen, daß sie aber weniger effektiv sind. In diesem Fall ist das Kriterium der Erforderlichkeit zwar erfüllt, dennoch kann es der besondere Wert der Selbstbestimmung gebieten, mit dem weniger effektiven, aber zugleich weniger freiheitsbeschränkenden Mittel Vorlieb zu nehmen. Daraus ergeben sich drei konkrete Folgerungen. Erstens ist es unzulässig, aus dem Ausschluß der translativen Übertragbarkeit eines Rechts zu folgern, nur die Einwilligung im engeren Sinne stehe als Gestaltungsmöglichkeit zur Verfügung. Vielmehr muß jeweils aus der Stufenleiter der Gestattungen die stärkste noch vertretbare Form der rechtsgeschäftlichen Bindung ermittelt werden. Zweitens stellen subjektive Einwilligungsvoraussetzungen gegenüber objektiven Einwilligungsschranken stets die weniger einschneidende Beschränkung der Dispositionsfreiheit dar und sind daher nach Möglichkeit zu bevorzugen. Drittens gilt dasselbe für das Verhältnis zwischen relativen Einwilligungsschranken, unter der die subjektive Entscheidung mit einer ob114 Zu den Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips oben, § 6 I V 3 c (Fußn. 95) m. w.N.

IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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jektiven Abwägung kombiniert wird, und absoluten Einwilligungssperren, die der Einwilligung ohne Berücksichtigung des Eingriffszwecks die Wirkung versagen. Letztere sind allenfalls in extremen Fällen zulässig. D e r folgende Abschnitt dient dazu, dieses Modell anhand von Beispielen aus wichtigen Fallgruppen zu illustrieren und auszubauen (IV). Anhand des § 216 S t G B und seiner Auswirkungen auf das Privatrecht wird die Problematik einer absoluten Einwilligungssperre erörtert (1), im Rahmen der Körperverletzung werden Einwilligungen zum Teil ausnahmsweise einer objektiven Rationalitätskontrolle unterworfen (2), bei den übrigen Persönlichkeitsrechten stehen sowohl die Zulässigkeit der konstitutiven Rechtsübertragung als auch der Ausschluß jeglicher Einwilligungen im Kernbereich des Rechts zur Diskussion (3).

IV. Ausgewählte Fallgruppen 1. Die absolute Einwilligungssperre

des $ 216 StGB

D e m Leben kommt insoweit eine Sonderstellung zu, als es, jedenfalls aus strafrechtlicher Sicht, indisponibel ist; § 216 S t G B bewirkt eine absolute Einwilligungssperre. Allerdings ist ihre Berechtigung und Reichweite im strafrechtlichen Schrifttum umstritten 1 1 5 . D a es nach dem oben erarbeiteten Kriterium für die Übernahme strafrechtlicher Einwilligungssperren ins Privatrecht auf deren Schutzzweck ankommt, muß auf diese Diskussion in aller Kürze eingegangen werden. Die herrschende Literaturansicht hält aus Gründen an § 216 S t G B fest, die sich in die drei Kategorien „Schutz der Rechte Dritter", „Schutz des Todeswilligen vor sich selbst" und „pragmatische Überlegungen" einteilen lassen. Das größte Gewicht messen viele Autoren der Überlegung bei, das Leben sei nicht ausschließlich ein Individualrechtsgut, vielmehr bestehe ein öffentliches Interesse an der Tabuisierung des Lebensschutzes 1 1 6 . Wenn nicht jede Tötung als solche indiskutabel wäre, so würde der allgemeine Respekt vor dem menschlichen Leben und damit auch der allgemeine Schutz vor Tötungen beeinträchtigt. Zudem entspringe in der Mehrzahl der Fälle der Todeswunsch einer vorübergehenden Depression. Auch wenn damit noch kein so gravierender Defekt der Willensbildung vorliege, daß die Einwilligungsfähigkeit ausgeschlossen sei, so sei dennoch die Motivation für die Tötungserlaubnis nicht einwandfrei. D e r Todeswillige müsse vor sich selbst beschützt werden, 115 Zum Ganzen Hirsch, FS Welzel, S. 775ff.; Jakobs, FS Kaufmann, S. 459ff., und Tötung auf Verlangen (1998); Sternberg-Lieben, S. 103 ff.; Uberblick über den Meinungsstand bei LK-Jähnke, Rz. 1 ff. zu § 216; Schönke-Schröder/Eser, Rz. 1 zu § 216. 116 Hirsch, FS Welzel, S. 774 (790); Schönke-Schröder/Eser, Rz. 1 zu § 216; zweifelnd Sternberg-Lieben, S. 118 f.

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

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für diesen Schutz sei er meist nachträglich dankbar 117 . Zur Unterstützung wird schließlich auf praktische Probleme hingewiesen, die eine Zulässigkeit der Einwilligung zu Tötungen mit sich führen würde 118 . Zum einen falle es schwer, die Einwilligung des Getöteten nachzuweisen, häufig werde daher der Satz „in dubio pro reo" zum Freispruch des Täters führen. Damit bestehe zum anderen eine erhebliche Mißbrauchsgefahr. Diese Argumente sind jedoch in der strafrechtlichen Diskussion nicht unbestritten. Die Gegner der absoluten Einwilligungssperre verweisen auf die Fälle, in denen der Todeswunsch auf einwandfreien und sozial akzeptablen Gründen beruht. Werde auch hier die Selbstbestimmung des Todeswilligen ausgeschlossen, so sei das eine „Nötigung des seinen Tod Verlangenden" 119 . Die Berechtigung des „Tabuarguments" wird angezweifelt. Das Tabu entstamme dem religiösen Bereich 120 , zudem sei es mehrfach durchbrochen, etwa in den Fällen der Notwehr oder der Tötung im Krieg 121 . Für die These, eine Einwilligungsmöglichkeit schwäche den Respekt vor dem Leben und damit den allgemeinen Lebensschutz, fehle jeder Beleg 122 . Die Abgrenzung von Tötung auf Verlangen und strafloser Selbstmordbeihilfe sei bisweilen willkürlich und nicht von tieferen Wertungen gestützt. Das Abstellen auf die Herrschaft über den letzten Handlungsschritt verwechsle Jurisprudenz mit der Physik der zeitlichen Reihenfolge 123 . Letztlich sei es unaufrichtig, das Räsonieren über die Grenzen des Lebensschutzes zu unterbinden. Wer passive Sterbehilfe zulasse, müsse auch das Nachdenken über aktive Euthanasie erlauben 124 . Zwar wird eingeräumt, daß der Todeswunsch in vielen Fällen auf einem übereilten und unausgegorenen Entschluß beruht. Nehme man diese Fälle jedoch als Basis für eine allgemeine Einwilligungssperre, so ignoriere man die Situationen eines beachtlichen Todeswunsches und schaffe mithin ein abstraktes Gefährdungsdelikt 125 . Das Beweisproblem und die Mißbrauchsgefahr bestehe auch beim - allgemein für zulässig gehaltenen - Behandlungsverzicht. Zudem sei eine Strafe für den bloßen Verdacht, es habe keine Einwilligung vorgelegen, rechtsstaatswidrig 126 . Schließlich schaffe zusätzliche Freiheit zusätzliche Mißbrauchsmöglichkeiten, was aber kein Argument für Freiheitsbeschränkungen sei 127 . Stratenwerth AT, § 9, Rz. 17; Hirsch, FS Welzel, S. 775 (791). Hirsch, FS Welzel, S. 775 (791); Schönke-Schröder/Eser, Rz. 1 zu § 216. 119 Jakobs, FS Kaufmann, S. 459 (470); Marx, S. 62 ff. 120 Vgl Jakobs, FS Kaufmann, S. 459 (470); Hoerster, NJW 1986, 1786 (1791); Sternberg-Lieben, S. 105 (insb. Fußn. 138). 121 Hoerster, a. a. O. 122 Hoerster, a. a. O. 123 Jakobs, FS Kaufmann, S. 459 (471). 124 Jakobs, a.a.O., S. 471 f. 125 Jakobs, a.a.O., S. 467, 470; vgl. auch Sternberg-Lieben, S. 110ff. 126 Marx, S. 66; Göbel, S. 30; Sternberg-Lieben, S. 107. 127 Vgl .Jakobs, a.a.O., S. 471 (Fußn. 39). 117 118

IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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Von beiden Seiten wird nach Lösungen gesucht, die es erlauben, zumindest in extremen Fällen zur Straflosigkeit zu gelangen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die Zulässigkeit der Euthanasie, verstanden als aktive Verkürzung des Lebens eines unheilbar Kranken zu dem Zweck, ihm einen qualvollen Tod zu ersparen. Einige Autoren erwägen bereits de lege lata eine Rechtfertigungsmöglichkeit nach Notstandsgesichtspunkten 1 2 8 , andere schlagen de lege ferenda eine Ausnahmebestimmung für bestimmte Fälle der Sterbehilfe vor 1 2 9 . In diesem Sinne sah auch § 216 II des Alternativentwurfs Sterbehilfe von 1986 die Möglichkeit vor, von Strafe abzusehen, „wenn die Tötung der Beendigung eines schwersten, vom Betroffenen nicht mehr zu ertragenden Leidenszustandes dient, der nicht durch andere Maßnahmen behoben oder gelindert werden kann" 1 3 0 . In der strafrechtlichen Literatur wird weithin die Ansicht vertreten, § 216 S t G B stehe für das allgemeine Prinzip, daß das Leben der privaten Disposition entzogen sei. Dieser Grundsatz sei für die gesamte Rechtsordnung verbindlich 1 3 1 . Ein ähnliches Bild bietet sich im zivilrechtlichen Schrifttum. N a c h wohl allgemeiner Ansicht ist die Einwilligung in die eigene Tötung auch im Privatrecht unwirksam, als Beleg wird meist § 216 S t G B angeführt 132 . N i c h t problematisiert wird hingegen, ob diese Bestimmung angesichts der unterschiedlichen Funktionen der Einwilligung in Straf- und Zivilrecht ohne weiteres übertragbar ist. D a ß dies jedoch keineswegs selbstverständlich ist, hat oben bereits der rechtsvergleichende und historische Exkurs gezeigt. Insbesondere sollte nach Ansicht der Ersten Kommission die Einwilligung im Privatrecht selbst dann wirksam sein, wenn die Tat gegen § 216 S t G B verstieß. Auch in der frühen Literatur zum B G B wurde § 216 S t G B keineswegs unbesehen übertragen. So war für Planckm die Einwilligung ein Rechtsgeschäft, das nach allgemeinen Vorschriften bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten nichtig sei. D e r Umstand, daß eine Handlung trotz der Einwilligung strafbar bleibe, wie etwa die Tötung im Falle des § 216 S t G B , sei 128 So Jakobs, a.a.O., S. 471 Herzberg, NJW 1986,1639 ff., anders aber mittlerweile in NJW 1996, 3043 ff.; dagegen Sternberg-Lieben, S. 112 f.; für extreme Fälle auch Hirsch, FS Welzel, S. 774 (795). 129 So Hoerster, NJW 1986, 1786 (1789 ff.); Sternberg-Lieben, S. 112 (Fußn. 191). 130 Abgedr. bei Laufs ArztR, Rz. 306. 131 LK/Jähnke, Rz. 17 zu § 216; Schönke-Schröder/Eser, Rz. 13 zu § 216. 132 RGZ 66, 306 (308); RGRK/Steffen, Rz. 382 zu § 823; Staudinger/Schäfer, Rz. 464 zu § 823; Soergel/Fahse, Rz. 17 zu § 227; Planck4, Anm. II 3 c zu § 823; Kohte, AcP 185 (1985) 105 (131: § 134 BGB i. V.m. § 216 StGB); Berger, JZ 2000, 797 (801); zu § 77 des österreichischen StGB Resch, S. 87; in der Begründung offen Deutsch AHR, Rz. 282; Larenz SchR II, § 71 I 1 (S. 594: gesetz- oder sittenwidrig); abweichend Palandt/Thomas, Rz. 42 zu § 823 („unsittlich") und die im folgenden Text genannten Stimmen aus dem älteren Schrifttum. 133 Planck3, Anm. II 3 zu § 823, wie die heute h. M. aber die von Strohal herausgegebene 4. Auflage, Anm. II 3 c zu § 823.

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

für sich allein nicht entscheidend. Zitelmann hielt jede Einwilligung in eine Tötung für unwirksam, begründete dieses Ergebnis aber in erster Linie mit § 138 B G B 1 3 4 . Es erscheine als sicher, daß der Selbstmord gegen die guten Sitten verstoße, daher sei auch die Einwilligung zur Tötung sittenwidrig. Zwar könne die Tötung auf Verlangen strafrechtlich anders behandelt werden, dies stehe einer zivilrechtlichen Nichtigkeit der Einwilligung aber nicht im Wege 135 . Das R G 1 3 6 schloß sich in einer Entscheidung von 1907 der Argumentation Zitelmanns an und begründete die Unwirksamkeit der Einwilligung in eine Tötung sowohl mit § 216 S t G B als auch mit § 138 B G B . Die von Planck geäußerte abweichende Ansicht wies das Gericht ohne Begründung zurück. Dieser Argumentationsverzicht, der sich seitdem durchgesetzt zu haben scheint, erweist sich bei einem Blick auf die schadensrechtlich relevanten Fallkonstellationen als unbefriedigend. Da eine Verletzung des Lebens nur bei vollendeter Tötung vorliegt, scheidet der Verletzte selbst als Anspruchsteller aus. Daher kann sich die Einwilligung nur auf die Ansprüche der Hinterbliebenen 1 3 7 , insbesondere auf den Unterhaltsanspruch nach § 844 II B G B auswirken 138 . Pointiert, wenn auch verkürzt, lautet daher die zivilrechtliche Problemstellung: Sollen die Unterhaltsberechtigten ihren Anspruch nach § 844 II B G B behalten, obwohl der Getötete in die Tötung eingewilligt hat? Die Antwort ist durch das oben erarbeitete Rezeptionskriterium für außerprivatrechtliche Einwilligungsschranken vorgegeben. Entscheidend ist, ob § 2 1 6 B G B auch dem Schutz des Einwilligenden dient und ob privatrechtliche Sanktionen zu diesem Zweck angemessen sind. Diese Frage läßt sich schwerlich verneinen. Zum einen spricht eine starke Vermutung dagegen, daß die Entscheidung für den eigenen Tod eine wirklich freie ist. Zum anderen ist der Tod der Extremfall des völligen Freiheitsverlustes. Unabhängig von der Frage, ob die Tötung auf Verlangen zusätzlich im öffentlichen Interesse an der Bestärkung des allgemeinen Vertrauens auf die Unantastbarkeit des Lebens verboten werden sollte, schützt § 2 1 6 S t G B auch den Todeswilligen. Die privatrechtliche Rechtsfolge kommt zwar nur den Erben oder Unterhaltsberechtigten zugute, doch entfaltet die Schadensersatzpflicht eine Präventionswirkung, die zur Abschreckung von Personen beiträgt, die geneigt wären, den Tötungswunsch zu erfüllen. Die Kriterien für die Übernahme des § 216 S t G B sind also erfüllt, die ganz herrschende Meinung verdient im Ergebnis - nicht 134 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (77). Allerdings führt Zitelmann als zusätzliche Begründung für die Einwilligungssperre auch § 134 B G B i. V. m. § 216 StGB an, a. a. O., S. 67. 135 A.a.O., Fußn. 59. 136 R G Z 66, 306 (308). 137 Vgl. etwa den Sachverhalt der Entscheidung R G Z 66, 306. 138 Im Fall eines vorherigen Haftungsverzichts, der nach § 276 II B G B allerdings die vorsätzliche Verletzung nicht umfassen kann, entfällt die Ersatzpflicht, vgl. B G H VersR 1961, 846; Staudingern /Schäfer, Rz. 21 zu § 844 m.w.N.; MüKo/Stein, Rz. 4 zu § 844.

IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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jedoch hinsichtlich des Verzichts auf Begründungen - Zustimmung. Allerdings greift dennoch § 254 BGB ein, der auch einem Anspruch aus §§ 844,845 BGB entgegengehalten werden kann. Es bleibt die rechtspolitische Problematik des § 216 StGB. Die Vorschrift läßt auch für Fallgruppen keine Ausnahme zu, in denen sich die Vermutung fehlender Autonomie und das Verdikt der unvernünftigen Aufgabe künftiger Lebenschancen widerlegen läßt. Das ist vor allem bei unheilbaren Krankheiten der Fall, die nach aller medizinischer Voraussicht zu einem qualvollen Tod führen werden. Hier sprechen gute Gründe für den Todeswunsch, und es erscheint kaum vertretbar, den Todeswilligen, der in dieser Situation im Sinne des § 216 StGB „ausdrücklich und ernsthaft" die Tötung verlangt, auf die allgemeine Vermutung der Irrationalität des Todeswunsches zu verweisen. Allerdings handelt es sich hier um ein Beispiel einer rechtspolitisch umstrittenen Frage, die der Gesetzgeber entschieden hat. Die Argumente, die gegen die Absolutheit des § 216 StGB sprechen, gelten ebenso im Strafrecht. Es steht dem Privatrecht nicht an, die gesetzgeberische Entscheidung durch eine eigene Abwägung zu ersetzen. Immerhin sei daran erinnert, daß auch innerhalb des Strafrechts erwogen wird, schon de lege lata in extremen Fällen eine Rechtfertigung nach Notstandsgesichtspunkten zuzulassen 139 . Ob diese Ansicht allerdings mit der klaren, in § 216 StGB ausgedrückten Intention des Gesetzgebers vereinbar ist, mag hier aus privatrechtlicher Sicht offenbleiben.

2. Die Rationalitätskontrolle bei schweren

Körperverletzungen

a) Grundsatz § 2 1 6 StGB ist in seinem Kernbereich eindeutig: die Einwilligung in finale Tötungen ist unwirksam. Größere Schwierigkeiten bereitet im Strafrecht die Einwilligungsschranke des § 228 StGB, dem zufolge die Körperverletzung mit Einwilligung strafbar bleibt, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Die Auslegung dieser Vorschrift ist in der strafrechtlichen Lehre ebenso umstritten wie ihre rechtspolitische Bewertung 140 . Einigkeit besteht nur darüber, daß die Einwilligung in eine Körperverletzung nicht - wie im älteren Schrifttum teilweise angenommen - völlig unbeachtlich ist und daß es auf die Sittenwidrigkeit der Tat, nicht diejenige der Einwilligung ankommt. Für die Konkretisierung der dem Privatrecht entnommenen Generalklausel der „guten Sitten" werden hingegen verschiedenste Ansätze erwogen. Die wohl herrschende Lehre stellt auf den Zweck des Eingriffs ab 141 . Die S. oben, Fußn. 128. Vgl. den Uberblick über die Diskussion bei Göbel, S. 46 ff.; Niedermair, S. 92 ff. und passim. 141 Vgl. RGSt 74, 91 (93); Noll, S. 85ff.; Roxtn AT I, § 13, Rz. 37ff.; Schönke-Schröder/ Stree, Rz. 7 zu § 228 weitere Nachw. bei LK/Hirsch, Rz. 8 zu § 228. 139 140

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

Sittenwidrigkeit soll demnach jedenfalls zu bejahen sein, wenn die Körperverletzung deliktischen Zwecken des Verletzten, etwa zum Erschleichen einer Versicherungsleistung oder zur Wehrpflichtentziehung (§ 109 S t G B ) dient. Auch die Rechtsprechung des R G zur Einwilligung in sado-masochistische Verletzungen, die allerdings aus den oben genannten Gründen mittlerweile weitgehend abgelehnt wird, beruhte auf einer Bewertung des Tatzwecks. Eine andere Ansicht stellt in erster Linie auf die Schwere der Verletzung ab 1 4 2 : Während bei leichten Körperverletzungen die Sittenwidrigkeit ausscheide, sei sie bei schweren Körperverletzungen (§ 226 S t G B ) regelmäßig gegeben, es sei denn, die negative Bewertung werde durch einen positiven Zweck kompensiert. Schwere und Zweck des Eingriffs kombinieren diejenigen Autoren, die sich für eine Abwägung nach Notstandsgesichtspunkten aussprechen 143 : Ebenso wie unter § 34 S t G B müsse das verletzte G u t zum Eingriffszweck in einem angemessenen Verhältnis stehen. Schließlich halten einige Autoren § 228 S t G B wegen seiner vagen Formulierung für bedenklich und vertreten die Ansicht, die Vorschrift habe angesichts spezieller Einwilligungsschranken weitgehend ihre Funktion verloren 1 4 4 oder sei wegen Verstoßes gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig 1 4 5 . Im Privatrecht ist der Maßstab der guten Sitten weniger Bedenken ausgesetzt, im Gegenteil dient er in § 138 I B G B als äußerste Schranke der Privatautonomie. Die Anhänger der Rechtsgeschäftstheorie überprüfen denn auch die Einwilligung in Körperverletzungen am Maßstab des § 138 I B G B und stellen dabei ähnlich Erwägungen an, wie sie sich in der Strafrechtslehre zu sind die entscheidenden Parameter für die § 228 S t G B finden. Für Zitelmann Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Zweck der Einwilligung und die Schwere des Eingriffs. Während ein Patient zur Rettung seines Lebens auch in eine lebensgefährliche Operation wirksam einwilligen könne, sei bei gleicher G e fahr eine Einwilligung in einen kosmetischen Eingriff als „frevelhaftes Spiel mit dem L e b e n " nichtig 1 4 6 . Hingegen seien bei geringfügigen Eingriffen die Anforderungen an den Zweck der Einwilligung nicht hoch 1 4 7 . Kohte konzentriert seine Analyse auf Fälle der gestörten Willensbildung, die nach hier vertretener Ansicht von den Fällen fehlender Dispositionsbefugnis zu unterscheiden sind, hält aber die völlige Aufgabe des Selbstbestimmungsrechts, die den Einwilligenden zum O b j e k t eines anderen machen würde, für sittenwidrig 142 Vgl. Arzt, S. 36ff. (39);Jescheck/Weigend, § 34 III 2 (S. 378); LK/Hirsch, Rz. 9 zu § 228; Stratenwerth AT, Rz. 376. 143 Jakobs AT, 14-9; Göbel, S. 55; dagegen LK/Hirsch, Rz. 9 zu §228; Niedermair, S. 98 ff. 144 So Niedermair, S. 257 und passim; zust. Sternberg-Lieben, J Z 2001, 242 (244); Stratenwerth, § 9, Rz. 20. 145 So Sternberg-Lieben, S. 136 ff. (insb. 162). 146 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (78 f., 89). 147 A.a.O., S. 79.

IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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und damit nichtig. Damit nähert sich Kohte einer im Strafrecht von Scbmidhäuser vertretenen Ansicht, nach der eine Einwilligung in menschenunwürdige Eingriffe unwirksam ist 148 . Resch rechnet die körperliche Integrität zu den „relativ indisponiblen Rechtsgütern". Die Einwilligung sei grundsätzlich unwirksam, ausnahmsweise aber möglich, wenn ihr „ein von der Rechtsordnung anerkannter Vertragszweck" zugrunde liege 149 . Aus den verschiedenen straf- und zivilrechtlichen Ansätzen kristallisiert sich heraus, daß es für die Bestimmung der Einwilligungsschranke im Rahmen der Körperverletzung auf die Schwere und den Zweck des Eingriffs ankommt. Während bei geringfügigen Körperverletzungen keine Rechtfertigung für eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis ersichtlich ist, greifen bei Lebensgefährdungen und bei bleibenden Schädigungen die Erwägungen ein, die auch zur Rechtfertigung des § 216 StGB vorgebracht werden. Plastisch bezeichnet Hirsch die irreparable Körperverletzung als „partielle Tötung" 150 . Hier spricht eine Vermutung dagegen, daß die Einwilligung auf einer freien, ungestörten Willensbildung beruht, und der Gedanke der Freiheitsmaximierung rechtfertigt in Extremfällen einen Schutz des Einwilligenden vor seiner eigenen Entscheidung. Allerdings muß der Zweck der Einwilligung in die Beurteilung einbezogen werden, denn auch für eine Einwilligung in eine bleibende Verletzung, etwa eine Amputation, kann es gute Gründe geben. Bei schweren, bleibenden Körperverletzungen, insbesondere bei den in § 226 StGB aufgeführten, ist es also gerechtfertigt, die subjektive Entscheidung des Einwilligenden einer zusätzlichen Rationalitätskontrolle zu unterwerfen. Während regelmäßig der Einwilligende das Recht zur Unvernunft hat, ist seine Einwilligungsbefugnis hier auf vernünftige Entscheidungen reduziert. Die Handlung muß also einen doppelten Filter passieren, bevor sie als gerechtfertigt angesehen werden kann: Erforderlich ist eine Einwilligung, die sämtliche übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt, außerdem muß eine Abwägung ergeben, daß die Verletzung oder - im Fall der Risikoeinwilligung - das Verletzungsrisiko nicht außerhalb jedes Verhältnisses zum Eingriffszweck steht 151 . Diese Lösung entspricht weitgehend derjenigen strafrechtlichen Ansicht, nach der schwere Körperverletzungen zusätzlich zur Einwilligung den Voraussetzungen des § 34 StGB genügen müssen 152 . O b man diese Konstruktion auf § 228 StGB oder eine autonom-privatrechtliche Auslegung des Rechts auf körperliche Integrität stützt, ist zweitSchmidhäuser AT, 8/140. Resch, S. 118. 150 Hirsch, ZStW 83 (1971) 140 (168). 151 In der Praxis muß diese Abwägung der Handelnde, häufig ein Arzt, selbst vornehmen, nach dem Eingriff wird sie gerichtlich überprüft. Eine gewisse Rechtsunsicherheit ist dabei unvermeidlich. Immerhin kann im Bereich der Verschuldensprüfung berücksichtigt werden, ob der Eingreifende eine sorgfältige Abwägung durchgeführt hat. 152 S. oben, Fußn. 143. 148 149

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§14

Die Dispositionsbefugnis

und ihre

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rangig. In § 228 StGB kommt insoweit ein über das Strafrecht hinausreichendes, allgemeines Prinzip zum Ausdruck 1 5 3 , das aber unglücklich formuliert ist. Abgesehen von den spezifisch strafrechtlichen Bedenken gegen generalklauselartige Formulierungen verleitet die Formel von den „guten Sitten" zu einer Uberbetonung des Eingriffszwecks, im ungünstigsten Fall sogar zu einer Verhaltenskontrolle anhand ungesicherter moralischer Standards. Aus privatrechtlicher Sicht steht dagegen der Schutz des Einwilligenden vor der unbedachten Aufgabe wesentlicher Lebensgrundlagen im Vordergrund, während ein reiner Verstoß gegen öffentliche Interessen das Fortbestehen des Schadensersatzanspruchs kaum rechtfertigen könnte. Dieser Gedanke kommt in der Formel von den „guten Sitten" nicht hinlänglich zum Ausdruck. b) Anwendungsfälle Die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper sind außerordentlich schwierig zu bestimmen. Einerseits ist die Autonomie essentieller Bestandteil der Menschenwürde. Fragen der eigenen körperlichen Integrität sind als höchstpersönliche Angelegenheiten in besonderem Maße der staatlichen oder gesellschaftlichen Regelungshoheit entzogen. Andererseits kann die Entscheidung für einen lebensgefährdenden oder irreversiblen Eingriff zukünftige Lebenschancen zunichte machen und die Grundlagen der Persönlichkeit entscheidend berühren. Es findet also eine Abwägung zwischen zwei Höchstwerten statt, die zudem vom ethischen Vorverständnis des Abwägenden beeinflußt wird: Ein strenggläubiger Christ wird oft anders entscheiden als ein überzeugter Liberaler. Dennoch ist es vor allem in der Medizin oft unumgänglich, die Grenzen der Autonomie abzustecken. Die folgenden Überlegungen können einige Problembereiche lediglich in dem Bewußtsein beleuchten, daß ihnen nur eine erheblich tiefere rechtsethische Analyse gerecht werden könnte und daß sie sich häufig einer generellen Lösung entziehen. Es kann daher nur darum gehen, typische Probleme der Einwilligung im Privatrecht aufzuzeigen. Entscheidend dafür ist in erster Linie die Bewertung im Zweipersonenverhältnis zwischen Einwilligendem und Handelndem, praktisch also meist zwischen Patient und Arzt. Dies verdeutlicht der Sachverhalt, der einer grundlegenden Entscheidung des VI. Zivilsenats des B G H zur Sterilisation zugrunde lag 154 : Die Klägerin hatte in den Eingriff eingewilligt, litt aber seitdem an Depressionen und verlangte unter anderem mit der Begründung ein angemessenes Schmerzensgeld, die Sterilisation sei aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen. Für das Privatrecht lautet die entscheidende Frage nicht, ob die jeweilige Hand153 RGRK/Steffen, Rz. 382 zu § 823; Schenke, S. 73, die allerdings speziell auf die Schranke der Sittenwidrigkeit abstellen, die hier für die Einwilligung kritisiert wird. 154 B G H Z 67, 48.

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Fallgruppen

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lung verboten oder erlaubt sein sollte, sondern ob Schadensersatz wegen eines Eingriffs verlangt werden kann, der sich im Rahmen einer frei erteilten Einwilligung hält. Die als Beispiel genannte Entscheidung führt bereits in den ersten Problemkreis ein, denjenigen der Fortpflanzungs- und Sexualmedizin. Die nicht medizinisch indizierte freiwillige Sterilisation galt früher weithin als sittenwidrig und damit als unzulässig. Ihre Vornahme war als schwere Körperverletzung strafbar. Im Nationalsozialismus wurde das Verbot der freiwilligen Sterilisation zunächst im Erbgesundheitsgesetz von 1934, später in § 226 b StGB geregelt. Nachdem diese Vorschrift 1946 vom alliierten Kontrollrat aufgehoben wurde, entschied der V. Strafsenat des B G H 1964, daß die freiwillige Sterilisation mangels entsprechender Strafvorschrift nicht mehr strafbar sei155. Damit war die Frage nach der Wirksamkeit der Einwilligung für das Zivilrecht allerdings noch nicht beantwortet, da hier der strafrechtliche Satz „nulla poena sine lege" nicht gilt. In seiner Entscheidung von 1976 prüft der B G H dementsprechend nach einer Analyse der strafrechtlichen Entwicklung die Wirksamkeit der Einwilligung unter speziell zivilrechtlichen Vorzeichen, läßt allerdings die dogmatische Grundlage offen: Selbst wenn man § 138 B G B analog anwenden wollte, sei die Einwilligung nicht nichtig, da sie nicht gegen die guten Sitten verstoße. Bei der Formulierung der Abwägungsgrundlagen betont das Gericht den Gedanken der Selbstbestimmung in eindrucksvoller Weise: „Auch die Wechselwirkungen der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung mit der Sittenordnung dürfen nicht außer Betracht bleiben, wenn es darum geht, ob die Gerichte solcher Entscheidung aus dem innersten Bereich der Persönlichkeit aus Gründen der Sittlichkeit die Beachtung zu versagen haben. Die Verfassung legt der staatlichen Gemeinschaft gegenüber Entscheidungen aus diesem Bereich Toleranz und Zurückhaltung auf. Deshalb ist für die Beurteilung, inwieweit die Gesellschaftsordnung die mit der Sterilisation verbundene Verkürzung der Persönlichkeit des einzelnen hinzunehmen hat, der Entscheidungsfreiheit des Betroffenen, die auch das Risiko des ,unrichtigen Gebrauchs' zum Nachteil der eigenen Interessen mit umfaßt, besonderes Gewicht einzuräumen. Sie muß abgewogen werden mit dem, was der Betroffene durch den irreversiblen Verzicht auf seine Fortpflanzungsfähigkeit an Persönlichkeit aufgibt; das Ergebnis solcher Abwägung kann je nach Lebensalter und jeweiliger Lebensgestaltung verschieden ausfallen. Ist aufgrund dieser objektiven Kriterien ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht festzustellen, dann kann auch der Beweggrund, der dem Wunsch nach Sterilisation zugrunde liegt, ein sittliches Verdikt nicht rechtfertigen. Wo es um Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geht, muß die Rangordnung in der Motivation zunächst der Einzeipersönlichkeit überlassen bleiben; dies gilt umso mehr, als dem Arzt nicht zugemutet werden kann, den Gründen für den Entschluß im einzelnen nachzugehen und sie auf ihre Berechtigung zu überprüfen." 156 155 156

BGHSt20, 81. B G H Z 67, 48 (53).

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§14 Die Dispositionsbefugnis

und ihre

Grenzen

Das Ergebnis hängt also von den Umständen des Einzelfalls ab. Da die Klägerin im Alter von 34 Jahren bereits Mutter dreier Kinder war, konnte das Gericht bei ihr von einem hinreichenden Maß an „Lebenseinsicht in die Bedeutung der Mutterschaft" ausgehen, die es ihr ermöglichte, die Entscheidung selbstverantwortlich zu treffen. Das Urteil bestätigt die oben hervorgehobenen Kriterien. Da es sich um eine irreversible Entscheidung von essentieller Bedeutung für die Persönlichkeit handelt, muß eine Abwägung zwischen dem Zweck und dem Gewicht des Eingriffs stattfinden. Die sexuelle Selbstbestimmung ist ein so gewichtiger Zweck, daß nur bei besonderen Anhaltspunkten ein Mißverhältnis angenommen werden kann 157 . Nachzutragen bleibt, daß die Unwirksamkeit der Einwilligung nur als ultima ratio in Betracht kommt. Vorrangig sollten Vorschriften zur Sicherung einer rationalen Willensbildung eingreifen. In diesem Sinne bestehen strenge Aufklärungserfordernisse und besondere Altersgrenzen für die Einwilligungsfähigkeit: Die Sterilisation Minderjähriger ist weder mit ihrer eigenen Einwilligung noch mit Einwilligung der Eltern zulässig (§1631 c BGB), das Mindestalter für die Einwilligung in eine Kastration beträgt 25 Jahre. Die Sterilisation Betreuter ist nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 1905 BGB zulässig. Besondere Schwierigkeiten bereitet nach der Neufassung der §§218 ff. StGB der Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische oder kriminologische Indikation, da er unter den Voraussetzungen des § 218 a StGB zwar nicht strafbar ist, aber rechtswidrig bleibt. Damit stellt sich die Frage, ob der Schwangeren nach erfolgtem Abbruch einen Schadensersatzanspruch gegen den Arzt, sei es wegen psychischer Schäden, sei es, weil sich ein mit dem kunstgerechten Eingriff verbundenes Gesundheitsrisiko verwirklicht, zusteht. Der BGH hat dies in einer frühen Entscheidung 158 bejaht: Die Einwilligung sei nach §§ 134, 138 BGB nichtig, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße. Dies sei wegen des Verstoßes gegen § 218 StGB der Fall. Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Arzt verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, denn wer in so schwerer Weise gegen eine Vorschrift des StGB verstoße, könne sich auf Treu und Glauben nicht berufen. Diese Begründung ist nach der oben entwickelten Ansicht unzutreffend, da sie die Unterscheidung zwischen den verschiedenen durch § 2 1 8 StGB geschützten Rechtsgütern vernachlässigt. Geschützt ist in erster Linie das ungeborene Leben, sekundär auch die Gesundheit der Schwangeren 159 . Wenn sie nach eingehender Aufklärung und Beratung 160 dem Eingriff zustimmt, hat Zustimmend Deutsch MedR, Rz. 414. BGHZ 7, 198 (207). 159 Vgl. Schönke-Schröder/Eser, Rz. 12 vor §§ 218ff. 160 Ob in dem vom BGH entschiedenen Fall eine solche Risikoaufklärung erfolgt war, läßt der Sachverhalt offen. Allerdings stammt die Entscheidung noch aus der Zeit vor den ersten Grundsatzurteilen zur ärztlichen Aufklärungspflicht. 157

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IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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sie über das ihr zustehende Rechtsgut Gesundheit wirksam disponiert. Aus strafrechtlicher Sicht mag die Rechtswidrigkeit wegen des Angriffs auf das ungeborene Leben fortbestehen 161 , über das die Mutter nicht dispositionsbefugt ist, privatrechtlich kann sie hieraus jedoch keinen Anspruch herleiten 162 . Aus ähnlichen Gründen stellt die schwierige Frage nach der Zulässigkeit der heterologen Insemination und der in-vitro-Fertilisation 163 für die Einwilligungslehre kein Problem dar. Die Bedenken gegen eine Anonymität des Samenspenders beruhen darauf, daß dem Kind die spätere Möglichkeit zur Feststellung seiner Abstammung genommen wird, gegen die mittlerweile durch § 4 I Nr. 3 ESchG verbotene Insemination nach dem Tod des Samenspenders wird eingewandt, das Kind werde ohne Vater geboren 164 . Ob diese Argumente wirklich überzeugen, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls üben sowohl die Frau als auch der Samenspender mit ihrer Einwilligung ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aus. Daß dabei die Einwilligung des Samenspenders postmortale Wirkungen haben kann, ist nicht ungewöhnlich, sondern von der Regelung der postmortalen Organspende in § 3 I TPG bekannt. Selbst bei einem Verstoß gegen § 4 I Nr. 3 ESchG sind die Einwilligungen des Spenders und der Mutter nicht unwirksam. Sie schließen spätere Ansprüche beider Personen aus, ohne sich aber auf die Rechtsposition des Kindes auszuwirken 165 . Andere Probleme wirft die medizinische Forschung am Menschen auf 166 . Gerade die deutsche Medizin sieht sich angesichts der Experimente, die im Nationalsozialismus an Gefangenen durchgeführt wurden, in einer besonderen Verantwortung. Die Aufarbeitung dieser Verbrechen gab Anlaß zum Ärzteprozeß des Nürnberger Militärgerichts, dessen Ausspruch mittlerweile von der Revidierten Deklaration von Helsinki 167 abgelöst wurde. Dieses Regel161 Allerdings wird die Kompromißformel „rechtswidrig, aber straflos", die vom BVerfG in der Entscheidung BVerfGE 88,203 (273 ff.) geprägt und vom Gesetzgeber übernommen wurde, teilweise kritisiert, vgl. etwa die abweichende Meinung der Richter Mahrenholz und Sommer, BVerfGE 88, 203 (354 ff.). 162 Vgl. auch das obiter dictum in BVerfGE 88,203 (295) dem zufolge die Rechtswidrigkeit nicht zur Ungültigkeit des Behandlungsvertrages nach §§ 134, 138 BGB führt; zust. insoweit Deutsch, NJW 1993, 2361 f. 163 Dazu umfassend Laufs,1986, 769ff.; vgl. auch HdA/Uhlenbruck, § 39, Rz. 68ff.; Deutsch MedR, Rz. 427 ff., alle m.w.N. 164 Yg[ z u r Diskussion über die Zulässigkeit der postmortalen Insemination vor Erlaß des § 4 I Nr. 3 ESchG Deutsch MedR, Rz 431 einerseits; Schack, JZ 1989, 609 (611); Laufs, JZ 1986, 769 (772) andererseits. 165 Daß die Rechtsposition des Kindes von Dispositionen der Eltern unberührt bleibt, entspricht wohl allgemeiner Ansicht, vgl. Laufs, a.a.O., S. 772 m.w.N. 166 Hierzu umfassend Deutsch MedR, Rz. 525 ff.; HdA/Laufs, § 130. 167 Abgedr. in NJW 2001, 1774; zur Neufassung von Edinburgh Deutsch, NJW 2001, 857 ff.; Taupitz, MedR 2001, 277 ff.

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§ 14 Die Dispositionsbefugnis

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werk beruht auf zwei Prinzipien 168 : Das Risiko für den Probanden muß aus ärztlicher Sicht vertretbar sein, und er muß nach einer Aufklärung eingewilligt haben. Auch hier wird der Eingriff also einem doppelten Filter unterworfen: der subjektiven Entscheidung des Probanden und der objektiven Prüfung der Vertretbarkeit. Dem zusätzlichen Schutz der Versuchsperson dienen EthikKommissionen, deren Einrichtung mittlerweile durch verschiedene Sondergesetze vorgeschrieben ist 169 . Für die Zulässigkeit des Versuchs ist zwischen therapeutischen und rein wissenschaftlichen Versuchen zu unterscheiden 170 . Erstere dienen sowohl der Heilung der Versuchsperson als auch der wissenschaftlichen Erkenntnis, während letztere der Gesundheit des Probanden nicht zugute kommen. Die Einwilligung ist im ersten Fall auch eigennützig, im zweiten Fall rein fremdnützig. Vor einem therapeutischen Versuch müssen das Risiko und die Chancen für den Patienten abgewogen werden. Dabei kann sich auch - die Einwilligung des Patienten vorausgesetzt - eine lebensgefährdende Behandlung als zulässig erweisen. Hingegen wird beim rein wissenschaftlichen Experiment die Abwägung dadurch erschwert, daß das Risiko durch den Probanden nicht durch einen Vorteil für ihn persönlich, sondern durch die Möglichkeit eines medizinischen Fortschritts im Interesse der Allgemeinheit aufgewogen wird. Aus diesem Grund ist die Einwilligung der Versuchsperson nach verbreiteter Ansicht straf- wie zivilrechtlich nichtig, wenn die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung besteht 171 . Bei der Genomanalyse172 sind zwei unterschiedliche Rechtsgüter betroffen: zum einen die körperliche Integrität, zum anderen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Einwilligung hat daher einen zweifachen Bezugspunkt 173 . Der körperliche Eingriff ist meist minimal, so daß er ohne weiteres gestattet werden kann. Darüber hinaus muß die Einwilligung aber auch die Erhebung der im Genom verkörperten Information erfassen. Der Patient hat ein Recht auf Nichtwissen, kann also verlangen, daß die Informationen nicht erhoben oder ihm nicht eröffnet werden. Schranken der Einwilligungsbefugnis greifen hingegen wohl nicht ein. Schwierigkeiten entstehen allerdings, wenn die Analyse Informationen über Verwandte des Patienten erlaubt. In diesem Fall ist seine alleinige Dispositionsbefugnis zweifelhaft.

Vgl. Deutsch MedR, Rz. 535. Vgl. etwa §§ 40 I 2 A M G , 17 M P G und die Nachw. bei Deutsch, a. a. O., Rz. 597 zu landesrechtlichen Vorschriften. 170 Zum Ganzen Deutsch MedR, Rz. 527, 539 f,. 559; HdA/Laufs, § 130, Rz. 5ff. 171 Deutsch MedR, Rz. 559 m.w.N.; vgl. auch Ziff. B 18 der Deklaration von Helsinki (oben, Fußn. 167) und § 4 0 1 1 Nr. 1 A M G , die in diesem Fall eine Abwägung zwischen den Risiken für den Probanden und dem voraussichtlichen Nutzen des Experiments verlangen. 172 Vgl. hierzu Cramer, Genom- und Genanalyse (1991); Damm, MedR 1999, 437ff. 173 S. oben, § 10 II 3; und Cramer, S. 178 ff. 168

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IV. Ausgewählte

Fallgruppen

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Ein wesentlicher Anwendungsfall der Schrankenlehre war vor Inkrafttreten des TPG und des TFG die Spende von Organen und Körpersubstanzen. Bei der Lebendspende sprach sich die früher herrschende Meinung, soweit nicht regenerierbare Organe betroffen waren, für eine Uberprüfung des Zwecks der Spende aus. Da Organe der Kommerzialisierung entzogen sind, galt die Einwilligung zu einer Entnahme zum Zweck des Verkaufs als unwirksam, für die altruistische Spende 174 bestand Streit darüber, ob der mögliche Empfängerkreis auf dem Spender nahestehende Personen zu begrenzen war 175 . Diesen Streit hat der Gesetzgeber mittlerweile, wie gesehen, entschieden: § 8 12 TPG enthält eine absolute Einwilligungssperre, soweit die Spende Fremden zugute kommen soll. Diese Vorschrift ist rechtspolitisch problematisch 176 , da sie neben altruistischen Spenden vor allem die Uberkreuzspende 1 7 7 ausschließt. Da die Vorschrift aber nicht zuletzt den Spender vor eigenen unfreiwilligen oder übereilten Entscheidungen schützen soll, führt kein Weg daran vorbei, § 8 I 2 TPG auch zivilrechtliche Wirkung beizumessen. Regenerierbare Körperteile und -substanzen unterliegen keiner Schranke, die Selbstbestimmung des Spenders wird lediglich durch eine Aufklärungspflicht gesichert 178 . Obwohl die kommerzielle Verwertung von Körperteilen und -substanzen Bedenken ausgesetzt ist, erlaubt das Gesetz ausdrücklich eine angemessene Aufwandsentschädigung 179 . Schließlich bereitet die Beurteilung von Eingriffen Schwierigkeiten, die keinem therapeutischen Zweck dienen. Zu dieser Fallgruppe gehören zum einen ärztliche Eingriffe, die medizinisch nicht indiziert sind, zum anderen Maßnahmen zu kosmetischen oder sonstigen Zwecken. Über die strafrechtliche Wirksamkeit einer Einwilligung in eine medizinisch nicht erfolgversprechende Maßnahme hatte der II. Strafsenat des BGH im Zahnextraktionsfall zu entscheiden 180 . Die Patientin klagte über ständige Kopfschmerzen und war grundlos davon überzeugt, die Extraktion aller plombierten Zähne würde ihrem Leiden abhelfen. Der untersuchende Arzt wies die Frau darauf hin, daß die Maßnahme medizinisch nicht geboten sei, konnte sie aber nicht von ihrer Auffassung abbringen. Er überwies sie daraufhin an einen Zahnarzt, der zum 174 Beispiel: BGHZ 101, 215. Die Lebendspende der Mutter wäre auch nach heutiger Rechtslage zulässig, da es sich um eine Spende zugunsten eines nahen Angehörigen handelte. 175 Vgl. Deutsch MedR 3 , Rz. 501 m.w.N. 176 Ebenso Forkel, Jura 2001, 73 (78). 177 Sie kommt in Betracht, wenn die Spende zugunsten eines nahen Angehörigen zwar beabsichtigt, wegen zu erwartender Abstoßungsreaktionen gegen das Spendeorgan aber nicht erfolgversprechend ist. Ein unbekannter Dritter, dessen Organ geeignet wäre, mag zur Spende unter der Bedingung bereit sein, daß einer ihm nahestehenden Person ein Organ vom ersten Spendewilligen gespendet wird. 178 § 6 TFG. 179 § 10 TFG. 180 BGH NJW 1978, 1206.

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selben Befund gelangte und ihn der Patientin auch mitteilte. Als sie aber auf ihrem Wunsch beharrte, entfernte er ihr in zwei Sitzungen insgesamt 16 Zähne. Der B G H hielt die Einwilligung der Patientin mit der Begründung für unwirksam, ihr habe die zur Beurteilung der Zahnextraktion erforderliche Urteilskraft und damit die Einwilligungsfähigkeit gefehlt. Trotz des Hinweises beider Arzte habe sie „in laienhaftem Unverstand beharrlich an der von ihr selbst gestellten Diagnose" festgehalten. Ihre mangelnde Beiehrbarkeit habe auf einer seelischen Verfassung beruht, die ein verstandesgemäßes Abwägen der vorgebrachten medizinischen Argumente verhindert habe. Die Entscheidung ist im strafrechtlichen Schrifttum weitgehend auf Ablehnung gestoßen181. In der Tat muß bei geschäftsfähigen Personen die Einwilligungsfähigkeit unwiderleglich vermutet werden. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Patienten mit einer Entscheidung überfordert sind, die auf komplexen medizinischen Erwägungen beruht. Es läßt sich aus psychologischer Sicht wohl kaum bestreiten, daß die normative Annahme der Patientenautonomie faktisch bisweilen eine reine Fiktion darstellt. Dennoch beruht das gesamte Rechtssystem auf einer Zuschreibung der Mündigkeit, sofern nicht klare, gesetzlich bezeichnete Defekte vorliegen. Die Gegenauffassung birgt gerade im Privatrecht das Risiko einer Ausuferung der Arzthaftung, da sich der Patient im Arzthaftungsprozeß stets nicht nur auf die mangelhafte Aufklärung, sondern auch auf die eigene Entscheidungsunfähigkeit berufen könnte. Der richtige Ansatzpunkt im Zivil- wie wohl auch im Strafrecht hätte in einer Prüfung der Einwilligungsschranken bestanden. In der Tat wird vielfach die Ansicht vertreten, nur medizinisch indizierte Heileingriffe182 seien gerechtfertigt183. Das ist sicherlich insoweit zutreffend, als ein Patient sich im Regelfall keinem Risiko unterzieht, das keinen Erfolg verspricht. Für dieses Ergebnis brauchen jedoch die Schranken der Einwilligung nicht bemüht zu werden, es genügt die Auslegung184: Die Einwilligung des Patienten steht unter normalen Umständen unter dem Vorbehalt, daß der Eingriff therapeutisch indiziert ist. Die Schwierigkeit im Zabnextraktionsfall bestand aber darin, daß die Patientin in voller Kenntnis der fehlenden Indikation den sinnlosen Eingriff gerade ausdrücklich verlangte. Das Selbstbestimmungsrecht beinhaltet, wie auch der B G H in der Sterilisationsentscheidung hervorhebt185, auch das „Recht zur 186 Unvernunft" . Dieses Recht findet seine Grenze an der Gestattung von Vgl. etwa Hruschka, J R 1978, 519ff.; Göbel, S. 60f.; Sternberg-Lieben, S. 191 ff. Etwas anderes gilt selbstverständlich für ärztliche Eingriffe, denen ihrer Natur nach keine Indikation zugrunde liegt, insbesondere für kosmetische Maßnahmen und die Spende von Organen oder anderen Körpersubstanzen, s. Laufs/Uhlenbruch, § 139, Rz. 40. 183 HdA/Laufs, § 6, Rz. 1; HdA/Uhlenbruck, § 139, Rz. 39; Deutsch MedR, Rz. 107. 184 S. oben, § 12 II. 185 S. oben, Text zu Fußn. 156. 186 Vgl. auch O L G Saarbrücken, N J W 1999, 871 (872): Ein Haftungsverzicht vor 181

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Eingriffen, die zum irreversiblen Verlust wesentlicher Lebensgrundlagen führen. Diese Schwelle ist bei der Zahnextraktion nicht erreicht, denn das Gebiß läßt sich mit den Mitteln der Prothetik wiederherstellen 187 . Die Schwere des Eingriffs bleibt also deutlich hinter dem Verlust eines Organs oder der Sterilisation zurück. Daher ist die Entscheidung des B G H im Zahnextraktionsfall jedenfalls aus privatrechtlicher Sicht abzulehnen. Wenn wirklich keine konkreten Anhaltspunkte für einen allgemeinen Defekt der Fähigkeit zur Willensbildung vorlagen, hätte der Betroffenen kein Schadensersatzanspruch gegen den Arzt zugestanden. Sofern die medizinische Indikation wegen der Natur des Eingriffs von vornherein fehlt, nimmt die Rechtsprechung besonders hohe Aufklärungspflichten an. So ist bei kosmetischen Eingriffen der Arzt verpflichtet, offen und schonungslos auf die möglichen Risiken hinzuweisen. Unterzieht sich der oder die so Aufgeklärte dennoch dem Eingriff, so ist die Einwilligung in aller Regel wirksam, da es sich üblicherweise weder um lebensgefährdende Eingriffe noch um den irreversiblen Verlust wichtiger Organe oder Körperteile handelt. Zweifel können allenfalls auftauchen, wenn der Eingriff einem unlauteren Zweck dient. Paradebeispiel ist das Doping, das mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden sein kann. Wer die Einwilligungsschranken als Ausprägung der Sittenwidrigkeit ansieht, mag geneigt sein, wegen des betrügerischen Zwecks eine Nichtigkeit der Einwilligung anzunehmen und allenfalls ein Mitverschulden des Sportlers über § 254 I BGB zu berücksichtigen 188 . Diese Meinung liefe aber auf eine Rechtsgutvertauschung hinaus, die oben bereits bei der Beurteilung sado-masochistischer Eingriffe abgelehnt wurde. Unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes würde letztlich ein Verstoß gegen die Sportregeln sanktioniert 189 . Zur Verfolgung derartiger Verstöße hat der Sport jedoch eigene Normen und eine eigene Gerichtsbarkeit. Das Doping ist daher nicht anders als andere körperliche Eingriffe zu beurteilen. Demjenigen, der das Mittel verabreicht, obliegt eine strenge Aufklärungspflicht 190 . Nach der Aufklärung steht es dem Sportler frei, geringfügige gesundheitliche Risiken hinzunehmen 191 . Allerdings kommt die Anwendung des § 138 I BGB in Betracht, wenn ein Trainer oder ein Sportverband seine überlegene Machtstellung ausnutzt, um Druck auszuüben. Erst bei der Gefahr des Todes, gravierender Gesundheitsschäden oder PersönlichkeitsveränD u r c h f ü h r u n g einer vom Patienten gewünschten, aber vom A r z t zunächst mangels Indikation abgelehnten Fingeramputation ist nicht gem. §§ 138, 242 B G B u n w i r k s a m . 187 Vgl. B G H S t 24, 315 (zu § 226 StGB). 188 So etwa Linck, N J W 1987, 2545 (2550); Turner, N J W 1991, 2943 (2945), 1992, 720; Friedrieb, SpuRt 1995, 8 ff. 189 So auch für das Strafrecht Schönke-Schröder/Stree, Rz. 18 zu § 228; SternbergLieben, S. 171, 191 ff. 190 Insoweit zutreffend Linck, a. a. O. 191 In diesem Sinne w o h l auch HdA/Ulsenheimer, R z . 41 zu § 139.

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derungen tritt zur subjektiven Gestattung durch den Sportler eine objektive Abwägung hinzu. Erst im Rahmen dieser Abwägung gibt der Eingriffszweck den Ausschlag gegen die Wirksamkeit der Einwilligung, so daß dem Sportler gegen den Arzt, Trainer oder Verband ein Schadensersatzanspruch zusteht, der allerdings nach § 254 B G B gekürzt werden kann.

3. Schranken der Dispositionsbefugnis über Persönlichkeitsrechte im übrigen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip a) Grundsatz Im Schrifttum herrscht auch über die Beurteilung körperlicher Eingriffe hinaus ein breiter Konsens darüber, daß Persönlichkeitsrechte nicht schrankenlos disponibel sind. Eine klassische Formulierung dieses Gedankens findet sich bei Hubmann: „Gültig ist die Einwilligung nur, wenn sie nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung persönlicher Interessen führt oder aus einem anderen Grund als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen ist. Der einzelne kann nur in beschränktem Umfang über seine persönlichen Güter verfügen. Das Bestimmungsrecht über sich selbst besteht nur im Rahmen unserer Kulturauffassung und unseres sittlichen Bewußtsems. «192

Sucht man aber nach konkreten Anwendungsfällen, so erweist sich dieser weithin akzeptierte Grundsatz als außerordentlich unbestimmt. Das Gesetzesrecht verheißt keine nennenswerte Orientierung, da hier zwar die Vermögensrechte in allen Einzelheiten ausgestaltet werden, die Persönlichkeitsrechte aber nur eine äußerst fragmentarische Regelung erfahren haben. Selbst im Vergleich zu den schon relativ vagen Schranken der Dispositionsbefugnis über den eigenen Körper bestehen zusätzliche Schwierigkeiten. Zum einen bietet das Strafrecht mit seinem umfangreichen Schrifttum zur Einwilligung hier keine Anhaltspunkte, da § 228 S t G B nach ganz herrschender Meinung nur auf die Körperverletzungstatbestände anwendbar ist 193 . Zum anderen mag sich weitgehende Einigkeit darüber erzielen lassen, was als irreversibler Verlust wichtiger Körperteile oder -funktionen einzustufen ist - § 226 S t G B bietet sogar einen gesetzlichen Anhaltspunkt - , doch die Quantifizierung sonstiger Persönlichkeitsrechtsverletzungen fällt ungleich schwerer. Gerade psychische Auswirkungen eines Eingriffs lassen sich nicht nur kaum gewichten, sondern auch oft nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostizieren: Wie sehr beeinträchtigt eine schwere Beleidigung oder ein fragwürdiges Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 171 f. Geppert, ZStW 83,947 (95b);Jescheck/Weigend, § 34 III 1 (S. 378); Scbönke-Scbröder/ Lenckner, Rz. 37 vor § § 3 2 ff. (allerdings für Übertragung des § 228 StGB auf schimpfliche, menschenunwürdige Ehrverletzungen); a. h. Jakobs AT, 14/9; Göbel, S. 63 f. 192 193

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psychologisches Experiment die Persönlichkeit wirklich? Die Antwort hängt nicht nur stark vom Einzelfall ab, sondern läßt sich oft erst nach jahrelanger Beobachtung geben. Im Schrifttum wird die Formel von der eingeschränkten Verfügbarkeit der Persönlichkeitsrechte denn auch bei der Beurteilung unterschiedlichster Fragen bemüht. Häufig geht es im Grunde um das zulässige Ausmaß rechtlicher Bindung, also um die Frage, ob gebundene Rechtsübertragungen oder schuldrechtliche Gestattungen möglich und unter welchen Voraussetzungen sie widerruflich sind. Hier wirkt sich nachteilig aus, daß - anders als im vermögensrechtlichen Bereich - zwischen den unterschiedlichen Gestattungsformen oft nicht differenziert wird, sondern daß pauschal von der „Einwilligung" die Rede ist. Zuweilen werden die objektiven Einwilligungsschranken herangezogen, wenn der Sache nach eine der Einwilligungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist, etwa wenn eine genaue Auslegung ergeben würde, daß die betreffende Handlung von der Einwilligung nicht gedeckt ist, oder wenn die Einwilligung auf Täuschung oder Zwang beruht. Sieht man von diesen Konstellationen ab, so bleiben nur noch wenige praktisch relevante Fälle übrig, in denen freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage in einen Eingriff eingewilligt wird, der den Kern eines Persönlichkeitsrechts in gravierender Weise beeinträchtigt. Daher seien die drei Folgerungen aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Erinnerung gerufen 194 , die in besonderem Maße für den gesetzlich kaum ausgestalteten Bereich der Persönlichkeitsrechte gelten: Erstens muß für das jeweilige Persönlichkeitsinteresse, über das disponiert werden soll, unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die höchstmögliche Stufe der Disposition ermittelt werden, die angesichts der Natur des Persönlichkeitsinteresses noch als vertretbar erscheint. Zweitens ist eine objektive Einwilligungsschranke nicht erforderlich, wenn durch sachgerechte Anwendung der einzelnen Voraussetzungen eine autonome, bewußte Entscheidung über Persönlichkeitsinteressen gesichert werden kann. Drittens legt die Parallele zur körperlichen Integrität nahe, daß es dennoch im extremen Ausnahmefall Eingriffe gibt, die zu schwerwiegenden, irreversiblen Persönlichkeitsschäden führen und bei denen eine Vermutung gegen eine wohlüberlegte Entscheidung des Einwilligenden spricht. Allerdings darf diese Überlegung nicht zu einer verschleierten geschmacklichen oder moralischen Zensur führen: Gerade die Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit ist der gesellschaftlichen Kontrolle grundsätzlich entzogen. Die Erziehung zu einem tugendhaften Leben ist nicht Aufgabe des Privatrechts.

194

S. oben, III 3 b.

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b) Anwendungsfälle Im Bereich der besonderen Persönlichkeitsrechte gilt es meist, das Ausmaß der vertretbaren rechtsgeschäftlichen Bindung festzustellen und durch die Anwendung der Einwilligungsvoraussetzungen sicherzustellen, daß nur autonom vorgenommenen Dispositionen Wirksamkeit beigemessen wird. Da die Rechte meist eine Verkörperung der Persönlichkeit in einem selbständigen materiellen oder immateriellen Substrat, etwa einem Abbild, einem Namen oder einem urheberrechtlich geschützten Werk zum Gegenstand haben, ist eine rechtsgeschäftliche Bindung in gewissem Ausmaß meist vertretbar. Viele problematische Fälle lassen sich durch Auslegung lösen. So hat Schricker in einer Kritik der urheberrechtlichen „Kerntheorie", der zufolge das Urheberpersönlichkeitsrecht „in seinem Kern" unverfügbar sein soll 195 , nachgewiesen, daß sich der Rückgriff auf die Schranke der guten Sitten meist durch die Anwendung der Zweckübertragungslehre, die in § 31 IV, V U r h G Ausdruck findet, erübrigt: „Wenn der konkrete Eingriff in die Werkintegrität bekannt und im einzelnen bezeichnet ist, kann wirksam eingewilligt werden" 1 9 6 . Dieser Gedanke läßt sich verallgemeinern: Wer sich für Aktaufnahmen zur Verfügung stellt, die in einer Fotoausstellung gezeigt werden sollen, willigt nicht zugleich in deren Abdruck in einem Pornoheft ein, wer sich für den redaktionellen Teil einer Zeitung fotografieren läßt, gestattet nicht die Nutzung des Bildes in einer Werbeanzeige. Wer jedoch bewußt in einen Eingriff einwilligt, übt gerade sein Selbstbestimmungsrecht aus. Da schwer vorstellbar ist, daß Eingriffe in besondere Persönlichkeitsrechte der Persönlichkeit selbst einen schweren und irreversiblen Schaden zufügen, ist die Einwilligung in diesem Fall in aller Regel wirksam: Mit bewußter und freiwilliger Einwilligung kann man sich auch für harte Pornographie abbilden lassen (§ 22 K U G ) , seinen Namen einer betrügerischen Firma leihen (§ 22 H G B ) oder einer Werkbearbeitung zustimmen, die nach der einhelligen Auffassung aller Kritiker künstlerisch völlig unvertretbar ist (§ 14 UrhG) 1 9 7 . Letzeres bestätigt das O L G München in einer sorgfältig begründeten Entscheidung 198 . Der Schriftsteller Michael Ende wehrte sich unter Berufung auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht gegen die Verfilmung seines Erfolgsromans „Die unendliche Geschichte". Der Schluß des Films wich nicht nur von der literarischen Vorlage ab, er verkehrte die Aussage des Buchs in ihr Gegenteil und wurde daher vom Gericht als „gröbliche Entstellung" des Werks i.S.d. § 14 U r h G angeseSo etwa Ulmer, § 89 I (S. 379); v. Gamm, Rz. 7 zu § 11. Schricker, FS Hubmann, S. 409 (419). 197 So auch der (vom Gesetzgeber allerdings nicht übernommene) § 39 III des von Dietz/Loewenheim/Nordemann/Schricker/Vogel vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern, abgedr. in G R U R 2000, 765 ff. 198 G R U R 1986, 460 - „Die unendliche Geschichte". 195 196

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hen 199 . Dennoch wurde die Klage abgewiesen. Der Autor hatte nämlich einem früheren Drehbuch zugestimmt, das einen ähnlich entstellenden Schluß vorgesehen hatte. Das Gericht hält den Schriftsteller an dieser Zustimmung fest und betrachtet den Umstand, daß er sie „nur aus wirtschaftlichen Gründen und gegen seine innere Uberzeugung" gab, als unerheblich 200 . Einen Schritt näher an irreversible, schwere Persönlichkeitsverletzungen führen Gestattungen zum Eingriff in die Intimsphäre. Ein aktuelles Beispiel bietet die in den Jahren 2000 und 2001 ausgestrahlte und beim jüngeren Fernsehpublikum anfangs sehr erfolgreiche Fernsehshow „Big Brother". Zwölf Teilnehmer ließen sich in einem Wohncontainer für bis zu 100 Tage einschließen und rund um die Uhr von Kameras beobachten. Die Bilder waren im Internet zugänglich, außerdem strahlte der Sender R T L II täglich eine Zusammenfassung aus. In der ersten Staffel der Sendung war unter anderem zu sehen, wie die Bewohner duschten, wie eine Teilnehmerin sich erbrach oder wie zwei Bewohner unter der Bettdecke intimen Kontakt miteinander aufnahmen. Im zweiwöchigen Turnus mußte einer der Teilnehmer nach Abstimmung durch die Zuschauer den Container verlassen; der Sieger gewann 250.000 DM. Vor Beginn der Sendung waren die Teilnehmer auf die möglichen psychischen Folgen hingewiesen worden. Außerdem durfte jeder Teilnehmer den Container freiwillig verlassen, von dieser Möglichkeit machten während der ersten Staffel drei Teilnehmerinnen Gebrauch. Uber ein mögliches Verbot der Sendung wurde heftig diskutiert: Während eine Seite in der Sendung eine Beeinträchtigung der Menschenwürde sah 201 , verwies die Gegenansicht auf die freiwillige Entscheidung der Teilnehmer 202 . Auch wenn die rechtliche Auseinandersetzung im öffentlichen Medienrecht geführt wurde, ist eine zivilrechtliche Einkleidung des Beispiels leicht vorstellbar. Angenommen, ein Teilnehmer müßte sich wegen der psychischen Folgen oder gar wegen eines Suizidversuchs ärztlich behandeln lassen, stünde ihm gegen den Sender ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I B G B wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu? Das Beispiel zeigt die Problematik der objektiven Einwilligungsschranken in ganzer Schärfe. Die subjektiven Einwilligungsvoraussetzungen waren zweifellos erfüllt. Durch die jederzeit gegebene A. a. O., S. 463. A . a . O . , S. 463. 2 0 1 In diesem Sinne Hartwig, J Z 2000, 967 (970 ff, insb. 972: „Die Würde des Menschen ist antastbar geworden, weil viele Menschen es erlauben, sobald sie eine Kamera sehen"); Hinrichs, N J W 2000, 2173 (2174 f.); Schmitt Glaeser, Z R P 2000, 395 (401 unter dem Gesichtspunkt der „Untergrabung der Infrastruktur für menschliche Würde"). 202 Dörr/Cole, K & R 2000, 369 (376 ff.). Die starke intuitive Überzeugungskraft des Satzes „volenti non fit iniuria" wird etwa in der Stellungnahme eines Chat-Teilnehmers namens „Micha" deutlich, die am 5.3.2000 auf der Big-Brother-Website im Internet zu lesen war: „Die machen das doch freiwillig! Und dann kommen auf einmal ein paar Rechtsverdreher und wollen die Show absetzen." 199

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Möglichkeit, den Container zu verlassen, war die Freiwilligkeit gewährleistet. Da außerdem jedenfalls sämtlichen Teilnehmern der zweiten Staffel abgesehen von der Aufklärung durch einen Psychologen203 die erste Staffel der Sendung bei ihrer Bewerbung bekannt war, stand ihnen deutlich vor Augen, worauf sie sich einließen204. Andererseits ist schwer zu leugnen, daß die lückenlose Beobachtung der Kandidaten - in der Presse war von einem „Menschenzoo" die Rede - die Menschenwürde zumindest tangiert. Außerdem besteht die Gefahr gravierender psychischer Folgen, die sowohl objektiv als auch subjektiv für die einzelnen Teilnehmer schwer abzuschätzen sind. Die Wertungen der Rechtsordnung, vor allem des Verfassungsrechts, bieten kaum Anhaltspunkte. Die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind von der Autonomie der Person nicht zu trennen: Aus der Sicht der Teilnehmer wird die Preisgabe der Intimsphäre durch die Hoffnung auf Bekanntheit und auf den Gewinn kompensiert. Verfehlt wäre es auch, rechtliche Konsequenzen aus der Geschmacklosigkeit der Sendung herzuleiten: Zum einen bestand hierüber angesichts der Einschaltquoten wohl kein allgemeiner Konsens, zum anderen wäre eine solche Geschmackszensur verfassungsrechtlich bedenklich. Zwar hat Schmitt Glaeser beachtliche Argumente dafür vorgebracht, daß die Sendung durch ihre Vorbildwirkung für andere, noch schonungslosere Produktionen zu einer allgemeinen Gefährdung der Menschenwürde durch die Medien führen mag205, dieser Gedanke kann aber nach den oben entwickelten Grundsätzen allenfalls ein öffentlich-rechtliches Verbot, nicht jedoch die privatrechtliche Unwirksamkeit der Einwilligungen der Teilnehmer rechtfertigen206. Jedenfalls aus privatrechtlicher Perspektive muß es daher beim Grundsatz „in dubio pro libertate" bleiben, zumal auch die zweifellos zulässige und technisch durch das Medium des Internet ohne weiteres mögliche eigenhändige Selbstaufgabe der Intimsphäre ähnliche Konsequenzen haben kann207. Eine ähnliche Problematik werfen soziopsychologische Experimente auf208. Die Probanden werden entweder in alltäglichen Szenen ohne ihr Wissen be203 Dörr/Cole, K & R 2000, 369 (376), weisen darauf hin, daß diese Aufklärung bei manchen Talk-Shows vernachlässigt wird. 204 Auch der Vorwurf der Manipulation durch fremde Kontextsteuerung dürfte nicht hinreichen, um die Unwirksamkeit der Einwilligungen nach Irrtums- bzw. Täuschungsgrundsätzen anzunehmen, vgl. Dörr/Cole, a.a.O., S. 377; a. A. aber Hartwig, J Z 2000,967 (971 f.). 205 Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 395 (401 f.). 206 Davon geht wohl auch Schmitt Glaeser, a. a. O., S. 400, aus. 207 So übertragen mittlerweile einige Personen pausenlos Liveaufnahmen aus ihrer Wohnung im Internet. 208 Dazu umfassend Wiese, FS Duden, 719 ff., dessen Bewertung hier weitgehend gefolgt wird; zur Rechtslage in den USA krit. Delgado/Leskovac, 34 U. C.L. A. L.Rev. 67 ff. (1986).

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obachtet oder mit ihrer Zustimmung unvorhergesehenen Ereignissen ausgesetzt. Ein besonders drastisches Beispiel ist die Milgram-Studie209: In einem angeblichen Lernexperiment wurde den Probanden die Rolle des Lehrers zugewiesen, der aufgefordert wurde, falsche Antworten mit Stromstößen zu ahnden. Erst nach dem Experiment wurde den Probanden eröffnet, daß sie in Wirklichkeit keine Elektroschocks erteilt hatten. Der Versuch sollte nachweisen, daß viele Personen unter der Anweisung von Autoritätspersonen bereit sind, ihre Hemmungen gegenüber unmenschlichen Handlungen zu überwinden. Es liegt auf der Hand, daß derartige Experimente für die Probanden die Gefahr schwerer Persönlichkeitsverletzungen mit sich bringen. Dennoch brauchen die objektiven Schranken der Einwilligung nicht in jedem Fall bemüht zu werden. Die Besonderheit zahlreicher psychosozialer Versuche besteht nämlich darin, daß sie in unterschiedlichem Maße auf der Täuschung der Versuchspersonen beruhen. Daher liegt keine wirksame Einwilligung vor, wenn die Personen vor Beginn des Experiments nichts von der Beobachtung wissen 210 , eine nachträgliche Zustimmung führt, wie oben 211 gesehen, nicht zur Rechtfertigung, sondern allenfalls zu einem Verzicht auf die Rechtsfolgen. Aus diesem Grund sehen die Richtlinien des U S Department of Health and Human Services für psychosoziale Experimente unter bestimmten Umständen eine Befreiung vom Einwilligungserfordernis und eine objektive Rechtfertigung vor 212 . Wissen die Probanden jedoch, daß sie an einem Experiment teilnehmen, so hängt die Wirkung ihrer Einwilligung in erster Linie davon ab, worüber sie aufgeklärt wurden und wie weit die Gestattung bei objektiver Auslegung reicht 213 . Ähnlich wie oben im Bereich der besonderen Persönlichkeitsrechte scheidet eine Generaleinwilligung 214 für Experimente jeder Art wohl aus. Damit kann sich die Frage nach den objektiven Schranken der Einwilligung nur stellen, wenn die Versuchspersonen in Umrissen über das Experiment aufgeklärt und auf die Möglichkeit nicht näher bestimmter Täuschungen hingewiesen wurden. Sofern schwere psychische Schäden drohen, die nicht durch Vorteile für den Probanden kompensiert werden, spricht ähnlich wie oben bei rein wissenschaftlichen medizinischen Experimenten 215 die Abwägung wohl gegen die Wirksamkeit der Einwilligung 216 .

209 Milgram, Obedience to Authority (1974). Die Anordnung des Experiments wird auf S. 3 ff. beschrieben. 210 Wiese, FS Duden, S. 719 (739). 211 § 12 III. 2 1 2 45 C . F . R . § 46.101 (b) und § 46.116 (d); dazu Delgado/Leskovac, a . a . O . , S. 77. 213 Wiese, FS Duden, S. 719 (739). 214 Wiese, a . a . O . S. 740, spricht anschaulich von einem „Blankoscheck". 2 , 5 S. oben, IV 2 b. 216 Wiese, a . a . O . , S. 739, 741.

§ 1 5 Sonstige Nichtigkeitsgründe I. AGB-Kontrolle 1. Anwendbarkeit

der §§ 305 f f . BGB

Vorformulierte Einwilligungserklärungen sind in verschiedenen Bereichen gebräuchlich. Vor größeren Operation wird der Patient üblicherweise aufgefordert, ein Formular zu unterschreiben 1 , das neben der Einwilligungserklärung und der Feststellung, daß die Verlaufs- und Risikoaufklärung stattgefunden hat und etwaige Fragen des Patienten beantwortet wurden, bisweilen auch einen Hinweis auf die Möglichkeit von Operationserweiterungen enthält 2 . Bei der Kontoeröffnung oder beim Abschluß eines Kredit- oder Versicherungsvertrags wird regelmäßig in die Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten eingewilligt. Als kritisch hat sich in der Rechtsprechung vor allem die Schufa-Klausel erwiesen 3 , in der der Bankkunde der Weitergabe 1 Vgl. zur Problematik der Einwilligungsformulare Niehling, M D R 1982, 193 £f.; Deutsch, N J W 1982,2585 (2587 f.); Giesen A r z t H R , Rz. 332 ff.; HdA/Laufs, § 66, Rz. 17. 2 Ein typischer, in der Praxis gebräuchlicher Text lautet: „Einwilligung in ärztlichen Heileingriff Patient: ... Vorgesehene Maßnahme: ... Ich wurde darüber unterrichtet, daß die oben genannte Maßnahme bei mir durchgeführt werden soll. Uber Art, Zweck und Hergang des Eingriffs sowie über seine wesentlichen Vor- und Nachteile und Risiken, auch im Vergleich zu anderen Methoden der Behandlung/ Operation wurde ich informiert. Mir ist bekannt, daß sich unter Umständen erst während des Eingriffs eine Erweiterung oder Änderung der geplanten Maßnahme als notwendig herausstellen kann. Ich bin auch auf mögliche Komplikationen in der Zeit nach dem Eingriff hingewiesen worden. Besondere Probleme kamen bei mir ausdrücklich zur Sprache, insbesondere . . . . Meine Fragen wurden beantwortet. Eine Aufklärung über weitere Einzelheiten erfolgte, soweit ich es wünschte. Mir ist bekannt, daß die Einwilligung widerrufen werden kann. Ich erkläre mich mit der vorgesehenen Maßnahme und Methode einverstanden. Über das erforderliche Verhalten vor und nach dem Eingriff wurde ich belehrt, insbesondere darüber, daß: ... München, den ... (Unterschrift des Patienten)" 3 Die seit 1985 übliche Schufa-Klausel, abgedr. bei Staub/Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 74 f, enthält eine Einwilligungserklärung hinsichtlich der Übermittlung von Daten zur Person und zur vertragsgemäßen Abwicklung des Kredits, einen Hinweis auf die nach §§ 28, 29 BDSG zulässige Übermittlung von Daten zur nicht vertragsgemäßen Abwicklung und eine Befreiung vom Bankgeheimnis hinsichtlich der letztgenannten Daten. Es

I.

AGB-Kontrolle

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bestimmter Informationen an die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung zustimmt 4 . Uber eine neue Variante einer Formulareinwilligung hatte kürzlich der B G H zu entscheiden 5 : Das Kontoeröffnungsformular einer Bank enthielt eine Klausel, in der sich der Kunde mit Werbeanrufen durch die Bank und ihre Kooperationsparter einverstanden erklärte 6 . Schließlich wird der aufmerksame Besucher von Theaterveranstaltungen bisweilen in einem kleingedruckten Text auf der Rückseite seiner Eintrittskarte eine „zeitlich und räumlich unbegrenzte" Einwilligung in die Erstellung, Vervielfältigung und Sendung von Bildaufnahmen jeder Art vorfinden 7 . Es liegt nahe, die Wirksamkeit dieser Klauseln anhand der §§ 305 ff. B G B , in denen das frühere AGB-Gesetz aufgegangen ist, zu überprüfen. Allerdings ist nicht ganz ausgemacht, ob es sich bei den genannten Klauseln wirklich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 I 1 B G B ( = 1 1 A G B G a. F.), also um „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen" handelt, „die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluß eines Vertrages stellt". Aus zwei Gründen kann man daran zweifeln. Zum einen ist jedenfalls die widerrufliche Einwilligung kein Vertrag, sondern eine einseitige Erklärung. Während die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. B G B auf den zugrunde liegenden Vertrag - sei es ein Behandlungsvertrag, Werbevertrag oder Kreditvertrag - außer Zweifel steht und hier nicht weiter untersucht werden soll 8 , muß die Einwilligung selbst vom Vertrag unterschieden

handelt sich also um eine komplexe Mischung aus Rechtfertigung durch selbstbestimmte Gestattung und objektiver Rechtfertigung, näher hierzu Canaris, a. a. O., Rz. 72 ff.; Kamiah, M M R 1999, 395 (397ff.). 4 Die früher übliche Schufa-Klausel wurde vom B G H in B G H Z 95, 362 für nichtig erklärt, näher zu diesem Urteil im folgenden Text. Vgl. daneben Canaris, a. a. O., Rz. 72 ff.; Schwintowski/Schäfer, § 1, Rz. 174 ff. und den Disput zwischen Kloepfer / Kutzschbach, M M R 1998,650 ff. einerseits und Kamiah, M M R 1999,395 ff. andererseits; aus dem älteren Schrifttum Simon, C R 1988, 637; Geiger, C R 1985, 72. 5 B G H Z 141,124, bestätigt in B G H G R U R 2000, 818 - „ T e l e f o n w e r b u n g VI"; ebenso für allgemeine Versicherungsbedingungen B G H Z 141, 137. 6 Die Klausel lautete: „ Telefonwerbung Ich erkläre mich damit einverstanden, daß die C. A G oder eine von ihr beauftragte Stelle mich telefonisch zum Zwecke der Beratung anspricht. Dieses Einverständnis umfaßt über die bestehende Geschäftsverbindung hinaus die Werbung für Produkte der Bank und ihrer Kooperationspartner. ... Dieses Einverständnis ist jederzeit widerrufbar. . . . " 7 Eine vom Theaterverband München e.V. verwendete Klausel lautet: „Der Inhaber der Eintrittskarte ist, ohne daß dafür eine Vergütung durch den Veranstalter erfolgt, damit einverstanden, Bildaufnahmen von sich zu erstellen (sie!), zu vervielfältigen, zu senden oder senden zu lassen sowie in audiovisuellen Printmedien zu nutzen. Dieses Einverständnis ist zeitlich und räumlich unbegrenzt." 8 Vgl. zur AGB-Kontrolle von Behandlungsverträgen, insbesondere der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Krankenhäuser (AVB) Bunte, N J W 1986, 2351 ff.; HdA/Uhlenbruck, § 94; Deutsch MedR, Rz. 58, 77; zu schuldvertraglichen Gestattungen zur Nutzung

438

§ Ii

Sonstige

Nichtigkeitsgründe

werden 9 . Doch war in Rechtsprechung und Literatur zum AGBG, die zur Auslegung der §§ 305 ff. BGB herangezogen werden können, zuletzt anerkannt, daß auch einseitige Erklärungen, die im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen, der AGB-Kontrolle unterliegen 10 . Für diese weite Auslegung des § 305 1 1 BGB gibt der B G H in seiner Entscheidung zur oben erwähnten Telefonwerbungsklausel eine einleuchtende Begründung 11 : Entscheidend sei, daß der Verwender der Klausel die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch nehme wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes und daß der Kunde nur auf die Abgabe der Erklärung, nicht jedoch auf ihren Inhalt Einfluß habe. Zum anderen wird gerade für vorformulierte Operationseinwilligungen ein wesentlicher Unterschied zwischen allgemeinen Geschäftsbedingungen als selbstgesetztem Recht der Wirtschaft und der Einwilligung des Patienten behauptet 12 , die nach herrschender Meinung im Medizinrecht nicht als rechtsgeschäftliche Willenserklärung anzusehen ist. Allerdings muß an dieser Stelle erneut vor dem begriffsjuristischen Fehlschluß gewarnt werden, die Frage der Rechtsnatur entscheide über die Anwendbarkeit der §§ 305ff. BGB. Sieht man mit der Theorie, die dieser Arbeit zugrunde liegt, die Einwilligung als Rechtsgeschäft an 13 , so sind die Vorschriften des BGB über allgemeine Geschäftsbedingungen zwar prima facie anwendbar, doch bedarf deren Angemessenheit im einzelnen der Uberprüfung. Lehnt man indes die Rechtsgeschäftsnatur ab, so muß dennoch die analoge Anwendung der §§ 305ff. BGB erwogen werden 14 , da spezielle gesetzliche Vorschriften für Einwilligungsformulare weitgehend fehlen und die wenigen bestehenden Spezialvorschriften ohne weiteres kumulativ mit den §§ 305 ff. BGB angewendet werden können 15 . Daß aber die Vorschriften über allgemeine Geschäftbedingungen gerade bei höchstpersönlichen Erklärungen dem Einwilligenden wirksamen Schutz bieten, wird sogleich im einzelnen gezeigt, kann aber kaum fraglich sein. Ebenso wie andere AGB-Klauseln führen vorformulierte Einwilligungs-

eines Bildnisses Dasch, S. 70 ff.; zu Rechtsgeschäften über Urheberpersönlichkeitsrechte Metzger, S. 215 ff. 9 S. oben, § 8 III 2. 10 MüKo/Basedow, Rz. 9 zu § 1 A G B G ; Ulmer/Brandner/Hansen, Rz. 16 zu § 1; Wolf/Horn/Lindacher, R z . 6f. zu § 1. In seinem Urteil zur Schufa-Klausel wendet der B G H das A G B G kommentarlos an, B G H Z 95, 362 (363f.). 11 B G H Z 141, 124(127). 12 So vor allem Giesen A r z t H R , R z . 333,336; zweifelnd auch HdA/Laufs, § 66, R z . 17. 13 S. oben, § 9 III 2. 14 Vgl. oben, § 9 1 1 1 1 . 15 Das gilt insbesondere für § 4 a I 3 BDSG, der außer der Schriftform für datenschutzrechtliche Einwilligungserklärungen auch deren Hervorhebung vorschreibt, sofern sie z u s a m m e n mit anderen Erklärungen abgegeben werden, vgl. Wolf /Horn/Lindacher, Rz. A 165 zu § 9 .

I.

AGB-Kontrolle

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erklärungen zu einer Überwälzung von Risiken 16 . Auch in den AGB der Krankenhäuser kommen überraschende Klauseln (§ 305 c I BGB = § 3 AGBG a.F.) vor, die Auslegungsregel des § 305 c II BGB (= § 5 AGBG a.F.) schützt den Patienten, der allgemeine Grundsatz des § 307 BGB (= § 9 AGBG a.F.) käme ansonsten ohnehin nach § 242 BGB zur Anwendung, und § 309 Nr. 12 b BGB (= § 11 Nr. 15 b AGBG a.F.) enthält ein unmittelbar einschlägiges Klauselverbot zur Bestätigung bestimmter Tatsachen. Eigenständige medizinrechtliche Kriterien 17 erreichen nicht das gleiche Maß an Genauigkeit und bieten daher zum einen dem Einwilligenden weniger Schutz, zum anderen der Kautelarpraxis der Krankenhäuser weniger Sicherheit. Schließlich besteht nur bei Anwendbarkeit des AGBG die Verbandsklagebefugnis nach § 1 des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (= § 13 AGBG a.F.). Ihre praktische Bedeutung hat sich im Datenschutzrecht wiederholt erwiesen, doch auch Klagen von Patientenverbänden gegen unangemessene Einwilligungsformulare 1 8 können den Schutz des Patienten in angemessener Weise verstärken. Die herrschende Meinung hielt daher mit Recht das AGBG auch auf persönlichkeitsbezogene Einwilligungserklärungen unabhängig von der Frage nach deren Rechtsnatur für anwendbar 19 . Nach hier vertretener Ansicht belegt allerdings gerade die Praxis der Formulareinwilligungen die rechtsgeschäftliche Natur der Einwilligung. Hier wird offensichtlich, daß gerade durch die Abgabe einer Erklärung eine rechtliche Regelung getroffen wird 2 0 . Die Erteilung der Einwilligung ist Ausübung einer privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit, die beim Gebrauch vorformulierter Erklärungen ebenso beeinträchtigt wird wie im vertraglichen Bereich.

Vgl. Gounalakis, N J W 1990, 752. Für die sich wohl Giesen A r z t H R , R z . 336 a. E. ausspricht. 18 Auf diese Möglichkeit weist Deutsch, N J W 1982, 2585 (2588) hin. 19 So für die Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff Deutsch, NJW 1982,2585 (2588); Gounalakis, N J W 1990, 752; Niebling, M D R 1982,193 (194 f.); MüKo/ Basedow, R z . 10 zu § 1 A G B G ; Ulmer/Brandner/Hensen, § 17 zu § 1; Wolf/Horn/Lindacher, R z . K 31 zu § 9; für den Sonderfall der Sektionseinwilligung auch B G H N J W 1990, 2313 (2314) m. A n m . Deutsch-, für die Einwilligung nach § 22 K U G Dasch, S. 74; für die datenschutzrechtliche Einwilligung B G H Z 95, 362; Auernhammer, R z . 9 zu § 4; Körner, FS Simitis, S. 131 (132f.); Ordemann/Schomerus, A n m . 5.3 zu § 4; z u m Ganzen Kohte, AcP 185 (1985) 105 (128 ff.). 20 Gelegentlich w i r d in der medizinrechtlichen Literatur nicht klar zwischen vorformulierten Aufklärungsformularen und vorformulierten Einwilligungserklärungen unterschieden, zumal beide in einem D o k u m e n t enthalten sein können. Im Text geht es nur u m die Einwilligungserklärung. O b der A r z t hingegen seiner Aufklärungspflicht nachk o m m t , w e n n er dem Patienten ausschließlich oder im Zusammenhang mit einem Gespräch schriftliches Informationsmaterial übergibt, ist eine ganz andere Frage. Hier helfen die §§ 305 ff. B G B nicht weiter, da es nicht u m die Gültigkeit einer rechtlichen Regelung geht. Allerdings ist auf die vorformulierte Erklärung des Patienten, er sei aufgeklärt w o r den, § 309 Nr. 12 b A G B G anwendbar, s. den folgenden Text. 16

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440 2.

§15

Sonstige

Nichtigkeitsgründe

Einzelfragen

Nach § 305 II B G B (= § 2 I A G B G a.F.) werden allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil, wenn bei Vertragsabschluß ausdrücklich oder durch Aushang auf sie hingewiesen wird und die andere Partei die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. An dieser Stelle scheitert bereits die Wirksamkeit der Einwilligung in Bildaufnahmen, die auf der Rückseite einer Eintrittskarte aufgedruckt ist, sofern an der Theaterkasse kein Aushang auf die A G B hinweist 21 . Aus dem gleichen Grund bezweifelt Niebling die Wirksamkeit ärztlicher Aufklärungsformulare: Sie würden erst verwendet, wenn eine Einigung über die Behandlung bereits zustande gekommen sei, meist sogar erst dann, wenn sich Arzt und Patient bereits für die Operation entschieden hätten22. Diese Ansicht überzeugt nicht. Zum einen muß sorgfältig zwischen dem Behandlungsvertrag und der Einwilligung unterschieden werden; wann ersterer geschlossen wird, ist für die Wirksamkeit der Einwilligungserklärung unerheblich. Zum anderen erklärt der Patient wohl nicht schon während des Gesprächs mit dem Arzt, sondern erst mit der Unterschrift unter das Formular endgültig seine Einwilligung. Zu diesem Zeitpunkt hat er das Formular lesen können. Von großer Bedeutung ist der Schutz vor überraschenden Klauseln nach § 305 c I B G B (= § 3 A G B G a.F.). Würde ein Behandlungsvertrag einen vorformulierten Aufklärungsverzicht enthalten, so wäre diese Klausel überraschend und damit nach § 305 c I A G B G unwirksam 23 . Erheblich umstrittener ist diese Frage allerdings für vorformulierte Sektionseinwilligungen. Hier befindet sich die Praxis in einem Dilemma: Einerseits ist nach vorherrschender Auffassung die Sektion einer Leiche nur zulässig, wenn der Verstorbene noch zu Lebzeiten seine Einwilligung erklärt hat oder wenn die Totensorgeberechtigten einwilligen 24 ; andererseits verbietet es der Takt, den Patienten bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus um eine ausdrückliche Sektionseinwilligung zu ersuchen 25 . Die Praxis behilft sich mit einer Klausel im Behandlungsvertrag. Der B G H hat in einer Entscheidung von 1990 ihre Vereinbarkeit mit § 9 A G B G a.F. (nunmehr § 307 B G B ) bejaht 26 , konnte aber zu § 3 A G B G a.F. (nunmehr § 305c I B G B ) nicht Stellung nehmen, weil es sich um ein Verfahren nach § 13 A G B G a.F. handelte 27 . Eine Mindermeinung hält Obduktions21 Die Entbehrlichkeit eines ausdrücklichen Hinweises nach § 305 II B G B läßt die Hinweispflicht nicht etwa völlig entfallen, vielmehr muß der Hinweis in Form eines deutlich sichtbaren Aushangs erfolgen, s. Ulmer/Brandner/Hensen, Rz. 41, vgl. dort zur Problematik von A G B auf Eintrittskarten auch Rz. 16, 38. 22 Niebling, M D R 1982, 193 (195 f.). 23 Niebling, a.a.O., S. 195 (Fußn. 11). 24 Vgl. Haas, N J W 1988, 2929 (2931) m.w.N. 25 Bunte, N J W 1986, 2351 (2354). 2 6 B G H N J W 1990, 2313 m. Anm. Deutsch. 27 A.a.O., S. 2314 m.w.N.

I.

AGB-Kontrolle

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klausein mit der Begründung für nicht überraschend, ein Todesfall im Krankenhaus liege nicht außerhalb der objektiven Wahrscheinlichkeit 28 . Dieses Argument grenzt an Zynismus, da der Patient bei Aufnahme ins Krankenhaus regelmäßig auf Besserung und Genesung hofft 2 9 . Im Fall des B G H war die Klausel zudem hinter einigen anderen Regelungen ohne persönlichkeitsrechtlichen Inhalt „versteckt" 3 0 . Unter diesen Umständen ist die Annahme, ein Patient müsse mit einer Obduktionsklausel rechnen, kaum haltbar 31 . Das Argumentationsmuster der Gegenansicht ähnelt den oben 32 dargestellten angloamerikanischen Fällen zum implied consent: Das Bedürfnis der medizinischen Wissenschaft nach Leichen, die zur Sektion freigegeben sind, ist vernünftigerweise nicht von der Hand zu weisen, daher wird die Zustimmung des Betroffenen unterstellt. Dieses Vorgehen ist aus methodologischer Sicht bedenklich: Wenn selbstbestimmte Entscheidungen der Patienten nicht zu erlangen sind, bleibt dem Gesetzgeber keine andere Wahl, als das postmortale Persönlichkeitsrecht entsprechend zu beschränken. Die Unklarheitenregel des § 305 c II B G B (= § 5 A G B G a.F.) kann etwa bei ärztlichen Aufklärungsformularen eingreifen, bei denen der Patient einzelne Alternativen ankreuzen muß 33 . Allgemein konkurriert sie bei persönlichkeitsbezogenen Einwilligungen mit der Zweckübertragungsregel, deren entsprechende Anwendbarkeit oben begründet wurde. Häufig werden beide Auslegungsregeln zum selben Ergebnis führen. Unter den speziellen Klauselverboten kommt § 309 Nr. 12 b B G B (= § 11 Nr. 15 b A G B G a.F.) die größte Bedeutung zu. Nach Nr. 12 b ist eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners ändert, indem er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen läßt. Diese Bestimmung erfaßt die vorformulierte Operationseinwilligung, in der bestätigt wird, daß die Aufklärung stattgefunden hat. Da nach herrschender Meinung der Arzt beweisen muß, daß er den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat 34 , würde die Klausel dann zu einer Umkehrung der Beweislast führen, wenn sie im Prozeß als Beweis akzeptiert würde, den der Patient widerlegen müßte 35 . Angesichts des § 309 Nr. 12 b B G B mißt die Praxis der

Bunte, N J W 1986, 2351 (2354). Zutreffend Deutsch, N J W 1990, 2315. 3 0 Vgl. Deutsch, a.a.O. 31 So dieh.M., vgl. Ackmann,]7.1990,923;Deutsch, a.a.O.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rz. 336 (Fußn. 746); Baston-Vogt, S. 316 (allerdings ohne Erwähnung des § 3 A G B G ) ; wohl auch HdA/Uhlenbruck, § 94, Rz. 6. 28

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§ 12 I 2.

Deutsch MedR, Rz. 139. 34 S. oben, § 1 3 112, 5. 35 S. Gounalakis, N J W 1990, 752; Bunte, N J W 1986, 2351 (2354); Deutsch, N J W 1982, 2585 (2587); Niehling, M D R 1982, 193 (196); Wolf/Horn/Lmdacher, Rz. K 31 zu § 9. 33

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§ Ii

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vom Patienten unterzeichneten Erklärung jedoch nur Indizwert bei 36 . Damit kommt es nicht zu einer Beweislastumkehr, vielmehr beurteilt der Richter die Erklärung lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung, wogegen nichts einzuwenden ist 37 . Weitergehend könnte man auf den Gedanken kommen, sämtliche vorformulierten Einwilligungserklärungen § 309 Nr. 12 B G B zu unterwerfen, da der Handelnde stets für das Vorliegen der Einwilligung die Beweislast trägt, so daß die Vorlage des unterzeichneten Einwilligungsformulars im Prozeß den Einwilligenden zum Gegenbeweis zwingt. In diesem Fall wäre aber eine formularmäßige Einwilligungserteilung insgesamt unmöglich. Das ist nicht der Sinn des § 30 Nr. 12 B G B , der die Ausschöpfung gesetzlicher Rechtsinstitute in A G B nicht vollständig verhindern will. Die Kontrolle sollte daher im Rahmen von § 307 B G B (= § 9 A G B G a. F.) stattfinden, in dessen Rahmen die erforderliche Interessenabwägung durchgeführt werden kann 38 . Bei § 307 B G B (= 9 A G B G a.F.) handelt es sich um die zentrale Vorschrift für die Überprüfung von Einwilligungsklauseln. Ansatz für die Unwirksamkeit kann zunächst die Abweichung der Klausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sein (§ 307 II Nr. 1 B G B ) . Zwar ist nach der Systematik verschiedener Gesetze die Einwilligung eine Alternative zu den im einzelnen geregelten objektiven Rechtfertigungsgründen 39 , da aber eine in A G B erklärte Einwilligung oft zu einer reinen Formalität absinkt, wenn ihre Erteilung Voraussetzung für den angestrebten Vertragsschluß ist, sind die objektiven Rechtfertigungsgründe für die Beurteilung der Einwilligung dennoch nicht unbeachtlich 40 . Auf dieser Argumentation beruht die Grundsatzentscheidung des B G H zur Unwirksamkeit der früheren Schufa-Klausel 41 : Da die gesetzlichen Erlaubnistatbestände für die Weitergabe personenbezogener Informationen auf einer Interessenabwägung beruhten, war eine Klausel als unangemessene Benachteiligung des Schuldners anzusehen, nach der „Negativmerkmale" über die Abwicklung des Kredits ohne jede Interessenabwägung im Einzelfall weitergegeben werden durften. Beim Vergleich mit der gesetzlichen Lage muß auch berücksichtigt werden, daß eine massenhafte Verwendung formularmäßiger Einwilligungen ein rechtliches Verbot in sein Gegenteil verkehren kann. In seiner Entscheidung zur TelefonwerbungsB G H N J W 1985, 1399; 1999, 863 (864). Vgl. Gounalakis, Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O. (vorletzte Fußn.). 38 Vgl. Wolf'/Horn/Lindacher, Rz. 12 zu § 11 Nr. 15; Dasch, S. 75; offengelassen vom O L G Stuttgart in AfP 1987, 693 (694). 39 Deutlich insoweit die Datenschutzgesetze, s. § 4 I B D S G , Art. 15 I BayDSG. 40 Vgl. außer den im folgenden Text genannten Beispielen auch die Entscheidung B G H Z 133, 184 zur Taschenkontrolle in Supermärkten: Die Pflicht, eine Kontrolle auch ohne konkreten Diebstahlsverdacht zu dulden, verstoße gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. 41 B G H Z 95, 362 (367f.). 36

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I.

AGB-Kontrolle

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klausel 42 weist der B G H zunächst darauf hin, daß die Telefonwerbung gegenüber Privaten einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstelle. Lasse man nun Klauseln dieser Art zu, so würden die Wettbewerber zu einer entsprechenden Angleichung ihrer Geschäftsbedingungen ermuntert. So gelange man zu eben der massiven Belästigung, die das Einwilligungserfordernis verhindern solle, und unterlaufe so den Schutzgedanken des § 1 U W G . Ein wichtiger Anwendungsfall des § 307 BGB besteht im Verbot pauschaler, unbegrenzter Einwilligungsklauseln. Sie benachteiligen den Einwilligenden in treuwidriger Weise, weil nicht gewährleistet ist, daß die Befugnis des Einwilligungsempfängers überhaupt von einem schutzwürdigen Interesse gedeckt ist 43 . Sofern es sich um persönlichkeitsbezogene Einwilligungen handelt, stellt eine solche Klausel auch eine Abweichung von der analog anwendbaren Regel des § 31 V UrhG dar 44 . Daher sind nicht nur generelle Erlaubnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten unwirksam, auch das ausdrücklich als „unbegrenzt" bezeichnete Einverständnis mit der Aufnahme und Verwertung der Bildnisse von Zuschauern auf der Eintrittskarte zur Theatervorführung scheitert an § 307 AGBG, sofern nicht schon § 305 c I AGBG eingreift. Auch die Wirksamkeit der oben bereits am Maßstab des § 305 c I BGB geprüften Obduktionsklausel ist zusätzlich nach § 307 BGB zweifelhaft. Der BGH hielt sie im Fall des Formularvertrages der Universitätsklinik Mainz für zulässig 45 , da die Einwilligung widerruflich war, die Leichenöffnung nur unter Beachtung der Ehrfurcht vor dem toten Menschen und beschränkt auf das notwendige Maß erlaubt war und da sie vor allem vom berechtigten wissenschaftlichen Interesse des Krankenhauses gedeckt war. Diese Ansicht wird im Schrifttum kritisiert 46 : Der Übergang von der „Einwilligungslösung" zur „Widerspruchslösung" 47 stelle eine nach § 307 II Nr. 1 BGB unzulässige Abweichung von der ganz herrschenden Ansicht dar, nach

BGHZ 141, 124(128). Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1986, 927 (931); OLG Celle, NJW 1980, 347 (348). 44 Vgl. Dascb, S. 72, 74. Zwar soll § 31 V nach BGH GRUR 1984,45(48 f.) „Honorarbedingungen: Sendererträge" keine Leitbildfunktion zukommen, hiergegen aber überzeugend Schricker/Schricker, Rz. 14 vo §§ 28 ff. 45 BGH NJW 1990, 2313 m. Anm. Deutsch = JZ 1990 923 m. Anm. Ackmann = JR 1991, 200 m. Anm. Giesen/Kloth; anders das KG, NJW 1990, 782, in einer strafrechtlichen Entscheidung mit lesenswertem Sachverhalt, der die Fragwürdigkeit nicht ausdrücklich erlaubter Sektionen eindrucksvoll demonstriert: „Den Zustand des in ganzer Länge aufgeschnittenen und mit nur wenigen Stichen wieder zugenähten Körpers sollen die Angehörigen erst bei der Öffnung des Sarges während der Trauerfeier in der Moschee der Heimatstadt der Verstorbenen in der Türkei mit großer Bestürzung und tief verletzt wahrgenommen haben." 46 Nachdrücklich Ackmann,}7. 1990, 925: Der BGH habe „im Namen des (nichtsahnenden) Volkes" entschieden, ablehnend auch die übrigen in der vorigen Fußn. Genannten und Ulmer/Brandner/Hensen, Rz. 451a Anh. §§ 9-11; Wolf/ Horn/ Lindach er, Rz. K 33 zu § 9. 47 HdA / Uhlenbruck, § 94, Rz. 6. 42

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§ 15 Sonstige

Nichtigkeitsgründe

der eine Sektion nur mit Einwilligung erlaubt sei 48 . Daher mißachte die Entscheidung das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dessen postmortales Persönlichkeitsrecht keineswegs allgemein den Interessen der Wissenschaft unterzuordnen sei 49 . In der Tat läuft die Obduktionsklausel auf die unbegründete Fiktion hinaus, der Patient sei mit der Sektion einverstanden 5 0 . D i e Verlagerung der Aktionslast 5 1 auf den Patienten erinnert an die Diskussion über die Zulässigkeit der Organspende. D o r t hat sich der Gesetzgeber nach eingehender öffentlicher Diskussion gegen die „Widerspruchslösung" ausgesprochen. Wenn für die Leichenöffnung überhaupt eine andere Regelung gelten soll, so darf sie nicht durch die Hintertür allgemeiner Geschäftsbedingungen, sondern nur nach offener politischer Diskussion durch den Gesetzgeber eingeführt werden.

II. Gesetzesverstoß und Sittenwidrigkeit Häufig ist zu lesen, die Einwilligung erlange nur in den Schranken der Gesetze und der guten Sitten Wirksamkeit 5 2 . J e nach Standpunkt des Autors zur Frage des Rechtsnatur wird diese Aussage aus §§ 134, 138 B G B , aus der Schrankenregelung in Art. 2 I G G oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, daß die Schranken des Gesetzesverstoßes und der Sittenwidrigkeit zur Lösung dreier unterschiedlicher Probleme herangezogen werden. Erstens wird häufig auf gesetzliche Verbote und die „guten Sitten" rekurriert, um den nicht disponiblen „Kern" der Persönlichkeitsrechte zu bestimmen 5 3 . Ein typisches Beispiel für diese Argumentation ist die Begründung, die Zitelmann54 und später das R G 5 5 für die Unbeachtlichkeit der Einwilligung in eine Tötung gaben: Die Einwilligung sei nicht nur gemäß § 134 B G B i. V. m. § 216 S t G B nichtig, ihre Unwirksamkeit ergebe sich auch aus § 138 I B G B , denn daß der Suizid und die Tötung auf Verlangen gegen die guten Sitten verstoßen, erscheine „trotz den dagegen gemachten Einwänden als sicher" 5 6 . Nach den Ergebnissen des § 14 dieser Arbeit vermengt diese Ansicht die Gesetzes- und Sittenwidrigkeit der Einwilligung mit der Disponibilität des jeweiAckmann, JZ 1990, 925 (927); Giesen/Kloth, J R 1991, 203 (204). Deutsch, N J W 1990, 2315; Giesen/Kloth, a.a.O. 50 So auch Ackmann, JZ 1990, 925 (926). 51 Ackmann, a. a. O. 52 S. die Nachw. oben, § 14 III 1. 53 Vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 184, vgl. auch S. 171 f.; näher hierzu oben, § 14 IV 3. 54 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (69, 77). 55 R G Z 66, 306 (308). 56 Zitelmann, a. a. O., S. 77. 48 49

II. Gesetzesverstoß

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Sittenwidrigkeit

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ligen subjektiven Rechts. § 216 StGB verbietet nicht die Einwilligung, sondern entzieht das Leben der privaten Disposition. Damit besteht eine Parallele zu vermögensrechtlichen Bestimmungen, die bestimmte Verfügungen über eine Sache allgemein ausschließen und die ebenfalls keine Verbotsgesetze, sondern Schranken der Privatautonomie darstellen, die den §§ 134, 138 BGB vorgelagert sind. Auch ist die Einwilligung in diesen Fällen nicht sittenwidrig, ihr fehlt lediglich die Kraft, das Unrecht der Tat zu beseitigen. Zweitens kann eine der Gestattung zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung gegen die guten Sitten verstoßen. Ein typisches Beispiel bietet ein vom OLG Stuttgart entschiedener Fall 57 , in dem eine Frau sich von einem Fotografen nackt fotografieren ließ und diesem in einem schriftlichen Vertrag sämtliche Rechte zur kommerziellen Verwertung der Aufnahmen einräumte, ohne hierfür, abgesehen von 10 Abzügen der Fotos, eine Gegenleistung zu erhalten. Das Gericht prüft die Nichtigkeit dieses Vertrages nach § 138 BGB. Zwar sei eine Vereinbarung zur Anfertigung pornographischer Aufnehmen nicht per se sittenwidrig, hier ergebe sich der Verstoß gegen die guten Sitten aber aus dem auffälligen Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Damit werden zwei wesentliche Gesichtspunkte identifiziert, mit denen sich die Unwirksamkeit vertraglicher Verpflichtungen zu höchstpersönlichen Leistungen begründen läßt. Zum einen kann wegen der besonderen Natur des versprochenen Verhaltens jede Verpflichtung hierzu ausgeschlossen sein, sei es, wie das OLG Stuttgart in Einklang mit der wohl herrschenden Meinung annimmt, wegen Sittenwidrigkeit, sei es, wie die Gegenansicht denkt, weil es sich um eine der Rechtsgeschäftslehre vorgelagerte Schranke der Privatautonomie handelt 58 . Zum anderen kann sich die Sittenwidrigkeit aus einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Verbindung mit der Ausnutzung einer Zwangslage ergeben. In beiden Fällen muß zwischen der Verpflichtung und der Gestattung unterschieden und geprüft werden, ob die Nichtigkeit ersterer den Bestand der letzteren berührt. Bejaht man die Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips, so ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Nach der Gegenansicht, der - wie noch zu begründen sein wird - hier gefolgt wird, kommt § 139 BGB zur Anwendung. Sofern sich also Verpflichtung und Erfüllung als einheitliches Geschäft darstellen, muß gefragt werden, ob die Einwilligung auch ohne die Verpflichtung erteilt worden wäre. Das ist häufig nicht der Fall, da die Einwilligung erst durch die zugrunde liegende Vereinbarung ihre Konturen und ihren Sinn erhält. So war im Fall des OLG Stuttgart die Klägerin wohl nur deshalb mit der Veröffentlichung der Fotos einverstanden, weil sie auf eine Vermittlung „als seriöses Modell für Mode57 AfP 1987, 693 (694); zust. Frömming/Peters, NJW 1996, 958, die auch im oben, § 11 III erörterten Ibiza-Fall des OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, 742 m. krit. Anm. Bosch, eine Nichtigkeit der Einwilligung nach § 138 BGB annehmen. 58 Vgl. die Nachw. oben, § 14, Fußn. 98 f.

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Sonstige

Nichtigkeitsgründe

oder Werbekataloge" hoffte; von Aktaufnahmen war bei Unterzeichnung des Vertrags nicht die Rede. Die Veröffentlichung der Aufnahmen war also wohl nach Auslegung der Vereinbarung schon gar nicht von der Einwilligung erfaßt, so daß sich der Rückgriff auf § 138 BGB erübrigt. Im übrigen ist aber nicht anzunehmen, daß die Klägerin ohne die Vereinbarung zur Einwilligung bereit gewesen wäre, damit ergibt sich die Nichtigkeit jedenfalls aus § 139 BGB. Etwas anderes kann gelten, wenn der Vertrag unwirksam ist, weil die Rechtsordnung Verpflichtungen zu bestimmten höchstpersönlichen Handlungen nicht zuläßt. Der Nichtigkeitsgrund braucht sich hier nicht auf die Einwilligung zu erstrecken: Auch als die Verpflichtung einer Prostituierten zur Vornahme des Geschlechtsverkehrs noch als unwirksam gemäß § 138 I BGB galt 59 , mußte man ihre Einwilligung dennoch als wirksam ansehen, da diese selbst nicht von § 138 BGB erfaßt wurde und da die Prostituierte ihre Zustimmung unabhängig von der Unwirksamkeit der Verpflichtung, meist sogar in deren Kenntnis, erteilte. Drittens wird die Nichtigkeit der Einwilligung selbst nach § 138 BGB für den Fall erwogen, daß der Eingreifende sie sich unter Ausnutzung einer Zwangslage erteilen ließ. Simitis''0 sieht in dieser Konstruktion die Lösung für das Problem der „Scheinfreiwilligkeit" im Datenschutzrecht. Wenn eine Person keine andere Wahl habe, als die Einwilligung zur Verwertung personenbezogener Daten zu gestatten, so sei die Einwilligung nach § 138 I BGB nichtig, die Verarbeitung der Daten könne also nur auf der Grundlage der übrigen datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände erfolgen. KohteM hält diesen Gedanken für verallgemeinerungsfähig. § 138 BGB erweise sich als wichtiges Kontrollinstrument zur Sicherung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen, die Vorschrift führe in Fällen des Machtmißbrauchs zur Nichtigkeit der Einwilligung und eigne sich daher etwa zur Lösung arbeitsrechtlicher Konfliktsituationen, wie sie etwa bei formularmäßiger genereller Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht oder bei der Vornahme von Genomanalysen bei der Einstellung gegeben seien. Allerdings bestehen auf den ersten Blick Zweifel an der Anwendbarkeit des § 138 I BGB. Zwar ist anerkannt, daß der Vorschrift auch einseitige Rechtsgeschäfte unterfallen, doch betreffen die in der Literatur erörterten Beispiele Situationen, in denen der Erklärende selbst sittenwidrig handelt, etwa durch eine Kündigung 62 oder 59 Die Rechtslage hat sich mit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes, BGBl. I, S. 3983, z u m 1.1.2002 geändert. Art. 1 § 1 des Gesetzes bestimmt, daß die Vereinbarung über sexuelle H a n d l u n g e n nach deren Vornahme eine w i r k s a m e Forderung begründet. Vgl. zur zuvor h . M . , B G H Z 67, 119 (122 f.); Medicus AT, R z . 701; MüKo/Mayer-Maly, R z . 50 zu § 138; Palandt/Heinrichs, R z . 52 zu § 138; Staudinger/Sack, R z . 453 zu § 138 m . w . N . ; krit. Wesel, N J W 1998, 120 f. 60 Simitis in: Simitis/Damann/Geiger/Mallmann/Walz, R z . 31 zu § 4. 61 Kohte, A c P 185 (1985) 105 (134 f.). 62 Vgl. Flume AT II, § 18, 4 (S. 375); Staudinger/Sack, R z . 407ff. zu § 138. Allerdings

III.

Nichtigkeit

des

Verpflichtungsgeschäfts

447

die Errichtung eines Testaments 63 . Doch greifen hier die Argumente ein, die oben bereits für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des BGB zu allgemeinen Geschäftsbedingungen sprachen: Die Sach- und Interessenlage bei einer Einwilligung unter Druck oder Zwang unterscheidet sich nicht vom Abschluß eines Vertrages in derselben Konstellation. Jeweils beruht das Verdikt der Sittenwidrigkeit darauf, daß der Empfänger einer Willenserklärung deren Erteilung veranlaßt hat. Daher kann vor allem die unter § 138 I BGB anerkannten Fallgruppe der Ausnutzung einer Machtstellung 64 Orientierung bieten. Allerdings ist § 138 BGB gegenüber § 123 BGB subsidiär 65 . Eine bloße Zwangslage als solche reicht für die Annahme der Sittenwidrigkeit noch nicht aus. So ist weder die Einwilligung einer Angestellten mit unsicherem Arbeitsplatz in Geschlechtsverkehr mit ihrem Vorgesetzten 66 , noch die Einwilligung eines inhaftierten Sexualtäters in eine Kastration per se nichtig 67 . Es müssen besondere Anhaltspunkte hinzutreten, die dafür sprechen, daß der Einwilligungsempfänger die Zwangslage bewußt ausgenutzt hat. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

III. Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts Gestattungen werden oft im vertraglichen Kontext erteilt. Dabei können die Beziehungen zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag und der eigentlichen Gestattung vielfältig sein. Die engste Verbindung besteht, wenn der schuldrechtliche Vertrag eine Verpflichtung zur Erteilung der Gestattung beinhaltet, sei es als Hauptleistungspflicht, sei es als Nebenpflicht. Umgekehrt kann der Vertragspartner dazu verpflichtet sein, vor seinem Eingriff die Einwilligung des anderen einzuholen. Daneben gibt es zahlreiche Beispiele von Einwilligungen, die zwar mit einem Vertrag im Zusammenhang stehen, aber nicht auf einer Verpflichtung beruhen. Ein Beispiel ist die oben erörterte Sektionsklausel 68 , die sich zusammen mit verschiedenen anderen Erklärungen in einem Krankenhausvertrag findet. Auch die Einwilligung des Patienten in die tritt hier § 138 B G B gegenüber den Bestimmungen des KSchG zurück, vgl. Erman/Brox, R z . 4 zu § 138;Sack, a . a . O . , Rz. 407, 409. 63 Vgl. B G H Z 53, 369 (374ff.), 123, 368 (378); Flume, § 18, 5 (S. 375f.); Larenz/Wolf § 41, R z . 60 f.; Staudinger/Sack, R z . 438 ff. zu § 138. 64 Vgl. Larenz/Wolf, § 4 1 , R z . 41 ff:; MüKo/Mayer-Maly, R z . 78 ff. zu § 1 3 8 ; Staudinger/Sack, Rz. 250 ff. 65 B G H Z 60, 102 (104); MüKo/Mayer-Maly, R z . 5 zu § 138; differenzierend Staudinger/Sack, R z . 149ff. zu § 123 m . w . N . 66 In diesem Sinne auch die Entscheidung des Supreme C o u r t of N e b r a s k a in Reavis v. Slominski, 551 N . W . 2 d 528 (541), 50 N e b . 711 (1996), dazu oben, § 13 I 4. 67 So zur Einwilligung im Strafrecht B G H S t 19, 201 (206). 68 Oben, I 2.

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§ 15 Sonstige

Nichtigkeitsgründe

ärztliche Heilbehandlung steht in einem gewissen Zusammenhang mit dem Behandlungsvertrag. Die isolierte Einwilligung, die unabhängig von einem Vertrag erteilt wird, mag im Alltag häufig vorkommen, in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen stellt sie die Ausnahme dar. Gedanklich läßt sich ohne Schwierigkeit zwischen dem Verpflichtungsvertrag und der eigentlichen Gestattung unterscheiden 69 . Das gilt selbst dann, wenn sich die Verpflichtung gerade auf die Gestattung bezieht: Die Verpflichtung besagt: „ich verspreche", die Gestattung besagt: „du darfst". Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob neben dem Trennungsprinzip auch das Abstraktionsprinzip Anwendung findet. Diese Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da der Verpflichtungsvertrag gem. §§ 107, 142 I, 138 I, 307ff. B G B nichtig sein mag, ohne daß der Mangel zwangsläufig auch die Gestattung erfaßt. Besonders deutlich tritt dieser Umstand im oben 7 0 besprochenen Ibiza-Fall des O L G Karlsruhe 71 hervor: Das O L G sah die Einwilligung der 17jährigen in die Veröffentlichung ihres Oben-ohne-Fotos im Prospekt eines Reiseveranstalters als wirksam, den zugrunde liegende Vertrag hingegen nach §§ 107f. B G B als nichtig an. Die ältere Literatur hielt das Abstraktionsprinzip für anwendbar und stützte diese Ansicht in erster Linie auf die gedankliche Parallele mit der Vollmacht und der Einwilligung nach § 1 8 3 B G B 7 2 . Auch wenn die Verpflichtung ende, könne die Einwilligung fortbestehen: Wenn der Eigentümer eines Obstgartens nach Ablauf der Pachtzeit den Pächter weiterhin das Obst pflücken lasse, so sei die Einwilligung wirksam, obwohl der Eigentümer zu ihrer Aufrechterhaltung nicht verpflichtet sei 73 . Während Zitelmann sich immerhin für die Anwendbarkeit des § 139 B G B aussprach 74 , wandte sich Fischer dagegen, das Abstraktionsprinzip durch die Annahme einer Geschäftseinheit auszuhöhlen 75 . Die Rechtsprechung hat das Problem bisher, soweit ersichtlich, nicht offen erörtert, dennoch liegt einigen Urteilen, etwa dem soeben erwähnten des O L G Karlsruhe, ersichtlich das Abstraktionsprinzip zugrunde 76 . Übrigens gelangt die herrschende Lehre im Strafrecht auf anderer Grundlage zum selben Ergebnis: Für die Sittenwidrigkeit nach § 228 StGB ist die Sittenwidrigkeit eines zugrunde liegenden

S. oben, § 8 III 2. § 11 III. 71 O L G Karlsruhe, FamRZ 1983, 742 m. krit. Anm. Bosch. 72 Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (48 ff., 61); Fischer, S. 278 f.; Dietz, S. 222 ff.; v. Tuhr AT II/2, § 88 IV 4 (S. 468). 73 Dietz, S. 223 f. 74 A.a.O., S. 61. 75 Fischer, S. 279. 76 Vgl. außerdem O L G Köln AfP 1969, 118 (119) - „Pop-art" und B G H G R U R 1975, 561 (563 f.) - „Nacktaufnahmen", wo die Frage allerdings nicht entschieden zu werden brauchte, da sich sowohl der Vertrag als auch die Einwilligung als wirksam herausstellten. 69

70

III. Nichtigkeit

des

Verpflichtungsgeschäfts

449

Vertrages unerheblich 77 , und nach der von Arzt entwickelten Irrtumslehre führt nur der rechtsgutsbezogene Irrtum, nicht hingegen der Irrtum über die Gegenleistung zur Nichtigkeit der Einwilligung 78 . Demgegenüber sprechen sich in der neueren privatrechtlichen Literatur einige Autoren gegen die Anwendung des Abstraktionsprinzips aus 79 . Ihm liege der Gedanke des Verkehrsschutzes zugrunde, der für die Einwilligung nicht passe: Sie wirke sich in erster Linie im Zweipersonenverhältnis aus, und selbst wenn sie ausnahmsweise übertragbar sei, so scheide jedenfalls ein gutgläubiger Erwerb aus. Ebenso wie das urheberrechtliche Nutzungsrecht sei auch die Einwilligung zweckgebunden, sie erhalte erst durch den zugrunde liegenden Vertrag ihre Ausformung. Die gedankliche Parallele zur Vollmacht überzeuge nicht, da die Einwilligung am ehesten mit der nicht kundgegebenen Innenvollmacht vergleichbar sei, die in verschiedener Hinsicht mit dem Grundgeschäft verbunden sei. Schließlich sei das Abstraktionsprinzip harscher Kritik ausgesetzt, es bestehe daher kein Anlaß, es über seinen normativ zwingend festgelegten Anwendungsbereich hinaus zu erweitern. Viele Stellungnahmen in der Literatur kranken daran, daß sie nicht zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen der Gestattung differenzieren. Eine bindende Gestattung kann, wie oben gesehen 80 , die Form verschiedener Rechtsgeschäfte annehmen. Sofern es sich bei der Gestattung um ein beschränktes dingliches Recht an einer Sache handelt, ist das Abstraktionsprinzip zweifellos anwendbar. Dasselbe gilt für die Aneignungsgestattung nach § 956 BGB 81 . Handelt es sich hingegen um einen schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassungsvertrag, so läßt sich zwar zwischen der Verpflichtung des Eigentümers, seinem Vertragspartner den Gebrauch der Sache zu gewähren, und der eigentlichen Gestattung unterscheiden, für die Anwendung des Abstraktionsprinzips besteht hingegen keine Veranlassung 82 . Das Besitzrecht gewinnt erst durch die zugrunde liegende Vereinbarung seine Gestalt, außerdem greifen die Verkehrsschutzgesichtspunkte, die dem Abstraktionsprinzip zugrunde liegen 83 , hier nicht ein. Allerdings hat die Einwilligung Auffangcharakter: Ist die Verpflichtung unwirksam, so kann dennoch eine einfache Einwilligung vorliegen 84 . Dieser Gedanke folgt aber nicht aus dem Abstraktionsprinzip, sondern aus § 140 BGB. Ähnliches gilt für den Fortbestand der S. oben, § 14 IV2 a. S. oben, § 13 I 2. 79 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (136); Dasch, S. 61 ff.; Gotting, S. 159 f. 80 Oben, § 8 II-IV. 81 Vgl. MüKo/Quack, Rz. 4 zu § 956; Soergel/Mühl, Rz. 3 zu § 956 m. w.N. 82 Vgl. Canaris, FS Flume, S. 370 (401 f.); Diederichsen, S. 112; Raupe, JherJB 71 (1922) 97 (149). 83 Hierzu ausführlich Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996), S. 728 ff. und passim, vgl. auch Flume AT II, § 12 III 3 (S. 176). 84 S. oben, § 8 V. 77

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450

5 Ii

Sonstige

Nichtigkeitsgründe

Gestattung nach Ablauf der Vertragsdauer: Es bleibt dem Eigentümer unbenommen, nach Vertragsablauf ausdrücklich oder konkludent in den weiteren Gebrauch widerruflich einzuwilligen oder ihn schlicht zu dulden. Handelt es sich bei der Gestattung um eine immaterialgüterrechtliche Lizenz oder die Einräumung eines Nutzungsrechts, so ist die Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips umstritten, soweit sie nicht durch Sondervorschriften wie § 9 VerlG ausgeschlossen wird. Eine Ansicht hält das Abstraktionsprinzip für ein Charakteristikum des deutschen Rechts, das auch im Immaterialgüterrecht anwendbar sein soll 85 . Dagegen hat Kraßer'86 überzeugend eingewandt, das immaterialgüterrechtliche Nutzungsrecht erhalte erst durch den zugrunde liegenden Vertrag seine Ausformung. Auch wenn der Streit hier nicht der eingehenden Erörterung bedarf, da es sich nicht um ein Problem der Einwilligungslehre, sondern um eine lizenz- bzw. urhebervertragsrechtliche Frage handelt, sei doch angemerkt, daß sich die Interessenlage im Sachenrecht einerseits und im Immaterialgüterrecht und bei der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsaspekten andererseits grundlegend unterscheidet. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Eigentümers und dem Verkehrsschutz, das dem Abstraktionsprinzip im Sachenrecht zugrunde liegt, kann insbesondere für Persönlichkeitsrechte keine Geltung beanspruchen. Die Zweckbindung der Gestattung 87 hat hier besondere Bedeutung, wie sich oben 88 im Zusammenhang mit der Auslegung bereits gezeigt hat. Verkehrsinteressen treten zurück, da persönlichkeitsrechtliche Befugnisse wenn überhaupt, dann nur eingeschränkt verkehrsfähig sind. Auch wenn man die gebundene Rechtsübertragung in diesem Bereich zuläßt, dürfte für die Übertragung jedenfalls analog §§ 34, 35 UrhG die Zustimmung der Person erforderlich sein. Die Gegenansicht kann dazu führen, daß gerade schutzbedürftigen Personen notwendiger Rechtsschutz vorenthalten wird. Das Urteil des OLG Karlsruhe zeigt dies deutlich: Da die Einwilligung in die Veröffentlichung des Fotos für wirksam erachtet wurde, hatte die Minderjährige ihre Leistung wirksam erbracht, doch der Anspruch auf Gegenleistung scheiterte an der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Zwar spricht nach hier vertretener Ansicht das Postulat des Minderjährigenschutzes gegen die alleinige Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen, doch selbst auf der Grundlage der Gegenansicht besteht kein Anlaß, den Verwerter durch die Anwendung des Abstraktionsprinzips zu begünstigen. Verpflichtung und Gestattung sind also zwei voneinander trennbare Bestandteile eines einheitlichen Geschäfts. Damit ist § 139 So für das Urheberrecht B G H Z 27, 90 (95 ff.); Schuck U r h R , R z . 525 f. Kraßer, G R U R Int. 1973, 230 (237f.); ebenso Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 155 ff.; Ulmer, § 9 2 1 (S. 390 ff.); Schricker /Schricker, Rz. 61 vor §§ 28 ff. m. w. N . 87 Sie stellt für Ulmer und Schricker, beide a. a. O., das entscheidende A r g u m e n t gegen die A n w e n d b a r k e i t des Abstraktionsprinzips im Urheberrecht dar. 88 § 12 II. 85

86

III.

Nichtigkeit

des

Verpflichtungsgeschäfts

451

B G B anwendbar 89 , so daß zu ermitteln ist, ob die Gestattung auch ohne das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft ausgesprochen worden wäre. Handelt es sich hingegen um eine einseitige Einwilligung, die nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung beruht, so fehlt für eine Anwendung des Abstraktionsprinzips schon der gedankliche Ansatzpunkt. Die Einwilligung steht hier selbständig neben Vertragsklauseln, die einen gänzlich anderen Regelungsinhalt haben. Hier greift zwar ebenfalls § 139 B G B ein, allerdings wird oft schon fraglich sein, ob überhaupt ein einheitliches Geschäft vorliegt. Hierfür genügt es nicht, daß die Erklärungen in irgendeinem Zusammenhang stehen, vielmehr müssen sie nach dem Willen der Parteien „miteinander stehen und fallen" 90 . Das ist bei der Einwilligung des Patienten und den Bestimmungen des Behandlungsvertrages nicht der Fall. Die ärztliche Pflicht zur Behandlung besteht unabhängig davon, ob sich der Patient später der ihm vorgeschlagenen Therapie unterzieht, umgekehrt ist die Einwilligung in eine Operation unabhängig davon wirksam, ob der Behandlungsvertrag an einem Mangel leidet. Zwar würde die Anwendung des Abstraktionsprinzips zum selben Ergebnis führen, es beruht aber auf gänzlich anderen Überlegungen. Befinden sich die Einwilligungserklärung und die übrigen Regeln allerdings in einem Dokument, so handelt es sich im Zweifel um ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 B G B 9 1 , so daß bei Nichtigkeit des Vertrags zu ermitteln ist, ob die Einwilligung auch ohne die übrigen Bestimmungen ausgesprochen worden wäre. So bildet die Obduktionsklausel im Formularvertrag eines Krankenhauses - ihre Wirksamkeit entgegen der hier vertretenen Ansicht 92 unterstellt - mit den übrigen Bestimmungen eine Einheit. Sollte der Behandlungsvertrag nichtig sein, so gibt es keine Hinweise, die zur Widerlegung der Vermutung des § 139 B G B Anlaß gäben. Daher würde in diesem Fall die Nichtigkeit des Vertrags auch zur Nichtigkeit der Obduktionsklausel führen.

89 Zutreffend Kohte, AcP 185 (1985) 105 (136);Dasch, S. 63 ff. A.A. Gotting, S. 160, der aber fälschlich annimmt, Kohte und Dasch befürworteten die Geltung des Abstraktionsprinzips. Da das einheitliche Geschäft in die Komponenten Verpflichtung und Gestattung zerlegt werden kann, bedarf es jedenfalls der Anwendung des § 139 B G B , vgl. MüKo/ Mayer-Maly, Rz. 20 zu § 139; Staudinger/Roth, Rz. 60 zu § 139. 90 Vgl. B G H Z 122, 288 (293); MüKo/Mayer-Maly, Rz. 11, 14 zu § 139; Staudinger/ Roth, Rz. 39 zu § 139 m.w.N. 91 Vgl. B G H Z 54, 71 (72); Staudinger/Roth, Rz. 40 zu § 139 m.w.N. 92 S. oben, I 2.

§ 1 6 Vertretung und Ermächtigung I. Gesetzliche Vertretung Die Überlegungen zur Einwilligungsfähigkeit 1 haben gezeigt, daß nach allgemeiner Ansicht die Einwilligung nicht einsichtsfähiger Personen unwirksam ist. Umstritten ist lediglich, ob die §§ 107ff. B G B zur Anwendung kommen sollen oder ob ausschließlich auf das materielle Kriterium der Einsichtsfähigkeit abzustellen ist. Fehlt die Einwilligungsfähigkeit, so muß die Rechtsordnung unabhängig von dieser Streitfrage die Möglichkeit vorsehen, daß eine andere Person mit Wirkung für den Einwilligungsunfähigen die Einwilligung erteilen kann. Anderenfalls wäre weder die medizinische Versorgung noch die umfassende Verwaltung des Vermögens Einwilligungsunfähiger gewährleistet. Daher steht die Zulässigkeit der gesetzlichen Vertretung sowohl für Persönlichkeits- als auch für vermögensbezogene Einwilligungen der Sache nach außer Zweifel, auch wenn in der Literatur bisweilen der rechtsgeschäftliche Begriff der „Stellvertretung" vermieden wird 2 . Die Sorge um die körperliche Integrität und Gesundheit Minderjähriger 3 gehört zur Personensorge 4 , die wiederum Teil der elterlichen Sorge (§ 1626 I B G B ) ist. Sofern nicht ausnahmsweise ein Alleinentscheidungsrecht oder ein Mitbestimmungsrecht des Minderjährigen besteht 5 , können die Eltern also allein darüber entscheiden, ob sie einen Eingriff in die körperliche Integrität ihres Kindes gestatten wollen. Allerdings ist das elterliche Sorgerecht pflichtgebunden: Die Eltern müssen ihre Entscheidung am Kindeswohl ausrichten (§ 1627 B G B ) und sind zudem gehalten, die wachsende Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes zu berücksichtigen (§ 1626 II B G B ) . Die Personensorge kann - ebenso wie die Vermögenssorge - durch tatsächliche Maßnahmen oder durch Vertretung des Kindes ausgeübt werden 6 . Welcher der beiden AlternaOben, § 11. So bevorzugt Kern, N J W 1994, 753 ff., den Begriff „Fremdbestimmung". 3 Ebenso wie oben in § 11 bleibt das Betreuungsrecht hier ausgeklammert, vgl. aber die in § 11, Fußn. 8 gegebenen weiterführenden Literaturhinweise. 4 B G H Z 105, 45 (47f.); Gernhuber/CoesterWaltjen, § 6 2 III 2 (S. 1008); Lüderitz FamR, Rz. 836ff.; MüKo/Hinz, Rz. 3 zu § 1631; Soergel/Strätz, Rz. 2 zu § 1631. 5 S. oben, § 11 V. 6 MüKo/Hinz, Rz. 30 zu § 1626; Palandt/Diederichsen, Rz. 17, 19 zu § 1626. 1

2

I. Gesetzliche

Vertretung

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tiven die Einwilligung zuzuordnen ist, hängt von ihrer Rechtsnatur ab. D e r B G H läßt in einem Urteil von 1988, in dem es um die Einwilligungszuständigkeit eines einzelnen Elternteils geht, diese Frage offen und führt nur aus, die Einwilligung werde in Ausübung der Personensorge erteilt, daher setze sie grundsätzlich das Einvernehmen beider Eltern voraus 7 . In der familienrechtlichen Literatur wird die Frage zwar selten ausdrücklich angesprochen, immerhin wird die Einwilligung der Eltern aber regelmäßig im Zusammenhang mit der Vertretung in Personensorgesachen behandelt, zumal anerkannt ist, daß die Vertretung im Sinne des § 1629 B G B nicht nur die Vertretung bei der Vornahme von Rechtsgeschäften nach § 164 B G B , sondern auch andere Rechtshandlungen umfaßt, die eine Außenwirkung haben 8 . Auch wer die Einwilligung nicht als Rechtsgeschäft ansieht, wird einräumen, daß sie jedenfalls als eine solche rechtswirksame Handlung anzusehen ist 9 . Daher ist die Erklärung einer Einwilligung durch die Eltern mit Wirkung für das Kind jedenfalls Vertretung im Sinne des § 1629 I B G B . Von größerer praktischer Bedeutung ist die Frage nach der alleinigen E i n wilhgungszuständigkeit eines Elternteils und nach den Grenzen der elterlichen Vertretungsmacht. Zu ersterem Problem hat der B G H in seiner soeben erwähnten Entscheidung 1 0 Stellung genommen. Aus § 1627 B G B leitet er ab, daß die Einwilligung grundsätzlich im Einverständnis beider Eltern abgegeben werden muß; eine Ausnahme gelte für Eil- und Notmaßnahmen 1 1 . Allerdings könne jeder Elternteil den anderen ermächtigen, für ihn mitzuhandeln. Ebenso wie im Bereich der rechtsgeschäftlichen Vertretung des Kindes könne dies ausdrücklich oder durch schlüssige Handlung geschehen, auch die Grundsätze über die Anscheinsvollmacht seien anwendbar 1 2 . Daher dürfe der Arzt in „Routinefällen", in denen die Heilmaßnahme einfach und nicht mit besonderen Risiken verbunden sei, auf die Ermächtigung des anderen Elternteils vertrauen 1 3 . Gehe es allerdings um schwierige und weitreichende Entscheidungen für die Behandlung des Kindes, so müsse die Einwilligung beider Eltern eingeholt werden, da ansonsten die Berechtigung und Verpflichtung beider Eltern zur Personensorge unterlaufen werde 1 4 . Verschiedene gesetzlich geregelte Grenzen der elterlichen Einwilligungszuständigkeit sind Ausdruck des Grundsatzes, daß Eltern nicht in irreversible BGHZ 105, 45 (47f.). Erman/Michalski, Rz. 16 zu § 1626; Liideritz FamR, Rz. 804, 807; MüKo/Hinz, Rz. 39 zu § 1626; Soergel/Strätz, Rz. 4 zu § 1629. 9 Erman/Michalski, a.a.O.; MüKo/Hinz, Rz. 44 zu § 1626; Soergel/Strätz, Rz. 6 zu § 1629. 10 BGHZ 105,45. 11 A.a.O., S. 48. 12 A.a.O., S. 48. 13 A.a.O., S. 49. 14 A.a.O., S. 50. 7 8

454

^ 16 Vertretung

und

Ermächtigung

Eingriffe einwilligen können, sofern diese nicht trivial oder aus medizinischen Gründen erforderlich und unaufschiebbar sind 15 . So können die Eltern nach §1631 c BGB nicht in die Sterilisation des Kindes einwilligen. Der Regierungsentwurf 1 6 , der unverändert Gesetz wurde, begründet diese Vorschrift mit der Schwierigkeit, die dauernde Einwilligungsunfähigkeit Jugendlicher und die Folgen der Sterilisation endgültig festzustellen. Außerdem bestehe die Gefahr, daß die nach Eintritt der Volljährigkeit bestehenden strengen Voraussetzungen des § 1905 BGB ansonsten umgangen werden könnten. § 8 I TPG verbietet die Lebendspende von Organen durch Minderjährige 17 , § 41 VI Nr. 1 StrahlenschutzVO die Anwendung radioaktiver Stoffe zu Forschungszwecken auf Minderjährige. Auch über den Bereich irreversibler oder hochriskanter Eingriffe hinaus können die Eltern in rein fremdnützige medizinische Eingriffe in die körperliche Integrität des Kindes allenfalls dann einwilligen, wenn es sich um geringfügige Eingriffe ohne Risiko, etwa eine Blutspende, handelt 18 . Speziell erklären die §§ 40 IV, 41 Nr. 3 A M G die klinische Prüfung von Arzneimitteln bei Minderjährigen mit Einwilligung der gesetzlichen Vertreter nur dann für zulässig, wenn das Arzneimittel entweder zur Behebung einer Krankheit des Minderjährigen dient (§ 41 Nr. 3 A M G ) oder für ihn in sonstiger Weise mit einem Vorteil verbunden ist (§ 40IV A M G ) etwa weil eine mögliche Erkrankung bei ihm früher diagnostiziert oder er vor einer Erkrankung geschützt wird 1 9 . Aus der Bindung der Eltern an das Kindeswohl folgt, daß den Eltern objektiv interessenwidrige, aus subjektiven Erwägungen vorgenommene Entscheidungen verwehrt sind 20 . So kann das Vormundschaftsgericht nach § 1666 III BGB die Einwilligung der Eltern ersetzen 21 , wenn sie sich aus religiösen Gründen einer medizinisch notwendigen Bluttransfusion für das Kind widersetzen 22 . Schwerer fällt die Entscheidung allerdings, wenn die Behandlung zwar Erfolg verspricht 23 , aber mit erheblichen Schmerzen und UnannehmVgl. Belling, FuR 1990, 68 (72, 74); Voll, S. 317; s. auch oben, § 11 V. BT-Drucks. 11/4528 v. 11.5.1989, S. 76. 17 Anders wurde diese Frage von einigen amerikanischen Gerichten entschieden, vgl. Strunk v. Strunk, 445 S. W.2d 145, 35 A. L. R.3d 683 (1969); Hart v. Brown, 289 A.2d 386, 29 Conn. Supp. 368 (1972). 18 Weitergehend Kern, NJW 1994, 753 (756): Die Einwilligung in fremdnützige körperliche Eingriffe sei den Eltern generell verwehrt. 19 Rehmann, Rz. 17 zu § 40. 20 Gernhuber/Coester-Waltjen, § 62 III 2 (S. 1008). 21 Vgl. BT-Drucks. 7/2060, S. 29; Erman/Miehalski, Rz. 22 zu § 1666; Lüderitz FamR, Rz. 839, 873; MüKo/Hinz, Rz. 57 zu § 1666; Soergel/Strätz, Rz. 40 zu §§ 1666, 1666a. 22 BayObLG FamRZ 1976,43 (46); OLG Celle NJW 1995, 792 (793); vgl. auch MüKo/ Hinz, Rz. 35 zu § 1666; Palandt/Diederichsen, Rz. 25 zu § 1666; Staudinger12/Coester, Rz. 80 ff. zu § 1666. 23 Uber einen Grenzfall hatte jüngst der englische Court of Appeal in Re A (Children) (Conjoined Twins: Medical Treatment), Urteil v. 22.9.2000, The Times v. 23.9. und 10.10.2000 15 16

I. Gesetzliche

Vertretung

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lichkeiten verbunden ist, wie es etwa bei der Chemotherapie der Fall ist. U S Gerichte haben in dieser Situation die Entscheidung der Eltern wiederholt respektiert 24 . Zwar beruht die Verweigerung der Einwilligung hier auf nachvollziehbaren Gründen, dennoch ist angesichts der Erfolgsaussichten der Chemotherapie gerade bei Kindern das Vormundschaftsgericht wohl im Einzelfall zum Eingreifen nach § 1666 III B G B berechtigt 25 . Besondere Schwierigkeiten bereitet die Verweigerung der elterlichen Zustimmung zu einem Schwangerschaftsabbruch 26 . Sofern die Eltern ihrer Tochter zugleich seelische, materielle und organisatorische Unterstützung anbieten, gilt die Verweigerung nicht als mißbräuchlich 27 . Allerdings sollte der Minderjährigen, ihre Einsichtsfähigkeit vorausgesetzt, nach der oben in § 11 begründeten Ansicht die alleinige Entscheidungsbefugnis zustehen. Nach ähnlichen Grundsätzen ist die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in persönlichen Angelegenheiten des Kindes zu beurteilen, die keine ärztlichen Maßnahmen betreffen. Sofern es sich allerdings um die kommerzielle Verwertung von Persönlichkeitsaspekten handelt, überlappen sich Personenund Vermögenssorge. Auch hier muß die Entscheidung der gesetzlichen Vertreter am Kindeswohl ausgerichtet sein und darf nicht lediglich dazu dienen, das Geltungs- oder Gewinnstreben der Eltern zu befriedigen. Wann allerdings die Mißbrauchsgrenze des § 1666 I B G B überschritten ist, kann nur mit Rücksicht auf den Einzelfall entschieden werden. J e schwerwiegender und ungewöhnlicher der Eingriff und je stärker die Indizien für das Uberwiegen subjektiver Eigeninteressen der gesetzlichen Vertreter, desto eher kann ein Mißbrauch des Sorgerechts angenommen werden. Die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in die Anfertigung und Veröffentlichung pornographischer Darstellungen ihres Kindes ist ein Fall des § 1666 B G B . Hingegen ist die Einwilligung zu üblichen kommerziellen Verwertungsformen, etwa der Abbildung von Kindern in der Werbung für Spielzeug oder Süßigkeiten, regelmäßig vom Sorgerecht der gesetzlichen Vertreter gedeckt. Soweit die Einwilligung schließlich lediglich reine Vermögensrechte betrifft, ist die Einwilligungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter Ausfluß der Vermögenssorge.

zu entscheiden: Von siamesischen Zwillingen konnte nur ein Mädchen gerettet werden, während die Operation für das andere den sicheren Tod bedeutete. Das Gericht ordnete in seinem von Ward L.J. ausführlich begründeten Urteil die Operation gegen den religiös motivierten Willen der Eltern an. 24 Newmark v. Wilhams 588 A.2d 1108 (1117 ff.), 59 U. S. L. W. 2610,21 A. L. R. 5th 857; Furrow/Greaney/Johnson/Jost/Schwartz § 17-34 m.w.N. 25 So auch Liideritz FamR, Rz. 873. 26 Vgl. hierzu MüKo/Hinz, Rz. 36a zu § 1666; Staudinger12/Coester, Rz. 82 zu § 1666, beide m.w.N. 27 O L G Hamm N J W 1998, 3424 (3425); zust. Coester, a.a.O.

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§ 16 Vertretung und

Ermächtigung

II. Gewillkürte Vertretung Während die gesetzliche Vertretung bei der Einwilligung allgemein anerkannt und aus praktischen Gründen unvermeidlich ist, ist umstritten, in welchem Ausmaß die gewillkürte Stellvertretung möglich ist. Wie in anderen Bereichen der Einwilligungslehre ist auch hier die Differenzierung nach dem Gegenstand der Einwilligung entscheidend. Soweit es sich um Eingriffe in reine Vermögensrechte handelt, sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Möglichkeit einer Vollmacht sprechen. Für die Rechtsgeschäftstheorie folgt dies aus dem Grundsatz des § 164 BGB, dem zufolge die Erteilung von Willenserklärungen stets auf Vertreter delegiert werden kann, sofern nicht besondere gesetzliche Vorschriften die höchstpersönliche Erklärung anordnen 2 8 . Doch auch wer die Einwilligung nicht als Rechtsgeschäft ansieht, wird ein praktisches Bedürfnis f ü r die gewillkürte Stellvertretung im vermögensrechtlichen Bereich nicht bestreiten können. So kann sicherlich der Eigentümer eines in H a m b u r g belegenen G r u n d stücks, der in München wohnt, seinen Verwalter anweisen, durch einen Gärtner Bäume auf dem Grundstück fällen zu lassen. Die vom Verwalter gegenüber dem Gärtner ausgesprochene Einwilligung ist eine Erklärung, die sich nach dem Willen aller Beteiligten unmittelbar auf den Rechtskreis des Grundeigentümers auswirken soll. Genau diese Interessenlage liegt den §§ 164ff. BGB zugrunde, sie sind daher mindestens analog, nach hier vertretener Ansicht aber unmittelbar anwendbar. Hingegen halten einige Autoren die Erteilung einer Einwilligungsvollmacht für Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter generell für ausgeschlossen 29 . Diese Ansicht war in ihrer Absolutheit 3 0 schon nach früherer Rechtslage unzutreffend 3 1 , mittlerweile ist ihr durch §§ 1904 II, 1906 V BGB der Boden entzogen 3 2 . Dennoch bleiben die dogmatische Einordnung und das zulässige Ausmaß der Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten umstritten. Die Einwilligung in einen aktuell bevorstehenden ärztlichen Heileingriff kann von einem einwilligungsfähigen Patienten nach allgemeiner An-

28

Zu diesem Grundsatz MüKo /Schramm, Rz. 70 f. vor § 164; Soergel/Leptien, Rz. 84 vor § 164. 29 Kohte, AcP 185 (1985) 105 (142f.); Geilen, S. 120f.; Staudinger12/Dilcher, Rz. 41 zu § 164; RGRK/Steffen, Rz. 23 vor § 164. 30 Zuzugeben ist dieser Ansicht lediglich, daß das Gesetz in verschiedenen Spezialvorschriften die persönliche Erklärungsabgabe vorsieht, vgl. den Uberblick bei Staudinger/ Schilken, Rz. 40 vor §§ 164 ff. 31 Vgl. R G Z 63, 113 (114 f.); Soergel/Leptien, Rz. 84 vor § 164; Staudinger/Schilken, Rz. 41 vor§§ 164 ff.; Lipp, S. 197; und den Uberblick über den früheren Meinungsstand bei v. Sachsen-Gessaphe, S. 266 ff. 32 Vgl. Lipp, S. 196ff.; v. Sachsen-Gessaphe, S. 271 ff.

II. Gewillkürte

Vertretung

457

sieht nicht delegiert werden 33 . E r ist selbst aufzuklären und muß selbst über die Behandlung entscheiden. Stellvertretung würde den Patienten einer bedenklichen Fremdbestimmung aussetzen, für die kein praktisches Bedürfnis erkennbar ist. Etwas anderes gilt jedoch für antizipierte Regelungen, die für den Fall der eigenen Einwilligungsunfähigkeit Vorsorgen. Hier war lange umstritten, ob anstelle der Betreuung 3 4 eine rechtsgeschäftlich erteilte „Vorsorgevollmacht" zulässig ist 35 . Ahnlich wie hinsichtlich der Patientenverfügung bietet das U S - R e c h t mit der durable power of attorney ein Vorbild 3 6 . Die power of attorney ist eine im common law seit Jahrhunderten anerkannte Vermögensbetreuungs vollmacht 37 . Sie ist auch im technischen Sinne Stellvertretung, demgemäß wird der Bevollmächtigte allgemein als Vertreter ( a g e n t ) bezeichnet. Allerdings überdauert die power of attorney nach common law nicht den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit 38 . Erst in neuerer Zeit wurde in Folge der gestiegenen Lebenserwartung erkannt, daß durchaus ein Bedürfnis dafür bestand, eine außergerichtliche Vorsorgemöglichkeit für die Vermögensverwaltung im Fall der eigenen Geschäftsunfähigkeit zu schaffen. Aus diesem Beweggrund wurde in den U S A 3 9 1979 in den Uniform Probate C o d e eine Bestimmung eingefügt, der zufolge eine Vermögensbetreuungsvollmacht auch und gerade für den Fall der Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsherren erteilt werden kann 4 0 . W ä h rend unklar ist, ob sich diese Vorschrift über den Bereich der Vermögensbetreuung auch auf medizinische Angelegenheiten erstreckt 4 1 , haben mehrere Bundesstaaten inzwischen Gesetze erlassen, nach denen auch EntscheidunVgl. BGHZ 107, 222 (226 f.); Tempel, NJW 1980, 609 (614); Schöllhammer, S. 90. Nach § 1896 II 2 BGB ist die Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen ebenso gut durch einen Bevollmächtigten besorgt werden können, vgl. hierzu v. Sachsen-Gessaphe, S. 248ff. Nach alter Rechtslage war umstritten, ob eine Vorsorgevollmacht nach dieser Bestimmung die Betreuung entbehrlich macht, vgl. die Nachw. in der folgenden Fußn. 35 Vgl. LG Frankfurt, FamRZ 1994,125 einerseits, OLG Stuttgart, BtPrax 1994, 99 m. abl. Anm. Kichhoff, LG Göttingen VersR 1990, 1401 andererseits und den Rechtsprechungsüberblick bei Dodegge, NJW 1994,2382 (2387f.); in der Literatur wurden Möglichkeit und Vorrangigkeit der Vorsorgevollmacht auch vor dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz weitgehend bejaht, vgl. Deutsch MedR, Rz. 108; HdA/Uhlenhruck, § 132, Rz. 39; Kern, NJW 1994, 753 (759); Palando/Diederichsen, Rz. 1 zu § 1904; und den Überblick bei v. Sachsen-Gessaphe, S. 266ff. 36 Vgl. zum US-Recht den Überblick bei Kolh, (1992) 25 Ind. L.Rev. 1345 ff.; Furrow/ Greany/Johnson/Jost/Schwartz, § 17-22. 37 Kolh, a.a.O., S. 1347f.; Furrow/Greany/Johnson/Jost/Schwartz, a.a.O. 38 Müller-Freienfels, FS Coing, S. 395 (411). 39 Ebenso in Großbritannien der Enduring Powers of Attorney Act 1985. 40 See. 5 Uniform Probate Code. Vgl. zur Entstehungsgeschichte und ratio dieser Vorschrift die Vorbemerkung zur Erläuterung in Uniform Codes Annotated und Furrow/ Greaney/Johnson/Jost/Schwartz, § 17-22. 41 Vgl. Furrow/Greaney/Johnson/Jost/Schwartz, a.a.O. 33

34

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Ermächtigung

gen über Heilbehandlungen im allgemeinen und über ihren Abbruch in aussichtslosen Fällen zum Gegenstand einer solchen Vollmacht gemacht werden können 42 . Andere Staaten, darunter Kalifornien, regeln die Fürsorgevollmacht in medizinischen Angelegenheiten in besonderen Vorschriften. Im kalifornischen Probate Code enthält Division 4.5 (§§ 4000 ff.) sämtliche Bestimmungen über die power of attorney, in § 4051 wird ergänzend zu den Sonderbestimmungen des Abschnitts das Recht der Stellvertretung für anwendbar erklärt. Nach der Formvorschrift des § 4121 muß die power of attorney entweder notariell beglaubigt oder von zwei Zeugen unterschrieben werden. Fürsorgevollmachten in medizinischen Angelegenheiten (§§ 4600 ff.) werden besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterworfen. Wenn die Erklärung von zwei Zeugen unterschrieben wird, so gelten ähnliche Einschränkungen wie bei der Patientenverfügung: Ausgeschlossen sind das behandelnde medizinische Personal und die Betreiber von Betreuungseinrichtungen, mindestens einer der Zeugen darf weder mit dem Erklärenden verwandt noch testamentarisch erbberechtigt sein43. Der Erklärende muß ein vorgedrucktes Formular benutzen 44 , einen vorgegebenen Warnhinweis in die Erklärung aufnehmen 45 oder sich der Hilfe eines Anwalts bedienen, der auf dem Schriftstück versichern muß, er habe seinen Mandanten über die Folgen seiner Erklärung informiert 46 . In der Tat stellt die Zulassung der Vorsorgevollmacht eine konsequente privatrechtliche Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dar47. Mißbrauchsmöglichkeiten lassen sich durch strenge Wirksamkeitsvoraussetzungen und bestimmte Genehmigungserfordernisse entscheidend verringern. Mittlerweile hat auch der deutsche Gesetzgeber in § 1904 II B G B 4 8 die Möglichkeit einer Bevollmächtigung in Gesundheitsangelegenheiten anerkannt 49 , ihre Voraussetzungen aber nur fragmentarisch geregelt. Die Einwilligung des Bevollmächtigten wird denselben Genehmigungserfordernissen unterworfen wie diejenige eines Betreuers. Bezieht sie sich auf einen Eingriff, 42 Vgl. den Überblick in Cruzan v. Director Missouri Dept. of Health 497 U. S. 261 (290, Fußn. 2), 110 S.Ct. 2841, 58 U . S . L . W . 4916 (1990). 43 §4701. 44 §4703. 45 § 4704 (a)(l). 46 § 4704 (a)(2). 47 Treffend Berger, J Z 2000, 797 (803 f.): „Wenn der Staat einem Dritten die Befugnis zur Entscheidung bezüglich der in § 1904 I B G B aufgeführten Maßnahmen übertragen darf, kann dies dem Betroffenen kraft seiner Privatautonomie nicht verwehrt sein." 48 Eingeführt durch das am 1.1.1999 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz, vgl. dazu Dodegge, N J W 1998, 3073 ff. (insb. 3076 f.). 49 Sie wird daher mittlerweile auch von der wohl allgemeinen Ansicht in der Literatur für möglich gehalten, vgl. Erman/Roth, Rz. 32 zu § 1904; HdA/Uhlenbruck, § 132, Rz. 39; Palandt/Diedericbsen, Rz. 7 zu § 1904; zum Ganzen Lipp, § 7 (S. 194 ff.); v. SachsenGessaphe, § 9 IV 2 (S. 254 ff.).

II.

Gewillkürte

Vertretung

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bei dem das Risiko des Todes oder schwerer gesundheitlicher Schäden besteht, so bedarf sie der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, sofern nicht mit dem Aufschub des Heileingriffs Gefahren verbunden sind. Die Vollmacht muß schriftlich erteilt werden, wobei die in § 1904 I B G B genannten Maßnahmen ausdrücklich genannt werden müssen 50 . Inzwischen hat sich der 63. Deutsche Juristentag mit der Frage befaßt, ob eine weitere gesetzliche Ausgestaltung der Vorsorgevollmacht geboten sei. Taupitz bejaht dies in seinem Gutachten 51 . Er begrüßt die Erstreckung des für den Betreuer nach § 1904 I B G B geltenden Genehmigungserfordernisses auf die Einwilligung des Bevollmächtigten, regt aber mit Recht an, den Einwilligungsvorbehalt auf die Behandlungsverweigerung zu erstrecken 52 . Damit ist es konsequent, das Schriftformerfordernis des § 1904 II ebenfalls dahingehend auszudehnen, daß der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen vom Text der Vollmacht ausdrücklich umfaßt wird 53 . Ebenso wie im Hinblick auf die Patientenverfügung spricht sich Taupitz dafür aus, die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers vorauszusetzen 54 , was aus den oben erörterten Gründen 55 angemessen erscheint. Auch spricht einiges dafür, den Widerruf der Vollmacht unter erleichterten Voraussetzungen zuzulassen 56 . Umstritten ist bisher die dogmatische Einordnung der Vorsorgevollmacht. Teils wird sie als Sonderform der rechtsgeschäftlichen Vollmacht 57 , teils als Ermächtigung angesehen 58 , wieder andere Autoren sprechen sich gegen jede Zuordnung zu den rechtsgeschäftlichen Aktstypen aus 59 . Der hier vertretenen Einwilligungslehre entspricht die erstgenannte Ansicht. Durch die Vorsorgevollmacht verschafft der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten die Kompetenz, Entscheidungen zu treffen und Erklärungen abzugeben, die

50 Umstritten ist, ob auch die in § 1904 I genannten Gefahren ausdrücklich erwähnt werden müssen, dagegen Palandt/Diederichsen, Rz. 7 zu § 1904, dafür Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2303). 51 Taupitz, N J W 2000, Sonderbeilage zum 63. DJT, S. 6 (9); dazu Berger, J Z 2000, 797 (803 f.); Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2303). 52 Zust. Berger, Spickhoff, beide a. a. O. 53 Palandt/Diederichsen, Rz. 7 zu § 1904; Berger, a.a.O., S. 803. 54 Zust. Diederichsen, Spickhoff beide a. a. O.; a. A. Berger, a. a. O.; v. Sachsen-Gessaphe, S. 276. 55 Oben, § 10 II 2. 56 Taupitz, Berger, beide a. a. O. Erwägenswert auch der alternative Lösungsvorschlag von Lipp, S. 219: Da die Vorsorgevollmacht nicht die zwangsweise Behandlung erlaube, laufe sie bei jeder bewußten Abwehr durch den Patienten leer, so daß ein Betreuungsverfahren einzuleiten sei. Damit komme es nicht mehr auf den Rechtsakt des Widerrufs, sondern auf den natürlichen Willen des Patienten an. 57 So Taupitz, a.a.O.; Müller-Freienfels, FS Coing, S. 395 (399f.); Dodegge, N J W 1998, 3073 (3076); Spickhoff, N J W 2000, 2297 (2302) m.w.N. 58 So Palandt/Diederichsen, Rz. 7 zu § 1904. 59 So Deutsch MedR, Rz. 108; HdA/Laufs, § 66, Rz. 8; Berger, J Z 2000, 797 (803).

460

§ 16 Vertretung und.

Ermächtigung

sich unmittelbar auf den Rechtskreis des Vollmachtgebers auswirken. Auch weitere Grundgedanken der §§ 164ff. B G B erscheinen passend: Wie jede Vollmacht kann auch die Vorsorgevollmacht inhaltlich ausgestaltet und beschränkt werden 60 , auch der in § 168 B G B enthaltene Grundsatz der freien Widerruflichkeit ist anwendbar 61 . Der bloße Umstand, daß einzelne Bestimmungen der §§ 164ff. B G B durch Sonderregeln verdrängt werden, spricht nicht gegen die Annahme einer Vollmacht 62 , ebensowenig gibt es einen allgemeinen Grundsatz, daß die rechtsgeschäftliche Stellvertretung auf vermögensbezogene Geschäfte beschränkt ist 63 . Im Gegensatz zur Ermächtigung (§ 185 I B G B ) handelt der Bevollmächtigte ausdrücklich im Namen des Vollmachtgebers. Daher sollte man die Vorsorgevollmacht als Sonderform der rechtsgeschäftlichen Vollmacht ansehen. Auch außerhalb des Medizinrechts ist die Zulässigkeit der Stellvertretung in persönlichkeitsrechtlichen Fragen unklar. Mit Recht halten KohteM und Daschbi Verallgemeinerungen für problematisch und verlangen, die Grenzen der Delegationsmöglichkeit im Hinblick auf das jeweilige Rechtsgut zu bestimmen. Das Recht am eigenen Bild betrifft eine von der Person selbst gelöste Verkörperung der Persönlichkeit und weist zudem eine vermögensrechtliche Komponente auf, daher erscheint mit Dascb die Anwendung der §§ 164 ff. B G B als gerechtfertigt. So ist es in der Praxis üblich und unbedenklich, daß eine Konzertagentur im Namen eines Künstlers Dritten die Einwilligung erteilt, sein Bild auf Plakaten und in Prospekten abzudrucken. Auch das oben 66 angesprochene Problem der Einwilligungsbefugnis bei Gruppenfotos läßt sich auf diese Weise praktisch befriedigend lösen. Zwar ist die Einwilligung jedes Abgebildeten erforderlich, jedoch kann ein Mitglied der Gruppe etwa im Fall eines klassischen Orchesters der Orchestervorstand - zur Erteilung der Einwilligung bevollmächtigt werden. Ebenso gebührt dem von Dasch unterbreiteten Vorschlag Zustimmung, bei der Bestimmung der Grenzen der Delegationsbefugnis den Rechtsgedanken des § 31 IV, V U r h G heranzuziehen, der sich in vergleichbarer Form in § 1904 II 2 B G B 6 7 findet. Eine totale Vgl. v. Sacksen-Gessapbe, S. 256f. Taupitz, N J W 2000, Sonderbeil, zum 63. DJT, S. 6 (9); Berger, N J W 2000, 797 (803); Lipp, S. 208. 62 Ebenso wie bei den handelsrechtlichen Sonderformen der Vollmacht (§§ 48 ff. H G B ) der Verkehrsschutz gegenüber §§ 164ff. B G B verstärkt wird, kann er für die Vorsorgevollmacht zurückgenommen werden. Entgegen Berger, a. a. O., spricht die geringere Gewichtung der Verkehrsinteressen daher nicht gegen die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht. 63 S. oben, Fußn. 31 f. 64 Kokte, AcP 185 (1985) 105 (142), der freilich selbst unzulässig verallgemeinert, indem er die Vollmacht bei höchstpersönlichen Geschäften generell für unzulässig hält. 65 Dasch, S. 89 f. 6 6 § 14 II 2. 67 S. zu dieser Vorschrift den vorangegangenen Text. 60 61

III.

Ermächtigung

461

Delegation ist damit im Regelfall 68 nicht möglich, wohl aber eine auf einen bestimmten Zweck bezogene Vollmacht. Nach diesen Grundsätzen dürften auch im Datenschutzrecht keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Möglichkeit einer Bevollmächtigung sprechen 69 .

III. Ermächtigung Die Ermächtigung geht über die Vollmacht hinaus, denn sie ermöglicht dem Ermächtigten die Verfügung über ein fremdes Recht im eigenen Namen 7 0 . Sie erlaubt eine weitergehende Lösung des Rechts vom Rechtsinhaber und wird daher in der Literatur zum Teil als eine Überlassung des Rechts zur Ausübung angesehen 71 . Gesetzliche Grundlage der Ermächtigung ist § 185 I BGB 72 . Diese Vorschrift ist allerdings auf die „Einwilligungsermächtigung" nicht unmittelbar anwendbar, da die Einwilligung, wie oben 73 gesehen, keine Verfügung darstellt. Da ihr aber immerhin verfügungsähnlicher Charakter zukommt, könnte eine auf den Rechtsgedanken des § 185 I BGB gestützte „Ermächtigung im weiteren Sinne" 74 in Betracht kommen. Dabei muß ebenso wie bei der Vollmacht zwischen den möglichen Gegenständen der Einwilligung differenziert werden. Kann der Inhaber selbst über das Recht frei verfügen, so ist auch die Ermächtigung möglich, ist das Recht hingegen unübertragbar, so ist die Möglichkeit einer Ermächtigung zweifelhaft 75 . Reine Vermögensrechte sind in der Regel frei übertragbar. Selbst wenn die Übertragung ausgeschlossen ist, kommt dennoch - wie insbesondere beim Nießbrauch - die Überlassung zur Ausübung in Betracht 76 . Damit könnte gegen die Möglichkeit der Ermächtigung allenfalls die nach herrschender 68 Allerdings kann dies nicht f ü r die Vorsorgevollmacht gelten, die es ja gerade ermöglichen soll, dem Bevollmächtigten die umfassende W a h r n e h m u n g aller Vermögens- u n d persönlichkeitsbezogenen Befugnisse zu übertragen. 69 Sehr Str.; wie hier Ordemann/Schomerus, A n m . 5.3 zu § 4 ; Schaffland/Wiltfang, Rz. 18 zu § 4 ; a. A. Auernhammer, Rz. 11 zu § 4; Simitis in Simitis/Damann/Geiger/ Mallmann/Walz, Rz. 66 zu § 4. 70 Vgl. Thiele, S. 147; Doris, S. 26; MüKo/Schramm, Rz. 35 vor § 164; Soergel/Leptien, Rz. 79 vor § 164; Staudinger/Schilken, Rz. 2 zu § 185. 71 So (für die Einziehungsermächtigung) Fikentscher SchR, Rz. 607; Larenz SchR I, § 34 V c (S. 598 ff.); Staudinger/Schilken, Rz. 67 vor §§ 164 ff.; dagegen Flume, § 57 1 c (S. 905); Doris, S. 51 ff.; MüKo/Schramm, Rz. 36 zu § 185. 72 Larenz/Wolf, § 51, Rz. 25; MüKo/Schramm, Rz. 36 zu § 185; Soergel/Leptien, Rz. 32 zu § 185. 73 § 9 II 1 c. 74 Vgl. hierzu Doris, S. 19ff., 155 ff.; Dasch, S. 92; MüKo/Schramm, Rz. 36 zu § 185; krit. Soergel/Leptien, Rz. 32 zu § 185; Staudinger/Schilken, Rz. 107 zu § 185. 75 Vgl. Staudinger/Schilken, Rz. 6 zu § 185; v. Tuhr AT I I / l , § 60 III 10 (S. 378). 76 § 1059, 2 BGB.

462

§ 16 Vertretung und

Ermächtigung

Meinung bestehende Unzulässigkeit der Verpflichtungsermächtigung eingewandt werden 77 . Die Einwilligung ist aber keine Verpflichtung. Sie ähnelt vielmehr der Verfügung, von der sie sich nur dadurch unterscheidet, daß bei ihrer Erteilung die Verfügungsmacht nicht verbraucht wird. Weitere Einwände gegen die Zulässigkeit einer Einwilligungsermächtigung im rein vermögensrechtlichen Bereich sind nicht ersichtlich. Hingegen ist bei der Disposition über höchstpersönliche Rechtsgüter ohne Vermögenswerten Zuweisungsgehalt nicht nur wegen deren Unübertragbarkeit die Möglichkeit der Ermächtigung zweifelhaft, es besteht für sie auch keine Notwendigkeit. Vor allem ist, wie oben gesehen, die Vorsorgevollmacht keine Ermächtigung 78 , da der Bevollmächtigte im Namen des Vollmachtgebers handelt. Sofern die höchstpersönliche Entscheidungsbefugnis überhaupt delegiert werden kann, wird sich in aller Regel schon aus den Umständen ergeben, daß der Vertreter für den Prinzipal tätig ist. Für ein Handeln in eigenem Namen bleibt kein Raum. Es überrascht daher nicht, daß die Kontroverse nahezu ausschließlich im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte ausgetragen wird, die der kommerziellen Verwertung zugänglich sind. Gerade denjenigen Autoren, die einerseits die Übertragung von Persönlichkeitsrechten für ausgeschlossen halten, andererseits aber ein praktisches Bedürfnis für die rechtliche Ermöglichung der wirtschaftlichen Nutzung bejahen, erscheint die Einwilligungsermächtigung als praktisches Instrument 79 . Sie ermöglicht es dem Ermächtigten, die Verpflichtung zur Erteilung der Einwilligung im eigenen Namen einzugehen und diese Verpflichtung kraft der durch Ermächtigung eingeräumten Kompetenz zu erfüllen, eine Möglichkeit, die etwa die Tätigkeit einer Bildagentur ungemein erleichtert. Außerdem verschafft die materiell-rechtliche Ermächtigung, verbunden mit der gewillkürten Prozeßstandschaft dem Verwerter eine Klagebefugnis, so daß er immerhin aus fremdem Recht gegen Dritte vorgehen kann. Diese Konstruktion ist eine von zwei möglichen dogmatischen Erklärungen des vom B G H im Nena-Yz\\w gefundenen Ergebnisses 81 . Wer hingegen der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten skeptisch gegenübersteht, wird dazu neigen, auch die Figur der Einwilligungsermächtigung abzuleh-

77 Vgl. hierzu Doris, S. 81 ff.; Thiele, S. 207 ff.; MüKo/Schramm, Rz. 42 ff., Staudinger/ Schilken, Rz. 104 ff.; alle m.w.N. 78 Anders aber Palandt/Diederichsen, Rz. 7 zu § 1904. 79 So Dasch, S. 92ff. m.w.N.; Gotting, S. 164; ähnlich bereits Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 132. 80 B G H G R U R 1987, 128 (129). 81 Vgl. Larenz/Canaris SchR II/2, § 69 I 2 d (S. 175). Auf dieser Grundlage dem Urteil des B G H zustimmend Schricker, EWiR § 22 K U G 1/87, 80. Die andere denkbare Erklärung ist die Anerkennung der konstitutiven, „gebundenen" Rechtsübertragung, dafür Hubmann, Schulze B G H Z 356, S. 5 (8); Forkel, G R U R 1988, 491 ff.

III.

Ermächtigung

463

nen 82 , da sie gerade dazu dient, die möglichst reibungslose wirtschaftliche Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen zu ermöglichen. Die Stellungnahme ist durch die Ergebnisse des § 8 vorgezeichnet. Persönlichkeitsrechte sind nicht generell unübertragbar, der Ausschluß der translativen Übertragung bewirkt nicht zugleich die rechtliche Unmöglichkeit der konstitutiven Übertragung. Damit lassen sich die oben mit Hilfe der Ermächtigung erzielten Ergebnisse überzeugender durch die Annahme einer konstitutiven, „gebundenen" Rechtsübertragung erreichen. Sie verschafft dem Erwerber ein eigenes Recht, aufgrund dessen er gegen Dritte vorgehen kann. Dieses Recht kann auch die Befugnis erfassen, Dritten „Tochterrechte" einzuräumen, so daß auch in dieser Hinsicht der Rückgriff auf die Ermächtigung entbehrlich wird. Wer hingegen einerseits die konstitutive Übertragbarkeit persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse ablehnt, andererseits aber die Ermächtigung für möglich hält, ist dazu gezwungen, § 185 BGB analog auf eine Disposition anzuwenden, die gerade keine Verfügung sein soll 83 . Auch bei der Beurteilung der gewillkürten Prozeßstandschaft tritt diese konstruktive Schwierigkeit zutage: Die Einziehungsermächtigung als materiell-rechtliches Gegenstück der gewillkürten Prozeßstandschaft 84 ist grundsätzlich nur bei übertragbaren Forderungen statthaft 85 . Die Problematik erinnert an die Erklärungsnot, der sich die wohl herrschende Meinung bei der Begründung der Übertragbarkeit der durch die Einwilligung entstandenen Befugnis ausgesetzt sieht: Durch die Einwilligung soll zwar kein subjektives Recht entstehen, die Befugnis soll aber dennoch analog §§ 413, 398 BGB übertragbar sein 86 . Bejaht man hingegen die Möglichkeit der konstitutiven Übertragung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse, so sind auf deren Weiterübertragung die §§ 413, 398 BGB unmittelbar anwendbar, eines schwierig zu begründenden Analogieschlusses bedarf es insoweit nicht. Da somit die wichtigsten im Schrifttum befürworteten Anwendungsfälle der Einwilligungsermächtigung überzeugender gelöst werden können, verliert der Meinungsstreit weitgehend seine praktische Bedeutung. Soweit Persönlichkeitsrechte allerdings der konstitutiven Rechtsübertragung zugänglich sind, ist a maiore ad minus auch die Ermächtigung nicht ausgeschlossen.

So Schack U r h R , Rz. 567. Krit. zu dieser Konstruktion auch Hubmann, Schulze B G H Z 356, 8. A u c h Dasch, S. 94, der diese Ansicht vertritt, verschweigt nicht seine „konstruktiven Bedenken". 84 Vgl. Soergel/Leptien, Rz. 34 zu § 185; Staudinger/Schilken, R z . 68 vor §§ 164 ff. 85 B G H Z 4, 153 (164f.); Soergel/Leptien, Rz. 33 zu § 185. 86 S. die Kritik oben, § 8 II 3 c. 82 83

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Ausgangspunkt und Bestandsaufnahme § 1 Gegenstand der Arbeit Gegenstand der Arbeit ist die unrechtsausschließende Einwilligung, deren normativer Gehalt in dem Prinzip „volenti non fit iniuria" zum Ausdruck kommt. Sie ist eine Erlaubnis zu einem tatsächlichen Verhalten, das ohne diese Erlaubnis rechtswidrig wäre. Damit unterscheidet sie sich von der Einwilligung im Sinne des § 183,1 BGB, die hier nur zu Abgrenzungszwecken behandelt wird. Sie ist eine vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft, das ohne die Zustimmung unmittelbar oder schwebend unwirksam wäre. § 2 Anwendungsfälle Wie eine Bestandsaufnahme zeigt, sind die in Rechtsprechung und Literatur behandelten Anwendungsfälle der Einwilligung äußerst vielfältig. Ziel der Arbeit ist es daher, zu klären, ob die Einwilligung als einheitliches Rechtsinstitut aufgefaßt werden kann oder lediglich einen vagen Oberbegriff für verschiedenartige Rechtsfiguren darstellt. § 3 Die historische Entwicklung bis 1900 Die Maxime „volenti non fit iniuria" geht auf das römische Recht zurück, stand dort jedoch nicht für eine geschlossene dogmatische Konzeption. Nach römischem Recht waren auch Freiheit, körperliche Integrität und Leben disponibel, so daß einer Einwilligung in irreversible Freiheitsbeschränkungen ebenso rechtliche Wirkung zukam wie der Einwilligung in die Tötung. Für die Einwilligungslehre ist die Unterscheidung zwischen verfügbaren Vermögensrechten und unverfügbaren Persönlichkeitsrechten grundlegend, die auf die Naturrechtslehre zurückgeht. Verschiedene Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe des 19. Jahrhunderts enthielten Vorschriften über die Einwilligung, die allerdings eine gewisse dogmatische Unsicherheit erkennen lassen. Auch der erste Entwurf zum B G B wies eine entsprechende Bestimmung auf, die aber später teils als selbst-

Zusammenfassung

der wesentlichen

465

Ergebnisse

verständlich, teils als w e g e n ihres U m f a n g s p r o b l e m a t i s c h e m p f u n d e n und daher gestrichen wurde. § 4 D i e E i n w i l l i g u n g s l e h r e im neueren Privatrecht D i e E n t w i c k l u n g der neueren

zivilrechtlichen

Einwilligungslehre

sentlich v o n der R e c h t s g e s c h ä f t s t h e o r i e Zitelmanns

wurde we-

beeinflußt. Sie w a r in

R e c h t s p r e c h u n g u n d S c h r i f t t u m v o r 1 9 4 5 h e r r s c h e n d . D e r B G H gab sie in der L e i t e n t s c h e i d u n g B G H Z 2 9 , 33 auf, im neueren S c h r i f t t u m erlebt sie aber in m o d i f i z i e r t e r F o r m eine Renaissance. E b e n f a l l s auf den E i n f l u ß

Zitelmanns

ist es z u r ü c k z u f ü h r e n , daß die Frage nach der rechtsgeschäftlichen N a t u r der E i n w i l l i g u n g im M i t t e l p u n k t der d o g m a t i s c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g steht. I I . G r u n d l e g u n g und d o g m a t i s c h e E i n o r d n u n g § 5 „Volenti n o n fit iniuria" als G e r e c h t i g k e i t s p r i n z i p D a s R e c h t s s p r i c h w o r t „volenti n o n fit iniuria" v e r k ö r p e r t ein prinzip,

Gerechtigkeits-

dessen h o h e Plausibilität auf einer V e r k n ü p f u n g der I d e e n der Selbst-

b e s t i m m u n g und der S e l b s t v e r a n t w o r t u n g b e r u h t . D e r Satz „volenti n o n fit iniuria" d r ü c k t aus, daß ein S e l b s t b e s t i m m u n g s recht ausgeübt w u r d e , die E i n w i l l i g u n g dient also der Aktualisierung Autonomie.

von

D e r Wille des B e t r o f f e n e n ist unabhängig v o n einer o b j e k t i v e n

Interessenabwägung hinreichende Bedingung der R e c h t m ä ß i g k e i t . D e r ethisch b e g r ü n d e t e R e s p e k t v o r der S e l b s t b e s t i m m u n g einer P e r s o n stellt den gem e i n s a m e n N e n n e r v o n h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n und v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e n E i n willigungskonstellationen dar. W i e j e d e T h e o r i e der A u t o n o m i e m u ß die Einwilligungslehre dazu Stellung n e h m e n , u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n eine E n t s c h e i d u n g als a u t o n o m gilt u n d w e l c h e n S c h r a n k e n die A u t o n o m i e u n t e r w o r f e n ist. D i e Selbstverantwortung

ist das K o r r e l a t der S e l b s t b e s t i m m u n g . W e n n die

Gesellschaft die Willensentscheidung des Einwilligenden ernst nimmt, bedeutet das zugleich, daß er zu ihr stehen m u ß . Insoweit wird ihm die ursprünglich mögliche B e r u f u n g auf die N o r m w i d r i g k e i t der betreffenden H a n d l u n g abgeschnitten. § 6 Verfassungsrechtlicher R a h m e n D a es sich bei der Einwilligungslehre u m einen gesetzlich n i c h t a u s g e f o r m t e n B e r e i c h handelt, k o m m t den W e r t u n g e n der Grundrechte

besondere Bedeu-

tung zu. D i e B e d e n k e n , die in der Zivilrechtswissenschaft gegen verfassungsr e c h t l i c h e E i n g r i f f e in das R e g e l u n g s g e f ü g e des S c h u l d r e c h t s vorgetragen w e r d e n , bestehen hier nicht.

466

Zusammenfassung

der wesentlichen

Ergebnisse

D e r Grundrechtsschutz des Einwilligenden ist zweidimensional. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet den Gesetzgeber und den Rechtsanwender dazu, den Einwilligenden gegen Eingriffe zu schützen, die auf einer nicht autonom erteilten Einwilligung beruhen. Andererseits ist die Erteilung der Einwilligung Ausübung der im jeweiligen Grundrecht geschützten Freiheit, die Beschränkung dieses Selbstbestimmungsrechts ist daher ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff. Im Spannungsfeld zwischen der U m s e t z u n g des Schutzgebots und der Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts steht dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. O b j e k t i v e Schranken der Dispositionsbefugnis können verfassungsrechtlich mit dem Schutz der Grundrechte Dritter, mit Allgemeininteressen oder mit dem Schutz des Einwilligenden vor den Folgen seiner eigenen Entscheidung gerechtfertigt werden. D i e Menschenwürde stellt regelmäßig keine eigenständige Einwilligungsschranke dar, da die A u t o n o m i e der Person im Anschluß an Kant geradezu als Essenz der Menschenwürde bezeichnet werden kann. D i e Rechtfertigung von Einwilligungssperren durch Allgemeininteressen unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

E i n Schutz des Einwil-

ligenden vor sich selbst ist legitim, sofern seine Einwilligung nicht auf einer autonomen Entscheidung beruht. Davon abgesehen sind paternalistisch motivierte Einwilligungsschranken allenfalls zur Verhinderung irreversibler Freiheitsverluste von existentieller Bedeutung gerechtfertigt. § 7 Privatrechtliche und strafrechtliche Einwilligungslehre D a s Schlagwort von der „Einheit

der Rechtsordnung"

zwingt nicht zu einem

völligen Gleichlauf zwischen der straf- und der privatrechtlichen Beurteilung der Rechtswidrigkeit, sondern lediglich zur Widerspruchsfreiheit der R e c h t s ordnung. D i e Funktionsunterschiede zwischen den einzelnen juristischen Disziplinen können nicht nur eine unterschiedliche Tatbestandsbildung, sondern auch einen unterschiedlichen Zuschnitt der Rechtfertigungsgründe erlauben. Verschiedene Funktionsunterschiede zwischen Straf- und Privatrecht wirken sich auf die Einwilligung aus. Daher besteht weder die Notwendigkeit, eine einheitliche Einwilligungsdogmatik anzustreben, noch eine Veranlassung dazu, die Voraussetzungen und Schranken der Einwilligung in beiden Rechtsgebieten stets gleich zu bestimmten. D i e von der herrschenden Meinung im Strafrecht vorgenommene U n t e r scheidung zwischen tatbestandsausschließendem tigender

Einwilligung

Einverständnis

und

rechtfer-

ist auf das Privatrecht allenfalls in stark modifizierter

F o r m übertragbar. Überzeugender erscheint es, ganz auf die Differenzierung zu verzichten. Allerdings vermag die herrschende Ansicht im Privatrecht, die ohne jede Auseinandersetzung mit der Strafrechtslehre die Einwilligung stets als Rechtfertigungsgrund einstuft, nicht zu überzeugen. Vor allem verdeckt

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der wesentlichen

Ergebnisse

467

die Faustregel, für das Vorliegen der Einwilligung trage wegen deren Stellung als Rechtfertigungsgrund stets der Eingreifende die Darlegungs- und Beweislast, bisweilen komplexe Wertungsfragen. Der Grund für den geringen teleologischen Ertrag der systematischen Einordnung besteht darin, daß in Einwilligungsfällen von einer unrechtsindizierenden Wirkung des Tatbestands oft nicht die Rede sein kann. Zwar sollte die praktische Bedeutung der Frage nicht überschätzt werden, doch sprechen die besseren Gründe dafür, die Einwilligung im Privatrecht stets als tatbestandsausschließend anzusehen. § 8 Die Stufenleiter der Gestattungen Die Rechtsübertragung, die schuldvertragliche Gestattung und die einseitige, widerrufliche Einwilligung stehen zueinander in einem Stufenverhältnis. Aus deliktsrechtlicher Sicht bewirken sämtliche Gestattungsformen unterschiedslos die Tatbestandslosigkeit der von ihnen erfaßten Handlung, doch sie unterscheiden sich hinsichtlich der Rechtsstellung, die der Handelnde erlangt. Die Stufenleiter sollte auch terminologisch verdeutlicht werden, indem zwischen der „Gestattung" oder „Einwilligung im weiteren Sinne" als Oberbegriff für sämtliche Ausprägungen des Prinzips „volenti non fit iniuria" und der Rechtsübertragung, der schuldvertraglichen Gestattung und der einseitigen „Einwilligung im engeren Sinne" als einzelnen Gestattungsformen unterschieden wird. Durch die translative und die konstitutive Rechtsübertragung erlangt der Erwerber ein dingliches Recht. Auch der Verzicht hat dingliche Wirkung, er führt für den Verzichtenden ebenso wie die translative Rechtsübertragung zum völligen oder teilweisen Verlust des Rechts, hingegen entsteht keine korrespondierende Rechtsposition. Während die translative Übertragung von Persönlichkeitsrechten ausgeschlossen ist, ist ein völliger Ausschluß der konstitutiven „gebundenen" Übertragung weder rechtsphilosophisch noch rechtsdogmatisch zu begründen. Im Gegenteil entspricht sie dann häufig dem Willen der Parteien, wenn die wirtschaftliche Verwertung von Persönlichkeitsaspekten beabsichtigt ist. Die einseitige Einwilligung ist hingegen als Instrument der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten ungeeignet. Durch den schuldrechtlichen Gestattungsvertrag erlangt der Begünstigte der Gestattung ein relatives Recht zur Vornahme des Eingriffs. Ebenso wie bei der Rechtsübertragung lassen sich die Verpflichtung zur Gestattung und deren Erteilung logisch trennen. Letztere geschieht ebenso wie die zugrunde liegende Verpflichtung in vertraglicher Form, ist also keine Einwilligung im engeren Sinne. Die „unwiderrufliche Einwilligung', deren Möglichkeit vielfach bejaht wird, muß von der einseitigen, widerruflichen Einwilligung deutlich unterschieden werden. Der Empfänger einer „unwiderruflichen Einwilligung" er-

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Ergebnisse

langt ein subjektives R e c h t , er kann auf den F o r t b e s t a n d seiner E i n g r i f f s befugnis vertrauen. Sofern die G e s t a t t u n g gegenüber einem b e s t i m m t e n E m p fänger in u n w i d e r r u f l i c h e r Weise a u s g e s p r o c h e n wird, ist sie nach der System a t i k des Schuldrechts, die in den §§ 3 9 7 1 , 5 1 6 1 B G B z u m A u s d r u c k k o m m t , nicht als einseitiges R e c h t s g e s c h ä f t , s o n d e r n n u r als Vertrag möglich. U n w i derrufliche G e s t a t t u n g e n gegenüber b e s t i m m t e n P e r s o n e n stellen damit keine eigenständige G e s t a t t u n g s f o r m dar, s o n d e r n sind e n t w e d e r R e c h t s ü b e r t r a gungen o d e r schuldvertragliche G e s t a t t u n g e n , auf den ungenauen B e g r i f f der „unwiderruflichen E i n w i l l i g u n g " sollte in diesem Z u s a m m e n h a n g v e r z i c h t e t w e r d e n . E i n e einseitige u n w i d e r r u f l i c h e E i n w i l l i g u n g ist allenfalls m ö g l i c h , w e n n die E r l a u b n i s g e g e n ü b e r einem u n b e s t i m m t e n P e r s o n e n k r e i s erteilt wird. A u c h in dieser Situation ist j e d o c h vorrangig zu prüfen, o b ein V e r z i c h t o d e r ein G e s t a t t u n g s v e r t r a g vorliegt. D i e widerrufliche

Einwilligung,

die nach A b s c h i c h t u n g der intensiveren

G e s t a t t u n g s f o r m e n als „ E i n w i l l i g u n g im engeren S i n n e " ü b r i g b l e i b t , ist die s c h w ä c h s t e E r s c h e i n u n g s f o r m des Prinzips „volenti n o n fit i n i u r i a " . Sie vermittelt kein subjektives R e c h t , da die B e f u g n i s des E i n w i l l i g u n g s e m p f ä n g e r s v o m W i l l e n des E i n w i l l i g e n d e n abhängig bleibt. F u n k t i o n a l ist sie erstens I n s t r u m e n t der S e l b s t b e s t i m m u n g ü b e r R e c h t e , die n i c h t G e g e n s t a n d v o n R e c h t s ü b e r t r a g u n g e n o d e r schuldvertraglichen G e s t a t t u n g e n sein k ö n n e n , zweitens I n s t r u m e n t für gefälligkeitshalber erteilte, widerrufliche E r l a u b n i s se, drittens A u f f a n g t a t b e s t a n d , falls intensivere G e s t a t t u n g s f o r m e n b e a b s i c h tigt waren, aber fehlgeschlagen sind. § 9 D i e R e c h t s n a t u r der E i n w i l l i g u n g D i e D i s p o s i t i o n s b e f u g n i s , die jeder G e s t a l t u n g z u g r u n d e liegt, folgt aus d e m jeweiligen subjektiven

Recht.

D a s gilt nicht n u r für absolute R e c h t e im Sinne

des § 823 I B G B , s o n d e r n f ü r auch für relative R e c h t e , oder, allgemein f o r m u liert, für sämtliche rechtlich geschützten Individualinteressen. D a b e i ist die Einwilligung nicht n u r V e r z i c h t auf die F o l g e n der R e c h t s v e r l e t z u n g , s o n d e r n eine verfügungsähnliche D i s p o s i t i o n , die d e m B e g ü n s t i g t e n eine, w e n n auch m ö g l i c h e r w e i s e widerrufliche Eingriffsbefugnis verschafft. D a s gilt auch für Einwilligungen im B e r e i c h der Persönlichkeitsrechte einschließlich des R e c h t s auf k ö r p e r l i c h e Integrität. A u c h diese R e c h t e gewähren ein k o n k r e t e s , auf das jeweilige R e c h t s g u t b e z o g e n e s S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t , das durch E r t e i l u n g der E i n w i l l i g u n g ausgeübt wird. D a s subjektive R e c h t , ü b e r das disponiert wird, b e s t i m m t ü b e r die i m m a n e n t e n S c h r a n k e n der D i s p o s i t i o n s b e f u g n i s und w i r k t sich auf die E i n w i l l i g u n g s v o r a u s s e t z u n g e n aus. A l s A u s ü b u n g des s u b j e k t i v e n R e c h t s b e w i r k t die Einwilligung, daß n i c h t einmal p r i m a facie eine R e c h t s v e r l e t z u n g vorliegt. D a m i t entfällt bereits der Tatbestand der j e weiligen H a f t u n g s n o r m .

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der wesentlichen

Ergebnisse

469

Die Bedeutung der Frage nach der Rechtsgeschäftsnatur der Einwilligung wird vielfach überschätzt. Wenn die Einwilligung im engeren Sinne ein Rechtsgeschäft darstellt, so jedenfalls ein untypisches. Die Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB über Rechtsgeschäfte dürfen daher nicht blind angewandt werden, vielmehr ist bei jeder Bestimmung zu prüfen, ob die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion besteht. Wer aber die Einwilligung nicht für ein Rechtsgeschäft hält, muß dennoch die analoge Anwendbarkeit der §§ 104 ff. B G B prüfen. Das Ergebnis beider Ansätze wird sich oft gleichen. Mit dieser Einschränkung kann die Einwilligung den Rechtsgeschäften zugeordnet werden. Da sie auf der Idee der Selbstbestimmung und ihrem Korrelat, der Selbstverantwortung, beruht, ist sie funktional privatautonome Rechtsgestaltung. Das gilt auch für die persönlichkeitsrechtliche Einwilligung. Zwar orientiert sich die Rechtsgeschäftslehre des B G B an wirtschaftsrechtlichen Austauschgeschäften und weist hinsichtlich personenbezogener Geschäfte Defizite auf. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist aber nicht auf vermögensrechtliche Geschäfte beschränkt. Daher sind Gesetzgeber, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft aufgefordert, persönlichkeitsbezogenen Rechtsgeschäften im Rahmen der Rechtsgeschäftslehre eigenständige Konturen zu verleihen. Methodisch muß die Bestimmung der Einwilligungsvoraussetzungen also von den Vorschriften des B G B über Rechtsgeschäfte ausgehen, allerdings ist stets zu prüfen, ob die Besonderheiten der Einwilligung im allgemeinen oder der persönlichkeitsrechtlichen Einwilligung im besonderen eine teleologische Reduktion der jeweiligen Vorschrift erforderlich machen. Als befugniserweiternde, rechtsgeschäftliche Disposition über subjektive Rechte läßt sich die Einwilligung von verwandten, nicht-rechtsgeschäftlichen Instituten abgrenzen. Die mutmaßliche Einwilligung beruht regelmäßig auf einer objektiven Interessenabwägung, die aber unter einem subjektiven Korrekturvorbehalt steht. Die Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung richten sich nach §§ 677ff. BGB, allerdings ist sie gegenüber der Einwilligung strikt subsidiär, was im Gesetzestext nicht hinreichend zum Ausdruck kommt. „Handeln auf eigene Gefahr" ist ein schillernder Begriff ohne klare dogmatische Grundlage. Im Anschluß an Stoll kann zwischen dem „echten Handeln auf eigene Gefahr", bei dem die Eingriffshandlung objektiv erlaubt ist, und dem „unechten Handeln auf eigene Gefahr" unterschieden werden, dessen rechtliche Bedeutung sich in einer Anwendung des § 254 I B G B erschöpft. Die typische Einwilligungssituation ist durch beiderseitige Finalität gekennzeichnet: Der Einwilligende gestattet bewußt die zielgerichtete Herbeiführung eines Erfolges. Hingegen verhalten sich im typischen Fall des „Handelns auf eigene Gefahr" Schädiger und Geschädigter fahrlässig. Die hier als „Risikoeinwilligung" bezeichnete bewußte und erklärte Übernahme eines Risikos ist ein Grenzfall, sollte aber nach Einwilligungsgrundsätzen beurteilt werden. Die Einwilligung ist kein Unterfall des venire contra factum proprium, son-

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dern ein Rechtsgeschäft. Liegt eine rechtsgeschäftliche Einwilligung vor, so besteht daher kein Anlaß, auf § 242 B G B zurückzugreifen. Allerdings kann das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens bei Fehlen einer Einwilligung im Fall der Duldung und der Verwirkung zu einem Ausschluß von Abwehransprüchen führen. § 1 0 Ausgewählte Anwendungsfälle Die Unterscheidung der Einwilligung von schuldvertraglichen Gestattungen und Rechtsübertragungen und ihre Abgrenzung von der mutmaßlichen Einwilligung, dem „Handeln auf eigene Gefahr" und dem Verbot des venire contra factum proprium wirken sich auf die Beurteilung verschiedener Einzelprobleme aus. Der eigenmächtige ärztliche Heileingriff ist eine tatbestandsmäßige Körperverletzung, doch die Einwilligung des Patienten schließt bereits den Tatbestand der Körperverletzung aus. Auch die Übernahme der Risiken des lege artis durchgeführten Eingriffs ist Einwilligung, nicht „Handeln auf eigene Gefahr". Die Patientenverfügung sollte nach Einwilligungsgrundsätzen rechtliche Bindungswirkung entfalten. Allerdings empfiehlt sich eine gesetzliche Regelung ihrer besonderen Voraussetzungen. Bei der Entnahme von Körpersubstanzen hat die Einwilligung des Spenders zwei Bezugspunkte: zum einen den Eingriff in die körperliche Integrität, zum anderen die Verwendung der Körpersubstanzen. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einwilligung hängen von dem subjektiven Recht ab, über das disponiert wird. Welches subjektive Recht aber ein Weiterbestimmunsgrecht über Körpersubstanzen gewährt, ist immer dann fraglich, wenn die Substanz keine höchstpersönlichen Merkmale verkörpert. Solange sich die Ausübung eines Sports im Rahmen der Regeln hält, ist sie objektiv erlaubt. Mangels einer unerlaubten Handlung scheiden Schadensersatzansprüche wegen Sportverletzungen daher aus, eines Rückgriffs auf die Einwilligung des verletzten Sportlers, deren Annahme ohnehin meist eine Fiktion darstellen dürfte, bedarf es nicht. Für Dispositionen über das Recht am eigenen Bild, das Namensrecht und das Urheberpersönlichkeitsrecht steht grundsätzlich die gesamte Stufenleiter der Dispositionen mit Ausnahme der translativen Rechtsübertragung zur Verfügung. Einschränkungen ergeben sich allerdings beim Namensrecht aus öffentlichen Ordnungsinteressen. Von einer „Einwilligung" sollte nicht gesprochen werden, wenn eine Rechtsübertragung oder eine schuldvertragliche Gestattung gemeint ist. Eine Änderung des irreführenden Gesetzeswortlauts erscheint insbesondere in § 22 H G B wünschenswert. Auch über das Eigentum kann durch Übertragung, schuldvertragliche Gestattung oder einseitige Einwilligung disponiert werden. Die Aneignungsgestattung (§ 956 BGB) ist zwar translative Rechtsübertragung, weist mit der

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Einwilligung aber eine gewisse Verwandtschaft auf. Die Zustimmung des Besitzers zur Störung oder zum Entzug des Besitzes ist im Gegensatz zur Einwilligung kein Rechtsgeschäft. Diese Abweichung ist durch die Natur des Besitzes als eines tatsächlichen Gewaltverhältnisses gerechtfertigt. Im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse muß die Einwilligung von Erklärungen, durch die der Vertrag zustande kommt, und von der Erfüllung des Vertrags unterschieden werden. Die unwiderrufliche Erlaubnis zur Abweichung von einer vertraglichen Pflicht ist als Erlaß, Teilerlaß oder Vertragsänderung stets Vertrag. Eine einseitige Einwilligung liegt nur im Fall der widerruflichen Erlaubnis vor. III. Wirksamkeitsvoraussetzungen § 11 Einwilligungsfähigkeit Soweit es sich um Eingriffe in Vermögensrechte handelt, richtet sich die Einwilligungsfähigkeit nach §§ 104 ff. B G B . Für persönlichkeitsrechtliche Einwilligungen geht zwar mit fehlender Geschäftsfähigkeit ebenfalls die Einwilligungsunfähigkeit einher, hingegen bedarf § 107 B G B , dem eine Einschränkung für persönlichkeitsbezogene Geschäfte nach dem Vorbild des Art. 19 II des schweizerischen Z G B fehlt, der teleologischen Reduktion. Dabei ist zwischen einem Mitentscheidungsrecht und einem Alleinentscheidungsrecht des einsichtsfähigen Minderjährigen zu unterscheiden. Zwischen dem 7. und dem 14. Lebensjahr spricht eine widerlegliche Vermutung gegen die Einsichtsfähigkeit, zwischen dem 14. und dem 18. Lebensjahr spricht eine widerlegliche Vermutung dafür. Eingriffe in Persönlichkeitsrechte des einsichtsfähigen Minderjährigen gegen seinen Willen sind rechtswidrig. Ein Mitbestimmungsrecht besteht also nicht nur im Innenverhältnis zwischen Eltern und Kind (§ 1626 II B G B ) , sondern auch im Außenverhältnis zum Einwilligungsempfänger. Soweit der Gestattung eine vertragliche Verpflichtung zugrunde liegt, erstreckt sich das Mitentscheidungsrecht sowohl auf die Eingehung dieser Verpflichtung als auch auf ihre Modalitäten, insbesondere die Gegenleistung. Hingegen verdient eine generelle alleinige Einwilligungszuständigkeit einsichtsfähiger Minderjähriger im persönlichkeitsrechtlichen Bereich keine Zustimmung. Vielmehr ist fallgruppenweise zu differenzieren. Wenn sich die Einwilligung auf ärztliche Heileingriffe bezieht, sprechen der Gesichtspunkt des Minderjährigenschutzes und das Interesse des Arztes an Rechtssicherheit grundsätzlich für die Doppelzuständigkeit von einsichtsfähigem Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter. Auch die Rechtsprechung folgt entgegen dem zu weit formulierten Leitsatz der Entscheidung B G H Z 29, 33 diesem Grundsatz. Allerdings müssen einige Ausnahmen zugelassen werden. Erstens ist nach den Regeln über die mutmaßliche Einwilligung die Zustimmung der

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gesetzlichen Vertreter e n t b e h r l i c h , w e n n sie nicht rechtzeitig erlangt w e r d e n kann, w e n n der E i n g r i f f medizinisch indiziert ist und w e n n der M i n d e r j ä h r i g e z u s t i m m t . Z w e i t e n s gilt, falls die gesetzlichen Vertreter ihre Z u s t i m m u n g in m i ß b r ä u c h l i c h e r Weise verweigern, z w a r grundsätzlich § 1 6 6 6 B G B , ausnahmsweise genügt bei G e f a h r im Verzug die Einwilligung des Minderjährigen. D r i t t e n s spricht einiges für eine alleinige Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen, w e n n es sich um kleinere, völlig ungefährliche M a ß n a h m e n handelt. Viertens gelten B e s o n d e r h e i t e n für t y p i s c h e K o n f l i k t f ä l l e im E l t e r n - K i n d Verhältnis. A r z t l i c h e M a ß n a h m e n im B e r e i c h der F o r t p f l a n z u n g s m e d i z i n unterliegen d e m G r u n d s a t z , daß M i n d e r j ä h r i g e v o r E r r e i c h e n der Volljährigkeit nicht m i t irreversiblen F o l g e n belastet w e r d e n sollten. D a h e r k a n n einerseits eine M i n d e r j ä h r i g e selbständig in E i n g r i f f e z u r E m p f ä n g n i s v e r h ü t u n g und Schwangerschaftsunterbrechung einwilligen, andererseits aber nicht w i r k sam einer Sterilisation z u s t i m m e n ( § 1 6 3 1 c B G B ) . A u c h bei irreversiblen k o s m e t i s c h e n E i n g r i f f e n ist die E i n w i l l i g u n g der gesetzlichen Vertreter erforderlich, w ä h r e n d M i n d e r j ä h r i g e in geringfügige E i n g r i f f e selbständig einwilligen k ö n n e n . E i n e gesetzliche R e g e l u n g im R a h m e n der §§ 1 6 2 6 f f . B G B ist e m p f e h l e n s w e r t , dabei sollten sich die genannten A u s n a h m e t a t b e s t ä n d e auch auf den A b s c h l u ß des Behandlungsvertrags erstrecken. I m R a h m e n der k o m merziellen Verwertung v o n Persönlichkeitsaspekten einsichtsfähiger Minderjähriger gilt der G r u n d s a t z der Doppelzuständigkeit s o w o h l für die Gestattung selbst als auch für den zugrunde liegenden Verpflichtungsvertrag. H i n g e g e n ist die Z u s t i m m u n g der gesetzlichen Vertreter im Fall einer unentgeltlich erteilten, w i d e r r u f l i c h e n Einwilligung, die sich n i c h t auf einen alltäglichen E i n g r i f f o h n e n e n n e n s w e r t e nachteilige F o l g e n bezieht, nicht erforderlich. § 1 2 D i e E i n w i l l i g u n g als K o m m u n i k a t i o n s a k t : E r k l ä r u n g , A u s l e g u n g , Zeitpunkt, Widerruf D i e Einwilligung ist ein Kommunikationsakt.

Sie bedarf der Erklärung

gegen-

ü b e r dem H a n d e l n d e n oder einem E m p f a n g s b e v o l l m ä c h t i g t e n und ist damit, mit den o b e n (§ 9) dargestellten M o d i f i k a t i o n e n , eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sofern nicht spezielle gesetzliche F o r m v o r s c h r i f t e n bestehen, kann die Einwilligung nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch k o n kludente E r k l ä r u n g erteilt w e r d e n . Allerdings besteht, wie insbesondere die englische und amerikanische R e c h t s p r e c h u n g zum implied

consent

demon-

striert, die Gefahr, daß k o n k l u d e n t e Einwilligungen in Situationen unterstellt werden, in denen die Z u s t i m m u n g des B e t r o f f e n e n o b j e k t i v vernünftig und angemessen wäre. J e gewichtiger der E i n g r i f f und je wertvoller das b e t r o f f e n e R e c h t s g u t , desto eindeutiger m u ß die Einwilligungserklärung ausfallen. D i e Einwilligung ist regelmäßig inhaltlich, räumlich oder zeitlich beschränkt. D a h e r k o m m t der Auslegung

der E i n w i l l i g u n g s e r k l ä r u n g erhebliche prakti-

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sehe Bedeutung zu. Da die Einwilligung ihrem Empfänger einen Handlungsanlaß verschafft, auf den er vorbehaltlich eines Widerrufs vertrauen kann, sind die Auslegungskriterien der §§ 133, 157 B G B grundsätzlich angemessen, allerdings können Aufklärungspflichten des Einwilligungsempfängers dazu führen, daß Unklarheiten zu seinen Lasten gehen. Da die Einwilligung zweckgebunden ist, kommt der teleologischen Auslegung besondere Bedeutung zu. Auf die Auslegung persönlichkeitsrechtlicher Einwilligungen findet die urheberrechtliche Zweckübertragungsregel entsprechende Anwendung. Die Einwilligung muß vor dem Eingriff erklärt werden. Die nachträgliche Gestattung hat keine rechtfertigende Kraft, sondern ist allenfalls als Verzicht auf Schadensersatzansprüche auszulegen. Die häufig erörterte Frage nach der Widerruflichkeit der Einwilligung ist falsch gestellt. Bei der widerruflichen und der unwiderruflichen Einwilligung handelt es sich, wie in § 8 gezeigt, um unterschiedliche Rechtsinstitute. Erstere liegt vor, wenn das betreffende Persönlichkeitsrecht eine bindende Gestattung nicht zuläßt oder wenn sie nicht dem Willen des Einwilligenden entspricht. Die Widerruflichkeit der Einwilligung findet in diesem Fall eine Parallele in verschiedenen Vorschriften des B G B (§§ 168, 2; 183, 1; 956 I 2 B G B ) . Hingegen ist die „unwiderrufliche Einwilligung" nur ein ungenauer Oberbegriff für verschiedenartige rechtsgeschäftliche Dispositionen. Soweit es sich dabei um persönlichkeitsrechtliche Gestattungen handelt, kommt im Ausnahmefall ein Rückruf wegen gewandelter Uberzeugung analog § 42 UrhG bzw. eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht, wobei allerdings die Anforderungen an den Nachweis eines Überzeugungswandels nicht überspannt werden dürfen. Dem Gestattungsempfänger steht in diesem Fall ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 I B G B zu. O b eine widerrufliche Einwilligung oder eine bindende Gestattung vorliegt, hängt zum einen davon ab, welche Dispositionen das jeweilige subjektive Recht zuläßt, zum anderen vom durch Auslegung ermittelten Willen der Parteien. Ist die Einwilligung widerruflich, so verstößt der grundlose Widerruf nicht gegen Treu und Glauben. Allerdings verbietet § 242 B G B den Widerruf zur Unzeit. § 1 3 Willensmängel und Aufklärungspflichten Für die Beurteilung von Willensmängeln haben die strafrechtliche und die privatrechtliche Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze hervorgebracht. Zwar gibt es keine logisch zwingende Lösung, doch bietet das B G B mit den §§ 119 ff. ein Regelungsmodell, das grundsätzlich auch für die Einwilligung passend erscheint. Die Anfechtungsgründe der §§ 119, 123 B G B sind ohne Modifikation auch auf die Einwilligung anwendbar, dabei erfaßt § 119 II B G B sämtliche rechtsgutsbezogenen Irrtümer. Hinsichtlich der Folgen von

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Willensmängeln ist zu differenzieren. Soweit es sich um vertragliche Gestattungen handelt, gelten auch die §§ 142, 143 B G B und die Anfechtungsfristen gemäß §§ 121, 124 B G B . Hingegen ist im Fall der Einwilligung im engeren Sinne eine teleologische Reduktion der §§ 142 I, 143 I B G B angebracht: Die einseitige, widerrufliche Einwilligung ist im Fall beachtlicher Willensmängel per se nichtig, da der Geschädigte eines Wahlrechts nicht bedarf und da die Anfechtungsfristen im höchstpersönlichen, nichtkommerziellen Bereich unangemessen erscheinen. Rechtsprechung und Literatur zur ärztlichen Aufklärungspflicht haben sich weitgehend von den allgemein-zivilrechtlichen Systembegriffen gelöst und bemühen sich weder um eine Abstimmung mit der Lehre von den Willensmängeln noch um einen Vergleich mit den übrigen Aufklärungspflichten des Privatrechts. Nach herrschender Meinung führt der Aufklärungsmangel zur Nichtigkeit der Einwilligung, den Arzt trifft die Beweislast dafür, daß er seine Aufklärungspflicht erfüllt hat. Aus zwei Gründen erscheint diese Konstruktion zweifelhaft. Erstens zeigt ein Vergleich mit der Theorie des informed consent im US-Recht, daß einiges dafür spricht, die Aufklärung nicht als Einwilligungsvoraussetzung, sondern als Gegenstand einer selbständigen ärztlichen Pflicht anzusehen. Diese Konstruktion ermöglicht insbesondere die wertungsmäßig gebotene Gleichbehandlung von informed consent und informed refusal. Zweitens beruht die von der herrschenden Meinung vorgenommene Beweislastverteilung auf der Faustregel, daß derjenige die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes zu beweisen hat, der sich darauf beruft, und übersieht dabei die gegenläufige Regel, der zufolge der Erklärende die Voraussetzungen für die Nichtigkeit seiner Erklärung zu beweisen hat, sofern sie für ihn günstig ist. Anstatt mit Faustregeln sollte die Beweislastverteilung im Fall von Aufklärungsmängeln offen mit den maßgeblichen Gerechtigkeitskriterien begründet werden. Die Grundsätze zur ärztlichen Aufklärungspflicht beruhen auf den Besonderheiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses und dürfen daher nicht unbesehen verallgemeinert werden. Vielmehr muß fallgruppenweise herausgearbeitet werden, in welchen Situationen es angemessen ist, das Informationsrisiko dem Einwilligungsempfänger aufzubürden. § 14 Die Dispositionsbefugnis und ihre Grenzen Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, daß der Einwilligende über das betreffende Rechtsgut dispositionsbefugt ist. Die Dispositionsbefugnis folgt grundsätzlich aus dem jeweiligen subjektiven Recht. Steht ein Vermögensrecht mehreren zu, so greifen bei Fehlen spezieller Regeln die §§ 741 ff. B G B ein, steht hingegen eine Persönlichkeitsrecht mehreren zu, so muß grundsätzlich jeder Berechtigte selbst seine Einwilligung erteilen.

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Größere Schwierigkeiten bereiten die objektiven Schranken der Einwilligung., also Normen, die zur Nichtigkeit einer Einwilligung führen, die im übrigen sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt. Diese Schranken können zum einen auf außerprivatrechtlichen Gesetzesbestimmungen beruhen. In diesem Fall hängt ihre zivilrechtliche Bedeutung vom Schutzzweck der Schrankenbestimmung ab. Dient sie dem Schutz des Einwilligenden vor den nachteiligen Folgen seiner Entscheidung, so gilt die Einwilligungsschranke auch im Privatrecht. Schützt sie hingegen ausschließlich öffentliche Interessen, so sind zivilrechtliche Sanktionen nicht gerechtfertigt. Zum anderen ist das Privatrecht selbst zur Bestimmung von Dispositionsschranken aufgerufen. Ausdrückliche gesetzliche Regelungen fehlen weitgehend, auch § 138 I BGB ist als rechtliche Grundlage der objektiven Einwilligungsschranken ungeeignet, da es nicht um eine sittlich-rechtliche Bewertung der Einwilligung selbst, sondern um die Frage geht, ob die Einwilligung das Unrecht der Handlung zu beseitigen vermag. Vielmehr handelt es sich um immanente Schranken der jeweiligen subjektiven Rechte. Diese Schranken schützen Rechte Dritter, Allgemeininteressen, oder die eigenen Interessen des Disponierenden. Ein solcher „Schutz vor sich selbst" ist allerdings nur in solchen Extremfällen zulässig, in denen der konsentierte Eingriff zu einem irreversiblen Verlust der Freiheit oder essentieller Lebensgrundlagen führen würde. Jeweils ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Daraus ergibt sich, daß erstens aus der Stufenleiter der Gestattungen die stärkste noch vertretbare Form der rechtsgeschäftlichen Bindung zu ermitteln ist, daß zweitens objektive Einwilligungsschranken gegenüber den subjektiven Einwilligungsvoraussetzungen subsidiär sind und daß drittens eine relative Einwilligungsschranke, unter der die subjektive Entscheidung mit einer objektiven Abwägung kombiniert wird, einer absoluten Einwilligungssperre vorzuziehen ist. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die absolute Einwilligungssperre für Tötungen, die § 216 I StGB aufstellt, trotz ihrer rechtspolitischen Problematik als privatrechtlich anwendbar. Die Dispositionsbefugnis über den eigenen Körper ist nur beschränkt, wenn der Eingriff die Gefahr des Todes oder des irreversiblen Verlustes wichtiger Körperteile oder -funktionen mit sich bringt. In diesem Fall muß der Eingriff einen zweifachen Filter passieren: die subjektive Einwilligung und eine objektive Abwägung. Die im Schrifttum vielfach postulierte Beschränktheit der Dispositionsbefugnis über Persönlichkeitsrechte zerfällt in drei Aspekte. Erstens muß in Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bestimmt werden, welche Art der rechtsgeschäftlichen Bindung das jeweilige Persönlichkeitsinteresse zuläßt. Zweitens lösen sich viele problematische Fälle durch konsequente Anwendung der Einwilligungsvoraussetzungen, insbesondere durch eine genaue Auslegung der Einwilligung auf der Grundlage der Zweckübertragungslehre. Drittens kann die Dis-

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positionsbefugnis in Extremfällen beschränkt sein, allerdings nur, wenn eine hinreichend zuverlässige Prognose für die Gefahr schwerwiegender Persönlichkeitsverletzungen spricht. § 1 5 Sonstige Nichtigkeitsgründe Vorformulierte Einwilligungserklärungen unterliegen der Kontrolle gemäß §§ 305ff. BGB. Die AGB-Kontrolle erweist sich als wesentliches Mittel zur Sicherung der Selbstbestimmung des Einwilligenden. Neben dem Ausschluß überraschender Klauseln (§ 305 c I B G B ) und der Unklarheitenregel (§ 305 c II B G B ) sind das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12 b B G B und die Generalklausel des § 307 B G B von Bedeutung. Ersteres verhindert, daß eine vorformulierte Erklärung des Patienten über die erfolgte ärztliche Aufklärung zu einer Beweislastumkehr führt. Letztere steht vor allem erheblichen Abweichungen von parallelen gesetzlichen Rechtfertigungsgründen zugunsten des Eingreifenden und unbegrenzten, pauschalen Einwilligungsklauseln entgegen. Die Sittenwidrigkeit einer Einwilligung gemäß § 138 I B G B wird in der Literatur in drei Fallkonstellationen angenommen. Erstens wird häufig auf die „guten Sitten" rekurriert, um den nicht disponiblen „Kern" der Persönlichkeitsrechte zu bestimmen. Nach den Ergebnissen des § 14 sollten die objektiven Schranken der Einwilligung aber nicht auf § 138 I B G B gestützt, sondern unmittelbar aus dem jeweiligen subjektiven Recht abgeleitet werden. Zweitens kann eine der Gestattung zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung nichtig sein, sei es wegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in Verbindung mit der Ausnutzung einer Zwangslage, sei es, weil die Rechtsordnung eine Verpflichtung zu bestimmten höchstpersönlichen Handlungen nicht zuläßt. Drittens kann die Einwilligung selbst nach § 138 B G B nichtig sein, wenn der Eingreifende sie sich unter Ausnutzung einer Zwangslage erteilen ließ. Werden Gestattungen im vertraglichen Kontext erteilt, so ist das Trennungsprinzip anwendbar, während die Anwendbarkeit des Abstraktionsprinzips von der Art der Gestattung abhängt. Die Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts und die Aneignungsgestattung (§ 956 B G B ) sind abstrakte Verfügungen. Handelt es sich jedoch um eine immaterialgüterrechtliche Lizenz oder eine gegenständliche Berechtigung zur Nutzung eines Persönlichkeitsaspekts, so besteht für die Anwendung des Abstraktionsprinzips kein Anlaß. Sofern die Einwilligung zwar im Zusammenhang mit einem Vertrag, nicht jedoch in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung erteilt wird, fehlt für die Anwendung des Abstraktionsprinzips schon der gedankliche Ansatzpunkt.

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§ 1 6 Vertretung und Ermächtigung Fehlt einer Person die Einwilligungsfähigkeit, so kann regelmäßig der gesetzliche Vertreter die Einwilligung erteilen. D i e Erteilung der Einwilligung ist je nach betroffenem Rechtsgut Ausübung der Personen- oder der Vermögenssorge. D i e Eltern sind als gesetzliche Vertreter des Kindes an das Kindeswohl gebunden (§ 1627 B G B ) . Daher ist ihnen die Einwilligung in irreversible oder rein fremdnützige medizinische Eingriffe verwehrt, sofern diese nicht trivial oder medizinisch erforderlich und unaufschiebbar sind. Im Fall von objektiv interessenwidrigen, aus subjektiven Erwägungen vorgenommenen Entscheidungen kann das Vormundschaftsgericht gemäß § 16661, III B G B eingreifen. Beispiele sind die Ablehnung einer medizinisch erforderlichen Heilbehandlung aus religiösen Gründen oder die Einwilligung in unübliche Formen der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsaspekten. Gegen die Zulässigkeit der gewillkürten Stellvertretung bei der Einwilligung im vermögensrechtlichen Bereich sind keine Einwände ersichtlich. D o c h auch die Stellvertretung in höchstpersönlichen Angelegenheiten ist nicht per se ausgeschlossen, wie mittlerweile die §§ 1904 II, 1906 V B G B belegen. Insbesondere stellt die Zulassung der Vorsorgevollmacht eine konsequente privatrechtliche Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dar, allerdings wäre hier ebenso wie für die Patientenverfügung eine gesetzliche Regelung empfehlenswert. Im übrigen persönlichkeitsrechtlichen Bereich ist die gewillkürte Stellvertretung jedenfalls dann zulässig, wenn sich die E i n willigung auf eine von der Person selbst gelöste Verkörperung der Persönlichkeit bezieht. Für die Bestimmung der Grenzen der jeweiligen Delegation läßt sich der Rechtsgedanke des § 31 IV, V U r h G heranziehen. D i e Zulässigkeit der Ermächtigung ( § 1 8 5 I B G B ) ist vor allem vor dem Hintergrund der Diskussion um die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten umstritten. Verneint man die Ubertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten, so ist die materiell-rechtliche Ermächtigung, verbunden mit der gewillkürten Prozeßstandschaft ein Instrument, um einem Verwerter eine Klagemöglichkeit gegen Dritte einzuräumen. Läßt man hingegen wie hier die konstitutive Übertragung von Persönlichkeitsrechten grundsätzlich zu, so bedarf es dieser Konstruktion nicht mehr. Soweit eine Rechtsübertragung möglich ist, kommt allerdings a maiore ad minus auch eine Ermächtigung in Betracht.

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Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern v. 22.5.2000, vorgelegt von Adolf Dietz, Ulrich Loewenheim, Wilhelm Nordemann, Gerhard Schricker, Martin Vogel, G R U R 2000, 765778 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern, BT-Drucks. 14/6433 v. 26.6.2001, dazu Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058 v. 23.1.2002

Stichwortverzeichnis Abstraktionsprinzip 167, 447ff. AGB-Kontrolle \8,436ff,476 Aneignungsgestattung 1 7 3 , 2 7 2 , 4 4 9 A n f e c h t u n g 360, 362 f , 365 ff. Arzneimitteltest 311 f., 425 f., 454 ärztlicher Heileingriff - Aufklärungspflicht 2 4 3 , 3 7 4 f f , 386ff. - Bedeutung der medizinischen Indikation 427 ff. - dogmatische Erfassung 13 f., 54, 129, 142, 190 f., 238ff., 470 - Einwilligungsfähigkeit 295 ff., 471 f. - Einwilligungsformulare 436 ff. - objektive Schranken der Einwilligung 419 ff. Aufklärungspflicht - allgemein 3 7 2 f f , 473 f. - ärztlicher Heileingriff 13,243,374//!, 3 8 6 f f , 474 Auslegung 340ff. , 4 7 2 f. A u t o n o m i e , s. Selbstbestimmung Behandlungsabbruch und "Verweigerung 13, 221, 244 ff. Beseitigungsanspruch 198 ff. Besitz 20, 273f. Beweislast - Arzthaftungsprozeß 3 8 5 , 3 8 9 f f - Einwilligung im allgemeinen 133 f f , 467 „Big Brother" 433 f. Bindungswirkung der Einwilligung 79, 143 f., 176 f. Biotechnologie 14, 249 ff. Bruchteilsgemeinschaft 287ff., 394ff. D a t e n s c h u t z 18, 55, 436 f., 446 Dispositionsbefugnis - allgemein 392 ff., 474 - Schranken 196, 3 9 7 f f , 475 - und subjektives Recht 179 ff., 393 ff., 468 D o p i n g 429 f. Eigentum 271 f., 317 Einheit der R e c h t s o r d n u n g 110 ff., 466

Einverständnis 120, 125f., 130ff., 466 Einwilligung i.S.d. § 183 B G B 3 f., 34, 211,344, 464 Einwilligungserklärung 3 2 7 f f , 472 Einwilligungsfähigkeit 293ff, 3 1 8 f f , 471 f. elterliche Sorge 293, 322 ff., 453 ff. Empfängnisverhütung, s. Fortpflanzungsmedizin E n t n a h m e von Körpersubstanzen 249 ff., 470 Ermächtigung - als befugniserweiterndes Rechtsgeschäft 186 - Einwilligungsermächtigung 461 ff., 477 F i r m e n f o r t f ü h r u n g 17, 162, 1 6 4 , 2 6 2 f f . Fortpflanzungsmedizin 1 4 , 3 0 6 f f . , 4 2 3 f f , 454 Freeware 175 f. G e n e h m i g u n g 344 ff., 473 Genomanalyse 426 f. Gesamthand 287ff., 394 ff. geschäftsähnliche H a n d l u n g , Einwilligung als 4 5 , 2 1 0 G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g 200, 218 f f , 469 Grundrechte - Bedeutung f ü r die Einwilligungslehre 84 f f , 466 - Grundrechtsverzicht 89 ff. - M e n s c h e n w ü r d e 103 ff. - S c h u t z f u n k t i o n 86 ff. - u n d Selbstbestimmung 89 ff. „ H a n d e l n auf eigene G e f a h r " , s. auch Risikoeinwilligung - A b g r e n z u n g von der Einwilligung 15, 24, 2 2 8 f f , 244, 469 - dogmatische E i n o r d n u n g 225 ff. - Entwicklung von Rechtsprechung u n d Lehre 40 f., 44 Hegel 28, 67 f., 77, 157 Heileingriff, s. ärztlicher Heileingriff

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Stichwortverzeichnis

HIV-Test 256 implied consent 332 ff., 441 informed consent - und Aufklärungspflicht, s. dort - im anglo-amerikanischen Recht 381 ff. Interessenabwägung 65, 208, 41 Off. Kant 28, 66 f., 182 klinische Versuche 14, 311 f., 425 f. konkludente Einwilligung 329ff., 427 kosmetische Eingriffe 14, 305ff, 391, 429 Lizenz 20, 148 f., 275 ff. Markenrecht 265 ff., 274 f f Marlene Dietrich-Entscheidung 155, 157 f. Menschenwürde, s. Grundrechte Mietvertrag 166, 169, 171, 2 82 ff. Mill 68 f., 104 Minderjährige, s. Einwilligungsfähigkeit Minderjährigenentscheidung ( B G H Z 29, 33) 42, 21 Off.,295f. Mitfahrerentscheidung ( B G H Z 34, 355) 2 2 6 , 2 3 0 , 2 3 9 Mitverschulden 120 f., 145, 209, 225 ff., Afoore-Entscheidung 14, 249ff. mutmaßliche Einwilligung 13, 214ff, 245 f.,469 Namensrecht 17, 41 f., 56 f., 260 f f , 432 negatives Tatbestandsmerkmal, s. Tatbestandsausschluß TVerca-Entscheidung 155,462 Open Source Software 175 f. Organspende, s. Transplantation pactum de non petendo 56, 168, 184 Pandektenwissenschaft 32 Patentrecht 254 ff., 274ff. Paternalismus 68, 7 3 f f , 105ff, 412ff. Patientenverfügung 12, 244ff., 457, 470 Persönlichkeitsrechte, s. auch Namensrecht, Recht am eigenen Bild, Urheberpersönlichkeitsrecht - persönlichkeitsrechtliche Einwilligung 55 ff., 210 ff., 259 ff., 312 ff., 430 ff. - Übertragbarkeit 151 ff., 467 - als Vermögensrechte 156 ff. Piercing 1 5 , 3 0 6 , 3 2 3 power of attorney 457 ff.

Privatautonomie 70, 121, 179, 207, 213f. Prozeßstandschaft 161, 462 f. Realakt, Einwilligung als 46 f., 183 f. Recht am eigenen Bild 16 f., 44 f., 55 ff., 142, 163 f., 259f, 312ff., 340ff., 432, 448 Rechtfertigungsgrund - Einwilligung als Rechtfertigungsgrund 124 ff., 130 ff., 466 f. - sonstige Rechtfertigungsgründe 65 f., 214 ff. Rechtsgeschäft, s. auch Rechtsgeschäftstheorie - analoge Anwendung der §§ 104 ff. 205 f., 212, 469 - Einwilligung als Rechtsgeschäft 201 ff., 207ff., 469 - teleologische Reduktion der §§ 104 ff. 205 f., 212,469 Rechtsgeschäftstheorie 35 f f , 48 f f . , 201 ff., 465 Rechtsgutvertauschung 412,429 Rechtsschutzverzicht, Einwilligung als 46, 183 f. Rechtsübertragung - und Einwilligung 147ff., 467 - gebundene 58, 149, 151 ff. - konstitutive 148 ff. - und Persönlichkeitsrecht 151 ff. - translative 147 right ofPublicity 153 f. Risikoeinwilligung 15, 231 f., 244, 469 Rückwirkung 344 ff., 369 ff., 473 Savigny 28 f., 182, 187 f. Scheinfreiwilligkeit 18, 442 f., 446 Schranken der Einwilligungsbefugnis, s. Dispositionsbefugnis schuldrechtlicher Gestattungsvertrag - Begriff 165 ff. - und Einwilligung 167 ff., 467 - und Verdinglichung 165 f. Schutz vor sich selbst, s. Paternalismus Selbstbestimmung 65 f f , 190 ff., 207 ff., 465 Selbstverantwortung 77ff., 465 Sittenwidrigkeit 398 ff., 408 ff., 444ff, 476 soziopsychologische Experimente 434 f. Sportverletzungen 15, 257ff., 470 Stellvertretung 453ff., 477 Sterilisation, s. Fortpflanzungsmedizin Strafrechtliche Einwilligungslehre - Einwilligung und Einverständnis 120, 125 f.

Stichwortverzeichnis -

Einwilligungserklärung 327 Verhältnis zum Zivilrecht 5, 108ff., 120ff, 466 f. - Übernahme strafrechtlicher Einwilligungsschranken 400 ff. - Willensmängel 357 ff. Stufenleiter der Gestattungen 141 f f . , 147, 348 f., 414, 431,467 subjektives Recht, s. auch Dispositionsbefugnis - Begriff 181 f. - und Rechtsgut 187ff., 468 Tatbestandsausschluß durch Einwilligung 124 ff., 130 ff., 197 f., 466 f. Tätowierung 1 5 , 3 0 6 , 3 2 3 Tötung auf Verlangen 12, 397, 415ff. Transplantation 14, 82, 88, 105f., 311 ff., 406, 454 Unterlassungsanspruch 198 ff. unwiderrufliche Einwilligung, s. Widerruf Urheberrecht - Urheberpersönlichkeitsrecht 17, 267ff, 396, 342 f., 432 f. - Verwertungsrechte 276f, 395 venire contra factum proprium 232 ff., 469 Verfassungsrecht - als Rahmen der Einwilligungslehre 81 f f , 465 f. - und Privatrecht 81 ff.

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Vertrag - Einwilligung im Vertragsrecht 2 2 , 2 7 7 f f . - Einwilligung und Verpflichtungsvertrag 167, 447 ff. Verwirkung 233 ff. Verzicht 147 f., 175,183 ff., 263,267 ff., 280 „volenti non fit iniuria" - als Gerechtigkeitsprinzip 6 3 f f , 465 - im römischen Recht 2 5 f f , 464 - als Grundprinzip der Gestattungen 143 - und Vertrag 63 Vollmacht - als befugniserweiterndes Rechtsgeschäft 172,186,348 - Einwilligungsvollmacht 456ff, 477 - Vorsorgevollmacht 12, 457ff. Vorsorgevollmacht, s. Vollmacht Wettbewerbsverbote 23,285 f f . Widerruf - der Einwilligung im allgemeinen 3 4 6 f f , 473 - bei persönlichkeitsrechtlichen Gestattungen 353 ff. - unwiderrufliche Einwilligung 170 ff., 467 f. - zur Unzeit 352 - Widerrufserklärung 348 Willensmängel 3 56ff., 473 f. Zeitpunkt der Einwilligung 344 f f , 473 Zitelmann 2, 35ff., 201, 218f., 362f., 401, 465 Zweckübertragungstheorie 160,342 f., 443 f.

Jus Privatum Beiträge zum Privatrecht - Alphabetische Übersicht Assmann, Dorothea: Die Vormerkung (§ 883 BGB). 1998. Band 29. Bayer; Walter: Der Vertrag zugunsten Dritter. 1995. Band 11. Beater; Axel: Nachahmen im Wettbewerb. 1995. Band 10. Beckmann, Roland Michael: Nichtigkeit und Personenschutz. 1998. Band 34. Berger, Christian: Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. 1998. Band 25. Berger, Klaus: Der Aufrechnungsvertrag. 1996. Band 20. Bittner, Claudia: Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht. 2000. Band 46. Bodewig, Theo: Der Rückruf fehlerhafter Produkte. 1999. Band 36. Braun, Johann: Grundfragen der Abänderungsklage. 1994. Band 4. Brors, Christiane: Die Abschaffung der Fürsorgepflicht. 2002. Band 67. Bruns, Alexander: Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung. 2003. Band 74. Busche, Jan: Privatautonomie und Kontrahierungszwang. 1999. Band 40. Dauner-Lieb, Barbara: Unternehmen in Sondervermögen. 1998. Band35. Dethloff, Nina: Europäisierung des Wettbewerbsrechts. 2001. Band 54. Drexl, Josef: Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. 1998. Band 31. Eberl-Borges, Christina: Die Erbauseinandersetzung. 2000. Band 45. Einsele, Dorothee: Wertpapierrecht als Schuldrecht. 1995. Band 8. Ekkenga, Jens: Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt. 1998. Band 30. Ellger, Reinhard: Bereicherung durch Eingriff. 2002. Band 63. Escher-Weingart, Christina: Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht. 2001. Band 49. Giesen, Richard: Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb. 2002. Band 64. Gotting, Horst-Peter: Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte. 1995. Band 7. Habersack, Mathias: Die Mitgliedschaft - subjektives und .sonstiges' Recht. 1996. Band 17. Heermann, Peter W.: Drittfinanzierte Erwerbsgeschäfte. 1998. Band 24. Heinrich, Christian: Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit. 2000. Band 47. Henssler, Martin: Risiko als Vertragsgegenstand. 1994. Band 6. Hergenröder, Curt Wolf gang: Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung. 1995. Band 12. Hess, Burkhard: Intertemporales Privatrecht. 1998. Band 26. Hofer, Sibylle: Freiheit ohne Grenzen. 2001. Band 53. Huber, Peter: Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung. 2001. Band 58. Jänich, Volker: Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? 2002. Band 66. Junker, Abbo: Internationales Arbeitsrecht im Konzern. 1992. Band 2. Kaiser; Dagmar: Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB. 2000. Band 43. Katzenmeier, Christian: Arzthaftung. 2002. Band 62. Kindler, Peter: Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht. 1996. Band 16. Kleindiek, Detlef: Deliktshaftung und juristische Person. 1997. Band 22. Krause, Rüdiger: Mitarbeit in Unternehmen. 2002. Band 70. Luttermann, Claus: Unternehmen, Kapital und Genußrechte. 1998. Band 32. Looschelders, Dirk: Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht. 1999. Band 38. Lipp, Volker: Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson. 2000. Band 42.

Jus

Privatum

Merkt, Hanno: Unternehmenspublizität. 2001. Band 51. Möllers, Thomas M.J.: Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht. 1996. Band 18. Muscheler, Karlheinz: Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung. 1994. Band 5. - Universalsukzession und Vonselbsterwerb. 2002. Band 68. Oechsler, Jürgen: Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag. 1997. Band 21. Oetker, Hartmut: Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung. 1994. Band 9. Ohly, Ansgar: „Volenti non fit iniuria" Die Einwilligung im Privatrecht. 2002. Band 73. Oppermann, Bernd H.: Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit im Wettbewerbsprozeß. 1993. Band 3. Peifer, Karl-Nikolaus: Individualität im Zivilrecht. 2001. Band 52. Peters, Frank: Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb. 1991. Band 1. Raab, Thomas: Austauschverträge mit Drittbeteiligung. 1999. Band 41. Reiff, Peter: Die Haftungsverfassungen nichtrechtsfähiger unternehmenstragender Verbände. 1996. Band 19. Repgen, Tilman: Die soziale Aufgabe des Privatrechts. 2001. Band 60. Rohe, Mathias: Netzverträge. 1998. Band 23. Sachsen Gessaphe, Karl August Prinz von: Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter f ü r eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige. 1999. Band 39. Saenger, Ingo: Einstweiliger Rechtsschutz und materiellrechtliche Selbsterfüllung. 1998. Band 27. Sandmann, Bernd: Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten. 2001. Band 50. Schäfer, Carsten: Die Lehre vom fehlerhaften Verband. 2002. Band 69. Schur, Wolfgang: Leistung und Sorgfalt. 2001. Band 61. Schwarze, Roland: Vorvertragliche Verständigungspflichten. 2001. Band 57. Sieker, Susanne: Umgehungsgeschäfte. 2001. Band 56. Stadler, Astrid: Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion. 1996. Band 15. Stoffels, Markus: Gesetzlich nicht geregelte Schuldverhältnisse. 2001. Band 59. Taeger, Jürgen: Außervertragliche Haftung f ü r fehlerhafte Computerprogramme. 1995. Band 13. Trunk, Alexander: Internationales Insolvenzrecht. 1998. Band 28. Wagner; Gerhard: Prozeßverträge. 1998. Band 33. Waltermann, Raimund: Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung zwischen Privatautonomie und Tarifautonomie. 1996. Band 14. Weher, Christoph: Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht. 2000. Band 44. Wendehorst, Christiane: Anspruch und Ausgleich. 1999. Band 37. Wiehe, Andreas: Die elektronische Willenserklärung. 2002. Band 72. Würthwein, Susanne: Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder f ü r entgangene Gebrauchsvorteile? 2001. Band 48.

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