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German Pages 464 [468] Year 1905
Lehrbücher des
Deutschen Nerch5rechtrA. II.
Der Neichs-Strafprozeß. Von
Dr. Grnst Heinrich Aosenfetd.
Zweite Auflage.
Berlin 1905.
I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.
Der
Neichs-StrafproM Von
Dr. Ernst Heinrich Rosenfeld, c. ix Professor zu Münster i. W.
Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage.
Berlin 1905.
I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.
Usrwsrt zur zweiten Auflage. Daß schon nach drei Jahren eine neue Auflage nötig
geworden ist, beweist mir, wie dringend das Bedürfnis war, dem dieses Lehrbuch entgegenkommen wollte.
Um so
mehr mußte es mir am Herzen liegen, es seinem Zwecke dienlicher zu machen.
Bei
der Neubearbeitung hoffe ich
keine wichtige neue Erscheinung übersehen,
aber auch die
bisherige Literatur und
ausgenutzt
Judikatur
besser
zu
Ich bin auf mehr Kontroversen eingegangen und
haben.
habe vieles, deffen Mangelhaftigkeit ich empfand, ganz um gearbeitet.
allen
aus
Auch habe ich das lebhafte Bestreben gehabt, mir
bekannt
gewordenen
Besprechungen
des
Buches zu lernen.
Die
legislativen Fragen habe
seite gelassen:
sie mögen
ich auch diesmal bei
im lebendigen Flusse des akade
mischen Vortrages der schärferen Beleuchtung des Rechtes der Gegenwart dienen, aber sie sollen nicht in einem Lehr
buch
die
objektive
Ruhe
der
Darstellung
unterbrechen.
Grundsätzlich herangezogen ist weit mehr als in der ersten
Auflage das Militärstrafverfahren und als neu die Judi katur des Reichsmilitärgerichtes.
Aber das Buch ist seinem
Charakter nach auf eine Darstellung des bürgerlichen Straf prozesses beschränkt geblieben.
VI
Vorwort zur zweiten Auflage.
Trotz der angedeuteten Vermehrungen des Stoffes hat eine Änderung des Satzes den Umfang des Ganzen etwas verringert.
Den Literaturangaben S. 32, 33 sei hier noch nach getragen, daß soeben nach wesentlichem Abschluß des Druckes
Bindings
Grundriß
in
5.
Auflage
erschienen,
auch
Bd. 57 der Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen herausgekommen ist. Möge das Buch in der neuen Gestalt seiner Aufgabe
in höherem Maße gewachsen sein: den Studierenden und
Lernenden mit Anschaulichtzit und Klarheit in diesen Zweig
der Rechtswissenschaft einzuführen, den Suchenden stets eine bestimmte und entschiedene Antwort finden zu lassen und womöglich auch dem Praktiker im Bedarfsfälle eine brauch
bare Auskunft zu bieten. Münster, den 4. November 1904.
Ernst Heinrich Nosenfrld.
Inhaltsverzeichnis Krstes WucH
Erster Abschnitt.
KinkeiLung.
Historische Einleitung.
Seite I. Kapitel. Zur Geschichte des Strafprozesses . 1 £ 1. Der römische Strafprozeß.............................................. 1 I. Kognitionalverfahren und Anklageprozeß. II. Re publik. III. Quaestiones perpetuae. IV. Haupt züge. V. Kaiserzeit. VI. Delicta privata. £ 2. Das ältere deutsche Strafverfahren............................... 6 I. Rechtsgang und Fehdegang. II. Volksrecht und Königsrecht. III. Richter und Urteiler. IV. Be weismittel. V. Handhafte Tat. VI. Rügeverfahren. $ 3. Rezeption und Karolina.................................................... 11 I. Kanonisches Recht. II. Die italienische Praxis. III. Die Karolina. § 4. Der gemeine Jnquisitivnsprozeß bis ins 19. Jahrhundert 17 i. Allgemeine Kennzeichnung. II. Earpzows Be weislehre. III. Kodifikationen. IV. Kritik. § 5. Der reformierte deutsche Strafprozeß................................21 I. Das englische Recht. II. Das französische Recht. III. Das moderne deutsche Recht. II. K apitel. Quellen und Literatur des Reichsst r a f p r o z e s s e s................................................................... 27 8 6. Entstehungsgeschichte der Reichs-Strafprozeßordnung . 27 § 7. Die Quellen des geltenden StPRechts................................30 I CPQ. II. Reichsjustizgesehe. III. Früheres Recht. IV. Späteres Recht. V. Landesrecht. § 8. Literatur des StPRechts.................................................... 32
Dogmatische Einleitung.
LL
Zweiter Abschnitt.
I. Kapitel. Grundbegriffe des Strafprozesses . § 9. Begriff des Strafprozesses I. Begriff eines Prozesses. II. Das Charakteristi-
vni § 10.
§ 11.
§ 12.
Inhaltsverzeichnis. tum des Strafprozesses (S. 36). III. Ternünologisches (S. 41) Die enzyklopädische Stellung des Strafprozesses . . 42 I. Verhältnis zum materiellen Strafrecht (S. 43), II. zum Civilprozeß (S. 45), III. zu Justizver waltung und Polizeirecht. Arten des Strafprozesses................................................... 46 I. Gerichtlicher und administrativer StP. II. Ge meiner und partikulärer StP. III. Ordentlicher und außerordentlicher StP. Das Geltungsgebiet der Strafprozeßsätze .... 51 I. Sachliches» II. Zeitliches, III. Oertliches, IV. Persönliches Geltungsgebiet.
II. Kapitel. Die Grundsätze des Strafprozesses 54 8 13. Das Wesen der sog. Strasprozeßprinzipien.... 54 § 14. Die Oeffentlichkeit 55 A. Die Regel. B. Der Ausschluß der Oeffentlichkeit. C. Behandlung einzelner Personen. D. Un bedingt öffentliche und nicht öffentliche Akte. § 15. Die Mündlichkeit...................................................................59 § 16. Die Unmittelbarkeit............................................................. 61 § 17. Akkusatorisches und inquisitorisches Versahren. Offi zialprinzip ........................................................................64 § 18. Der Grundsatz der Staatsanklage.....................................68 | 19. Das Legalitätsprinzip.............................................. 70 § 20. Das Immutabilitätsprinzip............................................... 73 § 21. DaS Prinzip der materiellenWahrheit............................. 75 I. Suveränetät der Gerichte (S. 77). II. Freiheit des Gerichts (S. 78). III. Beweiswürdigung (S. 78 f.: 1. Beweisregeln, 2. Präsumtionen, 3. onus probandi. 4. Fiktionen). § 22. Prinzip der Laienbeteiligung.............................................. 81
Zweites
Allgemeiner Heil.
Erster Abschnitt.
Vas Erricht.
I. Kapitel. Die Gerich tskörper..........................................84 § 23. Die Gerichtsbarkeit..............................................................84 I. Arten der Gerichtsbarkeit. II. Staatliche Straf gerichtsbarkeit. III. Gerichtsgewalt, Gerichtszwang. IV. Reichs- und Bundesstaaten. § 24. Arten und Einteilungen der Gerichte................................88 I. Justiz und Verwaltung. II. Gerichte des Reichs
Inhaltsverzeichnis.
H 25.
§ 26.
§ 27.
IX
Seite und der Einzelstaaten. III. Doppelte Hierarchie der Strafgerichte. IV. Arten der Zuständigkeit. V. Geschäftsverteilung. Die sachliche Zuständigkeit.........................................................91 A. Reguläre Verteilung der Sachen: I. SchG. (S. 91), II. StK. (S. 93), III. SchwG. (S. 96), IV. RG. (S. 97). B. Verschiebung der regulären Verteilung: I. Ueberweisung (S. 98), II Zusantmenhang (S. 102), III. Irrtum bei der Anhängigmachung (S. 104). Die örtUche Zuständigkeit.......................................................105 I. Gerichtsstände, II. des Tatortes, forum delicti commissi (S. 106), III. des Wohnsitzes, f. domi cilii (S. 109), IV. der Ergreifung, f. deprehensionis (S. 110), V. des Zusammenhanges, f. connexitatis materialis (S. 110), VI. des Auftrags, f. delegationis s. mandati (S. 112), VII. der Bestimmung, f. decreti (S. 113), VIII. Konkur renz, Feststellung der Zuständigkeit (S. 115), IX. Gerichtsstand der Gefahr im Verzüge (S. 117). Die funktionelle Zuständigkeit............................................117 I. Im allgemeinen. II. Jnstanzenordnung.
II. Kapitel. Die Gerichts Person en.................................120 I. D ie Hauptpersonen. $ 28. Arten der Richter..................................................................120 I. Haupt- und Nebenpersonen. II. Berufs- und Laienrichter, Einzelrichter und Kollegium, erken nende und nichierkennende Richter/ Vorsitzender und Beisitzer. S 29. Die Fähigkeit des Berufsrichters zum Richteramt 122 I. Volle össentlichrechtliche Handlungsfähigkeit. II. Wissenschaftliche Qualifikation. III. Ausschließung. IV. Ablehnung. V. Ausdehnung des Ablehnungs verfahrens. £ 30. Schössen und Geschworene, insbesondere ihre Gewinnung 127 I. Fähigkeit. II. Wer soll nicht berufen werden? Wer darf ablehnen? III. Gewinnung der Schöffen für die einzelne Sache (Urliste, Ja'yresliste, Reihen folge, S. 129). IV. Gewinnung der Geschworenen für die einzelne Sache (Urliste, Vorschlagsliste, Jahresliste, Spruchliste, Bank, S. 133). § 31. Der Gerichtsschreiber............................................................ 135 I. Organisation. II. Funktionen. III. Fähigkeiten. IV. Folgen der Nichtmitwirkung.
X § 32.
Inhaltsverzeichnis. Seite II. Die Nebenpersonen............................................ 137 I. Gerichtsvollzieher. II. Gerichtsdiener.
III. Kapitel. Die Gerichtstätigkeit.............................139 § 33. Arten der Gerichtstätigkeit.............................................139 I. Beurkundung. Sitzungsprotokoll. II. Prozeß leitung, Sachleitung. Sitzungspolizei (S. 145). III. Entscheidungen. IV. Urteile. V. Sprachge brauch der StPO. § 34. Allgemeine Grundsätze über gerichtliche Entscheidungen 148 I. Anhörung der Parteien. II. Begründung. III. Bekanntmachung (1. Verkündung, "2. Zustellung). £ 35. Die Abstimmung in Kollegialgerichten........................ 152 I. Teilnehmer, Reihenfolge. II. Schuldsrage. III. Totalabstimmung oder nach Gründen? IV. Abstimmungsobjekte. V. Grundsatz der Wahrheit der Entscheidungsgründe. £ 36. Die Rechtshilfe.................................................................159 I. Notwendigkeit. II. Gesetzliche Grundlagen. III. Ablehnung. IV. Kosten. £ 37. Internationale Rechtshilfe.............................................162 I Konsuln. II. Arten von Rechtshilfehandlungen. III. Diplomatischer und direkter Verkehr. IV. Aus lieferung.
Zweiter Abschnitt. § 38.
Sie Parteien.
Allgemeines über die Parteien........................................166 L Partei, Parteisähigkeit, Prozeßsähigkeit. II. Parteivertreter, Parteirolle. III. Nebenparteien. IV. Betroffene.
I. Kapitel. Die verfolgende Partei..............................173 £ 39. Die Staatsanwaltschaft.................................................. 173 I. Ihre Parteistellung. II. Untergeordnete Geschäfte. III. Organisation. Einheitlichkeit. IV. Dienststellung. V. Zuständigkeit. VI. Gesetzliche Gehilfen. 40. Die Polizei im Strafverfahren........................................ 178 I. Hilssbeamie der Staatsanwaltschaft. II. Ermittlungshandlungen. Nacheile. III. Strafversügungsrecht. § 41. Der Privatkläger.................................................................181 I. Fälle. II. Berechtigte. III. Prozessuale Stellung. IV. Der Rechtsanwalt des Privatklägers. V. Wider kläger. VI. Objektives Verfahren. VII. Buße, Adhäsionsprozeß.
Inhaltsverzeichnis.
£ 42.
H 43.
XI
Seite Der Neben-Ankläger........................................................... 186 I. Scheidung der Nebenkläger in Neben-Ankläger und Butzkläger. Fälle der Neben-Anklage. II. Prozessuale Stellung des Neben-Anklägers. III. Der Rechtsanwalt des Neben-Anklägers. IV. Buße verlangen. Tie Verwaltungsbehörde......................................................191 I. Im vorbereitenden Verfahren. II. Strafbescheid. III. Anklageerhebung. IV. Neben-Anklage.
II. Kapitel. DieversolgtePartei......................................193 Z 44. Der Angeklagte......................................................................193 I. Partei und Unterjuchungsobjekt. II. Erschei nenszwang. III. Vernehmung. $ 45. Der Verteidiger...................................................................... 196 I. Notwendige, entbehrliche, sachgemäße Verteidi gung. II. Bestellter und gewählter Verteidiger. Ill/ Eigenartige Vorrechte. Selbständige Befug nisse. IV. Führung der Verteidigung. V. Unter stützung und Vertretung. VI. Lfsene Meinungs Verschiedenheiten zwischen Verteidiger und Vertei digtem. VII. Der Verteidiger und das öfsentliche Interesse. S 46. Die Einziehungsbetrofsenen................................................ 204
Stifter Abschnitt. Sie Handlungen des Strafprozesses. l. Kapitel. Allgemeines über Prozeß Handlungen 207 § 47. Begriff der Prozeßhandlungen........................................... 207 I. Arten der Prozeßhandlungen; engerer und wei terer Sinn. II. Willenssähigkeit, Ernstlichkeit. III. Widerruflichkeit. IV. Bedingungen. V. Alternative Feststellungen. VI. Beweishandlungen. § 48. Die Zeit der Prozeßhandlungen..................................... 213 I. Termine und Fristen. Partei-, Zwischen-, ge setzliche, richterliche Fristen. II. üstuf. III. Ver säumung. § 49. Der Crt der Prozeßhandlungen........................................... 215 § 50. Die Form der Prozeßhandlungen......................................215 § 51. Die Prozeßvoraussetzungen.................................................216 I. Prozeßvoraussetzungen, Prozeßhindernisse. II. Eigenschaften des Gerichts, der Parteien, der Streit sache. III. Besondere Einzelheiten. Eintragung im Schiffstagebuch. Der „Konflikt". IV. Ver fahrensgliederung. V. Urteilsvoraussetzungen.
XII
Inhaltsverzeichnis. Seite
II. Kapitel. Das Beweisrecht........................................... 219 § 52. Allgemeine Borbegriffe........................................................... 219 1. Beweis, Beweissührer, Bewetslast. II. Gegen stand deS Beweises (1. direkt relevante Tatsachen, 2. Indizien, 3. Hilsstatsachen, 4. Erfahrungssätze). Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. III. Glaubhaftmachung. IV. Beweismittel. § 53. Der Zeuge........................................................... 225 1. Begriff. II. Erscheinenspflicht. III. Aussage pflicht,Zwangshaft,Weigerungsgründe. IV.Schwürpflicht. V. Entgegennahme der Aussage. VI. Zeit punkt der Beeidigung. VII. Form der Beeidigung. Eideswiederholung. VIII. Militärpersonen. § 54. Der Sachverständige........................................................... 237 I. Begriff. Sachverständiger Zeuge. II. Gewin nung. III. Pflichten. I V. Beeidigung. V. Tätig keit des Richters. VI. Besondere Fälle. VII. Dolmetscher. VIII. Militärpersonen. § 55. Der Augenschein...................................................................... 245 § 56. Die Urkunde........................................................................... 246 I. Begriff. II. Eigenschaften. III. Beweiserhebung. IV. Subsidiarität. § 57. Die Aussage des Beschuldigten und anderer Personen 249 1. Aussage und Parteibehauptung. II. Beweis ausnahme. III. Andere Personen.
III. Kapitel. Die Sicherung des Beweises . . . 250 § 58. Begriff der Beweissicheruna.................................................250 I. Beweismittelverlust. 11. Antizipierte Beweisauf nähme. III. Zwangsmittel gegen Personen und gegen Sachen. IV. Bollstreckungssicherung. 8 59. Die Editionspflicht.................................................................254 8 60. Die Beschlagnahme.................................................................255 I. Bedeutung. II. Anordnung und Ausführung. III. Beschlagnabmeverbot. IV. Zurückgabe, v. Einstweilige Beschlagnahme. § 61. Die Durchsuchung.................................................................258 I. Verhältnis von StPO. 102 und 103. II. Haus suchung zur Nachtzeit. III. Anordnung und Aus sührung. IV. Stellung des Betroffenen. § 62. Die Durchsicht von Papieren........................................... 262 § 63. Die Anhaltung von Briesen und Telegrammen . . 264 I. Wesen. 11. Zulässigkeit. III. Anordnung. IV. Betroffene. § 64. Die Verhaftung...................................................................... 266 I. Haftbefehl. II. Die beiden Arten. 111. Anord-
Inhaltsverzeichnis.
§ 65.
§ 66.
$ 67. § 68. § 69.
§ 70.
LUI
Seite nung. IV. Zuständigkeit. V. Vollstreckung. VI. Entschädigung unschuldig Verhafteter. Die vorläufige Festnahme.................................................. 273 I. Die nicht-richterliche Verhaftung. II. Private Festnahme. III. Präventiv-polizeiliche Festnahme. IV. Richterliche Entscheidung. Sonstige Freiheitsbeschränkungen................................... 276 I. Vorführung. II. Gewahrsam. III. Festhal tung. IV. Unterbringung in einer Irrenanstalt. Die Sicherheitsleistung....................................................... 277 I. Zweck. II. Kaventen. III. Verfall. IV. Be freiung des Kaventen. Das sichere Geleit............................................................ 279 Die Vermögen-beschlagnahme........................................279 I. Voraussetzungen. II. Anordnung. Wirkungen. III. Aushebung. Kosten. IV. Bei Hoch- und Landesverrat. Der Steckbrief......................................................................281
Drittes Wu richte des Reichs in erster Instanz abgeurteilt haben (^Reichs gericht, Konsular-, Kolonial-, Marinegerichte) dem Kaiser
zusteht,
im
übrigen
dagegen
dem Suverän
desjenigen
Bundesstaates, dessen Gerichte in erster Instanz tätig
Die Gerichtsbarkeit.
waren3.
Diese Erscheinung,
K 23.
87
daß die Einzelstaaten das
Begnadigungsrecht haben und es auch nach Maßgabe ihrer Verfassungen
während Obschwebens
Niederschlagung
desselben
ausüben
des Prozesses durch
können
recht)^, ist das sicherste Argument dafür, daß
(Abolitions es sich bei
der Gerichtsbarkeit der Bundesstaaten nicht um Ausübung
fremder, sondern eigener materieller Rechte handelt.^
8 nicht: dessen Staatsan waltschaft die Klage erhoben hat. Im Einklang damit ist der bezeichnete Staat nach den RG. v. 20. Mai 1898, 1. Dez. 1898 und 14. Juli 1904 auch verantwortlich für den durch un gerechte Bestrafung oder Ver haftung entstandenen Vermögensschaden. Vgl. zu der Frage auch Laband III, § 85 I 1, S. 376. 4 In allem entgegengesetzt v. Kries, § 13. Gegen die Geltung des Abolitionsrechtes auch John, Komm. 1 S. 108 (auf Grund des § 6 EG. z. StPO.'); desgl. Beling B.-B. S. 610 Anm. 1. Stenglein zu § 6 EG. u. st.; dagegen Laband III, § 93 IV, & 493ff. Das RG., III. Strafsenat, hat sich zweimal mit der Frage zu befassen gehabt und hat anfänglich in der Entsch. Bd. 28 S. 419 in einer anhaltischen Sache das Abolitionsrecht während Ob schwebens des Prozesses in der Revisionsinstanz vor dem Reichs gericht verneint, später aber in Bd. 33 S. 204 in einer koburgischen Sache bejaht. Der ersteren Entscheidung geben Recht v. Liszt, § 75 III 2 Anm. 3,
desgleichen, doch sehr zurück haltend, Lab and III, S. 495 Anm. 4; der letztern die meisten, so Löwe-Hellweg, 11. Aust., S. 26, Note 10 c vor § 12 GBG. und vor allem Heim b e r g e r Das landesherrliche Abolitionsrecht, 1901, wo alle Spezialfragen erörtert sind. • 5 Die Einzelstaaten unter ein ander können in Kollision ge I raten, soweit gemeinschaft i liche Gerichte erster In ■ stanz von ihnen errichtet sind *1 * (La band III S. 374); denn i dann steht nach der obigen Regel i dasBegnadigungsrecht jedem von \ ihnen zu. Es entscheidet dann | entweder 1) die allgemeine Re i gel eines Staatsvertrages l,,der Staat, aus dessen Gebiet , die Sache erwachsen ist" im Verhältnis zwischen Preußen und Oldenburg: „der Staat, dessen Gerichte "nach der Reihen folge der §§ 7—12 StPO, zu ständig sind" im Verhältnis zwischen Oldenburg und Lübeck) oder 2) die besondere Ab machung von Fall zu Fall, oder 3) die Prävention. Gegen 3) Löwe-Hellweg, Note 13 a vor GBG. 12, S. 27 der 11. Aust.
88
Allg. Teil.
Kap. I.
Abschn. I.
Die Gerichtskörper.
§ 24. Arten und Liutrilnugeu der Errichte. KrieS 88 15, 19, 20.
§ 32.
I.
Birtm. §§ 33, 36.
B.-B. § 22.
Hörn.
Laband III, § 88 II.
Bind. 88 22, 23.
Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit eingesetzten
Gerichte müssen besonderen Anforderungen genügen.
Sie
müssen nach GBG. 1 unabhängig, nur dem Gesetz unter
worfen sein, wodurch Ausnahmegerichte und Kabinetsjustiz
ausgeschlossen sind.
Die Richter aber müssen bestimmte
Qualifikationen haben (GBG. 6—9) und ihre Anstellung
muß
unter
gewissen
allgemeinen
Bedingungen
erfolgen.
Auch können nicht willkürlich an die Stelle der ordent
lichen Gerichte andere Behörden (Verwaltungsbehörden oder besondere Gerichte) gesetzt werden.
Dies setzt eine scharfe
Trennung von Justiz und Verwaltung voraus, wovon nur die durch GBG. und StPO, erlaubten Abweichungen zu
lässig sind. II. Zu unterscheiden sind Gerichte des Reichs und der
Einzelstaaten.
Als erstere kommen in Betracht das Reichs
gericht, die Gerichte im Reichslande, in den Konsularbe
zirken und Schutzgebieten.
Alle übrigen sind einzelstaat
liche ordentliche und besondere Gerichte.
Die Arten der
ordentlichen Gerichte (Gerichtskörper) sind vom Reich fest gelegt, Zahl und Sitz den Einzelstaaten überlassen.
Arten sind mit Strafsachen befaßt.
Alle
Sie lassen sich in
folgendem Schema darstellend 1 Die arabischen Ziffern bezeichnen die Gerichtskörper; neben jedem derselben sind die in Strafsachen in Betracht kommenden Gerichtsabteilungen angegeben, und zwar die
; ! ' : |
für das Hauptverfahren (die erkennenden) mit* die für das Vorverfahren mit f bezeichnet, Die in erster Instanz erkennenden sind mit römischen
; Ziffern
versehen.
Im
Reiche
Arien und Einteilungen der Gerichte,
ß 24.
89
1. AG. — iAR.*1- lSchG* 2. LG. — HStK.*-s- lUSchwG.* UR.-s-
3. OLG. — StSen*
4. RG. — l.*f, 2.*, 3.*, IV2. + 3.*
4* StSen.
III. Die Gerichte stehen in einer doppelten Hierarchie zueinander.
Die erste Klassifikation ist die nach oberen
und unteren Gerichten (z. B. StPO. 4 Abs. 2. 14. 15),
es ist eine Klassifikation der Gerichtskörper und in
unserm
Schema durch
arabische Ziffern bezeichnet.
Die
zweite ist die nach Gerichten verschiedener Ordnung (Gerichte
höherer, niederer, gleicher Ordnung,
StPO.
2
Abs. 1. 5. 209. 394); sie sind durch die römischen Ziffern
unseres Schemas bezeichnet: I. Schöffengerichte (bisweilen
der Amtsrichter allein); II. Strafkammer; III.
gericht;
IV. Bereinigter
zweiter
Schwur
und dritter Straffenat
des Reichsgerichts.
IV.
Die Verteilung
der
Strafsachen
auf
die
ver
schiedenen Gerichtsklaffen regelt sich nach genauen Normen.
Die hieraus folgende Befugnis (und Pflicht), in bestimmten Sachen
tätig
zu
werden,
Kompetenz des Gerichtes.
heißt
Zuständigkeit
oder
In dreifacher Art verteilen die
Zuständigkeitsnormen die Sachen: 1. mit Rücksicht auf den Bezirk, in den die Sache gehört (ob AG. Hamburg oder AG.
Altona)
—
örtliche
Zuständigkeit;
2.
mit
Rücksicht auf die Beschaffenheit der Sache (ob AG. oder
LG. Hamburg,
ob
StK.
oder SchwG.)
—
sachliche
Zuständigkeit; 3. mit Rücksicht auf die vorzunehmende bestehen 1933 AG, 173 LG., ; Bezirke, die in den OLG. Bayern28 OLG. Ferner gibt es 41 und in Colmar, Karlsruhe, detachierte StK., nur in Preußen I Jena, Rostock meist mehrere und den Bezirken Jena und LG. umfassen; vgl. unten S. Rostock. Endlich 141 SchwG 96 III.
90
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
gerichtliche Tätigkeit (ob AR. oder SchG., ob UR. oder StK.) —
funktionelle
ständigkeit.
oder geschäftliche Zu
Die letzte Verteilungsart unterscheidet ins
besondere, ob es sich um die Tätigkeit der erstmaligen Ent scheidung oder um Nachprüfung im JnstanzenzugO —,
ob es sich um das Vorverfahren, das Zwischenverfahren oder das Hauptverfahren, — ob es sich um den Prozeß als Ganzes oder um bestimmte isolierte Handlungen (etwa Beweissicherungen) handelt. V. Die Verteilung der einem Gericht zufallenden Sachen unter
die
verschiedenen gleichartigen
Gerichtsabteilungen
desselben Gerichtskörpers heißt Geschäftsverteilung und erfolgt jährlich im Wege der Selbstverwaltung durch das „Präsidium"31 *des LG., des OLG. und des RG., bei
letzterem in den Hauptzügen durch eine vom Bundesrat bestätigte Geschäftsordnung^. 1 Hieran denkt man in erster Linie, wenn man von funktioneller Zuständigkeit spricht. s GVG. 63, 121, 133; 62 Abs. 1 u. 2, 64—67, 69; 22. DieBedeutung dieser eingehenden Normativbestimmungen durch das Reich kann nur die sein, daß ohne ihre strikte Beobach tung das Gericht nicht „vorschristsmäßig besetzt" ist (StPO. 377 Z. 1). Dem hat sich auch nach anfänglichem Schwanken daS RG. 18, 9. 307. 22, 168. 23, 166. 32, 283. 36, 379 an geschlossen und betont, der Zweck der Bestimmungen sei, „die Gerichte innerlich möglichst stabil zu gestalten und den Ein fluß der Verwaltung auf die
In der einzelnen Ab-
j selben nach Kräften zu ver i mindern". I 4 GVG. 141. — Das RG. hat 4 StSen., unter denen die Geschästsverteilung sich danach regelt, aus welchen Bezirken die Strafsachen stammen. StSen. II hat die Bezirke der OLG. Berlin, Königsberg, Marien werder; StSen. III die Be I zirke der OLG. Celle, Dresden, I Hamburg, Jena, Naumburg, | Oldenburg und der LG. Dort mund, ($11*611; StSen. IV die Bezirke der OLG. Braunschweig, Breslau, Cassel, Kiel, Posen, Rostock, Stettin; StSen. I hat den Rest und die Entscheidung nach StPO. 4, 9, 12—15, 19, GVG. 160. Vgl. außerdem GVG. 138.
Die sachliche Zuständigkeit.
K 25.
91
Teilung (Kammer, Senat) erfolgt die Zuweisung an die
einzelnen Mitglieder durch den Vorsitzenden (GVG. 68).
Nach welchen Gesichtspunkten diese weitere Verteilung an die Abteilungen und an die Mitglieder vorgenommen wird, steht im Ermessen der verteilenden Stelle6. § 25.
Vir sachliche Zuständigkeit, .ttnes S 21.
Birkm. § 34. B -B. §§ 24, 31. Uflm. § 22 II, g 23 II, § 24 II, § 33. Bind. § 26.
A. Die reguläre Verteilung der Sachen.
Tie
nach
französischem Muster
in
unser Strafrecht
übernommene Trichotomie der strafbaren Handlungen hat
auch zu einer Dreiteilung der Strafgerichte den äußern Anlaß gegeben.
Innerlich entsprechen sich die beiden Drei
teilungen jedoch sehr wenig, und die Harmonie wird da
durch vollends aufgehoben, daß wir sogar vier Klassen in erster Instanz erkennender Gerichte haben. I. Tie Schöffengerichte sind zuständig nach GVG.
27, 28.
Verschiedene Gesichtspunkte spielen hier hinein:
der der angedrohten Strafe (Z.
1, 2), der des einge
schlagenen Berfahrensmodus (Z. 3), der einer pekuniären
Summe (Z. 4—8, bald Wert, bald Schadenssumme). Einzelheiten. Die „reinen Schöfsengerichtsdelitte" sind nach der Zifsernbezeichnung in GVG. 27 :1 1. Übertretungen, StGB. § 1: bei Gefällsdelikten gibt event.
5 Es tarnt entscheidend sein z. B. die örtliche Sphäre, die Ansangsbuchstaben der Namen, die Zeit des Eingangs, die Schwere der Anklage. Nach RG. 19, 230 soll es auch zulässig sein, unter Verzicht auf
jeden allgemeinen Gesichtspunkt die Sachen von Fall zu Fall nach Bedürfnis zu verteilens), 1 3. 1 u. 2 enthält die Strasbefehlsdeltkte, vgl. StPO. 447.
92
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
die Strafe des EinzelsallS, wenn nicht über 150 M., den Aus schlag. 2. Mindere Vergehen; angedrohtes Maximum darf nur sein 3 Monate Gefängnis oder 600 M. Geldstrafe. Doch können beide unter einander und auch mit Haft oder Einziehung kumuliert fein2. 3 Beispiele aus dem StGB.: fahrlässiges Entweichenlassen Gefangener, 121 Abs. 2; einfacher Hausfriedensbruch, 123 Abs. 1; unwahre Entschuldigung des „Dingpflichtigen", 138; Weilergeben falschen Geldes, 148; einfacher Jagdfrevel, 292; Brieseröft'nung, 299. Dazu treten, sofern sie sich auf solche Vergehen beziehen (rela tive SchGDelikte), die Delikte der §§ 111 Abs. 1, 111 Abs. 2
S. 2, 257 Abs. 1 a. E, 257 Abs. 3, 357 Abs. 2. Außerhalb des StGB, sei erwähnt GewerbeOdg. §§ 146 a, 147. Gesällsdelikte gehören je nach der Beschaffenheit im Einzelfall hierher, nämlich wenn die zu verhängende Strassumme höchstens 600 Ä. beträgt.
Ist die maßgebende Summe nicht zu ermitteln, so entfällt die Zu ständigkeit des SchG. (vgl. auch B. I 15 unten S. 101). 3. Privatklagen (nicht aber öffentliche Klagen)' wegen Be leidigung und Körperverletzung, sowie nach G. v. 27. Mai 1896 5 12 Abs. 4 wegen unlauteren Wettbewerbs. Tritt durch spätere Übernahme der Verfolgung an Stelle der Privatklage die öffent liche, so erlischt die Zuständigkeit des Schöffengerichts4. 4. und 5. Diebstahl und Unterschlagung, wenn das Ent wendete höchstens 25 M. beträgt. Ist der Betrag nicht auszumitteln, so ist die SlK. zuständig. Bei Vollendung ist die Höhe der Verletzung, dementsprechend bei Versuch die der Gefähr dung maßgebend, d. h. es kommt darauf an, wieviel wahrschein2 Die Ausnahmen unter II. 3 Die Worte „nur auf An trag zu verfolgenden" in Z. 3 sind überflüssig. 4 DaS Verfahren ist folglich einzustellen, in Anwendung des § 429 StPO., und zwar 1. durch Urteil; 2. mit der Konse quenz des § 503 Abs. 2 — daß Privatkläger die Kosten trägt. Gerade wegen dieser Be sonderheiten muß Gleiches
auch dann gelten, wenn die Uebernahme in der Berufungs instanz erfolgt; nicht etwa hat dann das Berufungsgericht als nunmehr selbst zuständiges Ge richt erster Instanz nach § 369 Abs. 3 zu erkennen. RG. 29, 422. Löwe-Hellweg, Note 14 zu GVG. 27. A. M. auch Beling in B.-B. S. 633. Kujawa Archiv s. StrR. 49, 10 ff.
Die sachliche Zuständigkeit,
ß 25.
93
ltch entwendet worden wäre. — Hierher gehören nur StGB. 242, nicht §§ 243, 244, 252; nur StGB. 246 in beiden Fällen, nicht StGB. 350, nicht DepotG. v. 5. Juli 1896 §§ 11, 12 Abs. 2. 6. und 7. Betrug (StGB. 263, nicht 264, 265) und Sach beschädigung (StGB. 303, nicht 304 , 305), wenn der Schaden höchstens 25 M. beträgt. 8. Die Bergehen der §§ 257, 258 Z. 1, 259 StGB. (Be günstigung und Hehlerei), sofern sie sich auf eine der unter Nr. 1—8 (also z. B. auch Begünstigung des Hehlers) fallenden Straftaten beziehen.
Sofern die Zuständigkeit von der Summe von 25 M. abhängt und in der Hauptverhandlung sich herausstellt, daß die Summe mehr beträgt^, hat nach GBG. 28 gleich
wohl das Schöffengericht in der Verhandlung fortzufahren und die Sache abzumachen, damit nicht zwei Termine — einer vor dem SchG.,
forderlich sind.
der
zweite
vor der StK. — er
Kommt es aber ohnehin zur Vertagung,
müssen also sowieso zwei Termine in der Sache abgehalten werden, so ist an dem gewöhnlichen Wege der Unzuständig keitserklärung und Verweisung vor die Strafkammer (StPO.
270) festzuhalten. II. Die Strafkammern, auch die sog. auswärtigen oder detaschierten, exponierten (GVG. 78), sind zuständig
(GVG. 73) für den Rest der Vergehen und einzelne Ver
brechen, wobei teils die Schwere der angedrohten Strafe
(Z. 2), teils die Persönlichkeit des Täters (Z. 3, 5—7), teils die des Angegriffenen (Z. 4) den Ausschlag gibt. Einzelheiten. Die einzelnen Ziffern betreffen: 1. den Rest der Vergehen; dahin gehören a) negativ alle, welche in § 27 GBG. nicht aufgezählt sind, z. B. Pfandbruch nach StGB. 289, 8 wenn etwa anfänglich meh rere Diebstähle je unter 25 M. in Realkonkurrenz angenommen
wurden, während eine fortgesetzte herausstellt.
sich später Handlung
94
Allg. Teil.
b) positiv
Kap. I.
Abschn. I.
einige,
die
Die Gerichtskörper.
ausdrücklich
der
Zuständigkeit
deS
SchG, entzogen sind, obwohl die unter I genannten Be dingungen an sich vorliegen würden:*
a) § 320 StGB., verbotene Anstellung oder Nichtentlassung
strafrichterlich
für
unfähig
erklärter
Eisenbahn-
und
Telegraphenbeamter (Strafmaximum 300 M. Geldstrafe,
3 Monate Gefängnis) — GVG. 27 Z. 2;
ß) § 145 a StGB., unerlaubtes AuSgeben von Inhaber
papieren; selbst wenn der Nennwert unter 3000 M. be trägt (Strafe ein Fünftel deS Nennwertes, mindestens 300 M.) — GBG. 74 Z. 1:
;') 88 1, 2, 3, 6 Abs. 1 G. v. 8. Juni 1871, unerlaubtes
AuSgeben von Schuldverschreibungen aus den Inhaber
mit Prämien ohne genehmigendes Reichsgesetz, oder Be geben derselben oder Börsenhandel mit derartigen in
ländischen Papieren oder mit solchen ausländischen, die
entweder nach dem 30. April 1871 ausgegeben, oder
zwar vorher ausgegeben, aber nicht abgestempelt sind;
selbst wenn der Nennwert unter 3000 M. beträgt (Strase
ein Fünftel des Nennwertes, mindestens 300 M.) — GBG. 74 Z. 3.
Dagegen ist daS bloße öffentliche An
kündigen, Ausbielen, Empfehlen, Kurswertnotieren (§ 6
Abs. 2 des zit. G., Strafmaximum 300 M. Geldstrafe,
3 Monate Gefängnis) ein gewöhnliches unter GBG. 27 Z. 2 fallendes Vergehen, also reines Schöffengerichts
delikt; 5)
§§ 67, 69 PersonenstandS-G. v. 6. Febr. 1875, Ver
gehen deS Religionsdieners, der die kirchliche Ehe vor dem Nachweis der bürgerlichen schließt (seit 1. Jan. 1900
mit dem
eigentümlichen notstandsähnlichen Rechtserti-
gungsgrund des Abs. 2 — Art. 46 III EG. z. BGB ),
6 GBG. 74, von dem aber Z. 2 der Fassung v. 30. Mai 1898 inzwischen wieder wegge fallen ist durch § 29 Abs. 2 deS G. v. 22. Juni 1899 betr. das Flaggenrecht der Kausfahrtei-
| schiffe. Bon den Delikten des I FlaggenrechtsG. sind die der i §§ 19—22 reine SchGDelikte, ■ daS des § 18 ist ein Ueberi weisungSdelikt.
Die sachliche Zuständigkeit,
ß 25.
95
und des Standesbeamten, der bei der Eheschließung die Vorschriften des Gesetzes außer acht läßt (Strafmaximum 600 M. Geldstrafe) — GBG. 74 Z. 4; f) § 59 Abs. 1 und 2 BankG. v. 14. März 1875, GBG. 74 Z. 5, die Delikte der Mitglieder des Vorstandes einer Bank, aa) wenn sie in den wöchentlichen und geschäftsjährlichen Veröffentlichungen im Reichsanzeiger wissentlich den Stand der Verhältnisse der Bank unwahr darstellen oder verschleiern (Strafmaximum 3 Monate Ge fängnis) ; ßß) wenn sie zu wenig Noten versteuern; selbst wenn die hinterzogene Steuer unter 60 M. beträgt (Strafe das Zehnfache der Steuer, mindestens 500 M ).
2. Minder schwere Verbrechen; das angedrohte Maximum darf 5 Jahre Zuchthaus nicht überschreiten. Andere Strafen können kumulativ oder alternativ angedroht sein. Zuchthaus muß jeden falls angedroht sein. Daher gehört nicht hierher StGB. § 96 iTätlichkeit gegen Regenten) „minder schwerer Fall", §§ 157 Z. 1 und 2, 158 (privilegierte Meineidsfälle), weil hier keine selbstän digen Verbrechen vorliegen: StGB. § 102 Fall I und II, weil hier kein Zuchthaus, sondern nur Festungshaft angedroht wird. Endlich sind aus politischen Rücksichten ausdrücklich in GBG. 73 Z. 2 ausgenommen die Verbrechen des § 86 StGB. (Vorbereitung zu hochverräterischem Unternehmen), des § 100 (Tätlichkeiten gegen Mitglieder eines bundesfürstlichen Hauses oder gegen den Regenten eines Bundesstaates), und des § 106 (Verhinderung einesAbgeordneten an der Abstimmung). Beispiele für StKBerbrechen aus dem StGB.: 159 Fall I, Unternehmen der Verleitung zum Meineid; 171 Bigamie; 173 Abs. 1 Blutschande; 181 schwere Kuppelei; 218 Abs. 1 u. 3, Abtreibung durch die Schwangere und gewisse Beihilfehandlungen zu der vollendeten Abtreibung; 224 schwere Körperverletzung; 268 Z. 1, schwere Privaturkundensälschung; 336 Rechtsbeugung; 338 Religionsdiener oder Standesbeamter, der zur Bigamie Hilst; 343 Erpressen von Geständnissen. Aus Nebengesetzen: NahrungsmittelG. v. 14. Mai 1879 § 12 Abs. 3; vorsätzliche Herstellung solcher Nahrungsmittel, deren Genuß die menschliche Gesundheit
Allg. Teil.
96
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gericht-körper.
zu beschädigen geeignet ist, fall- dadurch schwere Körperverletzung oder der Tod verursacht wird; (Sprengstoff®, v. 9. Juni 1884 § 8: Herstellung oder Besitz von Sprengstoffen unter Umständen,
welche nicht erweisen, daß die- zu erlaubtem Zweck geschieht; Aus wanderung-®. v. 9. Juni 1897 § 48 Abs. 1 u. 2: Verleitung
einer Frauen-Person zur Auswanderung, um sie gewerbsmäßiger Unzucht zuzusühren,
unter Verschweigung
Be
dieses Zweckes;
förderung der Auswanderung zu diesem Zweck.
3. Alle Verbrechen Jugendlicher, d. h. unter 18 Jahre alter Personen.
Das Alter zur Zeit der Tat entscheidet.
4. Unzucht mit Kindern unter 14 Jahren (StGB. § 176 Z. 3).
5. 6. und 7.
Diebstahl, Hehlerei und Betrug im wieder
holten Rückfalle, ferner schwerer Diebstahl und gewerbs- oder ge wohnheitsmäßige Hehlerei.
III. Die Schwurgerichte, auch die „vereinigten" oder
„gemeinsamen"
für mehrere LGBezirke (GVG. 99,
üblich in Bayern, Mecklenburg, Thüringen, zum Teil auch
in Baden und Elsaß-Lothringen) sind zuständig: 1. für den Rest der Verbrechen, mit Ausnahme derer unter IV (GVG. 80); also insbesondere für Tätlich
keiten gegen Kaiser und Landesherrn, Falschmünzerei, Meineid, Notzucht, Mord, Todschlag, Kindestötung. Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Vergiftung, Urkundenfälschung, Brandstiftung;
2. ferner nach erlassener
Maßgabe
Landesgesetze
vor für
dem
1.
Oktober
Preßdelikte
1879
(EG.
z.
GVG. 6).7 liche Gerichte", nicht etwa ‘ Diese erweiterte Zuständig zählen sie zu den „besonderen keit der Schw®. besteht nur in wie Bayern, Württemberg, Olden ■ Gerichten", ebensowenig burg auf Grund der AusfGe- I das RG. als Gericht I. Instanz. Beides ist gelegentlich behauptet setze r. GVG. und in Baden worden. Praktische Konsequen nach dem EG. zu den Reichs zen: es gelten die Regeln über justizgesetzen. Die SchwG. sind Kompetenzverschiebung infolge auch in dieser Beziehung „ordent
Die sachliche Zuständigkeit.
K 25.
97
IV. Das Reichsgericht, und zwar der vereinigte
zweite und
dritte Strafsenat
(GVG.
138),
entscheidet
über: 1. Hoch-
und
(StGB. 80,
Z
Landesverrat gegen Kaiser
81, 83 — 86,
87 — 92.
und
GBG.
Reich
136
i);8
2. Berbrechen gegen §§ 1 und 3 des SpionageG. vom 3. Juli 1883, nach denen strafbar ist, wer vorsätzlich Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, an einen andern
gelangen läßt, wenn er weiß, daß dadurch die Sicher
heit des Reichs gefährdet wird, sowie wer sich zu einer solchen Mitteilung den Besitz oder die Kenntnis
solcher Gegenstände verschafft (SpionageG. 12). Tie Zuständigkeit
des
Reichsgerichts greift der der
Strafkammer stets vor, auch Personen unter 18 Jahren
sind daher vom Reichsgericht abzuurteilen. Zusammenhangs — im Text B. II; es findet stets, bei jedem Vergehen und selbst bei Preß übertretungen , falls sie dem SchwG. überwiesen wären, Vor untersuchung statt, desgl. not wendige Verteidigung. — Da die Bestimmung über die Zu ständigkeit der SchwG. für Preß delikte im Einführung-G. zum GBG. steht, insoweit also Landes- Gerichtsversassungsrecht dem Reichsrecht vorgehen soll und das Reichsrecht selbst er klärt, jenem weichen zu wollen, so kann, wie das ganze GBG., auch GVG. 136 Z. 1 davon nicht unberührt bleiben. Wenn also das Verbrechen des § 85 StGB, gegen Kaiser und Reich
Dagegen wird
durch die Presse verübt ist, so würde die Zuständigkeit des RG. nicht durchgreifen; a. M., doch logisch nicht haltbar, anscheinend die communis opinio. bes. Stenglein, Komm., Note 2 zu EG. z. GBG. 6; LöweHellweg, Komm., Note 4 zu EG. z. GVG. 6; B.-B. S. 95 Anm. 4. — Vgl. über die Kom petenzgrenzen gegenüber der StK. in Württemberg RG. 18, 293, in Baden RG. 27, 309. — Auch unlauterer Wettbewerb durch Zeitungsannoncen gehört vor das SchwG., RG. 35, 375. 8 Die Unterscheidung ist un klar und unpräzis. Man muß der scharfen Kritik bei KrieS S. 100, Anm. 1 u. 2, beipflichten.
Rosenfeld, Reich-strafprozeß. 2. Auf!.
7
98
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. L
Die Gerichtskörper,
diese Kompetenz zurückgedrängt durch die Schranken, welche
überhaupt der Wirksamkeit des GBG. durch das EG. z. GBG., insonderheit §§ 5—7, gezogen sind.
(Gerichte für
Mitglieder suveräner Familien, landesrechtliche Zuweisung
der Preßdelikte an Schwurgerichte, Gerichte für Militär
personen,^ Austräge für Standesherren.)10 6***
B. Verschiebung der regulären Verteilung der Sachen.
I. Durch Überweisung kann an die Stelle der
Strafkammer
das
Schöffengericht
weisung geschieht durch
treten.
Diese
Über
einen mit Beschwerde nicht
an
fechtbaren in das freie richterliche Ermessen gestellten Be schluß der Strafkammer bei bestimmten Delikten, die man' deshalb als „Ü berweisungsdelikte" bezeichnet. Vor aussetzungen des Überweisungsbeschlusses (GBG. 75) sind.
a) daß er zugleich mit dem Eröffnungsbeschluß ergeht;
b) daß die Staatsanwaltschaft
oder die klagende Ver
waltungsbehörde ihn beantragt;
c) daß nach den Umständen des Falles
höchstens die
Verhängung von 3 Monaten Gefängnis oder 600 M.
Geldstrafe
für
jeden
einzelnen
zur
stehenden Fall zu erwarten ist."
Aburteilung Es darf auch
alternativ oder kumulativ Haft oder Einziehung zu
erwarten sein; nicht
aber keine andere Strafart, z. B.
Festungshaft
oder Ehrverlust
6 Ganz überflüssig ist die Wiederholung in dem über haupt mangelhaft redigierten SpionageG. § 12 S. 2. 10 Vgl. KrieS S. 100 Anm. 2. B.-B. S. 40 Anm. 33.
oder
Polizei-
11 desal. keine höhere Buße als 600 M. Da die Buße rein civilistischer Natur ist, so hätte eine Grenze von 300 M. dem GVG. 23 Z. 1 besser entsprochen.
Die sachliche Zuständigkeit.
K 25.
99
Ob die Erwartung sich erfüllt, ist, in Ab
aufsicht.
weichung vom Entwurf, ganz gleichgültig;
d) daß das Schöffengericht „nicht schon zuständig ist".
Andernfalls ist direkt vor dem Schöffengericht zu eröffnen
(StPO.
207).
Daraus
geht
als
An
schauung des Gesetzes klar hervor, daß das Schöffen gericht in diesen Sachen ursprünglich nicht zuständig
ist
—
weder
„an sich", noch „subsidiär", so daß
auch der öfter gebrauchte Ausdruck „mittelbare Zu ständigkeit" 12 13 14 irre führen kann —, sondern erst in
Verschiebung der regulären Verteilung der Sachen durch den Beschluß zuständig wird, daher aber auch
nur innerhalb der Grenzen des Beschlusses." Einzelheiten.
Die Übcrweijungsdelilte sind nach den Ziffern
des S 75 GBG.: 1. Widerstand gegen die Staatsgewalt nach StGB. 113, 114
(trotz der regulären Mindeststrafe von drei Monaten) und gegen Forstberechtigte in dem leichten Fall des § 117 Abs. 1; Gefangenen
befreiung im Falle des § 120 (inkonsequenterweise nicht in dem
leichteren — denn der Versuch ist hier nicht strafbar — Falle des § 121 Abs. 1);
2. qualifizierter Hausfriedensbruch, StGB. 123 Abs. 3 (nicht aber schwerer, 124); sowie Arrestbruch, StGB. 137 (nicht aber
12 Die Praxis saßt die Vor schrift als eine Möglichkeit zur Entlastung der Landgerichte auf und prüft nicht sehr streng nach der Richtung c. Vgl. auch das Gesetz, das in 75 Z. 2 den § 114 StGB, mit auszählt. 13 Bind. S. 64 (frühere Ausl, sprachen von „mandierter Straf kammergerichtsbarkeit"). Ullm. S. 118. B.-B. S. 76 f. 14 Praktische Konsequenz dieser
Konstruktion ist deshalb die An wendung des § 270 StPO. (Unzuständigkeilserklärung und Verweisung vor die StK.) in allen Fällen, wo sich berausstellt, daß ein anderes Ueberweisungsdelikt vorliegt, als im Eröffnungsbeschluß angenom men war; a. M. die meisten, so v. Kries S. 582, LöweHellweg, Note 5 b zu StPO. 270.
100
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die GerichtSkörper.
Pfandbruch, 289, obwohl dieser nur private Interessen verletzt, nur Antragsdelikt ist und auch Geldstrafe zulätzt); 3. Erregung sittlichen Ärgernisses, StGB. 183; 4. und 5. alle Beleidigungen, sofern sie nicht Offizialdelikte (StGB. 95, 97) oder Ermächtigungsdelikte (StGB. 99, 101, 197) sind; sodann alle Körperverletzungen, die Antragsdelikte sind (StGB. 223 Abs. 1 u. 2, sofern nicht 232 Abs. 1 Fall II gegeben ist; 230 Abs. 1), und die gefährliche Körperverletzung des § 223a; 6., 7., 10. und 12. vgl. GVG. 27 Z. 4 bis 7, Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Sachbeschädigung ohne die Summen grenze von 25 M.; Sachbeschädigung auch nach StGB. 304; 8. und 9., vgl. GVG. 27 Z. 8, die Vergehen gegen StGB. 257, 258 Z. 1, 259 unter Absehen nicht nur von der Summen grenze, sondern auch von jeder Beziehung auf ein Schöffendelikt oder auch nur Überweisungsdelikt; 11. Vereitelung der Spezialexekution, StGB. 288, und Ent laufen mit der Heuer, StGB. 290; 13. zwei gemeingefährliche Vergehen, StGB. 327 Abs. 1, 328 Abs. 1: Verletzung der Absperrungsmaßregeln rc. bei Menschenund bei Viehseuchen, sofern keine Menschen bezw. kein Vieh von der Seuche ergriffen sind; 14. alle Vergehen, bei denen höchstens ein gewisses Maximum von Strafe angedroht ist, nämlich 6 Monate Gefängnis und 1500 M. Geldstrafe, die kumulativ oder alternativ oder kumulativ mit Einziehung angedroht sein können. Zu bemerken ist jedoch:
a) es darf keine andere Strafart sei es allein, sei es daneben angedroht sein, z. B. nicht Hast, nicht Festungshaft; daher sind die Herausforderung und das Kartelltragen (StGB. 201, 203), die Verletzung des Schweigegebotes bei nichtöfientlichen Verhandlungen (Art. II und III des G. vom 5. April 1888) keine Überweisungsdelikte; b) ausdrücklich ausgenommen sind folgende Delikte: StGB. 128 Abs. 1, Fall I, Strafbarkeit der Mitglieder geheimer Verbindungen; § 271, intellektuelle Urkundenfälschung; § 296 a, Küstenfischerei der Ausländer; § 301, Gefährdung des Vermögens Minderjähriger durch Verpflichtungsurkunden; § 331, einfache passive Bestechung; § 347 Abs. 2,
Die sachliche Zuständigkeit,
g 25.
101
fahrlässige Gefangenenbesreiung durch Beamte; endlich die in GBG. 74 genannten Delikte, die oben unter A II 1 b ß bis e behandelt sind (nicht aber «, StGB. 320).
Unter Z. 14 gehören demnach u. a. Auflauf (StGB. 116), Siegelbruch (StGB. 136), Verleitung zu objektiv falscher eides stattlicher Versicherung (StGB. 160 Abs. 1 Fall II), Ehebruch (StGB. 172), Bedrohung (StGB. 241), Gestattung von Glücks spielen (StGB. 285), qualifizierter Jagd- und Fischereisrevel (StGB. 293, 296), Offenbarung von Geheimnissen (StGB. 300). Die Aus wahl ist völlig willkürlich. Es ist kein Grund ersichtlich, warum z. B. StGB. 126, 132, 240, 289, 330 nicht auch herangezogen sind. 15. „Solche Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, deren Strafe in dem mehrfachen Betrage einer hinterzogenen Abgabe oder einer anderen Leistung besteht." Tas Gebiet, aus das sich diese Vor schrift bezieht, ist nur ein ganz enges. Denn wenn die Strafe z. B. im Vierfachen einer defraudierten Steuer besteht, so liegt, falls die Desraude nur 100, 120, höchstens 150 M. und folglich die Strafe nur 400, 480, höchstens 600 M. beträgt, ein reines Schöffengerichtsdelikt nach GVG. 27 Z. 2 vor; falls aber die Desraude 151 M. und mehr, die Strafe also 604 M. und mehr beträgt, so ist eine für ein Uberweisungsdelikt zu hohe Strafe zu erwarten (es fehlt an der Voraussetzung c, oben S. 98) und es liegt demnach ein reines Strafkammerdelikt vor. So bleiben als Anwendungsgebiet nur die Fälle, daß die zu multiplizierende Grundeinheit unbestimmt oder unermittelt ist.1'5 16. Zu GVG. 75 wird noch Gewerbeordnung § 146 durch Abi. 3 daselbst hinzugefügt. 115 Früher wurde mehrfach eine Antinomie zwischen GBG. 27 Z. 2 und 75 Z. 15 ange nommen und die Unanwendbar keil der ersteren Stelle auf Gesällsdelikte behauptet, so von Voitus Kontroversen (1881), Bd. I, S. 128. Die Unhaltbarkeit ergibt sich u. a. aus StPO. 463 Abs. 2, welcher vor
aussetzt , daß ein Gesällsdelikt auch reines SchGTelikt sein kann. 16 Bezieht sich zurück auf Ge werbe ordn. §§ 115, 135, 136, 137, 139, 139 a, 111 Abs. 3, 113 Abs. 3, 56 Z. 6, 154a Abs. 2. Dazu tritt § 23 G. über gewerbl. Kinderarbeit v. 30. März 1903.
102
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
II Durch Zusammenhang im Sinne von StPO. 2—5 kann jede Strafsache vor ein Gericht höherer Ordnung
gezogen werden, als ihr eigentlich zukommt.
Zusammen
hang oder Konnexität'? in technischem Sinne (StPO. 3)
liegt in zwei Fällen vor:
1. wenn eine Person mehrerer
Straftaten beschuldigt wird, z. B. eines am 1. Juni be< gangenen Widerstandes und eines am
15. Juni verübten
Diebstahls — persönlicher Zusammenhang oder subjektive
Konnexität; 2. wenn bei einer Straftat mehrere Personen als Täter (Mittäter, Nebentäter), Teilnehmer (Anstifter, Gehilfen),
Begünstiger (StGB. 257,
258)
oder Hehler
(StGB. 259—261) beschuldigt werden — sachlicher Zu sammenhang oder objektive Konnexität.
Es können
auch beide Arten von Konnexität Zusammentreffen.
Bei solchem Zusammenhang kann aus Zweckmäjzigkeitsrücksichten eine Verbindung der mehreren Straf
sachen ohne Rücksicht auf die Regeln über die
sachliche
Zuständigkeit bei dem Gericht der höheren Ordnung er
folgen. bindung,
Ausgenommen ist nur eine einzige Art der Ver
die
einer Privatklagesache mit
gerichtssache (StPO. 424 Abs. 2).
einer
Schwur
In die Kompetenz der
Sondergerichte darf natürlich aus diese Weise nicht ein-
17 und zwar innerer Zusammenhang, materielle Konnexität, im Gegensatz zu äußerem Zusammenhang, formeller Konnexität; letztere ist gegeben, wenn mehrere Strafsachen bloß äußerlich bei demselben Gericht anhängig sind, sie genügt für die Verbindung nach StPO. 236; der materielle Zusammen-
Hang fetzt eine innerliche Be ziehung zwischen den mehreren Strafsachen voraus. In tech nischem Sinn besteht er inner halb der Grenzen der StPO. 2—5. Außerhalb dieser Grenzen bieten sich Beispiele in StGB. 85, 111 Abs. 2, 115, 139, 157 Z. 1, 164, 190, 191, 210 ! u. a. m.
i ! ; '
Die sachliche Zuständigkeit.
gegriffen werben.18
| 25.
103
Entsprechend der Verbindung kann
in gleicher Weise eine Trennung beschlossen werden. Die Normen für die Verbindung (oder Trennung) sind
verschieden, je nachdem ob bereits die „Untersuchung" er ist
öffnet
(s.
S. 41)
Vorher hängt die
oder nicht.
Klagenverbindung von der Entschließung oder Vereinbarung oder
dienstlichen
Anweisung
der
Staatsanwaltschaft
nachher von einem Beschlusse des Gerichts.
ab,
Schweben
die mehreren Sachen bei einem Gericht, so ist natürlich
dieses
zu
der Beschlußfassung
berufen; schweben sie bei
mehreren Gerichten, von denen eines den übrigen so über
geordnet ist, daß so
das
sein Bezirk die übrigen mit umfaßt1",
übergeordnete;
andernfalls
das
gemeinschaftliche
obere Gericht?" In welchem Stadium des Hauptverfahrens
ls vgl. jedoch MilStPO. § 3 Abs. 2. (Militärpersonen, die bei einstweiliger Verwendung im Civildienst ein Amisver brechen begehen, gehören im all gemeinen vor die Civilgerichte; indessen dann vor die Militär gerichte, wenn ein Militärdelikt damit „zusammentrifft", d. h. sowohl im Fall der Jdealkonkurrenz, wie der Realkonkurrenz, also eben der subjektiven Kon nexität); § 4 (wenn bei objek tivem Zusammenhang der eine Beteiligte vor die Civil-, der andere vor die Militärgerichte gehört, so können letztere den ersteren die ganze Aburteilung überlassen; aber nicht umge kehrt) RG. 34, 255; §9 Abs. 2 (Aburteilung der Straftaten während einer militärischen Uebung kann den Civilgerichten
überlassen werden; wenn jedoch Militärdclikte in subjektivem Zusammenhang stehen oder ideell konkurrieren, ist das ausge schlossen); § 10 Abs. 2 (der Zu sammenhang von Militärdelikten mit allgemeinen Delikten läßt die Militärgerichtsbarkeit auch über die Beendigung des mili tärischen Verhältnisses fort dauern). 19 AG. Boppard, LG. Coblenz, AG. Kreuznach — LG. Coblenz. 10 AG. Boppard, AG. Coblenz, AG. Kreuznach — LG. Coblenz. AG. Boppard, AG. Köln — OLG. Köln. AG. Bop pard, LG. Köln — OLG. Köln. AG. Halle, LG. Leipzig — RG. LG. Danzig, LG. Königs berg — RG.
104
Allg. Teil.
Kap. I.
Abschn. I.
Die Gerichtskörper.
die mehreren Sachen sich befinden, ist
gleichgültig; die
betreffenden Beschlüsse können auch in der Hauptverhandlung
gefaßt werden.
Ist die eine Sache anhängig, die andere
noch nicht, so ist eine Verbindung zurzeit nicht möglich. III. Durch Irrtum bei der Anhängigmachung
wird insofern eine Verschiebung der sachlichen Kompetenz herbeigeführt, als sich nach StPO. 269 kein Gericht in
der Hauptverhandlung für unzuständig erklären darf, weil
die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.
Der
vielleicht unvermeidliche Irrtum bei der Entscheidung über
die Klagerhebung läßt die Unzuständigkeit sanieren, be
gründet also eine anomale Kompetenz.^ nur für das Gericht zu hoher Ordnung. niedriger Ordnung
muß
Das gilt aber Das Gericht zu
sich nach StPO- 270 für in
kompetent erklären, mit Ausnahme des (oben S. 93 er
örterten) Falles GBG. 28.
11 Vorher war das Ge richt unzuständig, hatte dies auch zu prüfen (SiPO. 6) und bis zur Eröffnung des Haupt verba hrens (nicht der HauptVerhandlung, arg. §§ 199, 206, 270) auszusprechen (StPO. 178, 199, 207). Deshalb darf man nicht sagen (B.-B. S. 95, RG. 16, 39): „die höhere Zu ständigkeit umfaßt die niedere mit". Hierin hat Birkm. S. 175 Anm. 17 völlig recht. Korrekt auch Hörn. S. 194. — Das auf Grund StPO. 269 zuständig gewordene Gericht nimmt
-
* ! i 1 !
seine Zuständigkeit nicht „mit Unrecht" an; daher passen StPO. 377 Z. 4, 395 hier nicht, wohl aber 394 Abs. 3. StPO. 369 Abs. 3 kann nie in Frage kommen. — Vorstehenden Re geln über die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit ist nur noch hinzuzusügen, daß Urteile der Berusunqs-StK., sowie die nach StPO. äl4 frei sprechenden SchwGUrteile wegen mangelnder Sachkompetenz rficht angefochten werden können: StPO. 380, 379.
Die örtliche Zuständigkeit.
§ 26.
105
§ 26. Nir örtliche Inständigkeit. Kries § 23. Birkm. § 35. B. B. §§ 25—29, 32. Ullm. §§ 42 bis 51. Bind. §§ 30—35. Friedrich Kitzinger, Ort und Zeit der Handlung im Strafrecht, 1902. I. Man hat die Zuständigkeit für vereinzelte Prozeß handlungen und für den Prozeß als Ganzes zu unter
scheiden.
Für die erstere ist stets dasjenige Amtsgericht
kompetent, in dessen Bezirk die Handlung vorgenommen werden
Die letztere,
soll (Amtsgericht der Handlungsbereitschaft).1
die Lehre
im
von den Gerichtsständen (forum reorum
gemeinen
Recht),
soll
uns
hier
näher
beschäftigen.
Zur Festlegung der örtlichen Kompetenz der Gerichte sind im
Laufe
der
Geschichte
herangezogen worden.
verschiedenartige
Gesichtspunkte
Das römische Recht betonte aus
schließlich den Tatort, das ältere deutsche Mittelalter hielt
sich an den Wohnsitz des Täters (nur bei handhafter Tat
an den Tatort), das spätere unter dem Einfluß des Terri
torialprinzips an den Ort der Ergreifung.
Da die beiden
letzteren auch von der Glosse anerkannt wurden, so stellte
der gemeinrechtliche Prozeß alle drei konkurrierend nebenein ander. Dem folgten das französische und das preußische Recht
(1852), während die Mehrzahl der Partikulargesetzgebungen2 den Tatort in erste Linie stellte und die beiden andern nur
als subsidiäre kannte.
Das Reichsrecht stellt Tatort und
Wohnsitz in erster Linie gleichberechtigt nebeneinander (allgemeine 1 Teil Abs. 163,
Gerichtsstände),
GVG. 158, 159 Abs. 2, I, 167. StPO. 21, 125 2, 128 Abs. 1, 129, 160, 164 Abs. 2.
der
Gerichtsstand
der
Er-
2 Näheres bei Zachariä, Handbuch (oben S. 26) Bd. I, S. 363 Anm. 4, S. 368 Anm. 16—18.
106
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
greifung steht in zweiter Linie und ist fubftbiär.3 Neben diesen drei sog. ordentlichen bestehen im Jnteresie der Harmonie der Rechtspflege, um Stockungen zu vermeiden
und Ausgleiche zu erreichen, drei weitere Kategorien (außer
ordentlicher 4) Gerichtsstände: der des Zusammenhangs,
des Auftrags und der Bestimmung. II. Der Gerichtsstand des Tatortes (forum delicti commissi) ist in StPO. 7,
10 geordnet.
Die
Streitfrage nach dem Begehungsort des Verbrechens spielt, wie im materiellen Strafrecht, ihre Rolle. wesentlichen drei Theorien unterscheiden.
Man kann im
Die eine betont
den Ort der persönlichen Tätigkeit (vulgo Körperbewegung),
bei Unterlassungsdelikten den, wo der Täter hätte handeln sollen und können; die zweite den des Erfolges; die dritte setzt beide nebeneinander und sagt, es sei sowohl an dem einen wie an dem andern Ort das Verbrechen begangen.
Es wäre möglich, eine verschiedene Entscheidung der Streitfrage für das materielle und das Prozeßrecht
zu
vertreten5; denn die Bedeutung des Tatortes ist in beiden
Gebieten verschieden.
Für das Strafrecht handelt es sich
um die Frage: Ist für den inländischen Staat ein Straf3 Schematisch läßt sich das so darstellen, indem durch Klammern Ver bundenes gleichberechtigt, durch Striche Getrenntes subsidiär bedeutet: (Reichsrecht) (Partikulargesetze) (Gem. Recht) -Tatort -Tatort Tatort * Wohnsitz ^Wohnsitz ^Ergreifung -Wohnsitz Ergreifung ^Ergreifung Wach, Handb. des CivProz.4 Die ganze Terminologie : Rechts IS. 463 Anm. 68. Benallgemeine, besondere, ordent necke (1. Aufl.) S. 83, v. Bar, liche, außerordentliche Gerichts Lehrb. des internal. Priv. u. stände ist der StPO, fremd. Str.Rechts, 1892, S. 237—239. 6 @o Binding, Handb. I Die 1. Aufl. dieses Lehrb. S. 415 Anm. 1, unter 2 b.
Die örtliche Zuständigkeit.
§ 26.
107
anspruch entstanden? und es muß der Rechtsordnung darauf ankommen, diese Frage möglichst überall, wo inländische Interessen hineinspielen können, zu bejahen.
Dagegen hat
im Prozeß der inländische Staat durchaus kein Interesse
daran, daß möglichst viele
seiner eigenen Gerichte mit
einander konkurrieren und so eine Quelle von Kontroversen
und Konflikten eröffnet wird.
Im Gegenteil, eine möglichst
eindeutige Regelung ist hier am erwünschtesten. — In
dessen muß es als methodisch unrichtig erscheinen, wenn StGB, wie StPO, ihre Regel auf das Symptom
des
Begehungsortesabstellen, alsdann dieses Symptom nach dem Zweck der Regel und nicht vielmehr nach seinen eigenen Merkmalen zu bestimmen? Daher ist einheitliche Entscheidung
geboten. oder
nur
Gegen den Ort des Erfolgs, gleichviel ob er allein
mit
berücksichtigt
wird,
spricht, daß
Zufall
und fremde Willkür eine unangemessene Rolle spielen.
Für
den Ort der persönlichen Tätigkeit dagegen spricht sowohl die natürliche Anschauung, wie vor allem folgende Erwägung.
Halten wir unter den Deliktsteilen Wesentliches und Un
wesentliches, necessaria und accidentalia auseinander, so ist lediglich die persönliche Tätigkeit ein begriffswesentlicher
und wesen-bestimmender Deliktsteil; der Erfolg ist höchstens
artbestimmend.
Dazu kommt, daß der Tatort im Sinne
der ersten obengenannten Theorie für die Beweisführung
ebenfalls wahrscheinlich am geeignetsten ist und auch einer einheitlichen Beantwortung für Versuch und Teilnahme am
wenigsten Schwierigkeiten bereitet. Endlich ist die Bedeutung von StGB. 2 Abs. 1, 67 Abs. 4 nicht zu unterschätzen. 6 So Kitzinger S. 49ff. u. namentl. S. 57 ff., dessen an geführte Habilitationsschrift mir
überhaupt als durchschlagend und die Kontroverse im Wesent lichen erledigend erscheint.
108
Allg. Teil.
Abschn. I.
Die Gerichtskörper.
Kap. I.
Hiernach ist eine strafbare Handlung an dem Orte oder an den
mehreren Orten begangen,
ihm zur Last gelegte persönliche
wo
der Beschuldigte die
Willensbetätigung vor
genommen hat? * Für Preßdelikte wurde von der HM. längst als Tatort nur der Ort oder die mehreren Orte des Erscheinens des Preßerzeugnisses betrachtet?
Dementgegen hatte die Recht
sprechung des RG.97 *den sog. ambulanten oder fliegenden
Gerichtsstand der Presse geschaffen, wonach jedes Gericht kompetent sein sollte, in dessen Bezirk auch nur ein Stück
der Druckschrift verbreitet worden war.
Die Kontroverse
ist im Sinne der ersteren Meinung durch StPO. 7 Abs. 2 (— RG. 13. Juni 1902) entschieden worden.
Doch gilt
für Privatklagesachen eine Abweichung (Satz 2). Einen Unterfall zu StPO. 7 bildet § 10, der von der
Begehung
auf deutschen Schiffen, nicht nur Kriegs- und
sonstigen Staatsschiffen, im Ausland oder auf offener See
handelt.
Das Gesetz geht davon aus, daß ohne diese Norm
wohl ein inländischer Strafanspruch, aber kein inländischer
Tatort vorhanden toäre.10
Es verlegt das sonnn delicti
commissi an den Heimatshafen oder den ersten erreichten
deutschen Hafen.
Der Begriff
7 So von je die HM. und jetzt insbesondere auch v. L i s z t, Lehrb., 13. Auf!., § 31 IV. Frank, Komm. z. StGB. 3, IV, 4. Aufl. Beling in v. Holtzend.-Kohler Enzyklopädie Bd. II S. 353. 6 Das paßt nicht völlig zu der vertretenen Grundanschau ung, aber das Wesen des Preß delikts und die Vorteile der Ein heitlichkeit und Eindeutigkeit sprechen dafür.
des Heimatshafens
wird
9 insbes. RG. 23, 155; und — trotz StPO. 7 Abs. 2 — für Lotterievergehen, RG. 36, 257, 270. 10 Was ebenfalls für die ver tretene Auslegung des § 7: Handlung = persönliche Tätig keit spricht. Der sonst denkbare Gerichtsstand des Tatortes, näm lich der Ort des im Inland eintretenden Erfolgs, kommt nach § 10 gar nicht weiter in Betracht.
Die örtliche Zuständigkeit, g 26.
109
durch HGB. § 480 Abs. I11 und § 6 Abs. 1 des G. über das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 189912 bestimmt.
Die StPO, stellt Heimatshafen und Ankunsts
hafen gleichberechtigt nebeneinander.
Wo es an ersterem
fehlt (bei Kriegsschiffen), ist der Ankunstshafen allein maß
gebend.^
III. Der Gerichtsstand des Wohnsitzes (korum domicilii) wird in StPO. 8, 11 behandelt.
ist der Zeitpunkt der Klagerhebung.
Entscheidend
Verlegung des Wohn
sitzes nach der Tat ändert somit die Kompetenz.
Es stehen
drei Orte in subsidiärer Reihenfolge : 1. der Wohnsitz (vgl. BGB. 7—11);
2.
der
gewöhnliche
Aufenthaltsort,
wobei
faktisches Verweilen im Jnlande zur Zeit der Klagerhebung vorausgesetzt werden muß;
3. der letzte Wohnsitz.
Für exterritoriale Deutsche und für Reichs- und Staats beamte, die im Auslande angestellt sind, tritt die Sonder
vorschrift des 8 11 hinzu. im Heimatstaat
sogleich
Für sie ist der letzte Wohnsitz
in erster Linie,
also
vor dem
11 „Als Heimatshasen des das Schiffsregister des Hafens Schiffes gilt der Hasen, von eingetragen werden, von welchem welchem aus die Seefahrt mit aus, als dem Heimatshafen, die dem Schiffe betrieben wird." Seefahrt mit dem Schiffe be 12 „Ein Schiff kann nur in trieben werden soll." 18 Schema für das kor. del. comm. bei Begehung im
Jnlande
Ort der persönlichen Tätigkeit
Auslande auf deutschem Schiff nicht aus deutsch. Schiff
iHeimatshafen 'sAnkunstshafen
vacat
Allg. Teil.
110
Abschn. 1.
Kap. I.
gewöhnlichen Aufenthaltsort,
Die Gerichtskörper.
Fehlt
maßgebend.
es
an
einem letzten Wohnsitz, so tritt ebenfalls nicht der Aufent haltsort ein, sondern die Hauptstadt des Heimatstaates.
Der
Fall mehrfacher Staatsangehörigkeit führt zu einer Kon Der Fall, daß es an einem
kurrenz von Gerichtsständen.
Heimatsstaate fehlt, war bis zum 1. Januar 1900 unbe achtet.
Der Zweifel ist durch die neue Fassung (Art. 35 I
des EG. z. BGB.) gelöst: Berlin gilt als Wohnsitz." IV. Der Gerichtsstand der Ergreifung (forum deprehensionis) StPO. 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 kommt in
zwei Fällen in Betracht.
Der erste setzt voraus, daß
beide Gerichtsstände zu II, wie zu III fehlen.
liegt vor, wenn beide unermittelt sind.
Der zweite
Per analogiam
ist der Fall heranzuziehen, daß der eine fehlt, der andere
unermittelt ist; dagegen nicht der Fall, daß nur einer fehlt
oder nur einer unermittelt ist. „Ergreifung"
bedeutet Freiheitsentziehung zum Zweck
der Strafverfolgung, nicht dagegen zu anderm Zweck, z. B.
Strafvollstreckung oder präventiver Sicherung.
Ob sie vom
Gericht oder der Polizei oder einem Privaten vorgenommen
wird, ist gleichgültig.
Man wird aber verlangen müssen,
daß sie rechtmäßig erfolgt ist. V. Der Gerichtsstand des Zusammenhanges
(forum connexitatis materialis) ist nach StPO. 13 be gründet, sobald ein Gericht für eine Sache nach II, III oder IV kompetent ist, und mit dieser Sache eine andere Sache im technischen Sinne zusammenhängt."
Jedes
Gericht,
14 Die Fassung berücksichtigt | Berlin in mehrere Gerichts ferner den vorerst noch nicht bezirke geteilt ist. praktischen Fall, daß die be- ' 16 14 * Oben § 25 B II. Zu
treffende Hauptstadt oder
daß | sammenhang in
dem weiteren
Die örtliche Zuständigkeit.
K 26.
111
das für eine der zusammenhängenden Sachen kompetent ist, besitzt dann auch für jede andere derselben die örtliche Zu
Nicht ist Voraussetzung, daß die zusammen
ständigkeit.
hängenden
Sachen
auch
im Zusammenhang
verhandelt
werden; sie können ebensogut verbunden wie getrennt sein oder werden.
Wohl aber muß in derjenigen Sache, deren
Gerichtsstand zur Begründung der Kompetenz verwendet
werden soll, Klagerhebung bereits erfolgt sein und darf in ihr noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegen.
Sind die an sich zusammenhängenden Sachen bereits getrennt bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht, so
ist eigentlich der Fall erledigt.
Doch besteht die Möglichkeit,
auch noch nachträglich eine Verbindung bei einem jener
Gerichte herbeizuführen (StPO. 13 Abs. 2).
Dabei müssen
zustande kommen: a) übereinstimmende Anträge der
beteiligten
Staatsanwaltschaften; lassen sich solche nicht erzielen, so kann innerhalb des gleichen Bundesstaats
dienstliche Anweisung der vorgesetzten Staatsanwalt schaft event, der Centralstelle eingreifen; gehören die
Staatsanwaltschaften aber nicht demselben Bundes
staat an, so bleibt es, da GBG. 144 Abs. 3 nicht gegeben ist, bei der Trennung;
b) eine diesen Anträgen entsprechende Vereinbarung der Gerichte.
Antrag
Ihr Fehlen kann —doch nur auf
der Parteien
—
durch
Entscheidung deS
gemeinschaftlichen oberen Gerichtes ersetzt werden (vgl.
Sinne des § 236 StPO, kann niemals diese Zuständigkeit be gründen. — Ein Untersall ist
das forum StPO. 428.
reconventionis,
112
Allg. Teil.
Abschn. I.
unten VII).
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
Tritt solche Entscheidung nicht ein, so
bleibt es bei der Trennung.
Bei StPO. 13 ist in erster Linie daran zu denken,
daß es sich um Gerichte gleicher Ordnung handelt.
In
dessen ist dies nicht notwendig: mit den Bestimmungen des § 13 können sich die der §§ 2 und 4 kreuzen."
Das
endgültig befaßte Gericht (d. h. der Gerichtskörper), muß aber wenigstens für eine der zusammenhängenden Sachen
sowohl sachlich wie örtlich kompetent fein.17 * * — Verbundene Sachen können, gleichviel ob die Verbindung auf der Zusammenfassung in einer Klage oder auf einem Ver
bindungsbeschluß nach
Abs.
2
beruht, durch
einen
als
contrarius actus unter den Bedingungen des Abs. 3 zu
stande kommenden Beschluß wieder getrennt werden (RG
31, 171). VI. Der Gerichtsstand des Auftrags (formn delegationis oder mandati) ist in drei Fällen zu erblicken,
in welchen ein an sich unzuständiges Gericht durch Beaufttagung von feiten eines oberen Gerichts zuständig wird.
Der Auftrag bildet
den Grund der Kompetenz.
In
einem Falle geht er vom Reichsgericht aus, in zweien vom
Die Fälle sind:
„zunächst oberen Gericht".
1. StPO. 9 Abs. 1
und 2: der inländische Tatort
und der inländische Wohnsitz (Aufenthalt, letzte Wohnsitz) "Löwe-Hellweg,K omni., § 13 Note 2 a. RG. 31, 171. 17 v. Kries S. 172. LöweHellweg, Komm. § 4 Note 3 c. Beispiele: 1. der Koblenzer A. hat in Bonn gebettelt, in Köln Unfug verübt — sowohl SchG. Bonn wie SchG. Köln und Koblenz sind zuständig.
2. Der Koblenzer A. hat in Bonn 100 M. gestohlen, in Köln gebettelt — sowohl StK. Bonn, wie StK. Koblenz sind für beides zuständig, aber nicht StK. Köln. Den Verbindungs beschluß fasten in Fall 1 SchG. Bonn und SchG. Köln; in Fall 2 OLG. Köln.
Die örtliche Zuständigkeit,
g 26.
113
fehlen oder sind unermittelt, und ferner: eine Ergreifung
hat nicht stattgefunden
— das Reichsgericht bestimmt das zuständige Gericht. 2. StPO. 15 Fall 1: das an sich zuständige Gericht
— zuständig nach II. III, IV, V oder VI 1 — ist an der Ausübung des Richteramts — rechtlich oder tatsächlich 17 —
verhindert, indem z. B. der einzige Amtsrichter am Ort als Zeuge tätig sein muß; und 3. StPO. 15 Fall II: von der Verhandlung vor dem an sich zuständigen Gericht ist eine Gefährdung der öffent
lichen Sicherheit zu besorgen — das zunächst obere Gericht hat die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines andern
Bezirks zu übertragen.
Im Falle 1
können wir vom Gerichtsstand der fin
gierten Ergreifung, in den Fällen 2 und 3 vom Gerichtsstand des Ersatzauftrags reden.
Die Fälle 2
und 3 können auch für einzelne Prozeßhandlungen oder einzelne Instanzen, nicht bloß für den Prozeß als Ganzes,
vorkommen. VII. Als Gerichtsstand der Bestimmung (formn
decreti) läßt sich in vier Fällen, in denen mehrere Gerichte in Betracht kommen, die durch Entscheidung des „gemein
schaftlichen oberen Gerichts" dem Zweifel entrückte Kompetenz bezeichnen.
Möglicherweise wird durch diese Bestimmung
die Kompetenz auch erst begründet; eine Nachprüfung nach
dieser Richtung soll aber eben abgeschnitten werden.
Die
Fälle sind: 17 Ob die Verhinderung eine rechtliche oder eine tatsächliche ist, macht nach Reichsrecht keinen Unterschied; nach Landesrecht
kann es u. U. einen solchen machen; vgl. preuß. Ausf.-G. z. GVG. v. 24. April 1878 § 24 und RG. Civ. 44, 394. 8 Rosenfeld. Reichsstrafpro-etz. 2. Aufl.
114
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
Die Gerichtstörper.
1. StPO. 12 Abs. 2 : sind mehrere Gerichte nach II
oder III zuständig, so entscheidet an sich die Prävention des eröffnenden Gerichts; doch kann eine abweichende „Be-
sttmmung"
getroffen werden — indessen nicht nach Be
endigung der I. Instanz (RG. 13, 365), weil hiermit ein
Eingriff in die funktionelle Zuständigkeit vollzogen würde;
2. StPO. 13 Abs. 2:
wenn eine Vereinbarung der
mehreren mit konnexen Straffachen befaßten Gerichte nicht
zustande kommt, so kann diese Art des (teils positiven, teils negativen) Kompetenzkonfliktes durch „Bestimmung" gelöst werden, s. oben S. Ulf. unter Vb. 3. StPO. 19: ist ein negativer Kompetenzkonflikt von
den
sämtlichen
beteiligten
Gerichten
in
unanfechtbarer
Weise" entschieden worden, und ist notwendig (mindestens) eines der Gerichte das zuständige, so wird dieses durch das
gemeinschaftliche obere Gericht bezeichnet; 4. StPO. 14: in allen übrigen Fällen des Kompetenz konflikts
bestimmt
ebenfalls
„das
gemeinschaftliche
obere
Gericht dasjenige Gericht, welches sich der Untersuchung und Enffcheidung zu unterziehen hat"." 18 Die Unanfechtbarkeit soll event, durch Verzicht aus die fristlose Beschwerde herbeige führt werden, nach Braun in Seuff. Blättern f. Rechtsanwendung, 1901,S.221 f. Andern falls müßte das Obergericht die Entscheidung ablehnen. Dagegen ist zu sagen, daß dann zwar nicht § 19, aber § 14 zutrifft und das Obergericht also nach diesem § zur Entscheidung be rufen ist. 16 § 19 ist ein Unterfall von § 14. Die Bedeutung des
i ! j i I i
§ 19 liegt in dem ausdrück lichen Ausspruche, daß die Rechtskraft einer Unzuständig keitserklärung deren Aufhebung nicht hemmt, Löwe-Hellweg, 8 19 Rote 1. Aber für die Rechtskraft der Zuständigkeils erklärung ist aus § 14 dasselbe zu folgern! — DaS bestimmende Gericht muß stets ein höheres sein als dasjenige, welches die Unzuständiakeitserklärung in letzter Instanz erlassen Hal, a. M. Löwe-Hellweg, § 19 Note 5.
Die örtliche Zuständigkeit.
$ 26.
115
VIII. Konkurrenz von Gerichts ständen und
Feststellung der Zuständigkeit. A. Für eine und dieselbe Strafsache kann leicht bei
mehreren Gerichten zugleich sein.
ein Gerichtsstand
begründet
Sind mehrere Gerichtsstände aus II vorhanden, so
sind sie gleichberechtigt; desgleichen mehrere aus III (bis auf die aushilfliche Reihenfolge: Wohnsitz, Aufenthalt, letzter Wohnsitz).
Ist einer oder mehrere aus II und einer oder
mehrere aus III vorhanden, so sind sie alle untereinander gleichberechtigt.
Ist gar keiner aus H und gar keiner aus
III vorhanden, so tritt IV ein und fehlt es auch hieran, so der Gerichtsstand der fingierten Ergreifung (for. delegationis VI 1).
An die Stelle eines jeden so ge
wonnenen Gerichtsstandes kann im Wege des Ersatzauftrags
(for. delegatiouis VI 2, 3) ein anderer gesetzt werden, der
dann in jeder Beziehung den Platz des ersten ausfiillt. Ohne daß die dargelegte Gleichberechtigung oder Sub sidiarität irgend wie gestört wird, kann neben jeden ein
zelnen oder neben eine Mehrheit so gewonnener Gerichts stände des weiteren als gleichberechtigt ein Gerichtsstand (oder
mehrere) aus V (for. connexitatis) treten.
Unter mehreren sonach gleichberechtigten Gerichtsständen entscheidet nach StPO. 12 Abs. 1 die Prävention des
Gerichts.^
Dasjenige Gericht, welches zuerst die Vorunter
suchung oder das Hauptverfahren eröffnet hat, drängt die
anderen zurück und wird nunmehr allein und ausschließlich zuständig (ihm „gebührt ... der Vorzug"). Diese Nor-
mierung ist über den — nur die Konkurrenz
zwischen
20 nicht die des StAnw. in I CPO. 35: die Wahl des Klägers s?: Klagerhebung. Anders nach I entscheidet unabänderlich. 8*
116
Allg. Teil.
Abfchn. I.
Kap. I.
Die Gerichtskörper.
Gerichtsständen aus II und III betreffenden — Wortlaut
des § 12 hinaus auch auf andere Fälle der Gleichberechtigung analog zu erstrecken. Damit ist auch zugleich die Eröffnung der Unter suchung als der für die Prävention maßgebende Zeitpunkt bezeichnet.
Derselbe Zeitpunkt muß auch dafür den Aus
schlag geben, ob ein primärer Gerichtsstand vorhanden ist oder ob an seine Stelle der subsidiäre nachzurücken hat
(perpetuatio fori).
Der Gerichtsstand der fingierten Er
greifung bleibt bestehen,
Ergreifung erfolgt.
auch wenn später die wirkliche
Das so rum connexitatis bleibt be
stehen, auch wenn später durch vorweg erfolgende Aburteilung einer Sache der Zusammenhang gelöst wird (RG. 25, 406)/21
Beseitigt werden kann die Wirkung der Prävention nur durch Bestimmung (VII 1), und diese eventuell durch neue
Bestimmung (VII 1).
Die Bestimmung (VII 3, 4) dient
ferner zur Lösung von Kompetenzkonflikten.
B. Die Gültigkeit der einzelnen Untersuchungs handlungen hängt nach StPO. 20 nicht von der Zu ständigkeit des handelnden Gerichts ab — selbstverständlich nur, sofern dieses die Überzeugung von der eigenen Zu
ständigkeit hat —; wohl aber hängt davon prinzipiell die Gültigkeit des Prozesses als Ganzen ab.
Daher hat
das Gericht seine örtliche Zuständigkeit zunächst ebenso wie
die sachliche von Amts wegen zu prüfen, jedoch nicht in jeder Lage des Verfahrens.
Vielmehr ist zu unterscheiden:
1. Verfahren mit Voruntersuchung.
Zuerst
im Augenblick der Klagerhebung, weiter aber auch während
der ganzen Dauer der Voruntersuchung und während des
81 Einzelheiten bei Löwe-Hellweg zu § 9, Note 4c, ob, 11; zu 8 13 Note 3 b.
Die örtliche Zuständigkeit.
A 26.
117
Zwischenverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens, aber auch nur bis dahin, besteht für das Gericht das Recht
und die Pflicht der Prüfung (§ 18).
Außerdem hat der
Angeschuldigte einen Einwand der Unzuständigkeit, aber nur bis zum Schluffe der Voruntersuchung (oder der wieder
aufgenommenen Voruntersuchung): § 16 Teil I.
Sobald
jedoch über diesen Punkt ausdrücklich entschieden ist, erlischt die Möglichkeit der Prüfung von Amts wegen (§ 17), nicht
aber der Prüfung auf Einwand des bisher nicht gehörten
Angeschuldigten.
2. Verfahren ohne Voruntersuchung.
Eine
Prüfung von Amts wegen findet von der Klagerhebung an während des Zwischenversahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens statt und erlischt mit dem Eröffnungsbeschluffe (£
18).
Das Einwandsrecht des Angeklagten
dauert weiter bis zur Verlesung des Eröffnungsbeschlusses
in der Hauptverhandlung (§ 16).22 IX. Ein Gerichtsstand der Gefahr im Ver züge wird durch StPO. 21
geschaffen.
Diese Hinweg
setzung über die gesamten erörterten Regeln gilt aber nur für einzelne Prozeßhandlungen und nur für das Amts
gericht der Handlungsbereitschaft (vgl. StPO. 163). § 27.
Vie funktionelle Inständigkeit. Kries § 22.
Birtm. § 36. B. B. § 23, III. Bind. § 28.
Ullm. £§ 34, 35.
I. Hierher gehören die Regeln darüber, welche Gerichts abteilungen und welche Gerichtsbeamten zu den einzelnen Handlungen eines Strafprozesses berufen sind (Vorsitzender “ § 17 gilt hier nicht, unrichtig RG. 34, 215.
118
Allg. Teil.
Abschn. I.
Kap. I.
oder Kollegium, erkennende
Die Gericht-körper,
oder beschließende Kammer,
Untersuchungsrichter oder Strafkammer, Richter oder Gerichts
schreiber).
Hierher gehört ferner die Regel, daß für ver
einzelte Prozeßhandlungen nur die Amtsgerichte zuständig sind.
Nur sie können, falls noch nicht Klage erhoben ist,
Verhaftungen,
Beschlagnahmen, Durchsuchungen,
öffnungen usw. verfügen.
Leichen
Nur sie erheben auf Requisition
der Staatsanwaltschaft oder (nach Klagerhebung) des Unter suchungsrichters oder des Prozeßgerichts Beweise im Wege der Rechtshilfe. II. Von besonderer Wichtigkeit ist die Instanzen-
ordnung der erkennenden Gerichte:
Erste Instanz:
Berufungsinstanz: Revisionsinstanz:
Fall I.
Fall II.
Fall III.
Fall IV.
SchG. (ober AR.)
StK.
SchwG.
RG., II + III. StSen.
StK.
—
—
—
RG.
—
RG. OLG. (ober RG.) ober OLG.
Nur im Fall I gibt es also drei Instanzen. Die Strafkammer ist als Berufungskammer in Übertretungs
und Privatklagesachen Dreimännerkammer, sonst stets Fünfmännerkammer (GBG. 77).
Die Straf
senate der Oberlandesgerichte sind mit 5, die des Reichs
gerichts mit 7 Räten besetzt (GBG. 124, 140).
Im Fall I
kann ganz ausnahmsweise kraft einer eigenartigen Disposition über die funktionelle Zuständigkeit auch das
Reichsgericht Revisionsgericht sein, nämlich
bei
Gefälls
delikten unter den näheren Voraussetzungen des §
Abs. 2 GBG.
136
Im Fall II ist das Oberlandesgericht nur
Die funktionelle Zuständigkeit,
g 27.
119
dann Revisionsinstanz, wenn die Revision ausschließ
lich
auf
die Verletzung einer in den Landes
gesetzen enthaltenen Rechtsnorm (GVG. 123 Z. 3). Gleichgültig ist es,
Reichsrecht
oder
nach
eine
gestützt wird ob eine nach
Landesrecht strafbare
Handlung den Gegenstand der Untersuchung bildet.
In Fall I und Fall II können die Bundesstaaten mit mehreren Oberlandesgerichten eines derselben als Central instanz fungieren lassen oder auch ein Oberstes Landesgericht als solche Centralinstanz einschieben.
Von dieser Befugnis
des § 9 EG. z. GVG. haben Preußen und Bayern Gebrauch
gemacht. Für Preußen bestimmt § 50 des AusfG. z. GVG., daß das Oberlandesgericht Berlin, das Kammergericht,
ausschließlich zuständig ist 1. für die
nicht
zur Zuständigkeit des Reichsgerichtes
gehörenden Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in erster Instanz;
2. für die Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungsinstanz, sofern eine nach Landes recht strafbare Handlung den Gegenstand der
Untersuchung bildet. Es stellt sich demnach für Preußen, wenn wir OLG. — spezielles Oberlandesgericht, und Kamm.G. — centrales
Oberlandesgericht (sog. kleines Obertribunal) auseinander
halten, unsere Tabelle folgendermaßen:
Erste Instanz: Berufungsinstanz:
Revisionsinstanz:
Fall I.
Fall II.
Fall III.
SchG.(od.AR.)
StK.
SchwG.
S1K.
—
—
OLG. ob. Kamm.G. (ob. RG.)
RG. ob. Kamm.G.
RG.
120
Abschn. I.
Die Gerichtspersonen.
Kap. II.
Zweites Kapitel.
Die Gerichtspersonen. 1. §ie Hauptpersonen. § 28.
Arten der Nichter. Kries § 19 I.
Birkm. §§ 37, 38, 49, 50 I. B.-B. § 15. g 36. Bind. §§ 38, 47—50.
Ullm.
I. Als Hauptpersonen unter dem Gerichtspersonal
bezeichnen wir den Richter und den Gerichtsschreiber.
Sie
üben den wichtigsten Teil der Gerichtstätigkeit, Entscheidung
und Beurkundung, aus.
Ein nur untergeordneter Teil der
Gerichtstätigkeit fällt den Nebenpersonen des Gerichts
vollziehers und Gerichtsdieners zu.
II.
Die
Richter
sind
1. in
Berufsrichter und
Laienrichter (oben S. 81) zu scheiden; unter letzteren
nehmen die Schöffen die volle richterliche Stellung eines Beisitzers ein, während die Geschwornen
nur die ihnen
ausdrücklich zugewiesenen Befugniffe haben. — Wir haben
2. teils Einzelrichter,
teils Richterkollegien.
Sämtliche Rechtsmittelinstanzen und alle erkennenden Gerichte in der Hauptverhandlung sind kollegialisch besetzt?
Außer
halb der Hauptverhandlung ist bei den Schöffengerichts
delikten der Amtsrichter als Einzelrichter tätig, alle übrigen
erkennenden Gerichte fungieren auch hier als Kollegium.
Im vorbereitenden Verfahren, sowie bei der Gewährung
von Rechtshilfe fungieren stets Einzelrichter; ebenso in der Voruntersuchung, mit Ausnahme weniger, besonders wichtiger Punkte. — 3. Es sind erkennende Richter, d. h. Mit1 ausgenommen die Fälle des § 211 Abs. 2 StPO.
Arien der Richter,
glichet der
g 28.
121
von
den nichter -
erkennenden Gerichte,
kennenden, denen nur einzelne Prozeßhandlungen zu Als letztere
gewiesen sind, zu unterscheiden.
treten der
Untersuchungsrichter, der ersuchte Richter (stets Amtsrichter)
und
der
beauftragte Richter
besonderen
umgrenzten
emaniertes
Mitglied.
Akten
auf.
Letzterer ist ein
Er wird nur in luenigen, jedoch
analoger Ausdehnung fähigen Fällen erwähnt.
zu
erkennenden Gericht
vom
von
der
StPO,
Zur Erfiillung seiner Aufgaben hat er volle
Entscheidungsgewalt und steht in deren Handhabung nicht unter der Kontrolle des Kollegiums, das ihn entsandt hat?
— Endlich ist 4. der Vorsitzende und der Beisitzer
(beisitzende Richter) auseinanderzuhalten.
Dem Vorsitzenden
liegt die Anberaumung und die Vorbereitung der Termine, die Vernehmung des Angeklagten und die wesentliche Leitung
der Beweisaufnahme samt der Handhabung der Sitzungspolizei
durch leichtere Mittel, ferner die Leitung der Beratung und Abstimmung, sowie die Mitwirkung bei der Beurkundung der
Vorgänge in der Hauptverhandlung
ob.
Eigenartige Be
fugnisse sind: Festhaltung eines Angeklagten in Gewahr sam, StPO. 230 Abs. 1, S. 2; Auswahl des Verteidigers,
StPO. 144 Abs. 1, S. 1; Verabfolgung von Akten in 9 StPO. 171 Abs. 3, 222, 232, 331, 409. Ebenso kann aber auch bei den einzelnen Be weiserhebungen des tz 200 ein beauftragter Richter verwandt werden. 3 Gegen seine Verfügungen findet Beschwerde nach StPO. 346 an das OLG. statt. Eine dem 8 576 CPO. entsprechende Bestimmung fehlt in der StPO. Birkm. S- 281 will gleich-
! i ! ! ;
wohl die Analogie der CPO. heranziehen. Indessen solche setzt voraus, daß von einem geregelten aus einen ungeregelten Füll geschlossen wird; der Fall der StPO, ist aber nicht unge regelt, sondern hat in 8 346 seine ausdrückliche Regelung er fahren. Außerdem s. oben S. 49. Ebenso Löwe Hell we g, 8 346 Rote 4d.
122
Abschn. I.
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
die Wohnung des Verteidigers, StPO. 147 Abs. 3; sodann in dringlichen Fällen Erlaß eines Haftbefehls, event, auch
Aufhebung eines solchen oder Freilassung gegen Kaution, StPO. 124 Abs. 3; und Bestellung eines Verteidigers, StPO.
Der Vorsitzende ist
141.
-senaten
bei
den
Schöffengerichten
ist
es
stets
der
nannt
(GVG.
vom 83).
bei
den
Der
Amtsrichter.
Schwurgerichtsvorsitzende wird für jede
Sitzungsperiode
und
Straflammern
durch die Geschäftsordnung bestimmt,
einzelne
Oberlandesgerichtspräsidenten
Er
hat
manche
weiteren
er
eigen
artigen Funktionen, unter denen die Auslosung und Be
eidigung der Geschworenen (StPO. 288), die Entwerfung der Fragen (StPO. 290) und dieRechtsbelehrung (StPO. 300)
hervorgehoben seien.
§ 29. Vir Fähigkeit Les Vrnrfsrichters zum Mchteramt. KrieS § 16. Birkm. 88 42, 45. B.-B. §8 16—19. Hörn. 88 38-41. Bind. 8 39. Laband III, § 91 II.
Nicht jeder kann Berufsrichter sein.
Es gehören dazu
gewisse Erfordernisse, und die Abwesenheit gewisser Mängel. Sonst ist man entweder allgemein oder für die besondere Sache untauglich.
Wer den Erfordernissen, die wir unter
I und II behandeln wollen, nicht genügt, ist zum Richter
amt absolut unfähig, ein judex incapax.
Wer in der
einzelnen Sache mit den Mängeln, von denen wir unter III und IV handeln wollen, behaftet ist, ist zum Richter
amt relativ unfähig, nämlich entweder kraft Gesetzes
ausgeschlossen, ein judex inhabilis (unten zu III), oder kraft Parteiwillens ablehnbar, ein judex suspectus (unten
zu iv).
Fähigkeit des Berussrichters zum Richteramt.
I.
123
Handlungs
öffentlichrechtliche
Bolle
g 29.
fähigkeit wird für den Richter nach allgemeinen Grund
sätzen des öffentlichen Rechts zu erfordern sein. Zu dieser gehören außer 1. voller Handlungsfähigkeit im Sinne der allgemeinen Rechtslehre, d. h. geistiger Reife1 2und geistiger
Gesundheit-, noch des ferneren für öffentlichrechtliche Be ziehungen: 2. männliches Geschlecht; 3. inländische Staats
angehörigkeit;
4.
der bürgerlichen Ehrenrechte
Vollbesitz
(vgl. StGB. 31, 33, 35, 128, 129, 358.
GVG. 128).
II. Wissenschaftliche Qualifikation verlangen
GVG. 2—4.
Danach ist nötig entweder a) mindestens Ablegung zweier Prüfflngen,
dreijähriges Rechtsstudium,
und Assessorexamen) und
(in Preußen Referendar-
da
zwischen ein mindestens dreijähriger Vorbereitungsdienst;
oder b) statt dessen die Stellung als ordentlicher öffent licher Lehrer des Rechts
(nicht bloß
schaften) an einer deutschen Universität.
der Staatswissen In beiden Fällen
muß noch eine Berufung zur Aus Übung hinzutreten:
entweder durch Ernennung auf Lebenszeit mit festem Gehalt (GVG. 6—9) oder durch Beauftragung mit einstweiliger
Wahrnehmung richterlicher Geschäfte nach näherer Maßgabe
des Landesrechts (GVG. 10). III. Ausschließung kraft Gesetzes einer im all
gemeinen zum Richteramt tauglichen Person findet nach StPO. 22 Z. 1—5; 23 Abs. 1—3 statt.
Die folgenden
Umstände schließen ipso jure den Richter in der konkreten 1 Aller von 21 Jahren: zum RG.Rat sogar von 35 Jahren: GBG. 127. 2 Stellt sich heraus, daß ein Richter geisteskrank war, so ist der unbedingte Revisionsgrund
des K 377 Z. 1 StPO, gegeben, genau so wie wenn hinterher entdeckt würde, der eine Mit wirkende sei weiblichen Ge schlechts oder ein Ausländer ge wesen.
124
Abschn. I.
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
Sache aus, und sind deshalb von Amts wegen zu beachten: 1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt
ist; 2. wenn er a) Ehemann, b) Vormund oder Gegen vormund (nicht Pfleger) der verletzten — c) Ehemann, d) Vormund der beschuldigten Person (nicht bloßer Kom plizen, die nicht mitbeschuldigt sind) ist oder gewesen ist;
3. wenn er in folgenden Beziehungen zum Verletzten oder zum Beschuldigten steht: a) Verwandtschaft (nicht außer eheliche) in gerader Linie; b) Verwandtschaft in der Seiten
linie bis zum 3. Grade; c) Schwägerschaft in gerader Linie in jedem Grade; d) Schwägerschaft in der Seitenlinie bis
zum 2. Grade; e) Adoptivverwandtschaft in gerader Linie; 4. wenn er früher in derselben Strafsache, wenn auch in noch so unbedeutendem Maße (RG. 28, 53) a) als Be
amter der Staatsanwaltschaft, b) als Polizeibeamter, c) als Anwalt
des
Verletzten,
d) als Verteidiger
tätig
war;
5. wenn er früher in derselben Strafsache a) als Zeuge, b) als Sachverständiger (oder Dolmetscher) vernommen ist,
selbst wenn er von einem Weigerungsrecht Gebrauch gemacht
hat; 6. wenn er in derselben Strafsache bereits mitgewirkt hat a) als Richter früherer Instanz (8 23 Abs. 1), b) als
Untersuchungsrichter (§ 23 Abs. 2), c) als Berichterstatter beim Eröffnungsbeschluß oder sonstiger Entscheidung über
die Anklage im Zwischenverfahren (§ 23 Abs. 3), d) als Richter bei irgend einer Entscheidung über die Anklage im
Zwischenverfahren,
wenn bereits zwei Mitwirkende tätig
tut gleichwohl die HM. und die 3 Ansehen und Würde der Praxis des RG. 23, 361. Selbst Rechtspflege leiden, wenn je von diesem Standpunkt aus mand in propria causa Richter sind aber RG. 24, 342. 25, sein darf. Das ist die ratio legis. Folglich ist tz 22 Z. 1 I 179 sicher unrichtig. Richtig: nicht auf die „unmittelbar Ver I Glaser, Handb. II S. 109. letzten" zu beschränken. Das ! Ullm. S. 167. RG. 33, 314.
Fähigkeit des Berufsrichlers zum Richteramt.
g 29.
125
Der Ausschluß zu 6c und d
sind (§ 23 Abs. 3).
gilt jedoch nur für das Hauptverfahren vor
der Strafkammer. Die Ausschlußgründe zu 1 bis 5 machen jeden Tätigkeitsakt des betreffenden Richters nichtig und das Urteil nach § 377 Z. 2 kassierbar (RG. 30, 70); der Ausschlußgrund zu 6 nur jede Mitwirkung bei einer
Entscheidung. IV. Die Ablehnung wegen Besorgnis
der
Befangenheit ist durch StPO. 24—30 geregelt.
Der
Richter ist hier nicht von Rechts wegen ausgeschlossen, wohl
aber steht es den Beteiligten offen, durch eine Reaktion ihrerseits ihm die Ausübung seines Amtes in der einzelnen
Sache zu verlegen.
Die Gründe der Befangenheit kann
das Gesetz nicht auszählen; es wird nur ein allgemeiner Fingerzeig dahin gegeben, daß der Grund geeignet sein müsse, Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu
rechtfertigen.
Den Anstoß zum Ablehnungsverfahren geben
entweder die Parteien (Staatsanwalt, Privatkläger, Neben kläger, Beschuldigter, Einziehungsbetroffener) oder nach § 30 der Richter selbst, der jedoch niemals beweispflichtig oder anfechtungsberechtigt ist.
betrachten. werden:
Der erstere Fall ist näher zu
Das Ablehnungsgesuch muß angebracht
a) innerhalb
präludierender Frist
(§ 25;
in
I. Instanz bis zur Verlesung des Eröffnungsbeschlusses;
in der Rechtsmittelinstanz bis zum Beginn der Bericht
erstattung)-/ b) in beliebiger Form, mündlich, schriftlich oder zu Protokoll (§ 26 Abs. 1 Teil II); c) beim Gericht,
dem der Richter angehört (§ 26 Abs. 1 Teil I); d) unter Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes (§ 26 Abs. 2). 4 sofern es sich um Ablehnung I müssenden Richtereines in der Haupwerhandlung I im übrigen fristlos.
handelt;
126
Abschn. I.
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
Die Beweisführung liegt dem Anbringer ob.
Sie
ist eine Glaubhaftmachung im Sinne CPO. 294, durch
einseitige, parate Beweismittel mit Ausnahme der Eides
zuschiebung und des Erbietens zur Eidesleistung? Stets muß außerdem eine dienstliche Äußerung des ab gelehnten Richters erfolgen, der übrigens auch als Zeuge
vernommen werden kann.
Hält ein
abgelehnter Unter-
suchungs- oder Amtsrichter das Gesuch für begründet, so bedarf es keiner Entscheidung (§ 27 Abs. 2 S. 2).
Die Entscheidung trifft bei Schöffen der Amts richter, beim Amtsrichter die Dreimännerftrafkammer, beim
Untersuchungsrichter die Dreimännerstrafkammer, beim Land richter bald die Fünf-, bald die Dreimännerstrafkammer
beim Oberlandesgerichtsrat der Oberlandesgerichtssenat, beim Reichsgerichtsrat der betreffende Reichsgerichtssenat, beim
reichsgerichtlichen Untersuchungsrichter der I. Strafsenat des Reichsgerichtes.
Für die Geschworenen bestehen ganz ab
weichende Vorschriften. Soweit beim Landgericht oder Ober landesgericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitgliedes
die Kammer oder der Senat beschlußunfähig wird, entscheidet das zunächst obere Gericht.
Die dem Gesuch stattgebende
Entscheidung ist unanfechtbar, die sie verwerfende a) wenn
es sich um einen erkennenden Richter handelt, erst zugleich mit dem Urteil (§ 28 Abs. 2)7, b)
in
allen
anderen
6 § 26 Abs. 2 S. 1: der sog. I Abs. 3 „Hauptversahren", nicht Perhorreszenzeid ist int Gegens. i „Hauptverhandlung", aus dem zur HM. des gern. R. ausge „inneren Grunde des Gesetzes" schloffen. hinweginterpretiert), 21, 250. 6 n. M. die den Ablehnungen 30, 273 illustriert wird. 7 auch wenn ein OLG. nach feindselige Praxis, deren be § 27 Abs. 1 a. E. entschieden denkliche Tendenz durch RG. 11, 224. 13, 302 (hier wird so hat, RG. 33, 314. gar der klare Wortlaut des § 23
Schöffen und Geschworene,
g 30.
127
Fällen sogleich durch sofortige Beschwerde (§ 28 Abs. 1) anfechtbar.
Die Wirkung der Ablehnung ist sogleich von der Anbringung des Gesuches an Ausschluß des betreffenden Richters.
Doch darf er noch bis zur Entscheidung über
die Ablehnung solche Handlungen vornehmen, die keinen
Aufschub gestatten (StPO. 29).
Anders ist es beim judex
inhabilis: dieser darf nicht einmal solche Handlungen vor nehmen.
V. Das gleiche Ablehnungsverfahren steht auch für die Geltendmachung
eines Ausschlußgrundes
(StPO. 24 Abs. 1).
nach
III
offen
Entstehen Zweifel, ob ein Richter
inhabilis sei, so kann das Gericht des § 27 hierüber von Amts wegen nach § 30 a. E. eine Entscheidung
treffen,
die dann nach Maßgabe des § 28 anfechtbar oder unan
fechtbar ist.
Das gleiche Ablehnungsverfahren wird endlich
per analogiam auch auf die Fälle des judex incapax (oben
I und II) auszudehnen sein. § 30. Schöffen und Geschworene, iUSbesondere ihre Gewinnung.
Kries § 17. Birkm. §§ 43-45. B.-B. 88 16-16. Ullm. 88 25—32. Bind. 88 40—42. Laband III, § 91 I. Otter, Rechtsgrundlagen der Sch - und SchwGBildung, Arch. f. StrR., Bd. 49 u. 50.
I. Die positiven Erfordernisse zu diesen unentgeltlichen
Ehrenämtern (GBG. 31, 84, 55, 96) und die Gründe
der Zurückhaltung von der Ausübung des Amtes sind zum großen Teil abweichend von dem eben Erörterten geregelt.
Die Garantien bestehen nicht in einem Vermögens- oder Bildungszensus, sondern im Wahlmodus.
Bolle öffentlich-
Abschn. I.
128
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
rechtliche Handlungsfähigkeit wird auch hier gefordert (Nicht deutsche, Ehrlose sind ausgeschlossen, GBG. 31 S. 2, 32
Z. 1, 84), dagegen nicht die wissenschaftliche Qualifikation;
wohl aber gelten wiederum die Ausschlußgründe (StPO. 31 Abs. 1,
32, 279).
Die Bestimmungen
über Ablehnung
endlich greifen für die Schöffen Platz (StPO. 31), nicht aber für die Geschworenen, für welche das peremtorische
Berwersungsrecht der §§ 282—285 StPO. gilt.
Dazu
treten endlich zwei besondere Fälle absoluter Unfähigkeit Z. 2 und 3, für welche der Zeitpunkt der
in GVG. 32,
Ausübung des Amtes maßgebend ist (RG. 21, 298). II. Neben den Personen, die zu dem Amt eines Schöffen oder Geschworenen unfähig sind, unterscheidet das Gesetz
noch
zwei
Klassen:
a) Solche,
die
nicht
berufen
werden sollen, wobei von Amts wegen zu beachtende
(GBG. 52 Abs. 2) Gründe des öffentlichen Interesses ob
walten, ohne daß die Verletzung jedoch das Verfahren nichtig macht.
Diese Klasse zerfällt in 2 Gruppen, bei deren erster
(GBG. 33) die Rücksicht auf die Interessen der Rechts pflege, bei deren zweiter (GVG. 34) die Rücksicht auf die Interessen
des
Reichs-
und
Staatsdienstes
vorwiegt.*1
b) Solche, die die Berufung ablehnen dürfen
(GBG. 35):
1. Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden
Versammlung; 2. Personen, die im letzten Geschäftsjahr 1 Sie sind teils von Reichs wegen ausgezählt, GVG. 34 Abs. 1; teils ist die Aufzählung dem Landesrecht überlassen (GBG. 34 Abs. 2). Das preuß. AuSfG. z. GVG. § 33 nennt 1. Vortragende Räte der Mi nisterien, Generalinspektor des Katasters; 2. Provinzialsteuer
direktoren; 3. Dirigent der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin; 4. Mitglieder deS Oberverwaltunasgerichts, ständige Mit glieder der Bezirksverwaltungsgerichte, und des Verwaltungs gerichts für Berlin.
Schöffen und Geschworene.
129
§ 30.
einmal Geschworener oder fünfmal Schöffe waren; 3. appro bierte Ärzte; 4. Zlpotheker ohne Gehilfen; 5. Personen über
65 Jahre; 6. Personen, die glaubhaft machen, daß sie den Aufwand nicht zu tragen vermögen; 7. Personen, die bereits zu dem andern der beiden Ämter einberufen sind
(GVG. 97). Gelangen Personen aus den Klassen a und b dennoch in die Liste und zur Ausübung des Richteramtes, so ist dies ohne jeden Einfluß auf das ergehende Urteil.
Personen der Klasse
Weigerungsrecht,
a haben
jedoch
Die
unbefristetes
ein
b ein Ablehnungsrecht,
die der Klasse
das bei den Schöffen (GVG. 53) befristet ist, bei den Geschworenen nicht (GVG. 94).-
III. Die Gewinnung der Schöffen für die einzelne Sache vollzieht sich in folgenden Etappen: für den
durch den
im Wege
1. die Urliste GVG. 36.
Gemeinde verband
Vorsteher
der Zusammen stellung
2. die Iah res liste GVG. 42 für daS
AG.-Bezirk
Ausschuß
der Wahl
AG.-Bezirk
Amtsrichter
der Auslosung
Es wird gewonnen
Geschäftsjahr
3. dieReihenfolge GVG. 45 für die einzelne Sitzung
Die Jahresliste ist eine doppelte: eine für die Haupt schöffen und eine für die Hilfsschöffen (GVG. 42—44).
Die Auslosung der Reihenfolge durch den
Amtsrichter
geschieht: ' Pflichten der Laienrichter GVG. 56, 96, 200. Rotenseld, ReichrftrafProzed.
8. Ausl.
StGB. 138.
9
Abschn. I.
130
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
a) für die ordentlichen Sitzungen aus der Jahres liste der Hauptschöffen für das ganze Jahr im voraus (GBG. 45); d) für die außerordentlichen Sitzungen (GVG. 48) je für die einzelne Sitzung a) ohne besondere Dringlichkeit: aus der Jahresliste der Hauptschöffen; ß) bei besonderer Dringlichkeit: aus der Zahl der am Sitz des Gerichts wohnenden Hilssschöffen. Einzelheiten. biS
1.
August
Zu 1: a) Aufstellung der Urliste in Preußen (Geschäftsjahr — Kalenderjahr); ausgenommen
werden alle Personen des Gemeindeverbandes außer den Unfähigen und denen, die nicht berufen werden sollen, aber einschl. derer, die ablehnen dürfen, b) Öffentliche Bekanntmachung deS Zeitpunktes
der Auslegung, eine Woche lang,
c) Auslegung der Urliste zu jedermanns Einsicht
d) Aufnahme bzw. Entgegennahme von „Ein
sprachen", die sich gegen die Richtigkeit oder gegen die Vollständig keit der Urliste wenden können und nicht nur von den Betroffenen
erhoben
werden dürfen,
e) Einsendung «) der Urliste,
der
Einsprachen, y) der erforderlich erscheinenden Bemerkungen z. B.
über
vorhandene
AblehnungSgründe,
Preußen bis 1. September,
an
den
Amtsrichter,
in
f) Anzeige von nachträglichen Ein
sprachen oder nötigen Korrekturen.
GBG. 36—38.
Zu 2: A. Tätigkeit deS Amtsrichters vor Zusammentritt deS
AusschuffeS.
a) Prüfung, ob Id und c beobachtet; b) nötigenfalls
Zurückgabe der Urliste zur Abstellung von Mängeln; c) Zusammen
stellung der Urlisten für den ganzen AG.-Bezirk; d) Vorbereitung
des Beschlusses über die Einsprachen, z. B. durch Ermittelungen; c) Bestimmung deS Termins — in Preußen zwischen 1. Sep tember und 1. November — für die nicht öffentliche Ausschuß
sitzung; f) Ladung der Ausschußmitglieder. sammensetzung deS Ausschusses,
GVG. 39. — B. Zu
a) Amtsrichter alS Vorsitzender;
StaatSverwaltungSbeamter (in Preußen meist Landrat, und Stell
vertreter), von der Landesregierung (in Preußen Regierungsprä sident) ernannt; 7 Vertrauensmänner (auf Helgoland 2).
b) Die
Schöffen und Geschworene.
§ 30.
131
Vertrauensmänner werden jährlich aus den Einwohnern des AG-
Bezirks
gewählt (persönliche Erforderniffe
in Preußen wie bei
Schöffen) und zwar «) primär durch Kommunalvertretungen (in Preußen Kreisausschüsse und Stadtmagistrate, wobei auf mehrere wahlberechtigte Verbände die Zahl je im Januar durch den Amts
richter nach der Einwohnerzahl verteilt wird) nach absoluter Ma jorität; /?) subsidiär durch den Amtsrichter,
c) Zur Beschlußfähig
keit des Ausschusses gehören der Amtsrichter, der Verwaltungs beamte und 3 (auf Helgoland 1) Vertrauensmänner,
d) Abstim
mung nach absoluter Majorität, event, gibt der Vorsitzende den Ausschlag.
GBG. 40. — C. Tätigkeit des Ausschusses,
a) Ent
scheidung über die Einsprachen (mit Gründen zu protokollieren;
endgültig und unanfechtbar, jedoch StPO. 279, 377 Z. 1).
richtigung und Vervollständigung der Urliste,
b) Be
c) Wahl der (in
Preußen bis 1. September vom LGPräsidenten an den AR. mit
geteilten) erforderlichen Zahl der Hauptschöffen.
d) Wahl der Hilfs
schöffen (am Sitz des AG. oder in nächster Umgebung), setzung der Reihenfolge der Hilfsschöffen,
e) Fest
f) Herstellung der Ge
schworenenvorschlagsliste — s. unten IV; GVG. 41—44, 87. Zu 3: A. Gewöhnlicher Verlaus,
a) Feststellung (in Preußen
im November) der ordentlichen Sitzungstage des Schöffengerichts für das nächste Kalenderjahr,
Sitzung zur Auslosung,
b) Anberaumung einer öffentlichen
c) Losziehung durch den AR.
Dabei
können Lose mit den Namen gezogen werden; der fünfmal (GBG.
43 Ads. 2) gezogene Name scheidet aus. Oder Lose mit den Sitzungstagen; der zweimal gezogene Tag scheidet aus. Oder beides zugleich; die fünfmal gezogenen Namen und zweimal gezogenen
Tage scheiden auS.
Die erste Methode ist die übliche,
kollierung, GVG. 45 Abs. 3.
46,
d) Proto
e) Notifikation der Schöffen, GBG.
f) Anbringung von Ablehnungsgründen binnen einer Woche
und Entscheidung darüber, GBG. 53.
g) Ladung zur einzelnen
Sitzung, praktisch kaum entbehrlich, in Preußen vorgeschrieben. — B. Nachträgliche Änderung der Reihenfolge, a) Tausch unter 2
oder mehreren Schöffen, bevor Sachen auf die Termine angesetzt sind: übereinstimmender Antrag der Schöffen; Bewilligung durch
AR. nur fakultativ, GBG. 47.
b) Streichung von der Liste wegen
Unfähigkeit, GBG. 52 Abs. 1.
c) fernere Nichtheranziehung nach 9*
Abschn. I.
132
GBG. 52 Abs. 2.
Kap. II.
Die Gerichtspersonen.
d) eigene Ablehnung, GBG. 53.
bindung wegen Hinderungsgründe, GBG. 54 Abs. 1. unter 2 (nicht mehreren) Schöffen, auch wenn
e) Ent f) Tausch
der Termin schon
besetzt ist, wegen besonderer Hinderungsgründe, auf oder ohne Ini
tiative des AR., GBG. 54 Abs. 2. — C. Berufung von Hilfs
schöffen.
a) Ersetzung eines Hauptschöffen für die einzelne Sitzung,
GBG. 49 Abs. 1.
Ist der Hauptschöffe für den ganzen Rest des
Geschäftsjahres weggesallen, so tritt dies Verfahren für jede einzelne
Sitzung ein, an der er hätte teilnehmen sollen, Eite, GBG. 49 Abs. 2, Beschränkung auf
wohnenden,
b) Fall besonderer
die
am GerichtSsitz
c) Ergänzungsschöffen, GBG. 194 Abs. 3, 49 Abs. 1
d) Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung und
und 2.
besondere Dringlichkeit, GBG. 48 Abs. 2.
IV. Die Gewinnung der Geschworenen für die einzelne
Sache spielt sich in den S. 133 angeführten Etappen ob:
Die Jahreslisten sind auch hier gesonderte für die Hauptund für die Hilfsgeschworenen; für letztere ist in gleicher
Weise eventuell noch GBG. 98
bilden,
zu
Schwurgerichtssitzungen. falls
eine weitere besondere
Liste
nach
für einzelne auswärtige
nämlich
Die Spruchliste erfährt nötigen
eine Vervollständigung durch
den
Schwurgerichts
vorsitzenden auf dem Wege der Nachlosung a) vor
Zusammentritt
des
Schwurgerichts
aus
der
aus
der
Hauptgeschworenenliste, GBG. 94 Abs. 2;
b) nach
Zusammentritt
des
Schwurgerichts
Hilfsgeschworenenliste, StPO. 280. Einzelheiten.
oben S. 130.
Zu 1 gilt das gleiche wie bei den Schöffen,
Die Urlisten für beide sind identisch.
Zu 2: a) Bestimmung durch die Landesjustizverwaltung (in
Preußen
durch
LGPräsident bis 1.
September),
wie viel
Ge
schworene in dem LGBezirk oder dem davon nach GBG. 99 ab
weichenden SchwGBezirk im Jahre nötig sind, und wie viele davon auf den einzelnen AGBezirk entfallen,
auS den Urlisten
die dreifache Zahl
b) Der Ausschuß wählt —
oben III zu 2, C, f.
Schöffen und Geschworene.
| 30.
133
134
Abschn. I.
Kap. II.
Die GerichtSpersonen.
c) Die Vorschlagsliste scheidet Haupt- und Hilfsgeschworene noch
nicht. — GBG. 86—88. Zu 3: a) Einsendung (in unmittelbarem Anschluß an die Ausschußsitzung) der Vorschlagslisten und der die Aufgenommenen betreffenden Einsprachen an den LGPräsidenten. b) Anberaumung einer nichtöffentlichen LGSitzung (in Preußen im Rest des Kalenderjahres): Präsident, Direktoren, im ganzen 5 Mitglieder, c) „endgültige" Entscheidung über Einsprachen, wodurch jedoch den §§ 279, 377 Z. 1, 2 StPO, nicht vorgegriffen wird, d) Wahl der bestimmten Zahl von Hauptgeschworenen, e) Wahl der be stimmten Zahl von Hilfsgeschworenen (am SchwGOrt oder in nächster Umgebung), d und e zusammen ein Drittel der Vor schlagsliste. — GBG. 89, 90. Zu 4: A. Herstellung der Spruchliste, GBG. 91. a) Zeit der Sitzungsperioden (und deren jährliche Zahl) in Preußen durch OLGPräsidenten nach Anhörung des OStAnw. bestimmt, b) An beraumung einer öffentlichen LGSitzung (spätestens 2 Wochen vor Beginn der Periode): Präsident, 2 Mitglieder, Staatsanwaltschaft, c) Präsident lost 30 Hauptgeschworene auS. d) Protokollierung, e) Für die zweite und folgende Sitzungsperiode scheiden die früher als Geschworene Erschienenen aus; es sei denn, daß sie selbst das Gegenteil beantragen. — B. Weitere Behandlung der Spruchliste, GBG. 92—94. a) Übersendung an den SchwGBorsitzenden.
b) Ladung der Geschworenen mit „tunlichst" 1 Woche, „mindestens" 3 Tagen Frist, c) Entscheidung über Ablehnungs (GVG. 35, 97) und HinderungSgründe (bei denen billiges Ermessen den Aus schlag gibt) nach Anhörung deS StAnw. «) vor Zusammentritt des SchwG. durch den Vorsitzenden, ^) nach Zusammentritt durch die richterlichen Mitglieder, d) event, nicht öffentliche Nachlosung, Ergänzung auf 30, in formlosem Verfahren. Zu 5: A. Vorbereitung der Auslosung, a) Mitteilung der Spruchliste an den Angeklagten, StPO. 277. b) Sichtung der Liste von incapaces und inhabiles durch Streichung, StPO. 279. c) Möglich ist Nichterscheinen oder Entfernung wegen Ablehnungs oder Hinderungsgründe, GBG. 94, oder Wegfall (der Geschw. ist tot, auögewandert, unermittelt, nicht geladen), oder endlich unent schuldigtes, nach GVG. 56, 96 strafbares Ausbleiben, d) Der
| 31.
Der Gerichtsschreiber. Rest muß 24—30 betragen.
135
Eventuell Ergänzung auf 30 durch
öffentliche Nachlosung aus der Jahresliste der Hilfs geschworenen, e) Geltung der Nachlosung für den Rest der Periode; doch ist diese Einwirkung auf die Spruchliste resolutiv bedingt; erscheinen
mehr als 30, so treten die überzähligen Hilf-geschworenen in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Auslosung zurück, StPO. 280. —
B. Bildung der Geschworenenbank,
a) Beginn der Losziehung, so
bald 24 anwesend, StPO. 280 Abs. 4.
b) Losziehung durch Vor
sitzenden in unbedingt öffentlicher Sitzung, StPO. 281.
c) Ab
lehnungsverfahren : , ?
*
visionseinlegung selbst mußte natürlich unbedingt sein. 9 Zeit und Ort der Hand lungen werden häufig nur vage oder alternativ festaestellt werden können. Das ist unzulässig, wenn etwa nur der eine Zeit punkt in die Verjährungsfrist hineinfiele, oder wenn der eine Ort außerhalb des räumlichen Geltungsgebietes des einschlä gigen Strafrechtssapes läge. 10 mit Ostern a. O. §8 11 ff.
Begriff der Prozeßhandlungen.
g 47
211
„in oder gleich nach der Geburt"), Generalklauseln (z. B. StGB. 48 „oder durch andere Mittel"; 223a „oder eines andern gefährlichen Werkzeugs"; 229 „oder andere Stoffe,
welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind"), gleich wertige Modalitäten eines Tatbestandes (z. B. StGB. 259
„wußte oder den Umständen nach annehmen mußte"; 223 „körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt" ferner StGB. 186. 224).
In den Fällen unter 2 hätte
eine sorgfältigere Gesetzesredaktion durch Wahl des nächsten
Oberbegriffes über den Einzelgliedern der Aufzählung oder
des Mindestersordernisses unter ihnen, soweit sie sich decken, die Alternativität zum Verschwinden bringen können. Bei alledem darf nicht übersehen werden, daß die Frage, ob
die einzelnen Glieder oder Umstände rechtlich genau die
selbe Bedeutung haben, ob die verschiedenen Modalitäten rechtlich gleichwertig sind, ganz und gar dem materiellen Recht angehört, wenigstens soweit es sich um die Schuldund die Straffrage handelt.11 Tas Strafgesetz hat übrigens
T. über das, was als gleichwertig anzusehen ist, impli
cite bindende Vorschriften gegeben.
Erstens in negativer
Beziehung: was in getrennten Paragraphen oder Ziffern desselben Paragraphen ohne Verweisung aufeinander unter
gebracht ist, kann trotz gleicher Rechtsfolgen auch bei innerer Verwandtschaft nicht als gleichwertig und vertauschbar gelten,
z. B. StGB. 242, 258 Z. 1, 259 oder 243 Ziff. 2, Ziff. 3, ferner Täterschaft und Anstiftung oder Beihilfe.
Zwei
tens in positiver Beziehung: was der Gesetzgeber trotz äußerer Sonderung als einander gleichstehend, als einander gleich anzusehen bezeichnet hat, kann vikariierend für ein-
11 Richtig v. Kries 592. Warum das ein Paradoxon
sein soll, Ostern a. L. 94, verstehe ich nicht.
212
Abschn. III.
Kap. I.
Allgem. über Prozeßhandlungen.
ander eintreten und läßt als gleichwertig alternaüve Fest
stellung zu, z. B. StGB. 249 und 252, 249 und 255,
267 und 269, 267 und 270.12 **
Im Einzelfall zu unter
suchen bleibt, was außerdem durch
„oder" verbunden in
einer limitativen Aufzählung (also ohne clausula ge neralis) innerhalb des gleichen Paragraphen steht. So sind z. B.
gleichwertig die Brandstiftungsobjekte des StGB.
308 13 14 oder * 16 von den Modalitäten in StGB. 223 a die Körper verletzung mittels einer Waffe oder mittels einer das Leben
gefährdenden Behandlung.
Dagegen ist die ebenda durch
die Worte „von Mehreren gemeinschaftlich" gekennzeichnete
Begehungsweise den übrigen nicht gleichwertig, weil hier
auch StGB. 47 anzuwenden ist.
Ebenso ist eine alter
native Feststellung beim schwersten Raub aus StGB. 251
nicht statthaft, weil die Verursachung der schweren Körper
verletzung (oder des Todes) die §§ 224 (oder 226. 212 u. a.) mitberührt, mit denen das „Martern" nichts zu tun hat."
Der prinzipielle Gesichtspunkt dürfte hiernach klargestellt sein", und gewisiermaßen als Probe auf das Exempel
sei hervorgehoben: wo immer die in jeder alternativen ie RG. 35, 299. " So RG. 35, 285 mit frei lich sehr bedenklicher Folgerung hinsichtlich des Vorsatzes. 14 a. M. RG. 35,357 gegen den Antraa deS Reichsanw., der zu treffend auch die Verschiedenheit in subjektiver Hinsicht betont. 16 Einzelheiten in Fülle bei Ostern, S. 93ff., S. 150ff. Beispiele aus der Judikatur: unzulässig ist die Feststellung, daß jemand Konterbande oder Deftaude begangen, RG. 22, 215 f.; daß ein Diebstahl mittels
Erbrechens von Behältnissen oder mittels falscher Schlüssel verübt sei, RG. 23, 47; daß jemand entweder am 1. März 1892 vor dem AG. Egeln oder am 20. Juni 1892 vor dem LG. Halberstadt einen wissent lichen Meineid geschworen, RG. 26, 155. Ebenso m. E., daß jemand einen Mord entweder als Alleintäter oder als Mit täter begangen habe; a. M. RG. 12, 351 (Mord deS Po lizeirats Rumpf in Frankfurt a/M.). 23, 47. 36, 18.
Die Zeit der Prozeßhandlungen.
f 48.
213
Feststellung liegende Unbestimmtheit zu Zweifel über die Rechtsfolgen, sei es auch nur in Beziehung auf die Straf
bemessung, Raum ließ, da war die Alternativität unzulässig.'«
VI. Einen besonders wichtigen Teil der Prozeßhand
lungen, in dessen Erledigung sich Gericht und Parteien
teilen, bilden der Beweis und die Beweissicherung.
Der
Umfang der Beweisaufnahme hängt vielfach von dem Mllen
der Parteien ab, und die Beweisaufnahme liegt stets mit
in ihren Händen.
Wir widmen diesen Handlungen die
beiden nächsten Kapitel. 8 48. Bit Jett der Prozeßhandlungen.
Kries §§ 56, 57. I
Birkm. § 84. B.-B. § 79. Bind. §§ 92, 93.
Ullm. §§ 68, 69.
Die Gerichtstätigkeit ist im Strasprozeß im allge
meinen an Zeitmomente nicht gebunden.
Sie geht während
des ganzen Jahres (ohne Gerichtsferien, GVG. 202 Z. 1, 203) und auch an Sonn- und Feiertagen vor sich.
An
letzteren finden jedoch in der Regel keine Hauptverhand
lungen oder sonstige Termine statt.1
Die Parteitätigkeit
hängt weit mehr ab von der Einhaltung bestimmter Ter mine, d. h.
Zeitpunkte zur Vornahme solcher Prozeß
handlungen, bei denen mehrere Prozeßsubjekte mitwirken, und bestimmter Fristen, d. h. Zeiträume, innerhalb deren
ein Prozeßsubjest handeln soll (Parteifristen, Hand'* Hieraus erhellt die rtchtigkett von RG. 36, betr. die einzelnen Ziffern KO. 240. Der Grundsatz
Un- : S. 211 ist hier außer Betracht 194 - gelassen. von I 1 Anders jedoch in den Fäloben len der Freiheitsentziehung: StPO. 115, 128,132,135,164.
Abschn. III.
214
Kap. I.
Allgem. über Prozeßhandlungen.
lungsftisten) oder nicht handeln, also andern Prozeßsub jekten Zeit lassen soll (Zwischenfristen, Einlassungs-,
Ladungsfristen).
Termine beraumt der Richter an; Fristen
werden entweder ein für allemal vom Gesetz fixiert, so die
Rechtsmittelfristen, oder im einzelnen Fall vom Richter festgesetzt: gesetzliche und richterliche Fristen.' II. Lauf und Berechnung der Fristen richtet sich ent weder nach Prozeßabschnitten (z. B. StPO. 16) oder nach
Zeitteilen; im letzteren Falle gilt StPO. 42, 43.
Ver
längerung einer gesetzlichen Frist findet sich ausnahmsweise in StPO. 126 Abs. 2; Verlängerung richterlicher Fristen
ist allgemein zulässig, z. B. der Erklärungsfrist
auf die
Anklageschrift. III. Die Parteifrist wird gewahrt durch Vornahme der
Handlung.
Ist diese eine schriftliche Erklärung, so muß
sie auch an die richtige Adresse gelangt fein.3
Die Wir
kung der Versäumung ist in der Regel Ausschluß mit der betreffenden Handlung (peremtorische Fristen, fristen).
Doch
haben
Charakter, so daß bftrf.4
manche
Fristen
Präklusiv
nur dilatorischen
trotz Ablaufs noch gehandelt werden
Rechtsbehelf gegen Versäumnis ist die Wiederein
setzung (unten § 94).
2 Gesetzliche Fristen noch in StPO. 46, 234, 358, 385, 140, 126, 228; richterliche in StPO. 121, 199, 270, 408, 422; Zwischcnfristen in StPO. 216, 425. — Uneigentliche Fristen, die dem Gericht gesetzt und ihrem Wesen nach nur Dienst anweisungen sind, in StPO. 124, 275, 348.
• RG. 10, 74. Erleichterung für den Inhaftierten, StPO. 341; vgl. MilStGO. 369 Abs. 3. * So die Frist StPO. 385 für die Berusunysrechtfertigung und die Fristen für Erklärungen auf Anklagen, StPO. 199, 270, 425.
Ter Ort der Prozeßhandlungen.
ß 49.
215
§ 49.
*
Ser Grt der prozrßhandlungrn. Birkm. 88 82, 83.
B.-B. 8 80.
I. Termine und insbesondere Hauptverhandlungen werden
regelrecht an Gerichtsstelle, im Gerichtsgebäude abgehalten. Eine allgemeine Vorschrift, die dem Gericht Abweichungen davon anheimgibt, wie CPO. 219, existiert zwar in der
StPO, nicht; indessen müssen manche Akte, wie bisweilen
der Augenschein und stets die Vernehmung suveräner Per sonen, außerhalb der Gerichtsstelle stattfinden (StPO. 86,
71); ebenso muß die Vorschrift, daß gegen nicht Anwesende keine Hauptverhandlung stattzufinden pflegt (StPO- 229), dahin führen, in Fällen,
wo etwa der Angeklagte zum
Verlassen seiner Behausung außerstande ist, die Stätte der
Gerichtstätigkeit zu verlegen.
Es erscheint daher allgemein
zulässig, eine einzelne Sitzung aus besonderen Gründen in
einem anderen Gebäude, unter fteiem Himmel oder auch an einem andern Ort des Gerichtsbezirks abzuhalten? II. Soll eine Frist durch eine Parteihandlung gewahrt
werden, so muß die Handlung an Gerichtsstelle vorgenom
men werden.
Ist aber z. B. bei Rechtsmitteleinlegung der
Gerichtsschreiber bereit, das erforderliche Schriftstück außer
halb des Bureaus in Empfang zu nehmen, so ist die Frist gewahrt?
§ 50. Sie Form der ProzrhhanLluugen. Kries 8 35 III, IV.
Birkm. §§ 80, 81.
B.-B. 8 76.
Es herrscht der Grundsatz der Mündlichkeit (oben § 15), doch wird zu manchen Akten, wie regelrecht zur Erhebung
1 RG. 22, 398. Vgl. GBG. I zirk, GBG. 167, 168. 98. Eingreifen in fremden Be- I 1 RG. 31, 4.
216
der
Abschn. III.
Kap. I.
öffentlichen Klage,
Allgem. über Prozeßhandlungen.
Schriftlichkeit erfordert,
auch zu
manchen Akten der Gerichtstätigkeit (Haftbefehl, Eröffnungs
beschluß, Urteilsgründe).
Privaten in Parteistellung ist
mehrfach Schriftlichkeit und Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers zur Wahl gestellt, so bei der Einlegung und Rechtfertigung von Rechtsmitteln und bei der Erhe bung der Privatklage (StPO. 348, 355, 358, 381, 421).
Bei einigen dieser Wahlfälle muß die schriftliche Erklärung
von einem Anwalt unterzeichnet sein (StPO. 385 Abs. 2: Revifionsrechtfertigung; 406 Abs. 2 : Antrag auf Wieder
aufnahme).
Gleiches verlangt StPO. 170 Abs. 2 für den
Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung.
8 bl. Bit prozehvoraussttzungtn. Kries § 58. Birkm. §§ 85, 86. B.-B. §§ 4, 5. Ullm. §§ 66, 72. Bind. §§ 94, 95.
I. Insofern die Prozeßhandlungen in ihrer Zulässigkeit
und Wirksamkeit von voraufgegangenen Handlungen bedingt werden und auf folgende bedingend cinwirken, gehören sie
zu den Prozeßvoraussetzungen.
Wir verstehen dar
unter in weitestem Sinne diejenigen Umstände, die vor liegen müffen, damit das Rechtsverhältnis des Strafprozeffes entstehen, sich Schritt um Schritt von Stadium zu Stadium weiterbewegen und sich
seinem Endziel,
einer
Sachentscheidung über den staatlichen Strafanspruch, ent gegen entwickeln kann.
Wir haben den Begriff im Unter
schiede von den Bedingungen der Strafbarkeit bereits oben S. 43 erörtert.
Prozeßvoraussetzung kann auch das Nicht
vorliegen gewiffer positiver Umstände sein.
Diese Umstände
können wir dann als Prozeßhindernisse bezeichnen,
Die Prozeßvoraussetzungen.
ß 51.
217
so z. B. daS Bestehen einer Ehe zwischen dem Entführer
und der Entführten, StGB. 238.
II. Einzelne Prozeßvoraussetzungen
haben wir schon
behandelt, so 1. die erforderlichen Eigenschaften des Ge richts,
nämlich sachliche und
örtliche Zuständigkeit und
richtige Besetzung; 2. die erforderlichen Eigenschaften der Parteien, nämlich ihre und ihrer Vertreter nötige Partei-
und Prozeßfähigkeit;
3. die
erforderlichen
Eigenschaften
der Streitsache: nämlich daß sie eine Kriminalstrafsache, ist (nicht Disziplinar-, Ordnungs-, Ministerstrafsache, oben
S. 37 Anm ); daß sie nicht vor ein Sondergericht, ins
besondere Militärgericht, gehört; daß sie in einer irregu lären Berfahrensart eine Strafsache der betreffenden Kate
gorie ist, Vgl. StPO. 429, 458.
m. Andere Prozeßvoraussetzungen ergeben sich aus dem StGB.1; insbesondere Antrag und Ermächtigung. Über den ersteren StGB. 61—65, über die Form seiner Stellung StPO. 156 Abs. 2, Lehrb. § 71, 4. — Eine
eigenartige Prozeßvoraussetzung für das Einschreiten gegen einen Schiffsmann wegen gröblicher Verletzung der Dienst pflicht ist die Eintragung im Schiffstagebuch, Seem.O. v.
2. Juni 1902 § 98, Abs. 2 S. 2. Zur Strafverfolgung von Landes- (nicht Reichs-) beamten ist in einigen Bundesstaaten eine Vorentscheidung des obersten Verwaltungs-Ger. oder des RG. nötig, daß der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugniffe
(oder:
der Unterlaffung
einer ihm
liegenden Amtshandlung) schuldig gemacht habe.
ob
Bald ist
diese Vorentscheidung Prozeßvoraussetznng, bald das Ver langen solcher Vorentscheidung, welches die vorgesetzte Be1 So Vorabentscheidung eines 1 Abs. 2, 191; Nichtigerklärung anderen Prozesses, StGB. 164 I einer Ehe, StGB. 238.
218
Abschn. III.
Kap. I.
Allgem. über Prozeßhandlungen.
Hörde stellt, die sog. Erhebung des Konfliktes, Prozeß hindernis.
EG. GBG. 11.2
IV. Wenn das Urteil auf einer unrichtigen Aufein anderfolge der Prozeßhandlungen, einer unrichtigen Gliede
rung des Verfahrens, beruht, so unterliegt es der Auf hebung?
Doch kann u. U. Verzicht (z. B. auf Ladung)
Präklusion (z. B. StPO. 16) oder Nachholung (insbe
sondere des Strafantrags) sanierend wirken.
V. Für jedes einzelne Prozeßstadium, für jeden Prozeß abschnitt sind besondere Erfordernisse nötig und von Amts
wegen
nachzuprüfen; so Voraussetzungen, damit in die
Voruntersuchung, in das Zwischenverfahren, in das Haupt verfahren, in die Hauptverhandlung, in die Berufungs
oder
Revisionsinstanz
eingetreten
werden
kann.
Von
allen diesen Prozeßvoraussetzungen haben uns später näher zu
beschäftigen
die Urteilsvoraussetzungen.
Sie
stehen den sonstigen Prozeßvoraussetzungen insofern gegen über,
als Existenz
oder Mangel dieser andern für die
Frage, ob ein Urteil gefällt werden kann, in dem Augen blicke, da zur Urteilsfällung geschritten werden soll, keine
Bedeutung mehr
hat.
Soll das Urteil ein Sachurteil
sein d. h. auf Verurteilung oder Freisprechung lauten, so müssen des Weiteren die spezifischen Sachurteils
voraussetzungen vorliegen (Lehrb. § 85 III). 2 Für Preußen: G. vom ; Min.Bl. 1888, S. 4 ff. unter 13. Februar 1854 und vom III. 8. April 1847, Landesverw.G. 3 RG. 23, 310. In einer vom 30. Juli 1883 § 114, für Mordsache wurde zunächst der die neuen Provinzen Verordg. Angeklagte zur Sache ver vom 16. September 1867, Art. nommen und erst hinterher der I, IV, VI für Lauenburg G. Eröffnungsbeschluß verlesen. vom 25. Februar 1878 § 3. i Das RG. findet für die- Ver Dazu der Aufsatz im Just.- | fahren Worte schärfsten Tadels.
Allgemeine Vorbegrift'e.
K 52.
219
Zweites Kapitel.
Das Beweisrecht.
§ 52.
Allgemeine Vorbrgriffe. Kries 8 47. Birkm. §§ 67, 68, 74. B.-B. §§ 82- 85. Ullm. §§ 82—84. Bind. §§ 75—78, 84. Glaser, Handb. I, S. 339 bis 747. Glaser, Beirr, z. Lehre vom Beweis im StrProz., Leipzig 1883. B e l i n g, Beweisverboie als Grenzen der Wahr heitsersorschung, 1903 Benn. Bel. Abhandlungen 46).
I. Beweisen ist diejenige Tätigkeit, durch welche in dem Richter die Überzeugung von der Wahrheit tatsäch
licher Behauptungen erweckt wird.
Mit dem Worte „Be
weis" bezeichnet man sowohl diese Tätigkeit selbst, wie das günstige Ergebnis dieser Tätigkeit, wie die benutzten
Beweismittel.
Tas Beweisen ist nicht nur eine Tätigkeit
der Parteien, sondern auch des Gerichts, zufolge des Prin zips der materiellen Wahrheit (oben § 21).
ist aber tatsächlich nicht in der Lage,
Parteien
gänzlich
zu
entraten:
die
Das Gericht
der Initiative der
relevanten
Behaup
tungen findet es zunächst in der Anklageschrift, und auch
die Beweismittel müssen (StPO. 198) dortselbst angegeben werden.
Auch stehen dem Gericht die Kenntnisse und Jn-
formationen
der Parteien nur durch deren Vermittelung
zu Gebote.
So kann denn auch — wie das dem Begriff
des Parteiprozesses entspricht — jede Partei den Beweis
selbst in die Hand nehmen: der Staatsanwalt den
Be
weis für die klagbegründenden Tatsachen, der Beschuldigte
den Gegenbeweis.
Der Beweisführer (diesen Aus
druck wenden wir alsdann auf die betreffende Partei an) kann tatsächliche Behauptungen aufstellen und Beweise an treten.
Das
Gericht ist verpflichtet, zu den ersteren in
220
Abschn. III.
Kap. II.
DaS BeweiSrecht.
seiner Entscheidung Stellung zu nehmen, und kann sich
den letzteren nur ausnahmsweise entziehen.
Wegen des eigenen aktiven Vorgehens des Gerichts zur
Erforschung der Wahrheit ist die Frage nach der Be weis l a st im Strafprozeß von geringerer Bedeutung. Doch fehlen dem Gericht oft genug Anhaltspunkte zu weiterem selbständigen Vorgehen.
Für diese Fälle gilt aushilflich
der Satz, daß im Strafprozeß prinzipiell der Kläger und
nur der Kläger die Beweislast hat.
Er muß nicht nur
dartun, daß sämtliche allgemeinen Verbrechens- und be sonderen Tatbestandsmerkmale vorliegen, sondern auch, daß
keine Rechtsertigungs-, Strafausschließungs- und Strafauf hebungsgründe
gegeben
sind.
Führt der Kläger diesen
Beweis nicht, so erfolgt Sachabweisung, d. h. Freisprechung.
Abweichendes gilt in den oben S. 79 f. erörterten Prä sumtionsfällen und Fällen eines onus probandi für den Beschuldigten. II.
Gegen st and
Beweises sind alle Um
des
stände, deren Feststellung für die Entscheidung des Pro-
zesses von Einfluß ist.
Dabei sind aber mehrere Kategorien
zu scheiden : I.
direkt
relevante Tatsachen,
nämlich
die
ausdrücklich durch das Strafgesetz bezeichneten Umstände,
deren Existenz oder Nicht-Existenz Voraussetzung eines be
jahenden Strafurteils ist1 — mag es sich dabei um Er1 z. B. ob der A dem B eine Stichwunde zugefüat hat; ob er vorsätzlich gehandelt, ob er ein Messer benutzt hat, ob er sich in Notwehr befand, ob er durch B gereizt war, ob er schon wegen Körperverletzung vorbestraft ist, wieviel er vor der Tat getrunken hatte usw.
; : i > ! l j j
Es gehört hierher nicht nur der eigentliche Schuldbeweis, d. h. der Beweis dafür, daß ein staatlicher Strasanspruch entstanden ist; sondern auch dafür, daß er nicht inzwischen erloschen ist, sowie alles, was aus die Strafrahmen- und Strafmaßfrage einwirken kann.
Das Beweisrecht.
eignifse der Außenwelt
oder um
K 52.
331
sog. innere Tatsachen
(Vorgänge des menschlichen Seelenlebens, wie Vorsatz, Fahr lässigkeit, Absicht, Überlegung, Wisien) handeln. Voraus setzung eines bejahenden Strafurteils sind aber auch alle
Umstände, von denen es abhängt, ob überhaupt ein Sach urteil prozessual zulässig ist,
—
also die Urteilsvoraus
setzungen;2. Indizien, d. h. Tatsachen, aus denen ein Schluß
auf direkt relevante Tatsachen zu ziehen ist;2 3**6
3. Hilfstatsachen, d. h. Tatsachen, von denen die Bewertung eines Beweismittels (Echtheit von Urkunden,
Glaubwürdigkeit von Zeugen) abhängt; 4.
Erfahrungssätze,
des Lebens, der Wiffenschaft
d. h. allgemeine Tatsachen
oder Kunst, des Verkehrs
oder Gewerbes, die als Sätze allgemeinen Inhalts * keine
Beziehung zu dem konkreten Prozeß haben, aber als Ober2 Liegt ein Antragsdelikt vor? leiher für 10 M. versetzt wurde, daß der Angeklagte am Morgen Ist eine abgegebene Erklärung inhaltlich, ist" sie formell ein des Tages sich als mittellos bezeichnete, am Abend aber ein Strafantrag? Ist der Antrag 10 M.-Stück besaß usw. Man steller der Berechtigte? Ist die Antragssrist gewahrt? u. dal. spricht hier auch wohl von in m. Dagegen Beling, B.-B. direktem oder künstlichem S. 320 f. im Gegensatz zu natürlichem * So kann etwa bei einer Beweis. Anklage aus StGB. 242 statt 4 etwa, daß am 27. Juni der äußeren Tatsache des Wegin Halle a. S. die Sonne nebmens und der inneren Tat astronomisch genau um 8 Uhr 26 Min. untergeht; daß bei sache der Zueignungsabsicht Gegenstand des Beweises sein: starken Trinkern, die in Geistes daß sich eine abhanden gekom störung verfallen, sich häufig mene Uhr um 4 Uhr in einem Eifersuchtswahn zeigt; daß es Zivmer befand, daß sie um möglich ist, in einer Nacht 6 Uhr verschwunden war, daß von Berlin nach Leipzig zu in der Zwischenzeit nur der An- ! fahren, dort einen EinbruchSgeklagte das Zimmer betrat, daß diebstahl zu begehen und zurückdie Uhr um 7 bei einem Pfand- | zukehren usw.
222
Nbschn. III.
Kap. II.
Das Beweisrecht.
sätze zur Beurteilung der Tatsachen dieses Prozesses dienen. Es sind somit durch Induktion gewonnene hypothetische Urteile, unter welche die im konkreten Prozeß entgegen
tretenden Tatsachen subsumiert werden.
Die Subsumtion
geschieht, um einen Schluß auf direkt relevante Tatsachen
zu gewinnen oder vorzubereiten (letzteres, indem vermöge
der Erfahrungssätze erst auf Indizien und von diesen weiter auf die direkt relevanten Tatsachen geschlossen wird)? 5 Obige Darlegungen schließen gb an Stein, Das private issen des Richters, S. 52 ff.; CPO. (Gaupp Stein, 4 Ausl.) S. 618; Civ.-Proz.-Recht (Birkmeyers Enzyklop., 2.Aufl.) S. 981 an. Ihnen sucht Beling, B.-B. S. 315s. u. v. Holtzendorss Kohlers Enzyklopädie S. 375 entgegenzutreten. Daß die Erfahrungssätze nur einen „Durchgangspunkt in der auf den Syllogismus hinstrebenden geistigen Operation" bilden, ist zwar richtig, trifft aber aus Jnoizien und Hilfstatsachen nicht minder zu. Daß hier Er sahrungen „plötzlich ad hoc, ge wissermaßen auf Kommando" er worben würden, läßt sich nicht sagen; denn es handelt sich bei den Erfahrungssätzen nicht um die persönliche Erfahrung des Richters, sondern um allgemeine und allgemeingültige Erfahrung: die Sätze treten mit dem An spruch auf, objektiv richtig zu sein. Beling verlegt m. E. den Schwerpunkt der Sachverständigentätigkeit in unrichtiger Weise, wenn er sagt, der Sach verständige werde herbeigezogen, um aus dem Erfahrungssatz als
Lbersatz und bereits ermittelten Tatsachen als Unterjatz einen Schluß auf die Tatsache X zu ziehen; der Beweis sei ausschließlich aus diese Tatsache X gerichtet; wenn der Sachverständige veranlaßt werde, auch die Ersahrungssätze mitzuteilen, so diene dies lediglich zur Kon trolle, ob der Betreffende wirklich sachverständig sei. Hier gegen ist zu bemerken: Das Schließen aus die Tatsache X ist gerade die spezifisch richterliche Tätigkeit, die der Richter sich vom Sachverständigen nicht ab I nehmen lassen darf. Der Richter i muß selbst und mit eigener Ver antwortlichkeit den Schluß ziehen. Um ihm diese Aufgabe zu er möglichen, vermittelt ihm der Sachverständige die Kenntnis der Ersahrungssätze; diese muß I er daher stets mitteilen, event!, durch Bild und Experiment er läutern. Gerade hierauf ist der Nachdruck zu legen. Was sollte die „Kontrolle" etwa eines welt berühmten Gelehrten durch ein Schwurgericht für einen Sinn haben? Es dem Richter nur das minus zuzumuten. den mitgeteilten Erfahrungssatz loI ! I ' I I j : ! j 1 I j | i
Das BeweiSrecht.
§ 52.
223
Rechtssätze, unerhebliche, bereits dem Zweifel entrückte
und allgemeinkundigeb Tatsachen sind nicht Gegenstand des Beweises;7 wohl aber gerichtskundige, da gisch richtig zu handhaben. Ver ständlich muß er ihm freilich sein; der Sachverständige muß den allgemeinen Satz daher dem Einzelfall möglich anpassen, ihn möglichst nuancieren. Aber die Last der endgültigen Subsum tion liegt aus den Schultern des Richters und kann für den gewissenhaften Mann u. U. recht drückend sein. Darum darf er bei andern Sachver ständigen oder bei Fachbehörden sich neuen Rat holen, StPO. 83. Beling hätte nur Recht, wenn das Gutachten des Sach verständigen oder das überein stimmende Gutachten aller Sach verständigen den Richter bände. Vgl. aber StPO. 260, RG. 7, 426. 6 Stein, Privates Wissen S. 138ff., 172s. Komm, zur CPO. 291 sub I a. II. v. Kries § 47 III S. 339. B.-B. § 83, lb, bes. S. 325 Anm. 23ff. Löwe-Hellweg § 260, Note lb, bes. a. E. Birkmeyer S. 400c«, 513 Note 20. Ob der Begriff der Allgemeinkundig keit richtig angewendet, ob nicht insbesondere „allgemeinkundige Tatsachen" und „Erfahrungs sätze" vom ersten Richter ver wechselt worden sind, hat die Revisionsinstanz nachzuprüfen. Unsicher die Judikatur des RG. 8, 351 nimmt an, wenn der erste Richter seine Ansicht dahin sestaestellt hätte, es gebe ein Medikament, durch besten Bei-
bringuna man in einer andern Person Liebe erwecken könne, so würde das RG. nicht nachprüfen dürfen und die betr. Revision verwerfen müssen. Anders RG.Civ. 17, 271 betr. eines als „unbestrittene allgemeine wissen schaftliche Wahrheit" hingestellten Satzes über das Wesen der Elektrizität. Richtig RGCiv. 36, 350, wo das KammGer. die Heilbarkeit der Syphilis als gerichtsbekannt bezeichnet hatte. Jur. Woch.Schr. 1903, Bd. 32, S. 94, Nr. 20 läßt dahingestellt, ob „bekanntlich" der Wechsel diskont gewöhnlich 1 % niedri ger ist, als der Lombarddiskont. — Der Umfang des Allge meinkundigen wechselt mit Zeit und Ort; so kann eS in Bres lau notorisch sein, daß die Zei tung Volksmacht keinerlei ge schichtswissenschaftlichen Charak ter hat, RG. 28, 171; in Posen und im Jahre 1898 konnte es allgemeinkundig sein, daß der Nationalcharakter der Polen lebhaft und erregt, ihr National bewußtsein besonders stark aus geprägt sei, und daß die Em pfindlichkeit der polnischen Be völkerung Preußens in letzter Zeit eine besondere Steigerung erfahren habe. RG. 31, 185. Die gleichen Umstände würden etwa in Tübingen im Jahre 1904 des Beweises bedürftig sein. 7 Wohl aber der Verhand lung, deren Gegenstand sie ge-
224
Abschn. Hl.
Kap. II.
EPO. 291 hier nicht gilt?
DaS BeweiSrecht.
Beide Gruppen unter dem
Begriff der Notorietät (Offenkundigkeit) zusammenzufaffen
ist daher nicht zu empfehlen. III.
Eine Abart des Beweisens
ist
das
öfters er
wähnte Glaubhaftmachen (StPO. 26. 45. 55. 74)? Es ist stets Parieitätigkeit und bezweckt, durch einseitige Vorführung
parater
Beweismittel
in
dem
Richter
den
Glauben an die Wahrscheinlichkeit der Parteibehauptungen zu erwecken. IV. Die Beweismittel, die wir im folgenden zu be
trachten haben, find Zeugen (eigentlich deren Aussagen), Sachverständige (eigentlich deren Gutachten), Augenscheins
objekte, Urkunden, endlich die Aussagen des Beschuldigten
und anderer Personen.
verwendet, ohne dah jedoch eine wesen sein müssen (oben § 15, Begrisssbestimmung gegeben S. 60). Sonst könnten die Damit wird stillParteien im Urteil plötzlich mit , würde. unerwarteten Notarien über ; schweigend auf EPO. 294 als sedes materiae verwiesen. Um rascht werden. Nur so wird volle Gleichförmigkeit mit der eine Schranke gegen das Ein neuen Fassung herzustellen, hätte fluten des privaten Wissens der allerdings in StPO. 55 S. 2 Richter gezogen. Auch hier ist die eidliche Versicherung in das RG. nicht ganz fest, vgl. darüber Löwe Hell weg§ 260 eidesstattliche umgewandelt wer den müssen, wie in MilStGO. Note Id. Im allgemeinen 191 geschehen. Der Rechts wird neuerdings mit steigender zustano ist jetzt der: bei der Ab Entschiedenheit die Notwendig lehnung von Richtern und Sach keit deS Verhandelns betont, verständigen ist der Eid ausge RG. 28 S. 172 sub 1, Abs. 2. Jur. Woch.Schr. 1903, S. 94 schlossen (StPO. 26. 74), bei Nr. 20. der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist eidesstattliche 8 Prinzipiell ebenso RG. 16, 327; bedenklicher 33, 76; a. M. (StPO. 45. CPO. 294), bei der v. Kries, Stein, Beling. Zeugnisweigerung eidliche Ver sicherung (StPO. 55) zulässig. 9 „Glaubhastmachen" wird von der StPO, als term. techn.
§ 53.
Der Zeuge.
225
§ 53. Vrr Zeuge. Kries § 48. Birkm. §§ 70—72. B.-B. §§ 88. 89. Ullm. §§ 89-91. Bind. §81. Laband, StaatSr. des deutsch. Reichs. Bd. III § 92.
I. Ein Zeuge ist eine vom Richter, den Parteien und
Parieivertretern verschiedene1 Wahrnehmungen,
sie
welche
Person, die über sinnliche
außerhalb
des anhängigen
Prozesses^ gemacht hat, für die Zwecke des Prozesses vor dem
Richter
nisse braucht
aussagt.
Besondere
persönliche
ein Zeuge nicht zu haben;
nisunfähige Personen (testes
inhabiles)
Erforder
absolut zeug gibt
es
nicht.
Etwas anderes ist die Frage, ob ein Zeuge zur Aussage
angehalten werden und ob er beeidigt werden darf.
Aber
die Würdigung der Aussage, die Tauglichkeit des Beweis mittels
wird
hiervon
nicht
notwendig
berührt.
Die
Pflichten des Zeugen sind dreierlei (II—IV), denen als
Recht der Gebührenanspruch GVG. 166 Abs. 3.
(StPO. 70. 219 Abs. 3.
Gebühren-Odg. vom 30. Juni 1878)
gegenübersteht. 1 Wer mit einem der Ge nannten identisch ist, kann nicht Zeuge sein. Doch ist das ein bloß formales Hindernis, das r. B. beseitigt wird, wenn für den Richter, Staatsanwalt, not wendigen Verteidiger ein Ersatz mann und zwar big zum Schlüsse der Verhandlung (RG. 29, 236) eintritt; und das nicht besteht, wenn der Zeuge zwar mitschuldig, aber nicht mitbeschuldigt ist. Dagegen fartn ein Mitangeklagter nicht Zeuge sein, und seine AuSsaae ist kein „Zeugnis". A. M. Belina, B.-B. S. 344. Binding, S. Äofenfelb, Reich-strafpro-etz.
148. Aber die StPL. scheidet die Aussage des Mitbeschul digten (die sie ebenfalls als Be weismittel aussaßt) von der des Zeugen: §§ 246. 250. 256. Werden also A und B zu sammen angeklagt, so kann A als Zeuge (der den Zwangs mitteln des § 69 unterliegt) gegen B nur bann behandelt werden, wenn die Prozesse ge trennt werden oder daS Urteil gegen A in Rechtskraft erwächst, während gegen B in höherer Instanz weiter verhandelt wird. — Wegen deS NebenanklägerS s. oben S. 187 Anm. 7.
Abschn. III.
226
II.
Die
Das BeweiSrechr.
Kap. II.
Erscheinungspflicht hat zur Voraus
setzung ordnungsmäßige Ladung, d. h. Aufforderung, ? zu
bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zur Vernehmung zu
erscheinen.
Ordnungsmäßig
ist die Ladung jedoch nur,
wenn auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen wird (§ 48 Abs. 1).
Weitere Erfordernisse sind nicht nötig.
Nur bei der von Privatpersonen ausgehenden sog. un
mittelbaren Ladung gehört noch der Nachweis hinsichtlich
der Zeugengebühren zur Ordnungsmäßigkeit (§ 219).31 * Die Erscheinenspflicht umfaßt auch die Verpflichtung, sich vor
gehöriger Entlassung nicht von der Vernehmungsstelle zu entfernen (§§ 242. 247). Die Wirkungen des Ungehorsams sind teils obliga torische, teils fakultative (§ 50).
Beim ersten Ungehorsam
muß der Zeuge in die Kosten und eine Geldsttafe verur
teilt werden; außerdem kann er zwangsweise (fei es so fort zu diesem Termin, sei es zum nächsten, auf den die Sache vertagt wird) vorgeführt werden.
Ungehorsam sind die Folgen dieselben.
Beim zweiten
Dreimaliger und
mehrfacher Ungehorsam wird nicht mehr bestraft.
Folglich
steht beim zweiten Ungehorsam der Richter vor der Wahl, 1 gleichgültig, ob mündlich, schriftlich, telegraphisch oder telr phonisch; ob mit Zwischenzeit oder aus sofort lautend; ob nach der Gerichtsstelle oder sonst wohin. 3 Beschränkungen der Ladungsbesugnis und der Er scheinenspflicht enthalten die §§ 49. 71. Minister u. dgl. werden nur am Amtssitz oder Aufenthaltsort, Abgeordnete usw., sofern sie am Sitzungsort aufhältlich, nur an diesem ver
nommen. Der Kaiser, Landes herr, Vorgesetzte resp, die gesetz gebende Versammlung können Abweichungen genehmigen. — Ob Landesherren und Mitglieder suveräner Familien über haupt als Zeugen in Straf sachen vernommen werden dürfen, bestimmen in erster Linie die Hausversassungen, in zweiter die Landesgesetze (EG. StPO. 4). Wenn ja, so sind sie stets nur in ihrer Wohnung zu ver nehmen.
Der Zeuge.
K 53.
227
entweder den Zeugen vorführen zu lassen, oder auf seine
Vernehmung zu verzichten.
Die Wirkungen treffen nicht
nur den vor dem Prozeßgericht nicht erscheinenden Zeugen: der Untersuchungsrichter, Amtsrichter, beauftragte und er suchte Richter verhängen die gleichen Ordnungsstrafen und
zwar ebenfalls obligatorisch (Abs. 3). Genügende Entschuldigung wendet die sämtlichen Wir
kungen ab oder hebt sie nachträglich wieder auf (Abs. 2). III. Tie Aussagepflicht
des Zeugen
besteht
in
erster Linie darin, nachdem ihm der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten bezeichnet ist (StPO. 68 Abs. 1 S. 2), sein auf sinnlichen Wahr
nehmungen beruhendes Wissen zur Sache im Zusammen hänge anzugeben.
Bloße Vermutungen und Schlußfolge
rungen aus seinen Wahrnehmungen braucht er nicht zu
äußern.
Häufig wird er aber seine Beobachtungen dadurch,
schon sprachlich, am besten darlegen, daß er die Schluß
folgerungen mitteilt, die sich ihm bei der Wahrnehmung aufdrängten.
Sofern
die
sonstige Beschreibung der von
ihm empfangenen sinnlichen Eindrücke undeutlich und un zureichend ist,
muß
er
daher auch als zur Mitteilung
solcher Schlüsse verpflichtet erscheinen/
Er muß zweitens
auf Fragen, nicht nur zur Aufklärung und Vervollständi gung, sondern auch nach dem Grunde seiner Wiffenschaft
antworten; also etwa seinen Gewährsmann nennen, seinen
Begleiter, der ihn
auf
etwas
aufmerksam machte usw.
(StPO. 68 Abs. 2). Seine Aussagepflicht umfaßt drittens (StPO. 67) die Beantwortung von Fragen nach seinen Personalien,
seinen Beziehungen zum Beschuldigten und
zum Verletzten (also nach Freundschaft, Feindschaft, früheren
* RMüG. 5, 251; vgl. auch 3, 174.
228
Abschn. III.
Das Beweisrecht.
Kap. II.
Zerwürfnissen , Liebesverhältnissen, überhaupt inneren Ge
fühlen, die er diesen Personen gegenüber hegt), ferner nach
Tatsachen aus seinem eigenen Vorleben, auch Borbestra fungen, anstößigen Handlungen usw. (sog. Personal- und Generalftagen).
Die gänzliche oder teilweise Weigerung der Aussage führt zu teils obligatorischen, teils fakultativen Maßregeln
gegen den Zeugen (§ 69).
Die ersteren sind Verurteilung
in die Kosten und eine Geldstrafe. zur
Erzwingung
des
Letztere ist die Haft
Zeugnisses.
Beide
Maß
regeln können auch vom einzelnen Richter verhängt werden?
Die Zwangshaft endet a) wenn die Erzwingung gelingt; b) wenn die Instanz beendet ist; c) wenn sie bei Ver brechen und Vergehen 6 Monate, bei Übertretungen 6 Wochen
gedauert hat; d) wenn die etwa in dem richterlichen Beschlusse angeordnete, noch kürzere Zeitdauer abgelaufen ist."
Zwangshaft
kann
auch
bei der
zweiten
und
Die
folgenden
Weigerung von neuem angeordnet werden, solange die Zeit unter c noch nicht erschöpft ist.
Dagegen kann die Strafe
bei der zweiten und folgenden Weigerung nicht wieder holt werden?
Das Gesetz
kennt nun
eine Reihe von Zeugnis-
weigerungsgründen, die im allgemeinen der Zeuge geltend
und
auf Verlangen
6 Beim ersuchten Richter führt daS zu Unzuträglichkeiten. Den richtigen Maßstab kann doch nur der ersuchende Richter anlegen. Vgl. Löwe-Hell weg, Komm. § 69 Note 10 c. 6 Natürlich auch, wenn der Grund der Vernehmung wegsällt, weil das Zeugnis uner
glaubhaft
zu
machen
hat?
heblich , der Zeuge selbst be schuldigt oder weigerungsbe rechtigt wird, oder weil maß geblich aus ihn verzichtet wird u. dgl. 7 So die HM., anders nur Glaser und Ben necke. 8 oben S. 224, StPO. 55. Der Eid ist hier kein Zeugen-
Der Zeuge,
ß 53.
229
Zwang und Strafe darf alsdann gegen ihn erst verhängt werden, nachdem seine Weigerung durch Beschluß für un begründet erklärt ist? Die Wahl zwischen Weigerung und Aussage ist zeitlich an keine Frist gebunden und ab
änderlich, so daß der Zeuge sich bei jeder einzelnen Ver nehmung anders entscheiden sonn.10 * * * *Die * 9 Ausnahmen von der Aussagepflicht ordnen sich unter folgende Kategorien: eib, sondern ein vom Zeugen als „Betroffenen" gebrauchtes Mittel. Daher kann ihn auch der nach StGB. 161 Bestrafte leisten. 9 Dieser Beschluß kann für sich allein von den Parteien und dem Zeugen angefochten werden (StPO. 346 Abs 2. 347 S. 2), jedoch ohne Sus pensiveffekt hinsichtlich der Voll streckung von Strafe und Zwangshafr. 10 Maßgebend ist die @nb scheidung des Zeugen in der Haupwerhandlung.' Weigert er sich in dieser, obwohl er früher ausgesagt hat, so darf seine frühere Aussage nach StPO. 251 nicht verlesen werden. Die ratio legis ist: das Weigerungs recht des Zeugen soll nicht iüu sorisch gemacht; auch die nach trägliche Weigerung sott respek tiert werden. Dem Wechsel im Verhalten des Zeugen braucht keineswegs kleinliche Laune zu Grunde zu liegen; Unwissenheit, polizeilicher Druck u. dgl. mag ihn früher zur Aussage veranlaßt haben. — Das Weigerungs recht kann aber auch auf an dere Weise illusorisch gemacht werden: StPO. 251 ist daher einer erweiternden Auslegung
' ;
' ' i i !
fähig und bedürftig (daher die weitere Fassung von MilStGL. 306). Der einfachste Weg, die jetzige Weigerung bedeutungs los zu machen gegenüber der früheren Aussage, wäre: das frühere Protokoll dem damaligen Richter zum Durchlesen zwecks Auffrischung seines Gedächt nisses zu geben und ihn dann als Zeugen darüber zu ver nehmen, ' was der Weigernde früher auSgesagt habe. Solche rabulistische Methode geht in dessen auch dem RG. zu weit: die Hingabe des Protokolls zum Durchlesen erklärt es für un statthaft (RG S, 122; aber nur im Falle des § 251, dagegen statthaft in dem des § 252, RG. 36, 53); im übrigen aber billigt das RG. jenes Vorgeben: 5, 142. 14, 267. 16, 119. 35, 247. 35, 5. Danach sollen vor allem Richter und Gerichtsschreiber über den Inhalt vor ihnen abgegebener Aussagen vernommen, auch Protokolle über andere Erklärungen, als Zeugenaussagen im StP., verlesen werden dürfen. Dagegen geschlossen die HM. und gelegentlich RG. 10, 374. Es handelt sich hier einfach um eine Umgehung des Gesetzes. Die Einschränkung durch Ver-
230
Abschn. III.
Kap. II.
Das Beweisrecht.
1. Angehörigenverhältnis (§ 51 Z. 1—3) zum
Beschuldigten oder einem der mehreren Beschuldigten des gleichen Prozesses.11
Diese Gruppe muß über ihr Wei
gerungsrecht belehrt werden; andernfalls unterliegt das Urteil
der Aufhebung, wenn es auf der Gesetzesverletzung beruht.12
2. Es brauchen Vertrauenspersonen über Ver trauenssachen nichts auszusagen (§ 52), nämlich Geist liche, Verteidiger, Rechtsanwälte, Ärzte. Geistliche behalten das Weigerungsrecht, auch wenn sie von der Verschwiegen
heit befreit sind. hat,
ist
für
Wer die betreffenden Dinge anvertraut
das Weigerungsrecht gleichgültig.
Befreien
kann von der Verschwiegenheit nur derjenige oder diejenigen,
welche die Dinge anvertraut haben.
3. Die Stellung
als
öffentlicher Beamter
(§ 53) begründet sogar eine Weigerungspflicht, die das Gericht von Amts wegen zu beachten hat.
Voraussetzung
ist die Feststellung, a) daß der Zeuge ein öffentlicher Be
amter ist oder gewesen ist; b) daß er über Umstände ver nommen
werden soll,
auf welche sich seine Pflicht zur
Amtsverschwiegenheit bezieht.
Diese Voraussetzungen fest
zustellen, ist Sache des Gerichts (a. M. RG. 7, 74, vgl.
auch preuß. Vers. v. 24. Mai 1886). bot der Protokollhingabe ist in der Praxis wenig belangreich. Die Gerichtsakten pflegen den Gerichtspersonen nicht schwer zugänglich zu sein. Auch macht ein vorsichtiger Untersuchungs richter sich in geeigneten Fällen genauere Privatnotizen. 11 Teilweises Weigerungs recht neben teilweiser Aus sagungspflicht ist undurchführ bar. In einem und demselben Prozesse kann nur eine Alter
Der Zeuge darf
native Platz greifen. Event, muß eine Zerspaltung des Pro zesses in mehrere vorgenommen werden, a. M. Beling (B. B. L. 350, woselbst Näheres über die Kontroverse). RG. schwankt, vgl. in Bd. 27 S. 270 u. S. 312. 12 also nicht, wenn der Zeuge nachweislich aus sein Weige rungsrecht verzichtet haben würdej oder wenn das Urteil ausdrücklich seine Aussagen für gänzlich gleichgültig erklärt.
ß 53.
Der Zeuge,
231
alsdann erst aussagen, wenn seine vorgesetzte Dienstbehörde13 *
die Genehmigung erteilt hat.
Diese darf aber nur versagt
werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses „dem Wohle des Reiches oder eines Bundesstaates"
würde."
Nachteil bereiten
Ob das der Fall ist, hat lediglich die vorgesetzte
Behörde zu entscheiden und das Gericht nicht nachzuprüfen. 4. Auf gewisse riskante Fragen braucht man nicht zu antworten, nämlich auf solche, bei denen wahrheitsmäßige
Auskunft dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung15 *zuziehen würde (§ 54). Belehrung über dies Weigerungsrecht ist nicht vorgeschrieben;
die wissentlich falsche Aussage wird aber milder bestraft
(StGB. 157 Z. 1). IV. Die Schwurpflicht
wird
durch die gleichen
Maßregeln, wie die Aussagepflicht, durchgesetzt (§ 69); sie
unterliegt den gleichen Ausnahmen durch Weigerungsrechte.*3
Die Beeidigung der Zeugen ist im allgemeinen auch für das
Gericht
obligatorisch,
III 1) fakultativ (§ 57)17.
nur
bei
Angehörigen (oben
Beeidigungsverbote stellt § 56
auf; die Gründe sind a) Unmündigkeit (Alter unter 16 13 im einzelnen vgl. StPO. 53, S. 2. u Diese Borschristen gelten ausnahmslos für alle Arten von Beamten, auch für die Richter. Daß die Vorgänge bei der Beratung unverbrüch liches Geheimnis seien und nicht zum Gegenstand der Vernehmung gemacht werden dürsten, wie RG. 26, 202. 36, 373 annimmt, ist nirgend gesagt. 15 nicht die bloßer Unehre, disziplinarischerBestrafung, zivil gerichtlicher Verurteilung oder
eines Vermögensschadens, einer Kreditschädigung, einer Beeinträchtigung des Fortkommens usw. Anders CPO. 384. 16 Die Angehörigen, oben III 1, müssen über dieses zweite | Weigerungsrecht nochmals be sonders belehrt werden, StPO. 57 Abs. 2. 17 Dazu MilStGO. 299 Abs. 4: offenbar unglaubwürdige und unerhebliche Zeugen dürfen in der Hauptverhandlung unbe eidigt bleiben. Vgl. hiergegen B.-B. S. 358. ! I I i
232
Abschn. III.
Kap. II.
DaS BeweiSrecht.
Jahren); b) Berstandesunreife;
c) Berstandesschwäche;
d) Eidesunfähigkeit (nach StGB. 161
oder früheren in
ländischen Gesetzen); e) Verdacht der Beteiligung an der „Tat". An diese letztere
Bestimmung,
StPO. § 56 3. 3
(MilStGO. 199 Z. 3), knüpfen sich zahlreiche Einzelfragen
und eine weitläufige Judikatur an.
Unter der
„Tat"
haben wir zu verstehen jede einem Beschuldigten zur Last
gelegte Handlung
in derjenigen äußeren Gestaltung des
gesetzlichen Tatbestandes, wie sie sich nach dem jeweiligen
Ergebnis des Verfahrens darstellt.19 nennt das Gesetz Teilnehmer, Der Wortlaut ist irreführend.
Als Beteiligte
Begünstiger
und Hehler.
Denn man wird bei alter
nativem Verdacht der Alleintäterschaft den einen Verdächtigen im Prozesse gegen den andern erst recht nicht als vollDie Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten' muß soweit gehen, daß diese Per sonen „von dem Wesen und der Bedeutung deS Eides keine ge nügende Vorstellung haben". Gleichgültig ist die Entmündi gung, RG. 33, 393. Trunken heit will RG. 34, 283 als bloß temporär nicht gelten lassen. 19 Zu Grunde zu legen ist also nicht der viel weitere Be griff des gesamten „Vorganges" mnerhalb dessen unter anderem auch der inkriminierte Tatbe stand verwirklicht wurde. Der engere Begriff des Textes, wo nach die „Tat" gleichbedeutend ist mit dem Gegenstand der Ur teilsfindung nach StPO. 263, findet sich in RG. 14, 25. 31, 219, während viele andere Entsch. mit dem weiteren Be
! ' I I ! ' > I j
I ! 1 | j '
griff operieren, auch RMilG. 1, 121. Aus diesem wird auch in RG. 7, 331 die Konsequenz gezogen, daß bei einer Schlägerei im Sinne von StGB. 223 a, wegen deren A und B angeklagt sind, der Zeuge X, der geschlagen wurde, aber auch selbst seinerseits geschlagen hat, unbeeidigt bleiben muß. Genau entgegengesetzt, obwohl von dem gleichen weiteren Begriff ausgehend, RG. 17, 116. Im Ergebnis richtig auch 11, 300. 36 , 66. 310. Bedenklich 32, 32: A fordert die B zur Vornahme einer Abtreibung auf und wird nach StGB. 49 a angeklaat; die B als Zeugin ist unbeeidigt zu vernehmen, falls es nicht ausgeschlossen, daß es doch zu Abireibungsversuchen gekommen ist.
Der Zeuge,
wertigen Zeugen
ansehen;
233
g 53.
traut man ihm schon
einen
Meineid zu, wenn er nur als Mittäter in Frage kommt,
so erst recht, wenn er möglicherweise Alleintäter ist. Somit fallen nicht nur die Teilnehmer im Sinne des StGB. 47—49 unter die der Beeidigung nicht würdigen Betei ligten, sondern wir haben auch den Allcintäter, sowohl bei
vorsätzlichem, wie bei fahrlässigem Delikt, -° und ebenso die 9te6entäter,20 21 sowie die mehreren Täter bei sog. not
wendiger Teilnahme22 hierher zu ziehen.
Noch in der
zweiten Richtung müssen wir über den Wortlaut hinaus
gehen, daß wir das zum Beeidigungsverbot führende Ver hältnis zwischen Beschuldigten und Zeugen als reziprokes, umkehrbares anzusehen haben.
Kann im Prozesse gegen
den Dieb der Hehler nicht beeidigt werden, so auch nicht der Dieb im Prozesse gegen den Hehler.23
Als Betei
ligter kann derjenige nicht betrachtet werden, bei dem es an einem Talbestandsmerkmal fehlt, oder dem ein Recht
fertigungsgrund zur Seite steht; wohl aber derjenige, auf
den ein persönlicher Strafausschließungs-24 *oder ein Straf aufhebungsgrund
zutrifft.
Das Vorliegen eines Ver
dachtes ist nach freiem Ermessen zu prüfen;26 der be
reits Verurteilte steht jedoch
immer einem Verdächtigen
20 RG. S, 299 betr. fahr- I 227), Freudenthal S. 123. lässige Eisenbahngesährdung. I Abweichend Beling, B.-B. S. 356. 21 im Sinne von Liszt, Strasr., § 50 IV. 23 Ebenso RG. 2, 218. 22, 22 Datier ist RG. 17, 101 > 99; RMilG. 4, 176; a. M. betr. Wahlstimmenkauf (StGB. Beling, B.-B. S. 357. 109) im Ergebnis, aber nicht " RG. 19, 391. 22, 99. in der Begründung zu billigen. 25 RG. 14, 25. 26 Auch wer freigesprochen So Freudenthal, Notwen oder außer Verfolgung gesetzt dige Teilnahme, Breslau 1901, ist, kann verdächtig sein. RG. S. 40. Desgl. RG. Rechrsvr. 8, 382. RMilG. 1, 248. 9, 234 betr. Raufhandel (StGB.
Abschn. III.
234
Das BeweiSrecht.
Kap. II.
gleich. -- Ob Vereidigung oder Nichtvereidigung 27 ein
zutreten hat, entscheidet zunächst der Vorsitzende (vgl. StPO.
237 Abs. 2).
V. Die Entgegennahme der Zeugenaussage durch das Gericht steht unter den instruktionellen Regeln der §§ 58, 59, 68.
Ter Zeuge soll im Zusammenhänge
aussagen (§ 68 Abs. 2); doch ist er außerdem gehalten, auf einzelne Fragen des Vorsitzenden, der Beisitzer, der
Parteien und der Sachverständigen (§§ 68 Abs. 2. 239. 238. 80 Abs. 2) zu antworten.
Die Personal- und Ge
neralfragen gehören mit in die Vernehmung hinein (§ 67)
und müssen deshalb zu solcher Zeit gestellt bzw. wieder
holt werden, daß der Eid sich auf sie mitbezieht.
Um den
Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen, dürfen ihm die Frage
berechtigten Vorhaltungen machen; eine Verlesung seiner früheren Aussagen darf dabei jedoch nur in zwei Fällen stattfinden: a) zur Unterstützung seines Gedächtnisses; b) als
ultimum refugium. um ohne Unterbrechung der Haupt verhandlung einen Widerspruch zu konstatieren oder zu be heben.
(StPO. 252; Protokollierung dieses Zwischenfalles
nur auf Antrag, § 254.)
VI.
Der Zeitpunkt der Beeidigung
bei
der
einzelnen Vernehmung kann vor oder nach der Aussage
liegen:
Voreid
oder
Nacheid28.
Im
Prozeß
als
Ganzem liegt der Zeitpunkt der Regel nach in der Haupt
verhandlung (oder antizipierten Hauptverhandlung). 27 Teilweise Nichlvereidigung hatte ich gegen die HM. mit John, v. Schwarze, Gla ser, Stenglein, Ullmann und der älteren Judikatur des RG. (Rechtjpr. 1, 523. Entsch. 6, 279. Goltd. Arch. 39, 315)
für unzulässig. 28 Die Wahl zwischen beiden ist durch § 60 praktisch ins Ermessen des Vorsitzenden ge stellt. MilStGO. 196 kennt erfreulicher Weise nur den Nacheid.
Der Zeuge,
ß 53.
235
In drei Fällen kann die Beeidigung in der B o r u n t e r suchung erfolgen: a) wenn der Zeuge voraussichtlich am
Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein wird; b) wenn das Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhand lung
voraussichtlich
wegen
großer Entfernung
erschwert
sein toirb;20 c) wenn die Beeidigung als Mittel zur Her beiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage überirgend-
welche Tatsache erforderlich erscheint; StPO. 65 Abs 2 und 4: Protokollierung des Grundes geboten. Diese Vor schriften sind auf das Zwischenverfahren analog auszudehnen. In zwei Fällen kann die Beeidigung schon im vor
bereitenden Verfahren erfolgen:
a) wenn Gefahr
im Verzüge obwaltet; b) wenn die Beeidigung als Mittel
zur Herbeiführung einer wahrheitsmäßigen Aussage über eine Tatsache, von der die Erhebung der öffent
lichen
Klage
abhängig ist,
erforderlich
erscheint;
StPO. 65 Abs. 3 und 4: Protokollierung des Grundes geboten.
VII. Die Forul der Beeidigung besteht in einer feierlichen Erklärung
des Zeugen.
Diese
„Eidesformel"
ist entweder für gewisse Religionsgesellschaften (Mennoniten
und Philipponen) durch spezielles Landesgesetz festgestellt
(§ 64), oder es ist die allgemeine Eidesformel der §§ 61. 62, bei der aber konfessionelle Zusätze gestattet sind (RG. 181).
Die „Eidesnorm"
10,
stellt sich beim Voreid als ein
Versprechen dar, sie ist promissorisch; beim Nacheid als eine Versicherung, sie ist assertorisch.
Für den
Boreid lautet demnach die Eidesformel: „Ich
schwöre bei Gott dem Allmächtigen und
Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine In diesen beiden Fällen aussichtlich eine kommissarische wird durch die Beeidigung vor- : Vernehmung gespart.
Abschn. III.
236
Kap. II.
Das Beweisrecht.
Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hin
So wahr mir Gott helfe."
zusetzen werde.
Der Eid besteht nun in dem Nachsprechen oder Ablesen
dieser Eidesformel.
Beide Arten stehen einander gleich.80
Es soll dabei die rechte Hand erhoben werden (§ 63 Abs. 1).
Bei Landesherren und suveränen Personen besteht der Eid im Unterschreiben der Eidesformel (§ 71
Abs. 2);
bei
Stummen, die schreiben können, im Abschreiben und Unter
schreiben (§ 63 Abs. 2).
Stumme, welche nicht schreiben
können, leisten den Eid mit Hilfe eines Dolmetschers durch Zeichen (§ 63 Abs
Wiederholung.
3). —
Erleichtert ist die Eid es -
Wo sie notwendig ist,31 geschieht sie
durch die einfache Erklärung32 des Zeugen: er versichere die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid (§ 66).
Diese Erleichterung gilt aber nur,
wenn die nochmalige Vernehmung in demselben Vorverfahren
oder in demselben Hauptverfahren
erfolgt.
Der in der
Voruntersuchung beeidigte Zeuge muß in der Hauptver handlung nochmals beeidigt werden.
Das Hauptverfahren
erstreckt sich vom Eröffnungsbeschluß bis zur Rechtskraft des Urteils, wieviel Instanzen auch durchlaufen werden mögen.33
Innerhalb dieser Grenzen ist die Identität ge-
80 Bei einem Tauben, der sprechen kann, ist natürlich das Ablesen der notwendige Weg. 51 Der promissorische Eid deckt die ganze Aussage in der selben Hauptverhandlung; der assertorische dagegen nicht, da er sich nur nur die Vergangen heit bezieht. Hier ist also' bei erneuter Befragung auch in der selben Hauptverhandlung Eides wiederholung notwendig. RG. 19, 27. 84.
89 Hinweis auf den früheren Eid lediglich durch den Richter genügt nicht. Die Eideswieder holung kann sich wiederum als Boreid oder Nacheid darstellen. 33 Bei nochmaliger Verneh mung in der Berufungsinstanz oder nach Zurückverweisung in die Vorinstanz, oder nach UeVer weisung an das zuständige Ge richt höherer Ordnung greift also § 66 Platz. So das RG., z. B. 2, 234, und die gesamte
Der Sachverständige,
237
ß 54.
Dagegen ist diese Identität wegen der dazwischen
wahrt.
liegenden
Rechtskraft
im
Wiederaufnahmeverfahren nicht
mehr gegeben.34 VIII. Über Militärpersonen als Zeugen vgl. StPO. 48 Abs. 2. 50 Abs. 4. 69 Abs. 5.
§ 54. ver Sachverständige. Kries § 49.
Birkm. § 73. B.-B. § 90. Bind. § 80.
Ullm. §§ 86-88.
1. Der Sachverständige ist eine vom Richter, den Par
teien und Parteivertretern verschiedene Person, die für die
Zwecke des Prozesses dem Richter Erfahrungssätze (oben
§ 52 II 4) mitteilt. welche
besondere
Erfahrungssätze
„Für die Zwecke des Prozesses" —
Nuancierung
aber
gerade
und
Spezialisierung
für den
einzelnen
der
Prozeß
nötig ist, wird der Sachverständige oft erst nach eingehendster
Aufklärung
in
tatsächlicher Beziehung
erkennen
können.
Erst nach genauer Information wird er dem Richter die Erfahrungssätze in der dem vorliegenden Fall angepaßten
Gestalt liefern können.
Daher wird dem Sachverständigen
in weitestem Maße Aufklärungsmöglichkeit
gewährt und
zwar auf drei Wegen: a) er kann bestimmte Beweismittel
in Vorschlag bringen, nämlich Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten verlangen (StPO. 80 Abs. 1); b) er kann selbst bei Beweisaufnahmen mitwirken durch Fragen
an Zeugen und sogar an den Beschuldigten (§ 80 Abs. 2)
durch Teilnahme
am
Augenschein (§§ 193. 167);
Literatur außer John und Löwe-Lellweg. Diesem letz teren folgt unbesehen fast die
gesamte Praxis der BerufungSstrafkammern. M RG. 18, 417.
und
Abschn. III.
238
Kap. II.
Das Beweisrecht.
c) er kann selbst sinnliche Wahrnehmungen für die Zwecke
des Prozesses machen, wovon die Akteneinficht (§ 80 Abs. 2), die
„Teilnahme
an
den
erforderlichen
Untersuchungen"
(§ 193 Abs. 2), die Beobachtung eines Angeschuldigten in einer Irrenanstalt (§ 81) nur Beispiele sind.
Der letztere
Weg selbsttätiger Information wird oft der geeignetste sein,
weil gerade der Sachverständige vermöge seiner Sachkunde die genauesten und zielbewußtesten Beobachtungen anstellen
wird.
Der Sachverständige
handelt
hier in Verfolgung
des Zweckes, zu dem er überhaupt herangezogen wurde, und deshalb in seiner Sachverständigen-Eigenschaft.1 Aber diese Tätigkeit als solche ist Sachverständigen
ausmacht.
es nicht,
die den
Wer vor dem Prozeß, und
ohne daß es für die Zwecke desselben geschah, gewisse Tat sachen oder Zustände vermöge seiner Sachkunde besonders
genau beobachtet hat, ist nicht Sachverständiger, wenn er
später in einem Strafverfahren über seine früheren Wahr nehmungen vernommen wird, selbst wenn er diese Wahr
nehmungen ohne seine besondere Sachkunde gar nicht hätte machen können.
Er ist vielmehr Zeuge!
Das stellt StPO.
85 mit aller nur wünschenswerten Besttmmtheit fest.
Und
zwar ist er lediglich Zeuge, wenn es dem Richter nur
auf die Mitteilung der Wahrnehmungen ankommt, während er die Kenntnis
der
zur Beurteilung
notwendigen Er
fahrungssätze selbst besitzt oder sich durch Befragung anderer Sachkundiger verschafft.
Dagegen ist jener sog.
sachver
ständige Zeuge des § 85 StPO, in dem Falle zugleich 1 Daher fällt der Bericht des Sachverständigen über seine Information unter seine Begutachtungspflicht und wird in folgedessen auch von dem Sach
verständigeneide gedeckt. Mit den Angaben des Sachverstän digen über seine Personalien ist Gleiches nicht der Fall.
Der Sachverständige.
§ 54.
239
Zeuge und Sachverständiger und dann gemäß dieser Doppel stellung zu behandeln, wenn er sowohl seine nicht in
Sachverständigen-Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen vergangener Tatsachen und Zustände mitteilen, als auch
dem Richter zur Kenntnis der Erfahrungssätze, die zur
Beurteilung dieser Zeugenaussage erforderlich sind, verhelfen
soll.
Ein Kriterium dafür, ob man in Zweifelsfällen mit
einem Zeugen oder einem Sachverständigen zu tun hat, ergibt sich auch, wenn man die Frage aufwirft:
„Würde
sich durch eine glaubwürdige und dem Beweisthema genau
entsprechende einräumende Erklärung des Beschuldigten die Vernehmung der fraglichen Person erübrigen?"
Die Be
jahung ist nur möglich, wenn es sich um einen Zeugen
handelt; dagegen können Erfahrungssätze nicht Gegenstand eines Geständnisses sein. II. Gewinnung der Sachverständigen.
Zum
Zeugen fähig ist jeder Mensch, der gedankliche Mitteilungen machen kann;- und jeder Fähige ist auch verpflichtet, auf
Ladung die Zeugenrolle zu übernehmen.
Zum Sachver
ständigen fähig ist nur, wer Erfahrungssätze mitzuteilen
in der Lage ist.
Aber nicht jeder Fähige ist auch ver
pflichtet, einer „Ernennung" zum Sachverständigen Folge zu leisten.
Den Kreis der Verpflichteten machen vielmehr
nach StPO. 75 nur folgende Gruppen aus: a) wer zur Erstattung einschlägiger
Gutachten
öffentlich
bestellt ist;
b) wer das einschlägige Fach öffentlich zum Erwerbe aus-
' Auch der RG. 33, 403 er wähnte taubstumme Brauknecht, der Analphabet war und keine Zeichensprache verstand, war Zeuge, da er durch gewandte
mimische Darstellung ein an schauliches Bild des von ihm Wahrgenommenen zustande brachte, somit gedankliche Mit teilungen machte.
Abschn. III.
240
Kap. II.
Das BeweiSrecht.
übt; c) wer zur Ausübung des Faches öffentlich bestellt; d) wer dazu öffentlich ermächtigt ist; e) wer sich zur Er
stattung
„des" Gutachtens vor Gericht speziell^ bereit
erklärt hat.
Aus diesem Kreise erfolgt die Auswahl durch
den Richter (§ 73 Abs. I), wobei die Gruppe a ein Vor
Die Parteien können den
zugsrecht hat (§ 73 Abs. 2).
Ausgewählten aus denselben Gründen wie einen Richter — mit Ausnahme von StPO. 22 Z. 5 — ablehnend 74).3 4
Das Verfahren ist dem oben S. 124 ff. geschilderten analog, bis auf den Punkt, daß keine Frist für die Anbringung
des Ablehnungsgesuchs gesteckt ist (arg. StPO. 83 Abs. 2).
III. Auf den Sachverständigen finden im allgemeinen die gleichen Vorschriften Anwendung wie auf den Zeugen
(StPO. 72).
Ihm liegen ob: Erscheinenspflicht, Begut
achtungspflicht,
Ungehorsam
Der
Schwurpflicht.
wird
minder hart und bei allen drei Pflichten in gleicher Weise
geahndet (StPO. 77, dagegen oben § 53 II einerseits, III und IV anderseits)?
Den Zeugnisweigerungsgründen
(vgl.
entsprechen
oben
S.
228f.)
weigerungSgründe (StPO.
eines Angehörigenverhältnisses;
die
Gutachten-
S.
1):
76
2. als
1. wegen
Bertrauensperson
in Bertrauenssachen; 3. wegen der Stellung als öffentlicher
Beamter, — die Dienstbehörde darf die Genehmigung schon
dann versagen, StPO. 76 Abs. 2, wenn die Vernehmung 3 bestritten, vgl. LöweHellweg § 75 Note 8. Nach John, Beling u. a. soll generelle Erklärung genügen. 4 Ueber die Frage, wann ein Sachverständiger als Polizei beamter tätig geworden, StPO. 22 Z. 4, vgl. RG. 17, 415. 35, 319. 36 , 209 — letztere
beide betr. Nahrungsmittel chemiker. 6 nämlich mit Geldstrafe bis zu 300, im Wiederholungsfall bis zu 600 M., keine substdiäre Haft. Keine Vorführung. Keine Zwang-hast. Entschuldigung des Nichterscheinens wirkt wie nach StPO. 50 Abs. 2.
Der Sachverständige.
„den
dienstlichen
Interessen"
gegenüber riskanten
4.
K 54.
Nachteil
Fragen;
5.
241 bereiten
würde;
generalis,
clausula
StPO. 76 S. 2: nach richterlichem Ermessen kann er auch aus
andern
Gründen von der Verpflichtung
entbunden
werden. — Den Verpflichtungen steht als Recht der Ge
bührenanspruch, StPO. 84, gegenüber. IV. Was Form und Zeitpunkt der Beeidigung"
angeht, so kennt StPO. 79 nur den Voreid, 6 7 demnach nur
promissorische
Eidesnorm.
Statt
der
allgemeinen
Eidesformel tritt fiir Mennoniten und Philipponen auch
hier die landesgesetzlich vorgesehene besondere ein (§ 64). Statt des Nachsprechens oder Ablesens tritt in den Fällen des tz 71 auch hier das Unterschreiben ein.
Ist der Sach
verständige für einschlägige Gutachten ein für allemal be eidigt, so genügt die Berufung auf diesen Generaleid (§ 79
Abs. 2).8
Die erleichterte Eideswiederholung des § 66
wird auch hier Platz greifen dürfen. V. Die Tätigkeit
des Richters beim Sachver
ständigenbeweise besteht darin, daß er dem Sachverständigen
bei der Vorbereitung behilflich ist (§ 80), überhaupt dessen Tätigkeit leitet (§ 78), sein Gutachten würdigt und eventl.
eine neue Begutachtung (§ 83 Abs. 1), in wichtigeren Fällen
durch eine Fachbehörde (§ 83 Abs. 3) anordnet.
Jnsbe-
6 Gibt es auch unbeeidigt zu ' 8 In Preußen erfolgt die Be eidigung in der Regel für den vernehmende Sachverständige? LGBezirk, Verfüg, v. 5. Febr. Gelten StPO. 56. 57 auch hier? Bejahend nur RG. 27, 398 1900. Ob der allgemeine Dienst eid zugleich als solcher General und die neueste Ausl, von Löwe-Hellveg gegen die eid gelten kann, muß von Fall sonst einstimmig vertretene An ni Fall am Wortlaut der sicht. Fassung geprüft werden. Mehr 7 Nach MitStGO. 215 gibt fach zu lax ist RG., vgl. S, 321. es auch hier mir den Nacheid. j 8, 358. 28, 41. 30, 83.
Rosenfeld, ReichSstrafprozeß. 2.
242
Abschn. III.
Kap. II.
Das Beweisrecht.
sondere besümmt der Richter im Vorverfahren,
ob das
Gutachten schriftlich oder mündlich zu erstatten sei (§ 82). Im Hauptverfahren schriftliche Begutachtung anzuordnen, hat für gewöhnlich keinen sachlichen Wert, 9 weil die per sönliche Vernehmung des Sachverständigen in der Haupt
verhandlung kraft des Grundsatzes der Mündlichkeit uner
Hiervon macht StPO. 255 zwei Ausnahmen
läßlich ist.
a) für die Gutachten öffentlicher „Behörden" (nicht „Be amten"); b) für ärztliche Atteste über nicht schwere Körper
verletzungen.
Im Falle a ist indessen auf Ersuchen des
Gerichts die sttenge Mündlichkeit dadurch zu wahren, daß die kollegiale Fachbehörde ein Mitglied zur Verttetung des Gutachtens entsendet (StPO. 255 Abs. 2).
VI. Besondere Fälle, insbesondere des mit Sach verständigenbeweis zusammengesetzten Augenscheins. a) Das Gutachten über den Geisteszustand eines „An
geschuldigten" kann in eigenartiger Weise vorbereitet werden (§ 81), nämlich durch einen singulären Eingriff in die persönliche Freiheit des Angeschuldigten.
Dieser Eingriff
besteht in Unterbringung und Verwahrung in einer öffent
lichen
(nicht privaten) Irrenanstalt
Wochen.
auf höchstens sechs
Es bedarf dazu des Antrags"' eines Sachver
ständigen, der Anhörung eines Verteidigers"
Gerichtsbeschlusses.
und eines
Letzterer ist ausnahmsweise durch so
fortige Beschwerde mit Suspensiveffett anfechtbar." v verursacht im Gegenteil be sonder- hohe Kosten und meistens enormen Zeitverlust. 10 ----- Verlangen in § 80; keine besondere prozessuale Besugnis, daher auch kein Be schwerderecht des Sachverstän
Der
digen bei Ablehnung. So die HM., Löwe-Hellweg, Kom mentar § 81 Note 9. 11 Event, muß ein solcher be stellt werden, oben S. 196. § 45 Id. 12 Daran wird durch StPO.
Der Sachverständige,
ß 54.
243
ablehnende Beschluß unterliegt den gewöhnlichen Regeln."
Auf das erstattete Gutachten finden die entwickelten all gemeinen Sätze, auch StPO. 83 Abs. 1, Anwendung. "
b) Leichenöffnung (Sektion, Obduktion), nötigen falls nach vorangegangener Exhumierung (§ 87 Abs. 3) vollzieht sich nach StPO. 87—90;15 * ***sie * * ist * * *eventuell * * * * 13 14 auch
zusammengesetzt zwar nicht mit einer Vernehmung im tech nischen Sinn, aber mit einer Befragung von Zeugen,"
Sefd)ulbi9ten17 und sachverständigen Zeugen. " c) Leichenschau (Autopsie), ohne oder nach Exhu
mierung, mit oder ohne Arzt (StPO. § 87 a. A., Abs. 2 und 3). 347 S. 1 natürlich nichts ge ändert, da StPO. 81 Abs. 3 als lex specialis voraeht. A. M. dennocv RG. 20, 378 u. a. Dagegen Beling, B. B. S. 372 Pote 57. — Die sofortige Beschwerde ist Rechtsmittel und unterliegt deshalb den „allge meinen Bestimmungen" der §§ 338—345 StPO. Das ist für § 339 bestritten. Der Ver teidiger soll auch gegen den Willen des Angeschuldigten Be schwerde einlegen dürfen. 13 Die Meinungen gehen start auseinander, vgl. LöweHellweg, Note 9. Beling, st. st. O. Note 59. 14 also tonn neue Begutach tung, abermalige Vorbereitung derselben und eine wiederholte Unterbringung in der Anstalt ungeordnet werden. Das ist auch sachlich das einzig Richtige, weil 6 Wochen sehr oft zu ab schließender Beobachtung nicht
genügen; a. M. RG. 23, 209. Natürlich ist aber auch vom Standpunkt des RG. eine neue Begutachtung zulässig, RG. 34, 306. 14 Zwei Aerzte, mindestens ein Gerichtsarzt; der behan delnde Arzt ist inhabilis. Oefsnung der drei großen Leibes höhlen obligatorisch; Reihen folge freistehend. Bei Neuge borenen Frage nach Leben und Vitalität zu" beachten; obwohl letztere Frage materiell gleich gültig. 16 £ 88 ©. 1: Feststellung der Persönlichkeit des Verstor benen, insbesondere durch Be fragung von Personen, welche den Verstorbenen gekannt haben. 17 § 88 ©. 2: Die Leiche ist zur „Anerkennung" vorzuzeigen. 18 § 87 Abs. 1 S. 2: Der behandelnde Arzt gibt event. Aufschlüffe aus der Krankheits geschichte.
Kap. II.
Abschn. III.
244
d) In
Das Beweisrecht.
Vergiftungsfällen ist
Zuziehung eines
Chemikers oder einer chemischen Fachbehörde obligatorisch,
Beiordnung eines Arztes fakultativ (§ 91). e)
Schriftvergleichung
Sachverständigen wird
unter
Zuziehung
von
als zulässiges19 * * *Beweismittel ******** in
§ 93 bezeichnet, das zu vergleichende Material wird häufig erst ad hoc als sog. Schriftprobe angefertigt.20
f) Bei Münzfälschungen ist nach richterlichem Er messen die behördliche Ausgabestelle der echten Münzen oder
Papiere — an Stelle der ausländischen auch die deutsche — zu gutachtlicher Äußerung heranzuziehen (§ 92). Nicht mit Unrecht unter
VII. Der D olmetscher.
scheidet Beling2*
den
Berkehrsdolmetscher
(der
verhandeln hilft, wo mit der deutschen Gerichtssprache nicht
durchzukommen ist) vom Beweisdolmetscher (der durch
seine Sprachkunde beweiserhebliche Tatsachen zutage fördert). Der letztere ist
ein
Sachverständiger
gewöhnlicher
Art.
Daß der erstere aber überhaupt kein Sachverständiger sei,
kann nicht zugegeben werden.22 19 Daß es keineswegs zuver lässig ist, sollte man in der Praxis nie vergessen. Weit mehr als ein Gerichtsschreiber, der nebenamtlich Schreibsach verständiger ist, wird oft ein Mikroskopier, ein Photograph, auch ein Diplomatiker von Fach, Archivar u. dgl. sagen können. (Arch. f. StrR. Bd. 53. S. 153). 19 Natürlich sind weder der Beschuldigte noch gar andere Personen verpflichtet, Schrift proben abzugeben. Es Hal den Anschein, als ob diese Erkennt
Er steht nur unter be-
nis der polizeilichen Praxis vielfach verloren gegangen sei. " B.-B. S. 286 s., S. 366 Note 27. ” Er teilt genau, wie der Beweisdolmetscher, Erfahrungs sätze einer bestimmten Sprach wissenschaft in einer dem kon treten Prozeß angepaßten Form mit. Richterliche Hilfsperson ist er in nicht höherem Grade wie jeder andere Sachverständige. Gebunden ist der Richter an die Übersetzung des Berkehrsdolmetschers ebensowenig, wie sonst an ein Gutachten. — Vgl. S. 61 Anm. 1.
Der Augenschein,
g 55.
245
sonderen Regeln hinsichtlich seiner Zuziehung (GVG. 187
Abs. 1 S. 1; Abs. 2) und seiner Vereidigung (GVG. 191. 192). Im übrigen finden die Grundsätze über Sachver ständige auch hier Anwendung, so die über Ablehnung
(GVG. 193), aber auch z. B. die über Weigerungsgründe?
VIII.
Militärpersonen
als
Sachverständige (StPO.
77 Abs. 2). 8 55. ver Augenschein. Kries § 51.
1.
Birkm. § 69. B.-B. § 86. Bind. § 79.
Ullm. § 85.
Augenschein -- Augenscheinseinnahme bezeichnet eine
Art von Beweisaufnahme.
Tas dabei verwendete Beweis
mittel nennen wir A u g e n s ch e i n s o b j e k t.
Hierunter ist
zu verstehen jeder Gegenstand der Sinnenwelt (auch der
Körper eines lebenden Menschen), der durch sein Dasein, seine Lage oder seine Beschaffenheit geeignet ist, auf die richterliche Überzeugung zu wirken; gleichgültig übrigens, ob die Vermittlung durch den Gesichtssinn, oder durch Gehör
(Phonograph) oder Geruch usw. geschieht.
Namentlich sind
Photographien wichtige Augenscheinsobjekte (RG. 36, 55).
Inwieweit der Gerichtszwang zur Verschaffung der Augen scheinsobjekte nach StPO. 94. 102. 103 verwendet werden
darf, ist in unsern §§ 59—61
über Editionspflicht, Be
schlagnahme und Durchsuchung zu erörtern.
Den eigenen
Körper braucht jedenfalls nur der Verdächtige den Augen
scheinspersonen bloßzustellen; für „Gegenstände" besteht da gegenprinzipiell eine allgemeine Verpflichtung zur Herausgabe. 23 Desgl. über Vereidigung, i Dagegen verstößt in einem Falle über Unmittelbarkeit und Münd- I doppelter Verdolmetschung RG. lichkeit der Beweisaufnahme. ; 36, 371.
Abschn. III.
246 II.
Das Beweisrecht.
Kap. II.
Die Einnahme des richterlichen Augenscheins er
folgt im Vorverfahren unter Hinzuziehung des Gerichts schreibers (StPO. 166. 185) mit genauer Protokollierung
auch nach der negativen Seite (StPO. 86) und mit Parteien
öffentlichkeit (StPO. 191. 193); ebenso als antizipierter
Akt zur Vorbereitung der Hauptverhandlung (StPO. 224). In der Hauptverhandlung kann Augenschein durch das er
kennende Gericht eingenommen werden, und es wird dies
die Regel sein, soweit sich Gegenstände bequem zur Gerichts stelle bringen lassen.1
Das Gericht hat aber auch den Weg
offen, ein früheres Protokoll verlesen zu lassen (StPO. 248)2: der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt insoweit nicht. Endlich steht' als dritter Weg der offen, einen Sachver
ständigen die nötigen Besichtigungen vornehmen und ihn darüber berichten zu lassen.3 § 56. Sie Urkunde.
Kries § 52.
I.
Birkm. § 75. B.-B. § 87. Bind. § 83.
UQm. § 94.
Urkunden sind Schriftstücke, die durch den ihnen auf
1 Nach StPO. 244 kann hier daS Gericht auch zum Augen schein gezwungen werden. — Die Protokollierung bei dieser unmittelbaren Beweisaufnahme unterliegt den gewöhnlichen Regeln des § 273 für die Hauptverhandlung. Die Aus nähme eines besonderen Proto kolles, selbst wenn der Augen schein außerhalb der Gerichts stelle eingenommen wird, und etwa dessen Verlesung nach § 248 wäre durchaus unzulässig. RG. 26, 277.
2 natürlich nur, wenn es den besagten Erfordernissen und in den Fällen des „zusammenge setzten Augenscheines" (S. 242) den hinzutretenden besonderen genügt. — Bei solcher Ver lesung ist die Mitverlesung ge reiner Aussagen nicht zu um gehen, z. B. StPO. 87 Abs. 1 a. E., 88S.1; vgl. RG. 12,308. 3 Man denke etwa an die Untersuchung der Geschlechts teile eines nach StGB. 176 3 3 gemißbrauchten Kindes.
Die Urkunde.
A 56.
247
geprägten gedanklichen Inhalt1 *geeignet sind, auf die richter liche Überzeugung einzuwirken (StPO. 248). Beweisbe stimmung oder Beweiserheblichkeit wird nicht gefordert (anders
im materiellen Strafrecht, StGB. 267).
Wir unterscheiden
erklärende (lediglich eine Gedanken- oder Willensäußerung des Ausstellers enthaltende) und berichtende (referierende) ?
Urkunden.
Letztere berichten entweder über eine Aussage
des Beschuldigten, eines Zeugen oder Sachverständigen (in
direkt berichtende Urkunden) oder über einen sonstigen Vor
chang. II. Als Eigenschaften der Urkunde, die auf ihren Be weiswert wirken, kommen in Betracht die E ch t h e i t,3 4die Unverfälschtheit/ bei berichtenden Urkunden auch die
Berichttreue. III. Die Beweiserhebung erfolgt nach StPO. 248 durch
Verlesung der Urkunde; natürlich ist es gestattet, die
Urkunde nur teilweise zu verlesen, nämlich soweit sie von
Belang ist.5
Es ist ferner statthaft, daneben (aber nicht
1 Kommt es nicht auf diesen, sondern aus die Beschaffenheit an, so liegt ein Augenscheinsobjekt vor. 9 Diese sind stets insofern zu gleich erklärende, als sie die Aus sage des Berichterstatters ent Hallen. 3 Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen Aussteller herrührt, den sie benennt oder aus den sie hindeutet. Die Echt heit ist eine Hilfstalsache des Beweises, oben S. 221. Nicht immer kommt es aus sie an. 4 Eine Urkunde ist unver sälscht, wenn nach der Ausstel jung keine unbefugten Inhalts
änderungen durch fremde Hand vorgenommen sind. Solches teilweises Verlesen durch den Vorsitzenden, daS gegenüber völliger Verlesung langatmiger Urkunden vor allem den Vorteil der Uebersichtlichkeit hat, versteckt sich meistens unter dem Ausdruck „aus den Akten konstatieren". Daß der Vorsitzende nur mitteilt, dieS oder jenes stehe in den Akten oder Zeitungsartikeln usw., ist unzweifelhaft unzulässig. RG. 25, 125. Daß diese un gesetzmäßige Behandlung so lange gesetzmäßig sei, bis Ein wendungen dagegen erhoben
248
Abschn. III.
Kap. II.
Das Beweisrecht.
statt besten), den Beteiligten die Einsichtnahme in die Ur
kunde zu gewähren. IV. Der Urkundenbeweis ist in der Regel nur subsidiär
statthaft.
In erster Linie ist der Beweis durch Vernehmung
von Personen zu versuchen (StPO. 249; RG. 34, 367). 1. Ausnahmen davon können nach freiem Ermessen gemacht
werden durch Verlesung a) von richterlichen Augenscheins protokollen (§ 248), b) von Erklärungen öffentlicher Be hörden, c) von ärztlichen Attesten über nicht schwere Körper verletzungen (§ 255; vgl. RG. 35, 162).
Die Urkunden zu
b und c können bald ein Zeugnis, bald ein Gutachten ent
halten.
2. Weitere Ausnahmen, aber nur in genauer Um
grenzung, werden für die über Aussagen referierenden Ur kunden gemacht.
tokolle.
Verlesungsfähig sind nur richterliche Pro
a) Handelt es sich um die Aussagen von Zeugen und
Sachverständigen, so müssen diese Personen verstorben, geistes
krank,
unermittelt,
wegen Krankheit, Gebrechlichkeit und
anderer Erscheinenshindernisse oder wegen großer Entfernung kommiffarisch (oder unter Wahrung der Parteiöffentlichkeit
im Vorverfahren) vernommen, oder Mitglieder landesherr licher Familien, oder Minister u. dgl., Bundesratsmitglieder, Abgeordnete sein (StPO. 250. 71. 49).
b) Handelt es sich
um die Aussage des Beschuldigten, so muß er vom Er
scheinen dispensiert oder auch, wenn noch weitere Beschuldigte abzuurteilen sind, verstorben, geisteskrank, unermittelt oder bereits verurteilt sein (StPO. 232. 250). 3. Etwas erleichtert
und Anträge auf gesetzmäßige Behandlung gestellt würden — dieser wunderliche Gedanke wurde in unverkennbarem Gegensatz zum 2. StSen. vom 1. und 4.
| : ! :
StSen. des RG. vertreten: 3, 142. 162. 282. 26, 32. Jetzt ist 35, 198 auch der 2. StSen. dem beigetreten, unter Ableug nung des Gegensatzes.
Die Aussage d. Beschuldigten u. anderer Personen,
ß 57.
249
ist die Verlesung der Aussagen von Zeugen und Sachver ständigen (§ 252) und von Beschuldigten (§ 253),6 wenn sie bloß zur Beweisunterstützung erfolgt.
§ 57. Bit Aussagt dts Beschuldigten und andtrer Personen. Kries § 50.
Birkm. S. 335. 406. 457. B.-B. § 91. §§ 92. 93. Bind. § 82.
Ullm.
I. Die Aussage des Beschuldigten, sofern sie — im
Gegensatz zur Parteibehauptung — mit dem Anspruch auftritt, eine wahrheitsmäßige Darstellung von Vorgängen und Zuständen auf Grund eigener sinnlicher Wahrnehmung
zu sein, gehört ebenfalls zu den „Beweismitteln",1 die Ver
nehmung des Beschuldigten ist „Beweiserhebung" und fällt mit unter die „Beweisaufnahme".-
Daher ist es z. B. er
laubt, zur besseren Aufklärung vor Entscheidung über die
Anklage eine Vernehmung des Beschuldigten
anzuordnen
(§ 200), und daher findet der Grundsatz freier Beweis würdigung (§ 260) auch auf die Aussagen des Beschuldigten Anwendung: auch das Geständnis steht unter keinerlei das
Gericht bindender Beweisregel.
Inhaltlich ergibt sich auch
aus StPO. 25() Abs. 1. 256, daß die Aussagen Beschul
digter den Beweismitteln zuzurechnen sind.
II.
Die Beweisaufnahme liegt in der Hauptver-
6 Es wird ein richterliches Protokoll verlangt. Wie steht es demnach mit der Verlesbarkeit von Briesen des Angeklagten oder von Eingaben an den StAnw.? RG. 35, 234 bejaht die Verlesbarkeit. 1 z. B. im Sinne der §§ 170
Abs. 2, 172 Abs. 2. 210. 198 Abs. 1 StPO.; a. M. B.-B. S. 373/374. 2 In einem engeren Sinn und im Gegensatz zur Ver nehmung des Angeklagten wird das Wort „Beweisaufnahme" in §§ 237. 243 gebraucht.
Abschn. III.
250
Kap. HI.
Die Sicherung deS Beweises.
Handlung völlig in den Händen des Vorsitzenden, der sie nie an Staatsanwalt oder Beisitzer überlasten und höchstens
einem Sachverständigen unmittelbare Befragung gestatten darf (StPO. 237 Abs. I. 239. 80 Abs. 2).
Die Ver
nehmung (über deren Wesen oben S. 192 f. gesprochen ist)
gliedert sich in solche zur Person und zur Sache (StPO. 242), und die letztere zieht sich als Leitmotiv durch die ganze Hauptverhandlung (StPO. 256, wegen des „soll" nur in-
struktionell). III. Auch die Aussage andererPersonen darf,
da ein Verbot nicht entgegensteht, bei der Bildung der richter lichen Überzeugung verwertet werden. Können sie als Zeugen vernommen werden, so ist allerdings dieser Weg einzuschlagen.
Er ist überall da nicht angängig, wo die Betreffenden Auskunft in eigener Sache erteilen.
Hierher gehören die Aussagen
eines Privatklägers, eines Bußklägers, eines subsidiär Haf tenden (S. 166), eines Vertreters der klagenden Verwaltungs
behörde (StPO. 464 Abs. 5), eines Kostenpflichtigen und zahlreicher Betroffener (S. 172).
Drittes Kapitel.
Die Sicherung des Beweises. 8 58.
Legriff der Leweisstcherrrng.
Kries § 53. 41. I.
Ein
Birkm. § 78 I. § 79 I.
B. B. § 50.
kann
gehen.
Beweismittel
verloren
Die
Gegenstände können vernichtet oder unbrauchbar werden:
Begriff der Beweissicherung,
g 58.
251
die Menschen können versterben, fortziehen, entfliehen.
Mit
Rücksicht auf diese Gefahren ist häufig die Vornahme von
Handlungen geboten, die den Beweis sichern. Und zwar kann Doppeltes in Betracht kommen. Nehmen wir an, daß die Untersuchung eines Flintenlaufes für einen Straf
prozeß von
Wichtigkeit ist,
so
kann einerseits die Be
fürchtung entstehen, daß etwa im Laufe der Zeit, die noch
bis zur Hauptverhandlung verstreichen muß, die Spuren
des
Schusses
sich
verwischen;
andrerseits kann die Be
sorgnis auftauchen, daß das Gewehr überhaupt bei Seite gebracht und jeder Untersuchung entzogen werde.
Mittel,
die das eine verhindern, wird man ebenso wie solche, die dem andern Vorbeugen, als Mittel zur Sicherung des Be
weises bezeichnen können. II. In der ersten Beziehung — wenn also Gefahr
vorliegt, daß das Beweismittel für spätere Prozeßstadien,
insbesondere für die Hauptverhandlung nicht mehr zu er langen oder zu gebrauchen sein werde — ist das Mittel
die antizipierte Beweisaufnahme.
Es wird ein
vereinzeltes Stück der Hauptverhandlung isoliert vorweg genommen, so daß dann in der Hauptverhandlung nur ein
Bericht darüber
verlesen
wird.
In dieser Hinsicht
be
stehen folgende Pflichten: Die Polizei hat der Verdunkelung vorzubeugen (StPO. 161, ob S. 177 f.).
Der
Staats
anwalt hat für Erhebung derjenigen Beweise Sorge zu tragen,
deren
Abs. 2 a. E.).
Verlust
zu
besorgen
steht (StPO. .158
Ist der Verlust von Entlastungsbeweisen
zu befürchten, so hat der den Beschuldigten vernehmende Amtsrichter auf Antrag die betreffenden Beweise zu er heben (StPO. 164). Überhaupt hat bei Gefahr im Ver
züge der Amtsrichter zu den nötigen Beweisaufnahmen
252
Abschn. III.
Die Sicherung des Beweises,
Kap. III.
von Amts wegen zu schreiten (StPO. 163), und es kann alsdann auch schon im vorbereitenden Verfahren die Be
eidigung
von Zeugen
erfolgen
(StPO.
65
Abs.
3).1
Ferner sind in der Voruntersuchung Beweise, deren Ver lust droht, auf alle Fälle zu erheben (StPO. 188 Abs. 2).
Für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die
wahrscheinlich
in
Hauptverhandlung
der
nicht
er
scheinen werden, ist Parteienöffentlichkeit (StPO. 191) vor
geschrieben und Beeidigung (StPO. 65 Abs. 2) gestaltet. Überhaupt aber kann jede richterliche Vernehmung von
Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen u. U. einen
Sicherungsakt gegen gänzlichen Verlust des Beweismittels darstellen (vgl. StPO. 232 Abs. 2, 250 Abs. 1 und 2);
desgl. der Augenschein (vgl. StPO. 248 a. (£.).
Ist der
Beschuldigte „abwesend" (StPO. 318) und darf eine Haupt verhandlung nicht stattfinden, so ist ein besonderes Verfahren
zulässig, um für den Fall der Gestellung die Beweise zu sichern (StPO. 327—331); hierbei erfolgt Beeidigung der
Zeugen und Sachverständigen auch ohne die Voraussetzung
des § 65 Abs. 2 und 3 (StPO. 328 Abs. 2). III. Die zweite Seite der Beweissicherung umfaßt alle
Maßregeln, die darauf hinauslaufen, das Gericht des be
treffenden Beweismittels (sei eine
Person)
habhaft
es
ein Gegenstand,
werden
zu
lassen.
sei es
Im
weitesten Sinne gehört hierher auch die Vorführung eines ausgebliebenen,
die Zwangshaft
1 Die Pflichten des StAnw. und des AR. tSlPO. 158 Abs. 2. 163) erstrecken sich jedoch über das Vorverfahren hinaus auf alle Stadien des Prozesses. Es
gegen
einen renitenten
kann sich z. B. um Sicherung von Beweisen für die Wieder aufnahme des Verfahrens han deln. Kries, 421. B.-B. 469 Anm. 9.
Begriff der Beweissicherung,
g 58
253
In engerem Sinne verstehen wir darunter die
Zeugen.
Ergreifung des Beschuldigten und die sie vorbereitenden
und
sowie die Ergreifung Vorbereitungshandlungen
unterstützenden Maßnahmen,
Sachen
bestimmter
Wir
dazu.
bzw.
können
die
Zwangsmittel
somit
gegen
Personen und gegen Sachen unterscheiden und be
handeln diese im folgenden.
Zur Anwendung der Zwangs
mittel wird der Regel nach stets richterliche Entscheidung
gefordert, nur bei Gefahr im Verzüge steht die Hand habung häufig dem Staatsanwalt und
seinen Hilfsbeamten oder überhaupt frei.
bisweilen
sogar
den Polizeibeamten
Tie reale Ausführung des Zwanges wird in der
Regel überhaupt nicht vom Richter, sondern von Exekutiv
beamten vorgenommen. IV.
Die
im
folgenden
behandelten
Mittel
der
Zwangsgewalt sind durch den hier hervorgehobenen Gesichtspunkt
der Beweissicherung nicht völlig
Sie dienen z.
T.
auch
dem
Zweck
erschöpft.
der Vollstreckungs
sicherung.
Als solche finden sie nach der Anlage dieses
Lehrbuchs
nur
nebensächliche
Erwähnung.2
Die
be
handelten, den folgenden §§ 59 — 70 zugrunde liegenden
Gesetzesstellen sind: StPO. 94-111 (MilStGO. 229—242), StPO. 112—130 (MilStGO. 174—182), StPO.133—135 (MilStGO. 172), StPO. 332- 337 (MilStGO.360—362),
StPO. 131, 132 (MilStGO. 183. 184).
1 Lehrb. § 59 V. § 60 IV. | § 64 Anm. ♦, 4. § 66 Anm. 1. VI. § 61 Anm. 3. 8 61 II. i 8 67 I. § 70 Anm. 2.
Abschn. III.
254
Kap. III.
Die Sicherung deS Beweises.
§ 59.
Vie ELittouspAicht. Kries § 42 I—III.
Birkm. § 79 I.
B.-B. § 51.
Ullm. §80 1.
Bind. § 74 I—VI.
I. sein
Sachen, welche als Beweismittel von Bedeutung
können, also Augenscheinsobjekte und Urkunden sind
nach StPO. 94 Abs. 1
in Verwahrung zu nehmen oder
sonst sicher zu stellen.1
Um dies tun zu können, muß
man aber vorerst die Sachen ergreifbar vor sich haben. Befinden sie sich im Gewahrsam einer Person, so müßte diese sie herausgeben — also eine positive Handlung vor
nehmen, nicht etwa nur die Handlungen anderer dulden.
Eine solche Pflicht zu positivem Tun führt StPO. 95 Abs. 1 in doppelter Form ein: Pflicht zur Vorlegung
(Exhibition) und
zur Auslieferung (Edition).
Sie
wird nach Analogie der Zeugnispflicht behandelt, woraus folgt, daß diese sog. Editionspflicht für den Beschuldigten
nicht besteht.
II.
Voraussetzung der Pflicht ist 1. daß es sich um
einen Gegenstand der bezeichneten Art handelt; 2. daß es sicher feststeht und nicht abgeleugnet wird, daß der in An
spruch Genommene den Gegenstand wirklich in seinem Ge wahrsam habe.
Das Fehlen eines Editionseides
(vgl.CPO.426)bricht praktisch in allenZweifels-
fällen diesen Bestimmungen die Spitze ab.
III. Die Zeugnisweigerungsrechte (ob. § 53 III) gelten auch hier, StPO. 95 Abs. 2 S. 2: Angehörige? 1 z. B. durch Versügunas- i * § 97 läßt dieses Weigerungs verbot, daS durch StGB. 137, recht völlig unangetastet, da er sich aus die EditionSpflicht über oder durch Siegelanlegung, die durch StGB. 136 geschützt ist. haupt nicht bezieht.
Die Beschlagnahme.
| 60.
255
brauchen keinerlei Sachen, Vertrauenspersonen - brauchen
keine anvertrauten Sachen, niemand braucht ihn kompro mittierende Sachen auszuliefern. Für die öffentlichen Be amten stellt § 96 die Parallele zu § 53 her.
IV. Die Folgen unberechtigter Weigerung sind theo
retisch Sttafe und Zwangshaft, StPO. 95 Abs. 2 S. 1; 69.
Aber praktisch wird es hierzu nie kommen, da die
Durchsuchung (Lehrb. § 61) offen steht und dieses Mittel nicht nur sicherer zum Ziele führt, sondern auch in erster
Linie versucht werden muß.3 * * 6
V. Die vorstehenden Regeln gelten nach StPO. 94
auch für Gegenstände, die der Einziehung unterliegen. Hier handelt es sich nicht um Beweissicherung, sondern
um Vollstteckungssicherung. 8 60.
Nir Seschlagnahme. Kries § 42 IV. V.
Birkm. § 79 II.
§§ 79. 80 II. III.
B.-B. §§ 52. 53.
Ullm.
Bind. § 74 IV—X.
I. Wird ein Beweisgegenstand direkt erlangt oder auf
Erfordern herausgegeben, so bedarf es keiner eigentlichen Beschlagnahme,1 wenn sie auch stattfinden kann. 3 Weiß der Richter, daß X einen Gegenstand noch hat und nicht schon vernichtet hat, so kann es nicht Sinn des Gesetzes sein, daßX, wenn der Richter nicht suchen lassen will, erst 6 Monate absitzt (§ 69). Es ist selbstverständlich, daß man, wenn ein direkter und ein indirekter Weg zugleich offen stehen, erst den direkten versucht. Wird der Gegenstand bei der Durchsuchung nicht gesunden, so kann man
Dagegen
den X nicht einsperren, weil die Polizei schlecht gesucht hat. Sollte er aber den Gegenstand besonders raffiniert versteckt haben, so dürste er selbst der Begünstiguna verdächtig sein und hat folglich als Beschul digter keine Eoitionspflicht. Vgl. namentlich John, Komm. I, 764 ff. 772. 1 Mit den Wirkungen der §§ 136. 137 StGB.
Abschn. III.
256
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises,
bedarf es ihrer (StPO. 94 Abs. 2), wenn der Gegen stand erst durch Durchsuchung oder Strafe oder Zwangs
hast erlangt worden ist.
Immer aber bedeutet Beschlag
nahme nur eine zu Zwecken der Strafverfolgung, also in
repressivem Sinne geschehende sichernde Maßnahme.
Be
schlagnahme zu präventiven, polizeilichen Zwecken gehört nicht hierher.
II.
Die Anordnung der Beschlagnahme steht dem
Richter zu, bei Gefahr im Verzug auch der Staatsanwalt schaft und ihren Hilfsbeamten (StPO. 98 Abs. 1).
Ist bei
der Ausführung der nicht-richterlichen Beschlagnahme der Betroffene oder ein erwachsener Angehöriger zugegen, ohne zu widersprechen, so steht die nichtrichterliche Beschlagnahme
der richterlichen gleich.
Andernfalls bedarf es richterlicher
Bestätigung, die von dem Anordnenden binnen 3 Tagen nachgesucht werden soll (StPO. 98 Abs. 2 S. I).
In jedem
Fall, auch wenn eine Bestätigung unnötig ist, muß eine nicht richterliche, nach Klagerhebung stattfindende Beschlagnahme binnen 3 Tagen dem Richter angezeigt werden (StPO. 98 Abs. 3). — Abweichend z. T. PreßG. §§ 23 ff.
Die richterliche Anordnung ist durch Beschwerde anfecht bar,
ohne daß das Urteil abgewartet wird (StPO. 346
Abs. 2. 347 S. 2); gegen die nicht-richterliche wird zunächst richterliche- Entscheidung nachgesucht (StPO. 98
Abs. 2
S. 2) und gegen diese event, der Beschwerdeweg beschritten.
Diese Bekämpfung der Beschlagnahme ist auch dem gestattet, der zunächst die Sache steiwillig herausgegeben oder nicht
widersprochen hat.
* Vor Klagerhebung bei dem ! schlagnahme stattfand, AR., in dessen Bezirk die Be- I Abs. 2 S. 3.
§
98
Die Beschlagnahme,
g 60.
257
Die Ausführung geschieht durch Polizeiorgane oder
Gerichtsdiener? Der Assistenz des Richters oder Staatsanwalts steht natürlich nichts entgegen.4 Die beschlagnahmten Gegen
stände sind vor Verwechselungen zu sichern und in eine Asservatenliste zu verzeichnen.
Das Gleiche gilt für die
ohne Beschlagnahme verwahrten Gegenstände (StPO. 109).
Vor Klagerhebung gebührt die weitere Verfügung beut Staats anwalt, nachher dem Richter (StPO. 98 Abs. 3 a. E ). III.
Ein Beschlagnahmeverbot geht aus StPO.
97 für die Korrespondenz zwischen einem Beschuldigten und seinen unverdächtigen Angehörigen und Vertrauenspersonen
hervor, falls die letzteren die Korrespondenz in Händen
haben.
Noch weiter geht StPO. 148: die Korrespondenz
des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger ist, soweit& sie der Kontrolle nicht unterliegt (ob. S. 199 f.),
auch der Beschlagnahme entzogen.
Indirekt liegt in dem
Beschlagnahmeverbot ein Beweisverbot, dessen Verletzung das auf ihr beruhende Urteil revisibel macht.6 — Über StPO. 99 ff. unten § 63.
IV.
Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald die Sache
nicht mehr als Beweismittel von Bedeutung sein kann, ins besondere nach Rechtskraft des Urteils.
Vorausgesetzt, daß
die Sache auch nicht als Einziehungsobjekt in Betracht kommt,
ist sie dann dem früheren Gewahrsamsinhaber oder dem
s Ander- § 98 Abs. 4 betr. mililärische Dienstgebäude. Gegenstück dazu MilStGO. 238. 249. 4 Sie mutz daher auch ge duldet werden, wo die Militär behörde da- aussührende Or gan ist. StPO. 98 Abs. 4, vgl.
Rosenfeld, ReichSstrafprozeß.
MilStGO. 239 Abs. 3 a. E. 5 Soweit Kontrolle gestattet ist, kann nur StPO. 97 der Beschlagnahme entgegenstehen, vgl. RG. 33, 380. * Auch die bloße Verwendung zur Schriftvergleichung ist ver boten. RG. 20, 91.
Abschn. III.
258
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises.
Verletzten, dem sie durch die strafbare Handlung entzogen wurde, zurückzugeben.
Die Zurückgabe an den Verletzten
(StPO. 111) darf aber nur in die zivilrechtlichen Beziehungen
zwischen Beschuldigtem und Verletztem eingreifen, und hat auch hier keine Rechtskraftwirkungen (Abs. 2).
Sowie An
sprüche dritter in Frage kommen, ist die Sache einfach dem
früheren Gewahrsamsinhaber zurückzugeben. V.
Eine
Beschlagnahme
einstweilige
kennt
StPO. 108, wenn bei einer Durchsuchung Gegenstände ge funden werden, die auf die Verübung einer anderen Straf tat hindeuten.
Hier findet keine Anordnung, sondern so
gleich die Ausführung statt.
Die Gegenstände unterliegen
stets der Verfügung des Staatsanwalts.
Beschlagnahme muß durch
Eine definitive
gewöhnliche Anordnung
nach
StPO. 98 Abs. 1 erfolgen. VI.
Die Beschlagnahme findet auch auf Einziehungs
objekte Anwendung (StPO. 94).
§ 61. Nie Durchsuchung. Kries § 43 I—IV. Birkm. § 79 III. B -B. §§ 54. 55. Ullm. § 81. Bind. § 73. Beling, Zeilschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 15 S. 471 ff. Rosenmeyer, Ger.Saal, Bd. 63, S. 41 ff.
I.
Als Vorbereitung sowohl zur Ergreifung des Be
schuldigten, wie zur Auffindung von sachlichen Beweismitteln ist die Durchsuchung nach StPO. 102. 103 zulässig. StPO. 102 bezieht sich auf die Durchsuchung bei Ver
dächtigen (Täter, Teilnehmer, Begünstiger, Hehler), StPO. 103 auf die bei Unverdächtigen.
Welche Unterschiede
zwischen beiden Fällen obwalten sollen, ist sehr dunkel; nach
Ausweis von § 103 Abs. 2 soll im zweiten Fall eine Be-
Die Durchsuchung.
schränkung Platz greifen.
| 61.
259
Der Unterschied liegt nicht in den
allgemeinen Zwecken,1 auch nicht in dem Grade der Aus
sicht auf Erfolg 2 — in letzterem wenigstens nur teilweise.
Tie Durchsuchung zur Ergreifung von Beschuldigten kann nämlich bei Verdächtigen auch ins Blaue hinein, aufs Ge
ratewohl, als Probiermaßregel vorgenommen werden, bei Unverdächtigen nur mit objektiven Anhaltspunkten.
Die
Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln erfordert
in beiden Fällen objektive Anhaltspunkte. Der wirkliche Unterschied von StPO. 102 und 103 ist ein doppelter.
Erstens: § 103 löst den Ausdruck des § 102: „Auf
findung von Beweismitteln" auf in Verfolgung von Spuren einer strafbaren Handlung einerseits und in Beschlagnahme
von Gegenständen andrerseits.
In der letzteren Untergruppe
wird das Wort „bestimmter" zugefügt und dadurch aller dings eine Beschränkung gewonnen.
Das Ergebnis ist:
1. bei Verdächtigen darf durchsucht werden nach irgend1 Daß § 102 zwei Zwecke, 8 103 trotz des einschränkenden „nm" dagegen 3 nennt, erklärt sich aus der im Text erörterten Auslösung des Ausdrucks „Aussindung von Beweismitteln". 2 § 102: „wenn ru vermuten ist, daß die Durchsuchung zur . . . . führen werde"; § 103: „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß ... . sich befinde." Beide Wendungen sind gleichbedeutend. Die „Ver mutung" , daß man ein Be weisstück an bestimmter Stelle finden werde, kann nur dann austauchen, wenn „Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen
ist", daß es sich dort befinde. John, Komm., I 814. 3 Die Beschlagnahme kann nach § 94 zwei Klassen von Gegenständen treffen: Beweis mittel und Einziehungsobjekte. Da tz 103 im Verhältnis zu 8 102 höchstens enger, keines falls weiter sein kann, und da § 102 nur die Beweismittel nennt, so sind die Einziehungs objekte weder unter § 102 noch unter § 103 einbegriffen. Es gibt keine Durchsuchung lediglich zur AusfindunavonEinziehungsobjekten. Ebenso Geyer,
v. Holtzendorff, v. Kries. Dagegen die HM.
260
Abschn. III.
Die Sicherung des Beweises.
Kap. III.
welchen Spuren und nach irgendwelchen beschlag nahmbaren Beweismitteln; 2. bei Unverdächtigen darf durch
sucht werden nach irgendwelchen Spuren, aber nur nach bestimmten beschlagnahmbaren Beweismitteln. Zweitens: Der Hauptunterschied liegt in den Ob
jekten der Durchsuchung.
Bei einem Verdächtigen können
nach § 102 die Wohnung und andere Räume, seine Person
und die ihm gehörigen Sachen durchsucht werden, während
§ 103 nur von den zu durchsuchenden „Räumen" redet. Hieraus folgt, daß ein Unverdächtiger sich eine Durch suchung seiner Person, insbesondere seines nackten Körpers
nicht gefallen zu lassen braucht. *
Dagegen unterliegt der
Leib des Verdächtigen jeder ohne erhebliche, insbesondere
dauernde Schädigung möglichen Durchsuchung 4 5 An das Gesagte schließt sich § 103 Abs. 2 mit einem 4 A. M. RG. 14, 189. 16, 218. 19, 364 und zahlreiche Schriftsteller. Danach ist event, eine anständige Frau verpflichtet, sich vor einem Polizeikommissar iu entkleiden, damit dieser sie besichtigen und betasten kann. Weigert sie sich dessen, so wird sie mit Gewalt entblößt und ihre Gegenwehr nach StGB. 113 bestraft. — Es fragt sich, ob daS ungeheuerlich oder ob eS selbstverständlich ist. Ist eS das erstere, so muß man einen deutlichen Ausspruch im Gesetze verlangen, daß eS Rech tenS sein soll. Das RG. hält eS aber für selbstverständl i ch und erwartet daher im Ge setz eine ausdrückliche Aus nahme der Unverdächtigen von solcher DuldungSpflicht. Das
RG. vertauscht Regel und Aus nähme, wie schlagend Bel in g, Zeitsch. f. d. ges. StRWiss. 15, 494 hervorhebt. Mit dem Text übereinstimmend auch Geyer, v. Holtzendorff, Boitus, John, Bennecke, Frank, sowie Ullmann S. 318 (bei B.-B. 173 mit Unrecht für die Gegenansicht zitiert). Im Ein klänge mit der vertretenen An sicht jetzt auch MilStGO. 235 Abs. 2. 6 Ich halte Brechmittel, Magenpumpe, Rasieren usw. für gestattet: aber auch z. B. eine Operation, um sestzustellen, ob ein verschiebliches Körper chen im Fleisch des Unterarmes ein Schrotkorn ist; z. T. a. M. Beling, Beweisverbote, S. 12.
Die Durchsuchung,
ß 61.
261
Wegfall der zum Vorteil Unverdächtiger getroffenen Be
schränkung.
Sie fällt fort für solche Räume, in welchen
der Beschuldigte ergriffen worden ist, oder welche er während der Verfolgung betreten hat, oder in welchen eine unter Polizeiaufsicht stehende Person wohnt
oder sich aujhält.
Diese Räume dürfen also zuni Zweck der Ergreifung eines
Beschuldigten stets auch ohne objektive Anhaltspunkte aufs Geratewohl durchsucht werden, und sie dürfen bei objektiven
Anhaltspunkten zum Zweck der Auffindung irgendwelcher glicht nur bestimmter) Beweismittel durchsucht werden.
II. Die Haussuchung § zur Nachtzeit (§ 104 Abs. 3: 9 bis 4 bezw. 6 Uhr) ist beschränkt.
im allgemeinen nur in 3 Fällen vorgenommen
Sie darf werden
(Abs. 1): bei Verfolgung auf frischer Tat, — bei Gefahr im Verzüge, — zur Wiederergreisung eines entwichenen
Gefangenen; ohne diese besonderen Voraussetzungen nur in
den 6 Fällen des Abs. 2. 6 7
III.
Die Anordnung der Durchsuchung steht dem
Richter zu, bei Gefahr im Verzug auch der Staatsanwalt schaft und ihren Hilfsbeamten (StPO. 105 Abs. 1).
Die
Ausführung geschieht durch Gerichtsdiener oder Polizei
organe, im Fall des Abs. 4 durch Organe der Militär
behörde.
Tas
Gesetz erwartet,
Richter oder Staatsanwalt (nicht
daß
normalerweise der
Amtsanwalt)
Ausführung gegenwärtig ist (§ 105 Abs. 2).
bei
der
Ist das
nicht der Fall, und liegt keiner der Räume des § 104 6 So nennt man die Durch suchung der Wohnung, der Geschäslsräume und des befriebeten Besitztums. StPO. 104 Abs. 1. StGB. 123. 7 1. Wohnungen von Leuten
unter Polizeiaussicht; 2. zur Nachtzeit jedem zugängliche Räume; 3. Verbrecherherbergen u. dgl.; 4. Niederlagen von Diebesgut; o. Schlupfwinkel des Glücksspieles; 6. Bordelle.
262
Abschn. III.
vor,
Abs. 2
(1
so
Die Sicherung des Beweises.
Kap. III.
sind
Repräsentanten
der
Öffentlichkeit
Gemeindebeamter oder 2 Gemeindemitglieder) * zuzu
ziehen, § 105 Abs. 2 und 3.
IV. Die Stellung des Betroffenen regelt StPO. 106. 107.
Er darf der Durchsuchung beiwohnen.9
er abwesend, so ist ein Vertreter10 zuzuziehen.
Ist
Dem Un
verdächtigen oder seinem Vertreter ist vorher der Zweck
der Durchsuchung mitzuteilen (es sei denn, daß es sich um
die Räume des § 104 Abs. 2 handelt).
Dem Verdächtigen
wie dem Unverdächtigen ist nachher auf Verlangen der Grund der Durchsuchung"
schriftlich mitzuteilen.
Dem
Verdächtigen ist ferner die Straftat zu bezeichnen, wegen deren
die
Durchsuchung
stattfand.
Daraus
folgt
per
argumentum e contrario, daß der Unverdächtigte über haupt nicht zu erfahren braucht, wegen welcher Straftat bei ihm gesucht wurde.
8 62. Die Durchsicht von papieren. Kries § 43 V. Birkm. S. 507 f. B.-B. § 55 IV. IKlm. §81 V. I.
Papiere
Die
Durchsicht,
d.
h.
Lektüre,
beschriebener
steht jeder amtlich mit den Papieren
befaßten
Person zu, wenn die Papiere zufällig aufgefunden oder s Ein Fall der mittelbaren Oesfentlichkeit, ob. S. 56 Anm. 1. Der Gemeindebeamte darf auch Polizei- oder Sicherheilsbeamter sein; die Gemeinde mitglieder dürfen es nicht sein. Das ist einigermaßen wider spruchsvoll. * 9 aber nicht sie stören; über
- das Verhältnis zu StPO. 162 vgl. NG. 33, 251. . 10 StPO. 106 Abs. ie.2: ' gewillkürter Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Haus > genosse oder Nachbar. 11 und ein Asservatenverzeich! nis oder eine Bescheinigung der ! Unverdächtigkeit, StPO. 107 S. 2
Die Durchsicht von Papieren.
freiwillig aufgeliefert werden.
Anders,
A 62.
263
wenn sie durch
Durchsuchung und Beschlagnahme erlangt sind: die Durch sicht ist alsdann ausschließliches Vorrecht des Richters (StPO. HO Abs. 1). Hierher gehören alle Papiere, die der Betroffene in Besitz hatte.1
II. Voraussetzung ist, daß eine Durchsuchung findet
und
Papiere
aufgefunden
werden.
statt
Entweder
genehmigt der Inhaber2 deren Lektüre durch den durch
suchenden Beamten (StPO. 110 Abs. 2 S. 1): dieser läßt
dann die unerheblichen Papiere liegen, die übrigen be schlagnahmt er (StPO. 94 Abs. 2). der Beschlagnahme voran. die Lektüre nicht.
Die Durchsicht geht hier
Oder der Inhaber genehmigt
Dann soll der durchsuchende Beamte
zwischen solchen Papieren, deren Durchsicht er nicht für geboten erachtet, und solchen Papieren, deren Durchsicht er
für geboten erachtet, scheiden.3
die letzteren muß er,
Die ersteren läßt er liegen,
da sie freiwillig nicht hergegeben
werden, nach § 94 Abs. 2 beschlagnahmen, was durch Ein schlagen und Versiegeln nach § 110 Abs. 2 a. E., Abs. 3 geschieht.
Alsdann erfolgt Ablieferung an den Richter, An
ordnung der Durchsicht oder der verschlossenen Zurückgabe
durch diesen, ersterenfalls Aufforderung an den Inhaber, 1 A. M. B.-B. 177. Damit wird aber die Entscheidung der gerade bei Papieren oft sehr schwierigen Eigentumsfrage subalternen Organen überlassen. - Der Vertreter ist dazu nicht befugt. Das ergibt 110 Abs. 2 im Verhältnis zu Abs. 3. 3 und zwar nimmt er diese Scheidung vor, ohne die Pa piere zu lesen: vgl. die sati rischen Bemerkungen Johns,
Komm. I 831 f. über das Kunststück, das hier verlangt wird. In praxi wird der Beamte einfach alle aufgefundenen Papiere beschlagnahmen. Nun besteht aber nach StPO. 97 ein Ver bot der Beschlagnahme gewisser Korrespondenzen! Wie soll der Beamte aber ohne Lektüre wissen, i ob solche Korrespondenzen vor! liegen? Hier wird das Gesetz ! Perplex.
I ! ; i
Abschn. III.
264
Kap. III.
Die Sicherung deS Beweises,
der Entfiegelung und Durchsicht beizuwohnen, endlich die Durchsicht selbst (§ 110 Abs. 2 und 3).
Hier geht also
die Beschlagnahme der Durchsicht voran.
Die Folge der
Durchsicht ist entweder Rückgabe der Papiere (also Auf hebung der Beschlagnahme) oder Mitteilung4 an die Staats
anwaltschaft (Abs. 4).
§ 63. Vie Anhaltung von ft tiefen und Telegrammen. Kries § 43, VI. VII. Birkm. 88 79, II 4. B. B. § 53, II b. Ullm. § 80, III 3. Bind. § 74, VIII. Laband III § 73, III 4, S. 57 ff.
I.
Das Briefgeheimnis (PostG. vom 24. Oktober 1871
§ 5. StGB. 354) und das Telegraphengeheimnis (Telegr.G. vom 6. April 1892 § 8.
StGB. 355) sind unverletzlich.
Ausnahmen werden durch Reichsgesetz festgestellt. für den Strafprozeß durch StPO. 99—101
Das ist
geschehen. *
Die hier geordnete „Beschlagnahme" ist etwas anderes, als die Beschlagnahme nach StPO. 94 (unser § 60), und wir belegen sie deshalb mit der Bezeichnung „Anhaltung".
Sie
bereitet eine eigentliche Beschlagnahme in entfernter Weise
vor.
Die angehaltenen Sendungen werden dem Richter-
vorgelegt, der zunächst eine Durchsuchung (unser § 61) vor
nimmt, da er sich entscheiden muß, ob er Eröffnung oder 4 In diesem Fall ist eine richterliche Entscheidung über die „Beschlagnahme" nach StPO, nicht nötig. DaS zeigt deutlich, daß die „Beschlagnahme" be reits vollzogen ist. 1 Ueber die Grenzen des „Geheimnisses" ist hier insofern hinausgegangen, als die privi legierte Behandlung sämtlichen
Postsendungen zu teil wird. — MilStGL. 233. * Die StAnw.schast kommt hier bei Gefahr im Verzüge für Telegramme in Berbrechens und Vergehenssachen in Betracht (folglich nur in reinen SchGSachen der Amtsanwalt). StPO. 100 Abs. 1, s. unten III.
Die Anhaltung von Briefen und Telegrammen.
| 63.
265
Ausantwortung anordnen soll (StPO. 94 Abs. 2 S. 1).
Nach der Eröffnung nimmt der Richter eine Durchsicht (unser
§ 62) vor. Das Ergebnis der Lektüre ist dafür entscheidend, ob Zurückbehaltung oder Ausantwortung verfügt wird (StPO. 101 Abs. 2 S. 2).
Erst die etwaige Zurückbehaltung ist
Beschlagnahme im technischen Sinn. II.
Zulässig ist a) die Anhaltung der Postsendungen
und Telegramme, deren Adressat der Beschuldigte ist, ohne weiteres, auch ohne alle Anhaltspunkte aufs Geratewohl.
Dagegen kann b) die Anhaltung der vermutlich vom Be schuldigten herrührenden oder vermutlich für ihn bestimmten
Sendungen nur bei objektivem Anhalt für ihre Erheblichkeit
verfügt werden (StPO. 99). III. Die Anhaltung wird a) vom Richter ange ordnet: so in Übertretungssachen stets, in den übrigen
in der Regel und definitiv lediglich durch ihn.
b) Der
Staatsanwalt und Amtsanwalt kann in Verbrechens und Vergehenssachen bei Gefahr im Verzug provisorisch «) die Anhaltung verfügen, die außer Kraft tritt, wenn
sie nicht binnen 3 Tagen
richterlich bestätigt wird;
8) bei Telegrammen vermöge Durchsuchung über die Er
öffnung und folgends vermöge Durchsicht übe^> die
Zurückbehaltung (§
101
auch
letztere
bedarf
diese
Abs. 2) entscheiden; doch technische Beschlagnahme
richterlicher Bestätigung binnen 3 Tagen (§ 100 Abs.
2 und 3). 3 welche die Post- oder Tele graphenanstalt vom Tage des Eingangs der staatsanwaltlichen Verfügung nach StPO. 42 be rechnet, so daß sie mit Beginn des vierten folgenden Tages
wieder die gewöhnliche Bestellung in Laus setzt. Cb bereits in zwischen eine Sendung zufolge i der Anhaltung an den StAnm. I ausgeliefert ist, bleibt gleichI gültig. StPO. 100 Abs. 2.
266
Abschn. III.
Die
Postsendungen
dem Richter
Die Sicherung des Beweises.
Kap. III.
legt
der
Staatsanwalt
uneröffnet
vor, dem hier Durchsuchung und Durchsicht
alleine zustehen,
c) Die Polizei kann nie eine Anhaltung
veranlassen; die Post hat ein etwaiges Ersuchen unbeachtet zu lassen.
IV.
Die Betroffenen oder,
„Beteiligten"
wie StPO. 101 sagt,
sind die Absender und die Adressaten der
Sendungen (nicht die Post- und Telegraphenanstalten).
Sie
haben ein Recht a) auf gewöhnliche Beschwerde nach StPO. 346 Abs. 2. 347 regeln,
2; b) auf Nachricht von den Maß
„sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungs
zweckes geschehen kann", nach StPO. 101 Abs. 1; c) auf Ausantwortung der nicht eröffneten oder nicht beschlagnahmten
Sendungen, StPO. 101 Abs. 2; d) die Adressaten auf ab
schriftliche Mitteilung der unverfänglichen Briefteile, StPO. 101 Abs. 3.
8 G4Vie Verhaftung. Kries § 44.
I.
Birtm. § 78 III. 1-3. B.-B. §§ 56, 57. § 76. Bind. Z 70.
Ullm.
Verhaftung ist der vom Richter verfügte Eingriff
in die Freiheit eines Beschuldigten, durch welchen man sich seiner Person zum Zweck der Durchführung eines inländischen
Strafverfahrens 1 versichert.2
Die Verfügung des Richters
* vor Klagerhebung dem AR., in dessen Sprengel die Postanstalt liegt, StPO. 100 Abs. 3. 98 Abs. 2 a. E. 1 einschl. der realen Vollstreckung, soweit diese in die Freiheit eingreift.
2 Hiermit tritt sie in Gegensap zu Zwangshast, Freiheits strafe, Auslieferung, polizeilicher Präventivhast, sowie Erzwingung nur zeitweiliger An oder Abwesenheit (unten § 66), besonders durch Vorführung.
■ i ; 1 i
Die Verhaftung.
A 64.
267
Ohne solchen liegt keine Verhaftung
heißt Haftbefehl.
im Sinne der StPO, vor, sondern höchstens eine vorläufige
Der Haftbefehl soll normaler
Festnahme (unser § 65).
weise erst nach Klagerhebung ergehen (StPO. 112).
Er
geht er vorher (StPO. 125), so ist die Höchstdauer der Verhaftung der Übertretungen 2, sonst 4 Wochen (StPO.
126). II.
Es sind zwei Arten von Haftbefehl zu unterscheiden,
der Haftbefehl wegen
Fluchtverdachts und
der
Haftbefehl wegen Kollusionsgefahr. Nur der erstere kann auch in Übertretungssachen erlassen werden
(StPO. 113),
nur der erstere gestattet Freilassung gegen
Sicherheitsleistung (StPO. 117); nur der letztere gestattet
eine Kontrolle des mündlichen Verkehrs zwischen Vertei
diger und Beschuldigten (StPO. 148).
Da somit beide
nicht rechtlich genau die gleiche Bedeutung haben, so ist nach der Regel S. 21 o alternative Begründung eines Haftbefehls unzulässig.3
Beide Arten von Haftbefehl haben
nach StPO. 112
die gemeinschaftliche Voraussetzung „dringenden" (nicht bloß „hinreichenden")
Tatverdachtes.
setzung der Verhaftung
Die
spezielle
Voraus
wegen Kollusionsgefahr ist,
daß
Tatsachen vorliegen und aktenkundig gemacht werden, aus denen
zu schließen
ist,
daß der Beschuldigte Spuren der
Tat vernichten oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu
einer falschen Aussage sich der Zeugnispflicht
oder Zeugen dazu verleiten werde, zu entziehen. *
Ob
Fluchtverdacht
3 Unrichtig Beling, B.-B. Kollusionsgefahr annimmt, 292, Ostern Altern, bei Will. C. beides verneint, so ist kein Erkl., S U. Wenn von drei ! Haftbefehl zu erlassen. — Wenn Richtern A. Fluchtverdacht, B. | X. wegen Fluchtverdachts ver-
268
Abschn. III.
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises.
vorliegt, entscheidet der Richter stets nach freiem Ermessen;
keine Vorschrift zwingt ihn, solchen u. U. als gegeben an
zusehen.
Wohl aber gibt das Gesetz mehrfach Beispiele
dafür, wann Fluchtverdacht angenommen werden kann
So
zunächst in StPO. 112 Abs. 2 (bei Verbrechen; gegen Heimatlose, Landstreicher, Ausweislose, unzuverlässige Aus
länder); aber auch in StPO- 229 Abs. 2. 370. 235 (un
entschuldigtes Ausbleiben in der Hauptverhandlung trotz
ordnungsmäßiger Ladung, und an sich erlaubtes Ausbleiben trotz Anordnung persönlichen Erscheinens).5
Bei den Delikten, die nur mit Haft oder Geldstrafe bedroht sind/ ist nach StPO. 113 nur Haftbefehl wegen
Fluchtverdachts zulässig. folgenden Bedingungen
Es muß aber außerdem eine der
zutreffen: der Beschuldigte
muß
ein Heimatloser, ein Landstreicher, ein Ausweisloser, ein
unzuverlässiger Ausländer sein oder unter Polizeiaufficht stehen, oder die Übertretung muß korrektionelle Nachhaft
im Gefolge haben können.7 Endlich ist als Voraussetzung jedes Haftbefehls das
Vorliegen der Bedingungen der Strafverfolgung (S. 43 ff., S. 216ff.) zu erfordern.
Ausnahme hiervon StPO. 130:
Hasret wird und Beschwerde ein legt, so kann nicht das Beschwerdegericht seine Verhaftung wegen ' Kollusionsgefahr be schließen. 4 „oder daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strasbarer Handlungen mißbrauchen werde" fugt MilStGO. 176 Z. 4 a. G. hinzu. Das entspricht indessen dem obigen Begriff „Verhaftung" nicht, sondern fällt unter die Präventivhast.
6 Dazu StPO. 489 Haftbe fehl „behufs Vollstreckung einer Freiheitsstrafe", wenn der Ver urteilte sich auf Ladung nicht zum (Strafantritt gestellt hat. 6 also bei sämtlichen Uebertretungen, den meisten Gewerbeund Steuerdelikten und z. B. StGB. 145. 145 a. 285. 7 StGB. 361 Z. 3-8. 362: Landstreichen, Bettel, Müßig gang, Prostitution, Arbeits scheu, Obdachlosigkeit.
Die Verhaftung,
ß 64.
269
trotz mangelnden Strafantrags kann Verhaftung erfolgen
Indessen 1) die Verhaftung ist auf die Höchstdauer von 2 Wochen bei Übertretungen, 4 Wochen bei Verbrechen
und
Vergehen
begrenzt;
wenigstens
2)
ein
Antrags
berechtigter ist sofort vom Erlaß des Haftbefehls in Kennt nis zu setzen. III. Die Anordnung der Verhaftung geschieht ledig
lich durch den Richter.8 9 Der Haftbefehl muß schriftlich sein, den Beschuldigten genau bezeichnen, die Straftat an
geben, endlich den Grund der Verhaftung enthalten, d. h. der Haftbefehl wegen Kollusionsgefahr muß sagen, warum Beweisverdunkelung gefürchtet werde; der Haftbefehl wegen
Fluchtverdachts muß sagen, aus welchen Umständen dieser
Verdacht hergeleitet werdet
StPO. 114.
machung an den Verhafteten erfolgt nach
Abs. 3.
Die Bekannt StPO. 114
Ter Eingelieferte ist spätestens am folgenden Tage
vom Richter zu hören, StPO. 115, 132; die Verletzung hat freilich keine Entlassung zur Folge (anders ob. S. 194).
Die Vernehmung durch den „nächsten Amtsrichter", dem der Ergriffene auf
Verlangen
nach
§
132
vorgeführt
werden muß, bezweckt im wesentlichen nur Jdentitätsfeststellung.
Daher ist der „nächste Amtsrichter"
wohl zur
Aufhebung der Verhaftung, aber niemals zur Aufhebung des Haftbefehls kompetent. — Die Aufhebung 1. jedes
8 im Falle StPO. 489 durch den strasvollstreckenden StAnw. 9 Nur in den Fällen des § 112 Ads. 2 „bedarf" der Fluchtver dacht „keiner weiteren Begrün dung"; in den übrigen Millen bedarf er folglich einer solchen. Spezielle Begründung, wie der
Text verlangt, entspricht dem 8 34 StPO, und der erhöhten Bedeutung des Eingriffs durch Verhaftung, welcher StPO. 352 durch Schaffung einer eigenen Instanz der weiteren Beschwerde gerecht wird. Vgl. LöweHellweg, § 114 Note 3.
270
Abschri. III.
Haftbefehls
Kap. III.
erfolgt (StPO.
Die Sicherung des Beweises.
123):
a)
wenn
der Ver-
hastungsgrund weggefallen ist, b) wenn der Angeschuldigte
außer Verfolgung gesetzt, c) wenn er freigesprochen 10 11 wird. 2. Die Aufhebung des Haftbefehls vor Klageerhebung erfolgt (StPO.
126): a) auf Antrag
der Staatsanwaltschaft;
b) nach Ablauf einer Woche, es sei denn, daß a) entweder inzwischen die Klage erhoben, Haftfortdauer angeordnet und der Amtsrichter, der den Haftbefehl
erlassen hatte, davon in Kenntnis gesetzt ist; ß) oder daß die Staatsanwaltschaft die Verlängerung
der nicht genügenden Frist um eine Woche beantragt
und der Amtsrichter dem stattgegeben hat; c) nach Ablauf der zweiten Woche bei Übertretungen un
bedingt, bei Verbrechen und Vergehen, falls nicht aber malige Verlängerung um 2 Wochen beantragt und ver
fügt ist; d) nach Ablauf von 4 Wochen auch bei Ver brechen und Vergehen unbedingt.
IV. Zuständig für Anordnung und Aufhebung des Haftbefehls vor Klageerhebung
ist stets nur ein Amts
richter," und zwar jeder, in dessen Bezirk ein Gerichts
stand begründet
ist oder der
wird (StPO. 125 Abs. 2).
zu
Verhaftende
betroffen
Der Amtsrichter handelt bei
der Erlassung im allgemeinen auf Antrag der Staatsan waltschaft, nur bei Gefahr im Verzug von Amts wegen
10 mag auch das Urteil noch nicht rechtskräftig sein, § 123 Abs. 2. 11 Die StK. darf also nie mals einen vor ihr vernom menen Zeugen wegen dringenden Verdachts des Meineides verhaften, wohl aber kann der
i StAnw. eine vorläufige Fest I nahme vornehmen. Vgl. da die Verhaftung des I gegen Zeugen v. Tausch im LeckertLützow-Prozeß (Dez. 96). Ste! nogr. Bericht, Berlin, Harrwip, : 1897, S. 226. :
Die Verhaftung.
| 64.
271
(StPO. 125 Abs. 1. 163); bei der Aufhebung handelt er in den Fällen oben unter III
1 und 2 b—d von
In der Voruntersuchung ist für den Er Haftbefehls der Untersuchungsrichter, für die
Amts wegen.
laß
des
Aufhebung der Untersuchungsrichter mit Zustimmung des
Staatsanwalts oder die Strafkammer nach näherer Maß
gabe des tz 124 Abs. 2 zuständig.
Im Zwischenversahren
ist das eröffnende Gericht für Erlaß und Aufhebung zu ständig ; es hat sich von Amts wegen mit mit dieser Frage zu befassen (§ 205).
Im Hauptverfahren kommt außer dem
Gericht auch für dringende Fälle der Vorsitzende in Be
tracht: er kann einen Haftbefehl erlassen, aber nur mit Zu stimmung der Staatsanwaltschaft ausheben (§ 124 Abs. 3). V. Die Vollstreckung der Untersuchungshaft regelt sich nach StPO. 116 unter Berücksichtigung ihres Zweckes, welcher in Abschneidung der Flucht und der Kollusion be Daher
steht.
nur
ausnahmsweise Fesselung
(Abs.
4).
Weitere Beschränkungen, Versagung von Bequemlichkeiten und
Beschäftigungen
Richter
verfügt
können
und
nur
definitiv
durch
nur
durch
den
die Rücksicht auf die
„Ordnung im Gefängnisse" 12 gerechtfertigt werden (Abs. 2,
3 und 5). VI. Das Gesetz vom 14. Juli 1904 erkennt endlich,
wenigstens prinzipiell, die Verpflichtung des Staates an, Personen, die zu Unrecht in Untersuchungshaft genommen waren, zu entschädigen.
In der Durchführung hat der
12 Entw. I sagte „Gefängnis ordnung", Entw. II wie das Gesetz, Entw. III stellte den Entw. I wieder her, die Kom mission wiederum den Entw. II.
Also ist jedenfalls die konkrete paragraphierte Gefängnisord nung für den Richter nicht bindend.
272
Abschn. III.
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises.
Gedanke indessen sehr starke Einschränkungen erlitten: A. Die Untersuchungshaft ist unbegründet, wie die logische Über
legung zeigt, wenn auch nur eine der Voraussetzungen: Tatverdacht, Fluchtverdacht, Kollusionsgefahr zu Unrecht angenommen wird.
Das Gesetz (§ 1) berücksichtigt aber
nur die falsche Annahme des Tatverdachtes und nennt sich
daher auch : Gesetz bett. Entschädigung für
„unschuldig"
erlittene Untersuchungshaft. — B. Nicht jede Beendigung des Sttafverfahrens ohne Verurteilung genügt; vor allem
nicht die bloße Einstellung des Verfahrens, sei es durch die Staatsanwaltschaft, sei es durch Urteil.
Es wird ge
fordert Urteil auf Freisprechung oder Beschluß auf Außer verfolgungsetzung d. h.
oder
Nichteröffnung
des
Ablehnung der Voruntersuchung
Hauptverfahrens.
Diese
Ent
scheidungen müssen ferner darauf beruhen, daß sich die
Unschuld oder doch das Nichtbestehen begründeten Tatver dachtes ergeben hat. — C. Erstattet wird nur Vermögens
schaden; er muß entstanden sein durch die Untersuchungs
haft oder eine vorangegangene Vorführung oder vorläufige Festnahme (§ 3). — D. Trotz alledem wird gewissen Kate gorien von Personen die Entschädigung versagt: erstens
fakultativ (§ 2 Abs. 3) Ehrverlustigen, Polizeiobservaten, früheren Korrigenden (2 Jahre müssen verfließen), früheren Zuchthäuslern (3 Jahre müssen verfließen); zweitens obli
gatorisch (§ 12) Ausländern, falls nicht die Gegenseitigkeit verbürgt ist. — E. In concreto spielt der Gesichtspunkt
der Gnade (statt des theoretisch allein haltbaren Rechts
anspruches)
hinein
in
gewissen
moralisierenden
Ein
schränkungen fakultativer Art (§ 2 Abs. 2): Versagung bei grober Unredlichkeit oder Unsittlichkeit der Tat, bei Un zurechenbarkeit der Tat wegen Trunkenheit, bei Borliegen
Die vorläufige Festnahme.
§ 65
273
von Vorbereitungshandlungen zu einem Verbrechen oder Vergehen.
Die Einzelheiten sind im ganzen dem Gesetz vom 20. Mai 1898 betr. Entschädigung unschuldig Bestrafter nachgebildet.
wiesen.
Es sei dieserhalb auf Lehrb. § 92 VII ver
Die Frist,
innerhalb
deren der Beschluß
des
Gerichts (§§ 4. 5) im Verwaltungsweg weiter zu ver folgen ist, beträgt aber hier 6 (nicht 3) Monate (§ 6). Die Ausschlagsfrist für
die Klagerhebung ist
auch
hier
3 Monate (§ 6 Abs. 3).
Das Gesetz findet analoge Anwendung aus die Militärund Konsulargerichte (§§ 10—11); demnach auch auf die
Kolonialgerichte (SchutzgebG. § 3). § 65.
Lir vorläufige Festnahme. Kries £ 44 I. III.
Birkm. § 78 III 2. B. B. S 60 I. § 76 III. Bind. § 70 I 2.
Ullm.
I. Außer der richterlichen Verhaftung kennt das Gesetz
der Sache nach auch eine nicht-richterliche, richterlicher Be stätigung bedürftige.
Es belegt aber nicht, wie bei der
Beschlagnahme, Durchsuchung und Anhaltung, beide Ein griffe mit dem gleichen Namen, sondern nennt die nicht richterliche
Verhaftung
„vorläufige
Festnahme".
Sie erfolgt nach StPO. 127 Abs. 2 bei Gefahr im Ver
züge unter den Voraussetzungen eines Haftbefehles, also regelrecht nicht bei Übertretungen. Zuständig ist nicht nur die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, sondern alle
Polizei- und Sicherheitsbeamten.1 * also auch Polizei serge an- I RG. 35, 210 betr. preußische ten und Gendarmen; vgl. auch I „Amisdiener" — Strafantrag Rosenfeld, ReichSstrafprozetz.
2. Aufl.
18
274
Abschn. III.
Die Sicherung deS Beweises.
Kap. III.
II. Eine wesentlich andere Art vorläufiger Fest nahme wird in StPO. 127 Abs. 1 behandelt
Sie darf
auch von jedem Privaten vorgenommen werden? und hat zwei je alternativ gefaßte Voraussetzungen; 1. der Sistierte wird auf frischer Tat, wenn auch nur einer Über tretung, 3* 2betroffen oder auf frischer Tat verfolgt, 2. der Sistierte ist fluchtverdächtig oder seine Persönlichkeit kann
nicht sofort festgestellt werden.
Die Festnahme der Gattung
II wird meist durch Zuführung an die Polizei in eine Festnahme der Gattung I verwandelt werden. III. Die Polizeibeamten können selbstverständlich auch
eine Festnahme der Gattung II vornehmen.
Bei jeder
Festnahme sind sie aber an die Voraussetzungen des § 127
StPO, gebunden und dürfen nicht etwa in Verfolgung des
allgemeinen
Zweckes
Sistierungen
des §
schreiten.4
161
StPO,
Unberührt
steht
zu
beliebigen
daneben
die
praktisch, besonders in Prozessen aus StGB. 113, außer
ordentlich wichtige Verwahrung aus allgemeinem präven tiv-polizeilichem Gesichtspunkt
nach
Maßgabe
des
Landesrechts.5 ist bei Antragsdelikten auch hier eine Beschränkung derselben, nicht erforderlich § 127 Abs. 3. insbesondere eine Verhaftung 2 Sie stellt somit einen Rechtzulässig ist, lverden durch das sertigungsgrund für Freiheits Gesetz bestimmt." beraubung, aber u. U. auch für G. zum Schutze der persönNötigung und Körperverletzung i lichen Freiheit, vom 12. Fe bruar 1850, § 6: dar, RG. 34, 444. 8 anders MilStGO. 180 „Die im 8 3 genannten Be hörden, Beamten und Wach Abs. 2 und Abs. 3. 4 RG. 27, 153. 32, 271. mannschaften sind befugt, Per sonen in polizeiliche Verwahrung 6 Für Preutzen: Versass. Art. 5: zu nehmen, wenn der eigene „Die persönliche Freiheit ist Schutz dieser Personen oder die gewährleistet. Die Bedingun Aufrechthaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe gen und Formen, unter welchen
ß 65.
Tie vorläufige Festnahme,
IV.
275
Die Festnahme ist nur eine vorläufige.
Festnehmende
kann
den
Ergriffenen
wieder
in
Ter
Freiheit
setzen (SIPO. 128 a. A.). Andernfalls gebührt dem Richter die Überleitung in die Verhaftung. Zu diesem
Zweck muß unverzügliche Vorführung vor den Richter erfolgen,6 der
spätestens
nehmung zu schreiten unterscheiden:
1.
am
hat.
folgenden Tage
zur Ver
aber zwei Fälle zu
Es sind
ob die öffentliche Klage noch
hoben ist; 2. ob sie bereits erhoben ist.
nicht er
Im Falle 1
er
folgt (StPO. 128) Vorführung vor den Amtsrichter des
Bezirks; dieser verfügt Freilassung
oder Haftbefehl;
die
Verhaftung ist in der Höchstdauer aus 2 bzw. 4 Wochen
begrenzt.
Im Falle 2
vor
Amtsrichter
den
erfolgt (StPO. 129) Vorführung
des
Bezirks;
dieser
verfügt
ohne
eigene Entscheidung Vorführung vor das zuständige Gericht oder den Untersuchungsrichter;7 diese verfügen Freilassung oder Haftbefehl; die Verhaftung ist in der Höchstdauer un begrenzt.
diese Maßregel dringend erjor dern. Die polizeilich in Ver wahrung genommenen Personen müssen jedoch spätestens im Lause des folgenden Tages in Freiheit gesetzt, oder es muß in dieser Zeit das Erforderliche veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde zu überweisen." • Eine Vorführung zunächst vor den StAnw. ist gesetzwidrig. selbst wenn dies auf Grund
! ■ ! l ; ' | | | I !
einer generellen Vereinbarung zwischen Polizei und StAnwschast mit Zustimmung des LGPräs. geschieht, so ist dies Verfahren nicht minder gesetz widrig und die Vereinbarung null und nichtig. Vgl. LöweHellweg, Komm. § 128 Note 3. 7 Diese Vorführung kann auch direkt, ohne Vermittlung des AR. erfolgen.
276
Abschn. III.
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises.
§ 66. Sonstige Freiheitsbeschränkungen. Birkm. § 78 I. II.
Ullm. § 75 I.
I. Die Vorführung des Beschuldigten zum Zweck der Vernehmung ist oben S. 194 behandelt.
Durch Vor
führungsbefehl kann das Gericht Anwesenheit in der Haupt verhandlung erzwingen nach StPO. 229. 370. 235, 1 * auch
im Privatklageverfahren nach StPO. 427. II.
Der Vorsitzende hat die Befugnis, einen Ange
klagten wahrend einer Unterbrechung der Hauptverhandlung, also event, bis zum vierten Tage, in Gewahrsam halten
zu lassen (StPO. 230 Abs. 1 S. 2 a. E. MilStGO. 279 Abs. 1 S. 2).
III. Eine Fe st Haltung kann von jedem Beamten, * der außerhalb seiner Amtsstelle3 in einem Strafverfahren Amtshandlungen vornimmt, gegen Beschuldigte oder andere
Personen nach StPO. 162 verfügt werden. ist,
daß
Voraussetzung
sie seine Tätigkeit stören oder sich seinen An
ordnungen widersetzen.
Die Festhaltung
dauert bis zur
Beendigung der Amtsverrichtung, jedoch nicht über den
nächstfolgenden Tag hinaus. IV.
Ein
eigentümlicher
Eingriff
in
die
persönliche
Freiheit eines Angeschuldigten ist endlich seine Verbringung in eine öffentliche Irrenanstalt nach StPO. 81 (oben
S. 242).
Die höchste Dauer dieser Freiheitsbeschränkung
beträgt 6 Wochen. 1 oben S. 268. Dem Gericht 2 nicht nur Richter ober stehl die Wahl frei zwischen StAnw.; z. B. von einem Po Verhaftung und Vorführung, j lizeiinspektor RG. 33, 251. — Vgl. außerdem StPO. 489. 3 im Amtslokal hat er, wenn — MitSlGO. 172. 278. 389 nicht Sitzungspolizei, so jeden Abs. 2. falls Hausrecht.
Die Sicherheitsleistung.
277
| 67.
8 67. vir Sicherheitsleistung. Kries § 45 I.
I.
Birkm. § 78 III 4. B.-B. § 58. Bind. § 71.
Ullm. § 77.
Ist ein Haftbefehl wegen Fluchtverdachtes ergangen,
so kann die Vollstreckung desselben durch Sicherheits leistung
abgewendet werden (StPO. 117);1
ob schon
Klage erhoben ist, bleibt gleich (StPO. 125 Abs. 3).
Der
Beschuldigte wird alsdann mit der Untersuchungshaft „ver
schont".
Es liegt hier kein fester Rechtsanspruch vor, sondern
eine Wohltat.
Beneficia non obtruduntur: daher muß der
Beschuldigte seine Freilassung gegen Kaution beantragen
(StPO. 119):2 daher kann er auch nach geleisteter Sicher heit deren Freigabe verlangen und sich in die Hast begeben.
Die Sicherheit hastet zunächst dafür, daß der Beschuldigte
sich zur Aburteilung stellen, sich „der Untersuchung" nicht entziehen werde; daher wird sie wirkungslos in den Fällen
des 8 120 StPO. er sich nicht
Sie haftet aber weiter auch dafür, daß
„dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe"
entzieht (StPO. 122 Abs. 1).
Sie ist insoweit also
nicht nur cautio judicio sisti, sondern auch cautio judi-
catum solvi.
Aber auch nur insoweit; für Geldstrafen,
Kosten, Buße usw. haftet sie nicht. II.
Wegen der
Art der Sicherheitsleistung s. StPO.
118. Besonders bemerkenswert ist die „Bürgschaft geeigneter
Personen", die wir (dritte) Kaventen nennen. 1 Der MilStGL. Institut fremd: desgl. Geleit. 2 Zur Freilassung ist der Richter, der
ist dieses das sichere kompetent zur Aus
Sie
hebung des Haftbefehls kom petent ist. Zur Ablehnung der Freilassung ist komp^ent, wer zum Erlaß des Haftbefehls kompetent ist. StPO. 124. 125.
278
Abschn. III.
Kap III.
Die Sicherung des Beweises.
treten nicht nur zum Staate in ein eigentümliches Rechts verhältnis, sondern auch zum Beschuldigten.
Zur Auf
hebung dieser Beziehungen ist nach allgemeinen obligationen
rechtlichen Grundsätzen zweiseitige Willenserklärung erforder
lich.
Der Kavent darf nicht einseitig seine Sicherheit zurück
ziehen und Vollstreckung des Hastbefehls verlangen.3 4 Aus
nahmen in StPO. 121 Abs. 2. — Der im Ausland wohnende Beschuldigte hat einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen (StPO. 119).
III.
Die Sicherheit wird frei nach § 121 Abs. 1;
sie verfällt nach § 122 Abs. 1.
Ersteres bedarf nach
der StPO, keiner ausdrücklichen Entscheidung; wohl dagegen letzteres (§ 122 Abs. 2).
a) Es ist kein Kavent vorhanden:
der Angeschuldigte wird vor der Verfallserklärung gehört
(Ausnahme von StPO. 33); hat dagegen die sofortige Be
schwerde;^ in der Beschwerdeinstanz findet mündliche Ver handlung statt (Satz 3), — b) Es ist ein Kavent vorhanden: auch er wird vor der Entscheidung gehört, auch er hat die sofortige Beschwerde; die Verfallserklärung wirkt gegen ihn wie ein Civilendurteil (vorläufig vollstreckbares bzw. rechts
kräftiges; § 122 Abs. 3).
IV.
Der dritte Kavent
hat eine
singuläre Be
freiungsmöglichkeit nach § 121 Abs. 2 durch Be
wirkung der Gestellung oder der Verhaftung des Beschuldigten.
Hier tritt ausnahmsweise die an sich verwirkte Rechtsfolge
des Verfalls nicht ein. 3 91. M. LöweHellweg, John, v. Kries. 4 Der StAnw. hat gegen den Verfall zu Gunsten des Besch, nach StPO. 338 Abs. 2 die sofortige, für den Verfall
nach gewöhnlicher Regel die einfache Beschwerde. Die Meinungen gehen stark auseinander. Vgl. Löwe-Hell weg, Komm. § 122 Note 11. B.-B. S. 190.
Das sichere Geleit,
ß 68.
279
§ 68. Las sichere Geleit. Kries § 45 II.
I.
Birtm. § 78 V II. B.-B. § 59 II. III 2. Bind. § 72, 3. 127.
Ullm. § 78
Sicheres Geleit (freies Geleit, salvus conductus)
nennt man eine Befreiung von Untersuchungshaft in be stimmter Sache, die einem abwesenden Beschuldigten gewährt wird (StPO. 337).
„Abwesend"
in technischem Sinn
ist, a) wessen Aufenthalt unbekannt ist; b) wer sich im Ausland aufhält, ohne daß seine Gestellung ins Inland
ausführbar oder angemessen erschiene (StPO. 318).
Das
Geleit wird, als Rechtswohltat, nur auf Antrag nach freiem
Ermessen vom Gericht *
erteilt (Geleitsbrief).
Es
steht
unter der gesetzlichen Bedingung, daß der Beschuldigte keine
Anstalten zur Flucht treffe (337 Abs. 3); andere Bedingungen
können hinzugefügt werden (Abs. 1).
Nichteinhaltung der
Bedingungen läßt das Geleit ipso jure erlöschen (Abs. 3). Auch wirkt es zeitlich nur bis zum Erlaß (nicht bis zur Rechtskraft) eines auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils (Abs. 3).
§ 69. Bit Vermögrnsbrschlagnahmr. Kries § 46 II. Birkm. § 78 V 1. B.-B. § 59 III. § 78 III 1. Bind. § 72, S. 126.
I. Die
Beschlagnahme
des
inländischen
Ullm.
Vermögens
(adnotatio bonorum) ist ein Mittel, auf den Beschuldigten
einen Druck zu üben, damit er sich stelle und eine regelrechte
Hauptverhandlung
möglich werde —
1 Hier, wie oben S. 147, im Gegensatz zum Einzelrichter. Daher während der Borunier
ein psychisch wir-
suchung durch die S1K., nicht durch den UR. A. M. von Kries und Stenglein.
280
Abschn. III.
Kap. III.
Die Sicherung des Beweises,
kendes Gegenstück zu der Physisch zwingenden Verhaftung.
Die Voraussetzungen der Maßregel sind nach StPO. 332: a) daß der Beschuldigte im technischen Sinn „abwesend" ist; b) daß die öffentliche Klage erhoben ist; c) daß ein
Haftbefehl ergehen könnte; d) daß kein reines Schöffen gerichtsdelikt 1
vorliege. — Durchaus anderen Charakter
trägt die Vermögensbeschlagnahme nach StPO. 325 zur Deckung von Geldstrafe und Kosten.
II. Die Beschlagnahme erfolgt durch Gerichtsbeschluß,
der obligatorisch im Reichsanzeiger, fakultativ in andern Blättern veröffentlicht und dem Amtsgericht als Vormund schaftsgericht mitgeteilt wird (StPO. 332 Abs. 1 333. 334
Abs. 2; Freiw. Ger.G. 35. 39).
Die Wirkungen (StPO.
334) sind 1. Verlust der Verfügung unter Lebenden über das Vermögen; 2. Einleitung einer Güterpflege (vgl. BGB. 1911). III.
Die Beschlagnahme ist aufzuheben (StPO. 335)
a) mit dem Wegfall des Strafanspruches (Tod, Begnadigung,
Verjährung), b) mit dem des Strafverfahrens (Einstellung,
Freisprechung,
Abolition),
c) mit dem der Abwesenheit
(Ermittelung, Verhaftung, Gestellung), d) mit dem der Ver
haftungsgründe.
Die Kosten der Güterpflege gehören zu
denen des Strafprozesses und werden von dem für diese Pflichtigen - getragen. IV.
Die Bestimmungen unter II. finden auch Anwendung
1 A. M. v. KrieS S. 331. Die Bestimmung hünat damit zusammen, daß das Verfahren in daS Stadium der Boruntersuchuna eintritt oder zurück tritt, StPO. 336. Diese aber ist nur bei reinen SchG.-Delikten ausgeschlossen. Also ist
die adnotatio bonorum bei lleberweijungsdeliktcn statthaft. 2 also bei späterer Frei sprechung vom Staate; es liege denn StPO. 499 Abs. 1 vor. Eines besonderen Ausspruchs wegen der Kosten der Güter pflege bedarf es nicht, StPO. 496.
Der Steckbrief.
281
| 70.
auf die Vermögensbeschlagnahme wegen Hoch- und Landes
Dagegen find hier die
verrats (StGB. 93, StPO. 480.)
Voraussetzungen unter I, a—d nicht nötig.
Immerhin
handelt es sich auch hier um ein Gestellungsmittel ; es kann
also vor allem dann keine Anwendung finden, wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzt.
Für die Aufhebung
gilt HIa und b, aber nicht III c und d.
8 70. «er Steckbrief. Kries § 46 I.
I.
Birkm. § 78 IV 2. B.-B. § 60 II. II 4. Bind. § 72, 2d.
Ullm. § 78
Ein Steckbrief (Fahndungsschreiben, literae arres-
tatoriae patentes) ist ein öffentliches schriftliches Ersuchen um Ergreifung und Ablieferung eines Beschuldigten, dem
Sinne nach gerichtet an alle dazu fähigen Behörden. sind zwei Fälle zu unterscheiden.
Es
Erster Fall, StPO.
131 Abs. 1: es ist ein Haftbefehl erlassen, der zu Ver
haftende, aber noch nicht Verhaftete ist flüchtig oder hält sich verborgen.
Zweiter Fall: StPO. 131 Abs. 2: ein
Festgenommener 1 2entweicht aus dem Gefängniffe oder ent zieht sich sonst (etwa aus dem Transport) der Bewachung.*
Im ersten Fall sind zur Erlassung des Steckbriefs Richter
und Staatsanwaltschaft, im zweiten auch die Polizeibehörden kompetent.
II.
Der Steckbrief soll nach StPO. 131 Abs. 3 ent
hüllen : Personalbeschreibung, Bezeichnung der Straftat und 1 nicht nur vorläufig Fest genommener, sondern auch Ver hafteter; so HM. 2 Dazu tritt als dritter Fall StPO. 498 Abs. 2: es
handelt sich um Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, der Ver urteilte ist flüchtig oder hält sich verborgen. Hier ist der St.Anw. oder der AR. kompetent.
282
Abschn. III.
Kap. III.
Die Sicherung deS Beweises.
des Ablieferungsgefängnisses. Zur Verbreitung können dienen, außer Zeitungsinseraten, in Preußen: Steckbrief nachrichten (durch Rotzettel) an das Strafregister, Ein rückungen in den Reichsanzeiger, Regierungsamtsblätter, das Zentral-Polizeiblatt (Berlin), das Deutsche Fahndungs blatt (Berlin), das Internationale Kriminalpolizeiblatt (Mainz, Travers), den Allgemeinen Polizeianzeiger (Dresden). JI1. Der aus Grund eines Steckbriefes Ergriffene kann verlangen, dem nächsten Amtsrichter vorgeführt zu werden. Doch hat sich dieser nur mit der Jdentitätsfeststellung zu befassen (StPO. 132).
Drittes Such. Besonderer Teil. Erster Abschnitt.
Das typische NegelverfahrenErstes Kapitel.
Das vorbereitende Verfahren. § 71.
Ser Anlaß zu Ermittelungen. Kries § 59.
Birkm. § 87. B.-B. S. 471 f. Bind. § 96 I.
llfim. § 95 I.
Das Legalitätsprinzip muß dazu führen, daß die Staats
anwaltschaft einzuschreiten hat, sofern nur die zwei in StPO. 152 bezeichneten Bedingungen (oben S. 71 f.) gegeben sind,
auf welchem Wege auch immer sie von dem Verdacht einer
Straftat Kenntnis erhält.
Somit sind verschiedene Anlässe
oder Anstöße zur Ermittelungstätigkeit denkbar. 1.
Mitteilungen
von
Behörden
und
Beamten des
Polizei- und Sicherheitsdienstes, die in beschränktem Um fang
Recht
und
Pflicht
des
„ersten
Angriffs"
haben
(StPO. 161, unser § 40 II); ferner Mitteilungen von Gemeindebehörden,1 die dazu verpflichtet sind,
a) wenn
1 StPO. 157 nennt eben- I Verhältnis zu StPO. 161 stellt salls die Polizeibehörden. Das I sich so: Im allgemeinen hat die
Abschn. I.
284
DaS vorbereitende Verfahren,
Kap. I.
jemand möglicherweise nicht natürlichen Todes gestorben ist; b) wenn der Leichnam eines Unbekannten gefunden wird, - StPO. 157. 2. Mitteilungen des Richters
nach StPO. 163. 165
(AR. nach einem wegen Gefahr im Verzüge von ihm vor
genommenen
„ersten Angriff"),
verdächtiger Papiere bei einer
der
auf
110 Abs. 4 (Auffindung „Durchsicht"),
die Spuren neuer Taten
189 (UR.,
oder Täter kommt),
GVG. 185 (Straftat in der Sitzung, gilt auch für Civilgerichte).
3.
Private Anzeige,4
event. Weitergabe nach
zu deren Entgegennahme und
StPO.
156
Abs. 1
außer der
Staatsanwaltschaft selbst die Behörden und Beamten des
Polizei- und Sicherheitsdienstes und die Amtsgerichte ver
pflichtet sind.
Ter Anzeiger kann sich der Schrift oder der
Mündlichkeit bedienen.
4. Der formelle Strafantrag
im technischen Sinn.5
Für ihn gilt die Formvorschrift st in StPO. 156 Abs. 2. Polizei das Recht des ersten Angriffs und die Pflicht der Abgabe an die StAnwschaft, bei Dringlichkeit auch an den AR. Bei verdächtigen Todes fällen hat sie kein Recht des ersten Angriffs, sondern Pflicht sofortiger Abgabe an den StAnw. oder auch (nicht nur bei Dringlichkeit) an den AR. 9 Für diese Fälle gegenseitige Anzeigeverpslichtungen zwischen Civil- und Militärbehörden nach MilStGO. 154. 155. Den BeerdigunqSschein erteilt der StAnw., ber Amtsanw. oder der AR., bei Militärpersonen die Militärbehörde, im Notfälle
aber auch der AR. 3 Der Richter als Notstaats anwalt, ob. S. 69. 4 „Anträge auf Strafver folgung" in weiterem und un technischem Sinn. „Antrag steller" ist daher gleich Denun ziant in StPO. 169. 170. 5 Ueber sein Wesen s. oben S. 44, S. 210 Anm. 7. B.-B. §§ 64. 65. Im Mil.-Bersahren genügt u. U. auch mündliche Anbringung, MilStGO. § 151 Abs. 1 und' Abs. 2 S. 2, 8 152. 0 Der hiernach formgerechte Antrag braucht noch nicht frist gerecht zu sein. Das ist er nur, wenn er innerhalb der Frist
Die Ermittelungen,
ß 72
285
Er wird angebracht entweder bei einem beliebigen Gericht
(auch Civil-, Sonder- oder Militärgericht) schriftlich oder zu Protokoll, bei einem beliebigen Beamten der Staats anwaltschaft
schriftlich
oder zu Protokoll,
bei einer be
liebigen Behörde (Polizei, Steueramt, Eisenbahndirektion, Postanstalt usw.)7 schriftlich.
5. Eigene Wahrnehmungen, wobei das Gesetz keinen Unterschied zwischen amtlichen Wahrnehmungen (während
einer Sitzung, einer Durchsuchung u. dgl.) und außeramt lichen macht.8 § 72. Vie Ermittelungen. Kries § 60 I-IV. - Birkm. § 88. B.-B. § 110. Ullm. § 95 II—V. Bind. § 96, § 97. I. II. Ortlosf, Das Vorverfahren, Gießen 1893.
I. Ter Zweck des vorbereitenden Verfahrens ist 1. Er
mittelung der Belastungs- und Entlastungsmomente; 2. Er
hebung derjenigen Beweise, deren Verlust zu besorgen steht. StPO. 159 Abs. 2.
Welche Handlungen die Staatsan
waltschaft zur Erreichung dieses Zweckes vornehmen will, stedt völlig bei ihr.
Sie ist unbeschränkt Trägerin dieses
sog. Skrutinialverfahrens; in ihrer Hand laufen, auch wenn
Pclizei, Amtsrichter oder Verwaltungsbehörden (vgl. unsern
§ 43 1—III) den ersten Angriff vorgenommen haben, die bei der zuständigen StAnw.8 Ebenso v. Kries 470, a. schcst oder dem zuständigen Ge M. Binding S. 176. Löwe richt eingeht. Hell weg £ 158, Note 2 b. ' Diese Behörden sind aber Birkmeyer S. 577. B.-B. zur Entgegennahme und Wei- . (Beling) S. 471 Anm. 17, tergabe nur verpflichtet, wenn i S. 472 zu Anm. 23. Die Geg sie auch unter StPO. 156 Abs. ner differieren übrigens unter 1 fallen. | einander erheblich.
286
Abschn. I.
Kap. I.
Das vorbereitende Verfahren,
sämtlichen Fäden zusammen, sie trifft die maßgebende Ent
scheidung über den Fortgang des Verfahrens.
Keine einzige
Handlung ist geboten, nicht einmal eine verantwortliche
Vernehmung des Beschuldigten, vielleicht ist angesichts der Anzeige jede weitere Nachforschung unnötig.1
Tritt der
Staatsanwalt in Aktion, so hat er drei Wege: 1. er kann die Ermittelungen selbst vornehmen;2 2. er kann sie durch die Polizei;-* 3. er kann sie durch das Amtsgericht der
Handlungsbereitschaft (oben S. 105) vornehmen lassen; StPO. 159. 160.
Außerdem kann er von allen öffent
lichen Behörden Auskunft
verlangen.4
Der Kreis
der
Befugniffe, die Staatsanwalt und Polizei haben, ist be grenzt; die Anrufung des Amtsrichters ist deshalb mehr
fach unentbehrlich, s. u.
IT. Der von der Staatsanwaltschaft ersuchte Amts richter (Ermittelungs- oder Requisitionsrichter) ist gehalten,
die verlangten Handlungen vorzunehmen, selbst wenn der
einzig ersichtliche Sinn nur Entlastung der Staatsanwalt1 sei es, daß diese Anzeige für die Anklage, sei es, daß sie für den „Papierkord" reif ist. In dem ersteren Falle muß im Mil.-Versahren unter allen Um ständen noch eine „Erforschung" deS Sachverhaltes, eine „Fest stellung" des Tatbestandes er folgen, MilStGO. 156, Abs. 1, S. l, S. 3 Abs. 2. Dieses im allgemeinen (jedoch MilStGO. 170) unerläßliche Ermittelungsverfahren entspricht dem vorbereitenden Vers, und der Voruntersuchung der StPO. Eine BU. im technischen Sinne gibt eS hier nicht. Vgl. Mil.StGO. 159—161. 163—169
einerseits, StPO. 158—160, 166—168 und 184 Abs. 3 bis 189. 191. 192. 194 andrerseits. * Dieser sachlich vorteilhafteste Weg wird gleichwohl in praxi selten beschritten. Beling, B.-B. 469. 3 nicht nur durch seine Hilfs beamten, vgl. uns. 8 40, I. II. 4 Die Verpflichtung zur Er teilung der Auskunft besteht natürlich nur in dem Umfange, wie überhaupt im Strafprozeß, also mit den Beschränkungen der Z8 96. 53 StPO. MilStGO. 160 Abs. 2. 231. 189.
Die Ermittelungen,
287
ß 72.
schäft ist und sogar, wenn sie offenbar inopportun sind.
Das Einzige, was er prüfen darf und soll, ist (StPO. 161 Abs. 2), ob die beantragte Handlung eine „richter liche Untersuchungshandlung"
und ob sie nach den Um
ständen des Falles gesetzlich zulässig ist? z.
B. die Fragen aufzuwerfen:
Strafgesetzes behauptet e
Also hat er sich
Wird Verletzung
eines
Ist das angezogene Strafgesetz
(insbesondere etwa eine Polizeiverordnung) gültig? Handelt es sich überhaupt um ein Strafverfahren im Sinne der StPO.?
Oder, wenn Beeidigung nach StPO. 65 Abs. 3
begehrt wird: Handelt es sich um einen Zeugen?
Gefahr im Verzüge ob?
bekundeten Tatsache ab?
Waltet
Hängt die Klagerhebung von der Ist die Aussage nicht ohnehin
wahrheitsmäßig?6* * Ter Staatsanwalt kann des Requisitionsrichters
da
nicht entraten, wo er selbst nicht zum Handeln befugt ist. Hierher gehören: definitive Anhaltung von Telegrammen und Postsendungen, Eröffnung von Briefen, Durchsicht von
Papieren,
zwangsweise
Gestellung
von
Zeugen,7
Ver
eidigung von Zeugen und Sachverständigen (StPO. 159),
Leichenöffnungen, Verhaftungen.
Ferner können zur Er
reichung des Zweckes (StPO. 158 Abs. 2) einer Verhütung von Beweisverlust Beweissicherungen in Gestalt vorzeitiger La band III 421 Anm. 2 gegen John II 44. 6 Der AR. wird hier als erster unparteiischer Dritter tätig. Der Beschuldigte kann ihn ab lehnen und hat gegen seine Verfügungen die Beschwerde nach StPO. 346. Auch das vorbereitende Verfahren ist
„Prozeß", vgl. auch S. 68, Anm. 1. : Gegen die preußische Praxis, die sich über § 6 GN. z. StPO, unbekümmert hinwegsetzt, tref fend Beling, B.-B. 470 f., 474 Anm. 32, auch 132 Anm. 10 (Bennecke). Ebenso die fast einstimmige Ansicht, vgl. LöweHellweg § 159, Note 3 b.
288
Abschn. I.
DaS vorbereitende Verfahren,
Kap. I.
(antizipierter) Beweisaufnahmen nur durch den Richter ge macht werden, wenn sie in der Hauptverhandlung benutz
bar sein sollen (StPO. 167. 190—193). Der Amts richter hat bei allen Vernehmungen und bei Augenschein einen Protokollführer zuzuziehen (StPO. 166. 185. 186). III. Wo
der Amtsrichter
eine selbständige Ermitte
lungstätigkeit nach StPO. 163. 164 einschlägt, ist er so lange als Notstaatsanwalt Träger des Ermittelungsver
fahrens, als die Gefahr im Verzüge, die Besorgnis des Be
weisverlustes, die Wahrscheinlichkeit einer Freilassung an
dauern.
Nach StPO. 164 Abs. 2 kann er dann sogar
ein auswärtiges Amtsgericht requirieren. 8 73.
Abschtrrtz des vorbereitenden verfahrens.
Kries § 60, V. VI. Birkm. § 89. B.-B. §§ 111—112. § 95, V. VI. Bind. § 97, III-VI.
Ullm.
I. Ist die Sammlung des Materials abgeschlossen, so
befindet die Staatsanwaltschaft, welchen von zwei Schritten sie zu tun hat: Klagerhebung (StPO. 168 Abs. 1) oder
Einstellung des Verfahrens (Abs. 2). Die Klagerhebung kann doppelte Form haben; entweder geschieht sie durch
Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung oder durch Ein reichung einer Anklageschrift bei Gericht, d. h. durch An trag auf Eröffnung des Hauptverfahrens.
Zwischen beiden
Formen hat der Staatsanwalt im typischen Regelversahren
(Strafkammerverfahren)
erhebung
wird
rechtshängig.
die
die
Wahl.1
Strafsache
Wirkungen
dieser
Durch
die
in gewissem
Klag
Sinne
Rechtshängigkeit2
sind
1 3m übrigen f. unten §§ 74. I 'Vgl. Belina, B.-B. 8 111. 77. 95. | IV, bes. S. 480f.
Abschluß deS vorbereitenden Verfahrens.
| 73.
289
1. Nötigung der Gerichts zur Stellungnahme auf die An klage (StPO. 178ff. 200ff.); 2. Festlegung der Grenzen
des Prozeßstoffs nach Tat und Täter (StPO. 153 Abs. 1), nicht aber in Rücksicht der rechtlichen Würdigung (StPO. 153 Abs. 2. 204. 263); 3. Festlegung der örtlichen Zu
ständigkeit (perpetuatio fori) in einer Beziehung: Ver
legung des Wohnortes durch den Beschuldigten verschiebt fortan die Kompetenz nicht mehr (StPO. 8f oben S. 109).
Andere Wirkungen knüpfen sich an diese Litispendenz nicht; weder die perpetuatio fori überhaupt, noch eine Unter
brechung der Berfolgungsverjährung, noch eine Einrede,
die
nochmalige
Klagerhebung
oder
eine Untersuchungs
eröffnung hinderte (exceptio litis pendentis).
dieses
sind
alles
Wirkungen
der
eignet,
suchung (Voruntersuchung
im
Sinn, wie sie der ge
engeren und eigentlichen richtlichen Entscheidung
Wohl aber
Rechtshängigkeit
durch
welche die Unter
oder Hauptverfahren) eröffnet
wird. II. Tie Einstellung des Verfahrens geschieht 1. im ge wöhnlichen Fall
durch
bloße Aktennotiz;
2. dazu
tritt
Nachricht an den Beschuldigten, falls dieser vom Richter verantwortlich vernommen oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war (StPO. 168 Abs. 2); 3. wenn ein privater
Anzeiger („Antragsteller") vorhanden ist, tritt außerdem ein mit Gründen versehener Bescheid hinzu (StPO. 169). — Tie Einstellung ist zwar nicht unwiderruflich; sie zieht
aber die Beseitigung aller Folgen der Berfahrenseinleitung nach sich.
III.
Ist im Falle II 3 der Anzeiger zugleich der Ber
ichte, d. h. wird er durch die Straftat in seinen rechtlichen Rosenfeld, Reichsftrafprozeß.
2. Aufl.
19
290
Abschn. I.
Kap. I.
DaS Dorbereite nbe Verfahren.
Sntereffen3 *in rechtlich erheblicher Weife berührt*, so hat
er nach StPO. 170 gegen den Bescheid eine Beschwerde an den (nächsten) vorgesetzten
Staatsanwaltschaftsbeamten.
Dies
fällt beim ReichsAnw. fort, da der Reichskanzler kein Beamter der StAnwschaft ist.5 6 Für die Beschwerde gilt eine Frist
von zwei Wochen.3
Gegen den zweiten ablehnenden Be
scheid gibt es den oben S. 70 behandelten Antrag auf ge richtliche Entscheidung, der in der Form des § 170 Abs. 2 binnen einem Monat7 an das OLG. (in RG.-Sachen an
das RG.) einzureichen ist.
Es folgt nach Ermessen des
Gerichts ein Ermittelungsverfahren,8 im übrigen ein schrift liches Verfahren 9 mit beiderseitigem Gehör auf Grund der Akten.
Die Entscheidung lautet10 entweder „Der Antrag
wird verworfen" oder „Die Erhebung der öffentlichen Klage 3 Er braucht nicht „Verletzter" in dem engeren Sinn der Strasantragsberechtiguna zu sein. Verletzter in diesem engeren Sinn ist der Träger desRechtsautes, gegen das sich das Delikt t albe st andS mäßig richtet, zu dessen Schutz der betr. Strafparagraph gegeben ist, aus dessen Schutz er tendiert. Löwe-Hellweg, § 170, Note ob; Rosenfeld, Nebenklage, S. 113 f.; z. T. abweichend Beling, B.-B. 484. 1 Hierher gehören die unter BGB 844 fallenden Ange hörigen eines Getöteten, ebenso der Dienstderechtigte nach BGB. 845. — Vgl. auch ob. S. 187, Anm. 3. 5 Sehr kontrovers, Beling, B.-B. 485 Anm. 21; nbro. Löwe-Hellweg, § 170Note 12. 6 Ist der Anzeiger nicht der 1
Verletzte, so hat er fristlose Beschwerde im Dienstaussichts wege bis hinaus zum Justiz minister bzw. zum Reichs kanzler. GBG. 148. Vgl. aber Beling und Peltasohn Dtsch. Jur. Zig. 1904 Nr. 6, 7. 7 14 Tage und kein Anwalts zwang nach MilStGO., die in §3 247—249 leider auch das verfehlte Institut übernommen hat; vgl. RMilG. 1, 174. 229. 2, 19. 277. 3, 100, 127. 4, 158. s Dessen Träger ein OLGRat (bzw. RGRat), der UR. oder „der" AR. ist. StPO. 171, Abs. 3. » StPO. 171—175. Beling nennt es Klagepriisungsverf obren. 10 abgesehen von § 174 Abs. 2: „Der Antrag wird für zurück genommen erklärt."
Tie Einleitung der Voruntersuchung.
wird beschlossen".
§ 74
291
Durch die erstere Entscheidung wird die
Einstellung (oben II) nach § 172 Abs. 2 insoweit bindend, als Klagerhebung nur möglich ist, wenn Nova auftauchen.
Durch die letztere Entscheidung wird die Staatsanwaltschaft
trotz GVG. 151 verpflichtet, die Klage zu erheben (StPO.
173 S. 2), also entweder Boruntersuchung oder Haupt verfahren zu beantragen.
Zweites Kapitel.
Die Untersuchung.
A. Die Voruntersuchung. Kries § 61.
Birkm. § 90. B.-B. §§ 117. 118. Ullm. § 96—99. Bind. § 103. § 74. vir Einleitung der Voruntersuchung.
1. Über die Terminologie der StPO, und den Begriff
der Voruntersuchung ist oben S. 42
gehandelt.
Sie ist
(StPO. 176) 1. notwendig 1 inRG.- und SchwGSachen; 2. z u l ä s s ig in StKSachen; 3. u n z u lässi g in SchwGSachen.
Bei Zusammenhang (ob. S. höherer Ordnung.
102) entscheidet die Sache
Eine Abweichung von der „Notwendig
keit" kann durch Irrtum bei der Anhängigmachung ent stehen. 2 1 selbstverständlich salls nicht Einstellung nach uns. § 73 II erfolgt. 2 ES wird z. B. aus StGB. 163 vor der StK. angeklagt,
ohne daß Voruntersuchung vor angegangen. Die Hauptverhandlung ergibt, daß StGB. 153 vorliegt. Die StK. hat nun (ob. S. 104) nach StPO. 19*
292
Abschn. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
Die „zulässige" Voruntersuchung inStKSachen hat nach StPO. 176 Z. I auf (motivierten oder unmotivierten)
Antrag der Staatsanwaltschaft stattzufinden.
die eine Form der Klagerhebung. die Voruntersuchung
voran.
Dies ist eben
In diesem Falle geht
der Einreichung
der Anklageschrift
Das ist das gewöhnliche Verhältnis.
Es kann
sich aber auch umdrehen, die Anklageschrift kann der Vor
untersuchung vorangehen.
Erste Möglichkeit: die eingereichte
Anklageschrift wird dem Angeschuldigten mitgeteilt (StPO. 199), er beantragt motiviert (StPO. 176 Z. 2) Vorunter
suchung, und das Gericht entspricht dem.
Zweite Möglich
keit: der StAnw. reicht eine Anklageschrift ein, das Gericht wünscht noch bessere Aufklärung der Sache und ordnet proprio
motu Voruntersuchung an (StPO. 200). II. 1. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröff
nung der Voruntersuchung3 muß einen bestimmten Beschul
digten und ferner die ihm zur Last gelegte Tat bezeichnen. Er wird an den UR. gerichtet (StPO. 177. 182).
2. Mit
ihm kann verbunden sein der Antrag, die Führung der VU. einem auswärttgen AR. zu überttagen (StPO. 183 S. 1 und 3). 3. Häufig wird in der Praxis damit auch der Antrag auf Verhaftung verbunden. — Über den Antrag 1 entscheidet stets, auch im Falle der Verbindung mit An-
ttag 2,4 der UR. (Näheres unter III), entweder sogleich von sich aus, oder „infolge des Beschlusses des Gerichts". 270 vor das SchwG. zu ver weisen. Dieser Beschluß er öffnet sogleich das Haupwerfahren vor dem SchwG. Vor untersuchung hat also hier nicht stattgefunden, wiewohl es sich um eine SchwGSache handelt.
3 in RG-, SchwG.- und StKSachen. 4 Seltsamerweise lebhaft bestritten; s. B.-B. 506 Anm. 22. Die Praxis kennt meines Wissens den Zweifel nicht. Der Wortlaut der §§ 182. 183 ist völlig deutlich.
Die Einleitung der Voruntersuchung. | 74.
293
Über den Antrag 2 entscheidet die StK., über den An
trag 3 der UR. (nicht etwa der auswärtige AR ). IIT. Die Bestimmungen über die Anfechtbarkeit der Eröffnung sind äußerst kompliziert. Wir betrachten zunächst
den Fall, daß der StAnw. auf VU. anträgt. 1. Der UR. hat Bedenken. Es gibt nur vier
Bedenkensgründe (StPL. 178 Abs. 1): A) Unzuständigkeit des Gerichts, sachliche oder örtliche oder gegenüber Sondergerichten:
dieser
Bedenkensgrund ist besonders privilegiert.
B) Unzulässigkeit
der
Strafverfolgung
wegen Fehlens des Strafantrages u. dgl. (auch wegen
Strafunmündigkeit
oder
Versolgungsver-
jährung, da beide Gründe nach StGB. 55. 66 auch prozessual wirken).
C) Unzulässigkeit der Voruntersuchung. D) Fehlen eines Strafparagraphen für die
bezeichnete Tat („weil die in dem Anträge be zeichnete Tat unter kein Strafgesetz fällt").
Hat der UR. eines dieser Bedenken, so entscheidet er nicht selbst, sondern legt die Akten der StK. vor (§ 178 Abs. 1 S. 2).
a) Die StK. hört den Angeschuldigten (§178 Abs. 2), und er erhebt einen der vier Einwände A bis D.
«) Die StK. lehnt die Eröffnung aus einem der vier Gründe A bis D ab (8 178 Abs. 2).
Dann hat
der StAnw. hiergegen sofortige Beschwerde (§ 181). /#) Die StK. beschließt Eröffnung unter Verwerfung
des Einwandes des Angeschuldigten.
Dann kommt
es darauf an, ob der Angeschuldigte den privile
gierten Einwand A erhoben hatte oder nicht.
Wenn
Abjchn. I.
294
Kap. II.
Die Untersuchung.
ja, so hat er die sofortige Beschwerde (§ 180
Abs. 1).
Wenn nein, so ist der StK.-Beschluß
unanfechtbar (§ 180 Abs. 2). b) Die StK. hört den Angeschuldigten nicht, st) Sie lehnt aus einem der vier Gründe ab.
Der
StAnw. hat sofortige Beschwerde (§ 178 Abs. 1.
181, genau wie au). (i) Sie beschließt Eröffnung. UR.
Darauf eröffnet der
Jetzt erhebt der Angeschuldigte einen der
vier Einwände.
Der UR. legt darauf die Akten
der StK. vor (§ 179 Abs. 1).
st») Die StK. widerruft nunmehr die Eröffnung und lehnt ab. Sofortige Beschwerde des StAnw. (§ 181).
ßfT) Die StK. verwirft den Einwand.
War dies
der privilegierte Einwand A, so hat der An geschuldigte sofortige Beschwerde (§ 180 Abs. 1). Andernfalls ist der StKBeschluß unanfechtbar (§ 180 Abs. 2).
2. Der UR. hat keine Bedenken und eröffnet. Dann kann der Angeschuldigte einen der vier Einwände erheben (§ 179 Abs. 2).
Es ergeben sich dann dieselben
Eventualitäten, wie soeben unter b/tf, aa und ßfl. IV. Trägt der Angeschuldigte nach StPO. 199. 176
Z
2 auf Voruntersuchung an, so ist der eröffnende Be
schluß
unanfechtbar, gegen den ablehnenden hat er die
sofortige
Beschwerde (§
181).
Ordnet
die
StK.
aus
freien Stücken die Eröffnung einer VU. an, so findet eine
Anfechtung des Beschluffes nicht statt (§ 200 Abs. 2).
Die Führung der Voruntersuchung,
g 75.
295
§ 75. Nie Führung -er Voruntersuchung.
I. Zweck der VU. ist nicht, eine feste und endgültige Ansicht über Schuld oder Unschuld der verfolgten Person
zu gewinnen.
Sie ist nach § 188 Abs. 1
„nicht weiter
auszudehnen, als erforderlich ist, um eine Entscheidung
darüber zu begründen, ob das Hauptversahren zu eröffnen,
oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen sei". Da nun die Eröffnung des Hauptverfahrens bereits bei hinreichendem Verdacht stattfindet (§ 201), so ist die VU. auf eine nur unvollständige Ermittelung des Sachverhalts angelegt.
Neben diesem Hauptzweck kommen nach § 188
Abs. 2 noch zwei Nebenzwecke in Betracht:
1. Beweiser
hebung zur Beweissicherung; 2. Erhebung des Exkulpations
beweises. — Endlich ist die sog. Ausdehnung der VU. auf eine neue Tat oder einen neuen Täter, StPO. 189, zu erwähnen.
Ergibt sich hierzu Anlaß, so darf der UR. sich
nicht etwa mit Rücksicht aus StPO. 153 passiv verhalten.
Vielmehr muß er in dringenden Fällen die erforderlichen Untersuchungshandlungen
von
Amts
wegen
vornehmen
(also als Notstaatsanwalt, oben S. 69).
II. Der UR. kann die nötigen Handlungen 1. selbst vornehmen, was praktisch die Regel bildet, oder 2. speziell
bezeichnete durch einen requirierten AR., tz
183 S. 2,
oder auch 3. durch die Polizei, § 187, vornehmen lassen.
Die Polizei ist auch
zur Vornahme nicht
speziell
be
zeichneter Ermittelungen auf Ersuchen des UR. verpflichtet. Nimmt der UR. Vernehmungen vor oder Augenschein ein,
so hat er einen Protokollführer zuzuziehen (§ 185 : einen
Gerichtsschreiber
oder
eine
ad
hoc
beeidigte
Person).
Abschn. I.
296
Kap. II.
Die Untersuchung.
Wegen des Protokolls s. § 186. — Eine einzige Handlung ist notwendig,
die Vernehmung des
Angeschul
digten, § 190, in Abwesenheit des StAnw. und des Sie darf in keiner BU. fehlen, und mög
Verteidigers.
licherweise beschränkt sich, wenn in einer SchwGSache die Ermittelungen des StAnw. bereits vollkommen erschöpfend
waren, die ganze VU. auf die Formalität einer solchen Vernehmung.
In Abweichung von StPO. 35 wird dem
Angeschuldigten die eröffnende Verfügung nicht durch Zu stellung, sondern bei dieser Vernehmung durch Verkündung
mitgeteilt.
Für den Schluß der BU. besteht eine ent
sprechende Vorschrift (StPO. 195 Abs. 3).
III.
Die Parteirechte während der BU. bestehen
zum Teil in einem Anspruch auf Parteiöffentlichkeit1 und zwar für folgende Akte: Augenschein (§ 191
zu dem
der Angeschuldigte
auch
Abs. 1),
eigene Sachverständige
laden lassen kann (§ 193), — Vernehmung voraussichtlich
in der Hauptverhandlung2 nicht erscheinender Zeugen, —
Vernehmung solcher Sachverständiger.
Das Recht auf An
wesenheit besteht für den Angeschuldigten nicht, 1. wenn
er inhaftiert ist und der Termin nicht am Hastorte statt findet (§ 191 Abs. 4); 2. bei Zeugenvernehmungen, wenn
zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die
Wahrheit nicht sagen
werde (§ 192).
Das Recht auf
Atteneinsicht hat der StAnw., soweit es die Untersuchung nicht aufhält (§ 194), der Verteidiger nach StPO. 147
(oben S. 199). 1 und dem entsprechend auch auf Notifikation vom Termin, § 191 Abs. 3. ‘ wegen Verhinderung oder wegen großer Entfernung; sie
werden beeidigt, § 65 Abs. 2, otn S. 235; das Protokoll wird nach § 250 Abs. 2 a. E. ver lesen, vgl. auch unten S. 321 f. (Gerichtsbeschluß).
Der Schluß der Voruntersuchung.
| 76.
29 7
IV. Der UR. ist nicht völlig suveräner Herr des Ver fahrens ; über manche Punkte ist ihm die Gewalt entgegen.
Solche Vorbehalte für die StK. lernten Wirschon für die Entscheidung über Verhaftung und Freilassung gegen Kau
tion (StPO. 124, ob. S. 271, S. 277 Anm. 2), für die Er teilung des sicheren Geleits (ob. S. 279 Anm ), sowie für die Ablehnung der Eröffnung der VU. (StPO. 178. 179, oben S. 293 f.) kennen.
Es gehören ferner dahin: die
Bestellung eines Verteidigers (StPO. 141), die Auswahl eines solchen (StPO. 144), die Genehmigung zur Wahl eines nicht unbedingt wählbaren Verteidigers (StPO. 138 Abs. 2, oben S. 197), das Verbringen des Angeschuldigten in eine Irrenanstalt (StPO. 31).
Endlich rechnet hier
her, daß der UR. eine Ergänzung der VU. nicht auf eigene Hand ablehnen kann (StPO. 195 Abs. 2). 8 76.
Bet Schlnh der Doruutersnchung.
1. Erachtet der UR. den bezeichneten Zweck der VU. für erreicht, so übersendet er, gleichviel auf weffen Initiative
es zur VU. gekommen war, die Akten der Staatsanwalt schaft zur Stellung ihrer Anträge.
Mit diesem Momente
ist die VU. geschlossen;* es tritt eine Zäsur im Ver
fahren ein, an die sich u. a. folgende Rechtswirkungen an schließen: der Angeschuldigte verliert seinen Unzuständig keitseinwand (StPO. 16), der Verteidiger bekommt freie Akteneinsicht (StPO. 147), der UR. ist nicht mehr für
Entscheidungen über Verhaftungen zuständig (StPO. 124 Abs. 2).
Der Wichtigkeit des Momentes entspricht nicht
' A. M. John, Komm. II 543.
RG. 33, 200.
298
Abschn. I. Kap. II. Die Untersuchung.
nur die Vorschrift des § 195 Abs. 3 (von dem Schlüsse der VU. ist der Angeschuldigte in Kenntnis
zu
setzen),
sondern auch die herkömmliche Praxis, daß der UR. aus drücklich verfügt: „Die VU. wird geschlossen."
II. Trotzdem ist der Schluß der VU. noch kein un
widerruflicher.
Auf drei Wegen kann es noch zu einer
Ergänzung der
VU.
kommen.-*
Einmal,
indem
der StAnw. beim UR. eine Ergänzung beantragt, StPO. 195 Abs. 1.
Will dieser nicht stattgeben, so holt er die
Entscheidung der StK. ein.
Sodann, indem der StAnw.
zwar einen Antrag auf sachliche Erledigung (StPO. 196)
stellt, das Gericht aber von Amts wegen zur besseren Auf klärung eine Ergänzung der VU. anordnet, StPO. 200. Endlich, indem nach Mitteilung der Anklageschrift der Angeschuldigte eine Ergänzung der VU. beantragt, StPO.
199 Abs. 2, und die StK. dem stattgibt. — Wird die VU. wieder ausgenommen, so lebt der frühere Rechtszustand
wieder auf (der Angeklagte hat wieder seinen Unzuständig keitseinwand usw.).
Nach
dem abermaligen Schluffe ist
die Staatsanwaltschaft wieder völlig fteigestellt.
Sie kann
jetzt Anträge stellen, die von denen nach dem ersten Schluß
der VU. abweichen, z. B. jetzt Außer-Verfolgung-Setzung statt Eröffnung des Hauptverfahrens.
Hierdurch kann es
auch u. U. zu einer doppelten Anklageschrift kommen, in dem die nach dem ersten Schluffe der VU. eingereichte den inzwischen ermittelten Umständen nicht mehr entspricht.
2 Auch nach der gegnerischen Ansicht auf dem 2. und 3. dieser Wege.
Die Erklärungen der Parteien,
ß 77.
299
B. Das Zwischeuverfahren. 8 77. Sie Erklärungen -er Parteien. Aries § 62.
Birkm. § 91 I. B.-B. §§ 111. 118. bis 102. Bind. § 100.
Ullm. §§ 100
1. Allgemeine Regeln.
1.
Die Staatsanwaltschaft reicht, wenn sie nicht ein
stellt (ob. § 73), eine Anklageschrift ein, und zwar für RGSachen beim RG. (I. StSen.), für SchwG.-, StK.und Überweisungssachen bei der StK., für SchGSachen beim AR. (StPO. 197). Im typischen Regelverfahren geschieht die Einreichung demnach bei der 3-Männer-StK.
Die Anklageschrift hat folgende Mußersordernisse (StPO.
198): a) Bezeichnung des Angeschuldigten, so daß er mit
anderen nicht verwechselt werden kann; b) Bezeichnung der Tat in gleicher Weise (sog. Individualisierung; eine darüber hinausgehende Spezialisierung, d. h. Subsumtion der konkreten Umstände des Falles unter die abstrakten Tat
bestandsmerkmale, ist nicht erforderlich); c) Hervorhebung der gesetzlichen Merkmale (insbesondere bei Mischtatbeständen von Wert); d) Angabe der Beweismittel; e) Angabe des
Hauptverhandlungsgerichtes; f) Ermittelnngsergebnisse.1 Bei Mängeln der Anklageschrift darf kein Eröffnungsbeschluß
gefaßt werden.2
Geschieht dies aber dennoch, so deckt der
unanfechtbare Eröffnungsbeschluß jedenfalls die rein formalen Mängel und bildet allein die Basis des weiteren Verfahrens
(vgl. aber S. 305 Anm. 8). 1 Nicht nötig bei Ueberweisungs- und reinen SchG.Delikten, StPO. 198 Abs. 2 J Das gilt auch im Falle II,
bei Berf. mit BU.: a. M. für dielen Fall Löwe-Hellweg, § 198 Note 11a.
300
Adsch«. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
2. Eine Gegenerklärung des Angeschuldigten wird vom StKBorsitzenden veranlaßt.3
Er läßt ihm die Anklage
schrift zustellen, setzt ihm eine Frist (z. B. 5 Tage) und fordert ihn zu Erklärungen auf (§ 199); zugleich bestellt er den etwa notwendigen Verteidiger (§§ 140 Abs. 3. 144).
Der Angeschuldigte kann folgendes vorbringen:
a) Antrag auf Voruntersuchung (besonders zu moti vieren: 176 Z. 2);
b) Einwand der örtlichen Unzuständigkeit (§ 16); c) sonstige Einwendungen gegen die Eröffnung de-
Hauptverfahrens (z. B. Mängel der Anklageschrift, Fehlen hinreichenden Verdachtes); d) Antrag auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung — dies berechnet auf den Fall, daß das Hauptverfahren dennoch eröffnet
werden sollte. Der Antrag zu d hat einen sachlichen Wert nur, wenn er kommissarische Augenscheinseinnahme, Zeugen- und Sach
verständigenvernehmung (StPO. 224. 222) oder, unter gleichzeitiger Bitte um Dispensation vom Erscheinen, die
eigene kommiffarische Vernehmung des Angeschuldigten be trifft (StPO. 232 Abs. 2).
Nur in diesen Fällen ist ihm
daher stattzugeben.4 e) Ferner kann der Angeschuldigte in Verbrechens
sachen einen Anttag auf Bestellung eines Ver teidigers jetzt vorbringen (§ 140 Abs. 3). 8 Außer in Ueberweisungssachen, § 199 Abs. 4. In reinen SchGSachen findet § 199 über haupt keine Anwendung. * Diesen Antrag zu d darf der Angeklagte auch nach er
Hierbei
folgter Eröffnung stellen. Gericht braucht auf die §§ 222. 224 zu fassenden schlüsse nicht aus eigener tiative zu kommen.
Das nach Be Ini
Die Erklärungen der Parteien.
§77.
301
besteht aber nicht die richterliche Frist des § 199, sondern eine gesetzliche von 3 Tagen. Über die Gegenvorbringen des Angeschuldigten
faßt
das Gericht Beschlüsse, die entweder isoliert oder mit dem
Eröffnungsbeschluß zusammen als Teile eines Ganzen er
gehen.
Wir nennen sie N e b e n b e s ch l ü s s e
auf Anfechtbarkeit sind selbständig.
In Beziehung
sie dem Eröffn.-Beschl. gegenüber
Ablehnung des Antrags a und des Einwandes
b ist mit sofortiger, Ablehnung der Verteidigerbestellung mit einfacher Beschwerde anfechtbar (§§ 199 Abs. 3. 346).
Ablehnung einer Einwendung c ist unanfechtbar.
Ablehnung
des Antrags d kann später für die Urteilsanfechtung die Grundlage abgeben.
Es ist übrigens anomal, daß über
Antrag d die Eröffnungs-StK. und nicht die erkennende
StK.5 * entscheidet.
II. Speziell: Verfahren mitVoruntersuchung.
1.
Die Staatsanwaltschaft kann, da bereits Klage er
hoben und die Untersuchung eröffnet ist (StPO. 168 Abs. 1), nicht mehr von sich aus einstellen (StPO. 154. 196).
Sie
legt die Akten mit ihrem Antrag der @tß.fl zur Entscheidung
Der Antrag lautet entweder darauf: das Hauptver
vor.
fahren zu eröffnen (dann wird die 1 1 erörterte Anklage
schrift eingereicht, §§ 196 Abs. 2 S. 2, 198), oder: den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, oder: das Ver
fahren vorläufig einzustellen (StPO. 196 Abs. 1. 202. 203).
2.
Eine Gegenerklärung des Angeschuldigten wird nur
bei Einreichung einer Anklageschrift veranlaßt.7
Es steht
5 Diese entscheidet selbstver- ! bezw. dem RG., I. StSen. stündlich, wenn Antrag d nach 7 und nur, wenn keine Ueberersolgter Eröffnung gestellt wird. Weisung an das SchG, beanES gilt dann § 347 Abs. 1. tragt ist.
302
Abschn. I.
Die Untersuchung.
Kap. II.
damit, wie unter I 2 dargestellt.
Was die Gegenvorbringen
angeht, so kann der Antrag a nur auf Ergänzung der Voruntersuchung lauten (ob. S. 298); der Einwand b ist
bereits verloren gegangen (StPO. 16. 199 Abs. 2 und 3).
8 78. vie Entscheidung des Gerichts. Kries § 63.
Birkm. § 91 II.
B.-B. §§ 113-116.
Ullm. § 103.
Bind. §8 102. 104.
I.
Das Gericht ist bei seiner Entscheidung im Zwischen
verfahren 1 an die Erklärungen der Parteien, insbesondere
an die
Anträge der
Staatsanwaltschaft
nicht
gebunden
(StPO. 124), und kann, wenn es eröffnet, auch vor einem
Gericht anderer Ordnung eröffnen (StPO. 207).2
Das
Gericht kann entweder sogleich einen Sachbeschluß (unter
II—V) oder zunächst einen dilatorischen Beschluß (StPO. 200) fassen.
Dieser lautet bei der StK. im Ver
fahren mit BU. auf Ergänzung der VU., im Verfahren ohne BU. auf Eröffnung der VU. oder auf Anordnung
einzelner Beweiserhebungen;
beim AR. aus
einzelner Beweiserhebungen.
Der dilatorische Beschluß ist
Anordnung
unanfechtbar.
II. Die Sachbeschlüsse enthalten entweder 1 Völlig abweichend MilStGO. 245. 250. 254. 255. 258. 260. 272. Die Anklageverfügung des Gerichtsherrn bringt die Sache ohne EröffnungSbeschluß sogleich zur Aburteilung vor das Gericht. BiS zum Be ginn der Hauptverhandlung ist
2 Nur der $$R.
kann nicht
vor dem LG. (StK. oder SchwG.)
eine Er-
oder RG., und die StK. kann nicht vor dem RG. eröffnen: StPO. 207 Abs. 1 S. 2. Abs. 2. Meint z. B. der AR., dah ein RG.Delikt vorliegt, so legt er die Akten dem LG., und dieses (falls es gleicher Meinung ist) dem RG. vor. Letzteres erläßt event, den Eröffn.Beschl. vgl. Löwe-Hellweg, Komm.z207, Note 2 a.
Die Entscheidung des Gerichts.
H 78.
303
Öffnung be3Hauptverfahrens (unterIoder sie enthalten feine (Eröffnung.
Dies letztere bedeutet nicht notwendig
Ablehnung der Eröffnung; solche Ablehnung liegt nur vor, wenn Eröffnung beantragt, also Anklageschrift eingereicht war.3 4 Die zweite Gruppe von Sachbeschlüsien
lautet entweder auf Nicht-Eröffnung des Hauptverfahrens (unter III) oder auf vorläufige Einstellung
des Verfahrens.
werden:
1.
Letztere kann in drei Fällen beschlossen
wegen
Abwesenheit des
Angeschuldigten
(§ 203); er muß im technischen Sinn abwesend sein (§ 318),
und
es
muß
dies
die Hauptverhandlung verhindern;*
2. wegen Geisteskrankheit, in die der Angeschuldigte
nach der Tat verfallen ist (§ 203), sofern ihn solche prozeß unfähig macht (oben S. 167);5 3. wegen Unwesent-
lichkeit der Feststellung einzelner Straffälle (StPO. 208);
diese kann namentlich vorliegen, wenn jemand wegen einer
großen Reihe gleichartiger Straftaten0 angeklagt ist, und voraussichtlich genau dieselbe Strafe verhängt wird, ob nun
25 oder ob 30 Fälle erwiesen werden.
Die vorläufige
Einstellung zu 3 setzt Anklageeinreichung und besonderen
Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.
Wie die Erlasiung,
so hängt auch die Aufhebung dieses Beschlusses ad 3 von 3 War dagegen von der StAnwschast keine Eröffnung beantragt (§ 77 II 1), so stellt sich der entsprechende Beschluß nicht als A b 1 e h n u n g der Er öffnung dar. 4 Das ist nicht der Fall beim Verfahren gegen Abwesende (§§ 319 ff.) und gegen abwesende Wehrpflichtige (§ 470); unten §§ 103. 104. 5 Geisteskrankheit zur Zeit der Tat führt zur Nicht-Er
öffnung, StGB. 51. Tritt Geisteskrankheit nach dem Eröffnunasbeschluß ein, so ist nach S. 167 Anm 6 zu verfahren. 0 Milchpanschereien, Zech prellereien , Briefunterdrückun gen durch Postbeamte, Amts unterschlagungen unter gleich zeitigen Urkundenfälschungen, Ueberhebungen von Gebühren, Mißhandlungen von Schul kindern usw.
Abschn. I.
804
Kap. II.
Die Untersuchung,
ausdrücklichen Antrag der Staatsanwaltschaft ab
einem
(StPO. 208 Abs. 2).
Solcher Antrag wird gestellt werden,
wenn z. B. im Urteil statt der erwarteten 25 Fälle nur 1 oder 2 als erwiesen angesehen werden; hier würde die
Strafe vermutlich anders ausfallen, wenn auch die fünf übrigen, ja ebenfalls anklagereifen, aber einstweilen noch
gelangten.
zurückgestellten Fälle gleichfalls zur Kognition
Der Antrag 7 muß innerhalb dreier Monate nach Rechts
kraft des Urteils gestellt werden. III.
Der
(StPO.
Nicht-Eröffnungsbeschluß
202) lautet im Verfahren ohne VU.:
„Das Hauptver
fahren wird nicht eröffnet" und ist stets Ablehnung der Im Verfahren mit VU. lautet er: „Der An
Eröffnung.
geschuldigte wird außer Verfolgung gesetzt"
und ist bald
Ablehnung des staatsanwaltlichen Antrags, bald demselben
konform.
In allen Fällen muß der Beschluß angeben, ob
er auf tatsächlichen oder auf Rechtsgründen beruht (StPO.
202
Abs.
1);
er
ist
(StPO. 202 Abs. 3);
dem
Angeschuldigten
zuzustellen
er hat nur begrenzte Rechtkraft
(StPO. 210): auf Grund neuer Tatsachen oder Beweis
mittel kann die Klage wieder ausgenommen werden.
IV. Ter Eröffnungsbeschluß ergeht nur bei hin reichendem Verdacht (StPO. 201).
Er hat folgenden Er-
zu genügen (StPO. 205 Abs. 1):
sorderniffen
zeichnung des Angeklagten und b) der Tat,
a) Be
so daß sie
mit anderen nicht verwechselt werden können (Individuali
sierung);
c)
Hervorhebung
der
gesetzlichen
Merkmale;
d) Angabe des Strafgesetzes und e) des Hauptverhandlungs7 Der Antrag kann zwar l bei Löwe-H. Note 6 zitierte nicht wegen Geringfügigkeit der | —, wohl aber nach §§ 202. 203 zu erwartenden Strafe — so | abgelehnt werden.
Die Entscheidung des Gerichts,
gerichtes.
305
ß 78.
Er muß von der Anklage getragen sein; andern
falls ist er nichtig.
Eine Eröffnung über den Rahmen
der Klage hinaus (StPO. 153) wäre unbeachtlich und könnte keine Rechtswirkungen äußern.8 Die Anfechtbarkeit der Sachbeschlüffe.
V.
Der
Angeklagte hat kein Rechtsmittel (StPO. 209 Abs. 1); nur
er indirekt eine Umstoßung des Eröffnungs
kann
beschlusses dadurch erreichen, daß er einen Nebenbeschluß
über die oben § 77 1 2a und b genannten Gegenanträge angreift.
Was
die Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft
angeht, so muß man unterscheiden. 1.
Die
„Ablehnung der Eröffnung"
in dem
S. 303 angegebenen Sinn ist nach StPO. 209 Abs. 2
a. A. mittels sofortiger Beschwerde anfechtbar.
Die vor
läufige Einstellung nach StPO. 203 ist danach ebenso an greifbar, wie die Nichteröffnung nach StPO. 202, sofern sie nicht etwa im Verfahren mit BU. auf ausdrücklichen
staatsanwaltlichen Antrag erfolgen.
Man wird aber auch
die Anfechtung der Nichteröffnung, wenn vorläufige Ein
stellung beantragt ist, zulassen muffen.
Ein Beschluß nach
StPO. 208 ist unanfechtbar, weil er stets nur auf An
trag ergeht, also keine Eröffnung ablehnt.9 " A. M. Glaser, Stenglein, U11 m a n n u. a. Grundsäplich beistimmend Beling, B.-B. 295 Anm. 39. 490 Anm. 15—17. 498 Anm. 1. Doch will er mit John, Dalke, Lvwe-Hellweg der StAnw.schast die Beschwerde geben, die er doch selbst (S. 499 ob.) für überflüssig erklärt. Mir scheint v. Kries S. 520 Recht zu haben: es ist lediglich Aufgabe
i j : !
des erkennenden Gerichts, zu dieser Sachlage Stellung zu nehmen. — Die Eröffnung in Gemäßheit der Anklage gegen eine der Gerichtsbarkeit nicht unterworfene Person gehört daaegen nicht hierher. Richtig RG. 27, 233, wodurch das in mehrfacher Beziehung irrige Urteil desselben Senats 11, 263 reprobien erscheint. 9 Wie hier, Glaser, Handb. 20 X o j e n f e 1 b, Reichsstrafprozeß. 2. Aufl.
Kap. II.
Abschn. I.
306
Die Untersuchung.
2. Die Eröffnung kann erfolgen a) vor dem be antragten Gericht, wenn auch vielleicht unter ganz ab weichender Qualifizierung der Tat: dann ist sie stets un
anfechtbar: b) vor einem Gericht höherer Ordnung, als
beantragt: dann
ist
sie gleichfalls unanfechtbar; c) vor
einem Gericht niederer Ordnung als beantragt: dann
steht sofortige Beschwerde zu. VI.
Nebenbeschlüsse
Gegenerklärungen
des
StPO. 209 Abs. 2 a. E.
können
Angeschuldigten
ergehen nach
über
a)
uns.
§
77
I 2 a, b, c; über ihre Anfechtbarkeit ist dort das Nötige gesagt; b) auf kommissarische Beweisaufnahme (nach An trag des Angeschuldigten, § 77
I
2d) — von beiden
Parteien erst mit dem Urteil zusammen anfechtbar; c) über
Verhaftung des Angeklagten, StPO. 205 Abs. 2 — mit einfacher Beschwerde und weiterer Beschwerde anfechtbar (ob. S 269); d) aus Überweisung an das SchG., vgl. S. 98 ff. — nach GVG. 75 Abs. 2 unanfechtbar. VII. Wenn im Verfahren mit VU. der StAnw. be
antragt, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen,
die ©tÄ.10 * * *aber * Eröffnung beschließt, so hat die Staats anwaltschaft nach
StPO. 206
eine dem Beschluß ent
sprechende nachträgliche Anklageschrift einzureichen.
Diese wird auch dem Angeklagten zugestellt11 und er wird
aufgefordert, zu erklären, ob er die Vornahme einzelner
Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen Bd. II S. 447. Näheres über deS im übrigen von niemandem diese Streitfragen Birkm. S. gelesenen Elaborates ist, so ent616 Anm. K 52 bis 56. B.-B. fällt naturgemäß die Vorschrift, 500 Anm. 9. 10. ' falls vor dem SchG, eröffnet 10 bzw. das RG., I. StSen. , wird. Aber selbst das wird von 11 Da diese Mitteilung der | den „Praktikern" bestritten; vgl. einzige Zweck der Anfenigung I Löwe-H. Note 3.
Die Vorbereitung der Hauptverhandlung.
| 79.
30 7
wolle (unser § 77 I 2d, StPO. 206 Abs. 2. 199). Diese
Vorschrift ist doktrinärer Natur,
aus
theoretischen
Er
wägungen abgeleitet und hat keinen wirklichen praktischen
Wert.
Sie ist
deshalb über den Wortlaut
hinaus
in
keiner Weise auszudehnen: weder auf den Fall, daß der StAnw. vorläufige Einstellung beantragt, die StK. aber Eröffnung beschloß; noch auf den, daß der Eröffnungs
beschluß die Tat gänzlich abweichend qualifizierte;'- noch auf den, daß eine beantragte Überweisung an das SchG,
unterblieb;13 noch auf den des § 270 StPO.
§ 79.
C. Die Vorbereitung der Hauptverhandlung. Kries § 65.
Birkm. § 92. B -B. § 119. Bind. 8 106.
Ullm. § 104.
I. Terminsanberaumung durch den Vorsitzenden, StPL. 212. Dein Angeklagten muß eine Einlassungssrist von 1 Woche bleiben, StPO. 216 Abs. 1. Andernfalls hat er ein Recht aus Aussetzung der Verhandlung, StPO. 227 Abs. 2, und ist hierüber zu belehren, StPO. 227 Abs. 3. Das Recht geht ver loren, wenn es nicht bis zum Beginn der Verlesung des Eröff nungsbeschlusses geltend gemacht wird, StPO. 216 Abs. 2 a. E. (Gleicher prükludierender Zeitpunkt in StPO. 16, oben S. 117.) Ratio legis ist, dem Angeklagten genügende Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu lassen; daher gilt die Einlassungsfrist für eine zweite und fernere Hauptverhandlung nicht, RG. 15, 113. II. Ladungen der Angeklagten, Zeugen, Sachverständigen, Verteidiger, Einziehungsbetroffenen oder sonstiger Personen er folgen im allgemeinen durch die StAnw.schaft, StPO. 213, beim SchG, durch die Gerichtsschreiberei, StPO. 36 Abs. 2. Sehr be-
11 teilweise a. M. Löwe-H. | Löwe-Hellweg 8 108Note9. § 204 Note 3 und § 207 Note 6 ! RG. 31, 100 (innerlich unhalt bar. StPO 207 Abs. 2. bar). 11 a. M. v. Kries S. 505,
308
Abschn. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
dentlich wegen der Konsequenzen RG. 35, 232 . Ladung des An geklagten durch verkündeten Gerichtsbeschluß soll rechtswirksam sein! Der Angeklagte hat auch das Recht unmittelbarer Ladung von Zeugen und Sachverständigen, StPO. 219 Abs. 1 S. 2. Über Zustellung oben S. Ibis. Es muß notwendig geladen werden a) der Angeklagte, b) der bestellte Verteidiger, c) der gewählte Verteidiger, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist, StPO. 215. 217; selbstverständlich auch der vom gesetzlichen Ver tretet nach StPO. 137 Abs. 2 gewählte, RG. 36, 316. Wird die Ladung unterlassen und die Hauptverhandlung abgehalten, so ist gegen das Urteil die Revision begründet. RG. 1, 405. 2, 223. 19, 436. 21, 266. 27, 425. RMilG. 5, 292. Die Anzeige zu c soll nach der HM. vom Verteidiger selbst nur mit Wirksamkeit er stattet werden können, wenn er Vollmacht beibringt, RG. 2, 375; dagegen v. Kries, Binding. Der Angeklagte wird schriftlich geladen; erstens: wenn er aus freiem Fuß ist und die Straftat nicht lediglich mit Geldstrafe oder Hast bedroht ist; unter der War nung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Ver Haftung oder Vorführung erfolgen werde, StPO. 215 Abs. 1 S. 1; zweitens: wenn er aus freiem Fuß ist und die Straftat ledig lich mit Geldstrafe oder Haft bedroht ist, entweder aa) ebenso, StPO. 231 Abs. 1, 215 Abs. 1 S. 2; oder bb) unter Hinweis, daß auch bei seinem Ausbleiben verhandelt werden würde, und mit der Warnung; oder cc) mit dem Hinweis, aber ohne die Warnung, StPO. 231 Abs. 2, 215 Abs. 1 S. 2; drittens: wenn
er nicht aus freiem Fuß ist, durch Zustellung der Terminsanbe raumung, StPO. 215 Abs. 2 S. 1. 35 Abs. 2, wozu aus Ver langen Verlesung dieses Schriftstückes, StPO. 35 Abs. 3, sowie Befragung hinzutritt, ob und welche Anträge er in Bezug aus seine Verteidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe, StPO. 215 Abs. 2 S. 2. Gleichzeitig mit der Ladung ist spätestens der Eröstnungsbeschluß zuzustellen, StPO. 214, und die Angabe der Beweismittel aus der Anklageschrift mitzuteilen, arg. StPO. 221 Abs. 2; letzteres nur bei SchG.- und Überweisungsdelikten, da
im übrigen die Anklageschrift bereits nach StPO. 199 zugestellt ist. — Der Staatsanwaltschaft liegt auch die Herbeischaffung der Augenscheinsobjekte (soweit sie nicht in Verwahrung des Ger.-
Äußere Gestaltung der Haupwerhandlung.
| 80.
309
Schreibers beim AG. sind) und der Urkunden (soweit sie sich nicht bei den Akten befinden) ob, StPO. 213.
III. Eine Erweiterung des Beweismaterials für die Hauptverhandlung über die Angaben der Anklageschrift hinaus kann ausgehen a) vom Vorsitzenden, StPO. 220; b) von der Staatsanwaltschaft, StPO. 221 Abs. 2 a. E „aus eigener Entschließung"; c) vom Angeklagten durch Anträge beim Vor sitzenden, StPO. 218. Gibt der Vorsitzende dem statt, so erfolgt Mitteilung der Beweisanträge an die Staatsanwaltschaft, StPO. 218 Abs. 2. Lehnt er ab, so hat der Angeklagte das Recht der unmittelbaren Ladung, StPO. 219. 38. IV. Zwischen den Parteien besteht gegenseitige Jnsormationspflicht über die Ladung von Zeugen und Sachver ständigen, StPO. 221. Diese Pflicht besteht für den Angeklagten im Falle der unmittelbaren Ladung, für die StAnw.schast in den Fällen Illa und b. Event, hat der Gegner ein Recht auf Aus setzung der Hauptverhandlung nach StPO. 245 Abs. 2, 3.
D. Die Hauptverhandlung bis zum Urteil. 8 80.
äußere Gestaltung der Hauptverhandlung. Kries § 66 I-III.
I.
Birkm. § 93 I. B.-B. § 120. Bind. § 106.
Unentbehrliche
Personen,
deren
Ullm. § 106.
Anwesenheit
während der ganzen Hauptverhandlung einschl. der Urteils
verkündung erforderlich ist, sind die Richter, der Staats anwalt, der Angeklagte, der notwendige und der bestellte Verteidiger, der Gerichtsschreiber.
Der Staatsanwalt, der
Verteidiger und der Gerichtsschreiber sind auswechselbar: es können mehrere Personen successive hinter einander
tätig sein.
Als Staatsanwalt und als Verteidiger können
auch mehrere Personen
neben
einander mitwirken, und
Abschn. I.
310 zwar
mit
Kap. II.
Teilung
der
Die Untersuchung.
Funktionen
oder
ohne
solche.
StPO. 225. 226.
'
II. Tie Anwesenheit des Angeklagten wird
nicht
durchgehends
gleicher Strenge
mit
erheischt.
Es
kann auch ohne ihn verhandelt werden und gegen
nicht anwesenden ein Urteil ergehen.
den
Folgende Fälle sind
zu unterscheiden: 1. Ter Angeklagte ist abwesend im techn. Sinn, StPO. 318 (über das Verfahren gegen ihn
Lehrb. §§ 103. 104).
2
gr ist trotz ordnungsmäßiger
Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben; dann ist zu unterscheiden, ob die Tat nur mit Geldstrafe
oder Haft bedroht und Ladung nach uns. § 79IIbb, cc
erfolgt ist, oder nicht.
Im ersteren Fall wird verhandelt,
StPO. 231; im letzteren wird Vorführungs- oder Haft
befehl erlassen, StPO. 229 Abs. 2 (ob. S. 268).
3 Er
ist vom Erscheinen dispensiert (entbunden), StPO. 232.
Solche Entbindung erfolgt nur auf Antrag wegen großer Entfernung des Aufenthaltsortes, wenn höchstens 6 Wochen
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu erwarten steht. geklagte
muß
kommissarisch
bereits
richterlich
vernommen
werden.
vernommen Er
darf
andern und Hähern Strafe als der bezeichneten 1
Der An
sein zu
oder keiner
und auf
Grund keines anderen Strafgesetzes - als des ihm bei der
Vernehmung angegebenen verurteilt werden.3
1 RG. 15, 337. 32, 61, auch nicht bei Realkonkurrenz; dort und RG. 29, 44. 35, 17 wird auch Veröffentlichung des Ur teils nach § 16 Nahr.MittelG., StGB. 200 und § 19 WarenZeich.G. als Strafe ausgefaßt. A. M. Beling, B.-B. 522
Die Ent-
Anm. 26. Voitus, Kontro versen Bd. I, S. 285—293. 4 RG. 12, 45. 17, 19. 21, 100. 3 Dieses Verfahren ist auch ^egen^ Jugendliche zulässig
Äußere Gestaltung der Hauptverhandlung,
g 80.
311
bindung kann stets zurückgenommen werden, StPO. 235.
4.
Ter
Angeklagte
hat
sich
freiwillig
entfernt,
StPO. 230 Abs. 2 : die Hauptverhandlung kann trotzdem fortgesetzt und zu Ende geführt werden, wenn er bereits über die Anklage vernommen war und ein Gerichtsbeschluß
seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet.
5. Der Angeklagte ist kraft Gerichtsbeschlusses unfrei willig entfernt worden, entweder nur während der Vernehmung
eines Mitangeklagten
oder Zeugen,
damit
dieser die Wahrheit sage, StPO. 246 Abs. 1; oder wegen
ordnungswidrigen
handlungsakte
Benehmens
und
StPO. 246 Abs. 2.
auf
während
beliebige
beliebiger
Ber-
GBG.
178.
Dauer
Nach Rückkehr in das Sitzungs
zimmer wird er von dem wesentlichen Inhalt des inzwischen Vorgefallenen unterrichtet.4 56 111. Die Hauptverhandlung geht uno actu vor sich,
4 RG. 9, 341 (besonderer Beschluß sei unnötig). 22, 247. 29, 294 (unzulässig bei Er krankung ; falsche Anwendung kann, mangels ausdrücklichen Trennungsbeschlusses, auch von einem Mitangeklagten nach StPO 229 Abs. 1, 377 Z. 5 getilgt werden). 31, 398. 32, 96 (wenn aus Grund von StGB. 187 verhandelt war, darf nicht nach dem Weggehen des Angekl. aus StGB. 186 verurteilt werden). 5 u. zw. vor weiterer Ver handlung RG. 20, 123. 32, 120. 80; vgl. aber noch RG. 8, 49. 153. 32, 88. 34, 332. Sehr bedenklich RMilG. 2, 152 (161) (in der Sache betr. Ermordung
des Rittmeisters v. Krosigk zu Gumbinnen). Bei ordnungs widrigem Benehmen wird jeden falls der Versuch zu machen sein, dem Angell, das letzte Wort zu gönnen und die Urteilsverkün dung in seiner Gegenwart vor zunehmen. Auch diesen Versuch hält RG. 35, 433 nicht für nötig. Interessant aus der französischen Praxis die Ver handlung gegen den AbbeBerger, Mörder des' Erzbischofs Sibour von Paris (1857), Neuer Pita val, Bd. 26, S. 1—69. ö Die weiteren Fälle einer Hauptverhandlung ohne Ange klagten gehören höheren In stanzen oder außerordentlichen Prozeßarten an; s. Lehrb. § 94III.
Abschn. I.
312
Kap. II.
Dir Untersuchung.
wenn auch mit Pausen, die StPO. 227 Abs. 1, 228 als
„kürzere Unterbrechung" in Gegensatz zurAussetzung (= Vertagung) stellt. Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an, die Fortsetzung muß spätestens am vierten Tage erfolgen. Vertagung beschließt das Gericht; anders als im Civilprozeß
muß hier die Hauptverhandlung stets von neuem beginnen.
III.
Sind mehrere Strafsachen bei dem Gericht an
hängig, die in irgend welchem Zusammenhang, wenn auch
nicht technischem (S. 102), miteinander stehen, so kann
ihre Verbindung zum Zweck gleichzeitiger Verhandlung beschlossen werden, StPO. 236.
Den Beschluß faßt das
erkennende Gericht, nicht etwa die eröffnende StK.
8 81.
Ser Lang der Hauptvrrhandlung. Kries § 66 IV.
Birkm. § 93 II.
B.-B. § 120.
Ullm. § 107.
Die einzelnen Akte der Hauptverhandlung haben teils den Zweck, die Anwesenheit der Beweispersonen, die Iden tität des Beschuldigten und der Sache festzulegen (Nr. 1—5),
teils den Zweck der Beweiserhebung (Nr. 6—8), teils den der Deduktion und Schlußfolgerung daraus (Nr. 9—12).
1.
Aufruf der Sache, Feststellung der Anwesenheit des
Gerichts nebst Protokollführer, des Staatsanwaltes und des
Beschuldigten, dem event, die Fesseln abgenommen werden
(StPO. 116 Abs. 4 S. 2). 2. Aufruf der Zeugen und Sachverständigen, StPO.
242 Abs. 1.
Der Ausdruck des Gesetzes, daß hiermit die
Hauptverhandlung „beginnt", ist ungenau.
3.
Abtreten der Zeugen, StPO. 242 Abs. 4, auch der
sachverständigen Zeugen (S. 238 f., StPO. 85), auf dem-
Der Gang der Hauptverhandlung,
ß 81.
313
selben Grundgedanken wie StPO. 59 Abs. 1
beruhend.
Die Sachverständigen dürfen den folgenden Akten beiwohnen;
sind sie zugleich Zeugen/ so ist die Anordnung des Vor sitzenden maßgebend. 4.
Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen
Verhältnisse, StPO. 242 Abs. 2.
5. Verlesung des
Abs. 2.
Eröffnungsbeschlusses, StPO. 242
Keine Verlesung
der Anklageschrift,1 2 kein
formatorischer Vortrag des Anklägers.
in
Kleine Ungenauig
keiten, Flüchtigkeitsfehler des Beschlusses können vom Vor sitzenden mündlich verbessert; auch
kann bei der bloßen
Individualisierung, wie der Beschluß sie bietet, eine an schaulichere
Erläuterung
nicht
für
unstatthaft
gehalten
werden, vorausgesetzt, daß sie weder der Beweisaufnahme, noch der Beweiswürdigung vorgreift.3
Verhandlung ihre feste Grundlage.
Hiermit erhält die
Eben deshalb müssen
auch solche Entscheidungen mitverlesen werden, welche Auf
klärung über die prozessuale Situation geben; so im Falle des § 270 StPO, sowohl der ursprüngliche Eröffnungs
beschluß als der Verweisungsbeschluß, im Falle der Zurück verweisung aus höherer Instanz (StPO. 369. 394) der
frühere
Eröffnungsbeschluß
und
die
beiden Urteile,
im
Falle der Wiederaufnahme (StPO. 410 Abs. 2. 413) der
1 vgl. RG. 22, 431. ! Hier erhält die Verhandlung 2 Im Mil.Proz. Verlesung ihre feste Grundlage durch die der Anklageversügung (des • Anklageverfügung, vgl. MilGerichtsherrn, § 254), aber StGO. 317-319 = StPO. nicht der (nach § 255 vom Ger263—265. Osfizier oder Kriegsger.Rat an 3 Eine Darstellung der Er gefertigten) Anklageschrift: gebnisse des Vorverfahrens ist MilStGO. 297 Abs. 2, S. 2. verboten, RG. 32, 318.
Abschn. I.
314
Kap. II.
Die Untersuchung.
alte Eröffnungsbeschluß, das angegriffene Urteil und der die Wiederaufnahme anordnende Beschluß.
6. Vernehmung des Angeklagten zur Sache (vgl. oben S. 195), StPO. 242 Abs. 3; Vorrecht des Vorsitzenden,
StPO. 237 Abs. 1, neben dem nur ein Sachverständiger einzelne Fragen stellen darf, StPO. 80 Abs. 2.
Vor Be
antwortung jeder Frage darf der Angeklagte sich mit seinem Verteidiger beraten.4 5
7.
im
Beweisaufnahme
engeren Sinn, StPO. 243
Abs. 1 (ob. S. 249), falls solche noch nötig ist.
8. Fortgesetzte Befragung des Angeklagten, StPO 256.
Die Befragung ist instruktionell, aber nicht die An hörung des Angeklagten, wenn er etwas zu erklären hat (vgl. StPO. 377 Z. 8).
9.
Schlußvortrag
(Plädoyer)
des
Staatsanwalts,
StPO. 257 Abs. 1. 10. Schlußvortrag des Verteidigers oder des Angeklagten selbst, StPO. 257 Abs. 1.
Ist dieser Vortrag
mit einem Antrag auf Wiedereintritt in die Beweisauf nahme verbunden und wird dem stattgegeben, so wieder holen sich die Akte von Nr. 7 ab; wird er abgelehnt, so
von Nr. 9 ab." Es besteht ein „Recht" der Erwiderung, StPO. 257 Abs. 2. Öfteres Ergreifen des Wortes als zweimal
braucht
der
Vorsitzende
von
keiner
Seite
zu
dulden.7 4 Im wesentlichen ebenso v. Kries. S. 640. Abweichend RG. 4. 426. 21, 436. 6 Bedenklich RG. 32, 277; am bedenklichsten in der Schluß-
! Verkehr zuzulassen sei. . 6 RG.l, 172.20. 380. 26,32. j 7 Dies sprach RG. 11, 136 \ einem besonders hartnäckigen ' StAnw. gegenüber in einem
Wendung, daß der Verteidiger j interessanten Urteil aus. Vgl. nur mit Zeugen und SachLöwe-Hellweg,Komm.8257 verständigen zu unmittelbarem I Note 3. B -B. S. 530 Anm. 28.
Die Beweisaufnahme,
ß 82.
.315
11. Das letzte Wort des Angeklagten selbst (falls vor
her ein Verteidiger geredet hat), StPO. 257 Abs. 3.
Die
Befragung ist bindend vorgeschrieben, doch brauchen nicht gerade die Worte des Gesetzes gebraucht zu werden.8 Kann der Angeklagte nicht deutsch, so wird er durch den Dol
metscher von den Schlußanträgen unterrichtet, StPO. 258 Abs. 1, und zum letzeu Wort verstattet.
Mit einem Tauben
ist in erster Linie schriftliche Verständigung9 zu
suchen,
StPO. 258 Abs. 2.
12. Urteilsfindung und -Verkündung StPO. 267. 268.
Wegen ersterer s. ob. S. 152 ff., wegen letzterer S. 150. Tie Verkündung kann ausgesetzt werden,
daß höchstens
aus 1 Woche; in diesem Falle müssen die Urteilsgründe vor der Verkündung schriftlich festgestellt werden.10 — 9ln
Stelle des Urteils ergeht bei fachlicher Unzuständigkeit, weil ein Gericht höherer Ordnung kompetent ist, ein Beschluß
nach StPO. 270.
§ 82. Sie Ärweisaufnahmr. Kries § 67.
Birkm. § 93 II 2. B.-B. § 121. Bind. § 107.
Ullm. § 108.
I. Die Aufnahme des Beweises ist grundsätzlich Recht und Pflicht des Vorsitzenden, StPO. 237 Abs. 1; doch 8 RG. 9, 68. 23, 319. 23, 320. 32, 321. 8 worunter auch einseitige Be nutzung der Schrift gehört, RG. 31, 313 (der Angeklagte war taubstumm, hatte aber "sprechen gelernt). 10 Die Frist (MilStGO. 327 : 3 Tage) ist bindend; Nicht
beachtung begründet die Re vision, RG. 27, 117. Das RG. hält sich selbst indessen nicht für gebunden! Zu Abs. 2, der in MilStGO. fehlt, vgl. RG. 31, 140. - Viel freier CPO. 310. 311 Abs. 2 in bei den Beziehungen.
Abschn. I.
316
Kap. II.
Die Untersuchung.
unter Kontrolle des Kollegiums, StPO. 237 Abs. 2. Regel nach
Der
der Vorsitzende die Zeugen und
„vernimmt"
Sachverständigen, d. h. er stellt die Personal- und General
fragen, bezeichnet ihnen den Gegenstand der Untersuchung und
veranlaßt
Auslassung
zusammenhängender
zu
sie
Die Stellung einzelner Fragen neben
(StPO. 67. 68).
dieser Vernehmung hat er zunächst den Beisitzern zu ge
statten, StPO. 239 Abs. 1. Der Beisitzer hat ein An recht auf solche Befragung, aber nicht auf Überlassung der Vernehmung
als solcher.
Vorsitzenden
(oder
Fragen,
so
darf der Vorsitzende ihn
sondern
es
ist
Stellt er nach Meinung des
eines
die
andern
Beisitzers)
Entscheidung durch
herbeizuführen,1 StPO. 241.
unzulässige
nicht rektifizieren, Gerichtsbeschluß
Das gleiche Fragerecht steht
ferner den Schöffen und Geschworenen, sowie den Parteien
und Parteivertretern zu, StPO. 239 Abs. 2.
Hier darf
aber der Vorsitzende unzulässige, d. h. ungeeignete oder nicht zur
Sache
Abs. 2.
gehörige
Fragen
zurückweisen,
StPO.
240
Diese Zurückweisung kann von dem Fragenden,
dem Befragten oder andern Verhandlungsbeteiligten nach
StPO. 237 Abs. 2 beanstandet werden; dann entscheidet
das Kollegium.
Dieses entscheidet ferner über alle Zweifel,
die an der Zulässigkeit der Fragen von andern Personen als dem Vorsitzenden, z. B. dem Befragten, dem Gegner,
erhoben werden, StPO. 241. Die und
„Vernehmung"
dem
Verteidiger
selbst ist der Staatsanwaltschaft
zu
1 a. M. RG. 10, 378, daS dem Beisitzer gewissermaßen eine „suveräne Stellung" anweist. Dagegen Sten gl ein,
überlassen ! ; I i
nach
StPO.
238
Komm., tz 240 Note 4. LöweHeltweg, Komm., § 240, Note 4a; und mit anderer Be griindung Iohn, Bd. IIIS. 91f.
Die Beweisaufnahme,
317
ß 82.
Abs. 1, wenn der Zeuge (oder Sachverständige) von einer der Parteien benannt ist, und die Parteien übereinstimmend solche Überlassung beantragen (sog. Kreuzverhör). Die be
nennende Partei hat in erster Reihe das Recht zur Ver
nehmung.
Wird die Befugnis der
„Vernehmung" miß
braucht, so kann der Vorsitzende sie entziehen, StPO. 240,
event. StPO. 237 Abs. 2; es tritt dann die gewöhnliche Art der Beweisaufnahme
fragung"
behält
ein,
aber auch der
die
Befugnis der
„Be
Gemaßregelte.2 * * Neben ***
dieser Entziehung steht dem Vorsitzenden auch die Zurück weisung einzelner Fragen zu, StPO. 240 Abs. 2;
bei
Beanstandung der Zurückweisung entscheidet das Gericht, StPO. 237 Abs. 2.
Auch wenn den Parteien die Ver
nehmung überlassen ist, hat nach deren Beendigung der
Vorsitzende
Fragerecht
und
Fragepflicht,
StPO.
238
Abs. 2, und hat den Beisitzern usw. Befragung zu ge
statten, StPO. 239. II. Der Umfang der Beweisaufnahme sollte sich nach
dem Prinzip
der
materiellen Wahrheit richten.
Welche
Einschränkungen dies indessen erleidet, ist oben S. 76 ff.
(I. 11.) dargelegt.
Hier ist zu verzeichnen, daß das Ver
halten der Parteien grundsätzlich für das Minimum der Beweisaufnahme bestimmend ist.
Erste Regel:
Die
Beweisaufnahme ist auf den Mindest umfang des
244 Abs. 1 StPO, zu erstrecken.
Falls nicht
beide Parteien ausdrücklich verzichten,8 müssen 2 Die Entziehung der „Ver nehmung" kann im Faü des § 239 Abs. 2 nicht in Frage kommen, weil hier nicht „Ver nehmung" , sondern „Befra gung" stat! findet. A. M. RG.
18, 365, des. S. 367. Da gegen wird RG. 29, 149 Ver nehmung und Befragung richtig geschieden. 8 RG. 4, 398. Der Vertei diger verzichtet in Vertretung
Abschn. I.
318
Kap. II.
Die Untersuchung.
1. sämtliche vorgeladenen Zeugen und Sachver ständigen, die erschienen sind,4* * *auch vernommen werden.5 6 Auf die bloß gestellten (zum Termin
bezieht sich diese Regel nichts
sistierten) Zeugen
Die Ladung der auf An
ordnung des Vorsitzenden oder aus eigener Entschließung der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen (und Sachver ständigen) befindet sich bei den Akten und bedarf keines besonderen Nachweises.
geladenen Zeugen
Dagegen muß bei den unmittelbar
(des Angeklagten,
Nebenklägers usw.)
dargetan werden, daß sie nach StPO. 38 durch den Ge richtsvollzieher ordnungsmäßig geladen sind.7
Andernfalls
haben sie nicht die Eigenschaft geladener Zeugen,
sondern
gelten als gestellte.
2. die
„andern"
herbeigeschafsten Beweismittel
(ob. S. 201) des Angeklagten, wenn dieser nicht widerspricht. RG. 1, 198. 16, 378. RMilG. 2, 266. 4 Nichterscheinen der Zeugen gibt den Parteien kein Recht auf Aussetzung, RG. 1, 35. 175. 196. 6 Gleichviel ob die Verneh mung unerheblich und zwecklos ist (a. M. v. Kries S. 554. MilStGO. 299 Abs. 2 S. 3. 4 läßt Ablehnung durch motivierten Beschluß zu, salls das Gericht einstimmig Unerheblichkeit annimmt), oder ob sie mit der Strafsache nichts zu tun hat (a. M. Ullmann S. 470. Löwe-Hellweg,8244Note3). Nach RG. 26, 388. 27 399 soll es genüaen, wenn der ge ladene Sachverständige nur als Zeuge vernommen wird.
Auch wenn wegen eines irr tümlich angenommenen Weigerungsgrunoes die Vernehmuna unterbleibt, soll das Urteil der Aufhebung unterliegen. RG. 32, 157. Aehnlich RMilG. 2, 40 bei irrtümlicher Annahme, daß ein Zeuge verstorben sei. 4 RG.l, 198, a.M.Glaser, Handb. I, S. 401. Aber bei der artigen Regeln ist stricta interpretatio geboten. 7 RG. 1, 297. Schweigt die Partei, wird die unmittelbare Ladung nicht von ihr spontan behauptet und nachaewiesen, so erlischt ihr Recht. Nachweis in der Revisionsinstanz hilft nicht mehr. RG. 17, 440. 23, 400. Mit dem Grundgedanken von RG. 32, 157 (Anm. 5) stimmt das freilich nicht.
Die Beweisaufnahme.
§ 82.
319
zur Erhebung benutzt werden, also Augenscheinsobjekte und
Urkunden.
Als
„herbeigeschaffte"
Urkunden
sind
nach
h. 9JL 8 9folgende Kategorien anzusehen: a) vom StAnw.
bezeichnete und unter vorgängiger Information des An geklagten (analog StPO. 221) zur Stelle gebrachte; b) solche,
deren Herbeischaffung der Vorsitzende auf Antrag des An geklagten zuläßt und dem StAnw. nach StPO. 218 Abs. 2 mitteilt; c) solche, deren Herbeischaffung der Vorsitzende von Amts wegen anordnet; d) solche, deren Herbeiziehung das
Gericht in der Hauptverhandlung anordnet;" o) solche, auf die sich der Angeklagte unter Information des StAnw. (StPO. 221) bezieht und die er vor der Hauptverhand
lung zu den Akten einreicht,10 * oder die sich f) bereits bei den Akten befinden;n endlich g) auch wohl solche, auf die
der Angeklagte sich vor der Hauptverhandlung (unter Nam
haftmachung gegenüber der Staatsanwaltschaft) berufen zu
wollen erklärt, und die er dann zur Hauptverhandlung mit bringt; 12 dagegen nicht h) solche, die der Angeklagte ohne
jede vorherige Ankündigung in die Hauptverhandlung mit bringt. 13
Tie erörterte Regel greift nicht Platz, wo die Beweis
aufnahme unzulässig
wäre (unbeeidbare
8 vgl. vor allem RG. 1, 384. Löwe-Hel lweg,Komm., Note 5b. B -B. S. 526 Anm. 6. 9 bezw. deren Herstellung es durch Anordnung kommissari scher Beweisaufnahme verfügt; auch die vom eröffnenden Gericht verfügte Herstellung steht gleich. A. M. RG. 7, 127. "Löwe-Hellweg,Note5b.
oder
abgelehnte
11 RG. 1, 242. Pitav. d. Gegenw. Bd. 1 S. 106 ff. 12 Diesen Schritt tun Birkmeyer S. 631, Löwe-Hellweg Note 5b, RG. (Rechtspr. 2, 122) nicht mehr mit, wohl aber Beling, B.-B. 526. 11 So weit geht I o h n, Bd. 3 S. 157.
320
Abschn. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
Sachverständige, unverlesbare Schriftstücke, Fall des § 190 StGB, usw.)." Zweite Regel: Beweisanträge derParteien
dürfen vom Gericht nicht ignoriert tocrbcn.16 14 * Sie zwingen das Gericht, entweder den Beweis zu erheben,
oder einen mit Gründen versehenen Ablehnungsbeschluß zu verkünden (StPO. 243 Abs. 2. 34).
Da die Ablehnungs
gründe aber der Beweiswürdigung nicht vorgreifen bürfen,16
und zu spätes Vorbringen nach StPO. 245 Abs. 1 nichts schadet, so sind nur vier Ablehnungsgründe denkbar: 1. weil der Sinn des Antrags,
insbesondere das Beweisthema,
schlechterdings unverständlich ist;17 2. weil die beantragte Beweisaufnahme gesetzlich unzulässig ist; 3. weil das Be
hauptete vom Gericht als bereits 14 Hierher gehört auch Unaussührbarkeit, weil der Zeuge biS zur Bernehmungsunfähigkeit betrunken ist, RG. 35, 398; oder weil er sein Zeugnis verweigert: es ist nicht nötig, daß hier die überhaupt nur fakultative (S. 228) Zwangshast versucht werde, RG. 36, 92. -ß RG. 1, 33f., 1, 36. 16 Unzulässig ist die Ablehnung, „weil das Gericht die Sache für genügend aufgeklärt erachtet", RG. 1, 417; „weil die behauptete außergerichtliche Erklärung gegenüber der eidlichen Aussage unerheblich fei" RG, 24, 404; „weil andere Zeugen positiv das Gegenteil bekunden, und die Bernehmung daher für die Ent scheidung einflußlos fein werde" RG. 1, 189; „weil die Zeugen mitverdächtig und deshalb un glaubwürdig feien" RG. 5, 312.
| | ! | < | | ; I | i i I ' | j
erwiesen
angenommen
Gelegentlich wird in Widerspruch hiermit für zulässig erklärt die Ablehnung, „weil der Anklage beweis derart überzeugend fei, daß er durch das beantragte Zeugnis nicht entkräftet werden könne" RG. 1, 140; „weil der benannte Zeuge als bereits ver urteilter Mitschuldiger ganz un glaubwürdig sein würde" RG. 31,139. Zweifelhaft auchRMilG. 1, 269; richtig darin 1, 32. 2, 107, 3, 45. 2Ö4. 4, 150. 17 Eine gesetzliche Pflicht des Vorsitzenden, aus Erläute rung von Unklarheiten hinzu wirken, CPO. 139, besteht frei lich nicht; aber Beling, B.-B. I 529 Anm. 18 hat völlig recht, wenn er die- als nobile officium jnäicis bezeichnet. Dem entspricht RG. 13, 316 im weitesten Maße vgl. auch RMilG. 3, 45, während RG. 1, 35 f. 27,95.24,422 unge-
Die Beweisaufnahme,
321
g 82
wird; 4. weil sich an der Entscheidung nichts ändert, wenn man das Beweisthema als wahr unterstellt."
Beide erörterte Regeln gelten nicht für die Verhandlungen
vor
Schöffengerichten
und
Drei-Männer-Strafkammern (Berufungsinstanz in Übertretung^ und Privatklagesachen). Nach StPO. 244 Abs. 2 bestimmt hier das Gericht den Umfang der Be weisaufnahme, ohne durch Anträge, Verzichte oder frühere
Beschlüsse gebunden zu sein.
Eine Ausdehnung der Beweisaufnahme über das bezeichnete Minimum hinaus steht dem Gerichte stets frei (StPO. 153 Abs. 2. 220. 243 Abs. 3). J11. Über dieVerlesung von berichtenden Ur-
künden in der Hauptverhandlung s. ob. S. 248 f.
Das
Prinzip ist: Keine Urkund en Verlesung, solange Zeugen für das gleicheBeweisthema zur Ver
fügung stehen!
Dies findet in den beiden Sätzen des
§ 249 einen ungleichen Ausdruck.
Unter den in StPO.
248—255 enthaltenen Ausnahmen'" lassen sich zwei Gruppen scheiden.
A. In einigen Fällen
darf die Verlesung nur auf
Grund eines besonderen Gerichtsbeschlusses stattfinden, rechtfertigte Engherzigkeit in den Anforderungen' an „Substanziierung" der Anträge an den Tag legen, das letzte Urteil überdies gerade den Wahrheits beweis abschneidet, wegen dessen Fehlen Verurteilung nach StGB. 186 eintrat. Bei etwas benigna interpretatio bestanden über den Sinn der Anträge in allen diesen Fällen keinen Zweifel. Ablehnung wegen Unsubstanziiertheit läßt
auch RMilG. 1, 294. 2, 107 sehr rasch zu " Nach allgemeinen Grund sätzen auch, wenn es an einem ernstlichen Willen des Antrag stellers fehlt. Das ist aber ein sehr gefährliches Gebiet, vgl. ob. S. 209 Anm. 4. 19 Natürlich liegt hier niemals ein Gebot vor, den Urkundenbe weis jetzt umgekehrt dem Zeugen beweis vorzuziehen, RG. 35,162.
Rosenfeld, Reichsstrafvrozeß. 2. Aufl.
21
322
Kap. IL
Abschn. I.
Tie Untersuchung.
nämlich roetttt es sich um die Aussagen folgender Personen
handelt: verstorbene s geisteskranker, unermittelter'-" Zeugen, Sachverständiger oder Mitbeschuldigter, bereits verurteilter
Mitschuldiger, wegen vorhandener Erscheinenshindernisse oder vorliegender großer Entfernung kommisserisch vernommener
Zeugen und Sachverständiger, sowie wegen voraussichtlicher Erscheinenshindernisse oder voraussichtlicher
großer Ent
fernung im Vorverfahren unter Wahrung der Parteien öffentlichkeit-' vernommener Zeugen und Sachverständiger,
StPO. 250 Abs. 1 und 2.
dürfen verlesen werden.
Nur gerichtliche Protokolle
Ter Gerichtsbeschluß muß in ber
Hauptverhandlung gefaßt werden und sich darauf stützen, daß die gesetzlichen Gründe zur Abweichung vom Prinzip
der Unmittelbarkeit auch jetzt noch vorliegen; er muß mit
Gründen verkündet, auch muß bemerkt werden, ob die Be vernommenen Personen stattgefunden hat, StPO. 250 Abs. 3. Alles dies ist wesentliche Förmlich
eidigung der
keit, deren Beobachtung das Protokoll ersichtlich niachen muß,
StPO. 273 Abs. 1.
Durch die mittelbare Entgegennahme
der Zeugenaussage bleibt an sich die Anwendung der Bor schriften über Zeugenaussagen unberührt. Soll die ver lesene Aussage benutzbar sein, so muß sie im allgemeinen
beeidigt sein; in den Fällen StPO. 56 darf sie nicht be eidigt sein; ein Zeuge der in StPO. 51 genannten Art muß über sein Weigerungsrecht belehrt sein,'-- bei Beamten
muß nach StPO. 53 die Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde eingeholt sein usw. 80 Die Ermittelung muß ver sucht worden sein, RG. 12,104. RMilG. 3, 181. 81 Davon kann bei der Aus
Hiervon ergibt sich aus
nahmenatur der ganzen Stelle unter keinen Umständen abge sehen worden, RG. 15, 409. 81 RG. 20, 186.
StPO. 250 Abs. 3 S. 2 eine einzige Ausnahme: ist der Zeuge nicht beeidigt und ist eine nochmalige Vernehmung unausführbar, so darf auch die unbeschworene Aussage ver lesen und verwertet werden. Das Gesagte findet auf die Verlesung von Aussagen höchster Staatsbeamter, Bundes ratsmitglieder, Abgeordneter analoge Anwendung, StPO. 49. RG. 26, 253. — B. Bei allen andern berichtenden Urkunden fordert die Verlesung keinen besonderen Gerichtsbeschluß; es genügt mithin die Anordnung des Vorsitzenden oder die Vornahme der Verlesung durch ihn selbst. Hierher gehören: Zeugenund Sachverständigenprotokolle über die Vernehmung suveräner Personen, StPO. 71 Abs. 3, 72; Protokolle über die ver antwortliche Vernehmung des dispensierten Angeklagten, StPO. 231 Abs. 3 S. 2; richterliche Augenscheinsproto kolle, StPO. 248 S. 2 a. E.; Erklärungen von Behörden,^ Arztatteste nach StPO. 255; endlich überhaupt alle in StPO. 248 S. 2 genannten Urkunden und alle sonstigen durch das Beweisverbot in StPO. 249 nicht getroffenen Schriftstücke. In diese Gruppe gehören ferner die nur mit Einschränkung verlesbaren Protokoll t e i l e, StPO. 252 bis 254, nämlich erstens aus richterlichen und nicht-richterlichen Zeugen- und Sachverständigenprotokollen23 24 und zweitens aus 23 MilSlGO. 310 ist strenger, RMilG. 5, 276. 24 Zulässig 1. zum Zweck der Gedächtnisausfrischung eben dieses Zeugen; er selbst muß er klären, sich einer Tatsache nicht mehr zu erinnern; 2. zum Zweck der Klärung oder wenigstens der Konstatierung , eines Wider spruchs , nicht zwischen diesem
Zeugen und andern Personen (RG. 35, 5), sondern zwischen der jetzigen und der früheren Aussage dieses Zeugen; aber auch nur subsidiär: ist ein anderer Weg ohne Unterbrechung der Haupwerhandlung möglich, so muß er eingeschlagen werden; 3. mit obligatorischer Proto kollierung auf Parteiantrag. Zu21*
324
Abschn. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
richterlichen Protokollen über verantwortliche Vernehmung
des Angeklagten.?" Aus dem Zusammenhalte dieser Bestimmungen lassen sich
eine Reihe von Beweisverboten S. 2 (und S. 1) —
ableiten:
oben S. 321;
1. StPO. 249
2. StPO. 251;26 *************
3. Verbot der Verlesung polizeilicher, staatsanwaltlicher und anderer nicht-richterlicher Protokolle ») über Zeugen- und Sachverständigenaussagen, auch in den Fällen des § 250;27 * b) über verantwortliche Vernehmungen,
auch
zur bloßen
Beweisunterstützung nach StPO. 253; c) über Augenscheins
einnahmen, StPO. 248 S. 2, solange nach der allgemeinen Regel des § 249 Zeugen zur Verfügung stehen; 4. Verbot,
Leumundszeugnisse zu verlesen, StPO. 255;2H 5. Verbot,
andere Gutachten zu verlesen, als die öffentlicher Behörden, StPO. 255.29 Soweit Protokolle benutzt werden, müssen sie vorschrifts
mäßig ausgenommen, von wesentlichen 30 Mängeln frei sein
und dem Gericht im Original'" vorliegen. lässig ist aber nur Verlesung, nicht die unkontrollierbare Lektüre durch den Zeugen selbst, a. M. RG. 36, 53. M Zulässig 1. zum Zweck eines Gestttndnisnachweises; 2. zum Zweck der Klärung oder wenig stens der Konstatierung eines Widerspruches zwischen der jetzi gen und der früheren Aussage des Angeklagten; aber nur subsidiär; 3. mit obligatorischer Proto kollierung aus Parieiantrag. 26 Hierüber oben S. 229 § 53 Anm. 10, und besonders Ge ling, Beweisverbote, S. 24 ff. 27 Erlaubt zur bloßen Beweis unterstützung nach StPO. 252.
29 Entgegenstehendes Landes recht ist ungültig, vgl. RG Bd. 36 S. 205. 19 Ein schriftliches Gutachten genügt stets im Vorverfahren. StPO. 82. In der HauptverHandlung muß der Sachverstän dige dagegen mündlich ver nommen werden, auch der Bcweisdolmetscher. Dagegen ver stößt m. E. RG. 36, 371. 30 Unwesentlich wird die Unter schrift der Beteiligten, aber im allgemeinen nicht deren Genehmi gung sein, StPO. 186 Abs. 3. RG. 34, 367. 31 oder in rechtlich gleich stehender Abschrift; nicht ih un-
Die Protokollierung,
g 83
325
Tie sämtlichen hier erörterten Vorschriften hängen mit
dem Grundsatz der Unmittelbarkeit'*' zusammen, sind also vom öffentlichen Interesse diktiert und unterliegen daher nicht dem Verzicht der Parteien?* § 83. Sie Protokollierung.
Kries § 66 V.
Birkm. § 81.
B.-B. § 107 III.
IIUm. § 122.
Hierüber bandeln StPO. 271—274, wozu unser § 33 I S. 139—144 und § 82 III zu vergleichen. Nach GBG. 184 ist auch die Verhängung bestimmter Ordnungsstrafen in das Protokoll auszu nehmen. Das Protokoll kann auch enthalten nach StPO. 254 auf Antrag einer Partei den Bericht über die Verlesung von Pro tokollen zur Beweisunterstützung (StPO. 252, 253) — aus An ordnung des Vorsitzenden Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, GVG. 187, vollständige Niederschreibung von Vorgängen und Äußerungen (StPO. 273 Abs. 3, ob. S. 140; alsdann muß
bemerkt werden, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung ersolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind) — endlich den vollständigen Wortlaut des Urteils mit Gründen (StPO. 275 Abs. 1).
8 84.
E. Das Außenverfahren. Kries $ 65III.
Birtm. § 93III 1. §75 1 2b. B. B. § 119 IV. § 121, S. 526. Ullm. § 104 IW.
Als Außenverfahren läßt sich derjenige Teil des Haupt verfahrens bezeichnen, der sich nicht vor dem erkennenden Gericht, sondern außerhalb vor einem beauftragten oder ersuchten Richter
beglaubigter Abschrift, NG. 34, 48: auch nicht in Uebersetzung, a. M. RG. 36, 371. 82 Sie widersprechen aber der freien Beweglichkeit der Gerichte (Offizialprinzip, des. oben S.
77 s.). Die Praxis zeigt daher fortwährend Ansätze, die lästigen Fesseln abzustreisen. So vielfach auch die Judikatur des RG. 88 RG. 9, 49. 88. 34, 48.
Abschn. I.
326
abspielt.
Kap. II.
Die Untersuchung,
Über den ersteren ob. S. 121, über letzteren (AG. der
Handlungsbereitschast) S. 105, 118, 160. Diese auch sogenannte kommissarische Beweisaufnahme kann stattfinden 1. beim Augen schein nach freiem Ermessen, StPO. 224; 2. bei Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, a) wenn dem Erscheinen in der Hauptverhandlung für längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse ent gegenstehen, StPO. 222 Abs. 1; b) wenn ihr Erscheinen wegen großer Entfernung besonders erschwert ist, StPO. 222 Abs. 2, vgl. RG. 18, 261; c) wenn sie Landesherren oder Mitglieder suveräner Familien sind, StPO. 71; d) wenn sie Minister oder andere Personen des § 49 StPO, sind und es an der Genehmigung zu abweichendem Verfahren fehlt: 3. bei der Vernehmung des An geklagten, wenn er dispensiert (ob. S. 310) wird und noch nicht im Vorverfahren richterlich vernommen ist, StPO. 232 Abs. 2.
Das Außenversahren setzt (mit Ausnahme der Fälle 2c und d stets einen Beschluß des Gerichts voraus, der entweder im Stadium der Vorbereitung der Hauptverhandlung oder in dieser selbst, aus nahmsweise (ob. S. 300, 301 Anm. 5) schon im Zwischenverfahren entsprechend einem Antrag des nach StPO. 199 befragten Angeschuldigten ergeht. Die Termine (außer 2c und d) sind parteienöffentlich, StPO. 223 Abs. 1. 232 Abs. 3; den Parteien geht daher Notifikation zu. Etwas abweichend StPO. 223 Abs. 2, wenn der Angeklagte inhaftiert ist. In den Fällen 1, 2a und b haben Staatsanwalt schaft und Verteidiger ein Anrecht auf Vorlegung des Protokolles, StPO.223Abs.IS.2. —Wegen Verlesung des im Außenversahren hergestellten Protokolles in der Hauptverhandlung, event, nach be sonderem Gerichtsbeschluß s. StPO. 250, ob. S. 248, 321 f.
F. Das Urteil. § 85.
Aegrustand und Voraussetzungen der HtttilgfinSnng. Kries §§ 69. 70 II.
122.
Birkm. § 96 I. II A.
Ullm. 88 Hl. 112.
B.-B. §8 93. 94.
Bind. 88 113. 101.
I. Ist es zum Eröffnungsbeschluß gekommen, so muß
es auch
zur Hauptverhandlung
kommen.
Ist
Gegenstand u. Boraussetzungen der Urteilsfindung,
g 85.
327
solche aus tatsächlichen Gründen unmöglich,* so schläft das Verfahren ohne besonderen Ausspruch stillschweigend ein.2
Denn eine Aushebung des Eröffnungsbeschlusses durch einen anderen Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung ist der
StPO, unbekannt; auch eine „vorläufige Einstellung" durch Beschluß gibt es nur im Zwischenverfahren, StPO. 203.3
Stommt es aber zur Hauptverhandlung, so muß es nach der in StPO. 259 Abs. 1 S. 1 normierten Regelauch
zu einem Urteil kommen.
Gerade um diese Regel
durchführen zu können, schafft das Gesetz in StPO. 259
Abs. 1 S. 2 die Urteile auf „Einstellung des Verfahrens"? Das Urteil braucht also kein Sachurteil zu sein, es kann
ein Formalurteil fein.6
Rur in Fällen, die das Gesetz
1 Nur zwei solche Hemmnisse sind denkbar: 1. Tod des An geklagten: 2. dessen unermittelter Aufenthalt in Fällen, wo seine Anwesenheit unentbehrlich ist. — Geisteskrankheit des Angeklagten hindert die HB. nicht, erst in der HB. kann festgeüelll werden, ob er verhandlungssähig ist oder nicht, ob. S. 167 Anm. 6. — Ebenw muß Termin angesetzt werden, wenn nach Abschluß des Zwischenversahrens das Fehlen des Sirasantrags erkannt wird oder derselbe zurückgenommen wird. 2 Im Fall 1 wird sogleich, im Fall 2 nach Ablaus der Ver jährung Weglegung und spätere Vernichtung der Akten versügt. 3 Ganz anders u. a. LoweHellweg, 5. Abschn., Note 3a und b. Tie Praxis wendet vielfach StPO. 203 analog an. 4 Hierauf legt Beling, I
B. B. $ 93, bes. S. 384 Anm. 18 zu wenig Gewicht 5 Ties verkennt Birkmeyer, S. 665 fr., indem er das Ein stellungsurteil gleichfalls als einen Ausspruch über den staat lichen Lirafanspruch ausfaßt. Trefsend gegen ihn Beling, B-B. S. 396 Anm. 16. 6 Vgl. oben uns. Z 10 I. StPO' 259 Abs. 2 gibt nur ein Beispiel, wenn er den Mangel des Strafantrags behandelt; er wählt gerade dieses Beispiel, um klarzuniachen, daß der Strafan trag nicht Strafanspruchsbe dingung ist. Tas Einstellungs urteil ist also nicht etwa nur bei Mangel des Antrags und allen falls analog der Ermächtigung zulässig, wie B-B. 384 meint; denn das Wörtchen „nur", das Beling so stark betont, steht in $ 259 Abs. 1 S. 2, nicht in § 259 Abs. 2. Eine andere
Abschn. I.
328
Map. II.
Die Untersuchung.
bestimmt, kann der Hauptverhandlungsschluß statt durch Ur teil durch Beschluß erfolgen.
Es ist das außer der Ver
tagung der Hauptverhandlung (StPO. 227. 243) der Fall
des § 270 StPO., vgl. ob. S. 104: das Gericht zu nied riger Ordnung stellt nicht (wie theoretisch folgerichtig wäre) das Verfahren durch Urteil ein, sondern verweist — ein
gesunder praktischer Gedanke — die Sache an das zuständige
Gericht.
Dem Verweisungsbeschlusse
kommen die- Muß
erfordernisse, die Wirkung und die Anfechtbarkeit eines Er öffnungsbeschlusses zu/ 8 II. Der Gegenstand der Urteilsfindung, StPO. 263,
ist die im Eröffnungsbeschluß" bezeichnete Tat, ohne daß
jedoch
die tatsächliche oder die rechtliche Beurteilung in
Frage ist, ob das, was sachlich ein Einsiellungsurteil ist, auch notwendig in die Fassung: „Das Verfahren wird eingestellt" ein zukleiden sei. Ich halte allerdings diese Einkleidung für dasM orrefte. Abweichungen hat die StPO, in §§ 429. 458 selbst bestimmt. — Uebereinstimmend die Praxis deS RG., vgl. z. B. das „Urteil" Bd. 33 S. 11. MilStGO. 314 Abs. 2 hat das Wort „insbe sondere" eingefügt und dadurch die Zweifel beseitigt. ? Verweist das SchG, vor StK. oder SchwG., so ist StPO. 199 an sich nicht gewahrt. Diesem doktrinären Gesichtspunkt trägt die sachlich wertlose Bestimmung L 270 Abs. 4 Rechnung. Der Angeklagte darf danach den S.300 behandelten Antrag d stellen. Ueber denselben entscheidet nicht, wie es normal wäre, das er kennende Gericht in seiner Be
setzung außerhalb der Haupt verhandlung, auch nicht nach der anomalen Vorschrift StPO. 199, 206 Abs. 2 das eröffnende Gericht, sondern in weiterer Steigerung der Anomalität der Borntzende des Gerichts, an welches die Sache verwiesen ist. b Ein einziger Fall ist denk bar, wo die Hauptverhandlung ohne Urteil und ohne Beschluß ihr Ende erfährt: Tod des An geklagten in der Sitzung. Mit diesem Moment entschwindet jede Möglichkeit weiteren Prozedierens. Das Protokoll wird einfach mit dem Vermerk des Todes geschlossen und Weglegung der Akten verfügt. 9 StPO, sagt ungenau „An klage", vgl. dazu RG. 4, 192. Löwe-H.'Rote 1. B.-B S.531: a. M. v. K r i e s, S. 565. MilSt GO. 317 sagt korrekt „Anklage verfügung" vgl. S. 313 Anm. 2.
Gegenstand u. Voraussetzungen der Urteilsfindung.
diesem Beschluß maßgebend ist.
K Sa.
329
Nach dem Ergebnis der
Verhandlung kann sich die Tat in anderem Lichte dar
stellen. (bewahrt bleiben muß aber die Identität des Täters und die Identität der Tat, d. h. es muß sich um
die Beteiligung gerade des Angeklagten gerade an dem im Erösfnungsbeschluß bezeichneten Vorgang handeln?"
Der
Verurteilung aus Grund eines anderen, im Eröffn.-Beschluß nicht zitierten Paragraphen eines Strafgesetzes 11 steht nichts
im Wege.
Nur muß der Angeklagte vor der Urteils
fällung nach StPO. 264 stets auf diese „Veränderung
des rechtlichen Gesichtspunktes"/' mag sie ihm nun zum Vorteil oder zum Nachteil gereichen, durch den Vorsitzenden ausdrücklich hingewiesen werben.13 10 Das Urteil kann also etwa ungenauere Zeit, Orts-, Mo dalität-, Quantität-, Gegen standsangaben durch genauere ersetzen und umgekehrt: es kann den Erfolg genauer, besonders in erleichternder oder erschwe render Richtung spezialisieren oder auch vager beschreiben; der subjektive Tatbestand kann sich anders darstellen, namentlich unter Hinzutritt einer gewissen gesetzlich hervorgehobenen Kennt nis, Absicht, Gesinnung usw.; auch die Körperbewegung kann eine andere werden. Aber es kann nicht zugleich eine andere Körperbewegung und ein ju ristisch anderer Erfolg an Stelle der im Eröffn -Beschl. beschrie benen gesetzt werden. Die Ju dikatur ist reich an Beispielen: RG. 2, 361. 3, 95. 5, 249 (und 33, 388) 8, 135. 9, 161. 344. 420. 14, 78 (und 28, 12). 24,
Nach Er-
370. 30, 11. 33, 11. 33, 405 (über die Grenzen zwischen orbenil. und Sonder Gerichts barkeil). 3v, 275. RMilG. 4,144. ftu weit geht wohl 25, 334 in Annahme der Identität zwischen Mittäterschaft beim Mord und Begünstigung des Mörders. 11 auch eines § aus dem all gemeinen Teil: Vollendung statt Versuch; Fahrlässigkeit statt Vor satz; Anstiftung statt Beihilfe oder Alleintäterschast oder Mit täterjchast: Realkonkurrenz statt fortgesetzter Handlung usw. a.M. B.-B. 533 und (durchaus isoliert) RG. 29, 12. 12 Manche sprechen von Klag änderung, Klagumgestaltung, Klagbesserung. Ueber die zahlreichen Ein zelfragen Löwe-Hellweg, Note 3 b, c, d. 5 a, b. Ist bei Angekl. nicht anwesend, so ent fällt StPO. 264 nicht: RG. 12,
330
Abschn. I.
Kap. II.
Die Urteilsfindung.
messen beschließt das Gericht auch Vertagung (Abs. 4). Ein Recht auf Vertagung hat, außer in der Verhandlung vor
dem SchG, und der 3-Männer-StK. (Abs. 5), der Ange
klagte, wenn er (Abs. 3) unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu her vorgetretene Umstände bestreitet,
welche die Anwendung
eines schwereren Strafgesetzes gegen ihn zulassen oder die
Strafbarkeit erhöhen.
Wenn die Grenzen für die Identität der Tat über schritten sind, kann Aburteilung in dem gleichen Verfahren
nicht erfolgen. Doch gestattet StPO. 266 für Vergehen und Übertretungen ein eigenartiges summarisches Schnell verfahren in Verbindung mit dem ursprünglichen Prozess
iLehrb. § 102).
111. Vor Erlassung eines Sachurteils sind die allge meinen Prozeßvoraussetzungen, soweit sie nicht ihre Rotte
ausgespielt haben," und ferner die spezifischen Sach urteilsvoraussetzungen zu prüfen.
nicht unter die
Letztere fallen
ersteren; ihr Mangel hat die bisherige
Prozedur nicht gehindert er hindert aber die Entscheidung über Existenz oder Nichtexistenz des staatlichen Strafan
spruchs durch Verurteilung oder Freisprechung. Hierher ist zu
rechnen 1. das Vorliegen eines ordnungsmäßigen, d. h. den Mußerfordernissen des § 205 StPO. genügenden, auf
einer entsprechenden Anklage fußenden und nicht' unter Miß
achtung prozessualer Vorschriften 15 zustande
gekommenen
45. 32, 96. 35, 66. - Hinweis i Zuständigkeit wegen StPO. 269. ist auch bei völliger Gleichwertig- i 270, ob. S. 104 und S 328; feit beider rechtlichen Gesichts die örtliche nach StPO. 16. 18. punkte geboten. RG. 36,23.266. ob. S. 116 f. — vgl. auch S. 217. 14 Ausdruck von Beling, 15 Dies ist die einzige Art, B.-B. 382. So die sachliche die Mitwirkung eines judex
Die Urteilssassung.
Eröffnungsbeschlusses;
331
K 8tt.
2. die Prozeßsähigkeit des Ange
klagten; 16 * * *3.* * die spezifische Gerichtsbarkeit des Gerichtes über die betreffende Sache (fcie z. B. nicht vor ein Mili tärgericht gehören darf). Etwas anders liegt es mit der
auch vielfach 17 hierher gezogenen Voraussetzung der An wesenheit aller für die Hauptverhandlung nötigen Personen einschl. vorschriftsmäßiger Gerichtsbesetzung. dieser
Voraussetzung
hindert nicht bloß
Der Mangel
ein
Sachurteil,
sondern auch ein Formalurteil und überhaupt jede Fort führung der Hauptverhandlung: es muß Vertagung ein
treten.
Mithin handelt es sich hier nicht um eine spezifische
Sachurteilsvoraussetzung.
§ 86. vir UrteilsfafiTung. Kries § 70. Birkm. £ 96 II B. B.-B. 95. 96. Uslnt. § 113 111. I V. Bind. £ 89. K roschel, Abfassung der Urteile in Strafsachen, 3. Ausl., 1902.
1. Wird das Urteil nicht mit Gründen vollständig in das Protokoll ausgenommen,' so ist es binnen drei Tagen? als besondere Urkunde zu den Akten zu bringen, StPO.
275 Abs. 1.
Es zerfällt dann in folgende Teile: Kopf,
Tenor, Gründe, Unterschrift.
Ter ü o p f (Rubrum, Ein-
inhalilis beim Eröfsn.-Beschl., die Eröffnung vor Ablauf der Frist des §‘ 199 StPL. und dgl. n. zu rügen: a. M. von Kries, 579. 16 genauer ist zu sagen: bei voraussichtlich unbehebbarerProzeßumähiakeit liegt Mangel einer Sachurteilsvoraussetzung vor, vgl lb. S. 167 Anm. 6. 17 d. Kries, 580 Nr. 2. 4.
Beling, B. B. 385 Nr. 2. 3 u. a. m. 1 Dann bcdars es unter den Gründen zunächst der Unter schrift der Richter und sodann des Protokollabschlusses durch Vorsitzenden und Gerichts schreiben 2 Dienstfrist, S. 214 Anm. 2, deren Verletzung nicht revisibel, RG. 31, 349.
332
Abschn. I.
Kap. II.
Die Untersuchung.
gang) enthält a) Angabe, in wessen Namen das Urteil er
lassen ist;3 4 b) * Bezeichnung der Strafsache nach Namen
des Angeklagten
und inkriminierter Tat; c) Sitzungstag;
d) Namen der Richter, Schöffen, Staatsanwaltschaftsbe
amten und Gerichtsschreiber, SlPL. 275 Abs. 3. II. Der Tenor (Urteilsformel,
entscheidender Teil,
Dezisive) ist der eigentliche, sachlich oder formal entscheidende
Ausspruch des Gerichts, der stets durch Verlesung öffentlich
verkündet wird, StPL. 267. GVG. 174.
Mit Rücksicht
hierauf muß eine möglichst jedermann leicht verständliche Formulierung gewählt werden." III. Die U r t e i l s g r ü n d e 1. eines verurteilenden
Erkenntnisses müssen enthalten (StPL. 266 Abs.
1 — 3)
a) die Angabe der direkt erwiesenen für den Strafanspruch
relevanten6 Tatsachen; b) nur instruktionell die Angabe 3 „Im Namen des Reichs" Geschästs-Ldg. des RG. § 17. „Im Namen des Königs" Preuß. Vers. Art. 86. 4 Zweckmäßig auch die zur Feststellung der Identität erforderlichen Personalien (Vor name, Stand, Wohnort, Ge burtstag und -ort, aber nicht Vorstrafen), so vorgeschrieben in Preußen, Allg Vers, vom 7. Juli 1881 (Just.Min.Bl. S. 152). Diese Angaben sollen nicht in den Tenor kommen, wie in der Praxis öfter geschieht. Daß der Tenor nicht die geeignete Stelle hierfür ist, sagt die Ällg. Vers. v. 10. Jan. 1888 (Just. Min.Bl. S. 10) in Abs. 3 a. E. ausdrücklich. 6 Als korrekt erscheint daher eine Fassung 1. in direkter Rede; 2. mit Trennung des
Schuldigspruches und der Strafsestsepung (oder Straffrei erklärung, StGB. 199. 233); 3. mit Bezeichnung der Straftat möglichst nicht nur nach Paragraphenziffern; 4. mit tunlichster Vermeidung von Fremdwörtern. Z. B.: „Der Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung im Zusammentreffen mit Wider stand gegen die Staatsgewalt schuldig, und wird deshalb'unter Auferlegung der Kosten zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Dagegen ist er der öffentlichen Beleidigung nicht schuldig mit) wird insoweit freigesprochen". 6 Dahin ist auch die Einsicht des StGB. 57, das discernement, zu rechnen; a. M. RG. 36, 112, vgl. jedoch 29, 99. 31, 161.
Die Urteilssassung.
g 86.
333
der Indizien, Hilfstatsachen und Erfahrungssätze, aus denen
auf direkt relevante Tatsachen (ob. S. 220 f.) geschlossen worden
ist; c) die Subsumtion der direkt relevant erachteten Tatsachen unter die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung;7 d) den Ausspruch, ob solche vom Strafgesetz „besonders"
vorgesehenen8 * und in der Verhandlung behaupteten (S.
78 II) Umstände,
welche die Strafbarkeit (oder Rechts
widrigkeit) ausschließen, vermindern oder erhöhen, als fest gestellt erachtet sind, oder ob ihr Nichtvorliegen als fest gestellt erachtet wird;" e) die Bezeichnung aller Straf
gesetze, in der Regel nach §§,10 die auf Strafrahmen, -art und -maß eingewirkt haben, sowohl in der Hauptstrafe, wie in Nebenstrafen; f) nur instruktionell, die Angabe der Straf zumessungsgründe; 11 g) bei Annahme mildernder Umstände
oder bei Versagung solcher trotz Antrages, die Entscheidung
hierüber.
Weitere Begründung ist nicht vorgeschrieben, aber
wünschenswert; natürlich kann sie zur Aushebung des Ur teils führen, wenn sie einen Rechtsirrtum des Gerichts ent hüllt. Übrigens ist StPO. 34 (S. 149II) auch hier in Geltung, soweit StPO. 266 schweigt; mithin, da die Ent
scheidung über einen Bußanspruch, über subsidiäre Haftbar keit Dritter oder über den Kostenanspruch selbständig an
fechtbar ist, so bedarf sie auch der Begründung. — 2. Die Urteilsgründe
eines
freisprechenden
7 RG. 36, 135 (betr. Recht mäßigkeit einer Pfändung, StGB. 137). RMilG. 1, 105. 3, 50. 4, 153. 5, 145. 180. 207. 8 Die mildere Bestrafung der Beihilfe gegenüber der Mit täterschaft ist kein „besonders", sondern ein „allgemein" vorge
Erkenntnisses,
sehener Umstand solcher Art, RG. 20, 351. 9 RMilG. 2, 12. 82. 10 RG. 32, 351. 11 Daher ist gleichgültig die Uebergehung des Antrags auf Anrechnung der Untersuchungs haft, RG. 35, 234.
Abschn. I.
334
Kap. II.
Die Untersuchung.
StPO. 266 Abs. 4, können bedeutend kürzer gefaßt werden. Sie müssen nur ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt,
oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen ange
nommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. —
3. Die Urteilsgründe eines einstellenden Erkenntnisses oder einer sonstigen Formalentscheidung richten sich nur nach den allgemeinen Regeln (StPO. 34, ob. 3. 149 f.)
IV. Die Unterschriften aller mitwirkenden Richter (außer den Schöffen) sind erforderlich, StPO. 275 Abs. 2?" Statt eines verhinderten unterzeichnet der Vorsitzende unter
Angabe des Verhinderungsgrundes.
Statt des verhinderten
Vorsitzenden unterzeichnet der älteste Beisitzer.
Auch mehrere
Es genügt demnach im Notfall
können verhindert sein. eine Unterschrift.
§ 87. Vie Rechtskraft -es Urteils. Kries $ 71.
Birkm. § 97. B.-B. § 98. Bind. § 125.
Ullm. $ 147 I—III.
I. Wir nennen ein Urteil formell rechtskräftig, wenn es
durch Rechtsmittel nicht angreifbar ist. dann teytrety1
beendet.
Der Prozeß ist
Der Rechtskraft kommt aber
noch eine weitergehende Wirkung auf künftige, erst anzu strengende Prozesse zu.
Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor,
so dürfen die Parteien über das Entschiedene keine aber
malige Verhandlung und Entscheidung verlangen. reden wir von materieller Rechtskraft.
14 Blanko-Unterschrift ist nach der ratio legis (Löwe-Hellweg g 275 Note 4 b) anstatthaft, a. M. NMilG. 5, 180. .
Hier
Dieselbe
: 1 bis aus die außerordent! lichen Behelfe der Wiederaus I nähme und der Wiedereinsetzung, |
Die Rechtskraft des Urteils.
§ 87.
335
Strafsache — individualisiert durch die Person des Be schuldigten und die ihm zur Last gelegte Tat (StPO. 263)
— darf nicht nochmals Gegenstand eines Strafprozesses Erkennt das Gericht,2 daß bereits
werden: ne bis in idem.
res iudicata vorliegt, so ist dem weiteren Prozedieren ein Riegel vorgeschoben und es ist auf Einstellung des Ver fahrens zu erkennen.
Diese Kraft kommt dem verurteilenden,
wie dem freisprechenden Erkenntnis in gleicher Weise und
in vollem Umfang zu.
Sie eignet aber auch dem Ein
stellungsurteil mit folgender Maßgabe: wurde eingestellt, weil die Prozeßvoraussetzung X fehlte, so kann ein neuer
Prozeß, sobald X hinterher eintritt, wegen der gleichen
Tat gegen den gleichen Täter insoweit angestrengt werden,
als das Fehlen von X bisher der sachlichen Aburteilung entgegenstand?
II. Die materielle Rechtskraft kommt nur dem aus-
2 Einen besonderen „Ein wand", wie vielfach, auch vom RG. gesagt wird, braucht der Beschuldigte nicht zu machen. Ob res judicata vorliegt, ist auch in der Revisionsinstanz zu beachten, RG. 18, 272. 30, 341. 35, 368. 3 Jemand ist aus StGB. 226 angeklagt. Es ergibt sich, das; zwischen der Tat und dem Tode kein Kausalzusammenhang besteht. Strafantrag wegen ein facher Körperverletzung ist nicht gestellt, das Urteil lautet aus Einstellung des Verfahrens. Damit ist "auch eine neue Verng aus StGB. 223 a aus osten, denn das Fehlen deS Strafantrages stand
a
sachlichen Aburteilung iusoweit nicht entgegen. So RG. 7, 355. a. Ät. v. Kries 602. — Ebenso ergäbe sich: Wird jemand aus StGB. 236 angeklagt, heiratet er während des Prozesses die Entführte, und erfolgt nun wegen StGB. 238 Einstellung des Verfahrens durch Urteil, so kann eine neue An klage nur nach Nichtigerklärung der Ehe und nur aus StGB. 236 erfolgen; nicht etwa aus StGB. 240. 241.223 oder etwa wegen Notzuchtsversuches — denn nach allen diesen Rich tungen stand die spätere Ehe schließung einer sachlichen Ab urteilung im ersten Prozeß der nicht entgegen.
336
Abschn. I.
Die Untersuchung,
Kap. II.
drücklich vom Willen getragenen4 Ausspruch 5 eines Straf gerichts 6 zu.
Sie bezieht sich auf den ganzen Umfang des
Prozeßgegenstandes/ wie er bei Kenntnis aller einschlägigen Tatsachen7 8 im Augenblick der Urteilsfällung hätte gewürdigt
werden können.
Wer wegen unbefugten Schießens nach
StGB. 367 Z. 8 oder 368 Z. 7 verurteilt oder auch frei-
gesprochen wird, ist gegen Verfolgung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung, auch wegen Mordes,
desgl.
wegen
Sachbeschädigung,
4 Schreib- oder Fassungssehler erwachsen nicht in Rechtskraft, RG. 13, 267. 8 Keine Rechtskraft, soweit versehentlich die Aburteilung unterblieb, RG. 19, 227. 6 Nicht durch Aburteilung im Disziplinarwege. Doch greift nach § 3 EG. z. MilStGB. Ahndung im Disziplinarwege und gerichtliche Strafverfolgung ineinander über. Daher mutz in diesem Verhältnis der Satz rne bis in idem“ gelten; so MilStGO. 157 Abs. 1. 251 ttnd schon vorher RG. 21, 1. Anders, wenn der Disziplinar weg gesetzlich unzulässig war. Ein Unteroffizier hatte sich gegen MilStGB. 122 (Stoßen und Schlagen Untergebener) ver gangen. Sein Hauptmann hatte diese Tat ungesetzlicherweise im Disziplinarwege durch einen Verweis geahndet. Später wurde der Unteroffizier vom LG. Prenzlau nach MilSlGB. 122 verurteilt. Er berief sich auf res judicata. Das RG. 21, 1 verwarf seine Revision.
i | | | | ji
II
Brandstiftung,
7 Einziehung, Nebenstrafen usw. B.-B. 412. 8 Die Einheit der Tat ent scheidet (bedenklich daher RG. 33, 46). Sind fortgesetztes Ver brechen und Kollektivdelikt mit der HM. als einheitliche Verbrechen anzusehen, so ist das am 1. Lkt. 1901 aburteilende Gericht in der Lage, alle Einrelhandlungen bis zu diesem Tage mit abzuurteilen. Bor dem 1. Oktober 1901 liegende Einzelhandlungen können dann, auch wenn sie bei der Urteils fällung völlig unbekannt waren, nicht zum Gegenstand einer neuen Anklage gemacht werden. RG. 7, 229 '(Kuppelei). 26, 299 (Glücksspiel). 36, 42 (unlauterer Wettbewerb durch fortgesetztes Annoncieren). RMilG. 5, 177 (falsche dienstliche Meldung durch Ueberreichung einer fortgesetzt falsch geführten Schießkladde). a. M. v. Kries 599. Anders, wenn Fassung eines neuen Vor satzes und somit Nicht-Identität der Tat ausdrücklich sestgesteüt wird, RG. 35, 1.
Die Rechtskraft des Urteils.
Jagdvergehens usw. gesichert?
lässiger Begehung deckt gegen
ebenso Aburteilung
% 87.
337
Aburteilung wegen fahr Anklagen wegen Vorsatzes,
wegen Versuchs gegeu Anklage wegen
Vollendung, und umgekehrt.
1IJ. In Rechtskraft erwächst der Urteilsausspruch,
nicht die Urteilselemente (oder, was sich decken wird, der Tenor, nicht die Gründe).
meistens
damit
Daraus folgt,
daß die Rechtskraft inhaltlich widersprechende Urteile nicht
hindert? o
Es ist möglich, daß wegen Begehung einer Tat,
die nur Einer verübt haben kann, erst der A und später
der B verurteilt werden. JV. Die Rechtskraft kommt auch den Entscheidungen der Sondergerichte11 9 10und denen in besonderen Verfahrens
arten zu.
Sie ist auch dem amtsrichterlichen Strafbefehl
nicht abzusprechen, StPO. 450; wohl dagegen den Straf
verfügungen der Polizei und den Strafbescheiden der Ver waltungsbehörden?- Die hier erörterten Wirkungen kommen
9 Tie eadem res muß nach allen ideell konkurrierenden Ge sichtspunkten erschöpft sein, RMilG. 4, 230. 243. 289. 2, 142. 3, 53. 166. 229. Auch wenn fälschlich sreigejprochen, statt eingestellt ist, entstellt ab solute Rechtskraft, RG. 35, 368 (371 f.). 10 A hat im August 1900 das Buch „Geheimnisse einer Brautnacht" seilgehalten. Aus StGB. 184 Z. 1 angeklagt, wird er im £ stöber rechtskräftig freigesprochen, da das Buch nicht unzüchtig sei. Er hält das Buch im November wiederum seil. Aufs neue angeklagt, kann er verurteilt werden; die Be-
gründung, das Buch sei nicht unzüchtig, erwächst nicht in Rechtskraft. 11 oben S. 48 f. — Auslän dische Urteile werden nur inso weit zu beachten sein, als das deutsche Recht dies vorschreibt: StGB. 4 Z. 3, 5 Z. 1, 7, 37. 12 a. M. hinsichtlich der Straf befehle RG. 4, 243. 9, 32. 14, 358.15, 112, soweit ein anderer juristischer Gesichtspunkt auf tauche. Als Grund gibt RG. an, der AR. sei nicht in der Lage, die Tat nach allen Rich tungen hin so zu prüfen, wie es nach StPO. 263 in der Haupt verhandlung zu geschehen habe. Das ist falsch: der AR. hat die 22 Rosenfeld, Reichsstrafprozeß. 2. Ausl.
Abschn. I.
338
Die Rechtssätze.
Kap. UI.
ferner dem Nicht-Eröffnungs-Beschluß zu, sofern er sach
lich einem freisprechenden Urteil gleichsteht.
Drittes Kapitel.
Die Rechtsbehelfe.
§ 88.
Allgemeine Sähe. Kries § 74. Birkm. § 98. B.-B. §§ 104. 105. Ullm. §§ 140. 141. Bind. §§ 115. 120. v. Kries, Rechtsmittel des Civ.-und des Str.-Proz. Brest. 1880.
I. Unter dem Ausdruck „Rechtsbehelfe" fasse ich die Rechtsmittel, die Wiederaufnahme des Verfahrens und die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zusammen.
Als
Rechtsmittel bezeichnet die StPO. Berufung, Revision
und Beschwerde.
Dem Begriffe nach
sind Rechtsmittel
solche Prozeßhandlungen, die die Parteien vornehmen, um die Abänderung einer nachteiligen noch nicht rechtskräftigen**
richterlichen
Entscheidungauf dem Wege der Nach
prüfung^ durch einen höheren Richterle (Devolutiveffekt)
Möglichkeit und die Pflicht solcher allseitiaen Prüfung, StPO. 448. So folgt aus dem Ausgangs punkt deS RG. gerade die gegen teilige Entscheidung. Ebenso Beling, B.-B. 424 und mit anderen Gründen v. Kries, 596 f., sowie überhaupt die HM. — Hinsichtlich der Strafver fügungen und Strafbefehle a. M.
v. Kries 597, Birkmeyer 775, 781, und teilweise, nämlich soweit der gleiche rechtliche Ge sichtspunkt in Betracht kommt, RG. 34, 165. — Die prozessu alen Vorschriften des § 10 preuß. G. v. 23. April 1883 sönnen nur z. T. für gültig erachtet werden. 1 Daher fallen nicht unter
Allgemeine Sätze,
g 88.
339
herbeizuführen. Die angefochtene Entscheidung muß den rechtlichen Interessen der Partei nachteilig sein; Voraus setzung jedes Rechtsmittels ist das Vorliegen einer Be schwer, eines gravamen.2 Für die Rechtsmittel gelten diesen Begriff a) Wiederaufnahme SIPO. 399. 402, nachträgliche Festsetzung einer hilssweisen Freiheits-, einer Gesamtstrafe StPO. 491. 492.494; b) Antrag aus gerichtliche Entscheidung gegen Strafverfügung StPO. 454, gegen Strafbescheid StPO. 460, gegen ablehnenden Bescheid des StAnw. StPO. 170; c) Wiedereinsetzung StPO. 44, weil gegen Fristversäumung gerichtet; d) Wiedereinsetzung, StPO. 44, da zu der etnm ergangenen Entscheidung in der neuen Verhandlung und Entscheidung gar keine Stellung ge nommen wird; e) Einspruch StPO. 449, Einwand StPO. 179, Wiederaufnahme, Wiedereinsetzung. Dagegen weist der Antrag auf Entscheidung des Berusungs- bezw. Revisionsgerichtes StPO. 360 Abs. 2. 386 Abs. 2 alle obigen Merkmale eines Rechtsmittels auf. 2 Keine Beschwer, wenn das sreisprechende Urteil aus eine in den StProz. hineinspielende Besitzstörungssrage gegen den An trag des Angeklagten nicht einaeht, RG. 4, 355. Keine Be schwer des Angeklagten, wenn er sreigesprochen statt verurteilt ist, oder wenn er strengere Strafe wünscht, Löwe-Hellweg, Komm. § 338 Note 2 b. Kries 637. Kries, Rechtsmittel, 49. B.-B. 441. Keine Beschwer,
wenn mangels Strafantrages ■ Einstellung nach StPO. 259 1 Abs. 2 und nicht Freisprechung ; erfolgt, Kries, Rechtsm. 50. UUm. 584. Bind. S. 238, VI, 3; a. M. gelegentlich RG. 4, 358. Ueberhaupt niemals über Einstellung, wenn der Ange klagte Freisprechung begehrt, Ullm. 584; a. M. folgerichtig Birkm. 694; da er ja die Ein • stellung als eine andere Art der j Verneinung des Strafanspruchs \ auffatzt; anscheinend auch Löwe• Hellwega. O. B.-B. 414 Anm. I 27. Keine Beschwer, wenn man , nur wegen tätiger Reue (StGB. ! 163.310) freigesprochen ist, a. M. Bind., Kries, Ullm., Oetker; oder j wenn man nur wegen Verjäh rung freigesprochen ist, a. M. ; Kries, Rechtsm., Ullm., RG. 4, ! 358 (gelegentlich). Ueberhaupt im allgemeinen keine Beschwer, j um nur eine Abänderung der Gründe ohne Aenderung der ! Entscheidung zu erzielen; kein i Rechtsmittel des mangels Be weises Freigesprochenen, um für unschuldig oder doch unverdächtig erklärt zu werden, so v. Schwarze, Holtzend. Handb. II 250. Geyer, Lehrb. 792. Keller, Komm. § 338 N. 5. Löwe-Hellweg, Komm. 338 9t. 2b. 9?®. 13,324. Bennecke 718. Bind. S. 237 VI1. B.-B. 442. Darin keine Aenderung durch § 1 G. betr. Entschäd. 22*
340
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
eine Reihe allgemeiner Sätze (StPO. 338—345, unten II), die aber
nach StPO. 405
Wiederaufnahme,
auch
auf den
den man daher als
Antrag auf
außerordentliches
Rechtsmittel bezeichnen darf, Anwendung finden.
Daneben
stehen aber die Behelfe der Berufung und der Revision in
engerer Beziehung und eine Reihe gemeinsamer Sätze (unter
III) bringt sie einander besonders nahe. II. Gemeinsame Sätze für Beschwerde, Be
rufung, Revision und Wiederaufnahme. 1. Die Befugnis zur Einlegung der Rechtsbehelfe, das
Rechtsmittelrecht,
steht der Staatsanwaltschaft und
dem Beschuldigten zu, StPO. 338 Abs. 1; natürlich aber
auch denen, die, wenn auch nicht in der eigentlichen Straf
sache, vice actoris (Privatkläger, Verwaltungsbehörde, NebenAnkläger, Bußkläger) oder vice rei (Einziehungsbetroffene,
subsidiär
Haftende,
Der
Kostenpflichtige)
stehen
(S.
166,
in
Ver
168 f.,
204 f ).
kennung
ihrer Parteistellung8 die Befugnis eingeräumt,
Staatsanwaltschaft
ist
auch zu Gunsten des Beschuldigten Rechtsmittel
zu
er
greifen, StPO. 338 Abs. 2.
Ein gleiches selbständiges
Rechtsmittelrecht haben der
gesetzliche Vertreter und der
Ehemann, StPO. 340; nur an die Frist, die für den Be-
der im Wiederaufn. Freigespr., da das Unterbleiben des Entschädiaungsbeschlusses die einziae praktische Folge und diese selb ständig anfechtbar. — DageAen Beschwer, wenn Strassrelerklärung statt Freisprechung; wenn Ueberweisung in eine Erziehungs oder Besserungsanstalt nach StGB. 56 Abs. 2. verhängt ist, RG. 7, 180.
I 8 S. 169. Daher nicht über I den Wortlaut auszudehnen. Keine i gleiche Befugnis des Privatj klägerS und des Neben-An klägers, S. 183 Anm. 4, S. 189. Keine Einlegung zu Gunsten an derer Personen, als des Be schuldigten, a. M. RG. 7, 410. i Kries *637.
Allgemeine Sätze,
tz 88.
341
schuldigten läuft, sind auch sie gebunden, außer dem gesetz lichen Vertreter im Falle StPO. 268 (Überweisung des
Jugendlichen in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt,
StGB. 56 Abs. 2).
Abhängig ist dagegen das Rechts
mittelrecht des Verteidigers,
StPO. 339,
ob. S.
Wegen Angehöriger vgl. StPO. 322. 324. 401
203.
Abs. 2,
ob. 5. 169 Anm. 12, S. 171 Anm. 14.
2. Die Form der Einlegung ist zu Protokoll oder
schriftlich, StPO. 348 Abs. 1. 355 Abs. 1. 381 Abs. 1; die schriftliche Einlegung ist für die Revisionsanträge4 5und
den Antrag auf Wiederaufnahme erschwert durch das Er fordernis der Unterzeichnung durch den Verteidiger oder einen Rechtsanwalt (StPO. 385 Abs. 2. 406 Abs. 2).
3. Eine Erleichterung der Einlegung besteht für den Inhaftierten, StPO. 341 MilStGO. 369 Abs. 3 und 4
bezüglich des Ortes und der Wahrung der Frist. 4. Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich, StPO. 342?
5. Die Zurücknahme ist stets zulässig und tritt in 4 Weit humaner MilStGO. 404. 5 Falsa demonstratio nun nocet. Aber falsche Form schadet! Legt jemand gegen ein SchwGUrt. die Beschwerde ein, so ist sie gültig, wenn es in Revisionssorm (Rechtfertigung zu Protokoll) geschieht: ungültig, wenn es in Beschwerdeform (privatschristliche Rechtfertigung) geschieht. Dafür, welches Rechts mittel zu ergreifen, ist die äußere Form der Entscheidung maß gebend, RG. 23, 156 (statt Be schluß aus StPO. 270 war Ur
teil des LG. ergangen, Revision zulässig): 32, 92 (statt Einstellungsurteil, weil der Ange klagte der Austrägalgerichtsbar feit, unterfiel, erging Beschluß, gegen den Beschwerde ergriffen wurde; die später ergriffene Re vision war unzulässig), vgl. auch RMilG. 3, 268 und dazu Beling, Ztsch. f. StRWiss. Bd. 24, S. 272. Im allgemeinen entgegengesetzt ist die Judikatur des RG. in Civilsachen, vgl. Gaupp-Stein, Komm. z. CPO. Bd. II 2 ff.
342
Abschn. I.
Die Rechtsbehelse.
Kap. III.
Wirksamkeit, sobald die Erklärung dem Gericht zugeht.
Soweit eine Frist für die Einlegung besteht,
kann die
Zurücknahme auch schon vor Fristablauf wirksam erfolgen,
StPO. 344 S. I.
Der Verteidiger darf, da er kein selb
ständiges Rechtsmittelrecht hat, auch nicht selbständig zurück nehmen/ sondern bedarf dazu einer ausdrücklichen Er mächtigung^ StPO. 344 Abs. 2.
Die Personen des § 340
dürfen dagegen die Rechtsbehelfe, wie selbständig einlegen, so auch selbständig zurücknehmen?
Abweichend ist das
anomale Rechtsmittelrecht der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Beschuldigten ausgestaltet: ohne seine Zustimmung können
die Rechtsbehelse nicht zurückgenommen werden : StPO. 344 Abs. 1 S. 2.
Im übrigen nimmt auch die Staatsanwalt
schaft des Rechtsmittelgerichtes
Einlegung wirksam zurück?
die staatsanwaltschaftliche
Zur Zurücknahme genügt der
Regel nach einseitige Erklärung.
Hat aber die etwaige
Hauptverhandlung bereits begonnen, so ist Zustimmung des Gegners erforderlich, StPO. 345. — Neben der Zurück nahme kennt StPO. 344 auch den Verzicht auf ein noch nicht eingelegtes Rechtsmittel.
Diese Bestimmung bezieht
sich nicht auf die Wiederaufnahme. 6. Suspensiveffekt kommt unbedingt nur der Be rufung und der Revision zu, StPO. 357. 383; der Be
schwerde und Wiederaufnahme dagegen nur fakultativ, StPO. 6 Der Beschuldigte kann aber das Dom Verteidiger eingelegte RMittel seinerseits selbständig zurücknehmen. 7 Die m. E. erst nach der Einlegung erteilt werden kann, a. M. Löwe-Hellweg, § 344 Note 9. RG. 24, 142. * a. M. Löwe-Hellweg,
a. O. Note 8. Bind. 239. Eigen tümliche Unterscheidung in RG. 28, 385. 9 wegen der Einheitlichkeit der StAnwschaft, ob. S. 175. Da her kann die Reichsanwaltschaft dies nicht tun, a. M. Puchelt, v. Kries, Ullmann,Jsenbart, Binding, Oetker.
Allgemeine Sätze.
§ 88.
343
349. 400, und auch dieser ist in den Beschwerdefällen der
§§ 360 Abs. 2 a. E., 386 Abs. 2 a. E. ausgeschlossen. 7. Das Gericht, welches über den Rechtsbehelf ent scheidet, ist entsprechend dem Prinzip der materiellen Wahrheit (uns. § 21) durch StPO. 343 sreigestellt:
jedes Rechtsmittel zu Ungunsten des Beschuldigten hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des Beschuldigten abgeändert oder ausgehoben werden kann.
8. Für den umgekehrten Fall gilt nicht das gleiche, sondern es ist prinzipwidrig ein Berbot der refor matio in pejus aufgestellt.
Ist eine Berufung, Revision
oder Wiederaufnahme zu Gunsten des Beschuldigten er griffen worden, so darf das neue Urteil keine härtere Strafe
als das frühere verhängen10: StPO. 372. 398 Abs. 2,
113 Abs. 2.
Dieser anomale Satz darf nicht ausdehnend
interpretiert werden.
Sonach darf das neue Urteil die Tat
des Angeklagten schwerer qualifizieren, und es darf bei
Realkonkurrenz trotz
teilweiser Freisprechung
die frühere
Für die Beschwerde gilt das
Gesamtstrafe beibehalten.11
Berbot nicht.
10 So die korrektere Formn lierung in §§ 398. 413. Ter erst von derReickstagskommission eingesügte § 372 hat einen irre führenden Wortlaut, der in MilStGO. 396 verbessert worden ist, vgl. RMilG. Bd. 1 S. 46. Unrichtig über die Entstehungs geschichte B.-B. 592 Anm. 17. 11 So die HM. Tie einzel nen Einsatzstrafen dürfen aber natürlich nicht höher als früher bemessen werden, RG. 26, 167. Abweichend vom Text u. a.
| I I |
Ullm. 599 (nur für die Be rufung) , Bind. 248 f., sowie neuerdings B.-B. 443f.— Nimmt die erste Instanz StGB. 246, die zweite StGB. 242 an, so muß es bei der erkannten Geldstrase ver bleiben. So erklären sich die Verhängungen von Geldstrafen wegen Diebstahls und schweren Diebstahls, welche die Reichskriminalstatistik jährlich aufweist; desgl. Verweis wegen schweren Diebstahls.
344
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
III. Gemeinsame Sätze für Berufung und
Revision.
1. Für sie gilt eine Frist von einer Woche, die von
der Verkündung des Urteils an läuft.
War der Ange
klagte (und im Falle des § 268 StPO, der gesetzliche Ver treter) bei der Verkündung nicht anwesend, so beginnt für
ihn die Frist mit der Zustellung, StPO. 355. 381.
In
diesem Fall steht möglicherweise auch die Wiedereinsetzung gegen das Urteil offen (unt. § 94).
Dann sind beide
Behelfe zu verbinden; Berufung und Revision, für die die Frist sogleich beginnt,
können bedingt eingelegt werden,
StPO. 356. 382.
2. Sie können nur beim Gericht der Borinstanz, beim judex a quo eingelegt werden, StPO. 355 Abs. 1. 381
Abs. 1. 3. War dem Beschwerdeführer bisher das Urteil mit
Gründen noch nicht zugestellt, so hat das nun sofort zn
geschehen, StPO. 357 Abs. 2. 383 Abs. 2. 4. Vom Fristende ab oder von der Zustellung (Nr. 3) ab läuft eine weitere Frist von 1 Woche für Rechts
mittelanträge.
Solche Rechtfertigung und Begründung
„kann" für die Berufung erfolgen, für die Revision „hat"
sie bei Verlust des Rechtsmittels zu erfolgen, StPO. 358. 384. 385.
5. Verspätete Berufung und Revision, nicht gerecht fertigte oder nicht rechtzeitig oder nicht formgerecht gerecht fertigte Revision 12 wird vom judex a quo durch Beschluß 12 Nur in diesen Fällen ist das Verfahren statthaft, Löwe Hellweg, Komm. § 360 N. 2. § 386 N. 1. Unrichtig die Praxis, soweit sie dazu neigt,
j | i ' 1
ein trotz voraufgegangenen Ver richtes eingelegtes Rechtsmittel durch den judex a quo verwerfen zu lassen.
Allgemeine Sätze.
H 88.
als unzulässig verworfen, StPO. 360. 368.
345
Gegen
diesen Beschluß gibt es als Rechtsbehelf einen Antrag auf Entscheidung des höheren Richters, des judex ad quem,
StPO. 360 Abs. 2, 386 Abs. 2.
Dieser Rechtsbehelf stellt
sich als Beschwerde dar, wenn auch das Gesetz diesen Namen nicht gebraucht.
Doch hat diese Beschwerde folgende Eigen
tümlichkeiten: a) sie ist an die Frist von einer Woche ge
bunden, ohne daß sie aber sofortige Beschwerde ist; b) der judex a quo darf seinen Beschluß nicht zurücknehmen;13 14
c) der Suspensiveffekt tritt auch nicht fakultativ ein; d) es ist weitere Beschwerde als einfache Beschwerde zulässig."
6. Ist kein Anlaß, nach Nr. 5 vorzugehen, so findet
nunmehr zur Wahrung gleicher Parteirechte Mitteilung an den Gegner statt, und zwar geschieht die Zustellung
an den Angeklagten bei der Berufung durch die Staats anwaltschaft, im übrigen durch den Gerichtsschreiber, StPO.
361. 387. Dann'''' erfolgt die Aktenübersendung von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft und die Über gabe an den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts, StPO.
362. 387 Abs. 2. 7. Das Rechtsmittelgericht kann das Rechtsmittel
durch Beschluß als unzulässig verwerfen, StPO. 363. 389. Der Beschluß des Berufungsgerichts ist durch sofortige Be schwerde anfechtbar, StPO. 363 Abs. 2. 13 a. M. v. Kries, Ullmann u. a. 14 bestritten, Löwe-Hellweg, Komm. § 360 N. Vielfach' wird StPO. 363 Abs. 2 auch aus diesen Fall bezogen und sofortige Beschwerde gegeben, so auch von B i r k m e y e r und B e l i n g. — Die Ent-
( ; 1 , |
scheidung des Revisionsgerichtes ist stets unanfechtbar, StPO. 346 Abs. 3 15 Bei der Revision ist noch 1 Woche Frist für eine „Gegenerklärung" vorgesehen, StPO, 387. Doch ist solche für die Revision nicht vorgeschrieben und für die Berufung nicht verboten.
346
Abschn. I.
Die RechtSbehelse.
Kap. III.
8. Die Tätigkeit des Rechtsmittelgerichts ist auf den Umfang begrenzt, in dem das Urteil des Vorgerichts an
gefochten wird, StPO. 368. 392.
Im übrigen erwächst
das Urteil des Vorgerichts demnach in Rechtskraft." 9. Ist Nr. 7 nicht gegeben, so muß stets Urteil des Rechtsmittelgerichts ergehen, StPO. 363 S. 2, 389 Abs. 2. Im ungünstigen Falle wird das Rechtsmittel als unbe
gründet verworfen (oder zurückgewiesen).
Im günstigen16 17
Falle lautet das Urteil stets auf Aufhebung des Vorder urteils,
und
es enthält ferner
das Berufungsurteil
regelmäßig eine Entscheidung in der Sache, ausnahmsweise
eine Zurückverweisung in die Vorinstanz; das Revisions urteil regelmäßig eine Zurückverweisung in die Vorinstanz,
ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache.
StPO.
369. 393—395, näheres unten.
8 89.
Nie Beschwerde. Kries § 77.
Birkm. § 101. B.-B. § 106. Bind. § 123.
Hörn. 8 146.
I. Die Beschwerde ist das Rechtsmittel gegen andere Entscheidungen, als Urteile, um deren Nachprüfung in tat-
16 Greist z. B. der Angell, nur das Strafmaß mit der Be rufung an, so kann demnach in der Schuldfrage nichts mehr ge ändert werden, selbst wenn die Berufungsverhandlung die lln schuld des Angekl. ergibt. Vgl. Löwe-Hellweg, Komm §368 N. 2. B.-B. 8 1*04 IV; a. M. v. Kries, Rechtsm. S. 97, 160 ff. Lehrb. S. 658 ff. Vgl.
; | ■ | ' I
zu der Frage noch RMilG. 1, 162. 241. 2o8. 2, 136 u. unten S. 350 Note 2. 17 Es ist nur ein „Entweder — Oder" denkbar, RMilG. 4, 274. Das OKriegsGer. hatte erkannt: „Die Berufung wird verworfen, das Urteil wird auf gehoben. Das Verfahren wird eingestellt."
Die Beschwerde.
§ 89.
sächlicher wie rechtlicher Hinsicht herbeizuführen.
347 Sie richtet
sich also, StPO. 346, gegen die Beschlüsse des erstinstanz
lichen oder des Berufungsgerichts und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des UR., des AR., des beauftragten 1 2und 3**
des ersuchten Richters.
Sie hat nur fakultativen Suspen
siveffekt.- — Sie ist ferner das Rechtsmittel für Betroffene
(StPO. 346 Abs. 2, oben S. 172). Ausgeschlossen" ist die Beschwerde, a) soweit das
Gesetz Entscheidungen ausdrücklich der Anfechtung entzieht,* StPO. 346 Abs. 1; b) gegen Entscheidungen des CS®.6
und des RG., StPO. 346 Abs. 3; c) gegen Beschlüsse des erkennenden Gerichts (ob. S. 121) und gegen Verfügungen
des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts," soweit diese
1 oben S. 121 Anm. 3; vgl. auch Bind. S. 266. 2 StPO. 349. Abweichungen: a) stets aufschiebende Wirkung nach StPO. 81 Abs. 2 (Unter bringung in Irrenanstalt), GVG. 183 Abs. 2 (gegen Ordnungs strafen wegen Ungebühr, die außerhalb der Sitzung oder gegen Anwälte verhängt werden); b) n i e aufschiebende Wirkung nach GVG. 179 (gegen sonstige lln gebührstrasen), StPO. 123 (gegen Aufhebung des Haftbefehls), StPO. 360 Abs. 2, 386 Abs. 2 (oben S. 345 oben). 3 Soweit die Beschwerde nicht ausdrücklich ausgeschlossen, ist sie zulässig. Gerade umge kehrt die „Rechtsbeschwerde" nach MilStGO. 373 und die Be schwerde in Civilsachen CPO. 567. 1 GVG. 75 Abs. 2 (Ueber Weisung an SchG). StPO. 28 (Zulassung einer Ablehnung), 46
Abs. 2 (Gewährung der Wieder einsetzung), 200 (Aufklärung vor Eröffn.),GVG. 94 Abs. 1, StPO. 279 Abs. 2 (Ausscheiden von Geschworenen, S. 134, 4Bc> 5 A b), StPO. 388 (Unzuständigkeitserkl. des angegangenen Revis. Ger.), G. vom 20. Mai 1898 § 4 (Verpfl. der Staats kasse zur Entschäd. des im Wiederaufn.-Vers. Freigesproche nen), G. vom 14. Juli 1904 H 4 (desgl. bez. des unschuldig Verhafteten). Teilweise oder einseitige Unanfechtbark.: StPO. 180 (Eröffn, der VU., S. 293 ff.), 199 Abs. 3 (Beschl. über Gegenerkl. des Angesch.), 209. 270 (Eröffn. Beschl ). 5 Einzige Ausnahme GVG. 160, ob. S. 161. 6 auch außerhalb der Haupt verhandlung. Sehr bestritten, vgl. Löwe-Hellweg, Komm. § 347 N. 2
348
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelse
Entscheidungen der Urteilsfällung vorausgehen/ StPO. 347 S. 1; d) gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts,
352.
StPO.
Die einzige Ausnahme, in welcher die von
der StPO. 352 selbst so genannte
„weitere Beschwerde",
vgl. auch CPO. 568 Abs. 4, zulässig ist, bilden die Be schlüsse
und Verfügungen,
welche Verhaftungen be
treffen, StPO. 112-126.
II. Nach StPO. 353 ist einfache und sofortige
Beschwerde zu unterscheiden. der Note?
Die Fälle der letzteren s. in
Beide Arten der Beschwerde unterscheiden sich
nur in folgenden Punkten: 1. Für die sofortige Beschwerde
gilt eine Frist von 1 Woche, die einfache Beschwerde ist fristlos,d. h. sie kann solange eingelegt werden, als die
Abänderung der Entscheidung noch ein gravamen beseitigt.
2. Die einfache Beschwerde ist beim judex a quo einzu legen, Einlegung beim Beschwerdegericht gilt nur in dringen den Fällen, StPO. 348 Abs. 1; die sofortige Beschwerde 7 Ausnahme StPO. 347 S. 2; Verwerfung des Unzuständ.Entsch. über Verhaftungen, Be Einwands; 209 Abs. 2, 270 schlagnahmen, Straffestsetzungen, Abs. 3: Eröffn, des Hauptvers, sowie gegen dritte Betroffene. berw. Verweisungsbeschluh; 363 Fernere Ausnahme StPO. 81 Abs. 2 Verwerfung der Be Abs. 3, ob. S. 242 s. Anm. 12. rufung als unzulässig; 412: s Als solches kommt wegen Entscheidungen aus An taff eines § 346 Abs. 3 nur die StK. in Wiederausn.-Antrags; 463 Abs.3. Betracht. Festsetzung subsidiärer Frei 9 StPO. 28 Abs. 1: Ver heitsstr. bei Strafbescheid; 494 werfung eitles Ablehnungsge Abs. 4: nach trägt. Festsetzung suches; 46 Abs. 3. 455 Abs." 3. einer Gesamtstr.; 501 Abs. 3*: 461: Verwerfung des Wieder Verurt. des Anzeigenden in die einsetzungsgesuches ; 81 Abs. 3: Kosten. Beobachtung in einer Irren 10 Ausnahmen: GBG. 183 anstalt; 122 Abs. 2: Verfall (Ungebührstrafe); StPO. 360 einer Sicherheit, S. 299; 180. Abs. 2, 386 Abs. 2 (Verwerfung 181; Eröffn, der VU.; 199 i des Rechtsm. durch judex a quoj. Abs. 3: Ablehnung der VU., Hier besteht 1 Woche Frist.
Die Berufung.
349
§ 90.
kann bei beiden Stellen gültig eingelegt werden, StPO.
353 Abs. 2 S. 2.
3. Die mit einfacher Beschwerde ange
fochtene Entscheidung ist für den judex a quo abänder lich/' StPO. 348 Abs. 2, 3; die mit sofortiger Beschwerde
angefochtene ist es nicht, StPO. 353 Abs. 3. HI. Für beide Arten der Beschwerde gilt:
1.
Der
Vorderrichter hat die Beschwerde, wenn ihr nicht abge
holfen wird oder werden darf, vor Ablauf von drei Tagen dem ®efd)toerbegerid)t11 12 vorzulegen, StPO. 348 Abs. 3. 2. Das Beschwerdegericht entscheidet ohne mündliche Ver
handlung (jedoch StPO. 122, S. 278); Anhörung des Gegners wie der Staatsanwaltschaft
kann Ermittelungen 350. 351 Abs. 1.
anordnen
steht ihm frei; es
oder vornehmen,
StPO.
3. Das Beschwerdegericht verwirft ent
weder die Beschwerde als unzulässig oder als unbegründet
oder es erläßt selbst die Entscheidung in der Sache." § 90.
Sie Berufung. Kries § 75.
Birkm. § 99.
B. B. 88 129. 130.
Hörn. § 142.
Bind. § 121.
1. Die Berufung ist das Rechtsmittel gegen SchG-
Urteile/ um deren Nachprüfung in tatsächlicher und recht-
11 Er hat sogar abzuhelsen, wenn er die Beschw. für be gründet erachtet, und er wird auch abhelsen dürfen, ohne datz Beschw. eingelegt ist. — Ab weichend StPO. '360,386 Abs. 2. 12 Dies ist gegenüber AR. und SchG, die StK., gegenüber StK., UR. und Mitgliedern des LG. das OLG. Nur in Rechtshilfe
sachen, GVG. 160, und Sitzungs polizeisachen , GVG. 183, geht die Beschw. stets an das OLG. 18 Zurückverweisung in die Vorinstanz istalso, anders als nach CPO. 575, ausgeschlossen, a. M. RG. 19,337. Löwe-Hellweg N. 4. Birkm. 733. Kries 700. 1 und gegen Urteile des AR., StPO. 211 a. E. Keine Be-
Abschn. I.
350
Kap. III.
licher Hinsicht herbeizuführen. Neue Beweismittel sind
Die Rechtsbehelse.
StPO. 354. 364 Abs. 3.
zulässig (beneficium novorum).
Eine Bezeichnung der angefochtenen Punkte, eine Begrün dung des Rechtsmittels ist nicht nötig.
Erfolgt sie, so ist
die Berufungsverhandlung und die Tätigkeit des Gerichte auf diese Punkte beschränkt, StPO. 359. 368, und alle
übrigen, nicht präjudiziellen Punkte erwachsen in Rechts
kraft?
Erfolgt sie nicht, so gilt der ganze Inhalt des
Borderurteils als angefochten, StPO. 359 S. 2.
RG.
33, 339.
II. Die Vorbereitung der Hauptverhandlung erfolgt, da die Berufung grundsätzlich wie eine erstinstanz liche Verhandlung (vollständige Neuaufrollung und Neu
prüfung des Beweismaterials) behandelt wird, genau wie in erster Instanz, StPO. 373. 364 Abs. 1.
Die Ladung
des Angeklagten enthält einen Hinweis auf § 370 (unten V); sie muß auch erfolgen, wenn Angehörige die Berufung er griffen haben, StPO. 364 Abs. 1 S. 2. 371. Die in erster Instanz vernommenen Zeugen und Sachverständigen
müssen stet- geladen werden; es sei denn, daß ihre wieder
holte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich
erscheint, StPO. 364 Abs. 2. unserem § 79 Gesagte.
Im übrigen gilt alles in
Auch wenn der Angeklagte keinen
förmlichen Ladungsantrag nach StPO. 218 stellt, ist auf die bloße Benennung von Personen in der Berufungsrecht
fertigung Rücksicht zu nehmen, StPO. 364 Abs. 4. rufung gegen Urteile der StK. und de» SchwG. Anders die MilStGO., die im nichtsummarischenVerfahren stets Berusung kennt, 88 378. 419. 1 oben S. 346 Anm 16. Das
I Urteil erwächst in „objektiv re' lative Rechtskraft", B.-B. 440, z. T. abweichend RMilG. 2, 184; dagegen Beling, Zisch, s. ' StrRMss. Bd. 24 ®. 273. |
Die Berufung.
| 90.
351
III. Der Gang der Hauptverhandlung bewegt
sich nach der Darstellung unseres § 81.
Doch schiebt sich
zwischen Nr. 3 und 4 ein Vortrag des Berichterstatters über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens ein, bei
welchem das Urteil erster Instanz stets
StPO. 365. fällt fort.
zu verlesen ist,
Nr. 5, Vorlesung des Eröffnungsbeschlusses,
Nr. 9 und 10 sind hier: Schlußvortrag des
Beschwerdefiihrers (Appellanten, Provokanten), und: Schluß vortrag des Gegners (Appellaten, Provokaten), StPO. 367.
Die Beweisaufnahme weicht ebenfalls von dem in unserem § 82 Erörterten nicht grundsätzlich ab. Doch gelten die Regeln S. 317, 320 in Privatklage- und Über
tretungssachen
(in
welchen die
Berusungs-StK.
Richtern besetzt ist) nicht, StPO. 244 Abs. 2.
mit
3
Im üb
rigen aber besteht Gebundensein des Gerichts, trotz der
Freiheit in erster Instanz (da für die SchG. § 244 Abs. 1 nicht gilt). — Die nochmalige Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen darf — eine erhebliche Beeinträch
tigung der Unmittelbarkeit (ob. S. 63) — durch Verlesung der Aussageprotokolle aus erster Instanz" ersetzt werden, StPO. 366; es sei denn, daß die wiederholte Vorladung
erfolgt oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Haupt verhandlung beantragt ist.
In diesen Fällen darf die Ver
lesung nur stattfinden, wenn Staatsanwaltschaft und An geklagter zustimmen.
Endlich enthält StPO. 366 a. A.
noch den Satz, daß verlesbare Schriftstücke schon bei der Berichterstattung, also vor der eigentlichen Beweisaufnahme, verlesen werden können.
8 Daher die Vorschrift über Protokollierung dieser Aussagen in StPO. 273, ob. S. 141 d.
352
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
IV. Das Urteil des Berufungsgerichts (vgl. uns. § 88 III Nr. 9) lautet nach Ermessen auf Zurückverweisung in
die Vorinstanz, wenn das erste Urteil an einem revisiblen
prozessualen Mangel leibet
Eine
StPO. 369 Abs. 2.
Besonderheit gilt fiir den Fall, daß die erste Instanz ihre Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat, StPO. 369 Abs. 3.
Es erfolgt dann Aufhebung
Verweisung an das zuständige Gericht? dung ergeht in Urteilsform.
des Urteils
und
Diese Entschei
Ist die StK. selbst örtlich
und sachlich zuständig, so fällt die Verweisung fort und
die StK. erkennt sofort6 in der Sache selbst, ebenfalls unter Aufhebung des früheren Urteils.
Hierbei ist aber
die StK. als Gericht erster Instanz tätig, danach bestimmt sich Gang der Hauptverhandlung, Art der Beweisaufnahme und Anfechtbarkeit des Urteils?
V. Ein echtes Kontumazialverfahren gegen den
Angeklagten
schreibt
370
StPO.
vor.
Bleibt
er
als
Appellant unentschuldigt aus und sendet auch keinen zu-
* d. h. an einem Mangel, welcher die Revision wegen Ver letzung einer Rechtsnorm über das Verfahren (StPO. 376 —378) begründen würde, falls nämlich das erste Urteil mit der Revi sion statt mit der Berufung an fechtbar wäre. Das Revisions recht gilt insoweit demnach auch für die Berufungsinstanz. Die Fassung von StPO. 377 Z. 2 und 3 trägt dem durch die (sonst sinnlose) Erwähnung des Schöffen Rechnung. — Ob der Mangel gerügt ist, bleibt gleichgültig, falls er nur nicht durch den Eintritt relativer Rechtskraft
|i I 1
gedeckt ist, vgl. Bind. 248. 5 also bei bloß örtlicher Un zuständigkeit an ein anderes SchG., fei es im gleichen, sei es in einem andern LGBezirk; bei bloß sachlicher Unzuständigkeit an das SchwG. ober das RG. — wegen der StK. s. Text; bei örtlicher und sachlicher Uiuuft. an ein anderes LG., sei es StK. sei es SchwG. 6 Ohne Verweisungsbeschluß, aber ev. mit Zuziehuna von 2 weiteren Richtern, vgl. GVG. 77. RG. 1», 173. - RG. 9, 282. 20, 390. 22, 113. 35, 157.
% 91.
Die Revision.
353
lässigen Vertreter (S. 201 f.), so wird seine Berufung sofort verworfen. Über die darin liegende Fiktion S. 80, 4.
Ist er nicht Appellant, so kann, auch wenn die Berufung zu seinen Gunsten ergriffen ist, ohne seine Gegenwart ver handelt werden?
Es kann aber auch Vorführungs- oder
Haftbefehl ergehen, StPO. 370 Abs. 1. a. E. 371 a. E. Gegen jedes ohne seine Gegenwart ergangene Urteil hat der Angeklagte die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, StPO.
370 Abs. 2.
§ 91.
Nie Nrviston. Kries § 76.
bis 145.
Birtm. § 100.
Bind. § 122.
B.-B. §§ 131-133.
Ullm. §§ 143
Löwenstein, Revision in Strafsachen. Berlin 1900.
I. Tie Revisioni richtet sich gegen alle Urteile der
StK. und der SchwG., sowie gegen diejenigen dem Urteil
vorausgegangenen Entscheidungen,
welche
das Urteil von Einfluß gewesen sind,
vermutlich
auf
StPO. 374. 375.
Sie will eine Nachprüfung in rechtlicher Hinsicht, aber nur
in Beziehung auf einzelne ausdrücklich gerügte Punkte her
beiführen, StPO. 376. 384.2
Während die Berufung im
Zweifel unbeschränkt den ganzen Umfang des Vorderurteils
ergreift, ist die Revision stets beschränkt.
Es ist daher
stets eine Bezeichnung der angefochtenen Punkte, eine Be8 im ersten Fall ohne Be • Hellweg, N. 1 vor § 374. weisaufnahme — Kon tuma- I Bind. 250. zialverfahren; im zweiten 2 Sje ist, nach Bindingmit Beweisaufnahme — Ereschem Ausdruck, stets echtes modizialverfahren; vgl. Zweitinstanzversahren, während Beling, B.-B. 520, 578. die Berufung ebensogut ein 1 Der Name paßt nicht; zweites Erstinstanzversahren sein „Nichtigkeitsbeschwerde" wäre die kann. bessere Bezeichnung. L öwe23 Rosenfeld, Reichrstrafprozetz. 1 1. Aufl.
Abschn. 1.
354
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
gründung der Revision, sog. Revisionsanträge, StPO. 348,
notwendig. II. Die Voraussetzungen jeder Revision, und zwar
sowohl im Civil- wie im Strafprozesse, CPO. 549, StPO
376, sind 1. Behauptung einer Gesetzesverletzung;^
2. Behauptung eines Kausalzusammenhanges zwischen der Gesetzesverletzung und dem Urteil.
Gesetzesverletzung reicht
demnach
Der Nachweis einer
nicht zum Erfolg
der
Revision aus, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf das Urteil gehabt haben !oiin.3 4 * 6Dagegen stellt StPO. 377 in einer Reihe von Fällen eine unwiderlegliche Rechts
Vermutung für den Kausalzusammenhang auf. Diese Fälle decken sich im Straf- und Civilprozeß (CPO. 551) zum
Teil: a) ungehörige Zusammensetzung
des Hauptverhand
lungspersonals; b) irrige Annahme der örtlichen oder sach
lichen Zuständigkeit;« c) Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit;7 d) Fehlen der Entscheidungsgründe. 3 Die Unterschiede, die CPO. 549 u. d. Kais. Bdg. v. 30. Sept. 1879 macken, kommen hier nicht in Betracht. Vgl. aber GVG. 123 Z. 3, oben S. 119. — „Gesetz" ist nach StPO. 376 Abs. 2 gleichbedeutend mit Rechtsnorm; nicht revisibel sind also Verwaltungsnormen, Dienstbefehle usw. * so RG. 1, 210. 254. 9, 69. 310. 10, 135. 20, 33. 29, 294 (299). 31, 135. RMilG. 1, 232. 4, 5. 5, 184. 6 Z. 1, 2, 3, 5 in StPO. 377. CPO. 551. Z. 1: nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, vgl. S. 123 Anm. 2, 90 Anm. 3, 63 Anm. 3, oder der Geschworenenbank, S. 134, 135 Nr. 5. — Z. 2: Mitwir
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kung eines judex inhabilis, uns. §29111, S. 124 Anm. 3. Z. 3: Mitwirkung eines abae lehnten Richters, wenn das Ab lehnungsgesuch entweder für be gründet erklärt war oder (diese Alternative fehlt in CPO. 551 mit Unrecht verworfen worden ist, uns. § 29 IV. — Z. 5: Ab Wesenheit der StAnwschast oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, uns. §801. II, S. 196.309.63Anm.3: CPO 551 ist natürlich abweichen!) formuliert. 3 Z. 4 in StPO. 377. CPO 551; letztere nennt auch die Un zuständigkeil, waS nach StPO. 16. 18. 270 unnötig ist. 7 Z. 5, uns. § 14. 8 Z. 6, vgl. S. 149 f., 332 f.
Die Revision.
355
H 91.
Dazu tritt e) speziell für den Strafprozeß als Z. 8 in
§ 377 der Fall, daß die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkte durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
III.
Revisionsbeschränkungen
finden sich
in
folgenden Bestimmungen: 1. Die Revision zu Ungunsten
des Angeklagten kann nicht auf prozessuale Rechtsnormen gestützt werden, welche lediglich zu Gunsten des Ange klagten gegeben sind, StPO. 378?
klagte von den Geschworenen
2. Wenn der Ange
für nicht
schuldig
erklärt
worden ist,10 so hat der StAnw. die Revision nur wegen unrichtiger Fragestellung und wegen ungehöriger Zusammen setzung des Hauptverhandlungspersonals (oben II a); wegen
anderer prozessualer Mängel niemals, StPO. 379.
3. Die
Urteile der BerusungsStK. sind wegen prozessualer Mängel überhaupt nicht anfechtbar," StPO. 380.
Eine Ausnahme
bildet die Verletzung des § 398, also der Fall, daß eine
BerustlngsStK., nachdem ihr früheres Urteil vom Revisions gericht aufgehoben und die Sache zurückverwiesen ist, ent weder a) sich nicht an die Rechtsansicht des Revisionsge
richts bindet; oder b) in dem neuen Urteil eine härtere
Strafe verhängt,
wiewohl das
frühere Urteil nur von
dem Angeklagten (bezw. zu seinen Gunsten) angefochten worden war. 2 95. " RG. 5, 218, und (kaum zuDie Beruf.StK. können sich Irefsend) 3, 384. 29, 44. 10 Durch einen korrekt zu : somit ohne Gefahr für ihr Urteil stande gekommenen Spruch, bei i über sämtliche Vorschriften der StPO, hinwegsetzen und diese dem das Berichtigungsversahren Suveränetät ist der Praxis nicht weder fälschlich angewendet, noch unbewußt geblieben. Scharf fälschlich unterlassen ist, vgl. Löwe-Hellweg, R. 4. 5. gegen die verfehlte Bestimmung B.-B. 8 132,1 2. RG. 6, 317. Löwe-Hellweg N. 4. 23*
Abschn. I.
356
TV.
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
Die prozeßrechtliche (d. h. auf Verletzung
einer Rechtsnorm über das Verfahren gestützte) und die
materiellrechtliche Revision unterscheiden sich außer in der Zulässigkeit12 auch in der Begründung, die ersehen lassen muß, welche von beiden Revisionen gemeint ist, StPO.
384 Abs. 2.
Auch tritt für die prozeßrechtliche Revision
noch ein Mußerfordernis hinzu:
Bezeichnung der
den Mangel enthaltenden Tatsachen, StPO. 384 Abs. 2
S. 2.
Im Fall der Unterlassung würde Verwerfung des
Rechtsmittels als unzulässig durch das Revisionsgericht nach
§ 389 Abs. 1 erfolgen.
Die bezeichneten Tatsachen unter
liegen der Beweisaufnahme und Prüfung in der Revision?
instanz, StPO. 392 Abs. I.13
Dies ist die einzige Mög
lichkeit, wie ein Revisionsgericht in das Gebiet tatsächlicher Feststellungen hinübergreifen darf. — Bei der materiell rechtlichen Revision ist eine gleiche genaue Bezeichnung des
gerügten Fehlers nicht nötig.
Wird nur gesagt, der Dieb-
stahlsbegrifs sei verkannt, oder StGB. 242 sei unrichtig
angewendet, so genügt das.
Das Revisionsgericht hat nun
mehr von Amtswegen zu prüfen, ob bei der Verwendung des Diebstahlsbegriffes oder des § 242 StGB, irgend ein nur
erdenklicher Rechtsirrtum
untergelaufen
sei.
Jedes
Mehr von Begründung ist überflüssig, aber auch, wenn
unrichtig, unschädlich,'^ StPO. 384 Abs. 2. 392 Abs. 2. V. Als Revisionsgericht kann (S. 12 oben II, III. Begünstigung der prozeßrechtlichen Revision durch § 377, Beschränkung durch §§ 378-380. 13 Auch hier gilt StPO. 153 Abs. 2 und Prinzip der mate riellen Wahrheit. Ueber Einzel
118f.) das
heiten s. B.-B. 590 Anm. 12. Seltsame Einschränkung in 9t (ti 35, 164. u Rügt der Angeklagte also Verletzung des § 242 StGB., „weil er zur Zeit des Diebstahls meilenweit entfernt gewesen sei",
Die Revision.
RGer.,
das zentrale OLG.,
Betracht kommen.
§ 91.
357
oder das lokale OLG. in
Der StAnw. sendet (§ 387, S. 345)
die Akten an das seiner Meinung nach zuständige Revi sionsgericht. Findet dieses, es sei unzuständig, so erläßt es einen Beschluß (StPO. 388), in dem es a) seine Un
zuständigkeit ausspricht, b) das zuständige Revisionsgericht
bezeichnet.
Der Beschluß ist unanfechtbar, wie schon aus
StPO. 346 Abs. 3 folgen würde, und er bindet das be
zeichnete Gericht (RG. 35, 157). VI. Für die Hauptverhandlung gilt außer H 396 keine dem § 373 analoge Vorschrift, sie steht daher weder unter dem Prinzip der Unmittelbarkeit (S. 63 f. Anm. 7),
noch unter den Regeln für die Beweisaufnahme (S. 317 ff.).
Der Angeklagte braucht in der Revisionsverhandlung nicht zu erscheinen und wird daher auch nicht förmlich geladen,
StPO. 390; wenn er nicht auf freiem Fuße ist, hat er nicht einmal einen Anspruch auf Anwesenheit, Abs. 2.15
Doch darf er sich stets durch einen Verteidiger vertreten lassen (S. 201 f.).
Die Hauptverhandlung beginnt mit dem
so läuft der Sap mit „weil. .." offenbar aus eine Bekämpfung der tatsächlichen Feststellung hinaus; er enthält also eine un richtige und sogar unlogische Be gründung der voranstehenden Be hauptung. Aber nach § 392 Abs. 2 ZlPO. ist er unschädlich; es ist aljo so anzusehen, als wenn er gar nicht da stünde. Demnach hat das Revisionsgericht nach allen Richtungen die Anwendung des 8 242 StGB, durch die Bor instanz zu prüfen und also stets durch Urteil, nicht etwa durch Beschluß zu entscheiden. Ab weichend die Praxis mancher
OLG. — Ander« liegt die Sache natürlich, wenn der Angeklagte lediglich ansührt, „er sei un schuldig verurteilt worden", RG. 1, 257. — Sehr eigentümlich RG. 35, 368 durch die Berück sichtigung nicht sestgestellter Tat sachen, die durch andere vom OberReichsAnw. ad hoc herbeige zogene Akten bewiesen wurden. Somit Veranstaltung einer neuen Beweisaufnahme! 15 Als gleichgültig muß daher auch seine „Verhandlungsfähigkcit" erscheinen; anscheinend a. M. RG. 34, S. 308.
358
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelse.
Vortrag eines Berichterstatters; dann folgen die Plädoyers
und die Urteilsfällung, StPO. 391. VII. Ist die Revision nicht als unzulässig zu verwerfen
(oben § 88 III 7), so kommt es zum Urteil.
Dieses
lautet, wenn und soweit an dem Vorderurteil nichts aus
zusetzen ist, auf Verwerfung der Revision als unbegründet. Andernfalls ist jedenfalls das angefochtene Urteil aufzu heben, StPO. 393 Abs. 1, im übrigen aber zu unter scheiden.
1. Bei prozeßrechtlicher Revision kommt es darauf
an, inwieweit das frühere Verfahren auf dem gemachten
Fehler beruht. zuheben.
In dieser Ausdehnung ist es ebenfalls auf
Das spricht StPO. 393 Abs. 2 zwar nur für
die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen aus, es ist aber auf jeden Teil des früheren Verfahrens zu er
strecken.
Bei Aufhebung wegen unrichtig angenommener
Zuständigkeit wird auf Verweisung der Sache an das
zuständige Gericht
erkannt,
StPO.
2.
395.
Bei der
materiellrechtlichen Revision — wenn also die tatsächlichen
Feststellungen an sich in legaler Weise getroffen sind, jedoch bei Anwendung des materiellen Strafgesetzes auf sie ein Subsumtionsfehler begangen ist — hat das Revisionsge richt, ohne weitere tatsächliche Erörterungen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn a) auf Freisprechung, b) auf
Einstellung (RG. 36, 64), c) auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist, oder wenn d) das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Anträge der Staatsanwalt schaft die gesetzlich
achtet,
niedrigste Strafe für
StPO. 394 Abs. 1.
wird die Sache
angemessen er
In allen übrigen Fällen
„zur anderweiten Verhandlung und Ent
scheidung" — also implicite unter Aufhebung der dem Ur16 Die Fälle c und d fehlen in MilStGO. 412.
Die Revision,
g 91.
359
teil zu Grunde liegenden Feststellungen und überhaupt des
Hauptverfahrens vom Beginn der Hauptverhandlung ab — zurückverwiesen, und zwar entweder a) an das gleiche Gericht, oder ß) an ein benachbartes Gericht17 18gleicher
Ordnung in demselben Bundesstaat, oder /) an ein Gericht
niederer Ordnung, wenn die noch in Frage kommende straf bare Handlung zu dessen sachlicher und örtlicher Zuständig keit gehört, StPO. 394 Abs. 2 und 3.
VJII. Gehen Vorderrichtcr und Revisionsrichter in der rechtlichen Beurteilung der Sache auseinander, so
muß einer von beiden endgiltig Recht behalten.
Demgemäß
ordnet StPO. 398 Abs. 1 an, daß das Vorgericht in der
erneuten Hauptverhandlung, ebenso aber auch jedes sonstige (Bericht, an welches die Sache aus der Revisionsinstanz ver
wiesen oder zurückgewiesen ist, die rechtliche Beurteilung,
welche der Aushebung des Urteils zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat.^
So
weit abstrakte Rechtsfragen ins Spiel kommen, ist in diesem
Zusammenhang zu erwähnen, daß das RG. (nicht aber ein
sonstiges Revisionsgericht) durch GVG. 137 gebunden ist. So bald die gleiche Rechtsfrage bereits einen andern StrSen. oder CivSen., oder die vereinigten StrSen. oder CivSen.
oder das Plenum beschäftigt hat, kann der betreffende Senat nicht mehr allein entscheidend9
IN. Eine Durchbrechung der relativen Rechtskraft führt 17 nicht an eine andere Ab teilung desselben Gerichts, wie (LPO. 565 Abs. 1 S. 2. 18 Wird gegen das neu er gehende Urteil abermals Revision, möglicherweise (GVG. 123 Z. 3) an ein anderes Revisionsgericht eingelegt, so ist auch dieses durch
§ 398 Abs. 1 in seiner Rechts anschauung für gebunden zu er achten, RG. 6, 358. 19 Wegen der Besetzung s. GVG. 139.140. Die vereinigten StrSen. müssen danach mit min destens 19 Räten besetzt sein.
360
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechlsbehelse.
StPO. 397 durch die Revisionserstreckung ein.
Er
folgt auf eine materiellrechtliche Revision hin die Auf hebung eines Urteils zu Gunsten eines Angeklagten, und
erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch
auf andere Angeklagte, welche die Revision nicht eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls die Revi
sion eingelegt hätten?"
§ 92. Bit Wiederaufnahme. Kries § 78. Birkm. § 102. B.-B. §§ 134—136. 138. Uüni. §§ 147—149. Bind. § 124. Woermann Wiederaufn.-Vers. und Entscheid. unsch. Verurteilter. Berlin 1899.
I. Das
außerordentliche Rechtsmittel der Wieder
aufnahme des
Verfahrens
kräftiges Urteil voraus.
setzt allgemein
ein rechts
Im übrigen ist Wiederaufnahme
zu Gunsten (§ 399) und zu Ungunsten (§ 402) des Ver
urteilten zu unterscheiden.
Gemeinsame Gründe für
beide sind: Nr. 1. Urkundenfälschung oder -Verfälschung;'
Nr. 2. vorsätzlicher oder fahrlässiger Meineid eines Zeugen oder Sachverständigen; Nr. 3. strafbare Verletzung der Amtspflich
ten durch Richter, Geschworene oder Schöffen, namentlich Be stechung (StGB. 334) und Rechtsbeugung (StGB. 336).-' 20 Es wird ein gravamen ■ Lb es in Nr. 1 stets eine straf commune verlangt, lieber Ein I bare Tat sein muß, ist bestritten, vgl. Löwe-Hellweg N. 7. zelfragen v. Kries 691, LöweHellwea, N. 2 b, d, 4. B.-B. ! Beling B.-B. 600 Änm. Io. Wie der Text Boitus, Thilo, 593 N. 20. 21. RG. 3, 283. 16, 417. 34, 239. 36, 33. 247. v. Kries, Birkmeyer. 2 Hat der Verurteilte diese 1 Die Straftat mutz zu U n gunsten des Verurteilten be Straftat selbst veranlaßt, so findet . Wiederaufnahme z u gangen sein, um die Wiederauf nahme zu seinen Gunsten zu seinen Gunsten nicht statt. begründen, und umgekehrt. —
Die Wiederaufnahme.
K 92.
361
Wegen dieser Straftaten muß rechtskräftige Verurteilung er gangen sein oder die Einleitung oder Durchführung des Straf
verfahrens aus anderenGründen als wegen Mangels anBeweis nicht erfolgen können; sonst ist der Antrag auf Wiederaufnahme nicht zulässig, StPO. 404.
Besondere Gründe a) für
die Wiederaufnahme zu Gunsten des Verurteilten sind § 399
Nr. 4: wenn ein civilgerichtliches Urteil, auf welches das
Strafurteil (nach StPO. 261 Abs. 2) gegründet ist, durch
ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; Nr. 5 : wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen
Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in An wendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Be strafung zu begründen geeignet sind;:J b) für die Wieder
aufnahme zu Ungunstcn des Verurteilten § 402 Nr. 4 .
wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außer: gerichtlich
ein
glaubwürdiges
Handlung abgelegt wird.
Geständnis
der
strafbaren
Eingeschränkt ist die Wiederauf
nähme durch § 403: dem Zwecke
bloßer Strafänderung
innerhalb des gleichen Strafrahmens dient sie nicht.
Vgl.
auch § 411 Abs. 1, unten VI. II. Der Antrag auf Wiederaufnahme (§ 406) hat keinen
Devolutiveffekt.
Es entscheidet diejenige Instanz, die das
angefochtene Urteil erlassen hat; die Revisionsinstanz jedoch
nur, weun Straftaten der Richter behauptet werden; sonst die vorhergehende Instanz, § 407 Abs. 1 S. 2. ist
über die
Zulassung
des
Antrags
zu
Zunächst
entscheiden
(§ 407 Abs. 1), ohne mündliche Verhandlung (Abs. 2), 3 Einschränkung der Nova bei Anfechtung von SchGUrteilen durch § 399 "Nr. 5 S. 2.
4 Wohl aber hat sie möglicher weise diesen Erfolg, RG. 30 421.
Abschn. I.
362
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
doch event, nach Erklärung der StAnwschaft (§ 33).
Der
Antrag wird entweder als unzulässig verworfen (§ 408
Abs. 1: wegen mangelnder Form oder mangelnder An führung eines Grundes oder Beweismittels) oder ausdrück
lich zugelassen 6 und dem Gegner mit Fristbestimmung zur Erklärung mitgeteilt (§ 408 Abs. 2). — Wegen des Sus
pensiveffektes s. § 400 und oben S. 342 f. III. Im günstigen Fall erfolgt nunmehr ein Vorver
fahren durch Beweiserhebung vor einem beauftragten Richter (bezw. beim AG. vor dem AR.), wobei die gleiche
Parteienöffentlichkeit wie in der Voruntersuchung gilt, StPO. 409.
scheidet
Das Gericht (nicht der beauftragte Richter) ent nach
freiem Ernlessen
über
die Beeidigung
der
abweichend
von
Zeugen und Sachverständigen (Abs. 2, StPO. 65).
Unter abermaliger Fristsetzung werden als
dann die Parteien zur ferneren Erklärung aufgefordert.
IV. Das Gericht trifft jetzt eine zweite Entscheidung" über den Antrag, nicht über seine Zulässigkeit, sondern über
seine Aussichten.
Er wird
als
unbegründet
ver
worfen, wenn entweder der behauptete Wiederaufnahme
grund keine Bestätigung gefunden hat, oder wenn die etwa vorliegenden Verbrechen
der Urkundenfälschung
oder des
Meineids (Nr. 1 und 2 in §§ 399. 402) für das Urteil nicht kausal gewesen sein können, StPO. 41 o.
Andern
falls wird die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Er neuerung der Hauptverhandlung verordnet. V. Die erneute Hauptverhandlung ist von der
früheren durchaus unabhängig und sachlich so zu handhaben, 6 Für unnötig erklärt durch I 6 Sie ist unerläßliche Prozeßv. Kries, Stenglein, Be- I Voraussetzung, RG. 35, 351. ling. |
Die Viederaufnahme.
§ 92.
363
als wenn die frühere gar nicht stattgefunden hätte?
Eine
Bezugnahme auf sie liegt nur in dem Verbot der refor matio in pejus, StPL. 413 Abs. 2, sowie in der Fassung des Urteils, Abs. 1. Dieses lautet günstigen Falles auf
Aufhebung des früheren Urteils und entscheidet dann zu gleich anderweit in der Sache; ungünstigen Falles erhält
das neue Urteil das ftühere aufrecht.
VI. LhneErneuerungder Hauptverhandlung kann
entschieden werden? a) wenn der Verurteilte bereits ver storben ist (§ 401):
kann nicht aus glatte Freisprechung
erkannt werden, so ist der Antrag hier überhaupt als un statthaft anzusehen und daher abzulehnen, § 411 Abs. 1. b)
Wenn
sonst
genügende Beweise vorliegen,
kann bei
Privatklagen ohne weiteres, bei öffentlichen Klagen mit Zustimmung der StAnwschaft sofortige Freisprechung er
folgen, Abs. 2.
Die Aufhebung des früheren Urteils ist
auf Verlangen öffentlich bekannt zu machen,'-' Abs. 3 und 4. VII. Die Entschädigung unschuldig Bestrafter ent
spricht einem einfachen Gedanken der Gerechtigkeit, der in des erst durch das G. vom 20. Mai 1898 bei uns Ge
stalt gewonnen hat.
1. Aktiv legitimiert ist zunächst der
ftühere Verurteilte unter folgenden Voraussetzungen, a) wenn er fteigesprochen oder aus milderem Strafgesetz geringer
bestraft ist; b) wenn er die ftühere Strafe wenigstens teil weise verbüßt
hat;
Unschuld
doch
oder
c) wenn die Wiederaufnahme seine die
Abwesenheit
7 vgl. hierzu RG. 2, 323, 4, 426 (jedoch oben S. 313 f. und 5, 429). 18, 417 (ob. S. 237, Anm. 34). 22, 98, 29, 279/280. 30, 421. 35, 409.
begründeten
Ver-
s durch Beschluß vgl. S. 148, Anm. 22. 9 weil sie eben nicht durch Urteil erfolgt, also nicht öf fentlich verkündet wird.
Abschn. I.
364
bödjty10 ergeben;
Die Rechtsbehelse.
Kap. III.
d) wenn er die frühere Verurteilung
nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig 11 verschuldet hat, § 1
Abs. 1, 3, 4. 1 d gegeben,
2
Aktiv legitimiert ist ferner,
falls nicht
wer gegenüber dem Verurteilten unterhalts
berechtigt war, § 1 Abs. 2 und 3.
3. Passiv legitimiert
ist die Reichskasse oder die Kasse desjenigen Bundesstaates, dessen Gericht in
4.
erster Instanz erkannt hat, §§ 2. 6.12
Gegenstand des Ersatzes ist nur der durch die Straf
Vollstreckung dem Verurteilten entstandene Vermögens schaden, bezw. dem Unterhaltsberechtigten entzogene Unter
halt.
5. Die Etappen der Entschädigungsseststellung sind :
a) Beschluß des Wiederaufnahmegerichts, der nur ausspricht,
daß die Staatskasse entschädigungspflichtig sei.
schluß ist ein „besonderer" ,
Dieser Be
er wird gleichzeitig mit dem
Urteil gefaßt, tritt mit dessen Aushebung auch außer Kraft, wird aber nicht mit verkündet,
sondern zugestellt, § 4.
Der Beschluß ist unanfechtbar, seine Unterlassung ist da gegen
anfechtbar,
b) Entscheidung im Verwaltungswege.
Von der Zustellung des Beschlusses a läuft eine Frist von 3 Monaten, innerhalb deren der aktiv Legitimierte einen
Antrag auf Entschädigung beim StAnw. bezw. Reichsan walt zu stellen hat. Über denselben entscheidet der Justiz
minister
bezw. der Reichskanzler
c) Entscheidung im Rechtswege.
§ 5 Abs.
1,
2. §
6.
Von der Zustellung der
Entscheidung b läuft eine Ausschlußsrist von 3 Monaten,
innerhalb deren die Berufung auf den Rechtsweg durch
10 zu mindest in Hinsicht auf einen qualifizierenden Umstand. 11 Versäumung eines Rechts mittels fällt nicht darunter, § 1 Abs. 3.
" Uebergang etwaiger Ent schädigungSsorderungen gegen Dritte von Gesetzes wegen an die zahlende Kasse, § 3 Abs. 2, vgl. § 5 Abs. 4.
Absolut nichtige Urteile.
Magerhebung
% 93.
verfolgt werden muß.
365
Ausschließlich
zu
ständig sind die Civilkammern- der LG., § 5 Abs. 3. GBG.
70 Abs. 2. CPO. 547 Z. 2.
8 "3. Absolut nichtige Urteile. >rries S. 708, 709. B.-B. § 77 III. § 139 VIII. Bind. § 118 III 1. 2. § 119 III. Söfft er Unheilb. Nichtigkeit im österr. StrBersahren, 1904 (auch in Grünhuts Ztschr., Bd. 31).
Die herrschende Lehre bestreitet die Möglichkeit nichtiger Urteile.
Aber wenn ein ordentliches deutsches Strafgericht
auf Prügelstrafe oder auf 20 Jahre Zuchthaus erkennen oder einen 10 jährigen zu Gefängnis, einen 16 jährigen zu Zuchthaus
verurteilen würde,
so
könnten
solche Urteile
keinen Bestand haben, schon weil die Vollstreckung ein Ver brechen gegen StGB. 345 darstetlen würde.
Deshalb muß
mit Binding, Ltker. Beling u. a. das Vorkommen
absoluter Nichtigkeit anerkannt werden/ und zwar nicht
nur bei eklatanter Mißachtung
des materiellen Rechtes,
sondern auch der prozessualen Bestimmungen.
So wird
man, wenn etwa ein deutsches Gericht den König
Belgien verurteilt,
schon
aus
von
völkerrechtlichen Gründen
den: Urteil kein Gewicht beilegen können.
Und ebenso
wenig darf das von einem SchG, oder einer StK. gefällte
Todesurteil zur Vollstreckung gebracht werden. 1 Gelegentlich auch NG. 23, 417. In einer Privatklageverhandlung zeigte sich, daß Ver gehen gegen'StGB. 223 a. 241 vorläge. * Das SchG, erließ, statt Urteils nach StPO. 429, Beschluß nach StPO. 270. Die StK. erkannte darauf, statt den
Andrerseits
Beschluß als nichtig zu behandeln. RG. bemerkt dazu: „Daß ein Beschluß, der dem Gesetze zuwider gefaßt worden, der rechtlichen Gültigkeit entbehrt und deshalb auch rechtsaültige Wirkungen nicht haben kann', kann nicht in Frage gestellt werden."
Abschn. I.
366
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
kann es keinem Zweifel unterliegen, daß viele materiell
rechtliche wie prozessuale Verstöße durch Erwachsen des Ur teils in formelle Rechtskraft heilen.
Insbesondere dürften
drei Gesichtspunkte nicht außer Acht zu lassen sein: 1. Nurmanifeste Fehler sind insanabel, d. h. aus dem Urteil
selbst offensichtlich hervorgehende Widersprüche des sestgestellten Sachverhaltes mit der ausgesprochenen Rechtsfolge. Beispiel: Verurteilung eines Elfjährigen zu Strafe.
Da
gegen machen latente Fehler, d. h. solche, bei denen erst eine nachträgliche tatsächliche Aufklärung den Widerspruch
mit dem Gesetz darlegt, das Urteil niemals absolut nichtig.
Beispiel: Das Urteil stellt tatsächlich fest, der Angeklagte
sei 12 Jahre alt, und verhängt Strafe; hinterher ergibt
sich, daß die tatsächliche Feststellung auf einem Irrtum be ruht, daß der Angeklagte in Wahrheit erst 11 Jahre alt
war.
Es muß, falls nicht Wiederaufnahme möglich ist,
bei der Strafverhängung bleiben, zumal ja auch Revisions
einlegung nichts an dem Resultat würde ändern können. 2. Die in StPO. 377, erwähnten prozessualen Verstöße werden durch dre Rechtskraft
Sinnt. I.2 3
geheilt, vgl. ob. S. 207
3 Ein äußerlich inkorrektes Urteil ist niemals
2 Aehnliche Unterscheidung bei Löffler a. O. S. 62f. Ist irrig sestgestellt, daß die Tat im Juni (statt „Juli") begangen und daher verjährt sei, so kann der Freispruch nicht im Wege der österr. Aussichtsbeschwerde als nichtig beseitigt werden; denn „ein Verstoß gegen Re geln des Verfahrens, eine Ord nungswidrigkeit lag überhaupt nicht vor". Ferner S. 71: der Richter verurteilt einen Vor geführten wegen Bagabondage,
ohne zu ahnen, daß er als De serteur unter Militärgerichts barfeit steht. Eine Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes liegt nicht vor; die österr. „Nichtigkeitsbeschwerde" hätte daher als unzulässig an gesehen werden müssen. 8 Für den dort u. a. ge meinten Fall Brausewetter ist a. M. auch Löffler a. O. S. 23. Prinzipiell stimmt er S. 10 f. mit mir überein.
Absolut nichtige Urteile. % 93.
367
nichtig, falls es auch auf legalem Wege gewonnen werden
könnte.
eines Verweises bei schwerem
So Verhängung
Diebstahl, einer Geldstrafe bei Diebstahl (denn das Verbot der reformatio in pejus könnte ebenfalls dazu führen, oben S. 343).
So Verurteilung zu Zuchthaus wegen Beleidi
gung (denn eine Zusahstrafe könnte so lauten).
Dagegen
ist nichtig Verurteilung wegen Bettelns zu Gefängnis. Unser Prozeß kennt leider keinen spezifischen Behelf zur
Aufdeckung der absoluten Nichtigkeit eines Urteils.
Auf in
direktem Wege ist solche Aufdeckung aber immer möglich. Denn dem nichtigen Urteil kommt keine materielle Rechts
kraft zu.
a) Lautet es auf Freisprechung, so begründet es
keine exceptio rei judicatae gegenüber der Erhebung einer
neuen Strasklage.^
Die Entscheidungen des neuen Ver
fahrens werden sich dann mit der Frage der Nichtigkeit zu befassen haben und der gewöhnliche Jnstanzenzug wird
zu ihrer Erörterung offen stehen, verurteilendes Erkenntnis kann
Strafvollstreckung dienen.
b) Ein absolut nichtiges
nicht als Grundlage der
Tie Zulässigkeit der Vollstreckung
ist dann nach StPO. 490 zu bestreiten; das Gericht erster
Instanz hat ohne mündliche Verhandlung, doch nach An hörung beider Parteien (abweichend von StPO. 33) über die Einwendung zu befinden, StPO. 494 Abs. 1 und 2,
und gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt,
StPO. 494 Abs. 4.
Der hier unter b) besprochene Aus
weg ist aber ein Notbehelf, keine der Wichtigkeit der Sach
lage entsprechende Regelung.
Gerade hier müßte die Mög
lichkeit, die höchsten reichsrechtlichen Instanzen anzurufen, geschaffen werden.
4 Ebenso Löffler a. O. S. 22, 59f.
Abschn. I.
368
Die Rechtsbehelfe.
Kap. III.
§ 94. Vie Wiedereinsetzung. Kries § 57.
Birkm. § 84 IV, 2. B.-B. S. 305 f. S. 308. Ullm. § 69. Bind. § 93.
I. Der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand
richtet sich prinzipiell nur
gegen die Versäu
mung einer Frist, welche bei einem Gericht*
durch
Vornahme einer Handlung wahrzunehmen gewesen wäre, StPO. 44. 45.
a) Dem Gesuch um WE. kommt kein
Devolutiveffekt, StPO. 46, und nur fakultativer Suspen
siveffekt, StPO. 47, zu.
b) Voraussetzung der WE. ist,
daß der Antragsteller durch einen unabwendbaren Zufall (insbesondere Naturereignisse, sowie unverschuldete Unkennt
nis von einer Zustellung)- an der Einhaltung der Frist c) Die Anbringung des
verhindert wurde, StPO. 44.
Gesuches geschieht zwar formlos, jedoch a) binnen einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses, ß) bei demjenigen
Gericht, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, /) unter Angabe und Glaubhaftmachung (S. 224) der
Bersäumungsgründe, 6) unter gleichzeitiger Nachholung der
versäumten
Handlung, StPO. 45.
d) Die stattgebende
Entscheidung ist nicht, die verwerfende mit sofortiger Be
schwerde anfechtbar, StPO. 46.
Die Kosten hat regelrecht
der Gesuchsteller zu tragen, StPO. 505 Abs. 3. II. Besondere Fälle stellen StPO. 455. 461
insofern
dar, als hier nicht-gerichtliche Fristen versäumt sind. III. Die Wiedereinsetzung richtet sich aber ferner auch 1 Daher nicht gegen Versäu mung der Strafantragsfrist, selbst wenn man diese als Prozeß frist ansieht, B.-B. 305 Sinnt. 17.
2 auch Verschulden des Ver teidigers? Bejaht von Ullm., B.-B., Bind., Birkm.
Die Wiedereinsetzung.
§ 94.
369
gegen alle Urteile, die ohne Anwesenheit des Ange klagten ergangen sind,-' falls ihn ein unabwendbarer Zu fall an der Einhaltung des Termins gehindert hat.
Der
Angeklagte hat hier also neben dem ordentlichen Rechts mittel oder anstatt dessen einen eigenartigen Behelf. zählen
hierher
Es
die Fälle: 1. der Angeklagte ist ausge
blieben, StPO. 231, oben § 80, II 2; 2. er hat sich
freiwillig entfernt, StPO. 230 Abs. 2, oben § 80, II 4; 3. er ist unfreiwillig entfernt worden, StPO. 246, oben
§ 80, II
5;4 4. er ist abwesend im technischen Sinn,
StPO. 319. 470,5 Lehrb. §§ 80, II 1. 103. 104; 5. er versäumt im Strafbefehlsverfahren die Einspruchsverhand
lung, und sein Einspruch wird durch Kontumazurteil verworfen, StPO. 432; 6. er bleibt in der Berufungsinstanz aus, ohne selbst der Appellant zu sein (Eremodizialver-
fahren), StPO. 37o Abs. 1 Teil II, 371, oben § 90 V
«. E.
In allen bisher genannten Fällen ist gegen das
Urteil auch Berufung oder Revision zulässig, daher stellen - StPO. 234 Abs. 1. Ebenso Beling B.-B. 2. 308f. Aus geschlossen sind aber nach Abs. 2 einmal der Fall des Dispenses, StPO. 232, und sodann alle Fälle, in denen der Angeklagte vertreten war. Damit scheiden die Urteile im Privatklageverfahren erster Instanz, im Ver fahren auf Klage der Verwal tungsbehörde, im Strafbefehls verfahren nach eingelegtem Einpruch, int Strasversügungsverahren nach eingelegtem Widerpruch aus; denn in allen diesen Fällen muß der Angeklagte ent weder selbst kommen oder einen Vertreter schicken, sonst kann ein
Rosenfeld, Reichsstrafprozeß.
! Sachurteil nicht ergehen; StPO. : 427, 466, 451 Abs. 2, 457 : Abs. 2. 4 Das wird nur ausnahms: weise denkbar sein, ist aber doch nicht ganz unmöglich: es kann i z. B. ein krankhafter Erregungs! zustand des Angeklagten vom i Gericht verkannt und als Simu■ lation aufgefaßt worden sein. i 6 Ueber die wenigen Disseni tienten s. Löwe-Hellweg zu § 323 Note 3, zu § 476 Note 2. Zu dem letzteren (Verfahren gegen abwesende Wehrpflichtige) äußern sich die Motive S. 230 irreführend. I. Aufl.
24
370
Abschn. I.
Kap. III.
Die Rechtsbehelfe.
StPO. 356, 382 den Angeklagten vor die Wahl, ent
weder beide Rechtsbehelfe verbunden zu ergreifen, oder nur einen geltend zu machen, womit auf den andern verzichtet
wird; getrennte Ergreifung beider Behelfe ist unstatthaft, oben § 88 UI 1.
Weitere Fälle sind: 7. Der Angeklagte
ist in der Berufungsinstanz ausgeblieben, wiewohl er selbst
der Appellant ist, und seine Berufung wird durch Kon tumazurteil verworfen, StPO. 370, oben § 90 V a. A.
8. Ganz singulärer Weise hat der Privat klüger, also die verfolgende Partei, den Rechtsbehelf der Wiederein
setzung, wenn
er in der
Berufungsinstanz
(durch Ver
werfung seiner Berufung oder Abänderung des Urteils zu
Gunsten des Angeklagten) kontumaziert worden ist, StPO.
431 Abs. 3, 4; Lehrb. § 109, VT 1.
Gegen diese Kon
tumazurteile in der Berufungsinstanz kann es wegen StPO.
380 keine Revision geben; somit ist hier die Wiederein setzung der einzige Rechtsbehelf.
Das Gleiche ist endlich
in dem letzten Fall zutreffend: 9. Es ist in der Revisions instanz Urteil ohne Anwesenheit des Angeklagten ergangen, StPO.
390.
— Bemerkenswert
ist
noch StPO.
452
Abs. 2: hat jemand gegen einen Strafbefehl den Einspruch versäumt und Wiedereinsetzung erhalten, und versäumt er
nun wiederum die Einspruchsverhandlung, so daß ein Kon tumazurteil auf Verwerfung des Einspruchs ergeht, so wird ihm gegen solche doppelte mora die Restitution versagt; es
bleibt ihm somit nur die Berufung.
Zweiter Abschnitt.
Abweichendes Verfahre». Erstes Kapitel. Ordentliche Prozeßarten.
§ 95. Gang de- verfahrens vor -em Schwurgericht.
72 I. II. § 73 I. II. IV. Birkm. § 94. B -B. §§ 123. 126-128. Ullm. 88 110. 114. 120. 121. Bind. 8 108. Kalau Do m .'pofe Der Borsitz im SchwG., 1901.
Kries §
I. Tie Eigentümlichkeiten des schwurgerichtlichen Ver-
fahrens machen sich naturgemäß erst von der Eröffnung
des vauptverfahrens an geltend.
Im allgemeinen stehen
aber sowohl Borbereitung der Hauptverhandlung, wie diese selbst, wie das Außenversahren unter den Regeln der obigen
88 79 ff., StPO. 276.
Auch das Rechtsmittel der Revi
sion unterliegt keinen Abweichungen, als den in § 91 III hervorgehobenen. Zur Vorbereitung der Hauptverhand lung gehört die Herstellung und weitere Behandlung der
Spruchliste (S. 134 f.), namentlich deren Mitteilung an den Angeklagten (StPO. 277, durch Zustellung oder Nieder
legung aus der Gerichtsschreiberei). II. Die Hauptverhandlung bewegt sich nach dem Schema unseres § 81.
Hinter Nr. 1 ist einzuschalten die Bildung
der Geschworenenbank, StPO. 280—288, S. 134 f., 5 A
b bis e, B a bis f. lich, StPO. 289.
Dann folgen Nr. 2—8 wie gewöhn Nunmehr reiht sich an a) Verlesung 24*
Abschn. II.
372
Kap. I.
Ordentliche Prozeßakten.
der vom Vorsitzenden entworfenen Fragen, die den Ge
schworenen
zur
Beantwortung vorgelegt
sollen,
werden
StPO. 290 Abs. 1, Abs. 2 S. I; b) auf Antrag ab schriftliche Mitteilung an Geschworene, StAnw. und An
geklagten, StPO. 290 Abs. 2 S. 2; c) auf Verlangen derselben Personen kurze Unterbrechung zur Prüfung der
Fragen, StPO. 290 Abs. 3; d) event. Einwendungen, Abänderungs-
oder Ergänzungsanträge derselben Personen,
StPO. 291
Abs. 1; e) in diesem Falle oder auf Ver
langen eines Richters Feststellung der Fragen durch Ge richtsbeschluß, StPO. 291
Abs. 2 S. 1; f) nochmalige
Verlesung der festgestellten Fragen, S. 2.
StPO. 281
Abs. 2
Hierauf kommen die Plädoyers, Nr. 9—11, jedoch
unter Beschränkung auf die Schuldfrage, StPO. 299.
Die
weiteren Akte bedürfen näherer Betrachtung. 12. Rechtsbelehrung
300.
durch den Vorsitzenden, StPO.
Dieselbe darf in eine Würdigung der Beweise nicht
eingehen;
Zuwiderhandlung
würde,
wiewohl
der
Er
örterung im Prozeß nach Abs. 2 entzogen, disziplinarisch
strafbar sein. 13. Unterzeichnung der Fragen durch den Vorsitzenden,
StPO. 301 S. I.*1 14. Übergabe der Fragen an die Geschworenen, StPO. 301 S. 1. 15. Die Geschworenen ziehen sich in das Beratungs
zimmer zurück, wohin ihnen Augenscheinsobjekte - mit ver1 Anwesenheit des Angeklagten ist hierbei notwendig, RG. 35, 407. 1 falls sie ihnen in der Ver handlung zur Besichtigung vor gelegt worden waren. Zu weit
gehend RG. 5, 398. 10, 161. Mitgabe von Akten ist unstatt haft, RG. 16, 187. Mitgabe von Lehrbüchern usw. steht im Ermessen des Vorsitzenden, RG. 13, 248.
Gang des Verfahrens vor dem Schwurgericht.
K 95.
abfolgt werden können, StPO. 301 S. 2. 302.
373
Gleich
zeitig wird der Angeklagte aus dem Sitzungszimmer ent fernt, StPO. 301 S. 3. 16. Beratung und Abstimmung der Geschworenen in
Absperrung vom Verkehr mit der Außenwelt, StPO. 303, doch
möglicherweise
unterbrochen
durch
eine
weitere
Rechtsbelehrung auf ihren Antrag, StPO. 306. Hierbei kann sich auch Anlaß zur Ergänzung oder Ände
rung der Frage ergeben. Dann wird der Angeklagte hinzu gezogen und das Verfahren wiederholt sich von Nr. 8e ab, StPO. 306 Abs. 2. — Wenn die Geschworenen sich
zurückgezogen haben, wählen sie zunächst mit relativer Ma
jorität und Stimmzetteln ihren Obmann, StPO. 304. Dieser leitet die Beratung und Abstimmung, schreibt neben
jeder Frage den
Spruch
nieder
und
unterzeichnet das
Ganze,3 StPO. 307.
17. Verkündung des Wahrspruches durch den Obmann nach näherer Maßgabe des § 308 Abs. 1. 18. Hier oder auch später, bis zur Urteilsverkündung (StPO. 309 Abs. 2), kann sich ein Berichtigungsverfahren einschieben, StPO. 309—312, unten § 97, 111.
19. Unterzeichnung des verlesenen Wahrspruches durch
Vorsitzenden und Gerichtsschreiber, StPO. 308 Abs. 2. 20. Der Angeklagte tritt wieder in das Sitzungszimmer ein, StPO. 313.
21. Der Wahrspruch wird dem Augeklagten durch Ver lesung verkündet, StPO. 313. 22. Plädoyers der Parteien zur Straffrage,
StPO.
314 Abs. 2, soweit solche in Betracht kommt: haben die 3 ober die einzelnen 201. 8, 10. 26, 214.
Antworten, dann aber jede.
RG. 2,
374
Abschn. II.
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
Geschworenen ihren Spruch auf Nichtschuldig abgegeben, so ergeht ohne weiteres das freisprechende Urteil, StPO. 314 Abs. 1. 23. Urteilsfindung und -Verkündung, Nr. 12.
oben
S.
315
Die Verkündung darf hier nicht ausgesetzt werden,
StPO. 315. III. Die Urteilsfassung richtet sich im allgemeinen
nach uns. § 86.
Dem Urteil ist aber stets die Urschrift
des Wahrspruchs anzufügen, und in den Gründen ist auf den Spruch Bezug zu nehmen, StPO. 316.
Hierdurch
werden insbesondere beim verurteilenden Erkenntnis die oben S. 332 f. erörterten Punkte a, b, c, d und g ersetzt.
IV. Durch StPO. 317 ist dem Gericht die singuläre Möglichkeit eingeräumt, seiner Überzeugung hinsichtlich der
Schuldftage Ausdruck zu leihend
Sind nämlich die drei
Richter einstimmig der Ansicht, daß sich die Geschworenen
in der Hauptsacheö zum Nachteil" des Angeklagten geirrt haben, so können sie den Wahrspruch von Amts wegen
„kassieren".
Dies geschieht
durch einen Gerichtsbeschluß
ohne Begründung, der die Sache zu neuer Verhandlung
vor das SchwG. der nächsten Sitzungsperiode
verweist.
Die Kassation geschieht nur insoweit, als der Einfluß des 4 In der Ablehnung von Beweisanträgen, besonders in der Unterstellung von Behaup tungen als wahr (RG. 35, 389), kann ebenfalls die Ueberzeugung der Richter hinsichtlich der Schuld frage deutlich zutage treten. Für die Geschworenen ist die Be gründung solcher Gerichtsbe schlüsse völlig unverbindlich! Das Gesetz ist hier sehr unzweckmäßig vorgegangen. Eine Verständi-
I gung mit den Geschworenen ist nicht nur n i ch 1 g e b o t e n, a. M. I Löwe Hell weg 8243Rote8a, i sondern m. E. geradezu gesetzwidrig. i 5 Gegensatz: hinsichtlich der 4 mildernden Umstände; so G e l) e r, v. Kries,Bennecke,Beling, Löwe-Hellweg. Abweichend namentlich Stenglein. 6 vgl. RG. 17, 31. 31, 241.
Die Fragestellung an die Geschworenen.' K 96.
Irrtums der Geschworenen reicht, Abs. 2.
Verhandlung Abs. 3.
sind
die
früheren
375
Bei der neuen
Geschworenen
inhabil,
Eine nochmalige Verweisung ist verboten, Abs. 4,
selbst wenn der neue Spruch sich als reformatio in pejus darstellen würde.
§ 96. Lie «tragestrllung an die Geschworenen. Kries § 72. Birkrn. § 95. B. B. §§ 124. 125. Ullm. §§ 115 bis 117. Bind. § 108. Glaser, Fragestellung im SchwGVerf., Wien, 1863. Dalcke, Fragestellung und Verdikt, Berlin 1886. 1.
Tie
Geschworenen
sind
Schuldsrage berufen, GVG. 81.
Schuldfrage versteht,
StPO.
153 s. ausführlich erörtert.
262,
zur
Eutscheidung
der
Was das Gesetz unter ist oben § 35 IT, S
Zwischen Talfrage und Rechts
frage ist nicht geschieden; die Geschworenen haben sowohl
über da§ Vorliegen der tatsächlichen Umstände, wie über
deren Subsumtion unter die gesetzlichen Begrisfsmerkmale ihr Votum
abzugeben.
Als Anleitung
bei der Lösung
dieser Ausgabe dient ihnen die Stellung bestimmt formu
lierter Fragen, auf die sie mit Ja oder Nein zu autworten haben, und
die Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden.
Dem Gerichtshöfe
bleibt die Frage nach dem Vorliegen
der Prozeßvoraussehuugen 1
und die Strasfrage2 (außer
1 Da diese gegenüber dem sachlichen Eingehen aus die Schuldfrage das logische prius darstelleu, so ist z. B. bei einer Anklage aus StGB. 308, falls eine Hilsssrage aus StGB. 303 beantragt wird, deren Stellung abzulehnen, wenn es an einem Strafantrag wegen Sachbeschädi
gung fehlt. AG. 5, 327, a. M. Kries 608. 2 einschl. derjenigen tatsäch lichen Feststellungen^ die nur für die Strasfrage von Belang sind; z. B. der genauen zisfermästigen Höhe eines Schadens oder sonstigen Betrages, von welchem das Strafmaß' (oder etwa die
Abschn. II. Kap. I. Ordentliche Prozeßarten.
376
den mildernden Umständen StPO. 297) überlassen, vgl. ferner StPO. 262 Abs. 3, ob. S. 155 (Rückfall, Ver
Die Fragen an die Geschworenen unterscheidet
jährung).
das Gesetz in Haupt-, Hilss- und Nebenfragen.
II. Tie Hauptfrage, StPO. 293, ist die Frage, ob der Angeklagte der ihm im Eröffnungsbeschlusse zur Ist nur ein Angeklagter
Last gelegten Tat schuldig ist.
vorhanden und nur einer Tat bezichtigt, so hat die Haupt
frage dem Eröffnungsbeschluß zu entsprechen und ihn zu erschöpfen."
geklagte
Sie beginnt mit den Worten
schuldig?"
Voraussetzungen* anspruches."
und
richtet
sich
eines gegenwärtig"
„Ist der An
aus die
sämtlichen
bestehenden Straf
Mit ihrer Bejahung werden alle Merkmale
des allgemeinen und des besonderen, des objektiven und Verfallserklärung nach StGB. 335) abhängt, RG. 12, 150. Löwe - Hellweg, K omni. § 293 9?. 2c; ferner der Frage, ob ein besonders leichter (LtGB. 57 Z. 4) oder ein minder schwerer (StGB. 90 Abs. 2, 94 Abs. 1 S. 1 a. E., 96 Abs. 1 a. E.) Fall vorliegt. 8 Absplitterung von Neben fragen ist aber nach StPO. 295 gestattet, doch niemals geboten. RG. 19, 146. B.-B. 554. In diesem Fall müssen Haupt- und Nebensragen zusammen den Er öffnungs-Beschluß erschöpfen. Die Absplitterung ist streng logisch nicht zu rechtfertigen, wohl aber praktisch, oben S. 158. 4 Genaues oben S. 154 f. 6 Auch die Existenz von Straf aufhebungsgründen wird mit der Hauptfrage implicite mitbejaht oder mitverneint, entsprechend
dem S. 155 Gesagten, a. M. teilweise 2 öwe-Hel lweg, StPO. 295, N. 9b; GVG. 196. N. 3d« mit ganz willkürlicher Scheidung. Richtig B.-B. 554 c und gelegentlich bez. StGB. 310 RG. 4, 191. 6 vorhaltlich 1. der Verjäh rung , 2. des Rückfalls, 3. der erforderlichen Einsicht eines Jugendlichen. Die ersten bei den Punkte sind durch StPO. 262 Abs. 3 den Geschworenen ganz entzogen: der leyte muß zum Gegenstand einer Neben frage gemacht werden, wird also aus der Hauptsrage ausgelost, StPO. 298. Die Zerreißung der einheitlichen Schuldfrage ist insoweit nicht bloß, wie nach Anm. 3, fakultativ, sondern ob ligatorisch, was freitich an der Unlogik nichts ändert, B.-B. 553 u.
Tie Fragestellung an die Geschworenen.
des
subjektiven Tatbestandes
jaht.
Besondere Fragen
in
ungetrennter Einheit
nach Zurechnungsfähigkeit,
wehr, Vorsatz und dergl. sind völlig unzulässig.'
Formulierung der Hauptfrage angeht,
bezeichnen
be
Not
Was die
so muß sie die Tat
1. nach ihren gesetzlichen Merkmalen und 2. unter
Hervorhebung
Umstände.
377
KW.
der
zu
ihrer
Unterscheidung
Tas Erfordernis 1
erforderlichen
verlangt genauen und
wörtlichen Anschluß an den einschlägigen Paragraphen des
besonderen Teils 8 und, soweit dieser Paragraph ausdrück lich oder stillschweigend auf einen anderswo genauer formu
lierten
Teliktobegriff
hinweist,
genauere Formulierung?
schon
in
einer
anderen
gleichen
Anschluß
an
die
Nur wo die präzise Formulierung
der
7 RG. 1, 70. 4, 400. 11, 277. 12, 337. 9, 105 (keine Rebensrage über StGB. 1931. ® Beim Meineid, StGB. 154, die Worte „vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde" RG. 16, 186; oder beim Widerstand, StGB. 113, die Worte „einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Befehlen und Anordnungen der V e r lva l t un gs be h ö r de n be ru sen ist". £b ein AG. unter den ersteren, ob ein Pvlizeisergant unter den legieren Rechtsbegrisf fällt, soll eben der Cognition der Geschw. überlassen bleiben. Bei der Urkundenfälschung, StGB. 267, 268, die Worte „in rechts widriger Absicht" RG. 3, 169; beim Mord die Hervorhebung, daß die Ueberlegung während der Ausführung vorlaq, RG. 8, 276; bei StGB. 218 Abs. 3 die Worte „mit Einwilligung der
mehreren
den
Geschworenen
Schwangeren" RG. 33, 131. Bgl. ferner RG. 34, 238. 36, 26 i Fragesassung bei Mordversuch). 36, 277 (Verhältnis der Körp.Verl. mit Todeserfolg zu der mit lebensgesührl. Behandlung). So verweist StGB. 351 auf StGB. 246, RG. 2, 280. v. Kries, 617; StGB 159 aus StGB. 153, 154, RG. 2, 283; StGB. 270 auf StGB. 267, RG. 12, 112. In die Frage aus StGB. 214 muß die gesetz liche Definition des betreffenden konkreten strafbaren Unternehtnens hineingezogen werden, RG. 23, 78 (trotz des Protestes S. 80f. im Widerspruch zu 4, 231). In der Frage wegen An stiftung oder Beihilfe muß das Hauptdelikt nicht nur als „Ver brechen" oder „Vergehen" be zeichnet, sondern in seine gesetz lichen Merkmale ausgelöst werden, RG. 13, 234 f.
378
Abschn. II.
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
gestellten Fragen erfolgt ist, wird eine Abbreviatur durch unmißverständlichen Hinweis auf die genauere Frage als unbedenklich erlaubt anzusehen fein.10
Endlich wird es,
wiewohl in der Regel die abstrakten Ausdrücke des Gesetzes
zu verwenden sind, nicht als schlechthin unstatthaft gelten
können, dieselben durch tatsächliche Bezeichnungen da zu ersetzen, wo absolut selbstverständliche Tatsachen und Rechts begriffe in Frage stehen.11 — Das Erfordernis 2 ver
langt trotz der von StPO. 198. 205 abweichenden Fassung das Gleiche wie
dualisierung.
jene Paragraphen,
nämlich Indivi
Dagegen ist Aufnahme der sämtlichen
tatsächlichen Umstände, in denen die gesetzlichen Merkmale
gefunden werden, unter Vorwegnahme der Subsumtions tätigkeit — sog. Spezialisierung — nicht geboten.1 -
Sie ist aber auch nicht verboten,11 und soweit sie geschieht, ermöglicht sie eine Nachprüfung in der Revisionsinstanz
auf untergelaufene Rechtsirrtümer." 10 RG. 2,134. Löwe-Hellweg, 8 292 R. 7. " Sv verbo tenus RG. 8, 234 f. Ebenso Löwe-Hellweg, § 293 N. 3d. Man wird also in StGB. 211 „Friedrich Schultze" statt „Mensch" in StGB. 242 „Taschenuhr" statt „bewegliche Sache" sagen dürfen; o. M. Kries 616. B. B. 547. Dagegen darf man in StGB. 308 nicht „Vorrat von land wirtschaftlichen Erzeugnissen" durch „Strohdiemen", nicht „Ge bäude" durch „Scheune" ersetzen, RG. 8, 233. 19 Aus die Unterlassung trotz Antrages kann nicht die Re vision gestützt werden, selbst wenn
| ein Subsumtionsirrtum wahr scheinlich ist: RG. 2, 136. 138. 3, 51, 4, 231. 313. 27, 66. In soweit hat RG. zweifellos recht, obwohl die Konsequenzen wider die Billigkeit lausen. Die Rege: hing in StPO. 293 ist eben i verfehlt, v. Kries 615, bes. i Anm. 2. | 13 so die HM., abweichend ! Stenglein N. 6. 12 und z. i T. das RG. 14 Dies will das RG. in mehreren Entjch. nicht zugeben, von denen die frappanteste 3, 250 ist. RG. 27, 369 ist im I Ergebnis zu billigen. Mit dem | RG. gehen Löwe-Hellweg i undStenglein. Dagegenu.a.
Die Fragestellung an die Geschworenen.
III. Eine Hilfsfrage, StPO. 294,
nach
von
einer
Hauptfrage nicht
A 96.
3 79
ist dem Wesen
verschieden;
bei
ihrer
Fassung sind die eben erörterten Erfordernisse zu beachten," und sie beginnt gleichfalls mit den Worten
„Ist der An
Der Unterschied gegenüber der Haupt
geklagte schuldig?".
frage liegt darin, daß sie eine vom Eröffnungsbeschluß abweichende Beurteilung der Tat zum Ausdruck bringt.16 * * * * * 15
IV. Im Gegensatz zu Haupt- und Hilfsfragen stehen
die Nebenfragen.
Sie sind jenen gegenüber unselb
ständig, setzen jene voraus und lehnen sich an sie an.
Sie
bringen niemals eine volle rechtliche Beurteilung der Tat
zum Ausdruck.
Tas Gesetz kennt 4 Arten:
1. über solche vom Strafgesetze besondere- vorgesehenen Umstände,
welche
die Strafbarkeit
vermindern
höhen, also über Qualifizierungsgierungsgründe,
StPO. 295
2. über Strafaufhebungsgründe,'
v. Kries 615, Beling B.-B. 548 (der gerade wegen der Nach prüfung die Spezialisierung für zweckmäßig hält), wohl 'auch Birkineper, 653. 15 Dte Mangelhaftigkeit einer Hilfsfrage kann selbst dann die Revision begründen, wenn die Hauptfrage bejaht worden ist, so RG. 83, 131. 16 z. B. Mord statt Körper verletzung mit tödlichen! Aus gang: Diebstahl stat Raubes; einfachen Totschlag statt Aszendententodschlages. Soweit es sich dabei gegenüber der Haupt frage lediglich um Hinzutritt einer Qualifizierung oder Privi legierung handelt, kann auch der
oder er
und Privile
Abs. 1,
vgl. S. 158.
StPO. 295 Abs. 2.
Weg einer Nebensrage nach StPQ. 295 Abs. 1 gewählt werden, so jetzt auch LöweHellweg, N. 2a. Könnte die abweichende Beurteilung durch teilweise Verneinung der Haupt frage ausgedrückt werden (auf die Frage 'aus StGB. 249 wird geantwortet: Ja, aber nicht mit Gewalt usw., so daß Diebstahl übrig bleibt), so darf doch we gen solcher Möglichkeit nicht die Stellung einer' Hilssfrage ab gelehnt werden. 17 Stellung einer Nebensrage ist aber nicht notwendig, ob. Anm. 5. a. M. v. Kries, 611, Löwe - Hellweg tz 295, N. 9 b.
Abschn. II.
380
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
3. über mildernde Umstände," StPO. 297;
4. bei Jugendlichen und Taubstummen (StGB. 57. 58) über die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Ein
sicht, StPO. 298.
V. Fernere Grundsätze
über die Fragestellung sind :
1. Für jedeTat eines jedenTäters ist eine besondere Hauptfrage (nebst event, anschließenden Hilfs- und Sieben fragen) zu stellen, StPO. 292 Abs. 3.
2. Die Fragen
sind so zu stellen, daß sie mit Ja oder mit Nein sich be
antworten lassen, StPO. 292 Abs. 1.
Disjunktive (eigen!
liche alternative) Fragen sind also verboten.
Erlaubt aber
ist eine alternative Fassung der Fragen („ganz oder teilweise zerstört", „verheimlicht oder beiseite geschafft" und
dergl.),
Fassung.
d. h. eine zu
Inwieweit
alternativer Feststellung
führende
alternative Feststellung erlaubt ist,
s. oben 2. 21 Off. und Anm. 9, 15 daselbst." z. Wenn Fragen in einem Eventual Verhältnis zueinander stehen, so
muß dies genau 20 18 *bezeichnet werden, StPO. 292 Abs. 2, 18 Uebergriff in die Strassrage, daher einfache Majorität, StPO. 297 Abs. 2. Ein Konstruktions fehler im SchwGJnsiitut, B.-B. 544 Anm. 25, 557 f. Anm. 25. Löwe Hell weg § 297 N. 5. Bei Rückiallsdetttten liegt die Entscheidung über mildernde Umstände m. E. beim Gerichts hof. — Diese Nebenfrage wird nur von Amts wegen öder aus Antrag der Parteien gestellt, StPO. 297; abweichend von StPO. 291 haben die Geschwore nen kein Antragsrecht. Selbst eine in ihrer Antwort liegende Initiative ist unbeachtlich, RG. 33, 140.
19 B.-B. 548. Anm. 19. Löwe-H.Z 292 N. 2 geht zu weit, wenn er auch bei Gruppierung unter verschiedenen Paragraphen ohne besondere Berweisung alternative Fragestellung zuläßt. RG. 9, 22. 15, 304 (Mittel der An stistung). 28, 98 (nicht: Wider standleistung und tätlicher An griff in StGB. 113. 117). 32, 86 (nicht: die beiden Tatbestände in StGB. 132). Was die Ziffern des § 243 StGB, angeht, so vgl. einerseits Goltd. Arch. Bd. 39, S. 60, andererseits RG. 23, 47 (letzteres richtig). 10 KrieS 613. Löwe-H. § 292 N. 5. Bloße Einleitung der
Tie Fragestellung an die Geschworenen.
§ 96.
381
indem z. B. gefragt wird (abgekürzt): I. Ist der Ange klagte des Mordes schuldig? II. Für den Fall, daß Frage
s verneint wird: Ist der Angeklagte der Körperverletzung
mit tödlichem Ausgang schuldig ? — In einem Eventual verhältnisse stehen Hilfsfragen zur Hauptfrage, Hilfsftagen untereinander, Nebensragen zu Haupt- und Hilfsfragen, aber niemals Hauptfragen untereinander.2'
4. Tie Reihen
folge der Fragen richtet sich nach ihrem logischen Ber-
hältnis (oben S.
L57,
158):
Grunddelikt am Ende/-'
Straffrage hinter der Schuldftage,23 * * *Nebenftage 21 22 hinter der Hauptfrage.2* StPO. 294 Abs. 2 stellt den Grundsatz auf, der indessen aus Gründen der Logik und Übersicht lichkeit nicht überall durchgeführt werden tarnt,25 daß im nachfolgenden Frage mit „even tuell" genügt nicht, wie RG. 7, 434 drastisch zeigt. 21 Also ist nicht etwa die Frage nach der Schuld des Gehilsen Eventualsrage hinter der nach der Schuld des Täters. RG. 24, 302. Löwe-Hellweg S 292 R. 3. 22 RG. 6, 243. Es war ge fragt worden: I. Diebstahl, StGB. 242 ? II. Wenn zu 1 ja: mild, llmft ? III. Wenn zu 1 ja: auch gewaltsame Erhaltung im Besitz, also Raub, StGB. 252? IV. Wenn zu III ja: mild. Um st? die Antwort lautete: I. Ja, II. Rein, III. Ja, IV. Ja. Frage II war wegen des in Be tracht kommenden Rückfalls ge stellt, f. ob. 91)11«. 18. Ter Staats anwalt verlangte Verurteilung nach StGB. 244 Abs. 1; das Gericht verurteilte nach StGB. 252. 249 Abs. 2. Das RG. hielt
dies aufrecht, da die Fragestellung in der Revision des StAnw. nicht gerügt war, StPO. 392 Abs. 1. Korrekt wäre indessen gefragt worden: I Raub, StGB. 252 ? II. Wenn ja: mild, llmft. ? III. Wenn zu I nein: Diebstahl ? Tie Frage des Rückfalls und der mild, llmft. hierbei war den Geschw. nicht vorzulegen. 23 RG. 33,298. Em Jugend licher war aus StGB. 177. 43 angeklagt. Es wurde gefragt: I. Rotzuchtsversuch? II mild. Umst.? III. Einsicht, StGB. 57? Tas war falsch, Frage III ge hörte vor Frage II. 24 Ebenfalls in dem Fall RG. 6, 243 (Anni. 22) verab säumt. 25 nicht z. B. wenn Mord, Totschlag und Kindestötung in Frage kommen, s. noch unten Anm. 36. RG. 24, 280 erklärt bei Jdealkonkurrenz von StGB.
382
Abschn. II.
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
allgemeinen die Hauptfrage vorangeht, die Hilfsfrage nach folgt; daß dagegen, wenn die vom Eröffnungsbeschluß ab
weichende Beurteilung eine erhöhte Strafbarkeit begründet, die Hilfsfrage vorangeht, die Hauptfrage nachfolgt.
5. Eine
Ablehnung von Hilfs- oder Nebenfragen kann nur aus Rechtsgründen erfolgen, StPO. 296.
Also nicht, weil der
betreffende Umstand in der Verhandlung nicht hervorge
treten fei,26 oder weil die Frage ohne Irrtum in der Sub sumtion nicht bejaht werden sönne.27
Wohl aber, weil der
Antrag zu spät gestellt fei,28 von einem nicht dazu Legiti
mierten ausgehe,28 eine andere Tat betreffe, die nicht den Gegenstand der Verhandlung bitte;30 oder weil die Frage stellung die beantragte Frage bereits mitbetreffe und er
ledige," oder weil das Gesetz die beantragte Nebenfrage 263 und 266 die Reihenfolge für gleichgültig. 26 Löwe-H. § 296 N. 1 B.B. 549 Anm. 7. RG. 1, 425. 3, 67. 8, 22. 27 Kries 618 f. Unrichtig RG. 18. 337, das den Geschworenen die Freiheit, rechtlich zu irren, abschneiden will. 28 nämlich nach der Verkün dung eines korrekten Wahr spruches, RG. 7, 345. 11, 168. 16,126. Wenn die Geschworenen mit dem Wahrspruch zurückkehren, ihn aber noch nicht verkündet haben, ist es noch nicht zu spät, RG. 30,403. B.-B. 546 Anm. 9. 90 z.B. dem Verteidiger des wenn die Frage nur den B be trifft ; vom Angeklagten, wenn sie aus schwerere Strafbarkeit anzielt; vom Neben-Ankläger, wenn sie einen Gesichtspunkt
hervorkehrt, der die Neben-An klage ausschließt. 80 und StPO. 265 nicht vor liege , RG. 12, 409 (Anklage wegen Kindesmords, StAnw. beantragte Hilfssrage wegen Ab treibung). 31 RG. 1, 70: Ablehnung einer besonderen Frage nach der Zurechnungsfähigkeit. RG. 14, 75: Ablehnung einer Frage, ob fortgesetzte Handlung vorliege, da das gleiche Resultat durch Verneinung der Worte „durch eine fernere selbständige Hand lung" in Frage II herauskomme. Diese Entscheidung ist richlig, w e n n es zulässig ist, den Zweifel, ob Handlungseinheit oder -mehr heit, je nach Ermeffen durch Stellung einer Hilfssrage oder durch Abstellung der Hauptfrage auf teilweise Verneinung zu er ledigen; und wenn ferner meh-
Die Fragestellung an die Geschworenen.
K 96.
383
für den konkreten Fall ausschließe,02 ober weil nicht die Geschworenen, sondern das Gericht über die Frage zu ent scheiden
hätten,"
oder
endlich,
weil
aus
prozessualen
Gründen die Strafverfolgung nach der betreffenden Richtung
hin ausgeschlossen sei."
VI. Eine Reihe von Einzelheiten sind lebhaft be stritten;
so,
wie es
Ausdruck zu bringen sei,
zum
Idealkonkurrenz vorliegt oder nicht,
lung oder Realkonkurrenz. weil das Gesetz
Regeln
ihm
ob
ob fortgesetzte Hand
Tie Zweifel sind hier berechtigt,
an diesen Fall nicht gedacht und seine
nicht angepaßt hat.-"
rcre Verbrechen, von denen durch den Wahrspruch nicht sestgestellt ist, daß sie je durch eine selb ständige Handlung begangen seien, als durch eine einzige Handlung begangen anzusehen sind. Diese Prämissen sind frei lich nicht zuzugeben, LöweHellweg, S 294 9?. 2 b, unten Anm. 35. 82 Frage nach der Einsicht, StPO. 298, bei einem Erwach senen. Frage nach mild. Umst. bei Verbrechen aus StGB. 214, RG. IS, 400. 83 ob Verjährung, ob Abo lition vorliege; ob Rückfall ge geben, ob bejahendenfalls mild. Umst. zuzubilligen, vgl. Anm. 18. 31 z. B. wegen 'mangelnden Antrags, RG. 5,327, ob. Anm. 1; oder weil insoweit Verjährung eingetreten sei RG. 23, 327; jemand war wegen eines 10 Jahre zurückliegenden Mord versuchs angeklagt; Hilfsfrage, ob Körperverletzung oder Sach beschädigung vorliege, wurde ab gelehnt. Vgl. ob. S. 293, III1L.
Viel
Streit besteht
85 Vgl.v.Kries612. LöweHellweg, § 292 N. 6a, § 294 N. 2b. Beling, B.-B. 549 Anm. 24, 25. 553, des. Anm. 13. 556 Anm. 24. RG. 4, 190. 4, 287. 5, 155. 14, 75. 21, 405. 29, 327. 35, 70. Handelt es sich z. B. um Brandstiftung, StGB. 306 Z. 2, event, in Jdealkonkurrenz mit Versiche rungsbetrug, StGB. 265 Fall I, so dürste zu fragen sein ent weder: I. Ist der Angeklagte schuldig, durch eine und dieselbe Handlung Brandstiftung und zugleich Versicherungsbetrug be gangen zu haben? II. Wenn zu I nein: Ist der Angeklagte der Brandstiftung schuldig? III. Wenn zu II nein: Ist der Angeklagte des Versicherungsbe truges schuldig? — oder auch je nach der tatsächlichen Lagerung der Sache: I. Ist der Anaeklagte der Brandstiftung schuldig? II. Wenn zu I ja: Ist der An geklagte zugleich eines durch dieielbe Handlung begangenen Ver sicherungsbetruges schuldig?
384
Abschn. II.
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
auch über das Verhältnis gewisser Berbrechensbegriffe zu
einander; so
von Mord
zu Totschlag,
von
beiden
Kindestötung oder zu Tötung des Verlangenden.
zu
Hier
können aber bei richtiger systematischer Auffassung Zweifel nicht entstehend"
86 StGB. 211 bezeichnet ge rade die Anwesenheit desjenigen Momentes als wesentlich für den Mord, dessen Abwesenheit StGB. 212 ausdrücklich als wesentlich für den Totschlag hervorhcbt. Folglich ist der Mord kein quali fizierter Fall des Totschlags und steht nicht im Verhältnis der Spezialität zu demselben, sondern beideVerbrechensbegrifse schließen einander aus, sie stehen im Ver hältnis der Exklusivität. Danach muß für jede Ausfassung eine volle selbständige Schuldfrage gestellt werden, von denen die Mordfrage, mag sie Haupt- oder Hilsssrage sein, stets nach StPO. 294 Abs. 2 voransteht, während die Todschlagsfrage stets nur für den Fall der Verneinung der Mordfrage gestellt wird. Diese Anordnung gibt RG. 13, 345. 16, 214. 18, 400. 31, 253 jetzt wenigstens als statthaft zu, während 9, 401 (vgl. auch 20, 171 zu StGB. 217,' 26, 363 zu StGB. 216) nur eine Neben frage erlauben wollte. Was Kindestötung und Tötung auf Verlangen angeht, so sind sie Untersälle nicht zu Mord oder
zu Totschlag, sondern zu einem Mord und Totschlag gemeinsam umfassenden Oberbegriff vor sätzlicher Tötung, der aber nicht zu einem selbständigen Verbrechensbegrifi ausge'staltet ist. Deshalb kann auf diesen Ober begriff nicht, wie RG. 20, 171 vorschlügt, eine Hauptfrage ab gestellt werden, an die dann Nebenfragen angehängt werden, also: I. Vorsätzliche Tötung? II. Wenn zu I ja: durch die uneheliche Mutter in der Geburt? III. Wenn zu II nein: mit Ueberlegung ausgeführt? dies wird schon durch die Möglichkeit, daß I bejaht, II und III ver neint wird, ad absurdum ge führt. Zu richtiger Fragestellung kann man aber nur unter Ver zicht aus die in StPO. 294 Abs. 2 beliebte Anordnung gelangen: I. Liegt Kindestötung vor? II. Wenn zu I nein, liegt Mord vor? III. Wenn zu II nein, liegt Totschlag vor? Im wesentlichen wohl ebenso Beling, B.-B. 555 ff. und Anm. 20—22; vgl. Löwe-Hellweg, § 293 N. 9 b. § 294 N. 2 a. S1 englein, Komm., § 294 N. 4.
Der Wahrspruch der Geschworenen.
H 97.
385
§ 97. Ser Wahrspruch der Geschworenen.
Kries § 73.
Birkm. § 94 II, 5- 7. B. B. §§ 126. 127. §§ 118. 119.
Ullnt.
I. Tie Antwort der Geschworenen, für deren Abstim
mung in unserm § 35 I bereits das Nötige gesagt ist, darf sachlich nicht zu wenig und nicht zu viel bieten.
Sie
muß auf alle gestellten Fragen eingehen, sie darf aber keine
neuen
Zusätze
bringen?
Die
Antwort
hat prinzipiell
nur Ja oder Nein zu lauten; doch sind die Geschworenen nach StPO. 305 Abs. 2 berechtigt, eine Frage teilweise
zu bejahen und teilweise zu verneinen.
Einen Unterschied
zwischen abändernden (qualifizierenden und privilegierenden) Merkmalen und konstitutiven Merkmalen macht das Gesetz
dabei nicht.
Es ist also möglich, daß infolge der Ver
neinung eines einzelnen Unistandes überhaupt kein Ver
brechenstatbestand mehr übrig bleibt.trägt
Die Bestimmung
gerade hierdurch der Rechtsungelehrtheit
der Ge
schworenen Rechnung.
1 RG. 33, 140. Die Geschw. beantworteten die Frage, ob Raub vorliegt: „Ja, mit mehr als 7 Stimmen, aber unter Zubilligung mildernder Ilm stände." Der Zusatz war ein fach unberücksichtigt zu lassen. RG. 34,413. Frage aus StGB. 267. Die Antwort besagte: Ja, aber es liegt nicht § 267, sondern § 270 vor. 2 Alsdann ist trotz Bejahung der Schuldfrage sreizusprechen. So, wenn die Frage nach Ur kundenfälschung, StGB. 267. Rosenfeld, Reichsstrafprozeß. 2.
268, beantwortet wird: Ja, aber nicht in rechtswidriger Absicht. Lder aus die Frage aus StGB. 226, 47: Ja, aber nicht in Ge meinschaft mit einem andern, auch nicht derart, daß der Tod eingetreten (RG. 11, 168; hier war einzustellen). RG. 28, 408. a. M. v. Kries 629. Beling, B.-B. 565 Sinnt. 10. 569 Anm. 11, 12, die in dem Ja unter Verneinung konstitutiver Merk male einen inneren Widerspruch sehen und Berichtigungsversahren verlangen. 25 Aufl.
386
Abschn. II.
II.
Abs. 2
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten.
Die Antworten müssen formell dem § 307 StPO, entsprechen.
Danach muß die Bejahung
von Hauptfragen, Hilfssragen und Nebenfragen nach qua lifizierenden Umständen und nach der erforderlichen Eiusicht lauten
„Ja, mit mehr als 7 Stimmen"; die Ver
neinung lautet „Nein".
Bei Nebenfragen nach privilegieren
den Umständen und nach Strafaufhebungsgründen lautet
die Bejahung „Ja", die Verneinung „Nein, mit mehr als
7 Stimmen".
Die Nebenfrage nach mildernden Umständen
wird bejaht mit „Ja", verneint mit „Nein, mit mehr als
6 Stimmen".
Alles dies entspricht den Grundsätzen über
die Beantwortung der Schuld- und der Straffragen, oben
§ 35 II, StPO. 262 Abs. 1 und 2, GVG. 198 Abs. 1, StPO. 297 Abs. 2.
Im übrigen darf das Stimmen
verhältnis nicht ausgedrückt werden.
III. Auf einen korrekten Spruch ergeht das Urteil oder der Kassationsbeschluß, auf einen inkorrekten Wahrspruch
hat das Berichtigungs -oder Moniturverfahren, StPO. 309—312, zu folgen. Es setzt stets einen Ge richtsbeschluß voraus, der bis zur Urteilsverkündung ge faßt werden kann, § 309 Abs. 2.
Der Vorsitzende erteilt
die nötige Belehrung und fordert die Geschworenen auf,
sich in das Beratungszimmer zurück zu begeben, um dem gerügten Mangel abzuhelfen, Abs. 1. und sachliche Mängel zu unterscheiden.
in der Form nicht vorschriftsmäßig, 3 Etwa: nicht neben den Fra gen niedergeschrieben, oder nicht unterzeichnet, oder nicht mit Verwendung von Ja und Nein, oder mit unzulässiger Angabe des Stimmenverhältnisses, z. B.
Dabei sind formelle 1. Ist der Spruch so ist ihm lediglich
Ja, einstimmig. Oder bei einer Nebenfrage aus StGB. 157: Ja, mit mehr als 6 Stimmen, RG. 11,42. Oder, bei der Frage nach mildernden Umständen: Nein, mit mehr als 7 Stimmen;
Der Wahrspruch der Geschworenen.
K 97.
387
die gesetzliche Form zu geben; eine sachliche Änderung darf
nicht vorgenommen werden, StPO. 309. 310.
2. Bei sach
lichem Mangel des Spruches sind die Geschworenen an keinen Teil ihres früheren Spruches gebunden, StPO. 309. 311.
Sie können also nicht nur die mangelhafte Antwort
abändern, sondern auch die Antworten aus alle übrigen
Fragen, selbst wenn diese eine andere Tat oder einen andern Täter betreffen.
Das Stadium der Beratung ist also da
mit aufs neue eröffnet.
Der Spruch leidet an einem sach
lichen Mangel, wenn er a) undeutlich^
oder b) unvoll
ständig,'* oder c) sich widersprechendist. RG. 32, 373 will hierin überbaupt keinen Mangel sehen. Oder, nachdem der erste Spruch auf Ja gelautet und Berichligungsverfahren angeordnet, wird beim zweiten Spruch kein neues Ja hingeschrieben, RG. 4, 123. 4 Wenn zweiselhast ist, was die Geschw. sagen wollen, oder ob sie die Fragen verstanden haben. RG. 9, 107: Ja mit 7, Rein mit 5 Stimmen. RG. 2, 361: Frage aus StGB. 154, Antwort: Meineid, Ja mit mehr als 7 Stimmen; wissentlich, Rein. Die übrigen Merkmale schwebten dadurch in der Lust; ähnlich RG. 7, 194. 11, 103. In RG. 7, 434 war mit „eventuell" ge fragt worden, ob S. 380 Anm. 20. Das halten die Geschworenen falsch aufgefatzt, wie aus den mündlichen Erklärungen hervor ging, mit denen der Obmann die Verkündung unterbrach. RG. 35, 284: Bejahung von Mord und von mild. Umft Hier war aber auch falsch gefragt worden, cf. ob. S. 384, Anm. 36.
5 Eine Frage ist ohne Antwort geblieben, RG. 27, 412; selbst wenn dies auf die falsche An weisung des Vorsitzenden ge schah, RG. 24, 302. Oder die gebotene Angabe des Stimmen verhältnisses ist unterbleiben, die Hauptsrage schlankweg mit Ja, die Frage nach mildernden Um ständen mit Rein beantwortet, RG. 4, 123. 23, 402. 31, 425; a. M. in diesem Punkte B e l i n g. 6 Beispiele: RG. 4, 278, Frage I: Kindesmord, StGB. 217? Ja, mit 7 gegen 5 Stim men; Frage II: mildernde Um stände? Ja, mit mehr als 7 Stimmen. Es lag innerlicher Widerspruch von I und Wider spruch zwischen I und II vor. RG. 5, 155, Fragen: I. Schul dig nach StGB. 174 Z. 1? II. mildernde Umstände? HI. Schuldig durch dieselbe Hand lung nach StGB. 176 Z. 1? IV. Mildernde Umstände? V. Schuldig durch dieselbe Hand lung nach StGB. 176 g. 3. VI. Mildernde Umstände ? Antworten
388
Abschn. II.
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarien.
IV. Der neue Spruch wird ebenso wie der alte,
von diesem unterscheidbar, niedergeschrieben;
der frühere
Spruch muß ebenfalls erkennbar bleiben, StPO. 312, da mit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob das Moni-
turverfahren nötig war. § 98.
schöffengerichtliche Verfahren. Kries § 64 I.
I. Im allgemeinen. Eine Voruntersuchung findet nicht statt, StPO. 176 Abs. 3. Die Anklageschrift, welche keine Ermittlungsergebnisse (S. 299) enthält, wird in reinen SchGSachen beim AR., in Überweisungssachen bei der StK. eingereicht, StPO.
197.198; dem Angejchuldigten wird sie nicht mitgeteilt, StPO. 199 Abs. 4. Für das Zwischenversahren gelten keine Besonderheiten; doch vgl. StPO. 209 Abs. 1 S. 2. 207 Abs. 2, ob. L. 302 Anm. 2. Zustellungen und Ladungen kann der AR. unmittelbar veranlassen, StPO. 36 Abs. 2, und dies ist in der Praxis die Regel. Wird der AR. abgelehnt und hält er das Gesuch für begründet, so be-
(kurz): I. Ja, II. Ja, III. Rein, IV—, V. Ja, VI. Rein. Wider spruch zwischen II und VI, doch war schon die Fragestellung un korrekt. RG. *28, 343, Fragen: I. Ist A schuldig, in Gemeinschäft mir B den X mißhandelt zu haben'? II. Ist B schuldig, in Gemeinschaft mit A den X mißhandelt zu haben? Antworten: I. Nein, II. Ja. Widerspruch zwischen beiden. Zustimmend Kries 629 für den Fall, daß der Name des Angestisteten in die den Anstister betreffende Frage ausgenommen wird, und die Geschworenen beim Täter mit Nein, beim Anstister mit Ja antworten. A. M. B.-B.
565 Anm. 10. Kein Wider spruch lag nach RG. 27, 392 in folgendem Falle vor: Ein Ju gendlicher ist wegen Beihilfe zur Notzucht angeklagt: Fragen: I. StGB. 176 Z. 1, 49? II. Ein sicht? III. mildernde Umstände? Antworten: I. Ja, II. Nein, III. Ja. Aehnlich RG. 2, 95. 10, 315: konstituierende Merk male wurden verneint, aber mildernde Umstände bejaht. Da gegen von Kries, Beling, s. oben Anm. 2. Stenglein, Komm. § 305 N. 3 stimmt dem RG. zu. Ebenso lag kein Wider spruch vor RG. 1, 263, 6, 318. 33, 286.
Tas schösfengerichtliche Verfahren,
g 98.
389
darf es feiner Entscheidung; andernfalls entscheidet die StÄ-, StPO. 27 Abs. 2. Über Ausschließung und Ablehnung Don Schossen beschließt der AR. StPO. 31 Abs. 2 S. 1. In der Hauptverhandlung bestimmt das Gericht selbstherrlich den Umfang der Beweisaufnahme (StPL. 244 Abs. 2, die beiden Regeln S. 317, 320 gelten nicht) und braucht sich vom Eittgehen auf neue recht liche Gesichtspunkte niemals durch den Angeklagten abhalten zu lassen (StPL. 264 Abs. 5). Schließt die Hauptverhandlung mit einem Verweisungsbeschluß wegen sachlicher Unzuständigkeit, so ist dem Angeklagten eine Frist zu Beweisanträgen zu setzen (StPO. 270 Abs. 4, oben S. 328 Sinnt. 7). Das Urteil bedarf der Unter schrift der Schöffen nicht, StPL. 275 Abs. 2. Nur in SchGSachen hat das Rechtsmittel der Berufung seinen Platz, StPL. 354 ff., uns. § 90: die Anrufung der dritten Instanz ist durch StPL. 380 stark beschnitten (S. 355). Die Wiederaufnahme aus Grund von Nova ist erschwert (StPL. 399 Z. 5, S. 361 Anm. 3). Eine Vermögensbeschlagnahme als Gestellungsmittel ist nur in Überweisungsjachen zulässig (StPO. 332, S. 280 Anm. 1). II. Speziell in Übertretungssachen. Auch wenn eine
Anklageschrift eingereicht wird (vgl. uns. §§ 99. 100), braucht nie mals ein förmlicher Erösfnungsbeschluß gefaßt zu werden, StPO. 211 Abs. 1: Anberaumung des Hauptverhandlungstermins ge nügt. Auch in der Berufungsinstanz ist das Gericht frei hinsicht lich der Beweisaufnahme und des Eingehens auf neue rechtliche Gesichtspunkte, StPO. 244 Abs. 2. 264 Abs. 5. Für alle Über
tretungen, außer beit K orrektionshaft- Sachen (StGB. 361 Z. 3—8) gilt ferner: Verhaftung ist nur gegen besonders unsichere Per sonen statthaft «StPL. 113, S. 268); der Angeklagte kann nach uns. § 79 S. 308 bb oder ec geladen werden, er kann sich (S. 202 oben) vertreten lassen, es kann alsdann bei seinem Ausbleiben ver handelt werden (S. 310, II 2); auch ist stets Dispens vom Er scheinen wegen großer Entfernung zulässig (S. 310, II 3), StPO. 231. 232. 233. Endlich kaun, soweit nur Geldstrafe angedroht ist, auch gegen den „Abwesenden" im technischen Sinn verhandelt werden, StPO. 319.
Abschn. II.
390
Kap. I.
Ordentliche Prozeßarten. § 99.
Vas abgekürzte schöffengerichtliche Verfahren. Kries § 64 II. Birkm. § 106.
B.-B. § 109 VI 1.
Bind. § 109.
StPO. 211 Abs. 1 gibt die Möglichkeit an die Hand, ohne
schriftliche
möglicherweise
und
Anklage
sogar
Hauptverhandlung
ohne
vor
ohne
Eröffnungsbeschluß, Verfahren
vorbereitendes
dem
SchG,
zu
schreiten.
zur
Diese
Möglichkeit besteht in 3 Fällen: 1. wenn der Beschuldigte sich freiwillig stellt; 2. wenn er infolge einer vorläufigen
Festnahme dem Gericht vorgeführt wird; 3. wenn er nur wegen Übertretung verfolgt wird. Immer muß ein reines SchGDelikt vorliegen, das aber in den Fällen 1 und 2
In diesen beiden Fällen findet
auch Vergehen sein kann.
keine Ladung des Angeklagten statt, der wesentliche Inhalt der Anklage (die also mindestens mündlich erhoben wird) ist in das Sitzungsprotokvll aufzunehmen.
Ist Fall 1 und
2 nicht gegeben, wohl aber Fall 3, so findet Ladung statt (oben tz 79), und der Inhalt der Anklage wird in dieser
mitgeteilt.
In den Grundsätzen der Verhandlung und der
Rechtsmittel besteht kein Unterschied gegenüber dem gewöhn lichen Verfahren, soweit nicht unser 8 98 II gilt.
§ 100. Las verfahren vor dem Amtsrichter. Kries § 64 III.
Eine
noch
Birkm. § 106.
B. B. § 109 VI 2.
weitere Vereinfachung
des
Bind. § 109.
in 8 99
ge
schilderten Verfahrens ist nach StPO. 211 Abs. 2 dadurch möglich, daß
keine Schöffen hinzugezogen werden.
Hier
entscheidet der AR. allein und, ohne daß er einen regel rechten Sitzungstag abzuwarten braucht, Es
müssen aber folgende 4
auf der Stelle.
Voraussetzungen
zusammen-
Das Verfahren in Reichsgerichtssachen.
K 101.
391
treffen: 1. der Beschuldigte wird infolge einer vorläufigen Festnahme vorgeführt; 2. er wird nur wegen Übertretung verfolgt; 3. er gesteht die Tat ein; 4. der Amtsanwalt
stimmt zu.
Tie Verhandlung ist die gewöhnliche, steht
namentlich unter der Regel der Öffentlichkeit; auch Beweis
aufnahme, z. B. über Strafzumessungsgründe ober über die Glaubwürdigkeit des Geständnisses, ist nicht ausgeschlossen.
Widerruf des Geständnisses
macht jedoch
die Zuziehung
von Schöffen notwendig; desgl. eine Vertagung, weil dann
für die neue Hauptverhandlnng die Voraussetzung zu 1 nicht mehr zutrifst. 8 KULas verfahren in Nrichsgerichtssachrn. I. Wegen der Zuständigkeit s. £ 25 A. IV, 3. 97; wegen der Stellung des Lberreulisanwaltes £ 35 III, 3. 176. II. Voruntersuchung ist notwendig, StPO. 176 91 bi. 1. Der Untersuchungsrichter, nötigenialls auch ein Vertreter, tvird durch den RGPräsidenten für die einzelne Sache auf Anregung des Reichsanwalts besonders beüellt, StPO. 184. Dazu kann ausge wählt werden ein Mitglied des RG. oder ein Mitglied eines andern deutschen (Berichts oder ein AR. Während der VU. und des Zwischenversahrens werden die StKGeschäste durch den ersten Strafsenat erledigt, 0'>VG. 138 Abs. 1. III. Die Verteidigung ist stets eine notwendige, StPO. 140 Abs. 1. Den Verteidiger bestellt während des vorbereitenden Ver fahrens (wenn nötig) auch hier der AR., StPO. 144 Abs. 1 S. 2; während der VU. und des Zwischenverfahrens der Prä sident des ersten Strassenats, StPO. 144 Abs. 1 S. 1. IV. Das Hnuptversahren, insbesondere die Hauptverhandlung findet vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate nach den gewöhnlichen Regeln, auch der des § 244 Abs. 1 StPO. (S. 317 ff.) statt, GVG. 138 Abs. 2. Besetzt ist das Gericht mit elf oder mit dreizehn stimmberechtigten Räten (GVG. 139. 140); die Zweidrittel-Majorität beträgt 8 bzw. 9.
Abschn. II.
392
Kap. II.
Außerordentliche Prozeßarten.
Zweites Kapitel.
Außerordentliche Prozeßarten.
8 102.
Las summarische Verfahren nach StpG. 265. Kries § 69 V. Birkm. S. 114, 629. BB. § 111 II, § 113 I. Ullm. § 112 VI. VII. Bind. § 101.
Bereits in § 85 II ist erwähnt, daß der Angeklagte,
der im Laufe der Hauptverhandlung*1 noch Tat beschuldigt wird,
einer andern
als der im Eröffnungsbeschlusse be
zeichneten, wegen dieser andern Tat mit abgeurteilt werden kann,
obwohl die Identität der Tat nicht mehr gewahrt
ist, StPO. 265, MilStGO. 319.
Es wird also hier mit
der ursprünglichen Strafsache eine neue Strafsache oer< bunden, die aber nur ein Vergehen oder eine Übertretung
betreffen darf.
Ohne Vorverfahren und Zwischenverfahren
tritt die neue Sache sogleich in das Stadium der Haupt verhandlung, — ein eigener Schnellprozeß (bei dem manche
Schriftsteller von Zusatzanklage oder Jnzidentanklage sprechen).
Das Gericht der ursprünglichen Sache ist für die neue stets örtlich zuständig (sonnn connexitatis, § 26 V, S. 110);
sachlich muß es zuständig sein entweder nach der regulären
Verteilung
oder durch
S. 91, 102).
Zusammenhang (§ 25 A, B II,
Die Staatsanwaltschaft muß einen Antrag
auf die verbundene Aburteilung stellen, — darin liegt die Klagerhebung in der neuen Sache?
Ter Angeklagte muß
1 Gleichviel vor welchem Ge- I 369 Abs. 3a. E. Beling,B. B. 576. Löwe-Hell weg Note 11. richt. DaS SchwG. ist nicht aus genommen, wie Dalcke (Lil. zu RG. 12, 164. 2 Die neue Sache darf also § 96) S. 88 meint. — Aber es noch nicht rechtshängig sein, muß selbstverständlich ein Gericht Löwe-Hellweg Note 3. I. Instanz sein, auch nach StPO.
Tas Verjähren gegen Abwesende.
K 103.
393
zustimmen,' — damit werden wichtige Verfahrensvorschriften
wie dispositives Recht behandelt. Vor dem SchG, ist die Zustimmung gleichgültig, wenn die neue Sache eine Über
tretung betrifft, weil sich hier die Bestimmung StPO. 211
Abs. 1 mit der des § 263 kreuzt. im Ermessen des Gerichts;
Tie Verbindung steht
das Gericht
muß
sich
also
hierin liegt das Analogon
darüber schlüssig werden,
des Eröffnungsbeschlusses: individualisierende Bezeichnung der Tat und Angabe des Strafgesetzes wird auch hier zu
Endlich verlangt das Gesetz, daß beide
erfordern sein.
Sachen Gegenstand derselben Aburteilung werden.
Daraus folgt: 1. Tie neue Sache darf nur durch Urteil
(auch aus Einstellung) erledigt werden, nicht durch Beschluß nach StPO. 270.
In diesem Fall wird vielmehr die Ver
bindung wieder ausgehoben, und es ist normales Vorver
fahren und regelrechte Anklage nötig.
2. Ist die ursprüng
liche Sache spruchreif, die neue nicht, so wird ebenfalls die
Verbindung mit allen Wirkungen annulliert.
8 103. Las verfahren gegen Abwesende. Kries § 79 I-III.
Bukin. § 112 I—IV. 8 124.
B.-B. 8 151.
U(lm.
Bind. 8 HO.
1. Über den Begriff des Abwesenden s. StPO. 318,
oben
2.
279.
Gestellung des
Von
den
Abwesenden
beiden
Maßregeln,
einzuwirken
(sicheres
auf die Geleit
und Vermogensbeschlagnahme), ist in §§ 68. 69 die Rede
gewesen. 3 nicht blos; sich passiv verdiese Meinung jetzt aufgegeben Hallen, wie RG. 4, 76 vermeinte: I (Urt. v. 2. Jan. 1900 im Arch. doch hat der II. StScn. selbst | für StR., Bd. 47 S. 154).
Abschn. II.
394
Kap. II.
Außerordentliche Prozeßarten.
II. Eine Hauptverhandlung kann nur stattfinden,
wenn
lediglich
Geldstrafe
kommt/ StPO. 319.
(oder
Einziehung)
in Frage
Dann muß sie aber auch stattfinden?
Der Angeklagte wird entweder durch Auslandszustellung (S. 151 f.) oder aushilfsweise
durch öffentliche Zustellung
nach den speziellen Vorschriften der §§ 320
321 (An
heftung an die Gerichtstafel/ Einrückung in das amtliche
Blatt und nach Ermessen auch dreimal in ein anderes, ein Monat Zwischenfrist) geladen?
hörige können auftreten
Verteidiger
und Ange
und zwar als Vertreter,"
haben Rechtsmittel, StPO. 322. 324.
und
Die Zustellung des
Urteils erfolgt merkwürdigerweise stets, nicht bloß aushilfs weise, nach StPO. 40 Abs. 2, vgl. S. 152, StPO. 323.
476.7 — Eine besondere Vollstreckungssicherung, vgl. § 59
V, sieht StPO. 325. 326 vor; zur Deckung der even tuellen höchsten Geldstrafe und der Kosten kann während 1 StGB. 145, 145a, 276, 285 — die einzigen Vergehen dieser Art im StGB. Ferner StGB. 364. 365 Abs. 1. Ge werbe-Odg. 146—150. Zahl reiche Steuergesetze. 2 Keine Ausnahme vom Le galitätsprinzip, so S t e n g l e i n, L ö w e H e l l w e g, Ullmann, Birkmeher, B e l i n g und die HM. Tas Gericht muß auch eröffnen, oben § 78 Anm. 3. * RG. 32, 306. 4 Dies ist die eigentliche La düng. Die Einrückung ist nur Bekanntgabe der Ladung und erfolgt nur „im Auszug".' Eine Bekanntgabe durch Einrückung, ehe die Anheftung wirklich er folgt ist, muß daher für nichtig erachtet werden. Oder m. a. W.,
I ! i i ! j ! j
i ' ! i ;
die Anheftung muß spätestens gleichzeitig mit der ersten Einrückung erfolgen. So Dalcke, Stenglein u. a., dagegen Löwe-Hellweg, 51 2Tas * 4 Verhältnis zu StPO. 231 ist zweifelhaft, vgl. § 80 II 2. StPO. 231 gestattet das Absenzversahren für einen grvfieren Kreis von Delikten, ver langt aber wirkliche Ladung. 6 oben § 45 V, S. 202. § 38 III, S. 169 Anm. 12; z. T. abweichend B.-B. 676, Löwe-H. Note 1 und 4 zu § 322. 7 Die Billigkeit spricht dafür, dem Angeklagten hier ebenso wie im Falle der StPO. 234 die Wiedereinsetzung zu gcken. oben § 94. So die meisten StPO, schweigt.
Das Verfahren wegen Verletzung der Wehrpflicht.
§ 104.
395
der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens eine Be schlagnahme einzelner Gegenstände, subsidiär auch des in ländischen Vermögens stattfinden? III. Ist Hauptverhandlung unstatthaft, so findet ein Beweissicherungsverfahren statt, StPO. 327, oben S. 252,89 Erhebung öffentlicher Klage wird unbedingt, Ob schweben der Voruntersuchung als Regel vorausgesetzt, vgl. StPO. 336. 331. Ein Verteidiger kann vom Ange schuldigten oder seinen Angehörigen gewählt werden. Es steht im Ermessen des Gerichts, sich mit dem Beschuldigten in Verbindung zu setzen, StPO. 329. 330.30
§ 104. DaN Verfahren wegen Verletzung -er Wehrpflicht. Kries § 79 IV. Birkm. § 112 V. B.-B. § 151, I 7. Ullm. § 125.
Ein Sondersall der in § 103 besprochenen Prozeßart ist das Verfahren gegen flüchtige oder ausgewanderte Wehr pflichtige, vor dem SchG. (StGB. 360 Z. 3) und der StK. (StGB. 140). Hier gelten nach StPO. 470—476 außer den allgemeinen folgende besondere Sätze: 1. Das Gericht des letzten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufent haltsortes ist zuständig, StPO. 471 Abs. 1. 2. Unge trennte Verhandlung und Entscheidung gegen mehrere Per sonen ist zulässig, StPO. 471 Abs. 2, wofern nicht in 8 Das gleiche gilt für den Fall des 040 Abs. 3 StGB., s. StPO. 480. — Die subsidiäre Maßnahme erfordert Gerichts beschluß, der UN. ist also in kompetent. 9 Der' MilitärStrProz. kennt nur dieses, keine Hauptverhand lung gegen Abwesende, MilSt-
GO. 356 -362. 10 Ist sein ausländischer Auf enthalt bekannt, durch formlose Benachrichtigung. Ist sein Auf enthalt unbekannt, durch Zeitungsinserat. 1 Daher finden §§ 322. 324 StPO, auch hier Anwendung, RG. 36, 82. 242.
396
Abschn. II.
Kap. II.
Außerordentliche Prozeßarten.
einer Sache Beweisaufnahme nötig wird, Abs. 2.
StPO- 475
3. Anklage und Eröffnungsbeschluß erfolgen ohne
sachliche Prüfung auf Grund einer durch StPO. 472 vor geschriebenen Erklärung der militärischen Kontrollbehörde.
4. Ladung erfolgt nach StPO. 473.
5. Außer der Ver
lesung der Erklärung zu 3 findet in der Regel keine Be
Weisaufnahme statt.
Ergeben sich (was von Amts wegen
zu prüfen ist) keine Umstände, welche dieser Erklärung ent
gegenstehen, so erfolgt ohne weiteres Verurteilung, - StPO.
475 Abs. 1, vgl. S. 79 § 21 in 1.
§ 105. Das Strafbefehlsverfahren. Kries § 82. Birkm. § 107. B. B. § 147. llfim. §§ 132. 133. Bind, z 111 des. III A. Friedländer, Zeitschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 18 S. 495 fs., 667 ff.
I. Bei den SchGDelikten des GVG. 27 Z. 1 und 2 (S. 91 Anm. 1) gestattet StPO. 147 ff., den Versuch einer Erledigung
ohne
Hauptverhandlung zu machen.
Dieses
Verfahren wird mit dem Strafversügungs- und dem Stras-
bescheidsverfahren oft als strafprozesiuales Mandats- oder Mahnverfahren,
auch
summarisches
Strafverfahren
zu
sammengefaßt und ist in MilStGO. 349—355 ebenfalls
ausgenommen (Strafverfügung des Gerichtsherrn unter Gegenzeichnung eines Gerichtsoffiziers oder eines Kriegs gerichtsrates).
Der
AR.
2 Sllfo in dubio contra reum! Es ist unzulässig, bloße Behauptungen des Verteidigers oder Vertreters als „unwiderlegt" zu bezeichnen und aus sie eine Freisprechung zu basieren, RG. 36,
kann durch einen
schriftlichen
242. Erst recht nicht kann die i bloße Erwägung anderer Mög | lichkeiten durchschlagen, z. B. ; daß guter Glaube des AuSaewanderten nicht ausgeschlossen | sei, RG. 20, 200.
Das Strafbefehlsverfahren.
§ 105.
397
Strafbefehl Geldstrafen bis zu 150 Mk. oder Freiheits
strafen biv zu 6 Wochen, sowie Einziehung feftfefeen.12 JL Voraussetzung ist ein schriftlicher Antrag des AmtsnmüQÜcv aus eine bestimmte Strafe,
S. 1.
StPO. 448 Abs. 1
.hierdurch wird die öffentliche Klage erhoben. Der
AR. erläßt darauf entweder den Strafbefehl^ oder er er
öffnet i)nv Hauptverfahreu und setzt Termin an/ oder er
erläßt einen Nicht-Eröffnungsbeschluß?
Tie Mußerforder
nisse des Strafbefehls gibt StPO. 449 an.
111. Ter einzige Behelf" gegen den Strafbefehl ist der Einspruch.
Er wird eingelegt schriftlich
oder proto
kollarisch, bei dem AG., binnen 1 Woche seit Zustellung,
StPO
HO Abs. 1
a. E.; Verzicht vor Fristablaus ist
1 Nicht Geld- und Freiheits strafe kumulativ, wie die andere Fassung »„allein oder tu Ver bindung miteinander"» von GVG. 27 Z. 2, 73 3- 2, 75 Z. 14, StPO. 231, 232 usw. beweist, st. M. Löwe-Hellweg, Stenglein, Friedländer -st. st.' O. Bd. 18 S. 499). Auch bei Nealkonkurrenz nicht höhere Strafe, a. M. Stengleist, B e l i n g. Ueber Weisung an die Landespolizei behorde ist unstatthaft, StPO. 447 Abs. 3. Anordnung öffent licher Bekanntmachung ist statt haft nach § 16 NahrungsmittelG. und einigen anderen Gesetzen. Da hür ' ein Versuch gemacht wird, die Hauptverhandlung durch ein schriftliches Vorgehen zu ersehen, so muß an sich die HauPUerhandlung zulässig sein. Gegen „Abwesende" kann des halb» nrr im Falle StPO. 319 loben 103 II) ein Strafbefehl ergehen. Die Meinungen gehen
stark durcheinander, vgl. LoweHeltweg Note 4. - Ganz haltlos sind die u. a. von U l l tu st ii n und Birkmeyer geäußerten Zweifel über die Zulässigkeit eines Strafbesehls gegen Jugendliche unter 18 Jahren. Dies gibt jetzt auch Löwe-Hellweg, 11. Ausl., 8 447 Note 5, zu. 3 Wenn er keine besondere Bedenken hat, muß er dies tun, StPO. 448 Abs. 2 S. 2. 4 Wenn das Bedenken in der Strafhöhe besteht, ist vorerst Verständigung mit dem Amts anwalt zu versuchen, StPO. 448 Abs. 2 S. 2. 6 Vorher ist auch ein Beschluß nach StPO. 200 möglich; a. M. Löwe-Hellweg, Stenglein. 6 Stenglein und Fried länder (ii. st. O. S. 696) folgern aus StPO. 450 auch die Zulässigkeit einer Wtederaufnahnte.
statthaft, Abs. 2. Zurücknahme ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung zulässig, StPO. 451 Abs. 1 a. E. Ein Rechtsmittel ist der Einspruch nicht.' IV. Wird nicht rechtzeitig Einspruch erhoben und ist Wiedereinsetzung ausgeschlossen, so erlangt der Strafbefehl die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, StPO. 450; davon oben § 87 S. 337 Anm. 12. V. Bei rechtzeitigem Einspruch wird zur Haupt Ver handlung geschritten. Doch kann auch der Amtsanwalt die Klage fallen lassen, StPO. 451 Abs. 1 (S. 71- Nr. 4). Der Angeklagte braucht nicht selbst zu erscheinen, sondern kann einen Verteidiger schicken (StPO. 451 Abs. 2, S. 202), doch gilt StPO. 235 auch hier. Bleibt er unent schuldigt und unvertreten aus, so ergeht ohne Beweisauf nahme ein echtes Kontumazurteil: der Einspruch wird ver worfen, StPO. 452 Abs. 1. Im übrigen ist das Gericht an den Strafbefehl nicht gebunden, StPO. 451 Abs. 3, und darf auch in pejus reformieren. VI. Gegen das Urteil hat der Angeklagte die gewöhn liche Berufung und gegen das Kontumazurteil außerdem die Wiedereinsetzung, bis auf den Fall des § 452 Abs. 2, oben § 94 S. 370.78 7 oben 88 I. S. 338 f. Da her sind auf ihn weder § 338, noch § 340, noch § 341 anwend bar , vgl. Löwe-Hellweg, § 449 N. 3. § 451 N. 3; Beling, B.-B. 660 Anm. 26; ersterer z. T. abweichend, aber nur aus Billigkeitsgründen und wie derum inkonsequent durch will kürliche Einschränkungen. 8 Im Falle StPO. 452 Abs. 2 gibt es also nur die Berufung,
u. zw. in ganz gewöhnlicher Art, so mit Recht Beling, B.-B. 662 Anm. 36. Daß die. Be rufung nur auf die Behauptung gestützt werden dürfe, daß der Einspruch zu Unrecht verworfen sei, daß also der Fall der Ver säumung nicht vorgelegen habe, steht wohl für ganz andere Fälle in CPO. 513 Abs. 2, aber nicht mit einer Silbe in der StPO. Es widerspricht auch dem Geist
Das Strafverfügungsverfahren.
399
§ 106.
§ 106.
Das Strafverfügungsverfahren. Kries § 83. Birkm. § 108. B.-B. § 148. Ullm. §§ 134. 135. Bind. § 111, III B. Levis, Zeitschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 19 S. 319 ff.
I. Eine zweite Art des Mandatsverfahrens im Straf
prozeß
ist die
richterlicher
Ausübung
Polizeibehörden (oben § 40 III). recht dies zuläßt/
Funktionen
durch
Soweit das Landes
erstrecken sich solche Funktionen auf die
Verhängung von Haftstrafe bis zu 14 Tagen, Geldstrafe, subsidiärer Haftstrafe bis zum gesetzlichen Höchstmaß und Einziehung wegen Übertretungen, StPO. 453 Abs. 1 und
2, mit Ausnahme der durch die Presse begangenen Über
tretungen, PreßG. § 29.
Die Mußerfordernisse der Straf
verfügung s. in Abs. 3. II. Der Strafverfügung kommt in einer Beziehung gleiche Wirkung zu, wie einer richterlichen Handlung: sie
unterbricht die Verjährung, StPO. 453 Abs. 4.
Im üb
rigen begründet sie weder Rechtshängigkeit, noch (wenn sie
in Vollstreckbarkeit oder formelle Rechtskraft erwachsen ist)
materielle Rechtskraft. III. Das administrative Einschreiten stellt nur einen Vorprozeß dar (§ 11 I. II C). des Strafverfahrens. . LöweHellweg Note 3 meint aller dings, es sei „unerfindlich", warum der Gesetzgeber die Er örterung der Sache selbst in der I. Instanz ausschließen, in der II. zulasten sollte. Aber es scheint mir auf der Hand zu liegen, daß eben den doppelt Morosen der Nachteil treffen
Als Behelf gegen die
soll, eine Instanz zu verlieren, — und dann natürlich die I. In stanz. 1 EG. z. StPO. 6 Z. 3, Preuß. G. vom 23. April 1883. Danach in Preußen beschränkt auf höchstens 3 Tage Haft oder 30 M. Geldstrafe, auch subsidiär nur 3 Tage Haft.
400
Abschn. II.
Kap. II.
Außerordentliche Prozeßarien.
Strafverfügung läßt das Reichsrecht, in diesem Punkte die
Landesgesetze bindend,
den Antrag auf gerichtliche Ent
scheidung, vulgo: Widerspruch zu.
Er wird eingelegt
schriftlich oder mündlich bei der Polizeibehörde, schriftlich
oder zu Protokoll beim AG., binnen 1 Woche seit Be kanntmachung, und ist zurücknehmbar bis zum Beginn der Hauptverhandlung, StPO. 453, 454 Abs. 1, 456 Abs. 2.
Gegen
Versäumung der Widerspruchsfrist
ist Wiederein
setzung durch den AR. möglich, StPO. 455, S. 368, II.
Auch
der Widerspruch ist kein Rechtsmittel." — Das Landes recht kann neben dem Widerspruch auch eine Beschwerde
an die höhere Polizeibehörde zulassen (in Preußen nicht
geschehen).
IV.
Bei
rechtzeitigem
Widerspruch
ist
zunächst
die
Polizei nochmals vor die Frage gestellt, ob sie die Ver
fügung zurücknehmen will, StPO. 454 Abs. 2.
Sie gibt
dies Rücknahmerecht endgültig aus der Hand,-^ indem sie die Akten dem Amtsanwalt übersendet, der, lediglich als Zwischenstation, sie dem AR. vorlegt.
Ohne Anklageschrift4
und Eröffnungsbeschluß 6 kommt es dann zur gewöhnlichen
schöffengerichtlichen Hauptverhandlung, StPO. 456 Abs. 1. 457 Abs. 1.
Der Angeklagte kann sich durch einen
Verteidiger vertreten lassen, StPO. 457 Abs. 2, S. 202. Bleibt er unentschuldigt aus, so wird er nicht (wie nach
1 Ungültig daher § 3 Abs. 2 des preuß. G. vom 23. April 1883, wonach für einen Jugend lichen zwischen 12 und 18 Jahren auch dessen gesetzlicher Vertreter den Widerspruch ergreifen kann. • So mit Recht die HM., da gegen Levis.
4 deren Surrogat ist die Straf verfügung. 6 denn das Gericht wird aus Anrufen des Beschuldigten und nicht der StAnwfchast tätig. Richtig Löwe-Hellweg, Komm. § 456 N. 3.
Das Strafbescheidsverfahren.
K 107.
401
StPO. 452) kontumaziert, sondern es gelten die gewöhn
lichen Regeln, vgl. S. 310 Nr. 2.
V. Das Urteil kann die Strafe abändern, auch er höhen; es kann auch die Tat als eine andere Übertretung qualifizieren; es kann aber in keiner Weise über sie ab urteilen, wenn es sich herausstellt, daß die Polizei bei der
Strafverfügung ihre Kompetenz überschritten hat, StPO.
457. 458.
Die Kraft der