Der Reichs-Strafprozeß [2., verrm. und verb. Aufl. Reprint 2020] 9783111523866, 9783111155456


176 43 29MB

German Pages 464 [468] Year 1905

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Druckfehlerberichtiguug
Abkürzungen
Erstes Buch. Einleitung
Zweites Buch. Allgemeiner Teil
Drittes Buch. Besonderer Teil
Anhang
Sachregister
Paragraphenregister
Recommend Papers

Der Reichs-Strafprozeß [2., verrm. und verb. Aufl. Reprint 2020]
 9783111523866, 9783111155456

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Lehrbücher des

Deutschen Nerch5rechtrA. II.

Der Neichs-Strafprozeß. Von

Dr. Grnst Heinrich Aosenfetd.

Zweite Auflage.

Berlin 1905.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Der

Neichs-StrafproM Von

Dr. Ernst Heinrich Rosenfeld, c. ix Professor zu Münster i. W.

Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage.

Berlin 1905.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Usrwsrt zur zweiten Auflage. Daß schon nach drei Jahren eine neue Auflage nötig

geworden ist, beweist mir, wie dringend das Bedürfnis war, dem dieses Lehrbuch entgegenkommen wollte.

Um so

mehr mußte es mir am Herzen liegen, es seinem Zwecke dienlicher zu machen.

Bei

der Neubearbeitung hoffe ich

keine wichtige neue Erscheinung übersehen,

aber auch die

bisherige Literatur und

ausgenutzt

Judikatur

besser

zu

Ich bin auf mehr Kontroversen eingegangen und

haben.

habe vieles, deffen Mangelhaftigkeit ich empfand, ganz um­ gearbeitet.

allen

aus

Auch habe ich das lebhafte Bestreben gehabt, mir

bekannt

gewordenen

Besprechungen

des

Buches zu lernen.

Die

legislativen Fragen habe

seite gelassen:

sie mögen

ich auch diesmal bei­

im lebendigen Flusse des akade­

mischen Vortrages der schärferen Beleuchtung des Rechtes der Gegenwart dienen, aber sie sollen nicht in einem Lehr­

buch

die

objektive

Ruhe

der

Darstellung

unterbrechen.

Grundsätzlich herangezogen ist weit mehr als in der ersten

Auflage das Militärstrafverfahren und als neu die Judi­ katur des Reichsmilitärgerichtes.

Aber das Buch ist seinem

Charakter nach auf eine Darstellung des bürgerlichen Straf­ prozesses beschränkt geblieben.

VI

Vorwort zur zweiten Auflage.

Trotz der angedeuteten Vermehrungen des Stoffes hat eine Änderung des Satzes den Umfang des Ganzen etwas verringert.

Den Literaturangaben S. 32, 33 sei hier noch nach­ getragen, daß soeben nach wesentlichem Abschluß des Druckes

Bindings

Grundriß

in

5.

Auflage

erschienen,

auch

Bd. 57 der Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen herausgekommen ist. Möge das Buch in der neuen Gestalt seiner Aufgabe

in höherem Maße gewachsen sein: den Studierenden und

Lernenden mit Anschaulichtzit und Klarheit in diesen Zweig

der Rechtswissenschaft einzuführen, den Suchenden stets eine bestimmte und entschiedene Antwort finden zu lassen und womöglich auch dem Praktiker im Bedarfsfälle eine brauch­

bare Auskunft zu bieten. Münster, den 4. November 1904.

Ernst Heinrich Nosenfrld.

Inhaltsverzeichnis Krstes WucH

Erster Abschnitt.

KinkeiLung.

Historische Einleitung.

Seite I. Kapitel. Zur Geschichte des Strafprozesses . 1 £ 1. Der römische Strafprozeß.............................................. 1 I. Kognitionalverfahren und Anklageprozeß. II. Re­ publik. III. Quaestiones perpetuae. IV. Haupt­ züge. V. Kaiserzeit. VI. Delicta privata. £ 2. Das ältere deutsche Strafverfahren............................... 6 I. Rechtsgang und Fehdegang. II. Volksrecht und Königsrecht. III. Richter und Urteiler. IV. Be­ weismittel. V. Handhafte Tat. VI. Rügeverfahren. $ 3. Rezeption und Karolina.................................................... 11 I. Kanonisches Recht. II. Die italienische Praxis. III. Die Karolina. § 4. Der gemeine Jnquisitivnsprozeß bis ins 19. Jahrhundert 17 i. Allgemeine Kennzeichnung. II. Earpzows Be­ weislehre. III. Kodifikationen. IV. Kritik. § 5. Der reformierte deutsche Strafprozeß................................21 I. Das englische Recht. II. Das französische Recht. III. Das moderne deutsche Recht. II. K apitel. Quellen und Literatur des Reichsst r a f p r o z e s s e s................................................................... 27 8 6. Entstehungsgeschichte der Reichs-Strafprozeßordnung . 27 § 7. Die Quellen des geltenden StPRechts................................30 I CPQ. II. Reichsjustizgesehe. III. Früheres Recht. IV. Späteres Recht. V. Landesrecht. § 8. Literatur des StPRechts.................................................... 32

Dogmatische Einleitung.

LL

Zweiter Abschnitt.

I. Kapitel. Grundbegriffe des Strafprozesses . § 9. Begriff des Strafprozesses I. Begriff eines Prozesses. II. Das Charakteristi-

vni § 10.

§ 11.

§ 12.

Inhaltsverzeichnis. tum des Strafprozesses (S. 36). III. Ternünologisches (S. 41) Die enzyklopädische Stellung des Strafprozesses . . 42 I. Verhältnis zum materiellen Strafrecht (S. 43), II. zum Civilprozeß (S. 45), III. zu Justizver­ waltung und Polizeirecht. Arten des Strafprozesses................................................... 46 I. Gerichtlicher und administrativer StP. II. Ge­ meiner und partikulärer StP. III. Ordentlicher und außerordentlicher StP. Das Geltungsgebiet der Strafprozeßsätze .... 51 I. Sachliches» II. Zeitliches, III. Oertliches, IV. Persönliches Geltungsgebiet.

II. Kapitel. Die Grundsätze des Strafprozesses 54 8 13. Das Wesen der sog. Strasprozeßprinzipien.... 54 § 14. Die Oeffentlichkeit 55 A. Die Regel. B. Der Ausschluß der Oeffentlichkeit. C. Behandlung einzelner Personen. D. Un­ bedingt öffentliche und nicht öffentliche Akte. § 15. Die Mündlichkeit...................................................................59 § 16. Die Unmittelbarkeit............................................................. 61 § 17. Akkusatorisches und inquisitorisches Versahren. Offi­ zialprinzip ........................................................................64 § 18. Der Grundsatz der Staatsanklage.....................................68 | 19. Das Legalitätsprinzip.............................................. 70 § 20. Das Immutabilitätsprinzip............................................... 73 § 21. DaS Prinzip der materiellenWahrheit............................. 75 I. Suveränetät der Gerichte (S. 77). II. Freiheit des Gerichts (S. 78). III. Beweiswürdigung (S. 78 f.: 1. Beweisregeln, 2. Präsumtionen, 3. onus probandi. 4. Fiktionen). § 22. Prinzip der Laienbeteiligung.............................................. 81

Zweites

Allgemeiner Heil.

Erster Abschnitt.

Vas Erricht.

I. Kapitel. Die Gerich tskörper..........................................84 § 23. Die Gerichtsbarkeit..............................................................84 I. Arten der Gerichtsbarkeit. II. Staatliche Straf­ gerichtsbarkeit. III. Gerichtsgewalt, Gerichtszwang. IV. Reichs- und Bundesstaaten. § 24. Arten und Einteilungen der Gerichte................................88 I. Justiz und Verwaltung. II. Gerichte des Reichs

Inhaltsverzeichnis.

H 25.

§ 26.

§ 27.

IX

Seite und der Einzelstaaten. III. Doppelte Hierarchie der Strafgerichte. IV. Arten der Zuständigkeit. V. Geschäftsverteilung. Die sachliche Zuständigkeit.........................................................91 A. Reguläre Verteilung der Sachen: I. SchG. (S. 91), II. StK. (S. 93), III. SchwG. (S. 96), IV. RG. (S. 97). B. Verschiebung der regulären Verteilung: I. Ueberweisung (S. 98), II Zusantmenhang (S. 102), III. Irrtum bei der Anhängigmachung (S. 104). Die örtUche Zuständigkeit.......................................................105 I. Gerichtsstände, II. des Tatortes, forum delicti commissi (S. 106), III. des Wohnsitzes, f. domi­ cilii (S. 109), IV. der Ergreifung, f. deprehensionis (S. 110), V. des Zusammenhanges, f. connexitatis materialis (S. 110), VI. des Auftrags, f. delegationis s. mandati (S. 112), VII. der Bestimmung, f. decreti (S. 113), VIII. Konkur renz, Feststellung der Zuständigkeit (S. 115), IX. Gerichtsstand der Gefahr im Verzüge (S. 117). Die funktionelle Zuständigkeit............................................117 I. Im allgemeinen. II. Jnstanzenordnung.

II. Kapitel. Die Gerichts Person en.................................120 I. D ie Hauptpersonen. $ 28. Arten der Richter..................................................................120 I. Haupt- und Nebenpersonen. II. Berufs- und Laienrichter, Einzelrichter und Kollegium, erken­ nende und nichierkennende Richter/ Vorsitzender und Beisitzer. S 29. Die Fähigkeit des Berufsrichters zum Richteramt 122 I. Volle össentlichrechtliche Handlungsfähigkeit. II. Wissenschaftliche Qualifikation. III. Ausschließung. IV. Ablehnung. V. Ausdehnung des Ablehnungs­ verfahrens. £ 30. Schössen und Geschworene, insbesondere ihre Gewinnung 127 I. Fähigkeit. II. Wer soll nicht berufen werden? Wer darf ablehnen? III. Gewinnung der Schöffen für die einzelne Sache (Urliste, Ja'yresliste, Reihen­ folge, S. 129). IV. Gewinnung der Geschworenen für die einzelne Sache (Urliste, Vorschlagsliste, Jahresliste, Spruchliste, Bank, S. 133). § 31. Der Gerichtsschreiber............................................................ 135 I. Organisation. II. Funktionen. III. Fähigkeiten. IV. Folgen der Nichtmitwirkung.

X § 32.

Inhaltsverzeichnis. Seite II. Die Nebenpersonen............................................ 137 I. Gerichtsvollzieher. II. Gerichtsdiener.

III. Kapitel. Die Gerichtstätigkeit.............................139 § 33. Arten der Gerichtstätigkeit.............................................139 I. Beurkundung. Sitzungsprotokoll. II. Prozeß­ leitung, Sachleitung. Sitzungspolizei (S. 145). III. Entscheidungen. IV. Urteile. V. Sprachge­ brauch der StPO. § 34. Allgemeine Grundsätze über gerichtliche Entscheidungen 148 I. Anhörung der Parteien. II. Begründung. III. Bekanntmachung (1. Verkündung, "2. Zustellung). £ 35. Die Abstimmung in Kollegialgerichten........................ 152 I. Teilnehmer, Reihenfolge. II. Schuldsrage. III. Totalabstimmung oder nach Gründen? IV. Abstimmungsobjekte. V. Grundsatz der Wahrheit der Entscheidungsgründe. £ 36. Die Rechtshilfe.................................................................159 I. Notwendigkeit. II. Gesetzliche Grundlagen. III. Ablehnung. IV. Kosten. £ 37. Internationale Rechtshilfe.............................................162 I Konsuln. II. Arten von Rechtshilfehandlungen. III. Diplomatischer und direkter Verkehr. IV. Aus­ lieferung.

Zweiter Abschnitt. § 38.

Sie Parteien.

Allgemeines über die Parteien........................................166 L Partei, Parteisähigkeit, Prozeßsähigkeit. II. Parteivertreter, Parteirolle. III. Nebenparteien. IV. Betroffene.

I. Kapitel. Die verfolgende Partei..............................173 £ 39. Die Staatsanwaltschaft.................................................. 173 I. Ihre Parteistellung. II. Untergeordnete Geschäfte. III. Organisation. Einheitlichkeit. IV. Dienststellung. V. Zuständigkeit. VI. Gesetzliche Gehilfen. 40. Die Polizei im Strafverfahren........................................ 178 I. Hilssbeamie der Staatsanwaltschaft. II. Ermittlungshandlungen. Nacheile. III. Strafversügungsrecht. § 41. Der Privatkläger.................................................................181 I. Fälle. II. Berechtigte. III. Prozessuale Stellung. IV. Der Rechtsanwalt des Privatklägers. V. Wider­ kläger. VI. Objektives Verfahren. VII. Buße, Adhäsionsprozeß.

Inhaltsverzeichnis.

£ 42.

H 43.

XI

Seite Der Neben-Ankläger........................................................... 186 I. Scheidung der Nebenkläger in Neben-Ankläger und Butzkläger. Fälle der Neben-Anklage. II. Prozessuale Stellung des Neben-Anklägers. III. Der Rechtsanwalt des Neben-Anklägers. IV. Buße­ verlangen. Tie Verwaltungsbehörde......................................................191 I. Im vorbereitenden Verfahren. II. Strafbescheid. III. Anklageerhebung. IV. Neben-Anklage.

II. Kapitel. DieversolgtePartei......................................193 Z 44. Der Angeklagte......................................................................193 I. Partei und Unterjuchungsobjekt. II. Erschei­ nenszwang. III. Vernehmung. $ 45. Der Verteidiger...................................................................... 196 I. Notwendige, entbehrliche, sachgemäße Verteidi­ gung. II. Bestellter und gewählter Verteidiger. Ill/ Eigenartige Vorrechte. Selbständige Befug­ nisse. IV. Führung der Verteidigung. V. Unter­ stützung und Vertretung. VI. Lfsene Meinungs Verschiedenheiten zwischen Verteidiger und Vertei­ digtem. VII. Der Verteidiger und das öfsentliche Interesse. S 46. Die Einziehungsbetrofsenen................................................ 204

Stifter Abschnitt. Sie Handlungen des Strafprozesses. l. Kapitel. Allgemeines über Prozeß Handlungen 207 § 47. Begriff der Prozeßhandlungen........................................... 207 I. Arten der Prozeßhandlungen; engerer und wei­ terer Sinn. II. Willenssähigkeit, Ernstlichkeit. III. Widerruflichkeit. IV. Bedingungen. V. Alternative Feststellungen. VI. Beweishandlungen. § 48. Die Zeit der Prozeßhandlungen..................................... 213 I. Termine und Fristen. Partei-, Zwischen-, ge­ setzliche, richterliche Fristen. II. üstuf. III. Ver­ säumung. § 49. Der Crt der Prozeßhandlungen........................................... 215 § 50. Die Form der Prozeßhandlungen......................................215 § 51. Die Prozeßvoraussetzungen.................................................216 I. Prozeßvoraussetzungen, Prozeßhindernisse. II. Eigenschaften des Gerichts, der Parteien, der Streit­ sache. III. Besondere Einzelheiten. Eintragung im Schiffstagebuch. Der „Konflikt". IV. Ver­ fahrensgliederung. V. Urteilsvoraussetzungen.

XII

Inhaltsverzeichnis. Seite

II. Kapitel. Das Beweisrecht........................................... 219 § 52. Allgemeine Borbegriffe........................................................... 219 1. Beweis, Beweissührer, Bewetslast. II. Gegen­ stand deS Beweises (1. direkt relevante Tatsachen, 2. Indizien, 3. Hilsstatsachen, 4. Erfahrungssätze). Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. III. Glaubhaftmachung. IV. Beweismittel. § 53. Der Zeuge........................................................... 225 1. Begriff. II. Erscheinenspflicht. III. Aussage pflicht,Zwangshaft,Weigerungsgründe. IV.Schwürpflicht. V. Entgegennahme der Aussage. VI. Zeit­ punkt der Beeidigung. VII. Form der Beeidigung. Eideswiederholung. VIII. Militärpersonen. § 54. Der Sachverständige........................................................... 237 I. Begriff. Sachverständiger Zeuge. II. Gewin­ nung. III. Pflichten. I V. Beeidigung. V. Tätig­ keit des Richters. VI. Besondere Fälle. VII. Dolmetscher. VIII. Militärpersonen. § 55. Der Augenschein...................................................................... 245 § 56. Die Urkunde........................................................................... 246 I. Begriff. II. Eigenschaften. III. Beweiserhebung. IV. Subsidiarität. § 57. Die Aussage des Beschuldigten und anderer Personen 249 1. Aussage und Parteibehauptung. II. Beweis­ ausnahme. III. Andere Personen.

III. Kapitel. Die Sicherung des Beweises . . . 250 § 58. Begriff der Beweissicheruna.................................................250 I. Beweismittelverlust. 11. Antizipierte Beweisauf nähme. III. Zwangsmittel gegen Personen und gegen Sachen. IV. Bollstreckungssicherung. 8 59. Die Editionspflicht.................................................................254 8 60. Die Beschlagnahme.................................................................255 I. Bedeutung. II. Anordnung und Ausführung. III. Beschlagnabmeverbot. IV. Zurückgabe, v. Einstweilige Beschlagnahme. § 61. Die Durchsuchung.................................................................258 I. Verhältnis von StPO. 102 und 103. II. Haus­ suchung zur Nachtzeit. III. Anordnung und Aus sührung. IV. Stellung des Betroffenen. § 62. Die Durchsicht von Papieren........................................... 262 § 63. Die Anhaltung von Briesen und Telegrammen . . 264 I. Wesen. 11. Zulässigkeit. III. Anordnung. IV. Betroffene. § 64. Die Verhaftung...................................................................... 266 I. Haftbefehl. II. Die beiden Arten. 111. Anord-

Inhaltsverzeichnis.

§ 65.

§ 66.

$ 67. § 68. § 69.

§ 70.

LUI

Seite nung. IV. Zuständigkeit. V. Vollstreckung. VI. Entschädigung unschuldig Verhafteter. Die vorläufige Festnahme.................................................. 273 I. Die nicht-richterliche Verhaftung. II. Private Festnahme. III. Präventiv-polizeiliche Festnahme. IV. Richterliche Entscheidung. Sonstige Freiheitsbeschränkungen................................... 276 I. Vorführung. II. Gewahrsam. III. Festhal­ tung. IV. Unterbringung in einer Irrenanstalt. Die Sicherheitsleistung....................................................... 277 I. Zweck. II. Kaventen. III. Verfall. IV. Be­ freiung des Kaventen. Das sichere Geleit............................................................ 279 Die Vermögen-beschlagnahme........................................279 I. Voraussetzungen. II. Anordnung. Wirkungen. III. Aushebung. Kosten. IV. Bei Hoch- und Landesverrat. Der Steckbrief......................................................................281

Drittes Wu richte des Reichs in erster Instanz abgeurteilt haben (^Reichs­ gericht, Konsular-, Kolonial-, Marinegerichte) dem Kaiser

zusteht,

im

übrigen

dagegen

dem Suverän

desjenigen

Bundesstaates, dessen Gerichte in erster Instanz tätig

Die Gerichtsbarkeit.

waren3.

Diese Erscheinung,

K 23.

87

daß die Einzelstaaten das

Begnadigungsrecht haben und es auch nach Maßgabe ihrer Verfassungen

während Obschwebens

Niederschlagung

desselben

ausüben

des Prozesses durch

können

recht)^, ist das sicherste Argument dafür, daß

(Abolitions­ es sich bei

der Gerichtsbarkeit der Bundesstaaten nicht um Ausübung

fremder, sondern eigener materieller Rechte handelt.^

8 nicht: dessen Staatsan­ waltschaft die Klage erhoben hat. Im Einklang damit ist der bezeichnete Staat nach den RG. v. 20. Mai 1898, 1. Dez. 1898 und 14. Juli 1904 auch verantwortlich für den durch un­ gerechte Bestrafung oder Ver­ haftung entstandenen Vermögensschaden. Vgl. zu der Frage auch Laband III, § 85 I 1, S. 376. 4 In allem entgegengesetzt v. Kries, § 13. Gegen die Geltung des Abolitionsrechtes auch John, Komm. 1 S. 108 (auf Grund des § 6 EG. z. StPO.'); desgl. Beling B.-B. S. 610 Anm. 1. Stenglein zu § 6 EG. u. st.; dagegen Laband III, § 93 IV, & 493ff. Das RG., III. Strafsenat, hat sich zweimal mit der Frage zu befassen gehabt und hat anfänglich in der Entsch. Bd. 28 S. 419 in einer anhaltischen Sache das Abolitionsrecht während Ob­ schwebens des Prozesses in der Revisionsinstanz vor dem Reichs­ gericht verneint, später aber in Bd. 33 S. 204 in einer koburgischen Sache bejaht. Der ersteren Entscheidung geben Recht v. Liszt, § 75 III 2 Anm. 3,

desgleichen, doch sehr zurück­ haltend, Lab and III, S. 495 Anm. 4; der letztern die meisten, so Löwe-Hellweg, 11. Aust., S. 26, Note 10 c vor § 12 GBG. und vor allem Heim b e r g e r Das landesherrliche Abolitionsrecht, 1901, wo alle Spezialfragen erörtert sind. • 5 Die Einzelstaaten unter ein­ ander können in Kollision ge­ I raten, soweit gemeinschaft­ i liche Gerichte erster In­ ■ stanz von ihnen errichtet sind *1 * (La band III S. 374); denn i dann steht nach der obigen Regel i dasBegnadigungsrecht jedem von \ ihnen zu. Es entscheidet dann | entweder 1) die allgemeine Re­ i gel eines Staatsvertrages l,,der Staat, aus dessen Gebiet , die Sache erwachsen ist" im Verhältnis zwischen Preußen und Oldenburg: „der Staat, dessen Gerichte "nach der Reihen­ folge der §§ 7—12 StPO, zu­ ständig sind" im Verhältnis zwischen Oldenburg und Lübeck) oder 2) die besondere Ab­ machung von Fall zu Fall, oder 3) die Prävention. Gegen 3) Löwe-Hellweg, Note 13 a vor GBG. 12, S. 27 der 11. Aust.

88

Allg. Teil.

Kap. I.

Abschn. I.

Die Gerichtskörper.

§ 24. Arten und Liutrilnugeu der Errichte. KrieS 88 15, 19, 20.

§ 32.

I.

Birtm. §§ 33, 36.

B.-B. § 22.

Hörn.

Laband III, § 88 II.

Bind. 88 22, 23.

Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit eingesetzten

Gerichte müssen besonderen Anforderungen genügen.

Sie

müssen nach GBG. 1 unabhängig, nur dem Gesetz unter­

worfen sein, wodurch Ausnahmegerichte und Kabinetsjustiz

ausgeschlossen sind.

Die Richter aber müssen bestimmte

Qualifikationen haben (GBG. 6—9) und ihre Anstellung

muß

unter

gewissen

allgemeinen

Bedingungen

erfolgen.

Auch können nicht willkürlich an die Stelle der ordent­

lichen Gerichte andere Behörden (Verwaltungsbehörden oder besondere Gerichte) gesetzt werden.

Dies setzt eine scharfe

Trennung von Justiz und Verwaltung voraus, wovon nur die durch GBG. und StPO, erlaubten Abweichungen zu­

lässig sind. II. Zu unterscheiden sind Gerichte des Reichs und der

Einzelstaaten.

Als erstere kommen in Betracht das Reichs­

gericht, die Gerichte im Reichslande, in den Konsularbe­

zirken und Schutzgebieten.

Alle übrigen sind einzelstaat­

liche ordentliche und besondere Gerichte.

Die Arten der

ordentlichen Gerichte (Gerichtskörper) sind vom Reich fest­ gelegt, Zahl und Sitz den Einzelstaaten überlassen.

Arten sind mit Strafsachen befaßt.

Alle

Sie lassen sich in

folgendem Schema darstellend 1 Die arabischen Ziffern bezeichnen die Gerichtskörper; neben jedem derselben sind die in Strafsachen in Betracht kommenden Gerichtsabteilungen angegeben, und zwar die

; ! ' : |

für das Hauptverfahren (die erkennenden) mit* die für das Vorverfahren mit f bezeichnet, Die in erster Instanz erkennenden sind mit römischen

; Ziffern

versehen.

Im

Reiche

Arien und Einteilungen der Gerichte,

ß 24.

89

1. AG. — iAR.*1- lSchG* 2. LG. — HStK.*-s- lUSchwG.* UR.-s-

3. OLG. — StSen*

4. RG. — l.*f, 2.*, 3.*, IV2. + 3.*

4* StSen.

III. Die Gerichte stehen in einer doppelten Hierarchie zueinander.

Die erste Klassifikation ist die nach oberen

und unteren Gerichten (z. B. StPO. 4 Abs. 2. 14. 15),

es ist eine Klassifikation der Gerichtskörper und in

unserm

Schema durch

arabische Ziffern bezeichnet.

Die

zweite ist die nach Gerichten verschiedener Ordnung (Gerichte

höherer, niederer, gleicher Ordnung,

StPO.

2

Abs. 1. 5. 209. 394); sie sind durch die römischen Ziffern

unseres Schemas bezeichnet: I. Schöffengerichte (bisweilen

der Amtsrichter allein); II. Strafkammer; III.

gericht;

IV. Bereinigter

zweiter

Schwur­

und dritter Straffenat

des Reichsgerichts.

IV.

Die Verteilung

der

Strafsachen

auf

die

ver­

schiedenen Gerichtsklaffen regelt sich nach genauen Normen.

Die hieraus folgende Befugnis (und Pflicht), in bestimmten Sachen

tätig

zu

werden,

Kompetenz des Gerichtes.

heißt

Zuständigkeit

oder

In dreifacher Art verteilen die

Zuständigkeitsnormen die Sachen: 1. mit Rücksicht auf den Bezirk, in den die Sache gehört (ob AG. Hamburg oder AG.

Altona)



örtliche

Zuständigkeit;

2.

mit

Rücksicht auf die Beschaffenheit der Sache (ob AG. oder

LG. Hamburg,

ob

StK.

oder SchwG.)



sachliche

Zuständigkeit; 3. mit Rücksicht auf die vorzunehmende bestehen 1933 AG, 173 LG., ; Bezirke, die in den OLG. Bayern28 OLG. Ferner gibt es 41 und in Colmar, Karlsruhe, detachierte StK., nur in Preußen I Jena, Rostock meist mehrere und den Bezirken Jena und LG. umfassen; vgl. unten S. Rostock. Endlich 141 SchwG 96 III.

90

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

gerichtliche Tätigkeit (ob AR. oder SchG., ob UR. oder StK.) —

funktionelle

ständigkeit.

oder geschäftliche Zu­

Die letzte Verteilungsart unterscheidet ins­

besondere, ob es sich um die Tätigkeit der erstmaligen Ent­ scheidung oder um Nachprüfung im JnstanzenzugO —,

ob es sich um das Vorverfahren, das Zwischenverfahren oder das Hauptverfahren, — ob es sich um den Prozeß als Ganzes oder um bestimmte isolierte Handlungen (etwa Beweissicherungen) handelt. V. Die Verteilung der einem Gericht zufallenden Sachen unter

die

verschiedenen gleichartigen

Gerichtsabteilungen

desselben Gerichtskörpers heißt Geschäftsverteilung und erfolgt jährlich im Wege der Selbstverwaltung durch das „Präsidium"31 *des LG., des OLG. und des RG., bei

letzterem in den Hauptzügen durch eine vom Bundesrat bestätigte Geschäftsordnung^. 1 Hieran denkt man in erster Linie, wenn man von funktioneller Zuständigkeit spricht. s GVG. 63, 121, 133; 62 Abs. 1 u. 2, 64—67, 69; 22. DieBedeutung dieser eingehenden Normativbestimmungen durch das Reich kann nur die sein, daß ohne ihre strikte Beobach­ tung das Gericht nicht „vorschristsmäßig besetzt" ist (StPO. 377 Z. 1). Dem hat sich auch nach anfänglichem Schwanken daS RG. 18, 9. 307. 22, 168. 23, 166. 32, 283. 36, 379 an­ geschlossen und betont, der Zweck der Bestimmungen sei, „die Gerichte innerlich möglichst stabil zu gestalten und den Ein­ fluß der Verwaltung auf die­

In der einzelnen Ab-

j selben nach Kräften zu ver­ i mindern". I 4 GVG. 141. — Das RG. hat 4 StSen., unter denen die Geschästsverteilung sich danach regelt, aus welchen Bezirken die Strafsachen stammen. StSen. II hat die Bezirke der OLG. Berlin, Königsberg, Marien­ werder; StSen. III die Be­ I zirke der OLG. Celle, Dresden, I Hamburg, Jena, Naumburg, | Oldenburg und der LG. Dort­ mund, ($11*611; StSen. IV die Bezirke der OLG. Braunschweig, Breslau, Cassel, Kiel, Posen, Rostock, Stettin; StSen. I hat den Rest und die Entscheidung nach StPO. 4, 9, 12—15, 19, GVG. 160. Vgl. außerdem GVG. 138.

Die sachliche Zuständigkeit.

K 25.

91

Teilung (Kammer, Senat) erfolgt die Zuweisung an die

einzelnen Mitglieder durch den Vorsitzenden (GVG. 68).

Nach welchen Gesichtspunkten diese weitere Verteilung an die Abteilungen und an die Mitglieder vorgenommen wird, steht im Ermessen der verteilenden Stelle6. § 25.

Vir sachliche Zuständigkeit, .ttnes S 21.

Birkm. § 34. B -B. §§ 24, 31. Uflm. § 22 II, g 23 II, § 24 II, § 33. Bind. § 26.

A. Die reguläre Verteilung der Sachen.

Tie

nach

französischem Muster

in

unser Strafrecht

übernommene Trichotomie der strafbaren Handlungen hat

auch zu einer Dreiteilung der Strafgerichte den äußern Anlaß gegeben.

Innerlich entsprechen sich die beiden Drei­

teilungen jedoch sehr wenig, und die Harmonie wird da­

durch vollends aufgehoben, daß wir sogar vier Klassen in erster Instanz erkennender Gerichte haben. I. Tie Schöffengerichte sind zuständig nach GVG.

27, 28.

Verschiedene Gesichtspunkte spielen hier hinein:

der der angedrohten Strafe (Z.

1, 2), der des einge­

schlagenen Berfahrensmodus (Z. 3), der einer pekuniären

Summe (Z. 4—8, bald Wert, bald Schadenssumme). Einzelheiten. Die „reinen Schöfsengerichtsdelitte" sind nach der Zifsernbezeichnung in GVG. 27 :1 1. Übertretungen, StGB. § 1: bei Gefällsdelikten gibt event.

5 Es tarnt entscheidend sein z. B. die örtliche Sphäre, die Ansangsbuchstaben der Namen, die Zeit des Eingangs, die Schwere der Anklage. Nach RG. 19, 230 soll es auch zulässig sein, unter Verzicht auf

jeden allgemeinen Gesichtspunkt die Sachen von Fall zu Fall nach Bedürfnis zu verteilens), 1 3. 1 u. 2 enthält die Strasbefehlsdeltkte, vgl. StPO. 447.

92

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

die Strafe des EinzelsallS, wenn nicht über 150 M., den Aus­ schlag. 2. Mindere Vergehen; angedrohtes Maximum darf nur sein 3 Monate Gefängnis oder 600 M. Geldstrafe. Doch können beide unter einander und auch mit Haft oder Einziehung kumuliert fein2. 3 Beispiele aus dem StGB.: fahrlässiges Entweichenlassen Gefangener, 121 Abs. 2; einfacher Hausfriedensbruch, 123 Abs. 1; unwahre Entschuldigung des „Dingpflichtigen", 138; Weilergeben falschen Geldes, 148; einfacher Jagdfrevel, 292; Brieseröft'nung, 299. Dazu treten, sofern sie sich auf solche Vergehen beziehen (rela­ tive SchGDelikte), die Delikte der §§ 111 Abs. 1, 111 Abs. 2

S. 2, 257 Abs. 1 a. E, 257 Abs. 3, 357 Abs. 2. Außerhalb des StGB, sei erwähnt GewerbeOdg. §§ 146 a, 147. Gesällsdelikte gehören je nach der Beschaffenheit im Einzelfall hierher, nämlich wenn die zu verhängende Strassumme höchstens 600 Ä. beträgt.

Ist die maßgebende Summe nicht zu ermitteln, so entfällt die Zu­ ständigkeit des SchG. (vgl. auch B. I 15 unten S. 101). 3. Privatklagen (nicht aber öffentliche Klagen)' wegen Be­ leidigung und Körperverletzung, sowie nach G. v. 27. Mai 1896 5 12 Abs. 4 wegen unlauteren Wettbewerbs. Tritt durch spätere Übernahme der Verfolgung an Stelle der Privatklage die öffent­ liche, so erlischt die Zuständigkeit des Schöffengerichts4. 4. und 5. Diebstahl und Unterschlagung, wenn das Ent­ wendete höchstens 25 M. beträgt. Ist der Betrag nicht auszumitteln, so ist die SlK. zuständig. Bei Vollendung ist die Höhe der Verletzung, dementsprechend bei Versuch die der Gefähr­ dung maßgebend, d. h. es kommt darauf an, wieviel wahrschein2 Die Ausnahmen unter II. 3 Die Worte „nur auf An­ trag zu verfolgenden" in Z. 3 sind überflüssig. 4 DaS Verfahren ist folglich einzustellen, in Anwendung des § 429 StPO., und zwar 1. durch Urteil; 2. mit der Konse­ quenz des § 503 Abs. 2 — daß Privatkläger die Kosten trägt. Gerade wegen dieser Be­ sonderheiten muß Gleiches

auch dann gelten, wenn die Uebernahme in der Berufungs­ instanz erfolgt; nicht etwa hat dann das Berufungsgericht als nunmehr selbst zuständiges Ge­ richt erster Instanz nach § 369 Abs. 3 zu erkennen. RG. 29, 422. Löwe-Hellweg, Note 14 zu GVG. 27. A. M. auch Beling in B.-B. S. 633. Kujawa Archiv s. StrR. 49, 10 ff.

Die sachliche Zuständigkeit,

ß 25.

93

ltch entwendet worden wäre. — Hierher gehören nur StGB. 242, nicht §§ 243, 244, 252; nur StGB. 246 in beiden Fällen, nicht StGB. 350, nicht DepotG. v. 5. Juli 1896 §§ 11, 12 Abs. 2. 6. und 7. Betrug (StGB. 263, nicht 264, 265) und Sach­ beschädigung (StGB. 303, nicht 304 , 305), wenn der Schaden höchstens 25 M. beträgt. 8. Die Bergehen der §§ 257, 258 Z. 1, 259 StGB. (Be günstigung und Hehlerei), sofern sie sich auf eine der unter Nr. 1—8 (also z. B. auch Begünstigung des Hehlers) fallenden Straftaten beziehen.

Sofern die Zuständigkeit von der Summe von 25 M. abhängt und in der Hauptverhandlung sich herausstellt, daß die Summe mehr beträgt^, hat nach GBG. 28 gleich­

wohl das Schöffengericht in der Verhandlung fortzufahren und die Sache abzumachen, damit nicht zwei Termine — einer vor dem SchG.,

forderlich sind.

der

zweite

vor der StK. — er­

Kommt es aber ohnehin zur Vertagung,

müssen also sowieso zwei Termine in der Sache abgehalten werden, so ist an dem gewöhnlichen Wege der Unzuständig­ keitserklärung und Verweisung vor die Strafkammer (StPO.

270) festzuhalten. II. Die Strafkammern, auch die sog. auswärtigen oder detaschierten, exponierten (GVG. 78), sind zuständig

(GVG. 73) für den Rest der Vergehen und einzelne Ver­

brechen, wobei teils die Schwere der angedrohten Strafe

(Z. 2), teils die Persönlichkeit des Täters (Z. 3, 5—7), teils die des Angegriffenen (Z. 4) den Ausschlag gibt. Einzelheiten. Die einzelnen Ziffern betreffen: 1. den Rest der Vergehen; dahin gehören a) negativ alle, welche in § 27 GBG. nicht aufgezählt sind, z. B. Pfandbruch nach StGB. 289, 8 wenn etwa anfänglich meh­ rere Diebstähle je unter 25 M. in Realkonkurrenz angenommen

wurden, während eine fortgesetzte herausstellt.

sich später Handlung

94

Allg. Teil.

b) positiv

Kap. I.

Abschn. I.

einige,

die

Die Gerichtskörper.

ausdrücklich

der

Zuständigkeit

deS

SchG, entzogen sind, obwohl die unter I genannten Be­ dingungen an sich vorliegen würden:*

a) § 320 StGB., verbotene Anstellung oder Nichtentlassung

strafrichterlich

für

unfähig

erklärter

Eisenbahn-

und

Telegraphenbeamter (Strafmaximum 300 M. Geldstrafe,

3 Monate Gefängnis) — GVG. 27 Z. 2;

ß) § 145 a StGB., unerlaubtes AuSgeben von Inhaber­

papieren; selbst wenn der Nennwert unter 3000 M. be­ trägt (Strafe ein Fünftel deS Nennwertes, mindestens 300 M.) — GBG. 74 Z. 1:

;') 88 1, 2, 3, 6 Abs. 1 G. v. 8. Juni 1871, unerlaubtes

AuSgeben von Schuldverschreibungen aus den Inhaber

mit Prämien ohne genehmigendes Reichsgesetz, oder Be­ geben derselben oder Börsenhandel mit derartigen in­

ländischen Papieren oder mit solchen ausländischen, die

entweder nach dem 30. April 1871 ausgegeben, oder

zwar vorher ausgegeben, aber nicht abgestempelt sind;

selbst wenn der Nennwert unter 3000 M. beträgt (Strase

ein Fünftel des Nennwertes, mindestens 300 M.) — GBG. 74 Z. 3.

Dagegen ist daS bloße öffentliche An­

kündigen, Ausbielen, Empfehlen, Kurswertnotieren (§ 6

Abs. 2 des zit. G., Strafmaximum 300 M. Geldstrafe,

3 Monate Gefängnis) ein gewöhnliches unter GBG. 27 Z. 2 fallendes Vergehen, also reines Schöffengerichts­

delikt; 5)

§§ 67, 69 PersonenstandS-G. v. 6. Febr. 1875, Ver­

gehen deS Religionsdieners, der die kirchliche Ehe vor dem Nachweis der bürgerlichen schließt (seit 1. Jan. 1900

mit dem

eigentümlichen notstandsähnlichen Rechtserti-

gungsgrund des Abs. 2 — Art. 46 III EG. z. BGB ),

6 GBG. 74, von dem aber Z. 2 der Fassung v. 30. Mai 1898 inzwischen wieder wegge­ fallen ist durch § 29 Abs. 2 deS G. v. 22. Juni 1899 betr. das Flaggenrecht der Kausfahrtei-

| schiffe. Bon den Delikten des I FlaggenrechtsG. sind die der i §§ 19—22 reine SchGDelikte, ■ daS des § 18 ist ein Ueberi weisungSdelikt.

Die sachliche Zuständigkeit,

ß 25.

95

und des Standesbeamten, der bei der Eheschließung die Vorschriften des Gesetzes außer acht läßt (Strafmaximum 600 M. Geldstrafe) — GBG. 74 Z. 4; f) § 59 Abs. 1 und 2 BankG. v. 14. März 1875, GBG. 74 Z. 5, die Delikte der Mitglieder des Vorstandes einer Bank, aa) wenn sie in den wöchentlichen und geschäftsjährlichen Veröffentlichungen im Reichsanzeiger wissentlich den Stand der Verhältnisse der Bank unwahr darstellen oder verschleiern (Strafmaximum 3 Monate Ge­ fängnis) ; ßß) wenn sie zu wenig Noten versteuern; selbst wenn die hinterzogene Steuer unter 60 M. beträgt (Strafe das Zehnfache der Steuer, mindestens 500 M ).

2. Minder schwere Verbrechen; das angedrohte Maximum darf 5 Jahre Zuchthaus nicht überschreiten. Andere Strafen können kumulativ oder alternativ angedroht sein. Zuchthaus muß jeden­ falls angedroht sein. Daher gehört nicht hierher StGB. § 96 iTätlichkeit gegen Regenten) „minder schwerer Fall", §§ 157 Z. 1 und 2, 158 (privilegierte Meineidsfälle), weil hier keine selbstän­ digen Verbrechen vorliegen: StGB. § 102 Fall I und II, weil hier kein Zuchthaus, sondern nur Festungshaft angedroht wird. Endlich sind aus politischen Rücksichten ausdrücklich in GBG. 73 Z. 2 ausgenommen die Verbrechen des § 86 StGB. (Vorbereitung zu hochverräterischem Unternehmen), des § 100 (Tätlichkeiten gegen Mitglieder eines bundesfürstlichen Hauses oder gegen den Regenten eines Bundesstaates), und des § 106 (Verhinderung einesAbgeordneten an der Abstimmung). Beispiele für StKBerbrechen aus dem StGB.: 159 Fall I, Unternehmen der Verleitung zum Meineid; 171 Bigamie; 173 Abs. 1 Blutschande; 181 schwere Kuppelei; 218 Abs. 1 u. 3, Abtreibung durch die Schwangere und gewisse Beihilfehandlungen zu der vollendeten Abtreibung; 224 schwere Körperverletzung; 268 Z. 1, schwere Privaturkundensälschung; 336 Rechtsbeugung; 338 Religionsdiener oder Standesbeamter, der zur Bigamie Hilst; 343 Erpressen von Geständnissen. Aus Nebengesetzen: NahrungsmittelG. v. 14. Mai 1879 § 12 Abs. 3; vorsätzliche Herstellung solcher Nahrungsmittel, deren Genuß die menschliche Gesundheit

Allg. Teil.

96

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gericht-körper.

zu beschädigen geeignet ist, fall- dadurch schwere Körperverletzung oder der Tod verursacht wird; (Sprengstoff®, v. 9. Juni 1884 § 8: Herstellung oder Besitz von Sprengstoffen unter Umständen,

welche nicht erweisen, daß die- zu erlaubtem Zweck geschieht; Aus­ wanderung-®. v. 9. Juni 1897 § 48 Abs. 1 u. 2: Verleitung

einer Frauen-Person zur Auswanderung, um sie gewerbsmäßiger Unzucht zuzusühren,

unter Verschweigung

Be­

dieses Zweckes;

förderung der Auswanderung zu diesem Zweck.

3. Alle Verbrechen Jugendlicher, d. h. unter 18 Jahre alter Personen.

Das Alter zur Zeit der Tat entscheidet.

4. Unzucht mit Kindern unter 14 Jahren (StGB. § 176 Z. 3).

5. 6. und 7.

Diebstahl, Hehlerei und Betrug im wieder­

holten Rückfalle, ferner schwerer Diebstahl und gewerbs- oder ge­ wohnheitsmäßige Hehlerei.

III. Die Schwurgerichte, auch die „vereinigten" oder

„gemeinsamen"

für mehrere LGBezirke (GVG. 99,

üblich in Bayern, Mecklenburg, Thüringen, zum Teil auch

in Baden und Elsaß-Lothringen) sind zuständig: 1. für den Rest der Verbrechen, mit Ausnahme derer unter IV (GVG. 80); also insbesondere für Tätlich­

keiten gegen Kaiser und Landesherrn, Falschmünzerei, Meineid, Notzucht, Mord, Todschlag, Kindestötung. Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Vergiftung, Urkundenfälschung, Brandstiftung;

2. ferner nach erlassener

Maßgabe

Landesgesetze

vor für

dem

1.

Oktober

Preßdelikte

1879

(EG.

z.

GVG. 6).7 liche Gerichte", nicht etwa ‘ Diese erweiterte Zuständig­ zählen sie zu den „besonderen keit der Schw®. besteht nur in wie Bayern, Württemberg, Olden­ ■ Gerichten", ebensowenig burg auf Grund der AusfGe- I das RG. als Gericht I. Instanz. Beides ist gelegentlich behauptet setze r. GVG. und in Baden worden. Praktische Konsequen­ nach dem EG. zu den Reichs­ zen: es gelten die Regeln über justizgesetzen. Die SchwG. sind Kompetenzverschiebung infolge auch in dieser Beziehung „ordent­

Die sachliche Zuständigkeit.

K 25.

97

IV. Das Reichsgericht, und zwar der vereinigte

zweite und

dritte Strafsenat

(GVG.

138),

entscheidet

über: 1. Hoch-

und

(StGB. 80,

Z

Landesverrat gegen Kaiser

81, 83 — 86,

87 — 92.

und

GBG.

Reich

136

i);8

2. Berbrechen gegen §§ 1 und 3 des SpionageG. vom 3. Juli 1883, nach denen strafbar ist, wer vorsätzlich Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, an einen andern

gelangen läßt, wenn er weiß, daß dadurch die Sicher­

heit des Reichs gefährdet wird, sowie wer sich zu einer solchen Mitteilung den Besitz oder die Kenntnis

solcher Gegenstände verschafft (SpionageG. 12). Tie Zuständigkeit

des

Reichsgerichts greift der der

Strafkammer stets vor, auch Personen unter 18 Jahren

sind daher vom Reichsgericht abzuurteilen. Zusammenhangs — im Text B. II; es findet stets, bei jedem Vergehen und selbst bei Preß­ übertretungen , falls sie dem SchwG. überwiesen wären, Vor­ untersuchung statt, desgl. not­ wendige Verteidigung. — Da die Bestimmung über die Zu­ ständigkeit der SchwG. für Preß­ delikte im Einführung-G. zum GBG. steht, insoweit also Landes- Gerichtsversassungsrecht dem Reichsrecht vorgehen soll und das Reichsrecht selbst er­ klärt, jenem weichen zu wollen, so kann, wie das ganze GBG., auch GVG. 136 Z. 1 davon nicht unberührt bleiben. Wenn also das Verbrechen des § 85 StGB, gegen Kaiser und Reich

Dagegen wird

durch die Presse verübt ist, so würde die Zuständigkeit des RG. nicht durchgreifen; a. M., doch logisch nicht haltbar, anscheinend die communis opinio. bes. Stenglein, Komm., Note 2 zu EG. z. GBG. 6; LöweHellweg, Komm., Note 4 zu EG. z. GVG. 6; B.-B. S. 95 Anm. 4. — Vgl. über die Kom­ petenzgrenzen gegenüber der StK. in Württemberg RG. 18, 293, in Baden RG. 27, 309. — Auch unlauterer Wettbewerb durch Zeitungsannoncen gehört vor das SchwG., RG. 35, 375. 8 Die Unterscheidung ist un­ klar und unpräzis. Man muß der scharfen Kritik bei KrieS S. 100, Anm. 1 u. 2, beipflichten.

Rosenfeld, Reich-strafprozeß. 2. Auf!.

7

98

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. L

Die Gerichtskörper,

diese Kompetenz zurückgedrängt durch die Schranken, welche

überhaupt der Wirksamkeit des GBG. durch das EG. z. GBG., insonderheit §§ 5—7, gezogen sind.

(Gerichte für

Mitglieder suveräner Familien, landesrechtliche Zuweisung

der Preßdelikte an Schwurgerichte, Gerichte für Militär­

personen,^ Austräge für Standesherren.)10 6***

B. Verschiebung der regulären Verteilung der Sachen.

I. Durch Überweisung kann an die Stelle der

Strafkammer

das

Schöffengericht

weisung geschieht durch

treten.

Diese

Über­

einen mit Beschwerde nicht

an­

fechtbaren in das freie richterliche Ermessen gestellten Be­ schluß der Strafkammer bei bestimmten Delikten, die man' deshalb als „Ü berweisungsdelikte" bezeichnet. Vor­ aussetzungen des Überweisungsbeschlusses (GBG. 75) sind.

a) daß er zugleich mit dem Eröffnungsbeschluß ergeht;

b) daß die Staatsanwaltschaft

oder die klagende Ver­

waltungsbehörde ihn beantragt;

c) daß nach den Umständen des Falles

höchstens die

Verhängung von 3 Monaten Gefängnis oder 600 M.

Geldstrafe

für

jeden

einzelnen

zur

stehenden Fall zu erwarten ist."

Aburteilung Es darf auch

alternativ oder kumulativ Haft oder Einziehung zu

erwarten sein; nicht

aber keine andere Strafart, z. B.

Festungshaft

oder Ehrverlust

6 Ganz überflüssig ist die Wiederholung in dem über­ haupt mangelhaft redigierten SpionageG. § 12 S. 2. 10 Vgl. KrieS S. 100 Anm. 2. B.-B. S. 40 Anm. 33.

oder

Polizei-

11 desal. keine höhere Buße als 600 M. Da die Buße rein civilistischer Natur ist, so hätte eine Grenze von 300 M. dem GVG. 23 Z. 1 besser entsprochen.

Die sachliche Zuständigkeit.

K 25.

99

Ob die Erwartung sich erfüllt, ist, in Ab­

aufsicht.

weichung vom Entwurf, ganz gleichgültig;

d) daß das Schöffengericht „nicht schon zuständig ist".

Andernfalls ist direkt vor dem Schöffengericht zu eröffnen

(StPO.

207).

Daraus

geht

als

An­

schauung des Gesetzes klar hervor, daß das Schöffen­ gericht in diesen Sachen ursprünglich nicht zuständig

ist



weder

„an sich", noch „subsidiär", so daß

auch der öfter gebrauchte Ausdruck „mittelbare Zu­ ständigkeit" 12 13 14 irre führen kann —, sondern erst in

Verschiebung der regulären Verteilung der Sachen durch den Beschluß zuständig wird, daher aber auch

nur innerhalb der Grenzen des Beschlusses." Einzelheiten.

Die Übcrweijungsdelilte sind nach den Ziffern

des S 75 GBG.: 1. Widerstand gegen die Staatsgewalt nach StGB. 113, 114

(trotz der regulären Mindeststrafe von drei Monaten) und gegen Forstberechtigte in dem leichten Fall des § 117 Abs. 1; Gefangenen­

befreiung im Falle des § 120 (inkonsequenterweise nicht in dem

leichteren — denn der Versuch ist hier nicht strafbar — Falle des § 121 Abs. 1);

2. qualifizierter Hausfriedensbruch, StGB. 123 Abs. 3 (nicht aber schwerer, 124); sowie Arrestbruch, StGB. 137 (nicht aber

12 Die Praxis saßt die Vor­ schrift als eine Möglichkeit zur Entlastung der Landgerichte auf und prüft nicht sehr streng nach der Richtung c. Vgl. auch das Gesetz, das in 75 Z. 2 den § 114 StGB, mit auszählt. 13 Bind. S. 64 (frühere Ausl, sprachen von „mandierter Straf­ kammergerichtsbarkeit"). Ullm. S. 118. B.-B. S. 76 f. 14 Praktische Konsequenz dieser

Konstruktion ist deshalb die An­ wendung des § 270 StPO. (Unzuständigkeilserklärung und Verweisung vor die StK.) in allen Fällen, wo sich berausstellt, daß ein anderes Ueberweisungsdelikt vorliegt, als im Eröffnungsbeschluß angenom­ men war; a. M. die meisten, so v. Kries S. 582, LöweHellweg, Note 5 b zu StPO. 270.

100

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die GerichtSkörper.

Pfandbruch, 289, obwohl dieser nur private Interessen verletzt, nur Antragsdelikt ist und auch Geldstrafe zulätzt); 3. Erregung sittlichen Ärgernisses, StGB. 183; 4. und 5. alle Beleidigungen, sofern sie nicht Offizialdelikte (StGB. 95, 97) oder Ermächtigungsdelikte (StGB. 99, 101, 197) sind; sodann alle Körperverletzungen, die Antragsdelikte sind (StGB. 223 Abs. 1 u. 2, sofern nicht 232 Abs. 1 Fall II gegeben ist; 230 Abs. 1), und die gefährliche Körperverletzung des § 223a; 6., 7., 10. und 12. vgl. GVG. 27 Z. 4 bis 7, Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Sachbeschädigung ohne die Summen­ grenze von 25 M.; Sachbeschädigung auch nach StGB. 304; 8. und 9., vgl. GVG. 27 Z. 8, die Vergehen gegen StGB. 257, 258 Z. 1, 259 unter Absehen nicht nur von der Summen­ grenze, sondern auch von jeder Beziehung auf ein Schöffendelikt oder auch nur Überweisungsdelikt; 11. Vereitelung der Spezialexekution, StGB. 288, und Ent­ laufen mit der Heuer, StGB. 290; 13. zwei gemeingefährliche Vergehen, StGB. 327 Abs. 1, 328 Abs. 1: Verletzung der Absperrungsmaßregeln rc. bei Menschenund bei Viehseuchen, sofern keine Menschen bezw. kein Vieh von der Seuche ergriffen sind; 14. alle Vergehen, bei denen höchstens ein gewisses Maximum von Strafe angedroht ist, nämlich 6 Monate Gefängnis und 1500 M. Geldstrafe, die kumulativ oder alternativ oder kumulativ mit Einziehung angedroht sein können. Zu bemerken ist jedoch:

a) es darf keine andere Strafart sei es allein, sei es daneben angedroht sein, z. B. nicht Hast, nicht Festungshaft; daher­ sind die Herausforderung und das Kartelltragen (StGB. 201, 203), die Verletzung des Schweigegebotes bei nichtöfientlichen Verhandlungen (Art. II und III des G. vom 5. April 1888) keine Überweisungsdelikte; b) ausdrücklich ausgenommen sind folgende Delikte: StGB. 128 Abs. 1, Fall I, Strafbarkeit der Mitglieder geheimer Verbindungen; § 271, intellektuelle Urkundenfälschung; § 296 a, Küstenfischerei der Ausländer; § 301, Gefährdung des Vermögens Minderjähriger durch Verpflichtungsurkunden; § 331, einfache passive Bestechung; § 347 Abs. 2,

Die sachliche Zuständigkeit,

g 25.

101

fahrlässige Gefangenenbesreiung durch Beamte; endlich die in GBG. 74 genannten Delikte, die oben unter A II 1 b ß bis e behandelt sind (nicht aber «, StGB. 320).

Unter Z. 14 gehören demnach u. a. Auflauf (StGB. 116), Siegelbruch (StGB. 136), Verleitung zu objektiv falscher eides­ stattlicher Versicherung (StGB. 160 Abs. 1 Fall II), Ehebruch (StGB. 172), Bedrohung (StGB. 241), Gestattung von Glücks­ spielen (StGB. 285), qualifizierter Jagd- und Fischereisrevel (StGB. 293, 296), Offenbarung von Geheimnissen (StGB. 300). Die Aus­ wahl ist völlig willkürlich. Es ist kein Grund ersichtlich, warum z. B. StGB. 126, 132, 240, 289, 330 nicht auch herangezogen sind. 15. „Solche Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, deren Strafe in dem mehrfachen Betrage einer hinterzogenen Abgabe oder einer anderen Leistung besteht." Tas Gebiet, aus das sich diese Vor­ schrift bezieht, ist nur ein ganz enges. Denn wenn die Strafe z. B. im Vierfachen einer defraudierten Steuer besteht, so liegt, falls die Desraude nur 100, 120, höchstens 150 M. und folglich die Strafe nur 400, 480, höchstens 600 M. beträgt, ein reines Schöffengerichtsdelikt nach GVG. 27 Z. 2 vor; falls aber die Desraude 151 M. und mehr, die Strafe also 604 M. und mehr beträgt, so ist eine für ein Uberweisungsdelikt zu hohe Strafe zu erwarten (es fehlt an der Voraussetzung c, oben S. 98) und es liegt demnach ein reines Strafkammerdelikt vor. So bleiben als Anwendungsgebiet nur die Fälle, daß die zu multiplizierende Grundeinheit unbestimmt oder unermittelt ist.1'5 16. Zu GVG. 75 wird noch Gewerbeordnung § 146 durch Abi. 3 daselbst hinzugefügt. 115 Früher wurde mehrfach eine Antinomie zwischen GBG. 27 Z. 2 und 75 Z. 15 ange­ nommen und die Unanwendbar­ keil der ersteren Stelle auf Gesällsdelikte behauptet, so von Voitus Kontroversen (1881), Bd. I, S. 128. Die Unhaltbarkeit ergibt sich u. a. aus StPO. 463 Abs. 2, welcher vor­

aussetzt , daß ein Gesällsdelikt auch reines SchGTelikt sein kann. 16 Bezieht sich zurück auf Ge­ werbe ordn. §§ 115, 135, 136, 137, 139, 139 a, 111 Abs. 3, 113 Abs. 3, 56 Z. 6, 154a Abs. 2. Dazu tritt § 23 G. über gewerbl. Kinderarbeit v. 30. März 1903.

102

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

II Durch Zusammenhang im Sinne von StPO. 2—5 kann jede Strafsache vor ein Gericht höherer Ordnung

gezogen werden, als ihr eigentlich zukommt.

Zusammen­

hang oder Konnexität'? in technischem Sinne (StPO. 3)

liegt in zwei Fällen vor:

1. wenn eine Person mehrerer

Straftaten beschuldigt wird, z. B. eines am 1. Juni be< gangenen Widerstandes und eines am

15. Juni verübten

Diebstahls — persönlicher Zusammenhang oder subjektive

Konnexität; 2. wenn bei einer Straftat mehrere Personen als Täter (Mittäter, Nebentäter), Teilnehmer (Anstifter, Gehilfen),

Begünstiger (StGB. 257,

258)

oder Hehler

(StGB. 259—261) beschuldigt werden — sachlicher Zu­ sammenhang oder objektive Konnexität.

Es können

auch beide Arten von Konnexität Zusammentreffen.

Bei solchem Zusammenhang kann aus Zweckmäjzigkeitsrücksichten eine Verbindung der mehreren Straf­

sachen ohne Rücksicht auf die Regeln über die

sachliche

Zuständigkeit bei dem Gericht der höheren Ordnung er­

folgen. bindung,

Ausgenommen ist nur eine einzige Art der Ver­

die

einer Privatklagesache mit

gerichtssache (StPO. 424 Abs. 2).

einer

Schwur­

In die Kompetenz der

Sondergerichte darf natürlich aus diese Weise nicht ein-

17 und zwar innerer Zusammenhang, materielle Konnexität, im Gegensatz zu äußerem Zusammenhang, formeller Konnexität; letztere ist gegeben, wenn mehrere Strafsachen bloß äußerlich bei demselben Gericht anhängig sind, sie genügt für die Verbindung nach StPO. 236; der materielle Zusammen-

Hang fetzt eine innerliche Be­ ziehung zwischen den mehreren Strafsachen voraus. In tech­ nischem Sinn besteht er inner­ halb der Grenzen der StPO. 2—5. Außerhalb dieser Grenzen bieten sich Beispiele in StGB. 85, 111 Abs. 2, 115, 139, 157 Z. 1, 164, 190, 191, 210 ! u. a. m.

i ! ; '

Die sachliche Zuständigkeit.

gegriffen werben.18

| 25.

103

Entsprechend der Verbindung kann

in gleicher Weise eine Trennung beschlossen werden. Die Normen für die Verbindung (oder Trennung) sind

verschieden, je nachdem ob bereits die „Untersuchung" er­ ist

öffnet

(s.

S. 41)

Vorher hängt die

oder nicht.

Klagenverbindung von der Entschließung oder Vereinbarung oder

dienstlichen

Anweisung

der

Staatsanwaltschaft

nachher von einem Beschlusse des Gerichts.

ab,

Schweben

die mehreren Sachen bei einem Gericht, so ist natürlich

dieses

zu

der Beschlußfassung

berufen; schweben sie bei

mehreren Gerichten, von denen eines den übrigen so über­

geordnet ist, daß so

das

sein Bezirk die übrigen mit umfaßt1",

übergeordnete;

andernfalls

das

gemeinschaftliche

obere Gericht?" In welchem Stadium des Hauptverfahrens

ls vgl. jedoch MilStPO. § 3 Abs. 2. (Militärpersonen, die bei einstweiliger Verwendung im Civildienst ein Amisver­ brechen begehen, gehören im all­ gemeinen vor die Civilgerichte; indessen dann vor die Militär­ gerichte, wenn ein Militärdelikt damit „zusammentrifft", d. h. sowohl im Fall der Jdealkonkurrenz, wie der Realkonkurrenz, also eben der subjektiven Kon­ nexität); § 4 (wenn bei objek­ tivem Zusammenhang der eine Beteiligte vor die Civil-, der andere vor die Militärgerichte gehört, so können letztere den ersteren die ganze Aburteilung überlassen; aber nicht umge­ kehrt) RG. 34, 255; §9 Abs. 2 (Aburteilung der Straftaten während einer militärischen Uebung kann den Civilgerichten

überlassen werden; wenn jedoch Militärdclikte in subjektivem Zusammenhang stehen oder ideell konkurrieren, ist das ausge­ schlossen); § 10 Abs. 2 (der Zu­ sammenhang von Militärdelikten mit allgemeinen Delikten läßt die Militärgerichtsbarkeit auch über die Beendigung des mili­ tärischen Verhältnisses fort­ dauern). 19 AG. Boppard, LG. Coblenz, AG. Kreuznach — LG. Coblenz. 10 AG. Boppard, AG. Coblenz, AG. Kreuznach — LG. Coblenz. AG. Boppard, AG. Köln — OLG. Köln. AG. Bop­ pard, LG. Köln — OLG. Köln. AG. Halle, LG. Leipzig — RG. LG. Danzig, LG. Königs­ berg — RG.

104

Allg. Teil.

Kap. I.

Abschn. I.

Die Gerichtskörper.

die mehreren Sachen sich befinden, ist

gleichgültig; die

betreffenden Beschlüsse können auch in der Hauptverhandlung

gefaßt werden.

Ist die eine Sache anhängig, die andere

noch nicht, so ist eine Verbindung zurzeit nicht möglich. III. Durch Irrtum bei der Anhängigmachung

wird insofern eine Verschiebung der sachlichen Kompetenz herbeigeführt, als sich nach StPO. 269 kein Gericht in

der Hauptverhandlung für unzuständig erklären darf, weil

die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

Der

vielleicht unvermeidliche Irrtum bei der Entscheidung über

die Klagerhebung läßt die Unzuständigkeit sanieren, be­

gründet also eine anomale Kompetenz.^ nur für das Gericht zu hoher Ordnung. niedriger Ordnung

muß

Das gilt aber Das Gericht zu

sich nach StPO- 270 für in­

kompetent erklären, mit Ausnahme des (oben S. 93 er­

örterten) Falles GBG. 28.

11 Vorher war das Ge­ richt unzuständig, hatte dies auch zu prüfen (SiPO. 6) und bis zur Eröffnung des Haupt­ verba hrens (nicht der HauptVerhandlung, arg. §§ 199, 206, 270) auszusprechen (StPO. 178, 199, 207). Deshalb darf man nicht sagen (B.-B. S. 95, RG. 16, 39): „die höhere Zu­ ständigkeit umfaßt die niedere mit". Hierin hat Birkm. S. 175 Anm. 17 völlig recht. Korrekt auch Hörn. S. 194. — Das auf Grund StPO. 269 zuständig gewordene Gericht nimmt

-

* ! i 1 !

seine Zuständigkeit nicht „mit Unrecht" an; daher passen StPO. 377 Z. 4, 395 hier nicht, wohl aber 394 Abs. 3. StPO. 369 Abs. 3 kann nie in Frage kommen. — Vorstehenden Re­ geln über die Prüfung der sachlichen Zuständigkeit ist nur noch hinzuzusügen, daß Urteile der Berusunqs-StK., sowie die nach StPO. äl4 frei­ sprechenden SchwGUrteile wegen mangelnder Sachkompetenz rficht angefochten werden können: StPO. 380, 379.

Die örtliche Zuständigkeit.

§ 26.

105

§ 26. Nir örtliche Inständigkeit. Kries § 23. Birkm. § 35. B. B. §§ 25—29, 32. Ullm. §§ 42 bis 51. Bind. §§ 30—35. Friedrich Kitzinger, Ort und Zeit der Handlung im Strafrecht, 1902. I. Man hat die Zuständigkeit für vereinzelte Prozeß­ handlungen und für den Prozeß als Ganzes zu unter­

scheiden.

Für die erstere ist stets dasjenige Amtsgericht

kompetent, in dessen Bezirk die Handlung vorgenommen werden

Die letztere,

soll (Amtsgericht der Handlungsbereitschaft).1

die Lehre

im

von den Gerichtsständen (forum reorum

gemeinen

Recht),

soll

uns

hier

näher

beschäftigen.

Zur Festlegung der örtlichen Kompetenz der Gerichte sind im

Laufe

der

Geschichte

herangezogen worden.

verschiedenartige

Gesichtspunkte

Das römische Recht betonte aus­

schließlich den Tatort, das ältere deutsche Mittelalter hielt

sich an den Wohnsitz des Täters (nur bei handhafter Tat

an den Tatort), das spätere unter dem Einfluß des Terri­

torialprinzips an den Ort der Ergreifung.

Da die beiden

letzteren auch von der Glosse anerkannt wurden, so stellte

der gemeinrechtliche Prozeß alle drei konkurrierend nebenein­ ander. Dem folgten das französische und das preußische Recht

(1852), während die Mehrzahl der Partikulargesetzgebungen2 den Tatort in erste Linie stellte und die beiden andern nur

als subsidiäre kannte.

Das Reichsrecht stellt Tatort und

Wohnsitz in erster Linie gleichberechtigt nebeneinander (allgemeine 1 Teil Abs. 163,

Gerichtsstände),

GVG. 158, 159 Abs. 2, I, 167. StPO. 21, 125 2, 128 Abs. 1, 129, 160, 164 Abs. 2.

der

Gerichtsstand

der

Er-

2 Näheres bei Zachariä, Handbuch (oben S. 26) Bd. I, S. 363 Anm. 4, S. 368 Anm. 16—18.

106

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

greifung steht in zweiter Linie und ist fubftbiär.3 Neben diesen drei sog. ordentlichen bestehen im Jnteresie der Harmonie der Rechtspflege, um Stockungen zu vermeiden

und Ausgleiche zu erreichen, drei weitere Kategorien (außer­

ordentlicher 4) Gerichtsstände: der des Zusammenhangs,

des Auftrags und der Bestimmung. II. Der Gerichtsstand des Tatortes (forum delicti commissi) ist in StPO. 7,

10 geordnet.

Die

Streitfrage nach dem Begehungsort des Verbrechens spielt, wie im materiellen Strafrecht, ihre Rolle. wesentlichen drei Theorien unterscheiden.

Man kann im

Die eine betont

den Ort der persönlichen Tätigkeit (vulgo Körperbewegung),

bei Unterlassungsdelikten den, wo der Täter hätte handeln sollen und können; die zweite den des Erfolges; die dritte setzt beide nebeneinander und sagt, es sei sowohl an dem einen wie an dem andern Ort das Verbrechen begangen.

Es wäre möglich, eine verschiedene Entscheidung der Streitfrage für das materielle und das Prozeßrecht

zu

vertreten5; denn die Bedeutung des Tatortes ist in beiden

Gebieten verschieden.

Für das Strafrecht handelt es sich

um die Frage: Ist für den inländischen Staat ein Straf3 Schematisch läßt sich das so darstellen, indem durch Klammern Ver bundenes gleichberechtigt, durch Striche Getrenntes subsidiär bedeutet: (Reichsrecht) (Partikulargesetze) (Gem. Recht) -Tatort -Tatort Tatort * Wohnsitz ^Wohnsitz ^Ergreifung -Wohnsitz Ergreifung ^Ergreifung Wach, Handb. des CivProz.4 Die ganze Terminologie : Rechts IS. 463 Anm. 68. Benallgemeine, besondere, ordent­ necke (1. Aufl.) S. 83, v. Bar, liche, außerordentliche Gerichts­ Lehrb. des internal. Priv. u. stände ist der StPO, fremd. Str.Rechts, 1892, S. 237—239. 6 @o Binding, Handb. I Die 1. Aufl. dieses Lehrb. S. 415 Anm. 1, unter 2 b.

Die örtliche Zuständigkeit.

§ 26.

107

anspruch entstanden? und es muß der Rechtsordnung darauf ankommen, diese Frage möglichst überall, wo inländische Interessen hineinspielen können, zu bejahen.

Dagegen hat

im Prozeß der inländische Staat durchaus kein Interesse

daran, daß möglichst viele

seiner eigenen Gerichte mit­

einander konkurrieren und so eine Quelle von Kontroversen

und Konflikten eröffnet wird.

Im Gegenteil, eine möglichst

eindeutige Regelung ist hier am erwünschtesten. — In­

dessen muß es als methodisch unrichtig erscheinen, wenn StGB, wie StPO, ihre Regel auf das Symptom

des

Begehungsortesabstellen, alsdann dieses Symptom nach dem Zweck der Regel und nicht vielmehr nach seinen eigenen Merkmalen zu bestimmen? Daher ist einheitliche Entscheidung

geboten. oder

nur

Gegen den Ort des Erfolgs, gleichviel ob er allein

mit

berücksichtigt

wird,

spricht, daß

Zufall

und fremde Willkür eine unangemessene Rolle spielen.

Für

den Ort der persönlichen Tätigkeit dagegen spricht sowohl die natürliche Anschauung, wie vor allem folgende Erwägung.

Halten wir unter den Deliktsteilen Wesentliches und Un­

wesentliches, necessaria und accidentalia auseinander, so ist lediglich die persönliche Tätigkeit ein begriffswesentlicher

und wesen-bestimmender Deliktsteil; der Erfolg ist höchstens

artbestimmend.

Dazu kommt, daß der Tatort im Sinne

der ersten obengenannten Theorie für die Beweisführung

ebenfalls wahrscheinlich am geeignetsten ist und auch einer einheitlichen Beantwortung für Versuch und Teilnahme am

wenigsten Schwierigkeiten bereitet. Endlich ist die Bedeutung von StGB. 2 Abs. 1, 67 Abs. 4 nicht zu unterschätzen. 6 So Kitzinger S. 49ff. u. namentl. S. 57 ff., dessen an­ geführte Habilitationsschrift mir

überhaupt als durchschlagend und die Kontroverse im Wesent­ lichen erledigend erscheint.

108

Allg. Teil.

Abschn. I.

Die Gerichtskörper.

Kap. I.

Hiernach ist eine strafbare Handlung an dem Orte oder an den

mehreren Orten begangen,

ihm zur Last gelegte persönliche

wo

der Beschuldigte die

Willensbetätigung vor­

genommen hat? * Für Preßdelikte wurde von der HM. längst als Tatort nur der Ort oder die mehreren Orte des Erscheinens des Preßerzeugnisses betrachtet?

Dementgegen hatte die Recht­

sprechung des RG.97 *den sog. ambulanten oder fliegenden

Gerichtsstand der Presse geschaffen, wonach jedes Gericht kompetent sein sollte, in dessen Bezirk auch nur ein Stück

der Druckschrift verbreitet worden war.

Die Kontroverse

ist im Sinne der ersteren Meinung durch StPO. 7 Abs. 2 (— RG. 13. Juni 1902) entschieden worden.

Doch gilt

für Privatklagesachen eine Abweichung (Satz 2). Einen Unterfall zu StPO. 7 bildet § 10, der von der

Begehung

auf deutschen Schiffen, nicht nur Kriegs- und

sonstigen Staatsschiffen, im Ausland oder auf offener See

handelt.

Das Gesetz geht davon aus, daß ohne diese Norm

wohl ein inländischer Strafanspruch, aber kein inländischer

Tatort vorhanden toäre.10

Es verlegt das sonnn delicti

commissi an den Heimatshafen oder den ersten erreichten

deutschen Hafen.

Der Begriff

7 So von je die HM. und jetzt insbesondere auch v. L i s z t, Lehrb., 13. Auf!., § 31 IV. Frank, Komm. z. StGB. 3, IV, 4. Aufl. Beling in v. Holtzend.-Kohler Enzyklopädie Bd. II S. 353. 6 Das paßt nicht völlig zu der vertretenen Grundanschau­ ung, aber das Wesen des Preß­ delikts und die Vorteile der Ein­ heitlichkeit und Eindeutigkeit sprechen dafür.

des Heimatshafens

wird

9 insbes. RG. 23, 155; und — trotz StPO. 7 Abs. 2 — für Lotterievergehen, RG. 36, 257, 270. 10 Was ebenfalls für die ver­ tretene Auslegung des § 7: Handlung = persönliche Tätig­ keit spricht. Der sonst denkbare Gerichtsstand des Tatortes, näm­ lich der Ort des im Inland eintretenden Erfolgs, kommt nach § 10 gar nicht weiter in Betracht.

Die örtliche Zuständigkeit, g 26.

109

durch HGB. § 480 Abs. I11 und § 6 Abs. 1 des G. über das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 189912 bestimmt.

Die StPO, stellt Heimatshafen und Ankunsts­

hafen gleichberechtigt nebeneinander.

Wo es an ersterem

fehlt (bei Kriegsschiffen), ist der Ankunstshafen allein maß­

gebend.^

III. Der Gerichtsstand des Wohnsitzes (korum domicilii) wird in StPO. 8, 11 behandelt.

ist der Zeitpunkt der Klagerhebung.

Entscheidend

Verlegung des Wohn­

sitzes nach der Tat ändert somit die Kompetenz.

Es stehen

drei Orte in subsidiärer Reihenfolge : 1. der Wohnsitz (vgl. BGB. 7—11);

2.

der

gewöhnliche

Aufenthaltsort,

wobei

faktisches Verweilen im Jnlande zur Zeit der Klagerhebung vorausgesetzt werden muß;

3. der letzte Wohnsitz.

Für exterritoriale Deutsche und für Reichs- und Staats­ beamte, die im Auslande angestellt sind, tritt die Sonder­

vorschrift des 8 11 hinzu. im Heimatstaat

sogleich

Für sie ist der letzte Wohnsitz

in erster Linie,

also

vor dem

11 „Als Heimatshasen des das Schiffsregister des Hafens Schiffes gilt der Hasen, von eingetragen werden, von welchem welchem aus die Seefahrt mit aus, als dem Heimatshafen, die dem Schiffe betrieben wird." Seefahrt mit dem Schiffe be­ 12 „Ein Schiff kann nur in trieben werden soll." 18 Schema für das kor. del. comm. bei Begehung im

Jnlande

Ort der persönlichen Tätigkeit

Auslande auf deutschem Schiff nicht aus deutsch. Schiff

iHeimatshafen 'sAnkunstshafen

vacat

Allg. Teil.

110

Abschn. 1.

Kap. I.

gewöhnlichen Aufenthaltsort,

Die Gerichtskörper.

Fehlt

maßgebend.

es

an

einem letzten Wohnsitz, so tritt ebenfalls nicht der Aufent­ haltsort ein, sondern die Hauptstadt des Heimatstaates.

Der

Fall mehrfacher Staatsangehörigkeit führt zu einer Kon­ Der Fall, daß es an einem

kurrenz von Gerichtsständen.

Heimatsstaate fehlt, war bis zum 1. Januar 1900 unbe­ achtet.

Der Zweifel ist durch die neue Fassung (Art. 35 I

des EG. z. BGB.) gelöst: Berlin gilt als Wohnsitz." IV. Der Gerichtsstand der Ergreifung (forum deprehensionis) StPO. 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 kommt in

zwei Fällen in Betracht.

Der erste setzt voraus, daß

beide Gerichtsstände zu II, wie zu III fehlen.

liegt vor, wenn beide unermittelt sind.

Der zweite

Per analogiam

ist der Fall heranzuziehen, daß der eine fehlt, der andere

unermittelt ist; dagegen nicht der Fall, daß nur einer fehlt

oder nur einer unermittelt ist. „Ergreifung"

bedeutet Freiheitsentziehung zum Zweck

der Strafverfolgung, nicht dagegen zu anderm Zweck, z. B.

Strafvollstreckung oder präventiver Sicherung.

Ob sie vom

Gericht oder der Polizei oder einem Privaten vorgenommen

wird, ist gleichgültig.

Man wird aber verlangen müssen,

daß sie rechtmäßig erfolgt ist. V. Der Gerichtsstand des Zusammenhanges

(forum connexitatis materialis) ist nach StPO. 13 be­ gründet, sobald ein Gericht für eine Sache nach II, III oder IV kompetent ist, und mit dieser Sache eine andere Sache im technischen Sinne zusammenhängt."

Jedes

Gericht,

14 Die Fassung berücksichtigt | Berlin in mehrere Gerichts­ ferner den vorerst noch nicht bezirke geteilt ist. praktischen Fall, daß die be- ' 16 14 * Oben § 25 B II. Zu­

treffende Hauptstadt oder

daß | sammenhang in

dem weiteren

Die örtliche Zuständigkeit.

K 26.

111

das für eine der zusammenhängenden Sachen kompetent ist, besitzt dann auch für jede andere derselben die örtliche Zu­

Nicht ist Voraussetzung, daß die zusammen­

ständigkeit.

hängenden

Sachen

auch

im Zusammenhang

verhandelt

werden; sie können ebensogut verbunden wie getrennt sein oder werden.

Wohl aber muß in derjenigen Sache, deren

Gerichtsstand zur Begründung der Kompetenz verwendet

werden soll, Klagerhebung bereits erfolgt sein und darf in ihr noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegen.

Sind die an sich zusammenhängenden Sachen bereits getrennt bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht, so

ist eigentlich der Fall erledigt.

Doch besteht die Möglichkeit,

auch noch nachträglich eine Verbindung bei einem jener

Gerichte herbeizuführen (StPO. 13 Abs. 2).

Dabei müssen

zustande kommen: a) übereinstimmende Anträge der

beteiligten

Staatsanwaltschaften; lassen sich solche nicht erzielen, so kann innerhalb des gleichen Bundesstaats

dienstliche Anweisung der vorgesetzten Staatsanwalt­ schaft event, der Centralstelle eingreifen; gehören die

Staatsanwaltschaften aber nicht demselben Bundes­

staat an, so bleibt es, da GBG. 144 Abs. 3 nicht gegeben ist, bei der Trennung;

b) eine diesen Anträgen entsprechende Vereinbarung der Gerichte.

Antrag

Ihr Fehlen kann —doch nur auf

der Parteien



durch

Entscheidung deS

gemeinschaftlichen oberen Gerichtes ersetzt werden (vgl.

Sinne des § 236 StPO, kann niemals diese Zuständigkeit be­ gründen. — Ein Untersall ist

das forum StPO. 428.

reconventionis,

112

Allg. Teil.

Abschn. I.

unten VII).

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

Tritt solche Entscheidung nicht ein, so

bleibt es bei der Trennung.

Bei StPO. 13 ist in erster Linie daran zu denken,

daß es sich um Gerichte gleicher Ordnung handelt.

In­

dessen ist dies nicht notwendig: mit den Bestimmungen des § 13 können sich die der §§ 2 und 4 kreuzen."

Das

endgültig befaßte Gericht (d. h. der Gerichtskörper), muß aber wenigstens für eine der zusammenhängenden Sachen

sowohl sachlich wie örtlich kompetent fein.17 * * — Verbundene Sachen können, gleichviel ob die Verbindung auf der Zusammenfassung in einer Klage oder auf einem Ver­

bindungsbeschluß nach

Abs.

2

beruht, durch

einen

als

contrarius actus unter den Bedingungen des Abs. 3 zu­

stande kommenden Beschluß wieder getrennt werden (RG

31, 171). VI. Der Gerichtsstand des Auftrags (formn delegationis oder mandati) ist in drei Fällen zu erblicken,

in welchen ein an sich unzuständiges Gericht durch Beaufttagung von feiten eines oberen Gerichts zuständig wird.

Der Auftrag bildet

den Grund der Kompetenz.

In

einem Falle geht er vom Reichsgericht aus, in zweien vom

Die Fälle sind:

„zunächst oberen Gericht".

1. StPO. 9 Abs. 1

und 2: der inländische Tatort

und der inländische Wohnsitz (Aufenthalt, letzte Wohnsitz) "Löwe-Hellweg,K omni., § 13 Note 2 a. RG. 31, 171. 17 v. Kries S. 172. LöweHellweg, Komm. § 4 Note 3 c. Beispiele: 1. der Koblenzer A. hat in Bonn gebettelt, in Köln Unfug verübt — sowohl SchG. Bonn wie SchG. Köln und Koblenz sind zuständig.

2. Der Koblenzer A. hat in Bonn 100 M. gestohlen, in Köln gebettelt — sowohl StK. Bonn, wie StK. Koblenz sind für beides zuständig, aber nicht StK. Köln. Den Verbindungs­ beschluß fasten in Fall 1 SchG. Bonn und SchG. Köln; in Fall 2 OLG. Köln.

Die örtliche Zuständigkeit,

g 26.

113

fehlen oder sind unermittelt, und ferner: eine Ergreifung

hat nicht stattgefunden

— das Reichsgericht bestimmt das zuständige Gericht. 2. StPO. 15 Fall 1: das an sich zuständige Gericht

— zuständig nach II. III, IV, V oder VI 1 — ist an der Ausübung des Richteramts — rechtlich oder tatsächlich 17 —

verhindert, indem z. B. der einzige Amtsrichter am Ort als Zeuge tätig sein muß; und 3. StPO. 15 Fall II: von der Verhandlung vor dem an sich zuständigen Gericht ist eine Gefährdung der öffent­

lichen Sicherheit zu besorgen — das zunächst obere Gericht hat die Untersuchung und Entscheidung dem gleichstehenden Gericht eines andern

Bezirks zu übertragen.

Im Falle 1

können wir vom Gerichtsstand der fin­

gierten Ergreifung, in den Fällen 2 und 3 vom Gerichtsstand des Ersatzauftrags reden.

Die Fälle 2

und 3 können auch für einzelne Prozeßhandlungen oder einzelne Instanzen, nicht bloß für den Prozeß als Ganzes,

vorkommen. VII. Als Gerichtsstand der Bestimmung (formn

decreti) läßt sich in vier Fällen, in denen mehrere Gerichte in Betracht kommen, die durch Entscheidung des „gemein­

schaftlichen oberen Gerichts" dem Zweifel entrückte Kompetenz bezeichnen.

Möglicherweise wird durch diese Bestimmung

die Kompetenz auch erst begründet; eine Nachprüfung nach

dieser Richtung soll aber eben abgeschnitten werden.

Die

Fälle sind: 17 Ob die Verhinderung eine rechtliche oder eine tatsächliche ist, macht nach Reichsrecht keinen Unterschied; nach Landesrecht

kann es u. U. einen solchen machen; vgl. preuß. Ausf.-G. z. GVG. v. 24. April 1878 § 24 und RG. Civ. 44, 394. 8 Rosenfeld. Reichsstrafpro-etz. 2. Aufl.

114

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

Die Gerichtstörper.

1. StPO. 12 Abs. 2 : sind mehrere Gerichte nach II

oder III zuständig, so entscheidet an sich die Prävention des eröffnenden Gerichts; doch kann eine abweichende „Be-

sttmmung"

getroffen werden — indessen nicht nach Be­

endigung der I. Instanz (RG. 13, 365), weil hiermit ein

Eingriff in die funktionelle Zuständigkeit vollzogen würde;

2. StPO. 13 Abs. 2:

wenn eine Vereinbarung der

mehreren mit konnexen Straffachen befaßten Gerichte nicht

zustande kommt, so kann diese Art des (teils positiven, teils negativen) Kompetenzkonfliktes durch „Bestimmung" gelöst werden, s. oben S. Ulf. unter Vb. 3. StPO. 19: ist ein negativer Kompetenzkonflikt von

den

sämtlichen

beteiligten

Gerichten

in

unanfechtbarer

Weise" entschieden worden, und ist notwendig (mindestens) eines der Gerichte das zuständige, so wird dieses durch das

gemeinschaftliche obere Gericht bezeichnet; 4. StPO. 14: in allen übrigen Fällen des Kompetenz­ konflikts

bestimmt

ebenfalls

„das

gemeinschaftliche

obere

Gericht dasjenige Gericht, welches sich der Untersuchung und Enffcheidung zu unterziehen hat"." 18 Die Unanfechtbarkeit soll event, durch Verzicht aus die fristlose Beschwerde herbeige­ führt werden, nach Braun in Seuff. Blättern f. Rechtsanwendung, 1901,S.221 f. Andern­ falls müßte das Obergericht die Entscheidung ablehnen. Dagegen ist zu sagen, daß dann zwar nicht § 19, aber § 14 zutrifft und das Obergericht also nach diesem § zur Entscheidung be­ rufen ist. 16 § 19 ist ein Unterfall von § 14. Die Bedeutung des

i ! j i I i

§ 19 liegt in dem ausdrück lichen Ausspruche, daß die Rechtskraft einer Unzuständig­ keitserklärung deren Aufhebung nicht hemmt, Löwe-Hellweg, 8 19 Rote 1. Aber für die Rechtskraft der Zuständigkeils erklärung ist aus § 14 dasselbe zu folgern! — DaS bestimmende Gericht muß stets ein höheres sein als dasjenige, welches die Unzuständiakeitserklärung in letzter Instanz erlassen Hal, a. M. Löwe-Hellweg, § 19 Note 5.

Die örtliche Zuständigkeit.

$ 26.

115

VIII. Konkurrenz von Gerichts ständen und

Feststellung der Zuständigkeit. A. Für eine und dieselbe Strafsache kann leicht bei

mehreren Gerichten zugleich sein.

ein Gerichtsstand

begründet

Sind mehrere Gerichtsstände aus II vorhanden, so

sind sie gleichberechtigt; desgleichen mehrere aus III (bis auf die aushilfliche Reihenfolge: Wohnsitz, Aufenthalt, letzter Wohnsitz).

Ist einer oder mehrere aus II und einer oder

mehrere aus III vorhanden, so sind sie alle untereinander gleichberechtigt.

Ist gar keiner aus H und gar keiner aus

III vorhanden, so tritt IV ein und fehlt es auch hieran, so der Gerichtsstand der fingierten Ergreifung (for. delegationis VI 1).

An die Stelle eines jeden so ge­

wonnenen Gerichtsstandes kann im Wege des Ersatzauftrags

(for. delegatiouis VI 2, 3) ein anderer gesetzt werden, der

dann in jeder Beziehung den Platz des ersten ausfiillt. Ohne daß die dargelegte Gleichberechtigung oder Sub­ sidiarität irgend wie gestört wird, kann neben jeden ein­

zelnen oder neben eine Mehrheit so gewonnener Gerichts­ stände des weiteren als gleichberechtigt ein Gerichtsstand (oder

mehrere) aus V (for. connexitatis) treten.

Unter mehreren sonach gleichberechtigten Gerichtsständen entscheidet nach StPO. 12 Abs. 1 die Prävention des

Gerichts.^

Dasjenige Gericht, welches zuerst die Vorunter­

suchung oder das Hauptverfahren eröffnet hat, drängt die

anderen zurück und wird nunmehr allein und ausschließlich zuständig (ihm „gebührt ... der Vorzug"). Diese Nor-

mierung ist über den — nur die Konkurrenz

zwischen

20 nicht die des StAnw. in I CPO. 35: die Wahl des Klägers s?: Klagerhebung. Anders nach I entscheidet unabänderlich. 8*

116

Allg. Teil.

Abfchn. I.

Kap. I.

Die Gerichtskörper.

Gerichtsständen aus II und III betreffenden — Wortlaut

des § 12 hinaus auch auf andere Fälle der Gleichberechtigung analog zu erstrecken. Damit ist auch zugleich die Eröffnung der Unter­ suchung als der für die Prävention maßgebende Zeitpunkt bezeichnet.

Derselbe Zeitpunkt muß auch dafür den Aus­

schlag geben, ob ein primärer Gerichtsstand vorhanden ist oder ob an seine Stelle der subsidiäre nachzurücken hat

(perpetuatio fori).

Der Gerichtsstand der fingierten Er­

greifung bleibt bestehen,

Ergreifung erfolgt.

auch wenn später die wirkliche

Das so rum connexitatis bleibt be­

stehen, auch wenn später durch vorweg erfolgende Aburteilung einer Sache der Zusammenhang gelöst wird (RG. 25, 406)/21

Beseitigt werden kann die Wirkung der Prävention nur durch Bestimmung (VII 1), und diese eventuell durch neue

Bestimmung (VII 1).

Die Bestimmung (VII 3, 4) dient

ferner zur Lösung von Kompetenzkonflikten.

B. Die Gültigkeit der einzelnen Untersuchungs­ handlungen hängt nach StPO. 20 nicht von der Zu­ ständigkeit des handelnden Gerichts ab — selbstverständlich nur, sofern dieses die Überzeugung von der eigenen Zu­

ständigkeit hat —; wohl aber hängt davon prinzipiell die Gültigkeit des Prozesses als Ganzen ab.

Daher hat

das Gericht seine örtliche Zuständigkeit zunächst ebenso wie

die sachliche von Amts wegen zu prüfen, jedoch nicht in jeder Lage des Verfahrens.

Vielmehr ist zu unterscheiden:

1. Verfahren mit Voruntersuchung.

Zuerst

im Augenblick der Klagerhebung, weiter aber auch während

der ganzen Dauer der Voruntersuchung und während des

81 Einzelheiten bei Löwe-Hellweg zu § 9, Note 4c, ob, 11; zu 8 13 Note 3 b.

Die örtliche Zuständigkeit.

A 26.

117

Zwischenverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens, aber auch nur bis dahin, besteht für das Gericht das Recht

und die Pflicht der Prüfung (§ 18).

Außerdem hat der

Angeschuldigte einen Einwand der Unzuständigkeit, aber nur bis zum Schluffe der Voruntersuchung (oder der wieder

aufgenommenen Voruntersuchung): § 16 Teil I.

Sobald

jedoch über diesen Punkt ausdrücklich entschieden ist, erlischt die Möglichkeit der Prüfung von Amts wegen (§ 17), nicht

aber der Prüfung auf Einwand des bisher nicht gehörten

Angeschuldigten.

2. Verfahren ohne Voruntersuchung.

Eine

Prüfung von Amts wegen findet von der Klagerhebung an während des Zwischenversahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens statt und erlischt mit dem Eröffnungsbeschluffe (£

18).

Das Einwandsrecht des Angeklagten

dauert weiter bis zur Verlesung des Eröffnungsbeschlusses

in der Hauptverhandlung (§ 16).22 IX. Ein Gerichtsstand der Gefahr im Ver­ züge wird durch StPO. 21

geschaffen.

Diese Hinweg­

setzung über die gesamten erörterten Regeln gilt aber nur für einzelne Prozeßhandlungen und nur für das Amts­

gericht der Handlungsbereitschaft (vgl. StPO. 163). § 27.

Vie funktionelle Inständigkeit. Kries § 22.

Birtm. § 36. B. B. § 23, III. Bind. § 28.

Ullm. £§ 34, 35.

I. Hierher gehören die Regeln darüber, welche Gerichts­ abteilungen und welche Gerichtsbeamten zu den einzelnen Handlungen eines Strafprozesses berufen sind (Vorsitzender “ § 17 gilt hier nicht, unrichtig RG. 34, 215.

118

Allg. Teil.

Abschn. I.

Kap. I.

oder Kollegium, erkennende

Die Gericht-körper,

oder beschließende Kammer,

Untersuchungsrichter oder Strafkammer, Richter oder Gerichts­

schreiber).

Hierher gehört ferner die Regel, daß für ver­

einzelte Prozeßhandlungen nur die Amtsgerichte zuständig sind.

Nur sie können, falls noch nicht Klage erhoben ist,

Verhaftungen,

Beschlagnahmen, Durchsuchungen,

öffnungen usw. verfügen.

Leichen­

Nur sie erheben auf Requisition

der Staatsanwaltschaft oder (nach Klagerhebung) des Unter­ suchungsrichters oder des Prozeßgerichts Beweise im Wege der Rechtshilfe. II. Von besonderer Wichtigkeit ist die Instanzen-

ordnung der erkennenden Gerichte:

Erste Instanz:

Berufungsinstanz: Revisionsinstanz:

Fall I.

Fall II.

Fall III.

Fall IV.

SchG. (ober AR.)

StK.

SchwG.

RG., II + III. StSen.

StK.







RG.



RG. OLG. (ober RG.) ober OLG.

Nur im Fall I gibt es also drei Instanzen. Die Strafkammer ist als Berufungskammer in Übertretungs­

und Privatklagesachen Dreimännerkammer, sonst stets Fünfmännerkammer (GBG. 77).

Die Straf­

senate der Oberlandesgerichte sind mit 5, die des Reichs­

gerichts mit 7 Räten besetzt (GBG. 124, 140).

Im Fall I

kann ganz ausnahmsweise kraft einer eigenartigen Disposition über die funktionelle Zuständigkeit auch das

Reichsgericht Revisionsgericht sein, nämlich

bei

Gefälls­

delikten unter den näheren Voraussetzungen des §

Abs. 2 GBG.

136

Im Fall II ist das Oberlandesgericht nur

Die funktionelle Zuständigkeit,

g 27.

119

dann Revisionsinstanz, wenn die Revision ausschließ­

lich

auf

die Verletzung einer in den Landes­

gesetzen enthaltenen Rechtsnorm (GVG. 123 Z. 3). Gleichgültig ist es,

Reichsrecht

oder

nach

eine

gestützt wird ob eine nach

Landesrecht strafbare

Handlung den Gegenstand der Untersuchung bildet.

In Fall I und Fall II können die Bundesstaaten mit mehreren Oberlandesgerichten eines derselben als Central­ instanz fungieren lassen oder auch ein Oberstes Landesgericht als solche Centralinstanz einschieben.

Von dieser Befugnis

des § 9 EG. z. GVG. haben Preußen und Bayern Gebrauch

gemacht. Für Preußen bestimmt § 50 des AusfG. z. GVG., daß das Oberlandesgericht Berlin, das Kammergericht,

ausschließlich zuständig ist 1. für die

nicht

zur Zuständigkeit des Reichsgerichtes

gehörenden Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in erster Instanz;

2. für die Revisionen gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungsinstanz, sofern eine nach Landes­ recht strafbare Handlung den Gegenstand der

Untersuchung bildet. Es stellt sich demnach für Preußen, wenn wir OLG. — spezielles Oberlandesgericht, und Kamm.G. — centrales

Oberlandesgericht (sog. kleines Obertribunal) auseinander­

halten, unsere Tabelle folgendermaßen:

Erste Instanz: Berufungsinstanz:

Revisionsinstanz:

Fall I.

Fall II.

Fall III.

SchG.(od.AR.)

StK.

SchwG.

S1K.





OLG. ob. Kamm.G. (ob. RG.)

RG. ob. Kamm.G.

RG.

120

Abschn. I.

Die Gerichtspersonen.

Kap. II.

Zweites Kapitel.

Die Gerichtspersonen. 1. §ie Hauptpersonen. § 28.

Arten der Nichter. Kries § 19 I.

Birkm. §§ 37, 38, 49, 50 I. B.-B. § 15. g 36. Bind. §§ 38, 47—50.

Ullm.

I. Als Hauptpersonen unter dem Gerichtspersonal

bezeichnen wir den Richter und den Gerichtsschreiber.

Sie

üben den wichtigsten Teil der Gerichtstätigkeit, Entscheidung

und Beurkundung, aus.

Ein nur untergeordneter Teil der

Gerichtstätigkeit fällt den Nebenpersonen des Gerichts­

vollziehers und Gerichtsdieners zu.

II.

Die

Richter

sind

1. in

Berufsrichter und

Laienrichter (oben S. 81) zu scheiden; unter letzteren

nehmen die Schöffen die volle richterliche Stellung eines Beisitzers ein, während die Geschwornen

nur die ihnen

ausdrücklich zugewiesenen Befugniffe haben. — Wir haben

2. teils Einzelrichter,

teils Richterkollegien.

Sämtliche Rechtsmittelinstanzen und alle erkennenden Gerichte in der Hauptverhandlung sind kollegialisch besetzt?

Außer­

halb der Hauptverhandlung ist bei den Schöffengerichts­

delikten der Amtsrichter als Einzelrichter tätig, alle übrigen

erkennenden Gerichte fungieren auch hier als Kollegium.

Im vorbereitenden Verfahren, sowie bei der Gewährung

von Rechtshilfe fungieren stets Einzelrichter; ebenso in der Voruntersuchung, mit Ausnahme weniger, besonders wichtiger Punkte. — 3. Es sind erkennende Richter, d. h. Mit1 ausgenommen die Fälle des § 211 Abs. 2 StPO.

Arien der Richter,

glichet der

g 28.

121

von

den nichter -

erkennenden Gerichte,

kennenden, denen nur einzelne Prozeßhandlungen zu­ Als letztere

gewiesen sind, zu unterscheiden.

treten der

Untersuchungsrichter, der ersuchte Richter (stets Amtsrichter)

und

der

beauftragte Richter

besonderen

umgrenzten

emaniertes

Mitglied.

Akten

auf.

Letzterer ist ein

Er wird nur in luenigen, jedoch

analoger Ausdehnung fähigen Fällen erwähnt.

zu

erkennenden Gericht

vom

von

der

StPO,

Zur Erfiillung seiner Aufgaben hat er volle

Entscheidungsgewalt und steht in deren Handhabung nicht unter der Kontrolle des Kollegiums, das ihn entsandt hat?

— Endlich ist 4. der Vorsitzende und der Beisitzer

(beisitzende Richter) auseinanderzuhalten.

Dem Vorsitzenden

liegt die Anberaumung und die Vorbereitung der Termine, die Vernehmung des Angeklagten und die wesentliche Leitung

der Beweisaufnahme samt der Handhabung der Sitzungspolizei

durch leichtere Mittel, ferner die Leitung der Beratung und Abstimmung, sowie die Mitwirkung bei der Beurkundung der

Vorgänge in der Hauptverhandlung

ob.

Eigenartige Be­

fugnisse sind: Festhaltung eines Angeklagten in Gewahr­ sam, StPO. 230 Abs. 1, S. 2; Auswahl des Verteidigers,

StPO. 144 Abs. 1, S. 1; Verabfolgung von Akten in 9 StPO. 171 Abs. 3, 222, 232, 331, 409. Ebenso kann aber auch bei den einzelnen Be­ weiserhebungen des tz 200 ein beauftragter Richter verwandt werden. 3 Gegen seine Verfügungen findet Beschwerde nach StPO. 346 an das OLG. statt. Eine dem 8 576 CPO. entsprechende Bestimmung fehlt in der StPO. Birkm. S- 281 will gleich-

! i ! ! ;

wohl die Analogie der CPO. heranziehen. Indessen solche setzt voraus, daß von einem geregelten aus einen ungeregelten Füll geschlossen wird; der Fall der StPO, ist aber nicht unge­ regelt, sondern hat in 8 346 seine ausdrückliche Regelung er­ fahren. Außerdem s. oben S. 49. Ebenso Löwe Hell we g, 8 346 Rote 4d.

122

Abschn. I.

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

die Wohnung des Verteidigers, StPO. 147 Abs. 3; sodann in dringlichen Fällen Erlaß eines Haftbefehls, event, auch

Aufhebung eines solchen oder Freilassung gegen Kaution, StPO. 124 Abs. 3; und Bestellung eines Verteidigers, StPO.

Der Vorsitzende ist

141.

-senaten

bei

den

Schöffengerichten

ist

es

stets

der

nannt

(GVG.

vom 83).

bei

den

Der

Amtsrichter.

Schwurgerichtsvorsitzende wird für jede

Sitzungsperiode

und

Straflammern

durch die Geschäftsordnung bestimmt,

einzelne

Oberlandesgerichtspräsidenten

Er

hat

manche

weiteren

er­

eigen­

artigen Funktionen, unter denen die Auslosung und Be­

eidigung der Geschworenen (StPO. 288), die Entwerfung der Fragen (StPO. 290) und dieRechtsbelehrung (StPO. 300)

hervorgehoben seien.

§ 29. Vir Fähigkeit Les Vrnrfsrichters zum Mchteramt. KrieS § 16. Birkm. 88 42, 45. B.-B. §8 16—19. Hörn. 88 38-41. Bind. 8 39. Laband III, § 91 II.

Nicht jeder kann Berufsrichter sein.

Es gehören dazu

gewisse Erfordernisse, und die Abwesenheit gewisser Mängel. Sonst ist man entweder allgemein oder für die besondere Sache untauglich.

Wer den Erfordernissen, die wir unter

I und II behandeln wollen, nicht genügt, ist zum Richter­

amt absolut unfähig, ein judex incapax.

Wer in der

einzelnen Sache mit den Mängeln, von denen wir unter III und IV handeln wollen, behaftet ist, ist zum Richter­

amt relativ unfähig, nämlich entweder kraft Gesetzes

ausgeschlossen, ein judex inhabilis (unten zu III), oder kraft Parteiwillens ablehnbar, ein judex suspectus (unten

zu iv).

Fähigkeit des Berussrichters zum Richteramt.

I.

123

Handlungs­

öffentlichrechtliche

Bolle

g 29.

fähigkeit wird für den Richter nach allgemeinen Grund­

sätzen des öffentlichen Rechts zu erfordern sein. Zu dieser gehören außer 1. voller Handlungsfähigkeit im Sinne der allgemeinen Rechtslehre, d. h. geistiger Reife1 2und geistiger

Gesundheit-, noch des ferneren für öffentlichrechtliche Be­ ziehungen: 2. männliches Geschlecht; 3. inländische Staats­

angehörigkeit;

4.

der bürgerlichen Ehrenrechte

Vollbesitz

(vgl. StGB. 31, 33, 35, 128, 129, 358.

GVG. 128).

II. Wissenschaftliche Qualifikation verlangen

GVG. 2—4.

Danach ist nötig entweder a) mindestens Ablegung zweier Prüfflngen,

dreijähriges Rechtsstudium,

und Assessorexamen) und

(in Preußen Referendar-

da­

zwischen ein mindestens dreijähriger Vorbereitungsdienst;

oder b) statt dessen die Stellung als ordentlicher öffent­ licher Lehrer des Rechts

(nicht bloß

schaften) an einer deutschen Universität.

der Staatswissen­ In beiden Fällen

muß noch eine Berufung zur Aus Übung hinzutreten:

entweder durch Ernennung auf Lebenszeit mit festem Gehalt (GVG. 6—9) oder durch Beauftragung mit einstweiliger

Wahrnehmung richterlicher Geschäfte nach näherer Maßgabe

des Landesrechts (GVG. 10). III. Ausschließung kraft Gesetzes einer im all­

gemeinen zum Richteramt tauglichen Person findet nach StPO. 22 Z. 1—5; 23 Abs. 1—3 statt.

Die folgenden

Umstände schließen ipso jure den Richter in der konkreten 1 Aller von 21 Jahren: zum RG.Rat sogar von 35 Jahren: GBG. 127. 2 Stellt sich heraus, daß ein Richter geisteskrank war, so ist der unbedingte Revisionsgrund

des K 377 Z. 1 StPO, gegeben, genau so wie wenn hinterher entdeckt würde, der eine Mit­ wirkende sei weiblichen Ge­ schlechts oder ein Ausländer ge­ wesen.

124

Abschn. I.

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

Sache aus, und sind deshalb von Amts wegen zu beachten: 1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt

ist; 2. wenn er a) Ehemann, b) Vormund oder Gegen­ vormund (nicht Pfleger) der verletzten — c) Ehemann, d) Vormund der beschuldigten Person (nicht bloßer Kom­ plizen, die nicht mitbeschuldigt sind) ist oder gewesen ist;

3. wenn er in folgenden Beziehungen zum Verletzten oder zum Beschuldigten steht: a) Verwandtschaft (nicht außer­ eheliche) in gerader Linie; b) Verwandtschaft in der Seiten­

linie bis zum 3. Grade; c) Schwägerschaft in gerader Linie in jedem Grade; d) Schwägerschaft in der Seitenlinie bis

zum 2. Grade; e) Adoptivverwandtschaft in gerader Linie; 4. wenn er früher in derselben Strafsache, wenn auch in noch so unbedeutendem Maße (RG. 28, 53) a) als Be­

amter der Staatsanwaltschaft, b) als Polizeibeamter, c) als Anwalt

des

Verletzten,

d) als Verteidiger

tätig

war;

5. wenn er früher in derselben Strafsache a) als Zeuge, b) als Sachverständiger (oder Dolmetscher) vernommen ist,

selbst wenn er von einem Weigerungsrecht Gebrauch gemacht

hat; 6. wenn er in derselben Strafsache bereits mitgewirkt hat a) als Richter früherer Instanz (8 23 Abs. 1), b) als

Untersuchungsrichter (§ 23 Abs. 2), c) als Berichterstatter beim Eröffnungsbeschluß oder sonstiger Entscheidung über

die Anklage im Zwischenverfahren (§ 23 Abs. 3), d) als Richter bei irgend einer Entscheidung über die Anklage im

Zwischenverfahren,

wenn bereits zwei Mitwirkende tätig

tut gleichwohl die HM. und die 3 Ansehen und Würde der Praxis des RG. 23, 361. Selbst Rechtspflege leiden, wenn je­ von diesem Standpunkt aus mand in propria causa Richter sind aber RG. 24, 342. 25, sein darf. Das ist die ratio legis. Folglich ist tz 22 Z. 1 I 179 sicher unrichtig. Richtig: nicht auf die „unmittelbar Ver­ I Glaser, Handb. II S. 109. letzten" zu beschränken. Das ! Ullm. S. 167. RG. 33, 314.

Fähigkeit des Berufsrichlers zum Richteramt.

g 29.

125

Der Ausschluß zu 6c und d

sind (§ 23 Abs. 3).

gilt jedoch nur für das Hauptverfahren vor

der Strafkammer. Die Ausschlußgründe zu 1 bis 5 machen jeden Tätigkeitsakt des betreffenden Richters nichtig und das Urteil nach § 377 Z. 2 kassierbar (RG. 30, 70); der Ausschlußgrund zu 6 nur jede Mitwirkung bei einer

Entscheidung. IV. Die Ablehnung wegen Besorgnis

der

Befangenheit ist durch StPO. 24—30 geregelt.

Der

Richter ist hier nicht von Rechts wegen ausgeschlossen, wohl

aber steht es den Beteiligten offen, durch eine Reaktion ihrerseits ihm die Ausübung seines Amtes in der einzelnen

Sache zu verlegen.

Die Gründe der Befangenheit kann

das Gesetz nicht auszählen; es wird nur ein allgemeiner Fingerzeig dahin gegeben, daß der Grund geeignet sein müsse, Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu

rechtfertigen.

Den Anstoß zum Ablehnungsverfahren geben

entweder die Parteien (Staatsanwalt, Privatkläger, Neben­ kläger, Beschuldigter, Einziehungsbetroffener) oder nach § 30 der Richter selbst, der jedoch niemals beweispflichtig oder anfechtungsberechtigt ist.

betrachten. werden:

Der erstere Fall ist näher zu

Das Ablehnungsgesuch muß angebracht

a) innerhalb

präludierender Frist

(§ 25;

in

I. Instanz bis zur Verlesung des Eröffnungsbeschlusses;

in der Rechtsmittelinstanz bis zum Beginn der Bericht­

erstattung)-/ b) in beliebiger Form, mündlich, schriftlich oder zu Protokoll (§ 26 Abs. 1 Teil II); c) beim Gericht,

dem der Richter angehört (§ 26 Abs. 1 Teil I); d) unter Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes (§ 26 Abs. 2). 4 sofern es sich um Ablehnung I müssenden Richtereines in der Haupwerhandlung I im übrigen fristlos.

handelt;

126

Abschn. I.

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

Die Beweisführung liegt dem Anbringer ob.

Sie

ist eine Glaubhaftmachung im Sinne CPO. 294, durch

einseitige, parate Beweismittel mit Ausnahme der Eides­

zuschiebung und des Erbietens zur Eidesleistung? Stets muß außerdem eine dienstliche Äußerung des ab­ gelehnten Richters erfolgen, der übrigens auch als Zeuge

vernommen werden kann.

Hält ein

abgelehnter Unter-

suchungs- oder Amtsrichter das Gesuch für begründet, so bedarf es keiner Entscheidung (§ 27 Abs. 2 S. 2).

Die Entscheidung trifft bei Schöffen der Amts­ richter, beim Amtsrichter die Dreimännerftrafkammer, beim

Untersuchungsrichter die Dreimännerstrafkammer, beim Land­ richter bald die Fünf-, bald die Dreimännerstrafkammer

beim Oberlandesgerichtsrat der Oberlandesgerichtssenat, beim Reichsgerichtsrat der betreffende Reichsgerichtssenat, beim

reichsgerichtlichen Untersuchungsrichter der I. Strafsenat des Reichsgerichtes.

Für die Geschworenen bestehen ganz ab­

weichende Vorschriften. Soweit beim Landgericht oder Ober­ landesgericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitgliedes

die Kammer oder der Senat beschlußunfähig wird, entscheidet das zunächst obere Gericht.

Die dem Gesuch stattgebende

Entscheidung ist unanfechtbar, die sie verwerfende a) wenn

es sich um einen erkennenden Richter handelt, erst zugleich mit dem Urteil (§ 28 Abs. 2)7, b)

in

allen

anderen

6 § 26 Abs. 2 S. 1: der sog. I Abs. 3 „Hauptversahren", nicht Perhorreszenzeid ist int Gegens. i „Hauptverhandlung", aus dem zur HM. des gern. R. ausge­ „inneren Grunde des Gesetzes" schloffen. hinweginterpretiert), 21, 250. 6 n. M. die den Ablehnungen 30, 273 illustriert wird. 7 auch wenn ein OLG. nach feindselige Praxis, deren be­ § 27 Abs. 1 a. E. entschieden denkliche Tendenz durch RG. 11, 224. 13, 302 (hier wird so­ hat, RG. 33, 314. gar der klare Wortlaut des § 23

Schöffen und Geschworene,

g 30.

127

Fällen sogleich durch sofortige Beschwerde (§ 28 Abs. 1) anfechtbar.

Die Wirkung der Ablehnung ist sogleich von der Anbringung des Gesuches an Ausschluß des betreffenden Richters.

Doch darf er noch bis zur Entscheidung über

die Ablehnung solche Handlungen vornehmen, die keinen

Aufschub gestatten (StPO. 29).

Anders ist es beim judex

inhabilis: dieser darf nicht einmal solche Handlungen vor­ nehmen.

V. Das gleiche Ablehnungsverfahren steht auch für die Geltendmachung

eines Ausschlußgrundes

(StPO. 24 Abs. 1).

nach

III

offen

Entstehen Zweifel, ob ein Richter

inhabilis sei, so kann das Gericht des § 27 hierüber von Amts wegen nach § 30 a. E. eine Entscheidung

treffen,

die dann nach Maßgabe des § 28 anfechtbar oder unan­

fechtbar ist.

Das gleiche Ablehnungsverfahren wird endlich

per analogiam auch auf die Fälle des judex incapax (oben

I und II) auszudehnen sein. § 30. Schöffen und Geschworene, iUSbesondere ihre Gewinnung.

Kries § 17. Birkm. §§ 43-45. B.-B. 88 16-16. Ullm. 88 25—32. Bind. 88 40—42. Laband III, § 91 I. Otter, Rechtsgrundlagen der Sch - und SchwGBildung, Arch. f. StrR., Bd. 49 u. 50.

I. Die positiven Erfordernisse zu diesen unentgeltlichen

Ehrenämtern (GBG. 31, 84, 55, 96) und die Gründe

der Zurückhaltung von der Ausübung des Amtes sind zum großen Teil abweichend von dem eben Erörterten geregelt.

Die Garantien bestehen nicht in einem Vermögens- oder Bildungszensus, sondern im Wahlmodus.

Bolle öffentlich-

Abschn. I.

128

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

rechtliche Handlungsfähigkeit wird auch hier gefordert (Nicht­ deutsche, Ehrlose sind ausgeschlossen, GBG. 31 S. 2, 32

Z. 1, 84), dagegen nicht die wissenschaftliche Qualifikation;

wohl aber gelten wiederum die Ausschlußgründe (StPO. 31 Abs. 1,

32, 279).

Die Bestimmungen

über Ablehnung

endlich greifen für die Schöffen Platz (StPO. 31), nicht aber für die Geschworenen, für welche das peremtorische

Berwersungsrecht der §§ 282—285 StPO. gilt.

Dazu

treten endlich zwei besondere Fälle absoluter Unfähigkeit Z. 2 und 3, für welche der Zeitpunkt der

in GVG. 32,

Ausübung des Amtes maßgebend ist (RG. 21, 298). II. Neben den Personen, die zu dem Amt eines Schöffen oder Geschworenen unfähig sind, unterscheidet das Gesetz

noch

zwei

Klassen:

a) Solche,

die

nicht

berufen

werden sollen, wobei von Amts wegen zu beachtende

(GBG. 52 Abs. 2) Gründe des öffentlichen Interesses ob­

walten, ohne daß die Verletzung jedoch das Verfahren nichtig macht.

Diese Klasse zerfällt in 2 Gruppen, bei deren erster

(GBG. 33) die Rücksicht auf die Interessen der Rechts­ pflege, bei deren zweiter (GVG. 34) die Rücksicht auf die Interessen

des

Reichs-

und

Staatsdienstes

vorwiegt.*1

b) Solche, die die Berufung ablehnen dürfen

(GBG. 35):

1. Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden

Versammlung; 2. Personen, die im letzten Geschäftsjahr 1 Sie sind teils von Reichs wegen ausgezählt, GVG. 34 Abs. 1; teils ist die Aufzählung dem Landesrecht überlassen (GBG. 34 Abs. 2). Das preuß. AuSfG. z. GVG. § 33 nennt 1. Vortragende Räte der Mi­ nisterien, Generalinspektor des Katasters; 2. Provinzialsteuer­

direktoren; 3. Dirigent der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin; 4. Mitglieder deS Oberverwaltunasgerichts, ständige Mit­ glieder der Bezirksverwaltungsgerichte, und des Verwaltungs­ gerichts für Berlin.

Schöffen und Geschworene.

129

§ 30.

einmal Geschworener oder fünfmal Schöffe waren; 3. appro­ bierte Ärzte; 4. Zlpotheker ohne Gehilfen; 5. Personen über

65 Jahre; 6. Personen, die glaubhaft machen, daß sie den Aufwand nicht zu tragen vermögen; 7. Personen, die bereits zu dem andern der beiden Ämter einberufen sind

(GVG. 97). Gelangen Personen aus den Klassen a und b dennoch in die Liste und zur Ausübung des Richteramtes, so ist dies ohne jeden Einfluß auf das ergehende Urteil.

Personen der Klasse

Weigerungsrecht,

a haben

jedoch

Die

unbefristetes

ein

b ein Ablehnungsrecht,

die der Klasse

das bei den Schöffen (GVG. 53) befristet ist, bei den Geschworenen nicht (GVG. 94).-

III. Die Gewinnung der Schöffen für die einzelne Sache vollzieht sich in folgenden Etappen: für den

durch den

im Wege

1. die Urliste GVG. 36.

Gemeinde­ verband

Vorsteher

der Zusammen­ stellung

2. die Iah res liste GVG. 42 für daS

AG.-Bezirk

Ausschuß

der Wahl

AG.-Bezirk

Amtsrichter

der Auslosung

Es wird gewonnen

Geschäftsjahr

3. dieReihenfolge GVG. 45 für die einzelne Sitzung

Die Jahresliste ist eine doppelte: eine für die Haupt­ schöffen und eine für die Hilfsschöffen (GVG. 42—44).

Die Auslosung der Reihenfolge durch den

Amtsrichter

geschieht: ' Pflichten der Laienrichter GVG. 56, 96, 200. Rotenseld, ReichrftrafProzed.

8. Ausl.

StGB. 138.

9

Abschn. I.

130

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

a) für die ordentlichen Sitzungen aus der Jahres­ liste der Hauptschöffen für das ganze Jahr im voraus (GBG. 45); d) für die außerordentlichen Sitzungen (GVG. 48) je für die einzelne Sitzung a) ohne besondere Dringlichkeit: aus der Jahresliste der Hauptschöffen; ß) bei besonderer Dringlichkeit: aus der Zahl der am Sitz des Gerichts wohnenden Hilssschöffen. Einzelheiten. biS

1.

August

Zu 1: a) Aufstellung der Urliste in Preußen (Geschäftsjahr — Kalenderjahr); ausgenommen

werden alle Personen des Gemeindeverbandes außer den Unfähigen und denen, die nicht berufen werden sollen, aber einschl. derer, die ablehnen dürfen, b) Öffentliche Bekanntmachung deS Zeitpunktes

der Auslegung, eine Woche lang,

c) Auslegung der Urliste zu jedermanns Einsicht

d) Aufnahme bzw. Entgegennahme von „Ein­

sprachen", die sich gegen die Richtigkeit oder gegen die Vollständig­ keit der Urliste wenden können und nicht nur von den Betroffenen

erhoben

werden dürfen,

e) Einsendung «) der Urliste,

der

Einsprachen, y) der erforderlich erscheinenden Bemerkungen z. B.

über

vorhandene

AblehnungSgründe,

Preußen bis 1. September,

an

den

Amtsrichter,

in

f) Anzeige von nachträglichen Ein­

sprachen oder nötigen Korrekturen.

GBG. 36—38.

Zu 2: A. Tätigkeit deS Amtsrichters vor Zusammentritt deS

AusschuffeS.

a) Prüfung, ob Id und c beobachtet; b) nötigenfalls

Zurückgabe der Urliste zur Abstellung von Mängeln; c) Zusammen­

stellung der Urlisten für den ganzen AG.-Bezirk; d) Vorbereitung

des Beschlusses über die Einsprachen, z. B. durch Ermittelungen; c) Bestimmung deS Termins — in Preußen zwischen 1. Sep­ tember und 1. November — für die nicht öffentliche Ausschuß­

sitzung; f) Ladung der Ausschußmitglieder. sammensetzung deS Ausschusses,

GVG. 39. — B. Zu­

a) Amtsrichter alS Vorsitzender;

StaatSverwaltungSbeamter (in Preußen meist Landrat, und Stell­

vertreter), von der Landesregierung (in Preußen Regierungsprä­ sident) ernannt; 7 Vertrauensmänner (auf Helgoland 2).

b) Die

Schöffen und Geschworene.

§ 30.

131

Vertrauensmänner werden jährlich aus den Einwohnern des AG-

Bezirks

gewählt (persönliche Erforderniffe

in Preußen wie bei

Schöffen) und zwar «) primär durch Kommunalvertretungen (in Preußen Kreisausschüsse und Stadtmagistrate, wobei auf mehrere wahlberechtigte Verbände die Zahl je im Januar durch den Amts­

richter nach der Einwohnerzahl verteilt wird) nach absoluter Ma­ jorität; /?) subsidiär durch den Amtsrichter,

c) Zur Beschlußfähig­

keit des Ausschusses gehören der Amtsrichter, der Verwaltungs­ beamte und 3 (auf Helgoland 1) Vertrauensmänner,

d) Abstim­

mung nach absoluter Majorität, event, gibt der Vorsitzende den Ausschlag.

GBG. 40. — C. Tätigkeit des Ausschusses,

a) Ent­

scheidung über die Einsprachen (mit Gründen zu protokollieren;

endgültig und unanfechtbar, jedoch StPO. 279, 377 Z. 1).

richtigung und Vervollständigung der Urliste,

b) Be­

c) Wahl der (in

Preußen bis 1. September vom LGPräsidenten an den AR. mit­

geteilten) erforderlichen Zahl der Hauptschöffen.

d) Wahl der Hilfs­

schöffen (am Sitz des AG. oder in nächster Umgebung), setzung der Reihenfolge der Hilfsschöffen,

e) Fest­

f) Herstellung der Ge­

schworenenvorschlagsliste — s. unten IV; GVG. 41—44, 87. Zu 3: A. Gewöhnlicher Verlaus,

a) Feststellung (in Preußen

im November) der ordentlichen Sitzungstage des Schöffengerichts für das nächste Kalenderjahr,

Sitzung zur Auslosung,

b) Anberaumung einer öffentlichen

c) Losziehung durch den AR.

Dabei

können Lose mit den Namen gezogen werden; der fünfmal (GBG.

43 Ads. 2) gezogene Name scheidet aus. Oder Lose mit den Sitzungstagen; der zweimal gezogene Tag scheidet aus. Oder beides zugleich; die fünfmal gezogenen Namen und zweimal gezogenen

Tage scheiden auS.

Die erste Methode ist die übliche,

kollierung, GVG. 45 Abs. 3.

46,

d) Proto­

e) Notifikation der Schöffen, GBG.

f) Anbringung von Ablehnungsgründen binnen einer Woche

und Entscheidung darüber, GBG. 53.

g) Ladung zur einzelnen

Sitzung, praktisch kaum entbehrlich, in Preußen vorgeschrieben. — B. Nachträgliche Änderung der Reihenfolge, a) Tausch unter 2

oder mehreren Schöffen, bevor Sachen auf die Termine angesetzt sind: übereinstimmender Antrag der Schöffen; Bewilligung durch

AR. nur fakultativ, GBG. 47.

b) Streichung von der Liste wegen

Unfähigkeit, GBG. 52 Abs. 1.

c) fernere Nichtheranziehung nach 9*

Abschn. I.

132

GBG. 52 Abs. 2.

Kap. II.

Die Gerichtspersonen.

d) eigene Ablehnung, GBG. 53.

bindung wegen Hinderungsgründe, GBG. 54 Abs. 1. unter 2 (nicht mehreren) Schöffen, auch wenn

e) Ent­ f) Tausch

der Termin schon

besetzt ist, wegen besonderer Hinderungsgründe, auf oder ohne Ini­

tiative des AR., GBG. 54 Abs. 2. — C. Berufung von Hilfs­

schöffen.

a) Ersetzung eines Hauptschöffen für die einzelne Sitzung,

GBG. 49 Abs. 1.

Ist der Hauptschöffe für den ganzen Rest des

Geschäftsjahres weggesallen, so tritt dies Verfahren für jede einzelne

Sitzung ein, an der er hätte teilnehmen sollen, Eite, GBG. 49 Abs. 2, Beschränkung auf

wohnenden,

b) Fall besonderer

die

am GerichtSsitz

c) Ergänzungsschöffen, GBG. 194 Abs. 3, 49 Abs. 1

d) Anberaumung einer außerordentlichen Sitzung und

und 2.

besondere Dringlichkeit, GBG. 48 Abs. 2.

IV. Die Gewinnung der Geschworenen für die einzelne

Sache spielt sich in den S. 133 angeführten Etappen ob:

Die Jahreslisten sind auch hier gesonderte für die Hauptund für die Hilfsgeschworenen; für letztere ist in gleicher

Weise eventuell noch GBG. 98

bilden,

zu

Schwurgerichtssitzungen. falls

eine weitere besondere

Liste

nach

für einzelne auswärtige

nämlich

Die Spruchliste erfährt nötigen­

eine Vervollständigung durch

den

Schwurgerichts­

vorsitzenden auf dem Wege der Nachlosung a) vor

Zusammentritt

des

Schwurgerichts

aus

der

aus

der

Hauptgeschworenenliste, GBG. 94 Abs. 2;

b) nach

Zusammentritt

des

Schwurgerichts

Hilfsgeschworenenliste, StPO. 280. Einzelheiten.

oben S. 130.

Zu 1 gilt das gleiche wie bei den Schöffen,

Die Urlisten für beide sind identisch.

Zu 2: a) Bestimmung durch die Landesjustizverwaltung (in

Preußen

durch

LGPräsident bis 1.

September),

wie viel

Ge­

schworene in dem LGBezirk oder dem davon nach GBG. 99 ab­

weichenden SchwGBezirk im Jahre nötig sind, und wie viele davon auf den einzelnen AGBezirk entfallen,

auS den Urlisten

die dreifache Zahl

b) Der Ausschuß wählt —

oben III zu 2, C, f.

Schöffen und Geschworene.

| 30.

133

134

Abschn. I.

Kap. II.

Die GerichtSpersonen.

c) Die Vorschlagsliste scheidet Haupt- und Hilfsgeschworene noch

nicht. — GBG. 86—88. Zu 3: a) Einsendung (in unmittelbarem Anschluß an die Ausschußsitzung) der Vorschlagslisten und der die Aufgenommenen betreffenden Einsprachen an den LGPräsidenten. b) Anberaumung einer nichtöffentlichen LGSitzung (in Preußen im Rest des Kalenderjahres): Präsident, Direktoren, im ganzen 5 Mitglieder, c) „endgültige" Entscheidung über Einsprachen, wodurch jedoch den §§ 279, 377 Z. 1, 2 StPO, nicht vorgegriffen wird, d) Wahl der bestimmten Zahl von Hauptgeschworenen, e) Wahl der be­ stimmten Zahl von Hilfsgeschworenen (am SchwGOrt oder in nächster Umgebung), d und e zusammen ein Drittel der Vor­ schlagsliste. — GBG. 89, 90. Zu 4: A. Herstellung der Spruchliste, GBG. 91. a) Zeit der Sitzungsperioden (und deren jährliche Zahl) in Preußen durch OLGPräsidenten nach Anhörung des OStAnw. bestimmt, b) An­ beraumung einer öffentlichen LGSitzung (spätestens 2 Wochen vor Beginn der Periode): Präsident, 2 Mitglieder, Staatsanwaltschaft, c) Präsident lost 30 Hauptgeschworene auS. d) Protokollierung, e) Für die zweite und folgende Sitzungsperiode scheiden die früher als Geschworene Erschienenen aus; es sei denn, daß sie selbst das Gegenteil beantragen. — B. Weitere Behandlung der Spruchliste, GBG. 92—94. a) Übersendung an den SchwGBorsitzenden.

b) Ladung der Geschworenen mit „tunlichst" 1 Woche, „mindestens" 3 Tagen Frist, c) Entscheidung über Ablehnungs (GVG. 35, 97) und HinderungSgründe (bei denen billiges Ermessen den Aus­ schlag gibt) nach Anhörung deS StAnw. «) vor Zusammentritt des SchwG. durch den Vorsitzenden, ^) nach Zusammentritt durch die richterlichen Mitglieder, d) event, nicht öffentliche Nachlosung, Ergänzung auf 30, in formlosem Verfahren. Zu 5: A. Vorbereitung der Auslosung, a) Mitteilung der Spruchliste an den Angeklagten, StPO. 277. b) Sichtung der Liste von incapaces und inhabiles durch Streichung, StPO. 279. c) Möglich ist Nichterscheinen oder Entfernung wegen Ablehnungs oder Hinderungsgründe, GBG. 94, oder Wegfall (der Geschw. ist tot, auögewandert, unermittelt, nicht geladen), oder endlich unent­ schuldigtes, nach GVG. 56, 96 strafbares Ausbleiben, d) Der

| 31.

Der Gerichtsschreiber. Rest muß 24—30 betragen.

135

Eventuell Ergänzung auf 30 durch

öffentliche Nachlosung aus der Jahresliste der Hilfs geschworenen, e) Geltung der Nachlosung für den Rest der Periode; doch ist diese Einwirkung auf die Spruchliste resolutiv bedingt; erscheinen

mehr als 30, so treten die überzähligen Hilf-geschworenen in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Auslosung zurück, StPO. 280. —

B. Bildung der Geschworenenbank,

a) Beginn der Losziehung, so­

bald 24 anwesend, StPO. 280 Abs. 4.

b) Losziehung durch Vor­

sitzenden in unbedingt öffentlicher Sitzung, StPO. 281.

c) Ab­

lehnungsverfahren : , ?

*

visionseinlegung selbst mußte natürlich unbedingt sein. 9 Zeit und Ort der Hand­ lungen werden häufig nur vage oder alternativ festaestellt werden können. Das ist unzulässig, wenn etwa nur der eine Zeit­ punkt in die Verjährungsfrist hineinfiele, oder wenn der eine Ort außerhalb des räumlichen Geltungsgebietes des einschlä­ gigen Strafrechtssapes läge. 10 mit Ostern a. O. §8 11 ff.

Begriff der Prozeßhandlungen.

g 47

211

„in oder gleich nach der Geburt"), Generalklauseln (z. B. StGB. 48 „oder durch andere Mittel"; 223a „oder eines andern gefährlichen Werkzeugs"; 229 „oder andere Stoffe,

welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind"), gleich­ wertige Modalitäten eines Tatbestandes (z. B. StGB. 259

„wußte oder den Umständen nach annehmen mußte"; 223 „körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt" ferner StGB. 186. 224).

In den Fällen unter 2 hätte

eine sorgfältigere Gesetzesredaktion durch Wahl des nächsten

Oberbegriffes über den Einzelgliedern der Aufzählung oder

des Mindestersordernisses unter ihnen, soweit sie sich decken, die Alternativität zum Verschwinden bringen können. Bei alledem darf nicht übersehen werden, daß die Frage, ob

die einzelnen Glieder oder Umstände rechtlich genau die­

selbe Bedeutung haben, ob die verschiedenen Modalitäten rechtlich gleichwertig sind, ganz und gar dem materiellen Recht angehört, wenigstens soweit es sich um die Schuldund die Straffrage handelt.11 Tas Strafgesetz hat übrigens

T. über das, was als gleichwertig anzusehen ist, impli­

cite bindende Vorschriften gegeben.

Erstens in negativer

Beziehung: was in getrennten Paragraphen oder Ziffern desselben Paragraphen ohne Verweisung aufeinander unter­

gebracht ist, kann trotz gleicher Rechtsfolgen auch bei innerer Verwandtschaft nicht als gleichwertig und vertauschbar gelten,

z. B. StGB. 242, 258 Z. 1, 259 oder 243 Ziff. 2, Ziff. 3, ferner Täterschaft und Anstiftung oder Beihilfe.

Zwei­

tens in positiver Beziehung: was der Gesetzgeber trotz äußerer Sonderung als einander gleichstehend, als einander gleich anzusehen bezeichnet hat, kann vikariierend für ein-

11 Richtig v. Kries 592. Warum das ein Paradoxon

sein soll, Ostern a. L. 94, verstehe ich nicht.

212

Abschn. III.

Kap. I.

Allgem. über Prozeßhandlungen.

ander eintreten und läßt als gleichwertig alternaüve Fest­

stellung zu, z. B. StGB. 249 und 252, 249 und 255,

267 und 269, 267 und 270.12 **

Im Einzelfall zu unter­

suchen bleibt, was außerdem durch

„oder" verbunden in

einer limitativen Aufzählung (also ohne clausula ge­ neralis) innerhalb des gleichen Paragraphen steht. So sind z. B.

gleichwertig die Brandstiftungsobjekte des StGB.

308 13 14 oder * 16 von den Modalitäten in StGB. 223 a die Körper­ verletzung mittels einer Waffe oder mittels einer das Leben

gefährdenden Behandlung.

Dagegen ist die ebenda durch

die Worte „von Mehreren gemeinschaftlich" gekennzeichnete

Begehungsweise den übrigen nicht gleichwertig, weil hier

auch StGB. 47 anzuwenden ist.

Ebenso ist eine alter­

native Feststellung beim schwersten Raub aus StGB. 251

nicht statthaft, weil die Verursachung der schweren Körper­

verletzung (oder des Todes) die §§ 224 (oder 226. 212 u. a.) mitberührt, mit denen das „Martern" nichts zu tun hat."

Der prinzipielle Gesichtspunkt dürfte hiernach klargestellt sein", und gewisiermaßen als Probe auf das Exempel

sei hervorgehoben: wo immer die in jeder alternativen ie RG. 35, 299. " So RG. 35, 285 mit frei­ lich sehr bedenklicher Folgerung hinsichtlich des Vorsatzes. 14 a. M. RG. 35,357 gegen den Antraa deS Reichsanw., der zu­ treffend auch die Verschiedenheit in subjektiver Hinsicht betont. 16 Einzelheiten in Fülle bei Ostern, S. 93ff., S. 150ff. Beispiele aus der Judikatur: unzulässig ist die Feststellung, daß jemand Konterbande oder Deftaude begangen, RG. 22, 215 f.; daß ein Diebstahl mittels

Erbrechens von Behältnissen oder mittels falscher Schlüssel verübt sei, RG. 23, 47; daß jemand entweder am 1. März 1892 vor dem AG. Egeln oder am 20. Juni 1892 vor dem LG. Halberstadt einen wissent­ lichen Meineid geschworen, RG. 26, 155. Ebenso m. E., daß jemand einen Mord entweder als Alleintäter oder als Mit­ täter begangen habe; a. M. RG. 12, 351 (Mord deS Po­ lizeirats Rumpf in Frankfurt a/M.). 23, 47. 36, 18.

Die Zeit der Prozeßhandlungen.

f 48.

213

Feststellung liegende Unbestimmtheit zu Zweifel über die Rechtsfolgen, sei es auch nur in Beziehung auf die Straf­

bemessung, Raum ließ, da war die Alternativität unzulässig.'«

VI. Einen besonders wichtigen Teil der Prozeßhand­

lungen, in dessen Erledigung sich Gericht und Parteien

teilen, bilden der Beweis und die Beweissicherung.

Der

Umfang der Beweisaufnahme hängt vielfach von dem Mllen

der Parteien ab, und die Beweisaufnahme liegt stets mit

in ihren Händen.

Wir widmen diesen Handlungen die

beiden nächsten Kapitel. 8 48. Bit Jett der Prozeßhandlungen.

Kries §§ 56, 57. I

Birkm. § 84. B.-B. § 79. Bind. §§ 92, 93.

Ullm. §§ 68, 69.

Die Gerichtstätigkeit ist im Strasprozeß im allge­

meinen an Zeitmomente nicht gebunden.

Sie geht während

des ganzen Jahres (ohne Gerichtsferien, GVG. 202 Z. 1, 203) und auch an Sonn- und Feiertagen vor sich.

An

letzteren finden jedoch in der Regel keine Hauptverhand­

lungen oder sonstige Termine statt.1

Die Parteitätigkeit

hängt weit mehr ab von der Einhaltung bestimmter Ter­ mine, d. h.

Zeitpunkte zur Vornahme solcher Prozeß­

handlungen, bei denen mehrere Prozeßsubjekte mitwirken, und bestimmter Fristen, d. h. Zeiträume, innerhalb deren

ein Prozeßsubjest handeln soll (Parteifristen, Hand'* Hieraus erhellt die rtchtigkett von RG. 36, betr. die einzelnen Ziffern KO. 240. Der Grundsatz

Un- : S. 211 ist hier außer Betracht 194 - gelassen. von I 1 Anders jedoch in den Fäloben len der Freiheitsentziehung: StPO. 115, 128,132,135,164.

Abschn. III.

214

Kap. I.

Allgem. über Prozeßhandlungen.

lungsftisten) oder nicht handeln, also andern Prozeßsub­ jekten Zeit lassen soll (Zwischenfristen, Einlassungs-,

Ladungsfristen).

Termine beraumt der Richter an; Fristen

werden entweder ein für allemal vom Gesetz fixiert, so die

Rechtsmittelfristen, oder im einzelnen Fall vom Richter festgesetzt: gesetzliche und richterliche Fristen.' II. Lauf und Berechnung der Fristen richtet sich ent­ weder nach Prozeßabschnitten (z. B. StPO. 16) oder nach

Zeitteilen; im letzteren Falle gilt StPO. 42, 43.

Ver­

längerung einer gesetzlichen Frist findet sich ausnahmsweise in StPO. 126 Abs. 2; Verlängerung richterlicher Fristen

ist allgemein zulässig, z. B. der Erklärungsfrist

auf die

Anklageschrift. III. Die Parteifrist wird gewahrt durch Vornahme der

Handlung.

Ist diese eine schriftliche Erklärung, so muß

sie auch an die richtige Adresse gelangt fein.3

Die Wir­

kung der Versäumung ist in der Regel Ausschluß mit der betreffenden Handlung (peremtorische Fristen, fristen).

Doch

haben

Charakter, so daß bftrf.4

manche

Fristen

Präklusiv­

nur dilatorischen

trotz Ablaufs noch gehandelt werden

Rechtsbehelf gegen Versäumnis ist die Wiederein­

setzung (unten § 94).

2 Gesetzliche Fristen noch in StPO. 46, 234, 358, 385, 140, 126, 228; richterliche in StPO. 121, 199, 270, 408, 422; Zwischcnfristen in StPO. 216, 425. — Uneigentliche Fristen, die dem Gericht gesetzt und ihrem Wesen nach nur Dienst­ anweisungen sind, in StPO. 124, 275, 348.

• RG. 10, 74. Erleichterung für den Inhaftierten, StPO. 341; vgl. MilStGO. 369 Abs. 3. * So die Frist StPO. 385 für die Berusunysrechtfertigung und die Fristen für Erklärungen auf Anklagen, StPO. 199, 270, 425.

Ter Ort der Prozeßhandlungen.

ß 49.

215

§ 49.

*

Ser Grt der prozrßhandlungrn. Birkm. 88 82, 83.

B.-B. 8 80.

I. Termine und insbesondere Hauptverhandlungen werden

regelrecht an Gerichtsstelle, im Gerichtsgebäude abgehalten. Eine allgemeine Vorschrift, die dem Gericht Abweichungen davon anheimgibt, wie CPO. 219, existiert zwar in der

StPO, nicht; indessen müssen manche Akte, wie bisweilen

der Augenschein und stets die Vernehmung suveräner Per­ sonen, außerhalb der Gerichtsstelle stattfinden (StPO. 86,

71); ebenso muß die Vorschrift, daß gegen nicht Anwesende keine Hauptverhandlung stattzufinden pflegt (StPO- 229), dahin führen, in Fällen,

wo etwa der Angeklagte zum

Verlassen seiner Behausung außerstande ist, die Stätte der

Gerichtstätigkeit zu verlegen.

Es erscheint daher allgemein

zulässig, eine einzelne Sitzung aus besonderen Gründen in

einem anderen Gebäude, unter fteiem Himmel oder auch an einem andern Ort des Gerichtsbezirks abzuhalten? II. Soll eine Frist durch eine Parteihandlung gewahrt

werden, so muß die Handlung an Gerichtsstelle vorgenom­

men werden.

Ist aber z. B. bei Rechtsmitteleinlegung der

Gerichtsschreiber bereit, das erforderliche Schriftstück außer­

halb des Bureaus in Empfang zu nehmen, so ist die Frist gewahrt?

§ 50. Sie Form der ProzrhhanLluugen. Kries 8 35 III, IV.

Birkm. §§ 80, 81.

B.-B. 8 76.

Es herrscht der Grundsatz der Mündlichkeit (oben § 15), doch wird zu manchen Akten, wie regelrecht zur Erhebung

1 RG. 22, 398. Vgl. GBG. I zirk, GBG. 167, 168. 98. Eingreifen in fremden Be- I 1 RG. 31, 4.

216

der

Abschn. III.

Kap. I.

öffentlichen Klage,

Allgem. über Prozeßhandlungen.

Schriftlichkeit erfordert,

auch zu

manchen Akten der Gerichtstätigkeit (Haftbefehl, Eröffnungs­

beschluß, Urteilsgründe).

Privaten in Parteistellung ist

mehrfach Schriftlichkeit und Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers zur Wahl gestellt, so bei der Einlegung und Rechtfertigung von Rechtsmitteln und bei der Erhe­ bung der Privatklage (StPO. 348, 355, 358, 381, 421).

Bei einigen dieser Wahlfälle muß die schriftliche Erklärung

von einem Anwalt unterzeichnet sein (StPO. 385 Abs. 2: Revifionsrechtfertigung; 406 Abs. 2 : Antrag auf Wieder­

aufnahme).

Gleiches verlangt StPO. 170 Abs. 2 für den

Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung.

8 bl. Bit prozehvoraussttzungtn. Kries § 58. Birkm. §§ 85, 86. B.-B. §§ 4, 5. Ullm. §§ 66, 72. Bind. §§ 94, 95.

I. Insofern die Prozeßhandlungen in ihrer Zulässigkeit

und Wirksamkeit von voraufgegangenen Handlungen bedingt werden und auf folgende bedingend cinwirken, gehören sie

zu den Prozeßvoraussetzungen.

Wir verstehen dar­

unter in weitestem Sinne diejenigen Umstände, die vor­ liegen müffen, damit das Rechtsverhältnis des Strafprozeffes entstehen, sich Schritt um Schritt von Stadium zu Stadium weiterbewegen und sich

seinem Endziel,

einer

Sachentscheidung über den staatlichen Strafanspruch, ent­ gegen entwickeln kann.

Wir haben den Begriff im Unter­

schiede von den Bedingungen der Strafbarkeit bereits oben S. 43 erörtert.

Prozeßvoraussetzung kann auch das Nicht­

vorliegen gewiffer positiver Umstände sein.

Diese Umstände

können wir dann als Prozeßhindernisse bezeichnen,

Die Prozeßvoraussetzungen.

ß 51.

217

so z. B. daS Bestehen einer Ehe zwischen dem Entführer

und der Entführten, StGB. 238.

II. Einzelne Prozeßvoraussetzungen

haben wir schon

behandelt, so 1. die erforderlichen Eigenschaften des Ge­ richts,

nämlich sachliche und

örtliche Zuständigkeit und

richtige Besetzung; 2. die erforderlichen Eigenschaften der Parteien, nämlich ihre und ihrer Vertreter nötige Partei-

und Prozeßfähigkeit;

3. die

erforderlichen

Eigenschaften

der Streitsache: nämlich daß sie eine Kriminalstrafsache, ist (nicht Disziplinar-, Ordnungs-, Ministerstrafsache, oben

S. 37 Anm ); daß sie nicht vor ein Sondergericht, ins­

besondere Militärgericht, gehört; daß sie in einer irregu­ lären Berfahrensart eine Strafsache der betreffenden Kate­

gorie ist, Vgl. StPO. 429, 458.

m. Andere Prozeßvoraussetzungen ergeben sich aus dem StGB.1; insbesondere Antrag und Ermächtigung. Über den ersteren StGB. 61—65, über die Form seiner Stellung StPO. 156 Abs. 2, Lehrb. § 71, 4. — Eine

eigenartige Prozeßvoraussetzung für das Einschreiten gegen einen Schiffsmann wegen gröblicher Verletzung der Dienst­ pflicht ist die Eintragung im Schiffstagebuch, Seem.O. v.

2. Juni 1902 § 98, Abs. 2 S. 2. Zur Strafverfolgung von Landes- (nicht Reichs-) beamten ist in einigen Bundesstaaten eine Vorentscheidung des obersten Verwaltungs-Ger. oder des RG. nötig, daß der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugniffe

(oder:

der Unterlaffung

einer ihm

liegenden Amtshandlung) schuldig gemacht habe.

ob­

Bald ist

diese Vorentscheidung Prozeßvoraussetznng, bald das Ver­ langen solcher Vorentscheidung, welches die vorgesetzte Be1 So Vorabentscheidung eines 1 Abs. 2, 191; Nichtigerklärung anderen Prozesses, StGB. 164 I einer Ehe, StGB. 238.

218

Abschn. III.

Kap. I.

Allgem. über Prozeßhandlungen.

Hörde stellt, die sog. Erhebung des Konfliktes, Prozeß­ hindernis.

EG. GBG. 11.2

IV. Wenn das Urteil auf einer unrichtigen Aufein­ anderfolge der Prozeßhandlungen, einer unrichtigen Gliede­

rung des Verfahrens, beruht, so unterliegt es der Auf­ hebung?

Doch kann u. U. Verzicht (z. B. auf Ladung)

Präklusion (z. B. StPO. 16) oder Nachholung (insbe­

sondere des Strafantrags) sanierend wirken.

V. Für jedes einzelne Prozeßstadium, für jeden Prozeß­ abschnitt sind besondere Erfordernisse nötig und von Amts

wegen

nachzuprüfen; so Voraussetzungen, damit in die

Voruntersuchung, in das Zwischenverfahren, in das Haupt­ verfahren, in die Hauptverhandlung, in die Berufungs­

oder

Revisionsinstanz

eingetreten

werden

kann.

Von

allen diesen Prozeßvoraussetzungen haben uns später näher zu

beschäftigen

die Urteilsvoraussetzungen.

Sie

stehen den sonstigen Prozeßvoraussetzungen insofern gegen­ über,

als Existenz

oder Mangel dieser andern für die

Frage, ob ein Urteil gefällt werden kann, in dem Augen­ blicke, da zur Urteilsfällung geschritten werden soll, keine

Bedeutung mehr

hat.

Soll das Urteil ein Sachurteil

sein d. h. auf Verurteilung oder Freisprechung lauten, so müssen des Weiteren die spezifischen Sachurteils­

voraussetzungen vorliegen (Lehrb. § 85 III). 2 Für Preußen: G. vom ; Min.Bl. 1888, S. 4 ff. unter 13. Februar 1854 und vom III. 8. April 1847, Landesverw.G. 3 RG. 23, 310. In einer vom 30. Juli 1883 § 114, für Mordsache wurde zunächst der die neuen Provinzen Verordg. Angeklagte zur Sache ver­ vom 16. September 1867, Art. nommen und erst hinterher der I, IV, VI für Lauenburg G. Eröffnungsbeschluß verlesen. vom 25. Februar 1878 § 3. i Das RG. findet für die- Ver­ Dazu der Aufsatz im Just.- | fahren Worte schärfsten Tadels.

Allgemeine Vorbegrift'e.

K 52.

219

Zweites Kapitel.

Das Beweisrecht.

§ 52.

Allgemeine Vorbrgriffe. Kries 8 47. Birkm. §§ 67, 68, 74. B.-B. §§ 82- 85. Ullm. §§ 82—84. Bind. §§ 75—78, 84. Glaser, Handb. I, S. 339 bis 747. Glaser, Beirr, z. Lehre vom Beweis im StrProz., Leipzig 1883. B e l i n g, Beweisverboie als Grenzen der Wahr heitsersorschung, 1903 Benn. Bel. Abhandlungen 46).

I. Beweisen ist diejenige Tätigkeit, durch welche in dem Richter die Überzeugung von der Wahrheit tatsäch­

licher Behauptungen erweckt wird.

Mit dem Worte „Be­

weis" bezeichnet man sowohl diese Tätigkeit selbst, wie das günstige Ergebnis dieser Tätigkeit, wie die benutzten

Beweismittel.

Tas Beweisen ist nicht nur eine Tätigkeit

der Parteien, sondern auch des Gerichts, zufolge des Prin­ zips der materiellen Wahrheit (oben § 21).

ist aber tatsächlich nicht in der Lage,

Parteien

gänzlich

zu

entraten:

die

Das Gericht

der Initiative der

relevanten

Behaup­

tungen findet es zunächst in der Anklageschrift, und auch

die Beweismittel müssen (StPO. 198) dortselbst angegeben werden.

Auch stehen dem Gericht die Kenntnisse und Jn-

formationen

der Parteien nur durch deren Vermittelung

zu Gebote.

So kann denn auch — wie das dem Begriff

des Parteiprozesses entspricht — jede Partei den Beweis

selbst in die Hand nehmen: der Staatsanwalt den

Be­

weis für die klagbegründenden Tatsachen, der Beschuldigte

den Gegenbeweis.

Der Beweisführer (diesen Aus­

druck wenden wir alsdann auf die betreffende Partei an) kann tatsächliche Behauptungen aufstellen und Beweise an­ treten.

Das

Gericht ist verpflichtet, zu den ersteren in

220

Abschn. III.

Kap. II.

DaS BeweiSrecht.

seiner Entscheidung Stellung zu nehmen, und kann sich

den letzteren nur ausnahmsweise entziehen.

Wegen des eigenen aktiven Vorgehens des Gerichts zur

Erforschung der Wahrheit ist die Frage nach der Be­ weis l a st im Strafprozeß von geringerer Bedeutung. Doch fehlen dem Gericht oft genug Anhaltspunkte zu weiterem selbständigen Vorgehen.

Für diese Fälle gilt aushilflich

der Satz, daß im Strafprozeß prinzipiell der Kläger und

nur der Kläger die Beweislast hat.

Er muß nicht nur

dartun, daß sämtliche allgemeinen Verbrechens- und be­ sonderen Tatbestandsmerkmale vorliegen, sondern auch, daß

keine Rechtsertigungs-, Strafausschließungs- und Strafauf­ hebungsgründe

gegeben

sind.

Führt der Kläger diesen

Beweis nicht, so erfolgt Sachabweisung, d. h. Freisprechung.

Abweichendes gilt in den oben S. 79 f. erörterten Prä­ sumtionsfällen und Fällen eines onus probandi für den Beschuldigten. II.

Gegen st and

Beweises sind alle Um­

des

stände, deren Feststellung für die Entscheidung des Pro-

zesses von Einfluß ist.

Dabei sind aber mehrere Kategorien

zu scheiden : I.

direkt

relevante Tatsachen,

nämlich

die

ausdrücklich durch das Strafgesetz bezeichneten Umstände,

deren Existenz oder Nicht-Existenz Voraussetzung eines be­

jahenden Strafurteils ist1 — mag es sich dabei um Er1 z. B. ob der A dem B eine Stichwunde zugefüat hat; ob er vorsätzlich gehandelt, ob er ein Messer benutzt hat, ob er sich in Notwehr befand, ob er durch B gereizt war, ob er schon wegen Körperverletzung vorbestraft ist, wieviel er vor der Tat getrunken hatte usw.

; : i > ! l j j

Es gehört hierher nicht nur der eigentliche Schuldbeweis, d. h. der Beweis dafür, daß ein staatlicher Strasanspruch entstanden ist; sondern auch dafür, daß er nicht inzwischen erloschen ist, sowie alles, was aus die Strafrahmen- und Strafmaßfrage einwirken kann.

Das Beweisrecht.

eignifse der Außenwelt

oder um

K 52.

331

sog. innere Tatsachen

(Vorgänge des menschlichen Seelenlebens, wie Vorsatz, Fahr­ lässigkeit, Absicht, Überlegung, Wisien) handeln. Voraus­ setzung eines bejahenden Strafurteils sind aber auch alle

Umstände, von denen es abhängt, ob überhaupt ein Sach­ urteil prozessual zulässig ist,



also die Urteilsvoraus­

setzungen;2. Indizien, d. h. Tatsachen, aus denen ein Schluß

auf direkt relevante Tatsachen zu ziehen ist;2 3**6

3. Hilfstatsachen, d. h. Tatsachen, von denen die Bewertung eines Beweismittels (Echtheit von Urkunden,

Glaubwürdigkeit von Zeugen) abhängt; 4.

Erfahrungssätze,

des Lebens, der Wiffenschaft

d. h. allgemeine Tatsachen

oder Kunst, des Verkehrs

oder Gewerbes, die als Sätze allgemeinen Inhalts * keine

Beziehung zu dem konkreten Prozeß haben, aber als Ober2 Liegt ein Antragsdelikt vor? leiher für 10 M. versetzt wurde, daß der Angeklagte am Morgen Ist eine abgegebene Erklärung inhaltlich, ist" sie formell ein des Tages sich als mittellos bezeichnete, am Abend aber ein Strafantrag? Ist der Antrag­ 10 M.-Stück besaß usw. Man steller der Berechtigte? Ist die Antragssrist gewahrt? u. dal. spricht hier auch wohl von in­ m. Dagegen Beling, B.-B. direktem oder künstlichem S. 320 f. im Gegensatz zu natürlichem * So kann etwa bei einer Beweis. Anklage aus StGB. 242 statt 4 etwa, daß am 27. Juni der äußeren Tatsache des Wegin Halle a. S. die Sonne nebmens und der inneren Tat­ astronomisch genau um 8 Uhr 26 Min. untergeht; daß bei sache der Zueignungsabsicht Gegenstand des Beweises sein: starken Trinkern, die in Geistes­ daß sich eine abhanden gekom­ störung verfallen, sich häufig mene Uhr um 4 Uhr in einem Eifersuchtswahn zeigt; daß es Zivmer befand, daß sie um möglich ist, in einer Nacht 6 Uhr verschwunden war, daß von Berlin nach Leipzig zu in der Zwischenzeit nur der An- ! fahren, dort einen EinbruchSgeklagte das Zimmer betrat, daß diebstahl zu begehen und zurückdie Uhr um 7 bei einem Pfand- | zukehren usw.

222

Nbschn. III.

Kap. II.

Das Beweisrecht.

sätze zur Beurteilung der Tatsachen dieses Prozesses dienen. Es sind somit durch Induktion gewonnene hypothetische Urteile, unter welche die im konkreten Prozeß entgegen­

tretenden Tatsachen subsumiert werden.

Die Subsumtion

geschieht, um einen Schluß auf direkt relevante Tatsachen

zu gewinnen oder vorzubereiten (letzteres, indem vermöge

der Erfahrungssätze erst auf Indizien und von diesen weiter auf die direkt relevanten Tatsachen geschlossen wird)? 5 Obige Darlegungen schließen gb an Stein, Das private issen des Richters, S. 52 ff.; CPO. (Gaupp Stein, 4 Ausl.) S. 618; Civ.-Proz.-Recht (Birkmeyers Enzyklop., 2.Aufl.) S. 981 an. Ihnen sucht Beling, B.-B. S. 315s. u. v. Holtzendorss Kohlers Enzyklopädie S. 375 entgegenzutreten. Daß die Erfahrungssätze nur einen „Durchgangspunkt in der auf den Syllogismus hinstrebenden geistigen Operation" bilden, ist zwar richtig, trifft aber aus Jnoizien und Hilfstatsachen nicht minder zu. Daß hier Er sahrungen „plötzlich ad hoc, ge­ wissermaßen auf Kommando" er­ worben würden, läßt sich nicht sagen; denn es handelt sich bei den Erfahrungssätzen nicht um die persönliche Erfahrung des Richters, sondern um allgemeine und allgemeingültige Erfahrung: die Sätze treten mit dem An­ spruch auf, objektiv richtig zu sein. Beling verlegt m. E. den Schwerpunkt der Sachverständigentätigkeit in unrichtiger Weise, wenn er sagt, der Sach­ verständige werde herbeigezogen, um aus dem Erfahrungssatz als

Lbersatz und bereits ermittelten Tatsachen als Unterjatz einen Schluß auf die Tatsache X zu ziehen; der Beweis sei ausschließlich aus diese Tatsache X gerichtet; wenn der Sachverständige veranlaßt werde, auch die Ersahrungssätze mitzuteilen, so diene dies lediglich zur Kon trolle, ob der Betreffende wirklich sachverständig sei. Hier gegen ist zu bemerken: Das Schließen aus die Tatsache X ist gerade die spezifisch richterliche Tätigkeit, die der Richter sich vom Sachverständigen nicht ab I nehmen lassen darf. Der Richter i muß selbst und mit eigener Ver­ antwortlichkeit den Schluß ziehen. Um ihm diese Aufgabe zu er­ möglichen, vermittelt ihm der Sachverständige die Kenntnis der Ersahrungssätze; diese muß I er daher stets mitteilen, event!, durch Bild und Experiment er­ läutern. Gerade hierauf ist der Nachdruck zu legen. Was sollte die „Kontrolle" etwa eines welt­ berühmten Gelehrten durch ein Schwurgericht für einen Sinn haben? Es dem Richter nur das minus zuzumuten. den mitgeteilten Erfahrungssatz loI ! I ' I I j : ! j 1 I j | i

Das BeweiSrecht.

§ 52.

223

Rechtssätze, unerhebliche, bereits dem Zweifel entrückte

und allgemeinkundigeb Tatsachen sind nicht Gegenstand des Beweises;7 wohl aber gerichtskundige, da gisch richtig zu handhaben. Ver­ ständlich muß er ihm freilich sein; der Sachverständige muß den allgemeinen Satz daher dem Einzelfall möglich anpassen, ihn möglichst nuancieren. Aber die Last der endgültigen Subsum tion liegt aus den Schultern des Richters und kann für den gewissenhaften Mann u. U. recht drückend sein. Darum darf er bei andern Sachver­ ständigen oder bei Fachbehörden sich neuen Rat holen, StPO. 83. Beling hätte nur Recht, wenn das Gutachten des Sach­ verständigen oder das überein stimmende Gutachten aller Sach­ verständigen den Richter bände. Vgl. aber StPO. 260, RG. 7, 426. 6 Stein, Privates Wissen S. 138ff., 172s. Komm, zur CPO. 291 sub I a. II. v. Kries § 47 III S. 339. B.-B. § 83, lb, bes. S. 325 Anm. 23ff. Löwe-Hellweg § 260, Note lb, bes. a. E. Birkmeyer S. 400c«, 513 Note 20. Ob der Begriff der Allgemeinkundig­ keit richtig angewendet, ob nicht insbesondere „allgemeinkundige Tatsachen" und „Erfahrungs­ sätze" vom ersten Richter ver­ wechselt worden sind, hat die Revisionsinstanz nachzuprüfen. Unsicher die Judikatur des RG. 8, 351 nimmt an, wenn der erste Richter seine Ansicht dahin sestaestellt hätte, es gebe ein Medikament, durch besten Bei-

bringuna man in einer andern Person Liebe erwecken könne, so würde das RG. nicht nachprüfen dürfen und die betr. Revision verwerfen müssen. Anders RG.Civ. 17, 271 betr. eines als „unbestrittene allgemeine wissen­ schaftliche Wahrheit" hingestellten Satzes über das Wesen der Elektrizität. Richtig RGCiv. 36, 350, wo das KammGer. die Heilbarkeit der Syphilis als gerichtsbekannt bezeichnet hatte. Jur. Woch.Schr. 1903, Bd. 32, S. 94, Nr. 20 läßt dahingestellt, ob „bekanntlich" der Wechsel­ diskont gewöhnlich 1 % niedri­ ger ist, als der Lombarddiskont. — Der Umfang des Allge­ meinkundigen wechselt mit Zeit und Ort; so kann eS in Bres­ lau notorisch sein, daß die Zei­ tung Volksmacht keinerlei ge­ schichtswissenschaftlichen Charak­ ter hat, RG. 28, 171; in Posen und im Jahre 1898 konnte es allgemeinkundig sein, daß der Nationalcharakter der Polen lebhaft und erregt, ihr National­ bewußtsein besonders stark aus­ geprägt sei, und daß die Em­ pfindlichkeit der polnischen Be­ völkerung Preußens in letzter Zeit eine besondere Steigerung erfahren habe. RG. 31, 185. Die gleichen Umstände würden etwa in Tübingen im Jahre 1904 des Beweises bedürftig sein. 7 Wohl aber der Verhand­ lung, deren Gegenstand sie ge-

224

Abschn. Hl.

Kap. II.

EPO. 291 hier nicht gilt?

DaS BeweiSrecht.

Beide Gruppen unter dem

Begriff der Notorietät (Offenkundigkeit) zusammenzufaffen

ist daher nicht zu empfehlen. III.

Eine Abart des Beweisens

ist

das

öfters er­

wähnte Glaubhaftmachen (StPO. 26. 45. 55. 74)? Es ist stets Parieitätigkeit und bezweckt, durch einseitige Vorführung

parater

Beweismittel

in

dem

Richter

den

Glauben an die Wahrscheinlichkeit der Parteibehauptungen zu erwecken. IV. Die Beweismittel, die wir im folgenden zu be­

trachten haben, find Zeugen (eigentlich deren Aussagen), Sachverständige (eigentlich deren Gutachten), Augenscheins­

objekte, Urkunden, endlich die Aussagen des Beschuldigten

und anderer Personen.

verwendet, ohne dah jedoch eine wesen sein müssen (oben § 15, Begrisssbestimmung gegeben S. 60). Sonst könnten die Damit wird stillParteien im Urteil plötzlich mit , würde. unerwarteten Notarien über­ ; schweigend auf EPO. 294 als sedes materiae verwiesen. Um rascht werden. Nur so wird volle Gleichförmigkeit mit der eine Schranke gegen das Ein­ neuen Fassung herzustellen, hätte fluten des privaten Wissens der allerdings in StPO. 55 S. 2 Richter gezogen. Auch hier ist die eidliche Versicherung in das RG. nicht ganz fest, vgl. darüber Löwe Hell weg§ 260 eidesstattliche umgewandelt wer­ den müssen, wie in MilStGO. Note Id. Im allgemeinen 191 geschehen. Der Rechts wird neuerdings mit steigender zustano ist jetzt der: bei der Ab­ Entschiedenheit die Notwendig­ lehnung von Richtern und Sach­ keit deS Verhandelns betont, verständigen ist der Eid ausge­ RG. 28 S. 172 sub 1, Abs. 2. Jur. Woch.Schr. 1903, S. 94 schlossen (StPO. 26. 74), bei Nr. 20. der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist eidesstattliche 8 Prinzipiell ebenso RG. 16, 327; bedenklicher 33, 76; a. M. (StPO. 45. CPO. 294), bei der v. Kries, Stein, Beling. Zeugnisweigerung eidliche Ver­ sicherung (StPO. 55) zulässig. 9 „Glaubhastmachen" wird von der StPO, als term. techn.

§ 53.

Der Zeuge.

225

§ 53. Vrr Zeuge. Kries § 48. Birkm. §§ 70—72. B.-B. §§ 88. 89. Ullm. §§ 89-91. Bind. §81. Laband, StaatSr. des deutsch. Reichs. Bd. III § 92.

I. Ein Zeuge ist eine vom Richter, den Parteien und

Parieivertretern verschiedene1 Wahrnehmungen,

sie

welche

Person, die über sinnliche

außerhalb

des anhängigen

Prozesses^ gemacht hat, für die Zwecke des Prozesses vor dem

Richter

nisse braucht

aussagt.

Besondere

persönliche

ein Zeuge nicht zu haben;

nisunfähige Personen (testes

inhabiles)

Erforder­

absolut zeug­ gibt

es

nicht.

Etwas anderes ist die Frage, ob ein Zeuge zur Aussage

angehalten werden und ob er beeidigt werden darf.

Aber

die Würdigung der Aussage, die Tauglichkeit des Beweis­ mittels

wird

hiervon

nicht

notwendig

berührt.

Die

Pflichten des Zeugen sind dreierlei (II—IV), denen als

Recht der Gebührenanspruch GVG. 166 Abs. 3.

(StPO. 70. 219 Abs. 3.

Gebühren-Odg. vom 30. Juni 1878)

gegenübersteht. 1 Wer mit einem der Ge nannten identisch ist, kann nicht Zeuge sein. Doch ist das ein bloß formales Hindernis, das r. B. beseitigt wird, wenn für den Richter, Staatsanwalt, not wendigen Verteidiger ein Ersatz mann und zwar big zum Schlüsse der Verhandlung (RG. 29, 236) eintritt; und das nicht besteht, wenn der Zeuge zwar mitschuldig, aber nicht mitbeschuldigt ist. Dagegen fartn ein Mitangeklagter nicht Zeuge sein, und seine AuSsaae ist kein „Zeugnis". A. M. Belina, B.-B. S. 344. Binding, S. Äofenfelb, Reich-strafpro-etz.

148. Aber die StPL. scheidet die Aussage des Mitbeschul­ digten (die sie ebenfalls als Be­ weismittel aussaßt) von der des Zeugen: §§ 246. 250. 256. Werden also A und B zu­ sammen angeklagt, so kann A als Zeuge (der den Zwangs­ mitteln des § 69 unterliegt) gegen B nur bann behandelt werden, wenn die Prozesse ge­ trennt werden oder daS Urteil gegen A in Rechtskraft erwächst, während gegen B in höherer Instanz weiter verhandelt wird. — Wegen deS NebenanklägerS s. oben S. 187 Anm. 7.

Abschn. III.

226

II.

Die

Das BeweiSrechr.

Kap. II.

Erscheinungspflicht hat zur Voraus­

setzung ordnungsmäßige Ladung, d. h. Aufforderung, ? zu

bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zur Vernehmung zu

erscheinen.

Ordnungsmäßig

ist die Ladung jedoch nur,

wenn auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen wird (§ 48 Abs. 1).

Weitere Erfordernisse sind nicht nötig.

Nur bei der von Privatpersonen ausgehenden sog. un­

mittelbaren Ladung gehört noch der Nachweis hinsichtlich

der Zeugengebühren zur Ordnungsmäßigkeit (§ 219).31 * Die Erscheinenspflicht umfaßt auch die Verpflichtung, sich vor

gehöriger Entlassung nicht von der Vernehmungsstelle zu entfernen (§§ 242. 247). Die Wirkungen des Ungehorsams sind teils obliga­ torische, teils fakultative (§ 50).

Beim ersten Ungehorsam

muß der Zeuge in die Kosten und eine Geldsttafe verur­

teilt werden; außerdem kann er zwangsweise (fei es so­ fort zu diesem Termin, sei es zum nächsten, auf den die Sache vertagt wird) vorgeführt werden.

Ungehorsam sind die Folgen dieselben.

Beim zweiten

Dreimaliger und

mehrfacher Ungehorsam wird nicht mehr bestraft.

Folglich

steht beim zweiten Ungehorsam der Richter vor der Wahl, 1 gleichgültig, ob mündlich, schriftlich, telegraphisch oder telr phonisch; ob mit Zwischenzeit oder aus sofort lautend; ob nach der Gerichtsstelle oder sonst wohin. 3 Beschränkungen der Ladungsbesugnis und der Er­ scheinenspflicht enthalten die §§ 49. 71. Minister u. dgl. werden nur am Amtssitz oder Aufenthaltsort, Abgeordnete usw., sofern sie am Sitzungsort aufhältlich, nur an diesem ver­

nommen. Der Kaiser, Landes­ herr, Vorgesetzte resp, die gesetz gebende Versammlung können Abweichungen genehmigen. — Ob Landesherren und Mitglieder suveräner Familien über­ haupt als Zeugen in Straf­ sachen vernommen werden dürfen, bestimmen in erster Linie die Hausversassungen, in zweiter die Landesgesetze (EG. StPO. 4). Wenn ja, so sind sie stets nur in ihrer Wohnung zu ver­ nehmen.

Der Zeuge.

K 53.

227

entweder den Zeugen vorführen zu lassen, oder auf seine

Vernehmung zu verzichten.

Die Wirkungen treffen nicht

nur den vor dem Prozeßgericht nicht erscheinenden Zeugen: der Untersuchungsrichter, Amtsrichter, beauftragte und er­ suchte Richter verhängen die gleichen Ordnungsstrafen und

zwar ebenfalls obligatorisch (Abs. 3). Genügende Entschuldigung wendet die sämtlichen Wir­

kungen ab oder hebt sie nachträglich wieder auf (Abs. 2). III. Tie Aussagepflicht

des Zeugen

besteht

in

erster Linie darin, nachdem ihm der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten bezeichnet ist (StPO. 68 Abs. 1 S. 2), sein auf sinnlichen Wahr­

nehmungen beruhendes Wissen zur Sache im Zusammen­ hänge anzugeben.

Bloße Vermutungen und Schlußfolge­

rungen aus seinen Wahrnehmungen braucht er nicht zu

äußern.

Häufig wird er aber seine Beobachtungen dadurch,

schon sprachlich, am besten darlegen, daß er die Schluß­

folgerungen mitteilt, die sich ihm bei der Wahrnehmung aufdrängten.

Sofern

die

sonstige Beschreibung der von

ihm empfangenen sinnlichen Eindrücke undeutlich und un­ zureichend ist,

muß

er

daher auch als zur Mitteilung

solcher Schlüsse verpflichtet erscheinen/

Er muß zweitens

auf Fragen, nicht nur zur Aufklärung und Vervollständi­ gung, sondern auch nach dem Grunde seiner Wiffenschaft

antworten; also etwa seinen Gewährsmann nennen, seinen

Begleiter, der ihn

auf

etwas

aufmerksam machte usw.

(StPO. 68 Abs. 2). Seine Aussagepflicht umfaßt drittens (StPO. 67) die Beantwortung von Fragen nach seinen Personalien,

seinen Beziehungen zum Beschuldigten und

zum Verletzten (also nach Freundschaft, Feindschaft, früheren

* RMüG. 5, 251; vgl. auch 3, 174.

228

Abschn. III.

Das Beweisrecht.

Kap. II.

Zerwürfnissen , Liebesverhältnissen, überhaupt inneren Ge­

fühlen, die er diesen Personen gegenüber hegt), ferner nach

Tatsachen aus seinem eigenen Vorleben, auch Borbestra­ fungen, anstößigen Handlungen usw. (sog. Personal- und Generalftagen).

Die gänzliche oder teilweise Weigerung der Aussage führt zu teils obligatorischen, teils fakultativen Maßregeln

gegen den Zeugen (§ 69).

Die ersteren sind Verurteilung

in die Kosten und eine Geldstrafe. zur

Erzwingung

des

Letztere ist die Haft

Zeugnisses.

Beide

Maß­

regeln können auch vom einzelnen Richter verhängt werden?

Die Zwangshaft endet a) wenn die Erzwingung gelingt; b) wenn die Instanz beendet ist; c) wenn sie bei Ver­ brechen und Vergehen 6 Monate, bei Übertretungen 6 Wochen

gedauert hat; d) wenn die etwa in dem richterlichen Beschlusse angeordnete, noch kürzere Zeitdauer abgelaufen ist."

Zwangshaft

kann

auch

bei der

zweiten

und

Die

folgenden

Weigerung von neuem angeordnet werden, solange die Zeit unter c noch nicht erschöpft ist.

Dagegen kann die Strafe

bei der zweiten und folgenden Weigerung nicht wieder­ holt werden?

Das Gesetz

kennt nun

eine Reihe von Zeugnis-

weigerungsgründen, die im allgemeinen der Zeuge geltend

und

auf Verlangen

6 Beim ersuchten Richter führt daS zu Unzuträglichkeiten. Den richtigen Maßstab kann doch nur der ersuchende Richter anlegen. Vgl. Löwe-Hell­ weg, Komm. § 69 Note 10 c. 6 Natürlich auch, wenn der Grund der Vernehmung wegsällt, weil das Zeugnis uner­

glaubhaft

zu

machen

hat?

heblich , der Zeuge selbst be schuldigt oder weigerungsbe rechtigt wird, oder weil maß geblich aus ihn verzichtet wird u. dgl. 7 So die HM., anders nur Glaser und Ben necke. 8 oben S. 224, StPO. 55. Der Eid ist hier kein Zeugen-

Der Zeuge,

ß 53.

229

Zwang und Strafe darf alsdann gegen ihn erst verhängt werden, nachdem seine Weigerung durch Beschluß für un­ begründet erklärt ist? Die Wahl zwischen Weigerung und Aussage ist zeitlich an keine Frist gebunden und ab­

änderlich, so daß der Zeuge sich bei jeder einzelnen Ver­ nehmung anders entscheiden sonn.10 * * * *Die * 9 Ausnahmen von der Aussagepflicht ordnen sich unter folgende Kategorien: eib, sondern ein vom Zeugen als „Betroffenen" gebrauchtes Mittel. Daher kann ihn auch der nach StGB. 161 Bestrafte leisten. 9 Dieser Beschluß kann für sich allein von den Parteien und dem Zeugen angefochten werden (StPO. 346 Abs 2. 347 S. 2), jedoch ohne Sus pensiveffekt hinsichtlich der Voll­ streckung von Strafe und Zwangshafr. 10 Maßgebend ist die @nb scheidung des Zeugen in der Haupwerhandlung.' Weigert er sich in dieser, obwohl er früher ausgesagt hat, so darf seine frühere Aussage nach StPO. 251 nicht verlesen werden. Die ratio legis ist: das Weigerungs­ recht des Zeugen soll nicht iüu sorisch gemacht; auch die nach trägliche Weigerung sott respek tiert werden. Dem Wechsel im Verhalten des Zeugen braucht keineswegs kleinliche Laune zu Grunde zu liegen; Unwissenheit, polizeilicher Druck u. dgl. mag ihn früher zur Aussage veranlaßt haben. — Das Weigerungs­ recht kann aber auch auf an­ dere Weise illusorisch gemacht werden: StPO. 251 ist daher einer erweiternden Auslegung

' ;

' ' i i !

fähig und bedürftig (daher die weitere Fassung von MilStGL. 306). Der einfachste Weg, die jetzige Weigerung bedeutungs­ los zu machen gegenüber der früheren Aussage, wäre: das frühere Protokoll dem damaligen Richter zum Durchlesen zwecks Auffrischung seines Gedächt­ nisses zu geben und ihn dann als Zeugen darüber zu ver nehmen, ' was der Weigernde früher auSgesagt habe. Solche rabulistische Methode geht in­ dessen auch dem RG. zu weit: die Hingabe des Protokolls zum Durchlesen erklärt es für un statthaft (RG S, 122; aber nur im Falle des § 251, dagegen statthaft in dem des § 252, RG. 36, 53); im übrigen aber billigt das RG. jenes Vorgeben: 5, 142. 14, 267. 16, 119. 35, 247. 35, 5. Danach sollen vor allem Richter und Gerichtsschreiber über den Inhalt vor ihnen abgegebener Aussagen vernommen, auch Protokolle über andere Erklärungen, als Zeugenaussagen im StP., verlesen werden dürfen. Dagegen geschlossen die HM. und gelegentlich RG. 10, 374. Es handelt sich hier einfach um eine Umgehung des Gesetzes. Die Einschränkung durch Ver-

230

Abschn. III.

Kap. II.

Das Beweisrecht.

1. Angehörigenverhältnis (§ 51 Z. 1—3) zum

Beschuldigten oder einem der mehreren Beschuldigten des gleichen Prozesses.11

Diese Gruppe muß über ihr Wei­

gerungsrecht belehrt werden; andernfalls unterliegt das Urteil

der Aufhebung, wenn es auf der Gesetzesverletzung beruht.12

2. Es brauchen Vertrauenspersonen über Ver­ trauenssachen nichts auszusagen (§ 52), nämlich Geist­ liche, Verteidiger, Rechtsanwälte, Ärzte. Geistliche behalten das Weigerungsrecht, auch wenn sie von der Verschwiegen­

heit befreit sind. hat,

ist

für

Wer die betreffenden Dinge anvertraut

das Weigerungsrecht gleichgültig.

Befreien

kann von der Verschwiegenheit nur derjenige oder diejenigen,

welche die Dinge anvertraut haben.

3. Die Stellung

als

öffentlicher Beamter

(§ 53) begründet sogar eine Weigerungspflicht, die das Gericht von Amts wegen zu beachten hat.

Voraussetzung

ist die Feststellung, a) daß der Zeuge ein öffentlicher Be­

amter ist oder gewesen ist; b) daß er über Umstände ver­ nommen

werden soll,

auf welche sich seine Pflicht zur

Amtsverschwiegenheit bezieht.

Diese Voraussetzungen fest­

zustellen, ist Sache des Gerichts (a. M. RG. 7, 74, vgl.

auch preuß. Vers. v. 24. Mai 1886). bot der Protokollhingabe ist in der Praxis wenig belangreich. Die Gerichtsakten pflegen den Gerichtspersonen nicht schwer zugänglich zu sein. Auch macht ein vorsichtiger Untersuchungs richter sich in geeigneten Fällen genauere Privatnotizen. 11 Teilweises Weigerungs recht neben teilweiser Aus sagungspflicht ist undurchführ­ bar. In einem und demselben Prozesse kann nur eine Alter­

Der Zeuge darf

native Platz greifen. Event, muß eine Zerspaltung des Pro zesses in mehrere vorgenommen werden, a. M. Beling (B. B. L. 350, woselbst Näheres über die Kontroverse). RG. schwankt, vgl. in Bd. 27 S. 270 u. S. 312. 12 also nicht, wenn der Zeuge nachweislich aus sein Weige rungsrecht verzichtet haben würdej oder wenn das Urteil ausdrücklich seine Aussagen für gänzlich gleichgültig erklärt.

ß 53.

Der Zeuge,

231

alsdann erst aussagen, wenn seine vorgesetzte Dienstbehörde13 *

die Genehmigung erteilt hat.

Diese darf aber nur versagt

werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses „dem Wohle des Reiches oder eines Bundesstaates"

würde."

Nachteil bereiten

Ob das der Fall ist, hat lediglich die vorgesetzte

Behörde zu entscheiden und das Gericht nicht nachzuprüfen. 4. Auf gewisse riskante Fragen braucht man nicht zu antworten, nämlich auf solche, bei denen wahrheitsmäßige

Auskunft dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung15 *zuziehen würde (§ 54). Belehrung über dies Weigerungsrecht ist nicht vorgeschrieben;

die wissentlich falsche Aussage wird aber milder bestraft

(StGB. 157 Z. 1). IV. Die Schwurpflicht

wird

durch die gleichen

Maßregeln, wie die Aussagepflicht, durchgesetzt (§ 69); sie

unterliegt den gleichen Ausnahmen durch Weigerungsrechte.*3

Die Beeidigung der Zeugen ist im allgemeinen auch für das

Gericht

obligatorisch,

III 1) fakultativ (§ 57)17.

nur

bei

Angehörigen (oben

Beeidigungsverbote stellt § 56

auf; die Gründe sind a) Unmündigkeit (Alter unter 16 13 im einzelnen vgl. StPO. 53, S. 2. u Diese Borschristen gelten ausnahmslos für alle Arten von Beamten, auch für die Richter. Daß die Vorgänge bei der Beratung unverbrüch­ liches Geheimnis seien und nicht zum Gegenstand der Vernehmung gemacht werden dürsten, wie RG. 26, 202. 36, 373 annimmt, ist nirgend gesagt. 15 nicht die bloßer Unehre, disziplinarischerBestrafung, zivil­ gerichtlicher Verurteilung oder

eines Vermögensschadens, einer Kreditschädigung, einer Beeinträchtigung des Fortkommens usw. Anders CPO. 384. 16 Die Angehörigen, oben III 1, müssen über dieses zweite | Weigerungsrecht nochmals be­ sonders belehrt werden, StPO. 57 Abs. 2. 17 Dazu MilStGO. 299 Abs. 4: offenbar unglaubwürdige und unerhebliche Zeugen dürfen in der Hauptverhandlung unbe­ eidigt bleiben. Vgl. hiergegen B.-B. S. 358. ! I I i

232

Abschn. III.

Kap. II.

DaS BeweiSrecht.

Jahren); b) Berstandesunreife;

c) Berstandesschwäche;

d) Eidesunfähigkeit (nach StGB. 161

oder früheren in­

ländischen Gesetzen); e) Verdacht der Beteiligung an der „Tat". An diese letztere

Bestimmung,

StPO. § 56 3. 3

(MilStGO. 199 Z. 3), knüpfen sich zahlreiche Einzelfragen

und eine weitläufige Judikatur an.

Unter der

„Tat"

haben wir zu verstehen jede einem Beschuldigten zur Last

gelegte Handlung

in derjenigen äußeren Gestaltung des

gesetzlichen Tatbestandes, wie sie sich nach dem jeweiligen

Ergebnis des Verfahrens darstellt.19 nennt das Gesetz Teilnehmer, Der Wortlaut ist irreführend.

Als Beteiligte

Begünstiger

und Hehler.

Denn man wird bei alter­

nativem Verdacht der Alleintäterschaft den einen Verdächtigen im Prozesse gegen den andern erst recht nicht als vollDie Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten' muß soweit gehen, daß diese Per­ sonen „von dem Wesen und der Bedeutung deS Eides keine ge­ nügende Vorstellung haben". Gleichgültig ist die Entmündi­ gung, RG. 33, 393. Trunken­ heit will RG. 34, 283 als bloß temporär nicht gelten lassen. 19 Zu Grunde zu legen ist also nicht der viel weitere Be griff des gesamten „Vorganges" mnerhalb dessen unter anderem auch der inkriminierte Tatbe­ stand verwirklicht wurde. Der engere Begriff des Textes, wo­ nach die „Tat" gleichbedeutend ist mit dem Gegenstand der Ur­ teilsfindung nach StPO. 263, findet sich in RG. 14, 25. 31, 219, während viele andere Entsch. mit dem weiteren Be­

! ' I I ! ' > I j

I ! 1 | j '

griff operieren, auch RMilG. 1, 121. Aus diesem wird auch in RG. 7, 331 die Konsequenz gezogen, daß bei einer Schlägerei im Sinne von StGB. 223 a, wegen deren A und B angeklagt sind, der Zeuge X, der geschlagen wurde, aber auch selbst seinerseits geschlagen hat, unbeeidigt bleiben muß. Genau entgegengesetzt, obwohl von dem gleichen weiteren Begriff ausgehend, RG. 17, 116. Im Ergebnis richtig auch 11, 300. 36 , 66. 310. Bedenklich 32, 32: A fordert die B zur Vornahme einer Abtreibung auf und wird nach StGB. 49 a angeklaat; die B als Zeugin ist unbeeidigt zu vernehmen, falls es nicht ausgeschlossen, daß es doch zu Abireibungsversuchen gekommen ist.

Der Zeuge,

wertigen Zeugen

ansehen;

233

g 53.

traut man ihm schon

einen

Meineid zu, wenn er nur als Mittäter in Frage kommt,

so erst recht, wenn er möglicherweise Alleintäter ist. Somit fallen nicht nur die Teilnehmer im Sinne des StGB. 47—49 unter die der Beeidigung nicht würdigen Betei­ ligten, sondern wir haben auch den Allcintäter, sowohl bei

vorsätzlichem, wie bei fahrlässigem Delikt, -° und ebenso die 9te6entäter,20 21 sowie die mehreren Täter bei sog. not­

wendiger Teilnahme22 hierher zu ziehen.

Noch in der

zweiten Richtung müssen wir über den Wortlaut hinaus­

gehen, daß wir das zum Beeidigungsverbot führende Ver­ hältnis zwischen Beschuldigten und Zeugen als reziprokes, umkehrbares anzusehen haben.

Kann im Prozesse gegen

den Dieb der Hehler nicht beeidigt werden, so auch nicht der Dieb im Prozesse gegen den Hehler.23

Als Betei­

ligter kann derjenige nicht betrachtet werden, bei dem es an einem Talbestandsmerkmal fehlt, oder dem ein Recht­

fertigungsgrund zur Seite steht; wohl aber derjenige, auf

den ein persönlicher Strafausschließungs-24 *oder ein Straf­ aufhebungsgrund

zutrifft.

Das Vorliegen eines Ver­

dachtes ist nach freiem Ermessen zu prüfen;26 der be­

reits Verurteilte steht jedoch

immer einem Verdächtigen

20 RG. S, 299 betr. fahr- I 227), Freudenthal S. 123. lässige Eisenbahngesährdung. I Abweichend Beling, B.-B. S. 356. 21 im Sinne von Liszt, Strasr., § 50 IV. 23 Ebenso RG. 2, 218. 22, 22 Datier ist RG. 17, 101 > 99; RMilG. 4, 176; a. M. betr. Wahlstimmenkauf (StGB. Beling, B.-B. S. 357. 109) im Ergebnis, aber nicht " RG. 19, 391. 22, 99. in der Begründung zu billigen. 25 RG. 14, 25. 26 Auch wer freigesprochen So Freudenthal, Notwen­ oder außer Verfolgung gesetzt dige Teilnahme, Breslau 1901, ist, kann verdächtig sein. RG. S. 40. Desgl. RG. Rechrsvr. 8, 382. RMilG. 1, 248. 9, 234 betr. Raufhandel (StGB.

Abschn. III.

234

Das BeweiSrecht.

Kap. II.

gleich. -- Ob Vereidigung oder Nichtvereidigung 27 ein­

zutreten hat, entscheidet zunächst der Vorsitzende (vgl. StPO.

237 Abs. 2).

V. Die Entgegennahme der Zeugenaussage durch das Gericht steht unter den instruktionellen Regeln der §§ 58, 59, 68.

Ter Zeuge soll im Zusammenhänge

aussagen (§ 68 Abs. 2); doch ist er außerdem gehalten, auf einzelne Fragen des Vorsitzenden, der Beisitzer, der

Parteien und der Sachverständigen (§§ 68 Abs. 2. 239. 238. 80 Abs. 2) zu antworten.

Die Personal- und Ge­

neralfragen gehören mit in die Vernehmung hinein (§ 67)

und müssen deshalb zu solcher Zeit gestellt bzw. wieder­

holt werden, daß der Eid sich auf sie mitbezieht.

Um den

Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen, dürfen ihm die Frage­

berechtigten Vorhaltungen machen; eine Verlesung seiner früheren Aussagen darf dabei jedoch nur in zwei Fällen stattfinden: a) zur Unterstützung seines Gedächtnisses; b) als

ultimum refugium. um ohne Unterbrechung der Haupt­ verhandlung einen Widerspruch zu konstatieren oder zu be­ heben.

(StPO. 252; Protokollierung dieses Zwischenfalles

nur auf Antrag, § 254.)

VI.

Der Zeitpunkt der Beeidigung

bei

der

einzelnen Vernehmung kann vor oder nach der Aussage

liegen:

Voreid

oder

Nacheid28.

Im

Prozeß

als

Ganzem liegt der Zeitpunkt der Regel nach in der Haupt­

verhandlung (oder antizipierten Hauptverhandlung). 27 Teilweise Nichlvereidigung hatte ich gegen die HM. mit John, v. Schwarze, Gla­ ser, Stenglein, Ullmann und der älteren Judikatur des RG. (Rechtjpr. 1, 523. Entsch. 6, 279. Goltd. Arch. 39, 315)

für unzulässig. 28 Die Wahl zwischen beiden ist durch § 60 praktisch ins Ermessen des Vorsitzenden ge stellt. MilStGO. 196 kennt erfreulicher Weise nur den Nacheid.

Der Zeuge,

ß 53.

235

In drei Fällen kann die Beeidigung in der B o r u n t e r suchung erfolgen: a) wenn der Zeuge voraussichtlich am

Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein wird; b) wenn das Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhand­ lung

voraussichtlich

wegen

großer Entfernung

erschwert

sein toirb;20 c) wenn die Beeidigung als Mittel zur Her­ beiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage überirgend-

welche Tatsache erforderlich erscheint; StPO. 65 Abs 2 und 4: Protokollierung des Grundes geboten. Diese Vor­ schriften sind auf das Zwischenverfahren analog auszudehnen. In zwei Fällen kann die Beeidigung schon im vor­

bereitenden Verfahren erfolgen:

a) wenn Gefahr

im Verzüge obwaltet; b) wenn die Beeidigung als Mittel

zur Herbeiführung einer wahrheitsmäßigen Aussage über eine Tatsache, von der die Erhebung der öffent­

lichen

Klage

abhängig ist,

erforderlich

erscheint;

StPO. 65 Abs. 3 und 4: Protokollierung des Grundes geboten.

VII. Die Forul der Beeidigung besteht in einer feierlichen Erklärung

des Zeugen.

Diese

„Eidesformel"

ist entweder für gewisse Religionsgesellschaften (Mennoniten

und Philipponen) durch spezielles Landesgesetz festgestellt

(§ 64), oder es ist die allgemeine Eidesformel der §§ 61. 62, bei der aber konfessionelle Zusätze gestattet sind (RG. 181).

Die „Eidesnorm"

10,

stellt sich beim Voreid als ein

Versprechen dar, sie ist promissorisch; beim Nacheid als eine Versicherung, sie ist assertorisch.

Für den

Boreid lautet demnach die Eidesformel: „Ich

schwöre bei Gott dem Allmächtigen und

Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine In diesen beiden Fällen aussichtlich eine kommissarische wird durch die Beeidigung vor- : Vernehmung gespart.

Abschn. III.

236

Kap. II.

Das Beweisrecht.

Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hin­

So wahr mir Gott helfe."

zusetzen werde.

Der Eid besteht nun in dem Nachsprechen oder Ablesen

dieser Eidesformel.

Beide Arten stehen einander gleich.80

Es soll dabei die rechte Hand erhoben werden (§ 63 Abs. 1).

Bei Landesherren und suveränen Personen besteht der Eid im Unterschreiben der Eidesformel (§ 71

Abs. 2);

bei

Stummen, die schreiben können, im Abschreiben und Unter­

schreiben (§ 63 Abs. 2).

Stumme, welche nicht schreiben

können, leisten den Eid mit Hilfe eines Dolmetschers durch Zeichen (§ 63 Abs

Wiederholung.

3). —

Erleichtert ist die Eid es -

Wo sie notwendig ist,31 geschieht sie

durch die einfache Erklärung32 des Zeugen: er versichere die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid (§ 66).

Diese Erleichterung gilt aber nur,

wenn die nochmalige Vernehmung in demselben Vorverfahren

oder in demselben Hauptverfahren

erfolgt.

Der in der

Voruntersuchung beeidigte Zeuge muß in der Hauptver­ handlung nochmals beeidigt werden.

Das Hauptverfahren

erstreckt sich vom Eröffnungsbeschluß bis zur Rechtskraft des Urteils, wieviel Instanzen auch durchlaufen werden mögen.33

Innerhalb dieser Grenzen ist die Identität ge-

80 Bei einem Tauben, der sprechen kann, ist natürlich das Ablesen der notwendige Weg. 51 Der promissorische Eid deckt die ganze Aussage in der­ selben Hauptverhandlung; der assertorische dagegen nicht, da er sich nur nur die Vergangen­ heit bezieht. Hier ist also' bei erneuter Befragung auch in der­ selben Hauptverhandlung Eides­ wiederholung notwendig. RG. 19, 27. 84.

89 Hinweis auf den früheren Eid lediglich durch den Richter genügt nicht. Die Eideswieder­ holung kann sich wiederum als Boreid oder Nacheid darstellen. 33 Bei nochmaliger Verneh­ mung in der Berufungsinstanz oder nach Zurückverweisung in die Vorinstanz, oder nach UeVer­ weisung an das zuständige Ge­ richt höherer Ordnung greift also § 66 Platz. So das RG., z. B. 2, 234, und die gesamte

Der Sachverständige,

237

ß 54.

Dagegen ist diese Identität wegen der dazwischen

wahrt.

liegenden

Rechtskraft

im

Wiederaufnahmeverfahren nicht

mehr gegeben.34 VIII. Über Militärpersonen als Zeugen vgl. StPO. 48 Abs. 2. 50 Abs. 4. 69 Abs. 5.

§ 54. ver Sachverständige. Kries § 49.

Birkm. § 73. B.-B. § 90. Bind. § 80.

Ullm. §§ 86-88.

1. Der Sachverständige ist eine vom Richter, den Par­

teien und Parteivertretern verschiedene Person, die für die

Zwecke des Prozesses dem Richter Erfahrungssätze (oben

§ 52 II 4) mitteilt. welche

besondere

Erfahrungssätze

„Für die Zwecke des Prozesses" —

Nuancierung

aber

gerade

und

Spezialisierung

für den

einzelnen

der

Prozeß

nötig ist, wird der Sachverständige oft erst nach eingehendster

Aufklärung

in

tatsächlicher Beziehung

erkennen

können.

Erst nach genauer Information wird er dem Richter die Erfahrungssätze in der dem vorliegenden Fall angepaßten

Gestalt liefern können.

Daher wird dem Sachverständigen

in weitestem Maße Aufklärungsmöglichkeit

gewährt und

zwar auf drei Wegen: a) er kann bestimmte Beweismittel

in Vorschlag bringen, nämlich Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten verlangen (StPO. 80 Abs. 1); b) er kann selbst bei Beweisaufnahmen mitwirken durch Fragen

an Zeugen und sogar an den Beschuldigten (§ 80 Abs. 2)

durch Teilnahme

am

Augenschein (§§ 193. 167);

Literatur außer John und Löwe-Lellweg. Diesem letz­ teren folgt unbesehen fast die

gesamte Praxis der BerufungSstrafkammern. M RG. 18, 417.

und

Abschn. III.

238

Kap. II.

Das Beweisrecht.

c) er kann selbst sinnliche Wahrnehmungen für die Zwecke

des Prozesses machen, wovon die Akteneinficht (§ 80 Abs. 2), die

„Teilnahme

an

den

erforderlichen

Untersuchungen"

(§ 193 Abs. 2), die Beobachtung eines Angeschuldigten in einer Irrenanstalt (§ 81) nur Beispiele sind.

Der letztere

Weg selbsttätiger Information wird oft der geeignetste sein,

weil gerade der Sachverständige vermöge seiner Sachkunde die genauesten und zielbewußtesten Beobachtungen anstellen

wird.

Der Sachverständige

handelt

hier in Verfolgung

des Zweckes, zu dem er überhaupt herangezogen wurde, und deshalb in seiner Sachverständigen-Eigenschaft.1 Aber diese Tätigkeit als solche ist Sachverständigen

ausmacht.

es nicht,

die den

Wer vor dem Prozeß, und

ohne daß es für die Zwecke desselben geschah, gewisse Tat­ sachen oder Zustände vermöge seiner Sachkunde besonders

genau beobachtet hat, ist nicht Sachverständiger, wenn er

später in einem Strafverfahren über seine früheren Wahr­ nehmungen vernommen wird, selbst wenn er diese Wahr­

nehmungen ohne seine besondere Sachkunde gar nicht hätte machen können.

Er ist vielmehr Zeuge!

Das stellt StPO.

85 mit aller nur wünschenswerten Besttmmtheit fest.

Und

zwar ist er lediglich Zeuge, wenn es dem Richter nur

auf die Mitteilung der Wahrnehmungen ankommt, während er die Kenntnis

der

zur Beurteilung

notwendigen Er­

fahrungssätze selbst besitzt oder sich durch Befragung anderer Sachkundiger verschafft.

Dagegen ist jener sog.

sachver­

ständige Zeuge des § 85 StPO, in dem Falle zugleich 1 Daher fällt der Bericht des Sachverständigen über seine Information unter seine Begutachtungspflicht und wird in­ folgedessen auch von dem Sach­

verständigeneide gedeckt. Mit den Angaben des Sachverstän­ digen über seine Personalien ist Gleiches nicht der Fall.

Der Sachverständige.

§ 54.

239

Zeuge und Sachverständiger und dann gemäß dieser Doppel­ stellung zu behandeln, wenn er sowohl seine nicht in

Sachverständigen-Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen vergangener Tatsachen und Zustände mitteilen, als auch

dem Richter zur Kenntnis der Erfahrungssätze, die zur

Beurteilung dieser Zeugenaussage erforderlich sind, verhelfen

soll.

Ein Kriterium dafür, ob man in Zweifelsfällen mit

einem Zeugen oder einem Sachverständigen zu tun hat, ergibt sich auch, wenn man die Frage aufwirft:

„Würde

sich durch eine glaubwürdige und dem Beweisthema genau

entsprechende einräumende Erklärung des Beschuldigten die Vernehmung der fraglichen Person erübrigen?"

Die Be­

jahung ist nur möglich, wenn es sich um einen Zeugen

handelt; dagegen können Erfahrungssätze nicht Gegenstand eines Geständnisses sein. II. Gewinnung der Sachverständigen.

Zum

Zeugen fähig ist jeder Mensch, der gedankliche Mitteilungen machen kann;- und jeder Fähige ist auch verpflichtet, auf

Ladung die Zeugenrolle zu übernehmen.

Zum Sachver­

ständigen fähig ist nur, wer Erfahrungssätze mitzuteilen

in der Lage ist.

Aber nicht jeder Fähige ist auch ver­

pflichtet, einer „Ernennung" zum Sachverständigen Folge zu leisten.

Den Kreis der Verpflichteten machen vielmehr

nach StPO. 75 nur folgende Gruppen aus: a) wer zur Erstattung einschlägiger

Gutachten

öffentlich

bestellt ist;

b) wer das einschlägige Fach öffentlich zum Erwerbe aus-

' Auch der RG. 33, 403 er­ wähnte taubstumme Brauknecht, der Analphabet war und keine Zeichensprache verstand, war Zeuge, da er durch gewandte

mimische Darstellung ein an­ schauliches Bild des von ihm Wahrgenommenen zustande brachte, somit gedankliche Mit­ teilungen machte.

Abschn. III.

240

Kap. II.

Das BeweiSrecht.

übt; c) wer zur Ausübung des Faches öffentlich bestellt; d) wer dazu öffentlich ermächtigt ist; e) wer sich zur Er­

stattung

„des" Gutachtens vor Gericht speziell^ bereit

erklärt hat.

Aus diesem Kreise erfolgt die Auswahl durch

den Richter (§ 73 Abs. I), wobei die Gruppe a ein Vor­

Die Parteien können den

zugsrecht hat (§ 73 Abs. 2).

Ausgewählten aus denselben Gründen wie einen Richter — mit Ausnahme von StPO. 22 Z. 5 — ablehnend 74).3 4

Das Verfahren ist dem oben S. 124 ff. geschilderten analog, bis auf den Punkt, daß keine Frist für die Anbringung

des Ablehnungsgesuchs gesteckt ist (arg. StPO. 83 Abs. 2).

III. Auf den Sachverständigen finden im allgemeinen die gleichen Vorschriften Anwendung wie auf den Zeugen

(StPO. 72).

Ihm liegen ob: Erscheinenspflicht, Begut­

achtungspflicht,

Ungehorsam

Der

Schwurpflicht.

wird

minder hart und bei allen drei Pflichten in gleicher Weise

geahndet (StPO. 77, dagegen oben § 53 II einerseits, III und IV anderseits)?

Den Zeugnisweigerungsgründen

(vgl.

entsprechen

oben

S.

228f.)

weigerungSgründe (StPO.

eines Angehörigenverhältnisses;

die

Gutachten-

S.

1):

76

2. als

1. wegen

Bertrauensperson

in Bertrauenssachen; 3. wegen der Stellung als öffentlicher

Beamter, — die Dienstbehörde darf die Genehmigung schon

dann versagen, StPO. 76 Abs. 2, wenn die Vernehmung 3 bestritten, vgl. LöweHellweg § 75 Note 8. Nach John, Beling u. a. soll generelle Erklärung genügen. 4 Ueber die Frage, wann ein Sachverständiger als Polizei­ beamter tätig geworden, StPO. 22 Z. 4, vgl. RG. 17, 415. 35, 319. 36 , 209 — letztere

beide betr. Nahrungsmittel­ chemiker. 6 nämlich mit Geldstrafe bis zu 300, im Wiederholungsfall bis zu 600 M., keine substdiäre Haft. Keine Vorführung. Keine Zwang-hast. Entschuldigung des Nichterscheinens wirkt wie nach StPO. 50 Abs. 2.

Der Sachverständige.

„den

dienstlichen

Interessen"

gegenüber riskanten

4.

K 54.

Nachteil

Fragen;

5.

241 bereiten

würde;

generalis,

clausula

StPO. 76 S. 2: nach richterlichem Ermessen kann er auch aus

andern

Gründen von der Verpflichtung

entbunden

werden. — Den Verpflichtungen steht als Recht der Ge­

bührenanspruch, StPO. 84, gegenüber. IV. Was Form und Zeitpunkt der Beeidigung"

angeht, so kennt StPO. 79 nur den Voreid, 6 7 demnach nur

promissorische

Eidesnorm.

Statt

der

allgemeinen

Eidesformel tritt fiir Mennoniten und Philipponen auch

hier die landesgesetzlich vorgesehene besondere ein (§ 64). Statt des Nachsprechens oder Ablesens tritt in den Fällen des tz 71 auch hier das Unterschreiben ein.

Ist der Sach­

verständige für einschlägige Gutachten ein für allemal be­ eidigt, so genügt die Berufung auf diesen Generaleid (§ 79

Abs. 2).8

Die erleichterte Eideswiederholung des § 66

wird auch hier Platz greifen dürfen. V. Die Tätigkeit

des Richters beim Sachver­

ständigenbeweise besteht darin, daß er dem Sachverständigen

bei der Vorbereitung behilflich ist (§ 80), überhaupt dessen Tätigkeit leitet (§ 78), sein Gutachten würdigt und eventl.

eine neue Begutachtung (§ 83 Abs. 1), in wichtigeren Fällen

durch eine Fachbehörde (§ 83 Abs. 3) anordnet.

Jnsbe-

6 Gibt es auch unbeeidigt zu ' 8 In Preußen erfolgt die Be­ eidigung in der Regel für den vernehmende Sachverständige? LGBezirk, Verfüg, v. 5. Febr. Gelten StPO. 56. 57 auch hier? Bejahend nur RG. 27, 398 1900. Ob der allgemeine Dienst eid zugleich als solcher General­ und die neueste Ausl, von Löwe-Hellveg gegen die eid gelten kann, muß von Fall sonst einstimmig vertretene An­ ni Fall am Wortlaut der sicht. Fassung geprüft werden. Mehr 7 Nach MitStGO. 215 gibt fach zu lax ist RG., vgl. S, 321. es auch hier mir den Nacheid. j 8, 358. 28, 41. 30, 83.

Rosenfeld, ReichSstrafprozeß. 2.

242

Abschn. III.

Kap. II.

Das Beweisrecht.

sondere besümmt der Richter im Vorverfahren,

ob das

Gutachten schriftlich oder mündlich zu erstatten sei (§ 82). Im Hauptverfahren schriftliche Begutachtung anzuordnen, hat für gewöhnlich keinen sachlichen Wert, 9 weil die per­ sönliche Vernehmung des Sachverständigen in der Haupt­

verhandlung kraft des Grundsatzes der Mündlichkeit uner­

Hiervon macht StPO. 255 zwei Ausnahmen

läßlich ist.

a) für die Gutachten öffentlicher „Behörden" (nicht „Be­ amten"); b) für ärztliche Atteste über nicht schwere Körper­

verletzungen.

Im Falle a ist indessen auf Ersuchen des

Gerichts die sttenge Mündlichkeit dadurch zu wahren, daß die kollegiale Fachbehörde ein Mitglied zur Verttetung des Gutachtens entsendet (StPO. 255 Abs. 2).

VI. Besondere Fälle, insbesondere des mit Sach­ verständigenbeweis zusammengesetzten Augenscheins. a) Das Gutachten über den Geisteszustand eines „An­

geschuldigten" kann in eigenartiger Weise vorbereitet werden (§ 81), nämlich durch einen singulären Eingriff in die persönliche Freiheit des Angeschuldigten.

Dieser Eingriff

besteht in Unterbringung und Verwahrung in einer öffent­

lichen

(nicht privaten) Irrenanstalt

Wochen.

auf höchstens sechs

Es bedarf dazu des Antrags"' eines Sachver­

ständigen, der Anhörung eines Verteidigers"

Gerichtsbeschlusses.

und eines

Letzterer ist ausnahmsweise durch so­

fortige Beschwerde mit Suspensiveffett anfechtbar." v verursacht im Gegenteil be­ sonder- hohe Kosten und meistens enormen Zeitverlust. 10 ----- Verlangen in § 80; keine besondere prozessuale Besugnis, daher auch kein Be­ schwerderecht des Sachverstän­

Der

digen bei Ablehnung. So die HM., Löwe-Hellweg, Kom­ mentar § 81 Note 9. 11 Event, muß ein solcher be­ stellt werden, oben S. 196. § 45 Id. 12 Daran wird durch StPO.

Der Sachverständige,

ß 54.

243

ablehnende Beschluß unterliegt den gewöhnlichen Regeln."

Auf das erstattete Gutachten finden die entwickelten all­ gemeinen Sätze, auch StPO. 83 Abs. 1, Anwendung. "

b) Leichenöffnung (Sektion, Obduktion), nötigen­ falls nach vorangegangener Exhumierung (§ 87 Abs. 3) vollzieht sich nach StPO. 87—90;15 * ***sie * * ist * * *eventuell * * * * 13 14 auch

zusammengesetzt zwar nicht mit einer Vernehmung im tech­ nischen Sinn, aber mit einer Befragung von Zeugen,"

Sefd)ulbi9ten17 und sachverständigen Zeugen. " c) Leichenschau (Autopsie), ohne oder nach Exhu­

mierung, mit oder ohne Arzt (StPO. § 87 a. A., Abs. 2 und 3). 347 S. 1 natürlich nichts ge ändert, da StPO. 81 Abs. 3 als lex specialis voraeht. A. M. dennocv RG. 20, 378 u. a. Dagegen Beling, B. B. S. 372 Pote 57. — Die sofortige Beschwerde ist Rechtsmittel und unterliegt deshalb den „allge meinen Bestimmungen" der §§ 338—345 StPO. Das ist für § 339 bestritten. Der Ver­ teidiger soll auch gegen den Willen des Angeschuldigten Be­ schwerde einlegen dürfen. 13 Die Meinungen gehen start auseinander, vgl. LöweHellweg, Note 9. Beling, st. st. O. Note 59. 14 also tonn neue Begutach­ tung, abermalige Vorbereitung derselben und eine wiederholte Unterbringung in der Anstalt ungeordnet werden. Das ist auch sachlich das einzig Richtige, weil 6 Wochen sehr oft zu ab­ schließender Beobachtung nicht

genügen; a. M. RG. 23, 209. Natürlich ist aber auch vom Standpunkt des RG. eine neue Begutachtung zulässig, RG. 34, 306. 14 Zwei Aerzte, mindestens ein Gerichtsarzt; der behan­ delnde Arzt ist inhabilis. Oefsnung der drei großen Leibes­ höhlen obligatorisch; Reihen­ folge freistehend. Bei Neuge­ borenen Frage nach Leben und Vitalität zu" beachten; obwohl letztere Frage materiell gleich­ gültig. 16 £ 88 ©. 1: Feststellung der Persönlichkeit des Verstor­ benen, insbesondere durch Be­ fragung von Personen, welche den Verstorbenen gekannt haben. 17 § 88 ©. 2: Die Leiche ist zur „Anerkennung" vorzuzeigen. 18 § 87 Abs. 1 S. 2: Der behandelnde Arzt gibt event. Aufschlüffe aus der Krankheits­ geschichte.

Kap. II.

Abschn. III.

244

d) In

Das Beweisrecht.

Vergiftungsfällen ist

Zuziehung eines

Chemikers oder einer chemischen Fachbehörde obligatorisch,

Beiordnung eines Arztes fakultativ (§ 91). e)

Schriftvergleichung

Sachverständigen wird

unter

Zuziehung

von

als zulässiges19 * * *Beweismittel ******** in

§ 93 bezeichnet, das zu vergleichende Material wird häufig erst ad hoc als sog. Schriftprobe angefertigt.20

f) Bei Münzfälschungen ist nach richterlichem Er­ messen die behördliche Ausgabestelle der echten Münzen oder

Papiere — an Stelle der ausländischen auch die deutsche — zu gutachtlicher Äußerung heranzuziehen (§ 92). Nicht mit Unrecht unter­

VII. Der D olmetscher.

scheidet Beling2*

den

Berkehrsdolmetscher

(der

verhandeln hilft, wo mit der deutschen Gerichtssprache nicht

durchzukommen ist) vom Beweisdolmetscher (der durch

seine Sprachkunde beweiserhebliche Tatsachen zutage fördert). Der letztere ist

ein

Sachverständiger

gewöhnlicher

Art.

Daß der erstere aber überhaupt kein Sachverständiger sei,

kann nicht zugegeben werden.22 19 Daß es keineswegs zuver­ lässig ist, sollte man in der Praxis nie vergessen. Weit mehr als ein Gerichtsschreiber, der nebenamtlich Schreibsach­ verständiger ist, wird oft ein Mikroskopier, ein Photograph, auch ein Diplomatiker von Fach, Archivar u. dgl. sagen können. (Arch. f. StrR. Bd. 53. S. 153). 19 Natürlich sind weder der Beschuldigte noch gar andere Personen verpflichtet, Schrift­ proben abzugeben. Es Hal den Anschein, als ob diese Erkennt­

Er steht nur unter be-

nis der polizeilichen Praxis vielfach verloren gegangen sei. " B.-B. S. 286 s., S. 366 Note 27. ” Er teilt genau, wie der Beweisdolmetscher, Erfahrungs­ sätze einer bestimmten Sprach­ wissenschaft in einer dem kon treten Prozeß angepaßten Form mit. Richterliche Hilfsperson ist er in nicht höherem Grade wie jeder andere Sachverständige. Gebunden ist der Richter an die Übersetzung des Berkehrsdolmetschers ebensowenig, wie sonst an ein Gutachten. — Vgl. S. 61 Anm. 1.

Der Augenschein,

g 55.

245

sonderen Regeln hinsichtlich seiner Zuziehung (GVG. 187

Abs. 1 S. 1; Abs. 2) und seiner Vereidigung (GVG. 191. 192). Im übrigen finden die Grundsätze über Sachver­ ständige auch hier Anwendung, so die über Ablehnung

(GVG. 193), aber auch z. B. die über Weigerungsgründe?

VIII.

Militärpersonen

als

Sachverständige (StPO.

77 Abs. 2). 8 55. ver Augenschein. Kries § 51.

1.

Birkm. § 69. B.-B. § 86. Bind. § 79.

Ullm. § 85.

Augenschein -- Augenscheinseinnahme bezeichnet eine

Art von Beweisaufnahme.

Tas dabei verwendete Beweis­

mittel nennen wir A u g e n s ch e i n s o b j e k t.

Hierunter ist

zu verstehen jeder Gegenstand der Sinnenwelt (auch der

Körper eines lebenden Menschen), der durch sein Dasein, seine Lage oder seine Beschaffenheit geeignet ist, auf die richterliche Überzeugung zu wirken; gleichgültig übrigens, ob die Vermittlung durch den Gesichtssinn, oder durch Gehör

(Phonograph) oder Geruch usw. geschieht.

Namentlich sind

Photographien wichtige Augenscheinsobjekte (RG. 36, 55).

Inwieweit der Gerichtszwang zur Verschaffung der Augen­ scheinsobjekte nach StPO. 94. 102. 103 verwendet werden

darf, ist in unsern §§ 59—61

über Editionspflicht, Be­

schlagnahme und Durchsuchung zu erörtern.

Den eigenen

Körper braucht jedenfalls nur der Verdächtige den Augen­

scheinspersonen bloßzustellen; für „Gegenstände" besteht da­ gegenprinzipiell eine allgemeine Verpflichtung zur Herausgabe. 23 Desgl. über Vereidigung, i Dagegen verstößt in einem Falle über Unmittelbarkeit und Münd- I doppelter Verdolmetschung RG. lichkeit der Beweisaufnahme. ; 36, 371.

Abschn. III.

246 II.

Das Beweisrecht.

Kap. II.

Die Einnahme des richterlichen Augenscheins er­

folgt im Vorverfahren unter Hinzuziehung des Gerichts­ schreibers (StPO. 166. 185) mit genauer Protokollierung

auch nach der negativen Seite (StPO. 86) und mit Parteien­

öffentlichkeit (StPO. 191. 193); ebenso als antizipierter

Akt zur Vorbereitung der Hauptverhandlung (StPO. 224). In der Hauptverhandlung kann Augenschein durch das er­

kennende Gericht eingenommen werden, und es wird dies

die Regel sein, soweit sich Gegenstände bequem zur Gerichts­ stelle bringen lassen.1

Das Gericht hat aber auch den Weg

offen, ein früheres Protokoll verlesen zu lassen (StPO. 248)2: der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt insoweit nicht. Endlich steht' als dritter Weg der offen, einen Sachver­

ständigen die nötigen Besichtigungen vornehmen und ihn darüber berichten zu lassen.3 § 56. Sie Urkunde.

Kries § 52.

I.

Birkm. § 75. B.-B. § 87. Bind. § 83.

UQm. § 94.

Urkunden sind Schriftstücke, die durch den ihnen auf

1 Nach StPO. 244 kann hier daS Gericht auch zum Augen­ schein gezwungen werden. — Die Protokollierung bei dieser unmittelbaren Beweisaufnahme unterliegt den gewöhnlichen Regeln des § 273 für die Hauptverhandlung. Die Aus nähme eines besonderen Proto­ kolles, selbst wenn der Augen­ schein außerhalb der Gerichts­ stelle eingenommen wird, und etwa dessen Verlesung nach § 248 wäre durchaus unzulässig. RG. 26, 277.

2 natürlich nur, wenn es den besagten Erfordernissen und in den Fällen des „zusammenge setzten Augenscheines" (S. 242) den hinzutretenden besonderen genügt. — Bei solcher Ver­ lesung ist die Mitverlesung ge reiner Aussagen nicht zu um gehen, z. B. StPO. 87 Abs. 1 a. E., 88S.1; vgl. RG. 12,308. 3 Man denke etwa an die Untersuchung der Geschlechts­ teile eines nach StGB. 176 3 3 gemißbrauchten Kindes.

Die Urkunde.

A 56.

247

geprägten gedanklichen Inhalt1 *geeignet sind, auf die richter­ liche Überzeugung einzuwirken (StPO. 248). Beweisbe­ stimmung oder Beweiserheblichkeit wird nicht gefordert (anders

im materiellen Strafrecht, StGB. 267).

Wir unterscheiden

erklärende (lediglich eine Gedanken- oder Willensäußerung des Ausstellers enthaltende) und berichtende (referierende) ?

Urkunden.

Letztere berichten entweder über eine Aussage

des Beschuldigten, eines Zeugen oder Sachverständigen (in­

direkt berichtende Urkunden) oder über einen sonstigen Vor­

chang. II. Als Eigenschaften der Urkunde, die auf ihren Be­ weiswert wirken, kommen in Betracht die E ch t h e i t,3 4die Unverfälschtheit/ bei berichtenden Urkunden auch die

Berichttreue. III. Die Beweiserhebung erfolgt nach StPO. 248 durch

Verlesung der Urkunde; natürlich ist es gestattet, die

Urkunde nur teilweise zu verlesen, nämlich soweit sie von

Belang ist.5

Es ist ferner statthaft, daneben (aber nicht

1 Kommt es nicht auf diesen, sondern aus die Beschaffenheit an, so liegt ein Augenscheinsobjekt vor. 9 Diese sind stets insofern zu gleich erklärende, als sie die Aus sage des Berichterstatters ent Hallen. 3 Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen Aussteller herrührt, den sie benennt oder aus den sie hindeutet. Die Echt­ heit ist eine Hilfstalsache des Beweises, oben S. 221. Nicht immer kommt es aus sie an. 4 Eine Urkunde ist unver sälscht, wenn nach der Ausstel jung keine unbefugten Inhalts­

änderungen durch fremde Hand vorgenommen sind. Solches teilweises Verlesen durch den Vorsitzenden, daS gegenüber völliger Verlesung langatmiger Urkunden vor allem den Vorteil der Uebersichtlichkeit hat, versteckt sich meistens unter dem Ausdruck „aus den Akten konstatieren". Daß der Vorsitzende nur mitteilt, dieS oder jenes stehe in den Akten oder Zeitungsartikeln usw., ist unzweifelhaft unzulässig. RG. 25, 125. Daß diese un­ gesetzmäßige Behandlung so lange gesetzmäßig sei, bis Ein­ wendungen dagegen erhoben

248

Abschn. III.

Kap. II.

Das Beweisrecht.

statt besten), den Beteiligten die Einsichtnahme in die Ur­

kunde zu gewähren. IV. Der Urkundenbeweis ist in der Regel nur subsidiär

statthaft.

In erster Linie ist der Beweis durch Vernehmung

von Personen zu versuchen (StPO. 249; RG. 34, 367). 1. Ausnahmen davon können nach freiem Ermessen gemacht

werden durch Verlesung a) von richterlichen Augenscheins­ protokollen (§ 248), b) von Erklärungen öffentlicher Be­ hörden, c) von ärztlichen Attesten über nicht schwere Körper­ verletzungen (§ 255; vgl. RG. 35, 162).

Die Urkunden zu

b und c können bald ein Zeugnis, bald ein Gutachten ent­

halten.

2. Weitere Ausnahmen, aber nur in genauer Um­

grenzung, werden für die über Aussagen referierenden Ur­ kunden gemacht.

tokolle.

Verlesungsfähig sind nur richterliche Pro­

a) Handelt es sich um die Aussagen von Zeugen und

Sachverständigen, so müssen diese Personen verstorben, geistes­

krank,

unermittelt,

wegen Krankheit, Gebrechlichkeit und

anderer Erscheinenshindernisse oder wegen großer Entfernung kommiffarisch (oder unter Wahrung der Parteiöffentlichkeit

im Vorverfahren) vernommen, oder Mitglieder landesherr­ licher Familien, oder Minister u. dgl., Bundesratsmitglieder, Abgeordnete sein (StPO. 250. 71. 49).

b) Handelt es sich

um die Aussage des Beschuldigten, so muß er vom Er­

scheinen dispensiert oder auch, wenn noch weitere Beschuldigte abzuurteilen sind, verstorben, geisteskrank, unermittelt oder bereits verurteilt sein (StPO. 232. 250). 3. Etwas erleichtert

und Anträge auf gesetzmäßige Behandlung gestellt würden — dieser wunderliche Gedanke wurde in unverkennbarem Gegensatz zum 2. StSen. vom 1. und 4.

| : ! :

StSen. des RG. vertreten: 3, 142. 162. 282. 26, 32. Jetzt ist 35, 198 auch der 2. StSen. dem beigetreten, unter Ableug nung des Gegensatzes.

Die Aussage d. Beschuldigten u. anderer Personen,

ß 57.

249

ist die Verlesung der Aussagen von Zeugen und Sachver­ ständigen (§ 252) und von Beschuldigten (§ 253),6 wenn sie bloß zur Beweisunterstützung erfolgt.

§ 57. Bit Aussagt dts Beschuldigten und andtrer Personen. Kries § 50.

Birkm. S. 335. 406. 457. B.-B. § 91. §§ 92. 93. Bind. § 82.

Ullm.

I. Die Aussage des Beschuldigten, sofern sie — im

Gegensatz zur Parteibehauptung — mit dem Anspruch auftritt, eine wahrheitsmäßige Darstellung von Vorgängen und Zuständen auf Grund eigener sinnlicher Wahrnehmung

zu sein, gehört ebenfalls zu den „Beweismitteln",1 die Ver­

nehmung des Beschuldigten ist „Beweiserhebung" und fällt mit unter die „Beweisaufnahme".-

Daher ist es z. B. er­

laubt, zur besseren Aufklärung vor Entscheidung über die

Anklage eine Vernehmung des Beschuldigten

anzuordnen

(§ 200), und daher findet der Grundsatz freier Beweis­ würdigung (§ 260) auch auf die Aussagen des Beschuldigten Anwendung: auch das Geständnis steht unter keinerlei das

Gericht bindender Beweisregel.

Inhaltlich ergibt sich auch

aus StPO. 25() Abs. 1. 256, daß die Aussagen Beschul­

digter den Beweismitteln zuzurechnen sind.

II.

Die Beweisaufnahme liegt in der Hauptver-

6 Es wird ein richterliches Protokoll verlangt. Wie steht es demnach mit der Verlesbarkeit von Briesen des Angeklagten oder von Eingaben an den StAnw.? RG. 35, 234 bejaht die Verlesbarkeit. 1 z. B. im Sinne der §§ 170

Abs. 2, 172 Abs. 2. 210. 198 Abs. 1 StPO.; a. M. B.-B. S. 373/374. 2 In einem engeren Sinn und im Gegensatz zur Ver­ nehmung des Angeklagten wird das Wort „Beweisaufnahme" in §§ 237. 243 gebraucht.

Abschn. III.

250

Kap. HI.

Die Sicherung deS Beweises.

Handlung völlig in den Händen des Vorsitzenden, der sie nie an Staatsanwalt oder Beisitzer überlasten und höchstens

einem Sachverständigen unmittelbare Befragung gestatten darf (StPO. 237 Abs. I. 239. 80 Abs. 2).

Die Ver­

nehmung (über deren Wesen oben S. 192 f. gesprochen ist)

gliedert sich in solche zur Person und zur Sache (StPO. 242), und die letztere zieht sich als Leitmotiv durch die ganze Hauptverhandlung (StPO. 256, wegen des „soll" nur in-

struktionell). III. Auch die Aussage andererPersonen darf,

da ein Verbot nicht entgegensteht, bei der Bildung der richter­ lichen Überzeugung verwertet werden. Können sie als Zeugen vernommen werden, so ist allerdings dieser Weg einzuschlagen.

Er ist überall da nicht angängig, wo die Betreffenden Auskunft in eigener Sache erteilen.

Hierher gehören die Aussagen

eines Privatklägers, eines Bußklägers, eines subsidiär Haf­ tenden (S. 166), eines Vertreters der klagenden Verwaltungs­

behörde (StPO. 464 Abs. 5), eines Kostenpflichtigen und zahlreicher Betroffener (S. 172).

Drittes Kapitel.

Die Sicherung des Beweises. 8 58.

Legriff der Leweisstcherrrng.

Kries § 53. 41. I.

Ein

Birkm. § 78 I. § 79 I.

B. B. § 50.

kann

gehen.

Beweismittel

verloren

Die

Gegenstände können vernichtet oder unbrauchbar werden:

Begriff der Beweissicherung,

g 58.

251

die Menschen können versterben, fortziehen, entfliehen.

Mit

Rücksicht auf diese Gefahren ist häufig die Vornahme von

Handlungen geboten, die den Beweis sichern. Und zwar kann Doppeltes in Betracht kommen. Nehmen wir an, daß die Untersuchung eines Flintenlaufes für einen Straf­

prozeß von

Wichtigkeit ist,

so

kann einerseits die Be­

fürchtung entstehen, daß etwa im Laufe der Zeit, die noch

bis zur Hauptverhandlung verstreichen muß, die Spuren

des

Schusses

sich

verwischen;

andrerseits kann die Be­

sorgnis auftauchen, daß das Gewehr überhaupt bei Seite gebracht und jeder Untersuchung entzogen werde.

Mittel,

die das eine verhindern, wird man ebenso wie solche, die dem andern Vorbeugen, als Mittel zur Sicherung des Be­

weises bezeichnen können. II. In der ersten Beziehung — wenn also Gefahr

vorliegt, daß das Beweismittel für spätere Prozeßstadien,

insbesondere für die Hauptverhandlung nicht mehr zu er­ langen oder zu gebrauchen sein werde — ist das Mittel

die antizipierte Beweisaufnahme.

Es wird ein

vereinzeltes Stück der Hauptverhandlung isoliert vorweg­ genommen, so daß dann in der Hauptverhandlung nur ein

Bericht darüber

verlesen

wird.

In dieser Hinsicht

be­

stehen folgende Pflichten: Die Polizei hat der Verdunkelung vorzubeugen (StPO. 161, ob S. 177 f.).

Der

Staats­

anwalt hat für Erhebung derjenigen Beweise Sorge zu tragen,

deren

Abs. 2 a. E.).

Verlust

zu

besorgen

steht (StPO. .158

Ist der Verlust von Entlastungsbeweisen

zu befürchten, so hat der den Beschuldigten vernehmende Amtsrichter auf Antrag die betreffenden Beweise zu er­ heben (StPO. 164). Überhaupt hat bei Gefahr im Ver­

züge der Amtsrichter zu den nötigen Beweisaufnahmen

252

Abschn. III.

Die Sicherung des Beweises,

Kap. III.

von Amts wegen zu schreiten (StPO. 163), und es kann alsdann auch schon im vorbereitenden Verfahren die Be­

eidigung

von Zeugen

erfolgen

(StPO.

65

Abs.

3).1

Ferner sind in der Voruntersuchung Beweise, deren Ver­ lust droht, auf alle Fälle zu erheben (StPO. 188 Abs. 2).

Für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die

wahrscheinlich

in

Hauptverhandlung

der

nicht

er­

scheinen werden, ist Parteienöffentlichkeit (StPO. 191) vor­

geschrieben und Beeidigung (StPO. 65 Abs. 2) gestaltet. Überhaupt aber kann jede richterliche Vernehmung von

Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen u. U. einen

Sicherungsakt gegen gänzlichen Verlust des Beweismittels darstellen (vgl. StPO. 232 Abs. 2, 250 Abs. 1 und 2);

desgl. der Augenschein (vgl. StPO. 248 a. (£.).

Ist der

Beschuldigte „abwesend" (StPO. 318) und darf eine Haupt­ verhandlung nicht stattfinden, so ist ein besonderes Verfahren

zulässig, um für den Fall der Gestellung die Beweise zu sichern (StPO. 327—331); hierbei erfolgt Beeidigung der

Zeugen und Sachverständigen auch ohne die Voraussetzung

des § 65 Abs. 2 und 3 (StPO. 328 Abs. 2). III. Die zweite Seite der Beweissicherung umfaßt alle

Maßregeln, die darauf hinauslaufen, das Gericht des be­

treffenden Beweismittels (sei eine

Person)

habhaft

es

ein Gegenstand,

werden

zu

lassen.

sei es

Im

weitesten Sinne gehört hierher auch die Vorführung eines ausgebliebenen,

die Zwangshaft

1 Die Pflichten des StAnw. und des AR. tSlPO. 158 Abs. 2. 163) erstrecken sich jedoch über das Vorverfahren hinaus auf alle Stadien des Prozesses. Es

gegen

einen renitenten

kann sich z. B. um Sicherung von Beweisen für die Wieder­ aufnahme des Verfahrens han­ deln. Kries, 421. B.-B. 469 Anm. 9.

Begriff der Beweissicherung,

g 58

253

In engerem Sinne verstehen wir darunter die

Zeugen.

Ergreifung des Beschuldigten und die sie vorbereitenden

und

sowie die Ergreifung Vorbereitungshandlungen

unterstützenden Maßnahmen,

Sachen

bestimmter

Wir

dazu.

bzw.

können

die

Zwangsmittel

somit

gegen

Personen und gegen Sachen unterscheiden und be­

handeln diese im folgenden.

Zur Anwendung der Zwangs­

mittel wird der Regel nach stets richterliche Entscheidung

gefordert, nur bei Gefahr im Verzüge steht die Hand­ habung häufig dem Staatsanwalt und

seinen Hilfsbeamten oder überhaupt frei.

bisweilen

sogar

den Polizeibeamten

Tie reale Ausführung des Zwanges wird in der

Regel überhaupt nicht vom Richter, sondern von Exekutiv­

beamten vorgenommen. IV.

Die

im

folgenden

behandelten

Mittel

der

Zwangsgewalt sind durch den hier hervorgehobenen Gesichtspunkt

der Beweissicherung nicht völlig

Sie dienen z.

T.

auch

dem

Zweck

erschöpft.

der Vollstreckungs­

sicherung.

Als solche finden sie nach der Anlage dieses

Lehrbuchs

nur

nebensächliche

Erwähnung.2

Die

be­

handelten, den folgenden §§ 59 — 70 zugrunde liegenden

Gesetzesstellen sind: StPO. 94-111 (MilStGO. 229—242), StPO. 112—130 (MilStGO. 174—182), StPO.133—135 (MilStGO. 172), StPO. 332- 337 (MilStGO.360—362),

StPO. 131, 132 (MilStGO. 183. 184).

1 Lehrb. § 59 V. § 60 IV. | § 64 Anm. ♦, 4. § 66 Anm. 1. VI. § 61 Anm. 3. 8 61 II. i 8 67 I. § 70 Anm. 2.

Abschn. III.

254

Kap. III.

Die Sicherung deS Beweises.

§ 59.

Vie ELittouspAicht. Kries § 42 I—III.

Birkm. § 79 I.

B.-B. § 51.

Ullm. §80 1.

Bind. § 74 I—VI.

I. sein

Sachen, welche als Beweismittel von Bedeutung

können, also Augenscheinsobjekte und Urkunden sind

nach StPO. 94 Abs. 1

in Verwahrung zu nehmen oder

sonst sicher zu stellen.1

Um dies tun zu können, muß

man aber vorerst die Sachen ergreifbar vor sich haben. Befinden sie sich im Gewahrsam einer Person, so müßte diese sie herausgeben — also eine positive Handlung vor­

nehmen, nicht etwa nur die Handlungen anderer dulden.

Eine solche Pflicht zu positivem Tun führt StPO. 95 Abs. 1 in doppelter Form ein: Pflicht zur Vorlegung

(Exhibition) und

zur Auslieferung (Edition).

Sie

wird nach Analogie der Zeugnispflicht behandelt, woraus folgt, daß diese sog. Editionspflicht für den Beschuldigten

nicht besteht.

II.

Voraussetzung der Pflicht ist 1. daß es sich um

einen Gegenstand der bezeichneten Art handelt; 2. daß es sicher feststeht und nicht abgeleugnet wird, daß der in An­

spruch Genommene den Gegenstand wirklich in seinem Ge­ wahrsam habe.

Das Fehlen eines Editionseides

(vgl.CPO.426)bricht praktisch in allenZweifels-

fällen diesen Bestimmungen die Spitze ab.

III. Die Zeugnisweigerungsrechte (ob. § 53 III) gelten auch hier, StPO. 95 Abs. 2 S. 2: Angehörige? 1 z. B. durch Versügunas- i * § 97 läßt dieses Weigerungs­ verbot, daS durch StGB. 137, recht völlig unangetastet, da er sich aus die EditionSpflicht über­ oder durch Siegelanlegung, die durch StGB. 136 geschützt ist. haupt nicht bezieht.

Die Beschlagnahme.

| 60.

255

brauchen keinerlei Sachen, Vertrauenspersonen - brauchen

keine anvertrauten Sachen, niemand braucht ihn kompro­ mittierende Sachen auszuliefern. Für die öffentlichen Be­ amten stellt § 96 die Parallele zu § 53 her.

IV. Die Folgen unberechtigter Weigerung sind theo­

retisch Sttafe und Zwangshaft, StPO. 95 Abs. 2 S. 1; 69.

Aber praktisch wird es hierzu nie kommen, da die

Durchsuchung (Lehrb. § 61) offen steht und dieses Mittel nicht nur sicherer zum Ziele führt, sondern auch in erster

Linie versucht werden muß.3 * * 6

V. Die vorstehenden Regeln gelten nach StPO. 94

auch für Gegenstände, die der Einziehung unterliegen. Hier handelt es sich nicht um Beweissicherung, sondern

um Vollstteckungssicherung. 8 60.

Nir Seschlagnahme. Kries § 42 IV. V.

Birkm. § 79 II.

§§ 79. 80 II. III.

B.-B. §§ 52. 53.

Ullm.

Bind. § 74 IV—X.

I. Wird ein Beweisgegenstand direkt erlangt oder auf

Erfordern herausgegeben, so bedarf es keiner eigentlichen Beschlagnahme,1 wenn sie auch stattfinden kann. 3 Weiß der Richter, daß X einen Gegenstand noch hat und nicht schon vernichtet hat, so kann es nicht Sinn des Gesetzes sein, daßX, wenn der Richter nicht suchen lassen will, erst 6 Monate absitzt (§ 69). Es ist selbstverständlich, daß man, wenn ein direkter und ein indirekter Weg zugleich offen stehen, erst den direkten versucht. Wird der Gegenstand bei der Durchsuchung nicht gesunden, so kann man

Dagegen

den X nicht einsperren, weil die Polizei schlecht gesucht hat. Sollte er aber den Gegenstand besonders raffiniert versteckt haben, so dürste er selbst der Begünstiguna verdächtig sein und hat folglich als Beschul­ digter keine Eoitionspflicht. Vgl. namentlich John, Komm. I, 764 ff. 772. 1 Mit den Wirkungen der §§ 136. 137 StGB.

Abschn. III.

256

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises,

bedarf es ihrer (StPO. 94 Abs. 2), wenn der Gegen­ stand erst durch Durchsuchung oder Strafe oder Zwangs­

hast erlangt worden ist.

Immer aber bedeutet Beschlag­

nahme nur eine zu Zwecken der Strafverfolgung, also in

repressivem Sinne geschehende sichernde Maßnahme.

Be­

schlagnahme zu präventiven, polizeilichen Zwecken gehört nicht hierher.

II.

Die Anordnung der Beschlagnahme steht dem

Richter zu, bei Gefahr im Verzug auch der Staatsanwalt­ schaft und ihren Hilfsbeamten (StPO. 98 Abs. 1).

Ist bei

der Ausführung der nicht-richterlichen Beschlagnahme der Betroffene oder ein erwachsener Angehöriger zugegen, ohne zu widersprechen, so steht die nichtrichterliche Beschlagnahme

der richterlichen gleich.

Andernfalls bedarf es richterlicher

Bestätigung, die von dem Anordnenden binnen 3 Tagen nachgesucht werden soll (StPO. 98 Abs. 2 S. I).

In jedem

Fall, auch wenn eine Bestätigung unnötig ist, muß eine nicht­ richterliche, nach Klagerhebung stattfindende Beschlagnahme binnen 3 Tagen dem Richter angezeigt werden (StPO. 98 Abs. 3). — Abweichend z. T. PreßG. §§ 23 ff.

Die richterliche Anordnung ist durch Beschwerde anfecht­ bar,

ohne daß das Urteil abgewartet wird (StPO. 346

Abs. 2. 347 S. 2); gegen die nicht-richterliche wird zunächst richterliche- Entscheidung nachgesucht (StPO. 98

Abs. 2

S. 2) und gegen diese event, der Beschwerdeweg beschritten.

Diese Bekämpfung der Beschlagnahme ist auch dem gestattet, der zunächst die Sache steiwillig herausgegeben oder nicht

widersprochen hat.

* Vor Klagerhebung bei dem ! schlagnahme stattfand, AR., in dessen Bezirk die Be- I Abs. 2 S. 3.

§

98

Die Beschlagnahme,

g 60.

257

Die Ausführung geschieht durch Polizeiorgane oder

Gerichtsdiener? Der Assistenz des Richters oder Staatsanwalts steht natürlich nichts entgegen.4 Die beschlagnahmten Gegen­

stände sind vor Verwechselungen zu sichern und in eine Asservatenliste zu verzeichnen.

Das Gleiche gilt für die

ohne Beschlagnahme verwahrten Gegenstände (StPO. 109).

Vor Klagerhebung gebührt die weitere Verfügung beut Staats­ anwalt, nachher dem Richter (StPO. 98 Abs. 3 a. E ). III.

Ein Beschlagnahmeverbot geht aus StPO.

97 für die Korrespondenz zwischen einem Beschuldigten und seinen unverdächtigen Angehörigen und Vertrauenspersonen

hervor, falls die letzteren die Korrespondenz in Händen

haben.

Noch weiter geht StPO. 148: die Korrespondenz

des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger ist, soweit& sie der Kontrolle nicht unterliegt (ob. S. 199 f.),

auch der Beschlagnahme entzogen.

Indirekt liegt in dem

Beschlagnahmeverbot ein Beweisverbot, dessen Verletzung das auf ihr beruhende Urteil revisibel macht.6 — Über StPO. 99 ff. unten § 63.

IV.

Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald die Sache

nicht mehr als Beweismittel von Bedeutung sein kann, ins­ besondere nach Rechtskraft des Urteils.

Vorausgesetzt, daß

die Sache auch nicht als Einziehungsobjekt in Betracht kommt,

ist sie dann dem früheren Gewahrsamsinhaber oder dem

s Ander- § 98 Abs. 4 betr. mililärische Dienstgebäude. Gegenstück dazu MilStGO. 238. 249. 4 Sie mutz daher auch ge­ duldet werden, wo die Militär­ behörde da- aussührende Or­ gan ist. StPO. 98 Abs. 4, vgl.

Rosenfeld, ReichSstrafprozeß.

MilStGO. 239 Abs. 3 a. E. 5 Soweit Kontrolle gestattet ist, kann nur StPO. 97 der Beschlagnahme entgegenstehen, vgl. RG. 33, 380. * Auch die bloße Verwendung zur Schriftvergleichung ist ver­ boten. RG. 20, 91.

Abschn. III.

258

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises.

Verletzten, dem sie durch die strafbare Handlung entzogen wurde, zurückzugeben.

Die Zurückgabe an den Verletzten

(StPO. 111) darf aber nur in die zivilrechtlichen Beziehungen

zwischen Beschuldigtem und Verletztem eingreifen, und hat auch hier keine Rechtskraftwirkungen (Abs. 2).

Sowie An­

sprüche dritter in Frage kommen, ist die Sache einfach dem

früheren Gewahrsamsinhaber zurückzugeben. V.

Eine

Beschlagnahme

einstweilige

kennt

StPO. 108, wenn bei einer Durchsuchung Gegenstände ge­ funden werden, die auf die Verübung einer anderen Straf­ tat hindeuten.

Hier findet keine Anordnung, sondern so­

gleich die Ausführung statt.

Die Gegenstände unterliegen

stets der Verfügung des Staatsanwalts.

Beschlagnahme muß durch

Eine definitive

gewöhnliche Anordnung

nach

StPO. 98 Abs. 1 erfolgen. VI.

Die Beschlagnahme findet auch auf Einziehungs­

objekte Anwendung (StPO. 94).

§ 61. Nie Durchsuchung. Kries § 43 I—IV. Birkm. § 79 III. B -B. §§ 54. 55. Ullm. § 81. Bind. § 73. Beling, Zeilschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 15 S. 471 ff. Rosenmeyer, Ger.Saal, Bd. 63, S. 41 ff.

I.

Als Vorbereitung sowohl zur Ergreifung des Be­

schuldigten, wie zur Auffindung von sachlichen Beweismitteln ist die Durchsuchung nach StPO. 102. 103 zulässig. StPO. 102 bezieht sich auf die Durchsuchung bei Ver­

dächtigen (Täter, Teilnehmer, Begünstiger, Hehler), StPO. 103 auf die bei Unverdächtigen.

Welche Unterschiede

zwischen beiden Fällen obwalten sollen, ist sehr dunkel; nach

Ausweis von § 103 Abs. 2 soll im zweiten Fall eine Be-

Die Durchsuchung.

schränkung Platz greifen.

| 61.

259

Der Unterschied liegt nicht in den

allgemeinen Zwecken,1 auch nicht in dem Grade der Aus­

sicht auf Erfolg 2 — in letzterem wenigstens nur teilweise.

Tie Durchsuchung zur Ergreifung von Beschuldigten kann nämlich bei Verdächtigen auch ins Blaue hinein, aufs Ge­

ratewohl, als Probiermaßregel vorgenommen werden, bei Unverdächtigen nur mit objektiven Anhaltspunkten.

Die

Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln erfordert

in beiden Fällen objektive Anhaltspunkte. Der wirkliche Unterschied von StPO. 102 und 103 ist ein doppelter.

Erstens: § 103 löst den Ausdruck des § 102: „Auf­

findung von Beweismitteln" auf in Verfolgung von Spuren einer strafbaren Handlung einerseits und in Beschlagnahme

von Gegenständen andrerseits.

In der letzteren Untergruppe

wird das Wort „bestimmter" zugefügt und dadurch aller­ dings eine Beschränkung gewonnen.

Das Ergebnis ist:

1. bei Verdächtigen darf durchsucht werden nach irgend1 Daß § 102 zwei Zwecke, 8 103 trotz des einschränkenden „nm" dagegen 3 nennt, erklärt sich aus der im Text erörterten Auslösung des Ausdrucks „Aussindung von Beweismitteln". 2 § 102: „wenn ru vermuten ist, daß die Durchsuchung zur . . . . führen werde"; § 103: „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß ... . sich befinde." Beide Wendungen sind gleichbedeutend. Die „Ver­ mutung" , daß man ein Be­ weisstück an bestimmter Stelle finden werde, kann nur dann austauchen, wenn „Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen

ist", daß es sich dort befinde. John, Komm., I 814. 3 Die Beschlagnahme kann nach § 94 zwei Klassen von Gegenständen treffen: Beweis­ mittel und Einziehungsobjekte. Da tz 103 im Verhältnis zu 8 102 höchstens enger, keines­ falls weiter sein kann, und da § 102 nur die Beweismittel nennt, so sind die Einziehungs­ objekte weder unter § 102 noch unter § 103 einbegriffen. Es gibt keine Durchsuchung lediglich zur AusfindunavonEinziehungsobjekten. Ebenso Geyer,

v. Holtzendorff, v. Kries. Dagegen die HM.

260

Abschn. III.

Die Sicherung des Beweises.

Kap. III.

welchen Spuren und nach irgendwelchen beschlag­ nahmbaren Beweismitteln; 2. bei Unverdächtigen darf durch­

sucht werden nach irgendwelchen Spuren, aber nur nach bestimmten beschlagnahmbaren Beweismitteln. Zweitens: Der Hauptunterschied liegt in den Ob­

jekten der Durchsuchung.

Bei einem Verdächtigen können

nach § 102 die Wohnung und andere Räume, seine Person

und die ihm gehörigen Sachen durchsucht werden, während

§ 103 nur von den zu durchsuchenden „Räumen" redet. Hieraus folgt, daß ein Unverdächtiger sich eine Durch­ suchung seiner Person, insbesondere seines nackten Körpers

nicht gefallen zu lassen braucht. *

Dagegen unterliegt der

Leib des Verdächtigen jeder ohne erhebliche, insbesondere

dauernde Schädigung möglichen Durchsuchung 4 5 An das Gesagte schließt sich § 103 Abs. 2 mit einem 4 A. M. RG. 14, 189. 16, 218. 19, 364 und zahlreiche Schriftsteller. Danach ist event, eine anständige Frau verpflichtet, sich vor einem Polizeikommissar iu entkleiden, damit dieser sie besichtigen und betasten kann. Weigert sie sich dessen, so wird sie mit Gewalt entblößt und ihre Gegenwehr nach StGB. 113 bestraft. — Es fragt sich, ob daS ungeheuerlich oder ob eS selbstverständlich ist. Ist eS das erstere, so muß man einen deutlichen Ausspruch im Gesetze verlangen, daß eS Rech tenS sein soll. Das RG. hält eS aber für selbstverständl i ch und erwartet daher im Ge­ setz eine ausdrückliche Aus­ nahme der Unverdächtigen von solcher DuldungSpflicht. Das

RG. vertauscht Regel und Aus nähme, wie schlagend Bel in g, Zeitsch. f. d. ges. StRWiss. 15, 494 hervorhebt. Mit dem Text übereinstimmend auch Geyer, v. Holtzendorff, Boitus, John, Bennecke, Frank, sowie Ullmann S. 318 (bei B.-B. 173 mit Unrecht für die Gegenansicht zitiert). Im Ein klänge mit der vertretenen An­ sicht jetzt auch MilStGO. 235 Abs. 2. 6 Ich halte Brechmittel, Magenpumpe, Rasieren usw. für gestattet: aber auch z. B. eine Operation, um sestzustellen, ob ein verschiebliches Körper­ chen im Fleisch des Unterarmes ein Schrotkorn ist; z. T. a. M. Beling, Beweisverbote, S. 12.

Die Durchsuchung,

ß 61.

261

Wegfall der zum Vorteil Unverdächtiger getroffenen Be­

schränkung.

Sie fällt fort für solche Räume, in welchen

der Beschuldigte ergriffen worden ist, oder welche er während der Verfolgung betreten hat, oder in welchen eine unter Polizeiaufsicht stehende Person wohnt

oder sich aujhält.

Diese Räume dürfen also zuni Zweck der Ergreifung eines

Beschuldigten stets auch ohne objektive Anhaltspunkte aufs Geratewohl durchsucht werden, und sie dürfen bei objektiven

Anhaltspunkten zum Zweck der Auffindung irgendwelcher glicht nur bestimmter) Beweismittel durchsucht werden.

II. Die Haussuchung § zur Nachtzeit (§ 104 Abs. 3: 9 bis 4 bezw. 6 Uhr) ist beschränkt.

im allgemeinen nur in 3 Fällen vorgenommen

Sie darf werden

(Abs. 1): bei Verfolgung auf frischer Tat, — bei Gefahr im Verzüge, — zur Wiederergreisung eines entwichenen

Gefangenen; ohne diese besonderen Voraussetzungen nur in

den 6 Fällen des Abs. 2. 6 7

III.

Die Anordnung der Durchsuchung steht dem

Richter zu, bei Gefahr im Verzug auch der Staatsanwalt­ schaft und ihren Hilfsbeamten (StPO. 105 Abs. 1).

Die

Ausführung geschieht durch Gerichtsdiener oder Polizei­

organe, im Fall des Abs. 4 durch Organe der Militär­

behörde.

Tas

Gesetz erwartet,

Richter oder Staatsanwalt (nicht

daß

normalerweise der

Amtsanwalt)

Ausführung gegenwärtig ist (§ 105 Abs. 2).

bei

der

Ist das

nicht der Fall, und liegt keiner der Räume des § 104 6 So nennt man die Durch­ suchung der Wohnung, der Geschäslsräume und des befriebeten Besitztums. StPO. 104 Abs. 1. StGB. 123. 7 1. Wohnungen von Leuten

unter Polizeiaussicht; 2. zur Nachtzeit jedem zugängliche Räume; 3. Verbrecherherbergen u. dgl.; 4. Niederlagen von Diebesgut; o. Schlupfwinkel des Glücksspieles; 6. Bordelle.

262

Abschn. III.

vor,

Abs. 2

(1

so

Die Sicherung des Beweises.

Kap. III.

sind

Repräsentanten

der

Öffentlichkeit

Gemeindebeamter oder 2 Gemeindemitglieder) * zuzu­

ziehen, § 105 Abs. 2 und 3.

IV. Die Stellung des Betroffenen regelt StPO. 106. 107.

Er darf der Durchsuchung beiwohnen.9

er abwesend, so ist ein Vertreter10 zuzuziehen.

Ist

Dem Un­

verdächtigen oder seinem Vertreter ist vorher der Zweck

der Durchsuchung mitzuteilen (es sei denn, daß es sich um

die Räume des § 104 Abs. 2 handelt).

Dem Verdächtigen

wie dem Unverdächtigen ist nachher auf Verlangen der Grund der Durchsuchung"

schriftlich mitzuteilen.

Dem

Verdächtigen ist ferner die Straftat zu bezeichnen, wegen deren

die

Durchsuchung

stattfand.

Daraus

folgt

per

argumentum e contrario, daß der Unverdächtigte über­ haupt nicht zu erfahren braucht, wegen welcher Straftat bei ihm gesucht wurde.

8 62. Die Durchsicht von papieren. Kries § 43 V. Birkm. S. 507 f. B.-B. § 55 IV. IKlm. §81 V. I.

Papiere

Die

Durchsicht,

d.

h.

Lektüre,

beschriebener

steht jeder amtlich mit den Papieren

befaßten

Person zu, wenn die Papiere zufällig aufgefunden oder s Ein Fall der mittelbaren Oesfentlichkeit, ob. S. 56 Anm. 1. Der Gemeindebeamte darf auch Polizei- oder Sicherheilsbeamter sein; die Gemeinde­ mitglieder dürfen es nicht sein. Das ist einigermaßen wider­ spruchsvoll. * 9 aber nicht sie stören; über

- das Verhältnis zu StPO. 162 vgl. NG. 33, 251. . 10 StPO. 106 Abs. ie.2: ' gewillkürter Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Haus­ > genosse oder Nachbar. 11 und ein Asservatenverzeich! nis oder eine Bescheinigung der ! Unverdächtigkeit, StPO. 107 S. 2

Die Durchsicht von Papieren.

freiwillig aufgeliefert werden.

Anders,

A 62.

263

wenn sie durch

Durchsuchung und Beschlagnahme erlangt sind: die Durch­ sicht ist alsdann ausschließliches Vorrecht des Richters (StPO. HO Abs. 1). Hierher gehören alle Papiere, die der Betroffene in Besitz hatte.1

II. Voraussetzung ist, daß eine Durchsuchung findet

und

Papiere

aufgefunden

werden.

statt­

Entweder

genehmigt der Inhaber2 deren Lektüre durch den durch­

suchenden Beamten (StPO. 110 Abs. 2 S. 1): dieser läßt

dann die unerheblichen Papiere liegen, die übrigen be­ schlagnahmt er (StPO. 94 Abs. 2). der Beschlagnahme voran. die Lektüre nicht.

Die Durchsicht geht hier

Oder der Inhaber genehmigt

Dann soll der durchsuchende Beamte

zwischen solchen Papieren, deren Durchsicht er nicht für geboten erachtet, und solchen Papieren, deren Durchsicht er

für geboten erachtet, scheiden.3

die letzteren muß er,

Die ersteren läßt er liegen,

da sie freiwillig nicht hergegeben

werden, nach § 94 Abs. 2 beschlagnahmen, was durch Ein­ schlagen und Versiegeln nach § 110 Abs. 2 a. E., Abs. 3 geschieht.

Alsdann erfolgt Ablieferung an den Richter, An­

ordnung der Durchsicht oder der verschlossenen Zurückgabe

durch diesen, ersterenfalls Aufforderung an den Inhaber, 1 A. M. B.-B. 177. Damit wird aber die Entscheidung der gerade bei Papieren oft sehr schwierigen Eigentumsfrage subalternen Organen überlassen. - Der Vertreter ist dazu nicht befugt. Das ergibt 110 Abs. 2 im Verhältnis zu Abs. 3. 3 und zwar nimmt er diese Scheidung vor, ohne die Pa­ piere zu lesen: vgl. die sati­ rischen Bemerkungen Johns,

Komm. I 831 f. über das Kunststück, das hier verlangt wird. In praxi wird der Beamte einfach alle aufgefundenen Papiere beschlagnahmen. Nun besteht aber nach StPO. 97 ein Ver­ bot der Beschlagnahme gewisser Korrespondenzen! Wie soll der Beamte aber ohne Lektüre wissen, i ob solche Korrespondenzen vor! liegen? Hier wird das Gesetz ! Perplex.

I ! ; i

Abschn. III.

264

Kap. III.

Die Sicherung deS Beweises,

der Entfiegelung und Durchsicht beizuwohnen, endlich die Durchsicht selbst (§ 110 Abs. 2 und 3).

Hier geht also

die Beschlagnahme der Durchsicht voran.

Die Folge der

Durchsicht ist entweder Rückgabe der Papiere (also Auf­ hebung der Beschlagnahme) oder Mitteilung4 an die Staats­

anwaltschaft (Abs. 4).

§ 63. Vie Anhaltung von ft tiefen und Telegrammen. Kries § 43, VI. VII. Birkm. 88 79, II 4. B. B. § 53, II b. Ullm. § 80, III 3. Bind. § 74, VIII. Laband III § 73, III 4, S. 57 ff.

I.

Das Briefgeheimnis (PostG. vom 24. Oktober 1871

§ 5. StGB. 354) und das Telegraphengeheimnis (Telegr.G. vom 6. April 1892 § 8.

StGB. 355) sind unverletzlich.

Ausnahmen werden durch Reichsgesetz festgestellt. für den Strafprozeß durch StPO. 99—101

Das ist

geschehen. *

Die hier geordnete „Beschlagnahme" ist etwas anderes, als die Beschlagnahme nach StPO. 94 (unser § 60), und wir belegen sie deshalb mit der Bezeichnung „Anhaltung".

Sie

bereitet eine eigentliche Beschlagnahme in entfernter Weise

vor.

Die angehaltenen Sendungen werden dem Richter-

vorgelegt, der zunächst eine Durchsuchung (unser § 61) vor­

nimmt, da er sich entscheiden muß, ob er Eröffnung oder 4 In diesem Fall ist eine richterliche Entscheidung über die „Beschlagnahme" nach StPO, nicht nötig. DaS zeigt deutlich, daß die „Beschlagnahme" be­ reits vollzogen ist. 1 Ueber die Grenzen des „Geheimnisses" ist hier insofern hinausgegangen, als die privi­ legierte Behandlung sämtlichen

Postsendungen zu teil wird. — MilStGL. 233. * Die StAnw.schast kommt hier bei Gefahr im Verzüge für Telegramme in Berbrechens­ und Vergehenssachen in Betracht (folglich nur in reinen SchGSachen der Amtsanwalt). StPO. 100 Abs. 1, s. unten III.

Die Anhaltung von Briefen und Telegrammen.

| 63.

265

Ausantwortung anordnen soll (StPO. 94 Abs. 2 S. 1).

Nach der Eröffnung nimmt der Richter eine Durchsicht (unser

§ 62) vor. Das Ergebnis der Lektüre ist dafür entscheidend, ob Zurückbehaltung oder Ausantwortung verfügt wird (StPO. 101 Abs. 2 S. 2).

Erst die etwaige Zurückbehaltung ist

Beschlagnahme im technischen Sinn. II.

Zulässig ist a) die Anhaltung der Postsendungen

und Telegramme, deren Adressat der Beschuldigte ist, ohne weiteres, auch ohne alle Anhaltspunkte aufs Geratewohl.

Dagegen kann b) die Anhaltung der vermutlich vom Be­ schuldigten herrührenden oder vermutlich für ihn bestimmten

Sendungen nur bei objektivem Anhalt für ihre Erheblichkeit

verfügt werden (StPO. 99). III. Die Anhaltung wird a) vom Richter ange­ ordnet: so in Übertretungssachen stets, in den übrigen

in der Regel und definitiv lediglich durch ihn.

b) Der

Staatsanwalt und Amtsanwalt kann in Verbrechens­ und Vergehenssachen bei Gefahr im Verzug provisorisch «) die Anhaltung verfügen, die außer Kraft tritt, wenn

sie nicht binnen 3 Tagen

richterlich bestätigt wird;

8) bei Telegrammen vermöge Durchsuchung über die Er­

öffnung und folgends vermöge Durchsicht übe^> die

Zurückbehaltung (§

101

auch

letztere

bedarf

diese

Abs. 2) entscheiden; doch technische Beschlagnahme

richterlicher Bestätigung binnen 3 Tagen (§ 100 Abs.

2 und 3). 3 welche die Post- oder Tele­ graphenanstalt vom Tage des Eingangs der staatsanwaltlichen Verfügung nach StPO. 42 be­ rechnet, so daß sie mit Beginn des vierten folgenden Tages

wieder die gewöhnliche Bestellung in Laus setzt. Cb bereits in­ zwischen eine Sendung zufolge i der Anhaltung an den StAnm. I ausgeliefert ist, bleibt gleichI gültig. StPO. 100 Abs. 2.

266

Abschn. III.

Die

Postsendungen

dem Richter

Die Sicherung des Beweises.

Kap. III.

legt

der

Staatsanwalt

uneröffnet

vor, dem hier Durchsuchung und Durchsicht

alleine zustehen,

c) Die Polizei kann nie eine Anhaltung

veranlassen; die Post hat ein etwaiges Ersuchen unbeachtet zu lassen.

IV.

Die Betroffenen oder,

„Beteiligten"

wie StPO. 101 sagt,

sind die Absender und die Adressaten der

Sendungen (nicht die Post- und Telegraphenanstalten).

Sie

haben ein Recht a) auf gewöhnliche Beschwerde nach StPO. 346 Abs. 2. 347 regeln,

2; b) auf Nachricht von den Maß­

„sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungs­

zweckes geschehen kann", nach StPO. 101 Abs. 1; c) auf Ausantwortung der nicht eröffneten oder nicht beschlagnahmten

Sendungen, StPO. 101 Abs. 2; d) die Adressaten auf ab­

schriftliche Mitteilung der unverfänglichen Briefteile, StPO. 101 Abs. 3.

8 G4Vie Verhaftung. Kries § 44.

I.

Birtm. § 78 III. 1-3. B.-B. §§ 56, 57. § 76. Bind. Z 70.

Ullm.

Verhaftung ist der vom Richter verfügte Eingriff

in die Freiheit eines Beschuldigten, durch welchen man sich seiner Person zum Zweck der Durchführung eines inländischen

Strafverfahrens 1 versichert.2

Die Verfügung des Richters

* vor Klagerhebung dem AR., in dessen Sprengel die Postanstalt liegt, StPO. 100 Abs. 3. 98 Abs. 2 a. E. 1 einschl. der realen Vollstreckung, soweit diese in die Freiheit eingreift.

2 Hiermit tritt sie in Gegensap zu Zwangshast, Freiheits­ strafe, Auslieferung, polizeilicher Präventivhast, sowie Erzwingung nur zeitweiliger An­ oder Abwesenheit (unten § 66), besonders durch Vorführung.

■ i ; 1 i

Die Verhaftung.

A 64.

267

Ohne solchen liegt keine Verhaftung

heißt Haftbefehl.

im Sinne der StPO, vor, sondern höchstens eine vorläufige

Der Haftbefehl soll normaler­

Festnahme (unser § 65).

weise erst nach Klagerhebung ergehen (StPO. 112).

Er­

geht er vorher (StPO. 125), so ist die Höchstdauer der Verhaftung der Übertretungen 2, sonst 4 Wochen (StPO.

126). II.

Es sind zwei Arten von Haftbefehl zu unterscheiden,

der Haftbefehl wegen

Fluchtverdachts und

der

Haftbefehl wegen Kollusionsgefahr. Nur der erstere kann auch in Übertretungssachen erlassen werden

(StPO. 113),

nur der erstere gestattet Freilassung gegen

Sicherheitsleistung (StPO. 117); nur der letztere gestattet

eine Kontrolle des mündlichen Verkehrs zwischen Vertei­

diger und Beschuldigten (StPO. 148).

Da somit beide

nicht rechtlich genau die gleiche Bedeutung haben, so ist nach der Regel S. 21 o alternative Begründung eines Haftbefehls unzulässig.3

Beide Arten von Haftbefehl haben

nach StPO. 112

die gemeinschaftliche Voraussetzung „dringenden" (nicht bloß „hinreichenden")

Tatverdachtes.

setzung der Verhaftung

Die

spezielle

Voraus­

wegen Kollusionsgefahr ist,

daß

Tatsachen vorliegen und aktenkundig gemacht werden, aus denen

zu schließen

ist,

daß der Beschuldigte Spuren der

Tat vernichten oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu

einer falschen Aussage sich der Zeugnispflicht

oder Zeugen dazu verleiten werde, zu entziehen. *

Ob

Fluchtverdacht

3 Unrichtig Beling, B.-B. Kollusionsgefahr annimmt, 292, Ostern Altern, bei Will. C. beides verneint, so ist kein Erkl., S U. Wenn von drei ! Haftbefehl zu erlassen. — Wenn Richtern A. Fluchtverdacht, B. | X. wegen Fluchtverdachts ver-

268

Abschn. III.

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises.

vorliegt, entscheidet der Richter stets nach freiem Ermessen;

keine Vorschrift zwingt ihn, solchen u. U. als gegeben an­

zusehen.

Wohl aber gibt das Gesetz mehrfach Beispiele

dafür, wann Fluchtverdacht angenommen werden kann

So

zunächst in StPO. 112 Abs. 2 (bei Verbrechen; gegen Heimatlose, Landstreicher, Ausweislose, unzuverlässige Aus­

länder); aber auch in StPO- 229 Abs. 2. 370. 235 (un­

entschuldigtes Ausbleiben in der Hauptverhandlung trotz

ordnungsmäßiger Ladung, und an sich erlaubtes Ausbleiben trotz Anordnung persönlichen Erscheinens).5

Bei den Delikten, die nur mit Haft oder Geldstrafe bedroht sind/ ist nach StPO. 113 nur Haftbefehl wegen

Fluchtverdachts zulässig. folgenden Bedingungen

Es muß aber außerdem eine der

zutreffen: der Beschuldigte

muß

ein Heimatloser, ein Landstreicher, ein Ausweisloser, ein

unzuverlässiger Ausländer sein oder unter Polizeiaufficht stehen, oder die Übertretung muß korrektionelle Nachhaft

im Gefolge haben können.7 Endlich ist als Voraussetzung jedes Haftbefehls das

Vorliegen der Bedingungen der Strafverfolgung (S. 43 ff., S. 216ff.) zu erfordern.

Ausnahme hiervon StPO. 130:

Hasret wird und Beschwerde ein­ legt, so kann nicht das Beschwerdegericht seine Verhaftung wegen ' Kollusionsgefahr be­ schließen. 4 „oder daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strasbarer Handlungen mißbrauchen werde" fugt MilStGO. 176 Z. 4 a. G. hinzu. Das entspricht indessen dem obigen Begriff „Verhaftung" nicht, sondern fällt unter die Präventivhast.

6 Dazu StPO. 489 Haftbe­ fehl „behufs Vollstreckung einer Freiheitsstrafe", wenn der Ver­ urteilte sich auf Ladung nicht zum (Strafantritt gestellt hat. 6 also bei sämtlichen Uebertretungen, den meisten Gewerbeund Steuerdelikten und z. B. StGB. 145. 145 a. 285. 7 StGB. 361 Z. 3-8. 362: Landstreichen, Bettel, Müßig­ gang, Prostitution, Arbeits­ scheu, Obdachlosigkeit.

Die Verhaftung,

ß 64.

269

trotz mangelnden Strafantrags kann Verhaftung erfolgen

Indessen 1) die Verhaftung ist auf die Höchstdauer von 2 Wochen bei Übertretungen, 4 Wochen bei Verbrechen

und

Vergehen

begrenzt;

wenigstens

2)

ein

Antrags­

berechtigter ist sofort vom Erlaß des Haftbefehls in Kennt­ nis zu setzen. III. Die Anordnung der Verhaftung geschieht ledig­

lich durch den Richter.8 9 Der Haftbefehl muß schriftlich sein, den Beschuldigten genau bezeichnen, die Straftat an­

geben, endlich den Grund der Verhaftung enthalten, d. h. der Haftbefehl wegen Kollusionsgefahr muß sagen, warum Beweisverdunkelung gefürchtet werde; der Haftbefehl wegen

Fluchtverdachts muß sagen, aus welchen Umständen dieser

Verdacht hergeleitet werdet

StPO. 114.

machung an den Verhafteten erfolgt nach

Abs. 3.

Die Bekannt­ StPO. 114

Ter Eingelieferte ist spätestens am folgenden Tage

vom Richter zu hören, StPO. 115, 132; die Verletzung hat freilich keine Entlassung zur Folge (anders ob. S. 194).

Die Vernehmung durch den „nächsten Amtsrichter", dem der Ergriffene auf

Verlangen

nach

§

132

vorgeführt

werden muß, bezweckt im wesentlichen nur Jdentitätsfeststellung.

Daher ist der „nächste Amtsrichter"

wohl zur

Aufhebung der Verhaftung, aber niemals zur Aufhebung des Haftbefehls kompetent. — Die Aufhebung 1. jedes

8 im Falle StPO. 489 durch den strasvollstreckenden StAnw. 9 Nur in den Fällen des § 112 Ads. 2 „bedarf" der Fluchtver­ dacht „keiner weiteren Begrün­ dung"; in den übrigen Millen bedarf er folglich einer solchen. Spezielle Begründung, wie der

Text verlangt, entspricht dem 8 34 StPO, und der erhöhten Bedeutung des Eingriffs durch Verhaftung, welcher StPO. 352 durch Schaffung einer eigenen Instanz der weiteren Beschwerde gerecht wird. Vgl. LöweHellweg, § 114 Note 3.

270

Abschri. III.

Haftbefehls

Kap. III.

erfolgt (StPO.

Die Sicherung des Beweises.

123):

a)

wenn

der Ver-

hastungsgrund weggefallen ist, b) wenn der Angeschuldigte

außer Verfolgung gesetzt, c) wenn er freigesprochen 10 11 wird. 2. Die Aufhebung des Haftbefehls vor Klageerhebung erfolgt (StPO.

126): a) auf Antrag

der Staatsanwaltschaft;

b) nach Ablauf einer Woche, es sei denn, daß a) entweder inzwischen die Klage erhoben, Haftfortdauer angeordnet und der Amtsrichter, der den Haftbefehl

erlassen hatte, davon in Kenntnis gesetzt ist; ß) oder daß die Staatsanwaltschaft die Verlängerung

der nicht genügenden Frist um eine Woche beantragt

und der Amtsrichter dem stattgegeben hat; c) nach Ablauf der zweiten Woche bei Übertretungen un­

bedingt, bei Verbrechen und Vergehen, falls nicht aber­ malige Verlängerung um 2 Wochen beantragt und ver­

fügt ist; d) nach Ablauf von 4 Wochen auch bei Ver­ brechen und Vergehen unbedingt.

IV. Zuständig für Anordnung und Aufhebung des Haftbefehls vor Klageerhebung

ist stets nur ein Amts­

richter," und zwar jeder, in dessen Bezirk ein Gerichts­

stand begründet

ist oder der

wird (StPO. 125 Abs. 2).

zu

Verhaftende

betroffen

Der Amtsrichter handelt bei

der Erlassung im allgemeinen auf Antrag der Staatsan­ waltschaft, nur bei Gefahr im Verzug von Amts wegen

10 mag auch das Urteil noch nicht rechtskräftig sein, § 123 Abs. 2. 11 Die StK. darf also nie­ mals einen vor ihr vernom­ menen Zeugen wegen dringenden Verdachts des Meineides verhaften, wohl aber kann der

i StAnw. eine vorläufige Fest­ I nahme vornehmen. Vgl. da­ die Verhaftung des I gegen Zeugen v. Tausch im LeckertLützow-Prozeß (Dez. 96). Ste! nogr. Bericht, Berlin, Harrwip, : 1897, S. 226. :

Die Verhaftung.

| 64.

271

(StPO. 125 Abs. 1. 163); bei der Aufhebung handelt er in den Fällen oben unter III

1 und 2 b—d von

In der Voruntersuchung ist für den Er­ Haftbefehls der Untersuchungsrichter, für die

Amts wegen.

laß

des

Aufhebung der Untersuchungsrichter mit Zustimmung des

Staatsanwalts oder die Strafkammer nach näherer Maß­

gabe des tz 124 Abs. 2 zuständig.

Im Zwischenversahren

ist das eröffnende Gericht für Erlaß und Aufhebung zu­ ständig ; es hat sich von Amts wegen mit mit dieser Frage zu befassen (§ 205).

Im Hauptverfahren kommt außer dem

Gericht auch für dringende Fälle der Vorsitzende in Be­

tracht: er kann einen Haftbefehl erlassen, aber nur mit Zu­ stimmung der Staatsanwaltschaft ausheben (§ 124 Abs. 3). V. Die Vollstreckung der Untersuchungshaft regelt sich nach StPO. 116 unter Berücksichtigung ihres Zweckes, welcher in Abschneidung der Flucht und der Kollusion be­ Daher

steht.

nur

ausnahmsweise Fesselung

(Abs.

4).

Weitere Beschränkungen, Versagung von Bequemlichkeiten und

Beschäftigungen

Richter

verfügt

können

und

nur

definitiv

durch

nur

durch

den

die Rücksicht auf die

„Ordnung im Gefängnisse" 12 gerechtfertigt werden (Abs. 2,

3 und 5). VI. Das Gesetz vom 14. Juli 1904 erkennt endlich,

wenigstens prinzipiell, die Verpflichtung des Staates an, Personen, die zu Unrecht in Untersuchungshaft genommen waren, zu entschädigen.

In der Durchführung hat der

12 Entw. I sagte „Gefängnis­ ordnung", Entw. II wie das Gesetz, Entw. III stellte den Entw. I wieder her, die Kom­ mission wiederum den Entw. II.

Also ist jedenfalls die konkrete paragraphierte Gefängnisord­ nung für den Richter nicht bindend.

272

Abschn. III.

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises.

Gedanke indessen sehr starke Einschränkungen erlitten: A. Die Untersuchungshaft ist unbegründet, wie die logische Über­

legung zeigt, wenn auch nur eine der Voraussetzungen: Tatverdacht, Fluchtverdacht, Kollusionsgefahr zu Unrecht angenommen wird.

Das Gesetz (§ 1) berücksichtigt aber

nur die falsche Annahme des Tatverdachtes und nennt sich

daher auch : Gesetz bett. Entschädigung für

„unschuldig"

erlittene Untersuchungshaft. — B. Nicht jede Beendigung des Sttafverfahrens ohne Verurteilung genügt; vor allem

nicht die bloße Einstellung des Verfahrens, sei es durch die Staatsanwaltschaft, sei es durch Urteil.

Es wird ge­

fordert Urteil auf Freisprechung oder Beschluß auf Außer­ verfolgungsetzung d. h.

oder

Nichteröffnung

des

Ablehnung der Voruntersuchung

Hauptverfahrens.

Diese

Ent­

scheidungen müssen ferner darauf beruhen, daß sich die

Unschuld oder doch das Nichtbestehen begründeten Tatver­ dachtes ergeben hat. — C. Erstattet wird nur Vermögens­

schaden; er muß entstanden sein durch die Untersuchungs­

haft oder eine vorangegangene Vorführung oder vorläufige Festnahme (§ 3). — D. Trotz alledem wird gewissen Kate­ gorien von Personen die Entschädigung versagt: erstens

fakultativ (§ 2 Abs. 3) Ehrverlustigen, Polizeiobservaten, früheren Korrigenden (2 Jahre müssen verfließen), früheren Zuchthäuslern (3 Jahre müssen verfließen); zweitens obli­

gatorisch (§ 12) Ausländern, falls nicht die Gegenseitigkeit verbürgt ist. — E. In concreto spielt der Gesichtspunkt

der Gnade (statt des theoretisch allein haltbaren Rechts­

anspruches)

hinein

in

gewissen

moralisierenden

Ein­

schränkungen fakultativer Art (§ 2 Abs. 2): Versagung bei grober Unredlichkeit oder Unsittlichkeit der Tat, bei Un­ zurechenbarkeit der Tat wegen Trunkenheit, bei Borliegen

Die vorläufige Festnahme.

§ 65

273

von Vorbereitungshandlungen zu einem Verbrechen oder Vergehen.

Die Einzelheiten sind im ganzen dem Gesetz vom 20. Mai 1898 betr. Entschädigung unschuldig Bestrafter nachgebildet.

wiesen.

Es sei dieserhalb auf Lehrb. § 92 VII ver­

Die Frist,

innerhalb

deren der Beschluß

des

Gerichts (§§ 4. 5) im Verwaltungsweg weiter zu ver­ folgen ist, beträgt aber hier 6 (nicht 3) Monate (§ 6). Die Ausschlagsfrist für

die Klagerhebung ist

auch

hier

3 Monate (§ 6 Abs. 3).

Das Gesetz findet analoge Anwendung aus die Militärund Konsulargerichte (§§ 10—11); demnach auch auf die

Kolonialgerichte (SchutzgebG. § 3). § 65.

Lir vorläufige Festnahme. Kries £ 44 I. III.

Birkm. § 78 III 2. B. B. S 60 I. § 76 III. Bind. § 70 I 2.

Ullm.

I. Außer der richterlichen Verhaftung kennt das Gesetz

der Sache nach auch eine nicht-richterliche, richterlicher Be­ stätigung bedürftige.

Es belegt aber nicht, wie bei der

Beschlagnahme, Durchsuchung und Anhaltung, beide Ein­ griffe mit dem gleichen Namen, sondern nennt die nicht­ richterliche

Verhaftung

„vorläufige

Festnahme".

Sie erfolgt nach StPO. 127 Abs. 2 bei Gefahr im Ver­

züge unter den Voraussetzungen eines Haftbefehles, also regelrecht nicht bei Übertretungen. Zuständig ist nicht nur die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, sondern alle

Polizei- und Sicherheitsbeamten.1 * also auch Polizei serge an- I RG. 35, 210 betr. preußische ten und Gendarmen; vgl. auch I „Amisdiener" — Strafantrag Rosenfeld, ReichSstrafprozetz.

2. Aufl.

18

274

Abschn. III.

Die Sicherung deS Beweises.

Kap. III.

II. Eine wesentlich andere Art vorläufiger Fest­ nahme wird in StPO. 127 Abs. 1 behandelt

Sie darf

auch von jedem Privaten vorgenommen werden? und hat zwei je alternativ gefaßte Voraussetzungen; 1. der Sistierte wird auf frischer Tat, wenn auch nur einer Über­ tretung, 3* 2betroffen oder auf frischer Tat verfolgt, 2. der Sistierte ist fluchtverdächtig oder seine Persönlichkeit kann

nicht sofort festgestellt werden.

Die Festnahme der Gattung

II wird meist durch Zuführung an die Polizei in eine Festnahme der Gattung I verwandelt werden. III. Die Polizeibeamten können selbstverständlich auch

eine Festnahme der Gattung II vornehmen.

Bei jeder

Festnahme sind sie aber an die Voraussetzungen des § 127

StPO, gebunden und dürfen nicht etwa in Verfolgung des

allgemeinen

Zweckes

Sistierungen

des §

schreiten.4

161

StPO,

Unberührt

steht

zu

beliebigen

daneben

die

praktisch, besonders in Prozessen aus StGB. 113, außer­

ordentlich wichtige Verwahrung aus allgemeinem präven­ tiv-polizeilichem Gesichtspunkt

nach

Maßgabe

des

Landesrechts.5 ist bei Antragsdelikten auch hier eine Beschränkung derselben, nicht erforderlich § 127 Abs. 3. insbesondere eine Verhaftung 2 Sie stellt somit einen Rechtzulässig ist, lverden durch das sertigungsgrund für Freiheits­ Gesetz bestimmt." beraubung, aber u. U. auch für G. zum Schutze der persönNötigung und Körperverletzung i lichen Freiheit, vom 12. Fe­ bruar 1850, § 6: dar, RG. 34, 444. 8 anders MilStGO. 180 „Die im 8 3 genannten Be­ hörden, Beamten und Wach­ Abs. 2 und Abs. 3. 4 RG. 27, 153. 32, 271. mannschaften sind befugt, Per­ sonen in polizeiliche Verwahrung 6 Für Preutzen: Versass. Art. 5: zu nehmen, wenn der eigene „Die persönliche Freiheit ist Schutz dieser Personen oder die gewährleistet. Die Bedingun­ Aufrechthaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe gen und Formen, unter welchen

ß 65.

Tie vorläufige Festnahme,

IV.

275

Die Festnahme ist nur eine vorläufige.

Festnehmende

kann

den

Ergriffenen

wieder

in

Ter

Freiheit

setzen (SIPO. 128 a. A.). Andernfalls gebührt dem Richter die Überleitung in die Verhaftung. Zu diesem

Zweck muß unverzügliche Vorführung vor den Richter erfolgen,6 der

spätestens

nehmung zu schreiten unterscheiden:

1.

am

hat.

folgenden Tage

zur Ver­

aber zwei Fälle zu

Es sind

ob die öffentliche Klage noch

hoben ist; 2. ob sie bereits erhoben ist.

nicht er­

Im Falle 1

er­

folgt (StPO. 128) Vorführung vor den Amtsrichter des

Bezirks; dieser verfügt Freilassung

oder Haftbefehl;

die

Verhaftung ist in der Höchstdauer aus 2 bzw. 4 Wochen

begrenzt.

Im Falle 2

vor

Amtsrichter

den

erfolgt (StPO. 129) Vorführung

des

Bezirks;

dieser

verfügt

ohne

eigene Entscheidung Vorführung vor das zuständige Gericht oder den Untersuchungsrichter;7 diese verfügen Freilassung oder Haftbefehl; die Verhaftung ist in der Höchstdauer un­ begrenzt.

diese Maßregel dringend erjor dern. Die polizeilich in Ver­ wahrung genommenen Personen müssen jedoch spätestens im Lause des folgenden Tages in Freiheit gesetzt, oder es muß in dieser Zeit das Erforderliche veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde zu überweisen." • Eine Vorführung zunächst vor den StAnw. ist gesetzwidrig. selbst wenn dies auf Grund

! ■ ! l ; ' | | | I !

einer generellen Vereinbarung zwischen Polizei und StAnwschast mit Zustimmung des LGPräs. geschieht, so ist dies Verfahren nicht minder gesetz­ widrig und die Vereinbarung null und nichtig. Vgl. LöweHellweg, Komm. § 128 Note 3. 7 Diese Vorführung kann auch direkt, ohne Vermittlung des AR. erfolgen.

276

Abschn. III.

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises.

§ 66. Sonstige Freiheitsbeschränkungen. Birkm. § 78 I. II.

Ullm. § 75 I.

I. Die Vorführung des Beschuldigten zum Zweck der Vernehmung ist oben S. 194 behandelt.

Durch Vor­

führungsbefehl kann das Gericht Anwesenheit in der Haupt­ verhandlung erzwingen nach StPO. 229. 370. 235, 1 * auch

im Privatklageverfahren nach StPO. 427. II.

Der Vorsitzende hat die Befugnis, einen Ange­

klagten wahrend einer Unterbrechung der Hauptverhandlung, also event, bis zum vierten Tage, in Gewahrsam halten

zu lassen (StPO. 230 Abs. 1 S. 2 a. E. MilStGO. 279 Abs. 1 S. 2).

III. Eine Fe st Haltung kann von jedem Beamten, * der außerhalb seiner Amtsstelle3 in einem Strafverfahren Amtshandlungen vornimmt, gegen Beschuldigte oder andere

Personen nach StPO. 162 verfügt werden. ist,

daß

Voraussetzung

sie seine Tätigkeit stören oder sich seinen An­

ordnungen widersetzen.

Die Festhaltung

dauert bis zur

Beendigung der Amtsverrichtung, jedoch nicht über den

nächstfolgenden Tag hinaus. IV.

Ein

eigentümlicher

Eingriff

in

die

persönliche

Freiheit eines Angeschuldigten ist endlich seine Verbringung in eine öffentliche Irrenanstalt nach StPO. 81 (oben

S. 242).

Die höchste Dauer dieser Freiheitsbeschränkung

beträgt 6 Wochen. 1 oben S. 268. Dem Gericht 2 nicht nur Richter ober stehl die Wahl frei zwischen StAnw.; z. B. von einem Po­ Verhaftung und Vorführung, j lizeiinspektor RG. 33, 251. — Vgl. außerdem StPO. 489. 3 im Amtslokal hat er, wenn — MitSlGO. 172. 278. 389 nicht Sitzungspolizei, so jeden­ Abs. 2. falls Hausrecht.

Die Sicherheitsleistung.

277

| 67.

8 67. vir Sicherheitsleistung. Kries § 45 I.

I.

Birkm. § 78 III 4. B.-B. § 58. Bind. § 71.

Ullm. § 77.

Ist ein Haftbefehl wegen Fluchtverdachtes ergangen,

so kann die Vollstreckung desselben durch Sicherheits­ leistung

abgewendet werden (StPO. 117);1

ob schon

Klage erhoben ist, bleibt gleich (StPO. 125 Abs. 3).

Der

Beschuldigte wird alsdann mit der Untersuchungshaft „ver­

schont".

Es liegt hier kein fester Rechtsanspruch vor, sondern

eine Wohltat.

Beneficia non obtruduntur: daher muß der

Beschuldigte seine Freilassung gegen Kaution beantragen

(StPO. 119):2 daher kann er auch nach geleisteter Sicher­ heit deren Freigabe verlangen und sich in die Hast begeben.

Die Sicherheit hastet zunächst dafür, daß der Beschuldigte

sich zur Aburteilung stellen, sich „der Untersuchung" nicht entziehen werde; daher wird sie wirkungslos in den Fällen

des 8 120 StPO. er sich nicht

Sie haftet aber weiter auch dafür, daß

„dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe"

entzieht (StPO. 122 Abs. 1).

Sie ist insoweit also

nicht nur cautio judicio sisti, sondern auch cautio judi-

catum solvi.

Aber auch nur insoweit; für Geldstrafen,

Kosten, Buße usw. haftet sie nicht. II.

Wegen der

Art der Sicherheitsleistung s. StPO.

118. Besonders bemerkenswert ist die „Bürgschaft geeigneter

Personen", die wir (dritte) Kaventen nennen. 1 Der MilStGL. Institut fremd: desgl. Geleit. 2 Zur Freilassung ist der Richter, der

ist dieses das sichere kompetent zur Aus­

Sie

hebung des Haftbefehls kom­ petent ist. Zur Ablehnung der Freilassung ist komp^ent, wer zum Erlaß des Haftbefehls kompetent ist. StPO. 124. 125.

278

Abschn. III.

Kap III.

Die Sicherung des Beweises.

treten nicht nur zum Staate in ein eigentümliches Rechts­ verhältnis, sondern auch zum Beschuldigten.

Zur Auf­

hebung dieser Beziehungen ist nach allgemeinen obligationen­

rechtlichen Grundsätzen zweiseitige Willenserklärung erforder­

lich.

Der Kavent darf nicht einseitig seine Sicherheit zurück­

ziehen und Vollstreckung des Hastbefehls verlangen.3 4 Aus­

nahmen in StPO. 121 Abs. 2. — Der im Ausland wohnende Beschuldigte hat einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen (StPO. 119).

III.

Die Sicherheit wird frei nach § 121 Abs. 1;

sie verfällt nach § 122 Abs. 1.

Ersteres bedarf nach

der StPO, keiner ausdrücklichen Entscheidung; wohl dagegen letzteres (§ 122 Abs. 2).

a) Es ist kein Kavent vorhanden:

der Angeschuldigte wird vor der Verfallserklärung gehört

(Ausnahme von StPO. 33); hat dagegen die sofortige Be­

schwerde;^ in der Beschwerdeinstanz findet mündliche Ver­ handlung statt (Satz 3), — b) Es ist ein Kavent vorhanden: auch er wird vor der Entscheidung gehört, auch er hat die sofortige Beschwerde; die Verfallserklärung wirkt gegen ihn wie ein Civilendurteil (vorläufig vollstreckbares bzw. rechts­

kräftiges; § 122 Abs. 3).

IV.

Der dritte Kavent

hat eine

singuläre Be­

freiungsmöglichkeit nach § 121 Abs. 2 durch Be­

wirkung der Gestellung oder der Verhaftung des Beschuldigten.

Hier tritt ausnahmsweise die an sich verwirkte Rechtsfolge

des Verfalls nicht ein. 3 91. M. LöweHellweg, John, v. Kries. 4 Der StAnw. hat gegen den Verfall zu Gunsten des Besch, nach StPO. 338 Abs. 2 die sofortige, für den Verfall

nach gewöhnlicher Regel die einfache Beschwerde. Die Meinungen gehen stark auseinander. Vgl. Löwe-Hell­ weg, Komm. § 122 Note 11. B.-B. S. 190.

Das sichere Geleit,

ß 68.

279

§ 68. Las sichere Geleit. Kries § 45 II.

I.

Birtm. § 78 V II. B.-B. § 59 II. III 2. Bind. § 72, 3. 127.

Ullm. § 78

Sicheres Geleit (freies Geleit, salvus conductus)

nennt man eine Befreiung von Untersuchungshaft in be­ stimmter Sache, die einem abwesenden Beschuldigten gewährt wird (StPO. 337).

„Abwesend"

in technischem Sinn

ist, a) wessen Aufenthalt unbekannt ist; b) wer sich im Ausland aufhält, ohne daß seine Gestellung ins Inland

ausführbar oder angemessen erschiene (StPO. 318).

Das

Geleit wird, als Rechtswohltat, nur auf Antrag nach freiem

Ermessen vom Gericht *

erteilt (Geleitsbrief).

Es

steht

unter der gesetzlichen Bedingung, daß der Beschuldigte keine

Anstalten zur Flucht treffe (337 Abs. 3); andere Bedingungen

können hinzugefügt werden (Abs. 1).

Nichteinhaltung der

Bedingungen läßt das Geleit ipso jure erlöschen (Abs. 3). Auch wirkt es zeitlich nur bis zum Erlaß (nicht bis zur Rechtskraft) eines auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils (Abs. 3).

§ 69. Bit Vermögrnsbrschlagnahmr. Kries § 46 II. Birkm. § 78 V 1. B.-B. § 59 III. § 78 III 1. Bind. § 72, S. 126.

I. Die

Beschlagnahme

des

inländischen

Ullm.

Vermögens

(adnotatio bonorum) ist ein Mittel, auf den Beschuldigten

einen Druck zu üben, damit er sich stelle und eine regelrechte

Hauptverhandlung

möglich werde —

1 Hier, wie oben S. 147, im Gegensatz zum Einzelrichter. Daher während der Borunier­

ein psychisch wir-

suchung durch die S1K., nicht durch den UR. A. M. von Kries und Stenglein.

280

Abschn. III.

Kap. III.

Die Sicherung des Beweises,

kendes Gegenstück zu der Physisch zwingenden Verhaftung.

Die Voraussetzungen der Maßregel sind nach StPO. 332: a) daß der Beschuldigte im technischen Sinn „abwesend" ist; b) daß die öffentliche Klage erhoben ist; c) daß ein

Haftbefehl ergehen könnte; d) daß kein reines Schöffen­ gerichtsdelikt 1

vorliege. — Durchaus anderen Charakter

trägt die Vermögensbeschlagnahme nach StPO. 325 zur Deckung von Geldstrafe und Kosten.

II. Die Beschlagnahme erfolgt durch Gerichtsbeschluß,

der obligatorisch im Reichsanzeiger, fakultativ in andern Blättern veröffentlicht und dem Amtsgericht als Vormund­ schaftsgericht mitgeteilt wird (StPO. 332 Abs. 1 333. 334

Abs. 2; Freiw. Ger.G. 35. 39).

Die Wirkungen (StPO.

334) sind 1. Verlust der Verfügung unter Lebenden über das Vermögen; 2. Einleitung einer Güterpflege (vgl. BGB. 1911). III.

Die Beschlagnahme ist aufzuheben (StPO. 335)

a) mit dem Wegfall des Strafanspruches (Tod, Begnadigung,

Verjährung), b) mit dem des Strafverfahrens (Einstellung,

Freisprechung,

Abolition),

c) mit dem der Abwesenheit

(Ermittelung, Verhaftung, Gestellung), d) mit dem der Ver­

haftungsgründe.

Die Kosten der Güterpflege gehören zu

denen des Strafprozesses und werden von dem für diese Pflichtigen - getragen. IV.

Die Bestimmungen unter II. finden auch Anwendung

1 A. M. v. KrieS S. 331. Die Bestimmung hünat damit zusammen, daß das Verfahren in daS Stadium der Boruntersuchuna eintritt oder zurück­ tritt, StPO. 336. Diese aber ist nur bei reinen SchG.-Delikten ausgeschlossen. Also ist

die adnotatio bonorum bei lleberweijungsdeliktcn statthaft. 2 also bei späterer Frei­ sprechung vom Staate; es liege denn StPO. 499 Abs. 1 vor. Eines besonderen Ausspruchs wegen der Kosten der Güter­ pflege bedarf es nicht, StPO. 496.

Der Steckbrief.

281

| 70.

auf die Vermögensbeschlagnahme wegen Hoch- und Landes­

Dagegen find hier die

verrats (StGB. 93, StPO. 480.)

Voraussetzungen unter I, a—d nicht nötig.

Immerhin

handelt es sich auch hier um ein Gestellungsmittel ; es kann

also vor allem dann keine Anwendung finden, wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzt.

Für die Aufhebung

gilt HIa und b, aber nicht III c und d.

8 70. «er Steckbrief. Kries § 46 I.

I.

Birkm. § 78 IV 2. B.-B. § 60 II. II 4. Bind. § 72, 2d.

Ullm. § 78

Ein Steckbrief (Fahndungsschreiben, literae arres-

tatoriae patentes) ist ein öffentliches schriftliches Ersuchen um Ergreifung und Ablieferung eines Beschuldigten, dem

Sinne nach gerichtet an alle dazu fähigen Behörden. sind zwei Fälle zu unterscheiden.

Es

Erster Fall, StPO.

131 Abs. 1: es ist ein Haftbefehl erlassen, der zu Ver­

haftende, aber noch nicht Verhaftete ist flüchtig oder hält sich verborgen.

Zweiter Fall: StPO. 131 Abs. 2: ein

Festgenommener 1 2entweicht aus dem Gefängniffe oder ent­ zieht sich sonst (etwa aus dem Transport) der Bewachung.*

Im ersten Fall sind zur Erlassung des Steckbriefs Richter

und Staatsanwaltschaft, im zweiten auch die Polizeibehörden kompetent.

II.

Der Steckbrief soll nach StPO. 131 Abs. 3 ent­

hüllen : Personalbeschreibung, Bezeichnung der Straftat und 1 nicht nur vorläufig Fest­ genommener, sondern auch Ver­ hafteter; so HM. 2 Dazu tritt als dritter Fall StPO. 498 Abs. 2: es

handelt sich um Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, der Ver­ urteilte ist flüchtig oder hält sich verborgen. Hier ist der St.Anw. oder der AR. kompetent.

282

Abschn. III.

Kap. III.

Die Sicherung deS Beweises.

des Ablieferungsgefängnisses. Zur Verbreitung können dienen, außer Zeitungsinseraten, in Preußen: Steckbrief­ nachrichten (durch Rotzettel) an das Strafregister, Ein­ rückungen in den Reichsanzeiger, Regierungsamtsblätter, das Zentral-Polizeiblatt (Berlin), das Deutsche Fahndungs­ blatt (Berlin), das Internationale Kriminalpolizeiblatt (Mainz, Travers), den Allgemeinen Polizeianzeiger (Dresden). JI1. Der aus Grund eines Steckbriefes Ergriffene kann verlangen, dem nächsten Amtsrichter vorgeführt zu werden. Doch hat sich dieser nur mit der Jdentitätsfeststellung zu befassen (StPO. 132).

Drittes Such. Besonderer Teil. Erster Abschnitt.

Das typische NegelverfahrenErstes Kapitel.

Das vorbereitende Verfahren. § 71.

Ser Anlaß zu Ermittelungen. Kries § 59.

Birkm. § 87. B.-B. S. 471 f. Bind. § 96 I.

llfim. § 95 I.

Das Legalitätsprinzip muß dazu führen, daß die Staats­

anwaltschaft einzuschreiten hat, sofern nur die zwei in StPO. 152 bezeichneten Bedingungen (oben S. 71 f.) gegeben sind,

auf welchem Wege auch immer sie von dem Verdacht einer

Straftat Kenntnis erhält.

Somit sind verschiedene Anlässe

oder Anstöße zur Ermittelungstätigkeit denkbar. 1.

Mitteilungen

von

Behörden

und

Beamten des

Polizei- und Sicherheitsdienstes, die in beschränktem Um­ fang

Recht

und

Pflicht

des

„ersten

Angriffs"

haben

(StPO. 161, unser § 40 II); ferner Mitteilungen von Gemeindebehörden,1 die dazu verpflichtet sind,

a) wenn

1 StPO. 157 nennt eben- I Verhältnis zu StPO. 161 stellt salls die Polizeibehörden. Das I sich so: Im allgemeinen hat die

Abschn. I.

284

DaS vorbereitende Verfahren,

Kap. I.

jemand möglicherweise nicht natürlichen Todes gestorben ist; b) wenn der Leichnam eines Unbekannten gefunden wird, - StPO. 157. 2. Mitteilungen des Richters

nach StPO. 163. 165

(AR. nach einem wegen Gefahr im Verzüge von ihm vor­

genommenen

„ersten Angriff"),

verdächtiger Papiere bei einer

der

auf

110 Abs. 4 (Auffindung „Durchsicht"),

die Spuren neuer Taten

189 (UR.,

oder Täter kommt),

GVG. 185 (Straftat in der Sitzung, gilt auch für Civilgerichte).

3.

Private Anzeige,4

event. Weitergabe nach

zu deren Entgegennahme und

StPO.

156

Abs. 1

außer der

Staatsanwaltschaft selbst die Behörden und Beamten des

Polizei- und Sicherheitsdienstes und die Amtsgerichte ver­

pflichtet sind.

Ter Anzeiger kann sich der Schrift oder der

Mündlichkeit bedienen.

4. Der formelle Strafantrag

im technischen Sinn.5

Für ihn gilt die Formvorschrift st in StPO. 156 Abs. 2. Polizei das Recht des ersten Angriffs und die Pflicht der Abgabe an die StAnwschaft, bei Dringlichkeit auch an den AR. Bei verdächtigen Todes fällen hat sie kein Recht des ersten Angriffs, sondern Pflicht sofortiger Abgabe an den StAnw. oder auch (nicht nur bei Dringlichkeit) an den AR. 9 Für diese Fälle gegenseitige Anzeigeverpslichtungen zwischen Civil- und Militärbehörden nach MilStGO. 154. 155. Den BeerdigunqSschein erteilt der StAnw., ber Amtsanw. oder der AR., bei Militärpersonen die Militärbehörde, im Notfälle

aber auch der AR. 3 Der Richter als Notstaats­ anwalt, ob. S. 69. 4 „Anträge auf Strafver­ folgung" in weiterem und un­ technischem Sinn. „Antrag­ steller" ist daher gleich Denun­ ziant in StPO. 169. 170. 5 Ueber sein Wesen s. oben S. 44, S. 210 Anm. 7. B.-B. §§ 64. 65. Im Mil.-Bersahren genügt u. U. auch mündliche Anbringung, MilStGO. § 151 Abs. 1 und' Abs. 2 S. 2, 8 152. 0 Der hiernach formgerechte Antrag braucht noch nicht frist­ gerecht zu sein. Das ist er nur, wenn er innerhalb der Frist

Die Ermittelungen,

ß 72

285

Er wird angebracht entweder bei einem beliebigen Gericht

(auch Civil-, Sonder- oder Militärgericht) schriftlich oder zu Protokoll, bei einem beliebigen Beamten der Staats­ anwaltschaft

schriftlich

oder zu Protokoll,

bei einer be­

liebigen Behörde (Polizei, Steueramt, Eisenbahndirektion, Postanstalt usw.)7 schriftlich.

5. Eigene Wahrnehmungen, wobei das Gesetz keinen Unterschied zwischen amtlichen Wahrnehmungen (während

einer Sitzung, einer Durchsuchung u. dgl.) und außeramt­ lichen macht.8 § 72. Vie Ermittelungen. Kries § 60 I-IV. - Birkm. § 88. B.-B. § 110. Ullm. § 95 II—V. Bind. § 96, § 97. I. II. Ortlosf, Das Vorverfahren, Gießen 1893.

I. Ter Zweck des vorbereitenden Verfahrens ist 1. Er­

mittelung der Belastungs- und Entlastungsmomente; 2. Er­

hebung derjenigen Beweise, deren Verlust zu besorgen steht. StPO. 159 Abs. 2.

Welche Handlungen die Staatsan­

waltschaft zur Erreichung dieses Zweckes vornehmen will, stedt völlig bei ihr.

Sie ist unbeschränkt Trägerin dieses

sog. Skrutinialverfahrens; in ihrer Hand laufen, auch wenn

Pclizei, Amtsrichter oder Verwaltungsbehörden (vgl. unsern

§ 43 1—III) den ersten Angriff vorgenommen haben, die bei der zuständigen StAnw.8 Ebenso v. Kries 470, a. schcst oder dem zuständigen Ge­ M. Binding S. 176. Löwe richt eingeht. Hell weg £ 158, Note 2 b. ' Diese Behörden sind aber Birkmeyer S. 577. B.-B. zur Entgegennahme und Wei- . (Beling) S. 471 Anm. 17, tergabe nur verpflichtet, wenn i S. 472 zu Anm. 23. Die Geg­ sie auch unter StPO. 156 Abs. ner differieren übrigens unter­ 1 fallen. | einander erheblich.

286

Abschn. I.

Kap. I.

Das vorbereitende Verfahren,

sämtlichen Fäden zusammen, sie trifft die maßgebende Ent­

scheidung über den Fortgang des Verfahrens.

Keine einzige

Handlung ist geboten, nicht einmal eine verantwortliche

Vernehmung des Beschuldigten, vielleicht ist angesichts der Anzeige jede weitere Nachforschung unnötig.1

Tritt der

Staatsanwalt in Aktion, so hat er drei Wege: 1. er kann die Ermittelungen selbst vornehmen;2 2. er kann sie durch die Polizei;-* 3. er kann sie durch das Amtsgericht der

Handlungsbereitschaft (oben S. 105) vornehmen lassen; StPO. 159. 160.

Außerdem kann er von allen öffent­

lichen Behörden Auskunft

verlangen.4

Der Kreis

der

Befugniffe, die Staatsanwalt und Polizei haben, ist be­ grenzt; die Anrufung des Amtsrichters ist deshalb mehr­

fach unentbehrlich, s. u.

IT. Der von der Staatsanwaltschaft ersuchte Amts­ richter (Ermittelungs- oder Requisitionsrichter) ist gehalten,

die verlangten Handlungen vorzunehmen, selbst wenn der

einzig ersichtliche Sinn nur Entlastung der Staatsanwalt1 sei es, daß diese Anzeige für die Anklage, sei es, daß sie für den „Papierkord" reif ist. In dem ersteren Falle muß im Mil.-Versahren unter allen Um­ ständen noch eine „Erforschung" deS Sachverhaltes, eine „Fest­ stellung" des Tatbestandes er­ folgen, MilStGO. 156, Abs. 1, S. l, S. 3 Abs. 2. Dieses im allgemeinen (jedoch MilStGO. 170) unerläßliche Ermittelungsverfahren entspricht dem vorbereitenden Vers, und der Voruntersuchung der StPO. Eine BU. im technischen Sinne gibt eS hier nicht. Vgl. Mil.StGO. 159—161. 163—169

einerseits, StPO. 158—160, 166—168 und 184 Abs. 3 bis 189. 191. 192. 194 andrerseits. * Dieser sachlich vorteilhafteste Weg wird gleichwohl in praxi selten beschritten. Beling, B.-B. 469. 3 nicht nur durch seine Hilfs­ beamten, vgl. uns. 8 40, I. II. 4 Die Verpflichtung zur Er­ teilung der Auskunft besteht natürlich nur in dem Umfange, wie überhaupt im Strafprozeß, also mit den Beschränkungen der Z8 96. 53 StPO. MilStGO. 160 Abs. 2. 231. 189.

Die Ermittelungen,

287

ß 72.

schäft ist und sogar, wenn sie offenbar inopportun sind.

Das Einzige, was er prüfen darf und soll, ist (StPO. 161 Abs. 2), ob die beantragte Handlung eine „richter­ liche Untersuchungshandlung"

und ob sie nach den Um­

ständen des Falles gesetzlich zulässig ist? z.

B. die Fragen aufzuwerfen:

Strafgesetzes behauptet e

Also hat er sich

Wird Verletzung

eines

Ist das angezogene Strafgesetz

(insbesondere etwa eine Polizeiverordnung) gültig? Handelt es sich überhaupt um ein Strafverfahren im Sinne der StPO.?

Oder, wenn Beeidigung nach StPO. 65 Abs. 3

begehrt wird: Handelt es sich um einen Zeugen?

Gefahr im Verzüge ob?

bekundeten Tatsache ab?

Waltet

Hängt die Klagerhebung von der Ist die Aussage nicht ohnehin

wahrheitsmäßig?6* * Ter Staatsanwalt kann des Requisitionsrichters

da

nicht entraten, wo er selbst nicht zum Handeln befugt ist. Hierher gehören: definitive Anhaltung von Telegrammen und Postsendungen, Eröffnung von Briefen, Durchsicht von

Papieren,

zwangsweise

Gestellung

von

Zeugen,7

Ver­

eidigung von Zeugen und Sachverständigen (StPO. 159),

Leichenöffnungen, Verhaftungen.

Ferner können zur Er­

reichung des Zweckes (StPO. 158 Abs. 2) einer Verhütung von Beweisverlust Beweissicherungen in Gestalt vorzeitiger La band III 421 Anm. 2 gegen John II 44. 6 Der AR. wird hier als erster unparteiischer Dritter tätig. Der Beschuldigte kann ihn ab­ lehnen und hat gegen seine Verfügungen die Beschwerde nach StPO. 346. Auch das vorbereitende Verfahren ist

„Prozeß", vgl. auch S. 68, Anm. 1. : Gegen die preußische Praxis, die sich über § 6 GN. z. StPO, unbekümmert hinwegsetzt, tref­ fend Beling, B.-B. 470 f., 474 Anm. 32, auch 132 Anm. 10 (Bennecke). Ebenso die fast einstimmige Ansicht, vgl. LöweHellweg § 159, Note 3 b.

288

Abschn. I.

DaS vorbereitende Verfahren,

Kap. I.

(antizipierter) Beweisaufnahmen nur durch den Richter ge­ macht werden, wenn sie in der Hauptverhandlung benutz­

bar sein sollen (StPO. 167. 190—193). Der Amts­ richter hat bei allen Vernehmungen und bei Augenschein einen Protokollführer zuzuziehen (StPO. 166. 185. 186). III. Wo

der Amtsrichter

eine selbständige Ermitte­

lungstätigkeit nach StPO. 163. 164 einschlägt, ist er so lange als Notstaatsanwalt Träger des Ermittelungsver­

fahrens, als die Gefahr im Verzüge, die Besorgnis des Be­

weisverlustes, die Wahrscheinlichkeit einer Freilassung an­

dauern.

Nach StPO. 164 Abs. 2 kann er dann sogar

ein auswärtiges Amtsgericht requirieren. 8 73.

Abschtrrtz des vorbereitenden verfahrens.

Kries § 60, V. VI. Birkm. § 89. B.-B. §§ 111—112. § 95, V. VI. Bind. § 97, III-VI.

Ullm.

I. Ist die Sammlung des Materials abgeschlossen, so

befindet die Staatsanwaltschaft, welchen von zwei Schritten sie zu tun hat: Klagerhebung (StPO. 168 Abs. 1) oder

Einstellung des Verfahrens (Abs. 2). Die Klagerhebung kann doppelte Form haben; entweder geschieht sie durch

Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung oder durch Ein­ reichung einer Anklageschrift bei Gericht, d. h. durch An­ trag auf Eröffnung des Hauptverfahrens.

Zwischen beiden

Formen hat der Staatsanwalt im typischen Regelversahren

(Strafkammerverfahren)

erhebung

wird

rechtshängig.

die

die

Wahl.1

Strafsache

Wirkungen

dieser

Durch

die

in gewissem

Klag­

Sinne

Rechtshängigkeit2

sind

1 3m übrigen f. unten §§ 74. I 'Vgl. Belina, B.-B. 8 111. 77. 95. | IV, bes. S. 480f.

Abschluß deS vorbereitenden Verfahrens.

| 73.

289

1. Nötigung der Gerichts zur Stellungnahme auf die An­ klage (StPO. 178ff. 200ff.); 2. Festlegung der Grenzen

des Prozeßstoffs nach Tat und Täter (StPO. 153 Abs. 1), nicht aber in Rücksicht der rechtlichen Würdigung (StPO. 153 Abs. 2. 204. 263); 3. Festlegung der örtlichen Zu­

ständigkeit (perpetuatio fori) in einer Beziehung: Ver­

legung des Wohnortes durch den Beschuldigten verschiebt fortan die Kompetenz nicht mehr (StPO. 8f oben S. 109).

Andere Wirkungen knüpfen sich an diese Litispendenz nicht; weder die perpetuatio fori überhaupt, noch eine Unter­

brechung der Berfolgungsverjährung, noch eine Einrede,

die

nochmalige

Klagerhebung

oder

eine Untersuchungs­

eröffnung hinderte (exceptio litis pendentis).

dieses

sind

alles

Wirkungen

der

eignet,

suchung (Voruntersuchung

im

Sinn, wie sie der ge­

engeren und eigentlichen richtlichen Entscheidung

Wohl aber

Rechtshängigkeit

durch

welche die Unter­

oder Hauptverfahren) eröffnet

wird. II. Tie Einstellung des Verfahrens geschieht 1. im ge­ wöhnlichen Fall

durch

bloße Aktennotiz;

2. dazu

tritt

Nachricht an den Beschuldigten, falls dieser vom Richter verantwortlich vernommen oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war (StPO. 168 Abs. 2); 3. wenn ein privater

Anzeiger („Antragsteller") vorhanden ist, tritt außerdem ein mit Gründen versehener Bescheid hinzu (StPO. 169). — Tie Einstellung ist zwar nicht unwiderruflich; sie zieht

aber die Beseitigung aller Folgen der Berfahrenseinleitung nach sich.

III.

Ist im Falle II 3 der Anzeiger zugleich der Ber­

ichte, d. h. wird er durch die Straftat in seinen rechtlichen Rosenfeld, Reichsftrafprozeß.

2. Aufl.

19

290

Abschn. I.

Kap. I.

DaS Dorbereite nbe Verfahren.

Sntereffen3 *in rechtlich erheblicher Weife berührt*, so hat

er nach StPO. 170 gegen den Bescheid eine Beschwerde an den (nächsten) vorgesetzten

Staatsanwaltschaftsbeamten.

Dies

fällt beim ReichsAnw. fort, da der Reichskanzler kein Beamter der StAnwschaft ist.5 6 Für die Beschwerde gilt eine Frist

von zwei Wochen.3

Gegen den zweiten ablehnenden Be­

scheid gibt es den oben S. 70 behandelten Antrag auf ge­ richtliche Entscheidung, der in der Form des § 170 Abs. 2 binnen einem Monat7 an das OLG. (in RG.-Sachen an

das RG.) einzureichen ist.

Es folgt nach Ermessen des

Gerichts ein Ermittelungsverfahren,8 im übrigen ein schrift­ liches Verfahren 9 mit beiderseitigem Gehör auf Grund der Akten.

Die Entscheidung lautet10 entweder „Der Antrag

wird verworfen" oder „Die Erhebung der öffentlichen Klage 3 Er braucht nicht „Verletzter" in dem engeren Sinn der Strasantragsberechtiguna zu sein. Verletzter in diesem engeren Sinn ist der Träger desRechtsautes, gegen das sich das Delikt t albe st andS mäßig richtet, zu dessen Schutz der betr. Strafparagraph gegeben ist, aus dessen Schutz er tendiert. Löwe-Hellweg, § 170, Note ob; Rosenfeld, Nebenklage, S. 113 f.; z. T. abweichend Beling, B.-B. 484. 1 Hierher gehören die unter BGB 844 fallenden Ange­ hörigen eines Getöteten, ebenso der Dienstderechtigte nach BGB. 845. — Vgl. auch ob. S. 187, Anm. 3. 5 Sehr kontrovers, Beling, B.-B. 485 Anm. 21; nbro. Löwe-Hellweg, § 170Note 12. 6 Ist der Anzeiger nicht der 1

Verletzte, so hat er fristlose Beschwerde im Dienstaussichts­ wege bis hinaus zum Justiz­ minister bzw. zum Reichs­ kanzler. GBG. 148. Vgl. aber Beling und Peltasohn Dtsch. Jur. Zig. 1904 Nr. 6, 7. 7 14 Tage und kein Anwalts­ zwang nach MilStGO., die in §3 247—249 leider auch das verfehlte Institut übernommen hat; vgl. RMilG. 1, 174. 229. 2, 19. 277. 3, 100, 127. 4, 158. s Dessen Träger ein OLGRat (bzw. RGRat), der UR. oder „der" AR. ist. StPO. 171, Abs. 3. » StPO. 171—175. Beling nennt es Klagepriisungsverf obren. 10 abgesehen von § 174 Abs. 2: „Der Antrag wird für zurück­ genommen erklärt."

Tie Einleitung der Voruntersuchung.

wird beschlossen".

§ 74

291

Durch die erstere Entscheidung wird die

Einstellung (oben II) nach § 172 Abs. 2 insoweit bindend, als Klagerhebung nur möglich ist, wenn Nova auftauchen.

Durch die letztere Entscheidung wird die Staatsanwaltschaft

trotz GVG. 151 verpflichtet, die Klage zu erheben (StPO.

173 S. 2), also entweder Boruntersuchung oder Haupt­ verfahren zu beantragen.

Zweites Kapitel.

Die Untersuchung.

A. Die Voruntersuchung. Kries § 61.

Birkm. § 90. B.-B. §§ 117. 118. Ullm. § 96—99. Bind. § 103. § 74. vir Einleitung der Voruntersuchung.

1. Über die Terminologie der StPO, und den Begriff

der Voruntersuchung ist oben S. 42

gehandelt.

Sie ist

(StPO. 176) 1. notwendig 1 inRG.- und SchwGSachen; 2. z u l ä s s ig in StKSachen; 3. u n z u lässi g in SchwGSachen.

Bei Zusammenhang (ob. S. höherer Ordnung.

102) entscheidet die Sache

Eine Abweichung von der „Notwendig­

keit" kann durch Irrtum bei der Anhängigmachung ent­ stehen. 2 1 selbstverständlich salls nicht Einstellung nach uns. § 73 II erfolgt. 2 ES wird z. B. aus StGB. 163 vor der StK. angeklagt,

ohne daß Voruntersuchung vor­ angegangen. Die Hauptverhandlung ergibt, daß StGB. 153 vorliegt. Die StK. hat nun (ob. S. 104) nach StPO. 19*

292

Abschn. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

Die „zulässige" Voruntersuchung inStKSachen hat nach StPO. 176 Z. I auf (motivierten oder unmotivierten)

Antrag der Staatsanwaltschaft stattzufinden.

die eine Form der Klagerhebung. die Voruntersuchung

voran.

Dies ist eben

In diesem Falle geht

der Einreichung

der Anklageschrift

Das ist das gewöhnliche Verhältnis.

Es kann

sich aber auch umdrehen, die Anklageschrift kann der Vor­

untersuchung vorangehen.

Erste Möglichkeit: die eingereichte

Anklageschrift wird dem Angeschuldigten mitgeteilt (StPO. 199), er beantragt motiviert (StPO. 176 Z. 2) Vorunter­

suchung, und das Gericht entspricht dem.

Zweite Möglich­

keit: der StAnw. reicht eine Anklageschrift ein, das Gericht wünscht noch bessere Aufklärung der Sache und ordnet proprio

motu Voruntersuchung an (StPO. 200). II. 1. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröff­

nung der Voruntersuchung3 muß einen bestimmten Beschul­

digten und ferner die ihm zur Last gelegte Tat bezeichnen. Er wird an den UR. gerichtet (StPO. 177. 182).

2. Mit

ihm kann verbunden sein der Antrag, die Führung der VU. einem auswärttgen AR. zu überttagen (StPO. 183 S. 1 und 3). 3. Häufig wird in der Praxis damit auch der Antrag auf Verhaftung verbunden. — Über den Antrag 1 entscheidet stets, auch im Falle der Verbindung mit An-

ttag 2,4 der UR. (Näheres unter III), entweder sogleich von sich aus, oder „infolge des Beschlusses des Gerichts". 270 vor das SchwG. zu ver­ weisen. Dieser Beschluß er­ öffnet sogleich das Haupwerfahren vor dem SchwG. Vor­ untersuchung hat also hier nicht stattgefunden, wiewohl es sich um eine SchwGSache handelt.

3 in RG-, SchwG.- und StKSachen. 4 Seltsamerweise lebhaft bestritten; s. B.-B. 506 Anm. 22. Die Praxis kennt meines Wissens den Zweifel nicht. Der Wortlaut der §§ 182. 183 ist völlig deutlich.

Die Einleitung der Voruntersuchung. | 74.

293

Über den Antrag 2 entscheidet die StK., über den An­

trag 3 der UR. (nicht etwa der auswärtige AR ). IIT. Die Bestimmungen über die Anfechtbarkeit der Eröffnung sind äußerst kompliziert. Wir betrachten zunächst

den Fall, daß der StAnw. auf VU. anträgt. 1. Der UR. hat Bedenken. Es gibt nur vier

Bedenkensgründe (StPL. 178 Abs. 1): A) Unzuständigkeit des Gerichts, sachliche oder örtliche oder gegenüber Sondergerichten:

dieser

Bedenkensgrund ist besonders privilegiert.

B) Unzulässigkeit

der

Strafverfolgung

wegen Fehlens des Strafantrages u. dgl. (auch wegen

Strafunmündigkeit

oder

Versolgungsver-

jährung, da beide Gründe nach StGB. 55. 66 auch prozessual wirken).

C) Unzulässigkeit der Voruntersuchung. D) Fehlen eines Strafparagraphen für die

bezeichnete Tat („weil die in dem Anträge be­ zeichnete Tat unter kein Strafgesetz fällt").

Hat der UR. eines dieser Bedenken, so entscheidet er nicht selbst, sondern legt die Akten der StK. vor (§ 178 Abs. 1 S. 2).

a) Die StK. hört den Angeschuldigten (§178 Abs. 2), und er erhebt einen der vier Einwände A bis D.

«) Die StK. lehnt die Eröffnung aus einem der vier Gründe A bis D ab (8 178 Abs. 2).

Dann hat

der StAnw. hiergegen sofortige Beschwerde (§ 181). /#) Die StK. beschließt Eröffnung unter Verwerfung

des Einwandes des Angeschuldigten.

Dann kommt

es darauf an, ob der Angeschuldigte den privile­

gierten Einwand A erhoben hatte oder nicht.

Wenn

Abjchn. I.

294

Kap. II.

Die Untersuchung.

ja, so hat er die sofortige Beschwerde (§ 180

Abs. 1).

Wenn nein, so ist der StK.-Beschluß

unanfechtbar (§ 180 Abs. 2). b) Die StK. hört den Angeschuldigten nicht, st) Sie lehnt aus einem der vier Gründe ab.

Der

StAnw. hat sofortige Beschwerde (§ 178 Abs. 1.

181, genau wie au). (i) Sie beschließt Eröffnung. UR.

Darauf eröffnet der

Jetzt erhebt der Angeschuldigte einen der

vier Einwände.

Der UR. legt darauf die Akten

der StK. vor (§ 179 Abs. 1).

st») Die StK. widerruft nunmehr die Eröffnung und lehnt ab. Sofortige Beschwerde des StAnw. (§ 181).

ßfT) Die StK. verwirft den Einwand.

War dies

der privilegierte Einwand A, so hat der An­ geschuldigte sofortige Beschwerde (§ 180 Abs. 1). Andernfalls ist der StKBeschluß unanfechtbar (§ 180 Abs. 2).

2. Der UR. hat keine Bedenken und eröffnet. Dann kann der Angeschuldigte einen der vier Einwände erheben (§ 179 Abs. 2).

Es ergeben sich dann dieselben

Eventualitäten, wie soeben unter b/tf, aa und ßfl. IV. Trägt der Angeschuldigte nach StPO. 199. 176

Z

2 auf Voruntersuchung an, so ist der eröffnende Be­

schluß

unanfechtbar, gegen den ablehnenden hat er die

sofortige

Beschwerde (§

181).

Ordnet

die

StK.

aus

freien Stücken die Eröffnung einer VU. an, so findet eine

Anfechtung des Beschluffes nicht statt (§ 200 Abs. 2).

Die Führung der Voruntersuchung,

g 75.

295

§ 75. Nie Führung -er Voruntersuchung.

I. Zweck der VU. ist nicht, eine feste und endgültige Ansicht über Schuld oder Unschuld der verfolgten Person

zu gewinnen.

Sie ist nach § 188 Abs. 1

„nicht weiter

auszudehnen, als erforderlich ist, um eine Entscheidung

darüber zu begründen, ob das Hauptversahren zu eröffnen,

oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen sei". Da nun die Eröffnung des Hauptverfahrens bereits bei hinreichendem Verdacht stattfindet (§ 201), so ist die VU. auf eine nur unvollständige Ermittelung des Sachverhalts angelegt.

Neben diesem Hauptzweck kommen nach § 188

Abs. 2 noch zwei Nebenzwecke in Betracht:

1. Beweiser­

hebung zur Beweissicherung; 2. Erhebung des Exkulpations­

beweises. — Endlich ist die sog. Ausdehnung der VU. auf eine neue Tat oder einen neuen Täter, StPO. 189, zu erwähnen.

Ergibt sich hierzu Anlaß, so darf der UR. sich

nicht etwa mit Rücksicht aus StPO. 153 passiv verhalten.

Vielmehr muß er in dringenden Fällen die erforderlichen Untersuchungshandlungen

von

Amts

wegen

vornehmen

(also als Notstaatsanwalt, oben S. 69).

II. Der UR. kann die nötigen Handlungen 1. selbst vornehmen, was praktisch die Regel bildet, oder 2. speziell

bezeichnete durch einen requirierten AR., tz

183 S. 2,

oder auch 3. durch die Polizei, § 187, vornehmen lassen.

Die Polizei ist auch

zur Vornahme nicht

speziell

be­

zeichneter Ermittelungen auf Ersuchen des UR. verpflichtet. Nimmt der UR. Vernehmungen vor oder Augenschein ein,

so hat er einen Protokollführer zuzuziehen (§ 185 : einen

Gerichtsschreiber

oder

eine

ad

hoc

beeidigte

Person).

Abschn. I.

296

Kap. II.

Die Untersuchung.

Wegen des Protokolls s. § 186. — Eine einzige Handlung ist notwendig,

die Vernehmung des

Angeschul­

digten, § 190, in Abwesenheit des StAnw. und des Sie darf in keiner BU. fehlen, und mög­

Verteidigers.

licherweise beschränkt sich, wenn in einer SchwGSache die Ermittelungen des StAnw. bereits vollkommen erschöpfend

waren, die ganze VU. auf die Formalität einer solchen Vernehmung.

In Abweichung von StPO. 35 wird dem

Angeschuldigten die eröffnende Verfügung nicht durch Zu­ stellung, sondern bei dieser Vernehmung durch Verkündung

mitgeteilt.

Für den Schluß der BU. besteht eine ent­

sprechende Vorschrift (StPO. 195 Abs. 3).

III.

Die Parteirechte während der BU. bestehen

zum Teil in einem Anspruch auf Parteiöffentlichkeit1 und zwar für folgende Akte: Augenschein (§ 191

zu dem

der Angeschuldigte

auch

Abs. 1),

eigene Sachverständige

laden lassen kann (§ 193), — Vernehmung voraussichtlich

in der Hauptverhandlung2 nicht erscheinender Zeugen, —

Vernehmung solcher Sachverständiger.

Das Recht auf An­

wesenheit besteht für den Angeschuldigten nicht, 1. wenn

er inhaftiert ist und der Termin nicht am Hastorte statt­ findet (§ 191 Abs. 4); 2. bei Zeugenvernehmungen, wenn

zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die

Wahrheit nicht sagen

werde (§ 192).

Das Recht auf

Atteneinsicht hat der StAnw., soweit es die Untersuchung nicht aufhält (§ 194), der Verteidiger nach StPO. 147

(oben S. 199). 1 und dem entsprechend auch auf Notifikation vom Termin, § 191 Abs. 3. ‘ wegen Verhinderung oder wegen großer Entfernung; sie

werden beeidigt, § 65 Abs. 2, otn S. 235; das Protokoll wird nach § 250 Abs. 2 a. E. ver­ lesen, vgl. auch unten S. 321 f. (Gerichtsbeschluß).

Der Schluß der Voruntersuchung.

| 76.

29 7

IV. Der UR. ist nicht völlig suveräner Herr des Ver­ fahrens ; über manche Punkte ist ihm die Gewalt entgegen.

Solche Vorbehalte für die StK. lernten Wirschon für die Entscheidung über Verhaftung und Freilassung gegen Kau­

tion (StPO. 124, ob. S. 271, S. 277 Anm. 2), für die Er­ teilung des sicheren Geleits (ob. S. 279 Anm ), sowie für die Ablehnung der Eröffnung der VU. (StPO. 178. 179, oben S. 293 f.) kennen.

Es gehören ferner dahin: die

Bestellung eines Verteidigers (StPO. 141), die Auswahl eines solchen (StPO. 144), die Genehmigung zur Wahl eines nicht unbedingt wählbaren Verteidigers (StPO. 138 Abs. 2, oben S. 197), das Verbringen des Angeschuldigten in eine Irrenanstalt (StPO. 31).

Endlich rechnet hier­

her, daß der UR. eine Ergänzung der VU. nicht auf eigene Hand ablehnen kann (StPO. 195 Abs. 2). 8 76.

Bet Schlnh der Doruutersnchung.

1. Erachtet der UR. den bezeichneten Zweck der VU. für erreicht, so übersendet er, gleichviel auf weffen Initiative

es zur VU. gekommen war, die Akten der Staatsanwalt­ schaft zur Stellung ihrer Anträge.

Mit diesem Momente

ist die VU. geschlossen;* es tritt eine Zäsur im Ver­

fahren ein, an die sich u. a. folgende Rechtswirkungen an­ schließen: der Angeschuldigte verliert seinen Unzuständig­ keitseinwand (StPO. 16), der Verteidiger bekommt freie Akteneinsicht (StPO. 147), der UR. ist nicht mehr für

Entscheidungen über Verhaftungen zuständig (StPO. 124 Abs. 2).

Der Wichtigkeit des Momentes entspricht nicht

' A. M. John, Komm. II 543.

RG. 33, 200.

298

Abschn. I. Kap. II. Die Untersuchung.

nur die Vorschrift des § 195 Abs. 3 (von dem Schlüsse der VU. ist der Angeschuldigte in Kenntnis

zu

setzen),

sondern auch die herkömmliche Praxis, daß der UR. aus­ drücklich verfügt: „Die VU. wird geschlossen."

II. Trotzdem ist der Schluß der VU. noch kein un­

widerruflicher.

Auf drei Wegen kann es noch zu einer

Ergänzung der

VU.

kommen.-*

Einmal,

indem

der StAnw. beim UR. eine Ergänzung beantragt, StPO. 195 Abs. 1.

Will dieser nicht stattgeben, so holt er die

Entscheidung der StK. ein.

Sodann, indem der StAnw.

zwar einen Antrag auf sachliche Erledigung (StPO. 196)

stellt, das Gericht aber von Amts wegen zur besseren Auf­ klärung eine Ergänzung der VU. anordnet, StPO. 200. Endlich, indem nach Mitteilung der Anklageschrift der Angeschuldigte eine Ergänzung der VU. beantragt, StPO.

199 Abs. 2, und die StK. dem stattgibt. — Wird die VU. wieder ausgenommen, so lebt der frühere Rechtszustand

wieder auf (der Angeklagte hat wieder seinen Unzuständig­ keitseinwand usw.).

Nach

dem abermaligen Schluffe ist

die Staatsanwaltschaft wieder völlig fteigestellt.

Sie kann

jetzt Anträge stellen, die von denen nach dem ersten Schluß

der VU. abweichen, z. B. jetzt Außer-Verfolgung-Setzung statt Eröffnung des Hauptverfahrens.

Hierdurch kann es

auch u. U. zu einer doppelten Anklageschrift kommen, in­ dem die nach dem ersten Schluffe der VU. eingereichte den inzwischen ermittelten Umständen nicht mehr entspricht.

2 Auch nach der gegnerischen Ansicht auf dem 2. und 3. dieser Wege.

Die Erklärungen der Parteien,

ß 77.

299

B. Das Zwischeuverfahren. 8 77. Sie Erklärungen -er Parteien. Aries § 62.

Birkm. § 91 I. B.-B. §§ 111. 118. bis 102. Bind. § 100.

Ullm. §§ 100

1. Allgemeine Regeln.

1.

Die Staatsanwaltschaft reicht, wenn sie nicht ein­

stellt (ob. § 73), eine Anklageschrift ein, und zwar für RGSachen beim RG. (I. StSen.), für SchwG.-, StK.und Überweisungssachen bei der StK., für SchGSachen beim AR. (StPO. 197). Im typischen Regelverfahren geschieht die Einreichung demnach bei der 3-Männer-StK.

Die Anklageschrift hat folgende Mußersordernisse (StPO.

198): a) Bezeichnung des Angeschuldigten, so daß er mit

anderen nicht verwechselt werden kann; b) Bezeichnung der Tat in gleicher Weise (sog. Individualisierung; eine darüber hinausgehende Spezialisierung, d. h. Subsumtion der konkreten Umstände des Falles unter die abstrakten Tat­

bestandsmerkmale, ist nicht erforderlich); c) Hervorhebung der gesetzlichen Merkmale (insbesondere bei Mischtatbeständen von Wert); d) Angabe der Beweismittel; e) Angabe des

Hauptverhandlungsgerichtes; f) Ermittelnngsergebnisse.1 Bei Mängeln der Anklageschrift darf kein Eröffnungsbeschluß

gefaßt werden.2

Geschieht dies aber dennoch, so deckt der

unanfechtbare Eröffnungsbeschluß jedenfalls die rein formalen Mängel und bildet allein die Basis des weiteren Verfahrens

(vgl. aber S. 305 Anm. 8). 1 Nicht nötig bei Ueberweisungs- und reinen SchG.Delikten, StPO. 198 Abs. 2 J Das gilt auch im Falle II,

bei Berf. mit BU.: a. M. für dielen Fall Löwe-Hellweg, § 198 Note 11a.

300

Adsch«. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

2. Eine Gegenerklärung des Angeschuldigten wird vom StKBorsitzenden veranlaßt.3

Er läßt ihm die Anklage­

schrift zustellen, setzt ihm eine Frist (z. B. 5 Tage) und fordert ihn zu Erklärungen auf (§ 199); zugleich bestellt er den etwa notwendigen Verteidiger (§§ 140 Abs. 3. 144).

Der Angeschuldigte kann folgendes vorbringen:

a) Antrag auf Voruntersuchung (besonders zu moti­ vieren: 176 Z. 2);

b) Einwand der örtlichen Unzuständigkeit (§ 16); c) sonstige Einwendungen gegen die Eröffnung de-

Hauptverfahrens (z. B. Mängel der Anklageschrift, Fehlen hinreichenden Verdachtes); d) Antrag auf Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung — dies berechnet auf den Fall, daß das Hauptverfahren dennoch eröffnet

werden sollte. Der Antrag zu d hat einen sachlichen Wert nur, wenn er kommissarische Augenscheinseinnahme, Zeugen- und Sach­

verständigenvernehmung (StPO. 224. 222) oder, unter gleichzeitiger Bitte um Dispensation vom Erscheinen, die

eigene kommiffarische Vernehmung des Angeschuldigten be­ trifft (StPO. 232 Abs. 2).

Nur in diesen Fällen ist ihm

daher stattzugeben.4 e) Ferner kann der Angeschuldigte in Verbrechens­

sachen einen Anttag auf Bestellung eines Ver­ teidigers jetzt vorbringen (§ 140 Abs. 3). 8 Außer in Ueberweisungssachen, § 199 Abs. 4. In reinen SchGSachen findet § 199 über­ haupt keine Anwendung. * Diesen Antrag zu d darf der Angeklagte auch nach er­

Hierbei

folgter Eröffnung stellen. Gericht braucht auf die §§ 222. 224 zu fassenden schlüsse nicht aus eigener tiative zu kommen.

Das nach Be­ Ini­

Die Erklärungen der Parteien.

§77.

301

besteht aber nicht die richterliche Frist des § 199, sondern eine gesetzliche von 3 Tagen. Über die Gegenvorbringen des Angeschuldigten

faßt

das Gericht Beschlüsse, die entweder isoliert oder mit dem

Eröffnungsbeschluß zusammen als Teile eines Ganzen er­

gehen.

Wir nennen sie N e b e n b e s ch l ü s s e

auf Anfechtbarkeit sind selbständig.

In Beziehung

sie dem Eröffn.-Beschl. gegenüber

Ablehnung des Antrags a und des Einwandes

b ist mit sofortiger, Ablehnung der Verteidigerbestellung mit einfacher Beschwerde anfechtbar (§§ 199 Abs. 3. 346).

Ablehnung einer Einwendung c ist unanfechtbar.

Ablehnung

des Antrags d kann später für die Urteilsanfechtung die Grundlage abgeben.

Es ist übrigens anomal, daß über

Antrag d die Eröffnungs-StK. und nicht die erkennende

StK.5 * entscheidet.

II. Speziell: Verfahren mitVoruntersuchung.

1.

Die Staatsanwaltschaft kann, da bereits Klage er­

hoben und die Untersuchung eröffnet ist (StPO. 168 Abs. 1), nicht mehr von sich aus einstellen (StPO. 154. 196).

Sie

legt die Akten mit ihrem Antrag der @tß.fl zur Entscheidung

Der Antrag lautet entweder darauf: das Hauptver­

vor.

fahren zu eröffnen (dann wird die 1 1 erörterte Anklage­

schrift eingereicht, §§ 196 Abs. 2 S. 2, 198), oder: den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, oder: das Ver­

fahren vorläufig einzustellen (StPO. 196 Abs. 1. 202. 203).

2.

Eine Gegenerklärung des Angeschuldigten wird nur

bei Einreichung einer Anklageschrift veranlaßt.7

Es steht

5 Diese entscheidet selbstver- ! bezw. dem RG., I. StSen. stündlich, wenn Antrag d nach 7 und nur, wenn keine Ueberersolgter Eröffnung gestellt wird. Weisung an das SchG, beanES gilt dann § 347 Abs. 1. tragt ist.

302

Abschn. I.

Die Untersuchung.

Kap. II.

damit, wie unter I 2 dargestellt.

Was die Gegenvorbringen

angeht, so kann der Antrag a nur auf Ergänzung der Voruntersuchung lauten (ob. S. 298); der Einwand b ist

bereits verloren gegangen (StPO. 16. 199 Abs. 2 und 3).

8 78. vie Entscheidung des Gerichts. Kries § 63.

Birkm. § 91 II.

B.-B. §§ 113-116.

Ullm. § 103.

Bind. §8 102. 104.

I.

Das Gericht ist bei seiner Entscheidung im Zwischen­

verfahren 1 an die Erklärungen der Parteien, insbesondere

an die

Anträge der

Staatsanwaltschaft

nicht

gebunden

(StPO. 124), und kann, wenn es eröffnet, auch vor einem

Gericht anderer Ordnung eröffnen (StPO. 207).2

Das

Gericht kann entweder sogleich einen Sachbeschluß (unter

II—V) oder zunächst einen dilatorischen Beschluß (StPO. 200) fassen.

Dieser lautet bei der StK. im Ver­

fahren mit BU. auf Ergänzung der VU., im Verfahren ohne BU. auf Eröffnung der VU. oder auf Anordnung

einzelner Beweiserhebungen;

beim AR. aus

einzelner Beweiserhebungen.

Der dilatorische Beschluß ist

Anordnung

unanfechtbar.

II. Die Sachbeschlüsse enthalten entweder 1 Völlig abweichend MilStGO. 245. 250. 254. 255. 258. 260. 272. Die Anklageverfügung des Gerichtsherrn bringt die Sache ohne EröffnungSbeschluß sogleich zur Aburteilung vor das Gericht. BiS zum Be­ ginn der Hauptverhandlung ist

2 Nur der $$R.

kann nicht

vor dem LG. (StK. oder SchwG.)

eine Er-

oder RG., und die StK. kann nicht vor dem RG. eröffnen: StPO. 207 Abs. 1 S. 2. Abs. 2. Meint z. B. der AR., dah ein RG.Delikt vorliegt, so legt er die Akten dem LG., und dieses (falls es gleicher Meinung ist) dem RG. vor. Letzteres erläßt event, den Eröffn.Beschl. vgl. Löwe-Hellweg, Komm.z207, Note 2 a.

Die Entscheidung des Gerichts.

H 78.

303

Öffnung be3Hauptverfahrens (unterIoder sie enthalten feine (Eröffnung.

Dies letztere bedeutet nicht notwendig

Ablehnung der Eröffnung; solche Ablehnung liegt nur vor, wenn Eröffnung beantragt, also Anklageschrift eingereicht war.3 4 Die zweite Gruppe von Sachbeschlüsien

lautet entweder auf Nicht-Eröffnung des Hauptverfahrens (unter III) oder auf vorläufige Einstellung

des Verfahrens.

werden:

1.

Letztere kann in drei Fällen beschlossen

wegen

Abwesenheit des

Angeschuldigten

(§ 203); er muß im technischen Sinn abwesend sein (§ 318),

und

es

muß

dies

die Hauptverhandlung verhindern;*

2. wegen Geisteskrankheit, in die der Angeschuldigte

nach der Tat verfallen ist (§ 203), sofern ihn solche prozeß­ unfähig macht (oben S. 167);5 3. wegen Unwesent-

lichkeit der Feststellung einzelner Straffälle (StPO. 208);

diese kann namentlich vorliegen, wenn jemand wegen einer

großen Reihe gleichartiger Straftaten0 angeklagt ist, und voraussichtlich genau dieselbe Strafe verhängt wird, ob nun

25 oder ob 30 Fälle erwiesen werden.

Die vorläufige

Einstellung zu 3 setzt Anklageeinreichung und besonderen

Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.

Wie die Erlasiung,

so hängt auch die Aufhebung dieses Beschlusses ad 3 von 3 War dagegen von der StAnwschast keine Eröffnung beantragt (§ 77 II 1), so stellt sich der entsprechende Beschluß nicht als A b 1 e h n u n g der Er­ öffnung dar. 4 Das ist nicht der Fall beim Verfahren gegen Abwesende (§§ 319 ff.) und gegen abwesende Wehrpflichtige (§ 470); unten §§ 103. 104. 5 Geisteskrankheit zur Zeit der Tat führt zur Nicht-Er­

öffnung, StGB. 51. Tritt Geisteskrankheit nach dem Eröffnunasbeschluß ein, so ist nach S. 167 Anm 6 zu verfahren. 0 Milchpanschereien, Zech­ prellereien , Briefunterdrückun­ gen durch Postbeamte, Amts­ unterschlagungen unter gleich­ zeitigen Urkundenfälschungen, Ueberhebungen von Gebühren, Mißhandlungen von Schul­ kindern usw.

Abschn. I.

804

Kap. II.

Die Untersuchung,

ausdrücklichen Antrag der Staatsanwaltschaft ab

einem

(StPO. 208 Abs. 2).

Solcher Antrag wird gestellt werden,

wenn z. B. im Urteil statt der erwarteten 25 Fälle nur 1 oder 2 als erwiesen angesehen werden; hier würde die

Strafe vermutlich anders ausfallen, wenn auch die fünf übrigen, ja ebenfalls anklagereifen, aber einstweilen noch

gelangten.

zurückgestellten Fälle gleichfalls zur Kognition

Der Antrag 7 muß innerhalb dreier Monate nach Rechts­

kraft des Urteils gestellt werden. III.

Der

(StPO.

Nicht-Eröffnungsbeschluß

202) lautet im Verfahren ohne VU.:

„Das Hauptver­

fahren wird nicht eröffnet" und ist stets Ablehnung der Im Verfahren mit VU. lautet er: „Der An­

Eröffnung.

geschuldigte wird außer Verfolgung gesetzt"

und ist bald

Ablehnung des staatsanwaltlichen Antrags, bald demselben

konform.

In allen Fällen muß der Beschluß angeben, ob

er auf tatsächlichen oder auf Rechtsgründen beruht (StPO.

202

Abs.

1);

er

ist

(StPO. 202 Abs. 3);

dem

Angeschuldigten

zuzustellen

er hat nur begrenzte Rechtkraft

(StPO. 210): auf Grund neuer Tatsachen oder Beweis­

mittel kann die Klage wieder ausgenommen werden.

IV. Ter Eröffnungsbeschluß ergeht nur bei hin­ reichendem Verdacht (StPO. 201).

Er hat folgenden Er-

zu genügen (StPO. 205 Abs. 1):

sorderniffen

zeichnung des Angeklagten und b) der Tat,

a) Be­

so daß sie

mit anderen nicht verwechselt werden können (Individuali­

sierung);

c)

Hervorhebung

der

gesetzlichen

Merkmale;

d) Angabe des Strafgesetzes und e) des Hauptverhandlungs7 Der Antrag kann zwar l bei Löwe-H. Note 6 zitierte nicht wegen Geringfügigkeit der | —, wohl aber nach §§ 202. 203 zu erwartenden Strafe — so | abgelehnt werden.

Die Entscheidung des Gerichts,

gerichtes.

305

ß 78.

Er muß von der Anklage getragen sein; andern­

falls ist er nichtig.

Eine Eröffnung über den Rahmen

der Klage hinaus (StPO. 153) wäre unbeachtlich und könnte keine Rechtswirkungen äußern.8 Die Anfechtbarkeit der Sachbeschlüffe.

V.

Der

Angeklagte hat kein Rechtsmittel (StPO. 209 Abs. 1); nur

er indirekt eine Umstoßung des Eröffnungs­

kann

beschlusses dadurch erreichen, daß er einen Nebenbeschluß

über die oben § 77 1 2a und b genannten Gegenanträge angreift.

Was

die Rechtsmittel

der Staatsanwaltschaft

angeht, so muß man unterscheiden. 1.

Die

„Ablehnung der Eröffnung"

in dem

S. 303 angegebenen Sinn ist nach StPO. 209 Abs. 2

a. A. mittels sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Die vor­

läufige Einstellung nach StPO. 203 ist danach ebenso an­ greifbar, wie die Nichteröffnung nach StPO. 202, sofern sie nicht etwa im Verfahren mit BU. auf ausdrücklichen

staatsanwaltlichen Antrag erfolgen.

Man wird aber auch

die Anfechtung der Nichteröffnung, wenn vorläufige Ein­

stellung beantragt ist, zulassen muffen.

Ein Beschluß nach

StPO. 208 ist unanfechtbar, weil er stets nur auf An­

trag ergeht, also keine Eröffnung ablehnt.9 " A. M. Glaser, Stenglein, U11 m a n n u. a. Grundsäplich beistimmend Beling, B.-B. 295 Anm. 39. 490 Anm. 15—17. 498 Anm. 1. Doch will er mit John, Dalke, Lvwe-Hellweg der StAnw.schast die Beschwerde geben, die er doch selbst (S. 499 ob.) für überflüssig erklärt. Mir scheint v. Kries S. 520 Recht zu haben: es ist lediglich Aufgabe

i j : !

des erkennenden Gerichts, zu dieser Sachlage Stellung zu nehmen. — Die Eröffnung in Gemäßheit der Anklage gegen eine der Gerichtsbarkeit nicht unterworfene Person gehört daaegen nicht hierher. Richtig RG. 27, 233, wodurch das in mehrfacher Beziehung irrige Urteil desselben Senats 11, 263 reprobien erscheint. 9 Wie hier, Glaser, Handb. 20 X o j e n f e 1 b, Reichsstrafprozeß. 2. Aufl.

Kap. II.

Abschn. I.

306

Die Untersuchung.

2. Die Eröffnung kann erfolgen a) vor dem be­ antragten Gericht, wenn auch vielleicht unter ganz ab­ weichender Qualifizierung der Tat: dann ist sie stets un­

anfechtbar: b) vor einem Gericht höherer Ordnung, als

beantragt: dann

ist

sie gleichfalls unanfechtbar; c) vor

einem Gericht niederer Ordnung als beantragt: dann

steht sofortige Beschwerde zu. VI.

Nebenbeschlüsse

Gegenerklärungen

des

StPO. 209 Abs. 2 a. E.

können

Angeschuldigten

ergehen nach

über

a)

uns.

§

77

I 2 a, b, c; über ihre Anfechtbarkeit ist dort das Nötige gesagt; b) auf kommissarische Beweisaufnahme (nach An­ trag des Angeschuldigten, § 77

I

2d) — von beiden

Parteien erst mit dem Urteil zusammen anfechtbar; c) über

Verhaftung des Angeklagten, StPO. 205 Abs. 2 — mit einfacher Beschwerde und weiterer Beschwerde anfechtbar (ob. S 269); d) aus Überweisung an das SchG., vgl. S. 98 ff. — nach GVG. 75 Abs. 2 unanfechtbar. VII. Wenn im Verfahren mit VU. der StAnw. be­

antragt, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen,

die ©tÄ.10 * * *aber * Eröffnung beschließt, so hat die Staats­ anwaltschaft nach

StPO. 206

eine dem Beschluß ent­

sprechende nachträgliche Anklageschrift einzureichen.

Diese wird auch dem Angeklagten zugestellt11 und er wird

aufgefordert, zu erklären, ob er die Vornahme einzelner

Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen Bd. II S. 447. Näheres über deS im übrigen von niemandem diese Streitfragen Birkm. S. gelesenen Elaborates ist, so ent616 Anm. K 52 bis 56. B.-B. fällt naturgemäß die Vorschrift, 500 Anm. 9. 10. ' falls vor dem SchG, eröffnet 10 bzw. das RG., I. StSen. , wird. Aber selbst das wird von 11 Da diese Mitteilung der | den „Praktikern" bestritten; vgl. einzige Zweck der Anfenigung I Löwe-H. Note 3.

Die Vorbereitung der Hauptverhandlung.

| 79.

30 7

wolle (unser § 77 I 2d, StPO. 206 Abs. 2. 199). Diese

Vorschrift ist doktrinärer Natur,

aus

theoretischen

Er­

wägungen abgeleitet und hat keinen wirklichen praktischen

Wert.

Sie ist

deshalb über den Wortlaut

hinaus

in

keiner Weise auszudehnen: weder auf den Fall, daß der StAnw. vorläufige Einstellung beantragt, die StK. aber Eröffnung beschloß; noch auf den, daß der Eröffnungs­

beschluß die Tat gänzlich abweichend qualifizierte;'- noch auf den, daß eine beantragte Überweisung an das SchG,

unterblieb;13 noch auf den des § 270 StPO.

§ 79.

C. Die Vorbereitung der Hauptverhandlung. Kries § 65.

Birkm. § 92. B -B. § 119. Bind. 8 106.

Ullm. § 104.

I. Terminsanberaumung durch den Vorsitzenden, StPL. 212. Dein Angeklagten muß eine Einlassungssrist von 1 Woche bleiben, StPO. 216 Abs. 1. Andernfalls hat er ein Recht aus Aussetzung der Verhandlung, StPO. 227 Abs. 2, und ist hierüber zu belehren, StPO. 227 Abs. 3. Das Recht geht ver­ loren, wenn es nicht bis zum Beginn der Verlesung des Eröff­ nungsbeschlusses geltend gemacht wird, StPO. 216 Abs. 2 a. E. (Gleicher prükludierender Zeitpunkt in StPO. 16, oben S. 117.) Ratio legis ist, dem Angeklagten genügende Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu lassen; daher gilt die Einlassungsfrist für eine zweite und fernere Hauptverhandlung nicht, RG. 15, 113. II. Ladungen der Angeklagten, Zeugen, Sachverständigen, Verteidiger, Einziehungsbetroffenen oder sonstiger Personen er­ folgen im allgemeinen durch die StAnw.schaft, StPO. 213, beim SchG, durch die Gerichtsschreiberei, StPO. 36 Abs. 2. Sehr be-

11 teilweise a. M. Löwe-H. | Löwe-Hellweg 8 108Note9. § 204 Note 3 und § 207 Note 6 ! RG. 31, 100 (innerlich unhalt­ bar. StPO 207 Abs. 2. bar). 11 a. M. v. Kries S. 505,

308

Abschn. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

dentlich wegen der Konsequenzen RG. 35, 232 . Ladung des An­ geklagten durch verkündeten Gerichtsbeschluß soll rechtswirksam sein! Der Angeklagte hat auch das Recht unmittelbarer Ladung von Zeugen und Sachverständigen, StPO. 219 Abs. 1 S. 2. Über Zustellung oben S. Ibis. Es muß notwendig geladen werden a) der Angeklagte, b) der bestellte Verteidiger, c) der gewählte Verteidiger, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist, StPO. 215. 217; selbstverständlich auch der vom gesetzlichen Ver tretet nach StPO. 137 Abs. 2 gewählte, RG. 36, 316. Wird die Ladung unterlassen und die Hauptverhandlung abgehalten, so ist gegen das Urteil die Revision begründet. RG. 1, 405. 2, 223. 19, 436. 21, 266. 27, 425. RMilG. 5, 292. Die Anzeige zu c soll nach der HM. vom Verteidiger selbst nur mit Wirksamkeit er stattet werden können, wenn er Vollmacht beibringt, RG. 2, 375; dagegen v. Kries, Binding. Der Angeklagte wird schriftlich geladen; erstens: wenn er aus freiem Fuß ist und die Straftat nicht lediglich mit Geldstrafe oder Hast bedroht ist; unter der War­ nung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Ver Haftung oder Vorführung erfolgen werde, StPO. 215 Abs. 1 S. 1; zweitens: wenn er aus freiem Fuß ist und die Straftat ledig lich mit Geldstrafe oder Haft bedroht ist, entweder aa) ebenso, StPO. 231 Abs. 1, 215 Abs. 1 S. 2; oder bb) unter Hinweis, daß auch bei seinem Ausbleiben verhandelt werden würde, und mit der Warnung; oder cc) mit dem Hinweis, aber ohne die Warnung, StPO. 231 Abs. 2, 215 Abs. 1 S. 2; drittens: wenn

er nicht aus freiem Fuß ist, durch Zustellung der Terminsanbe­ raumung, StPO. 215 Abs. 2 S. 1. 35 Abs. 2, wozu aus Ver­ langen Verlesung dieses Schriftstückes, StPO. 35 Abs. 3, sowie Befragung hinzutritt, ob und welche Anträge er in Bezug aus seine Verteidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe, StPO. 215 Abs. 2 S. 2. Gleichzeitig mit der Ladung ist spätestens der Eröstnungsbeschluß zuzustellen, StPO. 214, und die Angabe der Beweismittel aus der Anklageschrift mitzuteilen, arg. StPO. 221 Abs. 2; letzteres nur bei SchG.- und Überweisungsdelikten, da

im übrigen die Anklageschrift bereits nach StPO. 199 zugestellt ist. — Der Staatsanwaltschaft liegt auch die Herbeischaffung der Augenscheinsobjekte (soweit sie nicht in Verwahrung des Ger.-

Äußere Gestaltung der Haupwerhandlung.

| 80.

309

Schreibers beim AG. sind) und der Urkunden (soweit sie sich nicht bei den Akten befinden) ob, StPO. 213.

III. Eine Erweiterung des Beweismaterials für die Hauptverhandlung über die Angaben der Anklageschrift hinaus kann ausgehen a) vom Vorsitzenden, StPO. 220; b) von der Staatsanwaltschaft, StPO. 221 Abs. 2 a. E „aus eigener Entschließung"; c) vom Angeklagten durch Anträge beim Vor­ sitzenden, StPO. 218. Gibt der Vorsitzende dem statt, so erfolgt Mitteilung der Beweisanträge an die Staatsanwaltschaft, StPO. 218 Abs. 2. Lehnt er ab, so hat der Angeklagte das Recht der unmittelbaren Ladung, StPO. 219. 38. IV. Zwischen den Parteien besteht gegenseitige Jnsormationspflicht über die Ladung von Zeugen und Sachver­ ständigen, StPO. 221. Diese Pflicht besteht für den Angeklagten im Falle der unmittelbaren Ladung, für die StAnw.schast in den Fällen Illa und b. Event, hat der Gegner ein Recht auf Aus­ setzung der Hauptverhandlung nach StPO. 245 Abs. 2, 3.

D. Die Hauptverhandlung bis zum Urteil. 8 80.

äußere Gestaltung der Hauptverhandlung. Kries § 66 I-III.

I.

Birkm. § 93 I. B.-B. § 120. Bind. § 106.

Unentbehrliche

Personen,

deren

Ullm. § 106.

Anwesenheit

während der ganzen Hauptverhandlung einschl. der Urteils­

verkündung erforderlich ist, sind die Richter, der Staats­ anwalt, der Angeklagte, der notwendige und der bestellte Verteidiger, der Gerichtsschreiber.

Der Staatsanwalt, der

Verteidiger und der Gerichtsschreiber sind auswechselbar: es können mehrere Personen successive hinter einander

tätig sein.

Als Staatsanwalt und als Verteidiger können

auch mehrere Personen

neben

einander mitwirken, und

Abschn. I.

310 zwar

mit

Kap. II.

Teilung

der

Die Untersuchung.

Funktionen

oder

ohne

solche.

StPO. 225. 226.

'

II. Tie Anwesenheit des Angeklagten wird

nicht

durchgehends

gleicher Strenge

mit

erheischt.

Es

kann auch ohne ihn verhandelt werden und gegen

nicht anwesenden ein Urteil ergehen.

den

Folgende Fälle sind

zu unterscheiden: 1. Ter Angeklagte ist abwesend im techn. Sinn, StPO. 318 (über das Verfahren gegen ihn

Lehrb. §§ 103. 104).

2

gr ist trotz ordnungsmäßiger

Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben; dann ist zu unterscheiden, ob die Tat nur mit Geldstrafe

oder Haft bedroht und Ladung nach uns. § 79IIbb, cc

erfolgt ist, oder nicht.

Im ersteren Fall wird verhandelt,

StPO. 231; im letzteren wird Vorführungs- oder Haft­

befehl erlassen, StPO. 229 Abs. 2 (ob. S. 268).

3 Er

ist vom Erscheinen dispensiert (entbunden), StPO. 232.

Solche Entbindung erfolgt nur auf Antrag wegen großer Entfernung des Aufenthaltsortes, wenn höchstens 6 Wochen

Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu erwarten steht. geklagte

muß

kommissarisch

bereits

richterlich

vernommen

werden.

vernommen Er

darf

andern und Hähern Strafe als der bezeichneten 1

Der An­

sein zu

oder keiner

und auf

Grund keines anderen Strafgesetzes - als des ihm bei der

Vernehmung angegebenen verurteilt werden.3

1 RG. 15, 337. 32, 61, auch nicht bei Realkonkurrenz; dort und RG. 29, 44. 35, 17 wird auch Veröffentlichung des Ur­ teils nach § 16 Nahr.MittelG., StGB. 200 und § 19 WarenZeich.G. als Strafe ausgefaßt. A. M. Beling, B.-B. 522

Die Ent-

Anm. 26. Voitus, Kontro­ versen Bd. I, S. 285—293. 4 RG. 12, 45. 17, 19. 21, 100. 3 Dieses Verfahren ist auch ^egen^ Jugendliche zulässig

Äußere Gestaltung der Hauptverhandlung,

g 80.

311

bindung kann stets zurückgenommen werden, StPO. 235.

4.

Ter

Angeklagte

hat

sich

freiwillig

entfernt,

StPO. 230 Abs. 2 : die Hauptverhandlung kann trotzdem fortgesetzt und zu Ende geführt werden, wenn er bereits über die Anklage vernommen war und ein Gerichtsbeschluß

seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet.

5. Der Angeklagte ist kraft Gerichtsbeschlusses unfrei­ willig entfernt worden, entweder nur während der Vernehmung

eines Mitangeklagten

oder Zeugen,

damit

dieser die Wahrheit sage, StPO. 246 Abs. 1; oder wegen

ordnungswidrigen

handlungsakte

Benehmens

und

StPO. 246 Abs. 2.

auf

während

beliebige

beliebiger

Ber-

GBG.

178.

Dauer

Nach Rückkehr in das Sitzungs­

zimmer wird er von dem wesentlichen Inhalt des inzwischen Vorgefallenen unterrichtet.4 56 111. Die Hauptverhandlung geht uno actu vor sich,

4 RG. 9, 341 (besonderer Beschluß sei unnötig). 22, 247. 29, 294 (unzulässig bei Er­ krankung ; falsche Anwendung kann, mangels ausdrücklichen Trennungsbeschlusses, auch von einem Mitangeklagten nach StPO 229 Abs. 1, 377 Z. 5 getilgt werden). 31, 398. 32, 96 (wenn aus Grund von StGB. 187 verhandelt war, darf nicht nach dem Weggehen des Angekl. aus StGB. 186 verurteilt werden). 5 u. zw. vor weiterer Ver­ handlung RG. 20, 123. 32, 120. 80; vgl. aber noch RG. 8, 49. 153. 32, 88. 34, 332. Sehr bedenklich RMilG. 2, 152 (161) (in der Sache betr. Ermordung

des Rittmeisters v. Krosigk zu Gumbinnen). Bei ordnungs­ widrigem Benehmen wird jeden­ falls der Versuch zu machen sein, dem Angell, das letzte Wort zu gönnen und die Urteilsverkün­ dung in seiner Gegenwart vor­ zunehmen. Auch diesen Versuch hält RG. 35, 433 nicht für nötig. Interessant aus der französischen Praxis die Ver­ handlung gegen den AbbeBerger, Mörder des' Erzbischofs Sibour von Paris (1857), Neuer Pita­ val, Bd. 26, S. 1—69. ö Die weiteren Fälle einer Hauptverhandlung ohne Ange­ klagten gehören höheren In­ stanzen oder außerordentlichen Prozeßarten an; s. Lehrb. § 94III.

Abschn. I.

312

Kap. II.

Dir Untersuchung.

wenn auch mit Pausen, die StPO. 227 Abs. 1, 228 als

„kürzere Unterbrechung" in Gegensatz zurAussetzung (= Vertagung) stellt. Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an, die Fortsetzung muß spätestens am vierten Tage erfolgen. Vertagung beschließt das Gericht; anders als im Civilprozeß

muß hier die Hauptverhandlung stets von neuem beginnen.

III.

Sind mehrere Strafsachen bei dem Gericht an­

hängig, die in irgend welchem Zusammenhang, wenn auch

nicht technischem (S. 102), miteinander stehen, so kann

ihre Verbindung zum Zweck gleichzeitiger Verhandlung beschlossen werden, StPO. 236.

Den Beschluß faßt das

erkennende Gericht, nicht etwa die eröffnende StK.

8 81.

Ser Lang der Hauptvrrhandlung. Kries § 66 IV.

Birkm. § 93 II.

B.-B. § 120.

Ullm. § 107.

Die einzelnen Akte der Hauptverhandlung haben teils den Zweck, die Anwesenheit der Beweispersonen, die Iden­ tität des Beschuldigten und der Sache festzulegen (Nr. 1—5),

teils den Zweck der Beweiserhebung (Nr. 6—8), teils den der Deduktion und Schlußfolgerung daraus (Nr. 9—12).

1.

Aufruf der Sache, Feststellung der Anwesenheit des

Gerichts nebst Protokollführer, des Staatsanwaltes und des

Beschuldigten, dem event, die Fesseln abgenommen werden

(StPO. 116 Abs. 4 S. 2). 2. Aufruf der Zeugen und Sachverständigen, StPO.

242 Abs. 1.

Der Ausdruck des Gesetzes, daß hiermit die

Hauptverhandlung „beginnt", ist ungenau.

3.

Abtreten der Zeugen, StPO. 242 Abs. 4, auch der

sachverständigen Zeugen (S. 238 f., StPO. 85), auf dem-

Der Gang der Hauptverhandlung,

ß 81.

313

selben Grundgedanken wie StPO. 59 Abs. 1

beruhend.

Die Sachverständigen dürfen den folgenden Akten beiwohnen;

sind sie zugleich Zeugen/ so ist die Anordnung des Vor­ sitzenden maßgebend. 4.

Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen

Verhältnisse, StPO. 242 Abs. 2.

5. Verlesung des

Abs. 2.

Eröffnungsbeschlusses, StPO. 242

Keine Verlesung

der Anklageschrift,1 2 kein

formatorischer Vortrag des Anklägers.

in­

Kleine Ungenauig­

keiten, Flüchtigkeitsfehler des Beschlusses können vom Vor­ sitzenden mündlich verbessert; auch

kann bei der bloßen

Individualisierung, wie der Beschluß sie bietet, eine an­ schaulichere

Erläuterung

nicht

für

unstatthaft

gehalten

werden, vorausgesetzt, daß sie weder der Beweisaufnahme, noch der Beweiswürdigung vorgreift.3

Verhandlung ihre feste Grundlage.

Hiermit erhält die

Eben deshalb müssen

auch solche Entscheidungen mitverlesen werden, welche Auf­

klärung über die prozessuale Situation geben; so im Falle des § 270 StPO, sowohl der ursprüngliche Eröffnungs­

beschluß als der Verweisungsbeschluß, im Falle der Zurück­ verweisung aus höherer Instanz (StPO. 369. 394) der

frühere

Eröffnungsbeschluß

und

die

beiden Urteile,

im

Falle der Wiederaufnahme (StPO. 410 Abs. 2. 413) der

1 vgl. RG. 22, 431. ! Hier erhält die Verhandlung 2 Im Mil.Proz. Verlesung ihre feste Grundlage durch die der Anklageversügung (des • Anklageverfügung, vgl. MilGerichtsherrn, § 254), aber StGO. 317-319 = StPO. nicht der (nach § 255 vom Ger263—265. Osfizier oder Kriegsger.Rat an­ 3 Eine Darstellung der Er­ gefertigten) Anklageschrift: gebnisse des Vorverfahrens ist MilStGO. 297 Abs. 2, S. 2. verboten, RG. 32, 318.

Abschn. I.

314

Kap. II.

Die Untersuchung.

alte Eröffnungsbeschluß, das angegriffene Urteil und der die Wiederaufnahme anordnende Beschluß.

6. Vernehmung des Angeklagten zur Sache (vgl. oben S. 195), StPO. 242 Abs. 3; Vorrecht des Vorsitzenden,

StPO. 237 Abs. 1, neben dem nur ein Sachverständiger einzelne Fragen stellen darf, StPO. 80 Abs. 2.

Vor Be­

antwortung jeder Frage darf der Angeklagte sich mit seinem Verteidiger beraten.4 5

7.

im

Beweisaufnahme

engeren Sinn, StPO. 243

Abs. 1 (ob. S. 249), falls solche noch nötig ist.

8. Fortgesetzte Befragung des Angeklagten, StPO 256.

Die Befragung ist instruktionell, aber nicht die An­ hörung des Angeklagten, wenn er etwas zu erklären hat (vgl. StPO. 377 Z. 8).

9.

Schlußvortrag

(Plädoyer)

des

Staatsanwalts,

StPO. 257 Abs. 1. 10. Schlußvortrag des Verteidigers oder des Angeklagten selbst, StPO. 257 Abs. 1.

Ist dieser Vortrag

mit einem Antrag auf Wiedereintritt in die Beweisauf­ nahme verbunden und wird dem stattgegeben, so wieder­ holen sich die Akte von Nr. 7 ab; wird er abgelehnt, so

von Nr. 9 ab." Es besteht ein „Recht" der Erwiderung, StPO. 257 Abs. 2. Öfteres Ergreifen des Wortes als zweimal

braucht

der

Vorsitzende

von

keiner

Seite

zu

dulden.7 4 Im wesentlichen ebenso v. Kries. S. 640. Abweichend RG. 4. 426. 21, 436. 6 Bedenklich RG. 32, 277; am bedenklichsten in der Schluß-

! Verkehr zuzulassen sei. . 6 RG.l, 172.20. 380. 26,32. j 7 Dies sprach RG. 11, 136 \ einem besonders hartnäckigen ' StAnw. gegenüber in einem

Wendung, daß der Verteidiger j interessanten Urteil aus. Vgl. nur mit Zeugen und SachLöwe-Hellweg,Komm.8257 verständigen zu unmittelbarem I Note 3. B -B. S. 530 Anm. 28.

Die Beweisaufnahme,

ß 82.

.315

11. Das letzte Wort des Angeklagten selbst (falls vor­

her ein Verteidiger geredet hat), StPO. 257 Abs. 3.

Die

Befragung ist bindend vorgeschrieben, doch brauchen nicht gerade die Worte des Gesetzes gebraucht zu werden.8 Kann der Angeklagte nicht deutsch, so wird er durch den Dol­

metscher von den Schlußanträgen unterrichtet, StPO. 258 Abs. 1, und zum letzeu Wort verstattet.

Mit einem Tauben

ist in erster Linie schriftliche Verständigung9 zu

suchen,

StPO. 258 Abs. 2.

12. Urteilsfindung und -Verkündung StPO. 267. 268.

Wegen ersterer s. ob. S. 152 ff., wegen letzterer S. 150. Tie Verkündung kann ausgesetzt werden,

daß höchstens

aus 1 Woche; in diesem Falle müssen die Urteilsgründe vor der Verkündung schriftlich festgestellt werden.10 — 9ln

Stelle des Urteils ergeht bei fachlicher Unzuständigkeit, weil ein Gericht höherer Ordnung kompetent ist, ein Beschluß

nach StPO. 270.

§ 82. Sie Ärweisaufnahmr. Kries § 67.

Birkm. § 93 II 2. B.-B. § 121. Bind. § 107.

Ullm. § 108.

I. Die Aufnahme des Beweises ist grundsätzlich Recht und Pflicht des Vorsitzenden, StPO. 237 Abs. 1; doch 8 RG. 9, 68. 23, 319. 23, 320. 32, 321. 8 worunter auch einseitige Be­ nutzung der Schrift gehört, RG. 31, 313 (der Angeklagte war taubstumm, hatte aber "sprechen gelernt). 10 Die Frist (MilStGO. 327 : 3 Tage) ist bindend; Nicht­

beachtung begründet die Re­ vision, RG. 27, 117. Das RG. hält sich selbst indessen nicht für gebunden! Zu Abs. 2, der in MilStGO. fehlt, vgl. RG. 31, 140. - Viel freier CPO. 310. 311 Abs. 2 in bei­ den Beziehungen.

Abschn. I.

316

Kap. II.

Die Untersuchung.

unter Kontrolle des Kollegiums, StPO. 237 Abs. 2. Regel nach

Der

der Vorsitzende die Zeugen und

„vernimmt"

Sachverständigen, d. h. er stellt die Personal- und General­

fragen, bezeichnet ihnen den Gegenstand der Untersuchung und

veranlaßt

Auslassung

zusammenhängender

zu

sie

Die Stellung einzelner Fragen neben

(StPO. 67. 68).

dieser Vernehmung hat er zunächst den Beisitzern zu ge­

statten, StPO. 239 Abs. 1. Der Beisitzer hat ein An­ recht auf solche Befragung, aber nicht auf Überlassung der Vernehmung

als solcher.

Vorsitzenden

(oder

Fragen,

so

darf der Vorsitzende ihn

sondern

es

ist

Stellt er nach Meinung des

eines

die

andern

Beisitzers)

Entscheidung durch

herbeizuführen,1 StPO. 241.

unzulässige

nicht rektifizieren, Gerichtsbeschluß

Das gleiche Fragerecht steht

ferner den Schöffen und Geschworenen, sowie den Parteien

und Parteivertretern zu, StPO. 239 Abs. 2.

Hier darf

aber der Vorsitzende unzulässige, d. h. ungeeignete oder nicht zur

Sache

Abs. 2.

gehörige

Fragen

zurückweisen,

StPO.

240

Diese Zurückweisung kann von dem Fragenden,

dem Befragten oder andern Verhandlungsbeteiligten nach

StPO. 237 Abs. 2 beanstandet werden; dann entscheidet

das Kollegium.

Dieses entscheidet ferner über alle Zweifel,

die an der Zulässigkeit der Fragen von andern Personen als dem Vorsitzenden, z. B. dem Befragten, dem Gegner,

erhoben werden, StPO. 241. Die und

„Vernehmung"

dem

Verteidiger

selbst ist der Staatsanwaltschaft

zu

1 a. M. RG. 10, 378, daS dem Beisitzer gewissermaßen eine „suveräne Stellung" anweist. Dagegen Sten gl ein,

überlassen ! ; I i

nach

StPO.

238

Komm., tz 240 Note 4. LöweHeltweg, Komm., § 240, Note 4a; und mit anderer Be­ griindung Iohn, Bd. IIIS. 91f.

Die Beweisaufnahme,

317

ß 82.

Abs. 1, wenn der Zeuge (oder Sachverständige) von einer der Parteien benannt ist, und die Parteien übereinstimmend solche Überlassung beantragen (sog. Kreuzverhör). Die be­

nennende Partei hat in erster Reihe das Recht zur Ver­

nehmung.

Wird die Befugnis der

„Vernehmung" miß­

braucht, so kann der Vorsitzende sie entziehen, StPO. 240,

event. StPO. 237 Abs. 2; es tritt dann die gewöhnliche Art der Beweisaufnahme

fragung"

behält

ein,

aber auch der

die

Befugnis der

„Be­

Gemaßregelte.2 * * Neben ***

dieser Entziehung steht dem Vorsitzenden auch die Zurück­ weisung einzelner Fragen zu, StPO. 240 Abs. 2;

bei

Beanstandung der Zurückweisung entscheidet das Gericht, StPO. 237 Abs. 2.

Auch wenn den Parteien die Ver­

nehmung überlassen ist, hat nach deren Beendigung der

Vorsitzende

Fragerecht

und

Fragepflicht,

StPO.

238

Abs. 2, und hat den Beisitzern usw. Befragung zu ge­

statten, StPO. 239. II. Der Umfang der Beweisaufnahme sollte sich nach

dem Prinzip

der

materiellen Wahrheit richten.

Welche

Einschränkungen dies indessen erleidet, ist oben S. 76 ff.

(I. 11.) dargelegt.

Hier ist zu verzeichnen, daß das Ver­

halten der Parteien grundsätzlich für das Minimum der Beweisaufnahme bestimmend ist.

Erste Regel:

Die

Beweisaufnahme ist auf den Mindest umfang des

244 Abs. 1 StPO, zu erstrecken.

Falls nicht

beide Parteien ausdrücklich verzichten,8 müssen 2 Die Entziehung der „Ver­ nehmung" kann im Faü des § 239 Abs. 2 nicht in Frage kommen, weil hier nicht „Ver­ nehmung" , sondern „Befra­ gung" stat! findet. A. M. RG.

18, 365, des. S. 367. Da­ gegen wird RG. 29, 149 Ver­ nehmung und Befragung richtig geschieden. 8 RG. 4, 398. Der Vertei­ diger verzichtet in Vertretung

Abschn. I.

318

Kap. II.

Die Untersuchung.

1. sämtliche vorgeladenen Zeugen und Sachver­ ständigen, die erschienen sind,4* * *auch vernommen werden.5 6 Auf die bloß gestellten (zum Termin

bezieht sich diese Regel nichts

sistierten) Zeugen

Die Ladung der auf An­

ordnung des Vorsitzenden oder aus eigener Entschließung der Staatsanwaltschaft geladenen Zeugen (und Sachver­ ständigen) befindet sich bei den Akten und bedarf keines besonderen Nachweises.

geladenen Zeugen

Dagegen muß bei den unmittelbar

(des Angeklagten,

Nebenklägers usw.)

dargetan werden, daß sie nach StPO. 38 durch den Ge­ richtsvollzieher ordnungsmäßig geladen sind.7

Andernfalls

haben sie nicht die Eigenschaft geladener Zeugen,

sondern

gelten als gestellte.

2. die

„andern"

herbeigeschafsten Beweismittel

(ob. S. 201) des Angeklagten, wenn dieser nicht widerspricht. RG. 1, 198. 16, 378. RMilG. 2, 266. 4 Nichterscheinen der Zeugen gibt den Parteien kein Recht auf Aussetzung, RG. 1, 35. 175. 196. 6 Gleichviel ob die Verneh­ mung unerheblich und zwecklos ist (a. M. v. Kries S. 554. MilStGO. 299 Abs. 2 S. 3. 4 läßt Ablehnung durch motivierten Beschluß zu, salls das Gericht einstimmig Unerheblichkeit annimmt), oder ob sie mit der Strafsache nichts zu tun hat (a. M. Ullmann S. 470. Löwe-Hellweg,8244Note3). Nach RG. 26, 388. 27 399 soll es genüaen, wenn der ge­ ladene Sachverständige nur als Zeuge vernommen wird.

Auch wenn wegen eines irr­ tümlich angenommenen Weigerungsgrunoes die Vernehmuna unterbleibt, soll das Urteil der Aufhebung unterliegen. RG. 32, 157. Aehnlich RMilG. 2, 40 bei irrtümlicher Annahme, daß ein Zeuge verstorben sei. 4 RG.l, 198, a.M.Glaser, Handb. I, S. 401. Aber bei der­ artigen Regeln ist stricta interpretatio geboten. 7 RG. 1, 297. Schweigt die Partei, wird die unmittelbare Ladung nicht von ihr spontan behauptet und nachaewiesen, so erlischt ihr Recht. Nachweis in der Revisionsinstanz hilft nicht mehr. RG. 17, 440. 23, 400. Mit dem Grundgedanken von RG. 32, 157 (Anm. 5) stimmt das freilich nicht.

Die Beweisaufnahme.

§ 82.

319

zur Erhebung benutzt werden, also Augenscheinsobjekte und

Urkunden.

Als

„herbeigeschaffte"

Urkunden

sind

nach

h. 9JL 8 9folgende Kategorien anzusehen: a) vom StAnw.

bezeichnete und unter vorgängiger Information des An­ geklagten (analog StPO. 221) zur Stelle gebrachte; b) solche,

deren Herbeischaffung der Vorsitzende auf Antrag des An­ geklagten zuläßt und dem StAnw. nach StPO. 218 Abs. 2 mitteilt; c) solche, deren Herbeischaffung der Vorsitzende von Amts wegen anordnet; d) solche, deren Herbeiziehung das

Gericht in der Hauptverhandlung anordnet;" o) solche, auf die sich der Angeklagte unter Information des StAnw. (StPO. 221) bezieht und die er vor der Hauptverhand­

lung zu den Akten einreicht,10 * oder die sich f) bereits bei den Akten befinden;n endlich g) auch wohl solche, auf die

der Angeklagte sich vor der Hauptverhandlung (unter Nam­

haftmachung gegenüber der Staatsanwaltschaft) berufen zu

wollen erklärt, und die er dann zur Hauptverhandlung mit­ bringt; 12 dagegen nicht h) solche, die der Angeklagte ohne

jede vorherige Ankündigung in die Hauptverhandlung mit­ bringt. 13

Tie erörterte Regel greift nicht Platz, wo die Beweis­

aufnahme unzulässig

wäre (unbeeidbare

8 vgl. vor allem RG. 1, 384. Löwe-Hel lweg,Komm., Note 5b. B -B. S. 526 Anm. 6. 9 bezw. deren Herstellung es durch Anordnung kommissari­ scher Beweisaufnahme verfügt; auch die vom eröffnenden Gericht verfügte Herstellung steht gleich. A. M. RG. 7, 127. "Löwe-Hellweg,Note5b.

oder

abgelehnte

11 RG. 1, 242. Pitav. d. Gegenw. Bd. 1 S. 106 ff. 12 Diesen Schritt tun Birkmeyer S. 631, Löwe-Hellweg Note 5b, RG. (Rechtspr. 2, 122) nicht mehr mit, wohl aber Beling, B.-B. 526. 11 So weit geht I o h n, Bd. 3 S. 157.

320

Abschn. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

Sachverständige, unverlesbare Schriftstücke, Fall des § 190 StGB, usw.)." Zweite Regel: Beweisanträge derParteien

dürfen vom Gericht nicht ignoriert tocrbcn.16 14 * Sie zwingen das Gericht, entweder den Beweis zu erheben,

oder einen mit Gründen versehenen Ablehnungsbeschluß zu verkünden (StPO. 243 Abs. 2. 34).

Da die Ablehnungs­

gründe aber der Beweiswürdigung nicht vorgreifen bürfen,16

und zu spätes Vorbringen nach StPO. 245 Abs. 1 nichts schadet, so sind nur vier Ablehnungsgründe denkbar: 1. weil der Sinn des Antrags,

insbesondere das Beweisthema,

schlechterdings unverständlich ist;17 2. weil die beantragte Beweisaufnahme gesetzlich unzulässig ist; 3. weil das Be­

hauptete vom Gericht als bereits 14 Hierher gehört auch Unaussührbarkeit, weil der Zeuge biS zur Bernehmungsunfähigkeit betrunken ist, RG. 35, 398; oder weil er sein Zeugnis verweigert: es ist nicht nötig, daß hier die überhaupt nur fakultative (S. 228) Zwangshast versucht werde, RG. 36, 92. -ß RG. 1, 33f., 1, 36. 16 Unzulässig ist die Ablehnung, „weil das Gericht die Sache für genügend aufgeklärt erachtet", RG. 1, 417; „weil die behauptete außergerichtliche Erklärung gegenüber der eidlichen Aussage unerheblich fei" RG, 24, 404; „weil andere Zeugen positiv das Gegenteil bekunden, und die Bernehmung daher für die Ent­ scheidung einflußlos fein werde" RG. 1, 189; „weil die Zeugen mitverdächtig und deshalb un­ glaubwürdig feien" RG. 5, 312.

| | ! | < | | ; I | i i I ' | j

erwiesen

angenommen

Gelegentlich wird in Widerspruch hiermit für zulässig erklärt die Ablehnung, „weil der Anklage­ beweis derart überzeugend fei, daß er durch das beantragte Zeugnis nicht entkräftet werden könne" RG. 1, 140; „weil der benannte Zeuge als bereits ver­ urteilter Mitschuldiger ganz un­ glaubwürdig sein würde" RG. 31,139. Zweifelhaft auchRMilG. 1, 269; richtig darin 1, 32. 2, 107, 3, 45. 2Ö4. 4, 150. 17 Eine gesetzliche Pflicht des Vorsitzenden, aus Erläute­ rung von Unklarheiten hinzu­ wirken, CPO. 139, besteht frei­ lich nicht; aber Beling, B.-B. I 529 Anm. 18 hat völlig recht, wenn er die- als nobile officium jnäicis bezeichnet. Dem entspricht RG. 13, 316 im weitesten Maße vgl. auch RMilG. 3, 45, während RG. 1, 35 f. 27,95.24,422 unge-

Die Beweisaufnahme,

321

g 82

wird; 4. weil sich an der Entscheidung nichts ändert, wenn man das Beweisthema als wahr unterstellt."

Beide erörterte Regeln gelten nicht für die Verhandlungen

vor

Schöffengerichten

und

Drei-Männer-Strafkammern (Berufungsinstanz in Übertretung^ und Privatklagesachen). Nach StPO. 244 Abs. 2 bestimmt hier das Gericht den Umfang der Be­ weisaufnahme, ohne durch Anträge, Verzichte oder frühere

Beschlüsse gebunden zu sein.

Eine Ausdehnung der Beweisaufnahme über das bezeichnete Minimum hinaus steht dem Gerichte stets frei (StPO. 153 Abs. 2. 220. 243 Abs. 3). J11. Über dieVerlesung von berichtenden Ur-

künden in der Hauptverhandlung s. ob. S. 248 f.

Das

Prinzip ist: Keine Urkund en Verlesung, solange Zeugen für das gleicheBeweisthema zur Ver­

fügung stehen!

Dies findet in den beiden Sätzen des

§ 249 einen ungleichen Ausdruck.

Unter den in StPO.

248—255 enthaltenen Ausnahmen'" lassen sich zwei Gruppen scheiden.

A. In einigen Fällen

darf die Verlesung nur auf

Grund eines besonderen Gerichtsbeschlusses stattfinden, rechtfertigte Engherzigkeit in den Anforderungen' an „Substanziierung" der Anträge an den Tag legen, das letzte Urteil überdies gerade den Wahrheits­ beweis abschneidet, wegen dessen Fehlen Verurteilung nach StGB. 186 eintrat. Bei etwas benigna interpretatio bestanden über den Sinn der Anträge in allen diesen Fällen keinen Zweifel. Ablehnung wegen Unsubstanziiertheit läßt

auch RMilG. 1, 294. 2, 107 sehr rasch zu " Nach allgemeinen Grund­ sätzen auch, wenn es an einem ernstlichen Willen des Antrag­ stellers fehlt. Das ist aber ein sehr gefährliches Gebiet, vgl. ob. S. 209 Anm. 4. 19 Natürlich liegt hier niemals ein Gebot vor, den Urkundenbe­ weis jetzt umgekehrt dem Zeugen­ beweis vorzuziehen, RG. 35,162.

Rosenfeld, Reichsstrafvrozeß. 2. Aufl.

21

322

Kap. IL

Abschn. I.

Tie Untersuchung.

nämlich roetttt es sich um die Aussagen folgender Personen

handelt: verstorbene s geisteskranker, unermittelter'-" Zeugen, Sachverständiger oder Mitbeschuldigter, bereits verurteilter

Mitschuldiger, wegen vorhandener Erscheinenshindernisse oder vorliegender großer Entfernung kommisserisch vernommener

Zeugen und Sachverständiger, sowie wegen voraussichtlicher Erscheinenshindernisse oder voraussichtlicher

großer Ent­

fernung im Vorverfahren unter Wahrung der Parteien­ öffentlichkeit-' vernommener Zeugen und Sachverständiger,

StPO. 250 Abs. 1 und 2.

dürfen verlesen werden.

Nur gerichtliche Protokolle

Ter Gerichtsbeschluß muß in ber

Hauptverhandlung gefaßt werden und sich darauf stützen, daß die gesetzlichen Gründe zur Abweichung vom Prinzip

der Unmittelbarkeit auch jetzt noch vorliegen; er muß mit

Gründen verkündet, auch muß bemerkt werden, ob die Be vernommenen Personen stattgefunden hat, StPO. 250 Abs. 3. Alles dies ist wesentliche Förmlich­

eidigung der

keit, deren Beobachtung das Protokoll ersichtlich niachen muß,

StPO. 273 Abs. 1.

Durch die mittelbare Entgegennahme

der Zeugenaussage bleibt an sich die Anwendung der Bor­ schriften über Zeugenaussagen unberührt. Soll die ver­ lesene Aussage benutzbar sein, so muß sie im allgemeinen

beeidigt sein; in den Fällen StPO. 56 darf sie nicht be eidigt sein; ein Zeuge der in StPO. 51 genannten Art muß über sein Weigerungsrecht belehrt sein,'-- bei Beamten

muß nach StPO. 53 die Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde eingeholt sein usw. 80 Die Ermittelung muß ver­ sucht worden sein, RG. 12,104. RMilG. 3, 181. 81 Davon kann bei der Aus­

Hiervon ergibt sich aus

nahmenatur der ganzen Stelle unter keinen Umständen abge­ sehen worden, RG. 15, 409. 81 RG. 20, 186.

StPO. 250 Abs. 3 S. 2 eine einzige Ausnahme: ist der Zeuge nicht beeidigt und ist eine nochmalige Vernehmung unausführbar, so darf auch die unbeschworene Aussage ver­ lesen und verwertet werden. Das Gesagte findet auf die Verlesung von Aussagen höchster Staatsbeamter, Bundes­ ratsmitglieder, Abgeordneter analoge Anwendung, StPO. 49. RG. 26, 253. — B. Bei allen andern berichtenden Urkunden fordert die Verlesung keinen besonderen Gerichtsbeschluß; es genügt mithin die Anordnung des Vorsitzenden oder die Vornahme der Verlesung durch ihn selbst. Hierher gehören: Zeugenund Sachverständigenprotokolle über die Vernehmung suveräner Personen, StPO. 71 Abs. 3, 72; Protokolle über die ver­ antwortliche Vernehmung des dispensierten Angeklagten, StPO. 231 Abs. 3 S. 2; richterliche Augenscheinsproto­ kolle, StPO. 248 S. 2 a. E.; Erklärungen von Behörden,^ Arztatteste nach StPO. 255; endlich überhaupt alle in StPO. 248 S. 2 genannten Urkunden und alle sonstigen durch das Beweisverbot in StPO. 249 nicht getroffenen Schriftstücke. In diese Gruppe gehören ferner die nur mit Einschränkung verlesbaren Protokoll t e i l e, StPO. 252 bis 254, nämlich erstens aus richterlichen und nicht-richterlichen Zeugen- und Sachverständigenprotokollen23 24 und zweitens aus 23 MilSlGO. 310 ist strenger, RMilG. 5, 276. 24 Zulässig 1. zum Zweck der Gedächtnisausfrischung eben dieses Zeugen; er selbst muß er­ klären, sich einer Tatsache nicht mehr zu erinnern; 2. zum Zweck der Klärung oder wenigstens der Konstatierung , eines Wider­ spruchs , nicht zwischen diesem

Zeugen und andern Personen (RG. 35, 5), sondern zwischen der jetzigen und der früheren Aussage dieses Zeugen; aber auch nur subsidiär: ist ein anderer Weg ohne Unterbrechung der Haupwerhandlung möglich, so muß er eingeschlagen werden; 3. mit obligatorischer Proto­ kollierung auf Parteiantrag. Zu21*

324

Abschn. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

richterlichen Protokollen über verantwortliche Vernehmung

des Angeklagten.?" Aus dem Zusammenhalte dieser Bestimmungen lassen sich

eine Reihe von Beweisverboten S. 2 (und S. 1) —

ableiten:

oben S. 321;

1. StPO. 249

2. StPO. 251;26 *************

3. Verbot der Verlesung polizeilicher, staatsanwaltlicher und anderer nicht-richterlicher Protokolle ») über Zeugen- und Sachverständigenaussagen, auch in den Fällen des § 250;27 * b) über verantwortliche Vernehmungen,

auch

zur bloßen

Beweisunterstützung nach StPO. 253; c) über Augenscheins­

einnahmen, StPO. 248 S. 2, solange nach der allgemeinen Regel des § 249 Zeugen zur Verfügung stehen; 4. Verbot,

Leumundszeugnisse zu verlesen, StPO. 255;2H 5. Verbot,

andere Gutachten zu verlesen, als die öffentlicher Behörden, StPO. 255.29 Soweit Protokolle benutzt werden, müssen sie vorschrifts­

mäßig ausgenommen, von wesentlichen 30 Mängeln frei sein

und dem Gericht im Original'" vorliegen. lässig ist aber nur Verlesung, nicht die unkontrollierbare Lektüre durch den Zeugen selbst, a. M. RG. 36, 53. M Zulässig 1. zum Zweck eines Gestttndnisnachweises; 2. zum Zweck der Klärung oder wenig­ stens der Konstatierung eines Widerspruches zwischen der jetzi­ gen und der früheren Aussage des Angeklagten; aber nur subsidiär; 3. mit obligatorischer Proto­ kollierung aus Parieiantrag. 26 Hierüber oben S. 229 § 53 Anm. 10, und besonders Ge­ ling, Beweisverbote, S. 24 ff. 27 Erlaubt zur bloßen Beweis­ unterstützung nach StPO. 252.

29 Entgegenstehendes Landes­ recht ist ungültig, vgl. RG Bd. 36 S. 205. 19 Ein schriftliches Gutachten genügt stets im Vorverfahren. StPO. 82. In der HauptverHandlung muß der Sachverstän­ dige dagegen mündlich ver­ nommen werden, auch der Bcweisdolmetscher. Dagegen ver­ stößt m. E. RG. 36, 371. 30 Unwesentlich wird die Unter­ schrift der Beteiligten, aber im allgemeinen nicht deren Genehmi­ gung sein, StPO. 186 Abs. 3. RG. 34, 367. 31 oder in rechtlich gleich­ stehender Abschrift; nicht ih un-

Die Protokollierung,

g 83

325

Tie sämtlichen hier erörterten Vorschriften hängen mit

dem Grundsatz der Unmittelbarkeit'*' zusammen, sind also vom öffentlichen Interesse diktiert und unterliegen daher nicht dem Verzicht der Parteien?* § 83. Sie Protokollierung.

Kries § 66 V.

Birkm. § 81.

B.-B. § 107 III.

IIUm. § 122.

Hierüber bandeln StPO. 271—274, wozu unser § 33 I S. 139—144 und § 82 III zu vergleichen. Nach GBG. 184 ist auch die Verhängung bestimmter Ordnungsstrafen in das Protokoll auszu­ nehmen. Das Protokoll kann auch enthalten nach StPO. 254 auf Antrag einer Partei den Bericht über die Verlesung von Pro­ tokollen zur Beweisunterstützung (StPO. 252, 253) — aus An­ ordnung des Vorsitzenden Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, GVG. 187, vollständige Niederschreibung von Vorgängen und Äußerungen (StPO. 273 Abs. 3, ob. S. 140; alsdann muß

bemerkt werden, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung ersolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind) — endlich den vollständigen Wortlaut des Urteils mit Gründen (StPO. 275 Abs. 1).

8 84.

E. Das Außenverfahren. Kries $ 65III.

Birtm. § 93III 1. §75 1 2b. B. B. § 119 IV. § 121, S. 526. Ullm. § 104 IW.

Als Außenverfahren läßt sich derjenige Teil des Haupt­ verfahrens bezeichnen, der sich nicht vor dem erkennenden Gericht, sondern außerhalb vor einem beauftragten oder ersuchten Richter

beglaubigter Abschrift, NG. 34, 48: auch nicht in Uebersetzung, a. M. RG. 36, 371. 82 Sie widersprechen aber der freien Beweglichkeit der Gerichte (Offizialprinzip, des. oben S.

77 s.). Die Praxis zeigt daher fortwährend Ansätze, die lästigen Fesseln abzustreisen. So vielfach auch die Judikatur des RG. 88 RG. 9, 49. 88. 34, 48.

Abschn. I.

326

abspielt.

Kap. II.

Die Untersuchung,

Über den ersteren ob. S. 121, über letzteren (AG. der

Handlungsbereitschast) S. 105, 118, 160. Diese auch sogenannte kommissarische Beweisaufnahme kann stattfinden 1. beim Augen­ schein nach freiem Ermessen, StPO. 224; 2. bei Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, a) wenn dem Erscheinen in der Hauptverhandlung für längere oder ungewisse Zeit Krankheit oder Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse ent­ gegenstehen, StPO. 222 Abs. 1; b) wenn ihr Erscheinen wegen großer Entfernung besonders erschwert ist, StPO. 222 Abs. 2, vgl. RG. 18, 261; c) wenn sie Landesherren oder Mitglieder suveräner Familien sind, StPO. 71; d) wenn sie Minister oder andere Personen des § 49 StPO, sind und es an der Genehmigung zu abweichendem Verfahren fehlt: 3. bei der Vernehmung des An­ geklagten, wenn er dispensiert (ob. S. 310) wird und noch nicht im Vorverfahren richterlich vernommen ist, StPO. 232 Abs. 2.

Das Außenversahren setzt (mit Ausnahme der Fälle 2c und d stets einen Beschluß des Gerichts voraus, der entweder im Stadium der Vorbereitung der Hauptverhandlung oder in dieser selbst, aus­ nahmsweise (ob. S. 300, 301 Anm. 5) schon im Zwischenverfahren entsprechend einem Antrag des nach StPO. 199 befragten Angeschuldigten ergeht. Die Termine (außer 2c und d) sind parteienöffentlich, StPO. 223 Abs. 1. 232 Abs. 3; den Parteien geht daher Notifikation zu. Etwas abweichend StPO. 223 Abs. 2, wenn der Angeklagte inhaftiert ist. In den Fällen 1, 2a und b haben Staatsanwalt­ schaft und Verteidiger ein Anrecht auf Vorlegung des Protokolles, StPO.223Abs.IS.2. —Wegen Verlesung des im Außenversahren hergestellten Protokolles in der Hauptverhandlung, event, nach be­ sonderem Gerichtsbeschluß s. StPO. 250, ob. S. 248, 321 f.

F. Das Urteil. § 85.

Aegrustand und Voraussetzungen der HtttilgfinSnng. Kries §§ 69. 70 II.

122.

Birkm. § 96 I. II A.

Ullm. 88 Hl. 112.

B.-B. §8 93. 94.

Bind. 88 113. 101.

I. Ist es zum Eröffnungsbeschluß gekommen, so muß

es auch

zur Hauptverhandlung

kommen.

Ist

Gegenstand u. Boraussetzungen der Urteilsfindung,

g 85.

327

solche aus tatsächlichen Gründen unmöglich,* so schläft das Verfahren ohne besonderen Ausspruch stillschweigend ein.2

Denn eine Aushebung des Eröffnungsbeschlusses durch einen anderen Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung ist der

StPO, unbekannt; auch eine „vorläufige Einstellung" durch Beschluß gibt es nur im Zwischenverfahren, StPO. 203.3

Stommt es aber zur Hauptverhandlung, so muß es nach der in StPO. 259 Abs. 1 S. 1 normierten Regelauch

zu einem Urteil kommen.

Gerade um diese Regel

durchführen zu können, schafft das Gesetz in StPO. 259

Abs. 1 S. 2 die Urteile auf „Einstellung des Verfahrens"? Das Urteil braucht also kein Sachurteil zu sein, es kann

ein Formalurteil fein.6

Rur in Fällen, die das Gesetz

1 Nur zwei solche Hemmnisse sind denkbar: 1. Tod des An­ geklagten: 2. dessen unermittelter Aufenthalt in Fällen, wo seine Anwesenheit unentbehrlich ist. — Geisteskrankheit des Angeklagten hindert die HB. nicht, erst in der HB. kann festgeüelll werden, ob er verhandlungssähig ist oder nicht, ob. S. 167 Anm. 6. — Ebenw muß Termin angesetzt werden, wenn nach Abschluß des Zwischenversahrens das Fehlen des Sirasantrags erkannt wird oder derselbe zurückgenommen wird. 2 Im Fall 1 wird sogleich, im Fall 2 nach Ablaus der Ver­ jährung Weglegung und spätere Vernichtung der Akten versügt. 3 Ganz anders u. a. LoweHellweg, 5. Abschn., Note 3a und b. Tie Praxis wendet vielfach StPO. 203 analog an. 4 Hierauf legt Beling, I

B. B. $ 93, bes. S. 384 Anm. 18 zu wenig Gewicht 5 Ties verkennt Birkmeyer, S. 665 fr., indem er das Ein­ stellungsurteil gleichfalls als einen Ausspruch über den staat­ lichen Lirafanspruch ausfaßt. Trefsend gegen ihn Beling, B-B. S. 396 Anm. 16. 6 Vgl. oben uns. Z 10 I. StPO' 259 Abs. 2 gibt nur ein Beispiel, wenn er den Mangel des Strafantrags behandelt; er wählt gerade dieses Beispiel, um klarzuniachen, daß der Strafan­ trag nicht Strafanspruchsbe­ dingung ist. Tas Einstellungs­ urteil ist also nicht etwa nur bei Mangel des Antrags und allen­ falls analog der Ermächtigung zulässig, wie B-B. 384 meint; denn das Wörtchen „nur", das Beling so stark betont, steht in $ 259 Abs. 1 S. 2, nicht in § 259 Abs. 2. Eine andere

Abschn. I.

328

Map. II.

Die Untersuchung.

bestimmt, kann der Hauptverhandlungsschluß statt durch Ur­ teil durch Beschluß erfolgen.

Es ist das außer der Ver­

tagung der Hauptverhandlung (StPO. 227. 243) der Fall

des § 270 StPO., vgl. ob. S. 104: das Gericht zu nied­ riger Ordnung stellt nicht (wie theoretisch folgerichtig wäre) das Verfahren durch Urteil ein, sondern verweist — ein

gesunder praktischer Gedanke — die Sache an das zuständige

Gericht.

Dem Verweisungsbeschlusse

kommen die- Muß­

erfordernisse, die Wirkung und die Anfechtbarkeit eines Er­ öffnungsbeschlusses zu/ 8 II. Der Gegenstand der Urteilsfindung, StPO. 263,

ist die im Eröffnungsbeschluß" bezeichnete Tat, ohne daß

jedoch

die tatsächliche oder die rechtliche Beurteilung in

Frage ist, ob das, was sachlich ein Einsiellungsurteil ist, auch notwendig in die Fassung: „Das Verfahren wird eingestellt" ein­ zukleiden sei. Ich halte allerdings diese Einkleidung für dasM orrefte. Abweichungen hat die StPO, in §§ 429. 458 selbst bestimmt. — Uebereinstimmend die Praxis deS RG., vgl. z. B. das „Urteil" Bd. 33 S. 11. MilStGO. 314 Abs. 2 hat das Wort „insbe­ sondere" eingefügt und dadurch die Zweifel beseitigt. ? Verweist das SchG, vor StK. oder SchwG., so ist StPO. 199 an sich nicht gewahrt. Diesem doktrinären Gesichtspunkt trägt die sachlich wertlose Bestimmung L 270 Abs. 4 Rechnung. Der Angeklagte darf danach den S.300 behandelten Antrag d stellen. Ueber denselben entscheidet nicht, wie es normal wäre, das er­ kennende Gericht in seiner Be­

setzung außerhalb der Haupt­ verhandlung, auch nicht nach der anomalen Vorschrift StPO. 199, 206 Abs. 2 das eröffnende Gericht, sondern in weiterer Steigerung der Anomalität der Borntzende des Gerichts, an welches die Sache verwiesen ist. b Ein einziger Fall ist denk bar, wo die Hauptverhandlung ohne Urteil und ohne Beschluß ihr Ende erfährt: Tod des An geklagten in der Sitzung. Mit diesem Moment entschwindet jede Möglichkeit weiteren Prozedierens. Das Protokoll wird einfach mit dem Vermerk des Todes geschlossen und Weglegung der Akten verfügt. 9 StPO, sagt ungenau „An klage", vgl. dazu RG. 4, 192. Löwe-H.'Rote 1. B.-B S.531: a. M. v. K r i e s, S. 565. MilSt­ GO. 317 sagt korrekt „Anklage­ verfügung" vgl. S. 313 Anm. 2.

Gegenstand u. Voraussetzungen der Urteilsfindung.

diesem Beschluß maßgebend ist.

K Sa.

329

Nach dem Ergebnis der

Verhandlung kann sich die Tat in anderem Lichte dar­

stellen. (bewahrt bleiben muß aber die Identität des Täters und die Identität der Tat, d. h. es muß sich um

die Beteiligung gerade des Angeklagten gerade an dem im Erösfnungsbeschluß bezeichneten Vorgang handeln?"

Der

Verurteilung aus Grund eines anderen, im Eröffn.-Beschluß nicht zitierten Paragraphen eines Strafgesetzes 11 steht nichts

im Wege.

Nur muß der Angeklagte vor der Urteils­

fällung nach StPO. 264 stets auf diese „Veränderung

des rechtlichen Gesichtspunktes"/' mag sie ihm nun zum Vorteil oder zum Nachteil gereichen, durch den Vorsitzenden ausdrücklich hingewiesen werben.13 10 Das Urteil kann also etwa ungenauere Zeit, Orts-, Mo­ dalität-, Quantität-, Gegen standsangaben durch genauere ersetzen und umgekehrt: es kann den Erfolg genauer, besonders in erleichternder oder erschwe render Richtung spezialisieren oder auch vager beschreiben; der subjektive Tatbestand kann sich anders darstellen, namentlich unter Hinzutritt einer gewissen gesetzlich hervorgehobenen Kennt­ nis, Absicht, Gesinnung usw.; auch die Körperbewegung kann eine andere werden. Aber es kann nicht zugleich eine andere Körperbewegung und ein ju ristisch anderer Erfolg an Stelle der im Eröffn -Beschl. beschrie­ benen gesetzt werden. Die Ju­ dikatur ist reich an Beispielen: RG. 2, 361. 3, 95. 5, 249 (und 33, 388) 8, 135. 9, 161. 344. 420. 14, 78 (und 28, 12). 24,

Nach Er-

370. 30, 11. 33, 11. 33, 405 (über die Grenzen zwischen orbenil. und Sonder Gerichts barkeil). 3v, 275. RMilG. 4,144. ftu weit geht wohl 25, 334 in Annahme der Identität zwischen Mittäterschaft beim Mord und Begünstigung des Mörders. 11 auch eines § aus dem all gemeinen Teil: Vollendung statt Versuch; Fahrlässigkeit statt Vor­ satz; Anstiftung statt Beihilfe oder Alleintäterschast oder Mit täterjchast: Realkonkurrenz statt fortgesetzter Handlung usw. a.M. B.-B. 533 und (durchaus isoliert) RG. 29, 12. 12 Manche sprechen von Klag änderung, Klagumgestaltung, Klagbesserung. Ueber die zahlreichen Ein­ zelfragen Löwe-Hellweg, Note 3 b, c, d. 5 a, b. Ist bei Angekl. nicht anwesend, so ent­ fällt StPO. 264 nicht: RG. 12,

330

Abschn. I.

Kap. II.

Die Urteilsfindung.

messen beschließt das Gericht auch Vertagung (Abs. 4). Ein Recht auf Vertagung hat, außer in der Verhandlung vor

dem SchG, und der 3-Männer-StK. (Abs. 5), der Ange­

klagte, wenn er (Abs. 3) unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu her­ vorgetretene Umstände bestreitet,

welche die Anwendung

eines schwereren Strafgesetzes gegen ihn zulassen oder die

Strafbarkeit erhöhen.

Wenn die Grenzen für die Identität der Tat über­ schritten sind, kann Aburteilung in dem gleichen Verfahren

nicht erfolgen. Doch gestattet StPO. 266 für Vergehen und Übertretungen ein eigenartiges summarisches Schnell­ verfahren in Verbindung mit dem ursprünglichen Prozess

iLehrb. § 102).

111. Vor Erlassung eines Sachurteils sind die allge­ meinen Prozeßvoraussetzungen, soweit sie nicht ihre Rotte

ausgespielt haben," und ferner die spezifischen Sach­ urteilsvoraussetzungen zu prüfen.

nicht unter die

Letztere fallen

ersteren; ihr Mangel hat die bisherige

Prozedur nicht gehindert er hindert aber die Entscheidung über Existenz oder Nichtexistenz des staatlichen Strafan­

spruchs durch Verurteilung oder Freisprechung. Hierher ist zu

rechnen 1. das Vorliegen eines ordnungsmäßigen, d. h. den Mußerfordernissen des § 205 StPO. genügenden, auf

einer entsprechenden Anklage fußenden und nicht' unter Miß­

achtung prozessualer Vorschriften 15 zustande

gekommenen

45. 32, 96. 35, 66. - Hinweis i Zuständigkeit wegen StPO. 269. ist auch bei völliger Gleichwertig- i 270, ob. S. 104 und S 328; feit beider rechtlichen Gesichts­ die örtliche nach StPO. 16. 18. punkte geboten. RG. 36,23.266. ob. S. 116 f. — vgl. auch S. 217. 14 Ausdruck von Beling, 15 Dies ist die einzige Art, B.-B. 382. So die sachliche die Mitwirkung eines judex

Die Urteilssassung.

Eröffnungsbeschlusses;

331

K 8tt.

2. die Prozeßsähigkeit des Ange­

klagten; 16 * * *3.* * die spezifische Gerichtsbarkeit des Gerichtes über die betreffende Sache (fcie z. B. nicht vor ein Mili­ tärgericht gehören darf). Etwas anders liegt es mit der

auch vielfach 17 hierher gezogenen Voraussetzung der An­ wesenheit aller für die Hauptverhandlung nötigen Personen einschl. vorschriftsmäßiger Gerichtsbesetzung. dieser

Voraussetzung

hindert nicht bloß

Der Mangel

ein

Sachurteil,

sondern auch ein Formalurteil und überhaupt jede Fort­ führung der Hauptverhandlung: es muß Vertagung ein­

treten.

Mithin handelt es sich hier nicht um eine spezifische

Sachurteilsvoraussetzung.

§ 86. vir UrteilsfafiTung. Kries § 70. Birkm. £ 96 II B. B.-B. 95. 96. Uslnt. § 113 111. I V. Bind. £ 89. K roschel, Abfassung der Urteile in Strafsachen, 3. Ausl., 1902.

1. Wird das Urteil nicht mit Gründen vollständig in das Protokoll ausgenommen,' so ist es binnen drei Tagen? als besondere Urkunde zu den Akten zu bringen, StPO.

275 Abs. 1.

Es zerfällt dann in folgende Teile: Kopf,

Tenor, Gründe, Unterschrift.

Ter ü o p f (Rubrum, Ein-

inhalilis beim Eröfsn.-Beschl., die Eröffnung vor Ablauf der Frist des §‘ 199 StPL. und dgl. n. zu rügen: a. M. von Kries, 579. 16 genauer ist zu sagen: bei voraussichtlich unbehebbarerProzeßumähiakeit liegt Mangel einer Sachurteilsvoraussetzung vor, vgl lb. S. 167 Anm. 6. 17 d. Kries, 580 Nr. 2. 4.

Beling, B. B. 385 Nr. 2. 3 u. a. m. 1 Dann bcdars es unter den Gründen zunächst der Unter­ schrift der Richter und sodann des Protokollabschlusses durch Vorsitzenden und Gerichts schreiben 2 Dienstfrist, S. 214 Anm. 2, deren Verletzung nicht revisibel, RG. 31, 349.

332

Abschn. I.

Kap. II.

Die Untersuchung.

gang) enthält a) Angabe, in wessen Namen das Urteil er­

lassen ist;3 4 b) * Bezeichnung der Strafsache nach Namen

des Angeklagten

und inkriminierter Tat; c) Sitzungstag;

d) Namen der Richter, Schöffen, Staatsanwaltschaftsbe­

amten und Gerichtsschreiber, SlPL. 275 Abs. 3. II. Der Tenor (Urteilsformel,

entscheidender Teil,

Dezisive) ist der eigentliche, sachlich oder formal entscheidende

Ausspruch des Gerichts, der stets durch Verlesung öffentlich

verkündet wird, StPL. 267. GVG. 174.

Mit Rücksicht

hierauf muß eine möglichst jedermann leicht verständliche Formulierung gewählt werden." III. Die U r t e i l s g r ü n d e 1. eines verurteilenden

Erkenntnisses müssen enthalten (StPL. 266 Abs.

1 — 3)

a) die Angabe der direkt erwiesenen für den Strafanspruch

relevanten6 Tatsachen; b) nur instruktionell die Angabe 3 „Im Namen des Reichs" Geschästs-Ldg. des RG. § 17. „Im Namen des Königs" Preuß. Vers. Art. 86. 4 Zweckmäßig auch die zur Feststellung der Identität erforderlichen Personalien (Vor­ name, Stand, Wohnort, Ge­ burtstag und -ort, aber nicht Vorstrafen), so vorgeschrieben in Preußen, Allg Vers, vom 7. Juli 1881 (Just.Min.Bl. S. 152). Diese Angaben sollen nicht in den Tenor kommen, wie in der Praxis öfter geschieht. Daß der Tenor nicht die geeignete Stelle hierfür ist, sagt die Ällg. Vers. v. 10. Jan. 1888 (Just.­ Min.Bl. S. 10) in Abs. 3 a. E. ausdrücklich. 6 Als korrekt erscheint daher eine Fassung 1. in direkter Rede; 2. mit Trennung des

Schuldigspruches und der Strafsestsepung (oder Straffrei erklärung, StGB. 199. 233); 3. mit Bezeichnung der Straftat möglichst nicht nur nach Paragraphenziffern; 4. mit tunlichster Vermeidung von Fremdwörtern. Z. B.: „Der Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung im Zusammentreffen mit Wider stand gegen die Staatsgewalt schuldig, und wird deshalb'unter Auferlegung der Kosten zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Dagegen ist er der öffentlichen Beleidigung nicht schuldig mit) wird insoweit freigesprochen". 6 Dahin ist auch die Einsicht des StGB. 57, das discernement, zu rechnen; a. M. RG. 36, 112, vgl. jedoch 29, 99. 31, 161.

Die Urteilssassung.

g 86.

333

der Indizien, Hilfstatsachen und Erfahrungssätze, aus denen

auf direkt relevante Tatsachen (ob. S. 220 f.) geschlossen worden

ist; c) die Subsumtion der direkt relevant erachteten Tatsachen unter die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung;7 d) den Ausspruch, ob solche vom Strafgesetz „besonders"

vorgesehenen8 * und in der Verhandlung behaupteten (S.

78 II) Umstände,

welche die Strafbarkeit (oder Rechts­

widrigkeit) ausschließen, vermindern oder erhöhen, als fest­ gestellt erachtet sind, oder ob ihr Nichtvorliegen als fest­ gestellt erachtet wird;" e) die Bezeichnung aller Straf­

gesetze, in der Regel nach §§,10 die auf Strafrahmen, -art und -maß eingewirkt haben, sowohl in der Hauptstrafe, wie in Nebenstrafen; f) nur instruktionell, die Angabe der Straf­ zumessungsgründe; 11 g) bei Annahme mildernder Umstände

oder bei Versagung solcher trotz Antrages, die Entscheidung

hierüber.

Weitere Begründung ist nicht vorgeschrieben, aber

wünschenswert; natürlich kann sie zur Aushebung des Ur­ teils führen, wenn sie einen Rechtsirrtum des Gerichts ent­ hüllt. Übrigens ist StPO. 34 (S. 149II) auch hier in Geltung, soweit StPO. 266 schweigt; mithin, da die Ent­

scheidung über einen Bußanspruch, über subsidiäre Haftbar­ keit Dritter oder über den Kostenanspruch selbständig an­

fechtbar ist, so bedarf sie auch der Begründung. — 2. Die Urteilsgründe

eines

freisprechenden

7 RG. 36, 135 (betr. Recht­ mäßigkeit einer Pfändung, StGB. 137). RMilG. 1, 105. 3, 50. 4, 153. 5, 145. 180. 207. 8 Die mildere Bestrafung der Beihilfe gegenüber der Mit­ täterschaft ist kein „besonders", sondern ein „allgemein" vorge­

Erkenntnisses,

sehener Umstand solcher Art, RG. 20, 351. 9 RMilG. 2, 12. 82. 10 RG. 32, 351. 11 Daher ist gleichgültig die Uebergehung des Antrags auf Anrechnung der Untersuchungs­ haft, RG. 35, 234.

Abschn. I.

334

Kap. II.

Die Untersuchung.

StPO. 266 Abs. 4, können bedeutend kürzer gefaßt werden. Sie müssen nur ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt,

oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen ange­

nommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. —

3. Die Urteilsgründe eines einstellenden Erkenntnisses oder einer sonstigen Formalentscheidung richten sich nur nach den allgemeinen Regeln (StPO. 34, ob. 3. 149 f.)

IV. Die Unterschriften aller mitwirkenden Richter (außer den Schöffen) sind erforderlich, StPO. 275 Abs. 2?" Statt eines verhinderten unterzeichnet der Vorsitzende unter

Angabe des Verhinderungsgrundes.

Statt des verhinderten

Vorsitzenden unterzeichnet der älteste Beisitzer.

Auch mehrere

Es genügt demnach im Notfall

können verhindert sein. eine Unterschrift.

§ 87. Vie Rechtskraft -es Urteils. Kries $ 71.

Birkm. § 97. B.-B. § 98. Bind. § 125.

Ullm. $ 147 I—III.

I. Wir nennen ein Urteil formell rechtskräftig, wenn es

durch Rechtsmittel nicht angreifbar ist. dann teytrety1

beendet.

Der Prozeß ist

Der Rechtskraft kommt aber

noch eine weitergehende Wirkung auf künftige, erst anzu­ strengende Prozesse zu.

Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor,

so dürfen die Parteien über das Entschiedene keine aber­

malige Verhandlung und Entscheidung verlangen. reden wir von materieller Rechtskraft.

14 Blanko-Unterschrift ist nach der ratio legis (Löwe-Hellweg g 275 Note 4 b) anstatthaft, a. M. NMilG. 5, 180. .

Hier

Dieselbe

: 1 bis aus die außerordent! lichen Behelfe der Wiederaus­ I nähme und der Wiedereinsetzung, |

Die Rechtskraft des Urteils.

§ 87.

335

Strafsache — individualisiert durch die Person des Be­ schuldigten und die ihm zur Last gelegte Tat (StPO. 263)

— darf nicht nochmals Gegenstand eines Strafprozesses Erkennt das Gericht,2 daß bereits

werden: ne bis in idem.

res iudicata vorliegt, so ist dem weiteren Prozedieren ein Riegel vorgeschoben und es ist auf Einstellung des Ver­ fahrens zu erkennen.

Diese Kraft kommt dem verurteilenden,

wie dem freisprechenden Erkenntnis in gleicher Weise und

in vollem Umfang zu.

Sie eignet aber auch dem Ein­

stellungsurteil mit folgender Maßgabe: wurde eingestellt, weil die Prozeßvoraussetzung X fehlte, so kann ein neuer

Prozeß, sobald X hinterher eintritt, wegen der gleichen

Tat gegen den gleichen Täter insoweit angestrengt werden,

als das Fehlen von X bisher der sachlichen Aburteilung entgegenstand?

II. Die materielle Rechtskraft kommt nur dem aus-

2 Einen besonderen „Ein­ wand", wie vielfach, auch vom RG. gesagt wird, braucht der Beschuldigte nicht zu machen. Ob res judicata vorliegt, ist auch in der Revisionsinstanz zu beachten, RG. 18, 272. 30, 341. 35, 368. 3 Jemand ist aus StGB. 226 angeklagt. Es ergibt sich, das; zwischen der Tat und dem Tode kein Kausalzusammenhang besteht. Strafantrag wegen ein­ facher Körperverletzung ist nicht gestellt, das Urteil lautet aus Einstellung des Verfahrens. Damit ist "auch eine neue Verng aus StGB. 223 a aus­ osten, denn das Fehlen deS Strafantrages stand

a

sachlichen Aburteilung iusoweit nicht entgegen. So RG. 7, 355. a. Ät. v. Kries 602. — Ebenso ergäbe sich: Wird jemand aus StGB. 236 angeklagt, heiratet er während des Prozesses die Entführte, und erfolgt nun wegen StGB. 238 Einstellung des Verfahrens durch Urteil, so kann eine neue An klage nur nach Nichtigerklärung der Ehe und nur aus StGB. 236 erfolgen; nicht etwa aus StGB. 240. 241.223 oder etwa wegen Notzuchtsversuches — denn nach allen diesen Rich­ tungen stand die spätere Ehe­ schließung einer sachlichen Ab­ urteilung im ersten Prozeß der nicht entgegen.

336

Abschn. I.

Die Untersuchung,

Kap. II.

drücklich vom Willen getragenen4 Ausspruch 5 eines Straf­ gerichts 6 zu.

Sie bezieht sich auf den ganzen Umfang des

Prozeßgegenstandes/ wie er bei Kenntnis aller einschlägigen Tatsachen7 8 im Augenblick der Urteilsfällung hätte gewürdigt

werden können.

Wer wegen unbefugten Schießens nach

StGB. 367 Z. 8 oder 368 Z. 7 verurteilt oder auch frei-

gesprochen wird, ist gegen Verfolgung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung, auch wegen Mordes,

desgl.

wegen

Sachbeschädigung,

4 Schreib- oder Fassungssehler erwachsen nicht in Rechtskraft, RG. 13, 267. 8 Keine Rechtskraft, soweit versehentlich die Aburteilung unterblieb, RG. 19, 227. 6 Nicht durch Aburteilung im Disziplinarwege. Doch greift nach § 3 EG. z. MilStGB. Ahndung im Disziplinarwege und gerichtliche Strafverfolgung ineinander über. Daher mutz in diesem Verhältnis der Satz rne bis in idem“ gelten; so MilStGO. 157 Abs. 1. 251 ttnd schon vorher RG. 21, 1. Anders, wenn der Disziplinar­ weg gesetzlich unzulässig war. Ein Unteroffizier hatte sich gegen MilStGB. 122 (Stoßen und Schlagen Untergebener) ver­ gangen. Sein Hauptmann hatte diese Tat ungesetzlicherweise im Disziplinarwege durch einen Verweis geahndet. Später wurde der Unteroffizier vom LG. Prenzlau nach MilSlGB. 122 verurteilt. Er berief sich auf res judicata. Das RG. 21, 1 verwarf seine Revision.

i | | | | ji

II

Brandstiftung,

7 Einziehung, Nebenstrafen usw. B.-B. 412. 8 Die Einheit der Tat ent­ scheidet (bedenklich daher RG. 33, 46). Sind fortgesetztes Ver­ brechen und Kollektivdelikt mit der HM. als einheitliche Verbrechen anzusehen, so ist das am 1. Lkt. 1901 aburteilende Gericht in der Lage, alle Einrelhandlungen bis zu diesem Tage mit abzuurteilen. Bor dem 1. Oktober 1901 liegende Einzelhandlungen können dann, auch wenn sie bei der Urteils­ fällung völlig unbekannt waren, nicht zum Gegenstand einer neuen Anklage gemacht werden. RG. 7, 229 '(Kuppelei). 26, 299 (Glücksspiel). 36, 42 (unlauterer Wettbewerb durch fortgesetztes Annoncieren). RMilG. 5, 177 (falsche dienstliche Meldung durch Ueberreichung einer fortgesetzt falsch geführten Schießkladde). a. M. v. Kries 599. Anders, wenn Fassung eines neuen Vor­ satzes und somit Nicht-Identität der Tat ausdrücklich sestgesteüt wird, RG. 35, 1.

Die Rechtskraft des Urteils.

Jagdvergehens usw. gesichert?

lässiger Begehung deckt gegen

ebenso Aburteilung

% 87.

337

Aburteilung wegen fahr­ Anklagen wegen Vorsatzes,

wegen Versuchs gegeu Anklage wegen

Vollendung, und umgekehrt.

1IJ. In Rechtskraft erwächst der Urteilsausspruch,

nicht die Urteilselemente (oder, was sich decken wird, der Tenor, nicht die Gründe).

meistens

damit

Daraus folgt,

daß die Rechtskraft inhaltlich widersprechende Urteile nicht

hindert? o

Es ist möglich, daß wegen Begehung einer Tat,

die nur Einer verübt haben kann, erst der A und später

der B verurteilt werden. JV. Die Rechtskraft kommt auch den Entscheidungen der Sondergerichte11 9 10und denen in besonderen Verfahrens­

arten zu.

Sie ist auch dem amtsrichterlichen Strafbefehl

nicht abzusprechen, StPO. 450; wohl dagegen den Straf­

verfügungen der Polizei und den Strafbescheiden der Ver­ waltungsbehörden?- Die hier erörterten Wirkungen kommen

9 Tie eadem res muß nach allen ideell konkurrierenden Ge­ sichtspunkten erschöpft sein, RMilG. 4, 230. 243. 289. 2, 142. 3, 53. 166. 229. Auch wenn fälschlich sreigejprochen, statt eingestellt ist, entstellt ab­ solute Rechtskraft, RG. 35, 368 (371 f.). 10 A hat im August 1900 das Buch „Geheimnisse einer Brautnacht" seilgehalten. Aus StGB. 184 Z. 1 angeklagt, wird er im £ stöber rechtskräftig freigesprochen, da das Buch nicht unzüchtig sei. Er hält das Buch im November wiederum seil. Aufs neue angeklagt, kann er verurteilt werden; die Be-

gründung, das Buch sei nicht unzüchtig, erwächst nicht in Rechtskraft. 11 oben S. 48 f. — Auslän­ dische Urteile werden nur inso­ weit zu beachten sein, als das deutsche Recht dies vorschreibt: StGB. 4 Z. 3, 5 Z. 1, 7, 37. 12 a. M. hinsichtlich der Straf­ befehle RG. 4, 243. 9, 32. 14, 358.15, 112, soweit ein anderer juristischer Gesichtspunkt auf­ tauche. Als Grund gibt RG. an, der AR. sei nicht in der Lage, die Tat nach allen Rich­ tungen hin so zu prüfen, wie es nach StPO. 263 in der Haupt­ verhandlung zu geschehen habe. Das ist falsch: der AR. hat die 22 Rosenfeld, Reichsstrafprozeß. 2. Ausl.

Abschn. I.

338

Die Rechtssätze.

Kap. UI.

ferner dem Nicht-Eröffnungs-Beschluß zu, sofern er sach­

lich einem freisprechenden Urteil gleichsteht.

Drittes Kapitel.

Die Rechtsbehelfe.

§ 88.

Allgemeine Sähe. Kries § 74. Birkm. § 98. B.-B. §§ 104. 105. Ullm. §§ 140. 141. Bind. §§ 115. 120. v. Kries, Rechtsmittel des Civ.-und des Str.-Proz. Brest. 1880.

I. Unter dem Ausdruck „Rechtsbehelfe" fasse ich die Rechtsmittel, die Wiederaufnahme des Verfahrens und die

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zusammen.

Als

Rechtsmittel bezeichnet die StPO. Berufung, Revision

und Beschwerde.

Dem Begriffe nach

sind Rechtsmittel

solche Prozeßhandlungen, die die Parteien vornehmen, um die Abänderung einer nachteiligen noch nicht rechtskräftigen**

richterlichen

Entscheidungauf dem Wege der Nach­

prüfung^ durch einen höheren Richterle (Devolutiveffekt)

Möglichkeit und die Pflicht solcher allseitiaen Prüfung, StPO. 448. So folgt aus dem Ausgangs­ punkt deS RG. gerade die gegen­ teilige Entscheidung. Ebenso Beling, B.-B. 424 und mit anderen Gründen v. Kries, 596 f., sowie überhaupt die HM. — Hinsichtlich der Strafver­ fügungen und Strafbefehle a. M.

v. Kries 597, Birkmeyer 775, 781, und teilweise, nämlich soweit der gleiche rechtliche Ge­ sichtspunkt in Betracht kommt, RG. 34, 165. — Die prozessu­ alen Vorschriften des § 10 preuß. G. v. 23. April 1883 sönnen nur z. T. für gültig erachtet werden. 1 Daher fallen nicht unter

Allgemeine Sätze,

g 88.

339

herbeizuführen. Die angefochtene Entscheidung muß den rechtlichen Interessen der Partei nachteilig sein; Voraus­ setzung jedes Rechtsmittels ist das Vorliegen einer Be­ schwer, eines gravamen.2 Für die Rechtsmittel gelten diesen Begriff a) Wiederaufnahme SIPO. 399. 402, nachträgliche Festsetzung einer hilssweisen Freiheits-, einer Gesamtstrafe StPO. 491. 492.494; b) Antrag aus gerichtliche Entscheidung gegen Strafverfügung StPO. 454, gegen Strafbescheid StPO. 460, gegen ablehnenden Bescheid des StAnw. StPO. 170; c) Wiedereinsetzung StPO. 44, weil gegen Fristversäumung gerichtet; d) Wiedereinsetzung, StPO. 44, da zu der etnm ergangenen Entscheidung in der neuen Verhandlung und Entscheidung gar keine Stellung ge nommen wird; e) Einspruch StPO. 449, Einwand StPO. 179, Wiederaufnahme, Wiedereinsetzung. Dagegen weist der Antrag auf Entscheidung des Berusungs- bezw. Revisionsgerichtes StPO. 360 Abs. 2. 386 Abs. 2 alle obigen Merkmale eines Rechtsmittels auf. 2 Keine Beschwer, wenn das sreisprechende Urteil aus eine in den StProz. hineinspielende Besitzstörungssrage gegen den An­ trag des Angeklagten nicht einaeht, RG. 4, 355. Keine Be­ schwer des Angeklagten, wenn er sreigesprochen statt verurteilt ist, oder wenn er strengere Strafe wünscht, Löwe-Hellweg, Komm. § 338 Note 2 b. Kries 637. Kries, Rechtsmittel, 49. B.-B. 441. Keine Beschwer,

wenn mangels Strafantrages ■ Einstellung nach StPO. 259 1 Abs. 2 und nicht Freisprechung ; erfolgt, Kries, Rechtsm. 50. UUm. 584. Bind. S. 238, VI, 3; a. M. gelegentlich RG. 4, 358. Ueberhaupt niemals über Einstellung, wenn der Ange klagte Freisprechung begehrt, Ullm. 584; a. M. folgerichtig Birkm. 694; da er ja die Ein­ • stellung als eine andere Art der j Verneinung des Strafanspruchs \ auffatzt; anscheinend auch Löwe• Hellwega. O. B.-B. 414 Anm. I 27. Keine Beschwer, wenn man , nur wegen tätiger Reue (StGB. ! 163.310) freigesprochen ist, a. M. Bind., Kries, Ullm., Oetker; oder j wenn man nur wegen Verjäh­ rung freigesprochen ist, a. M. ; Kries, Rechtsm., Ullm., RG. 4, ! 358 (gelegentlich). Ueberhaupt im allgemeinen keine Beschwer, j um nur eine Abänderung der Gründe ohne Aenderung der ! Entscheidung zu erzielen; kein i Rechtsmittel des mangels Be weises Freigesprochenen, um für unschuldig oder doch unverdächtig erklärt zu werden, so v. Schwarze, Holtzend. Handb. II 250. Geyer, Lehrb. 792. Keller, Komm. § 338 N. 5. Löwe-Hellweg, Komm. 338 9t. 2b. 9?®. 13,324. Bennecke 718. Bind. S. 237 VI1. B.-B. 442. Darin keine Aenderung durch § 1 G. betr. Entschäd. 22*

340

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

eine Reihe allgemeiner Sätze (StPO. 338—345, unten II), die aber

nach StPO. 405

Wiederaufnahme,

auch

auf den

den man daher als

Antrag auf

außerordentliches

Rechtsmittel bezeichnen darf, Anwendung finden.

Daneben

stehen aber die Behelfe der Berufung und der Revision in

engerer Beziehung und eine Reihe gemeinsamer Sätze (unter

III) bringt sie einander besonders nahe. II. Gemeinsame Sätze für Beschwerde, Be­

rufung, Revision und Wiederaufnahme. 1. Die Befugnis zur Einlegung der Rechtsbehelfe, das

Rechtsmittelrecht,

steht der Staatsanwaltschaft und

dem Beschuldigten zu, StPO. 338 Abs. 1; natürlich aber

auch denen, die, wenn auch nicht in der eigentlichen Straf­

sache, vice actoris (Privatkläger, Verwaltungsbehörde, NebenAnkläger, Bußkläger) oder vice rei (Einziehungsbetroffene,

subsidiär

Haftende,

Der

Kostenpflichtige)

stehen

(S.

166,

in

Ver­

168 f.,

204 f ).

kennung

ihrer Parteistellung8 die Befugnis eingeräumt,

Staatsanwaltschaft

ist

auch zu Gunsten des Beschuldigten Rechtsmittel

zu

er­

greifen, StPO. 338 Abs. 2.

Ein gleiches selbständiges

Rechtsmittelrecht haben der

gesetzliche Vertreter und der

Ehemann, StPO. 340; nur an die Frist, die für den Be-

der im Wiederaufn. Freigespr., da das Unterbleiben des Entschädiaungsbeschlusses die einziae praktische Folge und diese selb­ ständig anfechtbar. — DageAen Beschwer, wenn Strassrelerklärung statt Freisprechung; wenn Ueberweisung in eine Erziehungs­ oder Besserungsanstalt nach StGB. 56 Abs. 2. verhängt ist, RG. 7, 180.

I 8 S. 169. Daher nicht über I den Wortlaut auszudehnen. Keine i gleiche Befugnis des Privatj klägerS und des Neben-An klägers, S. 183 Anm. 4, S. 189. Keine Einlegung zu Gunsten an­ derer Personen, als des Be­ schuldigten, a. M. RG. 7, 410. i Kries *637.

Allgemeine Sätze,

tz 88.

341

schuldigten läuft, sind auch sie gebunden, außer dem gesetz­ lichen Vertreter im Falle StPO. 268 (Überweisung des

Jugendlichen in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt,

StGB. 56 Abs. 2).

Abhängig ist dagegen das Rechts­

mittelrecht des Verteidigers,

StPO. 339,

ob. S.

Wegen Angehöriger vgl. StPO. 322. 324. 401

203.

Abs. 2,

ob. 5. 169 Anm. 12, S. 171 Anm. 14.

2. Die Form der Einlegung ist zu Protokoll oder

schriftlich, StPO. 348 Abs. 1. 355 Abs. 1. 381 Abs. 1; die schriftliche Einlegung ist für die Revisionsanträge4 5und

den Antrag auf Wiederaufnahme erschwert durch das Er­ fordernis der Unterzeichnung durch den Verteidiger oder einen Rechtsanwalt (StPO. 385 Abs. 2. 406 Abs. 2).

3. Eine Erleichterung der Einlegung besteht für den Inhaftierten, StPO. 341 MilStGO. 369 Abs. 3 und 4

bezüglich des Ortes und der Wahrung der Frist. 4. Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich, StPO. 342?

5. Die Zurücknahme ist stets zulässig und tritt in 4 Weit humaner MilStGO. 404. 5 Falsa demonstratio nun nocet. Aber falsche Form schadet! Legt jemand gegen ein SchwGUrt. die Beschwerde ein, so ist sie gültig, wenn es in Revisionssorm (Rechtfertigung zu Protokoll) geschieht: ungültig, wenn es in Beschwerdeform (privatschristliche Rechtfertigung) geschieht. Dafür, welches Rechts mittel zu ergreifen, ist die äußere Form der Entscheidung maß­ gebend, RG. 23, 156 (statt Be­ schluß aus StPO. 270 war Ur­

teil des LG. ergangen, Revision zulässig): 32, 92 (statt Einstellungsurteil, weil der Ange­ klagte der Austrägalgerichtsbar feit, unterfiel, erging Beschluß, gegen den Beschwerde ergriffen wurde; die später ergriffene Re­ vision war unzulässig), vgl. auch RMilG. 3, 268 und dazu Beling, Ztsch. f. StRWiss. Bd. 24, S. 272. Im allgemeinen entgegengesetzt ist die Judikatur des RG. in Civilsachen, vgl. Gaupp-Stein, Komm. z. CPO. Bd. II 2 ff.

342

Abschn. I.

Die Rechtsbehelse.

Kap. III.

Wirksamkeit, sobald die Erklärung dem Gericht zugeht.

Soweit eine Frist für die Einlegung besteht,

kann die

Zurücknahme auch schon vor Fristablauf wirksam erfolgen,

StPO. 344 S. I.

Der Verteidiger darf, da er kein selb­

ständiges Rechtsmittelrecht hat, auch nicht selbständig zurück­ nehmen/ sondern bedarf dazu einer ausdrücklichen Er­ mächtigung^ StPO. 344 Abs. 2.

Die Personen des § 340

dürfen dagegen die Rechtsbehelfe, wie selbständig einlegen, so auch selbständig zurücknehmen?

Abweichend ist das

anomale Rechtsmittelrecht der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Beschuldigten ausgestaltet: ohne seine Zustimmung können

die Rechtsbehelse nicht zurückgenommen werden : StPO. 344 Abs. 1 S. 2.

Im übrigen nimmt auch die Staatsanwalt­

schaft des Rechtsmittelgerichtes

Einlegung wirksam zurück?

die staatsanwaltschaftliche

Zur Zurücknahme genügt der

Regel nach einseitige Erklärung.

Hat aber die etwaige

Hauptverhandlung bereits begonnen, so ist Zustimmung des Gegners erforderlich, StPO. 345. — Neben der Zurück­ nahme kennt StPO. 344 auch den Verzicht auf ein noch nicht eingelegtes Rechtsmittel.

Diese Bestimmung bezieht

sich nicht auf die Wiederaufnahme. 6. Suspensiveffekt kommt unbedingt nur der Be­ rufung und der Revision zu, StPO. 357. 383; der Be

schwerde und Wiederaufnahme dagegen nur fakultativ, StPO. 6 Der Beschuldigte kann aber das Dom Verteidiger eingelegte RMittel seinerseits selbständig zurücknehmen. 7 Die m. E. erst nach der Einlegung erteilt werden kann, a. M. Löwe-Hellweg, § 344 Note 9. RG. 24, 142. * a. M. Löwe-Hellweg,

a. O. Note 8. Bind. 239. Eigen­ tümliche Unterscheidung in RG. 28, 385. 9 wegen der Einheitlichkeit der StAnwschaft, ob. S. 175. Da­ her kann die Reichsanwaltschaft dies nicht tun, a. M. Puchelt, v. Kries, Ullmann,Jsenbart, Binding, Oetker.

Allgemeine Sätze.

§ 88.

343

349. 400, und auch dieser ist in den Beschwerdefällen der

§§ 360 Abs. 2 a. E., 386 Abs. 2 a. E. ausgeschlossen. 7. Das Gericht, welches über den Rechtsbehelf ent­ scheidet, ist entsprechend dem Prinzip der materiellen Wahrheit (uns. § 21) durch StPO. 343 sreigestellt:

jedes Rechtsmittel zu Ungunsten des Beschuldigten hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des Beschuldigten abgeändert oder ausgehoben werden kann.

8. Für den umgekehrten Fall gilt nicht das gleiche, sondern es ist prinzipwidrig ein Berbot der refor­ matio in pejus aufgestellt.

Ist eine Berufung, Revision

oder Wiederaufnahme zu Gunsten des Beschuldigten er­ griffen worden, so darf das neue Urteil keine härtere Strafe

als das frühere verhängen10: StPO. 372. 398 Abs. 2,

113 Abs. 2.

Dieser anomale Satz darf nicht ausdehnend

interpretiert werden.

Sonach darf das neue Urteil die Tat

des Angeklagten schwerer qualifizieren, und es darf bei

Realkonkurrenz trotz

teilweiser Freisprechung

die frühere

Für die Beschwerde gilt das

Gesamtstrafe beibehalten.11

Berbot nicht.

10 So die korrektere Formn lierung in §§ 398. 413. Ter erst von derReickstagskommission eingesügte § 372 hat einen irre­ führenden Wortlaut, der in MilStGO. 396 verbessert worden ist, vgl. RMilG. Bd. 1 S. 46. Unrichtig über die Entstehungs­ geschichte B.-B. 592 Anm. 17. 11 So die HM. Tie einzel­ nen Einsatzstrafen dürfen aber natürlich nicht höher als früher bemessen werden, RG. 26, 167. Abweichend vom Text u. a.

| I I |

Ullm. 599 (nur für die Be­ rufung) , Bind. 248 f., sowie neuerdings B.-B. 443f.— Nimmt die erste Instanz StGB. 246, die zweite StGB. 242 an, so muß es bei der erkannten Geldstrase ver­ bleiben. So erklären sich die Verhängungen von Geldstrafen wegen Diebstahls und schweren Diebstahls, welche die Reichskriminalstatistik jährlich aufweist; desgl. Verweis wegen schweren Diebstahls.

344

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

III. Gemeinsame Sätze für Berufung und

Revision.

1. Für sie gilt eine Frist von einer Woche, die von

der Verkündung des Urteils an läuft.

War der Ange­

klagte (und im Falle des § 268 StPO, der gesetzliche Ver­ treter) bei der Verkündung nicht anwesend, so beginnt für

ihn die Frist mit der Zustellung, StPO. 355. 381.

In

diesem Fall steht möglicherweise auch die Wiedereinsetzung gegen das Urteil offen (unt. § 94).

Dann sind beide

Behelfe zu verbinden; Berufung und Revision, für die die Frist sogleich beginnt,

können bedingt eingelegt werden,

StPO. 356. 382.

2. Sie können nur beim Gericht der Borinstanz, beim judex a quo eingelegt werden, StPO. 355 Abs. 1. 381

Abs. 1. 3. War dem Beschwerdeführer bisher das Urteil mit

Gründen noch nicht zugestellt, so hat das nun sofort zn

geschehen, StPO. 357 Abs. 2. 383 Abs. 2. 4. Vom Fristende ab oder von der Zustellung (Nr. 3) ab läuft eine weitere Frist von 1 Woche für Rechts­

mittelanträge.

Solche Rechtfertigung und Begründung

„kann" für die Berufung erfolgen, für die Revision „hat"

sie bei Verlust des Rechtsmittels zu erfolgen, StPO. 358. 384. 385.

5. Verspätete Berufung und Revision, nicht gerecht­ fertigte oder nicht rechtzeitig oder nicht formgerecht gerecht­ fertigte Revision 12 wird vom judex a quo durch Beschluß 12 Nur in diesen Fällen ist das Verfahren statthaft, Löwe Hellweg, Komm. § 360 N. 2. § 386 N. 1. Unrichtig die Praxis, soweit sie dazu neigt,

j | i ' 1

ein trotz voraufgegangenen Ver richtes eingelegtes Rechtsmittel durch den judex a quo verwerfen zu lassen.

Allgemeine Sätze.

H 88.

als unzulässig verworfen, StPO. 360. 368.

345

Gegen

diesen Beschluß gibt es als Rechtsbehelf einen Antrag auf Entscheidung des höheren Richters, des judex ad quem,

StPO. 360 Abs. 2, 386 Abs. 2.

Dieser Rechtsbehelf stellt

sich als Beschwerde dar, wenn auch das Gesetz diesen Namen nicht gebraucht.

Doch hat diese Beschwerde folgende Eigen­

tümlichkeiten: a) sie ist an die Frist von einer Woche ge­

bunden, ohne daß sie aber sofortige Beschwerde ist; b) der judex a quo darf seinen Beschluß nicht zurücknehmen;13 14

c) der Suspensiveffekt tritt auch nicht fakultativ ein; d) es ist weitere Beschwerde als einfache Beschwerde zulässig."

6. Ist kein Anlaß, nach Nr. 5 vorzugehen, so findet

nunmehr zur Wahrung gleicher Parteirechte Mitteilung an den Gegner statt, und zwar geschieht die Zustellung

an den Angeklagten bei der Berufung durch die Staats­ anwaltschaft, im übrigen durch den Gerichtsschreiber, StPO.

361. 387. Dann'''' erfolgt die Aktenübersendung von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft und die Über­ gabe an den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts, StPO.

362. 387 Abs. 2. 7. Das Rechtsmittelgericht kann das Rechtsmittel

durch Beschluß als unzulässig verwerfen, StPO. 363. 389. Der Beschluß des Berufungsgerichts ist durch sofortige Be­ schwerde anfechtbar, StPO. 363 Abs. 2. 13 a. M. v. Kries, Ullmann u. a. 14 bestritten, Löwe-Hellweg, Komm. § 360 N. Vielfach' wird StPO. 363 Abs. 2 auch aus diesen Fall bezogen und sofortige Beschwerde gegeben, so auch von B i r k m e y e r und B e l i n g. — Die Ent-

( ; 1 , |

scheidung des Revisionsgerichtes ist stets unanfechtbar, StPO. 346 Abs. 3 15 Bei der Revision ist noch 1 Woche Frist für eine „Gegenerklärung" vorgesehen, StPO, 387. Doch ist solche für die Revision nicht vorgeschrieben und für die Berufung nicht verboten.

346

Abschn. I.

Die RechtSbehelse.

Kap. III.

8. Die Tätigkeit des Rechtsmittelgerichts ist auf den Umfang begrenzt, in dem das Urteil des Vorgerichts an­

gefochten wird, StPO. 368. 392.

Im übrigen erwächst

das Urteil des Vorgerichts demnach in Rechtskraft." 9. Ist Nr. 7 nicht gegeben, so muß stets Urteil des Rechtsmittelgerichts ergehen, StPO. 363 S. 2, 389 Abs. 2. Im ungünstigen Falle wird das Rechtsmittel als unbe­

gründet verworfen (oder zurückgewiesen).

Im günstigen16 17

Falle lautet das Urteil stets auf Aufhebung des Vorder­ urteils,

und

es enthält ferner

das Berufungsurteil

regelmäßig eine Entscheidung in der Sache, ausnahmsweise

eine Zurückverweisung in die Vorinstanz; das Revisions urteil regelmäßig eine Zurückverweisung in die Vorinstanz,

ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache.

StPO.

369. 393—395, näheres unten.

8 89.

Nie Beschwerde. Kries § 77.

Birkm. § 101. B.-B. § 106. Bind. § 123.

Hörn. 8 146.

I. Die Beschwerde ist das Rechtsmittel gegen andere Entscheidungen, als Urteile, um deren Nachprüfung in tat-

16 Greist z. B. der Angell, nur das Strafmaß mit der Be­ rufung an, so kann demnach in der Schuldfrage nichts mehr ge­ ändert werden, selbst wenn die Berufungsverhandlung die lln schuld des Angekl. ergibt. Vgl. Löwe-Hellweg, Komm §368 N. 2. B.-B. 8 1*04 IV; a. M. v. Kries, Rechtsm. S. 97, 160 ff. Lehrb. S. 658 ff. Vgl.

; | ■ | ' I

zu der Frage noch RMilG. 1, 162. 241. 2o8. 2, 136 u. unten S. 350 Note 2. 17 Es ist nur ein „Entweder — Oder" denkbar, RMilG. 4, 274. Das OKriegsGer. hatte erkannt: „Die Berufung wird verworfen, das Urteil wird auf­ gehoben. Das Verfahren wird eingestellt."

Die Beschwerde.

§ 89.

sächlicher wie rechtlicher Hinsicht herbeizuführen.

347 Sie richtet

sich also, StPO. 346, gegen die Beschlüsse des erstinstanz­

lichen oder des Berufungsgerichts und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des UR., des AR., des beauftragten 1 2und 3**

des ersuchten Richters.

Sie hat nur fakultativen Suspen­

siveffekt.- — Sie ist ferner das Rechtsmittel für Betroffene

(StPO. 346 Abs. 2, oben S. 172). Ausgeschlossen" ist die Beschwerde, a) soweit das

Gesetz Entscheidungen ausdrücklich der Anfechtung entzieht,* StPO. 346 Abs. 1; b) gegen Entscheidungen des CS®.6

und des RG., StPO. 346 Abs. 3; c) gegen Beschlüsse des erkennenden Gerichts (ob. S. 121) und gegen Verfügungen

des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts," soweit diese

1 oben S. 121 Anm. 3; vgl. auch Bind. S. 266. 2 StPO. 349. Abweichungen: a) stets aufschiebende Wirkung nach StPO. 81 Abs. 2 (Unter­ bringung in Irrenanstalt), GVG. 183 Abs. 2 (gegen Ordnungs­ strafen wegen Ungebühr, die außerhalb der Sitzung oder gegen Anwälte verhängt werden); b) n i e aufschiebende Wirkung nach GVG. 179 (gegen sonstige lln gebührstrasen), StPO. 123 (gegen Aufhebung des Haftbefehls), StPO. 360 Abs. 2, 386 Abs. 2 (oben S. 345 oben). 3 Soweit die Beschwerde nicht ausdrücklich ausgeschlossen, ist sie zulässig. Gerade umge­ kehrt die „Rechtsbeschwerde" nach MilStGO. 373 und die Be­ schwerde in Civilsachen CPO. 567. 1 GVG. 75 Abs. 2 (Ueber Weisung an SchG). StPO. 28 (Zulassung einer Ablehnung), 46

Abs. 2 (Gewährung der Wieder einsetzung), 200 (Aufklärung vor Eröffn.),GVG. 94 Abs. 1, StPO. 279 Abs. 2 (Ausscheiden von Geschworenen, S. 134, 4Bc> 5 A b), StPO. 388 (Unzuständigkeitserkl. des angegangenen Revis. Ger.), G. vom 20. Mai 1898 § 4 (Verpfl. der Staats­ kasse zur Entschäd. des im Wiederaufn.-Vers. Freigesproche­ nen), G. vom 14. Juli 1904 H 4 (desgl. bez. des unschuldig Verhafteten). Teilweise oder einseitige Unanfechtbark.: StPO. 180 (Eröffn, der VU., S. 293 ff.), 199 Abs. 3 (Beschl. über Gegenerkl. des Angesch.), 209. 270 (Eröffn. Beschl ). 5 Einzige Ausnahme GVG. 160, ob. S. 161. 6 auch außerhalb der Haupt­ verhandlung. Sehr bestritten, vgl. Löwe-Hellweg, Komm. § 347 N. 2

348

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelse

Entscheidungen der Urteilsfällung vorausgehen/ StPO. 347 S. 1; d) gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts,

352.

StPO.

Die einzige Ausnahme, in welcher die von

der StPO. 352 selbst so genannte

„weitere Beschwerde",

vgl. auch CPO. 568 Abs. 4, zulässig ist, bilden die Be­ schlüsse

und Verfügungen,

welche Verhaftungen be­

treffen, StPO. 112-126.

II. Nach StPO. 353 ist einfache und sofortige

Beschwerde zu unterscheiden. der Note?

Die Fälle der letzteren s. in

Beide Arten der Beschwerde unterscheiden sich

nur in folgenden Punkten: 1. Für die sofortige Beschwerde

gilt eine Frist von 1 Woche, die einfache Beschwerde ist fristlos,d. h. sie kann solange eingelegt werden, als die

Abänderung der Entscheidung noch ein gravamen beseitigt.

2. Die einfache Beschwerde ist beim judex a quo einzu­ legen, Einlegung beim Beschwerdegericht gilt nur in dringen­ den Fällen, StPO. 348 Abs. 1; die sofortige Beschwerde 7 Ausnahme StPO. 347 S. 2; Verwerfung des Unzuständ.Entsch. über Verhaftungen, Be­ Einwands; 209 Abs. 2, 270 schlagnahmen, Straffestsetzungen, Abs. 3: Eröffn, des Hauptvers, sowie gegen dritte Betroffene. berw. Verweisungsbeschluh; 363 Fernere Ausnahme StPO. 81 Abs. 2 Verwerfung der Be­ Abs. 3, ob. S. 242 s. Anm. 12. rufung als unzulässig; 412: s Als solches kommt wegen Entscheidungen aus An taff eines § 346 Abs. 3 nur die StK. in Wiederausn.-Antrags; 463 Abs.3. Betracht. Festsetzung subsidiärer Frei 9 StPO. 28 Abs. 1: Ver­ heitsstr. bei Strafbescheid; 494 werfung eitles Ablehnungsge­ Abs. 4: nach trägt. Festsetzung suches; 46 Abs. 3. 455 Abs." 3. einer Gesamtstr.; 501 Abs. 3*: 461: Verwerfung des Wieder­ Verurt. des Anzeigenden in die einsetzungsgesuches ; 81 Abs. 3: Kosten. Beobachtung in einer Irren­ 10 Ausnahmen: GBG. 183 anstalt; 122 Abs. 2: Verfall (Ungebührstrafe); StPO. 360 einer Sicherheit, S. 299; 180. Abs. 2, 386 Abs. 2 (Verwerfung 181; Eröffn, der VU.; 199 i des Rechtsm. durch judex a quoj. Abs. 3: Ablehnung der VU., Hier besteht 1 Woche Frist.

Die Berufung.

349

§ 90.

kann bei beiden Stellen gültig eingelegt werden, StPO.

353 Abs. 2 S. 2.

3. Die mit einfacher Beschwerde ange­

fochtene Entscheidung ist für den judex a quo abänder­ lich/' StPO. 348 Abs. 2, 3; die mit sofortiger Beschwerde

angefochtene ist es nicht, StPO. 353 Abs. 3. HI. Für beide Arten der Beschwerde gilt:

1.

Der

Vorderrichter hat die Beschwerde, wenn ihr nicht abge­

holfen wird oder werden darf, vor Ablauf von drei Tagen dem ®efd)toerbegerid)t11 12 vorzulegen, StPO. 348 Abs. 3. 2. Das Beschwerdegericht entscheidet ohne mündliche Ver­

handlung (jedoch StPO. 122, S. 278); Anhörung des Gegners wie der Staatsanwaltschaft

kann Ermittelungen 350. 351 Abs. 1.

anordnen

steht ihm frei; es

oder vornehmen,

StPO.

3. Das Beschwerdegericht verwirft ent­

weder die Beschwerde als unzulässig oder als unbegründet

oder es erläßt selbst die Entscheidung in der Sache." § 90.

Sie Berufung. Kries § 75.

Birkm. § 99.

B. B. 88 129. 130.

Hörn. § 142.

Bind. § 121.

1. Die Berufung ist das Rechtsmittel gegen SchG-

Urteile/ um deren Nachprüfung in tatsächlicher und recht-

11 Er hat sogar abzuhelsen, wenn er die Beschw. für be­ gründet erachtet, und er wird auch abhelsen dürfen, ohne datz Beschw. eingelegt ist. — Ab­ weichend StPO. '360,386 Abs. 2. 12 Dies ist gegenüber AR. und SchG, die StK., gegenüber StK., UR. und Mitgliedern des LG. das OLG. Nur in Rechtshilfe­

sachen, GVG. 160, und Sitzungs­ polizeisachen , GVG. 183, geht die Beschw. stets an das OLG. 18 Zurückverweisung in die Vorinstanz istalso, anders als nach CPO. 575, ausgeschlossen, a. M. RG. 19,337. Löwe-Hellweg N. 4. Birkm. 733. Kries 700. 1 und gegen Urteile des AR., StPO. 211 a. E. Keine Be-

Abschn. I.

350

Kap. III.

licher Hinsicht herbeizuführen. Neue Beweismittel sind

Die Rechtsbehelse.

StPO. 354. 364 Abs. 3.

zulässig (beneficium novorum).

Eine Bezeichnung der angefochtenen Punkte, eine Begrün­ dung des Rechtsmittels ist nicht nötig.

Erfolgt sie, so ist

die Berufungsverhandlung und die Tätigkeit des Gerichte auf diese Punkte beschränkt, StPO. 359. 368, und alle

übrigen, nicht präjudiziellen Punkte erwachsen in Rechts

kraft?

Erfolgt sie nicht, so gilt der ganze Inhalt des

Borderurteils als angefochten, StPO. 359 S. 2.

RG.

33, 339.

II. Die Vorbereitung der Hauptverhandlung erfolgt, da die Berufung grundsätzlich wie eine erstinstanz­ liche Verhandlung (vollständige Neuaufrollung und Neu­

prüfung des Beweismaterials) behandelt wird, genau wie in erster Instanz, StPO. 373. 364 Abs. 1.

Die Ladung

des Angeklagten enthält einen Hinweis auf § 370 (unten V); sie muß auch erfolgen, wenn Angehörige die Berufung er­ griffen haben, StPO. 364 Abs. 1 S. 2. 371. Die in erster Instanz vernommenen Zeugen und Sachverständigen

müssen stet- geladen werden; es sei denn, daß ihre wieder­

holte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich

erscheint, StPO. 364 Abs. 2. unserem § 79 Gesagte.

Im übrigen gilt alles in

Auch wenn der Angeklagte keinen

förmlichen Ladungsantrag nach StPO. 218 stellt, ist auf die bloße Benennung von Personen in der Berufungsrecht­

fertigung Rücksicht zu nehmen, StPO. 364 Abs. 4. rufung gegen Urteile der StK. und de» SchwG. Anders die MilStGO., die im nichtsummarischenVerfahren stets Berusung kennt, 88 378. 419. 1 oben S. 346 Anm 16. Das

I Urteil erwächst in „objektiv re' lative Rechtskraft", B.-B. 440, z. T. abweichend RMilG. 2, 184; dagegen Beling, Zisch, s. ' StrRMss. Bd. 24 ®. 273. |

Die Berufung.

| 90.

351

III. Der Gang der Hauptverhandlung bewegt

sich nach der Darstellung unseres § 81.

Doch schiebt sich

zwischen Nr. 3 und 4 ein Vortrag des Berichterstatters über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens ein, bei

welchem das Urteil erster Instanz stets

StPO. 365. fällt fort.

zu verlesen ist,

Nr. 5, Vorlesung des Eröffnungsbeschlusses,

Nr. 9 und 10 sind hier: Schlußvortrag des

Beschwerdefiihrers (Appellanten, Provokanten), und: Schluß­ vortrag des Gegners (Appellaten, Provokaten), StPO. 367.

Die Beweisaufnahme weicht ebenfalls von dem in unserem § 82 Erörterten nicht grundsätzlich ab. Doch gelten die Regeln S. 317, 320 in Privatklage- und Über­

tretungssachen

(in

welchen die

Berusungs-StK.

Richtern besetzt ist) nicht, StPO. 244 Abs. 2.

mit

3

Im üb­

rigen aber besteht Gebundensein des Gerichts, trotz der

Freiheit in erster Instanz (da für die SchG. § 244 Abs. 1 nicht gilt). — Die nochmalige Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen darf — eine erhebliche Beeinträch­

tigung der Unmittelbarkeit (ob. S. 63) — durch Verlesung der Aussageprotokolle aus erster Instanz" ersetzt werden, StPO. 366; es sei denn, daß die wiederholte Vorladung

erfolgt oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Haupt­ verhandlung beantragt ist.

In diesen Fällen darf die Ver­

lesung nur stattfinden, wenn Staatsanwaltschaft und An­ geklagter zustimmen.

Endlich enthält StPO. 366 a. A.

noch den Satz, daß verlesbare Schriftstücke schon bei der Berichterstattung, also vor der eigentlichen Beweisaufnahme, verlesen werden können.

8 Daher die Vorschrift über Protokollierung dieser Aussagen in StPO. 273, ob. S. 141 d.

352

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

IV. Das Urteil des Berufungsgerichts (vgl. uns. § 88 III Nr. 9) lautet nach Ermessen auf Zurückverweisung in

die Vorinstanz, wenn das erste Urteil an einem revisiblen

prozessualen Mangel leibet

Eine

StPO. 369 Abs. 2.

Besonderheit gilt fiir den Fall, daß die erste Instanz ihre Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat, StPO. 369 Abs. 3.

Es erfolgt dann Aufhebung

Verweisung an das zuständige Gericht? dung ergeht in Urteilsform.

des Urteils

und

Diese Entschei­

Ist die StK. selbst örtlich

und sachlich zuständig, so fällt die Verweisung fort und

die StK. erkennt sofort6 in der Sache selbst, ebenfalls unter Aufhebung des früheren Urteils.

Hierbei ist aber

die StK. als Gericht erster Instanz tätig, danach bestimmt sich Gang der Hauptverhandlung, Art der Beweisaufnahme und Anfechtbarkeit des Urteils?

V. Ein echtes Kontumazialverfahren gegen den

Angeklagten

schreibt

370

StPO.

vor.

Bleibt

er

als

Appellant unentschuldigt aus und sendet auch keinen zu-

* d. h. an einem Mangel, welcher die Revision wegen Ver­ letzung einer Rechtsnorm über das Verfahren (StPO. 376 —378) begründen würde, falls nämlich das erste Urteil mit der Revi­ sion statt mit der Berufung an­ fechtbar wäre. Das Revisions­ recht gilt insoweit demnach auch für die Berufungsinstanz. Die Fassung von StPO. 377 Z. 2 und 3 trägt dem durch die (sonst sinnlose) Erwähnung des Schöffen Rechnung. — Ob der Mangel gerügt ist, bleibt gleichgültig, falls er nur nicht durch den Eintritt relativer Rechtskraft

|i I 1

gedeckt ist, vgl. Bind. 248. 5 also bei bloß örtlicher Un­ zuständigkeit an ein anderes SchG., fei es im gleichen, sei es in einem andern LGBezirk; bei bloß sachlicher Unzuständigkeit an das SchwG. ober das RG. — wegen der StK. s. Text; bei örtlicher und sachlicher Uiuuft. an ein anderes LG., sei es StK. sei es SchwG. 6 Ohne Verweisungsbeschluß, aber ev. mit Zuziehuna von 2 weiteren Richtern, vgl. GVG. 77. RG. 1», 173. - RG. 9, 282. 20, 390. 22, 113. 35, 157.

% 91.

Die Revision.

353

lässigen Vertreter (S. 201 f.), so wird seine Berufung sofort verworfen. Über die darin liegende Fiktion S. 80, 4.

Ist er nicht Appellant, so kann, auch wenn die Berufung zu seinen Gunsten ergriffen ist, ohne seine Gegenwart ver­ handelt werden?

Es kann aber auch Vorführungs- oder

Haftbefehl ergehen, StPO. 370 Abs. 1. a. E. 371 a. E. Gegen jedes ohne seine Gegenwart ergangene Urteil hat der Angeklagte die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, StPO.

370 Abs. 2.

§ 91.

Nie Nrviston. Kries § 76.

bis 145.

Birtm. § 100.

Bind. § 122.

B.-B. §§ 131-133.

Ullm. §§ 143

Löwenstein, Revision in Strafsachen. Berlin 1900.

I. Tie Revisioni richtet sich gegen alle Urteile der

StK. und der SchwG., sowie gegen diejenigen dem Urteil

vorausgegangenen Entscheidungen,

welche

das Urteil von Einfluß gewesen sind,

vermutlich

auf

StPO. 374. 375.

Sie will eine Nachprüfung in rechtlicher Hinsicht, aber nur

in Beziehung auf einzelne ausdrücklich gerügte Punkte her­

beiführen, StPO. 376. 384.2

Während die Berufung im

Zweifel unbeschränkt den ganzen Umfang des Vorderurteils

ergreift, ist die Revision stets beschränkt.

Es ist daher

stets eine Bezeichnung der angefochtenen Punkte, eine Be8 im ersten Fall ohne Be­ • Hellweg, N. 1 vor § 374. weisaufnahme — Kon tuma- I Bind. 250. zialverfahren; im zweiten 2 Sje ist, nach Bindingmit Beweisaufnahme — Ereschem Ausdruck, stets echtes modizialverfahren; vgl. Zweitinstanzversahren, während Beling, B.-B. 520, 578. die Berufung ebensogut ein 1 Der Name paßt nicht; zweites Erstinstanzversahren sein „Nichtigkeitsbeschwerde" wäre die kann. bessere Bezeichnung. L öwe23 Rosenfeld, Reichrstrafprozetz. 1 1. Aufl.

Abschn. 1.

354

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

gründung der Revision, sog. Revisionsanträge, StPO. 348,

notwendig. II. Die Voraussetzungen jeder Revision, und zwar

sowohl im Civil- wie im Strafprozesse, CPO. 549, StPO

376, sind 1. Behauptung einer Gesetzesverletzung;^

2. Behauptung eines Kausalzusammenhanges zwischen der Gesetzesverletzung und dem Urteil.

Gesetzesverletzung reicht

demnach

Der Nachweis einer

nicht zum Erfolg

der

Revision aus, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf das Urteil gehabt haben !oiin.3 4 * 6Dagegen stellt StPO. 377 in einer Reihe von Fällen eine unwiderlegliche Rechts

Vermutung für den Kausalzusammenhang auf. Diese Fälle decken sich im Straf- und Civilprozeß (CPO. 551) zum

Teil: a) ungehörige Zusammensetzung

des Hauptverhand­

lungspersonals; b) irrige Annahme der örtlichen oder sach­

lichen Zuständigkeit;« c) Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit;7 d) Fehlen der Entscheidungsgründe. 3 Die Unterschiede, die CPO. 549 u. d. Kais. Bdg. v. 30. Sept. 1879 macken, kommen hier nicht in Betracht. Vgl. aber GVG. 123 Z. 3, oben S. 119. — „Gesetz" ist nach StPO. 376 Abs. 2 gleichbedeutend mit Rechtsnorm; nicht revisibel sind also Verwaltungsnormen, Dienstbefehle usw. * so RG. 1, 210. 254. 9, 69. 310. 10, 135. 20, 33. 29, 294 (299). 31, 135. RMilG. 1, 232. 4, 5. 5, 184. 6 Z. 1, 2, 3, 5 in StPO. 377. CPO. 551. Z. 1: nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, vgl. S. 123 Anm. 2, 90 Anm. 3, 63 Anm. 3, oder der Geschworenenbank, S. 134, 135 Nr. 5. — Z. 2: Mitwir­

i ; I I

! • ; ' | ! , I

!

kung eines judex inhabilis, uns. §29111, S. 124 Anm. 3. Z. 3: Mitwirkung eines abae lehnten Richters, wenn das Ab lehnungsgesuch entweder für be gründet erklärt war oder (diese Alternative fehlt in CPO. 551 mit Unrecht verworfen worden ist, uns. § 29 IV. — Z. 5: Ab Wesenheit der StAnwschast oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, uns. §801. II, S. 196.309.63Anm.3: CPO 551 ist natürlich abweichen!) formuliert. 3 Z. 4 in StPO. 377. CPO 551; letztere nennt auch die Un zuständigkeil, waS nach StPO. 16. 18. 270 unnötig ist. 7 Z. 5, uns. § 14. 8 Z. 6, vgl. S. 149 f., 332 f.

Die Revision.

355

H 91.

Dazu tritt e) speziell für den Strafprozeß als Z. 8 in

§ 377 der Fall, daß die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkte durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

III.

Revisionsbeschränkungen

finden sich

in

folgenden Bestimmungen: 1. Die Revision zu Ungunsten

des Angeklagten kann nicht auf prozessuale Rechtsnormen gestützt werden, welche lediglich zu Gunsten des Ange­ klagten gegeben sind, StPO. 378?

klagte von den Geschworenen

2. Wenn der Ange­

für nicht

schuldig

erklärt

worden ist,10 so hat der StAnw. die Revision nur wegen unrichtiger Fragestellung und wegen ungehöriger Zusammen­ setzung des Hauptverhandlungspersonals (oben II a); wegen

anderer prozessualer Mängel niemals, StPO. 379.

3. Die

Urteile der BerusungsStK. sind wegen prozessualer Mängel überhaupt nicht anfechtbar," StPO. 380.

Eine Ausnahme

bildet die Verletzung des § 398, also der Fall, daß eine

BerustlngsStK., nachdem ihr früheres Urteil vom Revisions­ gericht aufgehoben und die Sache zurückverwiesen ist, ent­ weder a) sich nicht an die Rechtsansicht des Revisionsge­

richts bindet; oder b) in dem neuen Urteil eine härtere

Strafe verhängt,

wiewohl das

frühere Urteil nur von

dem Angeklagten (bezw. zu seinen Gunsten) angefochten worden war. 2 95. " RG. 5, 218, und (kaum zuDie Beruf.StK. können sich Irefsend) 3, 384. 29, 44. 10 Durch einen korrekt zu­ : somit ohne Gefahr für ihr Urteil stande gekommenen Spruch, bei i über sämtliche Vorschriften der StPO, hinwegsetzen und diese dem das Berichtigungsversahren Suveränetät ist der Praxis nicht weder fälschlich angewendet, noch unbewußt geblieben. Scharf fälschlich unterlassen ist, vgl. Löwe-Hellweg, R. 4. 5. gegen die verfehlte Bestimmung B.-B. 8 132,1 2. RG. 6, 317. Löwe-Hellweg N. 4. 23*

Abschn. I.

356

TV.

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

Die prozeßrechtliche (d. h. auf Verletzung

einer Rechtsnorm über das Verfahren gestützte) und die

materiellrechtliche Revision unterscheiden sich außer in der Zulässigkeit12 auch in der Begründung, die ersehen lassen muß, welche von beiden Revisionen gemeint ist, StPO.

384 Abs. 2.

Auch tritt für die prozeßrechtliche Revision

noch ein Mußerfordernis hinzu:

Bezeichnung der

den Mangel enthaltenden Tatsachen, StPO. 384 Abs. 2

S. 2.

Im Fall der Unterlassung würde Verwerfung des

Rechtsmittels als unzulässig durch das Revisionsgericht nach

§ 389 Abs. 1 erfolgen.

Die bezeichneten Tatsachen unter­

liegen der Beweisaufnahme und Prüfung in der Revision?

instanz, StPO. 392 Abs. I.13

Dies ist die einzige Mög­

lichkeit, wie ein Revisionsgericht in das Gebiet tatsächlicher Feststellungen hinübergreifen darf. — Bei der materiell­ rechtlichen Revision ist eine gleiche genaue Bezeichnung des

gerügten Fehlers nicht nötig.

Wird nur gesagt, der Dieb-

stahlsbegrifs sei verkannt, oder StGB. 242 sei unrichtig

angewendet, so genügt das.

Das Revisionsgericht hat nun­

mehr von Amtswegen zu prüfen, ob bei der Verwendung des Diebstahlsbegriffes oder des § 242 StGB, irgend ein nur

erdenklicher Rechtsirrtum

untergelaufen

sei.

Jedes

Mehr von Begründung ist überflüssig, aber auch, wenn

unrichtig, unschädlich,'^ StPO. 384 Abs. 2. 392 Abs. 2. V. Als Revisionsgericht kann (S. 12 oben II, III. Begünstigung der prozeßrechtlichen Revision durch § 377, Beschränkung durch §§ 378-380. 13 Auch hier gilt StPO. 153 Abs. 2 und Prinzip der mate­ riellen Wahrheit. Ueber Einzel­

118f.) das

heiten s. B.-B. 590 Anm. 12. Seltsame Einschränkung in 9t (ti 35, 164. u Rügt der Angeklagte also Verletzung des § 242 StGB., „weil er zur Zeit des Diebstahls meilenweit entfernt gewesen sei",

Die Revision.

RGer.,

das zentrale OLG.,

Betracht kommen.

§ 91.

357

oder das lokale OLG. in

Der StAnw. sendet (§ 387, S. 345)

die Akten an das seiner Meinung nach zuständige Revi­ sionsgericht. Findet dieses, es sei unzuständig, so erläßt es einen Beschluß (StPO. 388), in dem es a) seine Un­

zuständigkeit ausspricht, b) das zuständige Revisionsgericht

bezeichnet.

Der Beschluß ist unanfechtbar, wie schon aus

StPO. 346 Abs. 3 folgen würde, und er bindet das be­

zeichnete Gericht (RG. 35, 157). VI. Für die Hauptverhandlung gilt außer H 396 keine dem § 373 analoge Vorschrift, sie steht daher weder unter dem Prinzip der Unmittelbarkeit (S. 63 f. Anm. 7),

noch unter den Regeln für die Beweisaufnahme (S. 317 ff.).

Der Angeklagte braucht in der Revisionsverhandlung nicht zu erscheinen und wird daher auch nicht förmlich geladen,

StPO. 390; wenn er nicht auf freiem Fuße ist, hat er nicht einmal einen Anspruch auf Anwesenheit, Abs. 2.15

Doch darf er sich stets durch einen Verteidiger vertreten lassen (S. 201 f.).

Die Hauptverhandlung beginnt mit dem

so läuft der Sap mit „weil. .." offenbar aus eine Bekämpfung der tatsächlichen Feststellung hinaus; er enthält also eine un­ richtige und sogar unlogische Be­ gründung der voranstehenden Be­ hauptung. Aber nach § 392 Abs. 2 ZlPO. ist er unschädlich; es ist aljo so anzusehen, als wenn er gar nicht da stünde. Demnach hat das Revisionsgericht nach allen Richtungen die Anwendung des 8 242 StGB, durch die Bor­ instanz zu prüfen und also stets durch Urteil, nicht etwa durch Beschluß zu entscheiden. Ab­ weichend die Praxis mancher

OLG. — Ander« liegt die Sache natürlich, wenn der Angeklagte lediglich ansührt, „er sei un­ schuldig verurteilt worden", RG. 1, 257. — Sehr eigentümlich RG. 35, 368 durch die Berück­ sichtigung nicht sestgestellter Tat­ sachen, die durch andere vom OberReichsAnw. ad hoc herbeige­ zogene Akten bewiesen wurden. Somit Veranstaltung einer neuen Beweisaufnahme! 15 Als gleichgültig muß daher auch seine „Verhandlungsfähigkcit" erscheinen; anscheinend a. M. RG. 34, S. 308.

358

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelse.

Vortrag eines Berichterstatters; dann folgen die Plädoyers

und die Urteilsfällung, StPO. 391. VII. Ist die Revision nicht als unzulässig zu verwerfen

(oben § 88 III 7), so kommt es zum Urteil.

Dieses

lautet, wenn und soweit an dem Vorderurteil nichts aus­

zusetzen ist, auf Verwerfung der Revision als unbegründet. Andernfalls ist jedenfalls das angefochtene Urteil aufzu­ heben, StPO. 393 Abs. 1, im übrigen aber zu unter­ scheiden.

1. Bei prozeßrechtlicher Revision kommt es darauf

an, inwieweit das frühere Verfahren auf dem gemachten

Fehler beruht. zuheben.

In dieser Ausdehnung ist es ebenfalls auf­

Das spricht StPO. 393 Abs. 2 zwar nur für

die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen aus, es ist aber auf jeden Teil des früheren Verfahrens zu er­

strecken.

Bei Aufhebung wegen unrichtig angenommener

Zuständigkeit wird auf Verweisung der Sache an das

zuständige Gericht

erkannt,

StPO.

2.

395.

Bei der

materiellrechtlichen Revision — wenn also die tatsächlichen

Feststellungen an sich in legaler Weise getroffen sind, jedoch bei Anwendung des materiellen Strafgesetzes auf sie ein Subsumtionsfehler begangen ist — hat das Revisionsge­ richt, ohne weitere tatsächliche Erörterungen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn a) auf Freisprechung, b) auf

Einstellung (RG. 36, 64), c) auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist, oder wenn d) das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Anträge der Staatsanwalt­ schaft die gesetzlich

achtet,

niedrigste Strafe für

StPO. 394 Abs. 1.

wird die Sache

angemessen er­

In allen übrigen Fällen

„zur anderweiten Verhandlung und Ent­

scheidung" — also implicite unter Aufhebung der dem Ur16 Die Fälle c und d fehlen in MilStGO. 412.

Die Revision,

g 91.

359

teil zu Grunde liegenden Feststellungen und überhaupt des

Hauptverfahrens vom Beginn der Hauptverhandlung ab — zurückverwiesen, und zwar entweder a) an das gleiche Gericht, oder ß) an ein benachbartes Gericht17 18gleicher

Ordnung in demselben Bundesstaat, oder /) an ein Gericht

niederer Ordnung, wenn die noch in Frage kommende straf­ bare Handlung zu dessen sachlicher und örtlicher Zuständig­ keit gehört, StPO. 394 Abs. 2 und 3.

VJII. Gehen Vorderrichtcr und Revisionsrichter in der rechtlichen Beurteilung der Sache auseinander, so

muß einer von beiden endgiltig Recht behalten.

Demgemäß

ordnet StPO. 398 Abs. 1 an, daß das Vorgericht in der

erneuten Hauptverhandlung, ebenso aber auch jedes sonstige (Bericht, an welches die Sache aus der Revisionsinstanz ver­

wiesen oder zurückgewiesen ist, die rechtliche Beurteilung,

welche der Aushebung des Urteils zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat.^

So­

weit abstrakte Rechtsfragen ins Spiel kommen, ist in diesem

Zusammenhang zu erwähnen, daß das RG. (nicht aber ein

sonstiges Revisionsgericht) durch GVG. 137 gebunden ist. So­ bald die gleiche Rechtsfrage bereits einen andern StrSen. oder CivSen., oder die vereinigten StrSen. oder CivSen.

oder das Plenum beschäftigt hat, kann der betreffende Senat nicht mehr allein entscheidend9

IN. Eine Durchbrechung der relativen Rechtskraft führt 17 nicht an eine andere Ab­ teilung desselben Gerichts, wie (LPO. 565 Abs. 1 S. 2. 18 Wird gegen das neu er­ gehende Urteil abermals Revision, möglicherweise (GVG. 123 Z. 3) an ein anderes Revisionsgericht eingelegt, so ist auch dieses durch

§ 398 Abs. 1 in seiner Rechts­ anschauung für gebunden zu er­ achten, RG. 6, 358. 19 Wegen der Besetzung s. GVG. 139.140. Die vereinigten StrSen. müssen danach mit min­ destens 19 Räten besetzt sein.

360

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechlsbehelse.

StPO. 397 durch die Revisionserstreckung ein.

Er­

folgt auf eine materiellrechtliche Revision hin die Auf­ hebung eines Urteils zu Gunsten eines Angeklagten, und

erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch

auf andere Angeklagte, welche die Revision nicht eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls die Revi­

sion eingelegt hätten?"

§ 92. Bit Wiederaufnahme. Kries § 78. Birkm. § 102. B.-B. §§ 134—136. 138. Uüni. §§ 147—149. Bind. § 124. Woermann Wiederaufn.-Vers. und Entscheid. unsch. Verurteilter. Berlin 1899.

I. Das

außerordentliche Rechtsmittel der Wieder­

aufnahme des

Verfahrens

kräftiges Urteil voraus.

setzt allgemein

ein rechts­

Im übrigen ist Wiederaufnahme

zu Gunsten (§ 399) und zu Ungunsten (§ 402) des Ver­

urteilten zu unterscheiden.

Gemeinsame Gründe für

beide sind: Nr. 1. Urkundenfälschung oder -Verfälschung;'

Nr. 2. vorsätzlicher oder fahrlässiger Meineid eines Zeugen oder Sachverständigen; Nr. 3. strafbare Verletzung der Amtspflich

ten durch Richter, Geschworene oder Schöffen, namentlich Be stechung (StGB. 334) und Rechtsbeugung (StGB. 336).-' 20 Es wird ein gravamen ■ Lb es in Nr. 1 stets eine straf commune verlangt, lieber Ein I bare Tat sein muß, ist bestritten, vgl. Löwe-Hellweg N. 7. zelfragen v. Kries 691, LöweHellwea, N. 2 b, d, 4. B.-B. ! Beling B.-B. 600 Änm. Io. Wie der Text Boitus, Thilo, 593 N. 20. 21. RG. 3, 283. 16, 417. 34, 239. 36, 33. 247. v. Kries, Birkmeyer. 2 Hat der Verurteilte diese 1 Die Straftat mutz zu U n gunsten des Verurteilten be­ Straftat selbst veranlaßt, so findet . Wiederaufnahme z u gangen sein, um die Wiederauf­ nahme zu seinen Gunsten zu seinen Gunsten nicht statt. begründen, und umgekehrt. —

Die Wiederaufnahme.

K 92.

361

Wegen dieser Straftaten muß rechtskräftige Verurteilung er­ gangen sein oder die Einleitung oder Durchführung des Straf­

verfahrens aus anderenGründen als wegen Mangels anBeweis nicht erfolgen können; sonst ist der Antrag auf Wiederaufnahme nicht zulässig, StPO. 404.

Besondere Gründe a) für

die Wiederaufnahme zu Gunsten des Verurteilten sind § 399

Nr. 4: wenn ein civilgerichtliches Urteil, auf welches das

Strafurteil (nach StPO. 261 Abs. 2) gegründet ist, durch

ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; Nr. 5 : wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen

Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in An­ wendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Be­ strafung zu begründen geeignet sind;:J b) für die Wieder­

aufnahme zu Ungunstcn des Verurteilten § 402 Nr. 4 .

wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außer: gerichtlich

ein

glaubwürdiges

Handlung abgelegt wird.

Geständnis

der

strafbaren

Eingeschränkt ist die Wiederauf

nähme durch § 403: dem Zwecke

bloßer Strafänderung

innerhalb des gleichen Strafrahmens dient sie nicht.

Vgl.

auch § 411 Abs. 1, unten VI. II. Der Antrag auf Wiederaufnahme (§ 406) hat keinen

Devolutiveffekt.

Es entscheidet diejenige Instanz, die das

angefochtene Urteil erlassen hat; die Revisionsinstanz jedoch

nur, weun Straftaten der Richter behauptet werden; sonst die vorhergehende Instanz, § 407 Abs. 1 S. 2. ist

über die

Zulassung

des

Antrags

zu

Zunächst

entscheiden

(§ 407 Abs. 1), ohne mündliche Verhandlung (Abs. 2), 3 Einschränkung der Nova bei Anfechtung von SchGUrteilen durch § 399 "Nr. 5 S. 2.

4 Wohl aber hat sie möglicher­ weise diesen Erfolg, RG. 30 421.

Abschn. I.

362

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

doch event, nach Erklärung der StAnwschaft (§ 33).

Der

Antrag wird entweder als unzulässig verworfen (§ 408

Abs. 1: wegen mangelnder Form oder mangelnder An­ führung eines Grundes oder Beweismittels) oder ausdrück­

lich zugelassen 6 und dem Gegner mit Fristbestimmung zur Erklärung mitgeteilt (§ 408 Abs. 2). — Wegen des Sus­

pensiveffektes s. § 400 und oben S. 342 f. III. Im günstigen Fall erfolgt nunmehr ein Vorver­

fahren durch Beweiserhebung vor einem beauftragten Richter (bezw. beim AG. vor dem AR.), wobei die gleiche

Parteienöffentlichkeit wie in der Voruntersuchung gilt, StPO. 409.

scheidet

Das Gericht (nicht der beauftragte Richter) ent­ nach

freiem Ernlessen

über

die Beeidigung

der

abweichend

von

Zeugen und Sachverständigen (Abs. 2, StPO. 65).

Unter abermaliger Fristsetzung werden als­

dann die Parteien zur ferneren Erklärung aufgefordert.

IV. Das Gericht trifft jetzt eine zweite Entscheidung" über den Antrag, nicht über seine Zulässigkeit, sondern über

seine Aussichten.

Er wird

als

unbegründet

ver­

worfen, wenn entweder der behauptete Wiederaufnahme­

grund keine Bestätigung gefunden hat, oder wenn die etwa vorliegenden Verbrechen

der Urkundenfälschung

oder des

Meineids (Nr. 1 und 2 in §§ 399. 402) für das Urteil nicht kausal gewesen sein können, StPO. 41 o.

Andern­

falls wird die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Er­ neuerung der Hauptverhandlung verordnet. V. Die erneute Hauptverhandlung ist von der

früheren durchaus unabhängig und sachlich so zu handhaben, 6 Für unnötig erklärt durch I 6 Sie ist unerläßliche Prozeßv. Kries, Stenglein, Be- I Voraussetzung, RG. 35, 351. ling. |

Die Viederaufnahme.

§ 92.

363

als wenn die frühere gar nicht stattgefunden hätte?

Eine

Bezugnahme auf sie liegt nur in dem Verbot der refor­ matio in pejus, StPL. 413 Abs. 2, sowie in der Fassung des Urteils, Abs. 1. Dieses lautet günstigen Falles auf

Aufhebung des früheren Urteils und entscheidet dann zu­ gleich anderweit in der Sache; ungünstigen Falles erhält

das neue Urteil das ftühere aufrecht.

VI. LhneErneuerungder Hauptverhandlung kann

entschieden werden? a) wenn der Verurteilte bereits ver­ storben ist (§ 401):

kann nicht aus glatte Freisprechung

erkannt werden, so ist der Antrag hier überhaupt als un­ statthaft anzusehen und daher abzulehnen, § 411 Abs. 1. b)

Wenn

sonst

genügende Beweise vorliegen,

kann bei

Privatklagen ohne weiteres, bei öffentlichen Klagen mit Zustimmung der StAnwschaft sofortige Freisprechung er­

folgen, Abs. 2.

Die Aufhebung des früheren Urteils ist

auf Verlangen öffentlich bekannt zu machen,'-' Abs. 3 und 4. VII. Die Entschädigung unschuldig Bestrafter ent­

spricht einem einfachen Gedanken der Gerechtigkeit, der in­ des erst durch das G. vom 20. Mai 1898 bei uns Ge­

stalt gewonnen hat.

1. Aktiv legitimiert ist zunächst der

ftühere Verurteilte unter folgenden Voraussetzungen, a) wenn er fteigesprochen oder aus milderem Strafgesetz geringer

bestraft ist; b) wenn er die ftühere Strafe wenigstens teil­ weise verbüßt

hat;

Unschuld

doch

oder

c) wenn die Wiederaufnahme seine die

Abwesenheit

7 vgl. hierzu RG. 2, 323, 4, 426 (jedoch oben S. 313 f. und 5, 429). 18, 417 (ob. S. 237, Anm. 34). 22, 98, 29, 279/280. 30, 421. 35, 409.

begründeten

Ver-

s durch Beschluß vgl. S. 148, Anm. 22. 9 weil sie eben nicht durch Urteil erfolgt, also nicht öf­ fentlich verkündet wird.

Abschn. I.

364

bödjty10 ergeben;

Die Rechtsbehelse.

Kap. III.

d) wenn er die frühere Verurteilung

nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig 11 verschuldet hat, § 1

Abs. 1, 3, 4. 1 d gegeben,

2

Aktiv legitimiert ist ferner,

falls nicht

wer gegenüber dem Verurteilten unterhalts­

berechtigt war, § 1 Abs. 2 und 3.

3. Passiv legitimiert

ist die Reichskasse oder die Kasse desjenigen Bundesstaates, dessen Gericht in

4.

erster Instanz erkannt hat, §§ 2. 6.12

Gegenstand des Ersatzes ist nur der durch die Straf

Vollstreckung dem Verurteilten entstandene Vermögens schaden, bezw. dem Unterhaltsberechtigten entzogene Unter­

halt.

5. Die Etappen der Entschädigungsseststellung sind :

a) Beschluß des Wiederaufnahmegerichts, der nur ausspricht,

daß die Staatskasse entschädigungspflichtig sei.

schluß ist ein „besonderer" ,

Dieser Be­

er wird gleichzeitig mit dem

Urteil gefaßt, tritt mit dessen Aushebung auch außer Kraft, wird aber nicht mit verkündet,

sondern zugestellt, § 4.

Der Beschluß ist unanfechtbar, seine Unterlassung ist da­ gegen

anfechtbar,

b) Entscheidung im Verwaltungswege.

Von der Zustellung des Beschlusses a läuft eine Frist von 3 Monaten, innerhalb deren der aktiv Legitimierte einen

Antrag auf Entschädigung beim StAnw. bezw. Reichsan­ walt zu stellen hat. Über denselben entscheidet der Justiz

minister

bezw. der Reichskanzler

c) Entscheidung im Rechtswege.

§ 5 Abs.

1,

2. §

6.

Von der Zustellung der

Entscheidung b läuft eine Ausschlußsrist von 3 Monaten,

innerhalb deren die Berufung auf den Rechtsweg durch

10 zu mindest in Hinsicht auf einen qualifizierenden Umstand. 11 Versäumung eines Rechts­ mittels fällt nicht darunter, § 1 Abs. 3.

" Uebergang etwaiger Ent schädigungSsorderungen gegen Dritte von Gesetzes wegen an die zahlende Kasse, § 3 Abs. 2, vgl. § 5 Abs. 4.

Absolut nichtige Urteile.

Magerhebung

% 93.

verfolgt werden muß.

365

Ausschließlich

zu­

ständig sind die Civilkammern- der LG., § 5 Abs. 3. GBG.

70 Abs. 2. CPO. 547 Z. 2.

8 "3. Absolut nichtige Urteile. >rries S. 708, 709. B.-B. § 77 III. § 139 VIII. Bind. § 118 III 1. 2. § 119 III. Söfft er Unheilb. Nichtigkeit im österr. StrBersahren, 1904 (auch in Grünhuts Ztschr., Bd. 31).

Die herrschende Lehre bestreitet die Möglichkeit nichtiger Urteile.

Aber wenn ein ordentliches deutsches Strafgericht

auf Prügelstrafe oder auf 20 Jahre Zuchthaus erkennen oder einen 10 jährigen zu Gefängnis, einen 16 jährigen zu Zuchthaus

verurteilen würde,

so

könnten

solche Urteile

keinen Bestand haben, schon weil die Vollstreckung ein Ver­ brechen gegen StGB. 345 darstetlen würde.

Deshalb muß

mit Binding, Ltker. Beling u. a. das Vorkommen

absoluter Nichtigkeit anerkannt werden/ und zwar nicht

nur bei eklatanter Mißachtung

des materiellen Rechtes,

sondern auch der prozessualen Bestimmungen.

So wird

man, wenn etwa ein deutsches Gericht den König

Belgien verurteilt,

schon

aus

von

völkerrechtlichen Gründen

den: Urteil kein Gewicht beilegen können.

Und ebenso­

wenig darf das von einem SchG, oder einer StK. gefällte

Todesurteil zur Vollstreckung gebracht werden. 1 Gelegentlich auch NG. 23, 417. In einer Privatklageverhandlung zeigte sich, daß Ver­ gehen gegen'StGB. 223 a. 241 vorläge. * Das SchG, erließ, statt Urteils nach StPO. 429, Beschluß nach StPO. 270. Die StK. erkannte darauf, statt den

Andrerseits

Beschluß als nichtig zu behandeln. RG. bemerkt dazu: „Daß ein Beschluß, der dem Gesetze zuwider gefaßt worden, der rechtlichen Gültigkeit entbehrt und deshalb auch rechtsaültige Wirkungen nicht haben kann', kann nicht in Frage gestellt werden."

Abschn. I.

366

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

kann es keinem Zweifel unterliegen, daß viele materiell­

rechtliche wie prozessuale Verstöße durch Erwachsen des Ur­ teils in formelle Rechtskraft heilen.

Insbesondere dürften

drei Gesichtspunkte nicht außer Acht zu lassen sein: 1. Nurmanifeste Fehler sind insanabel, d. h. aus dem Urteil

selbst offensichtlich hervorgehende Widersprüche des sestgestellten Sachverhaltes mit der ausgesprochenen Rechtsfolge. Beispiel: Verurteilung eines Elfjährigen zu Strafe.

Da­

gegen machen latente Fehler, d. h. solche, bei denen erst eine nachträgliche tatsächliche Aufklärung den Widerspruch

mit dem Gesetz darlegt, das Urteil niemals absolut nichtig.

Beispiel: Das Urteil stellt tatsächlich fest, der Angeklagte

sei 12 Jahre alt, und verhängt Strafe; hinterher ergibt

sich, daß die tatsächliche Feststellung auf einem Irrtum be­ ruht, daß der Angeklagte in Wahrheit erst 11 Jahre alt

war.

Es muß, falls nicht Wiederaufnahme möglich ist,

bei der Strafverhängung bleiben, zumal ja auch Revisions­

einlegung nichts an dem Resultat würde ändern können. 2. Die in StPO. 377, erwähnten prozessualen Verstöße werden durch dre Rechtskraft

Sinnt. I.2 3

geheilt, vgl. ob. S. 207

3 Ein äußerlich inkorrektes Urteil ist niemals

2 Aehnliche Unterscheidung bei Löffler a. O. S. 62f. Ist irrig sestgestellt, daß die Tat im Juni (statt „Juli") begangen und daher verjährt sei, so kann der Freispruch nicht im Wege der österr. Aussichtsbeschwerde als nichtig beseitigt werden; denn „ein Verstoß gegen Re­ geln des Verfahrens, eine Ord­ nungswidrigkeit lag überhaupt nicht vor". Ferner S. 71: der Richter verurteilt einen Vor­ geführten wegen Bagabondage,

ohne zu ahnen, daß er als De­ serteur unter Militärgerichts barfeit steht. Eine Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes liegt nicht vor; die österr. „Nichtigkeitsbeschwerde" hätte daher als unzulässig an­ gesehen werden müssen. 8 Für den dort u. a. ge meinten Fall Brausewetter ist a. M. auch Löffler a. O. S. 23. Prinzipiell stimmt er S. 10 f. mit mir überein.

Absolut nichtige Urteile. % 93.

367

nichtig, falls es auch auf legalem Wege gewonnen werden

könnte.

eines Verweises bei schwerem

So Verhängung

Diebstahl, einer Geldstrafe bei Diebstahl (denn das Verbot der reformatio in pejus könnte ebenfalls dazu führen, oben S. 343).

So Verurteilung zu Zuchthaus wegen Beleidi­

gung (denn eine Zusahstrafe könnte so lauten).

Dagegen

ist nichtig Verurteilung wegen Bettelns zu Gefängnis. Unser Prozeß kennt leider keinen spezifischen Behelf zur

Aufdeckung der absoluten Nichtigkeit eines Urteils.

Auf in­

direktem Wege ist solche Aufdeckung aber immer möglich. Denn dem nichtigen Urteil kommt keine materielle Rechts­

kraft zu.

a) Lautet es auf Freisprechung, so begründet es

keine exceptio rei judicatae gegenüber der Erhebung einer

neuen Strasklage.^

Die Entscheidungen des neuen Ver­

fahrens werden sich dann mit der Frage der Nichtigkeit zu befassen haben und der gewöhnliche Jnstanzenzug wird

zu ihrer Erörterung offen stehen, verurteilendes Erkenntnis kann

Strafvollstreckung dienen.

b) Ein absolut nichtiges

nicht als Grundlage der

Tie Zulässigkeit der Vollstreckung

ist dann nach StPO. 490 zu bestreiten; das Gericht erster

Instanz hat ohne mündliche Verhandlung, doch nach An­ hörung beider Parteien (abweichend von StPO. 33) über die Einwendung zu befinden, StPO. 494 Abs. 1 und 2,

und gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt,

StPO. 494 Abs. 4.

Der hier unter b) besprochene Aus­

weg ist aber ein Notbehelf, keine der Wichtigkeit der Sach­

lage entsprechende Regelung.

Gerade hier müßte die Mög­

lichkeit, die höchsten reichsrechtlichen Instanzen anzurufen, geschaffen werden.

4 Ebenso Löffler a. O. S. 22, 59f.

Abschn. I.

368

Die Rechtsbehelfe.

Kap. III.

§ 94. Vie Wiedereinsetzung. Kries § 57.

Birkm. § 84 IV, 2. B.-B. S. 305 f. S. 308. Ullm. § 69. Bind. § 93.

I. Der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen

Stand

richtet sich prinzipiell nur

gegen die Versäu­

mung einer Frist, welche bei einem Gericht*

durch

Vornahme einer Handlung wahrzunehmen gewesen wäre, StPO. 44. 45.

a) Dem Gesuch um WE. kommt kein

Devolutiveffekt, StPO. 46, und nur fakultativer Suspen­

siveffekt, StPO. 47, zu.

b) Voraussetzung der WE. ist,

daß der Antragsteller durch einen unabwendbaren Zufall (insbesondere Naturereignisse, sowie unverschuldete Unkennt­

nis von einer Zustellung)- an der Einhaltung der Frist c) Die Anbringung des

verhindert wurde, StPO. 44.

Gesuches geschieht zwar formlos, jedoch a) binnen einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses, ß) bei demjenigen

Gericht, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre, /) unter Angabe und Glaubhaftmachung (S. 224) der

Bersäumungsgründe, 6) unter gleichzeitiger Nachholung der

versäumten

Handlung, StPO. 45.

d) Die stattgebende

Entscheidung ist nicht, die verwerfende mit sofortiger Be­

schwerde anfechtbar, StPO. 46.

Die Kosten hat regelrecht

der Gesuchsteller zu tragen, StPO. 505 Abs. 3. II. Besondere Fälle stellen StPO. 455. 461

insofern

dar, als hier nicht-gerichtliche Fristen versäumt sind. III. Die Wiedereinsetzung richtet sich aber ferner auch 1 Daher nicht gegen Versäu­ mung der Strafantragsfrist, selbst wenn man diese als Prozeß­ frist ansieht, B.-B. 305 Sinnt. 17.

2 auch Verschulden des Ver­ teidigers? Bejaht von Ullm., B.-B., Bind., Birkm.

Die Wiedereinsetzung.

§ 94.

369

gegen alle Urteile, die ohne Anwesenheit des Ange­ klagten ergangen sind,-' falls ihn ein unabwendbarer Zu­ fall an der Einhaltung des Termins gehindert hat.

Der

Angeklagte hat hier also neben dem ordentlichen Rechts­ mittel oder anstatt dessen einen eigenartigen Behelf. zählen

hierher

Es

die Fälle: 1. der Angeklagte ist ausge­

blieben, StPO. 231, oben § 80, II 2; 2. er hat sich

freiwillig entfernt, StPO. 230 Abs. 2, oben § 80, II 4; 3. er ist unfreiwillig entfernt worden, StPO. 246, oben

§ 80, II

5;4 4. er ist abwesend im technischen Sinn,

StPO. 319. 470,5 Lehrb. §§ 80, II 1. 103. 104; 5. er versäumt im Strafbefehlsverfahren die Einspruchsverhand­

lung, und sein Einspruch wird durch Kontumazurteil verworfen, StPO. 432; 6. er bleibt in der Berufungsinstanz aus, ohne selbst der Appellant zu sein (Eremodizialver-

fahren), StPO. 37o Abs. 1 Teil II, 371, oben § 90 V

«. E.

In allen bisher genannten Fällen ist gegen das

Urteil auch Berufung oder Revision zulässig, daher stellen - StPO. 234 Abs. 1. Ebenso Beling B.-B. 2. 308f. Aus­ geschlossen sind aber nach Abs. 2 einmal der Fall des Dispenses, StPO. 232, und sodann alle Fälle, in denen der Angeklagte vertreten war. Damit scheiden die Urteile im Privatklageverfahren erster Instanz, im Ver­ fahren auf Klage der Verwal­ tungsbehörde, im Strafbefehls­ verfahren nach eingelegtem Einpruch, int Strasversügungsverahren nach eingelegtem Widerpruch aus; denn in allen diesen Fällen muß der Angeklagte ent­ weder selbst kommen oder einen Vertreter schicken, sonst kann ein

Rosenfeld, Reichsstrafprozeß.

! Sachurteil nicht ergehen; StPO. : 427, 466, 451 Abs. 2, 457 : Abs. 2. 4 Das wird nur ausnahms: weise denkbar sein, ist aber doch nicht ganz unmöglich: es kann i z. B. ein krankhafter Erregungs! zustand des Angeklagten vom i Gericht verkannt und als Simu■ lation aufgefaßt worden sein. i 6 Ueber die wenigen Disseni tienten s. Löwe-Hellweg zu § 323 Note 3, zu § 476 Note 2. Zu dem letzteren (Verfahren gegen abwesende Wehrpflichtige) äußern sich die Motive S. 230 irreführend. I. Aufl.

24

370

Abschn. I.

Kap. III.

Die Rechtsbehelfe.

StPO. 356, 382 den Angeklagten vor die Wahl, ent­

weder beide Rechtsbehelfe verbunden zu ergreifen, oder nur einen geltend zu machen, womit auf den andern verzichtet

wird; getrennte Ergreifung beider Behelfe ist unstatthaft, oben § 88 UI 1.

Weitere Fälle sind: 7. Der Angeklagte

ist in der Berufungsinstanz ausgeblieben, wiewohl er selbst

der Appellant ist, und seine Berufung wird durch Kon­ tumazurteil verworfen, StPO. 370, oben § 90 V a. A.

8. Ganz singulärer Weise hat der Privat klüger, also die verfolgende Partei, den Rechtsbehelf der Wiederein

setzung, wenn

er in der

Berufungsinstanz

(durch Ver

werfung seiner Berufung oder Abänderung des Urteils zu

Gunsten des Angeklagten) kontumaziert worden ist, StPO.

431 Abs. 3, 4; Lehrb. § 109, VT 1.

Gegen diese Kon

tumazurteile in der Berufungsinstanz kann es wegen StPO.

380 keine Revision geben; somit ist hier die Wiederein­ setzung der einzige Rechtsbehelf.

Das Gleiche ist endlich

in dem letzten Fall zutreffend: 9. Es ist in der Revisions­ instanz Urteil ohne Anwesenheit des Angeklagten ergangen, StPO.

390.

— Bemerkenswert

ist

noch StPO.

452

Abs. 2: hat jemand gegen einen Strafbefehl den Einspruch versäumt und Wiedereinsetzung erhalten, und versäumt er

nun wiederum die Einspruchsverhandlung, so daß ein Kon tumazurteil auf Verwerfung des Einspruchs ergeht, so wird ihm gegen solche doppelte mora die Restitution versagt; es

bleibt ihm somit nur die Berufung.

Zweiter Abschnitt.

Abweichendes Verfahre». Erstes Kapitel. Ordentliche Prozeßarten.

§ 95. Gang de- verfahrens vor -em Schwurgericht.

72 I. II. § 73 I. II. IV. Birkm. § 94. B -B. §§ 123. 126-128. Ullm. 88 110. 114. 120. 121. Bind. 8 108. Kalau Do m .'pofe Der Borsitz im SchwG., 1901.

Kries §

I. Tie Eigentümlichkeiten des schwurgerichtlichen Ver-

fahrens machen sich naturgemäß erst von der Eröffnung

des vauptverfahrens an geltend.

Im allgemeinen stehen

aber sowohl Borbereitung der Hauptverhandlung, wie diese selbst, wie das Außenversahren unter den Regeln der obigen

88 79 ff., StPO. 276.

Auch das Rechtsmittel der Revi­

sion unterliegt keinen Abweichungen, als den in § 91 III hervorgehobenen. Zur Vorbereitung der Hauptverhand­ lung gehört die Herstellung und weitere Behandlung der

Spruchliste (S. 134 f.), namentlich deren Mitteilung an den Angeklagten (StPO. 277, durch Zustellung oder Nieder­

legung aus der Gerichtsschreiberei). II. Die Hauptverhandlung bewegt sich nach dem Schema unseres § 81.

Hinter Nr. 1 ist einzuschalten die Bildung

der Geschworenenbank, StPO. 280—288, S. 134 f., 5 A

b bis e, B a bis f. lich, StPO. 289.

Dann folgen Nr. 2—8 wie gewöhn­ Nunmehr reiht sich an a) Verlesung 24*

Abschn. II.

372

Kap. I.

Ordentliche Prozeßakten.

der vom Vorsitzenden entworfenen Fragen, die den Ge­

schworenen

zur

Beantwortung vorgelegt

sollen,

werden

StPO. 290 Abs. 1, Abs. 2 S. I; b) auf Antrag ab­ schriftliche Mitteilung an Geschworene, StAnw. und An­

geklagten, StPO. 290 Abs. 2 S. 2; c) auf Verlangen derselben Personen kurze Unterbrechung zur Prüfung der

Fragen, StPO. 290 Abs. 3; d) event. Einwendungen, Abänderungs-

oder Ergänzungsanträge derselben Personen,

StPO. 291

Abs. 1; e) in diesem Falle oder auf Ver­

langen eines Richters Feststellung der Fragen durch Ge­ richtsbeschluß, StPO. 291

Abs. 2 S. 1; f) nochmalige

Verlesung der festgestellten Fragen, S. 2.

StPO. 281

Abs. 2

Hierauf kommen die Plädoyers, Nr. 9—11, jedoch

unter Beschränkung auf die Schuldfrage, StPO. 299.

Die

weiteren Akte bedürfen näherer Betrachtung. 12. Rechtsbelehrung

300.

durch den Vorsitzenden, StPO.

Dieselbe darf in eine Würdigung der Beweise nicht

eingehen;

Zuwiderhandlung

würde,

wiewohl

der

Er­

örterung im Prozeß nach Abs. 2 entzogen, disziplinarisch

strafbar sein. 13. Unterzeichnung der Fragen durch den Vorsitzenden,

StPO. 301 S. I.*1 14. Übergabe der Fragen an die Geschworenen, StPO. 301 S. 1. 15. Die Geschworenen ziehen sich in das Beratungs­

zimmer zurück, wohin ihnen Augenscheinsobjekte - mit ver1 Anwesenheit des Angeklagten ist hierbei notwendig, RG. 35, 407. 1 falls sie ihnen in der Ver­ handlung zur Besichtigung vor­ gelegt worden waren. Zu weit­

gehend RG. 5, 398. 10, 161. Mitgabe von Akten ist unstatt­ haft, RG. 16, 187. Mitgabe von Lehrbüchern usw. steht im Ermessen des Vorsitzenden, RG. 13, 248.

Gang des Verfahrens vor dem Schwurgericht.

K 95.

abfolgt werden können, StPO. 301 S. 2. 302.

373

Gleich­

zeitig wird der Angeklagte aus dem Sitzungszimmer ent­ fernt, StPO. 301 S. 3. 16. Beratung und Abstimmung der Geschworenen in

Absperrung vom Verkehr mit der Außenwelt, StPO. 303, doch

möglicherweise

unterbrochen

durch

eine

weitere

Rechtsbelehrung auf ihren Antrag, StPO. 306. Hierbei kann sich auch Anlaß zur Ergänzung oder Ände­

rung der Frage ergeben. Dann wird der Angeklagte hinzu­ gezogen und das Verfahren wiederholt sich von Nr. 8e ab, StPO. 306 Abs. 2. — Wenn die Geschworenen sich

zurückgezogen haben, wählen sie zunächst mit relativer Ma­

jorität und Stimmzetteln ihren Obmann, StPO. 304. Dieser leitet die Beratung und Abstimmung, schreibt neben

jeder Frage den

Spruch

nieder

und

unterzeichnet das

Ganze,3 StPO. 307.

17. Verkündung des Wahrspruches durch den Obmann nach näherer Maßgabe des § 308 Abs. 1. 18. Hier oder auch später, bis zur Urteilsverkündung (StPO. 309 Abs. 2), kann sich ein Berichtigungsverfahren einschieben, StPO. 309—312, unten § 97, 111.

19. Unterzeichnung des verlesenen Wahrspruches durch

Vorsitzenden und Gerichtsschreiber, StPO. 308 Abs. 2. 20. Der Angeklagte tritt wieder in das Sitzungszimmer ein, StPO. 313.

21. Der Wahrspruch wird dem Augeklagten durch Ver­ lesung verkündet, StPO. 313. 22. Plädoyers der Parteien zur Straffrage,

StPO.

314 Abs. 2, soweit solche in Betracht kommt: haben die 3 ober die einzelnen 201. 8, 10. 26, 214.

Antworten, dann aber jede.

RG. 2,

374

Abschn. II.

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

Geschworenen ihren Spruch auf Nichtschuldig abgegeben, so ergeht ohne weiteres das freisprechende Urteil, StPO. 314 Abs. 1. 23. Urteilsfindung und -Verkündung, Nr. 12.

oben

S.

315

Die Verkündung darf hier nicht ausgesetzt werden,

StPO. 315. III. Die Urteilsfassung richtet sich im allgemeinen

nach uns. § 86.

Dem Urteil ist aber stets die Urschrift

des Wahrspruchs anzufügen, und in den Gründen ist auf den Spruch Bezug zu nehmen, StPO. 316.

Hierdurch

werden insbesondere beim verurteilenden Erkenntnis die oben S. 332 f. erörterten Punkte a, b, c, d und g ersetzt.

IV. Durch StPO. 317 ist dem Gericht die singuläre Möglichkeit eingeräumt, seiner Überzeugung hinsichtlich der

Schuldftage Ausdruck zu leihend

Sind nämlich die drei

Richter einstimmig der Ansicht, daß sich die Geschworenen

in der Hauptsacheö zum Nachteil" des Angeklagten geirrt haben, so können sie den Wahrspruch von Amts wegen

„kassieren".

Dies geschieht

durch einen Gerichtsbeschluß

ohne Begründung, der die Sache zu neuer Verhandlung

vor das SchwG. der nächsten Sitzungsperiode

verweist.

Die Kassation geschieht nur insoweit, als der Einfluß des 4 In der Ablehnung von Beweisanträgen, besonders in der Unterstellung von Behaup­ tungen als wahr (RG. 35, 389), kann ebenfalls die Ueberzeugung der Richter hinsichtlich der Schuld­ frage deutlich zutage treten. Für die Geschworenen ist die Be­ gründung solcher Gerichtsbe­ schlüsse völlig unverbindlich! Das Gesetz ist hier sehr unzweckmäßig vorgegangen. Eine Verständi-

I gung mit den Geschworenen ist nicht nur n i ch 1 g e b o t e n, a. M. I Löwe Hell weg 8243Rote8a, i sondern m. E. geradezu gesetzwidrig. i 5 Gegensatz: hinsichtlich der 4 mildernden Umstände; so G e l) e r, v. Kries,Bennecke,Beling, Löwe-Hellweg. Abweichend namentlich Stenglein. 6 vgl. RG. 17, 31. 31, 241.

Die Fragestellung an die Geschworenen.' K 96.

Irrtums der Geschworenen reicht, Abs. 2.

Verhandlung Abs. 3.

sind

die

früheren

375

Bei der neuen

Geschworenen

inhabil,

Eine nochmalige Verweisung ist verboten, Abs. 4,

selbst wenn der neue Spruch sich als reformatio in pejus darstellen würde.

§ 96. Lie «tragestrllung an die Geschworenen. Kries § 72. Birkrn. § 95. B. B. §§ 124. 125. Ullm. §§ 115 bis 117. Bind. § 108. Glaser, Fragestellung im SchwGVerf., Wien, 1863. Dalcke, Fragestellung und Verdikt, Berlin 1886. 1.

Tie

Geschworenen

sind

Schuldsrage berufen, GVG. 81.

Schuldfrage versteht,

StPO.

153 s. ausführlich erörtert.

262,

zur

Eutscheidung

der

Was das Gesetz unter ist oben § 35 IT, S

Zwischen Talfrage und Rechts­

frage ist nicht geschieden; die Geschworenen haben sowohl

über da§ Vorliegen der tatsächlichen Umstände, wie über

deren Subsumtion unter die gesetzlichen Begrisfsmerkmale ihr Votum

abzugeben.

Als Anleitung

bei der Lösung

dieser Ausgabe dient ihnen die Stellung bestimmt formu­

lierter Fragen, auf die sie mit Ja oder Nein zu autworten haben, und

die Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden.

Dem Gerichtshöfe

bleibt die Frage nach dem Vorliegen

der Prozeßvoraussehuugen 1

und die Strasfrage2 (außer

1 Da diese gegenüber dem sachlichen Eingehen aus die Schuldfrage das logische prius darstelleu, so ist z. B. bei einer Anklage aus StGB. 308, falls eine Hilsssrage aus StGB. 303 beantragt wird, deren Stellung abzulehnen, wenn es an einem Strafantrag wegen Sachbeschädi­

gung fehlt. AG. 5, 327, a. M. Kries 608. 2 einschl. derjenigen tatsäch­ lichen Feststellungen^ die nur für die Strasfrage von Belang sind; z. B. der genauen zisfermästigen Höhe eines Schadens oder sonstigen Betrages, von welchem das Strafmaß' (oder etwa die

Abschn. II. Kap. I. Ordentliche Prozeßarten.

376

den mildernden Umständen StPO. 297) überlassen, vgl. ferner StPO. 262 Abs. 3, ob. S. 155 (Rückfall, Ver­

Die Fragen an die Geschworenen unterscheidet

jährung).

das Gesetz in Haupt-, Hilss- und Nebenfragen.

II. Tie Hauptfrage, StPO. 293, ist die Frage, ob der Angeklagte der ihm im Eröffnungsbeschlusse zur Ist nur ein Angeklagter

Last gelegten Tat schuldig ist.

vorhanden und nur einer Tat bezichtigt, so hat die Haupt­

frage dem Eröffnungsbeschluß zu entsprechen und ihn zu erschöpfen."

geklagte

Sie beginnt mit den Worten

schuldig?"

Voraussetzungen* anspruches."

und

richtet

sich

eines gegenwärtig"

„Ist der An­

aus die

sämtlichen

bestehenden Straf­

Mit ihrer Bejahung werden alle Merkmale

des allgemeinen und des besonderen, des objektiven und Verfallserklärung nach StGB. 335) abhängt, RG. 12, 150. Löwe - Hellweg, K omni. § 293 9?. 2c; ferner der Frage, ob ein besonders leichter (LtGB. 57 Z. 4) oder ein minder schwerer (StGB. 90 Abs. 2, 94 Abs. 1 S. 1 a. E., 96 Abs. 1 a. E.) Fall vorliegt. 8 Absplitterung von Neben­ fragen ist aber nach StPO. 295 gestattet, doch niemals geboten. RG. 19, 146. B.-B. 554. In diesem Fall müssen Haupt- und Nebensragen zusammen den Er­ öffnungs-Beschluß erschöpfen. Die Absplitterung ist streng logisch nicht zu rechtfertigen, wohl aber praktisch, oben S. 158. 4 Genaues oben S. 154 f. 6 Auch die Existenz von Straf­ aufhebungsgründen wird mit der Hauptfrage implicite mitbejaht oder mitverneint, entsprechend

dem S. 155 Gesagten, a. M. teilweise 2 öwe-Hel lweg, StPO. 295, N. 9b; GVG. 196. N. 3d« mit ganz willkürlicher Scheidung. Richtig B.-B. 554 c und gelegentlich bez. StGB. 310 RG. 4, 191. 6 vorhaltlich 1. der Verjäh­ rung , 2. des Rückfalls, 3. der erforderlichen Einsicht eines Jugendlichen. Die ersten bei­ den Punkte sind durch StPO. 262 Abs. 3 den Geschworenen ganz entzogen: der leyte muß zum Gegenstand einer Neben­ frage gemacht werden, wird also aus der Hauptsrage ausgelost, StPO. 298. Die Zerreißung der einheitlichen Schuldfrage ist insoweit nicht bloß, wie nach Anm. 3, fakultativ, sondern ob ligatorisch, was freitich an der Unlogik nichts ändert, B.-B. 553 u.

Tie Fragestellung an die Geschworenen.

des

subjektiven Tatbestandes

jaht.

Besondere Fragen

in

ungetrennter Einheit

nach Zurechnungsfähigkeit,

wehr, Vorsatz und dergl. sind völlig unzulässig.'

Formulierung der Hauptfrage angeht,

bezeichnen

be­

Not

Was die

so muß sie die Tat

1. nach ihren gesetzlichen Merkmalen und 2. unter

Hervorhebung

Umstände.

377

KW.

der

zu

ihrer

Unterscheidung

Tas Erfordernis 1

erforderlichen

verlangt genauen und

wörtlichen Anschluß an den einschlägigen Paragraphen des

besonderen Teils 8 und, soweit dieser Paragraph ausdrück­ lich oder stillschweigend auf einen anderswo genauer formu­

lierten

Teliktobegriff

hinweist,

genauere Formulierung?

schon

in

einer

anderen

gleichen

Anschluß

an

die

Nur wo die präzise Formulierung

der

7 RG. 1, 70. 4, 400. 11, 277. 12, 337. 9, 105 (keine Rebensrage über StGB. 1931. ® Beim Meineid, StGB. 154, die Worte „vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde" RG. 16, 186; oder beim Widerstand, StGB. 113, die Worte „einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Befehlen und Anordnungen der V e r lva l t un gs be h ö r de n be ru sen ist". £b ein AG. unter den ersteren, ob ein Pvlizeisergant unter den legieren Rechtsbegrisf fällt, soll eben der Cognition der Geschw. überlassen bleiben. Bei der Urkundenfälschung, StGB. 267, 268, die Worte „in rechts­ widriger Absicht" RG. 3, 169; beim Mord die Hervorhebung, daß die Ueberlegung während der Ausführung vorlaq, RG. 8, 276; bei StGB. 218 Abs. 3 die Worte „mit Einwilligung der

mehreren

den

Geschworenen

Schwangeren" RG. 33, 131. Bgl. ferner RG. 34, 238. 36, 26 i Fragesassung bei Mordversuch). 36, 277 (Verhältnis der Körp.Verl. mit Todeserfolg zu der mit lebensgesührl. Behandlung). So verweist StGB. 351 auf StGB. 246, RG. 2, 280. v. Kries, 617; StGB 159 aus StGB. 153, 154, RG. 2, 283; StGB. 270 auf StGB. 267, RG. 12, 112. In die Frage aus StGB. 214 muß die gesetz­ liche Definition des betreffenden konkreten strafbaren Unternehtnens hineingezogen werden, RG. 23, 78 (trotz des Protestes S. 80f. im Widerspruch zu 4, 231). In der Frage wegen An­ stiftung oder Beihilfe muß das Hauptdelikt nicht nur als „Ver­ brechen" oder „Vergehen" be­ zeichnet, sondern in seine gesetz­ lichen Merkmale ausgelöst werden, RG. 13, 234 f.

378

Abschn. II.

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

gestellten Fragen erfolgt ist, wird eine Abbreviatur durch unmißverständlichen Hinweis auf die genauere Frage als unbedenklich erlaubt anzusehen fein.10

Endlich wird es,

wiewohl in der Regel die abstrakten Ausdrücke des Gesetzes

zu verwenden sind, nicht als schlechthin unstatthaft gelten

können, dieselben durch tatsächliche Bezeichnungen da zu ersetzen, wo absolut selbstverständliche Tatsachen und Rechts­ begriffe in Frage stehen.11 — Das Erfordernis 2 ver­

langt trotz der von StPO. 198. 205 abweichenden Fassung das Gleiche wie

dualisierung.

jene Paragraphen,

nämlich Indivi­

Dagegen ist Aufnahme der sämtlichen

tatsächlichen Umstände, in denen die gesetzlichen Merkmale

gefunden werden, unter Vorwegnahme der Subsumtions­ tätigkeit — sog. Spezialisierung — nicht geboten.1 -

Sie ist aber auch nicht verboten,11 und soweit sie geschieht, ermöglicht sie eine Nachprüfung in der Revisionsinstanz

auf untergelaufene Rechtsirrtümer." 10 RG. 2,134. Löwe-Hellweg, 8 292 R. 7. " Sv verbo tenus RG. 8, 234 f. Ebenso Löwe-Hellweg, § 293 N. 3d. Man wird also in StGB. 211 „Friedrich Schultze" statt „Mensch" in StGB. 242 „Taschenuhr" statt „bewegliche Sache" sagen dürfen; o. M. Kries 616. B. B. 547. Dagegen darf man in StGB. 308 nicht „Vorrat von land wirtschaftlichen Erzeugnissen" durch „Strohdiemen", nicht „Ge­ bäude" durch „Scheune" ersetzen, RG. 8, 233. 19 Aus die Unterlassung trotz Antrages kann nicht die Re­ vision gestützt werden, selbst wenn

| ein Subsumtionsirrtum wahr­ scheinlich ist: RG. 2, 136. 138. 3, 51, 4, 231. 313. 27, 66. In­ soweit hat RG. zweifellos recht, obwohl die Konsequenzen wider die Billigkeit lausen. Die Rege: hing in StPO. 293 ist eben i verfehlt, v. Kries 615, bes. i Anm. 2. | 13 so die HM., abweichend ! Stenglein N. 6. 12 und z. i T. das RG. 14 Dies will das RG. in mehreren Entjch. nicht zugeben, von denen die frappanteste 3, 250 ist. RG. 27, 369 ist im I Ergebnis zu billigen. Mit dem | RG. gehen Löwe-Hellweg i undStenglein. Dagegenu.a.

Die Fragestellung an die Geschworenen.

III. Eine Hilfsfrage, StPO. 294,

nach

von

einer

Hauptfrage nicht

A 96.

3 79

ist dem Wesen

verschieden;

bei

ihrer

Fassung sind die eben erörterten Erfordernisse zu beachten," und sie beginnt gleichfalls mit den Worten

„Ist der An­

Der Unterschied gegenüber der Haupt­

geklagte schuldig?".

frage liegt darin, daß sie eine vom Eröffnungsbeschluß abweichende Beurteilung der Tat zum Ausdruck bringt.16 * * * * * 15

IV. Im Gegensatz zu Haupt- und Hilfsfragen stehen

die Nebenfragen.

Sie sind jenen gegenüber unselb­

ständig, setzen jene voraus und lehnen sich an sie an.

Sie

bringen niemals eine volle rechtliche Beurteilung der Tat

zum Ausdruck.

Tas Gesetz kennt 4 Arten:

1. über solche vom Strafgesetze besondere- vorgesehenen Umstände,

welche

die Strafbarkeit

vermindern

höhen, also über Qualifizierungsgierungsgründe,

StPO. 295

2. über Strafaufhebungsgründe,'

v. Kries 615, Beling B.-B. 548 (der gerade wegen der Nach­ prüfung die Spezialisierung für zweckmäßig hält), wohl 'auch Birkineper, 653. 15 Dte Mangelhaftigkeit einer Hilfsfrage kann selbst dann die Revision begründen, wenn die Hauptfrage bejaht worden ist, so RG. 83, 131. 16 z. B. Mord statt Körper­ verletzung mit tödlichen! Aus­ gang: Diebstahl stat Raubes; einfachen Totschlag statt Aszendententodschlages. Soweit es sich dabei gegenüber der Haupt­ frage lediglich um Hinzutritt einer Qualifizierung oder Privi­ legierung handelt, kann auch der

oder er­

und Privile­

Abs. 1,

vgl. S. 158.

StPO. 295 Abs. 2.

Weg einer Nebensrage nach StPQ. 295 Abs. 1 gewählt werden, so jetzt auch LöweHellweg, N. 2a. Könnte die abweichende Beurteilung durch teilweise Verneinung der Haupt­ frage ausgedrückt werden (auf die Frage 'aus StGB. 249 wird geantwortet: Ja, aber nicht mit Gewalt usw., so daß Diebstahl übrig bleibt), so darf doch we­ gen solcher Möglichkeit nicht die Stellung einer' Hilssfrage ab­ gelehnt werden. 17 Stellung einer Nebensrage ist aber nicht notwendig, ob. Anm. 5. a. M. v. Kries, 611, Löwe - Hellweg tz 295, N. 9 b.

Abschn. II.

380

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

3. über mildernde Umstände," StPO. 297;

4. bei Jugendlichen und Taubstummen (StGB. 57. 58) über die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Ein

sicht, StPO. 298.

V. Fernere Grundsätze

über die Fragestellung sind :

1. Für jedeTat eines jedenTäters ist eine besondere Hauptfrage (nebst event, anschließenden Hilfs- und Sieben­ fragen) zu stellen, StPO. 292 Abs. 3.

2. Die Fragen

sind so zu stellen, daß sie mit Ja oder mit Nein sich be­

antworten lassen, StPO. 292 Abs. 1.

Disjunktive (eigen!

liche alternative) Fragen sind also verboten.

Erlaubt aber

ist eine alternative Fassung der Fragen („ganz oder teilweise zerstört", „verheimlicht oder beiseite geschafft" und

dergl.),

Fassung.

d. h. eine zu

Inwieweit

alternativer Feststellung

führende

alternative Feststellung erlaubt ist,

s. oben 2. 21 Off. und Anm. 9, 15 daselbst." z. Wenn Fragen in einem Eventual Verhältnis zueinander stehen, so

muß dies genau 20 18 *bezeichnet werden, StPO. 292 Abs. 2, 18 Uebergriff in die Strassrage, daher einfache Majorität, StPO. 297 Abs. 2. Ein Konstruktions­ fehler im SchwGJnsiitut, B.-B. 544 Anm. 25, 557 f. Anm. 25. Löwe Hell weg § 297 N. 5. Bei Rückiallsdetttten liegt die Entscheidung über mildernde Umstände m. E. beim Gerichts­ hof. — Diese Nebenfrage wird nur von Amts wegen öder aus Antrag der Parteien gestellt, StPO. 297; abweichend von StPO. 291 haben die Geschwore­ nen kein Antragsrecht. Selbst eine in ihrer Antwort liegende Initiative ist unbeachtlich, RG. 33, 140.

19 B.-B. 548. Anm. 19. Löwe-H.Z 292 N. 2 geht zu weit, wenn er auch bei Gruppierung unter verschiedenen Paragraphen ohne besondere Berweisung alternative Fragestellung zuläßt. RG. 9, 22. 15, 304 (Mittel der An stistung). 28, 98 (nicht: Wider­ standleistung und tätlicher An­ griff in StGB. 113. 117). 32, 86 (nicht: die beiden Tatbestände in StGB. 132). Was die Ziffern des § 243 StGB, angeht, so vgl. einerseits Goltd. Arch. Bd. 39, S. 60, andererseits RG. 23, 47 (letzteres richtig). 10 KrieS 613. Löwe-H. § 292 N. 5. Bloße Einleitung der

Tie Fragestellung an die Geschworenen.

§ 96.

381

indem z. B. gefragt wird (abgekürzt): I. Ist der Ange­ klagte des Mordes schuldig? II. Für den Fall, daß Frage

s verneint wird: Ist der Angeklagte der Körperverletzung

mit tödlichem Ausgang schuldig ? — In einem Eventual­ verhältnisse stehen Hilfsfragen zur Hauptfrage, Hilfsftagen untereinander, Nebensragen zu Haupt- und Hilfsfragen, aber niemals Hauptfragen untereinander.2'

4. Tie Reihen­

folge der Fragen richtet sich nach ihrem logischen Ber-

hältnis (oben S.

L57,

158):

Grunddelikt am Ende/-'

Straffrage hinter der Schuldftage,23 * * *Nebenftage 21 22 hinter der Hauptfrage.2* StPO. 294 Abs. 2 stellt den Grundsatz auf, der indessen aus Gründen der Logik und Übersicht­ lichkeit nicht überall durchgeführt werden tarnt,25 daß im nachfolgenden Frage mit „even­ tuell" genügt nicht, wie RG. 7, 434 drastisch zeigt. 21 Also ist nicht etwa die Frage nach der Schuld des Gehilsen Eventualsrage hinter der nach der Schuld des Täters. RG. 24, 302. Löwe-Hellweg S 292 R. 3. 22 RG. 6, 243. Es war ge­ fragt worden: I. Diebstahl, StGB. 242 ? II. Wenn zu 1 ja: mild, llmft ? III. Wenn zu 1 ja: auch gewaltsame Erhaltung im Besitz, also Raub, StGB. 252? IV. Wenn zu III ja: mild. Um st? die Antwort lautete: I. Ja, II. Rein, III. Ja, IV. Ja. Frage II war wegen des in Be­ tracht kommenden Rückfalls ge­ stellt, f. ob. 91)11«. 18. Ter Staats­ anwalt verlangte Verurteilung nach StGB. 244 Abs. 1; das Gericht verurteilte nach StGB. 252. 249 Abs. 2. Das RG. hielt

dies aufrecht, da die Fragestellung in der Revision des StAnw. nicht gerügt war, StPO. 392 Abs. 1. Korrekt wäre indessen gefragt worden: I Raub, StGB. 252 ? II. Wenn ja: mild, llmft. ? III. Wenn zu I nein: Diebstahl ? Tie Frage des Rückfalls und der mild, llmft. hierbei war den Geschw. nicht vorzulegen. 23 RG. 33,298. Em Jugend­ licher war aus StGB. 177. 43 angeklagt. Es wurde gefragt: I. Rotzuchtsversuch? II mild. Umst.? III. Einsicht, StGB. 57? Tas war falsch, Frage III ge­ hörte vor Frage II. 24 Ebenfalls in dem Fall RG. 6, 243 (Anni. 22) verab­ säumt. 25 nicht z. B. wenn Mord, Totschlag und Kindestötung in Frage kommen, s. noch unten Anm. 36. RG. 24, 280 erklärt bei Jdealkonkurrenz von StGB.

382

Abschn. II.

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

allgemeinen die Hauptfrage vorangeht, die Hilfsfrage nach­ folgt; daß dagegen, wenn die vom Eröffnungsbeschluß ab­

weichende Beurteilung eine erhöhte Strafbarkeit begründet, die Hilfsfrage vorangeht, die Hauptfrage nachfolgt.

5. Eine

Ablehnung von Hilfs- oder Nebenfragen kann nur aus Rechtsgründen erfolgen, StPO. 296.

Also nicht, weil der

betreffende Umstand in der Verhandlung nicht hervorge­

treten fei,26 oder weil die Frage ohne Irrtum in der Sub­ sumtion nicht bejaht werden sönne.27

Wohl aber, weil der

Antrag zu spät gestellt fei,28 von einem nicht dazu Legiti­

mierten ausgehe,28 eine andere Tat betreffe, die nicht den Gegenstand der Verhandlung bitte;30 oder weil die Frage­ stellung die beantragte Frage bereits mitbetreffe und er­

ledige," oder weil das Gesetz die beantragte Nebenfrage 263 und 266 die Reihenfolge für gleichgültig. 26 Löwe-H. § 296 N. 1 B.B. 549 Anm. 7. RG. 1, 425. 3, 67. 8, 22. 27 Kries 618 f. Unrichtig RG. 18. 337, das den Geschworenen die Freiheit, rechtlich zu irren, abschneiden will. 28 nämlich nach der Verkün­ dung eines korrekten Wahr­ spruches, RG. 7, 345. 11, 168. 16,126. Wenn die Geschworenen mit dem Wahrspruch zurückkehren, ihn aber noch nicht verkündet haben, ist es noch nicht zu spät, RG. 30,403. B.-B. 546 Anm. 9. 90 z.B. dem Verteidiger des wenn die Frage nur den B be­ trifft ; vom Angeklagten, wenn sie aus schwerere Strafbarkeit anzielt; vom Neben-Ankläger, wenn sie einen Gesichtspunkt

hervorkehrt, der die Neben-An­ klage ausschließt. 80 und StPO. 265 nicht vor­ liege , RG. 12, 409 (Anklage wegen Kindesmords, StAnw. beantragte Hilfssrage wegen Ab­ treibung). 31 RG. 1, 70: Ablehnung einer besonderen Frage nach der Zurechnungsfähigkeit. RG. 14, 75: Ablehnung einer Frage, ob fortgesetzte Handlung vorliege, da das gleiche Resultat durch Verneinung der Worte „durch eine fernere selbständige Hand­ lung" in Frage II herauskomme. Diese Entscheidung ist richlig, w e n n es zulässig ist, den Zweifel, ob Handlungseinheit oder -mehr heit, je nach Ermeffen durch Stellung einer Hilfssrage oder durch Abstellung der Hauptfrage auf teilweise Verneinung zu er­ ledigen; und wenn ferner meh-

Die Fragestellung an die Geschworenen.

K 96.

383

für den konkreten Fall ausschließe,02 ober weil nicht die Geschworenen, sondern das Gericht über die Frage zu ent­ scheiden

hätten,"

oder

endlich,

weil

aus

prozessualen

Gründen die Strafverfolgung nach der betreffenden Richtung

hin ausgeschlossen sei."

VI. Eine Reihe von Einzelheiten sind lebhaft be­ stritten;

so,

wie es

Ausdruck zu bringen sei,

zum

Idealkonkurrenz vorliegt oder nicht,

lung oder Realkonkurrenz. weil das Gesetz

Regeln

ihm

ob

ob fortgesetzte Hand­

Tie Zweifel sind hier berechtigt,

an diesen Fall nicht gedacht und seine

nicht angepaßt hat.-"

rcre Verbrechen, von denen durch den Wahrspruch nicht sestgestellt ist, daß sie je durch eine selb­ ständige Handlung begangen seien, als durch eine einzige Handlung begangen anzusehen sind. Diese Prämissen sind frei­ lich nicht zuzugeben, LöweHellweg, S 294 9?. 2 b, unten Anm. 35. 82 Frage nach der Einsicht, StPO. 298, bei einem Erwach­ senen. Frage nach mild. Umst. bei Verbrechen aus StGB. 214, RG. IS, 400. 83 ob Verjährung, ob Abo­ lition vorliege; ob Rückfall ge­ geben, ob bejahendenfalls mild. Umst. zuzubilligen, vgl. Anm. 18. 31 z. B. wegen 'mangelnden Antrags, RG. 5,327, ob. Anm. 1; oder weil insoweit Verjährung eingetreten sei RG. 23, 327; jemand war wegen eines 10 Jahre zurückliegenden Mord­ versuchs angeklagt; Hilfsfrage, ob Körperverletzung oder Sach­ beschädigung vorliege, wurde ab­ gelehnt. Vgl. ob. S. 293, III1L.

Viel

Streit besteht

85 Vgl.v.Kries612. LöweHellweg, § 292 N. 6a, § 294 N. 2b. Beling, B.-B. 549 Anm. 24, 25. 553, des. Anm. 13. 556 Anm. 24. RG. 4, 190. 4, 287. 5, 155. 14, 75. 21, 405. 29, 327. 35, 70. Handelt es sich z. B. um Brandstiftung, StGB. 306 Z. 2, event, in Jdealkonkurrenz mit Versiche­ rungsbetrug, StGB. 265 Fall I, so dürste zu fragen sein ent­ weder: I. Ist der Angeklagte schuldig, durch eine und dieselbe Handlung Brandstiftung und zugleich Versicherungsbetrug be­ gangen zu haben? II. Wenn zu I nein: Ist der Angeklagte der Brandstiftung schuldig? III. Wenn zu II nein: Ist der Angeklagte des Versicherungsbe truges schuldig? — oder auch je nach der tatsächlichen Lagerung der Sache: I. Ist der Anaeklagte der Brandstiftung schuldig? II. Wenn zu I ja: Ist der An­ geklagte zugleich eines durch dieielbe Handlung begangenen Ver­ sicherungsbetruges schuldig?

384

Abschn. II.

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

auch über das Verhältnis gewisser Berbrechensbegriffe zu­

einander; so

von Mord

zu Totschlag,

von

beiden

Kindestötung oder zu Tötung des Verlangenden.

zu

Hier

können aber bei richtiger systematischer Auffassung Zweifel nicht entstehend"

86 StGB. 211 bezeichnet ge­ rade die Anwesenheit desjenigen Momentes als wesentlich für den Mord, dessen Abwesenheit StGB. 212 ausdrücklich als wesentlich für den Totschlag hervorhcbt. Folglich ist der Mord kein quali­ fizierter Fall des Totschlags und steht nicht im Verhältnis der Spezialität zu demselben, sondern beideVerbrechensbegrifse schließen einander aus, sie stehen im Ver­ hältnis der Exklusivität. Danach muß für jede Ausfassung eine volle selbständige Schuldfrage gestellt werden, von denen die Mordfrage, mag sie Haupt- oder Hilsssrage sein, stets nach StPO. 294 Abs. 2 voransteht, während die Todschlagsfrage stets nur für den Fall der Verneinung der Mordfrage gestellt wird. Diese Anordnung gibt RG. 13, 345. 16, 214. 18, 400. 31, 253 jetzt wenigstens als statthaft zu, während 9, 401 (vgl. auch 20, 171 zu StGB. 217,' 26, 363 zu StGB. 216) nur eine Neben­ frage erlauben wollte. Was Kindestötung und Tötung auf Verlangen angeht, so sind sie Untersälle nicht zu Mord oder

zu Totschlag, sondern zu einem Mord und Totschlag gemeinsam umfassenden Oberbegriff vor­ sätzlicher Tötung, der aber nicht zu einem selbständigen Verbrechensbegrifi ausge'staltet ist. Deshalb kann auf diesen Ober­ begriff nicht, wie RG. 20, 171 vorschlügt, eine Hauptfrage ab­ gestellt werden, an die dann Nebenfragen angehängt werden, also: I. Vorsätzliche Tötung? II. Wenn zu I ja: durch die uneheliche Mutter in der Geburt? III. Wenn zu II nein: mit Ueberlegung ausgeführt? dies wird schon durch die Möglichkeit, daß I bejaht, II und III ver­ neint wird, ad absurdum ge­ führt. Zu richtiger Fragestellung kann man aber nur unter Ver­ zicht aus die in StPO. 294 Abs. 2 beliebte Anordnung gelangen: I. Liegt Kindestötung vor? II. Wenn zu I nein, liegt Mord vor? III. Wenn zu II nein, liegt Totschlag vor? Im wesentlichen wohl ebenso Beling, B.-B. 555 ff. und Anm. 20—22; vgl. Löwe-Hellweg, § 293 N. 9 b. § 294 N. 2 a. S1 englein, Komm., § 294 N. 4.

Der Wahrspruch der Geschworenen.

H 97.

385

§ 97. Ser Wahrspruch der Geschworenen.

Kries § 73.

Birkm. § 94 II, 5- 7. B. B. §§ 126. 127. §§ 118. 119.

Ullnt.

I. Tie Antwort der Geschworenen, für deren Abstim­

mung in unserm § 35 I bereits das Nötige gesagt ist, darf sachlich nicht zu wenig und nicht zu viel bieten.

Sie

muß auf alle gestellten Fragen eingehen, sie darf aber keine

neuen

Zusätze

bringen?

Die

Antwort

hat prinzipiell

nur Ja oder Nein zu lauten; doch sind die Geschworenen nach StPO. 305 Abs. 2 berechtigt, eine Frage teilweise

zu bejahen und teilweise zu verneinen.

Einen Unterschied

zwischen abändernden (qualifizierenden und privilegierenden) Merkmalen und konstitutiven Merkmalen macht das Gesetz

dabei nicht.

Es ist also möglich, daß infolge der Ver­

neinung eines einzelnen Unistandes überhaupt kein Ver­

brechenstatbestand mehr übrig bleibt.trägt

Die Bestimmung

gerade hierdurch der Rechtsungelehrtheit

der Ge­

schworenen Rechnung.

1 RG. 33, 140. Die Geschw. beantworteten die Frage, ob Raub vorliegt: „Ja, mit mehr als 7 Stimmen, aber unter Zubilligung mildernder Ilm stände." Der Zusatz war ein fach unberücksichtigt zu lassen. RG. 34,413. Frage aus StGB. 267. Die Antwort besagte: Ja, aber es liegt nicht § 267, sondern § 270 vor. 2 Alsdann ist trotz Bejahung der Schuldfrage sreizusprechen. So, wenn die Frage nach Ur­ kundenfälschung, StGB. 267. Rosenfeld, Reichsstrafprozeß. 2.

268, beantwortet wird: Ja, aber nicht in rechtswidriger Absicht. Lder aus die Frage aus StGB. 226, 47: Ja, aber nicht in Ge­ meinschaft mit einem andern, auch nicht derart, daß der Tod eingetreten (RG. 11, 168; hier war einzustellen). RG. 28, 408. a. M. v. Kries 629. Beling, B.-B. 565 Sinnt. 10. 569 Anm. 11, 12, die in dem Ja unter Verneinung konstitutiver Merk­ male einen inneren Widerspruch sehen und Berichtigungsversahren verlangen. 25 Aufl.

386

Abschn. II.

II.

Abs. 2

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten.

Die Antworten müssen formell dem § 307 StPO, entsprechen.

Danach muß die Bejahung

von Hauptfragen, Hilfssragen und Nebenfragen nach qua­ lifizierenden Umständen und nach der erforderlichen Eiusicht lauten

„Ja, mit mehr als 7 Stimmen"; die Ver­

neinung lautet „Nein".

Bei Nebenfragen nach privilegieren­

den Umständen und nach Strafaufhebungsgründen lautet

die Bejahung „Ja", die Verneinung „Nein, mit mehr als

7 Stimmen".

Die Nebenfrage nach mildernden Umständen

wird bejaht mit „Ja", verneint mit „Nein, mit mehr als

6 Stimmen".

Alles dies entspricht den Grundsätzen über

die Beantwortung der Schuld- und der Straffragen, oben

§ 35 II, StPO. 262 Abs. 1 und 2, GVG. 198 Abs. 1, StPO. 297 Abs. 2.

Im übrigen darf das Stimmen­

verhältnis nicht ausgedrückt werden.

III. Auf einen korrekten Spruch ergeht das Urteil oder der Kassationsbeschluß, auf einen inkorrekten Wahrspruch

hat das Berichtigungs -oder Moniturverfahren, StPO. 309—312, zu folgen. Es setzt stets einen Ge­ richtsbeschluß voraus, der bis zur Urteilsverkündung ge­ faßt werden kann, § 309 Abs. 2.

Der Vorsitzende erteilt

die nötige Belehrung und fordert die Geschworenen auf,

sich in das Beratungszimmer zurück zu begeben, um dem gerügten Mangel abzuhelfen, Abs. 1. und sachliche Mängel zu unterscheiden.

in der Form nicht vorschriftsmäßig, 3 Etwa: nicht neben den Fra­ gen niedergeschrieben, oder nicht unterzeichnet, oder nicht mit Verwendung von Ja und Nein, oder mit unzulässiger Angabe des Stimmenverhältnisses, z. B.

Dabei sind formelle 1. Ist der Spruch so ist ihm lediglich

Ja, einstimmig. Oder bei einer Nebenfrage aus StGB. 157: Ja, mit mehr als 6 Stimmen, RG. 11,42. Oder, bei der Frage nach mildernden Umständen: Nein, mit mehr als 7 Stimmen;

Der Wahrspruch der Geschworenen.

K 97.

387

die gesetzliche Form zu geben; eine sachliche Änderung darf

nicht vorgenommen werden, StPO. 309. 310.

2. Bei sach­

lichem Mangel des Spruches sind die Geschworenen an keinen Teil ihres früheren Spruches gebunden, StPO. 309. 311.

Sie können also nicht nur die mangelhafte Antwort

abändern, sondern auch die Antworten aus alle übrigen

Fragen, selbst wenn diese eine andere Tat oder einen andern Täter betreffen.

Das Stadium der Beratung ist also da­

mit aufs neue eröffnet.

Der Spruch leidet an einem sach­

lichen Mangel, wenn er a) undeutlich^

oder b) unvoll­

ständig,'* oder c) sich widersprechendist. RG. 32, 373 will hierin überbaupt keinen Mangel sehen. Oder, nachdem der erste Spruch auf Ja gelautet und Berichligungsverfahren angeordnet, wird beim zweiten Spruch kein neues Ja hingeschrieben, RG. 4, 123. 4 Wenn zweiselhast ist, was die Geschw. sagen wollen, oder ob sie die Fragen verstanden haben. RG. 9, 107: Ja mit 7, Rein mit 5 Stimmen. RG. 2, 361: Frage aus StGB. 154, Antwort: Meineid, Ja mit mehr als 7 Stimmen; wissentlich, Rein. Die übrigen Merkmale schwebten dadurch in der Lust; ähnlich RG. 7, 194. 11, 103. In RG. 7, 434 war mit „eventuell" ge­ fragt worden, ob S. 380 Anm. 20. Das halten die Geschworenen falsch aufgefatzt, wie aus den mündlichen Erklärungen hervor­ ging, mit denen der Obmann die Verkündung unterbrach. RG. 35, 284: Bejahung von Mord und von mild. Umft Hier war aber auch falsch gefragt worden, cf. ob. S. 384, Anm. 36.

5 Eine Frage ist ohne Antwort geblieben, RG. 27, 412; selbst wenn dies auf die falsche An­ weisung des Vorsitzenden ge­ schah, RG. 24, 302. Oder die gebotene Angabe des Stimmen­ verhältnisses ist unterbleiben, die Hauptsrage schlankweg mit Ja, die Frage nach mildernden Um ständen mit Rein beantwortet, RG. 4, 123. 23, 402. 31, 425; a. M. in diesem Punkte B e l i n g. 6 Beispiele: RG. 4, 278, Frage I: Kindesmord, StGB. 217? Ja, mit 7 gegen 5 Stim­ men; Frage II: mildernde Um stände? Ja, mit mehr als 7 Stimmen. Es lag innerlicher Widerspruch von I und Wider­ spruch zwischen I und II vor. RG. 5, 155, Fragen: I. Schul­ dig nach StGB. 174 Z. 1? II. mildernde Umstände? HI. Schuldig durch dieselbe Hand lung nach StGB. 176 Z. 1? IV. Mildernde Umstände? V. Schuldig durch dieselbe Hand­ lung nach StGB. 176 g. 3. VI. Mildernde Umstände ? Antworten

388

Abschn. II.

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarien.

IV. Der neue Spruch wird ebenso wie der alte,

von diesem unterscheidbar, niedergeschrieben;

der frühere

Spruch muß ebenfalls erkennbar bleiben, StPO. 312, da­ mit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob das Moni-

turverfahren nötig war. § 98.

schöffengerichtliche Verfahren. Kries § 64 I.

I. Im allgemeinen. Eine Voruntersuchung findet nicht statt, StPO. 176 Abs. 3. Die Anklageschrift, welche keine Ermittlungsergebnisse (S. 299) enthält, wird in reinen SchGSachen beim AR., in Überweisungssachen bei der StK. eingereicht, StPO.

197.198; dem Angejchuldigten wird sie nicht mitgeteilt, StPO. 199 Abs. 4. Für das Zwischenversahren gelten keine Besonderheiten; doch vgl. StPO. 209 Abs. 1 S. 2. 207 Abs. 2, ob. L. 302 Anm. 2. Zustellungen und Ladungen kann der AR. unmittelbar veranlassen, StPO. 36 Abs. 2, und dies ist in der Praxis die Regel. Wird der AR. abgelehnt und hält er das Gesuch für begründet, so be-

(kurz): I. Ja, II. Ja, III. Rein, IV—, V. Ja, VI. Rein. Wider­ spruch zwischen II und VI, doch war schon die Fragestellung un korrekt. RG. *28, 343, Fragen: I. Ist A schuldig, in Gemeinschäft mir B den X mißhandelt zu haben'? II. Ist B schuldig, in Gemeinschaft mit A den X mißhandelt zu haben? Antworten: I. Nein, II. Ja. Widerspruch zwischen beiden. Zustimmend Kries 629 für den Fall, daß der Name des Angestisteten in die den Anstister betreffende Frage ausgenommen wird, und die Geschworenen beim Täter mit Nein, beim Anstister mit Ja antworten. A. M. B.-B.

565 Anm. 10. Kein Wider­ spruch lag nach RG. 27, 392 in folgendem Falle vor: Ein Ju­ gendlicher ist wegen Beihilfe zur Notzucht angeklagt: Fragen: I. StGB. 176 Z. 1, 49? II. Ein sicht? III. mildernde Umstände? Antworten: I. Ja, II. Nein, III. Ja. Aehnlich RG. 2, 95. 10, 315: konstituierende Merk­ male wurden verneint, aber mildernde Umstände bejaht. Da­ gegen von Kries, Beling, s. oben Anm. 2. Stenglein, Komm. § 305 N. 3 stimmt dem RG. zu. Ebenso lag kein Wider­ spruch vor RG. 1, 263, 6, 318. 33, 286.

Tas schösfengerichtliche Verfahren,

g 98.

389

darf es feiner Entscheidung; andernfalls entscheidet die StÄ-, StPO. 27 Abs. 2. Über Ausschließung und Ablehnung Don Schossen beschließt der AR. StPO. 31 Abs. 2 S. 1. In der Hauptverhandlung bestimmt das Gericht selbstherrlich den Umfang der Beweisaufnahme (StPL. 244 Abs. 2, die beiden Regeln S. 317, 320 gelten nicht) und braucht sich vom Eittgehen auf neue recht­ liche Gesichtspunkte niemals durch den Angeklagten abhalten zu lassen (StPL. 264 Abs. 5). Schließt die Hauptverhandlung mit einem Verweisungsbeschluß wegen sachlicher Unzuständigkeit, so ist dem Angeklagten eine Frist zu Beweisanträgen zu setzen (StPO. 270 Abs. 4, oben S. 328 Sinnt. 7). Das Urteil bedarf der Unter­ schrift der Schöffen nicht, StPL. 275 Abs. 2. Nur in SchGSachen hat das Rechtsmittel der Berufung seinen Platz, StPL. 354 ff., uns. § 90: die Anrufung der dritten Instanz ist durch StPL. 380 stark beschnitten (S. 355). Die Wiederaufnahme aus Grund von Nova ist erschwert (StPL. 399 Z. 5, S. 361 Anm. 3). Eine Vermögensbeschlagnahme als Gestellungsmittel ist nur in Überweisungsjachen zulässig (StPO. 332, S. 280 Anm. 1). II. Speziell in Übertretungssachen. Auch wenn eine

Anklageschrift eingereicht wird (vgl. uns. §§ 99. 100), braucht nie­ mals ein förmlicher Erösfnungsbeschluß gefaßt zu werden, StPO. 211 Abs. 1: Anberaumung des Hauptverhandlungstermins ge nügt. Auch in der Berufungsinstanz ist das Gericht frei hinsicht­ lich der Beweisaufnahme und des Eingehens auf neue rechtliche Gesichtspunkte, StPO. 244 Abs. 2. 264 Abs. 5. Für alle Über­

tretungen, außer beit K orrektionshaft- Sachen (StGB. 361 Z. 3—8) gilt ferner: Verhaftung ist nur gegen besonders unsichere Per­ sonen statthaft «StPL. 113, S. 268); der Angeklagte kann nach uns. § 79 S. 308 bb oder ec geladen werden, er kann sich (S. 202 oben) vertreten lassen, es kann alsdann bei seinem Ausbleiben ver­ handelt werden (S. 310, II 2); auch ist stets Dispens vom Er­ scheinen wegen großer Entfernung zulässig (S. 310, II 3), StPO. 231. 232. 233. Endlich kaun, soweit nur Geldstrafe angedroht ist, auch gegen den „Abwesenden" im technischen Sinn verhandelt werden, StPO. 319.

Abschn. II.

390

Kap. I.

Ordentliche Prozeßarten. § 99.

Vas abgekürzte schöffengerichtliche Verfahren. Kries § 64 II. Birkm. § 106.

B.-B. § 109 VI 1.

Bind. § 109.

StPO. 211 Abs. 1 gibt die Möglichkeit an die Hand, ohne

schriftliche

möglicherweise

und

Anklage

sogar

Hauptverhandlung

ohne

vor

ohne

Eröffnungsbeschluß, Verfahren

vorbereitendes

dem

SchG,

zu

schreiten.

zur

Diese

Möglichkeit besteht in 3 Fällen: 1. wenn der Beschuldigte sich freiwillig stellt; 2. wenn er infolge einer vorläufigen

Festnahme dem Gericht vorgeführt wird; 3. wenn er nur wegen Übertretung verfolgt wird. Immer muß ein reines SchGDelikt vorliegen, das aber in den Fällen 1 und 2

In diesen beiden Fällen findet

auch Vergehen sein kann.

keine Ladung des Angeklagten statt, der wesentliche Inhalt der Anklage (die also mindestens mündlich erhoben wird) ist in das Sitzungsprotokvll aufzunehmen.

Ist Fall 1 und

2 nicht gegeben, wohl aber Fall 3, so findet Ladung statt (oben tz 79), und der Inhalt der Anklage wird in dieser

mitgeteilt.

In den Grundsätzen der Verhandlung und der

Rechtsmittel besteht kein Unterschied gegenüber dem gewöhn­ lichen Verfahren, soweit nicht unser 8 98 II gilt.

§ 100. Las verfahren vor dem Amtsrichter. Kries § 64 III.

Eine

noch

Birkm. § 106.

B. B. § 109 VI 2.

weitere Vereinfachung

des

Bind. § 109.

in 8 99

ge­

schilderten Verfahrens ist nach StPO. 211 Abs. 2 dadurch möglich, daß

keine Schöffen hinzugezogen werden.

Hier

entscheidet der AR. allein und, ohne daß er einen regel­ rechten Sitzungstag abzuwarten braucht, Es

müssen aber folgende 4

auf der Stelle.

Voraussetzungen

zusammen-

Das Verfahren in Reichsgerichtssachen.

K 101.

391

treffen: 1. der Beschuldigte wird infolge einer vorläufigen Festnahme vorgeführt; 2. er wird nur wegen Übertretung verfolgt; 3. er gesteht die Tat ein; 4. der Amtsanwalt

stimmt zu.

Tie Verhandlung ist die gewöhnliche, steht

namentlich unter der Regel der Öffentlichkeit; auch Beweis­

aufnahme, z. B. über Strafzumessungsgründe ober über die Glaubwürdigkeit des Geständnisses, ist nicht ausgeschlossen.

Widerruf des Geständnisses

macht jedoch

die Zuziehung

von Schöffen notwendig; desgl. eine Vertagung, weil dann

für die neue Hauptverhandlnng die Voraussetzung zu 1 nicht mehr zutrifst. 8 KULas verfahren in Nrichsgerichtssachrn. I. Wegen der Zuständigkeit s. £ 25 A. IV, 3. 97; wegen der Stellung des Lberreulisanwaltes £ 35 III, 3. 176. II. Voruntersuchung ist notwendig, StPO. 176 91 bi. 1. Der Untersuchungsrichter, nötigenialls auch ein Vertreter, tvird durch den RGPräsidenten für die einzelne Sache auf Anregung des Reichsanwalts besonders beüellt, StPO. 184. Dazu kann ausge­ wählt werden ein Mitglied des RG. oder ein Mitglied eines andern deutschen (Berichts oder ein AR. Während der VU. und des Zwischenversahrens werden die StKGeschäste durch den ersten Strafsenat erledigt, 0'>VG. 138 Abs. 1. III. Die Verteidigung ist stets eine notwendige, StPO. 140 Abs. 1. Den Verteidiger bestellt während des vorbereitenden Ver­ fahrens (wenn nötig) auch hier der AR., StPO. 144 Abs. 1 S. 2; während der VU. und des Zwischenverfahrens der Prä­ sident des ersten Strassenats, StPO. 144 Abs. 1 S. 1. IV. Das Hnuptversahren, insbesondere die Hauptverhandlung findet vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenate nach den gewöhnlichen Regeln, auch der des § 244 Abs. 1 StPO. (S. 317 ff.) statt, GVG. 138 Abs. 2. Besetzt ist das Gericht mit elf oder mit dreizehn stimmberechtigten Räten (GVG. 139. 140); die Zweidrittel-Majorität beträgt 8 bzw. 9.

Abschn. II.

392

Kap. II.

Außerordentliche Prozeßarten.

Zweites Kapitel.

Außerordentliche Prozeßarten.

8 102.

Las summarische Verfahren nach StpG. 265. Kries § 69 V. Birkm. S. 114, 629. BB. § 111 II, § 113 I. Ullm. § 112 VI. VII. Bind. § 101.

Bereits in § 85 II ist erwähnt, daß der Angeklagte,

der im Laufe der Hauptverhandlung*1 noch Tat beschuldigt wird,

einer andern

als der im Eröffnungsbeschlusse be­

zeichneten, wegen dieser andern Tat mit abgeurteilt werden kann,

obwohl die Identität der Tat nicht mehr gewahrt

ist, StPO. 265, MilStGO. 319.

Es wird also hier mit

der ursprünglichen Strafsache eine neue Strafsache oer< bunden, die aber nur ein Vergehen oder eine Übertretung

betreffen darf.

Ohne Vorverfahren und Zwischenverfahren

tritt die neue Sache sogleich in das Stadium der Haupt­ verhandlung, — ein eigener Schnellprozeß (bei dem manche

Schriftsteller von Zusatzanklage oder Jnzidentanklage sprechen).

Das Gericht der ursprünglichen Sache ist für die neue stets örtlich zuständig (sonnn connexitatis, § 26 V, S. 110);

sachlich muß es zuständig sein entweder nach der regulären

Verteilung

oder durch

S. 91, 102).

Zusammenhang (§ 25 A, B II,

Die Staatsanwaltschaft muß einen Antrag

auf die verbundene Aburteilung stellen, — darin liegt die Klagerhebung in der neuen Sache?

Ter Angeklagte muß

1 Gleichviel vor welchem Ge- I 369 Abs. 3a. E. Beling,B. B. 576. Löwe-Hell weg Note 11. richt. DaS SchwG. ist nicht aus­ genommen, wie Dalcke (Lil. zu RG. 12, 164. 2 Die neue Sache darf also § 96) S. 88 meint. — Aber es noch nicht rechtshängig sein, muß selbstverständlich ein Gericht Löwe-Hellweg Note 3. I. Instanz sein, auch nach StPO.

Tas Verjähren gegen Abwesende.

K 103.

393

zustimmen,' — damit werden wichtige Verfahrensvorschriften

wie dispositives Recht behandelt. Vor dem SchG, ist die Zustimmung gleichgültig, wenn die neue Sache eine Über­

tretung betrifft, weil sich hier die Bestimmung StPO. 211

Abs. 1 mit der des § 263 kreuzt. im Ermessen des Gerichts;

Tie Verbindung steht

das Gericht

muß

sich

also

hierin liegt das Analogon

darüber schlüssig werden,

des Eröffnungsbeschlusses: individualisierende Bezeichnung der Tat und Angabe des Strafgesetzes wird auch hier zu

Endlich verlangt das Gesetz, daß beide

erfordern sein.

Sachen Gegenstand derselben Aburteilung werden.

Daraus folgt: 1. Tie neue Sache darf nur durch Urteil

(auch aus Einstellung) erledigt werden, nicht durch Beschluß nach StPO. 270.

In diesem Fall wird vielmehr die Ver­

bindung wieder ausgehoben, und es ist normales Vorver­

fahren und regelrechte Anklage nötig.

2. Ist die ursprüng­

liche Sache spruchreif, die neue nicht, so wird ebenfalls die

Verbindung mit allen Wirkungen annulliert.

8 103. Las verfahren gegen Abwesende. Kries § 79 I-III.

Bukin. § 112 I—IV. 8 124.

B.-B. 8 151.

U(lm.

Bind. 8 HO.

1. Über den Begriff des Abwesenden s. StPO. 318,

oben

2.

279.

Gestellung des

Von

den

Abwesenden

beiden

Maßregeln,

einzuwirken

(sicheres

auf die Geleit

und Vermogensbeschlagnahme), ist in §§ 68. 69 die Rede

gewesen. 3 nicht blos; sich passiv verdiese Meinung jetzt aufgegeben Hallen, wie RG. 4, 76 vermeinte: I (Urt. v. 2. Jan. 1900 im Arch. doch hat der II. StScn. selbst | für StR., Bd. 47 S. 154).

Abschn. II.

394

Kap. II.

Außerordentliche Prozeßarten.

II. Eine Hauptverhandlung kann nur stattfinden,

wenn

lediglich

Geldstrafe

kommt/ StPO. 319.

(oder

Einziehung)

in Frage

Dann muß sie aber auch stattfinden?

Der Angeklagte wird entweder durch Auslandszustellung (S. 151 f.) oder aushilfsweise

durch öffentliche Zustellung

nach den speziellen Vorschriften der §§ 320

321 (An­

heftung an die Gerichtstafel/ Einrückung in das amtliche

Blatt und nach Ermessen auch dreimal in ein anderes, ein Monat Zwischenfrist) geladen?

hörige können auftreten

Verteidiger

und Ange­

und zwar als Vertreter,"

haben Rechtsmittel, StPO. 322. 324.

und

Die Zustellung des

Urteils erfolgt merkwürdigerweise stets, nicht bloß aushilfs­ weise, nach StPO. 40 Abs. 2, vgl. S. 152, StPO. 323.

476.7 — Eine besondere Vollstreckungssicherung, vgl. § 59

V, sieht StPO. 325. 326 vor; zur Deckung der even­ tuellen höchsten Geldstrafe und der Kosten kann während 1 StGB. 145, 145a, 276, 285 — die einzigen Vergehen dieser Art im StGB. Ferner StGB. 364. 365 Abs. 1. Ge­ werbe-Odg. 146—150. Zahl­ reiche Steuergesetze. 2 Keine Ausnahme vom Le galitätsprinzip, so S t e n g l e i n, L ö w e H e l l w e g, Ullmann, Birkmeher, B e l i n g und die HM. Tas Gericht muß auch eröffnen, oben § 78 Anm. 3. * RG. 32, 306. 4 Dies ist die eigentliche La düng. Die Einrückung ist nur Bekanntgabe der Ladung und erfolgt nur „im Auszug".' Eine Bekanntgabe durch Einrückung, ehe die Anheftung wirklich er­ folgt ist, muß daher für nichtig erachtet werden. Oder m. a. W.,

I ! i i ! j ! j

i ' ! i ;

die Anheftung muß spätestens gleichzeitig mit der ersten Einrückung erfolgen. So Dalcke, Stenglein u. a., dagegen Löwe-Hellweg, 51 2Tas * 4 Verhältnis zu StPO. 231 ist zweifelhaft, vgl. § 80 II 2. StPO. 231 gestattet das Absenzversahren für einen grvfieren Kreis von Delikten, ver langt aber wirkliche Ladung. 6 oben § 45 V, S. 202. § 38 III, S. 169 Anm. 12; z. T. abweichend B.-B. 676, Löwe-H. Note 1 und 4 zu § 322. 7 Die Billigkeit spricht dafür, dem Angeklagten hier ebenso wie im Falle der StPO. 234 die Wiedereinsetzung zu gcken. oben § 94. So die meisten StPO, schweigt.

Das Verfahren wegen Verletzung der Wehrpflicht.

§ 104.

395

der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens eine Be­ schlagnahme einzelner Gegenstände, subsidiär auch des in­ ländischen Vermögens stattfinden? III. Ist Hauptverhandlung unstatthaft, so findet ein Beweissicherungsverfahren statt, StPO. 327, oben S. 252,89 Erhebung öffentlicher Klage wird unbedingt, Ob­ schweben der Voruntersuchung als Regel vorausgesetzt, vgl. StPO. 336. 331. Ein Verteidiger kann vom Ange­ schuldigten oder seinen Angehörigen gewählt werden. Es steht im Ermessen des Gerichts, sich mit dem Beschuldigten in Verbindung zu setzen, StPO. 329. 330.30

§ 104. DaN Verfahren wegen Verletzung -er Wehrpflicht. Kries § 79 IV. Birkm. § 112 V. B.-B. § 151, I 7. Ullm. § 125.

Ein Sondersall der in § 103 besprochenen Prozeßart ist das Verfahren gegen flüchtige oder ausgewanderte Wehr­ pflichtige, vor dem SchG. (StGB. 360 Z. 3) und der StK. (StGB. 140). Hier gelten nach StPO. 470—476 außer den allgemeinen folgende besondere Sätze: 1. Das Gericht des letzten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufent­ haltsortes ist zuständig, StPO. 471 Abs. 1. 2. Unge­ trennte Verhandlung und Entscheidung gegen mehrere Per­ sonen ist zulässig, StPO. 471 Abs. 2, wofern nicht in 8 Das gleiche gilt für den Fall des 040 Abs. 3 StGB., s. StPO. 480. — Die subsidiäre Maßnahme erfordert Gerichts­ beschluß, der UN. ist also in­ kompetent. 9 Der' MilitärStrProz. kennt nur dieses, keine Hauptverhand­ lung gegen Abwesende, MilSt-

GO. 356 -362. 10 Ist sein ausländischer Auf­ enthalt bekannt, durch formlose Benachrichtigung. Ist sein Auf­ enthalt unbekannt, durch Zeitungsinserat. 1 Daher finden §§ 322. 324 StPO, auch hier Anwendung, RG. 36, 82. 242.

396

Abschn. II.

Kap. II.

Außerordentliche Prozeßarten.

einer Sache Beweisaufnahme nötig wird, Abs. 2.

StPO- 475

3. Anklage und Eröffnungsbeschluß erfolgen ohne

sachliche Prüfung auf Grund einer durch StPO. 472 vor­ geschriebenen Erklärung der militärischen Kontrollbehörde.

4. Ladung erfolgt nach StPO. 473.

5. Außer der Ver­

lesung der Erklärung zu 3 findet in der Regel keine Be

Weisaufnahme statt.

Ergeben sich (was von Amts wegen

zu prüfen ist) keine Umstände, welche dieser Erklärung ent­

gegenstehen, so erfolgt ohne weiteres Verurteilung, - StPO.

475 Abs. 1, vgl. S. 79 § 21 in 1.

§ 105. Das Strafbefehlsverfahren. Kries § 82. Birkm. § 107. B. B. § 147. llfim. §§ 132. 133. Bind, z 111 des. III A. Friedländer, Zeitschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 18 S. 495 fs., 667 ff.

I. Bei den SchGDelikten des GVG. 27 Z. 1 und 2 (S. 91 Anm. 1) gestattet StPO. 147 ff., den Versuch einer Erledigung

ohne

Hauptverhandlung zu machen.

Dieses

Verfahren wird mit dem Strafversügungs- und dem Stras-

bescheidsverfahren oft als strafprozesiuales Mandats- oder Mahnverfahren,

auch

summarisches

Strafverfahren

zu­

sammengefaßt und ist in MilStGO. 349—355 ebenfalls

ausgenommen (Strafverfügung des Gerichtsherrn unter Gegenzeichnung eines Gerichtsoffiziers oder eines Kriegs­ gerichtsrates).

Der

AR.

2 Sllfo in dubio contra reum! Es ist unzulässig, bloße Behauptungen des Verteidigers oder Vertreters als „unwiderlegt" zu bezeichnen und aus sie eine Freisprechung zu basieren, RG. 36,

kann durch einen

schriftlichen

242. Erst recht nicht kann die i bloße Erwägung anderer Mög | lichkeiten durchschlagen, z. B. ; daß guter Glaube des AuSaewanderten nicht ausgeschlossen | sei, RG. 20, 200.

Das Strafbefehlsverfahren.

§ 105.

397

Strafbefehl Geldstrafen bis zu 150 Mk. oder Freiheits­

strafen biv zu 6 Wochen, sowie Einziehung feftfefeen.12 JL Voraussetzung ist ein schriftlicher Antrag des AmtsnmüQÜcv aus eine bestimmte Strafe,

S. 1.

StPO. 448 Abs. 1

.hierdurch wird die öffentliche Klage erhoben. Der

AR. erläßt darauf entweder den Strafbefehl^ oder er er­

öffnet i)nv Hauptverfahreu und setzt Termin an/ oder er

erläßt einen Nicht-Eröffnungsbeschluß?

Tie Mußerforder­

nisse des Strafbefehls gibt StPO. 449 an.

111. Ter einzige Behelf" gegen den Strafbefehl ist der Einspruch.

Er wird eingelegt schriftlich

oder proto­

kollarisch, bei dem AG., binnen 1 Woche seit Zustellung,

StPO

HO Abs. 1

a. E.; Verzicht vor Fristablaus ist

1 Nicht Geld- und Freiheits­ strafe kumulativ, wie die andere Fassung »„allein oder tu Ver­ bindung miteinander"» von GVG. 27 Z. 2, 73 3- 2, 75 Z. 14, StPO. 231, 232 usw. beweist, st. M. Löwe-Hellweg, Stenglein, Friedländer -st. st.' O. Bd. 18 S. 499). Auch bei Nealkonkurrenz nicht höhere Strafe, a. M. Stengleist, B e l i n g. Ueber Weisung an die Landespolizei behorde ist unstatthaft, StPO. 447 Abs. 3. Anordnung öffent­ licher Bekanntmachung ist statt­ haft nach § 16 NahrungsmittelG. und einigen anderen Gesetzen. Da hür ' ein Versuch gemacht wird, die Hauptverhandlung durch ein schriftliches Vorgehen zu ersehen, so muß an sich die HauPUerhandlung zulässig sein. Gegen „Abwesende" kann des­ halb» nrr im Falle StPO. 319 loben 103 II) ein Strafbefehl ergehen. Die Meinungen gehen

stark durcheinander, vgl. LoweHeltweg Note 4. - Ganz haltlos sind die u. a. von U l l tu st ii n und Birkmeyer geäußerten Zweifel über die Zulässigkeit eines Strafbesehls gegen Jugendliche unter 18 Jahren. Dies gibt jetzt auch Löwe-Hellweg, 11. Ausl., 8 447 Note 5, zu. 3 Wenn er keine besondere Bedenken hat, muß er dies tun, StPO. 448 Abs. 2 S. 2. 4 Wenn das Bedenken in der Strafhöhe besteht, ist vorerst Verständigung mit dem Amts­ anwalt zu versuchen, StPO. 448 Abs. 2 S. 2. 6 Vorher ist auch ein Beschluß nach StPO. 200 möglich; a. M. Löwe-Hellweg, Stenglein. 6 Stenglein und Fried­ länder (ii. st. O. S. 696) folgern aus StPO. 450 auch die Zulässigkeit einer Wtederaufnahnte.

statthaft, Abs. 2. Zurücknahme ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung zulässig, StPO. 451 Abs. 1 a. E. Ein Rechtsmittel ist der Einspruch nicht.' IV. Wird nicht rechtzeitig Einspruch erhoben und ist Wiedereinsetzung ausgeschlossen, so erlangt der Strafbefehl die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, StPO. 450; davon oben § 87 S. 337 Anm. 12. V. Bei rechtzeitigem Einspruch wird zur Haupt Ver­ handlung geschritten. Doch kann auch der Amtsanwalt die Klage fallen lassen, StPO. 451 Abs. 1 (S. 71- Nr. 4). Der Angeklagte braucht nicht selbst zu erscheinen, sondern kann einen Verteidiger schicken (StPO. 451 Abs. 2, S. 202), doch gilt StPO. 235 auch hier. Bleibt er unent­ schuldigt und unvertreten aus, so ergeht ohne Beweisauf­ nahme ein echtes Kontumazurteil: der Einspruch wird ver­ worfen, StPO. 452 Abs. 1. Im übrigen ist das Gericht an den Strafbefehl nicht gebunden, StPO. 451 Abs. 3, und darf auch in pejus reformieren. VI. Gegen das Urteil hat der Angeklagte die gewöhn­ liche Berufung und gegen das Kontumazurteil außerdem die Wiedereinsetzung, bis auf den Fall des § 452 Abs. 2, oben § 94 S. 370.78 7 oben 88 I. S. 338 f. Da­ her sind auf ihn weder § 338, noch § 340, noch § 341 anwend­ bar , vgl. Löwe-Hellweg, § 449 N. 3. § 451 N. 3; Beling, B.-B. 660 Anm. 26; ersterer z. T. abweichend, aber nur aus Billigkeitsgründen und wie­ derum inkonsequent durch will­ kürliche Einschränkungen. 8 Im Falle StPO. 452 Abs. 2 gibt es also nur die Berufung,

u. zw. in ganz gewöhnlicher Art, so mit Recht Beling, B.-B. 662 Anm. 36. Daß die. Be­ rufung nur auf die Behauptung gestützt werden dürfe, daß der Einspruch zu Unrecht verworfen sei, daß also der Fall der Ver­ säumung nicht vorgelegen habe, steht wohl für ganz andere Fälle in CPO. 513 Abs. 2, aber nicht mit einer Silbe in der StPO. Es widerspricht auch dem Geist

Das Strafverfügungsverfahren.

399

§ 106.

§ 106.

Das Strafverfügungsverfahren. Kries § 83. Birkm. § 108. B.-B. § 148. Ullm. §§ 134. 135. Bind. § 111, III B. Levis, Zeitschr. f. d. ges. StRWiss., Bd. 19 S. 319 ff.

I. Eine zweite Art des Mandatsverfahrens im Straf­

prozeß

ist die

richterlicher

Ausübung

Polizeibehörden (oben § 40 III). recht dies zuläßt/

Funktionen

durch

Soweit das Landes­

erstrecken sich solche Funktionen auf die

Verhängung von Haftstrafe bis zu 14 Tagen, Geldstrafe, subsidiärer Haftstrafe bis zum gesetzlichen Höchstmaß und Einziehung wegen Übertretungen, StPO. 453 Abs. 1 und

2, mit Ausnahme der durch die Presse begangenen Über­

tretungen, PreßG. § 29.

Die Mußerfordernisse der Straf­

verfügung s. in Abs. 3. II. Der Strafverfügung kommt in einer Beziehung gleiche Wirkung zu, wie einer richterlichen Handlung: sie

unterbricht die Verjährung, StPO. 453 Abs. 4.

Im üb­

rigen begründet sie weder Rechtshängigkeit, noch (wenn sie

in Vollstreckbarkeit oder formelle Rechtskraft erwachsen ist)

materielle Rechtskraft. III. Das administrative Einschreiten stellt nur einen Vorprozeß dar (§ 11 I. II C). des Strafverfahrens. . LöweHellweg Note 3 meint aller­ dings, es sei „unerfindlich", warum der Gesetzgeber die Er­ örterung der Sache selbst in der I. Instanz ausschließen, in der II. zulasten sollte. Aber es scheint mir auf der Hand zu liegen, daß eben den doppelt Morosen der Nachteil treffen

Als Behelf gegen die

soll, eine Instanz zu verlieren, — und dann natürlich die I. In­ stanz. 1 EG. z. StPO. 6 Z. 3, Preuß. G. vom 23. April 1883. Danach in Preußen beschränkt auf höchstens 3 Tage Haft oder 30 M. Geldstrafe, auch subsidiär nur 3 Tage Haft.

400

Abschn. II.

Kap. II.

Außerordentliche Prozeßarien.

Strafverfügung läßt das Reichsrecht, in diesem Punkte die

Landesgesetze bindend,

den Antrag auf gerichtliche Ent­

scheidung, vulgo: Widerspruch zu.

Er wird eingelegt

schriftlich oder mündlich bei der Polizeibehörde, schriftlich

oder zu Protokoll beim AG., binnen 1 Woche seit Be­ kanntmachung, und ist zurücknehmbar bis zum Beginn der Hauptverhandlung, StPO. 453, 454 Abs. 1, 456 Abs. 2.

Gegen

Versäumung der Widerspruchsfrist

ist Wiederein­

setzung durch den AR. möglich, StPO. 455, S. 368, II.

Auch

der Widerspruch ist kein Rechtsmittel." — Das Landes­ recht kann neben dem Widerspruch auch eine Beschwerde

an die höhere Polizeibehörde zulassen (in Preußen nicht

geschehen).

IV.

Bei

rechtzeitigem

Widerspruch

ist

zunächst

die

Polizei nochmals vor die Frage gestellt, ob sie die Ver­

fügung zurücknehmen will, StPO. 454 Abs. 2.

Sie gibt

dies Rücknahmerecht endgültig aus der Hand,-^ indem sie die Akten dem Amtsanwalt übersendet, der, lediglich als Zwischenstation, sie dem AR. vorlegt.

Ohne Anklageschrift4

und Eröffnungsbeschluß 6 kommt es dann zur gewöhnlichen

schöffengerichtlichen Hauptverhandlung, StPO. 456 Abs. 1. 457 Abs. 1.

Der Angeklagte kann sich durch einen

Verteidiger vertreten lassen, StPO. 457 Abs. 2, S. 202. Bleibt er unentschuldigt aus, so wird er nicht (wie nach

1 Ungültig daher § 3 Abs. 2 des preuß. G. vom 23. April 1883, wonach für einen Jugend­ lichen zwischen 12 und 18 Jahren auch dessen gesetzlicher Vertreter den Widerspruch ergreifen kann. • So mit Recht die HM., da­ gegen Levis.

4 deren Surrogat ist die Straf­ verfügung. 6 denn das Gericht wird aus Anrufen des Beschuldigten und nicht der StAnwfchast tätig. Richtig Löwe-Hellweg, Komm. § 456 N. 3.

Das Strafbescheidsverfahren.

K 107.

401

StPO. 452) kontumaziert, sondern es gelten die gewöhn­

lichen Regeln, vgl. S. 310 Nr. 2.

V. Das Urteil kann die Strafe abändern, auch er­ höhen; es kann auch die Tat als eine andere Übertretung qualifizieren; es kann aber in keiner Weise über sie ab­ urteilen, wenn es sich herausstellt, daß die Polizei bei der

Strafverfügung ihre Kompetenz überschritten hat, StPO.

457. 458.

Die Kraft der