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German Pages 360 Year 1989
Schriften zum Völkerrecht Band 89
Der Ägäis-Konflikt Die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Griechenland und der Türkei und das Problem der Inseln im Seevölkerrecht
Von
Wolff Heintschel von Heinegg
Duncker & Humblot · Berlin
WOLFF HEINTSCHEL VON HEINEGG
Der Ägäis-Konflikt
Schriften zum Völkerrecht Band 89
Der Ägäis-Konflikt Die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Griechenland und der Türkei und das Problem der Inseln im Seevölkerrecht
Von Dr. Wolff Heintschel von Heinegg
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Heintschel von Heinegg, Wolff: Der Ägäis-Konflikt: die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Griechenland und der Türkei und das Problem der Inseln im Seevölkerrecht / von Wolff Heintschel von Heinegg. Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Völkerrecht; Bd. 89) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06611-1 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-06611-1
Geleitwort Der Ägäis-Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei gehört zu jenen internationalen Spannungsfeldern, die sich mehr durch Kontinuität als durch Kompromißmöglichkeiten auszeichnen. Ein Sektor dieses Konflikts ist zugleich in eine überaus schwierige völkerrechtliche Problematik eingebettet, nämlich in die Problematik der Zuordnung eines Festlandsockels zu Inseln mit allen ihren vielfältigen Einzelfragen. Dieses Problemfeld schließt wesentliche dogmatische und methodische Streitpunkte der heutigen Völkerrechtswissenschaft ein. So ist zunächst die Rechtsquellenlehre betroffen. Der stets von neuem schwierige Nachweis der Staatenpraxis als des einen, des objektiven Elements des Völkergewohnheitsrechts hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwieweit - konsekutiv oder kumulativ - nationale Rechtsakte, insbesondere die nationale Gesetzgebung, Staatenpositionen in multilateralen Vertragsverhandlungen und multilaterale (noch) nicht ratifizierte Verträge als Kriterien dieser Praxis verwertbar sind. Gleichfalls stellen sich Grundprobleme des Vertragsrechts als der Hauptquelle des Völkerrechts, wie die Beurteilung der Kontinuität inhaltsgleicher Vertragsnormen in verschiedenen multilateralen Verträgen, die Zusammenschau einer Vielzahl bilateraler Verträge zum gleichen Sachgegenstand, und die Abstraktion vertragsrechtlicher Regelungen zu einer außerhalb des Vertragsrechts geltenden Norm, die lediglich vertraglich kodifiziert worden ist. Diese dogmatischen Probleme sind wiederum mit einer Vielfalt methodischer Fragen verknüpft, so mit der Einbeziehung der Staatenpraxis in die völkerrechtliche Grundregel der Vertragsinterpretation, der Auslegung völkerrechtlicher Prinzipien und völkerrechtlicher Normen, und dem Stellenwert vertragsinterpretierender Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und internationaler Schiedsgerichte. Diese beispielhaft aufgezeigte Fülle dogmatischer und methodischer Probleme aufzuarbeiten und auf den Ägäis-Festlandsockel-Streit anzuwenden, konnte nicht auf die häufig übliche Aufarbeitung vielfältiger Sekundärliteratur beschränkt bleiben. Sie verlangte vielmehr in einem beträchtlichen Umfang eingehende Dokumentenforschung und Erhebungen „vor Ort". Der Verfasser der vorliegenden Schrift hat sich jenem anspruchsvollen Vorhaben mit Kenntnisreichtum und aufwendiger Intensität gewidmet. Die Teilnahme an zahlreichen internationalen Konferenzen und Symposien, deren Gegenstand das Seevölkerrecht war, sowie eine mehrmonatige Tätigkeit bei den Vereinten Nationen in New York - und nicht zuletzt die Beherr-
Geleitwort
6
schung der neugriechischen Sprache - schufen die Basis für das Gelingen seiner Untersuchung. Seine Schrift stellt nicht nur i m deutschsprachigen Raum, sondern im internationalen Völkerrechtsschrifttum die erste umfassende Untersuchung zur Problematik des Festlandsockels von Inseln vor dem Hintergrund der Dritten Seerechtskonferenz dar. Wolff H. von Heinegg hat ein außerordentlich anspruchsvolles Vorhaben bewältigt. Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, der diese Schrift als Dissertation vorgelegen hat, konnte ihr höchstes Lob zollen. Auf die künftige Diskussion der Festlandsockel-Problematik von Inseln w i r d diese Untersuchung ihre Wirkung nicht verfehlen. Bochum, im Februar 1989 Prof. Dr. Dr. h. c. Knut Ipsen L L D h. c. Rektor der Ruhr-Universität Bochum
Inhaltsverzeichnis Einleitung
17
1. Teil Geschichtlicher Überblick und die Rechtspositionen Griechenlands und der Türkei zur Frage der Hoheitsrechte in der Agäis A. Geschichtlicher Überblick
20
I. Die griechisch-türkischen Beziehungen seit Beginn des 19. Jahrhunderts und die Souveränität über die ägäischen Inseln
20
II. Der Verlauf der Streitigkeiten um den Festlandsockel B. Die Rechtspositionen der Parteien I. Basislinien und allgemeine Breite des Küstenmeeres II. Die Stellung von Inseln i m allgemeinen
23 26 26 27
ΙΠ. Archipele
28
IV. Das Küstenmeer von Inseln
28
V. Inseln und Festlandsockel
30
VI. Der Einfluß von Inseln auf die Abgrenzung von Seegebieten zwischen benachbarten bzw. einander gegenüberliegenden Staaten
31
1. Inseln und die Abgrenzung des Küstenmeeres
31
2. Inseln und die Abgrenzimg des Festlandsockels
33
VII. Zusammenfassung
34 2. Teil
Der Rechtsstatus von Inseln im Völkerrecht A. Das Völkervertragsrecht I. Vorbemerkung II. Die Behandlung des Problems i n der Zeit vor dem 20. Jahrhundert
35 35 36
ΙΠ. Die Haager Konferenz von 1930 über die Kodifizierung des Völkerrechts und vorbereitende Arbeiten
37
IV. Die Entwicklung bis zum Jahre 1958, einschließlich U N C L O S I
40
1. Die Definition des Begriffs „Insel" und die Frage des Küstenmeeres von Inseln
40
8
nsverzeichnis a) Der britisch-norwegische Fischereistreit
40
b) Vorschläge innerhalb der ILC und UNCLOS I
42
2. Der Festlandsockel von Inseln und das Problem der anzuwendenden Begriffsbestimmung V. Die Entwicklung bis zur Seerechtskonvention von 1982
45 48
1. Vorbemerkung
48
2. Die Verhandlungen des Meeresboden-Ausschusses
51
3. Die Positionen der Delegierten auf UNCLOS I I I
58
a) Die 2. Session: Caracas, 20. Juni bis 29. August 1974
58
b) Die weiteren Sessionen
66
VI. Zusammenfassung
73 B. Das Völkergewohnheitsrecht
I. Methodischer Ansatz für den Nachweis seerechtlicher Normen des Völkergewohnheitsrechts 1. Vorbemerkung
75 75 75
2. Das objektive Element - die Staatenpraxis/die Übung a) Erforderlichkeit des objektiven Elements? b) Begriff und Inhalt der „Übung" aa) Akte nationaler Rechtsetzung als Übung?
80 80 82 84
bb) Abstrakte (Rechts-)Äußerungen als Übung?
88
cc) Völkerrechtliche Verträge als Übung?
92
dd) Weitere Anforderungen an die Übung
101
3. Das subjektive Element - die opinio iuris
106
a) Begriff und Inhalt der opinio iuris
107
b) Der Nachweis der opinio iuris
108
4. Zusammenfassimg
115
II. Staatenpraxis
115
1. Nationale Rechtsetzungsakte 116 a) Akte nationaler Rechtsetzung, i n denen die Frage der Seegebiete von Inseln ausdrücklich geregelt ist 116 b) Sonstige Akte nationaler Rechtsetzung und andere Regelungen . . . 117 2. AbgrenzungsVereinbarungen
118
3. Ergebnis
120
ΙΠ. Opinio iuris
121
IV. Das völkerrechtliche Schrifttum
122
V. Ergebnis
126 C. Der völkerrechtliche
I. Vorbemerkung II. Die vertretenen Positionen
Status von Archipelen
126 126 127
nsverzeichnis
9
ΠΙ. Die Entwicklung bis einschließlich 1930
128
IV. Die Arbeit der ILC und UNCLOS I
130
V. Die Entwicklung bis einschließlich UNCLOS I I I
132
3. Teil Die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten und der Einfluß von Inseln A. Das Festlandsockel-Regime
135
I. Der Grundsatz exklusiver Hoheitsrechte des Küstenstaates am Meeresgrund und -untergrund 135 II. Zum Rechtserwerbsgrund
138
ΙΠ. Das Ausmaß der Kontiguität
142
1. Die Arbeiten der ILC und UNCLOS I
142
2. Meeresboden-Ausschuß und UNCLOS I I I
151
3. Das Völkergewohnheitsrecht
153
4. Die internationale Judikatur und die „natural prolongation"
159
IV. Ergebnis
161 B. Die Abgrenzung des Festlandsockels
1. Abschnitt:
Festlandsockelabgrenzung
im allgemeinen
I. Begriff, Aufgabe und Grundsätze der Festlandsockelabgrenzung 1. Vorbemerkung 2. Begriff, Aufgabe und Grundsätze der Festlandsockelabgrenzung II. Festlandsockelabgrenzung nach Völkergewohnheitsrecht 1. Regeln, Prinzipien und Methoden
161 161 161 161 . . . . 162 171 171
a) Prinzipien
171
b) Regeln
173
c) Methoden 2. Regeln und Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung a) Vorbemerkung b) Staatenpraxis c) Multilaterale völkerrechtliche Verträge aa) Die Genfer Festlandsockelkonvention von 1958 bb) UNCLOS III/SRK 1982 (1) Die Entstehungsgeschichte der Art. 74 und 83 SRK (2) Auslegung des Art. 83 SRK d) Hilfsmittel aa) Vorbemerkung bb) Die internationale Judikatur und K r i t i k der Literatur ΙΠ. Ergebnis
174 175 175 176 187 188 192 192 200 203 203 204 210
10
nsverzeichnis
2. Abschnitt: Billigkeit im Völkerrecht und Prinzipien Festlandsockelabgrenzung
der Billigkeit
I. Billigkeit im Völkerrecht
bei der 210 211
II. Billigkeit i n der internationalen Judikatur der Abgrenzung von Seegebieten 215 1. K r i t i k der Literatur
215
2. Verständnis der Judikatur
217
ΙΠ. Grundsätzliches zur Anwendung des Rechts der Festlandsockelabgrenzung auf den Einzelfall 224 IV. Prinzipien der Billigkeit und beachtenswerte Umstände („relevant circumstances") sowie Kriterien 227 1. Die (allgemeingültigen) Prinzipien der Billigkeit
228
2. Relevante Umstände und Kriterien
229
a) Geographische Umstände
231
b) Ökonomische Faktoren und Umstände
233
c) Sicherheitspolitische Erwägungen
237
d) Proportionalität
240
e) (Vor-)Verhalten der Parteien
244
V. Abwägung der relevanten Umstände VI. Billigkeit der Äquidistanz?
249
VII. Ergebnis 3. Abschnitt:
Festlandsockelabgrenzung
248
254 und Inseln
I. Vorbemerkung II. Multilaterale völkerrechtliche Verträge
254 254 255
1. Die Genfer FSK und ihre Vorarbeiten
255
2. Die 1982er Seerechtskonvention und ihre Vorarbeiten
258
ΙΠ. Staatenpraxis
264
1. Abgrenzungsvereinbarungen, in denen Inseln voll berücksichtigt werden 265 2. Abkommen, in denen Inseln nur zum Teil oder gar nicht berücksichtigt werden 266 3. Zusammenfassung
270
IV. Die Behandlung von Inseln in der internationalen Judikatur zur Abgrenzung von Seegebieten 272 1. Die Nordsee-Festlandsockel-Fälle von 1969
272
2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts im Festlandsockel Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich 272 3. Der Vorschlag der Schlichtungskommission zur Abgrenzimg des Festlandsockels zwischen Island und der norwegischen Insel Jan Mayen . . . 277
nsverzeichnis
11
4. Der tunesisch-libysche Festlandsockel Fall von 1982
281
5. Der Gulf of Maine Fall von 1984
282
6. Der Schiedsspruch i m Abgrenzungsfall zwischen Guinea und GuineaBissau von 1985 283 7. Der Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta von 1985
285
8. Zusammenfassung
287
V. Zusammenfassung und K r i t i k
290
1. Die im völkerrechtlichen Schrifttum vertretenen Positionen zur Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels 290 2. Die herleitbaren Kriterien
291
3. Die einzelnen Kriterien und ihre Beziehung zum grundlegenden Festlandsockelkonzept 294 a) Das Kriterium der Größe 294 b) Das Kriterium der Lage
295
c) Die Kriterien der Bevölkerung und der Bewohnbarkeit
297
d) Weitere Kriterien
299 4. Teil
Die Abgrenzung des Festlandsockels in der Ägäis I. Vorbemerkung
300
Π. Vergleich mit der bestehenden Abgrenzungspraxis
302
ΙΠ. Die Bestimmimg des Ausmaßes der Berücksichtigung der ägäischen Inseln nach Maßgabe des geltenden Abgrenzungsrechts 304 1. Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Nordägäis 2. Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Südägäis
305 308
a) Die Kykladen
309
b) DerDodekanes
310
IV. Ergebnis
312 Annex
I. Akte nationaler Gesetzgebimg Π. Abgrenzungsvereinbarungen, i n denen Inseln eine Rolle spielen
315 326
ΙΠ. Auszüge aus multilateralen seerechtlichen Verträgen
329
IV. Working paper of the Second Committee: main trends
334
Literaturverzeichnis
341
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Maryland Journal of International Law and Trade Baltimore, Maryland, USA
M/E
Mittel- bzw. Äquidistanzlinie
NG
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Official Records
p.
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para.
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PCIJ
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Pol.Yb.Int'l.L.
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Recueil des Cours. Académie de Droit International Collected Courses of the Hague Academy of International Law Leiden, Niederlande
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Revue de Droit International, des Sciences Diplomatiques et Politiques Genf, Schweiz
Rev.Belge
Revue Beige de Droit International Brüssel, Belgien
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Rev.Gén. de Droit Revue Générale de Droit Ottawa, Ontario, Kanada Review of Int'l. Äff airs
Review of International Äff airs Belgrad, Jugoslawien
Rev.iranienne des Revue iranienne des relations internationales relations Teheran, Iran internationales RGDIP
Revue Générale de Droit International Public Paris, Frankreich
RHDI
Revue Hellénique de Droit International Athen, Griechenland
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United Nations Reports of International Arbitral Awards
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SRK
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StIGH
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Tex.Int'l.L.J.
Texas International Law Journal Austin, Texas, USA
U.N.
United Nations, Vereinte Nationen
UNBLJ
University of New Brunswick Law Journal Fredericton, New Brunswick, Kanada
UNCLOS
United Nations Conference on the Law of the Sea, Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen
UNCLOS I
Erste Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen von 1958
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16
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Va. J.Int'l.L.
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VRÜ
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VUWLR Washington L.Rev.
Washington Law Review Seattle, Washington, USA
WV
Wörterbuch des Völkerrechts
WVK
Wiener Vertragsrechtskonvention (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969)
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland
Einleitung Schon seit der Antike ist die Ägäis immer wieder Schauplatz politischer wie militärischer Auseinandersetzungen, die in gewisser Weise auch die kulturellen und religiösen Unterschiede zwischen Europa und Asien widerspiegeln. Der aktuelle, nunmehr bereits seit ca. 15 Jahren andauernde Streit zwischen Griechenland und der Türkei ist aber von anderer Qualität. Zwar sind seit einigen Jahren - animiert durch das iranische Beispiel - auch in der Türkei gewisse fundamentalistische islamische Tendenzen zu verzeichnen. Diese haben auf den Ägäis-Konflikt aber keine (unmittelbaren) Auswirkungen. Denn die Türkei orientiert sich seit Ende des 1. Weltkriegs nicht nur außenpolitisch gen Westen und stellt zunehmend eine - auch kulturelle Brücke zwischen den beiden Kontinenten dar. Sicherlich ist auch nicht zu verkennen, daß die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden NATOMitgliedern noch heute von Ereignissen mitgeprägt sind, die aus der Zeit der 400-jährigen Herrschaft des Osmanischen Reiches in Griechenland herrühren. Jedoch geht es gegenwärtig im Ägäis-Konflikt 1 hauptsächlich um die folgenden Streitpunkte, die vor allem wirtschaftlicher und militärischer Natur sind: 1. Die Rechte am ägäischen Festlandsockel und dessen Abgrenzung, 2. die Breite des Küstenmeeres, 3. die Kontrollzonen für den militärischen und zivilen Luftverkehr (FIR) über der Ägäis, 1 Vgl. dazu die folgenden Darstellungen: A. Wilson, The Aegean Dispute, in: The International Institute for Strategie Studies, Adelphi Paper No. 155, London 1979; P. Terz, Zu einigen historischen, politischen und völkerrechtlichen Aspekten des ÄgäisKonflikts zwischen Griechenland und der Türkei, Wiss.Z. Karl-Marx-Univ. Leipzig, Ges.u.Sprachwiss.R. 1978, 615-625; R. Meinardus, Der griechisch-türkische Konflikt über den militärischen Status der ostägäischen Inseln, EA 1985,41-48; C.P. Economides, Nouveaux éléments concernant l'île de Lemnos: un problème totalement artificiel, RHDI 1984, 14-21; M. Gavrilovic, The Turkish Complex and the Aegean Crisis, Review of I n t l . Affairs (Belgrad) 1978, 10-13; L. Gross, The Dispute between Greece and Turkey concerning the Continental Shelf in the Aegean, AJIL 1977, 31-59; Î7.-D. Klemm, Der Streit um den Festlandsockel i n der Ägäis, RIW 1975, 568-571; S.V. Papacosma, Legacy of Strife: Greece, Turkey, and the Aegean, Studia Diplomatica (Brüssel) 1984, 295-318; A. Phylactopoulos, Mediterranean Discord, Int'l.Lawyer 1974, 431-441; Ch. Rousseau, Grèce et Turquie: différend entre les deux états au sujet de la délimitation du plateau continental dans la mer Egée, RGDIP 1975, 508-514; C.L. Rozakis, The Greek-Turkish Dispute over the Aegean Continental Shelf, in: Law of the Sea Institute (Rhode Island), Occasional Paper No. 27, December 1975; J. Vemant, Les différends Gréco-Turks, Défense nationale 1980, 113-125.
2 Heintschel v. Heinegg
18
Einleitung
4. die Remilitarisierung der ostägäischen Inseln durch Griechenland, 5. die jeweiligen nationalen Minderheiten sowie 6. die Zypern-Frage. Thema der vorliegenden Arbeit ist der Streit über die Rechte am ägäischen Festlandsockel und dessen Abgrenzung, dessen Auslöser die Entdekkung von Erdölvorkommen nahe der Insel Thassos im Herbst 1973 war. 2 Nach Berechnungen des griechischen Industrieministeriums sollten von 1977 an täglich 50.000 Barrel und in den 80er Jahren 180.000 Barrel Erdöl gefördert werden. Die Reserven sollen sich auf mehr als 177 Millionen Barrel Erdöl sowie umfangreiche Schwefel- und Erdgasvorkommen belaufen. 3 Diese Untersuchungsergebnisse veranlaßten beide Parteien zur Geltendmachung von Hoheitsansprüchen auf den ägäischen Festlandsockel, die nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Dies liegt vor allem darin begründet, daß die Ägäis im Vergleich zu anderen Meeren bzw. Meeresteilen einige Besonderheiten aufweist, die die Bestimmung und die Abgrenzung von Seegebieten, insbesondere des Festlandsockels, äußerst schwierig gestalten. Zum einen ist die Ägäis ein „halboffenes" („semi-enclosed") Meer, dessen Anrainerstaaten lediglich die beiden Parteien sind. Zum anderen stellt sie für den internationalen Schiffsverkehr vom Mittelmeer über die Dardanellen bis ins Schwarze Meer eine Fahrtroute von erheblicher Bedeutung dar. 4 Und schließlich ist die Ägäis mit - hauptsächlich griechischen - Inseln, Kleinstinseln und Felsen geradezu übersät. Gerade die Präsenz dieser Inseln erschwert aber eine Abgrenzung des griechischen und des türkischen Festlandsockels, weil Griechenland im Gegensatz zur Türkei die Auffassung vertritt, Inseln hätten ebenso wie das Festland einen eigenen Festlandsokkel. Schon ein kurzer Blick auf eine Landkarte macht deutlich, wie sehr sich diese beiden Positionen voneinander unterscheiden. Würde die griechische Auffassung zutreffen, so würde die Türkei weitgehend von Festlandsockelrechten in der Ägäis ausgeschlossen sein. Eine Untersuchung dieses Falles, seiner seerechtlichen Implikationen sowie der tatsächlichen und rechtlichen Argumente, auf die sich die Parteien zur Begründung ihrer zum Teil diametral entgegengesetzten Positionen stützen, ist aus (see-)völkerrechtlicher Sicht aus den folgenden Gründen von Interesse: 1. Streitigkeiten zwischen Staaten über die Abgrenzung des Festlandsokkels und anderer Seegebiete werden immer wieder auch dadurch ausgelöst, daß Inseln einer eindeutigen Grenzziehung entgegenstehen.5 2 Vgl. dazu AdG vom 28. Oktober 1976, S. 20551-3. 3 Ebenda. 4 Zur rechtlichen Problematik der Passage durch die Dardanellen vgl. T. Toluner, Regulation of Passage through the Turkish Straits and the Montreux Convention, Istanbul 1981; ferner allgemein zu der rechtüchen Problematik internationaler Meerengen W. Münch, Das Regime internationaler Meerengen vor dem Hintergrund der Dritten UN-Seerechtskonferenz, Berlin 1982.
Einleitung
19
2. Der Abschluß der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III) im Jahre 1982 hat zu einigen Änderungen des Seevölkerrechts geführt, die neben dem Festlandsockelkonzept auch die Abgrenzung von Seegebieten zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten, den allgemeinen Rechtsstatus von Inseln sowie die Frage der möglichen Auswirkungen von Inseln auf die Abgrenzung betreffen. 3. I m Gegensatz zu Griechenland hat die Türkei keine der vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958 ratifiziert und am 30. April 1982 sogar ausdrücklich gegen die Annahme des Entwurfs der neuen Seerechtskonvention gestimmt. 6 Daher stellt sich die Frage nach dem für beide Parteien gleichermaßen verbindlichen Völkergewohnheitsrecht, was wiederum eine Untersuchung der Staatenpraxis hinsichtlich aller hier interessierender Fragen erforderlich macht. Gerade die Untersuchung des Völkergewohnheitsrechts ist insbesondere auch für Griechenland und die Türkei von Bedeutung, weil sich die Parteien in dem „Agreement on Procedures for Negotiation of the Aegean Continental Shelf Issue" 1 vom 11. November 1976 in Bern unter Punkt 8) darauf geeinigt haben, „ . . . to study state practice and international rules on this subject w i t h a view to deducing certain principles and practical criteria which could be of use i n the delimitation of the Continental Shelf between the two countries".
Bevor nun auf die einzelnen Rechtspositionen sowie auf die hier interessierende Rechtslage eingegangen wird, soll zunächst ein kurzer historischer Überblick gegeben werden, der sich nicht auf den Verlauf der Streitigkeiten über den Festlandsockel beschränken, sondern auch eine Darstellung der recht wechselvollen Geschichte der ägäischen Inseln umfassen wird. Denn es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß - wenngleich die territoriale Zugehörigkeit der ägäischen Inseln heute eindeutig festzustehen scheint die außergewöhnlichen Umstände, die zu der Zuschlagung dieser Inseln an Griechenland geführt haben, die Haltung der Parteien zu der Abgrenzungsfrage in nicht unerheblichem Maße beeinflußt haben.
5 Vgl. dazu allgemein R.D. Hodgson, International Ocean Boundary Disputes, in: Oceans Policy Studies 1:4. 6 Mit dem Beschluß vom 30.04.1982 wurde der Entwurf mit 130 gegen 4 Stimmen (Israel, Türkei, Venezuela, USA) bei 17 Enthaltungen (Belgien, Bulgarien, CSSR, Bundesrepublik Deutschland, DDR, Italien, Luxemburg, Mongolei, Niederlande, Polen, Spanien, Thailand, UdSSR, Ukraine, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Weißrußland) angenommen; vgl. U.N. Doc. A/CONF. 62/SR.182 = UNCLOS III, Off.Rec. Vol. XVI, 154-155. 7 Abgedruckt i n I L M 1977, 13. 2*
1. TEIL
Geschichtlicher Überblick und die Rechtspositionen Griechenlands und der Türkei zur Frage der Hoheitsrechte in der Ägäis A. Geschichtlicher Überblick I. Die griechisch-türkischen Beziehungen seit Beginn des 19. Jahrhunderts und die Souveränität über die ägäischen Inseln Nach der Befreiung Griechenlands von 400-jähriger türkischer Herrschaft im Unabhängigkeitskrieg von 1821-1829, der Vereinigung Kretas mit Griechenland im Jahre 1908 und dem 1. Balkan-Krieg (Oktober 1912) zwischen dem 1. Balkanbund 8 und der Türkei bemühten sich die europäischen Staaten während der Londoner Botschafterkonferenz im Dezember 1912 um eine Befriedung der Region. Zu diesem Zeitpunkt waren weite Teile Nordgriechenlands, einschließlich Thessaloniki, sowie die ostägäischen Inseln noch türkisch. Demgegenüber wurden viele kleinasiatische Städte, wie etwa Smyrna, das heutige Izmir, von Griechen beherrscht. Am 30. Mai 1913 verpflichtete sich die Türkei im Friedensvertrag von London 9 gegenüber den Signatarmächten zur Abtretung aller Gebiete westlich der Enos-MidiaLinie sowie der Inseln Lemnos, Samothrake, Mythilene, Chios, Samos und Ikaria. 1 0 Durch Note vom 13. Dezember 1914 übertrugen die Siegermächte diese Inseln Griechenland. Im Jahre 1919 landeten griechische Truppen in Kleinasien, um die von Griechen bewohnten Gebiete Westanatoliens zu okkupieren. Durch den Friedensvertrag von Sèvres vom 10. August 1920 11 verlor die Türkei an Grie8 Der 1. Balkanbund wurde im März 1912 zwischen Serbien und Bulgarien gegründet, um einer österreichischen Ausdehnung bei einer fälligen Aufteilung der europäischen Türkei begegnen zu können. Kurz darauf traten Griechenland und Montenegro dem Bündnis bei. 9 107 BFSP (1914), 656. 10 Ausgenommen waren lediglich Imbros, Tenedos und alle Inseln, die weniger als 3 sm von der kleinasiatischen Küste entfernt hegen. 11 Vgl. Nouveau recueil général de traités et autres actes relatifs aux rapports de droit international, de G.Fr. de Martens par H. Triepel, Troisième Série, Tome XII, 2, Leipzig 1925, S. 342 ff (im folgende: NRC).
Α. Geschichtlicher Überblick
21
chenland Thrazien, die ägäischen Inseln 12 sowie Smyrna. Jedoch erwies sich diese Regelung als unwirksam, da sich die türkische Nationalversammlung nach der erfolgreichen Revolte Kemal Atatürks gegen den Sultan weigerte, den Vertrag von Sèvres zu ratifizieren. Vielmehr verlangte die Türkei Thrazien und Smyrna zurück und lehnte jegliche Kontrolle durch die Alliierten ab. Noch im Jahre 1920 erteilte der Oberste Kriegsrat Griechenlands dem ehemaligen Premierminister Venizelos ein „Mandat" zur Wiederherstellung der „Ordnimg in Anatolien". Daraufhin besetzten griechische Truppen Bursa und Adrianopel und drangen bis zum Sakaria vor. Dieser Angriff, der auf das Hauptquartier Atatürks in Ankara abzielte, war auf Bestrebungen griechischer Nationalisten zurückzuführen, Konstantinopel zu einem Zentrum eines wiedererrichteten neugriechisch-byzantinischen Reiches zu machen, die sogenannte „Große Idee" („Megali Idea"). Anfang 1922 erlitten die griechischen Truppen eine verheerende Niederlage. Smyrna wurcle von den Türken eingenommen und zerstört. Etwa 1,5 Millionen Griechen wurden aus Kleinasien vertrieben. Nach dem Waffenstillstand von Madanya wurde Ostthrazien einschließlich Adrianopels geräumt. Besiegelt wurde diese „Kleinasiatische Katastrophe" durch den Friedensvertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923.13 Die wichtigsten sich auf Territorialfragen beziehenden Bestimmungen dieser Übereinkunft sind die Artikel 6,12, 13,14, 15 und 16: - Art. 6 Abs. 2 schließt alle Inseln innerhalb von 3 sm von der Küste in die Grenze des Küstenstaates ein. - Art. 12 bestätigt die Souveränität Griechenlands über die nördlichen Ägäis-Inseln außer Imbros, Tenedos und den Kaninchen-Inseln, die gemäß Art. 14 unter türkischer Souveränität verbleiben: „La décision prise le 13 février 1914 par la Conférence de Londres, en exécution des Articles 5 du Traité de Londres du 17/30 mai 1913 et 15 du Traité d'Athènes du 1/14 novembre 1913, ladite décision notifiée du Gouvernement hellénique le 13 février 1913, concernant la souveraineté de la Grèce sur les îles de la Méditerranée orientale, autres que les îles aux Lapins, notamment les îles de Lemnos, Samothrace, Mythilène, Chio, Samos et Nikaria, est confirmée, sous réserve des stipulations du présent Traité relatives aux îles placées sous la souveraineté de l'Italie et visées à l'Article 15. Sauf stipulation contraire du présent Traité, les îles situées à moins de trois milles de la côte asiatique restent placées sous la souveraineté turque." 1 4
12
Mit Ausnahme der für Italien bestimmten Insel Rhodos und dem Dodekanes. Traité de paix , signé à Lausanne, British Treaty Series No. 16 (1923); abgedruckt i n NRC, S. 422, sowie AJIL 1924 Suppl., 1-53; vgl. dazu Ph.M. Brown, The Lausanne Conference, AJIL 1923, 290-296; E. Turlington, The Settlement of Lausanne, AJIL 1924,696-706. 14 NRC, S. 346 f. 13
22
1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
- Art. 13 bestimmt die Demilitarisierung der genannten Inseln. 15 - I n Art. 15 verpflichtet sich die Türkei zur Übertragung der Inseln Astrapalia, Rhodos, Kharki, Scarpanto, Casso, Tilos, Nisyros, Kalymnos, Leros, Patmos, Lipsos, Simi, Kos und Castellorizzo an Italien. - I n Art. 16 verzichtet die Türkei auf alle Rechte auf bzw. betreffend die Gebiete, die jenseits der in diesem Vertrag festgelegten türkischen Grenzen liegen, und auf alle Inseln außer Imbros, Tenedos und den KaninchenInseln. Durch das Meerengen-Abkommen von Montreux vom 20. Juli 1936 16 wurden die Meerengen für Handelsschiffe in Friedenszeiten geöffnet, die Türkei erhielt aber das Recht, die Meerengen im Krieg oder bei Kriegsgefahr für Kriegsschiffe zu schließen. Als Griechenland gemäß Art. 14 des Pariser Friedensvertrages zwischen den Alliierten und Italien vom lo. Februar 1947 17 auch die volle Hoheitsgewalt über den Dodekanes (dieser umfaßt die Inseln des Art. 16 des Vertrages von Lausanne) und Castellorizzo erhielt, wurde der Art. 13 des Vertrages von Lausanne auch für den Dodekanes übernommen: Griechenland durfte vor der türkischen Küste keine Streitkräfte stationieren und auf keiner Insel Befestigungen errichten. 18 Diese Regelungen im Hinblick auf die Hoheitsgewalt über die ägäischen Inseln scheinen den Schluß nahezulegen, daß die Türkei völlig von der Ägäis ausgeschlossen und die türkisch-griechische Grenze somit die türkische Festlandküste sein sollte. Es ist jedoch zu beachten, daß die Regelung von Lausanne keinen Einflüß auf die Zugehörigkeit der heute umstrittenen Seegebiete haben kann; denn Festlandsockelrechte und Küstenmeere von 12 sm Breite waren damals noch nicht bekannt. Der Vertrag von Lausanne beschränkt sich auf das (Insel-) Landgebiet.
15 „En vue d'assurer le meintein de la paix, le Gouvernement hellénique s'engage à observer les mesures suivantes dans les îles de Mitylène, Chio, Samos et Nikaria: 1. Aucune base navale n i aucune fortification ne seront établies dans lesdites îles. 2. I l sera interdit à l'aviation militaire grecque de survoler le territoire de la côte d'Anatolie. Réciproquement le Gouvernement turc interdira à son aviation militaire de survoler lesdites îles. 3. Les forces militaires helléniques dans lesdites îles seront li^nitées au contingent normal, appelé pour le service militaire, qui pourra être iristrùit sur place, ainsi qu'à un effectif de gendarmerie et de police proportioné à l'effectif de la gendarmerie et de la police existant sur l'ensemble du territoire hellénique.", NRC, S. 347. 16 LNTS 1936, 213. Vgl. dazu T. Toluner , Regulation of Passage; W. Münch, Meerengen. 17 40 UNTS 1, 134 ff.; AJIL 1948 Suppl., 47 ff. 18 Vgl. dazu P. Drakidis, La démilitarisation du Dodécanèse, Défense nationale 1983,123-136.
Α. Geschichtlicher Überblick
23
Π. Der Verlauf der Streitigkeiten um den Festlandsockel Seit 1971 führte Griechenland i n den Gewässern um die Insel Thassos in der Nord-Ost-Ägäis Versuchsbohrungen durch und gab im Februar 1974 die Entdeckimg von Erdöl- und Erdgaslagern bekannt. 19 Am 1. November 1973 veröffentlichte die Türkei im Staatsanzeiger den Regierungsbeschluß, der türkischen Ölgesellschaft TPAO Forschungs- und Ausbeutungslizenzen für bestimmte Gebiete des ägäischen Festlandsockels zu erteilen. Nach einer gleichzeitig veröffentlichten Karte lagen diese Gebiete westlich der griechischen Inseln Lesbos, Chios, Psara und Aghios Efstratios und erstreckten sich bis Lemnos und Samothrake. Auf dieser Karte deckten die nach türkischer Ansicht bestehenden Rechte der Türkei ca. die Hälfte des Ägäisgebietes ab. 2 0 Zuvor hatte Griechenland verschiedenen Gesellschaften für einige dieser Gebiete aber auch schon Forschungslizenzen gewährt. Nach Protesten Griechenlands und einer weiteren Ausdehnung der türkischen Ansprüche (noch weiter südlich bis Santorin und von dort aus in östlicher Richtung bis Rhodos) schlug Griechenland am 27. Januar 1975 vor, die Differenzen vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) zu bringen. Die Türkei stimmte dem am 6. Februar 1975 im Prinzip zu. Am 17. und 18. Mai 1975 kam es in Rom zu einem Treffen der beiden Außenminister, um das für die Anrufung des IGH erforderliche Compromisum („compromis") auszuarbeiten. Man vereinbarte auch künftige Treffen von Experten beider Länder. Solche fanden vom 31.1. - 2.2.1976 und am 19.6.1976 in Bern statt. Zu einer Ausarbeitung des Compromisums kam es jedoch nicht. 2 1 Die Lage spitzte sich endgültig zu, nachdem das türkische Forschungsschiff „MT A Sismik I" am 30. Juli 1976 in Festlandsockelgebieten mit einer Reihe von Forschungsarbeiten begonnen hatte, die auch von Griechenland beansprucht wurden. 22 Griechenland rief am 10.8.1976 den UN-Sicherheitsrat an. Dieser verabschiedete daraufhin folgende Resolution (Res. 395/1976, Konsensentscheidung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens): „The Security Council 1. Appeals to the Governments of Greece and Turkey to exercise the utmost restraint i n the present situation; 2. Urges the Governments of Greece and Turkey to do everything i n their power to reduce the present tensions in the area so that the negotiating process may be facilitated; 19 20 21 22
Vgl. AdG 1976, 20551 f. AdG 1976, 20551 f. Ebenda. Ebenda.
24
1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
3. Calls on the Governments of Greece and Turkey to resume direct negotiations over their differences and appeals to them to do everything w i t h i n their power to ensure that they result i n mutually acceptable solutions; 4. Invites the Governments of Greece and Turkey to continue to take into account the contribution that appropriate judicial means, i n particular the ICJ are qualified to make to the settlement of any remaining legal differences which they may identify i n connexion w i t h their present dispute." 23 Der
damalige
griechische
Ministerpräsident
Karamanlis
begrüßte
am
25.8.1976 die Resolution u n d erklärte, G r i e c h e n l a n d w e r d e den E m p f e h l u n gen n a c h k o m m e n . D e r t ü r k i s c h e A u ß e n m i n i s t e r Caglayangil
wies a m selben
T a g die Resolution z u r ü c k u n d erklärte, die T ü r k e i akzeptiere z w a r den A p p e l l z u d i r e k t e n Verhandlungen, werde aber keine anderen Klauseln, die als Voraussetzung oder gar V e r p f l i c h t u n g i n bezug auf diese V e r h a n d l u n g e n ausgelegt w e r d e n k ö n n t e n , als f ü r sie b i n d e n d a n e r k e n n e n . 2 4 A m 10.8.1976 stellte G r i e c h e n l a n d einseitig v o r d e m I G H z w e i A n t r ä g e : 2 5 I. betreffend die Kernfrage der griechisch-türkischen Differenz um den Festlandsockel i n der Ägäis; II. betreffend den Erlaß von provisorischen Schutzmaßnahmen. 26 I n bezug auf den ersten A n t r a g w u r d e das G e r i c h t ersucht: 1. zu entscheiden, daß die griechischen Inseln i n der Ost-Ägäis einen eigenen Festlandsockel haben; 2. die Grenzlinie zwischen dem griechischen und dem türkischen Teil des Festlandsockels i n der Ägäis festzulegen; 3. Griechenland das exklusive Hoheitsrecht zuzuerkennen, seinen Festlandsockel zu erforschen und auszubeuten; 4. zu entscheiden, daß die Türkei nicht befugt ist, auf dem griechischen Festlandsockel Forschungen durchzuführen und ihn auszubeuten oder irgendeine Tätigkeit auf ihm ohne die Zustimmung Griechenlands zu betreiben; 5. die Forschungsarbeiten des türkischen Schiffes Sismik I als Verletzung der griechischen Hoheitsrechte zu bezeichnen, sofern sie auf dem griechischen Festlandsockel stattfinden; 6. die Türkei aufzufordern, jegliche Forschungstätigkeiten i n dem Griechenland zugesprochenen Gebiet des Festlandsockels zu unterlassen. 27 D u r c h den z w e i t e n A n t r a g w u r d e das G e r i c h t ersucht, G r i e c h e n l a n d u n d die T ü r k e i gleichermaßen aufzufordern, 1. ohne vorherige Absprache und Zustimmung des anderen Landes von jeder Forschungstätigkeit bzw. wissenschaftlichen Forschungen in den Gebieten des Fest23 24 25 26 27
Vgl. AdG 1976, 20553; I L M 1976, 1235. Vgl. AdG 1976, 20552. Vgl. ICJ Rep. 1976, pp. 3-14 (4 ff.). ICJ Rep. 1976, pp. 3-14 (4 ff.). Ebenda.
Α. Geschichtlicher Überblick
25
landsockels Abstand zu nehmen, i n denen die Türkei Forschungsrechte erteilt hatte und die i n der Nähe der ostägäischen Inseln liegen oder in irgendeiner Weise umstritten sind; 2. von allen militärischen Maßnahmen, die die friedlichen Beziehungen der beiden Länder gefährden könnten, Abstand zu nehmen. 28
Der IGH kam in dem Zwischenverfahren über die provisorischen Schutzmaßnahmen zu dem Ergebnis, daß die von Griechenland geltend gemachte Verletzung seiner exklusiven Hoheitsrechte im Falle ihrer tatsächlichen Feststellung einen Anspruch auf Schadensersatz begründe und somit nicht die Gefahr eines irreparablen Schadens gegeben sei. Die seismischen Untersuchungen durch die Türkei stellten prima facie keine Verletzung griechischer Rechte dar, so daß sich das Gericht außerstande sah, vorläufige Schutzmaßnahmen gem. Art. 41 IGH-Statut zu erlassen. Da Zweifel an der Zuständigkeit des Gerichts zur Entscheidung über den griechischen Antrag zu I. bestanden, blieb dieser unbeantwortet. 29 Die Parteien unternahmen in der Folgezeit den Versuch zur Verbesserung ihrer bilateralen Beziehungen.30 Dennoch blieben die Beziehungen gespannt. Am 28. September 1983 beorderte die Regierung Papandreou die griechischen Flottenverbände aus dem NATO-Manöver „Display Determination '83" zurück, weil die Insel Lemnos nicht in die Übung einbezogen worden war. 3 1 Trotz eines Treffens zwischen Özal und Papandreou am 31. Januar 1986 32 wuchs im Verlauf des Jahres 1986 die Besorgnis der Verbündeten über die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei. Am 20. Dezember 1986 ereignete sich ein Grenzzwischenfall, bei dem ein griechischer und zwei türkische Soldaten getötet wurden. 33 Anfang März 1987 lief das türkische Ölforschungsschiff Piri-Reis, die frühere Hora, in die Nordägäis aus. 34 Dies führte dazu, daß am 27. März 1987 sowohl Griechenland als auch die Türkei ihre Streitkräfte in Alarmbe28
Ebenda. Vgl. dazu die kritischen Stellungnahmen von J.B. Elkind, The Aegean Sea Case and Article 41 of the Statute of the International Court of Justice, RHDI 1979, 285345; R.T. Robol, Limits of Consent - The Aegean Sea Continental Shelf Case, Harv. Int'l.L.J. 1977, 649-675; M. Bettati, L'affaire du plateau continental de la mer Égée devant la Cour Internationale de Justice, demande en indication de mésures conservatoires, ordonnance du 11 septembre 1976, A F D I 1976, 99-115. 30 Im August 1983 kam es zu einem Treffen zwischen Delegationen der beiden Staaten, welches dem Zweck diente, bilaterale Verhandlungen auf Regierungsebene vorzubereiten. Die Streitigkeiten um Hoheitsrechte in der Agäis wurden aber ausgenommen. Vgl. FAZ vom 08.08.1983. 31 Vgl. FAZ vom 29.09.1983. 32 Vgl. FAZ vom 01. u. 03.02.1986. 33 Vgl. FAZ vom 22.12.1986. 3 * Vgl. FAZ vom 07. u. 27.03.1987. 29
26
1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
reitschaft versetzten. 35 In der Folgezeit wurde die Kriegsgefahr zwar gebannt 36 , zu einer wirklichen Beilegung der Streitigkeiten kam es aber nicht und die Fronten blieben verhärtet. Erst Ende Januar 1988 kam es auf dem Wirtschaftsforum i n Davos zu einem erneuten Treffen zwischen Özal und Papandreou. 37 Vor diesem Treffen soll Papandreou erklärt haben, er beabsichtige, einen Kompromißentwurf voranzutreiben, um die Grenzziehung des Festlandsockels in der Ägäis dem I G H zu übergeben. 38 Es bleibt abzuwarten, ob dieser erneute Versuch zu besseren Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei auch zu einer friedlichen Streitbeilegung z. B. vor dem I G H führen kann.
B. Die Rechtspositionen der Parteien I. Basislinien und allgemeine Breite des Küstenmeeres Durch Gesetz Nr. 476 vom 15.5.196439 legte die Türkei ihr Küstenmeer auf die Breite von 6 sm fest. Dieses Küstenmeer beginnt auf einer Basislinie, die entlang der gesamten Ägäis aus einer Anzahl gerader Basislinien besteht. Dadurch war es der Türkei möglich, die Zufahrt zu den Dardanellen und die Gewässer um die Kaninchen-Inseln, Imbros und Tenedos zu Binnengewässern zu machen. 40 (Selbstverständlich bleibt die freie Durchfahrt durch die Dardanellen durch den Vertrag von Montreux gewährleistet). Art. 2 des Gesetzes sieht gegenüber solchen Staaten eine weitere Ausdehnung des Küstenmeeres vor, die selber mehr als 6 sm beanspruchen. Art. 3 erklärt das Mittellinienprinzip dort für verbindlich, wo das Gebiet eines anderen Staates weniger als die doppelte Küstenmeerbreite von der türkischen Küste entfernt liegt. Die türkische Regierung hat am 7.7.1982 eine Ausweitung ihres Küstenmeeres im Schwarzen und im Mittelmeer von 6 auf 12 sm verkündet 4 1 , also die Breite, die UNCLOS Π Ι heute als zulässig anerkennt. Das Gesetz Nr. 230 vom 17.9.193642, mit dem Griechenland ebenfalls ein Küstenmeer von 6 sm beansprucht, enthält im Gegensatz zu der türkischen Regelung keine Aussage über Basislinien. Demgemäß kommt die traditionelle Niedrigwasserlinie zur Anwendimg.
35
Vgl. FAZ vom 28.03.1987. Vgl. FAZ vom 30. u. 31.03.1987. 37 Vgl. FAZ vom 30.01.1988. 3 8 Vgl. FAZ vom 30.01.1988. 39 IBS Ser. A (Straight Baselines) No. 32; LOSB No. 2 (March 1985), 84. 40 Vgl. die Karte i m 4.Teil I. 41 AdG 1982, 25677 A. 42 U.N. ST/LEG/SER.B/6,18; LOSB No. 2 (March 1985), 35. 36
Β . Die Rechtspositionen der Parteien
27
Π. Die Stellung von Inseln im allgemeinen Angesichts der großen Anzahl seiner Inseln in der Ägäis liegt es verständlicherweise im Interesse Griechenlands, Inseln in jeder Hinsicht gleich dem Festland zu behandeln. I m Verlaufe von UNCLOS I I I Schloß sich Griechenland daher auch der traditionellen Ansicht an, wonach jede Insel - sobald sie die Voraussetzungen des Art. 10 der Genfer Küstenmeer-Konvention von 1958 erfüllt - ebenso wie das Festland ein eigenes Küstenmeer hat. So betont der griechische Entwurf über Nationale Seegebiete von 25.7.197443 (und der im wesentlichen gleichlautende über „Regime of Island" vom 9.8.197444) in Art. 2 Abs. 1, daß sich die Hoheitsgewalt eines Staates über seine Festland- und Inselgebiete hinweg auf sein Küstenmeer erstreckt. Und Art. 9 Abs. 1 sieht (ebenfalls) vor, daß die Gebietshoheit über eine Insel auch deren Küstenmeer und den darüberliegenden Luftraum umfaßt. Die griechische Delegation unterstützte während UNCLOS I I I auch die Forderung, Inseln ein Küstenmeer von gleichem Ausmaße wie dem des Festlandes, zu dem sie gehören, zuzusprechen. Begründet wurde dies damit, daß es eine wesentliche Aufgabe des Küstenmeeres sei, (vorrangig aus Sicherheits- und Verteidigungsgründen) Landgebietsrechte auf ein bestimmtes Seegebiet zu erstrecken. Außerdem würden die Genfer Konventionen von 1958 und Völkergewohnheitsrecht Inseln bestimmte Rechte zuerkennen, die bis dahin auch tatsächlich ausgeübt worden seien. Solche „wohlerworbenen Rechte" könnten schon aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Inseln nun nicht mehr aberkannt werden, ohne deren Status erheblich einzuschränken. 45 Das gleiche gelte für die Frage der Festlandsockelgebiete von Inseln. Zwar enthalte die Genfer Festlandsockel-Konvention von 1958 keine Definition des Begriffs „Insel", es gebe aber eine implizite Bezugnahme auf Art. 10 der Küstenmeer-Konvention von 1958, die ihrerseits Völkergewohnheitsrecht darstelle. 46 Zur weiteren Stärkimg seiner Auffassung stützt sich Griechenland auf die Argumente „Unteilbarkeit staatlicher Souveränität", wonach alle Teile eines Staatsgebietes, gleich ob Festland oder Inseln, in gleicher Weise behandelt werden müssen, und „souveräne Gleichheit aller Staaten", wonach es keinen Unterschied machen darf, ob es sich um kleine Insel-, Archipel- oder Kontinental-Staaten oder um eine Mischung von allem handelt. 4 7 Demgegenüber vertritt die Türkei eine neuere, restriktivere Auffassung. Danach sollen die vielfältigen insularen Erscheinungsformen neu definiert werden, so daß um einige, auch wenn sie i.S.d. Art. 10 der Küstenmeer-Kon43
U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.22. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.50; UNCLOS ΠΙ, Off. Ree. Vol. II, 285. « UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 285. 46 Vgl. UNCLOS III, Off.Rec. Vol. Π, 285. 47 Ebenda. 44
28
1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
vention „dauernd oberhalb des Wasserspiegels liegen", entweder nur eingeschränkte oder sogar überhaupt keine Seegebiete errichtet werden könnten. 48 Griechenland und die Türkei scheinen aber zumindest darin übereinzustimmen, daß die vielen unbewohnten griechischen Felsen in der Ägäis unberücksichtigt bleiben und um sie keine Seegebiete/Hoheitszonen eingerichtet werden sollen. Demgemäß hat Griechenland in der Berner Vereinbarung eingeräumt, daß „ . . . rocks which have capricious effect on the delimitation of the continental shelf should be discounted". 49
ΠΙ. Archipele Während UNCLOS I I I gab es eine Zweiteilung der Meinungen darüber, ob dem Festland vorgelagerte Archipele in ebenso großzügiger Weise zu behandeln seien wie Archipel-Staaten. Einige der Delegierten, so auch der türkische, waren der Auffassung, das Recht zur Errichtimg von Archipel-Gewässern solle Festlandstaaten nicht zustehen, die in großer Entfernung von ihrer Küste Inselgruppen besitzen. 50 Dieser Versuch, das Archipel-Konzept auf Insel-/Archipel-Staaten zu beschränken, wurde damit begründet, es laufe den Interessen der Staatengemeinschaft zuwider, wenn es wegen einer vagen Definition des Archipel-Begriffs zu einer Ausuferung von Ansprüchen käme, die die Freiheit der Schiffahrt erheblich beeinträchtigen könnten. Insbesondere befürchtete die Türkei, daß die Ägäis zu großen Teilen zu einem griechischen Binnengewässer (Archipel-Gewässer) würde, wenn dort ein Archipel-Régime zulässig wäre. Die Befürworter einer solchen Ausweitung des Archipel-Konzepts, u. a. auch Griechenland, stützten ihre Ansicht hauptsächlich auf die Argumente, die schon im Zusammenhang mit dem allgemeinen Status von Inseln und ihrer Gleichbehandlung mit Festlandgebieten vorgebracht worden waren: Unteilbarkeit staatlicher Souveränität und souveräne Gleichheit aller Staaten. 51 IV. Das Küstenmeer von Inseln Im Hinblick auf die Frage nach dem Küstenmeer von Inseln ist zwischen Griechenland und der Türkei nicht streitig, ob Inseln grundsätzlich ein eigenes Küstenmeer haben. Vielmehr geht es um die Breite des Küstenmeeres der ägäischen Inseln bzw. darum, ob in besonderen Situationen das grund48
U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.34 u. 55; UNCLOS III, Off. Ree. Vol. I, 169. I L M 1977, 13. so UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 272. si UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 260-274.
49
Β . Die Rechtspositionen der Parteien
29
sätzlich anerkannte Küstenmeer eingeschränkt werden oder sogar gänzlich entfallen kann. (Letzteres soll hier noch nicht behandelt werden, da es im Zusammenhang mit der Grenzziehung zwischen einander gegenüberliegenden bzw. benachbarten Staaten von größerer Bedeutung ist.) Als zu Beginn des Jahres 1974 Berichte an die Öffentlichkeit gelangten, Griechenland beabsichtige, die bestehenden Küstenmeere seiner ägäischen Inseln von 6 auf 12 sm auszuweiten, befürchtete die Türkei, die gesamte Ägäis würde zu einem „griechischen See". 52 Diese Furcht war nicht unbegründet; denn im Falle einer Ausweitung der bestehenden Küstenmeere würden beträchtliche Gebiete ehemals Hoher See zu griechischem Küstenmeer. Zwar verbliebe ein nicht unerhebliches Gebiet Hoher See i n der NordÄgäis und die Passage zwischen Limnos und Lesbos zu den Dardanellen bliebe bestehen. In der Zentral- und Süd-Ägäis jedoch liegt der Dodekanes so nahe an Mykonos, Amorgos und Astipalaea, daß die z.Z. noch bestehende Passage bei einem 12 sm-Küstenmeer wegfiele. Ebenso würden sich weiter südlich die Küstenmeere von Kassos und Karpathos mit denen von Kreta und Rhodos verbinden. Folglich warnte die Türkei Griechenland, daß sie ein solches Vorgehen als nichtig und als casus belli ansehen würde. 53 Griechenland ließ daraufhin von diesem Vorhaben ab, behielt sich aber das Recht vor, zukünftig so zu verfahren. Daß die Türkei in einer solchen Weise reagieren würde, war auch vorherzusehen; denn schon auf der 39. Plenarsitzung in Caracas hatte der türkische Delegierte in bezug auf die Ägäis erklärt, es gebe Regionen, in denen die Anliegerstaaten eines Seegebietes im Hinblick auf das Küstenmeer nach Maßgabe „alten Rechts" eine „very delicate balance" errichtet hätten. Mit der Formulierung „altes Recht" bezog sich der türkische Delegierte auf die sowohl von der Türkei als auch von Griechenland in der Ägäis beanspruchte Küstenmeerbreite von 6 sm. Eine Ausweitung der Küstenmeere in einem solchen Gebiet könnte möglicherweise das bestehende Gleichgewicht erheblich stören und die legitimen Interessen anderer Staaten nicht nur hinsichtlich der Schiffahrtsfreiheit beeinträchtigen. 54 I n seiner Antwort auf diese Ausführungen sprach der griechische Delegierte von einem willkürlichen Verhalten bestimmter Staaten. 55 Ob die Türkei die oben dargelegte Position auch heute noch so vertreten würde, ist wegen der angeblichen Ausweitung ihres Küstenmeeres in der Ägäis fraglich.
52
Vgl. The Times vom 10.06.1975. Ebenda. 54 UNCLOS III, Off. Ree. Vol. 1,169. 55 UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 272. 53
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1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
V. Inseln und Festlandsockel Die Argumente der Parteien zu der Frage, ob Inseln einen eigenen Festlandsockel haben, ähneln im großen und ganzen denjenigen, die sie im Zusammenhang mit dem Küstenmeer von Inseln und der allgemeinen Stellung von Inseln vorgebracht haben. Griechenland besteht darauf, daß seine Ägäis-Inseln einen eigenen Festlandsockel haben; die Türkei räumt insoweit allenfalls die Möglichkeit eines eingeschränkten Festlandsockels ein. Mit Note vom 27.2.1974 erklärte die Türkei, eine geomorphologische Untersuchimg der Ägäis (i.S.d. Nordee-Festlandsockel-Fälle) beweise entlang und vor der türkischen Küste die Existenz riesiger Unterwassergebiete von geringer Tiefe, welche die „natural prolongation " der anatolischen Halbinsel und somit deren Festlandsockel darstelle. Dagegen besäßen die griechischen Inseln keinen eigenen Festlandsockel. 56 Auf dem Berner Treffen 1976 bekräftigte die türkische Seite erneut, daß die griechischen Inseln keinen eigenen Festlandsockel haben könnten, da sie lediglich Erhöhungen („mere protuberances ") dessen seien, was die Türkei als ihren Festlandsokkel betrachte. 57 Obwohl der IGH darauf keinen Bezug genommen und es abgelehnt hatte, die von Griechenland beantragten vorläufigen Schutzmaßnahmen nach Art. 41 IGH-Statut zu erlassen, verurteilte der griechische Vertreter vor dem IGH, Professor D.P. O'Connell, dieses Argument der Türkei, da es unter der Maske einer Tatsache eine Schlußfolgerung beinhalte. Er unterschied sodann zwischen Festlandsockel im geologischen (also verifizierbaren) Sinn und einem solchen i.S.v. Ausübung politischer Autorität, der beherrscht sei von politischen Spekulationen. Außerdem könne die Türkei nicht ernsthaft die Ansicht vertreten, die griechischen Inseln seien lediglich Erhöhungen des türkischen Festlandsockels, nur weil sie vom Meeresgrund auftauchen. 58 In bezug auf die Nordsee-Festlandsockel-Fälle, auf die sich die Türkei berufen hatte, wertete O'Connell es als völlige Fehlinterpretation dieses Urteils zu sagen, daß „ . . . natural prolongation can be used to deny that the sovereign of land has any entitlement whatever to the areas of the seabed merely because the land areas rise from the seabed rather than the seabed extending from them . . . . . . even when the island areas i n question arise from the seabed which, in a geological sense, is the extension of a continent under another political sovereignty". 59
Es sei ebenso irreführend zu sagen, der Meeresboden der Ägäis sei die „natural prolongation " Anatoliens, wie auch, er sei die Griechenlands. Er 56
Vgl. ICJ Pleadings 1980, p. 23-25. Vgl. dazu C.R. Symmons, The Maritime Zones of Islands i n International Law 1979, S. 145 ff. 58 Vgl. ICJ Pleadings 1980, p. 94. 59 Ebenda, p. 95. 57
Β . Die Rechtspositionen der Parteien
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sei vielmehr die „natural prolongation " beider, da hier eine durchgehende geologische Struktur gegeben sei, die beide Landmassen verbinde. Das Problem liege daher in der Bestimmimg der Gebiete, auf die Griechenland und die Türkei einen Anspruch haben. 60 Auch der griechische Delegierte in Caracas nahm Bezug auf die „ausgefallene Idee", es gebe Inseln auf dem Festlandsockel eines anderen Staates. Er warnte davor, daß - würde dieser Vorstellung gefolgt - diese Inseln dann von dem Festlandstaat beansprucht werden könnten. Inseln und Festland hätten aber einen gemeinsamen natürlichen Festlandsockel und folglich auch einen gemeinsamen im Rechtssinne. 61 VI. Der Einfluß von Inseln auf die Abgrenzung von Seegebieten zwischen benachbarten bzw. einander gegenüberliegenden Staaten 1. Inseln und die Abgrenzung des Küstenmeeres
Die weiter oben 62 wiedergegebenen Positionen der Parteien zu dem Problemkreis des Küstenmeeres von Inseln sind von den Fragen zu unterscheiden, wie weit sich das Küstenmeer von Inseln grundsätzlich ausdehnen darf und ob nicht das Vorliegen besonderer Umstände dazu führen kann, daß Inseln überhaupt kein Küstenmeer zugesprochen bekommen. Diese Frage stellt sich vorrangig dann, wenn Inseln die Küstenmeergrenze zu anderen, benachbarten oder gegenüberliegenden Staaten in ihrem Verlauf beeinträchtigen können. Gegenwärtig - auf der Grundlage der griechischen und türkischen 6 smKüstenmeere - dehnen sich lediglich drei Gebiete vor der türkischen Küste auf volle 6 sm aus, da nur sie von den Beschränkungen, die aus der Anwendung des Mittellinienprinzips resultieren, unberührt geblieben sind. Alle anderen Gebiete werden durch das Mittellinienprinzip bestimmt, wobei selbst verhältnismäßig kleine griechische Inseln wie ζ. B. Lipsos und Kalymnos voll berücksichtigt werden. Griechenland und die Türkei haben während UNCLOS I I I bzgl. der Grenzen des Küstenmeeres bei (Nicht-)Berücksichtigung von Inseln einander diametral entgegengesetzte Standpunkte vertreten. So schlug die Türkei in ihrem Entwurf über die Grenzen des Küstenmeeres vor, daß dort, wo zwei oder mehrere Staaten aneinandergrenzen bzw. einander gegenüberliegen, die Küstenmeergrenzen durch Vereinbarimg und nach Maßgabe von „equi table principles " festgelegt werden sollen. Bei diesen Verhandlungen sollen 60
62
Ebenda, p. 95 f. UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 285. Vgl. oben IV.
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1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
die Staaten nicht starr am Mittellinienprinzip festhalten, sondern besonderen Umständen wie dem allgemeinen Verlauf der Küste oder Inseln Rechnung tragen, um zu einem „equitable agreement " zu gelangen. 63 Bei der Einführimg dieses Entwurfs in Caracas stützte sich der türkische Delegierte auf die Rechtsprechung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, um zu beweisen, daß die Mittel- bzw. Äquidistanzlinie nur eine von mehreren Methoden darstellt, und forderte die Konferenz auf, anzuerkennen, daß „ . . . the existence of islands, islets, and rocks confer special geographical characteristics on the area i n which they are situated". 64
Demgegenüber sieht Art. 8 Abs. 2 des griechischen Enwurfs vor, daß „Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its territorial sea beyond the median line, every point of which is equidistant from the nearest baseline, continental or insular, from which the breadth of the territorial seas of each of the two States is measured". 65
Demnach sollen Inseln prima facie keine besonderen Umstände darstellen, die ein Abweichen von der Äquidistanzlinie erforderlich machen könnten. So wurde denn auch die „novel and unacceptable idea", daß Inseln per se besondere Umstände darstellen sollen, von dem griechischen Delegierten heftig kritisiert. 6 6 Daß Griechenland vehement die Ansicht vertritt, Inseln seien in jedem Fall voll zu berücksichtigen, ist nichts Neues. Als 1954 während der Verhandlungen zur 1958er Küstenmeer-Konvention Burma den Vorschlag machte, „Provided that when an island belonging to one State is within the territorial sea of another State, that island shall not have its own territorial sea", 67
war es der griechische Delegierte, der dagegen mit den folgenden Argumenten Stellung bezog: Der Vorschlag Burmas 1. trage den Sicherheitsinteressen solcher Inseln nicht Rechnimg; 2. werfe Fragen hinsichtlich der Durchfahrt auf und stelle ein neues Problem der „sea-locked countries " i n Aussicht; 3. Souveränität sei unverzichtbar, ebenso wie das Recht von Inseln auf ein eigenes Küstenmeer; 4. schließlich habe die Konferenz schon beschlossen, daß Inseln das Recht auf Ausbeutung ihres Festlandsockels haben, was aber nur mit einem Küstenmeerstreifen denkbar sei. 68 63 64 65 66 67 68
U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.55 = UNCLOS ΙΠ, Off. Ree. Vol. III, 230. UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 284. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.22 = UNCLOS ΙΠ, Off. Ree. Vol. ΙΠ, 200 f. UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 285. UNCLOS I, Off. Ree. Vol. III, 161. Ebenda, 162.
Β. Die Rechtspositionen der Parteien
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2. Inseln und die Abgrenzung des Festlandsockels
I n der - im Zusammenhang mit der Anrufung des IGH - ersten Verbalnote an die Türkei vom 7.2.1974 betonte Griechenland, daß in engen Gewässern, wo zwei oder mehrere Staaten aneinandergrenzen bzw. einander gegenüberliegen, bei Fehlen einer Vereinbarimg und wenn besondere Umstände nicht eine andere Lösung rechtfertigen, die Abgrenzung des Festlandsockels immer auf der Grundlage des Mittellinienprinzips zu erfolgen habe. Diesen Standpunkt vertraten auch die griechischen Delegierten auf dem Berner Treffen, räumten aber ein, daß besondere Umstände wie Felsen und Kleinstinseln, die „kapriziöse" Auswirkungen auf die Grenzziehung haben, unberücksichtigt bleiben könnten. Sie betonten aber auch, daß die bewohnten griechischen Inseln, welche die Türkei in ihrer Festlandsockel-Erklärung vom 1.11.1973 unberücksichtigt gelassen hatte - die Türkei hatte eine Mittellinie zwischen dem türkischen und dem griechischen Festland gezogen und dabei alle Inseln ignoriert - , weder in die Kategorien Felsen, Kleinstinseln oder „minor coastal projection " i.S.d. Absatzes 57 der Nordsee-Festlandsockel-Fälle fallen, noch besondere Umstände darstellen. 69 Die Türkei brachte in ihrer Note vom 27.2.1974 vor, sie könne die Auffassung, die Abgrenzung des Festlandsockels basiere rechtlich auf dem Äquidistanzprinzip, nicht akzeptieren. Grundlegende Methode sei vielmehr eine Vereinbarung zwischen den betreffenden Staaten. Die Türkei schnitt auch die Frage „Inseln als besondere Umstände" an und erklärte dazu: „La situation particulière des îles en question est un deuxième élément majeur du problème. Malgré le libellé nécessairement général et par conséquent vague des dispositions de la Convention de Genève, les règles établies par la pratique internationale, ainsi qu'en témoignent plusieurs accords déjà intervenus, interdisent, en effet, l'octroi d'une égale valeur à toutes les îles sans tenir compte de leurs caractéristiques et de leur situation particulière quand i l s'agit de la délimitation du plateau continental. Or, aussi bien les îles en question que l'ensemble de la mer Egée - lieu de recontre géographique de tant d'intérêts importants et historiquement établis de la Turquie et par son caractère de mer semi-fermée - constituent un exemple typique de »circonstances spéciales' et doivent, à ce titre, être traitées d'une façon appropriée en vue de l'application des règles du droit international maritime". 7 0
Wie schon oben ausgeführt, vertritt die Türkei die Auffassung, die griechischen Inseln der Ost-Ägäis stellen lediglich Erhöhungen des türkischen Festlandsockels dar. Dies belege auch eine geomorphologische Untersuchung der Region. Auch der türkische Entwurf auf UNCLOS I I I 7 1 machte in besonderem Maße Gebrauch von geomorphologischen und geologischen Strukturen des Meeresbodens, der zwischen benachbarten bzw. einander gegenüberliegenden Staaten abgegrenzt werden soll. Art. 3 Abs. 2 dieses 69 70 71
Vgl. ICJ Pleadings 1980, p. 3 ff. Ebenda, p. 24. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.55.
3 Heintschel v. Heinegg
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1. Teil: Geschichtlicher Überblick u n d Rechtspositionen
Entwurfs besagt, daß eine Insel, die auf dem Festlandsockel anderer Staaten liegt, keinen eigenen Festlandsockel haben soll, es sei denn, sie umfaßt zumindest Vio des Landgebietes und der Bevölkerung des Staates, zu dem sie gehört. Nachdem Griechenland schon auf UNCLOS I auf einen ähnlichen Vorschlag Burmas hinsichtlich des Küstenmeeres solcher Inseln mit heftiger K r i t i k reagiert hatte 7 2 , war abzusehen, daß es erst recht gegen diesen türkischen Vorschlag vorgehen würde. So sagte der griechische Delegierte, dieser Entwurf impliziere, daß solche Inseln überhaupt keine Rechte haben sollen. Die türkische Argumentation könne aber ebenso dahingehend umgekehrt werden, daß die der Insel gegenüberliegende Festlandküste auf dem Festlandsockel der Insel liege. Solch willkürliche Kriterien ließen die allgemeine Regel obsolet werden, wonach Inseln gleich dem Festland zu behandeln seien. 73 In ihrem Antrag an den IGH vom 10.8.1976 trug die griechische Regierung vor, daß die unter griechischer Gebietshoheit stehenden Inseln, die auf dem Festlandsockel zwischen Griechenland und der Türkei liegen, ein konstitutiver Bestandteil griechischer Souveränität seien und daß sie einen Anspruch auf einen Anteil an dem Festlandsockel hätten, der ihnen vorgelagert sei. 74 VII. Zusammenfassung Griechenland steht auf dem Standpunkt, alle „wahren" Inseln haben ein vollwertiges Küstenmeer und einen eigenen Festlandsockel. Soweit die Grenzziehimg zwischen benachbarten bzw. einander gegenüberliegenden Staaten betroffen ist, finde bei Fehlen einer Vereinbarung oder besonderer Umstände das Mittellinienprinzip Anwendung, wobei die bewohnten griechischen Inseln nicht als besondere Umstände anzusehen seien. Im Gegensatz dazu vertritt die Türkei die Auffassung, daß - abgesehen vom Zugeständnis eines 6 sm- Küstenmeeres an die griechischen Inseln das gesamte Festlandsockelgebiet in der Ägäis östlich einer bestimmten Mittellinie türkisch sei. Diese Mittellinie ist von den beiden Festlandküsten aus bemessen und ignoriert die griechischen Inseln vollständig. Die griechischen Inseln östlich der Mittellinie sollen zu En-/Exklaven werden.
72 73 74
UNCLOS I, Off. Ree. Vol. III, 162. UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 285. ICJ Rep. 1976, p. 4.
2. TEIL
Der Rechtsstatus von Inseln im Völkerrecht Eine Untersuchung der Rechtspositionen der Streitparteien i m Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht muß zunächst mit einer Bestimmung des Begriffs sowie des Rechtsstatus von Inseln beginnen. Demgemäß werden in diesem Abschnitt zunächst das Völkervertragsrecht und sodann das Völkergewohnheitsrecht auf ihre Aussagekraft hinsichtlich des Begriffs sowie des Status von Inseln einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
A. Das Völkervertragsrecht I. Vorbemerkung I m alltäglichen Sprachgebrauch werden mit dem Begriff „Insel" alle möglichen Erscheinungsformen, wie etwa Felsen, Riffe, Sandbänke, Halligen etc., bezeichnet. Es ist offensichtlich, daß sich das Völkerrecht aus mehreren Gründen mit einem solch weiten Bedeutungsinhalt nicht zufriedengeben kann. Zum einen muß ein Rechtsbegriff, w i l l er als solcher bestehen, möglichst klare Konturen aufweisen. Zum anderen sollte er gerade in Zeiten, i n denen die Staaten bestrebt sind, ihre Hoheitsrechte immer weiter auszudehnen1, geeignet sein, dieser Entwicklung Grenzen zu setzen. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, daß auch im Völkerrecht je nach dem rechtlichen Zusammenhang, in dem der Begriff Bedeutung erlangt, sein Inhalt unterschiedlich ausgestaltet sein kann. 2
1 Erinnert sei hier zunächst nur an die rapide Entwicklung von EEZ-Ansprüchen. Dazu im einzelnen später. 2 D.W. Bowett, The Legal Regime of Islands in International Law (1979), etwa unterscheidet bei der Definition des Begriffs „Insel" wie folgt: „definition for the purpose of generating a territorial sea" (ebenda S. 1-9), „definition for the purpose of drawing base-lines" (ebenda S. 9-15) und „definition for the purpose of generating a continental shelf or economic zone" (ebenda S. 33-34). Noch weitergehend: H. Pazarci, La délimitation du plateau continental et les îles, Ankara 1982, S. 68 ff.
3*
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Π. Die Behandlung des Problems in der Zeit vor dem 20. Jahrhundert Der Rechtsstatus von Inseln und die Definition dieses Begriffs im Seevölkerrecht sind erst im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Gegenstand allgemeinen Interesses geworden. Jedoch sind bereits aus der Zeit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zwei Rechtsstreitigkeiten bekannt, die dem damit befaßten Gericht - dem British Admiralty Court - hinreichenden Anlaß geboten hätten, sowohl den Begriff als auch den Rechtsstatus von Inseln einer umfassenden Klärung zuzuführen. Im Fall „Twee Gebroeders" 3 waren im Jahre 1799 zwischen Borkum und Ostfriesland Schiffe von der britischen Marine aufgebracht worden, die sich in einer Entfernung von weniger als drei Seemeilen (sm) von bei Ebbe trokkenfallenden Sandbänken aufgehalten hatten. Dieses Gebiet beanspruchte Holland seinerzeit als Teil seines Küstenmeeres. Im bekannnteren Fall „The Anna"* war ebenfalls ein Schiff von britischen Einheiten gekapert worden, welches sich zwar jenseits der 3 sm-Zone des nordamerikanischen Festlandes, jedoch weniger als 3 sm von kleineren Erhebungen aufgehalten hatte, die durch Anspülungen aus dem MississippiDelta entstanden waren, sog. Schwemmlandinseln. Zwar gab das Gericht in keiner der beiden Entscheidungen eine umfassende Antwort auf die oben aufgeworfenen Fragen, dennoch sind seine Entscheidungsgründe zumindest im Hinblick auf die völkerrechtliche Einordnimg trockenfallender Erhebungen von Interesse. I m Fall „Twee Gebroeders" wies das Gericht - wenngleich ohne nähere Begründung - die Auffassung zurück, solche periodisch trockenfallenden Erhebungen könnten unabhängig vom Festland ein eigenes Küstenmeer haben. 5 I m Fall „The Anna" sah sich das Gericht vor die Frage gestellt, ob die betreffenden Anspülungen „natural appendages of the coast" 6 darstellten. Das Gericht bejahte dies mit der Begründung, auch solche Anspülungen stellten „a portico of the mainland " η dar mit der Folge, daß der Schutz des Festlandes von ihnen aus völkerrechtsgemäß sei. I n diesem Zusammenhang - so das Gericht - spiele es keine Rolle, ob die Erhebungen „ . . . composed of earth or solid rock" 8 3
3 C. Robinson's Admiralty Reports (1801), 336 ff. 5 C. Robinson's Admiralty Reports (1805), 373 ff.; vgl. dazu auch die Darstellung des Falles bei C.J. Colombos, Internationales Seerecht (deutsche Übersetzung), München 1963, § 123. 5 3 C. Robinson's Admiralty Reports (1801), 336 ff. 6 5 C. Robinson's Admiralty Reports (1805), 385. 7 Ebenda. Zur sog. „Portico-Doctrine" vgl. O'Connell/ Shearer, The International Law of the Sea, Vol. I (1982), S. 185-191. 8 Ebenda. 4
Α. Das Völkervertragsrecht
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seien; d e n n „ . . . the right of dominion does not depend upon the texture of the soil." 9 D a h e r w u r d e das gekaperte Schiff seinen amerikanischen E i g n e r n z u r ü c k gegeben. I n der Folgezeit w u r d e gelegentlich auf diese beiden Entscheidungen Bezug genommen, u n d auch die Nordsee-Fischerei K o n v e n t i o n aus dem Jahre 1882 1 0 sah vor, daß die Signatarstaaten e x k l u s i v e Fischereirechte n i c h t n u r i n einer 3 sm-Zone v o r der Festlandküste genießen, sondern auch v o r den „ . . . dependant islands and banks". 1 1 L e t z t l i c h w u r d e d e m P r o b l e m der D e f i n i t i o n sowie des Rechtsstatus v o n Inseln aber n i c h t a l l z u v i e l A u f m e r k s a m k e i t gewidmet. Ι Π . D i e Haager Konferenz von 1930 über die Kodifizierung des Völkerrechts und vorbereitende Arbeiten Z u ersten umfassenden Versuchen einer B e s t i m m i m g v o n B e g r i f f u n d Rechtsstatus v o n Inseln k a m es erst i n den 20er Jahren unseres Jahrhunderts i m V o r f e l d der Haager Konferenz über die K o d i f i z i e r u n g des Völkerrechts. Diese bezogen sich - das P r i n z i p gerader B a s i s l i n i e n 1 2 w a r ebensowenig etabliert w i e das F e s t l a n d s o c k e l - 1 3 oder gar das E E Z - R é g i m e 1 4 - ausschließl i c h auf den Fragenkreis I n s e l n u n d Küstenmeer.
9
Ebenda. Zitiert nach: D.W. Bowett, Islands, S. 11, Fn.29; vgl. ferner C.R. Symmons, Islands, S. 2. 11 Vgl. dazu u. a.: G. Gidel, Le droit international public de la mer, Vol. Π Ι (1934), S. 701 ff.; C.R. Symmons, Islands, S. 2. 12 Bekanntlich hatte Norwegen im Jahre 1935 für seine zerklüftete Nordküste erstmals ein System gerader Basislinien dekretiert. Den daraus resultierenden Streit mit dem Vereinigten Königreich entschied der I G H aber erst im Jahre 1951 im Fisheries Case (ICJ Rep. 1951, 116-206) zugunsten Norwegens. Danach können auch sog. trokkenfallende Erhebungen (Niedrigwassererhebungen) - vgl. zu diesem Begriff Art. 11 Abs. 1 K M K - als Basispunkte dienen. Zum Fisheries Case vgl.: C.H.M. Waldock, The Anglo-Norwegian Fisheries Case, BYIL 1951, 114-171; L. Gündling, Fisheries Case, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), S. 94-95 jeweils m.w.N.; vgl. ferner: unten unter III. 1. Zu Niedrigwassererhebungen und geraden Basislinien vgl.: G. Marston, Low-tide Elevations and Straight Baselines, BYIL 1972/73, 405-423. 13 Der erste völkerrechtliche Vertrag über Meeresgrundfragen war der sog. Vertrag von Paria zwischen dem Vereinigten Königreich und Venezuela vom 29.02.1942 (U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 44). Den letztlich entscheidenden Schritt in Richtung eines Festlandsockelrégimes stellt aber die sog. Truman-Proklamation vom 28.09.1945 (U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 38) dar. 14 Die EEZ ist erst seit Beginn von UNCLOS I I I ernsthaft Gegenstand der Diskussion. Vgl. dazu u. a.: D.J. Attard, The Exclusive Economic Zone i n International Law, Oxford 1987, S. 1-31. 10
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Die aus der Beratungen der Haager Konferenz von 1930 hervorgegangene Bestimmimg über Inseln lautet: „Every island has its own territorial sea. A n island is an area of land, surrounded by water, which is permanently above high water mark." 1 5
Der Wortlaut läßt keinen Zweifel daran, daß Inseln ein eigenes Küstenmeer haben, sie also insoweit den gleichen Rechtsstatus genießen sollen wie jedes Festlandgebiet. In Anbetracht des schon damals verbreiteten Bestrebens der Staaten, ihre Hoheitsansprüche weit auszudehnen, w i r d der völkerrechtliche Begriff „Insel" im unmittelbaren Anschluß an die Statusbestimmung definiert. Das wesentliche Merkmal dieser Definition ist das „dauernde Hinausragen über den Wasserspiegel bei Flut". Mit der Einbeziehung dieses Merkmals in die Begriffsbestimmung haben sich die Delegierten der Haager Kodifikationskonferenz gegen die Auffassung einiger Staaten entschieden, auch bei Ebbe trockenfallende Erhebungen seien in bezug auf das Küstenmeer als Inseln anzusehen. I n diese Richtung hatte beispielsweise der Vorschlag der USA gezielt, die sich an Art. 7 des Entwurfs der Harvard Law School über das Küstenmeer orientiert hatten, der vorsah: „The marginal sea around an island, or around land exposed only at some stage of the tide, is measured outward three miles therefrom i n the same manner as from the mainland." 1 6
Unabhängig von der Frage einer grundsätzlichen Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten, die auch hier klar zum Ausdruck gekommen ist, ist der Entwurf der Harvard Law School , wie auch andere Entwürfe aus dieser Zeit 1 7 , zunächst insoweit von Interesse, als der Begriff „Insel" zwar nicht definiert, jedoch von periodisch trockenfallenden Erhebungen sehr wohl unterschieden wird. Auch andere, ζ. T. noch weitergehende Vorschläge fanden keinen Eingang in die Endfassung. So wollten einige Staaten auf das Merkmal der „Erhebung über den Wasserspiegel" gänzlich verzichten und lediglich darauf abstellen, ob Schiffahrt noch möglich ist oder nicht. Wieder andere meinten, 15 League of Nations Conference for the Codification of International Law , Report of Sub-Committee I I of the Second Commission, L.N. Doc. C. 230. M. 117. 1930. V., p. 13. 16 Harvard Law School , Draft Convention on Territorial Waters, AJIL 1929, Spec. Suppl., 241-365 (275). 17 Vgl. dazu: Amended Draft Convention , communicated to various Governments by the League of Nations Committee of Experts for the Progressive Codification of International Law , January 29, 1926 (L.N. Doc. C. 196. M. 70. 1927. V., p. 72), Art. 5: „ . . . natural islands not continuously submerged"; Institut de Droit International , Projét de règlement rélatif à la Mer Territoriale en Temps de Paix, Stockholm 1928 (AJIL 1929, Spec. Suppl., 368 ff.), Art. 4; American Institute of International Law , Project No. 10 on „National Domain", submitted to the International Commission of Jurists at Rio de Janeiro, A p r i l 1927 (AJIL 1929, Spec. Suppl., 370 ff.), Art. 7.
Α. Das Völkervertragsrecht
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es k o m m e auf die M ö g l i c h k e i t einer effektiven Inbesitznahme oder die Bewohnbarkeit an.18 D a sich diese Vorschläge l e t z t l i c h aber n i c h t durchsetzen k o n n t e n , k a n n h i n s i c h t l i c h der Haager K o d i f i k a t i o n s k o n f e r e n z v o n 1930 als Ergebnis e i n allgemeiner Konsens der Teilnehmerstaaten dahingehend festgestellt w e r den, daß es sich b e i I n s e l n u m L a n d g e b i e t 1 9 h a n d e l n muß, welches v o n Wasser umgeben ist u n d b e i F l u t d a u e r n d ü b e r den Wasserspiegel hinausragt. A u f andere K r i t e r i e n , w i e ζ. B. die B e w o h n b a r k e i t , sollte es n i c h t a n k o m men. A l l e diejenigen Erscheinungsformen, die n a c h Maßgabe dieser D e f i n i t i o n als Inseln z u q u a l i f i z i e r e n sind, sollten auch e i n eigenes Küstenmeer haben. D i e j e n i g e n Staaten, die a u c h periodisch trockenfallenden E r h e b u n gen ein eigenes Küstenmeer zusprechen w o l l t e n , w u r d e n i n s o w e i t z u f r i e dengestellt, als diese E r h e b u n g e n b e i der B e s t i m m u n g der seewärtigen Grenze des Küstenmeeres als Basispunkte B e r ü c k s i c h t i g u n g f i n d e n k ö n n e n sollten, w e n n sie i n n e r h a l b des Festland-Küstenmeeres gelegen s i n d . 2 0
18 So der Änderungsvorschlag des Vereinigten Königreiches (L.N. Doc. C. 351. (b) M. 145. (b) 1930. V., p. 188): „ A n island is a piece of territory surrounded by water and, i n normal circumstances permanently above water. It does not include a piece of territory not capable of effective occupation and use. His Majesty's Government consider that there is no ground for claiming that a belt of territorial waters round rocks and banks not constituting islands as defined above . . . " 19 Insoweit bestand Einigkeit darüber, daß es sich um „natürlich entstandenes" Landgebiet handeln mußte mit der Folge - wenngleich dies dem Wortlaut der Definition nicht zu entnehmen ist - , daß künstlich errichtete Erhebungen, wie ζ. B. Leuchttürme auf trockenfallenden Erhebungen etc., nicht als Inseln im Rechtssinne gelten sollten. Zwar hatte schon der Vertreter des Vereinigten Königreiches im Behring SeeSchiedsverfahren aus dem Jahre 1893 (vgl. dazu allgemein: M. Höpfner, Behring Sea Arbitration, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), 36-37 m.w.N.; Moore, International Arbitrations, Vol. I, 901 ff.), Sir Charles Rüssel, gefordert, daß auch Leuchttürme grundsätzlich ein eigenes Küstenmeer haben sollten. Diese Auffassung wurde aber ganz allgemein abgelehnt. Vgl. etwa: Institut de Droit International, Report by Oppenheim, A I D I 1913, 409, 411; Ph.C. Jessup, The Law of Territorial Waters and Maritime Jurisdiction, New York 1927, S. 69 f.; G. Gidel, Droit de la mer ΠΙ, S. 676 ff.; C.J. Colombos, Internationales Seerecht, § 137. Zum Rechtsstatus künstlicher Inseln vgl.: Ν. Papadakis, The International Legal Regime of Artificial Islands, Leiden 1977; D.W. Bowett, Islands, S. 2-5; F. Münch, Les îles artificielles et les installations en mer, ZaöRV 1978, 933-958; McDougal/ Burke, The Public Order of the Oceans, New Haven 1962, S. 387 ff.; H. Charles, Les îles artificielles, RGDIP 1967, 342-368. Vgl. ferner den Bericht über die 8. Sitzung der ILC aus dem Jahre 1956 (YILC 1956 Π, 270): „Even if an installation is built on such an elevation (low-tide elevation) and is itself permanently above water - a lighthouse for example - the elevation is not an ,island' as understood i n this article." Vgl. dazu auch unten unter ΠΙ. 20 L.N. Doc. C. 230. M. 117. 1930. V., p. 11: „Les élévations du sol situées dans la mer territoriale, bien qu'elles n'émergent pas qu'à marée basse, sont prises en considération pour le tracé de cette mer."
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
IV. Die Entwicklung bis zum Jahre 1958, einschließlich UNCLOS I 1. Die Definition des Begriffs „Insel" und die Frage des Küstenmeeres von Inseln
Wegen ihres weiten Wortlautes wurden von der Definition des Begriffs „Insel" durch die Haager Kodifikationskonferenz von 1930 alle denkbaren Erhebungen erfaßt, die bei Flut über den Wasserspiegel hinausragen, also etwa auch Felsen und - zumindest entsprechend dem Wortlaut - künstlich errichtetes Landgebiet. Daher kam es in der Folgezeit zu vereinzelten Versuchen, entweder bereits bekannte oder aber neue Kriterien in die Definition einzubringen. Gidel etwa gab schon kurze Zeit nach Abschluß der Konferenz die folgende Begriffsbestimmung: „Une île est une élévation naturelle du sol maritime qui, entourée par l'eau, se trouve d'une manière permanente au-dessus de la marée haute et dont les conditions naturelles permettent la résidence stable de groupes humains organisés." 21
Mit eben dem Merkmal, daß die natürlichen Umstände eine dauerhafte Bewohnbarkeit erlauben, wollte Gidel ausschließen, daß jede „Insel" im Sinne der Haager Definition dazu dienen kann, die staatlichen Hoheitsansprüche in die Hohe See hinauszuverlagern. a) Der britisch-norwegische
Fischereistreit
I m Zusammenhang mit der Frage nach dem völkerrechtlichen Status und dem Begriff der Insel ist zunächst das Urteil des IGH im Anglo-Norwegian Fisheries Case22 - wenngleich die Frage des Küstenmeeres von Inseln als solche nicht unmittelbar für den Streit zwischen dem Vereinigten Königreich und Norwegen bzgl. der norwegischen Fischereizone entscheidend war von gewisser Bedeutung. In dieser Entscheidung hat der I G H klargestellt, unter welchen Voraussetzungen „küstennahe Erhebungen" 23 als Basispunkte dienen und ob sie möglicherweise als Einheit behandelt werden können. Dieses Urteil hat nach seiner Veröffentlichung die Vorarbeiten der ILC zu UNCLOS I wesentlich beeinflußt. Durch Verordnimg vom 12. Juli 1934 hatte Norwegen für den Teil seiner Küste, der sich von der norwegisch-russischen Grenze am Südufer des Varanger-Fjords längs der Ostküste von Finmarken bis zum Nordkap und dann südwärts längs der Westküste bis Traena erstreckt, eine Fischereizone 21
G. Gidel, Droit de la mer III, S. 681. ICJ Rep. 1951, pp. 116-143; vgl. dazu die Nachweise bei Fn. 12. 23 Gemeint sind mit diesem Begriff Inseln, Felsen, Riffe und sonstige trockenfallenden (Niedrigwasser-)Erhebungen. 22
Α. Das Völkervertragsrecht
41
eingerichtet. Die Verordnung definierte die Grenze dieser Hoheitsgewässer mittels gerader Basislinien, die zwischen 48 Punkten gezogen waren. Diese Basispunkte befanden sich zum größten Teil auf Inseln und (trockenfallenden) Erhebungen und Felsen, dem sog. „Skjaergaard" (= norwegische Bezeichnimg für den Felswall und die Ansammlung unzähliger Inseln, Eilande, Felsen und Riffe, die der norwegischen Festlandküste unmittelbar vorgelagert sind). 24 Einige der so festgesetzten Basislinien waren länger als 10 sm, die längste maß 44 sm. Die Breite der Hoheitsgewässer betrug 4 sm. Das Vereinigte Königreich stellte sich auf den Standpunkt, die durch die Verordnung angewendete Methode zur Abgrenzung der Fischereizone sowie die dort festgesetzten geraden Basislinien seien völkerrechtswidrig. Zur völkerrechtsgemäßen Abgrenzung müßte als Basislinie die Niedrigwasserlinie dienen. Im Hinblick auf die Besonderheiten der norwegischen Küste könne allenfalls die sog. „Kreisbogen"-Methode zur Anwendung gelangen, die darin besteht, Kreisbögen mit einem Radius von 3 sm (im Falle Norwegens von 4 sm) von jedem zulässigen Basispunkt längs der Küste zu schlagen und die durch die Schnittpunkte der sich schneidenden Kreisbögen gebildete Linie als die äußere Grenze der staatlichen Hoheitsgewässer zu behandeln. I n seinem Urteil vom 18. Dezember 1951 erkannte der IGH die Gültigkeit der norwegischen Verordnung und der angewendeten Methode zur Festsetzung der Basislinien an. Ausdrücklich wies das Gericht die Ansicht des Vereinigten Königreichs zurück, die Anwendung gerader Basislinien sei auf Buchten beschränkt. 25 Im wesentlichen wurde die Entscheidung mit den Besonderheiten der norwegischen Küste begründet, die es dem Gericht ermöglichte, den „Skjaergaard" im ganzen als Fortsetzung des Festlands und somit als die eigentliche Küste 2 6 anzusehen: „To the west, the land configuration stretches out into the sea; the large and small islands, mountaineous in character, the islets, rocks and reefs, some always above water, others emerging at low-tide, are in truth but the extension of the Norwegian mainland." 2 7
Dennoch lassen sich dieser Entscheidung Grundsätze für die Behandlung küstennaher Erhebungen und küstennaher Inselgruppen entnehmen. Es w i r d u. a. klargestellt, daß eine Einbeziehung küstennaher Erhebungen in das Basisliniensystem nur zulässig sein kann, wenn zwischen ihnen und dem Festland eine hinreichend enge Beziehung besteht:
24
ICJRep. 1951, p. 130. Ebenda. 26 Ebenda, p. 127: „The coast of the mainland does not constitute, as it does in practically all other countries, a clear dividing line between land and sea. What matters, what really constitutes the Norwegian coast line, is the outer line of the »skjaergaard'." 27 Ebenda, p. 127. 25
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
„Another fundamental consideration, of particular importance i n this case, is the more or less close relationship existing between certain sea areas and the land formations which divide or surround them. The real question raised i n the choice of base-lines is in effect whether certain sea areas within these lines are sufficiently closely linked to the land domain to be subject to the regime of internal waters." 2 8
Gerade wenn zusätzlich noch wesentliche wirtschaftliche Interessen der Bevölkerimg infrage stehen 29 und die geraden Basislinien dem generellen Verlauf der Küste folgen 30 , sei eine vollständige Einbeziehung küstennaher Erhebungen in das Basisliniensystem zulässig. Trotz ihrer grundsätzlichen Verallgemeinerimgsfähigkeit ist die Handhabung dieser Kriterien, eben weil sie für einen besonders gelagerten Einzelfall geschaffen worden sind, nicht immer einfach. Bevor deren Vorliegen bejaht werden kann, bedarf es daher einer genauen Untersuchimg des jeweils zu entscheidenden Falles. Erst wenn diesem die gleiche oder eine vergleichbare besondere Situation zugrundeliegt, w i r d man zu einer ebensolchen Entscheidung gelangen können. 31 Die Anwendung dieser Kriterien wäre sicherlich einfacher, wenn der IGH nicht nur in dieser Entscheidung, sondern auch bei anderen Gelegenheiten 32 klar Position zu der Frage der Rechtsstellung von Inseln bezogen hätte. b) Vorschläge innerhalb der ILC und UNCLOS I Im Jahre 1954 machte Lauterpacht während der Beratungen der ILC, die mit den Vorarbeiten zur (Ersten) Genfer Seerechtskonferenz (UNCLOS I) befaßt war, über den Bericht von François den Versuch, das bereits bekannte Kriterium der „. . .capability of effective occupation and control" 33 in die Definition des Begriffs „Insel" einzubringen. Lauterpacht zog diesen 28
Ebenda, p. 133. Ebenda, p. 127 f. 30 Ebenda, p. 133. 31 So auch McDougal/Burke, Public Order, S. 387: „ . . . decisions of this kind should preferably be limited to those exceptional instances i n which the presence of a few islands creates a very intense concentration of coastal interests in the waters adjacent to them and the mainland. A realistic appraisal of the factors relevant to the policies pronounced by the C o u r t . . . should make clear that a successful demonstration of this intensity of interests cannot often be made. Hence, one way of limiting undesirable extensions . . . may be to demand a concrete demonstration of the coastal interest alleged to justify the claimed delimitation and to emphasize . . . the need for a realistic assessment of the coastal interest alleged to be at stake."; ähnlich: L.F.E. Goldie, The International Court of Justice's „Natural Prolongation" and the Continental Shelf Problem of Islands, N Y I L 1973, 237-261 (240). 32 Etwa im Minquiers and Ecrehos Case (ICJ Rep. 1953, pp. 47-72); vgl. dazu: Κ. Herndly Minquiers and Ecrehos Case, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), S. 192-194; L.F.E. Goldie , N Y I L 1973, 241 f. Letztlich gilt dies auch für die North Sea Continental Shelf Cases (ICJ Rep. 1969, pp. 3 ff .) i m Zusammenhang mit den nordfriesischen Inseln. 33 YILC 1954 I, 92. Vgl. dazu schon oben unter II. 29
Α. Das Völkervertragsrecht
43
Vorschlag aber w i e d e r z u r ü c k , n a c h d e m der Berichterstatter François
dar-
auf hingewiesen hatte, daß jeder Felsen diesen A n f o r d e r u n g e n l e i c h t gerecht werden würde. 34 D i e I L C orientierte sich i m Verlaufe i h r e r A r b e i t e n v i e l m e h r w e i t g e h e n d an der B e s t i m m i m g der Haager K o d i f i k a t i o n s k o n f e r e n z v o n 1930. D e m e n t sprechend lautete der E n t w u r f aus d e m Jahre 1952: „Chaque île comporte une mer territoriale qui lui est propre. Une île est une étendue de terre, entourée d'eau, qui se trouve d'une manière permanente au-dessus de la marée haute." 3 5 I m Jahre 1956 w u r d e auf einen Vorschlag Lauterpachts
h i n der E n t w u r f
dahingehend abgeändert, daß es n u n m e h r hieß: „Every island has its own territorial sea. A n island is an area of land, surrounded by water, which in normal circumstances is permanently above high-water mark." 3 6 M i t d e m Zusatz „in
normal
circumstances"
sollte d e m P r o b l e m begegnet
werden, was b e i außergewöhnlichen H o c h f l u t e n gelten soll. L e t z t l i c h fanden aber weder dieser Zusatz, n o c h das M e r k m a l „permanently" E i n g a n g i n die Genfer K M K v o n 1958, w e i l , w i e der Delegierte der U S A z u recht bemerkte: „The requirements of the International Law Commission's definition of an island that it shall be above the high water mark ,in normal circumstances' and permanently' are conflicting, and since there is no established state practice regarding the effect of abnormal or seasonal tidal action on the status of islands, these terms should be omitted." 3 7 W ä h r e n d der Beratungen der Genfer Seerechtskonferenz v o n 1958 k a m es i m H i n b l i c k auf die U n t e r s c h e i d u n g z u k ü n s t l i c h e n I n s e l n 3 8 auf Vorschlag der U . S . - D e l e g a t i o n 3 9 z u einer w i c h t i g e n E r g ä n z u n g der D e f i n i t i o n . Z w a r h a t t e schon auf der Haager K o d i f i k a t i o n s k o n f e r e n z v o n 1930 E i n i g k e i t d a r über bestanden, daß es sich b e i I n s e l n u m „ n a t ü r l i c h entstandenes" L a n d g e -
34
YILC 1954 I, 94. YILC 1952 II, 36. 36 YILC 1956 II, 270 (Hervorhebung vom Verfasser). Innerhalb der ILC bestand Einigkeit darüber, daß „(T)his article applies both to islands situated i n the high seas and to islands situated in the territorial sea." (ebenda). Im Hinblick auf Niedrigwassererhebungen, die im Jahre 1956 noch mit den Begriffen „drying rocks and shoals" bezeichnet wurden, bestimmte Art. 11 des Entwurfs: „Drying rocks and shoals which are wholly or partly within the territorial sea, as measured from the mainland or an island, may be taken as points of departure for measuring the extension of the territorial sea." (ebenda) Solche Niedrigwassererhebungen, die außerhalb des Küstenmeeres des Festlandes oder einer Insel liegen, sollten kein eigenes Küstenmeer haben. Insoweit ergeben sich ebenfalls keine Unterschiede zu den Regelungen der Haager Kodifikationskonferenz von 1930. 37 UNCLOS I, Off. Ree., Vol. ΙΠ, 242. 38 Vgl. dazu schon oben unter II. 39 U.N. Doc. A/CONF. 13/C. 1/L. 112. 35
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
44
biet handeln muß. 40 Der Wortlaut der 1930er Definition umfaßte aber auch ζ. B. künstlich angeschüttetes Landgebiet. Daher sollten entsprechend dem amerikanischen Vorschlag Inseln nicht mehr lediglich als „Landgebiet" („area of land"), sondern als „natürlich entstandenes Landgebiet" („a naturally-formed area of land")* 1 definiert werden. Der U.S.-Delegierte erläuterte diesen Änderungsvorschlag wie folgt: „The International Law Commission's definition of ,island' includes artificially placed land. This permits an undesirable means of extension of the territorial sea and consequent encroachment on the freedom of the high seas." 42
Demgemäß empfahl der Redaktionsausschuß von UNCLOS I die folgende, mit dem späteren Art. 10 K M K identische Bestimmung über den Rechtsstatus von Inseln: „1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. The territorial sea of an island is measured i n accordance w i t h the provisions of these articles." 43
Es hatte während der Genfer Seerechtskonferenz von 1958 keine Versuche gegeben, Kriterien, wie ζ. B. die (tatsächliche oder potentielle) Bewohnbarkeit oder die Größe, in die Definition einzubringen. Dies berechtigt - neben dem eindeutigen Wortlaut von Art. 10 K M K - zu der Schlußfolgerung, daß solche Kriterien als für die Begriffsbestimmung sowie den Rechtsstatus von Inseln unbeachtlich angesehen worden sind. 44 Alle natürlich entstandenen Hochwassererhebungen sollten somit unabhängig von ihrer Größe, Bevölkerung oder Lage 45 wie jedes Festlandgebiet ein eigenes Küstenmeer haben. Niedrigwassererhebungen (bzw. trockenfallende Erhebungen) 46 sollten kein eigenes Küstenmeer erhalten. Sie haben aber dennoch in Art. 4 Abs. 3 sowie in Art. 11 K M K eine besondere Regelung erfahren. Danach können sie in den dort abschließend aufgeführten Fällen bei der Bestimmimg der Basislinien Berücksichtigung finden. 47 Diese Vorschriften haben in dieser Form Eingang in die Konvention gefunden, weil sich die ILC insoweit an dem Urteil des I G H im Fisheries 40
Vgl. oben unter II. Fn. 19. U.N. Doc. A/CONF.13/C.1/L.112. 42 UNCLOS I, Off. Ree., Vol. ΙΠ, 242. 43 U.N. Doc. A/CONF.B/C. 1/L.77, Rev. 2 (=UNCLOS I, Off. Ree., Vol. ΠΙ, 255). 44 So auch: G. Fitzmaurice, Some Results of the Geneva Conference on the Law of the Sea, ICLQ 1959, 73-121; McDougal/Burke, Public Order, S. 397. 45 Erinnert sei an die Kommentierung der ILC zu Art. 10 des Entwurfes aus dem Jahre 1956, vgl. oben Fn. 25. 46 Dieser Begriff hat die bis dahin verwendeten Begriffe „drying rocks and shoals" abgelöst, die als zu unklar angesehen worden waren, vgl. auch: YILC 1954 I, 95. 47 Zur Frage der Einbeziehung von Niedrigwassererhebungen i n das Basisliniensystem vgl. die anschaulichen Darstellungen bei D.W. Bowett, Islands, S. 16-33; McDougal/Burke, Public Order, S. 327 ff., 377 ff. 41
Α. Das Völkervertragsrecht Case48
45
o r i e n t i e r t h a t t e . 4 9 D e n n o c h w e i c h e n die V o r s c h r i f t e n der Genfer
K M K i n einigen P u n k t e n v o n der E n t s c h e i d u n g des I G H ab, was n i c h t zuletzt d a r i n begründet w a r , daß die I L C auch die Vorschläge der E x p e r t e n gruppe b e r ü c k s i c h t i g e n w o l l t e . 5 0 So stellte die I L C i n i h r e r K o m m e n t i e r u n g z u A r t . 5 des E n t w u r f s k l a r : „(7) Straight baselines may be drawn only between points situated on the territory of a single State. A n agreement between two States under which such baselines were drawn along the coast and connecting points situated on the territories of different States, would not be enforceable against other States. (8) Straight baselines may be drawn to islands situated i n the immediate vicinity of the coast, but not to drying rocks and drying shoals. Only rocks or shoals permanently above sea level may be used for this purpose. Otherwise the distance between the baselines and the coast might be extended more than is required to fulfil the purpose for which the straight baseline method is applied, and, in addition, it would not be possible at high tide to sight the points of departure of the baselines." 51 I m ü b r i g e n w i r d zwischen Niedrigwassererhebungen einerseits u n d Inseln i m Rechtssinne andererseits k l a r unterschieden. 2. Der Festlandsockel von Inseln und das Problem der anzuwendenden Begriffsbestimmung M i t d e m A u f k o m m e n des Festlandsockel-Regimes, welches d u r c h die T r u m a n - P r o k l a m a t i o n v o m 28.09.1945 5 2 i n i t i i e r t w o r d e n w a r , w a r es n o t w e n d i g geworden, sich m i t den d a m i t entstandenen Problemen auseinanderzusetzen. D i e Genfer Seerechtskonferenz v o n 1958 k o n n t e sich auch i n diesem Bereich auf die V o r a r b e i t e n der I L C stützen, die das Festlandsockel-Regime i n A b s c h n i t t I I I ( A r t . 67-72) ihres E n t w u r f s aus dem Jahre 1956 behandelt hatte.53 A r t 67 dieses E n t w u r f s lautete: „For the purposes of these articles, the term .continental shelf' is used as referring to the seabed and subsoil of the submarine areas adjacent to the coast but outside the area of the territorial sea, to a depth of 200 metres (approximately 100 fathoms), or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas." 54 48
ICJRep. 1951, pp. 116-143. YILC 1956 II, 267: „The Commission interpreted the Court's judgement . . . as expressing the law in force; it accordingly drafted the article on the basis of this judgement." 50 Ebenda. 51 Ebenda, 268. 52 U.N. ST/LEG/SER.B/1, 38. 53 YILC 1956 Π, 295-300. 54 Ebenda, 296. Der Begriff „Festlandsockel" sollte dabei weder i n einem rein geologischen, noch i n einem rein geographischen Sinne verstanden werden. In ihrer Kommentierung zu Art. 67 ihres Entwurfs (YILC 1956 II, 297) führte die ILC dazu aus: 49
46
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht Z w a r e n t h i e l t diese B e s t i m m u n g weder eine Bezugnahme auf, n o c h eine
D e f i n i t i o n des Begriffs „ I n s e l " . I n i h r e r K o m m e n t i e r u n g z u A r t . 67 ihres E n t w u r f s stellte die I L C jedoch k l a r : „The term »continental shelf' does not imply that it refers exclusively to continents i n the current connotation of that word. It also covers the submarine areas contiguous to islands," 55 W ä h r e n d der Beratungen auf der Seerechtskonferenz v o n 1958 w u r d e auf Vorschlag der P h i l i p p i n e n 5 6 i n den späteren A r t . 1 (b) F S K der folgende Zusatz eingefügt: „For the purpose of these articles, the term »continental shelf' is used as referring (a) . . . ; (b) to the seabed and subsoil of similar submarine areas adjacent to the coasts of islands." 57 D i e D i s k u s s i o n über diesen Vorschlag zeigte eine allgemeine Ü b e r e i n s t i m m u n g darüber, daß auch Inseln e i n eigenes Festlandsockelgebiet haben sollten. S t r e i t i g k e i t e n gab es n u r i m Z u s a m m e n h a n g m i t der Frage der seewärt i g e n Grenze des Festlandsockels. M a n g i n g a u c h ganz allgemein d a v o n aus, w e n n g l e i c h i n der F S K eine B e s t i m m i m g des Begriffs „ I n s e l " fehlte, daß die D e f i n i t i o n i n A r t . 10 Abs. 1 K M K auf A r t . 1 (b) F S K A n w e n d u n g f i n d e n s o l l t e 5 8 m i t der Folge, daß alle „ E r h e b u n g e n " , die u n t e r diese D e f i n i t i o n f a l len, u n a b h ä n g i g v o n i h r e r Größe, B e v ö l k e r u n g oder Lage einen Festlandsokk e l haben s o l l t e n . 5 9 F ü r diese Schlußfolgerung spricht a l l e i n schon die T a t sache, daß die v i e r Genfer Seerechtskonventionen v o n 1958 i n einem e i n h e i t l i c h e n E n t w u r f der I L C vorbereitet w o r d e n waren. „(5) The sense in which the term »continental shelf' is used departs to some extent from the geological concept of the term. The varied use of the term by scientists is i n itself an obstacle to the adoption of the geological concept as a basis for legal regulation of this problem. (6) There was yet another reason why the Commission decided not to adhere strictly to the geological concept of the continental shelf. The mere fact that the existence of a continental shelf in the geological sense might be questioned in regard to submarine areas where the depth of the sea would nevertheless permit of exploitation of the subsoil in the same way as if there were a continental shelf, could not justify the application of a discriminatory legal régime to these regions. (7) While adopting, to a certain extent, the geographical test for the continental shelf' as the basis of the juridical definition of the term, the Commission therefore i n no way holds that the existence of a continental shelf, i n the geographical sense as generally understood, is essential for the exercise of the rights of the coastal State as defined i n these articles." Zur Entwicklung des Festlandsockelbegriffs vgl. die umfassende Darstellung von U.-D. Klemm, Die seewärtige Grenze des Festlandsockels, Berlin - New York - Heidelberg 1976, m.w.N.; sowie unten 3.Teil A. 55 YILC 1956 Π, 297 (Hervorhebung vom Verfasser). 56 U.N. Doc. A/CONF.13/C.4/L.26. 57 Dieser Vorschlag wurde mit 31:10:25 Stimmen angenommen (U.N. Doc. A/ CONF. 13/42, p. 47). 58 Vgl. statt vieler: D.W. Bowett, Islands, S. 33. 59 Dabei zeigt ζ. B. die Bestimmung des Art. 5 Abs. 4 FSK, daß „continental shelf installations and other devices", also künstliche Inseln, von Inseln im Rechtssinne unterschieden werden müssen.
Α. Das Völkervertragsrecht
47
Dennoch haben sich im völkerrechtlichen Schrifttum Stimmen erhoben, die die Anwendbarkeit der Definition des Art. 10 Abs. 1 K M K auf die FSK ablehnen. Der Begriff „Insel" sei während der Vorarbeiten sowie während der Beratungen nur im Zusammenhang mit Basislinien und dem Küstenmeer, nicht jedoch im Zusammenhang mit dem Festlandsockel behandelt worden. 60 Diese Argumentation ist jedoch wenig überzeugend. Zwar werden Küstenmeer und Festlandsockel in zwei eigenständigen Konventionen geregelt. Allein diese formale Trennung kann aber nicht den Einwand ausräumen, daß diese Konventionen eben das Ergebnis einer einheitlichen Konferenz über das Seevölkerrecht sind. Weder für die ILC, noch für die Delegierten der Genfer Konferenz bestand daher eine Veranlassung, auch in die (spätere) FSK eine Definition des Begriffs „Insel" einzubringen. Hinzu kommt, daß diese Mindermeinung zwei unterschiedliche Aspekte miteinander zu verbinden sucht. Der Definition sollen nämlich keine neuen, eigenständigen Kriterien im Hinblick auf andere Seegebiete als dem Küstenmeer hinzugefügt werden. Vielmehr w i r d versucht, Fragen einer möglichen Gleichbehandlung mit Festlandgebieten sowie der Abgrenzung von Seegebieten zu präjudizieren. Letztlich kommt aber auch diese Auffassimg nicht daran vorbei, Inseln als „natürlich entstandenes Landgebiet, das von Wasser umgeben ist und bei Flut über den Wasserspiegel hinausragt" zu definieren. Der Unterschied liegt lediglich in dem Zusatz: „ . . . et dont les attributs à l'égard de divers domaines maritimes dépendent de différentes caractéristiques complémentaires spécifiques à chaque cas d'espèce et de la nature du domaine maritime en cause." 61
Dieser Zusatz ist jedoch derart vage, daß nicht nur Zweifel an der Praktikabilität einer solchen Definition bestehen. Vielmehr ist er für die Erfassung des Begriffs „Insel" sogar überflüssig. Die Aufgabe einer Legaldefinition des Begriffs „Insel" besteht darin, diese von anderen Erscheinungsformen abzugrenzen. Ob Inseln aber grundsätzlich gleich dem Festland zu behandeln sind und ob sie Auswirkungen auf die Abgrenzung von Seegebieten zwischen benachbarten oder einander gegenüberliegenden Staaten haben, sind Fragen, die von der Begriffsbestimmung zu trennen sind. Somit bleibt für die Genfer Seerechtskonferenz von 1958 und die aus ihr hervorgegangenen Konventionen festzuhalten, daß jedes „natürlich entstandene Landgebiet, welches von Wasser umgeben ist und bei Flut über den Wasserspiegel hinausragt", unabhängig von seiner Größe, Bevölkerung oder Lage ebenso wie jedes Festlandgebiet sowohl ein eigenes Küstenmeer als auch einen eigenen Festlandsockel hat. 6 2 Andere Erhebungen haben 60 Vgl. dazu: H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 44 ff.; L.F.E. Goldie, N Y I L 1973, 247 ff.; jeweils m.w.N. 61 H. Pazarci, ebenda, S. 71.
48
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
zwar keine eigenen Seegebiete63, können aber u.U. in das Basisliniensystem einbezogen werden. V. Die Entwicklung bis zur Seerechtskonvention von 1982 1. Vorbemerkung
Die Arbeiten der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 waren beschränkt auf Fragen des Küstenmeeres sowie dessen Abgrenzung zu den sog. Eigen- oder Binnengewässern. Während UNCLOS I kamen im Jahre 1958 u. a. hinzu das System gerader Basislinien 64 , die Regelung der Fischerei und Erhaltung der lebenden Naturvorkommen der Hohen See 65 , der Rechtsstatus der Hohen See 66 sowie das Festlandsockel-Regime. 67 Trotz dieser auf den ersten Blick umfassenden Regelung des Seevölkerrechts blieben viele Fragen, wie ζ. B. die Breite des Küstenmeeres, ungeklärt. Man ging damals grundsätzlich von einer Küstenmeerbreite von 3 sm aus. Diese Regelung hatte ihren Ursprung in der sog. Kanonenschuß-Regel 68 . Es kann aber wegen der unterschiedlichen Ansprüche im Jahre 1958 nicht ohne weiteres von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung der 3 sm-Küstenmeerbreite ausgegangen werden, wie die folgende Übersicht (S. 49 oben) deutlich macht. Die zweite Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen von 1960 (UNCLOS II), die diese offenen Fragen einer Klärung zuführen sollte, scheiterte ergebnislos. 69 In der Folgezeit erhöhte sich nicht nur die Anzahl staatlicher Hoheitsansprüche, vielmehr veränderten sich diese qualitativ insoweit, als nunmehr 62 So u. a. auch: D.W. Bowett, Islands, S. 139; H. Dipla, Le régime juridique des îles dans le droit international de la mer (1984), S. 90 f.; a.A.: L.F.E. Goldie , N Y I L 1973, 247 ff., der „islets" und „rocks" offensichtlich ausnehmen will, dies jedoch wohl vorrangig im Zusammenhang mit Abgrenzungsfragen. 63 In den North Sea Continental Shelf Cases (ICJ Rep. 1969, pp. 20, 36) betont der IGH, daß kleinste Inseln sowie Felsen bei der Abgrenzung unberücksichtigt bleiben müssen, d. h. daß sie keine eigenen Seegebiete haben. Diese Aussage ändert aber nichts an dem hier für die Genfer Konventionen von 1958 gefundenen Ergebnis. Zum einen konnte der IGH i n dieser Entscheidimg diese Konventionen nicht anwenden, zum anderen handelt es sich bei den Ausführungen in diesem Abschnitt der Arbeit nur um den grundsätzlichen Status von Inseln, nicht aber um Abgrenzungsfragen, auf die noch gesondert einzugehen sein wird. 64 Art. 4 des Genfer Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone vom 29.04.1958. 65 Genfer Übereinkommen über Fischerei und Erhaltung der lebenden Naturvorkommen der Hohen See vom 29.04.1958. 66 Genfer Übereinkommen über die Hohe See vom 29.04.1958. 67 Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel vom 29.04.1958. 68 Vgl. dazu statt vieler O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 124 ff. 69 Vgl. dazu D.W. Bowett, The Second United Nations Conference on the Law of the Sea, ICLQ 1960, 415-435.
49
Α. Das Völkervertragsrecht 1953: sm:
3
4
6
9
10
200
Staaten:
24
3
10
2
5
1
sm:
3
4
6
9
10
12
200
Staaten:
22
3
10
1
1
13
1
1960:
auch die umfassenden EEZ-Rechte geltend gemacht wurden. Dies verdeutlicht die folgende Übersicht der Entwicklung der Ansprüche betreffend das Küstenmeer und die sonstigen Seegebiete: Küstenmeeransprüche : 1969: sm: Staaten:
3
4
6
9
10
12
200
28
3
13
1
1
42
5
3
4
6
10
12
18
30
50
100
130
200
30
3
14
1
58
1
4
3
1
1
8
3
4
6
12
15
20
30
50
100
130
150
200
32
5
10
60
1
1
4
4
2
1
2
12
3
4
6
10
12
15
20
30
50
100
130
150
200
32
5
8
1
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1
1
3
4
1
1
1
13
3
4
6
12
15
20
30
35
50
100
150
200
22
3
4
80
1
1
1
1
3
1
1
13
1973: sm: Staaten: 1977: sm: Staaten: 1978: sm: Staaten: 1983: sm: Staaten:
4 Heintschel v. Heinegg
50
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
1985: 3
4
6
12
15
20
30
35
50
70
100
150
200
18
2
5
84
1
1
2
1
3
1
1
1
13
3
4
6
12
15
20
30
35
50
70
100
150
200
15
2
4
101
1
1
2
1
2
1
sm: Staaten: 1986: sm: Staaten:
-
-
13
Ansprüche betreffend sonstige Seegebiete bis 1985: EEZ (200 sm):
54 Staaten;
Exklusive Fischereizonen (200 sm):
23 Staaten;
Festlandsockel (unterschiedliche Breite):
74 Staaten. 70
Diese A u s d e h n u n g staatlicher Hoheitsansprüche, die insbesondere die A n n a h m e nahelegt, daß ein 12sm-Küstenmeer g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h anerk a n n t i s t 7 1 , f ü h r t e insbesondere i m Z u s a m m e n h a n g m i t den Seegebieten v o n Inseln z u teilweise erheblichen S t r e i t i g k e i t e n . 7 2 I m v ö l k e r r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m w u r d e n erneut Versuche u n t e r n o m m e n , neben anderen Fragen auch den B e g r i f f „ I n s e l " u n d den Rechtsstatus v o n Inseln n e u z u bestimmen, u m die A u s u f e r u n g staatlicher Hoheitsansprüche e i n z u d ä m m e n . 7 3 B e i diesen Versuchen - die die grundsätzliche Gleichbeh a n d l u n g v o n Inseln u n d F e s t l a n d n u r ζ. T. i n Z w e i f e l zogen - spielte ins70
Quelle: LOSB No. 2 (March 1985), V. Zur Frage der gewohnheitsrechtlichen Geltung der 12 sm-Küstenmeerbreite vgl. einerseits R. Wolfrum, The Emerging Customary Law of Marine Zones: State Practice and the Convention on the Law of the Sea, N Y I L 1987,121-144 (127 ff.) sowie Α. Verdross/ B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. Berlin 1984, § 1071 die dies verneinen; andererseits statt vieler O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 165 f. 72 So der Streit zwischen Argentinien und dem Vereinigten Königreich über die Falkland- (Malvinas-)Inseln vgl. dazu u. a.: R.L. Fahrney II, Status of an Island's Continental Shelf Jurisdiction: A Case Study of the Falkland Islands, J. of Marit. L.&Comm. 10 (1979), 539-553, um die Klippeninseln im ostchinesischen Meer zwischen Japan, Süd-Korea, Taiwan und der VR China vgl. dazu: Y.H. Nieh, Der Streit um die Klippeninseln Tiaoyyütai und das Problem des Festlandsockels i m ostchinesischen Meer, VRÜ 1971, 443-455; K.T. Chao, East China Sea. Boundary Problems Relating to the Tiao-yu-t'ai Islands, Chin.Yb.of Int'l.L. and Aff. 1982, 45-97; Y.-J. Ma, The East Asian Seabed Controversy Revisited: Relevance (or Irrelevance) of the Tiao-yu-t'ai (Senkaku) Islands Territorial Dispute, Chin. Yb.of Int'l.L. and Aff. 1982, 1-44 und zwischen dem Vereinigten Königreich und Brasilien über Trinidad vgl. dazu G. Marston, The Anglo-Brazilian Dispute over the Island of Trinidade, BYIL 1983, 222-239. 73 Vgl. H. Pazarci, Délimitation du plateau continental; R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, Bureau of Intelligence and Research, Research Study RGES-3, December 10, 1973 (ebenfalls abgedruckt bei: Gamble/Pontecorvo (Hrsg.), Law of the Sea: The Emerging Regime of the Oceans (1974), S. 137-199). 71
Α. Das Völkervertragsrecht
51
besondere das Kriterium der Größe eine wichtige Holle. Den wohl bekanntesten Vorstoß in diese Richtung unternahm Hodgson 74, der die folgende Klassifizierung unter Beibehaltung der Definition des Art. 10 Abs. 1 K M K vornahm: „(1) rocks,
less than .001 square mile i n area;
(2) islets,
between .001 and 1 square mile;
(3) isles,
greater than 1 square mile but not more than 1,000 square miles; and
(4) islands, larger than 1,000 square miles." 7 5
Doch nicht nur Wissenschaftler waren mit den Bestimmungen in den Genfer Seerechtskonventionen von 1958 unzufrieden. Auch vielen Staaten erschienen ζ. B. die Regelungen in den Art. 10 K M K sowie Art. 1 (b) FSK als ζ. T. unzureichend oder zu weitgehend. Hinzu kamen das neue EEZ-Konzept 76 sowie ein verändertes Verständnis des Festlandsockel-Begriffs, der nicht mehr von den Kriterien der Wassertiefe und der technisch möglichen Ausbeutbarkeit abhängig sein, sondern nunmehr den Meeresboden und den Meeresuntergrund bis 200 sm von den Basislinien umfassen sollte. 77 Daher lebte auch unter den Staaten - u. a. - die Diskussion über den Rechtsstatus von Inseln erneut auf. Eine Klärimg dieser Fragen sollte auf einer internationalen Konferenz universellen Charakters erzielt werden. Der Vorbereitung dieser Dritten Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS III) diente die Errichtung des Meeresboden-Ausschusses. Die folgende Darstellung w i r d sich auf die im Meeresboden-Ausschuss sowie während UNCLOS I I I eingebrachten Vorschläge der Staaten beschränken, da diese umfassend die unterschiedlichen Positionen reflektieren. 2. Die Verhandlungen des Meeresboden-Ausschusses
Auf der ersten Sitzung der Vollversammlung des Meeresboden-Ausschusses im März 1971 wurde die Errichtung von drei Unter-Ausschüssen beschlossen.78 Ihre Aufgabenbereiche umfaßten die in der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Nr. 2750 C (XXV) vom 17. Dezember 1970 enthaltenen Themen für die einzuberufende 3. Seerechtskonferenz. Demgemäß war der 2. Unter-Ausschuß damit befaßt: „ . . . To prepare a comprehensive list of subjects and issues relating to the law of the sea, including those concerning the régime of the high seas, the continental shelf, 74
Ebenda. Ebenda S. 17. 76 Vgl. dazu allgemein: D.J. Attard, Exclusive Economic Zone. 77 Vgl. dazu allgemein: U.-D.Klemm, Seewärtige Grenze, S. 240 ff. ™ U.N. Doc. A/AC.138/SR.45. 75
4*
52
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
the territorial sea (including questions of its breadth and the question of international straits) and contiguous zone, fishing and conservation of the living resources of the high seas (including the question of preferential rights of coastal States) and to prepare draft treaty articles thereon. It is understood that the Sub-Committee may decide to draft articles before completing the comprehensive list of subjects and issues related to the law of the sea." 79
Wenngleich in dieser Aufgabenzuweisung die Rechtsstellung von Inseln sowie ihre Begriffsbestimmung nicht ausdrücklich genannt werden, so ist doch offensichtlich, daß eine umfassende („comprehensive ") Erfassung der dort aufgeführten Themen nur bei Berücksichtigung auch dieser Fragen gegeben sein würde. Aus der Betonung der Notwendigkeit, bei Erfüllung dieser Aufgaben den Interessen aller Staaten gleichermaßen gerecht zu werden 80 , folgt, daß selbstverständlich auch den Bedürfnissen und Interessen von Inselstaaten Rechnung zu tragen war. Daher fand auch im Verlaufe der Verhandlungen über den Festlandsockel und seine Grenzen das Problem von Inseln und ihre Auswirkungen auf die Abgrenzimg besondere Beachtung. Im Zusammenhang mit Fischereifragen nahmen einige Delegierte auf exklusive Fischereizonen, exklusive Wirtschaftszonen und sog. Vorzugszonen von Inseln ausdrücklich Bezug. 81 Zwei Delegationen gaben auf Bitte der Regierungen von fünf Südpazifik-Staaten, die nicht im Meeresboden-Ausschuß vertreten waren, für diese Erklärungen ab, in denen auf die besondere Bedeutung von Meeresressourcen für die Inseln im Süd-Pazifik hingewiesen wurde. 8 2 Besonders erwähnenswert aus den Anfängen der Verhandlungen innerhalb des Meeresboden-Ausschusses ist im Hinblick auf die Frage der Rechtsstellung von Inseln der Entwurf Maltas. 83 Dessen Artikel 1 ist identisch mit den Artikeln 10 und 11 der K M K , aber Artikel 37 lautet: „(1) The jurisdiction of an island State or of an archipelagic State extends to a belt of ocean space adjacent to the coast of the principal island or islands the breadth of which is 200 nautical miles. The principal island or islands shall be designated by the State concerned and notified to the competent organ of the International Ocean Space Institutions. I n the event of disagreement w i t h the designation made by the archipelago State any Contracting Party may submit the question to the International Maritime Court for adjudication. (2) The jurisdiction over ocean space that may be claimed by a State by virtue of its sovereignty or control over islands, other than those referred to i n para. 1, shall be determined in a special convention." 84
79
Ebenda. GA Off. Ree., 26th session, Suppl. No. 21 (A/8421), 1971, 34. GA Off. Ree., 26th session, Suppl. No. 21 (A/8421), 1971, 36. 82 Ebenda, 15. S3 U.N. Doc. A/AC.138/53. 84 Ebenda. 80
Α. Das Völkervertragsrecht
53
Artikel 90 Abs. 1 dieses Entwurfs eröffnet die Möglichkeit, die Verwaltung von Riffen, Sandbänken und Inseln mit weniger als 10.000 (ständigen) Bewohnern den „International Ocean Space Institutions" zu übertragen. Dieser Vorschlag Maltas war der erste Entwurf, der ausdrücklich - neben der Rechtsstellung von Insel- und Archipel-Staaten - auch auf die Rechtsstellung solcher Inseln Bezug nahm, die zu einem Festlandstaat gehören. Bemerkenswert daran ist, daß das Kriterium der Größe wieder von Bedeutung sein und Inseln grundsätzlich eine andere Rechtsstellung als das Festland erhalten sollten. Am 18. August 1972 beschloß der Meeresboden-Ausschuß auf Empfehlung des 2. Unter-Ausschusses die Annahme einer „list of subjects and issues relating to the law of the sea"85, die als Grundlage für die weiteren Diskussionen sowie die Entwürfe dienen sollte. Da die Mehrheit der Delegierten seinerzeit der Meinung war, insbesondere der Tatsache Rechnung tragen zu müssen, daß auch eine Anzahl von Inseln noch nicht in die Unabhängigkeit entlassen worden waren 86 , erhielt Punkt 19 der genannten Liste den folgenden Wortlaut: „Régime of islands (a) Islands under colonial dependence or foreign domination or control; (b) other related matters."
Trotz dieser Schwerpunktsetzimg drehten sich die Diskussionen während der Sitzungen des 2. Unter-Ausschusses aber auch um die allgemeine Frage, ob der Rechtsstatus von Inseln - und zwar solcher, die zu einem Festlandstaat gehören - von Kriterien wie der Lage, der Größe, der Bevölkerung und der Beschaffenheit des sie umgebenden Seegebietes abhängig sei. Ebenfalls Gegenstand der Diskussion war die Einordnung solcher Inseln, die „auf dem Festlandsockel eines anderen Staates i n einem anderen Kontinent liegen". Im Zusammenhang mit Fragen der unterschiedlichen Hoheitsrechte wurde von einigen Delegationen besondere Betonung auf die Unteilbarkeit der territorialen Souveränität von der Gebietshoheit gelegt, die bei einer Unterscheidung nach Größe, Lage und Bevölkerung sowie zwischen InselStaaten und Inseln (unter Fremdherrschaft) nicht mehr gewährleistet sei. Es sei nicht hinnehmbar, Begriffe zu schaffen, die zwischen Festlandstaaten und Inselstaaten differenzierten. Schließlich bestehe auch für abhängige Inselgebiete die Aussicht auf Unabhängigkeit, die dann aber nach Maßgabe 85
GA Off. Ree., 27th session, Suppl. No. 21 (A/8721), 1972, 5 ff. Der Streit um die Behandlung dieser abhängigen Inseln war dadurch gekennzeichnet, daß die Mehrheit der Delegierten deren Gleichstellung mit Festlandgebieten schon aus dem Grunde ablehnte, daß dadurch die Kolonialmächte noch mehr von den abhängigen Gebieten profitieren würden. Andere meinten, eine Ungleichbehandlung würde nicht nur auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit, sondern auch auf den Dekolonisierungsprozeß negative Auswirkungen haben. Vgl. GA Off. Ree., 27th session, Suppl. 21 (A/8721), 1972, 42. 86
54
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
des Grundsatzes der Gleichheit aller Staaten dieselben Rechte wie Festlandstaaten in Anspruch nehmen können müßten. Im Verlaufe der weiteren Diskussionen machte eine Gruppe von 55 Staaten einen Themenvorschlag 87 , von welchem hier die folgenden Punkte von Interesse sind: „6.6.5 Régime of islands under foreign domination and control i n relation to zones of exclusive fishing jurisdiction. 18. Régime of islands: (a) under colonial dependence or foreign domination or control, or (b) under sovereignty of a foreign State and located i n the continental shelf of another State in a different continent."
Zu dieser Eingabe wurden zahlreiche Änderungsvorschläge gemacht. Während Malta Punkt 18 ersatzlos streichen wollte 8 8 , vertraten Griechenland und Italien die Auffassung, in Punkt 18 sollte ganz allgemein das „régime of islands " ohne die dort enthaltenen Einschränkungen behandelt werden. 89 Afghanistan, Österreich, Belgien, Bolivien, die CSSR, Ungarn, Mali, Nepal und Sambia wollten demgegenüber lediglich den Begriff „zones of exclusive fishing jurisdiction" in Punkt 6.6.5 ersetzen durch „fishing zones". 90 Die Türkei wollte Inseln einen völlig eigenständigen Punkt widmen. 91 Einige der Vorschläge i m 2. Unter-Ausschuß überschnitten sich - nicht zuletzt wegen des engen Zusammenhangs - mit den Aufgabenbereichen der beiden anderen Unter-Ausschüsse. Daher wurden im Verlaufe der 91. Plenarsitzung des Meeresboden-Ausschusses am 5. März 1973 auf Vorschlag des Vorsitzenden 92 die Aufgabenbereiche neu festgelegt. Auf den 2. UnterAusschuß entfielen dabei u. a. die folgenden Themen: „6.6.5 Régime of islands under foreign domination and control i n relation to zones of exclusive fisheries. 19. Régime of islands: (a) Islands under colonial dependence or foreign domination or control; (b) other related matters."
Im Jahre 1973 nahmen zahlreiche Delegationen die Gelegenheit wahr, sich zur Rechtsstellung von Inseln zu äußern, wobei auch die Frage des Küstenmeeres und anderer Seegebiete von Inseln zur Sprache kam. Einige meinten, die für die Bestimmung dieser Gebiete geltenden Prinzipien müßten denen für das Festland, dem sie angehören, entsprechen. Wegen der 87
U.N. Doc. A/AC. 138/66 Corr. 2. U.N. Doc. A/AC. 138/67. 89 U.N. Doc. A/AC. 138/69. 9 ° U.N. Doc. A/AC. 138/72 Corr. 2. 91 U.N. Doc. A/AC. 138/74 Corr. 1. 92 U.N. Doc. A/AC. 138/L. 13, Add. 1, Rev. 1. 88
Α. Das Völkervertragsrecht
55
Unteilbarkeit staatlicher Souveränität und des Grundsatzes der Gleichheit aller Staaten verbiete sich jegliche Unterscheidung nach Größe, Lage und Bevölkerung. Andere waren der Auffassung, die Bestimmung der Seegebiete von Inseln - nicht von Insel- oder Archipelstaaten - habe nach Maßgabe der Billigkeit („equity") unter Berücksichtigung besonderer Faktoren und Umstände, wie der Größe, der Bevölkerung, der Nähe zum Festland, der Lage (ζ. B. auf dem Festlandsockel eines anderen Staates), der physikalischen, geologischen und geomorphologischen Struktur des jeweiligen Seegebietes, des allgemeinen Verlaufs der Küste sowie der Existenz von Inseln eines anderen Staates zu erfolgen. Andernfalls, d.h. bei einer Gleichbehandlung, würde auch jede Abgrenzimg zu verzerrenden Ergebnissen führen. Einige dieser Delegationen schränkten diesen Standpunkt aber insoweit wieder ein, als sie meinten, die Berücksichtigung solcher „besonderen Umstände" könne sich lediglich i m Zusammenhang mit der Frage nach den Seegebieten von Inseln auswirken, nicht aber auf die grundsätzliche Unteilbarkeit staatlicher Souveränität. Diese unterschiedlichen Positionen spiegeln sich recht anschaulich in den folgenden sechs Vorschlägen aus dem Jahre 1973 wider: (1) Draft article under article 19, régime of islands (Kamerun, Kenia, Madagaskar, Tunesien und Türkei): 93 „5. That the African States recognize the need for a proper determination of the nature of maritime spaces of islands and recommend that such determination should be made according to equitable principles taking account of all relevant factors and special circumstances including: (a) The size of islands; (b) Their population or the absence thereof; (c) Their contiguity to the principal territory; (d) Their geological configuration; (e) The special interest of island States and archipelagic States."
Auffallend an diesem Vorschlag ist, daß offensichtlich eine abschließende Klärung des Rechtsstatus sowie des Begriffs von Inseln gar nicht beabsichtigt ist. Vielmehr sollen diese Fragen ähnlich wie bei der Abgrenzung von Seegebieten den Prinzipien der Billigkeit unterstellt werden. 94 Dies muß wegen des weiten Bedeutungsinhalts jener Prinzipien der Billigkeit aber dazu führen, daß die Beantwortung der Frage, ob eine „Insel" bestimmte Seegebiete haben kann, zu großen Teilen von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit würde durch eine solch offene Regelung aber kaum Rechnung getragen. Letztlich greift dieser Vorschlag dem Abgrenzungsproblem vor, indem Fragen der Abgrenzung mit denen der Statusbestimmung vermengt werden. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da insbesondere die Staaten der 3. Welt mit dem Begriff der Bil93 94
U.N. Doc. A/AC. 138/SC.Ü/L.43. Zu den Prinzipien der Billigkeit vgl. weiter unten 3.Teil B. 1.Abschnitt.
56
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
l i g k e i t i m V ö l k e r r e c h t gewisse - auch w i r t s c h a f t l i c h e - E r w a r t u n g e n v e r b i n d e n , die i n aller Regel aber außerhalb des Rechts anzusiedeln sind. (2) Draft
article
under item 19, Régime of islands
(Griechenland):
95
„(1) A n island is a naturally formed area of land surrounded by water which is above water at high tide. (2) A n island forms an integral part of the territory of the State to which it belongs. The territorial sovereignty over the island extends to its territorial waters, to the air space over the island and its territorial sea, to its bed and subsoil and to its continental shelf for the purpose of exploring it and exploiting its natural resources. (3) The territorial sea of the island is determined in accordance w i t h the same provisions applicable for the measurement of the territorial sea of the continental part of the territory of the State. (4) The provisions applicable for the determination of the continental shelf and the zones of national jurisdiction of the continental part of the State are as a general rule applicable to islands. (5) The above provisions do not prejudice the régime of archipelagic islands." Dieser Vorschlag b e i n h a l t e t die krasse Gegenposition z u d e m vorhergehenden: I n s e l n u n d Festlandgebiete sollen v o l l k o m m e n g l e i c h behandelt w e r den. D i e D e f i n i t i o n des Begriffs Insel ist m i t der der Haager K o d i f i k a t i o n s konferenz v o n 1930 u n d der der Genfer K M K v o n 1958 fast w o r t g l e i c h . A l s besonders betroffener Staat versucht G r i e c h e n l a n d m i t Absatz 5 dieses V o r schlags, die Frage offenzuhalten, ob Inselgruppen einen besonderen Status erhalten sollen. 9 6 (3) Draft Ghana,
article
on the
Elfenbeinküste,
Sierra Leone, Somalia,
exclusive Kenia,
economic
Liberia,
zone
Madagaskar,
Sudan, Tunesien und
(Algerien, Mauritius,
Kamerun, Senegal,
Tansania): 91
„(1) Maritime spaces of islands shall be determined according to equitable principles taking into account all relevant factors and circumstances, including inter alia: (a) The size of islands; (b) The population or the absence thereof; (c) Their contiguity to the principal territory; (d) Whether or not they are situated on the continental shelf of another territory; (e) Their geological and geomorphological structure and configuration. (2) Island States and the régime of archipelagic States as set out under the present Convention shall not be affected by this article."
95
U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.29 und Doc. A/AC. 138/SC.H/L.29/Corr.l und 2. Dabei sollen Gruppen von Inseln als Einheit behandelt werden mit der Folge, daß die zwischen den einzelnen Inseln gelegenen Gewässer zu Binnen- bzw. Eigengewässern werden. Zum Archipel-Régime im einzelnen vgl. unten C. 97 U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.40 und Doc. A/AC. 138/SC.II/L.40/Corr. 1-3. 96
Α. Das Völkervertragsrecht
57
Identisch mit diesem Entwurf ist die (4) Declaration on Issues of the Law of the Sea adopted by the Council of Ministers of the Organization of African Unity (Addis Abeba, 17-24 May 1973):** Diese beiden Vorschläge unterscheiden sich nicht von dem der Türkei und anderer Staaten, so daß für sie das oben Gesagte entsprechend gilt. (5) Working paper on certain specific aspects of the régime of islands in the context of delimitation of the marine spaces between neighbouring States (Rumänien): 99 „(1) Islets and small islands, uninhabited and without economic life, which are situated on the continental shelf off the coast, do not possess any of the shelf or other marine space of the same nature. (2) Such islands may have waters - of their own or forming part of the territorial sea of the coast - the extent of which shall be determined by agreement, taking into account all the circumstances affecting the maritime area concerned and all geographical, geological and other features. The waters thus determined shall not, i n any event, affect marine spaces which belong to the State or to neighbouring States."
Mit diesem „Arbeitspapier" versucht Rumänien, insbesondere dem Kriterium der Größe eine entscheidende Bedeutimg zukommen zu lassen. Kleinstinseln und Halligen sollen zwar ein Küstenmeer haben, nicht jedoch einen eigenen Festlandsockel. Das Ausmaß dieses Küstenmeeres soll unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles durch eine Vereinbarung bestimmt werden. Von den weiteren Vorschlägen 100 , die im wesentlichen den o. g. gleichen, ist nur noch der der Volksrepublik China 1 0 1 erwähnenswert, da er durch seine Kürze und Prägnanz besticht: „The breadth and limits of the territorial sea as defined by a coastal State are, i n principle, applicable to the islands belonging to that State."
Aus der Gesamtheit der Vorschläge und Eingaben im Meeresboden-Ausschuß lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: - Hinsichtlich der Definition des Begriffes „Insel" im Zusammenhang mit dem Küstenmeer bestand weitgehende Einigkeit über die Beibehaltung von Art. 10 Abs.l K M K .
98
U.N. Doc. A/AC. 138/89; GA Off. Ree., 28th session, Suppl. No.21 (A/9021). U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.53. 100 Vgl. etwa GA Off. Ree., 28th session, Suppl. No.21 (A/9021); U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/WG/Paper No.4; U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.24/Corr. 1, 2 (Uruguay); U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.40/Corr. 1 („Fourteen Power Draft"). 101 U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.34. 99
58
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
- Die Bestimmung insularer Seegebiete sollte - „as a general rule " - nach Maßgabe der für das Festland geltenden Regeln erfolgen. - Bei dieser Bestimmung sollten - zum Zweck der Erzielung eines billigen Ergebnisses - verschiedene Kriterien, wie Größe, Bevölkerung, geomorphologische Struktur des betreffenden Seegebietes, herangezogen werden. Das Verhältnis der beiden letztgenannten Punkte zueinander hängt von dem Zusammenhang mit der jeweiligen Regelungsmaterie ab. So zeigen die aufgeführten Vorschläge recht deutlich, daß es auf die genannten Kriterien insbesondere dann ankommen soll, wenn die Interessen anderer Staaten in dem jeweiligen Gebiet betroffen sein können. An der grundsätzlichen Einigkeit darüber, daß auch Inseln - wie das Festland - Seegebiete beanspruchen können, ändert dies aber nichts. Nachdem der Meeresboden-Ausschuß seine Verhandlungen im Sommer 1973 abgeschlossen hatte, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. November 1973 die Resolution 3067 (XXVIII), mit der der Meeresboden-Ausschuß von der 3. Seerechtskonferenz (UNCLOS ΠΙ) abgelöst wurde. 3. Die Positionen der Delegierten auf UNCLOS ED
Ursprünglich sollten die Vorarbeiten des Meeresboden-Ausschusses als Arbeitsgrundlage für die Verhandlungen auf UNCLOS I I I dienen. Letztlich waren sie aber lediglich eine grobe Vorgabe, da die Delegationen bei der Unterbreitung ihrer Vorschläge und Entwürfe ausdrücklich erklärt hatten, sich im Hinblick auf UNCLOS I I I nicht festlegen zu wollen. Demgemäß können auch die o. g. Schlußfolgerungen nur für die Verhandlungen des Meeresboden· Ausschusses gelten. Ob sie auch auf die von UNCLOS I I I übertragbar sind, kann erst nach einer Untersuchung der während der Sessionen von UNCLOS I I I geäußerten Rechtspositionen und der Entwürfe beantwortet werden. 102 a) Die 2. Session: Caracas, 20. Juni bis 29. August 1974 Während der 1. Session von UNCLOS I I I in New York vom 3. bis 15. Dezember 1973 waren die Delegierten vorrangig mit Verfahrensfragen befaßt, so daß die Darstellung mit der 2. Session einsetzt. Diese ist von besonderem Interesse, da während ihres Verlaufes eine große Anzahl von 102 Eine gute Übersicht über UNCLOS I I I gibt G. Jaenicke, Die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen. Grundprobleme im Überblick, ZaöRV 1978, 438511; sowie ders., Die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, NJW 1983, 1936-1943.
Α. Das Völkervertragsrecht
59
unterschiedlichen Vorschlägen unterbreitet worden ist, die den weiteren Gang der Verhandlungen entscheidend beeinflussen sollten. Am 21. Juni 1974 wurden dem Second Committee (im folgenden: 2. Ausschuß) während der 15. Sitzung der Vollversammlung u. a. die folgenden Aufgaben übertragen: „6.6.5 Régime of islands under foreign domination or control in relation to zones of exclusive fishing jurisdiction. 19. Régime of islands: (a) Islands under colonial dependence or foreign domination or control; (b) other related matters." 1 0 3
Bevor der 2. Ausschuß seine Arbeit aufnahm und sich mit den einzelnen Fragen auseinandersetzte, machten zunächst zahlreiche Delegationen von ihrem Recht ( „ . . . immediately after the adoption of the rules of procedure, the Conference will begin hearing general statements made by delegations.") 104 auf Stellungnahme Gebrauch. 105 Diese Stellungnahmen waren jedoch sehr allgemein gehalten und sind insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstellung von Inseln ohne wesentliche Bedeutimg. Anders dagegen die Vorschläge im Rahmen der Arbeiten des 2. Ausschusses. Dort brachten die Delegationen ζ. T. sehr umfangreiche Entwürfe ein und erläuterten diese im Verlauf der Sitzungen. Einer der ersten dieser Entwürfe stammt von der Delegation des Vereinigten Königreiches. I n diesen „Draft articles on the territorial sea and straits "106 sind die Vorschriften der Artikel 3 - 1 3 der Genfer Konvention über das Küstenmeer und die Anschlußzone von 1958 wörtlich übernommen worden, so daß sich insoweit, d. h. hinsichtlich des Küstenmeeres von Inseln, keine Änderung ergeben sollte. Davon unterscheiden sich, wenngleich im Zusammenhang mit Abgrenzungsfragen stehend, die „Draft articles on delimitation of marine and ocean space between adjacent and opposite neighbouring States and various aspects involved " der Delegation Rumäniens. 107 Nach Art. 2 Abs. 4 dieses Entwurfs dürfen Inseln einer bestimmten Größe und von einer bestimmten Beschaffenheit („of small size, uninhabited and without economic life")
103
U.N. Doc. A/CONF.62/28 = Off. Ree. III, 57, 58. U.N. Doc. A/CONF.62/29 = Off. Ree. III, 59. los Vgl. die Stellungnahmen von Trinidad und Tobago, Off. Ree. I, 71; West Samoa, ebenda, 84; Mauritanien, ebenda, 94; Jamaika, ebenda, 98; Mauritius, ebenda, 108; Tonga, ebenda, 109; Rumänien, ebenda, 128; Griechenland, ebenda, 129; Dänemark, ébenda, 136; Nigeria, ebenda, 140; Niederlande, ebenda, 141; Tunesien, ebenda, 153; Frankreich, ebenda, 154; Irland, ebenda, 157; Kambodscha, ebenda, 162; Türkei, ebenda, 169; Zypern, ebenda, 175; Neuseeland - Cook Inseln, ebenda, 200. 106 U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.3 vom 3. Juli 1974 = Off. Ree. ΙΠ, 183 ff. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.18 vom 23. Juli 1974 = Off. Ree. ΙΠ, 195 f. 104
60
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
z w a r Sicherheitszonen oder gar e i n Küstenmeer haben, jedoch n u r u n t e r der Voraussetzimg, daß „ . . . they do not affect marine spaces belonging to the coasts of neighbouring States." 108 D a m i t h a t R u m ä n i e n a n seiner bereits i m Meeresboden-Ausschuß geäußert e n Rechtsauffassimg festgehalten. D i e D e l e g a t i o n Griechenlands legte a m 25. J u l i 1974 „Draft vor, die m i t d e m Vorschlag aus d e m Jahre 1 9 7 3
110
articles"
109
i d e n t i s c h sind. D e r grie-
chische Delegierte e r k l ä r t e dazu, „he was speaking on the question of the régime of islands, not w i t h the intention of claiming additional maritime spaces, but out of concern for the preservation and integrity of his country's national territory and for equality of treatment for all parts of his country and all its citizens. . . . The intention of the draft articles submitted by his delegation was to secure for islands the same treatment, w i t h regard to maritime zones, as for the continental territory. . . . That fundamental right of islands was universally accepted as a general rule under existing international customary and conventional law, subject, of course, to any adjustments agreed upon in bilateral or regional instruments. Examining the validity of the claim of islands to possess a territorial sea equal i n breadth to that of the continental territory of the State to which they belonged, he noted that the essential function of the concept of the territorial sea i n law was to extend the national land territory over a certain limited maritime area, mainly for reasons of national defence and security. The territorial sea was thus the attribute of sovereignty over the territory and represented the maritime frontier of each State. Such a frontier was clearly essential, and i n cases of adjacent and opposite States special measures of delimitation, such as the median line, would apply. I t would therefore, he felt, be proper, if not indispensable, to give islands the same rights as continental territories to a territorial sea. Some representatives, however, rejected that view, claiming that islands should not be permitted to extend their territorial sea to a uniform breadth of 12 nautical miles in order not to infringe upon their neighbours' maritime zones; that practice, which was unfortunately being arbitrarily applied in some cases, meant that islands should allow the seas surrounding them to be explored and exploited by their continental neighbours. Another fallacious argument had been put forward i n connexion w i t h the question of the continental shelf, whereby islands were represented as having no shelf of their own. It should be borne i n mind that continents and islands were part of the one earth crust, except for rare abnormalities, and therefore had a common shelf in nature and should have a common shelf in law as w e l l . " 1 1 1 E i n e w i r k l i c h e N e u e r u n g b r a c h t e n die „Draft
articles "
Kanadas u n d
anderer S t a a t e n . 1 1 2 D i e A r t . 5 - 8 dieses E n t w u r f s e n t h a l t e n B e s t i m m u n g e n 108
Ebenda. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.22 = Off. Ree. III, 200 f. U.N. Doc. A/AC. 138/SC.II/L.29/Corr. 1 und 2, siehe oben unter 2. m 39. Sitzung vom 14. Aug. 1974 = Off. Ree. II, 285. u 2 „Working Paper" vom 26. Juli 1974, U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.4 = Off. Ree. ΠΙ, 81 ff. 109
Α. Das Völkervertragsrecht
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betreffend Archipel-Staaten und deren Gewässer. Die Art. 9 - 1 1 gelten für „archipelagos forming part of a coastal State", wobei Art. 9 lautet: „1. A coastal State w i t h one or more off-lying archipelagos, as defined i n article 5, paragraph 2, which form an integral part of its territory, shall have the right to apply the provisions of articles 6 and 7 to such archipelagos upon the making of a declaration to that effect. 2. The territorial sea of a coastal State w i t h one or more off-lying archipelagos exercising its rights under this article w i l l be measured from the applicable baselines which enclose its archipelagic waters." 1 1 3
Demgegenüber sind die Bestimmungen der türkischen „Draft articles on the régime of islands" 114 vom 13. Aug. 1974 sehr viel restriktiver: „Article 1 (Definitions) Article 2 Except where otherwise provided i n this chapter, the marine spaces of islands are determined in accordance w i t h the provisions of this Convention. Article 3 1. . . . 2. An island situated in the economic zone or on the continental shelf of other Sates shall have no economic zone or continental shelf of its own if it does not contain at least one tenth of the land area and population of the State to which it belongs. 3. Islands without economic life and situated outside the territorial sea of a State shall have no marine space of their own. 4. Rocks and low-tide elevations shall have no marine space of their own. Article 4 A coastal State cannot claim rights based on the concept of the archipelago or archipelagic waters over a group of islands situated off its coasts. Article 5 I n areas of semi-enclosed seas, having special geographic characteristics, the maritime spaces of islands shall be determined jointly by the States of that area. Article 6 The provisions of this chapter shall be applied without prejudice to the articles of this Convention relating to delimitation of marine spaces between countries w i t h adjacent or opposite coasts.
113
Ebenda. U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.55 = Off. Ree. ΙΠ, 230, abgedruckt auch bei R. Platzöder V, 173. 114
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
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Artide 7 For the purposes of this chapter the term „marine space" implies either the territorial sea and/or continental shelf and/or the economic zone according to the context in which the term has been used." 1 1 5
Der türkische Delegierte erläuterte diesen Entwurf auf der 39. Sitzung des 2. Ausschusses am 14. August, indem er sagte, „ . . . there were three important points that had to be borne i n mind: first, islands had differing structures; secondly, the marine areas being established by the Conference would have to take into account a régime of islands; and thirdly, attention had been drawn to the importance of ensuring that »the international area, i n other words the common heritage of mankind, was as large as possible. I n view of those three points, there was a need to reconsider the whole issue of islands. Whereas the 1958 Conference had dealt w i t h islands only i n the limited context of the territorial sea, the current Conference would be dealing w i t h very large marine areas. The maps and other materials available to members showed that the treatment to be accorded islands would cause large areas to cease to be part of the high seas, thereby reducing the extend of the common heritage of mankind Introducing the draft articles ..., he said that although article 1 had been left blank, it was intended to draw attention to the fact that the future convention must include an article giving definitions. ... Article 2 was not intended to deny the extension of a State's jurisdiction to islands; the question involved was the determination of the marine spaces of islands. Article 3 was an effort to establish criteria for the allocation of areas to islands, although he appreciated the difficulties in seeking objective and unambiguous criteria Paragraph 2 of article 3 took into account the delicate question of islands of the continental shelf of his own country. Population and area ratios must be taken into account i n allocating ocean space. Paragraph 3 of the article was based on the criterion of economic life. I t had to be borne in mind that there were some islands which were without any form of economic or social life. I n that connexion he observed that navigation rights and military and police installations were not sufficient justification for establishing an economic zone. Paragraph 4 of article 3 followed the example of the Geneva Convention by denying marine space to rocks and low-tide elevations." 116
Die soeben angeführten Entwürfe sind nur exemplarisch für die gegensätzlichen Auffassungen der Delegierten im Jahre 1974. Doch fand die Frage der Rechtsstellung von Inseln nicht nur in die Entwürfe der besonders interessierten Staaten, sondern auch in zahlreiche andere Eingang, die sich u. a. mit Abgrenzungsproblemen befaßten. 117 Eine Zusammenfassimg dieser 115
Ebenda. UNCLOS III, Off. Ree. II, 284. 117 Vgl. dazu: Bulgarien u. a., „Draft articles on the territorial sea", U.N. Doc. A/ CONF.62/C.2/L.26 vom 29. Juli 1974 = Off. Ree. III, 203 ff.; F i j i u. a., „Draft articles on islands and on territories under foreign domination or control", U.N. Doc. A/ CONF.62/C.2/L.39 vom 30. Juli 1974 = Off. Ree. III, 210 f.; Irland, „Draft article on delimitation of areas of continental shelf between neighbouring States", U.N. Doc. A/ CONF.62/C.2/L.43 vom 6. Aug. 1974 = Off. Ree. ΠΙ, 220 f.; Griechenland, „Draft articles on the régime of islands and other related matters", U.N. Doc. A/CONF.62/ C.2/L.50 vom 9. Aug. 1974 =Off. Ree. III, 227; Equador, „Draft article on archipela116
Α. Das Völkervertragsrecht
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Vielfalt von Rechtspositionen findet sich in dem „Statement of activities of the Conference during its first and second sessions " des Berichterstatters Kenneth Rattray. I n dessen Anhang I sind unter X I I I 1 1 8 die verschiedenen Vorschläge in Formeln gefaßt. Die Vorschrift 239 enthält die verschiedenen Definitionsansätze für den Begriff Insel. 1 1 9 Während Formel A die bereits von der Haager Konferenz bekannte Definition des Begriffs Insel enthält, die nur auf die Erhebimg bei Hochwasser abstellt, steht i n den Formeln Β und C das Merkmal der Größe im Mittelpunkt. Formel Β zeichnet sich gegenüber Formel C dadurch aus, daß zwischen Inseln, Kleinstinseln, Felsen und Niedrigwassererhebungen unterschieden wird. Jedoch sind die Unterscheidungskriterien recht vage gehalten. Der Vorteil der Formel C gegenüber Formel Β scheint darin zu liegen, daß die Differenzierung nach bestimmten noch zu vereinbarenden Maßen vorgenommen werden soll. Dieser Vorschlag hatte aber trotz der von ihm zu erwartenden Klarheit schon damals keine Aussicht auf Erfolg, da im Rahmen einer Konferenz von Ausmaßen wie UNCLOS I I I eine dahingehende Einigung als unmöglich angesehen wurde. Die Vorschrift 241 enthält die verschiedenen Formeln zum Rechtsstatus von Inseln, Kleinstinseln, Felsen und Niedrigwassererhebungen.
gos", U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.51 vom 12. Aug. 1974 = Off. Ree. III, 227; Rumänien, „Draft articles on definition of and régime applicable to islets and islands similar to islets", U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.53 vom 12. Aug. 1974 = Off. Ree. III, 228 f.; Argentinien u. a., „Draft article on islands and other territories under colonial domination or foreign control", U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.58 vom 13. Aug. 1974, abgedruckt bei Platzöder V, 175; Algerien u. a., „Draft articles on the régime of islands", U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.62/Rev.l vom 27. Aug. 1974 = Off. Ree. ΙΠ, 232 f.; Uruguay, „Draft article on the régime of islands", U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.75 vom 22. Aug. 1974 = Off. Ree. ΠΙ, 238. 118 U.N. Doc. A/CONF.62/L.8/Rev.l vom 17. Okt. 1974 = Off. Ree. III, 93 ff. (140 ff.). 119 „Formula A: A n island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. Formula B: 1. An island is a vast naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. An islet is a smaller naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 3. A rock is a naturally formed rocky elevation of ground, surrounded by water at high tide. 4. A low-tide elevation is a naturally formed area of land which is surrounded by and above water at low tide but submerged at high tide. Formula C: 1. An islet is a naturally formed elevation of land (or simply an eminence of the seabed) less than one square kilometre in area, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. An island similar to an islet is a naturally formed elevation of land (or simply an eminence of the sea-bed) surrounded by water at high tide, which is more than one square kilometre but less t h a n . . . square kilometres i n area, which is not or cannot be inhabited (permanently) or which does not or cannot have its own economic life."
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. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht F o r m e l A 1 2 0 ist m i t dem Vorschlag der O A U u n d einiger anderer Staaten
w ä h r e n d der V e r h a n d l u n g e n i m Meeresboden-Ausschuß i d e n t i s c h . 1 2 1 U n a b h ä n g i g v o n einer B e g r i f f s b e s t i m m u n g soll der Rechtsstatus v o n Inseln n a c h Maßgabe v o n P r i n z i p i e n der B i l l i g k e i t b e s t i m m t werden, i n d e m auf die Besonderheiten des Einzelfalles, die u. a. Größe, Lage u n d B e v ö l k e r u n g der Insel umfassen sollen, abgestellt w i r d . F ü r eine abschließende, allgemeing ü l t i g e B e s t i m m u n g des Rechtsstatus v o n Inseln i m V ö l k e r r e c h t ist diese F o r m e l aus den genannten G r ü n d e n n i c h t g e e i g n e t . 1 2 2 D e n F o r m e l n Β u n d C 1 2 3 ist die F o r d e r i m g n a c h einer g r u n d s ä t z l i c h e n G l e i c h b e h a n d l u n g v o n Inseln u n d Festlandgebieten gemein. Jedoch u n t e r scheiden sich diese beiden F o r m e l n i n s o w e i t voneinander, als F o r m e l C die Souveränität des betreffenden Staates i n den V o r d e r g r u n d stellt u n d Inselstaaten sowie die Frage der B a s i s l i n i e n a u s n i m m t . F o r m e l D 1 2 4 v e r b i n d e t i m H i n b l i c k auf die E E Z u n d den Festlandsockel die bereits b e k a n n t e n K r i t e r i e n der Größe u n d der Lage v o n Inseln m i t e i n 120 „Formula A: 1. Maritime spaces of islands shall be determined according to equitable principles, taking into account all relevant factors and circumstances including, inter alia: (a) The size of islands; (b) The population or the absence thereof; (c) Their contiguity to the principal territory; (d) Whether or not they are situated on the continental shelf of another territory ; (e) Their geological and geomorphological structure and configuration. 2. Island States and the régime of archipelagic States as set out under the present Convention shall not be affected by this article." 121 Vgl. oben unter 2. 122 v g l dazu bereits oben unter 2. 123 „Formula B: 1. Subject to paragraph 4 of this article, the territorial sea of an island is measured i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 2. The economic zone of an island and its continental shelf are determined in accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 3. The foregoing provisions have application to all islands, including those comprised i n an island State. 4. In the case of atolls or of islands having fringing reefs, the baseline for measuring the breadth of the territorial sea shall be the seaward edge of the reef, as shown on official charts. Formula C: 1. The sovereignty and jurisdiction of a State extends to the maritime zones of its islands determined and delimited i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to its land territory. 2. The sovereignty over the island extends to its territorial sea, to the air space over the islands and its territorial sea, to its sea-bed and the subsoil thereof and to the continental shelf for the purpose of exploring and exploiting its natural resources. 3. The island has a contiguous zone and an economic zone on the same basis as the continental territory, i n accordance w i t h the provisions of this Convention." 124 „Formula D: 1. An island situated i n the economic zone or on the continental shelf of other States shall have no economic zone or continental shelf of its own if it does not contain at least one tenth of the land area and population of the State to which i t belongs.
Α. Das Völkervertragsrecht
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ander. N u r Inseln, deren Größe 1/10 des Festlandstaates ausmachen, z u d e m sie gehören, k ö n n e n d a n a c h diese Seegebiete beanspruchen, w e n n sie sich auf d e m Festlandsockel oder i n der E E Z eines anderen Staates befinden. Ansonsten sollen solche Inseln, die n i c h t über e i n eigenständiges W i r t schaftsleben verfügen u n d außerhalb des Küstenmeeres des Festlandstaates liegen, ebenso w i e g r u n d s ä t z l i c h Felsen u n d Niedrigwassererhebungen k e i n e r l e i Seegebiete, also a u c h k e i n Küstenmeer haben. W ä h r e n d die Absätze 2 u n d 3 dieser F o r m e l l e i c h t erfaßbar sind, leidet Absatz 1 u n t e r der Tatsache, daß n i c h t klargestellt w i r d , w a n n d a v o n die Rede sein k a n n , ob eine Insel auf d e m Festlandsockel oder i n der E E Z eines anderen Staates liegt. Gemäß F o r m e l E 1 2 5 ist n u r die Frage v o n Seegebieten kleinerer Inseln, die i n den Seegebieten eines anderen Staates gelegen sind, v o n einer Vereinbar u n g der betreffenden Staaten abhängig. Das heißt, daß alle anderen Inseln, die n i c h t i n diese Kategorie fallen, u n a b h ä n g i g v o n i h r e r Lage eigene Seegebiete haben sollen. D i e V o r s c h r i f t 2 4 2 1 2 6 e n t h ä l t d r e i F o r m e l n , die i m wesentlichen E i n z e l h e i t e n der F o r m e l n zu V o r s c h r i f t 241, insbesondere h i n s i c h t l i c h der jeweils z u 2. Islands without economic life and situated outside the territorial sea of a State shall have no marine space of their own. 3. Rocks and low-tide elevations shall have no marine space of their own." 125 „Formula E: 1. The marine spaces of islets or islands similar to islets situated in the territorial sea, on the continental shelf or i n the economic zone of another State shall be determined by agreement between the States concerned or by other means of pacific settlement used i n international practice. 2. The marine spaces of such elevations of land situated i n the international zone of the sea-bed shall be established by agreement w i t h the international authority for that zone." 126 Provision 242: „Formula A: 1. In principle, a State may not invoke the existence, in one of its maritime zones, of islets or islands similar to islets, as defined in article. . . (provision 239, formula C), for the purpose of extending the marine spaces which belong to its coasts. 2. Where such elevations of land are situated along the coast of the same State, i n immediate proximity thereto, they shall be taken into consideration, i n accordance w i t h the provisions of this Convention, for the purpose of establishing the baseline from which the breadth of the territorial sea is measured. 3. Where an islet or island similar to an islet is situated in the territorial seas of the same State but very close to its outer limit, the State i n question may reasonably extend its territorial waters seaward or establish an additional maritime zone for the protection of lighthouses or other installations on such islet or island. The additional zones thus established shall in no way affect the marine spaces belonging to the coasts of the neighbouring State or States. 4. Islets or islands similar to islets which are situated beyond the territorial sea, on the continental shelf or i n the economic zone of the same State, may have around them or around some of their sectors security areas or even territorial waters i n so far as this is without prejudice to the marine spaces which belong to the coasts of the neighbouring State or States. 5. Where such eminences of the sea-bed are situated very close to the outer limit of the continental shelf or of the economic zone, the extension of their security zones or their territorial waters shall be established by agreement w i t h the neighbouring 5 Heintschel v. Heinegg
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
berücksichtigenden K r i t e r i e n , regeln. A u f sie b r a u c h t daher n i c h t näher e i n gegangen z u werden. Schließlich e n t h ä l t die V o r s c h r i f t 243 sieben F o r m e l n z u m Problemkreis der A b g r e n z u n g v o n Seegebieten, w o b e i besonderes A u g e n m e r k auf Inseln gelegt w i r d . Diese Vorschläge s i n d aber i m Z u s a m m e n h a n g m i t dem Rechtsstatus v o n I n s e l n v o n geringerem Interesse. A u f sie w i r d w e i t e r u n t e n z u rückzukommen sein.127 b) Die weiteren
Sessionen
I m V e r l a u f der n e u n w e i t e r e n Sessionen v o n U N C L O S I I I dienten diese „main
trends " als A r b e i t s g r u n d l a g e f ü r die Verhandlungen, so daß sich die
A n z a h l der E n t w ü r f e i m folgenden erheblich verminderte. State or States, or, where appropriate, w i t h the authority for the international zone, having regard to all relevant geographic, geological or other factors. Formula B: 1. An island, islet, rock or a low-tide elevation are considered as adjacent when they are situated i n the proximity of the coasts of the State to which they belong. 2. An island, islet, rock or a low-tide elevation are considered as non-adjacent when they are not situated in the proximity of the coasts of the State to which they belong. 3. The baselines applicable to adjacent islands, islets, rocks and low-tide elevations, in accordance w i t h article . . . (paras. 1 and 2 and provision 239, formula B), are considered as the baselines applicable to the State to which they belong and consequently are used i n the measurement of the marine spaces of that State. 4. The marine spaces of islands considered non-adjacent, i n accordance w i t h paragraphs . . . (para. 2 and provision 239, formula B, para. 1), shall be delimited on the basis of relevant factors taking into account equitable criteria. 5. These equitable criteria should notably relate to: (a) The size of these naturally formed areas of land; (b) Their geographical configuration and their geological and geomorphological structure; (c) The needs and interests of the population living thereon; (d) The living conditions which prevent a permanent settlement of population; (e) Whether these islands are situated within, or i n the proximity of, the marine space of another State; (f) Whether, due to their situation far from the coast, they may influence the equity of the delimitation. 6. A State cannot claim jurisdiction over the marine space by virtue of the sovereignty or control which it exercises over a non-adjacent islet, rock or low-tide elevation as defined in paragraphs . . . (para. 2 and provision 239, formula B, paras. 2 to 4). 7. In accordance w i t h paragraph 6, safety zones of reasonable breadth may nevertheless be established around such non-adjacent islets, rocks or low-tide elevations. 8. The provisions of articles . . . (paras. 1 to 7 and provision 239, formula B) shall not apply either to island or to archipelagic States. 9. A coastal State cannot claim rights based on the concept of archipelago or archipelagic waters by reason of its exercise of sovereignty or control over a group of islands situated off its coasts. Formula C: (See part 1, provision 4, formula A; provision 5, formula A; provision 7, formula A and provision 8.)" 127 Siehe unten 3.Teil 2.Abschnitt.
Α. Das Völkervertragsrecht
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Im Jahre 1975 bildete sich eine „Informal Consultative Group on Islands", die am 21. April 1975 zum ersten Mal zusammentrat. 128 Hinsichtlich der Vorschrift 239 zeichnete sich im Verlauf der Diskussion eine Mehrheit für die Formel A ab. Die Delegierten kritisierten insbesondere die unklaren Konturen solcher Begriffe wie „vast" und „smaller" in Formel Β und meinten, eine allgemeine Definition sei vorzuziehen. Andererseits war aber insoweit ein Konsens zu verzeichnen, als die eigentlichen Probleme nicht so sehr bei der Definition, sondern im Zusammenhang mit Abgrenzungsfragen auftreten würden. Die Diskussion um die Vorschrift 239 wurde auf diesem ersten Treffen nicht fortgesetzt, da man einen Vorschlag der von Irland angeführten Arbeitsgruppe abwarten wollte. Sodann wandten sich die Delegierten, nachdem sie kurz auf die Vorschrift 240 eingegangen waren, den Vorschriften 241 bis 243 zu. Es bestand Einigkeit darüber, daß man es nicht ausschließlich mit Abgrenzungsproblemen, sondern auch mit der grundsätzlichen Frage nach den Seegebieten von Inseln zu tun hatte. Am 28. April 1975 wurden in die „Informal Consultative Islands" die folgenden beiden Vorschläge 129 eingebracht:
Group on
„Provisions 239 to 243: Proposals Article I 1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. An islet is a naturally formed area of land less than ( . . . ) square kilometres i n area, surrounded by water, which is above water at high tide. 3. A rock is a naturally formed rocky elevation normally unfit for human habitation which is surrounded by water and is above water at high tide. 4. A low-tide elevation is a naturally formed area of land which is surrounded by and above water at low-tide but submerged at high-tide. Article I I Except where otherwise provided i n this Chapter, the marine spaces of islands are determined in accordance w i t h the provisions of this Convention relating to the marine spaces of land territory. Article I I I 1. Where islands under colonial domination or foreign occupation are concerned, the rights set out i n this Convention relating to marine spaces and the resources thereof, belong to the inhabitants of such islands and shall be exercized by them for their own development. 2. No colonial or foreign Power which administers or occupies those islands shall exercise those rights, profit from them or in any way infringe upon them. 128 Das Protokoll dieser Sitzung ist kein offizielles Dokument. 129 Auch bei diesen handelt es sich um inoffizielle Dokumente, die sich im Gegensatz zu den Protokollen aber finden bei R. Platzöder IV, 221. 5*
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht A r t i d e IV 1. Islets or islands without economic life and unable to sustain a permanent population shall have no marine space of their own. 2. Rocks and low-tide elevations shall have no marine space of their own. 3. Safety zones of reasonable breadth may be established around rocks, low-tide elevations and islets or islands without any marine space. Article V Groups of islets, islands, rocks or low-tide elevations referred to i n Article 4, which are i n proximity to the coast of the mainland of the State to which they belong shall be entitled to marine spaces. Article V I Where the marine space of an island overlaps w i t h the marine space of another State, the marine space of such an island shall be determined by agreement between the States concerned i n accordance w i t h equitable principles taking into consideration all the relevant circumstances including, inter alia, the size, population, whether it is situated on the continental shelf or economic zone of another State, as well as the needs and interests of its inhabitants and of the inhabitants of the coastal State concerned. Article V I I The marine spaces of islands situated in international area, shall be determined without undue infringement upon the interests of the international régime and for this purpose account shall be taken of their size, population, and economic life. Article V I I I 1. A coastal State cannot invoke the existence of a group of islands situated off its coasts as a basis to claim archipelagic rights. 2. The provisions of this Chapter shall not apply to an island which is a principal island or group of islands of an island State or to archipelagic States. Article I X The provisions of this Chapter shall be applied without prejudice to the articles of this Convention relating to baselines and to delimitation of marine spaces between countries w i t h adjacent and/or opposite coasts. Provision 241: Proposal 1. The territorial sea and contiguous zone of an island are measured i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 2. The economic zone of an island and its continental shelf are determined i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 3. The foregoing provisions have application to all islands, including those comprised i n an island State." 1 3 0
Sodann kam es am 29. April 1975 zu dem zweiten Treffen der Gruppe 1 3 1 , auf dem diese Vorschläge zum Teil sehr kontrovers diskutiert worden sind. 130
Abgedruckt bei R. Platzöder IV, 221.
. Das V ö l k e r e r e c h t
Trotz der dort zu Tage getretenen Meinungsverschiedenheiten fand die folgende Bestimmung Eingang in den I S N T 1 3 2 vom 7. Mai 1975: „Part Vili: Régime of islands Article 132 1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. Except as provided for in paragraph 3, the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf of an island are determined i n accordance w i t h the provisions of the present Convention applicable to other land territory. 3. Rocks which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone or continental shelf."
Diese Vorschrift enthält nicht nur die bereits bekannte Definition des Begriffs Insel, die auf keines derjenigen Kriterien abstellt, die noch i n den verschiedenen Vorschlägen der Delegierten im Mittelpunkt gestanden hatten. Vielmehr w i r d vorbehaltlich der Bestimmung des Absatzes 3 jeder natürlich entstandenen Hochwassererhebung das Recht auf sämtliche Seegebiete zugesprochen, die auch für das Festland gelten. Lediglich in Absatz 3 finden sich einige der Kriterien wieder, die bis dahin die Diskussionen beherrscht hatten. Jedoch sollen die Bewohnbarkeit und das eigenständige Wirtschaftsleben nur dann relevant sein, wenn es sich bei der Hochwassererhebung um einen Felsen handelt. Zu Art. 132 ISNT gab es lediglich vier informelle Änderungsvorschläge. Der Vorschlag Kolumbiens 1 3 3 sieht vor, daß solche Inseln, die nicht bewohnt sind und die in größerer Nähe zu einem anderen Staat als zu ihrem Festlandstaat liegen, keine EEZ und keinen Festlandsockel haben sollen, wenn sie weniger als die doppelte Küstenmeerbreite von der Küste dieses Staates entfernt liegen. Libyen gibt mit seinem Vorschlag 134 zu erkennen, daß es grund131
Auch das Protokoll dieses Treffens ist kein offizielles Dokument. U.N. Doc. A/CONF.62/WP.8 = Off. Ree. IV, 137 ff. (170 f.). 133 Kolumbien: „Amendment to paragraph 3: Islands without a life of their own, without a permanent and settled population, that are closer to the coastline of other State than to the coastline of the State to which they belong, and located at a distance less than double the breadth of the territorial sea of that State w i l l not have an exclusive economic zone or continental shelf."; abgedruckt bei R. Platzöder IV, 346. 134 Libyen: „1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. Except as provided for i n paragraph 3 and 4, the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf of an island are determined i n accordance w i t h the provisions of the present Convention. 3. Small islands and rocks, wherever they may be, which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no territorial sea, nor contiguous zone, nor economic zone, nor continental shelf. 4. Such islands and rocks provided for i n the preceding third paragraph shall have 132
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
sätzlich Inseln die gleichen Seegebiete z u s p r i c h t w i e d e m Festland. Ausgen o m m e n sein sollen aber k l e i n e Inseln u n d Felsen, die weder b e w o h n b a r sind, n o c h über ein eigenständiges Wirtschaftsleben verfügen. Sie sollen n u r sogenannte Sicherheitszonen erhalten, w e n n sich diese n i c h t m i t den Seegebieten anderer Staaten überschneiden. Timesien stellt i n seinem V o r s c h l a g 1 3 5 w i e d e r u m auf die P r i n z i p i e n der B i l l i g k e i t ab. D e r Rechtsstatus v o n Inseln soll danach v o n den U m s t ä n d e n des Einzelfalles abhängen, w o b e i u. a. der Lage, der B e v ö l k e r u n g sowie der geologischen u n d geomorphologischen S t r u k t u r
des betreffenden
Seegebietes Rechnung z u tragen ist.
Schließlich versuchte die T ü r k e i m i t i h r e m Ä n d e r u n g s v o r s c h l a g 1 3 6 z u erreimaritime safety zone which w i l l not affect the maritime space of the adjacent or opposite states."; abgedruckt bei R. Platzöder IV, 346. 135 Tunesien: „Article 132 1. Une île est une vaste étendue naturelle de terre entourée d'eau qui reste découverte à marée haute. 2. Un îlot est une plus petite étendue naturelle de terre entourée d'eau qui reste découverte à marée haute. 3. Un rocher est une élévation rocheuse naturelle de terrain qui est entourée par la mer et découverte à marée haute. 4. Un haut-fond découvrant est une élévation naturelle de terrain qui est entourée par la mer et découverte à marée basse mais recouverte à marée haute. 5. Une île, un îlot, un rocher ou un haut-fond découvrant sont considérés comme adjacents quand ils sont situés à proximité des côtes de l'Etat auquel ils appartiennent. 6. Une île, un îlot, un rocher ou un haut-fond découvrant sont considérés comme non adjacents quand ils ne sont pas situés à proximité des côtes de l'Etat auquel ils appartiennent." Article 132 bis 1. Conformément à l'article 132, les lignes de base applicables des îles, îlots, rochers, haut-fonds découvrants adjacents sont condidérés comme les lignes de bases applicables de l'Etat auquel ils appartiennent et servent par conséquent à mesurer les espaces marins de cet Etat. 2. Conformément aux paragraphes 1 et 6 de l'article 132, les espaces marins des îles non adjacentes sont délimités en fonction de facteurs pertinents qui devraient tenir compte de critères équitables. 3. Ces critères équitables peuvent notamment se rapporter: - A la superficie de ces étendues naturelles de terre; - A leur configuration géographique et à leur structure géologique et géomorphologique; - Aux intérêts et aux besoins de la population qui y vit; - Aux conditions de vie qui empêchent l'implanation d'une population sédentaire; - Au fait que ces îles sont situées dans la zone économique ou sur le plateau continental d'une autre Etat ou à proximité de son espace marin; - Au fait que de par leur situation loin des côtes, elles peuvent influer a sur l'équité de la délimitation. 4. Un Etat ne peut revendiquer la jurisdiction sur l'espace marin en raison de la souveraineté ou du contrôle qu'il exerce sur un îlot, un rocher ou un haut-fond découvrant tels que définis aux paragraphes 2, 3, 4 et 6 de l'article 132. 5. Conformément au paragraph 4 de cet article i l peut, cependant, etre autour desdits îlots, rochers ou hauts-fond découvrants des zones de sécurité d'un largeur raisonnable."; abgedruckt bei R. Platzöder IV, 347 f. 136 Türkei: „Paragraph 2: Delete the words „as provided for i n paragraph 3" and substitute the following:
. Das V ö l k e r e r e c h t
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chen, daß Inseln dann nicht die gleichen Seegebiete erhalten, wenn sie „besondere Umstände" darstellen. Felsen sollen überhaupt keine Seegebiete haben, also auch nicht ein Küstenmeer. Erst am 18. März 1976 kam es zu einem weiteren, diesmal formellen, Vorschlag durch die Türkei mit dem „Draft article on the territorial sea: breadth of the territorial sea, global or regional criteria , open seas and oceans, semienclosed seas and enclosed seas". 137 Danach soll in sog. „semi-enclosed seas" die Breite des Küstenmeeres von einer Vereinbarung mit dem Nachbarstaat abhängen und die Ausübung von Küstenmeerrechten darf nicht dazu führen, daß das Küstenmeer des jeweils anderen Staates von der Hohen See abgeschnitten ist. An sich hat dieser Vorschlag auf den ersten Blick nichts mit dem Rechtsstatus von Inseln im Völkerrecht zu tun. Bedenkt man jedoch die besondere Situation in der Ägäis, so wird deutlich, daß es der Türkei daran gelegen war, auch den bislang unstreitigen Anspruch von Inseln auf ein eigenes Küstenmeer einzuschränken. Im Mai des Jahres 1976 lag der RSNT 1 3 8 vor, dessen Artikel 128 mit Artikel 132 des ISNT identisch ist. Aus dem Jahre 1977 ist ein Vorschlag Algeriens und anderer Staaten erwähnenswert. Nachdem dieser zunächst nur informell eingebracht worden w a r 1 3 9 , legten ihn diese Staaten am 11. Juli 1977 als „Draft paragraph on the régime of islands" 140 vor. Danach sollen Inseln, die auf dem Festlandsokkel oder in der EEZ eines anderen Staates gelegen sind oder diese Gebiete wegen ihrer geographischen Lage beeinträchtigen, weder eine EEZ noch einen Festlandsockel haben. Doch auch dieser Vorschlag fand keinen Eingang in die Vorschrift des Artikel 121 ICNT vom 15. Juli 1977 141 , der wie„where they constitute special circumstances within the terms of articles 13, 61 and 70." Paragraph 3: Amend this paragraph to read as follows: „Rocks shall have no marine space of their own."; abgedruckt bei R. Platzöder IV, 348. 137
„1. Every State shall have the right to establish the breadth of its territorial sea up to a limit not exceeding... nautical miles, measured from baselines drawn in accordance w i t h the provisions of the present Convention. This right shall be exercised without prejudice to the rights and interests of neighbouring coastal States. 2. The right referred to i n paragraph 1 shall not be exercised in such a manner as to cut off the territorial sea of another State or any part thereof from the high seas. 3. In areas of semi-enclosed seas having special geographic charcteristics, the breadth of the territorial sea shall be determined by agreement between the coastal States of that area, i n accordance w i t h equitable principles."; U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.90 = Off. Ree. V, 202. ι 3 « U.N. Doc. A/CONF.62/WP.8/Rev. 1 vom 6. Mai 1976 = Off. Ree. V, 125 ff. (151 ff.). 139 Vgl. R. Platzöder TV, 483. 140 „Islands which are situated on the continental shelf or exclusive economic zone of another State, or which on the basis of their geographical location affect the normal continental shelf or exclusive economic zone of other States shall have no economic zone or continental shelf of their own."; U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/L.96 = Off. Ree. VII, 84.
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
7
d e r u m keine Ä n d e r u n g e n gegenüber den V o r s c h r i f t e n des I S N T u n d des R S N T erhielt. I m V e r l a u f v o n w e i t e r e n i n f o r m e l l e n Treffen m a c h t e n i m Jahre 1978 die G r u p p e v o n A l g e r i e n u n d anderen S t a a t e n 1 4 2 sowie i m Jahre 1979 I r l a n d 1 4 3 Änderungsvorschläge, die aber i n d e m m i t A r t . 1 2 1 I C N T identischen A r t i k e l 121 der „Draft Convention"
v o m 28. A u g u s t 1 9 8 1 1 4 4 n i c h t b e r ü c k s i c h t i g t
werden. Z u A r t i k e l 121 der D r a f t C o n v e n t i o n gab es ebenfalls n o c h Ä n d e r u n g s v o r schläge d u r c h R u m ä n i e n 1 4 5 u n d das Vereinigte K ö n i g r e i c h 1 4 6 , die aber a u c h n i c h t s m e h r an der e n d g ü l t i g e n Fassimg des A r t i k e l 121 der Seerechtskonv e n t i o n v o m 7. O k t o b e r 1 9 8 2 1 4 7 änderten, die l a u t e t : „Part Vin. Régime of islands Article 121. Régime of islands 1. A n island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. Except as provided for in paragraph 3, the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf of an island are determined i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 3. Rocks which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone or continental shelf." 141
U.N. Doc. A/CONF.62/WP.10 = Off. Ree. VIII, 1 ff. (21). „Informal Suggestion by Algeria, Bangladesh, Cameroon, Iraq, Libya, Madagascar, Morocco, Nicaragua, Somalia and Turkey: Article 121 1. A n island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. Except as provided for in paragraphs 3 and 4, the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf of an island are determined i n accordance w i t h the provisions of the present Convention applicable to other land territory. 3. Islands which because of their geographical location constitute a source of distortion or inequity in the drawing of a boundary line between two or more adjacent or opposite States shall have marine spaces only to the extent compatible w i t h equitable principles and w i t h all geographic and other relevant circumstances. 4. Rocks and islets which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone or continental shelf."; C.2/Inf ormai Meeting/21 vom 28. April 1978, abgedruckt bei R. Platzöder V, 30. 143 „Informal proposal by Ireland Article 121 Paragraph 2, line 1 For except as provided for in paragraph 3 read without prejudice to the provisions of articles 15, 74 and 83 and except as provided for i n paragraph 3."; C.2/Informal Meeting/46 vom 17. Aug. 1979; abgedruckt bei R. Platzöder V, 55. 144 U.N. Doc. A/CONF.62/L.78 = Off. Ree. XV, 172 ff. 145 U.N. Doc. A/CONF.62/L. 118 vom 13. April 1982 = Off. Ree. XVI, 225. 146 U.N. Doc. A/CONF.62/L. 126 vom 13. April 1982 = Off. Ree. XVI, 233. 1 47 U.N. Doc. A/CONF.62/122 = Off. Ree. XVII, 151 ff. 142
Α. Das Völkervertragsrecht
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VI. Zusammenfassung Die völkervertragsrechtliche Definition des Begriffs sowie Bestimmung des Rechtsstatus von Inseln gelten seit 1930 im wesentlichen unverändert fort. 1 4 8 Die Entwicklung des seevölkerrechtlichen Vertragsrechts hat trotz zahlreicher entgegengesetzter Bemühungen im Schrifttum sowie insbesondere auch während UNCLOS I I I insoweit zu keinen Neuerungen geführt. I m Verlaufe der Kodifikationsarbeiten vom Beginn unseres Jahrhunderts bis in die Gegenwart ist es lediglich zu Klarstellungen 149 bzw. Anpassungen 150 gekommen. I m Grundsatz hat sich jedoch nichts geändert. Keines der im Schrifttum 1 5 1 vorgeschlagenen und von einigen Delegationen auf UNCLOS I I I eingebrachten Kriterien, wie ζ. B. geologische Struktur des betreffenden Seegebietes, Größe oder Lage der Insel 1 5 2 , hat Eingang in die Vorschrift des Art. 121 SRK gefunden. Daraus folgt, daß grundsätzlich jedes natürlich entstandene Landgebiet, welches von Wasser umgeben ist und bei Flut über den Wasserspiegel hinausragt, unabhängig von seiner Größe, Bevölkerung 1 5 3 , Lage oder der geologischen und geomorphologischen Struktur des jeweiligen Seegebietes, eine Insel im Rechtssinne ist. Es gibt grundsätzlich keine unterschiedlichen Kategorien von Inseln mit entsprechenden unterschiedlich ausgestalteten Rechten. 154 Insbesondere ist - gerade im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschriften der Art. 10 Abs. 2 K M K , Art. 1 (b) FSK und Art. 121 Abs. 2 SRK - sichergestellt, daß alle Inseln im Sinne des Völkervertragsrechts grundsätzlich die gleichen Seegebiete für sich beanspruchen können wie jedes Festlandgebiet. I n diesem Zusammenhang enthält lediglich Art. 121 Abs. 3 SRK nimmehr eine beachtenswerte Klarstellung. Da unter die Definitionen der vorangegangenen Kodifikationsarbeiten auch Felsen - die ja „natürlich entstandenes Landgebiet" sind - gefaßt werden konnten, die bei Flut über den Wasserspiegel hinausragen, bestimmt diese Vorschrift: „Rocks which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone or continental shelf."
148
So auch: D.W. Bowett , Islands, S. 33 f., 139 f.; C.R. Symmons, Islands, S. 20 f. Ζ. B. im Hinblick auf die Abgrenzung zu künstlichen Inseln. Vgl. dazu oben A. II. und III. 150 Ζ. B. im Hinblick auf das damals noch recht junge Festlandsockel-Regime in Art. 1 (b) FSK. 151 Vgl. die Versuche von R.D. Hodgson , Islands: Normal and Special Circumstances; G. Gidel, Droit de la mer; H. Pazarci , Délimitation du plateau continental. 152 v g l dazu die Nachweise bei Α. IV. 153 vgl. z u diesem Merkmal J. van Dyke/R.A. Brooks, Uninhabited Islands and the Ocean's Resources: The Clipperton Island Case, in: Clingan (Hrsg.), Law of the Sea: State Practice i n Zones of Special Jurisdiction. 149
154 So auch: A.J. Jacovides, Three Aspects of the Law of the Sea: Islands, Delimitation and Dispute Settlement, Marine Policy 1979, 278-288 (282).
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Das Merkmal „of their own " ist dahin zu verstehen, daß auch dann, wenn auf dem Felsen ein Wirtschaftsleben oder eine Bevölkerung quasi künstlich erhalten werden könnten, dieser Felsen - abgesehen von einem eigenen Küstenmeer - keine der in Art. 121 Abs. 3 SRK genannten Seegebiete für sich beanspruchen könnte. 1 5 5 Damit sind nach Auffassung der Delegierten von UNCLOS I I I zumindest die Kriterien der Bewohnbarkeit und der Möglichkeit eines eigenständigen Wirtschaftslebens für die Zuerkennung einer EEZ sowie eines Festlandsockels von Bedeutung. Dabei darf nicht übersehen werden, daß wegen der Bezeichnimg „rocks" auch dem Kriterium der Größe eine, wenngleich eingeschränkte, Bedeutung zukommen kann. Denn nicht jede felsige Erhebung 156 , die bei Flut über den Wasserspiegel hinausragt, kann damit gemeint sein, sondern nur solche, die über keine ausreichende Größe verfügen, um ein eigenständiges Wirtschaftsleben haben zu können. Insoweit kann die Einteilung von Hodgson als Hilfsmittel herangezogen werden, der bekanntlich mit Felsen solche Erhebungen meint, die weniger als 0,001 Quadratmeilen umfassen. 157 Im Hinblick auf die Unterscheidung zu künstlichen Inseln bestimmt Art. 60 Abs. 8 SRK: „Artificial islands, installations and structures do not possess the status of islands."
Wegen des eindeutigen Wortlauts der genannten Bestimmungen der seevölkerrechtlichen Verträge bleiben der Begriff und der Rechtsstatus von Inseln im Völkervertragsrecht somit grundsätzlich von allen dort nicht ausdrücklich genannten Kriterien unberührt. Da aber insbesondere während UNCLOS I I I einige Delegationen immer wieder versucht haben, weitere Kriterien durchzusetzen, bleibt schon jetzt festzuhalten, daß diese Kriterien jedenfalls nicht vollends außer acht gelassen werden dürfen. Mit ihren Vorschlägen haben die Delegierten zu erkennen gegeben, daß sie diesen Kriterien für die Bestimmung des Ausmaßes von Seegebieten eine Bedeutung beimessen, die die bisherige Unterscheidung zwischen der Definition des Begriffs und der Bestimmung des Rechtsstatus von Inseln relativiert. 1 5 8 Das bedeutet, daß im Grunde zwar jede Insel, die nicht unter den Begriff des Felsens im Sinne von Art. 121 Abs. 3 SRK fällt, gemäß dem Völkervertragsrecht 155 vgl. dazu j)j m Attard, Exclusive Economic Zone, S. 259 f.; I. Brownlie, Principles, S. 230; M.S. Fusillo, The Legal Regime of Uninhabited „Rocks" Lacking an Economic Life of Their Own, Ital.Yb.of Int'l.L 1978/79, 47-58. 156 So w i r d ζ. Β. im Abgrenzungsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Venezuela vom 28.03.1978 (IBS No. 91) die Insel Aves voll berücksichtigt, obwohl sie sehr klein und unbewohnt ist. 157 R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, RGES-3. 158 So auch C.R. Symmons, Islands, S. 20 f.: „ . . . they were thought by the sponsoring delegations to be relevant to determine the amount of marine space which a particular feature might possess. This represents an interesting breach from past thinking that the definition of an 'island' as such and the capacity to generate maritime zones are intrinsically interconnected issues."
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
7
gleich dem Festland zu behandeln ist. Eine andere Frage ist es aber, ob dies auch gelten kann, wenn die Seegebiete anderer (Festland-)Staaten beeinträchtigt werden können. Möglicherweise sind dann die Seegebiete von Inseln anders zu beurteilen. Dies wiederum ist aber eine Frage, deren Beantwortung nicht von dem grundsätzlichen Rechtsstatus von Inseln, sondern ganz entscheidend von den geltenden Abgrenzungskriterien für die Seegebiete von benachbarten bzw. einander gegenüberliegenden Staaten abhängt.
B. Das Völkergewohnheitsrecht Wenngleich die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, daß sowohl nach den Genfer Konventionen von 1958 als auch nach Art. 121 der Seerechtskonvention von 1982 Inseln grundsätzlich gleich dem Festland zu behandeln sind, so kann es mit dieser Feststellung nicht sein Bewenden haben. Zum einen ist die Türkei nicht Mitglied einer der 1958er Konventionen. Diese völkerrechtlichen Verträge können für die Türkei daher weder Rechte noch Pflichten begründen („pacta tertiis nec nocent nec prosunt"). 1 Eine Zustimmungserklärung seitens der Türkei gemäß Art. 34 WVK liegt ebenfalls nicht vor. Zum anderen hat die Türkei - gemeinsam mit Israel, Venezuela und den Vereinigten Staaten von Amerika - ausdrücklich gegen die Seerechtskonvention von 1982 gestimmt 2 und ihre Delegierten haben während UNCLOS I I I alles daran gesetzt, ein besonderes Regime für Inseln durchzusetzen. Ob sich die Türkei eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Insel- und Festlandgebieten entgegenhalten lassen muß, läßt sich daher nur bejahen, wenn sich eine völkergewohnheitsrechtliche Norm dieses Inhalts nachweisen läßt und diese Norm auch für die Türkei bindend ist. I. Methodischer Ansatz für den Nachweis seerechtlicher Normen des Völkergewohnheitsrechts 1. Vorbemerkung
Als sich das internationale Seerecht i m 17. und 18. Jahrhundert herauszubilden begann, beherrschte ein rein naturrechtlicher Ansatz die Theorien zur Rechtsnatur und zum Geltungsgrund des Völkerrechts. Exemplarisch 1 Dieser Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts ist nunmehr in Art. 34 WVK kodifiziert. Zum Verhältnis der SRK von 1982 zu Drittstaaten vgl. allgemein L.T. Lee, The Law of the Sea Convention and Third States, AJIL 1983, 541-568. 2 Vgl. UNCLOS III, Off. Ree., Vol. XVI, 154 f.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
f ü r dieses Verständnis ist die folgende Passage aus Vattels „Droit
des Gens" 3
aus d e m Jahre 1758: „Das auf die Nationen angewandte Naturrecht nennen wir notwendiges Völkerrecht. Es ist notwendig, weil die Nationen zu seiner Beachtung schlechthin verpflichtet sind. Dieses Recht enthält die Vorschriften des Naturrechts für die Staaten. Für sie ist dieses Naturrecht nicht weniger verpflichtend als für die Einzelwesen, denn die Staaten sind aus Menschen zusammengesetzt, ihre Entschlüsse werden durch Menschen getroffen und schließlich unterliegen alle Menschen dem Naturrecht, in welcher Beziehung sie auch handeln. Es ist dasselbe Recht, das Grotius und seine Anhänger internes Völkerrecht nennen. Einige nennen es auch natürliches Völkerrecht." 4 D i e Entstehung v o n N o r m e n des Völkergewohnheitsrechts, welches bezeichnet w u r d e als „gewisse Grundsätze, gewisse d u r c h lange Ü b u n g geheiligte Gebräuche, die u n t e r den N a t i o n e n als Recht geachtet w e r d e n " 5 , w u r d e m i t H i l f e der sog. klassischen Konsenstheorie e r k l ä r t : „Wir unterstellen nun die Bildung einer Übung, einer Gewohnheit... Wenn diese Gewohnheit an sich indifferent ist, und erst recht, wenn sie nützlich und vernünftig ist, w i r d sie für alle Nationen verpflichtend, deren Zustimmimg anzunehmen ist; diese Nationen sind dann gehalten, sie gegenseitig zu beachten, solange sie nicht ausdrücklich erklärt haben, sie nicht mehr befolgen zu wollen." 6 Dementsprechend k o n n t e das Völkergewohnheitsrecht n u r f ü r jene Staaten B i n d u n g s w i r k u n g entfalten, die es auch angenommen haben. Das Völkergew o h n h e i t s r e c h t w a r m i t h i n k e i n universelles, sondern p a r t i k u l ä r e s Recht. 7 A l l g e m e i n v e r b i n d l i c h k e i t k o n n t e l e d i g l i c h das N a t u r r e c h t , das „ n o t w e n d i g e V ö l k e r r e c h t " 8 , f ü r sich beanspruchen. H e u t e bedarf es f ü r den N a c h w e i s einer N o r m des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts n i c h t m e h r der Feststellung, daß die Staaten i h r a u s d r ü c k l i c h oder k o n k l u d e n t z u g e s t i m m t haben. W e n n g l e i c h z u r Entstehungsweise u n d z u m G e l t u n g s g r u n d des Völkergewohnheitsrechts die u n t e r s c h i e d l i c h sten Theorien v e r t r e t e n w e r d e n 9 , so besteht w e i t g e h e n d 1 0 E i n i g k e i t darüber, 3 E. de Vattel, Le droit des gens ou principes de la loi naturelle (1758), deutsche Übersetzung von W. Euler, Die Klassiker des Völkerrechts Bd. 3, Tübingen 1959. 4 E. de Vattel, Droit des gens, Einl. § 7. 5 E. de Vattel, Droit des gens, § 25. 6 E. de Vattel, Droit des gens, § 26. Schon nach Suârez war eine Übung nur verpflichtend, wenn sie die Zustimmung der Machthaber erlangt hat, vgl. Francisco Suârez , De legibus ac Deo legislatore (1617) VII, cap. 13, S. 6. Auch nach Christian Wolff kommt das Völkergewohnheitsrecht durch stillschweigende Zustimmimg zustande, vgl. Ch. Wolff, lus gentium methodo scientifica pertractatum (1764), Prolegomena § 24. 7 So ausdrücklich: Ch. Wolff, lus gentium, Prolegomena § 24. 8 E. de Vattel, Droit des gens, § 7. 9 Vgl. die Übersicht von A. Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV 1969, 635-653 (636 ff.). 10 A n der klassischen Konsenstheorie hält die sowjetische Völkerrechtslehre fest. Vgl. G.I. Tunkin, Remarks on the Juridical Nature of Customary Norms of Internatio-
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
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daß das Völkergewohnheitsrecht jene Normen umfaßt, die nicht gerade von den streitenden Parteien, sondern eben nur allgemein anerkannt sind. 1 1 Läßt sich eine solche, nicht notwendigerweise die Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit umfassende, allgemeine Anerkennimg feststellen, ist der Nachweis einer universell geltenden Norm des Völkergewohnheitsrechts gelungen. 12 Eine Ausnahme von dieser universellen Geltung soll nach einer im völkerrechtlichen Schrifttum vielfach vertretenen Meinung - sieht man von der noch von der sowjetischen Völkerrechtslehre verfochtenen klassischen Konsenstheorie ab 1 3 - für den sogenannten „persistent objector" gelten. 14 Darunter w i r d ein einzelner Staat verstanden, der während der Entstehimg einer Norm des Völkergewohnheitsrechts seinen Widerspruch gegen die werdende Norm durch Protest oder konträres Verhalten geltend macht. 15 Der „persistent objector" soll durch die Gewohnheitsrechtsnorm, der gegenüber er seinen Widerstand zum Ausdruck bringt, nicht gebunden sein, wohingegen diese Norm unter den übrigen Staaten ihre Geltungskraft entfaltet. 16 Der Protest des „persistent objector" schließt die Bindungswirkimg der Norm für ihn jedoch nur aus, wenn er eindeutig 17 , ununterbrochen 18 , effektiv 19 und zum richtigen Zeitpunkt 2 0 erfolgt. Unabhängig von diesem Sonderfall, der im übrigen erhebliche Schwierigkeiten bereitet, sobald es um den Nachweis der einzelnen Anforderungen an nal Law, Calif. L. Rev. 49 (1961), 419 ff.; ders., Völkerrechtstheorie (Dt. Übersetzung 1972), S. 153 ff. 11 Vgl. statt vieler: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 553 ff. m.w.N. 12 D.P. O'Connell, International Law for Students, London 1971, S. 8. 13 Vgl. G.I. Tunkin, Calif.L.Rev. 49 (1961), 419 ff.; ders., Völkerrechtstheorie, S. 153 ff. 14 Vgl. 7. Brownlie, Principles, S. 10 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 558; B. Simma, Das Reziprozitätselement i n der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, München - Salzburg 1970; A. Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts. Eine Einführung, Freiburg 1973, S. 103; F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts Band I, 2. Auflage, München 1975, S. 52 f.; M. Akehurst, Custom as a Source of International Law, BYIL 1974/75, 1-53 (24); E. Suy, Les actes juridiques unilatéraux en droit international public, Paris 1962, S. 247 f., 261 f.; G. Fitzmaurice, The Law and Procedure of the International Court of Justice, 1951-54, General Principles and Sources of Law, BYIL 1953, 1-70 (25 f.); C. Rousseau, Droit international public I, S. 320; a.Α.: R.-F. Unger, Völkergewohnheitsrecht; J.J. Chamey, The Persistent Objector Rule and the Development of Customary International Law, BYIL 1985,1-24. 15 Vgl. statt vieler Β. Simma, Reziprozitätselement, S. 43. 16 Ebenda. 17 Vgl. dazu C. Rousseau, Droit international public I, S. 320; 7. Brownlie, Principles, S. 10 f. 18 Vgl. dazu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 558; E. Suy, Les actes juridiques, S. 76, 262. 19 Vgl. dazu G. Fitzmaurice, BYIL 1953, 29. 20 Vgl. dazu H.W.A. Thirlway, International Law and Codification, Leiden 1972, S. 110 ff. Widersetzt sich ein Staat der Anwendung der Norm nach ihrer Entstehung, handelt es sich um einen sogenannten „subsequent objector", vgl. dazu 7. Brownlie, Principles, S. 11.
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
den Widerspruch des „persistent objector " geht 21 , wird sich die allgemeine Anerkennimg einer Norm des Völkergewohnheitsrechts in aller Regel nur feststellen lassen bei einer Koinzidenz der Politik. 2 2 Fehlt es an dieser Koinzidenz, etwa weil gegen einen geltend gemachten Anspruch Protest erhoben und dieser seinerseits zurückgewiesen wird, so w i r d der Nachweis einer entsprechenden Norm des Völkergewohnheitsrechts - gleichgültig welcher Theorie man anhängt - schwerlich gelingen. Die gegenwärtige Situation im Hinblick auf das Völkergewohnheitsrecht scheint aber gerade dadurch gekennzeichnet zu sein, daß es an der erforderlichen Koinzidenz der Politik der - "besonders interessierten" und/oder „betroffenen" 23 - Staaten fehlt. Konnte man schon in der Vergangenheit nicht davon ausgehen, daß das Handeln der Staaten in jedem Fall auf der Überzeugung beruhte, dem geltenden Recht zu entsprechen (oder zumindest nicht dagegen zu verstoßen), erscheint die Staatenpraxis im Bereich des Seerechts heute in einem noch stärkeren Maße als Hilfsmittel, eine neue Rechtsentwicklung in Gang zu setzen.24 Der Grund für diese Tendenz liegt nicht zuletzt in der Skepsis insbesondere der sozialistischen sowie der jungen Staaten der Dritten Welt gegenüber dem Völkergewohnheitsrecht. 25 Dies führte dazu, daß die Staatengemeinschaft das Völkerrecht zunehmend auf eine vertragliche Grundlage zu stellen versuchte 26 , da „ . . . das Gewohnheitsrecht als die klassische Rechtssatzform des Völkerrechts der bloßen Koexistenz aus seinem ganzen Mechanismus heraus insuffizient sein muß, wenn es um den Aufbau des heute lebensnotwendigen Völkerrechts der Kooperation geht, das mit seiner Planungsfunktion die überwiegende Stabilisierungsfunktion des Koexistenzrechts überlagert." 27
Diese Tendenz, die Rechtssicherheit durch Kodifikation des Völkerrechts zu fördern und die Staatenpraxis nur noch als Anstoß für die Fortentwicklung des Völkerrechts fungieren zu lassen, ist - bezieht man sie auf das Völkerrecht allgemein - grundsätzlich zu begrüßen, kann sie doch auch dazu beitragen, daß das Völkerrecht auf drängende Probleme, ζ. B. des interna21 Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird das Institut des „persistent objector" von R.-F. Unger, Völkergewohnheitsrecht, und J.I. Chamey, BYIL 1985, 1-24, abgelehnt. 22 So auch: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 28 ff. 23 Zu diesen Begriffen vgl. die North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, p. 42, para. 73. 24 Erinnert sei nur an die Truman-Proklamation, die selbstverständlich aber das Ergebnis intensiver Vorverhandlungen mit anderen Staaten war. Vgl. dazu: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 31 f., 456, 553. 25 Eine derartige Skepsis zeigt sich neuerdings auch auf Seiten der Vereinigten Staaten von Amerika insbesondere im Hinblick auf Normen des humanitären Völkerrechts. 26 Vgl. dazu R. Ago, La codification du droit international et les problèmes de sa réalisation, in: Festschrift für P. Guggenheim (1968), S. 93-131. 27 B. Simma, Methodik und Bedeutung der Arbeit der Vereinten Nationen für die Fortentwicklung des Völkerrechts, in: W.A. Kewenig (Hrsg.), Die Vereinten Nationen im Wandel, Berlin 1975, S. 79-102 (86).
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
tionalen Umweltschutzes, schneller und flexibler reagiert. 28 Dies würde zur Folge haben, daß das Völkergewohnheitsrecht mit der Zeit zunehmend an Bedeutung verliert und allenfalls noch eine lückenfüllende Funktion erfüllt. Ob dies wiederum wünschenswert ist, soll hier dahingestellt bleiben. Im Seevölkerrecht jedenfalls hat sich diese Entwicklung trotz oder gerade wegen UNCLOS I I I nicht fortgesetzt, sondern eher umgekehrt. UNCLOS Ι Π ist zwar mit Annahme der 1982er Seerechtskonvention zum Abschluß gebracht worden, sie hat aber das von ihr selbst gesetzte Ziel - die Annahme des endgültigen Textes im consensus-Verfahren - nicht erreicht und es ist fraglich, ob die 1982er Konvention wirklich in Kraft treten wird. 2 9 Daher bleibt - zumindest im Seevölkerrecht - mangels vertraglicher Bindimg das Völkergewohnheitsrecht nach wie vor eine wichtige und unentbehrliche Rechtsquelle. 30 Der Nachweis von gewohnheitsrechtlichen Normen des Seevölkerrechts ist aber gerade durch die soeben angesprochene Entwicklung erheblich erschwert. Allein die zahlreichen Neuerungen, die UNCLOS I I I mit sich gebracht hat, sowie die umfangreiche und vielgestaltige Staatenpraxis verhindern ein klares Bild. Hinzu kommt, daß in der Völkerrechtslehre die unterschiedlichsten Theorien zur Entstehungsweise, zum Geltungsgrund sowie zu den Elementen des Völkergewohnheitsrechts vertreten werden. Dies alles macht es erforderlich, im folgenden den hier zugrunde zu legenden methodischen Ansatz für den Nachweis von gewohnheitsrechtlichen Normen des Seevölkerrechts aufzuzeigen. Die Frage, wie der Nachweis zu erfolgen hat, läßt sich aber nur beantworten, wenn Klarheit darüber besteht, aus welchen Elementen sich das Völkergewohnheitsrecht zusammensetzt und was wiederum diesen Elementen zugeordnet werden kann 3 1 ; denn grundsätzlich sind alle Formen der Staatenpraxis geeignet, als „Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut zu dienen. 32
28
So auch: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 31. So auch die Einschätzung von Th. Schweisfurth, The Influence of the Third United Nations Conference on the Law of the Sea on International Customary Law, ZaöRV 1983, 566-584 (570). 30 So: R. Bernhardt, Verfall und Neubildung von Gewohnheitsrecht im Meeresvölkerrecht, in: H.P. Ipsen/K.-H. Necker (Hrsg.), Recht über See, Festschrift für R. Städter (1979), S. 155-166 (155 f.); M.I. Lazarev, Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts, dt. Übersetzung von E. Rauch (1985), S. 31 ff. 31 So auch: M. Bos, A Methodology of International Law, Amsterdam - New York - O x f o r d 1984, S. 218-258. 32 M. Bos, Methodology, S. 235. 29
0
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht 2. Das objektive Element - die Staatenpraxis/die Übung
Artikel 38 Abs. 1 lit. (b) IGH-Statut definiert das Völkergewohnheitsrecht als „ . . . Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung." 3 3
Nach ganz allgemeiner Auffassung 34 ist diese Begriffsbestimmung mißglückt, da das Gewohnheitsrecht nicht Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung ist, sondern die allgemeine, als Recht anerkannte Übung das Gewohnheitsrecht bildet. 3 5 Dennoch macht die Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 lit. (b) IGH-Statut deutlich, daß der Begriff des Gewohnheitsrechts zwei Merkmale aufweist: die allgemeine Übung oder Staatenpraxis und die Anerkennimg der Übung als Recht. 36 Zunächst soll auf das objektive Element des Gewohnheitsrechts, die Übung, eingegangen werden. a) Erforderlichkeit
des objektiven Elements?
Wie bereits angedeutet 37 , ist die umfangreiche und vielgestaltige Staatenpraxis häufig ungeeignet, zweifelsfreien Aufschluß über den Status des Völkerrechts zu geben. Andererseits bleibt im Seevölkerrecht das Gewohnheitsrecht nach wie vor eine wichtige und unentbehrliche Rechtsquelle. Die aus diesem Konflikt resultierenden Schwierigkeiten könnten verringert werden, wenn im Zusammenhang mit der Entstehung und dem Nachweis von Normen des Völkergewohnheitsrechts dem objektiven Element entweder eine geringere oder möglicherweise überhaupt keine Bedeutung zukäme. Es stellt sich somit die Frage, ob Normen des Völkergewohnheitsrechts zur Entstehimg gelangen können, ohne daß es dazu einer allgemeinen Staatenpraxis bedarf. Ein entsprechender Ansatz ist erstmals von Ago38 entwickelt worden. Nach seiner Theorie des „diritto spontaneo" entstehen die Normen des Völkergewohnheitsrechts spontan im Rechtsbewußtsein der Staaten. Das objektive Element - die Übung - dient lediglich dem Zweck, die derart entstandenen Normen in ihrer Geltung zu bestätigen. 39 Die Theorie vom 33
Die Begriffe „Übung" und „Staatenpraxis" werden hier synonym verwandt. Vgl. statt vieler: Menzel/Ipsen, Völkerrecht, 2. Aufl., München 1979, 79; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 552. 35 Ebenda. 36 Ebenda. 37 Vgl. oben: 2.Teil B. I. 1. 38 R. Ago, Scienzia giuridica e diritto internazionale, Mailand 1950; ders., Science juridique et droit international, RdC 1956 II, S. 857 ff., 932 ff. 39 Ebenda. Einen vergleichbaren Ansatz vertritt B. Cheng, United Nations Resolutions on Outer Space -,Instant' International Customary Law?, IJIL 1965, 23-48. 34
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
1
„diritto spontaneo" hat den Vorteil, daß es nicht mehr eines längeren Zeitraumes bedürfte, bis man von der Existenz einer Norm des Völkergewohnheitsrechts ausgehen kann. Daher wäre ein solches Institut insbesondere für außergewöhnliche Situationen, in denen es von der Natur der Sache her schon an einer Staatenpraxis fehlt, von erheblichem Nutzen. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an die Probleme des Kernwaffeneinsatzes oder der Verschmutzimg internationaler Gewässer. Aus diesem Grunde nimmt auch Strebet eine ähnliche Position wie Ago ein: „General international law can also arise as a spontaneous reaction of States to new extremely threatening possibilities of human or environmental destruction caused by States or individuals. Thus, through a mere collective demonstration of w i l l by a majority of States, general international law can i n the case of the above mentioned circumstances be created instantly („instant law") - without any State practice." 40
Demgegenüber hat der Internationale Gerichtshof in zwei neueren Entscheidungen ausdrücklich an dem Erfordernis der Staatenpraxis festgehalten: „ I t is of course axiomatic that the material of international law is to be looked for primarily in the actual practice and opinio juris of States, even though multilateral conventions may have an important role to play in recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them." 4 1 „The mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider them as being part of customary international law . . . Bound as it is by Article 38 of its Statute the Court may not disregard the essential role played by general practice . . . The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed by practice." 42
Dem ist - trotz der Möglichkeit außergewöhnlicher Situationen - zuzustimmen. 43 Ein „spontanes" („instant") Völkergewohnheitsrecht ist nicht nur vor dem Hintergrund des Art. 38 IGH-Statut, sondern auch logisch undenkbar. Eine Norm, deren wesentlicher Geltungsgrund eben die Staatenpraxis ist, ist ohne diese schlechterdings unmöglich. 44 Die Theorie vom „spontanen" Gewohnheitsrecht verwischt die Konturen der in Art. 38 Abs. 1 IGHStatut niedergelegten Rechtsquellen. Zumindest für den Nachweis der Rechtsüberzeugung bedürfte es eines irgendwie gearteten, konkreten Anhaltspunktes, etwa einer UN-Resolution. 45 Damit wäre der Nachweis 40 H. Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV 1976, 301-346 (345); ähnlich: R. Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, ZaöRV 1976, 50-76 (67, 72 f.). 41 Case Concerning the Continental Shelf (Libyen/Malta), ICJ Rep. 1985, p. 29 f. 42 Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), ICJ Rep. 1986, pp. 12-150, 97 f., para. 184. 43 So auch: M. Akehurst, BYIL 1974/75, 1-53 (31); M. Bos, The Identification of Custom i n International Law, GYIL 1982, 9-53 (17). 44 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 571. 45 Vgl. B. Cheng, IJIL 1965, 23-48.
6 Heintschel v. Heinegg
82
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
einer entsprechenden Norm des Völkergewohnheitsrechts aber noch nicht gelungen. Die Schwächen dieser Theorie dokumentieren sich dementsprechend darin, daß auch sie ohne das objektive Element nicht auskommt. Letztendlich kann sie daher allenfalls für eine ex post-Betrachtung herangezogen werden, der Nachweis einer in der Entstehung begriffenen Norm w i r d ihr schwerlich gelingen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um Normen des Seevölkerrechts geht, das wegen seines räumlichen Bezuges ohne das objektive Element nicht auskommen kann. Wie sollen völkerrechtliche Normen, die die staatliche Hoheitsgewalt i n einem derart starken Maße betreffen, ihren Geltungsgrund lediglich aus dem „Gewissen" der Staaten herleiten? b) Begriff
und Inhalt der „Übung"
Zu der Frage, welches Verhalten von Staaten als „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut angesehen werden kann, werden i n der völkerrechtlichen Literatur die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten. 46 Diese resultieren aus einem entweder sehr weiten 4 7 oder engeren 48 Verständnis des Begriffs der Übung. Dabei besteht zunächst Einigkeit darüber, daß der Begriff der Übung im Grundsatz alle denkbaren Verhaltensweisen der Staaten umfaßt. 49 So w i r d die Übung definiert als „what states do in their relations with one another. " 5 0 bzw. der „process of continuous interaction , of continuous demand and response". 51 Auch die Einschränkung, daß es sich nur um solche Verhaltensweisen handeln darf, die den Staaten zurechenbar sind 5 2 und die den 46 Vgl. I. Brownlie, Principles, S. 4 ff.; J.L. Brierly, The Law of Nations, 6th ed., Oxford 1963, S. 59 f.; W.W. Bishop, General Course of Public International Law, RdC 1965 II, 147-470; Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 79 ff.; F. Berber, Völkerrecht I, S. 43 ff.; M. Akehurst, A Modern Introduction to International Law, 6th ed., London 1987, S. 25 ff.; ders., BYIL 1974/75,1-53; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources of International Law, Deventer 1983; S. Rosenne, Practice and Methods of International Law, London - Rome - New York 1984; M. Bos, Methodology, S. 218-258; A. D'Amato, The Concept of Custom i n International Law, New York 1971; M.E. Villiger, Customary International Law and Treaties, Dordrecht - Boston - Lancaster 1985; H.W.A. Thirlway, Codification; G. Dahm, Völkerrecht Band I, Stuttgart 1958, S. 28 ff.; D.P. O'Connell, International Law, Vol.1, 2nd ed., London 1970, S. 15 ff.; K. Skubiszewski, Elements of Custom and the Hague Court, ZaöRV 1971, 810-854; J.I. Charney, BYIL 1985, 1-24; K. Wolfke, Custom i n Present International Law, Wroclaw 1964. 47 Der wohl prominenteste Vertreter eines sehr weiten Begriffs der Übung ist M. Akehurst, BYIL 1974/75,1-53. 48 Dazu zählen aus jüngerer Zeit u. a.: G.J.H. van Hoof, Rethinking; S. Rosenne, Practice and Methods; A. D'Amato, Concept; jeweils m.w.N.; eine eher vermittelnde Position nimmt augenscheinlich M. Bos, Methodology, S. 218-258, ein. 49 Vgl. die vorstehenden Nachweise. 50 J.L. Brierly, The Law of Nations, 6th ed., Oxford 1963, S. 59. 51 M.S. McDougal, The Hydrogen Bomb Tests and the International Law of the Sea, AJIL 1955, 356-361 (357). 5 2 Vgl. etwa: M. Akehurst, BYIL 1974/75,1-53 (11).
Β. Das Völkergewohnheitsrecht anderen Staaten auch z u r K e n n t n i s gelangen b z w . gelangen k ö n n e n 5 3 , ist w e i t g e h e n d unbestritten. K e i n e E i n i g k e i t besteht jedoch h i n s i c h t l i c h der v o n T e i l e n des v ö l k e r r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m s u n t e r n o m m e n e n Versuche, den B e g r i f f der Ü b u n g w e i t e r einzugrenzen. So f o r d e r n einige A u t o r e n e i n Rechtsbewußtsein des h a n d e l n d e n Staates 5 4 , andere f o r d e r n einen k o n k r e t e n Bezugspunkt des i n Frage stehenden staatlichen A k t e s . 5 5 Angesichts der K o m p l e x i t ä t der Regelungsbereiche des Völkerrechts sowie der V i e l f a l t der A k t e staatlichen Handelns s i n d alle diese E i n g r e n zungsversuche, die über die genannten u n s t r e i t i g e n Wesensmerkmale h i n ausgehen, aber v o n v o r n h e r e i n z u m Scheitern v e r u r t e i l t . 5 6 Sie s i n d zwangsl ä u f i g derart allgemein gehalten, daß sie weniger einer B e s t i m m i m g des Begriffs der Ü b u n g d i e n l i c h sind, als daß sie die erheblichen S c h w i e r i g k e i t e n dokumentieren, die e i n solcher Versuch einer D e f i n i t i o n i n abstracto m i t sich b r i n g t . 5 7 M i t M. Bos ist daher festzustellen: „ I f custom is ,what one is i n the habit of doing', practice can be anything within the scope of a State's jurisdiction. A l l actions or, more generally, forms of behaviour so qualified are eligible to become the basis of a customary rule of international law. It is quite useless, therefore to try to limit the material element i n custom to one or more categories of such behaviour. Nor does it make sense to burden oneself w i t h a complete catalogue of existing custom, supposing it were possible to trace custom to the far ends of the earth." 5 8 D a h e r ist die E n t s c h e i d u n g darüber, ob A k t e staatlichen Handelns als Ü b u n g i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t angesehen w e r d e n k ö n nen, g r u n d s ä t z l i c h v o n d e m j e w e i l i g e n E i n z e l f a l l abhängig z u m a c h e n . 5 9
53
So ζ. B. der I G H in den Nuclear Tests Cases, ICJ Rep. 1974, p. 267 para. 43 und im Anglo-Iranian Oil Co. Case, ICJ Rep. 1952, pp. 93, 107. 54 Vgl. M.E. Villiger, Customary Law, S. 4. Vgl. ferner: K. Skubiszewski, , ZaöRV 1971, 810-854 (845); L.C. Green, The Raw Materials of International Law, ICLQ 1980, 187-205. 55 So: G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 108; H.W.A. Thirlway, Codification, S. 58, bemerkt dazu: „The substance of the practice required is that States have done or abstained from doing certain things in the international field: e. g. that they have exercised diplomatic protection i n certain circumstances, or recognized the rights of other States to do so; that they have refrained from bringing or permitting legal proceedings against visiting diplomats; that they have claimed certain areas of submarine territory, or recognized such rights claimed by other States. State practice as the material element in the formation of custom is, it is worth emphasizing, material: it is composed of acts by States w i t h regard to a particular person, ship, defined area of territory, each of which amounts to the assertion or repudiation of a claim relating to a particular apple of discord." 56 So auch: M. Bos, Methodology, S. 229; H.W.A. Thirlway, Codification, S. 58; Menzel/ Ipsen, Völkerrecht, S. 79. 57 Wie vor. 58 M. Bos, Methodology, S. 229. 59 Ebenda. 6*
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Auch die ILC hat niemals versucht, eine allgemein gültige Definition des Begriffs der Übung in abstracto zu geben. Vielmehr hat sie im Jahre 1950 recht allgemein erklärt, für den Nachweis von Normen des Völkergewohnheitsrechts könnten u. a. 60 herangezogen werden: „ . . . treaties, decisions of national and international courts, national legislation, diplomatic correspondence, opinions of national legal advisors, practice of international organizations." 61
I m folgenden soll nun untersucht werden, ob Akte nationaler Gesetzgebung, völkerrechtliche Verträge sowie abstrakte Äußerungen von Staatenvertretern eine „Übung" im Sinne von Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut darstellen können und - bejahendenfalls - welche sonstigen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine gewohnheitsrechtliche Norm des Seevölkerrechts nachweisen zu können. Dabei können die Beispiele der ILC nur als Anhaltspunkte für die Ergründimg von Begriff und Inhalt der Übung herangezogen werden, weil sich wegen der Allgemeinheit dieser Aussage schon nicht feststellen läßt, ob ζ. B. völkerrechtliche Verträge - wenn überhaupt als Nachweis für das objektive oder aber für das subjektive Element - die opinio iuris - dienen können. 62 Hinzu kommt, daß dem eigenständigen Rechtsquellencharakter der völkerrechtlichen Verträge, der eine strikte Trennung vom Völkergewohnheitsrecht doch nahezulegen scheint, bei dieser Aufzählung nicht hinreichend Rechnimg getragen wird. aa) Akte nationaler Rechtsetzung als Übung? Das Völkerrecht ist, läßt man die Internationalen Organisationen außer Betracht, vorrangig zwischenstaatliches Recht. Daher können nur diejenigen Verhaltensweisen der Staaten als Übung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut angesehen werden, die sie in ihren internationalen Beziehungen an den Tag legen 63 und die ihnen zurechenbar sind. 64 Insoweit ist unbestritten, daß jedenfalls die Akte derjenigen Organe, die den Staat nach Maßgabe der jeweiligen Verfassung oder des Völkergewohnheitsrechts 65 nach außen hin repräsentieren, eine gewohnheitsrechtsrelevante Übung darstellen kön60
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. YILC 1950 II, 368; vgl. ferner: K. Skubiszewski, ZaöRV 1971, 814 ff.; J.G. Starke, International Law, 9th ed., London 1984, S. 35. 62 Gleiches gilt für eine Anzahl von Äußerungen im völkerrechtlichen Schrifttum, wo pauschal davon die Rede ist, Verträge seien „evidence of customary international law". 63 So auch: S. Rosenne, Practice and Methods, S. 56. 64 Vgl. dazu: M. Bos, Methodology, S. 234; M. Akehurst, BYIL 1974/75, 11; vgl. ferner oben unter b). 65 Dies sind nach dem in Art. 7 Abs. 2 (a) WVK kodifizierten völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz („ius omnimodo representationis") Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister. Vgl. dazu: Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 302. 61
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
nen. Interne Akte, insbesondere Akte nationaler Rechtsetzung 66 , bleiben demgegenüber in ihren Auswirkungen in aller Regel auf den internen Bereich einschließlich der innenpolitischen Aspekte der auswärtigen Beziehungen beschränkt. Das Völkerrecht ist ihnen gegenüber „ b l i n d " 6 7 , es sei denn sie stehen zu ihm im Widerspruch mit der Folge der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des betreffenden Staates. Diese Grundsätze legen die Schlußfolgerung nahe, daß Akte nationaler Rechtsetzung nicht als Übung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut angesehen werden können. Dennoch werden sie - ebenso wie die Entscheidungen nationaler Gerichte weitgehend als Nachweis für eine Staatenpraxis herangezogen. 68 Wie ist diese Vorgehensweise mit den genannten Grundsätzen in Einklang zu bringen, daß es sich um dem Staat zurechenbare Akte auf der zwischenstaatlichen Ebene handeln muß? Soweit die Zurechenbarkeit von Akten des nationalen Rechtsetzers betroffen ist, bereitet die Antwort auf diese Frage keine nennenswerten Schwierigkeiten. Legt man den Ansatz zugrunde, wonach grundsätzlich jeder staatliche Akt als „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut in Betracht kommt 6 9 , ist kein Grund ersichtlich, die Zurechenbarkeit auf die Akte solcher Organe zu beschränken, die den Staat nach Maßgabe des Verf assungs- und des Völkerrechts nach außen hin repräsentieren dürfen. 70 Demgemäß sind sämtliche Akte des nationalen Rechtsetzers dem Staat zurechenbar und kommen grundsätzlich als gewohnheitsrechtsrelevante Übung in Betracht. Dem steht auch nicht entgegen, daß nationale Rechtsetzungsakte für andere Staaten nicht jederzeit verfügbar sind 7 1 und häufig nur in der jeweiligen Landessprache vorliegen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sind grundsätzlich imbeachtlich. Wesentlich ist, daß sie den anderen Staaten überhaupt zur Kenntnis gelangen. 72 So hat der IGH im Anglo-Iranian Oil Co. Case73 festgestellt, daß die Tatsache, daß ein Staat ein Gesetz in einer „seltenen" Sprache veröffentlicht und in Kraft gesetzt hat, so daß es während eines Zeitraumes von etwa 20 Jahren von den Regierungen anderer Staaten zur Kenntnis genommen und untersucht werden konnte, für den Nachweis der Intentionen des betreffenden Staates ausreichend sei. 74 66 Dieser Begriff kann wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der nationalen Rechtsordnungen nicht auf parlamentarische Gesetze beschränkt werden, sondern umfaßt ζ. B. auch Rechtsverordnungen, Dekrete, Proklamationen und andere Rechtsetzungsakte der Exekutive. 67 Ähnlich: S. Rosenne, Practice and Methods, S. 56. 68 Vgl. S. Rosenne, Practice and Methods, S. 56, 63 ff.; G.J.H. van Hoof , Rethinking the Sources, S. 110; M. Bos, Methodology, S. 234. 69 Vgl. oben I. 2. b). 70 M. Bos, Methodology, S. 234; ähnlich: R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 65. 71 Darauf weist auch S. Rosenne, Practice and Methods, S. 63, hin. 72 Vgl. zu diesem Erfordernis schon oben unter I. 2. b). 73 ICJ Rep. 1952, pp. 93-171. 74 ICJ Rep. 1952, pp. 93, 107.
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht D e n n o c h lassen sich A k t e des n a t i o n a l e n Rechtsetzers n i c h t ausnahmslos als Ü b u n g i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t q u a l i f i z i e r e n . 7 5 E i n e solche Q u a l i f i z i e r u n g ist n u r m ö g l i c h , w e n n der n a t i o n a l e Rechtsetzer sich n i c h t ausschließlich auf den i n t e r n e n Bereich beschränkt, sondern z u m i n dest auch den Bereich der i n t e r n a t i o n a l e n Beziehungen als v o n d e m j e w e i l i gen A k t umfaßt wissen w i l l . Das ist sicherlich der F a l l , w e n n der betreffende A k t sich u n m i t t e l b a r auf die r e c h t l i c h e n Beziehungen z u anderen Staaten a u s w i r k t . Dies g i l t f ü r den Bereich des Seevölkerrechts insbesondere f ü r diejenigen A k t e , die die Grenzen des Staatsgebiets sowie die Hoheitsrechte auf See regeln. Diese betreffen ganz offensichtlich n i c h t ausschließlich den i n t e r n e n Bereich, sondern weisen a l l e i n schon wegen des Betroffenseins anderer Staaten, die m i t d e m derart festgelegten Gebiet i n B e r ü h r u n g k o m men, einen hinreichenden i n t e r n a t i o n a l e n Bezug a u f . 7 6 D o c h auch die E i n o r d n u n g dieser n a t i o n a l e n Rechtsetzungsakte
als
Ü b u n g b l e i b t t r o t z i h r e r g r u n d s ä t z l i c h e n Z u r e c h e n b a r k e i t sowie ihres hinreichenden i n t e r n a t i o n a l e n Bezuges i m v ö l k e r r e c h t l i c h e n u m s t r i t t e n . 7 7 Schweisfurth
Schrifttum
e t w a m e i n t , solche A k t e seien eher A u s d r u c k der
o p i n i o i u r i s u n d b e d ü r f t e n demgemäß n o c h einer faktischen U m s e t z i m g : „ . . . unilateral acts . . . anticipate the rules of conduct as formulated i n the Conference i n that the States who have initiated the unilateral acts do so in the understanding that they are the initial step towards establishing a rule of customary international law . . . they are clear expressions of opinio juris w i t h which the practice of coastal States w i l l have to conform before both elements of the formation process of customary international law may be seen to be united under the same auspices." 78 75
G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 110. Nicht zuletzt aus diesem Grunde haben die Vereinten Nationen i n relativ regelmäßigen Abständen in ihren „Legislative Series" die „National Legislation and Treaties relating to the Territorial Sea, the Contiguous Zone, the Continental Shelf, the High Seas and to Fishing and Conservation of the Living Resources" veröffentlicht (=UN/ST/LEG/SER. B / l , 15, 16, 18 und 19). Dies gilt auch für die Veröffentlichung solcher Akte in dem von der Seerechtsabteilung des Sekretariats der Vereinten Nationen herausgegebenen „Law of the Sea Bulletin". Hinzu kommt, daß die Staaten i n aller Regel verpflichtet sind, die durch nationale Gesetzgebungsakte festgelegten Gebiete in offiziellen Seekarten zu veröffentlichen (vgl. etwa Art. 12 Abs. 2 K M K , 6 Abs. 3 FSK). 77 Dafür: G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 110; M. Bos, Methodology, S. 43; S. Rosenne, Practice and Methods, S. 63; H.W.A. Thirlway, Codification, S. 58; H. Lauterpacht, Sovereignty over Submarine Areas, BYIL 1950, 376-433 (395), meint: „Unilateral declarations by traditionally law-abiding states, within a province which is particularly their own, when partaking of a pronounced degree of uniformity and frequency and when not followed by protests of other states, may properly be regarded as providing such proof of conformity w i t h law as is both creative of custom and constituting evidence of it." M.W. Mouton, The Continental Shelf, The Hague 1952, S. 275, meint: „ . . . the value of the unilateral acts is an initiative impulse to a new development in international law." Dagegen: Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 566-584; A. D'Amato, Concept, S. 88; G. Fitzmaurice, BYIL 1953, 1-70 (67 f.); Ο. de Ferron, Le droit international de la mer, Vol. 2, S. 76. Auch die ILC scheint noch i m Jahre 1956 der Bedeutung der einseitigen Akte für das Völkergewohnheitsrecht eher skeptisch gegenüber gestanden zu haben, vgl. YILC 1956 II, 298. 76
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
In ähnlicher Weise setzt D'Amato 79 den Erlaß solcher Gesetze mit der abstrakten Geltendmachung eines Anspruchs 80 gleich, welche nicht als Übung angesehen werden könne, weil es an einem wahrnehmbaren faktischen Handeln bzw. Durchsetzungsakt fehle. 81 Diese Auffassung gründet sich auf das schon weiter oben 82 erwähnte, engere Verständnis des Begriffs der Übung. 83 Die Schlußfolgerung der Vertreter dieser Auffassung, daß unter Zugrundelegung eines engen Begriffs nur tatsächliche/faktische Verhaltensweisen in Form von Durchsetzungsakten 84 als Übung angesehen werden können, ist aber keineswegs zwingend. Auch Thirlway 85 gehört zu den Vertretern eines engen Begriffs der Übung. Dennoch stellen nach seiner Auffassung Ansprüche, die ein Staat auf ein bestimmtes Seegebiet in Form von ζ. B. nationalen Gesetzen erhebt, eine Übung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut dar. 86 Die Einwände von Schweisfurth und D'Amato mögen zutreffen, wenn es sich um Gesetze handelt, denen ein konkreter Bezugspunkt oder Regelungsgegenstand fehlt, insbesondere wenn lediglich allgemeine Handlungsoder Unterlassungspflichten oder in abstrakter Weise Rechte des betreffenden Staates proklamiert werden. Ihnen kann aber nicht mehr gefolgt werden, wenn sich die fraglichen Gesetze auf ein bestimmtes, fest umrissenes Seegebiet beziehen und dessen Rechtsverhältnisse - auch in bezug auf andere Staaten - regeln. 87 Zum einen ist schon aus rein praktischen Gründen die Ausübimg von Hoheitsrechten in einem bis dahin vielleicht staatsfreien Raum 8 8 kaum anders vorstellbar als eben durch Proklamation eines entsprechenden Rechtsaktes. Andernfalls wären die Küstenstaaten gezwungen, ihre Seegebiete beispielsweise durch Bojen zu markieren und ihre Marineeinheiten dort ständig patroullieren zu lassen. Erst wenn ein Schiff eines fremden Staates diesen Anspruch streitig machte und der Küstenstaat das von ihm geltend gemachte Recht verteidigte, könnte man von einer gewohnheitsrechtsbegründenden Übung ausgehen. Zum anderen könnte 78
Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 566-584 (581, 582). A. D'Amato , Concept, S. 88 f. 80 Vgl. dazu sogleich unter bb). 81 Ähnlich Richter Read i n seiner Diss. Op. im Fisheries Case (ICJ Rep. 1951, p. 191): „The only convincing evidence of State practice is to be found i n seizures, where the coastal State asserts its sovereignty over the water in question by arresting a foreign ship." 82 Vgl. oben unter Β. I. 2. b). 83 Vgl. die Nachweise bei Fn. 46, 47 und 48. 84 So: A. D'Amato , Concept, S. 88 f. 85 H.W. Α. Thirlway, Codification, S. 58; ebenso: G.J.H. van Hoof Rethinking the Sources, S. 108, 110. 86 H.W.A. Thirlway , Codification, S. 58. 87 So i.E. auch: H.W.A. Thirlway , Codification, S. 58 f. 88 Vgl. zu diesem Begriff etwa: R. Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 85, Berl i n - Heidelberg - New York - Tokyo 1984, S. 4 ff. 79
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
nach Maßgabe der weiter oben dargelegten Erfordernisse 89 unter Zugrundelegung dieser Auffassimg eine entsprechende Norm des Völkergewohnheitsrechts erst zur Entstehung gelangen, wenn auch andere als die unmittelbar betroffenen Staaten von dem jeweiligen Durchsetzungsakt Kenntnis erlangen bzw. erlangen können. Desweiteren hätte diese Auffassung zur Folge, daß das Völkergewohnheitsrecht zumindest in diesem Bereich erst auf einer „Sekundärebene" zur Entstehung gelangen könnte. Denn nicht der Primärakt, also das Gesetz, sondern erst der Vollstreckungsakt würde nach dieser Auffassung „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut darstellen. In der Regel hängt die Frage der Vollstreckung aber von einer Grundnorm ab. Dem kann sich auch das Völkerrecht nicht vollends verschließen. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß (einseitigen) nationalen Gesetzgebungsakten gerade im Seevölkerrecht eine besondere Bedeutung zukommt. 90 Die Ausgestaltung der einzelnen Seegebiete - Küstenmeer, Anschlußzone, Festlandsockel, EEZ und EFZ - ist unbestrittenermaßen abhängig von der Entscheidung des jeweiligen nationalen Rechtsetzers. So trifft etwa im Hinblick auf das Küstenmeer das Seevölkerrecht nur die Entscheidung über dessen höchstzulässige Breite. Ob und in welcher Form die Staaten von diesem Recht Gebrauch machen, bleibt ihnen vorbehalten. Würde ein Staat ein Küstenmeer von lediglich 3 sm beanspruchen, käme es niemandem in den Sinn, diesem A k t die Völkerrechtsrelevanz abzusprechen, nur weil dieser Staat nicht ein 12 sm-Küstenmeer beansprucht. Es bleibt somit festzuhalten, daß Akte nationaler Gesetzgebung zumindest im Bereich des Seevölkerrechts als Übung angesehen werden können, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Zurechenbarkeit 2. Keine Beschränkung auf den internen/nationalen Bereich 3. Konkreter Regelungsgegenstand.
Diese Voraussetzungen werden durch diejenigen Akte nationaler Gesetzgebung, durch die die Hoheitsrechte eines Staates in bestimmten Seegebieten geregelt werden, erfüllt. Sie stellen daher eine Übung i m Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut dar, bb) Abstrakte (Rechts-)Äußerungen als Übung? Eng verwandt mit der soeben behandelten Frage, ob Akte nationaler Gesetzgebung als Übung anzuerkennen sind, ist die der Einordnung von (Rechts-)Äußerungen durch Staaten bzw. deren Vertreter. Dabei sind nicht diejenigen Äußerungen von Interesse, die öffentlich von ζ. B. einem Außen89
Vgl. oben Β. I. 2. b). Vgl. dazu C.L. Rozakis, Occasional Paper No. 27, S. 1; M. Virally, The Sources of International Law, in: M. Sorensen (ed.), Manual of Public International Law (1969), S. 154 ff. 90
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
minister zu einer konkreten rechtlichen Streitfrage gemacht werden. 91 Die Bindungswirkung und Völkerrechtsrelevanz solcher Stellungnahmen ist weitgehend unproblematisch. 92 Vielmehr soll im folgenden der Frage nachgegangen werden, ob abstrakte Stellungnahmen zu Rechtsfragen, etwa im Rahmen der UNO oder einer internationalen Konferenz, hier insbesondere der 3. Seerechtskonferenz der UN, als Übung angesehen werden können. Auf diese Fragestellung w i r d sich die Untersuchimg beschränken. Die Auffassung, die im formlosen bzw. ursprünglichen Konsens der Staaten eine weitere, originäre Völkerrechtsquelle außerhalb des Katalogs der Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut sieht 93 , bedarf in diesem Zusammenhang keiner näheren Erörterung. Nach dieser Auffassung kann eine Resolution, die im Rahmen der UN-Generalversammlung, oder eine Vorschrift, die auf einer internationalen Konferenz universellen Charakters ohne Gegenstimmen angenommen worden ist, Völkerrecht erzeugen. 94 UNCLOS I I I ist zwar eine solche Konferenz universellen Charakters. Dennoch können die dort vereinbarten Regeln auch nach der neuen Konsenstheorie nicht als ein solch rechtserzeugender Konsens angesehen werden. Denn vier Staaten haben ausdrücklich gegen den Final Draft gestimmt und siebzehn Staaten haben sich enthalten 95 und damit das „Zustandekommen eines inter omnes rechtsbildenden Konsenses" 96 verhindert. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen zum Begriff der Übung 9 7 ist die Frage, ob solche abstrakten (Rechts-) Äußerungen als Übung angesehen werden können, heftig umstritten. 98 Die Vertreter eines sehr weiten Begriffs der Übung 9 9 sind der Auffassung, mündliche oder schriftliche Äußerungen und Stellungnahmen von Staatenvertretern, etwa im Rahmen internationaler (Kodifikations-)Konferenzen, seien vom Begriff der Übung umfaßt. Akehurst ζ. B. meint in seiner umfassenden Studie zum Gewohnheitsrecht:
91 Das berühmteste Beispiel für eine solche Äußerung dürfte die Erklärung des norwegischen Außenministers Ihlen sein, „ i n der Grönlandfrage keine Schwierigkeiten zu machen". Diese Erklärung hat der StIGH im Ostgrönland-Fall bekanntlich als verbindliches Versprechen gewertet, vgl. PCIJ, Ser. A/B, No. 53, p. 71. 92 Vgl. dazu statt vieler: Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 88 ff. 93 Vgl. B. Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der U N Generalversammlung, in: Fünftes deutsch-polnisches Juristenkolloquium Bd. 2, Baden-Baden 1981, S. 45 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 518 ff.; A.-J.-P. Tammes, The Status of Consent in International Law, N Y I L 1971, 1-28; M.S. McDougal, AJIL 1955, 356-361; R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 50-76 (72 f.). 94 Ebenda. 95 Vgl. UNCLOS ΠΙ, Off. Ree., Vol. XVI, 154 f. 96 So: B. Simma, Zur völkerrechtlichen Bedeutung . . . , aaO, S. 63. 97 Vgl. oben Β. I. 2. b). 98 Dafür: M. Akehurst, BYIL 1974/75, 1-53; M.E. Villiger, Customary Law, S. 6 ff. Dagegen: A. D'Amato, Concept..., S. 86 ff.; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 107. 99 Vgl. die Nachweise bei Β. I. 2. b).
0
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
„ I t is impossible to study modern international law without taking account of declaratory resolutions and other statements made by states i n abstracto concerning the content of international l a w . " 1 0 0
Villiger 101 schließt sich dieser Auffassimg mit der Begründung an, gerade die Staatenpraxis zeige, daß die Staaten u. a. Kommentare auf internationalen Konferenzen als konstitutiv für die „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut ansähen. So seien im Jahre 1949 weite Teile des völkerrechtlichen Vertragsrechts noch unklar und umstritten gewesen, kurz nach Abschluß der Wiener Vertragsrechtskonferenz habe die Staatengemeinschaft den Großteil der Vorschriften der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) aber als kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht angesehen. Wie sonst - so Villiger - sei dieses Phänomen zu erklären als durch den „impetus of the Conference"? 102 Hinzu komme, daß sich auch Gerichte und Wissenschaftler auf abstrakte Rechtsäußerungen bezögen. 103 Richtig an diesen Aussagen ist zunächst, daß man solche Äußerungen nicht vollends außer acht lassen kann, geben sie doch möglicherweise Aufschluß über das Rechtsverständnis des jeweiligen Staates. Richtig ist auch, daß die WVK einen beachtlichen Einfluß auf das Völkergewohnheitsrecht der internationalen Verträge gehabt hat, was u. a. dazu geführt hat, daß die Bestimmungen der WVK schon vor deren Inkrafttreten am 27. Januar 1980 104 eine wichtige Rolle in der Staatenpraxis und der internationalen Judikatur gespielt haben. 105 Daraus folgt aber noch nicht, daß diese Äußerungen und Stellungnahmen „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGHStatut sind. Sie mögen als Nachweis für die opinio iuris dienen, wenn sie sich auf eine (gefestigte) Staatenpraxis beziehen. Insoweit kann Akehurst auch gefolgt werden, wenn er sagt: „When states declare that something is customary law, it is artificial to classify such a declaration as about something other than customary l a w . " 1 0 6
Ohne eine vorangegangene Übung kann eine solche Erklärung aber nicht zur Entstehung von Normen des Völkergewohnheitsrechts beitragen 107 , so M. Akehurst, BYIL 1974/75, 1-53 (7). M.E. Villiger, Customary Law, S. 6-8. 102 Ebenda unter Hinweis auf u. a.: ICJ Rep. 1969, p. 38; 1974, p. 23; A. Bleckmann, Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV 1977, 506 f.; U. Scheuner y Internationale Verträge als Elemente der Bildung von völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht, in: Internationales Recht und Wirtschaftsordnung, Festschrift für F.A. Mann zum 70. Geburtstag, S. 409-438 (421 ff.); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 2. Aufl., S. 283; K. Skubiszewski, ZaöRV 1971, 812. 103 Ebenda. 104 Vgl. Art. 84 WVK; Stand 31.12.1987: 56 Vertragsparteien. Quelle: Multilateral Treaties Deposited w i t h the Secretary General, U.N. ST/LEG/SER.E/6, 767-768. 105 So wurde die Auslegungsregel der WVK ζ. Β. von dem Schiedsgerichtshof für das Abkommen über deutsche Auslandsschulden i n dessen Entscheidung über die Young-Anleihe (16.05.1980) herangezogen. Vgl. den deutschen Text i n GYIL 1980, 414-452. i° 6 M. Akehurst, BYIL 1974/75, 7. 101
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
1
daß solche Erklärungen allein auch nicht zum Nachweis solcher Normen herangezogen werden können. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch das Beispiel von Villiger, der übersieht, daß die Wiener Vertragsrechtskonferenz auf der Grundlage der Vorarbeiten der ILC arbeitete. Zu den Aufgaben der ILC gehört indes nicht nur das „progressive development", sondern auch die Kodifikation des Völkerrechts (im engeren Sinne). 108 Im Zusammenhang mit der Kodifikation ist die ILC gemäß Art. 20 ihres Statuts 1 0 9 verpflichtet, ihren Entwürfen Kommentierungen beizufügen, die „ - eine ausreichende Darstellung der Präzedenzfälle und andere einschlägige Unterlagen, einschließlich Verträge, Urteile und Lehrmeinungen, sowie - Schlußfolgerungen i m Hinblick auf: - das Ausmaß an Übereinstimmung über jeden einzelnen Punkt i n der Staatenpraxis und Lehre und - die bestehenden Divergenzen und Meinungsverschiedenheiten als auch die Argumente, die für die eine oder die andere Lösung angeführt werden,"
enthalten müssen. Somit kann die Akzeptanz der Bestimmungen der WVK als Gewohnheitsrecht sehr wohl auch anders erklärt werden. Nämlich nicht mit dem „impetus of the Conference", sondern aufgrund der Tatsache, daß es sich bei den heute als Völkergewohnheitsrecht anerkannten Bestimmungen der WVK schon während der Entwurf sphase um eben Völkergewohnheitsrecht gehandelt hat. Desweiteren kann die Tatsache, daß das Schrifttum sowie die Judikatur auf „abstract verbal acts" zurückgreifen, noch nicht deren Einordnimg als Staatenpraxis rechtfertigen. Denn eine solche Bezugnahme geschieht, wie die folgenden Ausführungen ergeben werden, zum großen Teil i m Zusammenhang mit dem Nachweis der opinio iuris. Gegen die Einordnung solcher Stellungnahmen als Staatenpraxis spricht jedenfalls aber die übliche Bedeutung des Begriffs „Übung" in Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut und der Rechtscharakter des Völkergewohnheitsrechts als „generalization of the practice of States". 110 Eine Einbeziehung abstrakter Stellungnahmen i n den Begriff der Übung würde der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit entgegenstehen, die die Quellen des Völkerrechts aufweisen müssen. 111 Akzeptierte man abstrakte Stellungnahmen als Übung, so würde der - bereits abgelehnten 112 - Lehre vom „instant law" der Zugang sozusagen durch die Hintertür wieder eröffnet. Hinzu kommt, daß sich Staaten wohl 107
So auch: G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 107. Vgl. Art. 16 f. des ILC-Statuts einerseits, Art. 18 ff. ILC-Statut andererseits. 109 U.N. Doc. A/CN.4/4/Rev.2 ; abgedruckt in: M. Schweitzer/W. Rudolf, Friedensvölkerrecht (Textsammlung), 3. Aufl. 1985, S. 820-826. 110 So: Richter Read in seiner Diss. Op. i m Fisheries Case, ICJ Rep. 1951, p. 191. 1 1 1 G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 107. uz Vgl. oben Β. I. 2. a). 108
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
k a u m n o c h auf i n t e r n a t i o n a l e n ( K o d i f i k a t i o n s - ) K o n f e r e n z e n äußern w ü r den, stellten solche Äußerungen eine „ Ü b u n g " i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t d a r . 1 1 3 Es b l e i b t somit festzuhalten, daß abstrakte (Rechts-)Äußerungen, gleichv i e l i n w e l c h e m R a h m e n sie abgegeben werden, n i c h t als gewohnheitsrechtsbegründende Ü b u n g angesehen w e r d e n k ö n n e n . 1 1 4 Selbst die ständige F o r m u l i e r u n g v o n a b s t r a k t e n A n s p r ü c h e n u n d Rechtsäußerungen
kann
allenfalls die Ü b u n g begründen, daß sie f o r m u l i e r b a r s i n d . 1 1 5 cc) V ö l k e r r e c h t l i c h e Verträge als Übung? A u f den ersten B l i c k scheint die Frage, ob v ö l k e r r e c h t l i c h e Verträge als „ Ü b u n g " i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t angesehen w e r d e n k ö n nen, i m negativen Sinne z u b e a n t w o r t e n z u sein, s i n d doch die v ö l k e r r e c h t l i c h e n Verträge i n A r t . 38 Abs. 1 (a) I G H - S t a t u t als eigenständige Rechtsq u e l l e 1 1 6 genannt u n d daher v o m Völkergewohnheitsrecht g r u n d s ä t z l i c h z u unterscheiden. Dies w i r d augenscheinlich n o c h k l a r e r , w e n n m a n die B e g r ü n d u n g e n f ü r die B i n d u n g s w i r k u n g dieser b e i d e n Rechtsquellen b e r ü c k s i c h t i g t . Diese b e r u h t b e i v ö l k e r r e c h t l i c h e n V e r t r ä g e n auf z w e i oder m e h r e r e n k o r r e s p o n d i e r e n d e n W i l l e n s e r k l ä r u n g e n sowie d e m G r u n d s a t z pacta sunt servanda. B e i m Völkergewohnheitsrecht bedarf es demgegenüber solcher WiZZenserklärungen n i c h t . 1 1 7 Gerade die Tatsache des V e r t r a g s 113
So auch: J. Lang, Le plateau continental de la mer du Nord. Arrêt de la Cour Internationale de Justice 20 février 1969, Paris 1970, S. 93. 114 So wohl auch: A. D'Amato , Concept, S. 88, der aber vorrangig staatliche Ansprüche im Auge hat, ζ. B. i n Form von Akten nationaler Gesetzgebung. Ähnlich: H.W.A. Thirlway , Codification, S. 57 f.: „ . . . the fact that the practice is,against interest' gives it more weight than the mere acceptance of a theoretical rule i n the course of discussion by State representatives at a conference, and considerably more weight than the assertion of such a rule . . . Claims may be made in the widest of general terms; but the occasion of an act of State practice contributing to the formation of custom must always be some specific dispute or potential dispute. The mere assertion in abstracto of the existence of a legal rule is not an act of State practice . . . Such assertions can be relied on as supplementary evidence both of State practice and of the existence of the opinio iuris." 115 So auch: G.J.H. van Hoof\ Rethinking the Sources, S. 107 unter Berufimg auf Richter Pal in seiner Dissenting Opinion zum Urteil des IMT für den Fernen Osten. 116 Hier soll der Begriff „Rechtsquelle" entsprechend der traditionellen Auffassung verwendet werden, wenngleich M. Bos, Recognized Manifestations of International Law, GYIL 1977, 8-76, überzeugend nachgewiesen hat, daß dieser Begriff zumindest mißverständlich ist. 117 Vgl. statt vieler: M. Bos, Methodology, S. 221 ff. Nach der voluntaristischen Konzeption insbesondere der sozialistischen Völkerrechtslehre beruht das Völkergewohnheitsrecht auf einer ausdrücklichen oder „stillschweigenden" Einigimg (pactum taciturn). Unter Zugrundelegung dieser Lehre läßt sich jedoch nicht erklären - und ein solcher Versuch ist tatsächlich auch noch nicht unternommen worden - , warum dann das Völkergewohnheitsrecht neben den Verträgen eine besondere Rechtsquelle darstellen soll. Letztlich läuft dies darauf hinaus, die Rechtsquelleneigenschaft des Völkergewohnheitsrechts zu leugnen, wenngleich in jüngerer Zeit eine Veränderung
Β. Das Völkergewohnheitsrecht schlusses scheint daher das Fehlen einer entsprechenden allgemeinen Regel z u bezeugen. W ü r d e m a n gezwungen sein, aus der A u f z ä h l u n g i n A r t . 38 Abs. 1 I G H - S t a t u t den Schluß z u ziehen, es handele sich b e i den Verträgen einerseits u n d dem Völkergewohnheitsrecht andererseits u m z w e i v o n e i n a n der v ö l l i g unabhängige Rechtsquellen, so b e d ü r f t e es i n der T a t keiner w e i teren E r ö r t e r i m g der o. g. Frage. E i n e solch s t r i k t e T r e n n i m g w i r d jedoch n i c h t vertreten. V i e l m e h r h a t sich die I L C bereits i m Jahre 1950 a u s d r ü c k l i c h dagegen ausgesprochen u n d die Beziehung zwischen Verträgen u n d Völkergewohnheitsrecht w i e folgt zusammengefaßt: 1 1 8 „Perhaps the differentiation between conventional international law and customary international law ought not to be too rigidly insisted upon, however. A Principle or rule of customary international law may be embodied in a bipartite or multipartite agreement so as to have, within the stated limits, conventional force for the States parties to the agreement so long as the agreement is in force; yet it would continue to be binding as a principle or rule of customary international law for other States." 119 A u c h i m v ö l k e r r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m 1 2 0 sowie i n der v ö l k e r r e c h t l i c h e n J u d i k a t u r 1 2 1 besteht grundsätzliche E i n i g k e i t darüber, daß sich eine s t r i k t e T r e n n u n g v o n Völkergewohnheitsrecht u n d Verträgen verbietet. So ist anerk a n n t 1 2 2 , daß B e s t i m m u n g e n i n b i - oder m u l t i l a t e r a l e n v ö l k e r r e c h t l i c h e n Verträgen s o w o h l Völkergewohnheitsrecht w i d e r s p i e g e l n 1 2 3 als auch v ö l k e r in der sowjetischen Haltung gegenüber dem Völkergewohnheitsrecht zu verzeichnen ist. So weist Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 566-584 (571), auf einen Aufsatz Lukasuks im Soviet Yearbook of International Law hin, der die Auffassung vertritt, „ . . . i n present international law custom plays an important role and its significance does not at all decrease. The number of customary norms is growing, they regulate a vast circle of international relations." Zu der (traditionellen) sowjetischen Auffassung vgl. G.I. Tunkin, Völkerrechtstheorie. 118 Ähnlich: S. Rosenne, Practice and Methods, S. 57. 119 YILC 1950 II, 368. 120 K. Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV 1976, 77-95; B. Flemming, Customary International Law and the Law of the Sea: A New Dynamic, in: Th.A. Clingan (Hrsg.), Law of the Sea: State Practice in Zones of Special Jurisdiction, Proceedings of the Law of the Sea Institute, 13th Annual Conference, October 15-18, 1979, Mexico City, Mexico, S. 489-505; B. Cheng, Custom: The Future of General State Practice i n a Divided World, in: Macdonald/Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law (1983), S. 513-554; U. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 409-438; A. D'Amato, Concept; ders., Manifest Intent and the Generation by Treaties of Customary Rules of International Law, AJIL 1970, 892-902; M. Akehurst, BYIL 1974/75, 1-53; S. Rosenne, Practice and Methods, S. 57; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 109 f.; J.K. Gamble Jr., The Treaty/Custom Dichotomy: A n Overview, Tex.Int'l.L.J. 1981, 305-319; G.L. Scott/C.L. Carr, The International Court of Justice and the Treaty/Custom Dichotomy, Tex.Int'l.L.J. 1981, 347-359; J.K Gamble Jr./M.D. Frankowska, The 1982 Convention and Customary Law of the Sea: Observations, a Framework, and a Warning, San Diego L. Rev. 1984,491-511; M. Bos, Methodology, S. 229 f.; R.R. Baxter, Multilateral Treaties as Evidence of Customary International Law, BYIL 1965/66, 257-300; ders., Treaties and Custom, RdC 1970 I, 31-104. 121 Vgl. ICJ Rep. 1969, pp. 3 ff.; 1985, pp. 3 ff. 122 Vgl. die vorstehenden Nachweise. Ferner: M. Bos, GYIL 1982, 9-53; R.Y. Jennings, Treaties as „Legislation", in: Festschrift für W. Friedmann (1979), S. 159-168.
. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
gewohnheitsrechtliche Geltung erlangen können. 1 2 4 Zum Teil wird sogar zwischen den beiden Rechtsquellen eine Wechselwirkung dergestalt angenommen, daß die eine die Unzulänglichkeiten der anderen ausgleichen können soll. 1 2 5 Flemming bemerkt dazu: „The heart of the theoretical problem we face is to be found in the relationship of treaties to custom because, if the revival or renewal of customary international law is to have any meaning at all, there must be a consistant theoretical relationship of one principal form of law creation to the other. The relationship must be viewed as an organic one and a dynamic one or else one can wind up having a theory which has no meaning whatever in the real w o r l d . " 1 2 6
Die Möglichkeit der Wandlung einer ursprünglich reinen Vertragsnorm zu Völkergewohnheitsrecht ist auch in Art. 38 WVK ausdrücklich anerkannt, der bestimmt: „Keine Bestimmung in den Artikeln 34 bis 37 schließt aus, daß eine in einem Vertrag festgelegte Regel für einen Drittstaat als eine Regel des Völkergewohnheitsrechts verbindlich wird, falls sie als solche anerkannt ist." 123 R.R. Baxter, BYIL 1965/66, 257-300 (286): „ I n theory a codification treaty purporting to state customary international law as it exists at the time of the adoption of the treaty is, if it secures the assent of a substantial number of States, powerful evidence of the state of customary international law. In this respect it deploys its effect upon non-parties to the treaty. I t does so because i t constitutes a clear and contemporary statement of the State practice of a substantial number of States and is therefore relatively much better evidence than the fragmentary, inconsistent and temporally varied manifestation of State practice which can ordinarily be adduced." Der I G H im Nicaragua Case, ICJ Rep. 1986, p. 97, para. 183: „Although the Court has no jurisdiction to determine whether the conduct of the United States constitutes a breach of the conventions, it can and must take them into account i n ascertaining the content of the customary international law." G.I. Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 168: „Infolge der großen Anzahl multilateraler Verträge, an denen alle oder fast alle Staaten beteiligt sind, sowie der erheblichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Kodifikation des Völkerrechts ist eine Situation entstanden, i n der internationale Verträge zum Mittel werden, Normen des allgemeinen Völkerrechts unmittelbar zu setzen, zu verändern und zu entwickeln." Insoweit ist bei solchen Verträgen Vorsicht geboten, die ausdrücklich bestimmen, Völkergewohnheitsrecht zu kodifizieren. So lautet die Präambel zur 1958er Konvention über die Hohe See: „Von dem Wunsche geleitet, die Regeln des Völkerrechts über die Hohe See zu kodifizieren." Noch eindeutiger ist insoweit die Präambel zur WVK: „Überzeugt, daß die in diesem Übereinkommen verwirklichte Kodifikation und fortschreitende Entwicklung . . . " . Solche Bestimmungen können zwar zutreffen, sie können aber ebensogut die Schaffung neuen Rechts verschleiern. Auf den subjektiven Willen der Vertragspartner im Hinblick auf die Allgemeinverbindlichkeit der Vertragsbestimmungen kommt es nicht an. So auch: K. Doehring, ZaöRV 1976, 80. 124 Vgl. z.B.: Β. Cheng, Custom: The Future of General State Practice in a Divided World, aaO; M. Bos, GYIL 1982, 9-53; ICJ Rep. 1969, p. 41: „ . . . a norm-creating provision which has constituted the foundation of, or has generated a rule which, while only conventional in its origin, has since passed into the general corpus of international law, and is now accepted as such by the opinio juris, so as to have become binding even for countries which have never, and do not, become parties to the convention." ICJ Rep. 1985, p. 29 f.: „ . . . multilateral conventions may have an important role to play i n recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them." 125 So neben Β. Flemming, New Dynamic, auch: R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 50-76 (51 f., 61, 74 f.). 126 Β. Flemming, New Dynamic, S. 494.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht D e r w o h l einfachste u n d allgemein a n e r k a n n t e 1 2 7 F a l l dieses W a n d l u n g s prozesses ist der der „ I m i t a t i o n " einer v e r t r a g l i c h e n B e s t i m m u n g d u r c h Nichtvertragsstaaten u n d dieser F a l l ist w o h l auch derjenige, den A r t . 38 W V K v o r r a n g i g i m Auge hat. Das setzt zunächst voraus, daß die betreffende V e r t r a g s b e s t i m m i m g gewisse Voraussetzungen e r f ü l l t , die i n jedem Falle gegeben sein müssen: „ . . . the provision concerned should, at all events potentially, be of a fundamentally norm-creating character such as could be regarded as forming the basis of a general rule of l a w . " 1 2 8 Desweiteren ist z u untersuchen, ob sich die N i c h t m i t g l i e d s s t a a t e n auch t a t sächlich k o n f o r m der V e r t r a g s b e s t i m m u n g verhalten. I n s o w e i t ist äußerste V o r s i c h t geboten: „The rule codified here undoubtedly is one of long standing, but it is another matter whether the case contemplated by it frequently materialized. In the instances it did, chances are that practice was influenced by the rule imitated, thus losing much of its improvisatory character. The same should apply to modern circumstances i n which multilateral treaties abound developing new rules of international law. But a warning should be sounded against too rash conclusions i n this respect: for do not States not parties to a treaty preserve their capacity of adopting a practice, and in due course a rule of customary international law, which however slightly is at variance w i t h the relevant rule as contained i n the treaty? Careful analysis of the practice alleged remains an essential task, therefore, whenever the existence of a rule of customary international law is asserted purportedly born from the imitation by third parties of a rule of treaty-law." 1 2 9 Abgesehen v o n diesem r e l a t i v einfachen -
wenngleich vorsichtig zu
behandelnden - u n d a n e r k a n n t e n Beispiel einer Wechselbeziehung z w i schen Vertrags- u n d Gewohnheitsrecht stellt sich aber n a c h w i e v o r die eingangs aufgeworfene Frage, ob v ö l k e r r e c h t l i c h e Verträge als solche b z w . deren B e s t i m m u n g e n oder A b s c h l u ß als „ Ü b u n g " i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t angesehen w e r d e n k ö n n e n oder m.a.W. ob dann, w e n n „häufige Vertragsschlüsse zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht des gleichen Inhalts führen können, im Rahmen der Bildung des Völkergewohnheitsrechts hierdurch das Element der Übung oder dasjenige der opinio iuris oder aber beides zum Ausdruck gebracht wird. Bei näherer Betrachtung stellt sich dann die weitere Frage, ob gerade diejenige Übung, die man bisher als ein wesentliches Element der Gewohnheitsrechtsbildung angesehen hat, überhaupt durch Vertragsschlüsse zum Ausdruck kommen kann." 1 3 0
127
Vgl. die vorstehenden Nachweise. ICJ Rep. 1969, p. 41; vgl. ferner 7. Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 2nd edition, Manchester 1984, S. 22. 129 M. Bos, Methodology, S. 229 f. 130 So auch: Κ. Doehring, ZaöRV 1976, 81. 128
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht D i e Auffassungen z u dieser Frage i m S c h r i f t t u m 1 3 1 sowie i n der v ö l k e r r e c h t l i c h e n J u d i k a t u r 1 3 2 s i n d geteilt. E i n i g e A u t o r e n 1 3 3 , w i e e t w a auch Flemming, meinen: „Because treaties are acts, as opposed to claims or notes of protest, and are formally and solemnly concluded, they are among the best evidence of the practice of states." 1 3 4 Gamble e t w a f ü h r t i m Z u s a m m e n h a n g m i t dieser Frage aus: „Another important point made in literature is that treaties, if repeated often enough, can form the basis of customary international l a w . . . Kopelmanas offered a good explanation, though he may have overstated the frequency of this occurrence: ,International practice i n legal matters readily admits that the repetition of the same rules in a certain number of treaties confers to those rules a legal value even beyond the legal systems of signatory states'." 135 D e r I G H h a t i m Fisheries - „most
Jurisdiction
Case 1 3 6 eine - w i e M. Bos es n e n n t 1 3 7
curious " A r t v o n Ü b u n g anerkannt. I n dieser E n t s c h e i d u n g sah der
Gerichtshof i n Fischereivorzugsrechten i n den einem Staat vorgelagerten Gewässern eines v o n z w e i Konzepten, welche „ . . . crystallized as customary law in recent years" 1 3 8 , i n d e m er sich auf verschiedene b i - u n d m u l t i l a t e r a l e Verträge als „ Ü b u n g " bezog: „The Court's attention has been drawn to the practice in this regard of the NorthWest and North-East Atlantic Fisheries Commissions, of which 19 maritime States altogether, including both Parties, are members; its attention has also been drawn to the Arrangement Relating to Fisheries in Waters Surrounding the Faroe Islands signed at Copenhagen on 18 December 1973 on behalf of the Governments of Bel131 Bejahend: Β. Flemming, New Dynamic, S. 496; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, 109; M. Akehurst, BYIL 1974/75, 42-52. Verneinend: Μ.E. Villiger, Customary Law, S. 10 ff. Nach R. Ago, La codification du droit international et les problèmes de sa réalisation, in: Receuil d'études de droit international en hommage à Paul Guggenheim (1968), 93-131, ist der Staatenvertrag „ u n instrument techniquement incapable de produire un droit général". Ähnlich: U. Scheuner, in: Festschrift für F.Α. Mann, S. 411. 132 Vgl. einerseits die North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, p. 43; andererseits den Fisheries Jurisdiction Case, ICJ Rep. 1974, p. 23. Auf beide Entscheidungen w i r d i m folgenden noch ausführlich eingegangen werden. 133 G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 109; H.W.A. Thirlway, Codification, S. 58 f.; A. D'Amato, Concept, S. 103-166. 134 B. Flemming, New Dynamic, S. 436. 135 J.K. Gamble Jr., The Treaty/Custom Dichotomy: An Overview, Tex.Int'l.L.J. 1981, 305-319 (313) unter Bezugnahme auf L. Kopelmanas, Custom as a Means of the Creation of International Law, BYIL 1937, 136. Selbstverständlich dürfen auch hier keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Hinzu kommen muß die opinio iuris generalis! 136 ICJ Rep. 1974, pp. 1-35. 1 37 M. Bos, Methodology, S. 229 f. 138 ICJ Rep. 1974, p. 23, para. 52.
Β. Das Völkergewohnheitsrecht gium, Denmark, France, the Federal Republic of Germany, Norway, Poland and the United Kingdom, and to the Agreement on the Regulation of the Fishing of NorthEast Arctic (Arcto-Norwegian) Cod, signed on 15 March 1974 on behalf of the Governments of the United Kingdom, Norway and the Union of Soviet Socialist Republics. Both aforesaid agreements, i n allocating the annual shares on the basis of the past performance of the parties i n the area, assign an additional share to the coastal State on the ground of its preferential right in the fisheries i n its adjacent waters. The Faroese Agreement takes expressly into account i n its preamble the exceptional dependence of the Faroese economy on fisheries and recognizes that the Faroe Islands should enjoy preference in waters surrounding the Faroe Islands." 1 3 9 Demgegenüber h a t t e die I L C z u m d a m a l i g e n E n t w u r f des h e u t i g e n A r t . 38 W V K festgestellt: „ I n none of the cases, however, can it properly be said that the treaty itself has legal effects for third States." 140 Gegen die Auffassung, die eine umfassende Vertragspraxis ohne E i n s c h r ä n k i m g als Ü b u n g einordnet, ist - m a n denke a l l e i n an die V i e l z a h l b i l a teraler Auslieferungsabkommen, die n i c h t zu einer entsprechenden N o r m des Völkergewohnheitsrechts geführt h a b e n 1 4 1 - m i t Doehring
einzuwenden:
„Die Behauptung allein, auf einem bestimmten Rechtsgebiet bestehe schon eine ausgedehnte Vertragspraxis, kann einen nicht durch derartige Verträge unmittelbar gebundenen, dritten Staat noch nicht zu einem entsprechenden Verhalten verpflichten. Weder die Zahl der Verträge, noch ihre Teilnehmerzahl oder Teilnehmerqualität allein können diesen Effekt herbeiführen." 142 Teile des S c h r i f t t u m s 1 4 3 , die ebenfalls n i c h t i n Verträgen als solchen eine Ü b u n g i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t sehen, versuchen dennoch, Verträge f ü r den Nachweis v o n Völkergewohnheitsrecht n u t z b a r z u machen. Diese S t i m m e n sehen i n d e m j e w e i l i g e n faktischen V e r h a l t e n der Staaten, welches sich auf den entsprechenden V e r t r a g d i r e k t bezieht, also e t w a i n der A n n a h m e / R a t i f i k a t i o n oder der dem V e r t r a g „nachfolgenden P r a x i s " , eine möglicherweise gewohnheitsrechtsbegründende Ü b u n g . D e n n - so e t w a U. Scheuner 144
- solche K o n v e n t i o n e n legen n u r p a r t i k u l a r e Ü b e r -
zeugungen fest, die erst i n allgemeine G e l t u n g erwachsen müssen. A u c h der I G H h a t i m Asylum Case 1 4 5 der R a t i f i k a t i o n b z w . der N i c h t R a t i f i k a t i o n i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e m Nachweis v o n V ö l k e r g e w o h n h e i t s 139
ICJ Rep. 1974, p. 26, para. 58. YILC 1966 II, 231. 141 Vgl. dazu statt vieler: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 580. 142 K. Doehring, ZaöRV 1976, 77-95 (92 f.). 143 Vgl. etwa U. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 421 ff.; R.R. Baxter, BYIL 1968, 293; D.Chr. Dicke, The Heleanna Case and International Lawmaking Treaties: A New Form of Concluding a Treaty?, AJIL 1975, 624-628 (627); E. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, Rechtsfragen territorialer Sonderregime, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 76, Berlin - Heidelberg New York 1980, S. 159. 144 U. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 422. 145 ICJ Rep. 1950, pp. 266-389. 140
7 Heintschel v. Heinegg
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
recht entscheidende Bedeutung beigemessen.146 In die gleiche Richtung weisen die Ausführungen des IGH in den North Sea Continental Shelf Cases 147 , wonach eine Vertragsbestimmung völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangen können soll durch „ . . . a very widespread and representative participation i n the Convention." 148
I m Grundsatz hat sich dem auch Thirlway angeschlossen, der jedoch wie folgt einschränkt: „ . . . it is also possible to regard ratification of a general convention as acts of State practice accompanied by opinio juris if the latter term is widened . . . to include the intention to conform to and assist the emergence of, a developing rule of customary law."149
Wenngleich diese Auffassung mit ihrer Hilfskonstruktion - Ratifikation, nachfolgende Praxis als gewohnheitsrechtlich relevante Übung - den selbst an die Übung gestellten Anforderungen insoweit gerecht wird, als sie dadurch auf ein faktisches Verhalten abstellen kann und somit in einem Vertrag als solchen bzw. in dem Vertragsschluß keine Übung zu sehen braucht, so ist diese Vorgehensweise nicht frei von Bedenken. Gemäß Art. 11 WVK ist - u. a. - die Ratifikation der Ausdruck eines Staates, durch den Vertrag gebunden zu sein. Die einem Vertragsschluß „nachfolgende Praxis" (im Sinne des Art. 31 Abs. 3 (b) WVK) ist in der Regel die Erfüllung von Vertragspflichten, mithin ein Verhalten, welches von einer opinio obligationis conventionalis, nicht aber von einer opinio iuris generalis 150 getragen ist. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, daß trotz der weiter oben festgestellten Wechselbeziehung zwischen Verträgen und Völkergewohnheitsrecht deren grundsätzliche Eigenständigkeit nicht vollends aufgehoben ist, was u. a. in den North Sea Continental Shelf Cases ja auch deutlich zum Ausdruck gekommen ist: „ . . . over half the States concerned . . . were or shortly became parties to the Convention, and were therefore presumably . . . acting actually or potentially i n the application of the Convention. From their action no inference could legitimately be drawn as to the existence of a rule of customary international l a w . " 1 5 1
Aus diesen Gründen kann und w i r d sich im Regelfall eine gewohnheitsrechtlich relevante Übung weder in der Ratifikation noch in der nachfolgenden Praxis erschöpfen können. 146
Ebenda, p. 277 f.: a custom could not be invoked against Peru, which far from having by its attitude adhered to it, has, on the contrary, repudiated it by refrainung from ratifying the Montevideo Convention." 147 ICJ Rep. 1969, pp. 3-257. 148 Ebenda, p. 42, para. 73. 149 H.W.A. Thirlway , Codification, S. 89. 150 So auch: Β. Cheng, Custom: The Future of General State Practice in a Divided World, aaO, S. 532. 151 ICJ Rep. 1969, p. 43, para. 76.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
Demgemäß fordern einige Autoren, daß zu der Tatsache des Vertragsschlusses ein außervertragliches Verhalten hinzutreten muß, welches die sonstigen Anforderungen an die Übung 1 5 2 erfüllt und dergestalt ist, daß es über die bloße Vertragserfüllung hinausgeht. 153 Villiger bemerkt dazu: „Such cases are certainly conceivable, for instance if States, upon acceptance maintained that, i n their view, the conventional rules were also customary, or if States parties to a convention applied its rules towards non-parties or towards other parties before the convention's entry into force. After the entry into force, States may maintain that they would have also adhered to a conventional rule on account of the customary rule embodied therein." 1 5 4
Andere wiederum meinen, daß zu dem Vertragsschluß hinzukommen müsse, „ . . . daß festgestellt werden kann, die angeführte Vertragspraxis bestätige ein unabwendbares, intensives und als lebensnotwendig empfundenes Interesse der Staatengemeinschaft oder auch ein solches Interesse, dem dasjenige an der Aufrechterhaltung der staatlichen Souveränität nicht i n besonderem Maße entgegengesetzt werden kann." 1 5 5
Diese Versuche im Schrifttum sind von dem Bestreben gekennzeichnet, einerseits zwar völkerrechtliche Verträge für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht heranziehen zu können, andererseits jedoch in keinem Falle die Verträge als solche als „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut einordnen zu müssen. Gerade der mit einem solchen Versuch einhergehende Anspruch auf A l l gemeinverbindlichkeit gibt schon hinreichend Anlaß zu Kritik. Allein die Vielfalt völkerrechtlicher Verträge und ihrer Regelungsbereiche schließt eine allgemeingültige Klärung der Frage aus, welches „außervertragliche Verhalten" oder welches „Interesse" letztlich maßgebend sein soll. So räumt denn auch Doehring ein, keine Kriterien dafür geben zu können, wie die geforderte Interessenlage festgestellt werden kann. 1 5 6 Die genannten Autoren scheinen auch zu übersehen, daß an die Übung - auch im Seevölkerrecht - bei weitem nicht diejenigen Anforderungen zu stellen sind, wie an einen gültigen Erwerbstitel, der - wie der IGH im Minquiers and Ecrehos Case 157 ausgeführt hat - abhängig ist von einem „actual exercise of sovereignty " bzw. - wenn die Souveränität bestritten ist - von dem Nachweis einer „continued existence and positive exercise by specific acts". 1 5 8
152 Dazu i m folgenden unter dd). 153 So auch: E. Klein, Statusverträge, S. 160; M.E. Villiger, Customary Law, S. 12. 154 M.E. Villiger, Customary Law, S. 12. 155 K. Doehring, ZaöRV 1976, 92 f. 1 56 K. Doehring, ZaöRV 1976, 92 f. 157 ICJ Rep. 1953, pp. 47-72. 158 So das Schiedsgericht in dem Palmas Island-Schiedsverfahren (RIAA, Vol. 2 (1949), 829-890). Vgl. dazu: R. Lagoni, Palmas Island Arbitration, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), 223-224. 7*
100
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Darum geht es im Zusammenhang mit dem Nachweis einer Übung gerade nicht; denn diese allein schafft noch kein (Gewohnheits-)Recht. Vielmehr läßt sich die Frage - akzeptiert man im Grundsatz, daß völkerrechtliche Verträge zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen können -, ob die Übung durch Vertragsschlüsse zum Ausdruck kommen kann, nur anhand des jeweiligen Einzelfalles beantworten. Dabei ist die grundsätzliche Trennung der beiden (klassischen) Völkerrechtsquellen ebenso zu berücksichtigen wie das Erfordernis der Verallgemeinerungsfähigkeit der betreffenden Vertragsbestimmimg. Eine solche Verallgemeinerungsfähigkeit w i r d aber nur dann gegeben sein, wenn die Bestimmung hinreichend spezifisch und konkret ist, d. h. wenn sie den Vertragsparteien nicht lediglich - abstrakte - Rechtspflichten auferlegt, die etwa noch eines Umsetzungsaktes bedürfen, sei es weil der mögliche Anspruchsgegener, sei es weil der betroffene Geltungsbereich noch nicht feststeht. „ I t is true that treaties may be considered usus, b u t . . . the treaty concerned must be concrete or specific enough to be able to delineate the content of a customary rule." 1 5 9
Nunmehr stellt sich die Frage, ob bi- oder multilaterale Abgrenzungsvereinbarungen bzw. deren Bestimmungen als Übung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut angesehen werden können. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zunächst, daß solche Vereinbarungen jedenfalls insoweit den soeben genannten Anforderungen gerecht werden, als sie die Konkretisierung eines Prinzips beinhalten können, welches sich in gleicher oder ähnlicher Ausgestaltung auch in anderen Vereinbarungen wiederfindet. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß der geforderte konkrete Bezug zu einem bestimmten Regelungsgegenstand allein schon deshalb gegeben ist, weil die Abgrenzungsvereinbarungen umfassend und unmittelbar den Rechtsstatus eines bestimmten Gebietes regeln. Hinzu kommt, daß häufig langjährige Streitigkeiten, etwa über Souveränitätsfragen, einer Lösung zugeführt werden. Zumindest einzelne Bestimmungen in diesen Verträgen können somit ohne größere Probleme verallgemeinert werden, so daß sie ohne weiteres als „Übung" im Sinne des Art. 38 Abs. 1 (b) IGH-Statut angesehen werden können. 159 G.J.H. van Hoof\ Rethinking the Sources, S. 109, dessen weitere Ausführungen jedoch deutlich machen, daß er ausschließlich Vertragsbestimmungen i n multilateralen Verträgen im Auge gehabt hat: „Furthermore . . . a treaty is of course binding on the States parties to it. Consequently, the question of its being capable of generating a customary rule is relevant only w i t h respect to States which are not parties to it. For a customary rule of international law to come into being for non-parties the latter must express their opinio juris w i t h respect to it. One should be careful, however, to draw the conclusion that they have indeed done s o . . . . it should seem that i n the case of a multilateral treaty which is open for ratification by all States, the opinio juris constituting the „accession by way of custom" has tò be unambiguous. The fact that a State is not prepared to ratify the treaty cannot be without significance i n such a situation."
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
101
Ein Vergleich der (seerechtlichen) Abgrenzungsverträge mit den Akten nationaler Gesetzgebimg bzgl. der maritimen Hoheitszonen bestätigt dieses Ergebnis. Werden die letztgenannten unter den oben dargelegten Voraussetzungen 160 als Übung anerkannt, so muß dies erst recht für die erstgenannten gelten. Für die Einordnung der (bilateralen) Abgrenzungsverträge als Übung spricht nicht nur der grundsätzlich den Akten nationaler Gesetzgebung gleiche Regelungsgegenstand, sondern zusätzlich die Tatsache, daß sich mindestens zwei Staaten in ihren internationalen Beziehungen geeinigt haben. Man kann daher (bilaterale) Abgrenzungsverträge betrachten als die Erhebung eines konkreten Anspruchs, dessen Realisierung durch Ziehen der jeweiligen Grenze und deren ausdrückliche Anerkennung durch einen anderen - betroffenen - Staat. Mithin können völkerrechtliche Verträge zwar nicht grundsätzlich als Übung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut angesehen werden. Etwas anderes gilt entsprechend den vorstehenden Ausführungen jedoch für biund multilaterale Abgrenzungsvereinbarungen. dd) Weitere Anforderungen an die Übung Schon eingangs dieses Abschnitts 1 6 1 wurde angedeutet, daß die Bezugnahme auf einige wenige Beispiele von Übung für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht nicht ausreichend sein kann. Vielmehr muß die Übung „allgemein", d. h. von einer gewissen Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung sein. 162 Hinsichtlich des Merkmals der Dauer besteht Einigkeit darüber, daß die für die Entstehung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts erforderliche Zeit unterschiedlich sein kann und von dem jeweiligen Einzelfall abhängt. 163 Dies kann u.U. dazu führen, daß sich eine Norm des Völkergewohnheitsrechts in relativ kurzer Zeit entwickelt: 1 6 4 „ . . . the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international l a w . " 1 6 5 160 vgL oben unter aa). 161 S.o. I. 1. 162 Ganz allgemeine Meinung. Vgl. dazu statt vieler: Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 80 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 553 ff., 571 f. 163 w i e vor. Vgl. ferner M. Bos, Methodology, S. 233 f.; R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 66. 164 Vgl. die vorstehenden Nachweise. Demgegenüber hatte Richter Negulesco in seiner Dissenting Opinion zum Gutachten des StIGH zur Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Ser. B, No. 14, 105, noch eine „continuous practice from time immemorial" gefordert. Der I G H hat niemals ein bestimmtes Zeitlimit gesetzt, sondern lediglich eine „constant practice" gefordert. Vgl. Asylum Case, ICJ Rep. 1950, p. 276 f.; Fisheries Case, ICJ Rep. 1951, p. 139; US Nationals in Morocco Case, ICJ Rep. 1952, p. 200 f.; Right of Passage Case, ICJ Rep. 1960, p. 40. 1 65 ICJ Rep. 1969, p. 43, para. 74.
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Teil: Der
echtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Es reicht aus, daß die Übung „constant and uniform" 166 bzw. „extensive and uniform" 167 ist, was selbstverständlich einen gewissen Zeitablauf voraussetzt. 168 Die erforderliche Einheitlichkeit der Übung ist gegeben, wenn eine mehrfach geübte Praxis nicht von einer abweichenden Praxis begleitet w i r d . 1 6 9 Gelegentliche Abweichungen beeinträchtigen die Einheitlichkeit nicht. 1 7 0 Etwas schwieriger zu fassen ist das Merkmal der Verbreitung („extensive"), wenngleich insoweit Einigkeit darüber besteht, daß nicht alle Staaten an der jeweiligen Übung partizipieren müssen. 171 Dies ergibt schon ein Vergleich der lit. (a) mit lit. (b) des Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut. Danach muß die Norm des Völkergewohnheitsrechts gerade nicht von den Streitparteien, sondern eben nur „allgemein" angenommen sein. 172 Keine Einigkeit besteht hingegen über die Anzahl der Staaten, die sich an dieser Übung beteiligen müssen. 173 Muß es sich um eine Übung von fast universellem Ausmaß handeln oder ist es ausreichend, daß sich ein Großteil der Staaten an ihr beteiligt? 174 Die Antwort auf diese Frage ergibt sich fast von selbst, wenn man sich den Hintergrund der erstgenannten Position vor Augen hält. Die Forderung nach einer fast universellen Übung ist offensichtlich bedingt durch die jeweilige Methode des Nachweises der opinio iuris. Deduziert man diese aus der Übung und muß die opinio iuris - wie etwa nach Ansicht des IGH - fast universell bestehen, so kommt man nicht umhin, dieses Merkmal eben auch für die Übung zu fordern. 175 Dies ist jedoch nicht der einzige und wohl auch nicht vorzugswürdige Weg des Nachweises der opinio iuris. Hinzu kommt, daß auch der IGH - insbesondere im Zusammenhang mit Völkergewohnheitsrecht aus Verträgen - selbst nicht immer auf eine fast universelle Übung abstellt. 1 7 6 Letztlich w i r d man das Merkmal der Verbreitimg nicht abstrakt bestimmen können. Vielmehr handelt es sich dabei um ein äußerst relatives Erfordernis, dessen Ausfüllung von dem jeweils zu entscheidenden Einzelfall abhängt. 177 166
ICJ Rep. 1950, p. 232. ICJ Rep. 1969, p. 41, para. 70. 168 So auch: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 571. 169 v g l statt vieler: Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 80. 170 Ebenda. 171 Vgl. statt vieler: Verdross/Simma, §§ 553 ff. 172 Ebenda. 173 Vgl. zu diesem Fragenkreis: G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 110 ff.; M. Bos, Methodology, S. 231 ff.; M.E. Villiger, Customary Law, S. 22 f. 174 Diese gegensätzlichen Positionen sind u. a. beschrieben bei G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 110 ff. m.w.N. 175 Vgl. dazu K. Wolfke, Custom in Present International Law, S. 122-129; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 110 f.; M.E. Villiger, Customary Law, S. 22 f.; M. Bos, Methodology, S. 232 f. 176 Dazu sogleich. 177 So auch: G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. I l l f. 167
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
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Eine andere i n diesem Zusammenhang interessierende Frage ist die, ob der Übung bestimmter Staaten eine besondere Bedeutimg, sei es in negativer, sei es in positiver Hinsicht, zukommt. Zum einen darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß die Übung ein Element zur Entstehung von Rechtsnormen darstellt, die allgemein gelten sollen. Daher muß die Anzahl der an dieser Übung beteiligten Staaten nicht nur relativ groß sein. Vielmehr müssen diese Staaten auch die verschiedenen geographischen Regionen und sozio-politischen Systeme repräsentieren. Denn in der gegenwärtigen Staatengemeinschaft, die aufgrund ideologischer und politischer Unterschiede in verschiedene Lager geteilt ist, ist die Repräsentation einer jeden dieser Gruppe unverzichtbar. Nur wenn dies gewährleistet ist, w i r d die Möglichkeit bestehen, die allgemeine Geltung einer aufgrund dieser Übung entstandenen Norm zu bejahen. 178 Zum anderen hat der I G H in den North Sea Continental Shelf Cases gefordert, daß die Übung die Praxis derjenigen Staaten einschließen müsse, deren „ . . . interests were specially affected." 179
Dies bedeutet, daß - auch wenn es um die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht aus (multilateralen) Verträgen geht 1 8 0 - eine Übung, an der sich nicht - auch 1 8 1 - „specially affected States" beteiligen, grundsätzlich nicht zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht beitragen kann. Die Feststellung, ob ein Staat „specially affected" ist, bereitet i n einigen Fällen erhebliche Schwierigkeiten, da je nach Regelungsmaterie des betreffenden Vertrages das besondere Betroffensein stark variieren kann. 1 8 2 Hinsichtlich der hier zu untersuchenden Übung betreffend die Behandlung von Inseln treten solche Schwierigkeiten nicht auf, da nur solche Staaten besonders betroffen sein können, zu deren Hoheitsgebiet Inseln zählen oder deren Seegebiete durch die Existenz von Inseln eines anderen Staates irgendwie beeinträchtigt werden. Andere Staaten würden weder in Abgrenzungsverträgen noch i n ihren Akten nationaler Gesetzgebung auf Inseln Bezug nehmen. Schließlich bleibt noch zu klären, ob die Übung bestimmter Staaten unberücksichtigt bleiben muß. Dies ist für die Frage der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten aus folgendem Grunde von entscheidender Bedeutung. Wie weiter oben gezeigt wurde 1 8 3 , ist der Grundsatz der Gleichbehandlung u. a. auch in der 1958er Genfer Festlandsockel Konvention (Art. 178
So auch: C.L. Rozakis, Occasional Paper No. 27, S. 5. ICJ Rep. 1969, p. 42, para. 73. 180 So der IGH, ebenda. 181 Aus der Formulierung des I G H („including") folgt, daß sich nicht alle „specially affected States" beteiligen müssen. So auch: M. Bos, Methodology, S. 233. 182 vgL die Beispiele bei M.E. Villiger, Customary Law, S. 14 f. 183 S.o. A . I I . 179
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
1 (b)) niedergelegt. Für einen solchen Fall der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht aus einem völkerrechtlichen Vertrag hat der IGH i n den North Sea Continental Shelf Cases aber gefordert, daß die Übung der Mitgliedsstaaten der Konvention außer acht gelassen werden müsse: 184 „From their action no inference could legitimately be drawn as to the existence of a rule of customary international l a w . " 1 8 5
M. Bos schließt sich dem wie folgt an: „ F i n a l l y , . . . States parties to that treaty are of necessity excluded from the number of States concerned by a general custom which might have derived from that treaty: for between the same States a rule cannot be a treaty rule and a rule of customary international law at once." 1 8 6
Diese Begründung kann letztlich aber nicht überzeugen. Schon die ILC ist im Jahre 1950 davon ausgegangen, daß „(A) principle or rule of customary international law may be embodied in a bipartite or multipartite agreement so as to have, within the stated limits, conventional force for the States parties to the agreement so long as the agreement is in force; yet it would continue to be binding as a principle or rule of customary international law for other States." 187
Daraus folgt - und das zweifelt Bos augenscheinlich auch nicht an - , daß jedenfalls ein und dieselbe Norm ζ. B. den Staat A dem Staat Β gegenüber vertraglich, dem Staat C gegenüber jedoch gewohnheitsrechtlich binden kann. Ist eine gewohnheitsrechtliche Bindung aber zwangsläufig ausgeschlossen, wenn sowohl Staat A als auch Staat Β Mitglieder des betreffenden Vertrages sind? Das würde zur Folge haben, daß ein etwa von Staat A eingelegter Vorbehalt, dem der Staat Β widersprochen hat, die betroffenen Bestimmungen zwischen diesen beiden Staaten ausschließen würde. Soll in einem solchen Fall eine möglicherweise bestehende völkergewohnheitsrechtliche Norm gleichen Inhalts nicht zur Anwendung kommen können, obwohl das Völkergewohnheitsrecht grundsätzlich nicht von Vorbehalten betroffen sein kann? 188 I n seiner Entscheidung vom 27. Juni 1986 (Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA)) 1* 9 hat sich der IGH just 184 Der I G H hat i n dieser Entscheidung (ICJ Rep. 1969, p. 39, para. 63) zwar Art. 1 (und die Art. 2 und 3) FSK bezeichnet als „received or at least emergent rules of customary international law" und scheint von dessen gewohnheitsrechtlicher Geltung wie selbstverständlich auszugehen. Ein Nachweis in dieser Hinsicht fehlt jedoch. Hinzu kommt, daß diese Aussage des I G H allenfalls - wegen des Wortlauts von Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut - als Hilfsmittel zur Bestätigung eines durch einen Nachweis erbrachten Ergebnisses herangezogen werden könnte. 185 ICJ Rep. 1969, p. 43, para.76. 186 M. Bos, Methodology, S. 233. 187 YILC 1950 II, 368. 188 Vgl. dazu statt vieler: ICJ Rep. 1969, p. 38 f., para. 63. 189 ICJ Rep. 1986, pp. 12-150.
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
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m i t dieser Frage befaßt u n d festgestellt, daß e i n u n d dieselbe N o r m z w e i Staaten s o w o h l v e r t r a g l i c h als auch g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h b i n d e n k a n n . Schon i n seiner E n t s c h e i d i m g v o m 26. N o v e m b e r 1 9 8 4 1 9 0 h a t t e sich der I G H i n eben diesem F a l l k u r z z u dieser Frage geäußert: „The Court cannot dismiss the claim of Nicaragua under principles of customary and general international law, simply because such principles have been enshrined in the texts of the conventions relied upon by Nicaragua. The fact that the above mentioned principles, recognized as such, have been codified or embodied i n multilateral conventions does not mean that they cease to exist and to apply as principles of customary law, even as regards countries that are parties to such convention." 1 9 1 D i e E n t s c h e i d u n g v o m 27. J u n i 1986 n i m m t auf diese Feststellungen Bezug u n d geht auf die Einzelfragen genauer ein: „ . . . even if a treaty norm and a customary norm relevant to the present dispute were to have exactly the same content, this would not be a reason for the Court to take the view that the operation of the treaty process must necessarily deprive the customary norm of its separate applicability. Nor can the multilateral treaty reservation be interpreted as meaning that, once applicable to a given dispute, it would exclude the application of any rule of customary international law the content of which was the same as, or analoguous to, that of the treaty-law rule which had caused the reservation to become effective." 192 „There are a number of reasons for considering that, even if two norms belonging to two sources of international law appear identical i n content, and even if the States in question are bound by these rules both on the level of treaty-law and on that of customary international law, these norms retain a separate existence. This is so from the standpoint of their applicability. I n a legal dispute affecting two States, one of them may argue that the applicability of a treaty rule to its own conduct depends on the other State's conduct in respect of the application of other rules, on other subjects, also included in the same treaty." 1 9 3 „ I t w i l l therefore be clear that customary international law continues to exist and to apply, separately from international treaty-law, even where the two categories of law have an identical content." 1 9 4 S o m i t k a n n ein u n d dieselbe Regel zwischen z w e i Staaten sehr w o h l v e r t r a g l i c h als auch g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h gelten. D a n n aber ist die Ü b u n g der Vertragsstaaten n i c h t v o n v o r n h e r e i n f ü r den Nachweis v o n V ö l k e r g e w o h n heitsrecht ausgeschlossen. Es g i l t i n s o w e i t n u r die E i n s c h r ä n k u n g , daß sich deren Ü b u n g n i c h t l e d i g l i c h als V e r t r a g s e r f ü l l u n g darstellen darf. V i e l m e h r bedarf es einer genauen Untersuchung, ob diese Ü b u n g - zumindest auch v o n einer o p i n i o i u r i s generalis getragen ist.
190 191 192 193 194
ICJ Rep. 1984, pp. 164-188, 392-443. ICJ Rep. 1984, p. 424, para.73. ICJ Rep. 1986, p. 94, para.175. Ebenda, p. 95, para.178. Ebenda, p. 96, para.179.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht 3. Das subjektive Element - die opinio iuris
W e n n g l e i c h - w i e die vorstehenden A u s f ü h r u n g e n ergeben h a b e n 1 9 5 - die Ü b u n g notwendiges Element des Völkergewohnheitsrechts u n d d a m i t f ü r dessen Nachweis u n v e r z i c h t b a r ist, r e i c h t sie als solche - selbst w e n n sie die genannten A n f o r d e r u n g e n e r f ü l l t 1 9 6 - n i c h t aus. A r t . 38 A b s . l (b) I G H - S t a t u t v e r l a n g t neben der Ü b u n g deren A n e r k e n n u n g als Recht: die o p i n i o i u r i s sive necessitatis. 1 9 7 A u c h der S t I G H u n d der I G H haben i m m e r w i e d e r klargestellt, daß es neben d e m o b j e k t i v e n E l e m e n t auch des s u b j e k t i v e n Elements b e d a r f . 1 9 8 A m ausführlichsten h a t der I G H z u diesem Fragenkreis i n den North tinental
Sea Con-
Shelf Cases S t e l l u n g genommen u n d gefordert, daß beide Elemente
gegeben sein müssen, u m eine N o r m des Vertragsrechts z u einer solchen des Völkergewohnheitsrechts w e r d e n z u lassen: „ . . . not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out i n such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief, i. e., the existence of a subjective element, is implicit i n the very notion of opinio juris sive necessitatis. The States concerned must therefore feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation.... The frequency, or even habitual character of the acts is not in itself enough. There are many international acts, e. g. i n the field of ceremonial and protocol, which are performed almost invariably, but which are motivated only by considerations of courtesy, convenience, or tradition, and not by any sense of legal d u t y . " 1 9 9
"β S.o. Β. I. 2. a). 196 Vgl. dazu oben Β. I. 2. b) dd). 197 Zwar ist im völkerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten worden, die bloße Übung der Staaten könne Völkergewohnheitsrecht erzeugen (vgl. etwa P. Guggenheim, Contribution à l'histoire des sources du droit des gens, RdC 1958 II, 5-84; F.A. von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, Regensburg 1952, S. 135 ff.; H. Kelsen, Théorie du droit international coutumier, Revue internationale de la théorie du droit, Nouvelle Série 1939, S. 253 ff.; L. Kopelmanas, Custom as a Means of the Creation of International Law, BYIL 1937,129 f.: „ . . . the repetition of similar acts by States . . . is i n truth the substance of the question."; H. Kelsen, Principles of International Law, 2. Aufl. (hrsgg. von Tucker, 1966), 450 f. und P. Guggenheim, Traité de Droit international Public I, 2. Aufl. Paris 1967, S. 103 ff., haben ihre Meinungen aber revidiert. J.P. Müller, Vertrauensschutz im Völkerrecht, Köln 1971, S. 92 ff. schlägt vor, die opinio iuris durch das Kriterium des Vertrauensschutzes zu ersetzen. Dies ist jedoch abzulehnen, da das Moment des Vertrauens stets an eine bilaterale Beziehung gebunden ist und daher nicht eine allgemeine Bindung zu begründen vermag. Heute wird allgemein anerkannt, daß nur diejenige Übung Völkergewohnheitsrecht begründet, die von einer opinio iuris sive necessitatis getragen ist. Vgl. dazu die folgenden Nachweise sowie Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 551. 198 Vgl. neben den North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, pp. 3-257, auf die im folgenden noch ausführlich eingegangen werden wird, den Lotus Case, PCIJ Ser. A, No. 10 (1927), 28; und den Asylum Case, ICJ Rep. 1950, p. 286. 199 North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, p. 44.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
a) Begriff
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und Inhalt der opinio iuris
Bevor nun auf die Frage eingegangen werden kann, wie der Nachweis des subjektiven Elements zu erfolgen hat, bedarf es zunächst einer - kurzen Erläuterung von Begriff und Inhalt der opinio iuris 2 0 0 , wie sie im folgenden zugrunde gelegt werden sollen. Guggenheim 201 hat nachgewiesen, daß das Element der opinio iuris erst mit der historischen Schule des 19. Jahrhunderts in den Begriff des Gewohnheitsrechts eingeführt worden ist. Die naturrechtliche Lehre 2 0 2 hatte stattdessen die Rationalität gefordert. 203 Heute hat sich dieses Erfordernis normativer Bewertung staatlichen Handelns jedoch längst gefestigt und darf daher als allgemein anerkannt gelten. 204 Legte man zum Verständnis des Elements der opinio iuris die von der sozialistischen Völkerrechtstheorie 205 wieder aufgenommene Vertragstheorie zugrunde, wonach das Völkergewohnheitsrecht durch einen stillschweigenden Vertrag zustandekommt und seine Normen nur diejenigen Staaten verpflichten können, die ihnen zugestimmt haben, so würde zwar nicht der Rationalität, jedoch dem Willen der Staaten - bzw. der Staatsorgane - eine entscheidende Bedeutung zukommen. Auf den Willen bzw. eine wie auch immer geartete Willensäußerung kann es im Zusammenhang mit dem Völkergewohnheitsrecht aber nicht ankommen. 206 M.Bos hat sich diesem Fragenkreis in seiner „Methodology of International Law " 2 0 7 gewidmet und diese voluntaristische Konzeption sehr überzeugend wie folgt abgelehnt: „ . . . it is not man's w i l l (voluntas) which determines what is law, and there is no room for voluntarism. Man's w i l l can only be relevant within legal method, i. e., to the extent that legal method itself allows it a margin in which to exert itself. But the w i l l thus set free may then fancy itself free from the outset, i. e., not through the intercession of legal method, but by nature. It may also imagine itself to be omnipotent, or at least at the origin of every single legal rule i n existence. The result would, again, be voluntarism." 2 0 8
200 v g l dazu allgemein: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 550 ff., 560 ff.; M. Bos, Methodology, S. 221 ff.; M.E. Villiger, Customary Law, S. 25 ff.; G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 91 ff.; jeweils m.w.N. 201 Ρ. Guggenheim, Contributions à l'histoire des sources du droit des gens, RdC 1958 II, 5-84. 202 v g l dazu die Nachweise bei A. Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV 1969, 635-653 (636 f.). 203 Vgl. statt vieler: E. de Vattel, Droit des gens, Einl. § 26. 204 So auch:î7. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 416. 205 Vgl. statt vieler: G.I. Tunkin, Völkerrechtstheorie, S. 153 ff. 206 So auch: R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 62. 207 M. Bos, Methodology. 208 M. Bos, Methodology, S. 221 f.
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
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M. Bos versteht u n t e r der o p i n i o i u r i s daher „ . . . the conviction that some rule or other,makes good law' even though it may not boast of any voluntas behind it. The opinio iuris embodies a conviction about the way i n which the subjects of law should or may behave in their relations w i t h each other. "209 Diese „Rechtsüberzeugung" muß n i c h t , w i e der I G H i n den North tinental
Sea Con-
Shelf Cases etwas u n g l ü c k l i c h f o r m u l i e r t hat, gleichgesetzt w e r d e n
mit „ . . . a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring i t " , 2 1 0 sondern m i t einem » . . . b e l i e f . . . that a certain practice should or may be followed by rights because it satisfies a conception of legal propriety held by the States concerned and rooted in their NCL (= Normative Concepts of Law) for international relations." 2 1 1 D a b e i k o m m t es n i c h t auf die Überzeugung oder gar den Konsens jedes einzelnen Staates a n 2 1 2 , sondern auf einen allgemeinen Konsens i n dem Sinne, daß er eben n i c h t b e i jedem einzelnen M i t g l i e d der Staatengemeinschaft festgestellt w e r d e n m u ß . 2 1 3 b) Der Nachweis
der opinio
iuris
G r u n d s ä t z l i c h besteht s o w o h l i m v ö l k e r r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m 2 1 4 als auch i n der v ö l k e r r e c h t l i c h e n J u d i k a t u r 2 1 5 E i n i g k e i t darüber, daß die Ü b u n g als Nachweis f ü r die o p i n i o i u r i s herangezogen w e r d e n k a n n . I n den North Continental
Shelf Cases216
Sea
f ü h r t e der I G H i n diesem Z u s a m m e n h a n g aus:
„Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of the rule of law requiring i t . " 2 1 7 209
Ebenda, S. 222. ICJ Rep. 1969, p. 44, para. 77. 211 M. Bos, Methodology, S. 223 (Klammerzusatz vom Verfasser). 212 So auch E. Jiménez de Aréchaga, International Law in the Past Third of a Century, RdC 1978 I, 29: „ . . . customary rules are the product of general consensus, not of individual State consent, express or implied." 213 Der Begriff „Konsens" darf dabei nicht mit „Übereinstimmung" oder ähnlichen Begriffen gleichgesetzt werden! Vgl. dazu ebenfalls AT. Bos, Methodology, S. 236. 214 Vgl. etwa: 17. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 416; M. Sorensen, Principe de droit international public, RdC 1960 III, 47. Siehe auch: J. Dulsberg, Das subjektive Element im Völkergewohnheitsrecht, JIR 1965, 157; R.R. Baxter, RdC 1970 I, 80. 215 Vgl. etwa: Lotus Case, PCIJ Ser. A, No.10; Case concerning Rights of Nationals of the United States of America in Morrocco, ICJ Rep. 1952; Nottebohm Case, ICJ Rep. 1955; North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969. Eine genaue Untersuchung dieser Fälle hinsichtlich der Frage des Nachweises der opinio iuris findet sich bei M. Bos, Methodology, S. 237-241. 21 ® ICJ Rep. 1969, pp. 3-257. 210
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
10
Danach bedürfte es also für den Nachweis der opinio iuris neben den Beispielen für eine Übung auch einer Bewertung der sie begleitenden Umstände, d. h. ihrer „Verbreitung" und „Einheitlichkeit". Läßt diese Rückschlüsse auf ein mit dem Verhalten korrespondierendes Rechtsbewußtsein zu, so ist der Nachweis einer entsprechenden Norm des Völkergewohnheitsrechts gelungen. 218 Diese Art des Nachweises ist aber - wenngleich auf den ersten Blick bestechend einfach - nicht frei von Schwierigkeiten und, wie der Lotus Case219, der Case concerning Rights of Nationals. . . 2 2 0 und auch die North Sea Continental Shelf Cases221 zeigen, erst recht nicht immer von Erfolg gekrönt. 222 Auch können die soeben zitierten Ausführungen des IGH zumindest mit dieser Formulierung - keine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen, weil dann die Herausbildung neuen Völkergewohnheitsrechts die irrige Überzeugung der Staaten voraussetzte, bereits rechtlich gebunden zu sein. 223 Schließlich müßte die Untersuchung einer Übung, die als solche nicht erkennen läßt, ob sie von einer opinio iuris getragen ist 2 2 4 , an dieser Stelle enden. Daher müssen neben der Übung - nicht nur im Hinblick auf die Herausbildung neuen oder abgeänderten Völkergewohnheitsrechts, sondern auch im Hinblick auf bestehendes Völkergewohnheitsrecht - für den Nachweis der opinio iuris weitere Kriterien herangezogen werden können. Grundsätzlich kann der Nachweis der opinio iuris nur gelingen, wenn „das Bestehen der Regel artikuliert oder behauptet" 2 2 5
worden ist.
217
Ebenda, p. 44. So auch: H. Lauterpacht, The Development of International Law by the International Court, London 1958, S. 380; M. Sorensen, Les sources du droit international, Kopenhagen 1946. 219 PCIJ Ser. A, No. 10 (1927). 220 ICJ Rep. 1952, pp. 176-233. 221 ICJ Rep. 1969, pp. 3-257. 222 Ähnlich i n der Beurteilung: U. Scheuner, in: Festschrift für F.A. Mann, S. 416. 223 So auch: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 33 f.; vgl. dazu aber auch M. Bos, Methodology, S. 223. 224 Vgl. dazu: L.B. Sohn, Unratified Treaties as a Source of Customary International Law, in: A. Bos/Siblesz (Hrsg.), Realism i n Law-Making. Essays in honour of Willem Riphagen, Dordrecht - Boston - Lancaster 1986, S. 231-246 (236): „The requirement of acceptance is connected also w i t h the most basic proposition of customary international law, namely that it is founded on the consent of States. When a State accepts a treaty, that consent is explicit, but i n case of a principle of customary international law, the consent is often tacit. Ordinarily, only some States take action clearly implying their acceptance of a principle or rule. Other States accept the new rule simply by acquiescing in it, e. g., by not protesting though their interests are affected by the principle or rule." 225 So: R. Bernhardt, ZaöRV 1976, 63. 218
10
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Diese Notwendigkeit hat auch der IGH erkannt und schon fünf Jahre nach den North Sea Continental Shelf Cases im Fisheries Jurisdiction Case226 klargestellt, daß im Anschluß an die 1958er Genfer Konventionen „ . . . the law evolved through the practice of States on the basis of the debates and near agreements at the Conference." 227
Eine große Mehrheit der Teilnehmerstaaten habe i m Verlauf der 2. Seerechtskonferenz den Neuerungen zugestimmt, „ . . . thus showing overwhelming support for that idea . . . After these Conferences, t h e . . . rights were recognized in various bilateral and multilateral instruments." 2 2 8
Diese Ausführungen des IGH reihen sich in den bereits oben 2 2 9 angeschnittenen großen Fragenkreis nach dem Verhältnis von Völkergewohnheits- und Vertragsrecht ein und legen die Annahme nahe, daß nicht nur Bestimmungen in ratifizierten 2 3 0 , sondern auch die in nicht-ratifizierten Verträgen 231 und damit im Ergebnis die Konferenzergebnisse 232 - für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht bzw. der opinio iuris herangezogen werden können. Dies ist insbesondere deshalb beachtlich, weil doch gerade die Tatsache der Nicht-Ratifikation gegen das Bestehen einer opinio iuris zu sprechen scheint. Eben vor dieser Frage stand auch die Kammer des I G H im Gulf of Maine Case233 in bezug auf die 1982er Seerechtskonvention. Nachdem die Kammer ausdrücklich festgestellt hatte, daß die Seerechtskonvention von 1982 noch nicht in Kraft getreten sei und eine große Anzahl von Staaten diese wohl auch nicht ratifizieren werde, stellte sie fest: 226
ICJ Rep. 1974, pp. 1-206. Ebenda, p. 23, para. 52. M i t der vom IGH in Bezug genommenen „Conference" ist die gescheiterte 2. Seerechtskonferenz von 1960 gemeint. 228 Ebenda, p. 26, para. 58. 229 S.o. Β. I. 2. b) cc). 230 Die völkerrechtliche Judikatur hat sich schon immer der Verträge zum Nachweis des Völkergewohnheitsrechts bedient. Vgl. etwa: Lotus Case, PCIJ Ser. A, No. 10 (1927); Wimbledon Case, PCIJ Ser. A, No. 1 (1923); Asylum Case, ICJ Rep. 1950, pp. 266-389; Fisheries Case, ICJ Rep. 1951, pp. 116-206; Rights of Nationals of the United States of America in Morocco Case, ICJ Rep. 1952, pp. 176-233; North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, pp. 3-257; Nottebohm Case, ICJ Rep. 1955, pp. 4-65; 111125. Denn „(T)he clearest proof of opinio iuris sive necessitatis is an express declaration by a State that it believes itself bound by, or that from now on it w i l l adhere to, a certain principle or rule. Greater weight might be attached to the sincerity of a State's commitment, if it has become embodied i n treaties binding upon it." So: L.B. Sohn, Unratified Treaties as a Source of Customary International Law, in: A. Bos/Siblesz (Hrsg.), Realism in Law-Making, S. 231-246 (235). 231 Vgl. zu diesem Fragenkreis: L Sinclair, The Impact of the Unratified Codification Convention, in: A. Bos/Siblesz (Hrsg.), Realism i n Law-Making, S. 211-229; L.B. Sohn, Unratified Treaties as a Source of Customary International Law, ebenda, S. 231-246. 232 Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 566-584 (574), spricht von einer „conference/ custom dichotomy". 233 ICJ Rep. 1984, pp. 246-346. 227
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
11
„This, however, i n no way detracts from the consensus reached on large portions of the instruments and, above all, cannot invalidate the observation that certain provisions of the Convention, concerning the continental shelf and the exclusive economic zone, which may, in fact, be relevant to the present case, were adopted without any objection. The United States, in particular, in 1983 . . . proclaimed an economic zone on the basis of Part V of the 1982 Convention. This proclamation was accompanied by a statement by the President to the effect that in that respect the Convention generally confirmed existing rules of international law. Canada, which has not at present made a similar proclamation, has for its part also recognized the legal significance of the nature and purpose of the new 200 mile regime . . . In the Chamber's opinion, these provisions, even if in some respects they bear the mark of the compromise surrounding their adoption, may nevertheless be regarded as consonant at present w i t h general international law on the question." 2 3 4 S o m i t schließt a l l e i n die Tatsache der N i c h t - R a t i f i k a t i o n eines v ö l k e r r e c h t l i c h e n Vertrages dessen B e r ü c k s i c h t i g i m g b e i m Nachweis der o p i n i o i u r i s n i c h t v o n v o r n h e r e i n aus. D e r I G H h a t t e sich bereits i m Case concerning
the Continental
Shelf z w i -
schen Tunesien u n d L i b y e n 2 3 5 gezwungen gesehen, b e i seiner E n t s c h e i d u n g den „ n e w accepted trends in the Third Rechnung z u t r a g e n
237
Conference
on the Law of the
Sea" 236
; denn
„ . . . it could not ignore any provision of the draft convention if it came to the conclusion that the content of such provision is binding upon all members of the international community because it embodies or crystallizes a preexisting or emergent rule of customary l a w . " 2 3 8 Diese E i n b e z i e h u n g der Ergebnisse u n d „trends "
von UNCLOS I I I durch
den I G H ist deswegen v o n Bedeutung, w e i l der Gerichtshof n o c h i m Fisheries Jurisdiction
Case die Auffassung vertreten hatte, die auf U N C L O S I I I
u n t e r b r e i t e t e n Vorschläge „ . . . must be considered as manifestations of the views and opinions of individual States and as vehicles of their aspirations, rather than expressing principles of existing l a w . " 2 3 9
234
Ebenda, p. 294, para. 94. ICJ Rep. 1982, pp. 15-94. 236 Ebenda, p. 38, para. 24. 237 Th . Schweisfurth, ZaöRV 1983, 577 ist der Meinung, tatsächlich habe der I G H den „new trends", obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, aber gar nicht Rechnung getragen. Auch Richter Oda in seiner Dissenting Opinion zu dieser Entscheidung, ICJ Rep. 1982, p. 157, meint, der I G H habe es versäumt, „to arrive at a proper appreciation of the »trends' of the Third United Nations Conference on the Law of the Sea." 238 ICJ Rep. 1982, p. 38, para. 24. 239 ICJ Rep. 1974, p. 23 f. Es sei aber angemerkt, daß sich ein Teil der Richter i n einer „separate opinion" (ebenda p. 48) dagegen aussprach, weil sie meinten, es sei nicht möglich, auf diese Weise „ . . . to brush aside entirely these pronouncements of States and consider them devoid of all legal significance. These actions must undoubtedly have an unsettling effect on the crystallization of a still evolving customary law on the subject". 235
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
1
H i e r soll die Frage, ob n i c h t - r a t i f i z i e r t e v ö l k e r r e c h t l i c h e Verträge als Nachweis f ü r die o p i n i o i u r i s herangezogen w e r d e n können, n i c h t allgemein u n d abschließend b e a n t w o r t e t werden. Das w ü r d e den R a h m e n dieser A r b e i t a u c h sprengen. Das A u g e n m e r k soll v i e l m e h r auf U N C L O S I I I b z w . die 1982er Seerechtskonvention gerichtet w e r d e n . 2 4 0 I n s o w e i t scheint sich die folgende E i n s c h ä t z u n g geradezu aufzudrängen: „Insofar as the contents of the negotiating texts represent what, after nine sessions of debate and negotiations offers a substantial prospect of a »consensus', it would seem to follow that it also offers impressive evidence of that,opinio juris' which is the most important element of established customary l a w . " 2 4 1 H i n s i c h t l i c h U N C L O S I I I u n d i h r e n i n der 1982er Seerechtskonvention z u m Ausdruck
gekommenen Ergebnissen läßt sich zunächst sicherlich
der
S t a n d p u n k t vertreten, daß sie b e i der Frage n a c h dem V ö l k e r g e w o h n h e i t s recht der See n i c h t v ö l l i g außer acht gelassen w e r d e n können. D e n n die Seer e c h t s k o n v e n t i o n v o n 1982 ist „ . . . the most comprehensive treaty ever drafted. .. It deals w i t h all conceivable peaceful human activities in an area larger than 70 per cent of the surface of our globe. It has been worked out by the largest Conference in the history of the United Nations. 2 4 2 E b e n aus diesem G r u n d e scheint auch der I G H seine E i n s c h ä t z u n g der B e d e u t u n g der S R K f ü r das Völkergewohnheitsrecht n u n m e h r e n d g ü l t i g geändert z u haben u n d f ü h r t dazu i n dem Continental
Shelf Case zwischen
L i b y e n u n d M a l t a aus: „ I t is of course axiomatic that the material of customary international law is to be looked for primarily i n the actual practice and opinio juris of States, even though multilateral conventions may have an important role to play in recording and defining rules deriving from custom, or indeed i n developing them . . . Nevertheless, it cannot be denied that the 1982 Convention is of major importance, having been adopted by an overwhelming majority of States; hence it is clearly the duty of the Court, even independently of the references made to the Convention by the Parties, to consider in what degree any of its relevant provisions are binding upon the Parties as a rule of customary international l a w . " 2 4 3 240 Vgl. zu diesem Problemkreis E. Jiménez de Aréchaga, Customary International Law and the Conference on the Law of the Sea, in: J. Makarczyk (Hrsg.), Essays i n International Law in Honour of Judge AT. Lachs, The Hague - Boston - Lancaster 1984, S. 575-585; J.G. Laylin , Emerging Customary Law of the Sea, Int'l.Lawyer 1976, 669-680; L.T. Lee, The 1982 Convention on the Law of the Sea and Continental Shelf Problems i n South-East Asia, Ocean Managment 1984, 61-72; ders., The Law of the Sea Convention and Third States, AJIL 1983, 541-568; D.M. McRae, Customary International Law and the United Nations' Law of the Sea Treaty, Calif.W.Int'l.L.J. 1983, 181-222; R. Wolfrum, The Emerging Customary Law of Marine Zones: State Practice and the Convention on the Law of the Sea, N Y I L 1987, 121-144. 241 So: R.Y. Jennings, Law-Making and Package Deal, in: Mélanges offerts à Paul Reuter, Paris 1981, S. 347 ff. (349). 242 So der dänische Delegierte auf der 191. Vollversammlung im Jahre 1982. 243 ICJ Rep. 1985, p. 29 f., para. 27.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
11
D e n n o c h stellt sich die Frage n a c h der Aussagekraft der 1982er S R K f ü r die o p i n i o i u r i s der Teilnehmerstaaten v o n U N C L O S I I I . D i e 1982er Seer e c h t s k o n v e n t i o n ist - i m Gegensatz z u anderen m u l t i l a t e r a l e n Vertragsw e r k e n - das Ergebnis v o n Verhandlungen, die n a c h Maßgabe des sus" - 2 4 4 u n d des „package Das „consensus"-Verfahren
deal"- Prinzips245
„consen-
geführt w o r d e n s i n d . 2 4 6
zeichnet sich dadurch aus, daß n i c h t , w i e b e i m
E i n s t i m m i g k e i t s p r i n z i p , die positive Z u s t i m m u n g aller b e t e i l i g t e n Staaten erforderlich ist, „sondern n u r die Abwesenheit ausdrücklicher Gegenstimmen; die A n n a h m e eines Beschlusses i m Konsensverfahren e r l a u b t es einem Staat, diesen Beschluß passieren z u lassen, auch w e n n er seiner Auffassung n i c h t entspricht, sofern wesentliche eigene Interessen n i c h t b e e i n t r ä c h t i g t w e r d e n oder er auf einem anderen Gebiet eine K o m p e n s a t i o n e r w a r t e n k a n n " . 2 4 7 E i n e f ö r m l i c h e A b s t i m m u n g f i n d e t also n i c h t statt. B e i m „package
deal"
w e r d e n die verschiedenen Regelungsgegenstände
derart zueinander i n Beziehung gesetzt, daß ein „consensus"
i m soeben d a r -
gestellten Sinne n u r h i n s i c h t l i c h i h r e r Gesamtheit festgestellt
werden
kann.248 Schon w e i t v o r U N C L O S I I I h a t Baxter die m i t einer solchen Verfahrensweise zusammenhängenden S c h w i e r i g k e i t e n e r k a n n t : „The doctrine of integration and the interdependence of treaty provisions may also mean that a State was willing to accept a given formula for one article only if it gained its way on another. The bargain, to the extent that compromise and adjustment were involved, is incorporated in the treaty as a whole, and single articles should not be signed out and turned against a particular State. A more accurate view of the 244 Vgl. dazu: Η. Ballreich, Wesen und Wirkung des „Konsens" im Völkerrecht, in: R. Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Festschrift für Hermann Mosler, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 81, Berl i n - Heidelberg - New York 1983, S. 1-24 (5 ff.); K. Zemanek, Majority Rule and Consensus Technique in Law-Making Diplomacy, in: Macdonald/Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law, 1983, S. 857-887; G. Jaenicke, Die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, ZaöRV 1978, 438-511; D. Vignes , W i l l the Third Conference on the Law of the Sea Work according to the Consensus Rule?, AJIL 1975, 119-129; W. Wengler, Rechtsvertrag, Konsensus und Absichtserklärungen im Völkerrecht, JZ 1976, 193-197; E. Suy, The Meaning of Consensus i n Multilateral Diplomacy, in: Declarations on Principles, A Quest for Universal Peace, Liber Amicorum Discipulorumque B.V.A. Röling, Leyden 1977, S. 259-274; ders., Consensus, in: R. Bernhardt, Enc. Inst. 7 (1984), 49-52; B. Buzan, Negotiating by Consensus: Developments i n Technique at the United Nations Conference on the Law of the Sea, AJIL 1981, 324-348. 245 Vgl. dazu: H. Caminos/M. Molitor, Progressive Development of International Law and the Package Deal, AJIL 1985, 871-890; R.Y. Jennings, Law-Making and Pakkage Deal, in: Mélanges offerts à P. Reuter , S. 347 ff. 246 z u r Entstehungsgeschichte dieser Verfahrensweise auf UNCLOS I I I vgl. H. Caminos/M. Molitor, AJIL 1985, 873 f.; J. Evensen, Working Methods and Procedures in the Third United Nations Conference on the Law of the Sea, RdC 1986IV, 415-508. 247 G. Jaenicke, ZaöRV 1978, 451; vgl. ferner: H. Ballreich, H. Mosler, S. 8. 248 Vgl. dazu: H. Caminos/M. Molitor, AJIL 1985, 873 f.
8 Heintschel v. Heinegg
in: Festschrift für
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht attitude of the particular State might be gained from an examination of its voting record on individual articles and paragraphs, but even here a vote i n favour of a particular provision does not necessarily reflect the State's attitude toward international law on that question." 2 4 9
D a h e r k o m m e n u. a. Schweisfurth
250
u n d Jennings 251
z u d e m Ergebnis, daß
jedenfalls die Ergebnisse v o n U N C L O S I I I n i c h t als Nachweis f ü r die o p i n i o i u r i s der Teilnehmerstaaten herangezogen w e r d e n dürfen: „ . . . insofar as those draft provisions are only elements of a package deal.. .it would seem that they are not necessarily evidence of opinio juris at all but elements of a bargain. The ICNT is after all, as has been insisted throughout the Conference, only a negotiating text; and a negotiating text cannot as such logically be evidence of what is already established." 252 „As far as the ICNT and its coming into existence is concerned, the consequence of the decision to do without voting is that it precludes any opinio juris from being identified." 2 5 3 So überzeugend diese Schlußfolgerungen auf den ersten B l i c k a u c h sein mögen, so k ö n n e n sie i n dieser A b s o l u t h e i t aus z w e i G r ü n d e n doch k e i n e n Bestand haben. Z u m einen k ö n n e n Verhandlungstexte als Nachweis f ü r das bestehende Recht dienen, w e n n es sich b e i i h n e n u m K o d i f i k a t i o n i m enger e n S i n n e 2 5 4 handelt. D a h e r k ö n n e n ζ. B. diejenigen V o r s c h r i f t e n der 1982er Seerechtskonvention, die aus den 1958er Genfer K o n v e n t i o n e n (fast w ö r t lich) ü b e r n o m m e n w o r d e n s i n d u n d die schon v o r U N C L O S I I I geltendes Völkergewohnheitsrecht waren, v o n der Verfahrensweise des „consensus " u n d des „package deal " u n b e r ü h r t geblieben sein. U n a b h ä n g i g v o n i h r e r S t e l l u n g i m „ p a c k a g e " b l e i b e n sie auch f ü r D r i t t s t a a t e n r e c h t s v e r b i n d l i c h . 2 5 5 Z u m anderen übersieht diese Auffassimg, daß d e m K o n s e n s p r i n z i p i m V ö l k e r r e c h t t r o t z aller methodischer Bedenken g r u n d s ä t z l i c h der V o r r a n g einzuräumen i s t . 2 5 6 H a b e n sich die Staaten auf b e s t i m m t e V o r s c h r i f t e n 249 R.R. Baxter, BYIL 1965/66, 293. Auch R.Y. Jennings, Law-Making and Package Deal, in: Mélanges offerts à P. Reuter, S. 348, ist der Meinung, „ . . . one effect of recent developments has been, through the emergence of new methods of law-making, to make it even more difficult to say when and how ,the legislator has laid it down'. For this problem of identifying law has become inextricably confounded w i t h the prior problem of identifying authoritative law-making processes and procedures." 250 Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 566-584. 251 R.Y. Jennings, in: Mélanges offerts à P. Reuter, S. 347 ff.; J.A. Knauss, Creeping Jurisdiction and Customary International Law, ODILA 1985, 209-216. 252 R.Y. Jennings, in: Mélanges offerts à P. Reuter, S. 349. 253 Th. Schweisfurth, ZaöRV 1983, 578. Die Frage, ob sich durch die Annahme des Textes am 30. April 1982 etwas an dieser Beurteilung ändern kann, verneint Schweisfurth mit einem klaren Nein, da „ . . . the consent expressed i n the adoption is only a consensus de lege ferenda". Dennoch sieht er (ebenda, 580 ff.) die Möglichkeit eines indirekten Einflusses der 1982er Seerechtskonvention auf das Völkergewohnheitsrecht. 254 Im Gegensatz zum „progressive development". 255 H. Cantinosi M. Molitor, AJIL 1985, 887; a. Α. Richter Sette-Camara i n seiner Sep. Op. zum Continental Shelf Case zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 68 f.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
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geeinigt und verhalten sie sich in der Folgezeit entsprechend diesen Vorschriften, so ist kein Grund ersichtlich, warum zum Nachweis der opinio iuris nur die Übung, nicht aber der Vertragstext herangezogen werden darf. Dieser stellt einen eindeutigen Beweis dafür dar, daß das tatsächliche Verhalten von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragen ist. Die Methode, nach Maßgabe derer sich die Staaten geeinigt haben, kann daran nichts ändern. Diese erlangt erst Bedeutung, wenn es an einer korrespondierenden Übung fehlt. 2 5 7 Es bleibt daher festzuhalten, daß die in der 1982er Seerechtskonvention enthaltenen Ergebnisse von UNCLOS I I I für den Nachweis der opinio iuris der Teilnehmerstaaten herangezogen werden können, wenn sich gleichzeitig eine Übung nachweisen läßt, die diesen Vorschriften entspricht. Dabei wiederum muß den Stellungnahmen und Entwürfen der Delegierten Rechnung getragen werden, denn „ . . . i n the course of the elaboration of multilateral conventions, too, governments may intimate views testifying to their opinio juris." 2 5 8
Nur so läßt sich feststellen, ob tatsächlich eine opinio iuris im oben dargestellten Sinne besteht oder ob es sich lediglich um eine weniger aussagekräftige Kompromißformel handelt. 4. Zusammenfassung
Dies bedeutet für die nachfolgende Untersuchimg, daß zunächst die Staatenpraxis daraufhin überprüft werden muß, ob Inseln grundsätzlich gleich dem Festland behandelt werden. Dabei werden vor allem Akte nationaler Gesetzgebung sowie Abgrenzungsvereinbarungen Gegenstand der Untersuchung sein. Diese Staatenpraxis muß von der erforderlichen Dauer, Verbreitung und Einheitlichkeit im soeben dargestellten Sinne sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann sowohl aus den diese Übung begleitenden Umständen als auch aus den Ergebnissen und den Debatten von UNCLOS I I I und anderen Konferenzen der Nachweis einer korrespondierenden opinio iuris angegangen werden. Π. Staatenpraxis Die Untersuchung der Staatenpraxis im Hinblick auf die Frage, ob Inseln die gleichen Seegebiete erhalten wie das Festland, zu dem sie gehören, wird 256 v g l dazu statt vieler: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§12, 16, 35, 77, 518 ff. 257 L.B. Sohn, Unratified Treaties as a Source of Customary International Law, in: A. Bos/Siblesz (Hrsg.), Realism i n Law-Making, S. 245 f. 258 M. Bos, Methodology, S. 242. 8*
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
sich entsprechend dem hier vertretenen methodischen Ansatz zum Nachweis seerechtlicher Normen des Völkergewohnheitsrechts auf Akte nationaler Gesetzgebimg sowie auf bi- bzw. multilaterale Abgrenzungsvereinbarungen konzentrieren. Soweit an dieser Praxis Inselstaaten beteiligt sind, sollen deren jeweilige Hauptinseln unberücksichtigt bleiben und das Augenmerk w i r d sich nur auf deren sonstige Inseln richten. Denn für Inselstaaten, die aus mehreren Inseln bestehen, haben sich gewisse Besonderheiten herausgebildet, auf die gesondert einzugehen sein w i r d . 2 5 9 1. Nationale Rechtsetzungsakte
Von den insgesamt 142 Küstenstaaten haben diejenigen, zu deren Territorium auch Inseln gehören - die also insoweit „specially affected " sind 2 6 0 - , die Frage der Seegebiete von Inseln in ihren Akten nationaler Rechtsetzung sehr unterschiedlich geregelt. a) Akte nationaler Rechtsetzung, in denen die Frage der Seegebiete von Inseln ausdrücklich geregelt ist Den besten Aufschluß geben die zur Zeit existierenden 50 Akte 2 6 1 , in denen die betreffenden Staaten ausdrücklich niedergelegt haben, daß Inseln die gleichen Seegebiete erhalten wie das Festland. Jedoch haben auch diese Staaten keine einheitlichen Bestimmungen getroffen. 18 dieser A k t e 2 6 2 beziehen sich ausdrücklich nur auf das Küstenmeer von Inseln 2 6 3 , welches dem des jeweiligen Festlands entsprechen soll. Die Bestimmungen, die etwa den Festlandsockel betreffen, enthalten eine solche Gleichstellung nicht. Jedoch darf daraus nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, diese Staaten würden Inseln nur insoweit gleich dem Festland behandeln wollen, als das Küstenmeer betroffen ist, nicht jedoch hinsichtlich der anderen Seegebiete. Häufig handelt es sich in diesen Fällen um 259 vgL dazu unten den Abschnitt über Archipele. 260 Vgl. dazu oben ICJ Rep. 1969, p. 42, para. 73. 261 Vgl. die Zusammenstellung dieser Akte in Annex I. Wegen der umstrittenen Souveränität über die Falkland Inseln (bzw. Malvinas) wurde die diese betreffende britische „Fisheries ( Conservation and Managment) Ordinance 1986" (abgedruckt in: LOSB No. 9 (April 1987), pp. 20-35), mit der das Vereinigte Königreich für die Falklands eine 200 sm-Fischereizone beansprucht, außer Betracht gelassen. Diese zeigt jedoch, daß offenbar auch das Vereinigte Königreich von einer grundsätzlichen Gleichbehandlung ausgeht. Zu der Reaktion Argentiniens auf diesen Akt nationaler Gesetzgebung vgl. LOSB No. 9 (April 1987), pp. 40-52. 262 Dies sind die Akte nationaler Gesetzgebung der folgenden Staaten: Äthiopien, Albanien, Bulgarien, VR China, Finnland, Guinea, Island, Kolumbien, Republik Korea, Kuba, Kuwait, Libanon, Niederlande, Norwegen, Pakistan, Tunesien, Türkei und Vereinigte Arabische Emirate. Vgl. dazu im einzelnen Annex I. 263 Nicht berücksichtigt worden sind insoweit diejenigen Staaten, die ein 200 smKüstenmeer beanspruchen. Dazu aber sogleich.
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
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küstennahe Inseln, deren Küstenmeer mit dem des Festlands zusammenfällt. An dieses gemeinsame Küstenmeer schließen sich dann die anderen Seegebiete an. Aber auch für den Fall küstenferner Inseln konnten sich diese Staaten mit einer ausdrücklichen Regelung des Küstenmeeres von Inseln begnügen, da die Bestimmungen über ζ. B. den Festlandsockel häufig daran anschließen. So beispielsweise die finnischen Bestimmungen betreffend das Küstenmeer und den Festlandsockel: Während § 1 des Gesetzes über die Grenzen des Küstenmeeres vom 18. August 1956 264 bestimmt, daß die küstenfernen finnischen Inseln ein eigenes Küstenmeer haben können, definiert Art. 1 des Gesetzes über den Festlandsockel vom 5. März 19 6 5 2 6 5 diesen als Meeresgrund und -untergrund jenseits des Küstenmeeres. Nichts ist dafür ersichtlich, daß Finnland für seine Inseln keinen Festlandsockel beansprucht. Vielmehr ist die allgemeine Bezugnahme auf das Küstenmeer i n Art. 1 des Gesetzes vom 5. März 1965 dahingehend zu verstehen, daß sich der finnische Festlandsockel an jedes Küstenmeer anschließt, mithin auch an das von Inseln. Bei den übrigen 32 Akten nationaler Gesetzgebimg wird noch deutlicher, daß die betreffenden Staaten Inseln in jedem Fall gleich dem Festland behandeln. In 21 Akten 2 6 6 wird ausdrücklich bestimmt, daß Inseln ebenso wie das Festland einen eigenen Festlandsockel haben. I n weiteren 5 Akten 2 6 7 wird Inseln eine EEZ zugesprochen. Schließlich werden in den verbleibenden 6 Akten nationaler Gesetzgebung 268 , die beispielsweise ein 200 smKüstenmeer oder Fischereizonen proklamieren, Inseln auch diese Seegebiete zuerkannt. b) Sonstige Akte nationaler Rechtsetzung und andere Regelungen Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß immerhin ca. 35,21% der Küstenstaaten Regelungen getroffen haben, nach Maßgabe derer Inseln die gleichen Seegebiete haben wie das Festland. Andere Staaten haben solche ausdrücklichen Regelungen nicht geschaffen. Dennoch behandeln auch diese die Inseln grundsätzlich gleich dem Festland. Entweder bestimmen sie in ihren Akten nationaler Rechtsetzung 264 Vgl. LOSB No.2 (March 1985), p. 29; ferner Annex I. 265 Vgl. LOSB No.2 (March 1985), p. 30; ferner Annex I. 266 Bangladesch, Chile, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, Griechenland, Honduras, Iran, Italien, Kambodscha, Mexiko, Nicaragua, Oman, Peru, Philippinen, Portugal, Quatar, Sri Lanka, Trinidad und Tobago sowie Venezuela; vgl. Annex I. 267 Äquatorial Guinea, Spanien, UdSSR, USA sowie Vietnam (hinzuzählen könnte man noch die Akte Kambodschas und Omans, die neben einer EEZ auch einen Festlandsockel beanspruchen); vgl. Annex I. 268 Brasilien, Panama, Somalia, Tansania, Uruguay sowie Vereinigtes Königreich; vgl. Annex I.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
die Grenzen ihrer Seegebiete mittels geographischer Koordinaten, so daß erst der jeweilige konkrete Grenzverlauf Aufschluß über die Frage gibt, ob Inseln gleichbehandelt werden oder nicht. 2 6 9 Oder aber die nahe der Küste gelegenen Inseln werden in ein System gerader Basislinien einbezogen, so daß sie unmittelbar dem Landgebiet zugerechnet werden. 270 Schließlich verbleibt eine relativ große Gruppe von Staaten, die in ihren Akten nationaler Rechtsetzimg weder immittelbar noch mittelbar die Frage der Seegebiete ihrer Inseln geregelt haben. Die Gründe für dieses Unterlassen sind unterschiedlich. Entweder „hinkt" die nationale Rechtsetzung der tatsächlichen Entwicklung hinterher, indem etwa Hoheitsrechte faktisch wahrgenommen werden, ohne daß ein entsprechender förmlicher Rechtsetzungsakt vorliegt. Oder aber diese Staaten haben eine andere Lösung dieses Problems gefunden. I n diesem Zusammenhang sind vor allem die 18 Staat e n 2 7 1 zu erwähnen, die die Seegebiete von Inseln zwar nicht in ihren Akten nationaler Gesetzgebung, jedoch in Abgrenzungsvereinbarungen mit ihren Nachbarn geregelt haben. 272 Unabhängig davon läßt sich aber schon hier festhalten, daß eine beachtliche Anzahl von Staaten in ihren Akten nationaler Rechtsetzung Inseln unabhängig von ihrer Größe, Lage oder Bevölkerung grundsätzlich gleich dem Festland behandelt. Da diese Stàaten nicht lediglich eine bestimmte Region oder ein bestimmtes gesellschaftliches System repräsentieren, erfüllen diese Akte nicht nur die Merkmale der Einheitlichkeit und Verbreitung, sondern auch das der Allgemeinheit der Übung. 2. Abgrenzungs Vereinbarungen
Die für den Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten erforderliche Übung beschränkt sich nicht auf nationale Rechtsetzungsakte. Derzeit existieren ca. 100 Abgrenzungsvereinbarungen 273 , von denen 7 8 2 7 4 die Abgrenzung des Festlandsok269 So etwa der am 16. März 1985 in Kraft getretene Beschluß der Bundesregierung über die Erweiterung des Küstenmeeres der Bundesrepublik Deutschland i n der Nordsee zur Verhinderung von Tankerunfällen in der Deutschen Bucht vom 12. November 1984, BGBl. 1984 I, 1366. Vgl. dazu J. Kokott/L. Gündling, Die Erweiterung der deutschen Küstengewässer in der Nordsee, ZaöRV 1985, 675-693. 270 So aus jüngster Zeit das Gesetz Nr. 2/85 vom 17. Mai 1985, mit welchem GuineaBissau ein System gerader Basislinien eingerichtet hat; vgl. LOSB No.7 (April 1986), pp. 23-25. Vgl. zur Abgrenzung und Basislinien J.V.R. Prescott, Delimitation of Marine Boundaries by Baselines, Mar.Policy 1986, 1-5. 271 Abu Dhabi, Argentinien, Australien, Bahrein, Burma, DDR, Frankreich, Indien, Indonesien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Malaysien, Papua Neu-Guinea, Polen, Saudi Arabien, Schweden und Senegal. 272 Dazu sogleich unter 2. 273 Vgl. dazu für den Zeitraum bis 1975 die Zusammenstellung von B. Rüster, Verträge und Deklarationen über den Festlandsockel (Continental Shelf), Frankfurt a.M.
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
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kels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten betreffen. Im Zusammenhang mit der hier im Mittelpunkt stehenden Frage, ob die Staaten Inseln gleich dem Festland behandeln, sind aber nur die insgesamt 32 Abgrenzungsvereinbarungen 275 von Interesse, in denen Inseln eine Rolle spielen. Dabei wiederum bedarf es noch keines näheren Eingehens auf die Regelungen in den einzelnen Abkommen, die sich in den Details zum Teil sehr stark voneinander unterscheiden. Vielmehr ist es an dieser Stelle ausreichend festzustellen, ob die Staaten i n diesen Abkommen Inseln überhaupt - sei es voll, sei es nur teilweise - berücksichtigt oder aber vernachlässigt haben. Werden Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels irgendwie berücksichtigt, so beweist dies, daß sie grundsätzlich ebenso wie Festlandgebiete einen Festlandsockel oder die anderen Seegebiete erhalten, mithin gleichbehandelt werden. Nur wenn sie i n diesen Vereinbarungen vernachlässigt werden, ist davon auszugehen, daß sie im Vergleich zum Festland eine andere Behandlung erfahren sollen. I n 15 dieser 32 Abkommen werden Inseln voll berücksichtigt, d. h. sie erhalten einen ebensolchen Festlandsockel wie das Festland, zu dem sie gehören. 276 I n weiteren 15 dieser Abgrenzungsvereinbarungen werden die i n dem Abgrenzungsgebiet liegenden Inseln nur teilweise berücksichtigt, d. h. sie erhalten im Vergleich zum Festland nur einen eingeschränkten Festlandsockel. 277 Daraus darf jedoch nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, diese Übung stelle einen Beweis für eine grundsätzliche Ungleichbehandlung dar. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, da diese Inseln ja in jedem Fall einen - wenngleich eingeschränkten - Festlandsockel erhalten. Lediglich in zwei Vereinbarungen werden die in dem Abgrenzungsgebiet gelegenen Inseln vernachlässigt. 278 Jedoch können diese beiden Abkommen nicht als 1975; ferner für den Zeitraum bis 1985: DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. xxxvi-xli; für den aktuellen Stand vgl. LOSB Nos. 6-11. 274 Vgl. zu diesen Verträgen i m einzelnen unten 3. Teil 1. Abschnitt Β. II.2. b). 275 Diese Verträge werden detailliert behandelt unten unter 3. Teil 2. Abschnitt ΠΙ. 276 Dies sind die folgenden Vereinbarungen: Vereinigtes Königreich - Venezuela v. 26.02.1942; Vereinigtes Königreich - Norwegen ν. 10.03.1965; Dänemark - Norwegen v. 08.12.1965; Vereinigtes Königreich-Niederlande ν . 06.10.1965; Finnland-UdSSR v. 05.05.1967; DDR - Polen v. 29.10.1968; Kanada - Dänemark v. 17.12.1973; Japan Rep.Koreav. 05.02.1974; Griechenland -Italien ν. 24.05.1977; Indonesien -Malay sien v. 27.10.1969; Indien - Indonesien v. 08.08.1974; USA - Venezuela v. 28.03.1978; Niederlande (Niederl. Antillen) - Venezuela v. 31.03.1978; Burma-Indien v. 23.12.1986; Italien - Frankreich v. 28.11.1986. 277 Dies sind die folgenden Vereinbarungen: Saudi Arabien -Bahrein v. 22.02.1958; Kanada - Frankreich v. 27.03.1972; Iran - Saudi Arabien v. 24.10.1968; Australien Indonesien v. 18.05.1972 und v. 12.02.1973; Indien - Sn Lanka v. 26.06.1974 und v. 23.03.1976; Abu Dhabi - Quatar v. 20.03.1969; Iran - Vereinigte Arabische Emirate v. 31.08.1974; Italien - Jugoslawien v. 08.01.1968; Italien - Tunesien v. 20.08.1971; Schweden - Finnland v. 29.09.1972; Australien - Papua Neu-Guinea v. 18.12.1978; Argentinien - Chile v. 18.10.1984; Island - Norwegen v. 22.10.1981. 278 Frankreich - Portugal betreffend die damaligen Kolonien Senegal und GuineaBissau v. 26.04.1960; Iran - Quatar v. 20.09.1969.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Beweis dafür dienen, daß Inseln keinen Festlandsockel erhalten sollen. Sie stellen echte Ausnahmen dar, die wegen der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles nicht verallgemeinerungsfähig sind. Denn beispielsweise Iran und Quatar haben die betreffenden Inseln nur aus dem Grunde unberücksichtigt gelassen, weil sie sich nicht über deren territoriale Zugehörigkeit einigen konnten. 2 7 9 Zwar erhalten im Gegensatz zu einigen Akten nationaler Rechtsetzung 280 in den soeben aufgeführten Abgrenzungsvereinbarungen unbewohnbare Felsen keinen eigenen Festlandsockel. Manchmal werden auch imbewohnbare Kleinstinseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels vernachlässigt. 2 8 1 Dennoch belegen auch sie recht eindrucksvoll 282 , daß die an ihnen beteiligten Staaten Inseln unabhängig von ihrer Größe, Lage oder Bevölkerung grundsätzlich ebenso wie dem Festland einen eigenen Festlandsockel zugestehen. Eine Ausnahme kann allenfalls für unbewohnbare Kleinstinseln in Betracht kommen. Die Staatenpraxis ist insoweit uneinheitlich, so daß aus ihr weder geschlossen werden kann, es existiere eine völkergewohnheitsrechtliche Norm, wonach solche Kleinstinseln in keinem Fall gleich dem Festland behandelt werden dürfen, noch kann sie als Nachweis einer gewohnheitsrechtlichen Gleichbehandlung solcher Kleinstinseln dienen. 3. Ergebnis
Faßt man die Akte nationaler Gesetzgebung und die Abgrenzungsvereinbarungen zusammen, so ergibt sich eine dauerhafte, weil die letzten 40 Jahre umfassende, und insoweit einheitliche Übung, als Inseln - abgesehen von unbewohnbaren Kleinstinseln - unabhängig von ihrer Größe, Lage und Bevölkerung grundsätzlich einen eigenen Festlandsockel haben, mithin gleich dem Festland behandelt werden. Die an dieser Übung beteiligten Staaten repräsentieren sowohl die verschiedenen geographischen Regionen als auch die unterschiedlichen sozio-politischen Systeme, so daß auch das Merkmal der hinreichenden Verbreitung außer Frage steht. Die Tatsache, daß relativ wenige Staaten Afrikas an dieser Praxis teilhaben, deutet nicht auf eine divergierende, sondern schlicht auf eine weitgehend fehlende Praxis i n dieser Region. Dies liegt vor allem begründet in der von den damaligen 279
So auch D.W. Bowett, Islands, S. 172 f. So etwa Bangladesch, Gesetz Nr. X X V I von 1974, Art. 3 Abs. 2 und 7 Abs. 1, U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 4-7 und Finnland, Gesetz Nr. 463 vom 18.08.1956, LOSB No.2 (March 1985), p. 29. 281 So etwa in dem Abkommen zwischen Saudi Arabien und Bahrein vom 22.02.1958 sowie zwischen Kanada und Frankreich vom 27.03.1972. Demgegenüber werden i n den 15 zuerst genannten Abkommen auch solche Kleinstinseln voll berücksichtigt. 282 In 30 von insgesamt 32 Abkommen werden Inseln zumindest teilweise berücksichtigt. Dies entspricht 93,75%. 280
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
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Kolonialmächten vorgenommenen Grenzziehimg auf dem Festland, die die afrikanischen Staaten noch heute dermaßen vor auch innenpolitische Probleme stellt, daß sie sich erst jetzt langsam der Frage ihrer Seegrenzen widmen können. 283 Daher ist das Merkmal der Allgemeinheit der Übung aufgrund dieser fehlenden afrikanischen Staatenpraxis nicht in Frage gestellt. Es bleibt festzuhalten, daß eine hinreichend dauerhafte, einheitliche und verbreitete Übung besteht, wonach Inseln grundsätzlich die gleichen Seegebiete, insbesondere einen Festlandsockel, haben wie Festlandgebiete. ΙΠ. Opinio iuris Nunmehr bleibt noch die Frage zu klären, ob diese Übung von der erforderlichen Rechtsüberzeugung, opinio iuris, begleitet ist. Dafür spricht zunächst, daß die diese Übung begleitenden Umstände der Einheitlichkeit und Verbreitung auf eine mit ihr korrespondierende opinio iuris schließen lassen. 284 Andernfalls wäre es nicht erklärlich, warum Staaten aus den verschiedenen Regionen und mit zum Teil sehr unterschiedlichen sozio-politischen Systemen Inseln sowohl in ihren Akten nationaler Gesetzgebung als auch in den mit anderen Staaten abgeschlossenen Abgrenzungsabkommen einen, wenn auch manchmal eingeschränkten, Festlandsockel zugestehen. Desweiteren darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß ζ. Z. 54 Staaten Mitglieder der 1958er FSK sind 2 8 5 , mithin deren Art. 1 (b) für sie bindendes Recht darstellt, und die Entstehungsgeschichte dieser Konvention zeigt, daß die Teilnehmerstaaten sich mit großer Mehrheit auf den Grundsatz der Gleichbehandlung geeinigt haben. 286 Diese Tatsache als solche würde zwar nicht ausreichen, eine über die bloße vertragliche Bindung hinausgehende opinio iuris generalis bejahen zu können. 287 Jedoch sind die angeführten Abgrenzungsvereinbarungen, in denen Inseln irgendwie berücksichtigt worden sind, nicht ausschließlich zwischen Mitgliedern der FSK, sondern auch zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern zustandegekommen. 288 283 Die beiden jüngsten Regelungen seewärtiger Grenzen konnten erst nach Einschaltung internationaler Gerichte Zustandekommen. Vgl. den Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen, ICJ Rep. 1982, pp. 18-94, sowie den Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau, I L M 1986, 252-307; dazu im einzelnen unten unter 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 6. 284 Vgl. zu dieser Art des Nachweises der opinio iuris oben unter 2. Teil Β. 1.3. b). 285 Quelle: Multilateral Treaties Deposited w i t h the Secretary-General, U.N. Doc. ST/LEG/SER.E/6, 728 (Stand: 31.12. 1987). 286 Vgl. dazu oben unter 2. Teil Α. IV. 287 Vgl. dazu oben unter 2. Teil Β. I. 2. b) cc). 288 So ζ. B. die Abkommen zwischen Australien (Mitgl.) und Indonesien vom 18.05.1972 und vom 12.02.1973; Malaysien (Mitgl.) und Indonesien vom 27.10.1969; Griechenland (Mitgl.) und Italien vom 24.05.1977 sowie Jugoslawien (Mitgl.) und Italien vom 08.01.1968.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Daher dokumentiert diese Staatenpraxis eine über die bloße vertragliche Bindung hinausgehende opinio iuris generalis. Schließlich ist von Bedeutung, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten auch in Art. 121 Abs. 1 der 1982er SRK niedergelegt ist. Dabei handelt es sich nicht um eine im Verlauf von UNCLOS I I I erarbeitete Neuerimg. Vielmehr beherrscht dieser Grundsatz die völkerrechtlichen Kodifikationsarbeiten schon seit 1930 289 , und es ist während UNCLOS I I I nicht gelungen, ihn zu korrigieren. 290 155 Staaten haben die SRK unterzeichnet, 34 Staaten haben sie bereits ratifiziert 2 9 1 und damit sowie mit ihrer Übung - zu erkennen gegeben, daß sie jedenfalls insoweit, als Art. 121 Abs. 1 SRK betroffen ist, bereits geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert haben. IV. Das völkerrechtliche Schrifttum Jedenfalls soweit „echte" Inseln, also all diejenigen Erscheinungsformen betroffen sind, die nicht der Vorschrift des Art. 121 Abs. 3 SRK unterfallen, wird die gewohnheitsrechtliche Geltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten durch das völkerrechtliche Schrifttum 2 9 2 weitgehend bestätigt. 293 Der Grundsatz der Gleichbehandlung soll jedoch einschränkbar sein, wenn es um die Abgrenzimg zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten geht. 2 9 4 Demgegenüber spricht sich ein Teil des völkerrechtlichen Schrifttums gegen eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebie289
Vgl. dazu oben unter 2. Teil Α. ΙΠ. Vgl. dazu oben unter 2. Teil Α. V. 291 Vgl. LOSB No. 10 (November 1987), p. 5. 292 Gemäß Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut können die „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen" herangezogen werden. Auf die internationale Judikatur w i r d weiter unten im Zusammenhang mit der Abgrenzungsproblematik eingegangen werden. 293 vgl. D w Bowett, Islands, S. 33 f.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 185195; C.R. Symmons, Islands, S. 62 ff.; H. Dipla, Régime juridique, S. 53 ff.; G.E. Pearcy, Geographical Aspects of the Law of the Sea, Annals of the Association of American Geographers 1959, 1-23 (17 ff.); Ch. Rousseau, Relation de voisinage (Irak et Iran). Différend concernant la délimitation de leur plateau continental dans le Golfe persique, RGDIP 1966, 488-494 (492 ff.); M. Voelckel , L'utilisation du fond de la mer, A F D I 1968, 719-735 (725 ff.); L. Delin, Shall Islands Be Taken into Account When Drawing the Median Line According to Art. 6 of the Convention on the Continental Shelf?, Nord.T.for Int.Ret 1971, 205-219; D.E. Karl , Islands and the Delimitation of the Continental Shelf. A Framework for Analysis, AJIL 1977, 642-673; J. Symonides, The Legal Status of Islands in the New Law of the Sea, RDI 1987, 161-180; H. Chiu/C.-H. Park , Legal Status of the Paracel and Spratly Islands, ODILA 1976, 1-26; jeweils m.w.N. 290
294 Vgl. D.W. Bowett , Islands, S. 33 f.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 185 ff.; C.R. Symmons, Islands, S. 62 ff.; H. Dipla, Régime juridique, S. 53 ff.; D.E. Karl, AJIL 1977, 642 ff.; J. Symonides, RDI 1987, 161 ff.
Β . Das Völkergewohnheitsrecht
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ten aus. 295 Einer der konsequentesten Vertreter dieser Auffassung ist wohl H. Pazarci 296, der sich zwar ausschließlich mit der Frage des Festlandsockels von Inseln befaßt, dessen Argumentation aber exemplarisch für diejenigen ist, die eine grundsätzliche Gleichbehandlung im Hinblick auf alle Seegebiete - abgesehen vielleicht vom Küstenmeer - ablehnen. Daher soll seine Arbeit der folgenden Auseinandersetzung mit der genannten Auffassung zugrundegelegt werden. Pazarci lehnt die Anwendbarkeit von Art. 10 K M K auf Art. 1 (b) FSK ab, indem er sich vorrangig der Konferenzgeschichte, also der „traveaux préparatoires", als Argumentationshilfe bedient. 297 Allein diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf Art. 32 W V K 2 9 8 zumindest nicht frei von Bedenken. Denn ein Rückgriff auf die „traveaux préparatoires" ist nach Maßgabe dieser Vorschrift nur zulässig, „wenn die Auslegung nach Art. 31 (a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel läßt oder (b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt."
Der Nachweis für das Vorliegen dieser Voraussetzungen gelingt Pazarci jedoch nicht. Die Auslegung von Art. 1 (b) FSK läßt keinen Zweifel daran, daß in dieser Vorschrift der Begriff „Insel" mit der Bestimmung in Art. 10 K M K identisch ist. 2 9 9 Im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen völkergewohnheitsrechtlichen Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten beginnt die Untersuchung Pazarcis mit der Passage in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen 300 , in der der IGH die Art. 1 bis 3 FSK bezeichnet als „ . . . the ones which, it is clear, were then regarded as reflecting, or crystallizing, received or at least emergent rules of customary international law relative to the continental shelf." 3 0 1
Diese Einschätzung durch den I G H versucht Pazarci dadurch zu widerlegen, daß er den gewohnheitsrechtlichen Charakter sowohl des Ausbeutbar295 vgl. h. Pazarci, Délimitation du plateau continental; J. Andrassy, International Law and the Resources of the Sea, New York - London 1970; R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, S. 177; Z.J. Slouka, International Custom and the Continental Shelf, The Hague 1968, S. 27; L.F.E. Goldie, N Y I L 1973, 237 f. 296 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental. 297 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 77. 298 Zwar sind zur Zeit nur 56 Staaten Mitglieder der WVK, doch ist allgemein anerkannt, daß jedenfalls die die Auslegung betreffenden Vorschriften (Art. 31 ff. WVK) kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht darstellen. 299 Vgl. dazu bereits oben unter 2. Teil Α. IV. 300 Gemäß Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut dienen Gerichtsentscheidungen, also auch die des IGH, als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen. 301 ICJ Rep. 1969, p. 39, para. 63. Vgl. dazu M. Nordquist, The Legal Status of Articles 1-3 of the Continental Shelf Convention according to the North Sea Cases, Calif. W.Int'l.L.J. 1970, 61-79.
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
k e i t s k r i t e r i u m s als auch der - offenen - seewärtigen Grenze des Festlandsockels i n A r t . 1 (a) F S K i n Z w e i f e l z i e h t . 3 0 2 Daraus w i e d e r u m folgert er, die gewohnheitsrechtliche G e l t u n g des A r t . 1 (b) F S K sei ebenfalls zweifelhaft m i t der Folge, daß der genannten Passage aus den Nordsee-FestlandsockelF ä l l e n keine Aussagekraft z u k o m m e . 3 0 3 Erst i m Anschluß a n diese Auseinandersetzimg m i t der E n t s c h e i d u n g des I G H w e n d e t sich Pazarci der Staatenpraxis zu. H i n s i c h t l i c h der Staatenprax i s bis z u m Jahre 1 9 5 8 3 0 4 m e i n t Pazarci,
diese lasse keine Schlußfolgerung
auf eine gewohnheitsrechtliche G l e i c h b e h a n d l u n g h i n s i c h t l i c h des Festlandsockels zu, „ . . . car les États qui ont contribué à cette pratique sont en très grande partie ceux de l'Amérique latine. Dans ce sens, la généralité recherchée fait défaut. . , " 3 0 5 H i n s i c h t l i c h der Staatenpraxis n a c h 1958 geht Pazarci
zunächst auf die
A n z a h l der M i t g l i e d s t a a t e n z u r F S K ein, die n i c h t das v o m I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen aufgestellte Erfordernis einer and representative
participation"
306
„widespread
erfülle:
„ . . . car, au début de 1980, i l n'y a que 52 États qui sont parties à cette Convention. Dans un monde ou i l existe environ 160 États, ce nombre n'est nullement signicatif d'une »participation très large et représentative'." 307 Sodann w e n d e t er sich einigen Abgrenzungsvereinbarungen aus der Z e i t n a c h 1958 z u . 3 0 8 Z w a r w ü r d e n i n einigen dieser A b k o m m e n 3 0 9 Inseln v o l l 302 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 80 ff.; ähnlich J. Andrassy, Resources, S. 67 f. 303 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 83. 304 Pazarci bezieht sich auf die folgenden Akte nationaler Gesetzgebung: Chile, Presidential Declaration vom 23.06.1947, U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 7; Costa Rica, Decree No. 190 vom 28.09.1948, ST/LEG/SER.B/1, 8-10; Honduras, Decree Nos. 102, 103 vom 07.03.1950, ST/LEG/SER.B/1, 11-12, No. 104 vom selben Datum sowie Decree No. 25 vom 17.01.1957, ST/LEG/SER.B/1, 301-303, und Decree No. 21 vom 19.12.1957, ST/LEG/SER.B/8, 10; Mexiko, Presidential Decree vom 25.02.1949, ST/ LEG/SER.B/1, 14; Peru, Presidential Decree No. 781 vom 01.08.1947, ST/LEG/ SER.B/1, 16-19; Philippinen, Republic Act No. 387 vom 18.06.1949, ST/LEG/SER.B/ 1,19; Rep. Korea, Presidential Declaration vom 18.01.1952, ST/LEG/SER.B/8,14-15; Portugal, Act No. 2080 vom 21.03.1956, ST/LEG/SER.B/8, 16; Brasilien, Decree No. 28840 vom 08.11.1950, ST/LEG/SER.B/1, 299-300; Equador, Decree vom 21.02.1951, ST/LEG/SER.B/1, 300. Desweiteren nennt Pazarci den Vertrag von Paria zwischen dem Vereinigten Königreich und Venezuela vom 26.02.1942 (ST/LEG/SER.B/1, 4447), die Deklaration von Santiago vom 18.08.1952 von Chile, Equador und Peru ( Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 29-30) sowie die Deklaration der OAS von Ciudad Trujillo vom 28.03.1956 (B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 31-32). 305 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 85; ähnlich Z.J. Slouka, Continental Shelf, S. 27 f. 306 ICJ Rep. 1969, p. 42, para. 73. 307 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 88. 3 8 Ebenda, S. 88 ff. 309 H.Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 89, bezieht sich auf die folgenden Abkommen: Vereinigtes Königreich - Norwegen v. 10.03.1965; UdSSR - Finnland v. 20.05.1965; Vereinigtes Königreich - Venezuela v. 26.02.1942; Indien - Sn
Β. Das Völkergewohnheitsrecht
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berücksichtigt. Diese seien für den Nachweis einer entsprechenden Norm des Völkergewohnheitsrechts jedoch unbeachtlich, da die daran beteiligten Staaten zum Teil Mitglieder der 1958er FSK seien. 310 Demgegenüber würden in anderen Abkommen 3 1 1 Inseln nur zum Teil berücksichtigt bzw. vernachlässigt. Daher - so Pazarci - erfülle diese Staatenpraxis nicht die Anforderungen der Einheitlichkeit und Verbreitung. 312 Pazarci ist zuzugeben, daß eine Übung, die sich nur auf eine bestimmte Region beschränkt, allenfalls zur Herausbildung oder zum Nachweis regionalen, nicht jedoch allgemeinen Völkergewohnheitsrechts dienen kann. 3 1 3 Kommt aber wie hier die Übung von Staaten anderer Regionen hinzu, darf jene nicht vernachlässigt, sondern muß dieser hinzugerechnet werden. Desweiteren ist die Übung von Mitgliedstaaten der 1958er FSK nicht von vornherein obsolet. Vielmehr kommt ihr insbesondere dann eine Bedeutung zu, wenn diese Staaten mit Nicht-Mitgliedstaaten Abgrenzungsvereinbarungen schließen. 314 Schließlich kann Pazarci auch nicht in seiner Bewertung derjenigen Staatenpraxis gefolgt werden, in der Inseln nur zum Teil berücksichtigt oder vernachlässigt werden. Zum einen werden Inseln nur in zwei dieser Abkommen vollends vernachlässigt, so daß diese Verträge echte Ausnahmen darstellen. 315 Zum anderen sind die Abkommen, in denen Inseln teilweise berücksichtigt werden, gerade als Beweis für eine grundsätzliche Gleichbehandlung zu werten. 3 1 6 Es kommt nicht darauf an, daß Inseln bei der Abgrenzimg voll berücksichtigt werden, sondern nur darauf, daß sie überhaupt berücksichtigt werden. Die Tatsache, daß Inseln in diesen Abkommen nicht Seegebiete gleichen Ausmaßes wie das Festland erhalten, findet ihren Grund im Abgrenzungsrecht. Geht es aber um den grundsätzlichen Rechtsstatus von Inseln, so darf dabei das Abgrenzungsrecht keine Rolle spielen. Dies haben auch die Delegierten von UNCLOS I I I erkannt und beide Bereiche voneinander getrennt. 317
Lanka v. 23.03.1976; Indien - Indonesien v. 08.08.1974 sowie Japan - Rep. Korea v. 30.01.1974; vgl. dazu im einzelnen bereits oben unter II. 2. 310 Auf die Bedeutung der Verträge zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern geht H. Pazarci nicht ein. 311 Insoweit bezieht sich H. Pazarci auf: Bahrein - Saudi Arabien v. 22.02.1958; Iran - Saudi Arabien v. 24.10.1968; Italien - Jugoslawien v. 08.01.1968; Iran - Quatar v. 20.09.1969 sowie Abu Dhabi- Quatar ν. 20.03.1969; vgl. dazu bereits ebenfalls oben unter II. 2. 312 H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 89, 91. 313 Vgl. dazu bereits oben unter 2. Teil Β. I. 2. b) cc). 314 Vgl. dazu bereits oben unter 2. Teil Β. I. 2. b) dd). 315 Vgl. dazu bereits oben unter II. 2. 316 Vgl. dazu bereits oben unter II. 2. 317 Vgl. dazu bereits oben unter 2. Teil Α. V. 3.
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2
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Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
V. Ergebnis Es bleibt daher festzuhalten, daß auch nach Maßgabe des Völkergewohnheitsrechts Inseln unabhängig von ihrer Größe, Lage und Bevölkerung grundsätzlich die gleichen Seegebiete, insbesondere einen Festlandsockel, haben wie Festlandgebiete. Auszunehmen sind lediglich „Felsen" im Sinne von Art. 121 Abs. 3 SRK. Dieser Grundsatz kann nur éingeschrânkt werden, sobald es um die Abgrenzung zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten geht.
C. Der völkerrechtliche Status von Archipelen I. Vorbemerkung Der Begriff „Archipel" hat seinen Ursprung in dem griechischen Namen für das östliche Mittelmeer „aigaion pelagos", also die Ägäis mit der für sie charakteristischen großen Anzahl von oft sehr nah beieinander liegenden Inseln. Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch w i r d der Begriff „Archipel" ganz allgemein mit Inselgruppe gleichgesetzt.1 Jedoch umfaßt er von seinem Ursprung her nicht nur das Landgebiet, sondern auch die zwischen den Inseln liegenden Gewässer. 2 In der Ägäis gibt es drei große Inselgruppen: - die Kykladen, 3 - die Sporaden 4 und - den Dodekanes.5 Da nun unter anderem auch im völkerrechtlichen Schrifttum 6 die Auffassung vertreten wird, Inselgruppen würden i m Seevölkerrecht unter bestimmten Voraussetzungen einen besonderen Status genießen, soll in diesem Abschnitt eben dieser Frage nachgegangen werden. Dabei soll die Behandlung küstennaher Inselgruppen, auf die schon weiter oben7 einge1 Vgl. etwa: Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, Band 1, 1980. 2 So auch R. Sturzes, Archipelgewässer. Zur Entwicklung eines neuen Rechtsbegriffs i m Seerecht, Berlin 1981, S. 15. 3 Andros, Tinos, Mykonos, Siros, Kea, Kithnos, Serifos, Sifnos, Paros, Naxos, Amorgos, Astipalaea, Anafi, Thira (Santorini) los, Sikinos, Folegandros, Milos, Kimolos, Iraklia, und die Koufonissia. 4 Skiathos, Skopelos, Alonissos, Kira Panagia, Gioura, Piperi, Psathoura, Peristera, Skantzoura, Skiros und Skiropoula. 5 Ikaria, Samos, Patmos, Arki, Lipsi, Agathonissi, Farmakonissi, Leros, Kalimnos, Kos, Nissiros, Tilos, Simi, Halki und Rhodos. 6 Vgl. zunächst nur: C.J. Colombos, Internationales Seerecht, aaO, § 130. 7 S.o. 2. Teil A. III. 1.
C. Der völkerrechtliche Status von Archipelen
127
gangen worden ist, außer Betracht bleiben. Deren mögliche Einbeziehung i n ein System gerader Basislinien kann seit der Entscheidimg des IGH im Anglo-Norwegian Fisheries Case8 und nicht zuletzt wegen der Regelungen der weitestgehend gleichlautenden Vorschriften der Art. 4 K M K sowie Art. 7 SRK und einer relativ gleichförmigen Staatenpraxis als gesichert gelten. 9 Außer i m Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit gerader Basislinien spielen küstennahe Inselgruppen keine weitere - rechtserhebliche Rolle. 10 Daher lassen sich die küstennahen Inselgruppen ohne weiteres von solchen unterscheiden, die in einer größeren Entfernung von Kontinentalgebieten liegen, 11 d. h. zumindest in einer Entfernung von 12 sm. 12 Die folgenden Ausführungen werden sich auf die Frage nach dem Rechtsstatus solcher küstenferner Inselgruppen („mid-ocean archipelagos ")13 konzentrieren. Π. Die vertretenen Positionen Die Auffassungen zum Rechtsstatus von küstenfernen Archipelen sind geteilt. 14 Im wesentlichen lassen sich die folgenden drei Positionen ausmachen: 1. Die äußersten Inseln des Archipels werden durch Basislinien dergestalt miteinander verbunden, daß die Gewässer diesseits der Basislinien, also diejenigen zwischen den Inseln der Gruppe, zu Binnen- oder sog. Archipelgewässern 15 werden. Sodann erhält der gesamte Archipel ein einheit8 ICJ Rep. 1951, pp. 116-143; vgl. dazu die Darstellung dieser Entscheidung oben 2. Teil A. III. 1. 9 Vgl. D.W. Bowett, Islands, S. 84-90 mit Beispielen aus der Staatenpraxis, die nicht immer gänzlich in Übereinstimmung mit Art. 4 K M K steht, was aber an der gewohnheitsrechtlichen Geltung dieser Bestimmungen nichts ändert. 10 So auch: D.W. Bowett, Islands, S. 84 m.w.N. 11 Ebenda. 12 Diese Entfernung hängt von der Küstenmeerbreite i m jeweiligen Einzelfall ab. Liegt eine Insel, die ja ein eigenes Küstenmeer hat, nicht mehr als die doppelte Küstenmeerbreite vom Mutterland entfernt, so fallen die beiden Küstenmeergebiete zusammen. Dies gilt selbstverständlich auch für Inselgruppen. 13 Vgl. dazu O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 236-258; C.F. Amerasinghe, The Problem of Archipelagos i n the International Law of the Sea, ICLQ 1974, 539575; D.P. O'Connell, Mid-Ocean Archipelagos i n International Law, BYIL 1971, 1-77 (58 ff.); McDougal/Burke, Public Order; S. 411-419; C.J. Colombos, Internationales Seerecht, § 130; M. Sorensen, The Territorial Sea of Archipelagos, in: Varia Juris Gentium, Liber Amicorum J.P. A. François, Leiden 1959, S. 315-331; D. Andrew, Archipelagos and the Law of the Sea: Island Straits or Insular Studded Sea Space?, Mar.Policy 1978, 46-64; A. Demirali, The Third United Nations Conference on the Law of the Sea and an Archipelagic Regime, San Diego L.Rev. 1976, 742-764; P.E.J. Rodgers, Midocean Archipelagos and International Law. A Study i n the Progressive Development of International Law (1981); H.P. Rajan, The Legal Regime of Archipelagos, GYIL 1986,137-153; R. Sturies, Archipelgewässer. 14 Vgl. C.J. Colombos, Internationales Seerecht, § 130; D.P. O'Connell, BYIL 1971, 1-77; J. Evensen, Certain Legal Aspects concerning the Delimitation of the Territorial Waters of Archipelagos, U.N. Doc. A/CONF.13/37, der die unterschiedlichen Auffassungen umfassend wiedergibt; ferner R. Sturies, Archipelgewässer, S. 67 ff.
128
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
liches Küstenmeer sowie die anderen völkerrechtlich anerkannten Seegebiete. 16 2. Die Inseln eines Archipels werden ebenso behandelt wie jede andere Insel auch, d. h. die Seegebiete werden für jede Insel der Gruppe gesondert festgelegt. 17 3. Der Archipel w i r d als Einheit behandelt und erhält ein eigenes Küstenmeer sowie die anderen Seegebiete, ohne daß die Gewässer zwischen den Inseln zu Binnen- oder Archipelgewässern werden. 18 Soweit ein besonderer Status für Inselgruppen reklamiert wird (Positionen 1. und 3.), soll dies aber nicht für jede Inselgruppe gelten. Vielmehr w i r d zwischen Archipelen und anderen Inselgruppen unterschieden: „Es scheint allgemein anerkannte Regel zu sein, daß eine Gruppe von Inseln, die einen Teil eines Archipels bilden, als eine Einheit zu betrachten ist und daß die Ausdehnung der Territorialgewässer dann von dem Mittelpunkt dieses Archipels aus gemessen wird. Wenn es dagegen sich um isolierte oder weitverstreute Inselgruppen handelt, die keinen Archipel bilden, so scheint die bessere Ansicht diejenige zu sein, die dahingeht, daß jede Insel ihre eigenen Hoheitsgewässer hat, somit ein einheitlicher Saum für die ganze Gruppe entfällt." 1 9
Diese Differenzierung macht es erforderlich, nicht nur die Frage zu klären, ob Archipele im Seevölkerrecht als Einheit zu behandeln sind, sondern auch, welche Kriterien eine Inselgruppe erfüllen muß, um als Archipel im Rechtssinne angesehen werden zu können. Mit eben diesen Fragen haben sich alle seerechtlichen Kodifikationsarbeiten sowie einige Autoren im völkerrechtlichen Schrifttum seit den 20er Jahren unseres Jahrhunderts auseinandergesetzt. m . Die Entwicklung bis einschließlich 1930 Ebenso wie der Rechtsstatus von Inseln im allgemeinen 20 hat die Frage nach dem Rechtsstatus von Archipelen erst im Vorfeld der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 in der völkerrechtlichen Diskussion Beachtung gefunden. 21 15
Vgl. näher zu diesem Begriff unten unter 5. Einen solchen Status sollen offensichtlich die Galapagos-Inseln haben, vgl. U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/6, 487; IBS No. 42. Auch andere Staaten, insbesondere Inselstaaten, fordern für sich einen solchen Status, vgl. dazu näher im folgenden. 17 So der Entwurf der Harvard Law School , AJIL 1929, Spec. Suppl., 244, 276. 18 So etwa: C.J. Colombos, Internationales Seerecht, § 130. 19 Ebenda. 20 Vgl. dazu oben 2. Teil Α. I. 21 Zwar hatte man sich bereits im 19. Jahrhundert mit der Frage auseinandergesetzt, wie küstennahe Formationen zu behandeln seien (vgl. dazu: D.P. O'Connell, BYIL 1971,1-77 (1 ff.)). Dies hat aber nichts zur Klärung des Rechtsstatus von Archipelen beigetragen (so auch: D.P. O'Connell, BYIL 1971, 4). 16
C. Der völkerrechtliche Status von Archipelen I m Jahre 1924 legte Alvarez
der International
Law Association
129 einen E n t -
w u r f vor, w o n a c h eine Inselgruppe als E i n h e i t behandelt w e r d e n u n d e i n Küstenmeer v o n 6 sm erhalten s o l l t e . 2 2 I n dem K o n v e n t i o n s e n t w u r f , der z w e i Jahre später v o n der I . L . A . angenommen w u r d e , fehlte aber jegliche Bezugnahme auf I n s e l g r u p p e n . 2 3 I n der Resolution des Institut
de Droit
International
aus dem Jahre 1928
w u r d e zunächst zwischen küstennahen u n d küstenfernen
Inselgruppen
unterschieden. Inselgruppen sollten d a n n als E i n h e i t , also als A r c h i p e l , behandelt werden, w e n n die E n t f e r n u n g e n zwischen den einzelnen Inseln der G r u p p e n i c h t m e h r als 6 sm betragen, also die (damals) doppelte K ü s t e n meerbreite. 2 4 D e r E n t w u r f der Harvard
Law
School
v o n 1929 e n t h ä l t z w a r keine
B e s t i m m i m g z u Archipelen. I n der K o m m e n t i e r u n g z u A r t . 7 heißt es aber: „ . . . i n any situation where islands are within six miles of each other the marginal sea w i l l form one extended zone. No different rule should be established for groups of islands or archipelagos except if the outer fringe of islands is sufficiently close to form one complete belt of marginal sea, the waters w i t h i n such belt should be considered territorial; .. , " 2 5 D e r E n t w u r f des Experten-Ausschusses des Völkerbundes aus d e m Jahre 1927 2 6 sieht vor, daß die Inseln eines A r c h i p e l s als E i n h e i t behandelt u n d das Küstenmeer gemessen w e r d e n sollte from the islands most distant from the centre of the archipelago." 27 A u f der G r u n d l a g e u. a. auch dieser E n t w ü r f e erarbeitete der Vorbereitungs-Ausschuß f ü r die Haager K o d i f i k a t i o n s k o n f e r e n z den folgenden P u n k t 13 der „Bases of
Discussion" :
„ I n the case of a group of islands which belong to a single State and at the circumference of the group are not separated from one another by more than twice the breadth of the territorial waters, the belt of territorial waters shall be measured from the outermost islands of the group. Waters included within the group shall also be territorial waters." 2 8 22
I.L.A., Report of the 33rd Conference (1924), 266. I.L.A., Report of the 34th Conference (1926), 40 ff. 24 Zitiert nach: J. Evensen, Certain Legal Aspects concerning the Delimitation of the Territorial Waters of Archipelagos, U.N. Doc. A/CONF.13/37, 289. Demgegenüber sah der private Entwurf von Karl Strupp aus dem Jahre 1929 eine dreifache Küstenmeerdistanz vor, vgl. Κ Strupp, Das Küstenmeer im Völkerrecht der Gegenwart und Zukunft, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts (1. Oktober 1929), 1. Band - Öffentliches Recht, S. 50-71 (66). 25 AJIL 1929, Spec. Suppl., 276. Zu beachten ist i n diesem Zusammenhang auch Art. 11 des Entwurfs: „Where the delimitation of marginal seas would result in leaving a small area of high sea totally surrounded by marginal seas of a single state, such area is assimilated to the marginal sea of that state." (Ebenda, 244). 26 Committee of Experts, Draft Convention, L.N. Doc. C. 196. M. 70. 1927 V. 27 Ebenda, 72. 28 L.N. Doc. C. 74. M. 39. 1929. V. 2, 50-51. 23
9 Heintschel v. Heinegg
130
2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Der 2. Unter-Ausschuß, der u. a. auch mit dieser Frage befaßt war, sah sich im folgenden aber außerstande, sich auf einen endgültigen Wortlaut zu einigen. Begründet wurde dies mit einem „lack of technical details". 29 Denn weder wurde ein Konsens über die Breite des Küstenmeeres erzielt noch über den Rechtsstatus derjenigen Gewässer eines Archipels, die zwischen den Inseln gelegen sind. Besonders umstritten war aber die Definition des Begriffs „Archipel", weil man sich ζ. B. nicht darauf einigen konnte, ob es auf eine bestimmte Nähe der Inseln zueinander ankommen sollte und, wenn ja, wie groß diese Entfernung sein darf. IV. Die Arbeit der ILC und UNCLOS I In der Zeit vor dem 2. Weltkrieg hatte es zur Archipel-Frage nur vereinzelt Veröffentlichungen gegeben.30 Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie zunächst überhaupt nicht diskutiert. Erst die ILC schenkte den Problemen im Zusammenhang mit Archipelen während ihrer Vorarbeiten zur 1. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS I) wieder, wenngleich nicht allzu große, Beachtung. Der Berichterstatter François 31 nahm zunächst lediglich Bezug auf den Bericht des 2. Ausschusses der Haager Kodifikationskonferenz 32 sowie die Entscheidung des I G H im Anglo-Norwegian Fisheries Case33, in der das Gericht im Hinblick auf (küstennahe) Inselgruppen u. a. eine analoge Anwendung der Regelung für Buchten (10 sm-Kriterium) abgelehnt hatte. 34 Im April 1953 trat im Haag eine Expertengruppe zusammen, die u. a. technische Probleme im Zusammenhang mit der Einordnimg von Inselgruppen erörterte. Diese Experten kamen zu dem Ergebnis, daß solche Inseln als Archipele eingeordnet werden könnten, die weniger als 5 sm voneinander entfernt liegen. Diese Inseln sollten dann dergestalt durch gerade Basislinien miteinander verbunden werden, daß die zwischen ihnen liegenden Gewässer zu Binnengewässern werden. 35 Diese 29
Ebenda, 219. Erwähnenswert aus dieser Zeit ist die Arbeit von F. Münch, der sich u. a. mit dem Begriff des Archipels auseinandergesetzt hat, F. Münch, Die technischen Fragen des Küstenmeeres, Kiel 1934, S. 108-115; vgl. dazu auch die Darstellung von F. Münchs Lösungsvorschlag bei D.P. O'Connell, BYIL 1971, 1-77 (11 ff.); O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 239-241. Die von F. Münch, Die technischen Fragen des Küstenmeeres, S. 108-115, vorgeschlagene mathematische Formel zur Bestimmung eines Archipels, insbesondere der von ihm gewählte Faktor 4, hat aber nie Eingang i n Kodifikationsarbeiten gefunden. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß der besagte Faktor 4 rein willkürlich festgelegt worden ist (so auch: D.P. O'Connell, BYIL 1971,11-13) und i n der Staatenpraxis keine Grundlage hat. 31 YILC 1953 II, 57. 32 Vgl. dazu oben unter 3. 33 ICJ Rep. 1951, pp. 116-143. 34 Ebenda, p. 131. Vgl. dazu auch die Darstellung dieser Entscheidung oben 2. Teil Α. ΠΙ. 1. 35 YILC 1953 II, 77. 30
C. Der völkerrechtliche Status von Archipelen
131
Vorschläge wurden von François in seinen Bericht aus dem Jahre 1953 36 und ein Jahr später in seinen dritten Bericht 3 7 aufgenommen. Dessen Art. 12 lautete: „1. The term »group of islands', in the juridical sense, shall be determined to mean three or more islands enclosing a portion of the sea when joined by straight lines not exceeding five miles i n length, except that one such line may extend to a maximum of ten miles. 2. The straight lines specified in the preceding paragraph shall be base-lines for measuring the territorial sea. Waters lying within the area bounded by such lines and the islands themselves shall be considered as inland waters. 3. A group of islands may likewise be formed by a string of islands taken together w i t h a portion of the mainland coastline. The rules set forth in paragraphs 1 and 2 of this article shall apply pari passu." 38
Das 5 sm-Kriterium und die Ausnahme für eine 10 sm-Basislinie wurden in diesem Bericht nicht erläutert. Zu einer Diskussion über diese Vorschläge innerhalb der ILC kam es erst im Jahre 19 5 5. 39 Besonders kritisiert wurde dabei die Festsetzung einer bestimmten Entfernung; denn dies lief der Entschließung der ILC zuwider, keine spezifischen Entfernungsangaben i n den Entwurf aufzunehmen. 40 Die Mehrheit der Mitglieder war im übrigen der Auffassung, die genannten Grenzwerte seien nicht gleichermaßen auf küstennahe wie küstenferne Archipele anwendbar und schon aus diesem Grunde ungeeignet. 41 Daher beschloß die ILC mit 10 : 0 Stimmen bei zwei Enthaltungen, den Art. 11 des Entwurfs über Inselgruppen zu streichen. 42 Zwar wurde nach einer Initiative der Philippinen und Jugoslawiens die Diskussion über Archipele von der ILC im Jahre 1956 wieder aufgenommen. 43 In Anbetracht der mit der Behandlung dieser Frage zusammenhängenden Schwierigkeiten und der inzwischen knapp gewordenen Zeit einigte man sich letztlich darauf, deren Klärung der Konferenz zu überlassen: „The Commission had intended to follow up this article w i t h a provision concerning groups of islands. Like the Hague Conference for the Codification of International Law of 1930, the Commission was unable to overcome the difficulties involved. The problem is similarly complicated by the different forms it takes i n different archipelagos. The Commission was also prevented from stating an opinion, not only by disagreement on the breadth of the territorial sea, but also by lack of technical information on the s u b j e c t . . . The Commission points out for purposes of information that Article 5 may be applicable to groups of islands lying off the coast." 44 38
YILC 1953 Π, 76-78. YILC 1954 Π, 5. 38 Ebenda. 39 YILC 1955 I, 217. 40 YILC 1955 I, 205. « YILC 1955 I, 217-218. 42 YILC 1955 I, 218. 43 YILC 1956 I, 195. 37
9*
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Somit hatte die ILC vor den gleichen Problemen kapitulieren müssen wie die Haager Kodifikationskonferenz von 1930. Die Genfer Seerechtskonferenz von 1958 befaßte sich jedoch entgegen der Erwartimg der ILC nicht mit der Frage von Archipelen, obwohl die Philippinen 4 5 sowie Jugoslawien 46 darauf hinzuwirken versucht hatten. Im Hinblick auf die Genfer K M K (wie auch die FSK) bleibt somit als Ergebnis festzuhalten, daß küstenferne Archipele nach Meinung der Delegierten keinen besonderen Status erhalten sollten. Daher sind die Inseln solcher küstenferner Archipele - jede für sich - ebenso zu behandeln wie isoliert liegende Inseln. Ein einheitliches Küstenmeer und Festlandsockelgebiet oder gar Archipelgewässer finden in diesen Konventionen keine Grundlage. V. Die Entwicklung bis einschließlich UNCLOS Π Ι In der Zeit nach 1958 wurde das Thema Archipele zwar während der gescheiterten - 2. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen von 1960 diskutiert. 4 7 Auch belegen Beispiele aus der Staatenpraxis 48 , daß Inselgruppen teilweise als Einheit behandelt werden und somit einen besonderen Rechtsstatus erhalten sollen. Dies alles hat aber weder zu einer Klärung des Begriffs sowie des Rechtsstatus von Archipelen noch zur Entstehung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts geführt. 49 Diese Staatenpraxis ist zu uneinheitlich, so daß erhebliche Unsicherheiten nicht nur hinsichtlich der Einordnung derjenigen Gewässer bestehen bleiben, die zwischen den Inseln eines Archipels liegen. Es gibt auch kein allgemein anerkanntes Kriterium für die Bestimmung der erforderlichen Beziehung der Inseln zueinander: Soll es auf die geographi44
YILC 1956 I, 270. Die Philippinen hatten vorgeschlagen, die äußersten Inseln von solchen Archipelen durch gerade Basislinien zu verbinden, „whose component parts are sufficiently close to one another to form a compact whole and have been historically considered collectively as a single unit.", U.N. Doc. A/CONF.13/C.1/L.98 = UNCLOS I, Off. Ree. III, 239. 46 Jugoslawiens Vorschlag ging dahin, das System gerader Basislinien sowohl auf küstennahe als auch auf küstenferne Archipele anzuwenden, U.N. Doc. A/CONF. 13/ C.1/L.59 = UNCLOS I, Off. Ree. III, 227. 47 Während UNCLOS I I bezeichneten sich sowohl die Philippinen als auch Indonesien als Archipele (vgl. UNCLOS II, Off. Ree., 51 ff.). Die Delegierten anerkannten auch einen besonderen Status der Philippinen, was mit historischen Ansprüchen begründet wurde. Da aber die Konferenz beschlossen hatte, die Fragen i m Zusammenhang mit sog. „historischen Gewässern" durch eine besondere Studie klären zu lassen, wurde der Fall der Philippinen nicht weiter behandelt (vgl. UNCLOS II, Off. Ree., 151). 48 Vgl. dazu die Beispiele bei: D.P. O'Connell, BYIL 1971, 1-77 (22-52); D.W. Bowett, Islands, S. 81-105. 49 So etwa auch: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 254. 45
C. Der völkerrechtliche Status von Archipelen
133
sehe Nähe ankommen oder spielen auch politische und ökonomische Fakto» ren eine rechtserhebliche Rolle? Auch die Delegierten auf UNCLOS I I I hatten sich mit der rechtlichen Einordnung von Archipelen auseinanderzusetzen. 50 Da aber die besagten Unsicherheiten hinsichtlich der sog. Archipelgewässer bestanden, versuchte man auf UNCLOS I I I insoweit ein Durchfahrtsrecht einzuführen, welches demjenigen durch internationale Wasserstraßen gleichen sollte. Dies wiederum erschien den Delegierten aber nur dann als gangbarer Weg, wenn die Anzahl der Staaten, denen man besondere Archipelrechte zugestehen wollte, von Anfang an durch die Aufstellung strenger Kriterien beschränkt wurde. 5 1 Dementsprechend enthält die SRK von 1982 keine Bestimmungen, die für Archipele generell gelten. Vielmehr finden die Vorschriften von Teil IV (Art. 46-54) nur auf Archipel-Staaten 52 Anwendung, d. h. Staaten „ . . . constituted wholly by one or more archipelagos and . . . other islands" (= Art. 46 (a) SRK).
Der Begriff „Archipel" w i r d in Art. 46 (b) SRK definiert als Inselgruppe, die dazwischenliegenden Gewässer sowie die anderen natürlichen Erscheinungsformen, die dermaßen in Beziehung zueinander stehen, daß sie eine „intrinsic geographical, economic and political entity"
bilden oder als solche seit jeher („historically") angesehen werden. Doch nicht alle Inselgruppen, die dieser Definition entsprechen, also auch diejenigen, die schon immer („historically") als eine Einheit betrachtet wurden 5 3 , dürfen ein System gerader „archipelischer" Basislinien anwenden. Voraussetzung für ein solches Basisliniensystem ist gemäß Art. 47 Abs. 1 SRK, daß das Verhältnis von Wassergebieten zu Landgebieten zwischen 1 : 1 und 9 : 1 liegt. 5 4 Die derart entstandenen Archipelgewässer sind der Souveränität des 50
Vgl. dazu R. Sturzes, Archipelgewässer, S. 102 ff. U.a. Indien hatte vergeblich versucht, eine solche Beschränkung zu verhindern, vgl. UNCLOS III, Off. Ree. II, 263; III, 187. 52 Dies waren vorrangig die Philippinen und Indonesien. 53 Dies folgt aus dem Wortlaut der Art. 46 (b) und 47 Abs. 1 SRK. Insoweit kann ζ. B. D.W. Bowett, Islands, S. 83 nicht unbedingt gefolgt werden, wenn er die Auffassung vertritt, daß auch andere Inselgruppen ζ. B. aus „historic claims" als Einheit behandelt werden könnten. 54 Damit ist ein besonderes Archipel-Regime - und das war auch so beabsichtigt nur auf die genannten Inselstaaten anwendbar. Vgl. dazu: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 257. Dennoch haben i m Verlauf und nach Abschluß von UNCLOS I I I einige Inselstaaten, die die Voraussetzungen des Art. 47 Abs. 1 SRK nicht erfüllen, Archipelrechte geltend gemacht: Sao Tome und Principe, Decree-Law No. 14/78 vom 16.06.1978 (U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 101-102), Council of Ministers, DecreeLaw No. 48/82 (LOSB No. 1 (September 1983), 39-40); Fiji, Marine Spaces Act, 1977, Act No. 18 of December 15,1977, as amended by the Marine Spaces Amendment Act, 1978, Act No. 15 of October 10, 1978 (LOSB No. 2 (March 1985), 27-29); SolomonInseln, Declaration of Archipelagos of Solomon Islands, 1979 (U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/19,106-107), Declaration of Archipelagic Baselines, 1979 (U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/19,107-109); Vanuatu, Maritime Zones Act No. 23 of 1981 (LOSB No. 1 (1981), 51
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2. Teil: Der Rechtsstatus von Inseln i m Völkerrecht
Archipel-Staates unterstellt (Art. 49 Abs. 1 SRK), die sich auf den darüber befindlichen Luftraum, den Meeresgrund und -untergrund sowie die dort befindlichen (lebenden und nicht-lebenden) Ressourcen erstreckt (Art. 49 Abs. 2 SRK). Vorbehaltlich des Rechts des Archipelstaates, nach Maßgabe von Art. 53 SRK Schiffahrts- und Luftverkehrsrouten für das Gebiet in und über den Archipelgewässern festzulegen, genießen alle Staaten gemäß Art. 52 Abs. 1 SRK das Recht der „innocent passage Mit dieser Entscheidimg der Konferenz, nur solchen Inselgruppen einen besonderen Rechtsstatus zuzugestehen, die auch Archipel-Staaten sind und die Voraussetzungen des Art. 47 Abs. 1 SRK erfüllen, w i r d deutlich, daß es im Seevölkerrecht an einer spezifischen Regelung für Inselgi^ippen fehlt. Im Schrifttum w i r d zwar vereinzelt die Ansicht vertreten, mit dem auf UNCLOS I I I erzielten Konsens sei die Möglichkeit einer besonderen Behandlung auch anderer Inselgruppen etwa aus historischen, ökonomischen und politischen Gründen nicht ausgeschlossen.55 Dieser Auffassimg kann aber nicht gefolgt werden. Zunächst sei betont, daß O'Connell/ Shearer lediglich die Möglichkeit eines besonderen Rechtsstatus andeuten. Sie belassen es aber bei diesem allgemeinen Hinweis und nennen keine Kriterien - vor allem keine, die im Völkerrecht wurzeln - , die dann gegeben sein müßten. Es soll hier nicht ausgeschlossen werden, daß ζ. B. in bilateralen oder regionalen Rechtsbeziehungen eine Inselgruppe, etwa aus historischen Gründen, einen besonderen Status genießt. Insoweit wäre aber schon fraglich, ob sich auch andere Staaten diese Besonderheit entgegenhalten lassen müßten. Jedenfalls folgt aus dem auf UNCLOS I I I erzielten Konsens, daß eine Inselgruppe - auch wenn sie aus historischen Gründen eine Sonderstellung einnimmt - nicht die in Art. 49 SRK niedergelegten Rechte geltend machen kann. 5 6
64-73); Trinidad und Tobago, Act No. 24 of 1986 - Archipelagic Waters and Exclusive Economic Zone Act, 1986 (LOSB No. 9 (1987), 6-17); offensichtlich sollen die ecuadorianischen Galapagos-Inseln zumindest als Einheit behandelt werden, ohne daß klar ist, welchen Status die zwischen den Inseln liegenden Gewässer haben sollen, vgl. die Proklamation vom 19.09.1985 (LOSB No. 7 (1986), 109-110). 55 Vgl. etwa: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 258. 58 So auch R. Sturzes, Archipelgewässer, S. 131.
3. T E I L
Die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten und der Einfluß von Inseln Wie im vorstehenden Teil nachgewiesen, haben Inseln, soweit sie nicht Felsen im Sinne des Art. 121 Abs. 3 SEK sind, sowohl nach Völkervertragsais auch nach Völkergewohnheitsrecht im Hinblick auf die anerkannten Hoheitsrechte in und an der See grundsätzlich den gleichen Rechtsstatus wie Festlandgebiete. Bevor nun aber der Frage nachgegangen werden kann, ob und inwieweit Inseln die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten beeinflussen, bedarf es zunächst eines kurzen Eingehens auf den völkerrechtlichen Begriff und Inhalt des Festlandsockels sowie den Rechtsgrund und die Ausmaße des FestlandsockelRégimes, da sich daraus möglicherweise Rückschlüsse auf die Abgrenzung ziehen lassen.
A. Das Festlandsockel-Regime 1 I. Der Grundsatz exklusiver Hoheitsrechte des Küstenstaates am Meeresgrund und -untergrund Das Problem der rechtlichen Zuordnung des Meeresbodens zum Küstenstaat fand zwar schon im 17. und 18. Jahrhundert eine gewisse Beachtung 2 , doch war bis 1942 anerkannt, daß das Meer einschließlich des Meeresbodens außerhalb der Küstengewässer als res communis omnium keinerlei Beschränkungen durch staatliche Hoheitsgewalt unterliegt, es sei denn es han1 Zur Entstehung des Festlandsockelregimes vgl. aus neuerer Zeit M.L. Jewett, The Evolution of the Legal Regime of the Continental Shelf, Part 1, Can.Yb.Int'l.L. 1984, 153-193; Part 2, Can.Yb.Int'l.L. 1985, 201-225; ferner R.-J. Dupuy, The Law of the Sea. Current Problems, New York - Leiden 1974, S. 137 ff.; K.O. Emery , Geological Limits of the „Continental Shelf", in: The Frontiers of the Seas (1980), S. 26-29 (sowie i n ODILA 1981, 1-11); ders., The Continental Shelves, Scientific American 1969, 106 ff.; M.W. Mouton, The Continental Shelf, The Hague 1952, sowie RdC 19541, 347465; P.S. Rao, The Law of the Continental Shelf, IJIL 1966, 363-382; ders., The Public Order of Ocean Resources. A Critique of the Contemporary Law of the Sea, Cambridge (Mass.) - London 1975, S. 47-75. 2 Vgl. Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 121 ff.
136
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
delte sich um historische Hechte.3 Allenfalls der Meeresuntergrund wurde als okkupationsfähige res nullius angesehen, wenn die Freiheit der Schifffahrt unberührt blieb. 4 Das erste entscheidende Abkommen, welches die Nutzung des Meeresgrundes und -untergrundes betraf, war der Vertrag von Paria zwischen dem Vereinigten Königreich und Venezuela vom 26. Februar 19425, der den Begriff „Festlandsockel" jedoch nicht enthielt. Die völkerrechtliche Diskussion um Festlandsockelrechte kam erst mit der Truman-Proklamation vom 28. September 19456 i n Gang.7 Mit dieser Proklamation hatten die USA ausschließliche Hoheitsrechte zur Erforschung und Ausbeutung der Bodenschätze „ . . . of the subsoil and seabed of the continental shelf beneath the high seas but contiguous to the coasts of the United States.. ." 8
geltend gemacht und damit eine Rechtsentwicklung ausgelöst, die sich innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes zu allgemein geltendem Völkerrecht verfestigte. 9 Dies lag vor allem darin begründet, daß die Truman-Proklamation dem Interesse der Mehrheit der Küstenstaaten entgegenkam, andere Staaten daran zu hindern, insbesondere die wirtschaftlich bedeutsamen Erdölvorkommen in den der Küste vorgelagerten Seegebieten zu erforschen und auszubeuten. 10 Folglich wurde gegen das Vorgehen der USA kein Protest erhoben. 11 Vielmehr folgten zahlreiche Staaten dem amerikanischen Beispiel durch den Erlaß gleichlautender und ζ. T. sogar weiterreichender Akte nationaler Gesetzgebung.12 Schon ab 1950 zeigte sich daher im völker3
Ebenda; ferner L. Oppenheim, International Law, 5. Aufl. London 1957, S. 500 ff. B. Rüster, Rechtsordnung, S. 121 ff. Nachdem im Jahre 1918 ein amerikanischer Staatsbürger das State Department über Erdölfunde in einer Entfernung von 40 sm vor der US-Küste informiert und angefragt hatte, ob die USA eine von ihm zu errichtende künstliche Insel unter ihre Hoheitsgewalt nehmen würden, wurde er durch Schreiben vom 18.9.1918 beschieden, daß „ . . . the United States has no jurisdiction over the ocean bottom of the Gulf of Mexico beyond the territorial waters adjacent to the coast." (Zitiert nach McDougaU Burke, Public Order, S. 636 Fn. 218.) 5 Betreffend Trinidad und Tobago, vgl. LNTS 205, 121 ff.; U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/1, 44. 6 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 39. 7 Vgl. statt vieler McDougal/Burke, Public Order, S. 636 f. « U.N. ST/LEG/SER.B/1, 39. 9 So auch B. Rüster, Rechtsordnung, S. 140; U.-D.Klemm, Seewärtige Grenze, S. 18; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 467 ff.; McDougaU Burke, Public Order, S. 637 ff. 10 Vgl. zu den politischen und ökonomischen Interessen allgemein McDougal/ Burke, Public Order, S. 631 ff. 11 Zu angeblichen britischen Bedenken vgl. O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 471. 12 Vgl. die in U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/ Bände 1, 8,15,18 und 19 wiedergegebenen Akte nationaler Gesetzgebimg; ferner B. Rüster, Rechtsordnung, S. 142 ff.; .1. Kehden, Die Inanspruchnahme von Meereszonen und Meeresbodenzonen, 2. Aufl. Hamburg 1971. 4
Α. Das Festlandsockel-Regime
137
r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m 1 3 eine Tendenz, das Festlandsockel-Régime als allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts anzuerkennen. Diese A n n a h m e w a r aber zumindest z u B e g i n n der 50er Jahre - w i e Lord Asquith, r i c h t e r i n der Abu Dhabi
Arbitration
der Schieds-
v o n 1951 1 4 , z u recht bemerkte - v e r -
früht: „ . . . the Continental shelf doctrine can in no form . . . claim as yet to have assumed hitherto the hard lineaments or the definite status of an established rule of international l a w . " 1 5 Wegen der V i e l z a h l gleichartiger F e s t l a n d s o c k e l - P r o k l a m a t i o n e n i n der F o l g e z e i t 1 6 s t a n d jedoch spätestens z u B e g i n n der 1. Seerechtskonferenz der Vereinten N a t i o n e n i m Jahre 1958 außer Zweifel, daß Küstenstaaten i n den i h n e n vorgelagerten unterseeischen Gebieten e x k l u s i v e Rechte an den Bodenschätzen h a b e n 1 7 , u n d z w a r ohne daß es einer O k k u p a t i o n oder eines ähnliches A k t e s b e d a r f . 1 8 W e n n g l e i c h somit e x k l u s i v e Rechte des Küstenstaates a m Meeresgrund u n d - u n t e r g r u n d i n n e r h a l b sehr k u r z e r Z e i t allgemein a n e r k a n n t waren, so m a c h t e n es d o c h die über die T r u m a n - P r o k l a m a t i o n ζ. T. w e i t hinausgehenden A k t e n a t i o n a l e r Gesetzgebung insbesondere einiger l a t e i n a m e r i k a n i scher S t a a t e n 1 9 erforderlich, eine einheitliche Regelung f ü r das Festlandsokkel-Régime z u schaffen. Demgemäß w u r d e die I L C beauftragt, b e i i h r e n A r b e i t e n z u m E n t w u r f einer Seerechtskonvention auch das FestlandsockelRégime z u b e r ü c k s i c h t i g e n . 2 0 13 H. Lauterpacht, BYIL 1950, 376-433; M. Mouton, Continental Shelf; vgl. ferner die Nachweise bei McDougal/Burke, Public Order, S. 638. 14 „In the Matter of an Arbitration between Petroleum Development ( Trucidi Coast) Ltd. and the Sheikh of Abu Dhabi", Arbitration Award, August 28, 1951, Paris, France, ICLQ 1952, 247-261; vgl. auch AJIL 1953, 156-159; ferner R. Young, Lord Asquith and the Continental Shelf, AJIL 1952, 512-515; R. Dolzer, Abu Dhabi Oil Arbitration, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc.Inst. 2 (1981), 1-2. 15 ICLQ 1952, 256. So auch die ILC i n der Kommentierung zu Art. 2 ihres Entwurfs aus dem Jahre 1951, YILC 1951 II, 142, Zf. 6; vgl. auch YILC 1950 II, 50. 16 Vgl. U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1 und 8; ferner B. Rüster, Rechtsordnung, S. 146 ff.; ferner S.W. Boggs, National Claims i n Adjacent Seas, The Geographical Review 1951, 185-209; P.S. Rao, The Public Order of Ocean Resources, S. 47 ff. 17 Vgl. etwa McDougal/Burke, Public Order, S. 635; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 230 ff. (236); ferner ICJ Rep. 1969, p. 32: „The Truman Proclamation . . . soon came to be regarded as the starting point of the positive law on the subject, and the chief doctrine it enunciated, namely that of the coastal State as having an original, natural and exclusive (in short a vested) right to the continental shelf off its shores . . . " 18 Anders die sog. Okkupationstheorie; dazu sogleich unter II. 19 Vgl. die Nachweise bei B. Rüster, Rechtsordnung, S. 146 ff. 20 Vgl. dazu G. Scelle, Plateau continental et droit international, RGDIP1955,5-62; E.D. Brown, Hydrospace, S. 3 ff.; McDougal/Burke, Public Order, S. 635 ff.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 476 ff.; C.J. Colombos, Internationales Seerecht, § 89; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 173; W.E. Butler, The Soviet Union and the Law of the Sea, Baltimore - London 1971; L. Caflisch, Les zones maritimes sous juridiction nationale, leurs limites et leur délimitation, RGDIP 1980, 68-119; ferner die Berichte der ILC an die UN-GA i n YILC 1951 II, 142 ff.; 1953 II, 213 ff.; 1956 II, 298 ff.
138
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
U n a b h ä n g i g v o n den sogleich z u behandelnden Fragen n a c h dem Rechtse r w e r b s t i t e l sowie den I n h a l t u n d die Grenzen der Festlandsockelrechte k a m a u c h die I L C zunächst z u d e m Ergebnis, daß „(t)he coastal State exercises over the continental shelf sovereign rights for the purpose of exploring and exploiting its natural resources." 21 Diese F o r m u l i e r i m g ist i n A r t . 2 Abs. 1 F S K u n d i n A r t . 77 Abs. 1 S R K ü b e r n o m m e n worden, w a r s o w o h l w ä h r e n d U N C L O S I als a u c h w ä h r e n d U N C L O S I I I i m G r u n d e u n u m s t r i t t e n 2 2 u n d entspricht einer allgemeinen Ü b u n g i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (b) I G H - S t a t u t 2 3 , die v o n einer k o r r e spondierenden Rechtsüberzeugung getragen i s t . 2 4 M i t h i n k a n n als gesichert gelten, daß Küstenstaaten bestimmte, e x k l u s i v e Hoheitsrechte a m Meeresgrund u n d -untergrund haben.25 Π . Z u m Rechtserwerbsgrund T r o t z der g r u n d s ä t z l i c h e n E i n i g k e i t darüber, daß der Küstenstaat a m Meeresgrund u n d - u n t e r g r u n d Hoheitsrechte beanspruchen k a n n 2 6 , w a r a n f ä n g l i c h h e f t i g u m s t r i t t e n , aus w e l c h e m Rechtsgrund der Küstenstaat diese geltend m a c h e n k ö n n e n soll. D i e Vertreter der sog. O k k u p a t i o n s t h e o r i e 2 7 betrachteten den Meeresgrund u n d - u n t e r g r u n d als res nullius,
deren
A n e i g n u n g somit i m Wege der O k k u p a t i o n 2 8 m ö g l i c h sein sollte. D e r e n W i r k s a m k e i t w i e d e r u m ist a b h ä n g i g v o n der E f f e k t i v i t ä t . 2 9 Demgegenüber
21
= Art. 68 des Entwurfs aus dem Jahre 1956, YILC 1956 Π, 297. Auf UNCLOS I drehte sich der Streit nur um den Begriff „sovereign rights". Einige Delegierte wollten ihn durch „exclusive rights" oder sogar „sovereignty" ersetzen, wohl auch um sich die Möglichkeit des Zugriffs auf die über dem Festlandsockel befindliche Wassersäule offenzuhalten; vgl. dazu statt vieler McDougal/Burke, Public Order, S. 642, 693 ff. 23 Vgl. dazu oben 2. Teil Α. IV. und V. 24 Ganz einhellige Meinung; vgl. dazu die vorstehenden Nachweise sowie die mittlerweile umfangreiche Judikatur des I G H zum Festlandsockel i n ICJ Rep. 1969, pp. 3257; 1982, pp. 18-94; 1984, pp. 246-346; 1985, pp. 13-58; ferner den Kanal-Schiedsspruch, I L M 1979, 397-494; sowie den Schiedsspruch zwischen Guinea und GuineaBissau, I L M 1986, 252-307. 25 So auch McDougal/Burke, Public Order, S. 642; D.N. Hutchinson, The Seaward L i m i t to Continental Shelf Jurisdiction, BYIL 1985,111-188 (113 ff.). 26 Daß dies die einzig realistische und praktikable Lösung war, räumte selbst Lord Asquith im Abu Dhabi Schiedsverfahren ein: „Someone . . . should have the right to exploit the subsoil of the submarine area outside the territorial limit; . . . the contiguous coastal Power seems the most appropriate and convenient agency for this purpose", ICLQ 1952, 256. 27 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Β. Rüster , Rechtsordnung, S. 193 ff., insbesondere Fn. 315. 28 Zur Okkupation vgl. allg. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1154 ff. m.w.N. 29 Ebenda; ferner grundlegend zum Erfordernis der Effektivität der Schiedsspruch im Island of Palmas Case, RIAA Vol. 2 (1949), 829-890. 22
Α. Das Festlandsockel-Regime
139
hat die ILC die Okkupationstheorie schon recht früh, nämlich im Jahre 195 1 3 0 , abgelehnt und sich auf den Standpunkt gestellt: „(d)e l'avis de la Commission, le sol et le sous-sol des régions sous-marines dont i l s'agit ci-dessus ne sauraient être considérés comme res nullius n i comme res communis. Ce sol et ce sous-sol sont soumis à l'exercise, par l'État riverain, d'un droit de contrôle et de juridiction aux fins de leur exploration et de leur exploitation. L'exercise de ce droit de contrôle et de juridiction est indépendant de la notion d'occupation. I l ne saurait être question d'un tel droit de contrôle et de juridiction sur les eaux qui couvrent ces parties du sol. Ces eaux restent soumises au régime de la haute mer." 3 1
In der Kommentierung der ILC zu Artikel 68 ihres Entwurfs aus dem Jahre 1956 32 heißt es dementsprechend: „(7) The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend on occupation, effective or notional, or on any express proclamation. (8) The Commission does not deem it necessary to expatiate on the question of the nature and legal basis of the sovereign rights attributed to the coastal State. The considerations relevant to this matter cannot be reduced to a single factor . . . In particular, once the seabed and subsoil have become an object of active interest to coastal States w i t h a view to the exploration and exploitation of their resources, they cannot be considered as res nullius, i. e. capable of being appropriated by the first occupier. It is natural that coastal States should resist any such solution. Moreover, i n most cases the effective exploitation of natural resources must presuppose the existence of installations on the territory of the coastal State. Neither is it possible to disregard the geographical phenomenon, whatever the term - propinquity, contiguity, geographical continuity, appurtenance or identity - used to define the relationship between the submarine areas i n question and the adjacent nonsubmerged land. A l l these considerations of general utility provide a sufficient basis for the principle of the sovereign rights of the coastal State as now formulated by the Commission. As already stated, that principle, which is based on general principles corresponding to the present needs of the international community, is i n no way incompatible w i t h the principle of the freedom of the seas." 33
Die ILC hat sich somit - vorrangig aus Gründen der Praktikabilität und um den Interessen der Küstenstaaten Rechnung tragen zu können - der sog. Kontiguitätstheorie 34 angeschlossen, obwohl diese im völkerrechtlichen 30 Vgl. den zweiten Bericht des Special Rapporteur François vom 10.04.1951, U.N. Doc. A/CN.4/42, YILC 1951 II, 75 ff. Im ersten Bericht vom 17.03.1950, U.N. Doc. A/ CN.4/17, YILC 1950 II, 36 ff.(37), hatte François noch festgestellt: „On a discuté pour savoir si la haute mer devait être caractérisée comme res nullius ou comme res communis. La plupart des auteurs modernes estiment qu'aucune des deux conceptions empruntées au droit romain, ne saurait être appliquée à la haute mer. Ces expressions obscurissent encore un débat déjà difficile par lui-même." 31 YILC 1951 Π, 99. 32 YILC 1956 II, 298. 33 YILC 1956 II, 298. Schon im Jahre 1951 hatte die ILC i n der Kommentierung zu Art. 2 der „Draft Articles on the Continental Shelf and Related SubjectsYILC 1951 II, 142, u. a. bemerkt: „Effective occupation of the submarine areas in question would be practically impossible;..." 34 Vgl. die Nachweise bei Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 197 ff., insbesondere S. 201 Fn. 331.
140
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Schrifttum 35
u n d auch i n der i n t e r n a t i o n a l e n J u d i k a t u r 3 6
erheblichen
Bedenken ausgesetzt w a r u n d i s t . 3 7 N a c h dieser Theorie „ b e r u h e n die Rechte des Küstenstaates über den Festlandsockel auf der geologisch-geographischen Z u g e h ö r i g k e i t dieses unterseeischen Gebiets z u m F e s t l a n d . " 3 8 D i e I L C h a t i n s o w e i t aber betont, daß es v o r r a n g i g auf die K o n t i g u i t ä t a n k o m m e u n d sich der rechtliche B e g r i f f des Festlandsockels v o n d e m geologisch-geog r a p h i s c h e n 3 9 unterscheide: „The varied use of the term by scientists is itself an obstacle to the adoption of the geological concept as a basis for legal regulation of this p r o b l e m . . . the Commission therefore in no way holds that the existence of a continental shelf, in the geographical sense as generally understood, is essential for the exercise of the rights of the coastal State . . . Thus, if . . . the submarine areas never reach the depth of 200 metres, that fact is irrelevant for the purposes of the present article. Again, exploitation of a submarine area at a depth exceeding 200 metres is not contrary to the present rules, merely because the area is not a continental shelf in the geological sense." 40 Dementsprechend e n t h ä l t auch die L e g a l d e f i n i t i o n des Festlandsockels i n A r t i k e l 1(a) F S K die Begriffe „ . . . submarine ..
areas adjacent
to the
coast
u n d A r t i k e l 2 Abs. 3 F S K l a u t e t :
35 Vgl. die K r i t i k und die umfangreichen Nachweise bei B. Rüster, Rechtsordnung, S. 192 ff.; ferner M.I. Lazarev, Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts, S. 249 ff.; E. Gounaris, The Continental Shelf Doctrine and Its Implications i n the Greek and German Foreign Policy, HRIR 1981/82, 660-666. 36 Ausdrücklich abgelehnt hatte die Kontiguitätstheorie Richter Huber im Palmas Island Schiedsverfahren, RIAA Vol. 2 (1949), 829-890 (876, 879): „ I t is impossible to show the existence of such a rule of positive international l a w . . . the alleged principle itself is by its very nature so uncertain and contested that even governments of the same state have . . . maintained contradictory opinions on its soundness . . . The principle of contiguity as a rule establishing ipso iure the presumption of sovereignty in favour of a particular state . . . would be in conflict w i t h what has been said as to territorial sovereignty; it is wholly lacking in precision and would in its application lead to arbitrary results." 37 Wenngleich Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 200, einräumt, man dürfe die auf der Grundlage der Kontiguität anerkannten Rechte - Küstenmeer und Anschlußzone nicht außer acht lassen. 38 B.Rüster, Rechtsordnung, S. 197. 39 Zum geologisch-geographischen Festlandsockelbegriff vgl. U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 5 ff.; vgl. ferner B. Rüster, Rechtsordnimg, S. 81 ff.; K.O. Emery, ODILA 1981,1-11; ders., in: The Frontier of the Seas (1980) S. 26-29; ders., Scientific American 1969, 106 ff.; L. Henkin, Law of the Sea's Mineral Resources, New York 1967; S. Uyeda, A Geological View of Land-Sea Boundary, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 32-35; Y. Yokota, The Boundary between Deep Seabed and Continental Shelf, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 36-38; M. Koga, Boundary of Continental Shelf and Deep Sea-bed from the Aspect of their Regimes, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 21-26; K. Hirobe, Mineral Resources of the Sea and Delimitation, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 65-67. 40 YILC 1956 II, 297. 41 Um jede Verwechslung mit der Anschlußzone („contiguous zone") zu vermeiden, hatte Liang schon im Jahre 1953 vorgeschlagen, anstelle von „contiguous" den Begriff „adjacent" zu verwenden (YILC 1953 I, 74, para. 13). Der Vorschlag wurde aber nicht angenommen. Erst im Jahre 1956 wurde „contiguous" durch „adjacent" ersetzt, womit aber kein weiterreichender Begriff eingeführt werden sollte (YILC 1953 I, 78, para. 70).
141
Α. Das Festlandsockel-Regime
„The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend on occupation, effective or notional, or on any express proclamation." A u c h der I G H ist der K o n t i g u i t ä t s t h e o r i e gefolgt, i n d e m er i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen
42
die V o r s c h r i f t e n der A r t i k e l 1-3 F S K bezeich-
nete als „ . . . being the ones which, it is clear, were then regarded as reflecting, or as crystallizing, received or at least emergent rules of customary international law relative to the continental shelf . . , " 4 3 B e i der Auslegung des Begriffs „adjacent " bedient sich der Gerichtshof des „natural
prolongation"
Sinne v o n „proximity"
- P r i n z i p s 4 4 u n d stellt k l a r , daß „adjacency"
nicht i m
verstanden w e r d e n dürfe:
„ . . . the rights of the coastal State i n respect to the area of continental shelf that constitutes a natural prolongation of its land territory into and under the sea exist ipso facto and ab initio, by virtue of its sovereignty over the land, and as an extension of i t . . . " 4 5 „As regards the notion of proximity, the idea of absolute proximity is certainly not implied by the rather vague and general terminology employed i n the literature of the subject, and in most State proclamations and international conventions and other instruments." 46 „What confers the ipso iure title . . . is the fact that the submarine areas concerned may be deemed to be actually part of the territory over which the coastal State already has dominion, - i n the sense that, although covered w i t h water, they are a prolongation or continuation of that territory, an extension of it under the sea." 47 Diese und a u c h andere A u s f ü h r u n g e n des I G H 4 8 scheinen zunächst d a f ü r z u sprechen, daß der Gerichtshof i m Gegensatz z u r I L C den r e c h t l i c h e n m i t dem geologisch-geographischen
Festlandsockelbegriff
gleichsetzen
will,
m i t h i n es n i c h t auf die „ r e i n e " K o n t i g u i t ä t a n k o m m e n soll. D i e w e i t e r e n Entscheidungsgründe des I G H , insbesondere i m Continental 42
Shelf Case z w i -
ICJ Rep. 1969, pp. 3-54. Ebenda, p. 39, para. 63. 44 Seit den Nordsee-Festlandsockel-Fällen Bestandteil der ständigen Rechtsprechung des I G H und auch anderer Spruchkörper; vgl. Continental Shelf Case (Libyen/ Tunesien), ICJ Rep. 1982, pp. 18-94 (46 ff.); Gulf of Maine Case (USA/Kanada), ICJ Rep. 1984, pp. 246-346; Continental Shelf Case (Libyen/Malta), ICJ Rep. 1985, pp. 1358; ferner Channel Award (Vereinigtes Königreich/Frankreich), I L M 1979, 397-462, 462-494; Schiedsspruch zwischen Guinea und Guinea-Bissau, I L M 1986, 252-307. 45 ICJ Rep. 1969, p. 22, para. 19. 46 Ebenda, p. 30, para. 41. 47 Ebenda, p. 31, para. 43. 48 Vgl. ICJ Rep. 1969, p. 51, para. 95: „The institution of the continental shelf has arisen out of the recognition of a physical fact; and the link between this fact and the law, without which that institution would never have existed, remains an important element for the application of its legal régime. The continental shelf is, by definition, an area physically extending the territory of most coastal States into a species of platform. The appurtenance of the s h e l f . . . is therefore a fact." Im Continental Shelf Case (Libyen/Tunesien) stellt der I G H fest: „ . . . natural prolongation is the sole basis of title." (ICJ Rep. 1982, p. 48, para. 48.) 43
142
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
sehen Libyen und Tunesien 49 , zeigen jedoch, daß der IGH ausdrücklich Festlandsockelrechte in Gebieten anerkennt, die nicht als Festlandsockel im geologisch-geographischen Sinne eingeordnet werden können. 50 Das Festlandsockel-Régime - so der IGH - entstamme zwar einem natürlichen Phänomen, habe aber eine davon unabhängige Entwicklung durchgemacht. 51 Schließlich hat das Kontiguitätsprinzip in Form der „natural prolongation " auch in Art. 76 Abs. 1 SRK 5 2 seinen Niederschlag gefunden. Zwar ist nicht auszuschließen, daß - wie U.-D. Klemm es ausdrückt - der „Begriff der natural prolongation . . . mittlerweile eine . . . Eigendynamik entwickelt" 5 3 hat und er in seiner Verwendimg i n der SRK sich von der durch den I G H wesentlich unterscheidet. Jedoch ist Art. 77 Abs. 3 SRK 5 4 mit Art. 2 Abs. 3 FSK identisch, so daß festgehalten werden kann, daß das Kontiguitätsprinzip („adjacency ") mittlerweile - trotz aller K r i t i k und Nachteile - völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat 5 5 und den Rechtserwerbstitel für Festlandsockelrechte darstellt. 56 Der Streit zwischen den Anhängern der Okkupationstheorie einerseits und der Kontiguitätstheorie andererseits ist damit gegenstandslos geworden, soweit Festlandsockelrechte betroffen sind. ΙΠ. Das Ausmaß der Kontiguität 1. Die Arbeiten der ILC und UNCLOS I
Die ILC hatte sich nun zwar grundsätzlich auf die Kontiguität als Rechtserwerbstitel geeinigt. Eine noch offene und davon zu unterscheidende Frage war aber die nach dem zulässigen Ausmaß der Kontiguität, mithin nach der seewärtigen Grenze des Festlandsockels. 57 49
ICJ Rep. 1982, pp. 18-94. Ebenda, p. 45, para. 41. 51 Ebenda, p. 46, para. 42. Vgl. dazu auch U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 230 ff.; D.N. Hutchinson, The Concept of Natural Prolongation i n the Jurisprudence concerning Delimitation of Continental Shelf Areas, BYIL 1984,133-187; ders., BYIL 1985, 111-188; M.I. Lazarev, Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts, S. 249 ff. 52 Vgl. dazu u. a. R.V. Matotta, Le plateau continental dans la convention de 1982 sur le droit de la mer, RdC 1985 V, 269-428. 53 U.-D.Klemm, Seewärtige Grenze, S. 232; vgl. auch die Diss. Op. von Richter Oda i n ICJ Rep. 1985, p. 154, para. 55. 54 Vgl. Anhang III. 55 So auch statt vieler B. Rüster, Rechtsordnung, S. 202 ff., 230 ff. 56 So auch Richter Oda in seiner Diss. Op. in ICJ Rep. 1985, p. 156, para. 59. Vgl. ferner L.F.E. Goldie, Title and Use (and Usufruct) - an Ancient Distinction Too Oft Forgot, AJIL 1985, 689-714. 57 Grundlegend dazu U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze; ferner B. Rüster, Rechtsordnung, S. 247 f.; D.N. Hutchinson, BYIL 1985,111-188; S. Ima, Impacts of the Delimitation of Continent-Ocean Boundaries, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 67-69; 50
Α. Das Festlandsockel-Regime
143
Wegen der erforderlichen Unterscheidimg zwischen dem rechtlichen und dem geologisch-geographischen Festlandsockel 58 ist der Begriff „Festlandsockel" als solcher nicht geeignet, die Grenzen der staatlichen Hoheitsrechte am Meeresgrund und -untergrund zu bestimmen. 59 Mit McDougal und Burke ist insoweit auch zu bemerken: „If a geological reference were to be ascribed to the term, then the area involved would vary from state to state and from sector to sector along the coast of the same state. If state officials intended what is usually called the conventional understanding of the continental shelf, namely that it extended to the 200 metre or 100 fathom isobath, then there would have been very wide agreement on the extent of exclusive authority, but there is no evidence that states making unilateral claim to a »continental shelf' were prepared to delimit their authority in this way." 6 0
Innerhalb der ILC bestand auch grundsätzliche Einigkeit darüber, daß in jedem Fall die äußere (seewärtige) Grenze des Festlandsockels bestimmt werden müsse. 61 Diese Grenze sollte aber in solchen Gebieten, in denen die Wassertiefe der Ausbeutung der Bodenschätze nicht entgegensteht, nicht von der Existenz eines geologisch-geographischen Festlandsockels abhängig sein, da andernfalls Küstenstaaten ohne einen solchen Festlandsockel ungerecht benachteiligt worden wären. 62 I n dieser Phase der Verhandlungen ging die ILC noch davon aus, es sollte im wesentlichen auf die Ausbeutbarkeit ankommen, wenn es sich um Gewässer von geringer Tiefe („shallow waters") handelt, deren Grund und Untergrund nicht als Festlandsockel im geologisch-geographischen Sinne einzuordnen ist. 6 3 Noch nicht gedacht war zu dieser Zeit an die Aüsdehnung von Hoheitsrechten auf den Meeresgrund und -untergrund in größeren Tiefen als 200 Metern. 64 Demgemäß lautete „Draft Article 1 on the Continental Shelf" aus dem Jahre 1951: „As here used, the term .continental shelf' refers to the sea-bed and subsoil of the submarine areas contiguous to the coast, but outside the area of territorial waters, where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the sea-bed and subsoil." 65
In der Kommentierung zu diesem Entwurf wiederholte die ILC weitestgehend die Begründung ihres Berichts aus dem Jahre 1950.66 FestlandsockelY. Yokota, The Boundary between Deep Seabed and Continental Shelf, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 36-38. 58 Vgl. dazu oben Π. 59 So u. a. auch McDougal/Burke, Public Order, S. 670; R. Young, AJIL 1951, 225 ff.; H. Lauterpacht, BYIL 1950, 376 ff. 60 McDougal/Burke, Public Order, S. 670. 61 Vgl. den Bericht der ILC an die Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1950, U.N. Doc. A/1316, YILC 1950 II, 364 ff. (384). 82 Ebenda; ferner YILC 1950 I, 223. 63 Ebenda. 64 So auch McDougal/Burke, Public Order, S. 673. 65 YILC 1951 II, 141. 66 Ebenda.
144
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
rechte sollten also dort enden, wo die technisch mögliche Ausbeutbarkeit nicht mehr gegeben ist. 6 7 Zwar hatte die ILC in den diesem Entwurf vorangehenden Beratungen erwogen, als Grenze ein Tiefenkriterium einzuführen. Insbesondere erschien eine 200 m-Wassertiefe für die praktischen Bedürfnisse der Küstenstaaten ausreichend, da diese in der Regel mit dem Ende des geologisch-geographischen Festlandsockels am Hangknick („shelf edge") 68 zusammenfällt. Dieses Kriterium wurde aber verworfen, weil dann - so die ILC - jegliche in der Zukunft mögliche Ausbeutimg jenseits dieser Grenze ausgeschlossen worden wäre. 69 Ebenfalls verworfen wurde ein Entfernungskriterium von 200 sm mit der Begründung, eine Ausbeutimg der Bodenschätze in einer solchen Entfernung von der Küste sei unmöglich. 70 Das Ausbeutbarkeitskriterium wurde trotz des - wenngleich nicht zweifelsfreien 71 - Vorzugs, der ihm zunächst eingeräumt worden war, in der Folgezeit, nachdem es zu K r i t i k von Seiten einiger Mitglieder der ILC gekommen war 7 2 , wieder aufgegeben, da es nach Meinung der ILC nunmehr den Anforderungen der Rechtssicherheit nicht genüge und geeignet sei, Streitigkeiten auszulösen.73 Daher wurde in Art. 1 des Entwurfs aus dem Jahre 1953 ausschließlich auf die 200 m-Wassertief e als Grenze abgestellt: „ . . . the term »continental shelf' refers to the sea-bed and subsoil of the submarine areas contiguous to the coast, but outside the territorial sea, to a depth of two hundred metres." 74
Die ILC hatte sich auf diese Tiefe verständigt, da bei einer Wassertiefe von 200 Metern der Festlandsockel im geologisch-geographischen Sinne in der Regel ende 75 , wenngleich sie davon ausging, daß diese Grenze zu einem späteren Zeitpunkt revidiert werden könne. 76 Eine Ausnahme von dieser Grundregel sollte jedoch gelten „ . . . in special cases i n which submerged areas, of a depth less than two hundred metres, situated i n considerable proximity to the coast are separated by a narrow 67 68 69 70 71
I, 77. 72
Ebenda. Vgl. dazu etwa U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 5 ff. Vgl. dazu B. Rüster, Rechtsordnung, S. 267 f. Dazu und zum Vorstehenden vgl. YILC 1951 II, 141. Vgl. die K r i t i k H. Lauterpachts an dem Ausbeutbarkeitskriterium in YILC 1953
Ebenda; vgl. dazu auch B. Rüster, Rechtsordnung, S. 268 f. YILC 1953 II, 213. 74 Ebenda, 212. 75 YILC 1953 II, 213; YILC 1953 I, 398, para. 6: „The Commission had therefore been extremely generous i n fixing the depth at 200 metres, since no practical possibility of exploitation below that depth could be even remotely foreseen." Diese Einschätzung durch die ILC sollte durch die rapide technologische Entwicklung innerhalb kurzer Zeit widerlegt werden. 76 YILC 1956 II, 296: „The Commission was aware that future technical progress might make exploitation possible at a depth greater than 200 metres; in that case the limit would have to be revised, but meanwhile there was every advantage in having a stable limit." 73
Α. Das Festlandsockel-Regime
145
channel deeper than two hundred metres from the part of the continental shelf adjacent to the coast. Such shallow areas must, in these cases, be considered as contiguous to that part of the shelf." 77
Eine erneute Wende brachte die 357. Sitzung der ILC vom 31. Mai 1956. Dort präsentierte der damalige Vorsitzende, der Kubaner F. V. Garcia-Amador, einen Entwurf zu Art. 1, der sich vollständig an einer Entschließung der Konferenz von Ciudad Trujillo aus dem Jahre 19 5 6 7 8 über den Festlandsokkel orientierte. 79 Danach sollten das 2 00m-Wassertief en- und zusätzlich das Ausbeutbarkeitskriterium die Grenze des Festlandsockels bestimmen. Den Küstenstaaten sollten also bei grundsätzlicher Beibehaltung des Tiefenkriteriums als „normale Grenze" das Recht eingeräumt werden, diese Grenze zur Hohen See hin zu verlagern, wenn sich die Ausbeutbarkeit auch i n größeren Tiefen als 200 Metern als technisch möglich herausstellen sollte. 80 Damit erhielt das Ausbeutbarkeitskriterium eine andere Qualität als die noch im Jahre 1951 von der ILC ins Auge gefaßte. Denn ursprünglich sollte damit ja nur gewährleistet sein, daß die Küstenstaaten Festlandsockelrechte auch in flachen Gewässern genießen sollten, deren Grund und Untergrund nicht als Festlandsockel im geologisch-geographischen Sinne angesehen werden kann. 8 1 Entgegen der von einigen Mitgliedern der ILC vorgebrachten Bedenken gegen das Ausbeutbarkeitskriterium 82 meinten andere, es sei nicht hinnehmbar, durch eine Beschränkung auf das Tiefenkriterium die Ausbeutung des Festlandsockels jenseits der 200 m-Wassertiefe auszuschließen, obwohl die technologische Entwicklung die Ausbeutimg ermöglichen könnte. 83 Wenngleich das letztgenannte Argument nicht unbedingt überzeugend ist 8 4 , so ist es doch bezeichnend für das Bestreben der Mehrheit der Mitglieder der ILC, den Küstenstaaten in jedem Fall exklusive Rechte am Meeresgrund und -untergrund zuzugestehen, um zu verhindern, daß das Interesse an der Ausbeutung dieser Ressourcen erlischt. 85 Eine willkürliche Begrenzung auf die 2 00m-Wassertief e erschien ihnen auch unangebracht, da deren nachträgliche Änderung nur durch ein Revisionsverfahren möglich gewesen wäre. Sie waren daher der Meinung, daß durch dieses Kriterium im Rahmen einer gewissen Kontiguität - unabhängig von der jeweiligen Wassertiefe - die technisch mögliche Ausbeutung gewährleistet sein müsse. 86 77
YILC 1953 Π, 214. Inter- American Specialized Conference on Conservation of Natural Resources: Continental Shelf and Marine Waters, Inter-American Juridical Yearbook 1958, 261. 79 YILC 1956 I, 130 f. 80 YILC 1956 II, 296. 81 YILC 1951 II, 141; ferner YILC 1950 II, 384. 82 YILC 1956 II, 296. 83 Ebenda. 84 Zur K r i t i k vgl. H. Lauterpacht, YILC 1953 I, 77; sowie McDougal/Burke, Public Order, S. 685. 85 Vgl. dazu auch den ersten Bericht des Special Rapporteur François vom 17.03.1950, U.N. Doc. A/CN.4/17, YILC 1950 II, 36 ff. 78
10 H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
D i e M e h r h e i t der I L C - M i t g l i e d e r s t i m m t e daher f ü r den folgenden A r t . 67 des E n t w u r f s aus d e m Jahre 1956: „For the purposes of these articles, the term .continental shelf' is used as referring to the seabed and subsoil of the submarine areas adjacent to the coast but outside the area of the territorial sea, to a depth of 200 metres (approximately 100 fathoms), or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas." 87 T r o t z der i n dieser V o r s c h r i f t insbesondere d u r c h das A u s b e u t b a r k e i t s k r i t e r i u m z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n A b w e i c h u n g v o m geologisch-geographischen Festlandsockelbegriff h i e l t die I L C entgegen anderslautender V o r schläge a n dem B e g r i f f „continental shelf " fest: „ . . . because the term »submarine areas' used without further explanation would not give a sufficient indication of the nature of the areas i n question. The Commission considered that some departure from the geological meaning of the term continental shelf' was justified, provided that the meaning of the term for the purpose of these articles was clearly defined." 88 A u s dieser E r k l ä r u n g u n d der B e i b e h a l t u n g des Begriffs „ c o n t i n e n t a l shelf" läßt sich zumindest die A b s i c h t der I L C erkennen, eine unbegrenzte A u s b e u t u n g bis h i n i n den Tiefseebereich auszuschließen 8 9 , w e n n g l e i c h der W o r t l a u t der V o r s c h r i f t dies n i c h t z w i n g e n d nahelegt. D e n n danach k o m m t es n u r auf die grundsätzliche technisch m ö g l i c h e A u s b e u t b a r k e i t an, u n a b h ä n g i g v o n der i n Frage stehenden Wassertiefe. A u c h aus d e m B e g r i f f „ a d j a cent " ist die Schlußfolgerung gezogen w o r d e n , aus d e m W o r t l a u t der V o r schrift des A r t . 1(a) F S K lasse sich eine seewärtige Grenze des Festlandsokkels h e r l e i t e n . 9 0 Das A r g u m e n t , die seewärtige Grenze des Festlandsockels sei d e m B e g r i f f Festlandsockel i m m a n e n t , ist n i c h t n u r i m v ö l k e r r e c h t l i c h e n S c h r i f t t u m 9 1 , sondern später auch v o n einigen S t a a t e n 9 2 aufgegriffen w o r d e n . A u c h die 86
YILC 1956 II, 296; ferner McDougal/Burke, Public Order, S. 685 f. YILC 1956 Π, 264. 88 YILC 1956 II, 297, para. 9. 89 So u. a. auch B. Rüster, Rechtsordnung, S. 272; H. Okada, Sedimentary Characteristics of the Boundary Area between the Continental Shelf and the Abyssal Plain, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 29-31. 90 Vgl. L.W. Finlay , The Outer L i m i t of the Continental Shelf, AJIL 1970, 42-72; ferner M. Koga, Boundary of Continental Shelf and Deep Sea-bed from the Aspect of their Regimes, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 21-26; S. Uyeda, A Geological View of Land-Sea Boundary, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 32-35. 91 I. Brownlie, Principles, S. 227; R. Denorme, The Seaward L i m i t of the Continental Shelf, in: L.M. Alexander (Hrsg.), The Law of the Sea: National Policy Recommendations, Proceedings of the Fourth Annual Conference of the Law of the Sea Institute, 1969, S. 263-274; L. Henkin, International Law and the „Interests": The Law of the Seabed, AJIL 1969, 504-510 (507); ders., A Reply to Mr. Finlay, AJIL 1970, 62-72 (66); B.M. Oxman, The Preparation of Article 1 of the Convention on the Continental Shelf, J.of Marit.L.&Comm. 1972,245-305,445-472, 683-723 (715); K. Hirobe, Mineral Resources of the Sea and Delimitation, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 65-67. 87
Α. Das Festlandsockel-Regime
147
Verfechter des Ausbeutbarkeitskriteriums innerhalb der ILC, insbesondere Garcia-Amador, hatten im Verlauf der Verhandlungen insoweit erklärt, die „submarine areas adjacent to the coast " endeten dort, wo der Hangknick („shelf edge") in den Kontinentalabfall („continental slope") überleite, was in einer Entfernung von etwa 25 sm vor der Küste der Fall sei. 93 Jedoch ist es - wie Hutchinson 94 zu recht meint „ . . . extremely doubtful that the use of the term »continental shelf' has much significance w i t h regard to the issue of limits." 9 5
Denn die Merkmale in Art. 1(a) FSK sind Bestandteile der Definition eben des Begriffs „Festlandsockel", der ja ein Rechtsbegriff ist. Es geht wohl schwerlich an, den zu definierenden Begriff für die Definition selbst heranzuziehen. Außerdem zeigt die Entstehungsgeschichte des Art. 1(a) FSK, daß gerade auch solche unterseeischen Gebiete vom rechtlichen Festlandsockelbegriff umfaßt sein sollten, die nicht als Festlandsockel im naturwissenschaftlichen Sinne eingeordnet werden können. Es deutet auch nichts darauf hin, daß das Ausbeutbarkeitskriterium einer anderen Beschränkung als der technischen Möglichkeit unterliegen sollte. 96 Dies w i r d durch die Ausführungen des IGH im Continental Shelf Case zwischen Libyen und Timesien 97 ausdrücklich bestätigt: „While the 200-metre limit was chosen partly as corresponding approximately to the normal outer limit of the shelf in the physical sense, the definition of the outer limit of the shelf by reference to the possibility of exploitation of the sea-bed is clearly open-ended, and emphasizes the lack of identity between the legal concept of the continental shelf and the physical phenomenon known to geographers by that name . . . The fact that the legal concept, while it derived from the natural phenomenon, pursued its own development, is implicit i n the whole discussion . . , " 9 8
Dem schließt sich Richter Jiménez de Aréchaga in seiner Separate Opinion zu dieser Entscheidung 99 an: „ I t is clear from the text of Article 1 that the right of th'e coastal State to explore and exploit the submarine areas adjacent to its coast does not depend on the existence of a continental shelf i n the geological or geomorphological sense." 100 92 Vgl. etwa die folgenden Stellungnahmen: Rumänien, U.N.Doc. A/AC./135/WG.1/ SR.6, p. 70; Schweden, A/C.I/PV.1527, pp. 48-50; Zypern, A/C.I/PV.1530, pp. 23-25. 93 YILC 1956 I, 135; ferner Krylow, ebenda, 140; Sandström, ebenda, 275; K O . Emery, ODILA 1981, 1-11; ders., in: The Frontier of the Seas (1980), S. 26-29; ders., Scientific American 1969, 106 ff. 94 D.N.Hutchinson, BYIL 1985, 111-188. 95 Ebenda, 137. 96 Vgl. die vorstehenden Nachweise. 97 ICJ Rep. 1982, pp. 18-94. 98 Ebenda, p. 45/46, para. 42. 99 ICJ Rep. 1982, pp. 100-142. 100 Ebenda, p. 100, para. 42; vgl. ferner Continental Shelf Case (Libyen/Malta), ICJ Rep. 1985, pp. 13-58 (33 f.). 10'
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
E i n e ä h n l i c h B e s c h r ä n k u n g der Nutzungsrechte soll sich n a c h einer A u f f a s s u n g 1 0 1 aus d e m B e g r i f f „adjacent " ergeben. D e r Küstenstaat soll danach i n solchen Gebieten, die n i c h t m e h r i n ausreichender N ä h e z u i h m liegen, n i c h t z u r A u s ü b u n g v o n Festlandsockelrechten befugt sein. Jedoch h a t t e der Sonderberichterstatter der I L C , François,
i n s o w e i t schon i m Jahre 1956
bemerkt: „The term ,adjacent' was admittedly not without a certain significance. There must undoubtedly be continuity between the mainland and the continental shelf, and the existence of a very broad channel between the mainland and adjacent submarine areas would prevent the latter from being regarded as a continental shelf. However, by including i n the definition the concept of »adjacency' it could not be the intention to establish a horizontal instead of a vertical limit for the submarine areas - an entirely new idea completely foreign to those previously adopted by the commission." 102 U n d der I G H m e i n t e z u r Frage der K o n t i g u i t ä t i n den Nordsee-Festlandsokkel-Fällen: „To take what is perhaps the most frequently employed of these terms, namely »adjacent to', it is evident that by no stretch of imagination can a point on the continental shelf situated say a hundred miles, or even much less, from a given coast, be regarded as »adjacent to' it, or to any coast at all, in the normal sense of adjacency, even if the point concerned is nearer to one coast than to any other . . . Equally, a point inshore situated near the meeting place of the coasts of two States can often properly be said to be adjacent to both coasts, even though it may be fractionally closer to the one than the other." 1 0 3 D e r V o r s c h r i f t des A r t . 1(a) F S K ist s o m i t n i c h t s über eine m ö g l i c h e Beschränkung der seewärtigen Grenze des Festlandsockels z u e n t n e h m e n . 1 0 4 T r o t z der dahingehenden Bestrebungen h a t es die I L C b e w u ß t unterlassen, das zulässige Ausmaß der K o n t i g u i t ä t z u bestimmen. Insbesondere wegen der E i n b e z i e h u n g sog. Breitschelfgebiete, die sich mehrere h u n d e r t Seemeil e n v o r der K ü s t e erstrecken können, i n den B e g r i f f der „adjacent areas" ist der B e g r i f f der K o n t i g u i t ä t („adjacency")
submarine
als solcher n i c h t geeig-
net, die Rechte der Küstenstaaten seewärtig e i n z u s c h r ä n k e n . 1 0 5 D i e Delegierten auf U N C L O S I haben A r t i k e l 67 des I L C - E n t w u r f s m i t einer M e h r h e i t v o n 51 S t i m m e n b e i 10 E n t h a l t u n g e n u n d 5 G e g e n s t i m m e n 1 0 6 101 L. Henkin, AJIL 1970, 64; R. Denorme, Proceedings, S. 264, 273; W. Goralczyk, Revue iranienne des relations internationales, 1978, 121 ff.(132); vgl. ferner die folgenden Stellungnahmen von Staaten: Malta, U.N. Doc. A/C.I/PV.1515, p. 42; A/ AC.138/SC.1/SR.7, pp. 61 f., 65 f.; Belgien, A/AC.138/SR.36, p. 92; Schweden, A/C.I/ PV.1527, pp. 48-50; Schweiz, UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, 151; Singapur, ebenda, 167 f. 102 YILC 1956 I, 137. 103 ICJ Rep. 1969, p. 30, para. 41. 104 Vgl. auch D. Darm , The Outward Limit of the Department of Interior's Authority over Submerged Lands - the Effect of Customary International Law on the Outer Continental Shelf Lands Act, Washington L.Rev. 1985, 673-690. 105 So statt vieler H. Kelsen, Contiguity as a Title to Territorial Sovereignty, in: Rechtsfragen der Internationalen Organisationen, Festschrift für Hans Wehberg, Frankfurt a.M. 1956, S. 200 ff. (203); ferner B. Rüster, Rechtsordnung, S. 300.
Α. Das Festlandsockel-Regime
149
mit geringfügigen textlichen Änderungen als Art. 1(a) FSK angenommen. Sämtliche Änderungsvorschläge waren entweder abgelehnt oder zurückgenommen worden. 1 0 7 Zwar waren sich die Delegierten - u. a. auch in Erkenntnis der aufgrund des Wortlauts der Vorschrift gegebenen Gefahr einer uferlosen Ausdehnung von Nutzimgsrechten 108 - einig, daß es nach Maßgabe von Art. 1(a) FSK nicht zu einer Totalteilung des Meeresbodens kommen dürfe und hatten ζ. B. erklärt, daß „ . . . exploitation could not, however, continue indefinitely towards the middle of the ocean." 109
Dennoch hielt sich die Konferenz an den Wortlaut des ILC-Entwurfs. Trotz all dieser - gutgemeinten - Intentionen muß daher die Auslegung des Art. 1(a) FSK nach Maßgabe der allgemein gültigen Regel des Art. 31 W V K 1 1 0 daher am Wortlaut in seiner ihm im Zusammenhang zukommenden (gewöhnlichen) Bedeutung enden. Dieser ergibt ganz eindeutig, daß wenn ζ. B. die 200m-Tiefenlinie erst in einer Entfernung von mehreren hundert Seemeilen endet, diese Gebiete als „adjacent" im Sinne der Vorschrift angesehen werden müssen. 111 Da diese Auslegung keine Zweifel läßt, können auch nicht die „traveaux préparatoires " als ergänzende Auslegungsmittel herangezogen werden, Art. 32 WVK. Wegen der allgemeinen Skepsis insbesondere gegenüber dem Ausbeutbarkeitskriterium und der damit verbundenen Gefahr einer uferlosen Ausweitung küstenstaatlicher Nutzungrechte 112 kam es im Anschluß an UNCLOS I immer wieder zu Versuchen, im Wege der Auslegung und unter Hinweis auf die „traveaux préparatoires " die seewärtige Ausdehnung einzuschränken. So erblickt etwa J. Andrassy in dem Begriff „adjacent " ein limitierendes Merkmal: „ . . . the expression »adjacent' areas implies a notion of geophysical, geological and geographical dependence which ipso facto rules out an unilateral extension of the continental shelf." 1 1 3
Damit verläßt er aber den Rahmen der soeben aufgezeigten zulässigen Auslegung. 114 106
UNCLOS I, Off. Ree. Vol. II, 13. Vgl. dazu im einzelnen B. Rüster, Rechtsordnung, S. 272 ff. 108 Vgl. dazu UNCLOS I, Off. Ree. Vol.VI, 37 ff. 109 Ebenda, 40. 110 Art. 31 WVK stellt kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht dar. Vgl. dazu statt vieler Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht § 775 (insbesondere Fn.9). 111 So u. a. auch U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 189; D.P. O'Connell, International Law, S. 509; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 277 ff. 112 Vgl. dazu B. Rüster, Rechtsordnung, S. 275 ff., insbesondere Fn. 543. 113 J. Andrassy, Resources, S. 87. Gleichlautend mit dieser Stellungnahme ist die Erklärung Frankreichs zu Art. 1 FSK, U.N. Doc. ST/LEG/SER.D/10, 517. 114 So auch U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 189. 107
150
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Es b l e i b t daher festzuhalten, daß der B e g r i f f „adjacent " i n A r t . 1(a) F S K sich n u r „ . . . auf die Zuordnung des Festlandsockels (bezieht), nicht aber auf die Begrenzung." 1 1 5 H i n s i c h t l i c h der Frage n a c h der seewärtigen Grenze i n A r t . 1(a) F S K läßt sich abschließend m i t Klemm
feststellen:
„ . . . die Delegierten i n Genf (haben sich) darauf geeinigt . . . , alle an die Küsten angrenzenden Gebiete bis 200m-Wassertiefe unter das Ausbeutungsmonopol des Küstenstaates zu stellen. Sie haben sich ferner darauf geeinigt, diese Grenze, wenn technisch möglich, nicht zu überschreiten. Sie haben sich aber auch darauf geeinigt, (noch) nicht festzulegen, wie weit sie i n diese Richtimg gehen wollten. Positiver: Sie haben sich darauf geeinigt, diese Grenze nicht festzulegen." 116 A u c h die einseitige w i e die mehrseitige S t a a t e n p r a x i s 1 1 7 i n der Folgezeit b i e t e n k e i n e r l e i A n h a l t s p u n k t e f ü r den genauen V e r l a u f der seewärtigen Festlandsockelgrenze. D a h e r g i l t f ü r den Z e i t r a u m bis z u m Ende der 60er Jahre, daß weder das Völkervertrags- n o c h das Völkergewohnheitsrecht eine B e s t i m m i m g der seewärtigen Grenze des Festlandsockels e n t h ä l t . 1 1 8 E t w a s anderes ergibt sich auch n i c h t aus d e m v o m I G H i n Bezug genommenen K o n z e p t der „natural
prolongation"
119
,
welches wegen seiner V i e l -
d e u t i g k e i t ebenfalls n i c h t d a h i n verstanden w e r d e n k a n n , d a d u r c h ließe sich v e r b i n d l i c h die seewärtige Grenze des Festlandsockels b e s t i m m e n . 1 2 0 H i n z u k o m m t , daß diese E n t s c h e i d u n g des I G H i m K o n t e x t der A b g r e n z u n g z w i 115
Ebenda, S. 192. So auch D.N. Hutchinson, BYIL 1985,136 ff. U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 194; ferner E.D. Brown, Hydrospace, S. 11 ff.; B.M. Oxman, J.of Marit.L.&Comm. 1972, 245, 445, 683 (720); D.N. Hutchinson, BYIL 1985,131, 136. 117 Vgl. dazu allein die umfassenden Untersuchungen von B. Rüster, Rechtsordnung, S. 263 ff.; und U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 127 ff., 207 ff. 118 Dabei spielt es hier keine Rolle, ob Art. 1 FSK als Kodifizierung geltenden Völkergewohnheitsrechts bezeichnet werden kann, was insbesondere auf die bekannte und bereits zitierte Passage aus den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, ICJ Rep. 1969, p. 39, para. 63, gestützt wird. 119 ICJ Rep. 1969, p. 31, para. 43; ICJ Rep. 1982; ICJ Rep. 1985; vgl. dazu G. Jaenicke, The Delimitation of the Continental Shelf on the Basis of the „Natural Prolongation" Concept, in: E.L. Miles/S. Allen, The Law of the Sea and Ocean Development Issues i n the Pacific Basin (1981), S. 547-560; L.F.E. Goldie, N Y I L 1973, 237261; G.R. Feulner, Delimitation of Continental Shelf Jurisdiction between States: The Effect of Physical Irregularities i n the National Continental Shelf, Va.J.Int'l.L. 1976, 77-105. 120 So auch U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 226 f.; D.N. Hutchinson, BYIL 1985,111-188 (146-159), der nachweist, daß der I G H dem Begriff der „natural prolongation" sieben (!) verschiedene Bedeutungen beimißt; a.A.: R.P. Anand, Law of the Sea: Caracas and Beyond 1980, S. 179: „ . . . the International Court of Justice . . . referred to the continental shelf as the ,natural prolongation 4 of the land territory of the coastal State. This may be reasonably interpreted to include the whole of the continental margin because it is there that the »natural prolongation' of the continent ends and the real ocean starts."; vgl. ferner R.Y. Jennings, The Limits of the Continental Shelf Jurisdiction. Some Possible Implications of the North Sea Case Judgement, ICLQ 1969, 819-832; E. Zoller, RGDIP 1982, 645-678 (651, 654). 116
Α. Das Festlandsockel-Regime
151
sehen benachbarten Staaten gesehen werden muß, wozu sie ja ausschließlich ergangen ist. Das Urteil gibt daher keine Antwort auf die Frage nach der seewärtigen Grenze für den Fall, daß es an einem anderen (benachbarten) Staat als Vergleichsmaßstab fehlt. 1 2 1 2. Meeresboden-Ausschuß und UNCLOS Π Ι
Eine Änderung dieses Zustandes in Richtung auf eine Konkretisierimg der seewärtigen Grenze des Festlandsockels begann sich Ende der 60er Jahre abzuzeichnen. Unzufriedenheit mit der offenen Bestimmung des Art. 1(a) FSK herrschte nicht nur i m völkerrechtlichen Schrifttum. 1 2 2 Sowohl im First Committee der Generalversammlung der Vereinten Nationen als auch im MeeresbodenAusschuß 123 wurde von den Staatenvertretern darauf hingewiesen, daß insbesondere die seerechtlichen Grenzen noch einer Regelung bedurften. 124 Am 15. Dezember 1969 stellte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 2574 A ( X X I V ) 1 2 5 fest, „ . . . that the definition of the continental shelf contained in the Convention... does not define w i t h sufficient precision the limits of the area over which a coastal State exercises sovereign rights for the purpose of exploration and exploitation of natural resources, and that customary international law on the subject is inconclusive."
I n der Folgezeit kam es i m Meeresboden-Ausschuß 126 zu einer Vielzahl von Vorschlägen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit einen Trend zu ausschließlichen Nutzungsrechten bis zu 200 sm vor der Küste offenbarten. Konkrete Ergebnisse wurden jedoch nicht erzielt, und in dem Bericht des Sub-Committee II an die Generalversammlung aus dem Jahre 1973 heißt es: „With respect to the continental shelf, reference was made to customary international law and to the 1958 Geneva Convention on the Continental S h e l f . . . It was stated that the (North Sea Continental Shelf) case was concerned only w i t h delimitation . . . and not w i t h the outer limits of the continental shelf. It was further stated 121
U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 235. Z.J. Slouka, Continental Shelf; J. Andrassy , Resources; E.D. Brown, Hydrospace; W. Friedmann, Seiden Redivious - towards a Partition of the Seas, AJIL 1971, 757-770 (759 f.); S. Bernfeld, Developing the Resources of the Sea - Security of Investment, I n t l . Lawyer 1967, 67-85 (69 f.); W.T. Burke, Law and the New Technologies, in: Alexander, Proceedings 1966, S. 204 ff.; F.A. Eustis III, Method and Basis of Seaward Delimitation of Continental Shelf Jurisdiction, Va.J.Int'l.L. 1976,107-130. 123 Eine detaillierte Übersicht über die Bemühungen des Meeresboden-Ausschusses gibt B. Rüster, Rechtsordnung, S. 300 ff. 124 Vgl. die Stellungnahmen von Brasilien, U.N. Doc. A/AC.138/SR.19, p. 17; Bulgarien, A/AC.135/WG.1/SR.10, p. 88; Belgien, A/C.I/PV.1529, p. 13; Honduras, UNCLOS ΠΙ, Off. Ree. Vol. I, 82; Island, A/AC.135/l/Add.8; Kuwait, A/AC.138/ SR.23, p. 61. 125 UN-GAOR, 24th Session, Suppl. No. 30, p. 10. 126 Vgl. dazu die Darstellung bei B. Rüster, Rechtsordnung, S. 300 ff. 122
152
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
that since national jurisdiction existed over the continental shelf prior to the proposal to establish an international sea-bed area, the acquired rights of coastal States to the continental shelf should be recognized. Reference was also made to the need to modify the Geneva Convention so that it would reflect current thinking and technological advances i n the exploration of resources of the sea-bed. Evaluations were made of the suitability of various criteria for determining the limit of the continental shelf .. , " 1 2 7 A u c h z u B e g i n n v o n U N C L O S I I I reichten die Staaten Vorschläge ein, die sich v o n denen i m R a h m e n des Meeresboden-Ausschusses aber n u r geringf ü g i g unterschieden. E i n e Zusammenfassimg a l l dieser Vorschläge z u r seew ä r t i g e n Festlandsockelgrenze f i n d e t sich i n der acht A l t e r n a t i v e n umfassenden P r o v i s i o n 81 der „main
trends " v o m 17. O k t o b e r 1 9 7 4 : 1 2 8
Formel A: „ . . . to the outer limits of the continental rise bordering on the ocean basin or abyssal floor." Formel Β: „ . . . to a distance of 200 miles . . . and throughout the natural prolongation of its land territory where such natural prolongation extends beyond 200 miles." Formel C: „ . . . to the outer limit of its continental margin, as precisely defined in accordance with article ..." Formel D: „ . . . up to the outer lower edge of the continental margin which adjoins the abyssal plains area and, when that edge is at a distance less than 200 miles from the coast, up to this last distance." Formel E: „ . . . within the . . . metre isobath; in areas where t h e . . . metre isobath is situated at a distance less than . . . nautical miles . . . , the outer l i m i t . . . is at a distance . . . not exceeding . . . nautical miles." Formel F: „ . . . according to its specific geographical conditions . . . The maximum limits . . . may be determined among States through consultations." Formel G: „ . . . within the 500-metre isobath. . . . where the 500-metre isobath . . . is situated at a distance less than 200 nautical miles . . . at a distance . . . not exceeding 200 nautical miles." Formel H: „ . . . shall not exceed a maximum distance of 200 nautical miles . . . " E t w a 60 S t a a t e n 1 2 9 v e r t r a t e n i m w e i t e r e n V e r l a u f der Konferenz
den
S t a n d p u n k t , die Regelung i n A r t . 1(a) F S K benachteilige diejenigen Staaten, 127
UN-GAOR, 28th Session, Suppl. No. 21, Vol. I, p. 51. U.N. Doc. A/CONF.62/L.8/Rev. 1, Appendix I (Working Paper of the Second Committee), UNCLOS III, Off. Ree. Vol. 1,107-142 (119). 129 Ägypten, Afghanistan, Albanien, Argentinien, Australien, Bahrein, Bangladesch, Bolivien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Ecuador, El Salvador, Frankreich, Gambia, Ghana, Haiti, Honduras, Island, Israel, Italien, Indien, Irland, Jamaika, 128
Α. Das Festlandsockel-Regime
153
vor deren Küste der Meeresboden steil i n Tiefen weit über 200 m abfalle. Alle Küstenstaaten sollten daher unabhängig von der Wassertiefe, der physikalischen Beschaffenheit des Meeresbodens und der Möglichkeit der Ausbeutung in den Genuß von Festlandsockelrechten bis zu einer Distanz von 200 sm kommen. 130 Bis zum Ende der Konferenz entwickelte sich bei diesen Staaten, die keiner einheitlichen Gruppe zugeordnet werden können, und auch bei anderen Staaten eine dahingehende allgemeine Rechtsüberzeugung. 1 3 1 Da auch grundsätzliche Einigkeit über die Zulässigkeit einer 200 sm-EEZ bestand, die ja die Festlandsockelrechte umfaßt, drehte sich die Diskussion auf UNCLOS I I I letztlich nur noch um die Frage nach der Zulässigkeit einer Ausdehnimg der Festlandsockelrechte über die 200 sm-Linie hinaus. 132 Zu einer Einigung kam es diesbezüglich erst, nachdem die Breitschelfstaaten, insbesondere auch die USA, ihre Beteiligung von der Einführung einer solchen Regelung abhängig gemacht hatten. 1 3 3 Dementsprechend lautet Art. 76 Abs. 1 SRK heute: „1. The continental shelf of a coastal State comprises the sea-bed and subsoil of the submarine areas that extend beyond its territorial sea throughout the natural prolongation of its land territory to the outer edge of the continental margin, or to a distance of 200 nautical miles from the baselines from which the breadth of the territorial sea is measured where the outer edge of the continental margin does not extend up to that distance." 134 3. Das Völkergewohnheitsrecht
Fraglich ist nun, ob dieser, eigentlich auf eine vertragliche Regelung ausgerichtete Konsens über das 200 sm-Kriterium zur Bestimmung der seewärtigen Grenze des Festlandsockels ausreicht, um daraus Rückschlüsse auf eine opinio iuris generalis 135 ziehen zu können; m.a.W. ob es sich um einen Konsens dahingehend handelt, die 200 sm-Distanzlinie stelle eine Norm des Völkergwohnheitsrechts dar. Japan, Kampuchea, Korea-Süd, Korea-Nord, Kongo, Kuba, Kenia, Libanon, Lesotho, Liberia, Libyen, Malawi, Mauritius, Mexiko, Nicaragua, Norwegen, Pakistan, Panama, Peru, Senegal, Schweiz, Spanien, Tansania, Togo, Tunesien, Trinidad und Tobago, Türkei, Uganda, Obervolta (jetzt: Burkina Faso), Vereinigtes Königreich, UdSSR, USA, Uruguay, Venezuela, Vietnam, Zaire. 130 Vgl. dazu D.N. Hutchinson, BYIL 1985, 165; Richter Oda, i n seiner Diss. Op. im Continental Shelf Case (Libyen/Malta), ICJ Rep. 1985, para. 52. 131 So auch B. Rüster, Rechtsordnung, S. 338 ff; U.-D. Klemm, Seewärtige Grenze, S. 240 ff.; D.N.Hutchinson, BYIL 1985, 165; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 497; E. Gounaris, Die völkerrechtliche und außenpolitische Bedeutung der Kontinentalschelf-Doktrin i n der Staatenpraxis Griechenlands, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (1979). 132 vgl. D m N t Hutchinson, BYIL 1985, 170 ff. 1 33 Ebenda, 176. 134 Wegen der weitergehenden Regelungen i n den Absätzen 2-7 dieser Vorschrift vgl. Anhang I. 135 Vgl. dazu oben 2. Teil Β. I. 3.
154
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
E i n i g e S t a a t e n 1 3 6 w a r e n schon z u B e g i n n v o n U N C L O S I I I der A u f f a s sung, das D i s t a n z k r i t e r i u m sei bereits B e s t a n d t e i l des V ö l k e r g e w o h n h e i t s rechts. I m ü b r i g e n stand w ä h r e n d U N C L O S I I I außer Z w e i f e l , daß das 200 s m - K r i t e r i u m (zumindest auch) i n die K o n v e n t i o n aufgenommen werden w ü r d e . 1 3 7 Bereits i m Jahre 1976 k o n n t e e i n 200 sm-Festlandsockel beansprucht w e r d e n 1 3 8 , ohne daß geltend gemacht w u r d e , dieses einseitige V o r gehen w ü r d e sich negativ auf den Konferenzverlauf a u s w i r k e n . Dies alles m a g es rechtfertigen, das i n A r t . 76 Abs. 1 S R K niedergelegte D i s t a n z k r i t e r i u m d e m Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen, w e n n sich a u c h das o b j e k t i v e Element des Völkergewohnheitsrechts n a c h Maßgabe des oben Gesagt e n 1 3 9 nachweisen läßt. V o n den derzeit 142 Küstenstaaten beanspruchen 75 Staaten Festlandsockelrechte. 1 4 0 D i e f ü r die B e s t i m m u n g der äußeren/seewärtigen F e s t l a n d sockelgrenze 1 4 1 angewendeten K r i t e r i e n v e r t e i l e n sich auf diese 75 Staaten wie folgt: 142 Kriterium 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
200 m-Wassertiefe Ausbeutbarkeit Kontinentalrand 200 m-Wassertief e und Ausbeutbarkeit Distanz (200 sm) Distanz (200 sm) oder Kontinentalrand Distanz (200 sm oder 100 sm von der 2500 m Isobathe) 8. Distanz (200/350 sm)
Anzahl Staaten 4 1 1 50 -
17 1 1
136 Argentinien, UNCLOS III, Off. Ree. Vol. II, p. 150; Trinidad und Tobago, ebenda, p. 154; Kenia, ebenda, p. 161; Mali, ebenda, p. 167; Costa Rica, ebenda, Vol. I, p. 60. 137 So die o. g. ca. 60 Staaten. 138 So durch die folgenden Staaten: Sri Lanka, Maritime Zones Law No. 22 vom 01.09.1976; Senegal, Act No. 76-54 Delimiting the Territorial Waters and the Continental Shelf vom 09.04.1976; Pakistan, Territorial Waters and Maritime Zones Act 1976 vom 22.12.1976; Indien, The Territorial Waters, Continental Shelf, Exclusive Economic Zone and other Maritime Zones Act, 1976, Act No. 80 vom 28.05.1976. 139 Vgl. oben 2. Teil Β. I. 2. und 3. 140 Quelle: LOSB No.8 (November 1986), 25-28. Einige der Staaten, die Festlandsockelrechte geltend machen, beanspruchen gleichzeitig eine EEZ; dazu sogleich. 141 Vgl. zur Staatenpraxis u. a. L.T. Lee, The 1982 Convention on the Law of the Sea and Continental Shelf Poblems i n South-East Asia, Ocean Managment 1984, 61-72; D. Darm, Washington L.Rev. 1985, 673-690; P.C. Rao, The Continental Shelf: The Practice and Policy of India, IJIL 1963,191-198. 142 Quelle: LOSB No. 8 (November 1986), 25-28. Anzumerken ist insoweit, daß die Angabe i m LOSB hinsichtlich der Verwendung eines reinen 200 sm-Distanzkriteriums sich nicht mit den Angaben in der Tabelle deckt. Soweit ersichtlich, wendet kein Staat allein dieses Kriterium an.
Α. Das Festlandsockel-Regime
155
Nach Distanzkriterien (Ziffern 5 bis 8) grenzen mithin lediglich 19 Staaten ihren Festlandsockel seewärts ab. Ob dieser relativ geringen Anzahl können Zweifel am Vorliegen der Erfordernisse der Verbreitung sowie der Einheitlichkeit der Übung 1 4 3 bestehen. Im Hinblick auf die mittlerweile völkergewohnheitsrechtlich zulässige Errichtung einer 200sm-EEZ 144 ist es aber fraglich, ob ausschließlich auf die Übung derjenigen Staaten abzustellen ist, die die seewärtige Grenze ihres Festlandsockels ausdrücklich nach Maßgabe des Distanzkriteriums bestimmen. Im Hinblick auf die Nutzungsrechte am Meeresgrund und -untergrund unterscheiden sich EEZ- und Festlandsockel-Régime nämlich nicht. 1 4 5 Dies folgt schon aus Art. 56 Abs. 3 SRK, der bestimmt: „The rights set out i n this article w i t h respect to the sea-bed and subsoil shall be exercised i n accordance w i t h Part VI."
Der in Bezug genommene Teil V I der SRK betrifft aber gerade das Festlandsockel-Régime. Kann ein Staat somit EEZ-Rechte bis in eine Entfernung von 200 sm vor seiner Küste beanspruchen, ohne daß es auf die Wassertiefe, die physikalische Beschaffenheit des Meeresbodens und die Ausbeutbarkeit ankommt, so liegt darin zugleich die Geltendmachung von Festlandsockelrechten i n diesem Gebiet. Daraus folgt, daß beim Nachweis der Übung auch die Akte derjenigen Staaten berücksichtigt werden können, die EEZ-Rechte geltend machen. 146 Gegen ein solches Vorgehen ist eingewendet worden, Festlandsockel- und EEZ-Rechte würden sich viel zu sehr voneinander unterscheiden, als daß sie derart in Beziehung zueinander gesetzt werden könnten. 1 4 7 Festlandsockelrechte stünden dem Küstenstaat ipso iure und ab initio zu, die EEZ bedürfe demgegenüber einer Proklamation. 148 Dies trifft zwar zu, die Schlußfolge143
Vgl. dazu oben 2. Teil Β. I. 2. b) dd). ICJ Rep. 1985, p. 33, para. 34: „ I t is in the Court's view incontestable t h a t . . . the institution of the exclusive economic zone, w i t h its rule on entitlement by reason of distance, is shown by the practice of States to have become a part of customary law;"; ferner Richter Mbaye i n seiner Sep. Op., ebenda, p. 98; Schon im Continental Shelf Case (Libyen/Tunesien) hatte der I G H - wenngleich obiter dicta - auf die gewohnheitsrechtliche Geltung der EEZ hingewiesen, ICJ Rep. 1982, p. 74, para. 100. I n seiner Sep. Op. zu dieser Entscheidimg bezeichnete Richter Jiménez de Aréchaga die EEZ ebenfalls als Regel des Völkergewohnheitsrechts, ICJ Rep. 1982, p. 115, para. 54; vgl. auch die Diss. Op. von Richter Oda, ICJ Rep. 1982, p. 228, paras. 120, p. 230, para. 125. 145 So auch D.N. Hutchinson, BYIL 1985, 166; D.W. Bowett, Islands, S. 188 ff.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 579 f.; R.R. Bowen/T.M. Henessy, Adjacent States Issues for the United States i n Establishing an Exclusive Economic Zone: the Cases of Canada and Mexico, ODILA 1985, 355-375; L. Gündling, Die 200 Seemeilen Wirtschaftszone (1983). 146 So auch D.N. Hutchinson, BYIL 1985, 166. 147 So etwa Richter Sette-Camara i n seiner Sep. Op. im Libyen/Malta-Fall, ICJ Rep. 1985, pp. 69 ff. (71). 148 So der Vertreter Libyens, J.-P. Quéneudec, in der mündlichen Verhandlung im Libyen/Malta-Fall, CR 84/31, pp. 55 ff. 144
156
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
rung ist aber - wie Art. 56 Abs. 3 SRK zeigt - keineswegs zwingend. Darauf hat schon Richter Oda in seiner Dissenting Opinion im Continental Shelf Case zwischen Libyen und Tunesien 149 hingewiesen. Das EEZ-Régime umfaßt das Festlandsockel-Régime in seiner Gesamtheit, unabhängig davon, ob der jeweilige Akt nationaler Gesetzgebimg die Bestimmungen der SRK ausdrücklich in Bezug nimmt oder nicht. 1 5 0 Insgesamt haben 72 Staaten eine 200 sm-EEZ proklamiert. 1 5 1 Von den 75 Staaten, die (auch) Festlandsockelrechte beanspruchen, machen die folgenden 45 Staaten zugleich EEZ-Rechte geltend: 152 Bangladesh (3) Burma (6) Bulgarien (4) Chile (8) Cook Inseln (6) Costa Rica (4) Dominikan. Rep. (6) Elfenbeinküste (1) F i j i (4) Frankreich (4) Ghana (1) Guatemala (4) Haiti (4) Honduras (4) Indien (6) Island (6) VR Jemen (6) Kampuchea (4) Kenia (4) Kolumbien (4) Madagaskar (7) Mauritanien (6) Mauritius (6)
Mexiko (4) Neuseeland (6) Nigeria (4) Norwegen (4) Pakistan (6) Philippinen (2) Portugal (4) Rumänien (4) St. Lucia (6) Senegal (6) Seychellen (6) Spanien (4) Sri Lanka (6) Thailand (4) Tonga (4) Trinidad & Tobago UdSSR (4) Ukraine (4) USA (4) Vanuatu (6) Venezuela (4) Vietnam (6)
Zwar grenzen von diesen Staaten nur 17 ihren Festlandsockel ausdrücklich nach Distanzkriterien ab. Wegen der gleichzeitigen Geltendmachung von EEZ-Rechten läßt sich für diese 45 Staaten nach Maßgabe des oben Gesagten aber festhalten, daß sie jedenfalls auch Festlandsockelrechte bis in eine Entfernung von 200 sm ausüben, mithin insoweit das Distanzkriterium anwenden. Die Tatsache, daß auch die anderen Kriterien zur Anwendung gelangen, steht dieser Schlußfolgerung nicht entgegen. Dies liegt darin 149 ICJ Rep. 1982, p. 234, para. 130; vgl. ferner R.J. Dupuy, LOcean partagé, 1979, S. 109. iso So auch D.N. Hutchinson, BYIL 1985,169 f. 151 Quelle: LOSB No. 8 (November 1986), 25-28. 152 Quelle: LOSB No. 8 (November 1986), 25-28. Die Ziffern hinter den Staatennamen kennzeichnen das verwendete Abgrenzungskriterium entsprechend der vorstehenden Tabelle.
Α. Das Festlandsockel-Regime
157
begründet, daß diese Staaten sich ζ. B. von der Anwendimg des Ausbeutbarkeitskriteriums über die 200 sm-Linie hinausreichende Festlandsockelrechte versprechen. Zu diesen 45 Staaten sind außer den 27 Staaten 153 , die neben einer EEZ keinen Festlandsockel beanspruchen, noch zwei weitere Staaten 154 hinzuzurechnen, die einer Gruppe von Staaten angehören, die neben Festlandsokkelrechten keine EEZ geltend machen. 155 Diese beiden Staaten grenzen ihren Festlandsockel seewärtig ausdrücklich nach Distanzkriterien ab. Somit üben 74 Staaten bis in eine Entfernung von 200 sm vor ihrer Küste zumindest auch Festlandsockelrechte aus. Diese Zahl, die mehr als der Hälfte der Küstenstaaten entspricht, ist als solche schon ein starkes Indiz, welches für die Bejahung der notwendigen Verbreitung und Einheitlichkeit der Übung spricht. Außer acht gelassen worden sind bisher aber weitere 13 Staaten, die entweder neben Festlandsockelrechten 156 oder aber isoliert 1 5 7 ein 200 smKüstenmeer beanspruchen. Nun beträgt die völkerrechtlich zulässige Breite des Küstenmeeres ζ. Z. maximal 12 sm 1 5 8 , so daß diese Ansprüche unabhängig von den dagegen durch mehrere Staaten erhobenen Protesten völker153 Dies sind Antigua und Barbuda, Barbados, Cape Verde, Comoros, Cuba, VR Korea, Djibouti, Dominica, Äquatorial Guinea, Gabun, Grenada, Guinea, GuineaBissau, Indonesien, Kiribati, Marokko, Mozambique, Niue, Oman, St. Christopher und Nevis, St. Vincent und Grenadinen, Samoa, Sao Tome und Principe, SolomonInseln, Surinam, Togo, Tuvalu. 154 Chile und Guyana. 155 Die mit * gekennzeichneten Staaten beanspruchen eine 200 sm-Fischereizone (FZ), die mit " gekennzeichneten eine 25 sm-FZ und die mit ' gekennzeichneten eine 12 sm-FZ. Die Ziffern hinter den Staatennamen beziehen sich wiederum auf das jeweils verwendete Abgrenzungskriterium:
Ägypten Albanien Argentinien Australien* Bahamas* Dänemark* DDR BR Deutschland* Ecuador Finnland' Griechenland Guyana* Israel Italien Jamaika
(4) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (1) (4) (4) (6) (4) (4) (4)
Jugoslawien Kanada* Malaysia* Malta" Niederlande* Papua Neu-Giunea* Peru Polen Schweden* Sierra Leone Südafrika* Sudan Ver. Königreich* Uruguay Zypern
(4) (4) (4) (4) (4) (4) (1) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (4)
Quelle: LOSB No. 8, 25-28.
156 Argentinien, Ecuador, Peru, Sierra Leone und Uruguay. 157 Benin, Brasilien, El Salvador, Kongo, Liberia, Nicaragua, Panama und Somalia. 158 vgl. Art. 3 SRK. Ganz einhellige Meinung. Ein 12sm-Küstenmeer beanspruchen ζ. Z. 101 Staaten.
158
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
rechtswidrig und damit grundsätzlich auch wirkungslos sind. 1 5 9 Zu bedenken ist jedoch, daß in der Geltendmachung von Souveränität über ein bestimmtes Seegebiet als Minus in jedem Fall die Geltendmachung von exklusiven Hoheitsrechten an den natürlichen Ressourcen in diesem Seegebiet enthalten ist. Die Völkerrechtswidrigkeit dieser Proklamationen führt zwar dazu, daß in den Gewässern jenseits der 12 sm-Zone die Schiffe fremder Staaten nicht an die Beschränkungen der „innocent passage" gebunden sein würden. Es könnten aber durch andere als den Küstenstaat in diesem Gebiet keine Festlandsockelrechte ausgeübt werden; denn diese stehen ausschließlich ihm (ipso facto et ab origino) zu, ohne daß es einer Proklamation oder eines ähnlichen Aktes bedürfte. Daher ist in der völkerrechtswidrigen Proklamation eines 200 sm-Küstenmeeres die - nach Maßgabe des oben Gesagten völkerrechtsgemäße und lediglich deklaratorische - Proklamation (zumindest) eines 200 sm-Festlandsockels zu sehen, möglicherweise sogar - wenn man die Proklamation nicht vollends entfallen lassen w i l l - die - konstitutive - Proklamation einer EEZ. Da diese Staaten insoweit, als die Nutzung des Meeresgrundes und -untergrundes betroffen ist, ausschließlich das Distanzkriterium anwenden, ist deren Übung hier ebenfalls zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß insgesamt 87 Staaten 160 die Ausübung von Hoheitsrechten am Meeresgrund und -untergrund jedenfalls bis zu einer Entfernung von 200 sm vor ihrer Küste ausschließlich nach dem Distanzkriterium bestimmen. Dies entspricht einem Prozentsatz von ca. 85,29% der insgesamt 102 Staaten, die Festlandsockel- bzw. EEZ-Rechte für sich beanspruchen, und von ca. 61,27% der Gesamtheit der Küstenstaaten. Sicherlich ist damit den Erfordernissen der Einheitlichkeit und Verbreitimg der Übung hinreichend Rechnung getragen. Aus dieser Übung und dem Konferenzverlauf ergibt sich auch die erforderliche Rechtsüberzeugung, daß die Staaten nach Völkergewohnheitsrecht jedenfalls bis zu einer Entfernung von 200 sm unabhängig von der Wassertiefe, der Beschaffenheit des Meeresbodens sowie der aktuellen Möglichkeit der Ausbeutung ausschließliche Nutzungsrechte haben.
159 vgl. zu der Problematik allgemein R.D. Hodgson/ S.W. Smith , Boundary Issues Created by Extended National Marine Jurisdiction, The Geographic Review 1979, 423-433. 160
EEZ: EEZ + FS: FS + 200 sm-KM: 200 sm-KM: . . . .
27 45 7 8
Staaten Staaten Staaten Staaten
Summe:
87 Staaten
Α. Das Festlandsockel-Regime
159
4. Die internationale Judikatur und die „natural prolongation"
Eine ausdrückliche Bestätigung dieses Ergebnisses findet sich in der Entscheidung des IGH im Continental Shelf Case zwischen Libyen und Malta. 1 6 1 Dort stellte der IGH zunächst hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Festlandsockel- und EEZ-Régime fest: „ . . . it does signify that greater importance must be attributed to elements, such as distance from the coast, which are common to both concepts." 162
Daher - so der IGH - müsse das Distanzkriterium nunmehr auf den Festlandsockel ebenso Anwendimg finden wie auf die EEZ. 1 6 3 Daran anschließend führt der Gerichtshof zum „natural prolongation"- Konzept aus: „This is not to suggest that the idea of natural prolongation is now superseded by that of distance. What it does mean is that where the continental margin does not extent as far as 200 miles from the shore, natural prolongation ... is i n part defined by distance from the shore, irrespective of the physical nature of the intervening sea-bed and subsoil. The concepts of natural prolongation and distance are therefore not opposed but complementary; and both remain essential elements in the juridical concept of the continental shelf." 1 6 4
Ob dem Konzept der „natural prolongation" wirklich diese Bedeutung noch zukommt, die der IGH ihm offensichtlich einräumt, ist zumindest zweifelhaft. Denn diese Ausführungen des I G H können auch dahin verstanden werden, daß es auf die „natural prolongation" immer dann ankommen soll, wenn sich der Festlandsockel über 200 sm vor der Küste erstreckt. Dies würde zwar der Regelung der SRK entsprechen, ist angesichts der diesbezüglichen Auseinandersetzungen für den Bereich außerhalb der SRK aber sehr fraglich. 1 6 5 Letztlich kommt es darauf für den Bereich dieser Arbeit aber nicht an. 1 6 6 Wesentlich ist, daß der I G H i n dieser Entscheidung im folgenden zur völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des 200 sm-Kriteriums im Zusammenhang mit dem Festlandsockel-Régime klar Position bezieht: „ . . . since the development of the law enables a State to claim that the continental shelf appurtaining to it extends up to as far as 200 miles from its coast, whatever the geological characteristics of the corresponding sea-bed and subsoil, there is no reason to ascribe any role to geological or geographical factors w i t h i n that distance either i n verifying the legal title of the States concerned or i n proceeding to a delimitation as between their claims. This is especially clear where verification of the validity of title is concerned, since, at least in so far as the areas are situated at a distance of under 200 miles from the coasts i n question, title depends solely on the distance 161 162 163 164 165 166
ICJ Rep. 1985, pp. 13-58. Ebenda, p. 33, para. 33. Ebenda, p. 33, para. 34. Ebenda. Vgl. dazu statt vieler D.N. Hutchinson, BYIL 1985, 170 ff. Die Entfernung der beiden Küsten beträgt i n keinem Fall mehr als 400 sm.
160
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
from the coasts of the claimant States of any areas of sea-bed claimed by way of continental shelf and the geological or geomorphological characteristics of those areas are completely immaterial." 1 6 7
Richter Sette-Camara meint in seiner Separate Opinion zu eben dieser Entscheidung 168 zwar: „ I find it difficult to accept at this time the distance provisions of Article 76, paragraphs 1 and 5, as rules of customary international law. The only rule of customary international law retained by this Article is, I submit, still the old rule of natural prolongation. Anything further lacks evidence of opinio juris sive necessitatis and of usus." 1 6 9
Dabei läßt er jedoch die soeben genannten Beispiele der Staatenpraxis sowie die Tatsache völlig außer acht, daß in keinem Fall der Ausdehnung von Festlandsockelrechten auf 200 sm mit Protesten begegnet wurde. Daher sieht Richter Oda in seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta 1 7 0 auch kein Hindernis, noch über die Mehrheitsentscheidimg hinauszugehen: „ . . . to say that ,the concepts of natural prolongation and distance . . . are complementary' and that both remain »essential elements' is surely, at least within the 200mile context, no more than a method of keeping »natural prolongation' alive by artificial respiration." 1 7 1
I n der Tat geht es nicht an, das Konzept der „natural prolongation" als komplementär zum Distanzkriterium zu sehen, wenn man den Begriff „natural prolongation" im geophysikalischen Sinn versteht. Entweder kommt es auf geologische und geomorphologische Erscheinungsformen an, dann aber spielt Distanz keine Rolle, oder nicht. Zwar ist nicht auszuschließen, daß die Mehrheit der IGH-Richter hier den Begriff „natural prolongation" in einem völlig anderen Sinne verstanden hat. Dies läßt sich mit letzter Sicherheit wegen des vielfältigen Bedeutungsinhalts dieses Begriffs i n der Judikatur des I G H 1 7 2 nicht verifizieren. Daher kann in Anbetracht der Rechtsentwicklung im Zusammenhang mit dem Festlandsockel-Régime nur Richter Oda gefolgt werden.
167 ICJ Rep. 1985, p. 35, para. 39; Richter Mbaye i n seiner Separate Opinion (ebenda, p. 97) und Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion (ebenda, p. 119) schließen sich dem ausdrücklich an. Vgl. ferner Award, para. 191; Tribunal (Guinea/ Guinea-Bissau), para. 116. 168 ICJ Rep. 1985, pp. 60-75. 169 Ebenda, p. 69. 170 Ebenda, pp. 123-171. 171 Ebenda, p. 129, para. 6. 172 D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 133-187 weist nach, daß der I G H diesem Begriff sieben verschiedene Bedeutungen beimißt.
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
161
IV. Ergebnis Mithin wird durch das 200 sm-Distanzkriterium nicht nur die in jedem Fall zulässige seewärtige Grenze des Festlandsockels, sondern auch dessen Rechtserwerbstitel bestimmt. Dies gilt nach Maßgabe des oben Gesagten 173 nicht nur für den Meeresgrund und -untergrund, der dem Festland, sondern auch für denjenigen, der Inseln vorgelagert ist.
B. Die Abgrenzung des Festlandsockels Nachdem nunmehr klargestellt ist, daß Inseln grundsätzlich die gleichen Seegebiete haben wie das Festland, stellt sich die Frage, wie Inseln bei der Abgrenzimg des Festlandsockels zu behandeln sind. Dazu soll zunächst dargestellt werden, wie die Abgrenzung des Festlandsockels im allgemeinen zu erfolgen hat und welche Regeln das Seevölkerrecht für die Abgrenzimg vorhält. Sodann wird der Frage nachgegangen werden können, ob Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels ebenfalls grundsätzlich gleich dem Festland zu behandeln sind.
1. Abschnitt: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen I. Begriff, Aufgabe und Grundsätze der Festlandsockelabgrenzung 1. Vorbemerkung
Nach dem bisher geltenden Recht bedurfte es bei der Darstellung der Festlandsockelabgrenzung lediglich einer Unterscheidung zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten. 1 M i t Aufkommen 173
Vgl. oben 2. Teil Β. I. Vgl. Art. 6 FSK; ferner ICJ Rep. 1969, pp. 3-54; vgl. ferner allgemein zur Abgrenzung O. Adede, Toward the Formulation of the Rule of Delimitation of Sea Boundaries between States w i t h Adjacent or Opposite Coastlines, Va.J.Int'l.L. 1979, 207-255; L.M. Alexander, Baseline Delimitations and Maritime Boundaries, Va.J.Int'l.L. 1983, 503-536; P.A. Allen III, Law of the Sea: Delimitation of the Maritime Boundary between the United States and the Bahamas, Univ.of Florida L.Rev. 1981, 207-239; S.H. Amin, Customary Rules of Delimitation of Continental Shelf: The Gulf States Practice, J.of Marit.L.&Comm. 1980, 509-526; ders., Law of the Continental Shelf Delimitation: The Gulf Example, NILR 1980, 335-346; G. Appolis, Les frontières maritimes en droit international, Paris 1979; L. Caflisch, Les zones sous juridiction nationale, leurs limites et leur délimitation, in: D. Bardonnet/M. Virally, Le nouveau droit de la mer, Paris 1983, S. 60-81; Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Modernes Seevölkerrecht, S. 286-293; S.W. Boggs, AJIL 1930, 541-555; ders., The Geographical Review 1937, 445-456; ders., AJIL 1951, 240-260; J.L Chamey, AJIL 1981, 28-68; E. Collins Jr./ Μ.Α. Rogoff, Maine L.Rev. 1982, 1-62; S. Oda, Jap.Ann.of Int'l.L.1968, 264-284; J. Symonides, Pol.Yb.Int'l.L 1984, 19-46; M. Takeyama, in: The Frontier of 1
t h e
.
162
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
der Abgrenzungsvorschriften der 1982er SRK, die diese Unterscheidung nicht mehr enthalten, scheint dies nicht mehr so bedeutsam zu sein, wenngleich darauf auch nicht verzichtet werden kann. Jedoch ist zu beachten, daß mit dem Distanzprinzip 2 nunmehr eine gesonderte Untersuchimg für solche Festlandsockelgebiete erfolgen muß, bei denen entweder - bei einander gegenüberliegenden Staaten - die Küsten weniger als 400sm voneinander entfernt liegen, oder - bei benachbarten Staaten - sich das Festlandsokkelgebiet nicht weiter als 200sm vor den Küsten der beteiligten Staaten erstreckt. Davon zu trennen sind diejenigen Festlandsockelgebiete, die entweder - bei einander gegenüberliegenden Staaten - größer als 400sm sind, oder - bei benachbarten Staaten - die sich weiter als 200sm vor den Küsten erstrecken. Die folgende Darstellung w i r d sich auf den erstgenannten der beiden Fälle beschränken, da dieser der Situation Griechenlands und der Türkei entspricht. 2. Begriff, Aufgabe und Grundsätze der Festlandsockelabgrenzung
Begriff und Aufgabe der Festlandsockelabgrenzung 3 erscheinen auf den ersten Blick leicht bestimmbar, wenn man von dem Grundsatz ausgeht, daß die Abgrenzung („delimitation ") grundsätzlich zu unterscheiden ist von dem Anspruch der Küstenstaaten auf den Festlandsockel („entitlement"). 4 Letztere stehen ihnen ja ipso facto und ab initio 5 zu. Diese grundsätzliche Unterscheidimg führt zwar nicht dazu - wie Libyen im Festlandsockel Fall mit Tunesien geltend gemacht hatte - , daß „ . . . once the natural prolongation of a State is determined, delimitation becomes a simple matter of complying w i t h the dictates of nature." 6 the Seas 1980, S. 53-54; R.R. Churchill/A.V. Lowe , The Law of the Sea, Manchester 1983, S. 115-119; anders: M.K. Nawaz, IJIL 1973, 25-40; W. Langeraar, Mar.Policy 1986, 3-18; ders., J.of Marit.L.& Comm. 1986, 389-406. 2 Vgl. dazu oben 3. Teil Α. 3 Vgl. dazu die Nachweise i n Fn. 1; ferner S.P. Jagota, Maritime Boundary, RdC 1981 II, 81-223; H. Chiù, Chin.Yb.of Int'l.L.and Aff. 1984, 66-80; ders., Md.J.Intl.L. &Trade 1985, 1-17; ders., ODILA 1984, 79-105; R. Jeannel, La Frontière 1980, 34-39; E.J. Manner, in: The Frontier of the Seas 1980, S. 7-17; Κ Nakamura, in: The Frontier of the Seas 1980, S. 58-64; L.F.E. Goldie, Delimiting Continental Shelf Boundaries, in: Yates /Young (Hrsg.), Limits to National Jurisdiction over the Sea, Charlottesville 1974, S. 3-74. 4 Ganz einhellige Meinung i n Judikatur und weiten Teilen des Schrifttums. Vgl. etwa ICJ Rep. 1982, p. 46 f., para. 44: „The Court also clearly distinguished between a principle which affords the justification for the appurtenance of an area to a State and a rule for determining the extent and limits of such area . . . " ; ferner KanalSchiedsspruch (im folgenden: Award, para ), I L M 1979, 422 f., para. 78; D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 133-187 (134); O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 691 ff. 5 Vgl. allein ICJ Rep. 1969, p. 22, para. 19 sowie die Nachweise oben 3. Teil A. 6 ICJ Rep. 1982, p. 47, para. 44; zu beachten ist i n diesem Zusammenhang, daß Libyen von einem geologisch-phsikalischen Festlandsockelbegriff (iSd. klassischen „natural prolongation") ausgegangen ist.
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
163
Der IGH ging in dieser Entscheidung ganz offensichtlich noch von einem (auch) geologisch-physikalischen Festlandsockelbegriff aus7, wies das libysche Argument aber zurück, da er sich zum einen nicht in der Lage sah, nach Maßgabe geologischer Erwägungen eine eindeutige Bestimmimg der Festlandsockelgebiete Tunesiens und Libyens vorzunehmen 8 , zum anderen, weil ,,[I]t would be a mistake to suppose that it w i l l in all cases, or even i n a majority of them, be possible or appropriate to establish that the natural prolongation of one State extends, i n relation to the natural prolongation of another State, just so far and no farther, so that the two prolongations meet along an easily defined line." 9
Die Unterscheidung zwischen „delimitation " und „entitlement " soll aber bedeuten, daß - jedenfalls im Grundsatz - die dem Küstenstaat ipso facto und ab initio zustehenden Festlandsockelrechte durch die Abgrenzung gleich nach Maßgabe welcher Grundsätze, Regeln oder Methoden sie erfolgt - weder eingeschränkt, noch erweitert werden dürfen. 10 Mit anderen Worten: Abgrenzung darf nicht zu einer Verteilung oder konstitutiven Zuteilung („ apportionment ") von Festlandsockelrechten führen. Aus diesem Grund hatte der IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen das Begehren der Bundesrepublik Deutschland nach einem „just and equitable share " am Festlandsockel mit der folgenden Begründung abgelehnt: „ . . . its task in the present proceedings related essentially to the delimitation and not the apportionment of the areas concerned or their division into converging sectors. Delimitation is a process which involves establishing the boundary of an area already, i n principle, appertaining to the coastal State and not the determination de novo of such an area. Delimitation i n an equitable manner is one thing, but not the same thing as awarding a just and equitable share of a previously undelimited area." 11 „ I t follows that even in such a situation as that of the North Sea, the notion of apportioning an as yet undelimited area . . . is quite foreign to, and inconsistent with, the basic concept of continental shelf entitlement, according to which the process of delimitation is essentially one of drawing a boundary line between areas which already appertain to one or other of the States affected." 12
Demgemäß soll der a priori feststehende Anteil der Küstenstaaten am Festlandsockel die Grenzen desjenigen Gebiets bestimmen helfen, in welchem die Abgrenzung zu erfolgen hat. D. h. zunächst ist unter Beachtung des Rechtserwerbstitels der Festlandsockel eines jeden an dem Abgrenzungs7
Vgl. ICJ Rep. 1982, pp. 49 ff., paras. 51 ff. Ebenda, p. 53, para. 61. 9 Ebenda, p. 47, para. 44; vgl. ferner ICJ Rep. 1969, p. 32, para. 46; E. Decaux, A F D I 1982, 357-391 (365); D.N. Hutchinson, BYIL 1984,143. 10 So etwa O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 692; ferner, jedoch weniger apodiktisch, D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 134. 11 ICJ Rep. 1969, p. 23, para. 18. 12 Ebenda, para. 20. Eben diese Passagen aus den Nordsee-Festlandsockel-Fällen scheinen Libyen auch zu dem genannten Argument veranlaßt zu haben, wenngleich Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit angebracht sind. 8
164
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
prozeß beteiligten Staates für sich zu bestimmen. Erst dann w i r d - auf einer Sekundärebene - unter Beachtung der Abgrenzungsprinzipien und -regeln dessen Grenze im Verhältnis zu dem jeweils anderen Staat en detail festgelegt 1 3 , da in der Regel der einem Küstenstaat zustehende Festlandsockel wenn überhaupt - nur grob bestimmt werden könne, was wiederum zu Überschneidungen mit dem Festlandsockel des anderen Staates führe. 14 Nur in dem Gebiet, wo es zu solchen Überschneidungen kommt, könnten danach - nimmt man es mit der Unterscheidung wirklich genau - die Abgrenzungsprinzipien, -regeln und -methoden zur Anwendimg kommen. Hier w i r d aber auch schon deutlich, daß die Abgrenzimg in einem solchen Fall das grundsätzlich ipso facto und ab initio bestehende Festlandsockelrecht zumindest tangiert und möglicherweise - je nachdem, welche „equitable criteria "15 von Bedeutung sind - sogar einschränkt. Diese Möglichkeit war dem I G H im Jahre 1969 auch bewußt, da er u. a. gefordert hat, daß die Abgrenzung derart vorgenommen werden müsse, „ . . . as to leave as much as possible to each Party all those parts of the continental shelf that constitute a natural prolongation of its land territory into and under the sea.. . " 1 6
Schon aus diesem Grunde sind Abgrenzung und Rechtsanspruch auf den Festlandsockel in den seltensten Fällen, und auch nur, wenn man der „natural prolongation " noch eine entscheidende Bedeutung beimißt 17 , strikt voneinander zu unterscheiden. Doch auch aus einem weiteren Grund läßt sich diese Unterscheidung nicht wirklich durchhalten. Durch die Abgrenzung soll ja nicht eine irgendwie geartete Grenzlinie bar jeglicher rechtlicher Erwägungen gezogen werden. 18 Soll aber nach Maßgabe solcher rechtlicher Erwägungen ein Gebiet abgegrenzt werden, auf das die beteiligten Staaten einen originären Rechtsanspruch haben, so muß dieser Rechtsanspruch sich zumindest auch auf den Inhalt der Abgrenzungsprinzipien, -regeln und -methoden auswirken bzw. diese ergänzen können. 19 Der IGH formuliert diesen Grundsatz im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta wie folgt:
13
Vgl. statt vieler O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 691 f. So etwa ICJ Rep. 1982, p. 47, para. 44; ferner ICJ Rep. 1969, p. 23, para. 18. 15 Dazu unten 2. Abschnitt. 16 ICJ Rep. 1969, p. 53, para. 101 (C) (1), Hervorhebung vom Verfasser. 17 Dazu sogleich. 18 Std. Rspr. des IGH, vgl. ICJ Rep. 1969, pp. 3-54; 1982, pp. 18-94; 1984, pp. 246346; 1985, pp. 13-58; vgl. ferner den Schiedsspruch zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich über die Abgrenzung des Festlandsockels im Kanal (ILM 1979, 397-462) sowie den Schiedsspruch zwischen Guinea und Guinea-Bissau (ILM 1986, 252-307). 19 Ganz allgemeine Meinung. Vgl. ICJ Rep. 1982, p. 43, para. 36; Diss. Op. Richter Tanaka, ICJ Rep. 1969, p. 181 sowie die vorstehenden Nachweise. 14
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
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„That the question of entitlement and of definition of continental shelf, on the one hand, and of delimitation of continental shelf on the other, are not only distinct but are also complementary is self-evident. The legal basis of that which is to be delimited, and of entitlement to it, cannot be other than pertinent to that delimitation." 2 0
In der Tat bedarf es keiner weiteren Erläuterung dieses Grundsatzes der Wechselwirkung zwischen dem grundlegenden Rechtsanspruch und den sich darauf auswirkenden Abgrenzungsvorschriften. Fraglich ist aber, ob - damals wie heute - die Unterscheidimg zwischen „delimitation " und „entitlement " wirklich dazu führt, daß die Abgrenzung in keinem Fall dazu führen darf, daß einem Staat ein Festlandsockelgebiet de novo zugeteilt w i r d 2 1 , daß also keine gerechte und billige Verteilung von Festlandsockelgebieten vorgenommen werden darf. Schon die Entscheidung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen ist geeignet, die Beachtung des vom Gerichtshof selbst aufgestellten Grundsatzes in Frage zu stellen. Bekanntlich mißt der I G H dort einem „vernünftigen Maß an Proportionalität" eine grundlegende Bedeutung für die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Nachbarstaaten bei: „ A final factor to be taken account of is the element of a reasonable degree of proportionality which a delimitation effected according to equitable principles ought to bring about between the extent of the continental shelf appertaining to the States concerned and the lengths of their respective coastlines, - these being measured according to their general direction in order to establish the necessary balance between States w i t h straight, and those w i t h markedly concave or convex coasts, or to reduce very irregular coastlines to their truer proportions." 22
Diese Gewichtung der Proportionalität legt die Annahme nahe, daß Abgrenzung zu einem nicht unwesentlichen Anteil auch Verteilung von Festlandsockelgebieten sein kann oder - wie O'Connell/ Shearer es etwas vorsichtiger ausdrücken - , daß zumindest in dieser Entscheidung „ . . . the Court came close to equating equitable distribution w i t h natural prolongation, and so to contradicting the distinction which it had made between apportionment and delimitation." 2 3
Denn wenn das Ausmaß des Festlandsockels gegenüber dem eines anderen Staates von dem Verhältnis zur jeweiligen Küstenlänge abhängig sein soll, 20 ICJ Rep. 1985, p. 30, para. 27. 21 So etwa ICJ Rep. 1969, p. 23, paras. 18, 20; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 691 ff. 22 ICJ Rep. 1969, p. 52, para. 98; p. 54, para. 101 (D) (3). I n seiner jüngsten Entscheidung zur Festlandsockelabgrenzung zwischen Libyen und Malta nimmt der I G H diese Passage ausdrücklich i n Bezug und räumt der Proportionalität auch bei der Festlandsockelabgrenzung zwischen einander gegenüberliegenden Staaten entscheidende Bedeutung ein, ICJ Rep. 1985, p. 43 ff., paras. 55 ff.; vgl. ferner ICJ Rep. 1982, pp. 75 f., paras. 103 ff. (Tunesien/Libyen); ICJ Rep. 1984, pp. 334 ff., paras. 216 ff. (Gulf of Maine); Schiedsurteil zwischen Guinea und Guinea-Bissau, para. 118. 23 O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 697.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
so ist nicht ausgeschlossen, daß die „natural prolongation " des betroffenen Staates, die der IGH ja zumindest auch im geophysikalischen Sinn verstanden hat 2 4 , eingeschränkt w i r d mit der Folge, daß Teile des Meeresgrundes und -untergrundes, die eigentlich ihm zustünden, dem anderen Staat zugesprochen werden. Auch das Schiedsgericht im Kanal-Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich bezieht sich auf die Nordsee-Festlandsockel-Fälle und unterscheidet die Abgrenzimg von einer gerechten und billigen Verteilung. Gerade die Enklaven-Lösung für die britischen Kanal-Inseln, die offensichtlich keinen Festlandsockel erhalten haben 25 , läßt ebenfalls Zweifel an der Geltung der Unterscheidung aufkommen. 26 Schließlich läßt sich insbesondere die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 FSK dahingehend auslegen, daß zwischen Abgrenzung und Verteilung von Festlandsockelgebieten kein Unterschied besteht. Zwar bestimmt Art. 2 Abs. 3 FSK: „The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend on occupation, effective or notional, or on any express proclamation",
mithin stehen dem Küstenstaat diese Rechte ipso facto und ab initio aufgrund des Rechtserwerbstitels der Kontiguität zu. 27 Wenn demgegenüber Art. 6 Abs. 2 S. 2 FSK aber bestimmt, daß - es sei denn es liegen „special circumstances" vor „ . . . the boundary shall be determined by application of the principle of equidistance . . . " ,
dann besteht die Möglichkeit, daß sich unter Anwendung eben des Äquidistanzprinzips ein ganz anderes Festlandsockelgebiet ergibt als jenes, welches nach Maßgabe des Rechtserwerbstitels bestimmt worden ist. 2 8 Dann aber läßt sich die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 FSK als Ausnahme zu den Art. 1 und 2 FSK verstehen mit der Folge, daß sich Abgrenzung und Verteilung von Festlandsockelgebieten nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. 29 Letztlich braucht die Frage, ob nach Maßgabe des Ende der 60er, während der 70er und Anfang der 80er Jahre geltenden Rechts die Unterscheidung 24
Vgl. dazu oben 2. Teil A. Award , paras. 185-197. 26 So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 697. Das Schiedsgericht räumt jedoch ein: „The delimitation, when made, w i l l in practice divide the continental shelf i n the arbitration area . . . i n what may be said to be shares", stellt aber sogleich klar: „ . . . but this w i l l be only the incidental result of fixing their boundary i n the marginal areas where their respective continental shelves converge.", Award, para. 78. 27 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil A. 28 So auch der I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, ICJ Rep. 1969, p. 37, para. 58: „ . . . a lateral equidistance Une often leaves to one of the States concerned areas that are a natural prolongation of the territory of the other." 29 Vgl. dazu auch O'Connell/Shearer, Law of the Sea Π, S. 693. 25
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
167
zwischen A b g r e n z u n g u n d V e r t e i l u n g v o n Festlandsockelgebieten tatsächl i c h G e l t u n g h a t t e u n d beachtet w u r d e , n i c h t e n d g ü l t i g b e a n t w o r t e t z u w e r den. Insbesondere die A u s f ü h r u n g e n des I G H basieren n ä m l i c h i m wesentl i c h e n auf einem Verständnis des Festlandsockels, welches - w i e er selbst teilweise e i n r ä u m t 3 0 - d u r c h die E n t w i c k l u n g des Seevölkerrechts i n diesem Bereich ü b e r h o l t ist. D i e Entscheidungen aus den Jahren 1969, 1982, 1984 u n d ζ. T. selbst die aus d e m Jahre 1985 s i n d v o n einem geologisch-physikalischen Verständnis des Festlandsockels g e p r ä g t 3 1 , der meist m i t d e m B e g r i f f der „natural
prolongation "
umschrieben w i r d . Z w a r h a t der I G H i m Fest-
landsockel F a l l zwischen L i b y e n u n d M a l t a seine Rechtsprechung aus den V o r j a h r e n i n A n b e t r a c h t des 2 0 0 s m - K r i t e r i u m s als ü b e r h o l t bezeichnet 3 2 , soweit es sich u m Gebiete des Meeresgrundes u n d -untergrundes handelt, die sich w e n i g e r als 200sm v o r der K ü s t e erstrecken. T r o t z A n e r k e n n i m g des D i s t a n z k r i t e r i u m s f ü h r t das G e r i c h t an anderer Stelle aber aus: „This is not to suggest that the idea of natural prolongation is now superseded by that of distance. What it does mean is that where the continental margin does not extend as far as 200 miles from the shore, natural prolongation, which i n spite of its physical origins has throughout its history become more and more a complex and juridical concept, is i n part defined by distance from the shore, irrespective of the physical nature of the intervening sea-bed and subsoil. The concepts of natural prolongation and distance are therefore not opposed but complementary; and both remain essential elements i n the juridical concept of the continental shelf." 33 Diese B e t o n u n g des Konzepts der „natural
prolongation "
machte - b e r ü c k -
s i c h t i g t man, daß „ . . . at least in so far as . . . areas are situated at a distance of under 200 miles from the coasts i n question, title depends solely on the distance from the coasts . . . " - 3 4 n u r Sinn, w e n n dieser B e g r i f f i m Z u s a m m e n h a n g m i t solchen Seegebieten n i c h t i m geologisch-physikalischen Sinne verstanden w i r d . 3 5 E i n solches 30
Vgl. ICJ Rep. 1985, p. 35 f., paras. 39, 40. ICJ Rep. 1969, p. 51, para. 95: „ . . . it can be useful to consider the geology of that shelf in order to find out whether the direction taken by certain configurational features should influence delimitation because, i n certain localities, they point-up the whole notion of the appurtenance of the continental shelf to the State whose territory it does i n fact prolong." ICJ Rep. 1982, p. 47, para. 44: „ . . . identification of natural prolongation may, where the geographical circumstances are appropriate, have an important role to play i n defining an equitable delimitation, i n view of its significance as the justification of continental shelf rights in some cases."; ebenda, p. 57, para. 66: „ . . . a marked disruption or discontinuance of the sea-bed as to constitute an undisputable indication of . . . two separate continental shelves, or two natural prolongations." 32 ICJ Rep. 1985, p. 36, para. 40: „However to rely on this jurisprudence would be to overlook the fact that where such jurisprudence appears to ascribe a role to geophysical or geological factors i n delimitation, it finds warrant for doing so i n a régime of the title itself which used to allot those factors a place which now belongs to the past, i n so far as sea-bed areas less than 200 miles from the coast are concerned." 3 * ICJ Rep. 1985, p. 33, para. 34. 34 ICJ Rep. 1985, p. 35, para. 39 (Hervorhebung vom Verfasser). 31
168
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Verständnis schließt der I G H auch a u s d r ü c k l i c h a u s 3 6 , läßt jedoch n i c h t k l a r erkennen, i n w e l c h e m S i n n er den B e g r i f f der „ n a t u r a l p r o l o n g a t i o n " v e r standen wissen w i l l . V i e l m e h r beschränkt er sich darauf, auf dessen K o m p l e x i t ä t hinzuweisen, die er i m L a u f e der Z e i t erlangt h a b e . 3 7 T a t s ä c h l i c h h a t Hutchinson
i n überzeugender Weise nachgewiesen, daß der I G H dem
B e g r i f f der „natural prolongation "
i n seinen Entscheidungen bis z u m Jahre
1984 sieben (!) verschiedene Bedeutungen b e i l e g t . 3 8 D a m i t h a n d e l t es sich aber n i c h t m e h r l e d i g l i c h u m einen „ k o m p l e x e n " Begriff. V i e l m e h r w i r d auch fraglich, ob er n o c h die K o n t u r e n aufweist, die f ü r einen Rechtsbegriff, insbesondere i m Z u s a m m e n h a n g m i t der auf rechtliche E r w ä g u n g e n z u stützenden Abgrenzung, u n b e d i n g t n o t w e n d i g sind. Dieser Frage soll h i e r aber n i c h t i m einzelnen nachgegangen w e r d e n 3 9 , da sich die V e r w e n d i m g des Begriffs d u r c h den I G H i n der hier interessierenden Passage e r k l ä r e n läßt. W i e bereits ausgeführt, legt der I G H größten W e r t auf die Unterscheid u n g zwischen „delimitation " u n d „ a p p o r t i o n m e n t " sowie die Forderung, daß den Küstenstaaten (zumindest) ein (gewisses) Festlandsockelgebiet a p r i o r i zusteht, welches d u r c h die A b g r e n z u n g u n b e r ü h r t b l e i b e n m u ß . 4 0
35 Der geologisch-physikalische Begriff erlangt selbstverständlich dann (wieder) Bedeutung, wenn sich Festlandsockelgebiete über die 200sm-Grenze erstrecken, da es dann ja einer Bestimmung des Ausmaßes der „continental margin" bedarf. Vgl. dazu auch oben. Geologie und Geomorphologie dürfen aber bei der Abgrenzung der hier i n Frage stehenden Seegebiete wegen der Geltung des Distanzprinzips für den Rechtserwerbstitel keine Rolle (mehr) spielen. Vgl. dazu Richter Jiménez de Aréchaga in seiner Sep. Op., ICJ Rep. 1982, paras. 42,44,49, 72 und 73; J.-P. Quéneudec, AFDI1981, 203231 (207); E. Zoller, RGDIP 1982, 645-678 (654 f., 674); E. Decaux, A F D I 1982, 357391 (367 ff.). 36 ICJ Rep. 1985, p. 33, para. 34. 37 Ebenda. 38 D.N. Hutchinson, The Concept of Natural Prolongation in the Jurisprudence concerning Delimitation of Continental Shelf Areas, BYIL 1984,133-187. 39 U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 512-567 (521), kommt zu dem Ergebnis, daß „hinter dem natural prolongation-Konzept keine präzise Vorstellung steckt, die über den schlichten Zusammenhang zwischen Festlandsockel und Küstenstaat hinaus auf irgendwelche geographische oder geologische Formationen abstellt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie man schlüssig beweisen sollte, daß ein bestimmter Meeresboden innerhalb der 200 Seemeilen-Entfernungslinie keine natural prolongation des Küstenstaates bilde."; vgl. auch S. 528 u. 544. 40 Vgl. etwa ICJ Rep. 1969, p. 47, para. 85 (c): „ . . . the continental shelf of any State must be the natural prolongation of its land territory and must not encroach upon what is the natural prolongation of the territory of another State." Vgl. dazu J. Lang, Le plateau continental de la Mer du Nord, Paris 1970; F.M. Auburn, North Sea Continental Shelf Boundary Settlement, AVR 1973,28-36; F. Münch, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes vom 20. Februar 1969 über den deutschen Anteil am Festlandsockel i n der Nordsee, ZaöRV 1969, 455-475; R.Y. Jennings, The Limits of the Continental Shelf Jurisdiction: Some Possible Implications of the North Sea Case Judgement, ICLQ 1969, 819-832; E. Menzel, Der Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland und das Urteil des I G H vom 20.2.1969, JER 1969,13-100; W. Friedmann, The North Sea Continental Shelf Cases - A Critique, AJIL 1970, 229-240; E. Grisel, The Lateral Boundaries of the Continental Shelf and the Judgement of the International Court of Justice in the North Sea Continental Shelf Cases, AJIL 1970, 562-593; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 372-396.
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
169
E b e n u m dies beibehalten z u können, w i l l der I G H offensichtlich a m K o n zept der „natural prolongation "
als wesentlichem Element f ü r den r e c h t -
l i c h e n Festlandsockel festhalten. M i t „natural prolongation "
i n der z i t i e r t e n
Passage der 1985er E n t s c h e i d i m g w i l l der I G H also das dem Küstenstaat angeblich a p r i o r i zustehende Festlandsockelgebiet bezeichnen. 4 1 Konsequenterweise bliebe die U n t e r s c h e i d u n g zwischen „delimitation " u n d „ a p portionment "
zumindest i n diesem Gebiet erhalten.
Dieses Vorgehen m a g das P r o b l e m der Festlandsockelabgrenzung k e n n zeichnen u n d aus einem berechtigten A n s i n n e n erwachsen, f i n d e t aber i m H i n b l i c k auf die h i e r i n Frage stehenden Seegebiete i m geltenden Seevölkerrecht keine G r u n d l a g e mehr. Bereits das Schiedsgericht i m K a n a l - S c h i e d s spruch v o n 1977 h a t der F o r d e r u n g des I G H zumindest f ü r die Festlandsokkelabgrenzung keine entscheidende B e d e u t u n g beigemessen. 4 2 U n d u n t e r der jetzigen ausschließlichen G e l t u n g des D i s t a n z p r i n z i p s i n den hier i n Frage stehenden Seegebieten k a n n es auf den B e g r i f f der „natural tion "
prolonga-
- ganz gleich, welche der unterschiedlichen Bedeutungen m a n i h m
b e i m i ß t 4 3 - b e i der A b g r e n z u n g ebensowenig a n k o m m e n w i e b e i der B e s t i m m u n g des d e m Küstenstaat zustehenden Festlandsockels. 4 4 S o w o h l die 41 In dieser Weise interpretieren den I G H etwa auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 695: „The Court put reins upon the notion of equity by confining it, theoretically anyway, to the process of delimitation. Equity should not be used to alter the portions of the continental shelf to which neighbouring States are entitled by virtue of natural prolongation." 42 Award, para. 79: „This conclusion follows from the fundamental rule itself and is, indeed, merely an application of that rule to the context of a single area of continental shelf upon which the territories of two or more States abut. So far as delimitation is concerned, however, this conclusion states the problem rather than solves it. The problem of delimitation arises precisely because in situations where the territories of two or more States abut on a single continuous area of continental shelf, it may be said geographically to constitute a natural prolongation of the territory of each of the States concerned." 43 D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 133 ff., kommt insoweit zu keinem eindeutigen Ergebnis, da die vom ihm untersuchten Entscheidungen allesamt i m Hinblick auf einen im geologischen Sinne einheitlichen Festlandsockel ergangen sind. Er räumt daher die Möglichkeit ein, daß es auf geologische und geomorphologische Aspekte ankommen könnte, wenn diese prägnant genug sind. Da er jedoch die Entscheidung des I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta bei seiner Untersuchung nicht berücksichtigen konnte, ist anzunehmen, daß er jetzt auch diese Möglichkeit ausschließen würde. 44 So i.E. auch das Schiedsgericht i m Festlandsockel Fall zwischen Guinea und Guinea-Bissau, Schiedsspruch vom 14. Februar 1985 I L M 1986, 252-305 (im folgenden: Schiedsurteil Guinea/Guinea-Bissau, para. ...): „ I n any event, however, the rule of natural prolongation can be effectively invoked for purposes of delimitation only where there is a separation of continental shelves. In the present case, both Parties have been obliged to recognize that the continental shelf formed by the prolongation of their respective coasts is one and the same . . . ,the very fact that in international law the continental shelf is a juridical concept means that its scope and the conditions for its application are not determined exclusively by the physical facts of geography but also by legal rules'", ebenda, para. 116 unter Bezugnahme auf para. 191 des Kanal Schiedsspruchs. Und weiter heißt es: „ . . . if the continental shelf is assumed to be continuous, i n the present state of international law no characteristic could validly be
170
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
B e s t i m m u n g als auch die Abgrenzung, die sich j a an dem Rechtserwerbsg r u n d z u orientieren h a t 4 5 , müssen v o r r a n g i g n a c h D i s t a n z g e s i c h t s p u n k t e n erfolgen. 4 6 D a n n aber k a n n i n den hier interessierenden F ä l l e n v o n Festlandsockelgebieten, die den Küstenstaaten a p r i o r i zustehen, keine Rede m e h r sein. V i e l m e h r ist jeder der b e t e i l i g t e n Staaten g r u n d s ä t z l i c h berecht i g t , ein Gebiet f ü r sich z u beanspruchen, welches der jeweils andere Staat ebensogut f ü r sich beanspruchen k ö n n t e . 4 7 Diese r e c h t l i c h g r u n d s ä t z l i c h begründeten A n s p r ü c h e w ü r d e n sich also überschneiden u n d jede A b g r e n z u n g w ü r d e d a m i t zugleich auch eine Z u t e i l u n g / V e r t e i l u n g v o n F e s t l a n d sockelgebieten m i t sich b r i n g e n . 4 8 Erst n a c h erfolgter A b g r e n z i m g (Verteilung) w ü r d e das den b e t e i l i g t e n Staaten jeweils r e c h t l i c h zustehende Festlandsockelgebiet b e s t i m m b a r , so daß d e m B e g r i f f der „ n a t u r a l
prolonga-
tion " auch i n dieser i h m v o m I G H beigemessenen B e d e u t i m g keine Aussagek r a f t m e h r z u k o m m t . 4 9 D a m i t ist aber zwischen A b g r e n z u n g u n d V e r t e i l u n g v o n Festlandsockelgebieten k e i n U n t e r s c h i e d m e h r z u e r k e n n e n . 5 0 V o r der A b g r e n z u n g b z w . V e r t e i l u n g v o n Festlandsockelgebieten k a n n dem geltenden Recht n u r e n t n o m m e n werden, daß - was selbstverständlich ist - der Küstenstaat ü b e r h a u p t einen Festlandsockel beanspruchen u n d sich dieser invoked to support an argument based on the rule of natural prolongation and designed to justify a delimitation establishing a natural separation", (ebenda, para. 117). 45 Vgl. dazu oben 3. Teil Α. II. 46 Vgl. dazu ICJ Rep. 1985, p. 35, para. 40; Schiedsurteil (Guinea/Guinea-Bissau), paras. 113 ff. 47 Im Gegensatz zu den Ausführungen im Kanal-Schiedsspruch ist hier nicht nur von sich überschneidenden Festlandsockelgebieten im geographischen, sondern im rechtlichen Sinne die Rede. 48 Auch die Zu- bzw. Verteilung müßte selbstverständlich die Abgrenzungsprinzipien und -regeln beachten, dazu sogleich. 49 Unabhängig davon meinen O'Connell/ Shearer, Law of the Sea Π, S. 693 f., aber: „The distinction between apportionment and delimitation, while theoretically rigid, tends to blur, however, to the extent that the formula i n Article 6 resolved itself into the principle that the continental shelf is to be divided by reference to the principle of equitable distribution." 50 So auch Richter Oda i n seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 158 f., para. 64: „ I n this respect a mention should be made of the concept of apportioning ,just and equitable shares', which the Court did not accept i n 1969. The Court's rejection of this concept i n 1969 seems to have been very heavily dependent on its development of its doctrine that ,the rights of the coastal State in respect of the area of continental s h e l f . . . ipso facto and ab initio'. The Court seems to have found it an implicit consequence of this doctrine that the areas of continental shelf falling under the jurisdiction of each party were predetermined ab initio, each being mutually exclusive of the other, so that the function of the delimitation of the continental shelf consisted ,merely' i n discerning and bringing to light a line already i n potential existence. The test of natural prolongation, and certain other features of the Judgement, were developed precisely as an aid to the performance of that very special and difficult task. Now, whatever the necessity of the Court's logic i n the 1969 context, I am fully persuaded that it has since been overtaken by events. There is no reason for the present Court, i n 1985, to be inhibited from realizing that the present delimitation is simply a question of justifiably and equitably dividing, apportioning or even »sharing' between the Parties a part of a homogeneous sea-bed area which either can potentially claim."
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
171
- potentiell - auf 200 sm ausdehnen kann. In keinem Fall steht das Festlandsockelgebiet in den hier in Frage stehenden Seegebieten a priori fest. Dies ist nur möglich, wenn etwa bei einander gegenüberliegenden Staaten das Seegebiet zwischen den Küsten mehr als 400 sm beträgt und sich jenseits der 200 sm-Distanzlinie von beiden Küsten aus gesehen geologische oder geomorphologische Erscheinungsformen finden, die möglicherweise den äußeren Rand der beiden Festlandsockelgebiete markieren.
Π. Festlandsockelabgrenzung nach Völkergewohnheitsrecht 1. Regeln, Prinzipien und Methoden
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß » . . . the principles and rules of international law which may be applied for the delimitation of the continental shelf areas must be derived from the concept of the continental shelf, as understood i n international l a w . " 5 1
Eben aus diesem Grunde konnte dort bereits auch festgestellt werden, daß dem Distanzprinzip eine nicht unerhebliche Bedeutung auch für die Abgrenzung zukommen muß. 52 Selbstverständlich müssen sich aber nicht nur die Prinzipien und Regeln der Abgrenzung an dem zugrundeliegenden Festlandsockelkonzept orientieren, sondern auch die jeweils verwendete Methode, mit der der genaue Verlauf der Grenze festgelegt werden soll. 53 Bevor nun der Frage nachgegangen wird, ob und welche Prinzipien, Regeln und Methoden das Völkergewohnheitsrecht für die Festlandsockelabgrenzung vorhält, bedarf es einer - notwendigerweise kurzen - Erläuterung dieser Begriffe. a) Prinzipien Ebenso wie im allgemeinen Sprachgebrauch läßt sich der Begriff „Prinzip" zunächst allgemein umschreiben mit „Grundsatz", „Ausgangspunkt" oder - wie etwa auch im philosophischen Sinne - mit „die erste Ursache: das, woraus etwas ist oder w i r d " . 5 4 I n der deutschen Rechtswissenschaft werden Prinzipien verstanden als „richtunggebende Maßstäbe rechtlicher Normierung, die vermöge ihrer eigenen Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen zu rechtfertigen vermögen". Sie sind - "als materiale Rechtsgedanken" - "besondere Ausprägungen der Rechtsidee, so wie diese sich auf 51
ICJ Rep. 1982, p. 43, para. 36. Vgl. dazu im einzelnen unten. 53 Ganz allgemeine Meinung, vgl. statt vieler D.N. Hutchinson, BYIL 1984,140 f. 54 Vgl. dazu etwa G. Schischkoff (Hrsg.), Philosophisches Wörterbuch, 21. Aufl., Stuttgart 1982, S. 555. 52
172
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
dieser historischen Entwicklungsstufe darstellt und in Gesetzgebung und Rechtsprechung, vor allem in dieser, fortdauernd konkretisiert". 5 5 Danach sind sie selbst noch nicht der Anwendung auf den Einzelfall fähige Regeln mit bestimmtem Tatbestand und bestimmter Rechtsfolge, vielmehr bedürfen sie ausnahmslos der Konkretisierimg" 5 6 und können nur als Richtschnur bei der Rechtsanwendung dienen. I n der Völkerrechtslehre ist grundsätzlich ein gleiches oder ähnliches Verständnis dieses Begriffs zu verzeichnen. 57 Fitzmaurice etwa unterscheidet Prinzipien und Regeln wie folgt: „ A rule answers the question ,what\ a principle i n effect answers the question ,w h y ' . " 5 8
Dies gilt jedoch nur, soweit die allgemeine Bedeutung dieses Begriffs betroffen ist. Der Begriff „Prinzip" bzw. „Grundsatz" findet im Völkerrecht darüber hinaus eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den Rechtsquellen im Sinne von Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut. Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut nennt als (subsidiäre) Völkerrechtsquelle „die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze". 59 Bei diesen handelt es sich im Grunde um völkerrechtsfremde Normen, die ihre Entstehung nicht einem völkerrechtlichen Rechtserzeugungsverfahren verdanken, sondern ihren Ursprung in den nationalen Rechtsordnungen der Kulturvölker haben. 60 Als Rechtsquelle kommen allein die Grundsätze im oben dargelegten Sinne in Frage, nicht hingegen die auf ihnen beruhenden übereinstimmenden innerstaatlichen Normen. 61 Davon streng zu unterscheiden sind die „allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts". Bei diesen handelt es sich um Regeln des Völkergewohnheitsrechts, die so allgemein anerkannt sind, daß ein Nachweis durch Staatenpraxis nicht mehr erforderlich ist. 6 2 Im Zusammenhang mit der Festlandsockelabgrenzung kommt dem Begriff „Prinzip" nicht die letztgenannte, besondere Beseutung, sondern die auch aus der innerstaatlichen Rechtslehre bekannte allgemeine Bedeutung zu. 6 3 Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung enthalten mithin niemals 55 So K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., Berlin - Heidelberg - New York - Tokyo 1983, S. 456; vgl. ferner F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, Wien - New York 1982, S. 132. 56 K. Larenz, Methodenlehre, S. 456. 57 Vgl. G. Fitzmaurice, The General Principles of International Law Considered from the Standpoint of the Rule of Law, RdC 1957 II, 5-227; B. Cheng, General Principles of Law as Applied by International Courts and Tribunals, London 1953, S. 390; G. J. H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 148 ff.; R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 6th print, Cambridge Mass. 1979, S. 24 ff. 58 G. Fitzmaurice, RdC 1957 II, 7; ebenso R. Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 25. 59 Vgl. dazu allgemein H. Mosler, General Principles of Law, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 7,1984, S. 89-105 mit umfangreichen Nachweisen. 60 Vgl. statt vieler Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 86. 61 Ebenda. 62 Ebenda.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
173
einen verbindlichen und konkreten Normbefehl zugunsten einer bestimmten Grenzziehimg. b) Regeln Die allgemeine Bedeutung des Begriffs „Prinzip" erhellt zugleich den der „Regel" oder „Norm" als Vorschrift oder auch Maßstab der Beurteilung und der Bewertung. 64 „Rules are applicable i n an all-or-nothing fashion. If the facts a rule stipulates are given, then either the rule is valid, in which case the answer it supplies must be accepted, or it is not, i n which case it contributes nothing to the decision." 65
Ebenso wie im innerstaatlichen Recht beanspruchen Regeln, daß „ . . . sich diejenigen, an die sie sich richten, ihnen gemäß verhalten. Soweit diese Regeln zugleich Entscheidungsnormen darstellen, sollen diejenigen, die über die rechtliche Austragung von Konflikten zu entscheiden haben, ihnen gemäß urteilen. . . . Kennzeichnend für eine ,Regel· i n dem hier gemeinten Sinn ist erstens ihr Geltungsanspruch, der ihr zukommende Sinn einer verbindlichen Verhaltensanforderung oder eines verbindlichen Beurteilungsmaßstabes - ihr normativer Charakter - , zweitens ihr Anspruch, nicht nur gerade für einen bestimmten Fall, sondern innerhalb ihres räumlichen und zeitlichen Geltungsbereiches für alle Fälle ,solcher Art' zu gelten - ihr genereller Charakter. 66
Die Prinzipien unterliegen den einzelnen Rechtsnormen oder Regeln. Im Bedarfsfalle können aus ihnen auch neue Regeln entwickelt werden. 67 Anwendung finden Prinzipien jedoch grundsätzlich nur in dem von den einzelnen Regeln vorgegebenen Rahmen. 68 Eine Regel der Festlandsockelabgrenzung enthält mithin entweder eine verbindliche Forderung an ihre Adressaten - die Küstenstaaten - , die Grenze zwischen ihren Festlandsockelgebieten in einer bestimmten Weise und einem bestimmten Verlauf folgend zu ziehen, bzw. einen verbindlichen Beurteilungsmaßstab für den evtl. mit einem Abgrenzungsstreit befaßten internationalen Spruchkörper. Abgesehen von dieser klaren und allgemein anerkannten 69 Unterscheidung zwischen Prinzipien und Regeln ist es aber auch denkbar, daß eine Regel lediglich die Beachtung bestimmter Prinzipien fordert, sie also aus 63 Vgl. allein das Urteil des I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, ICJ Rep. 1969, p. 46, para. 85; ferner D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 139 f. 64 Philosophisches Wörterbuch, S. 496 und 577. 65 R. Dworkin , Taking Rights Seriously, S. 24; vgl. ferner G.J.H. van Hoof, Rethinking the Sources, S. 148 f. 66 Κ. Larenz, Methodenlehre, S. 240. 67 Ebenda; vgl. ferner A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, Freiburg - München 1982, S. 86. 68 Vgl. dazu statt vieler D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 139. 69 Vgl. allein die vorstehenden Nachweise sowie ICJ Rep. 1969, p. 46, para. 85.
174
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
mehreren Prinzipien besteht. Berücksichtigt man das soeben Gesagte, so wird deutlich, daß der Rechtsanwender aufgrund einer solchen Regel zwar gezwungen ist, die darin enthaltenen Prinzipien anzuwenden. Im Gegensatz zu dem Fall einer „einfachen" Regel, die einen klaren Normbefehl enthält, muß er aber einen größeren Spielraum bei der jeweiligen Entscheidungsfindung haben: ,,[F]or there are several principles, each pulling i n favour of a particular solution, and, whenever and wherever they conflict, the decision-maker must weigh them and balance them against each other to find the . . . solution." 7 0
Auf diesen besonderen Fall w i r d noch im einzelnen einzugehen sein. c) Methoden Zu dem Verhältnis der Prinzipien im hier verstandenen Sinne zu den Methoden der Abgrenzung bleibt zu sagen, daß die Prinzipien nur als Richtschnur dafür dienen können zu bestimmen, wo in etwa die Grenze zu verlaufen hat. Diese Entscheidung ist zwangsläufig unpräzise und kann nur einen groben Rahmen vorgeben. Zu einer genauen Festlegung der tatsächlichen Grenze kann es erst unter Anwendung einer bestimmten Methode kommen. 71 Methoden der Abgrenzimg lassen sich also umschreiben als „ . . . all practical ways of drawing lines on the basis of certain cartographic features." 72
Die Methoden müssen sich an den unter Beachtimg der Prinzipien vorgegebenen Rahmen halten und sind diesen daher untergeordnet. Aus dem allgemeinen Charakter der Prinzipien folgt aber auch, daß lediglich festgestellt werden kann, daß ζ. B. die Methode A nicht im Widerspruch zu ihnen steht. Wenn aber ζ. B. die Methode Β ebenfalls den Prinzipien entspricht, so läßt sich nicht abschließend und verbindlich bestimmen, welcher der Methoden der Vorrang zu geben ist. 7 3
70
D.N. Hutchinson, BYIL 1984,139 f.; vgl. ferner ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 71. Vgl. auch H.D. Hedberg, Relation of Political Boundaries on the Ocean Floor to the Continental Margin, Va.J.Int'l.L. 1976, 57-75. 72 D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 140; beachte auch die ebenda aufgeführten Beispiele für Abgrenzungsmethoden. 73 So i.E. auch ICJ Rep. 1982, p. 79, para. I l l ; vgl. ferner D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 140 f. Aus diesem Grunde sind auch die Versuche derjenigen Autoren zum Scheitern verurteilt, die eine von vornherein feststehende Methode für alle Abgrenzungsfälle entwickeln wollen. Vgl. etwa R.T.S. Hsu, A Rational Approach to Maritime Boundary Delimitation, ODILA 1983,103-113; W. Langeraar, Maritime Delimitation. The Equiratio Method - a New Approach, Mar.Policy 1986, 3-18; ders., J.of Marit.L. &Comm. 1986, 389-406; D.E. Karl, Islands and the Delimitation of the Continental Shelf. A Framework for Analysis, AJIL 1977, 642-673. 71
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
175
2. Regehi und Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung
a) Vorbemerkung Im Rahmen der folgenden Untersuchung, ob und welche Prinzipien und Regeln der Festlandsockelabgrenzung gewohnheitsrechtliche Geltung haben, wird besonderes Augenmerk auf die Stellung der Äquidistanz- und Mittellinienmethode gerichtet sein. 74 Eine solche besondere Berücksichtigung der Äquidistanzmethode bei der Frage nach dem Völkergewohnheitsrecht der Festlandsockelabgrenzung wäre noch im Jahre 1984 auf weitgehendes Unverständnis gestoßen, hatte doch der I G H bereits in den NordseeFestlandsockel-Fällen die gewohnheitsrechtliche Geltung der Äquidistanz ausdrücklich verneint 75 und diese Auffassimg seither auch beibehalten. 76 Jedoch ist diese Auffassung des IGH nicht nur im völkerrechtlichen Schrifttum 7 7 auf K r i t i k und Widerspruch gestoßen, sondern ist insbesondere wegen der Weiterentwicklung des Festlandsockel-Konzepts 78 zumindest einer Revision zugänglich. Denn das Recht der Abgrenzung muß sich auch nach Meinimg des I G H 7 9 an dem zugrundeliegenden Konzept des Festlandsockels orientieren. Dieses billigt den Küstenstaaten Hoheitsrechte am Meeresgrund und -untergrund jedenfalls bis zu einer Entfernung von 200 sm vor der Küste ausschließlich nach Maßgabe des Distanzprinzips zu. 8 0 Daher ist eine „Renaissance" der Äquidistanz ohne eine erneute Untersuchung der Staatenpraxis - ggfs. auch der Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnor74 Vgl. dazu Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Modernes Seevölkerrecht, S. 288 ff.; O. Adede, Va.J.Int'l.L. 1979, 207-255; S.H. Amin, NILR 1980, 335-346; G. Appolis, Les frontières maritimes en droit international; R.D. Hodgson/E.J. Cooper, ODILA 1976, 361-388. 75 ICJ Rep. 1969, p. 45 f., para. 82: „ . . . the equidistance principle could not be regarded as being a rule of law on any a priori basis of logical necessity deriving from the fundamental theory of the continental shelf, . . . the use of the equidistance method is not obligatory for the delimitation . . . " ; sowie para. 83: „ . . . the Parties are under no obligation to apply either the 1958 Convention, . . . or the equidistance method as a mandatory rule of customary law, which it is not." 76 ICJ Rep. 1982, p. 79, para. 110: „ . . . since equidistance is n o t , . . . either a mandatory legal principle, or a method having some privileged status i n relation to other methods."; ebenso Richter Jiménez de Aréchaga in seiner Sep. Op., ebenda, pp. 106108, paras. 27-31; vgl. ferner ICJ Rep. 1984, p. 303 ff., paras. 123 ff.; ICJ Rep. 1985, pp. 37 f., paras.42 f.; Schiedsurteil (Guinea - Guinea-Bissau), paras. 43,102. 77 Vgl. etwa E.D. Brown, Hydrospace, S. 50 ff.; D. Vallée, Le plateau continental dans le droit positif actuel, Paris 1971, S. 277 ff. (287); A. Wenger, Pétrole et gaz naturel en mer du Nord, droit et éonomie, Paris 1971, S. 132; ferner die Dissenting Opinions der Richter Koretsky (ICJ Rep. 1969, p. 155 ff.), Tanaka (ebenda, p. 172 ff.), Morelli (ebenda, p. 197 ff.), Lachs (ebenda, p. 219 ff.) und Sorensen (ebenda, p. 242 ff.); sowie wegen weiterer K r i t i k an der Entscheidung des I G H aus dem Jahre 1969: A. Reynaud, Les différends du plateau continental de la mer du Nord devant la Cour Internationale de Justice, Paris 1975, S. 164; J. Lang, Plateau continental, S. 129. 78 S.o. 3. Teil A. 79 Vgl. allein ICJ Rep. 1982, p. 43, para. 36. 80 S.o. 3. Teil A. und die dortigen Nachweise.
176
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
m e n i m Sinne des A r t . 38 Abs. 1 (d) I G H - S t a t u t - jedenfalls n i c h t v o n v o r n herein z u verneinen. D e r G a n g der U n t e r s u c h u n g w i r d sich an d e m o b e n 8 1 dargestellten Ansatz orientieren, so daß zunächst A k t e n a t i o n a l e r Gesetzgebimg sowie b i - u n d m u l t i l a t e r a l e Abgrenzungsvereinbarungen i m M i t t e l p u n k t stehen werden. b)
Staatenpraxis
E i n e der umfassendsten u n d gleichzeitig gelungensten A n a l y s e n der P r a x i s der Küstenstaaten i m Z u s a m m e n h a n g m i t der A b g r e n z u n g des Festlandsockels h a t Rüster i m Jahre 1977 i n seiner grundlegenden S t u d i e z u r Rechtso r d n u n g des Festlandsockels vorgelegt. 8 2 N a c h der U n t e r s u c h u n g v o n ca. 50 A b g r e n z u n g s v e r t r ä g e n 8 3 k o m m t er z u der folgenden v o r l ä u f i g e n B e w e r t u n g : „Dieser Überblick zeigt, daß das Mittellinienprinzip, in geringerem Umfang auch das Äquidistanzprinzip, bereits weite Verbreitung und Anerkennimg i n der Vertragspraxis der Küstenstaaten gefunden hat. Bemerkenswert ist auch, daß an den Verträgen, in denen das Mittellinienprinzip zur Anwendimg kam, 22 Parteien gegenüber 23 Nicht-Parteien der Festlandsockel-Konvention mitgewirkt haben, an den auf Grundlage des Äquidistanzprinzips geschlossenen Verträgen 17 Parteien gegenüber 16 Nicht-Parteien. Beide Abgrenzungsprinzipien haben sich daher in der Vertragspraxis ungeachtet der Bindung der vertragsschließenden Parteien an die Konvention durchzusetzen vermocht." 84 „Alles dies deutet darauf hin, daß die Anwendimg des Mittellinien- oder Äquidistanzprinzips in vielen ,Normalfällen' nachbarstaatlicher Abgrenzung prima facie zu billigen und gerechten Ergebnissen f ü h r t . . . " 8 5 T r o t z dieser E i n s c h ä t z u n g bezweifelt Rüster
aber, ob sich i m Jahre 1977
bereits eine o p i n i o i u r i s über die v e r b i n d l i c h e A n w e n d u n g des M i t t e l l i n i e n oder Ä q u i d i s t a n z p r i n z i p s gebildet h a t : „Es sind durchaus ,Normalfälle' denkbar, i n denen die Anwendung dieser Methoden zu unbilligen Ergebnissen führen könnte, so etwa wenn die Schelfgebiete in ungleichen Entfernungen von den jeweiligen Küstenstaaten zur Tief see abfallen oder wenn reiche Rohstofflager durch die Grenze unbillig geteilt würden. Insoweit ist also auch heute noch, d. h. trotz der inzwischen eingetretenen weiteren Zunahme der einschlägigen Staaten- und Vertragspraxis, dem IGH i n seiner Ablehnung des Gewohnheitsrechtscharakters des Mittellinien- und Äquidistanzprinzips beizupflichten." 8 6
81
Vgl. oben 2. Teil B. B. Rüster, Rechtsordnung. 83 Ebenda, S. 399 ff. 84 Ebenda, S. 401. 85 Ebenda, S. 411; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 541 f., kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Die bisherige Praxis wendet i n aller Regel das Äquidistanzprinzip, sei es in Form der Mittellinie, sei es als Äquidistanlinie, an". 86 Ebenda, S. 411 f. 82
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
177
Dieses Ergebnis war schon damals nicht allgemeine Meinimg in der Literatur und die Begründung Rüsters ist zumindest insoweit angreifbar, als er der sehr unjuristischen Argumentation „was nicht sein darf, das nicht sein kann" gefährlich nahe kommt. Es wäre wohl angebrachter gewesen, auf die Voraussetzungen für das Gewohnheitsrecht abzustellen und insbesondere die Anforderungen der Verbreitung, Einheitlichkeit und Dauer der Übung 8 7 einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Demgegenüber hat E.D. Brown bereits im Jahre 1971 die Auffassung vertreten, daß „ . . . i n the course of a development over nearly a quarter of a century, the rules expressed i n Article 6 (2) of the Geneva Convention on the Continental Shelf have attained the status of international customary law . . . It is submitted that (equidistance and special circumstances) have now been accepted in State practice as being the rules the application of which w i l l ensure that, failing agreement between the parties, a delimitation w i l l be carried out in accordance w i t h the ,equitable principles' referred to in the Truman Proclamation." 88
Zu diesem Ergebnis gelangt er aber nicht etwa, weil er davon ausgeht, daß sich die Vorschrift des Art. 6 FSK durch die Staatenpraxis zu einer Norm des Völkergewohnheitsrechts gewandelt habe, sondern daß „ . . . as a result of a process of refinement and consolidation of which the conclusion of the Convention was a part, the fundamental but vague notions of agreement and equity expressed in the Truman Proclamation were transformed into at least relativ e l y more precise rules." 8 9
Brown räumt ein, daß sein Ergebnis sich nicht sonderlich von der Entscheidung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen unterscheidet 90 , meint aber, daß das Konzept der „besonderen Umstände" eine weniger große Reichweite habe und damit nicht so sehr willkürlichen Konkretisierungen offenstehe wie die „equitable principles". I n der Tat ist der Unterschied zum I G H nicht groß, wenn man „equity " ähnlich wie das Schiedsgericht im Kanal-Schiedsspruch 91 - mit „special circumstances" gleichsetzt. Zwar ist Brown einzuräumen, daß die „special circumstances" ein größeres Maß an Rechtssicherheit erzeugen könnten. Doch läßt sich diese Behauptung schon wegen der Ungewißheit, die in der ILC i m Hinblick auf den Inhalt dieses Begriffes bestand 92 , nicht ohne weiteres aufrecht erhalten. Dies wäre nur möglich, wenn die Staatenpraxis dergestalt ist, daß man von einer hinreichenden Verbreitung, Dauer und Einheitlich87
Vgl. dazu oben 2. Teil Β. I. 2. b) dd). E.D. Brown, Hydrospace, S. 61. Klammerzusatz vom Verfasser. 89 Ebenda, S. 61. 90 Ebenda. 91 Award, paras. 80 ff. 92 Vgl. dazu O'Connell/ Shearer, Law of the Sea Π, S. 693; Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 399 ff. 88
2
t h e
.
178
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
keit bei der Anwendung des Äquidistanzprinzips ausgehen könnte. Hinzu kommt, daß die Truman Proklamation auf die Nachbarn der Vereinigten Staaten zugeschnitten war, so daß sich aus ihr allenfalls auf die Abgrenzung zwischen benachbarten Staaten Rückschlüsse ziehen ließen. 93 Da somit beiden der gegensätzlichen Auffassungen nicht unmittelbar gefolgt werden kann, soll nunmehr die Staatenpraxis daraufhin beleuchtet werden, ob sich aus ihr die gewohnheitsrechtliche Geltung des Äquidistanzprinzips oder einer anderen Regel bzw. eines anderen Prinzips ergibt. Dabei kann die einseitige Staatenpraxis i n Form von Akten nationaler Gesetzgebimg heute ebenso wie i m Jahre 1977 94 unberücksichtigt bleiben, da sich die Mehrzahl der Staaten, die in ihren Akten auf Abgrenzung eingehen, zwar auf Art. 6 FSK oder das Mittellinien- bzw. Äquidistanzprinzip beziehen 95 , die Anzahl dieser einseitigen Staatenpraxis aber nicht ausreichend ist, um auf eine opinio iuris generalis schließen zu können. Demgegenüber existieren zur Zeit etwa 78 bi- oder multilaterale Abgrenzungsverträge, die der Übersichtlichkeit wegen im folgenden chronologisch aufgeführt werden. 96 Chronologische Übersicht über bi- und multilaterale Verträge betreffend die Festlandsockelabgrenzung:97 1. Vereinigtes Königreich - Venezuela: Vertrag von Paria vom 26. Februar 1942 98
M/E*
2. Chile - Peru - Ecuador: Seerechtsdeklaration von Santiago vom 18. August 1952 99
And.
3. Norwegen - UdSSR: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels im Varangerf jord vom 15. Februar 1957 100
M/E
93
So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 693. Vgl. dazu Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 398. 95 Ebenda. 96 Zur Staatenpraxis vgl. ferner R.D. Hodgson, The Delimitation of Maritime Boundaries between Opposite and Adjacent States - Through the Economic Zone and the Continental Shelf: Selected State Practice, in: T.A. Clingan (Hrsg.), Law of the Sea: State Practice i n Zones of Special Jurisdiction, 1979, 280-350; K.L. Lawson, Va.J.Int'l.L. 1981, 221-246; H.W. McLauchlan, UNBLJ 1981, 91-120; H. SchulteNordholt, NILR 1985, 123-159. 97 Die verwendeten Zeichen haben die folgenden Bedeutungen: M/E = Mittel- bzw. Äquidistanzlinie; EQ = „equitable principles"; And. = andere Methode; beachte: die mit M/E* gekennzeichneten Abkommen enthalten leichte Abweichungen von der Mittel- bzw. Äquidistanzlinie. 98 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 44. 99 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/6, 723. 100 Quelle: B. Rüster, Verträge und Deklarationen über den Festlandsockel (Continental Shelf), Frankfurt a.M. 1975, S. 33; Sh. Oda, The International Law of Ocean Development: Basic Documents, Leiden 1972, S. 405; U.S. Dept. of State, Office of the Geographer, International Boundary Studies, Series A, No. 17 (im folgenden: IBS No ). 94
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen 4. Saudi Arabien - Bahrein: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels im Persischen Golf vom 22. Februar 1958 101
179 M/E*
5. Senegal - Guinea-Bissau: And. Notenaustausch zwischen Portugal und Frankreich vom 26. April I960 1 0 2 6. Bundesrepublik Deutschland - Niederlande: Vertrag über die seitliche Abgrenzung des Festlandsockels i n Küstennähe vom 1. Dezember 1964 103
M/E
7. Vereinigtes Königreich - Norwegen: M/E Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 10. März 1965 104 8. Finnland-UdSSR: Abkommen über die Grenzen der Gewässer und des Festlandsockels im Finnischen Meerbusen vom 20. Mai 1965 105
M/E
9. Bundesrepublik Deutschland - Dänemark: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels in Küstennähe vom 9. Juni 1965 106
M/E
10. Bundesrepublik Deutschland - Dänemark: Protokoll zu dem Vertrag vom 9. Juni 1965 107
M/E
11. Saudi Arabien - Quatar: And. Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 27. Juni 1965 108 12. Kuwait - Saudi Arabien: Abkommen über die Teilung der Neutralen Zone vom 7. Juli 1965 109
And.
13. Niederlande - Vereinigtes Königreich: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 6. Oktober 1965 110
M/E
14. Dänemark - Norwegen: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 8. Dezember 1965 111
M/E
101 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2,185; Sh. Oda, Ocean Development, S. 420; ICLQ 1958, 518. 102 Quelle: E. Gounaris, The Delimitation of the Continental Shelf of Islands: Some Observations, RHDI 1980, 111-119 (115). 103 Quelle: BGBl. 1965 II, 1141; U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 775; Sh. Oda, Ocean Development, S. 394. 104 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 775; Sh. Oda, Ocean Development, S. 387; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 51. 105 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 758; I L M 1967, 727; Sh. Oda, Ocean Development, S. 406; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 53. io8 Quelle: BGBl. 1966 II, 207 f.; U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 777; Sh. Oda, Ocean Development, S. 392. 107 Quelle: Wie vor. 108 Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980,116. 109 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 760; I L M 1965, 1134 B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 57. 110 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 779; I L M 1966, 344; Sh. Oda, Ocean Development, S. 384; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 59. Vgl. ferner das Protokoll vom 25. November zur Abänderung dieses Abkommens, I L M 1972, 744. m Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 780; Sh. Oda, Ocean Development, S. 389; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 62. vgl. ferner: Notenwechsel vom 24. April 2
180
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
15. Dänemark - Vereinigtes Königreich: M/E Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 3. März 1966 112 16. Niederlande - Dänemark: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 31. März 1966 113
M/E
17. Finnland - UdSSR: M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels in der nordöstlichen Ostsee vom 5. Mai 1967 114 18. Italien - Jugoslawien: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 8. Januar 1968 115
M/E*
19. Abu Dhabi - Dubai: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 18. Februar 1968 116
M/E*
20. Norwegen - Schweden: M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 24. Juli 1968 117 21. Saudi Arabien - Iran: M/E* Abkommen betreffend die Souveränität über die Al-'Arabiyah und über die Farsi Inseln sowie den Verlauf der Grenzlinie der unterseeischen Gebiete zwischen beiden Staaten vom 24. Oktober 1968 118 22. D D R - P o l e n : Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels in der Ostsee vom 29. Oktober 1968 119
M/E
23. Abu Dhabi - Quatar: M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Meeresbodens und über die staatliche Zugehörigkeit gewisser Inseln im Persischen Golf vom 20. März 1969 120 1968 zur Änderung des Abkommens vom 8. Dezember 1965, Quelle: U.N. Doc. ST/ LEG/SER.B/16, 412. 112 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 781; Sh. Oda, Ocean Development, S. 388; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 64. 113 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 782; Sh. Oda, Ocean Development, S. 395; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 66. 114 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 784; IBS No. 56; I L M 1968, 560; Sh. Oda, Ocean Development, S. 408; .B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 73. 115 Quelle: I L M 1968, 547; Sh. Oda, Ocean Development, S. 411; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 74. 116 Quelle: OPEC, Selected Documents of the International Petroleum Industry 1968, Vienna 1968, p. 367; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 77. 117 QueUe: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 413; IBS No. 2; Sh. Oda, Ocean Development, S. 391; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 79; ICJ Pleadings 1969, p. 551. 118 Quelle: I L M 1969, 493; Sh. Oda, Ocean Development, S. 415; IBS No. 24; Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 83; vgl. ferner den Notenaustausch i n U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 127. 119 Quelle: Gesetzblatt der DDR, Teil I, 26. August 1970, 105, B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 85; IBS No. 65. ι™ Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16,403; IBS No. 18: Sh. Oda, Ocean Development, S. 419; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 87.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen 24. Polen-UdSSR: Vertrag über den Verlauf der Festlandsockelgrenze i n der Danziger Bucht und i n der südöstlichen Ostsee vom 28. August 1969 121
181 M/E
25. I r a n - Q u a t a r : M/E* Abkommen über die Grenze des Festlandsockels vom 20. September 1969 122 26. Indonesien - Malay sien: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 27. Oktober 1969 123
M/E*
2 7. Mexiko - Vereinigte Staaten von Amerika : Vereinbarung über die seewärtige Grenze zwischen beiden Staaten vom 23. November 1970 124
M/E *
28. Bundesrepublik Deutschland - Dänemark: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 28. Januar 1971 125
And.
29. Bundesrepublik Deutschland - Niederlande: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 28. Januar 1971 126
And.
30. Australien - Indonesien: Abkommen über gewisse Grenzen des Meeresbodens vom 18. Mai 1971 127
M/E
31. Iran - Bahrein: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 17. Juni 1971 128
M/E *
32. Italien - Tunesien: And. Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 8. August 1971 129 33. Bundesrepublik Deutschland - Vereinigtes Königreich: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 25. November 1971 130
M/E*
121 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 416; I L M 1970, 697, Sh. Oda, Ocean Development, S. 409; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 88. 122 Quelle:U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 416; Sh. Oda, Ocean Development, S. 417; IBS No. 25; Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 90. 123 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 189; I L M 1970, 1173; Sh. Oda, Ocean Development, S. 424; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 91. 124 Quelle: IBS No. 45. 125 Quelle: BGBl. 1972 II, 882; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 98; U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 191; I L M 1971, 600; Sh. Oda, Ocean Development, S. 397. 126 Quelle: BGBl. 1972 II, 882; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 101; U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 191; I L M 1971, 600; Sh. Oda, Ocean Development, S. 397. 127 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 134K; I L M 1971, 830; Sh. Oda, Ocean Development, S. 426; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 107. 1 28 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 196; IBS No. 58; Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 109. * 2 9 Quelle: E. Gounaris, R H D I 1980, 116. 130 Quelle: BGBl. 1972 II, 897; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 111; I L M 1972, 731.
182
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
34. Vereinigtes Königreich - Niederlande: Zusatzprotokoll vom 25. November 1971 zu dem Abkommen vom 6. Oktober 1965 131
M/E
35. Vereinigtes Königreich - Dänemark: M/E Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 25. November 1971 132 36. Thailand - Indonesien: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels im nördlichen Teil der Straße von Malakka und der Andaman See vom 17. Dezember 1971 133
M/E
37. Thailand - Indonesien - Malay sien: Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Straße von Malakka vom 21. Dezember 1971 134
M/E
38. Brasilien - Uruguay: M/E* Vereinbarung betreffend die seewärtige Grenze zwischen den beiden Staaten vom 21. Juli 1972 135 39. Schweden - Finnland: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 29. September 1972 136
M/E
40. Australien - Indonesien: M/E* Zusatzabkommen vom 9. Oktober 1972 zu dem Vertrag vom 18. Mai 1971 137 41. Australien - Indonesien: Vertrag bezüglich gewisser Grenzen zwischen Papua Neu-Guinea und Indonesien vom 12. Februar 1973 138
M/E
42. Uruguay - Argentinien: Vertrag über den La Plata und seine seewärtigen Grenzen vom 19. November 1973 139
M/E
43. Kanada - Dänemark: M/E Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Kanada und Grönland vom 17. Dezember 1973 140 44. Spanien - Frankreich: M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels im Golf von Biskaya vom 29. Januar 1974 141 131 Quelle: Command Paper 4875; I L M 1972, 744; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 113. 1 32 Quelle: Command Paper 4822; U.N. DOC. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 198; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 114; I L M 1972, 723 ff. 133 Quelle: B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 116; E. Gounaris, RHDI1980, 117. 134 Quelle: B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 117. 135 Quelle: IBS No. 73. 136 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, Add.l, 60; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 134; IBS No. 71. 137 Quelle: I L M 1972,1272; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 137; vgl. ferner U.N. DOC. ST/LEG/SER.B/18, 137. 138 Quelle:U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 141; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 140. 139 Quelle:DBS No. 64; Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 148. * 4 ° Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 447; I L M 1974, 506; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 151.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
183
45. Japan-Rep. Korea: Abkommen über die Errichtung einer Grenze im nördlichen Teil des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 5. Februar 1974 142
M/E
46. Japan - Rep. Korea: Abkommen über die gemeinsame Entwicklung des südlichen Teils des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 5. Februar 1974 143
And.
47. Italien - Spanien: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 19. Februar 1974" 4
M/E
48. Saudi Arabien - Sudan: Vereinbarung betreffend die gemeinsame Ausbeutung des Roten Meeres vom 16. Mai 1974 145
And.
49. Indien - Sri Lanka: M/E Abkommen über die Historische Grenze i n den Gewässern zwischen beiden Staaten vom 26. Juni 1974 146 50. O m a n - I r a n : M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 25. Juli 1974 147 51. Indonesien - Indien: M/E Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 8. August 1974 148 52. Iran - Vereinigte Arabische Emirate: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 14. August 1974 149
And.
53. Gambia - Senegal: Abkommen über die seewärtige Grenze zwischen beiden Staaten vom 4. Juni 1975 150
And.
54. Kolumbien - Ecuador: Vereinbarung betreffend die seewärtige Grenze zwischen beiden Staaten vom 23. August 1975 151
And.
55. Spanien - Portugal: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 12. Februar 1976152
M/E*
56. Indien - Sri Lanka: M/E* Abkommen über die Abgrenzimg des Festlandsockels vom 23. März 1976153 141 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 445; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 156. 1 42 Quelle: B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 160 ff.; IBS No. 75. 1 43 Quelle: B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 160 ff.; IBS No. 75. 1 44 Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980,117. 1 45 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 452. 146 Quelle: IBS No. 66; I L M 1974,1442; IJIL 1976,126. 1 47 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 450; IBS No. 67; I L M 1975, 1478. 1 48 Quelle: IBS No. 62. 1 49 Quelle: IBS No. 63. 1 50 Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980,117. 151 Quelle: U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 452; IBS No. 69. ι 5 2 Quelle: E. Gounaris, R H D I 1980,117. 153 Quelle: IBS No. 77; vgl. ferner U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 453.
184
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
57. Kolumbien - Panama: M/E* Abkommen über die seewärtige Grenze zwischen den beiden Staaten in der Karibik und i m Pazifischen Ozean vom 20. November 1976 154 58. Indien - Malediven: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 28. Dezember 1976155
M/E
59. Indien - Indonesien: Zusatzprotokoll vom 14. Januar 1977 156
M/E*
60. Kolumbien - Costa Rica: Abkommen über die seewärtige Grenze zwischen beiden Staaten vom 17. März 1977 157
And.
61. Griechenland - Italien: M/E* Abkommen über die Abgrenzimg des Festlandsockels vom 24. Mai 1977i 58 62. Vereinigtes Königreich - Frankreich: And. Abkommen im Anschluß an den Kanal-Schiedsspruch vom 30. Juni 1977 159 63. Vereinigte Staaten von Amerika - Venezuela: EQ Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 28. März 1978 160 64. Niederlande - Venezuela: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen niederländisch Antillen und Venezuela vom 31. März 1978 161
EQ
65. Schweden-DDR: M/E* Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 22. Juni 1978 162 66. Indien - Thailand - Indonesien: Abkommen über die seewärtige Grenze zwischen den beteiligten Staaten vom 22. Juni 1978 163
M/E
67. Indien - Thailand: M/E Abkommen über die Abgrenzimg des Festlandsockels vom 22. Juni 1978 164 68. UdSSR-Türkei: Abkommen über die Abgrenzimg des Festlandsockels im Schwarzen Meer vom 23. Juni 1978 165
EQ
69. Australien - Papua Neu-Guinea: And. Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 18. Dezember 1978 166
is 4 iss 156 is? ι58 118. ι59 ιβο iei ι82 i03 1e4 i®5
Quelle: IBS No. 79; E. Gounaris, RHDI 1980, 117. Quelle: IBS No. 78; E. Gounaris, RHDI 1980,117. Quelle: IBS No. 93; E. Gounaris, RHDI 1980,117. Quelle: IBS No. 84; E. Gounaris, RHDI 1980, 118. Quelle: IBS No. 96; Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 401; E. Gounaris, RHDI 1980, Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980, 118. Quelle: IBS No. 91; E. Gounaris, RHDI 1980,118. Quelle: ODILA 1980, 23; E. Gounaris, RHDI 1980,118. Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980,118. Quelle: IBS No. 93; E. Gounaris, RHDI 1980,118. Quelle: IBS No. 93; E. Gounaris, RHDI 1980, 118. Quelle: E. Gounaris, RHDI 1980,118.
185
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen 70. Malaysien - Thailand: Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 21. Februar 1979 167
And.
71. Venezuela - Dominikanische Republik: Abkommen über die seewärtige Grenze zwischen den beiden Staaten vom 3. März 1979 168
EQ
72. Norwegen - Dänemark: M/E Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 15. Juni 1979 169 73. Venezuela - Frankreich: And. Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 17. Juli 1980 170 74. Burma - Thailand: Abkommen über die Grenze zwischen beiden Staaten i n der Andaman See vom 25. Juli 1980 171
M/E
75. Frankreich - Brasilien: Abkommen über die seewärtige Grenze vom 30. Januar 1981 172
And.
76. Island - Norwegen: And. Abkommen über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Island und Jan Mayen vom 22. Oktober 1981 173 77. Australien - Frankreich: Abkommen über die seewärtige Grenze vom 4. Januar 1982 174
And.
78. Argentinien - Chile: Friedens- und Freundschaftsvertrag vom 18. Oktober 1984 175
M/E
I n 54 F ä l l e n w u r d e das M i t t e l l i n i e n - b z w . Ä q u i d i s t a n z - P r i n z i p angewendet, w o b e i es i n 23 F ä l l e n leichte A b ä n d e r u n g e n erfuhr. N u r i n 4 F ä l l e n erfolgte die A b g r e n z u n g n a c h Maßgabe v o n „equitable principles "
u n d i n 20
F ä l l e n w u r d e n andere als die genannten M e t h o d e n gewählt. D i e oben aufgeworfene Frage, ob die Staatenpraxis diejenigen Voraussetzungen e r f ü l l t , u m v o n einer gewohnheitsrechtlichen V e r b i n d l i c h k e i t der Ä q u i d i s t a n z ausgehen z u können, muß daher v e r n e i n t werden. S i c h e r l i c h ist die häufige V e r w e n d i m g dieser M e t h o d e e i n n i c h t unbedeutendes I n d i z f ü r i h r e generelle Geeignetheit b e i der Festlandsockelabgrenzung s o w o h l z w i schen einander gegenüberliegenden als auch zwischen benachbarten Staa166 Quelle: I L M 1979, 291; Sh. Oda, New Directions in the Law of the Sea, Vol. 8 (1980), S. 215; E. Gounaris , R H D I 1980, 118. 67 1 Quelle: LOSB No. 1 (March 1983), 113; E. Gounaris , RHDI 1980,118. 168 Quelle: Sh. Oda, New Directions, S. 80; E. Gounaris , RHDI 1980,118. i 8 9 Quelle: E. Gounaris , RHDI 1980,118. 170 Quelle: Journal Officiel de la Republique Française, 28, Januar 1983; E. Gounaris, RHDI 1980, 118. 171 Quelle: LOSB No. 1,112. 172 Quelle: Journal Officiel de la Republique Française, 3, Dezember 1983. 173 Quelle: I L M 1982, 1222; AVR 1983, 505-508. 174 Quelle: Journal Officiel de la Republique Française, 15, Februar 1983. 175 Quelle: I L M 1985, 11 ff.
186
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
t e n . 1 7 6 G l e i c h z e i t i g läßt sich z u r u n m i t t e l b a r e n Aussagekraft dieser A b g r e n zungsverträge über die B e d e u t i m g der „equitable principles "
mit
O'Connell/
Shearer sagen: „Despite what was said to the contrary by the International Court the practice of States gives little countenance to the use of equitable principles in continental shelf boundary negotiations, and the paucity of precedent at the time the Court gave its decision i n the North Sea Continental Shelf Case has not been redeemed by any significant practice since. . . . i n fact there has been little departure from the principle of equidistance . . . , and no particular guidance to the content of equity has been discovered by those who have studied the way in which the parties to the North Sea Continental Shelf Case actually negotiated a boundary." 1 7 7 D e n n o c h reicht die A n z a h l der Fälle, i n denen Ä q u i d i s t a n z - sei es m i t , sei es ohne M o d i f i k a t i o n e n - z u r A n w e n d u n g gekommen ist, n i c h t aus, u m die erforderliche V e r b r e i t u n g einer dahingehenden Ü b u n g bejahen z u k ö n n e n 1 7 8 , zumindest b l e i b t die E r f ü l l u n g dieser A n f o r d e r u n g fraglich. Jedenfalls n i c h t b e j a h t w e r d e n k a n n aber die erforderliche E i n h e i t l i c h k e i t der Ü b u n g . 1 7 9 Es läßt sich schon n i c h t erkennen, aus w e l c h e m r e c h t l i c h bedeutsamen G r u n d es z u den M o d i f i k a t i o n e n der Ä q u i d i s t a n z l i n i e gekommen ist, u n d es ist fraglich, ob m a n i n diesen 23 F ä l l e n w i r k l i c h n o c h d a v o n ausgehen k a n n , daß sich die Staaten v o n der R e c h t s v e r b i n d l i c h k e i t der Ä q u i d i s t a n z haben l e i t e n lassen. I n jedem F a l l aber sprechen die 20 Fälle, i n denen andere M e t h o d e n als Ä q u i d i s t a n z b z w . m o d i f i z i e r t e Ä q u i d i s t a n z z u r A n w e n d u n g gekommen sind, gegen die Bejahung einer hinreichend verbreiteten u n d e i n h e i t l i c h e n V e r w e n d u n g der Ä q u i d i s t a n z . 1 8 0 176 Dies räumt selbst der I G H ein. Vgl. ICJ Rep. 1982, p. 79, para. 109; 1985, p. 38, para. 44; ferner Award, para. 75. 177 O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 696. 178 Zu diesem Erfordernis vgl. oben 2. Teil Β. I. 2. b) dd). 179 Zu diesem Erfordernis vgl. oben 2. Teil Β. I. 2. b) dd). 180 So auch ICJ Rep. 1985, p. 38, para. 44: „Over 70 . . . agreements have been identified and produced to the Court and have been subjected to various interpretations . . . The Court for its part has no doubt about the importance of State practice i n this matter. Yet that practice, however interpreted, falls short of proving the existence of a rule prescribing the use of equidistance, or indeed of any method, as obligatory. Even the existence of such a rule as is contended by Malta, requiring equidistance simply to be used as a first stage in any delimitation, but subject to correction, cannot be supported solely by the production of numerous examples of delimitation using equidistance or modified equidistance, though it is impressive evidence that the equidistance method can i n many different situations yield an equitable result."; ICJ Rep. 1982, p. 79, para. 109: „ . . . as is apparent from treaties on continental shelf boundaries, . . . the equidistance method has been employed in a number of cases. But it also shows that States may deviate from an equidistance line, and have made use of other criteria for the delimitation, whenever they found this a better way to arrive at an agreement."; sowie im Hinblick auf die Rechtslage im Jahre 1969 ICJ Rep. 1969, pp. 4-45., para. 78: „ . . . in certain cases - not a great number - the States concerned agreed to draw or did draw the boundaries concerned according to the principle of equidistance. There is no evidence that they so acted because they felt legally compelled to draw them in this way by reason of a rule of customary law obliging them to do so - especially considering that they might have been motivated by other obvious fac-
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
187,,
Läßt sich somit aufgrund der Staatenpraxis allein trotz anderslautender Stimmen 1 8 1 nicht (mehr) der Standpunkt vertreten, Äquidistanz stelle eine verbindliche Regel des Völkergewohnheitsrechts dar, so bleibt doch immer noch die Frage offen, ob und welche Prinzipien und Regeln das Völkergewohnheitsrecht für die Festlandsockelabgrenzung vorhält. Die oben untersuchten Abgrenzungsvereinbarungen lassen als solche nicht erkennen, ob sie nach Maßgabe eines bestimmten Prinzips oder einer bestimmten Regel des Völkergewohnheitsrechts zustande gekommen sind. Ebensowenig läßt sich aus ihnen unmittelbar, ein solches Prinzip oder eine solche Regel herleiten. Zur Beantwortimg dieser Frage bedarf es daher der Zuhilfenahme weiterer Erkenntnisquellen. c) Multilaterale
völkerrechtliche
Verträge
Selbstverständlich bedarf es zur Bejahung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts vorrangig des Nachweises einer Übung sowie der opinio iuris. Doch wurde bereits an anderer Stelle 1 8 2 ausgeführt, daß jedenfalls multilateralen völkerrechtlichen Verträgen für den Nachweis von Normen des Völkergewohnheitsrechts, insbesondere hinsichtlich der opinio iuris der Staaten, eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommen kann. 1 8 3 Daher ist nicht nur die 1982er Seerechtskonvention, sondern auch die 1958er Festlandsockelkonvention daraufhin zu untersuchen, ob deren Bestimmungen als Normen des Völkergewohnheitsrechts Allgemeinverbindlichkeit zukommt, wenngleich der Schwerpunkt der Untersuchung auf der 1982er SRK liegen wird; denn „ . . . it cannot be denied that the 1982 Convention is of major importance, having been adopted by an overwhelming majority of States . . . " 1 8 4
tors." und ebenda, p. 45 f., paras. 82 f.; differenzierend zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 685 ff. 181 Vgl. etwa E.D. Brown, Hydrospace, S. 61 f.; D. Vallée , Le plateau continental dans le droit positif actuel, S. 277 ff. (287); A. Wenger, Pétrole et gaz naturel en mer du Nord, Droit et éonomie, S. 132; sowie aus jüngerer Zeit die Dissenting Opinions der Richter Mosler und Oda im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, pp. 114-122 und 123-171. 182 Vgl. oben 2. Teil B. 183 So auch jüngst der I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta ICJ Rep. 1985, p. 29 f.: „ I t is of course axiomatic that the material of customary international law is to be looked for primarily i n the actual practice and opinio juris of States, even though multilateral conventions may have an important role to play i n recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them . . . " , para. 27; vgl. ferner ICJ Rep. 1986, p. 97, para. 183 (Nicaragua/USA). 184 ICJ Rep. 1985, p. 29 f., para. 27.
.188
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
aa) Die Genfer Festlandsockelkonvention von 1958 In den Nordsee-Festlandsockel-Fällen hat sich der IGH recht eingehend dem Verhältnis von Art. 6 FSK zum Völkergewohnheitsrecht gewidmet 1 8 5 und ist insoweit zu den folgenden zwei Ergebnissen gelangt: 1. „ . . . the Geneva Convention did not embody or crystallize any pre-existing or emergent rule of customary law, according to which the delimitation of continental shelf areas between adjacent States must, unless the Parties otherwise agree, be carried out on an equidistance - special circumstances basis." 1 8 6 2. „ . . . it is the Convention itself which would . . . seem to deny to the provision of Article 6 the same norm-creating character as, for instance, Articles 1 and 2 possess." 187
Der IGH sah sich außerstande, einen „norm-creating character " des Art. 6 FSK zu bejahen, nicht nur weil die Möglichkeit besteht, Vorbehalte gegen diese Vorschrift einzulegen 188 , sondern auch weil Begriff und Inhalt der „special circumstances "-Klausel unklar und umstritten seien. 189 Insoweit ist der Begründung ohne weiteres zu folgen. Die Entstehungsgeschichte 190 von Art. 6 FSK zeigt, daß weder innerhalb der ILC noch bei den Delegierten der Genfer Seerechtskonferenz von 1958 klare und einheitliche Vorstellungen zu Begriff und Inhalt der „special circumstances " bestanden. 191 Die „special circumstances "-Klausel wurde erst im Jahre 1953 in den ILC-Entwurf aufgenommen. 192 Sie sollte als Ausnahme zu der Grundregel der Äquidistanz dienen 193 und diese in ihrer Anwendung „elastischer" machen. 194 Die ILC nannte aber nur einen außergewöhnlichen Küstenverlauf und den Fall von Inseln als Beispiele für solche „speziellen Umstände" 1 9 5 , zu einer näheren Bestimmung des Begriffs kam es hingegen nicht. Auch aus der Kommentierung aus dem Jahre 1956 ergeben sich keine weiteren Anhaltspunkte für die 185
ICJ Rep. 1969, pp. 37-46. Ebenda, p. 41, para. 69. 187 Ebenda, p. 42, para. 72. 188 Dag bekannteste Beispiel ist der Vorbehalt Frankreichs, der i m Kanal Schiedsspruch von Bedeutung war. 189 ICJ Rep. 1969, p. 42, para. 72. 190 v g l dazu F. Rigaldies, La délimitation du plateau continental entre états voisins, Can.Yb.Int'l.L. 1976, 116-174; E. Grisel, The Lateral Boundaries of the Continental Shelf and the Judgement of the International Court of Justice in the North Sea Continental Shelf Cases, AJIL 1970, 562-593 (564); E.D. Brown , Hydrospace, S. 52 ff.; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 354 ff.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 703 ff. 186
191
So auch U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 512-567 (533 f.). YILC 1953 II, 211; vgl. ferner YILC 1953 II, 25 ff.; 1953 1,129 ff. 193 YILC 1953 II, 216: „ . . . the rule of equidistance is the general rule, it is subject to modification i n cases i n which another boundary is justified by special circumstances." 194 So die ILC i n ihrer Kommentierung, YILC 1953 II, 216. 1 95 YILC 1953 II, 216. 192
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
189
Ergründimg von Begriff und Inhalt der „special circumstances ". Wiederum wurden lediglich eine „exceptional configuration of the coast, as well as the presence of islands or of navigable channels" 196
erwähnt. Während der Seerechtskonferenz von 1958 197 wurde weder in der Generaldebatte noch in den späteren Debatten zu Art. 72 des ILC-Entwurfs ausführlich auf die „special circumstances" eingegangen. 198 Im Ergebnis wurde Art. 72 des ILC-Entwurfs ohne ausgiebigere Diskussion in Committee IV mit 36 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 19 Enthaltungen und in der Vollversammlung mit 63 Stimmen, ebenfalls ohne Gegenstimmen, bei nur 2 Enthaltungen angenommen. Neu hinzugekommen ist die Vorschrift des Art. 6 Abs. 3 FSK, die hier aber nicht von weiterem Interesse ist. Da die Staatenpraxis - jedenfalls heute 1 9 9 - auch das erste Ergebnis des IGH nicht nur für benachbarte, sondern auch für einander gegenüberliegende Staaten nach dem oben Gesagten 200 rechtfertigt, scheint es nicht mehr zweifelhaft, daß Art. 6 FSK lediglich für die Mitgliedsstaaten dieses Vertrages verbindliches Recht darstellt, nicht jedoch Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts der Festlandsockelabgrenzung ist. 2 0 1 Dennoch ist - wenngleich kurz - auf zwei Auffassungen einzugehen, die mit diesem Ergebnis nicht vollends übereinstimmen.
196
YILC 1956 II, 300. Zur Konferenzgeschichte vgl. die Darstellung bei B. Rüster, Rechtsordnung, S. 364 ff. 198 Lediglich das Vereinigte Königreich gab einige Beispiele wie Inseln, gewisse Ausbeutungsrechte oder die Existenz von Schiffahrtskanälen, vgl. UNCLOS I, Off. Ree. Vol. VI, S. 93. Die USA verwiesen insoweit nur auf die ähnlichen Bestimmungen in den Art. 12 und 14 K M K , um die Notwendigkeit der Klausel zu begründen, vgl. UNCLOS I, Off. Ree. Vol. VI, S. 95. 199 Im Jahre 1969 war die Staatenpraxis hinsichtlich der Anwendung des Äquidistanzprinzips jedenfalls nach Meinung der dissentierenden Richter sowie Teilen des Schrifttums weniger uneinheitlich als heute. Vgl. dazu die Dissenting Opinions der Richter Koretsky (ICJ Rep. 1969, p. 155 ff.), Tanaka (ebenda, p. 172 ff.), Morelli (ebenda, p. 197 ff.), Lachs (ebenda, p. 219 ff.) und Sorensen (ebenda, p. 242 ff.); ferner E.D. Brown, Hydrospace, S. 50 ff.; D. Vallée, Le plateau continental dans le droit positif actuel, S. 277 ff. (287); A. Wenger, Pétrole et gaz naturel en mer du Nord, droit et éonomie, S. 132; sowie A. Reynaud, Les différends du plateau continental de la mer du Nord devant la Cour Internationale de Justice, S. 164; J. Lang, Le plateau continental de la Mer du Nord, S. 129. 200 Vgl. oben 3. Teil Β. 1. Abschnitt II. 2. b). 201 So ausdrücklich der IGH. Vgl. etwa ICJ Rep. 1969, p. 46, para. 83: „ . . . the Parties are under no obligation to apply either the 1958 Convention, . . . or the equidistance method as a mandatory rule of customary law, which i t is not."; vgl. ferner ICJ Rep. 1982, p. 79, para. 110 (Tunesien/Libyen); ICJ Rep. 1984, p. 302 ff., paras. 122-125 (Gulf of Maine); ICJ Rep. 1985, p. 37 f., para. 43 (Libyen/Malta); Schiedsgerichtsentscheidung zwischen Guinea und Guinea-Bissau, I L M 1986, 252-305, paras. 43 und 102. 197
190
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
O'Connell/ Shearer kommen, ausgehend von dem unterschiedlichen Wortlaut der Absätze 1 und 2 von Art. 6 F S K 2 0 2 , zu dem Ergebnis: „For non-parties to the Geneva Convention, the second paragraph at least of Article 6 does not apply . . . However, the median line as between opposite States would seem to be mandatory for non-parties, as well as between parties to the Convention, because it represents the point at which the inherent entitlements meet and overlap."203
Dies steht zunächst nicht im Widerspruch zu der zitierten Passage aus den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, die sich ausdrücklich nur auf den Fall benachbarter Staaten, also des Art. 6 Abs. 2 FSK, bezieht. Vielmehr können sich O'Connell/ Shearer sogar unmittelbar auf den IGH berufen, der an anderer Stelle in dieser Entscheidimg ausführt: „Less difficulty was felt over that of the median line boundary between opposite States, although it too is an equidistance l i n e . . . . The continental shelf area off, and dividing, opposite States can be claimed by each of them to be a natural prolongation of its territory. These prolongations meet and overlap, and can therefore only be delimited by means of a median line ; and ignoring the presence of islets, rocks and minor coastal projections, the disproportionally distorting effect of which can be eliminated by other means, such a line must effect an equal division of the particular area involved." 2 0 4
Nim ist diese Passage aus den Nordsee-Festlandsockel-Fällen zwischenzeitlich insoweit überholt, als der I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, in welchem er erstmals über die Abgrenzung zwischen einander gegenüberliegenden Staaten zu entscheiden hatte, auch die Mittellinie nicht als Regel des Völkergewohnheitsrechts anerkannt hat. 2 0 5 Unabhängig davon und unabhängig von dem als solchen nicht zu beanstandenden Versuch dieser Autoren, für die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 FSK einen „norm-creating character " zu bejahen, ist der Schlußfolgerung auf eine gewohnheitsrechtliche Verbindlichkeit dieser Vorschrift i m Ergebnis nicht beizupflichten. Sie läßt nämlich völlig außer acht, daß auch die Staatenpraxis einander gegenüberliegender Staaten dafür keine Grundlage mehr bildet. 2 0 6 Die zweite Auffassung, auf die hier noch einzugehen ist, findet sich in der Entscheidung des Schiedsgerichts vom 30. Juni 1977 im Kanal Festlandsokkel Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich. 207 I n einer 202 Art. 6 Abs. 1 FSK: „ . . . the boundary is the median line"; Art. 6 Abs. 2 FSK: shall be determined by application of the principle of equidistance . . . " 203 O'Connell/Shearer, Law of the Sea II, S. 685. 204 ICJ Rep. 1969, p. 36, para. 57, Hervorhebung vom Verfasser. 205 ICJ Rep. 1985, p. 37 f., paras. 42 f. Diese Entscheidung konnte von O'Connell/ Shearer nicht berücksichtigt werden, da ihr Law of the Sea bereits im Jahre 1984 erschienen war. 206 Vgl. die Beispiele oben 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 2. b). 207 Abgedruckt i n I L M 1979, 397-494. Vgl. dazu U.-D. Klemm, Continental Shelf Arbitration (France/United Kingdom), in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), S. 58-61 m.w.N.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
191
Schlüsselpassage kommt das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, die Vorschriften des Art. 6 FSK und das Völkergewohnheitsrecht der Festlandsockelabgrenzung, wie vom I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen umschrieben, liefen auf dasselbe hinaus, nämlich eine Abgrenzimg nach Maßgabe von „equitable principles". 200 Das Schiedsgericht gelangt zu dieser Gleichsetzimg, weil es Art. 6 FSK nicht dahin auslegt, daß dort zwischen Äquidistanz und „besonderen Umständen" ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet wird. Vielmehr sieht es in dieser Vorschrift eine einheitliche Regelung, in welcher die „besonderen Umstände" dem Zweck dienen, in jedem Fall eine „equitable delimitation" sicherzustellen 209 , so daß „even under Article 6 the question whether the use of the equidistance principle or some other method is appropriate for achieving an equitable delimitation is very much a matter of appreciation in the light of the geographical and other circumstances. 210
Gegen ein solches Verständnis der Vorschrift des Art. 6 FSK und damit auch gegen ihre Gleichsetzung mit dem Völkergewohnheitsrecht, wie es der I G H versteht, spricht - trotz der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Elemente i n Art. 6 F S K 2 1 1 - aber der Wortlaut dieser Vorschrift. 2 1 2 Gemäß Art. 6 Abs. 1 FSK ist die Grenze die Mittellinie, es sei denn besondere Umstände rechtfertigten eine andere Grenzziehung. Diese Wortwahl läßt nur die Auslegung zu, daß damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet worden ist mit der Folge, daß die Ausnahme nicht verallgemeinerungsfähig und restriktiv auszulegen ist. Demgegenüber ist in Art. 6 Abs. 2 FSK ganz bewußt eine weniger strenge Verpflichtung zur Anwendung der Äquidistanzlinie („shall") begründet worden. Dieser Unterschied zwischen den beiden Absätzen würde bei einem Verständnis des Art. 6 FSK als einheitliche Vorschrift aber nicht mehr hinreichend berücksichtigt. 213 Wenngleich somit dem Schiedsgericht nicht darin gefolgt werden kann, Art. 6 FSK mit dem Gewohnheitsrecht der Festlandsockelabgrenzung gleichzusetzen, so ist seine Entscheidung doch insoweit bemerkenswert, als auch hier der Äquidistanz jegliche unmittelbare Verbindlichkeit abgesprochen wird, die Gleichsetzung also nicht dazu führt, der Äquidistanzlinie irgendeinen Vorrang vor anderen Methoden einzuräumen. Vielmehr hängt dies ausschließlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. 208
Ebenda, para. 75, vgl. auch para. 70. Ebenda, para. 70. 210 Ebenda. Einen ähnlichen Ansatz vertreten offensichtlich auch B. Rüster, Rechtsordnung, S. 412, sowie E.D. Brown, Hydrospace, S. 61. 211 Auf diese Abhängigkeit stellt vor allem Brown ab, vgl. E.D. Brown, Hydrospace, S. 61. 212 Unabhängig davon stellt sich die Frage, warum dann der IGH sich i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen die Mühe gemacht hat, zwischen Art. 6 FSK und dem Völkergewohnheitsrecht zu unterscheiden. 213 So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 698. 209
192
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Dieses Ergebnis mag dem Bemühen des Schiedsgerichts entspringen, seine Entscheidung so weit wie möglich in Einklang mit der Rechtsprechung des IGH zu bringen. Die Motivation ist jedoch unbeachtlich. Wesentlich ist, daß auch nach Auffassung des Schiedsgerichts Art. 6 FSK in seinem traditionellen und auch hier zugrunde gelegten Verständnis keine gewohnheitsrechtliche Geltung für sich beanspruchen kann. bb) UNCLOS III/SRK 1982 (1) Die Entstehungsgeschichte der Art. 74 und 83 SRK 214 Am 28. August 1974 präsentierte am Ende der Caracas-Session der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III) auch das Second Committee , welches u. a. mit der Abgrenzimg von Seegebieten befaßt war, ein „main trends paper". 215 Die darin enthaltenen Bestimmungen betreffend die Abgrenzung der Seegebiete von benachbarten oder einander gegenüberliegenden Staaten, die „Provisions" 21 (Küstenmeer) 216 , 82 (Festlandsockel) 217 und 116 (EEZ) 2 1 8 , sollten als Grundlage für die weiteren Verhandlungen dienen und umfaßten daher jeweils mehrere Alternativen. 2 1 9 Diese Bestimmungen wurden am 7. Mai 1975 durch den I S N T 2 2 0 abgelöst. Dessen Art. 13,61 und 70 unterscheiden sich schon deshalb von den Bestimmungen in den „main trends", als sie keine Alternativen mehr enthalten. 221 Damit sollte jedoch keinesfalls ausgeschlossen werden, daß die Delegierten neue oder Änderungsvorschläge einbringen. Während Art. 13 ISNT betreffend die Abgrenzung des Küstenmeeres mit Art. 12 der Genfer Konvention über das Küstenmeer und die Anschlußzone von 1958 wortgleich ist, unterscheidet sich Art. 70 ISNT von Art. 6 der Genfer Konvention über den Festlandsockel schon recht erheblich. 222 Nach Art. 214 Zur Entstehungsgeschichte vgl. u. a. D.M. Johnston, The Options for LOS III: Appraisal and Proposal, in: F.T. Christy u. a. (Hrsg.), Law of the Sea: Caracas and Beyond (1975), S. 357-372; J.-P. Lévy, La conférence des Nations Unies sur le droit de la mer; E.D. Brown, Delimitation of Offshore Areas. Hard Labour and Bitter Fruits at UNCLOS ΠΙ, Mar.Policy 1981, 172-184; ders., The Continental Shelf and the Exclusive Economic Zone: The Problem of Delimitation at UNCLOS III, Marit.Policy&Managment 1977, 377-408; L.T. Lee, The 1982 Convention on the Law of the Sea and Continental Shelf Problems in South-East Asia, Ocean Managment 1984, 61-72; ferner die Beiträge in: Société Française pour le droit international, Perspectives du droit de la mer à l'issue de la 3e conférence des Nations Unies; L. Wolf, Die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen. 215 U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/WP.1 = Off. Ree., Vol. III, 107-142. 216 Off. Ree., Vol. III, 111. 217 Ebenda, 119-120. 218 Ebenda, 126. 219 Vgl. Annex IV. 220 U.N. Doc. A/CONF.62/WP.8/PART I I = Off. Ree., Vol. IV, 152-171. 221 Vgl. Annex IV.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
193
70 ISNT soll die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten oder einander gegenüberliegenden Staaten vorrangig nicht mehr durch eine - einfache - Vereinbarung erfolgen, sondern durch eine solche - qualifizierte - Vereinbarimg, die „equitable principles " entspricht. Die Mitteloder Äquidistanzlinie soll dabei „where appropriate " zur Anwendung gelangen können, jedoch müssen „all relevant circumstances " in Betracht gezogen werden 2 2 3 , nicht mehr lediglich die „special circumstances " wie Art. 6 FSK dies vorsieht. Ansonsten, d. h. im Falle des Fehlens bzw. vorbehaltlich einer solch qualifizierten Vereinbarung, stellt die Mittel- bzw. Äquidistanzlinie nur noch die äußerste Grenze dar, bis zu der der Festlandsockel ausgedehnt werden kann. 2 2 4 Eine Berücksichtigung „besonderer Umstände" ist für diese (einseitige) Bestimmung der Festlandsockelgrenze nicht vorgesehen. Für den Fall, daß sich die Parteien nicht innerhalb einer „reasonable period of time " einigen können, verweist Art. 70 Abs. 2 I S N T 2 2 5 auf das Streitbeilegungsverfahren nach Maßgabe von Teil XV. Daraus folgt, daß die Mittel- bzw. Äquidistanzlinie nach Art. 70 ISNT nur eine Übergangslösung darstellen soll, es sei denn die Parteien haben sie besonders vereinbart. Bei der Präsentation des RSNT 2 2 6 am 6. Mai 1976 bemerkte der Vorsitzende des Second Committee, der Venezolaner A. Aguilar, i m Hinblick auf die Abgrenzungsvorschriften des ISNT: „On the issue of delimitation of the exclusive economic zone and the continental shelf between adjacent or opposite States an extensive exchange of views took place. A close study of the discussion, bearing in mind the rule of silence, revealed broad support for the thrust of the article i n the single negotiating text (art. 62). However, paragraph 3 of former articles 61 and 70 posed a problem. Since the Conference may not adopt a compulsory jurisdictional procedure for the settlement of delimitation disputes, I felt that the reference to the median or equidistant line as an interim solution might not have the intended effect of encouraging agreements. In fact such reference might defeat the main purport of the article as set out i n paragraph 1. Nonetheless, the need for an interim solution was, i n my opinion, to propose wording i n paragraph 3 which linked it more closely to the principles i n paragraph l."227
Demgemäß war Abs. 3 der Art. 62 und 71 RSNT wie folgt neu gefaßt worden: „Pending agreement or settlement, the States concerned shall make provisional arrangements, taking into account the provisions of paragraph l."228 222 Art. 61 ISNT betreffend die EEZ ist mit Art. 70 ISNT fast identisch. 223 Art. 70 Abs. 1 ISNT; vgl. auch Art. 61 Abs. 1 ISNT. 224 Art. 70 Abs. 3 ISNT; vgl. auch Art. 61 Abs. 3 ISNT. 225 Vgl. auch Art. 61 Abs. 2 ISNT. 22β U.N. Doc. A/CONF.62/C.2/WP.8/Rev.l/PART I I = Off. Ree., Vol. V, 151-173. 227 Off. Ree., Vol. V, 153. 228 Off. Ree., Vol. V, 164,165. Vgl. dazu R. Lagoni , Interim Measures Pending Maritime Delimitation Agreements, AJIL 1984, 345-368. 13 H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
194
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
D i e V o r s c h r i f t e n des I C N T v o m 15. J u l i 19 7 7 2 2 9 , die A r t . 15, 74 u n d 83, b r a c h t e n keine Ä n d e r u n g e n . 2 3 0 Bis z u m B e g i n n der 7. Session v o n U N C L O S I I I i m M ä r z 1978 w a r e n die Abgrenzungsfragen Second
Committee
i m allgemeinen K o n t e x t des Aufgabenbereichs
des
behandelt w o r d e n . I n A n b e t r a c h t der B e d e u t i m g der
A b g r e n z u n g e i n i g t e n sich die Delegierten n u n m e h r darauf, die A b g r e n z u n g v o n Seegebieten m i t V o r r a n g z u behandeln. Dementsprechend w u r d e diese A n g e l e g e n h e i t 2 3 1 der N e g o t i a t i n g G r o u p 7 ( i m folgenden: N G 7) u n t e r V o r sitz v o n R i c h t e r Manner
aus F i n n l a n d ü b e r t r a g e n . 2 3 2 D e r Vorsitzende w a r
gehalten, dem j e w e i l i g e n Ausschuß sowie d e m Präsidenten der Konferenz über die Verhandlungsergebnisse regelmäßig z u berichten. D i e A r b e i t s e r gebnisse sollten d a n n der V o l l v e r s a m m l u n g vorgelegt werden, u m festzustellen, ob sie als Gegenstand eines „ c o n s e n s u s " 2 3 3 i n B e t r a c h t k o m m e n . 2 3 4 A u s g a n g s p u n k t f ü r die A r b e i t v o n N G 7 w a r e n z w e i i n f o r m e l l e Vorschläge betreffend die A b g r e n z u n g der E E Z u n d des Festlandsockels 2 3 5 , die n i c h t n u r die Z w e i t e i l u n g der Auffassungen i n n e r h a l b der G r u p p e widerspiegeln, sondern auch deren A r b e i t e r h e b l i c h erschweren sollten. D e r eine E n t w u r f repräsentiert die Auffassung der sog. „equitable
prin-
ciples group" , bestehend aus Delegierten aus 30 S t a a t e n : 2 3 6 „1. The delimitation of the exclusive economic zone (or continental shelf) between adjacent or/and opposite States shall be effected by agreement, i n accordance w i t h equitable principles taking into account all relevant circumstances and employing any methods, where appropriate, to lead to an equitable solution. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States concerned shall resort to the procedures of settlement of disputes provided for i n Part XV of this Convention or such other procedure agreed upon i n accordance w i t h Article 33 of the Charter of the United Nations Organization. 237
229
U.N. Doc. A/CONF.62/WP. 10 = Off. Ree., Vol. VIII, 1-63. Vgl. Annex III. 231 Offizielle Bezeichnung: „Delimitation of Marine Boundaries Between Adjacent and Opposite States and Settlement of Disputes Thereon". 232 U.N. Doc. A/CONF.62/62 vom 13. April 1978 = Off. Ree., Vol. X, 6-10. 233 Zum „consensus"-Verfahren vgl. oben 2. Teil Β. I. 3. b). 234 U.N. Doc. A/CONF.62/62 vom 13. April 1978 = Off. Ree., Vol. X, 6-10. 235 Im Hinblick auf den Inhalt von Art. 15 ICNT über die Abgrenzung des Küstenmeeres von benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten bestand weitgehende Einigkeit, daß dieser hinreichend i n der Staatenpraxis verfestigt und somit konsensfähig sei. 236 Mitglieder 1980: Algerien, Argentinien, Bangladesch, Benin, Burundi, Kongo, Frankreich, Irak, Irland, Elfenbeinküste, Kenia, Liberia, Libyen, Madagaskar, Malediven, Mali, Mauritanien, Marokko, Nicaragua, Pakistan, Papua Neu Guinea, Polen, Rumänien, Senegal, Syrien, Somalia, Surinam, Türkei, Venezuela und Vietnam. 237 Zum Verfahren der friedlichen Streitbeilegung bei Grenzstreitigkeiten nach der SRK vgl. E.J. Manner, Settlement of Sea-Boundary Disputes According to the Provisions of the 1982 Law of the Sea Convention, in: Essays i n Honour of Judge M. Lachs (1984), S. 625-643. 230
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
195
3. Pending agreement or settlement, the States concerned shall make provisional arrangements, taking into account the provisions of paragraph 1. 4. Where there is an agreement i n force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the exclusive economic zone (or continental shelf) shall be determined i n accordance w i t h the provisions of that agreement." 238 D e r andere E n t w u r f s t a m m t v o n der 24 Delegationen umfassenden „equidistance
group ": 239
„The delimitation of the Exclusive Economic Zone/Continental Shelf between adjacent or opposite States shall be effected by agreement employing, as a general principle, the median or equidistance line, taking into account any special circumstances where this is justified. If no agreement can be reached, within a period o f . . . from the time when one of the interested parties asks for the opening of negotiations on delimitation, the States concerned shall resort to the procedures provided for i n part . . . (settlement of disputes) or any other third party procedure entailing a binding decision which is applicable to them. Pending agreement or settlement in conformity w i t h paragraphs 1 and 2, the parties in the dispute shall refrain from exercising jurisdiction beyond the median or equidistance line unless they agree on alternative interim measures of mutual restraint." 2 4 0 Abgesehen v o n diesen beiden E n t w ü r f e n w u r d e n o c h eine A n z a h l w e i t e r e r informeller
Vorschläge
eingebracht241,
darunter
auch
Kompromißvor-
schläge des Vorsitzenden v o n N G 7 . 2 4 2 I n seinem B e r i c h t z u m E n d e der 7. Session a m 19. M a i 1978 k a m der Vorsitzende der N G 7 z u d e m Ergebnis, daß h i n s i c h t l i c h der Frage der A b g r e n z u n g s k r i t e r i e n „ . . . no approach or formulation received such widespread and substantial support that would offer a substantially improved prospect of a consensus i n the Plenary. On the other hand, the discussions clearly indicated that consensus could not, either, be received upon the present formulation in the I C N T . " 2 4 3 D i e V e r h a n d l u n g e n i n n e r h a l b der N G 7 w ä h r e n d der gesamten 7. Session faßte er a m 14. September 1978 w i e folgt zusammen: 238 NG 7/10 vom 1. Mai 1978 (ohne Burundi, Malediven, Surinam und Vietnam) = NG 7/10/Rev.l vom 25. März 1980 (ohne Surinam) = NG 7/10/Rev.2 vom 28. März 1980. 239 Mitglieder 1980: Bahamas, Barbados, Kanada, Cap Verde, Chile, Kolumbien, Zypern, VR Jemen, Dänemark, Gambia, Griechenland, Guinea-Bissau, Guyana, Italien, Japan, Kuwait, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich und Jugoslawien. 240 NG 7/2 vom 20. April 1978 (ohne Cap Verde, Chile, Guinea-Bissau und Portugal) = NG 7/2/Rev.l vom 25. März 1980 (ohne Cap Verde, Chile und Guinea-Bissau) = NG 7/2/Rev.2 vom 28. März 1980. 241 Allein im Jahre 1978 über 10 informelle Vorschläge betreffend die Abgrenzung, die aber keine wesentlichen Unterschiede zu den beiden genannten Entwürfen enthielten, und weitere zur friedlichen Streitbeilegung. 242 So etwa: NG 7/9 vom 27. April 1978 und NG 7/11 vom 2. Mai 1978. 243 NG 7/21 vom 17. Mai 1978 = Off. Ree., Vol X, 124. 1
196
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
„During the discussions general understanding seemed to emerge to the effect that the final solution could contain the following four elements: (1) a reference to the effect that any measure of delimitation should be effected by agreement; (2) a reference to the effect that all relevant or special circumstances are to be taken into account in the process of delimitation; (3) in some form, a reference to equity or equitable principles; (4) in some form, a reference to the median or equidistance line. I t was, however, pointed out by some delegations, while opposed by others, that if the median or equidistance line is to be mentioned i n the articles concerned, the latter should also include reference to islands as a feature of the relevant or special circumstances." 244 W ä h r e n d der Treffen der N G 7 i m Verlaufe der 8. Session 1979 k a m es z u w e i t e r e n acht i n f o r m e l l e n Vorschlägen, die z u m T e i l aber w i e d e r zurückgezogen w u r d e n 2 4 5 u n d a n den gegensätzlichen Positionen n i c h t s änderten. I n seinem B e r i c h t v o m 20. A p r i l 19 7 9 2 4 6 stellte R i c h t e r Manner
i m H i n b l i c k auf
die A b g r e n z i m g des Küstenmeeres zwischen benachbarten u n d einander gegenüberliegenden Staaten weitgehende E i n i g k e i t über die Regelung i n A r t . 15 I C N T fest. H i n s i c h t l i c h der K r i t e r i e n z u r A b g r e n z u n g der E E Z u n d des Festlandsockels m e i n t e er jedoch: „Despite intensive negotiations, the Group did not succeed in reaching agreement on any of the texts before it. The reasons why the various compromise efforts . . . did not succeed have been clearly voiced by different delegations. I w i l l not, of course, criticize those reasons,... b u t . . . I doubt whether, i n view of our lengthy deliberations and taking into account the controversies still prevailing, the Conference may ever be in a position to produce a provision that w i l l offer a precise and definite answer to the question of delimitation criteria. In the light of the various suggestions presented and assuming that, i n one form or another, negotiations on the issue of delimitation are to be continued at the next stage of the Conference, the following text is offered as the Chair's assessment of a possible basis for a compromise: ,The delimitation of the exclusive economic zone (or of the continental shelf) between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement between the parties concerned, taking into account all relevant criteria and special circumstances in order to arrive at a solution i n accordance w i t h equitable principles, applying the equidistance rule or such other means as are appropriate in each specific case.'" 247 I n seinem A b s c h l u ß b e r i c h t z u r 8. Session 2 4 8 stellte er a m 22. A u g u s t 1979 fest, n a c h d e m er z w i s c h e n z e i t l i c h v i e r weitere K o m p r o m i ß v o r s c h l ä g e u n t e r breitet h a t t e 2 4 9 : 244
NG 7/24 = Off. Ree., Vol. X, 170-172 (171). Israel (NG 7/28 vom 28. März 1979); Mexiko (NG 7/29 vom 30. März 1979); Indien, Irak und Marokko (NG 7/32 vom 5. A p r i l 1979); Peru (NG 7/34 vom 6. April 1979); Elfenbeinküste (NG 7/35 vom 10. April 1979); Mexiko und Peru (NG 7/37/Rev.l vom 18. April 1979); Anonym (NG 7/38 vom 17. April 1979). 246 NG 7/39 = Off. Ree., Vol. XI, 59-60. 247 Ebenda, 59. 24 ® NG 7/45. 249 NG 7/41 vom 15. August 1979; NG 7/42 vom 15. August 1979; NG 7/43 vom 17. August 1979; NG 7/44 vom 20. August 1979. 245
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
197
„As before, the discussions on delimitation criteria were characterized by the opposing positions of, on the one hand, delegations advocating the equidistance rule and, on the other hand, those specifically emphasizing delimitation i n accordance w i t h equitable principles. In the main, also the arguments of the two sides remained as before, referring to the concepts and expressions to be used i n the provisions concerned. At the Chairman's meetings w i t h the supporters of the two differing opinions, it became apparent, that a consensus may not be based upon a ,non-hierarchical· formulation only listing the basic elements of delimitation; an alternative, which earlier had seemed to have some support. Similarly, a concise formulation providing merely that the delimitation would be ,effected by agreement in accordance w i t h international law' did not receive any particular sympathy from either side. At the same time, however, the discussions and consultations seemed to indicate a certain gain of common ground in the technical formulation of the respective provisions, while also certain new elements of delimitation, notably that of the equality of States, were introduced in private consultations, possibly to prove conducive to the final solution. . . . In any case, the differences of opinion, as reflected i n the wording and formulation of the various proposals, would not seem to be insurmountable. Compromise efforts might find substantive ground in at least some of the proposals presented during the work of our Group. I n this regard - and not excluding other alternatives - reference might be made to the text offered at the Chair's assessment of a possible basis for a compromise i n my report of 20 A p r i l (document NG 7/39). While this proposal would still remain available for further discussion, also an alternative formulation, contained i n document NG 7/44, was introduced by the Chair, as based upon my estimation of the present state of negotiations on delimitation criteria." 2 5 0 D e r i n diesem B e r i c h t i n Bezug genommene Vorschlag des Vorsitzenden v o m 20. A u g u s t 1 9 7 9 2 5 1 l a u t e t : „The delimitation of the exclusive economic zone (the continental shelf) between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement i n accordance w i t h equitable principles, taking into account the equality of States i n their geographical relation to the areas to be delimited, and employing, consistent w i t h the above criteria and subject to the special circumstances in any particular case, the rule of equidistance." 252 I m M ä r z des Jahres 1980 t r a f sich Richter Manner erneut mehrmals getrennt m i t den M i t g l i e d e r n u n d A n h ä n g e r n der beiden Gruppen. Diese v e r t r a u l i c h e n Gespräche f ü h r t e n jedoch z u k e i n e m Ergebnis, o b w o h l Manner jeder G r u p p e mehrere unterschiedliche F o r m u l i e r u n g e n vorgelegt hatte. D e r G r u n d f ü r das Scheitern l a g insbesondere d a r i n , daß h i n s i c h t l i c h e i n i ger Begriffe, die i n den I C N T eingebracht w e r d e n sollten, das u n t e r s c h i e d l i che Verständnis der beiden G r u p p e n eine E i n i g u n g aussichtslos machte. So sollte i n den j e w e i l i g e n Absatz 1 der A r t . 74 u n d 83 I C N T eingefügt w e r d e n 250 251 252
NG 7/45. NG 7/44. Ebenda.
198
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
„on the basis of international law". Die „equidistance group " wollte den Begriff „international law" in seiner üblichen, allgemeinen Bedeutung verstanden wissen. Demgegenüber wollte die „equity group" ihn mit „equitable principles" gleichsetzen. In seinem Bericht vom 24. März 198 0 2 5 3 kam Manner zu dem Ergebnis, daß die Formulierungen in den Art. 74 und 83 ICNT/Rev.l für die „equidistance group" inakzeptabel seien, so daß diese jegliche Zustimmimg verweigerten. Daher machte er einen weiteren Vorschlag,von dem er hoffte, daß dieser konsensfähig sein würde: „1. The delimitation of the exclusive economic (continental shelf) zone between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement in conformity w i t h international law. Such an agreement shall be i n accordance w i t h equitable principles, employing the median or equidistance line, where appropriate, and taking account of all relevant circumstances prevailing i n the area concerned. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States shall resort to the procedures provided for i n Part XV. 3. Pending agreement as provided for in paragraph 1, the States concerned, in a spirit of understanding and co-operation, shall make every effort to enter into provisional arrangements of a practical nature and, during this transitional period, not to jeopardize or hamper the reaching of the final agreement. Such arrangements shall be without prejudice to the final delimitation. 4. Where there is an agreement i n force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the exclusive economic zone (continental shelf) shall be determined i n accordance w i t h the provisions of that agreement." 254
Im Verlaufe der 9. Session in Genf vom 28. Juli bis zum 29. August 1980 kam es zu mehreren unmittelbaren Beratungen zwischen den beiden Gruppen, d. h. ohne einen Vorsitzenden. Dabei zeigte sich, daß die „equity group" befürchtete, der Begriff „international law" könnte dahingehend ausgelegt werden, daß er das Mittel- bzw. Äquidistanzlinienprinzip als Bestandteil des Völkerrechts und der Staatenpraxis umfasse. Auch die Beratungen während der 10. Session in New York vom 9. März bis zum 16. April 1981 brachten keine entscheidenden Änderungen. 255 Dennoch kam es in der Folgezeit zu einer gewissen Einigung, da man eine Formulierung gewählt hatte, die es jeder der beiden Gruppen ermöglichte davon auszugehen, die andere Seite habe sich nicht durchsetzen können. Dementsprechend lauten die Art. 74 und 83 der „Draft Convention" vom 28. August 1981: 256 253
U.N. Doc. A/CONF.62/L.47 = Off. Ree., Vol. XIII, 76-78. Off. Ree., Vol. XIII, 77 f., ursprünglich getrennte Formulierungen für EEZ und Festlandsockel. 255 Vgl. dazu den Bericht der irischen Delegation (DEL/2) vom 22. April 1981. 2 *e U.N. Doc. A/CONF.62/L.78 = Off. Ree., Vol. XV, 172-240. 254
Β. 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
199
Article 74 Delimitation of the exclusive economic zone between States w i t h opposite or adjacent coasts 1. The delimitation of the exclusive economic zone between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement on the basis of international law, as referred to in Article 38 of the Statute of the International Court of Justice, i n order to achieve an equitable solution. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States concerned shall resort to the procedures provided for i n Part XV. 3. Pending agreement as provided for i n paragraph 1, the States concerned, in a spirit of understanding and co-operation, shall make every effort to enter into provisional arrangements of a practical nature and, during this transitional period, not to jeopardize or hamper the reaching of the final agreement. Such arrangements shall be without prejudice to the final delimitation. 4. Where there is an agreement i n force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the exclusive economic zone shall be determined in accordance w i t h the provisions of that agreement. 257 Article 83 Delimitation of the continental shelf between States w i t h opposite or adjacent coasts 1. The delimitation of the continental shelf between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement on the basis of international law, as referred to in Article 38 of the Statute of the International Court of Justice, i n order to achieve an equitable solution. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States concerned shall resort to the procedures provided for i n Part XV. 3. Pending agreement as provided for in paragraph 1, the States concerned, in a spirit of understanding and co-operation, shall make every effort to enter into provisional arrangements of a practical nature and, during this transitional period, not to jeopardize or hamper the reaching of the final agreement. Such arrangements shall be without prejudice to the final delimitation. 4. Where there is an agreement i n force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the continental shelf shall be determined i n accordance w i t h the provisions of that agreement." 258
Bei diesen Formulierungen blieb es, und am 29. April 1982 schloß das Second Committee seine Arbeit ab. 2 5 9 Mithin, so scheint es nach dem Wortlaut der Bestimmungen, hat sich die „equity group " durchsetzen können. In den Art. 74 und 83 der Seerechtskonvention von 1982 260 fehlt jegliche Bezugnahme auf das Mittellinienbzw. Äquidistanzprinzip. Die Abgrenzung der EEZ und des Festlandsockels 257 258 259 260
Ebenda, 187. Ebenda, 189. Off. Ree., Vol. XVI, 171. U.N. Doc. A/CONF.62/122 = Off. Ree., Vol. XVII, 151-221.
200
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
muß lediglich eine „equitable solution " darstellen. Die Mittel- bzw. Äquidistanzlinie ist somit ihrer herausragenden Stellung, die sie gemäß Art. 6 FSK jedenfalls nach überwiegender Auffassung noch hatte, enthoben. Wegen der grundsätzlich nicht beseitigten Zweiteilung der Auffassungen der Delegierten auf UNCLOS I I I und wegen der Tatsache, daß die Vorschriften den Zusatz „on the basis of international law . . . " erhalten haben, sind die Bestimmungen der Art. 74 und 83 SRK aber wohl nicht dahin zu verstehen, daß das Mittel- bzw. Äquidistanzlinienprinzip bei der Abgrenzung völlig ausgeschlossen sein soll. 2 6 1 Jedenfalls ist es anwendbar, wenn es eben „equitable " ist. Denn die Auffassungen beider Gruppen in NG 7 sollten in diesen Vorschriften ihren Niederschlag finden, so daß anzunehmen ist, daß ein Übergewicht weder auf der einen, noch auf der anderen Seite gesehen werden kann. 2 6 2 (2) Auslegung des Art. 83 SRK Zunächst geht aus Art. 83 SRK ebenso wie aus Art. 6 F S K 2 6 3 hervor, daß die Abgrenzimg des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten durch eine Vereinbarung erfolgen soll. Damit wiederholt diese Bestimmung einen allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts, den der IGH im anglo-norwegischen Fischereistreit wie folgt umschrieben hat: „The delimitation of sea areas has always an international aspect; it cannot be dependent merely upon the w i l l of the coastal State . . . the validity of the delimitation w i t h regard to other States depends on international l a w . " 2 6 4
Mithin sind die Staaten schon nach allgemeinem Völkerrecht verpflichtet sicherzustellen, daß die Abgrenzung des Festlandsockels das Ergebnis einer Vereinbarung zwischen den Streitparteien ist. Dies ist eine konkrete Ausformung des in Art. 33 UN-Charta enthaltenen Gebots, internationale Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen. Hinsichtlich der Art und Weise der für eine solche Vereinbarung erforderlichen Verhandlungen hat der I G H in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen festgestellt: „ . . . the parties are under an obligation to enter into negotiations w i t h a view to arriving at an agreement, and not merely to go through a formal process of negotia261
So etwa auch: D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 222 f. D.J. Attard , Exclusive Economic Zone, S. 224 meint, die Bezugnahme auf „international law served to soothe the unease that many States had regarding the delimitation criteria found i n the Conference's negotiating texts. I t is a safety valve of the negative kind in that it allows each party to ensure that the opposing view has not been expressly indicated." Vgl. auch S.P. Sharma, Framework for Likely Disputes under the Law of the Sea Convention - Some Thoughts, ZaöRV 1985, 465-496. 263 Vgl. dazu oben c) aa). 264 ICJ Rep. 1951, p. 132. 262
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
201
t i o n . . . ; they are under an obligation so to conduct themselves that the negotiations are meaningful, which w i l l not be the case when either of them insists upon its own position without contemplating any modification of it; . . . " 2 6 5
Insoweit enthält Art. 83 SRK also keine Neuerungen. Wie im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der Norm schon angedeutet 266 , stellt Art. 83 Abs. 1 SRK anders als Art. 6 FSK an die Vereinbarung aber besondere Anforderungen: „ . . . agreement on the basis of international law, as referred to i n Article 38 of the Statute of the International Court of Justice, i n order to achieve an equitable solution."
Der IGH hatte bereits i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen erklärt, daß „ . . . the parties are under an obligation to act in such a way that, i n the particular case, and taking all the circumstances into account, equitable principles are applied, . . . 2 6 7
Die Pflicht der Parteien nach Maßgabe von Art. 83 Abs. 1 SRK, durch eine Vereinbarung zu einem „equitable result " zu gelangen, ist demnach im Grunde auch keine Fortentwicklung des Seevölkerrechts. 268 Die Frage stellt sich aber, was es - unabhängig von der Einordnimg des Begriffs „equitable principles/result" - nunmehr mit der Inbezugnahme des „international law, as referred to in Article 38 of the Statute of the International Court of Justice" auf sich hat. Zunächst ist klar, daß die Vereinbarung auf der Grundlage und nach Maßgabe des Völkerrechts geschlossen werden muß. Dies bedeutet, daß ζ. B. Abgrenzungsmethoden oder Abgrenzungskriterien des Völkergewohnheitsrechts in der Vereinbarung berücksichtigt werden müssen, vor allem weil Art. 83 SRK ja keine Abgrenzungsmethode (mehr) enthält. Dieses Ergebnis läßt sich mit der Präambel der SRK belegen, die bestimmt, daß „ . . . matters not regulated by this Convention continue to be governed by the rules and principles of general international law."
Das (sonstige) Völkerrecht soll gemäß Art. 83 Abs. 1 SRK somit unmittelbar auf Abgrenzungsvereinbarungen Anwendung finden. Dies setzt selbstverständlich voraus, daß das (sonstige) Völkerrecht überhaupt Regeln und Methoden für die Abgrenzung des Festlandsockels enthält. Diese Frage soll aber einem besonderen Abschnitt der Arbeit vorbehalten bleiben. 2 6 9 Es sei hier aber schon betont, daß sich aus der allgemeinen Inbezugnahme des Völkerrechts in Art. 83 Abs. 1 SRK keine weiteren als die soeben gezogenen 265
ICJ Rep. 1969, p. 47, para. 85. S.o. (1). 267 ICJ Rep. 1969, p. 47, para. 85. 268 Zu der Frage, was zu den „equitable principles" zu zählen ist, vgl. unten 2. und 3. Abschnitt. 269 Vgl. dazu unten 2. Abschnitt. 266
202
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Schlußfolgerungen ergeben. Vielmehr ist den Parteien damit wohl kaum geholfen 270 , da überhaupt nicht klargestellt ist, welche spezifischen Normen auf den Einzelfall Anwendimg finden können. Diese Einschätzung teilt u. a. auch Richter Oda in seiner Dissenting Opinion im libysch-tunesischen Festlandsockel Fall: „ . . . the simple reference . . . does not furnish any practical assistance towards a solution, i n the absence of any more specific designation of which principles and rules from out the entire panoply of customary, general, positive and conventional law are of particular significance." 271
Ebenfalls von geringfügiger Hilfe ist Art. 83 Abs. 3 SRK, weil auch diese Vorschrift zu vage gehalten ist. 2 7 2 Wie schon weiter oben im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte ausgeführt 273 , war ja die ausdrückliche Erwähnung der Mittellinien- bzw. Äquidistanzmethode im ISNT gestrichen worden, weil sie „ . . . might not have the intended effect of encouraging agreements". 274
Mithin sollte den Staaten ganz bewußt jegliche Methode - und sei sie auch nur von vorläufigem Charakter - entzogen werden, da sie ansonsten ja einen vorläufigen zu einem dauernden, möglicherweise rechtsbegründenden Zustand machen könnten. Das einzige, was nach den Abgrenzungsvorschriften der SRK für den Festlandsockel 275 verbleibt, ist das rein prozedurale Erfordernis der Vereinbarimg, welches - wie gezeigt - schon aus dem allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts herzuleiten ist, daß die Festlegung von Seegrenzen nur unter Beachtung der Rechtsposition der anderen betroffenen Staaten erfolgen darf. 2 7 6 Desweiteren folgt aus Art. 83 Abs. 1 SRK, daß diese Vereinbarung eine „equitable solution " darstellen muß. 2 7 7 Zu der Frage, welche Methoden oder Kriterien zu einer solchen Lösung führen können, schweigt die SRK ganz bewußt: „ . . . any indication of a specific criterion which would give guidance to the interested parties in their efforts to achieve an equitable solution has been excluded." 2 7 8 270 So auch: D.J. Attard , Exclusive Economic Zone, S. 224; J. Symonides, Pol.Yb. Int'l.L. 1984, 19-46 (37). 271 ICJ Rep. 1982, p. 246, para. 144. 272 E.D. Brown , Marit.Policy&Managment 1977, 398 meint dazu: „Why anyone should expect states in dispute over a boundary to be able to reach agreement on the basis of such vague rules, unaided by any third-party machinery is mystifying." 273 Vgl. oben (1). 274 Off. Ree., Vol. V, 153. 275 Dies gilt auch für die EEZ, vgl. Art. 74 SRK. 276 Vgl. ICJ Rep. 1951, p. 132. 277 Zu der Frage, ob dieses Erfordernis Völkergewohnheitsrecht darstellt, vgl. unten 2. Abschnitt. 278 ICJ Rep. 1982, p. 49, para. 50.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
203
Mithin ist es nicht nur schwierig, aus dieser Vorschrift alleine irgendeine klare Bedeutung herzuleiten 279 , sondern schlichtweg unmöglich. Art. 83 Abs. 1 SRK läßt sich nur die Regel entnehmen, daß die Abgrenzimg eine „equitable solution " darstellen muß. Diese Vorschrift enthält - isoliert betrachtet - keinerlei materielles Recht hinsichtlich der Abgrenzung des Festlandsockels und ist daher, solange der Weg zur Abgrenzung, also das Wie, betroffen ist, unbrauchbar. d) Hilfsmittel aa) Vorbemerkung Aus der Abgrenzungspraxis der Küstenstaaten ergeben sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, um daraus unmittelbar auf die Existenz allgemeinverbindlicher Regeln und Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung schließen zu können. Ebensowenig sind die beiden hier interessierenden multilateralen völkerrechtlichen Verträge geeignet, bei der Feststellung von Rechtsnormen herangezogen zu werden. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß etwa den genannten Abgrenzungsvereinbarungen oder auch dem völkerrechtlichen Festlandsockelregime als solchem eine einheitliche Norm, sei es in Form einer Regel, sei es in Form eines Prinzips, zugrundeliegt. Diese gilt es nunmehr unter Heranziehung insbesondere internationaler Gerichtsentscheidungen 280 als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen gemäß Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut 2 8 1 , da ein direkter Nachweis wegen der aufgezeigten Uneinheitlichkeit der Staatenpraxis nicht möglich ist, zu ergründen. Zwar verweist Art. 38 Abs. 1 (d) auf Art. 59 IGH-Statut, wonach die Urteile des IGH nur inter partes und nur in bezug auf die Sache bindend sind. Daher können sie grundsätzlich auch nur inter partes und nur für den jeweiligen Einzelfall eine sekundäre Völkerrechtsquelle darstellen. 282 Es kann aber nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß gerade Entscheidungen des I G H eine besondere Autorität zukommt. Diese beschränken sich i n weiten Teilen nicht ausschließlich auf die Rechtsbeziehungen der Streitparteien untereinander, sondern stellen objektiv das geltende Völkerrecht fest, so daß sie einen wesentlichen, nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Erkenntnis, 279
So Richter Oda, ICJ Rep. 1982, p. 246, para. 146. Als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen kommen gem. Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut zwar auch die „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen" in Betracht. Auf diese soll aber, da sie ohnehin keine einheitliche Position erkennen lassen, erst im nächsten Abschnitt eingegangen werden. 281 Vgl. allgemein zu den Hilfsmitteln i m Sinne von Art. 38 Abs. 1 (d) IGH-Statut Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 87 f.; Verdross!Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 617 ff. jeweils m.w.N. 282 So auch G. Jaenicke, Völkerrechtsquellen, WV III, S. 771; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 618. 280
204
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
aber auch zur F o r t b i l d u n g des Völkerrechts leisten u n d daher w i c h t i g e B e w e i s m i t t e l f ü r die G e l t u n g sowie den I n h a l t v ö l k e r r e c h t l i c h e r N o r m e n darstellen.283 bb) D i e i n t e r n a t i o n a l e J u d i k a t u r u n d K r i t i k der L i t e r a t u r D i e i n t e r n a t i o n a l e J u d i k a t u r z u r A b g r e n z u n g (auch) des Festlandsockels zwischen z w e i Staaten ist - i m V e r h ä l t n i s z u anderen Bereichen des V ö l k e r rechts - recht ergiebig. A l l e i n der I G H h a t t e bisher v i e r M a l Gelegenheit, sich m i t dieser Frage z u befassen. 2 8 4 Daneben s i n d n o c h z w e i E n t s c h e i d u n gen i n t e r n a t i o n a l e r Schiedsgerichte z u n e n n e n : 2 8 5 der sog. K a n a l - S c h i e d s spruch v o m 30. J u n i 19 7 7 2 8 6 i n d e m Festlandsockelstreit zwischen d e m V e r e i n i g t e n K ö n i g r e i c h u n d F r a n k r e i c h sowie die E n t s c h e i d u n g des Schiedstribunals v o m 14. F e b r u a r 1985 i n d e m Verfahren über die A b g r e n z u n g v o n Seegebieten zwischen Guinea u n d G u i n e a - B i s s a u . 2 8 7 D i e grundlegende Entscheidimg, i n der der I G H erstmals z u m G e w o h n heitsrecht der Festlandsockelabgrenzung S t e l l u n g genommen hat, s i n d die h i e r schon m e h r f a c h i n Bezug genommenen Nordsee-Festlandsockel-Fälle aus d e m Jahre 1 9 6 9 . 2 8 8 I m Tenor dieser E n t s c h e i d u n g faßt der I G H die gewohnheitsrechtlichen Regeln u n d P r i n z i p i e n der Festlandsockelabgrenz u n g w i e folgt z u s a m m e n : 2 8 9 „(1) delimitation is to be effected by agreement in accordance w i t h equitable principles, and taking account of all the relevant circumstances, in such a way as to leave as much as possible to each Party all those parts of the continental shelf that constitute a natural prolongation of its land territory into and under the sea, without encroachment on the natural prolongation of the land territory of the other; 283
Vgl. statt vieler Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 618 f. Nordsee-Festlandsockel-Fälle, ICJ Rep. 1969, pp. 3-257; Festlandsockel Fall (Tunesien/Libyen), ICJ Rep. 1982, pp. 18-94; Gulf of Maine (Kanada/USA), ICJ Rep. 1984, pp. 246-346; Festlandsockel Fall (Libyen/Malta), ICJ Rep. 1985, pp. 13-58. Im Gulf of Maine Fall war eine Kammer im Sinne der Art. 26 ff. IGH-Statut mit der Sache befaßt, deren Entscheidungen gem. Art. 27 IGH-Statut aber als solche des I G H gelten. 285 z u erwähnen ist auch der Vorschlag der Kommission im Abgrenzungsfall zwischen Island und Jan Mayen; vgl. dazu E. Gounaris, AVR 1983, 492-501. 286 I L M 1979, 397-462, im folgenden nach Absätzen zitiert. 287 I L M 1986, 252-307, im folgenden Tribunal genannt und nach Absätzen zitiert. 288 v g l dazu allgemein J. Andrassy, Resources, S. 96 ff.; S. Eustache, L'affaire du plateau continental de la mer du nord devant la Cour internationale de justice, RGDIP 1970, 590-639 (607 ff.); L.F.E. Goldie, Delimiting Continental Shelf Boundaries, in: Yates/Young (Hrsg.), Limits to National Jurisdiction over the Sea, S. 3-74 (20 ff.); E. Menzel, JIR 1969, 13-100 (26 ff.); K. Marek, Rev. Beige 1970, 44-78; vgl. ferner die Nachweise oben Fn. 1 und 3. 284
289 Zuvor (ICJ Rep. 1969, p. 53, para. 101) stellt der IGH nochmals ausdrücklich fest, daß „the use of the equidistance method of delimitation (is) n o t . . . obligatory ...; and there ( i s ) . . . no other single method of delimitation the use of which is i n all circumstances obligatory", (Klammerzusätze vom Verfasser).
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
205
(2) if, in the application of the preceding sub-paragraph, the delimitation leaves to the Parties areas that overlap, these are to be divided between them i n agreed proportions or, failing agreement, equally, unless they decide on a régime of joint jurisdiction, user, or exploitation for the zones of overlap or any part of them;" 2 9 0
Das Erfordernis der Grenzziehung im Wege der Vereinbarung leitet der IGH ebenso unmittelbar aus dem Festlandsockelregime her wie die Prinzipien der Billigkeit („equitable principles "), nach Maßgabe derer die Vereinbarung zustande kommen soll. 2 9 1 Wenngleich sich der Tenor nur auf das Zustandekommen der Vereinbarung bezieht, so w i r d aus anderen Passagen dieser Entscheidung doch deutlich, daß an die Beachtimg der Prinzipien der Billigkeit nicht nur die Parteien, sondern auch der internationale Spruchkörper, der möglicherweise mit dem Streitfall befaßt wird, gebunden sein sollen. 292 Dies ist eigentlich selbstverständlich, da andernfalls - wie Klemm zu recht bemerkt - die „Regelung, daß eine Abgrenzung ,in accordance w i t h equitable principles' zu erfolgen h a b e , . . . eine Banalität.. . " 2 9 3
darstellen würde. Die Parteien könnten sich auf ein Ergebnis einigen, welches ein internationales Gericht in diesem Fall niemals erzielen dürfte, und dennoch könnte die Billigkeit dieser Einigung der Parteien nicht angezweifelt werden. Aus diesem Grunde kommt den „equitable principles " nur bei ihrer Anwendimg durch Dritte eine besondere Bedeutung zu. Zu beachten ist im Zusammenhang mit den Nordsee-Festlandsockel-Fällen jedoch, daß sich diese Entscheidung des I G H auf die Abgrenzung zwischen benachbarten Staaten beschränkt. Der Fall einander gegenüberliegender Staaten wird lediglich am Rande erwähnt 2 9 4 und die Mittellinie bezeichnet der IGH für diesen Fall als geeignete Abgrenzungsmethode. Daher bleibt offen, ob den vom I G H genannten Regeln und Prinzipien hier die gleiche Bedeutung zuzumessen ist wie im Falle benachbarter Staaten. Acht Jahre später, im Jahre 1977, bezeichnete das Schiedsgericht im Kanal-Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich 2 9 5 die 290
ICJ Rep. 1969, p. 53, para. 101 (C). Vgl. ICJ Rep. 1969, p. 33, para. 48, p. 35 f., para. 55, p. 46 f., para. 85. Daß eine Grenze zwischen zwei oder mehreren Staaten nicht durch einen Staat einseitig festgelegt werden darf, ist aber ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts, so daß es nicht dieser extensiven Auslegung des völkerrechtlichen Festlandsockelregimes bedurft hätte. So der I G H selbst in ICJ Rep. 1951, p. 132. sowie D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 223 f. 292 ICJ Rep. 1969, p. 46 f., para. 85: „ . . . certain basic legal notions . . . have from the beginning reflected the opinio juris i n the matter of delimitation . . . " ; vgl. ferner p. 35 f., para. 55, p. 48, para. 88. 293 U.-D. Klemm , Allgemeine Abgrenzungsprobleme verschiedener seerechtlich definierter Räume, ZaöRV 1978, 512-567 (556). 4 ICJ Rep. 1 9 , p. f., para. 7. 291
206
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
A u s f ü h r u n g e n des I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen als A u s d r u c k des geltenden Völkergewohnheitsrechts der Festlandsockelabgrenzung überh a u p t - also auch f ü r die Abgrenzung zwischen einander gegenüberliegenden Staaten - u n d sah i n A r t . 6 eine „ . . . particular expression to a general norm that, failing agreement, the boundary between States abutting on the same continental shelf is to be determined on equitable principles." 2 9 6 Sah der I G H i n der A n w e n d u n g v o n „equitable principles "
i n den N o r d -
see-Festlandsockel-Fällen scheinbar v o r r a n g i g eine Methode, n i c h t aber e i n Z i e l 2 9 7 , stellt das Schiedsgericht i m K a n a l - F a l l a l l e i n auf das Ergebnis a b . 2 9 8 Dies liegt v o r a l l e m d a r i n begründet, daß der I G H i m Gegensatz z u d e m Schiedsgericht die „equitable
principles "
n i c h t auf eine k o n k r e t e G r e n z l i n i e
reduzieren mußte. D e n n i m Festlandsockel F a l l zwischen Timesien u n d L i b y e n 2 9 9 aus d e m Jahre 1982, i n d e m v o n den Parteien eben eine Grenzzieh u n g beantragt w o r d e n w a r , stellt n u n m e h r auch der I G H auf das E r f o r d e r nis eines b i l l i g e n Ergebnisses ab: „The result of the application of equitable principles must be equitable. This terminology, which is generally used, is not entirely satisfactory because it employs the term equitable to charcterize both the result to be achieved and the means to be applied to reach this result. It is, however, the result which is predominant; the principles are subordinate to the goal. The equitableness of a principle must be assessed in the light of its usefulness for the purpose of arriving at an equitable result." 3 0 0
295 Vgl. dazu U.-D. Klemm , Continental Shelf Arbitration (France/United Kingdom), in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 2 (1981), 58-61 m.w.N.; D.W. Bowett, BYIL 1978,1-28; J.G. Merrills , Calif. W.Int'l.L.J. 1980, 314-364; B. Rüster, ZaöRV 1980 803840. 296 Award, para. 70, vgl. auch para. 97. 297
So etwa auch U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 535. Jedoch hat der I G H i n dieser Entscheidung an einer anderen Stelle (ICJ Rep. 1969, p. 50, para. 92) etwas mißverständlich ausgeführt: „ . . . it is a truism to say that the determination must be equitable; rather is the problem above all one of defining the means whereby the delimitation can be carried out i n such a way as to be recognized as equitable." 298 Award, para. 195: „ . . . the method adopted for delimiting the boundary must, while applying the principle of natural prolongation of territory, also ensure that the resulting delimitation of the boundary accords w i t h equitable principles." 299 v g l dazu allgemein E.D. Brown, The Tunisia-Libya Continental Shelf Case. A Missed Opportunity, Mar. Policy 1983, 142-162; M.B. Feldman, The Tunisia-Libya Continental Shelf Case: Geographic Justice or Judicial Compromise?, AJIL 1983, 219238; L.L. Herman, The Court Giveth and the Court Taketh away: an Analysis of the Tunisia-Libya Continental Shelf Case, ICLQ 1984, 825-858; D.C. Hodgson, The Tuniso-Libyan Continental Shelf Case, Case W.Res.J.Int'l.L. 1984, 1-37; K. OellersFrahm, Die Entscheidimg des I G H zur Abgrenzimg des Festlandsockels zwischen Tunesien und Libyen: eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung?, ZaöRV 1982, 804-814; E. Zoller, Recherche sur les méthodes de délimitation du plateau continental à propos de l'affaire Tunisie-Libye (Arrêt du 24 février 1982), RGDIP 1982, 645-678; ferner Y. Ben Achour, JDI 1983, 247-292; D.R. Christie, Ga.J.Int'l.&Comp.L. 1983, 1-30; M. Sonenshine, Harv.Int'l. L.J. 1983, 225-236; W. Wengler, NJW 1982, 11981199. 300 ICJ Rep. 1982, p. 59, para. 70.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
207
Daraus w i e d e r u m zieht der I G H die Schlußfolgerung, der B e g r i f f der „equitable principles"
sei n i c h t a b s t r a k t b e s t i m m b a r , v i e l m e h r
„ . . . it refers back to the principles and rules which may be appropriate i n order to achieve an equitable result." 3 0 1 D e r Gulf of Maine
F a l l 3 0 2 unterscheidet sich v o n den vorstehenden E n t -
scheidungen des I G H dadurch, daß die Parteien - die U S A u n d K a n a d a - die K a m m e r u m eine Grenzziehung ersucht hatten, die a n w e n d b a r sein sollte „ . . . to all aspects of jurisdiction of the coastal State, not only jurisdiction as defined by international law in its present state, but also as i t w i l l be defined i n future." 3 0 3 Insbesondere sollte die K a m m e r eine einheitliche Grenze s o w o h l f ü r den Festlandsockel als auch f ü r die Fischereivorbehaltszonen der Parteien ziehen. I n den Entscheidungsgründen bezeichnet die K a m m e r die A b g r e n z i m g v o n Seegebieten z w a r als eine „legal-political
operation "304,
k o m m t aber i n
Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t den vorangegangenen Entscheidungen z u dem Ergebnis, die A b g r e n z u n g müsse „ . . . to be effected by application of equitable criteria and by the use of practical methods capable of ensuring, w i t h regard to the geographic configuration of the area and other relevant circumstances, an equitable result." 3 0 5
301
Ebenda. 302 v g l d a z u allgemein E. Decaux, L'arrêt de la Chambre de la Cour internationale de Justice sur l'affaire de la délimitation de la frontière maritime dans le Golfe du Maine (Canada/Etats Unis). Arrêt du 12 octobre 1984, AFDI1984, 304-339; J. Schneider, The Gulf of Maine Case: the Nature of an Equitable Result, AJIL 1985, 539-577; L.E. Clain, Gulf of Maine - a Disappointing First in the Delimitation of a Single Maritime Boundary, Va.J.Int'l.L. 1985, 521-620; L.M. Legault/B. Hankey, From Sea to Seabed: the Single Maritime Boundary i n the Gulf of Maine Case, AJIL 1985, 961-991; J. Cooper, Delimitation of the Maritime Boundary i n the Gulf of Maine Area, ODILA 1986,59-90; D. Pharand, Delimitation of Maritime Boundaries: Continental Shelf and Exclusive Economic Zone, i n the Light of the Gulf of Maine Case, Canada v. U.S.A. (1984), Rev.Générale de Droit 1985, 363-386; T.L. McDorman/Ph.M. Saunders/D.L. VanderZwaag, The Gulf of Maine Boundary -Dropping Anchor or Setting a Course?, Mar.Policy 1985, 90-107; E. Collins Jr. /ΜΛ . Rogoff, The Gulf of Maine Case and the Future of Ocean Boundary Delimitation, Maine L.Rev. 1986,1-48; ferner anschaulich zum Streitstand zwischen den Parteien vor der Entscheidung der Kammer D.M. McRae, Proportionality and the Gulf of Maine Maritime Boundary Dispute, Can.Yb. Int'l.L. 1981, 287-302; M.B. Feldman/D.A. Colson, Maritime Boundaries of the United States, AJIL 1981, 729-763; G.O. Nied, International Adjudication: Settlement of the United States-Canada Maritime Boundary Dispute, Harv.Int'l.L.J. 1982,138-143. 303
ICJ Rep. 1984, p. 267, para. 26. Ebenda, p. 277, para. 56. 305 Ebenda. Zu beachten ist, daß sich die Kammer bei der Feststellung der „equitable criteria" in Anbetracht des Antrags der Parteien, eine Grenzlinie zu ziehen, die alle Aspekte küstenstaatlicher Hoheitsgewalt berücksichtigen sollte, vor Schwierigkeiten gestellt sah, die sie wie folgt beschreibt (ebenda, p. 299, para. I l l ) : „ . . . especially i n a new and still unconsolidated field like that involving the quite recent extension of the claims of States to areas which were until yesterday zones of high seas, (it is unrewarding) to look to general international law to provide a ready-made set of rules that can be used for solving any delimitation problems that arise." 304
208
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Das Schiedstribunal im Streitfall um die Abgrenzimg von Seegebieten zwischen Guinea und Guinea-Bissau 306 stand vor der Aufgabe, nicht nur den Festlandsockel, sondern auch die exklusiven Wirtschaftszonen (EEZ) sowie die Küstengewässer der beiden Parteien voneinander abzugrenzen. Es wies daher zunächst - wie auch die Kammer im Gulf of Maine F a l l 3 0 7 - darauf hin, daß „ . . . international customary law can provide, i n a matter like that of the present Award ,only a few basic principles, which lay down guidelines to be followed w i t h a view to reaching an essential objective'." 3 0 8
Seine Hauptaufgabe sah das Tribunal aber ebenfalls darin, nach Maßgabe der „relevant rules relating to the law of the sea" 3 0 9 eine „equitable solution " zu finden „ . . . w i t h reference to the provisions of Article 74, paragraph 1, and Article 83, paragraph 1, of the Convention of 10 December 1982 on the Law of the Sea. This is a rule of international law which is recognized by the Parties and which compels recognition by the Tribunal." 3 1 0
Wenngleich die Bezugnahme auf die Vorschriften der Art. 74 Abs. 1 und 83 Abs. 1 SRK angesichts der hier vertretenen Einschätzung dieser Vorschriften 3 1 1 nicht unbedingt überzeugt und wohl darin begründet liegt, daß die Parteien dieses Verfahrens darauf ausdrücklich hingewiesen hatten, so ist doch die Übereinstimmung des Tribunals mit den anderen genannten Entscheidungen im Hinblick auf das Völkergewohnheitsrecht der Abgrenzung nicht zu übersehen. Schließlich hat auch der IGH selbst - diesmal für einander gegenüberliegende Staaten - im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta aus dem Jahre 1985 312 unter Bezugnahme auf eben jene Entscheidungen ausgeführt: „Judicial decisions are at one - and the Parties themselves agree . . . - in holding that the delimitation of a continental shelf boundary must be effected by the application of equitable principles i n order to achieve an equitable r e s u l t . . . . I t is . . . the 306 v g l dazu allgemein E. David , La sentence arbitrale du 14 février 1985 sur la délimitation de la frontière maritime Guinée - Guinée Bissau, AFDI1985, 350-389; Ν. Kingue, La sentence du 14 février 1985 du Tribunal d'arbitrage dans l'affaire de la délimitation de la frontière maritime entre la Guinée et la Guinée-Bissau, RGDIP 1987, 45-82; D.J. Attard , Exclusive Economic Zone, S. 244 ff. 307 ICJ Rep. 1984, p. 290, para. 81. 308 Ebenda, para. 88. 309 Ebenda, para. 87. 310 para. 88. 311 Vgl. dazu oben 3. Teü Β. 1. Abschnitt Π. 2. c) bb) (2). 312 Vgl. dazu allgemein E. Decaux, L'arrêt de la Cour internationale de Justice dans l'affaire du plateau continental (Libye/Malte). Arrêt du 3 juin 1985, A F D I 1985, 294323; B. Conforti , L'arrêt de la Cour internationale de Justice dans l'affaire de la délimitation du plateau continental entre la Libye et Malte, RGDIP 1986, 313-343; Z. Wlosowicz , The Malta/Libya Case: Shelf Delimitation by the Distance Principle and How to Influence Decisions without Intervening, The Cambridge Law Journal 1985, 341-345.
Β . 1. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung i m allgemeinen
209
goal - the equitable result - and not the means used to achieve it, that must be the primary element.. . " 3 1 3
Das Schrifttum hat hinsichtlich der 1969er Entscheidung K r i t i k an der oberflächlichen Methode des IGH geübt, den Gewohnheitsrechtscharakter der anwendbaren „equitable principles " nachzuweisen. 314 Einerseits habe der IGH große Mühe aufgewandt, die gewohnheitsrechtliche Geltung der Äquidistanzmethode abzulehnen, andererseits habe er zur Bejahimg der Geltung der „equitable principles" bei weitem weniger Sorgfalt walten lassen. 315 Diese K r i t i k an der Entscheidung in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen ist zweifellos berechtigt. Dennoch kann dies nicht dazu führen, die „Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zur Erreichung eines billigen Ergebnisses" als irrelevant einzuordnen. Zum einen darf nicht übersehen werden, daß nicht nur der IGH, sondern auch Schiedsgerichte ebenso wie andere Organe 316 , die mit der Abgrenzung von Seegebieten befaßt worden sind, seit den Nordsee-Festlandsockel-Fällen daran festgehalten haben. Nicht zuletzt aus diesem Grunde w i r d diese K r i t i k in jüngster Zeit auch nicht mehr geäußert. Vielmehr werden diese „Anforderungen" an die Festlandsockelabgrenzung als gegeben akzeptiert. 317 Zum anderen hat die „equitable delimitation" auch Eingang in die 1982er SRK gefunden, weil alle Staaten davon ausgegangen sind, ihre Rechtsposition habe in den Abgrenzungsvorschriften Niederschlag gefunden. 318 Es mag unbefriedigend 313
ICJ Rep. 1985, p. 38 f., para. 45. A. Reynaud, Les différends du plateau continental de la mer du Nord devant la Cour Internationale de Justice, S. 164: „On retiendra du bref examen de ces actes unilatéraux se référant au principe de l'équité, qu'ils sont peu nombreux au regard du nombre d'Etats disposant d'un plateau continental."; T. Rothpfeffer, Equity in the North Sea Continental Shelf Cases, Nord.T.for Int.Ret 1972, 81-137 (101): „ . . . the evidence that can be adduced for the existence of opinio iuris concerning the rule of equity is neither quantitatively, nor qualitatively sufficient ... the material basis of the ,rule of equity' was insufficiently established by the ICJ."; ähnlich Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 394 f.; E.D. Brown, Hydrospace, S. 52: „ . . . even the early series of proclamations . . . adds nothing to the generality of the language of that (Truman) Proclamation . . . What may be disputed is the Court's interpretation of »equitable principles' and these unilateral acts offer no guidance on this question." 315 So insbesondere J. Lang, Plateau continental, S. 129: „Pour prouver le caractère coutumier du principe (de l'équidistance), la Cour ne se livre pas à un examen méthodique de la pratique . . . on ne peut manquer d'être frappé par la disproportion existant entre l'effort consacré à contester la thèse néerlandaise et danoise concernant le caractère coutumier de l'équidistance et l'absence d'une démonstration véritable apte à établir avec certitude l'existence d'un principe de délimitation équitable." ; vgl. auch ebenda S. 153. 316 So etwa die Jan Mayen Kommission für die Festlandsockelabgrenzung zwischen der norwegischen Insel Jan Mayen und Island, I L M 1981, 797-842; vgl. dazu E. Gounaris, AVR 1983, 492-501; R.R. Churchill, Maritime Delimitation m the Jan Mayen Area, Mar.Policy 1985, 16-38. 317 Vielmehr bezieht sich die K r i t i k heute auf das Verständnis des I G H von der Billigkeit. Dazu im einzelnen sogleich unter IV; vgl. auch die dortigen Nachweise. 318 Vgl. dazu oben 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 2. c) bb) (1). 314
1
H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
210
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
sein, daß - wie Richter Mosler es in seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta formuliert ,,[F]orty years of development of international law regarding the delimitation of maritime areas . . . have not yet brought about more concrete legal principles and rules on this matter than the maxim that delimitation is to be effected in accordance w i t h equitable principles and taking account of all relevant circumstances, so as to arrive at an equitable result." 3 1 9
Wenn aber der Konsens der Staatengemeinschaft lediglich diese Erkenntnis zuläßt, so bleibt dem Völkerrechtler nur noch die Möglichkeit, dies so hinzunehmen. ΙΠ. Ergebnis Weder die Staatenpraxis noch die beiden multilateralen seevölkerrechtlichen Verträge sind geeignet, als solche Aufschluß über das Völkergewohnheitsrecht der Festlandsockelabgrenzung zu geben. Aus der mittlerweile umfangreichen Judikatur zur Abgrenzung von Seegebieten folgt aber, daß diese Materie nicht vollends ungeregelt ist. Vielmehr hat die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zu erfolgen, um zu einem billigen Ergebnis zu gelangen.
2. Abschnitt: Billigkeit i m Völkerrecht und Prinzipien der Billigkeit bei der Festlandsockelabgrenzung Eine ganz andere Frage ist es, ob es sich bei der „Maxime", die Abgrenzimg habe nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zu erfolgen, überhaupt um Recht in Form einer Regel oder eines Prinzips im o. g. Sinne handeln kann. Entsprechend dem oben Gesagten1 kann eine Regel dergestalt sein, daß sie die Anwendung bestimmter Prinzipien verbindlich vorschreibt. Das setzt jedoch grundsätzlich voraus, daß diese Prinzipien von vornherein feststehen. Bei der Festlandsockelabgrenzung scheint diese Voraussetzung nicht erfüllt zu sein, da anscheinend die genannten Prinzipien der Billigkeit erst dann bestimmt werden können, wenn sie sich im Lichte des Einzelfalles als geeignet zur Erzielung eines billigen Ergebnisses darstellen. Hängt aber die Verwendung von Prinzipien von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, so stehen sie eben nicht von vornherein fest und es handelt sich nicht mehr um eine rechtlich verbindliche Regel. Zweifel am „Regel"-Charakter der „Maxime" scheinen aber auch angesichts der Verwendung des 3 9 1
*
ICJ Rep. 1985, p. 114. Vgl. oben 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 1.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
211
Begriffs „ B i l l i g k e i t " gerechtfertigt z u sein. S o l l es sich dabei u m eine v o m Recht losgelöste allgemeine Gerechtigkeitserwägung
handeln, so w ä r e
schon aus diesem G r u n d e das Vorliegen einer Regel f ü r die Festlandsockelabgrenzung z u verneinen. I. Billigkeit i m Völkerrecht U m die soeben aufgeworfenen Fragen b e a n t w o r t e n z u können, bedarf es zunächst einer E r l ä u t e r u n g des Begriffs der „ B i l l i g k e i t " i m V ö l k e r r e c h t . 2 W ä h r e n d m a n t r a d i t i o n e l l den B e g r i f f der B i l l i g k e i t i m V ö l k e r r e c h t i m a r i stotelischen Sinne verstand, also als K o r r e k t i v des Rechts 3 , unterscheidet die Völkerrechtslehre heute entsprechend i h r e r j e w e i l i g e n F u n k t i o n allgem e i n zwischen d r e i F o r m e n der B i l l i g k e i t : intra contra
legem, praeter
legem
und
legem*
- B i l l i g k e i t intra
legem zeichnet sich d a d u r c h aus, daß sie d e m p o s i t i v e n
Recht i m m a n e n t ist. 5 Sie d i e n t d e m Z w e c k , d u r c h B e r ü c k s i c h t i g u n g der 2 Vgl. allgemein zur Büligkeit: G. Dahm, VR I, S. 39 ff., VR II, S. 545 ff.; M.W. Janis, Equity i n International Law, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc.Inst. 7 (1984), 74-78; Ch. Rousseau, Droit International Public, Tome I, Introduction et Sources, S. 400 ff.; Ch. de Visscher, Théories et Réalités en Droit International Public, S. 391 ff.; ders., De l'équité dans le règlement arbitral ou judiciaire des litiges de droit international public; P. Reuter, Quelques reflexions sur l'équité en droit international, Rev.Belge 1980,165-186; Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 91 f.; D. Schindler, Die Schiedsgerichtsbarkeit seit 1914, S. 161 f.; K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, nach Billigkeit zu entscheiden, S. 97 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 658 f.; O. Pirotte, La notion d'équité dans la jurisprudence récente de la Cour internationale de Justice, RGDIP 1973, 92-135; L. Delbez, Les principes généraux du contentieux international; V.D. Degan, L'équité et le droit international; R. Bermejo, Place et rôle de l'équité dans le droit international nouveau, RHDI 1984, 53-83; M. Mouskheli, L'équité en droit international moderne, RGDIP 1933 I, 347-373; M. Akehurst, Equity and General Principles of Law, ICLQ 1976, 801-825; R.Y. Jennings, Equity and Equitable Principles, Schw.J.Int.R. 1986, 27-38; S. Bilge, Le nouveau rôle des principes équitables en droit international, in: Festschrift für Bindschedler, Bern 1980, S. 105-127; ferner zur „equity" im Seevölkerrecht sowie bei der Grenzziehung: E.G. Bello, International Equity and the Law of the Sea, VRÜ1980,201-212; M.D. Blecher, Equitable Delimitation of Continental Shelf, AJIL 1979, 60-88; D. Bardonnet, Equité et frontières terrestres, in: Mélanges offerts à P.Reuter, Paris 1981, S. 35-74; A. El Kadiri, Le rôle de l'équité dans le règlement des différends de limites (terrestres et maritimes), RJPEM 1982, 83-109; St. Beaglehole, The Equitable Delimitation of the Continental Shelf, VUWLR 1984, 415-442; T. Rothpfeffer, Equity i n the North Sea Continental Shelf Cases, Nord.T.I.R. 1972, 82-137; M. Miyoshi, The Role of Equitable Principles in the Delimitation of Maritime Boundaries, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 42-46; L.D.M. Nelson, Equity and the Delimitation of Maritime Boundaries, Rev.iranienne des relations internationales 1978, 197-218; S. Rhee, Equitable Solutions to the Maritime Boundary Dispute between the United States and Canada in the Gulf of Maine, AJIL 1981, 590-628. 3 M.W. Janis, Enc.Inst 7, S. 74. 4 Vgl. statt vieler M.W. Janis, Enc.Inst. 7, S. 75. Gegen diese Unterscheidimg aber L. Delbez, Les principes généraux, S. 92 ff.(96); Ch. De Visscher, De l'équité, S. 12. 5 Vgl. dazu etwa R. Bermejo, RHDI 1984, 65. Im Division of the Waters from the Meuse Case (PCIJ Ser.A/B, No.70, p.76 f.) hat Richter Hudson dazu ausgeführt: „What 14*
212
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
besonderen Umstände des Einzelfalles Rechtshärten zu mildern. 6 So eröffnet Billigkeit in diesem Sinne die Möglichkeit, zwischen mehreren Auslegungsalternativen diejenige zu wählen, die den Besonderheiten des konkreten Streitfalles sowie der Situation der Parteien unter Abwägung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten am besten gerecht wird. 7 Die Anwendbarkeit einer derart verstandenen Billigkeit wird durch den durch das Recht vorgegebenen Rahmen bestimmt. Es handelt sich bei dieser Form der Billigkeit mithin um eine innerrechtliche, bei den beiden anderen Formen hingegen um eine außerrechtliche Billigkeit. 8 - Billigkeit praeter legem hat vorrangig eine lückenfüllende Funktion und kommt daher in Fällen zur Anwendung, in denen das Recht zu einer konkreten Frage entweder gänzlich schweigt oder nur eine unzureichende Regelung enthält. 9 Wesentlich für diese Form der Billigkeit ist, daß sie obwohl außerrechtlich - insoweit eine Bindimg zu bestehendem Recht aufweist, als sie zumindest darauf aufbaut oder dort Anleihen macht. Diese Form der Billigkeit w i r d von weiten Teilen der Völkerrechtslehre nicht anerkannt 10 , zumindest ist aber ihre Anwendbarkeit durch internationale Gerichte oder andere Völkerrechtsorgane, die zu einer Streitentscheidung nach Maßgabe des Völkerrechts berufen sind, umstritten. 11 - Schließlich kann mit Hilfe der Billigkeit contra legem, wenn das Gericht oder der sonstige Rechtsanwender nicht an das geltende Recht gebunden ist, bestehendes Recht aufgehoben werden oder es können dort Verpflichtungen geschaffen werden, wo solche nicht bestehen. 12 Es besteht Einigkeit darüber, daß es zur Anwendung dieser Form der Billigkeit einer besonderen Ermächtigimg des Gerichts oder des Rechtsanwenders bedarf. 13 Dementsprechend w i r d dem IGH gemäß Art. 38 Abs.2 seines Statuts die Befugnis eingeräumt, „mit Zustimmung der Parteien ex aequo et bono zu are widely known as principles of equity have long been considered to constitute a part of international law . . . the Court has some freedom to consider principles of equity as part of the international law which it must apply." 6 K. Strupp , Das Recht des internationalen Richters, S. 99 f.; M.W. Janis, Enc.Inst. 7, S. 75; R. Bermejo, RHDI 1984, 65 f.; St. Beaglehole, VUWLR 1984, 417. 7 D. Schindler, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 161; M.W. Janis, Enc.Inst. 7, S. 75; K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, S. 100 f.; vgl. ferner M. Mouskheli, RGDIP 1933 I, 365 f.: „Si l'équité ne peut pas aller contre les règles positives du droit international, du moins servira-t-elle, soit pour en préciser le sens lorsqu'il est douteux, soit pour les interpréter." 8 Zu dieser Unterscheidung vgl. statt vieler Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 658. 9 M.W. Janis, Enc.Inst. 7, S. 75; St. Beaglehole, VUWLR 1984, 417; R. Bermejo, RHDI 1984, 66. 10 Vgl. dazu etwa die Nachweise bei St. Beaglehole, VUWLR 1984, 417. 11 Dazu sogleich. 12 Vgl. die vorstehenden Nachweise. 13 So schon der StIGH im Free Zones Fall, PCIJ Ser.A, No.24, p. 10: „ . . . such power . . . could only be derived from a clear and explicit provision to that effect . . .".
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
213
entscheiden". Keine rechte Einigkeit besteht demgegenüber hinsichtlich der Anforderungen an eine solche Entscheidung, wenn das Gericht beispielsweise durch die Parteien zur Anwendimg der Billigkeit contra legem ermächtigt worden ist. Der StIGH ging im Free Zones Fall davon aus, die Billigkeit contra legem beinhalte ein „ . . . disregarding (of) rights recognised by (the Court) and taking into account considerations of pure expediency . . . (which involves) departing from strict l a w . " 1 4
Richter Kellog meinte in eben dieser Entscheidimg, Billigkeit contra legem erfordere die Anwendung von „ . . . principles of equity and justice i n the broader signification of this latter word." 1 5
Demgegenüber fordern Teile des Schrifttums, die Befugnis zur Anwendung der Billigkeit contra legem müsse in Beziehung gesetzt werden zu den gerichtlichen Aufgaben sowie den anerkannten Methoden der Streitbeilegung. Die Befugnis sei dann nicht unbegrenzt und die jeweilige Entscheidung müsse, wenn sie denn contra legem ergehe, objektiv sein und vernünftig begründet werden. 16 Abgesehen davon, daß diese Diskussion angesichts der fehlenden Spruchpraxis eher akademischer Natur sein dürfte, so ist doch beiden Auffassungen gemein, daß sie für jede der Streitparteien eine gerechte und faire Entscheidung fordern. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß internationale Gerichte oder andere Völkerrechtsorgane nicht an einer Streitentscheidung nach Billigkeit intra legem gehindert sind; denn die ihnen eingeräumte Befugnis, nach geltendem Recht zu entscheiden, schließt die Befugnis ein, die diesem Recht immanente - die innerrechtliche - Billigkeit anzuwenden. 17 Mithin versteht sich die Anwendbarkeit der rechtsakzessorischen Billigkeit, d. h. die Harmonisierung von Rechtsnorm und Tatbestand unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, von selbst, ohne daß es dazu einer besonderen Befugnis bedarf. 18 Ebenso klar ist, daß eine Entscheidung nach Billigkeit contra legem nur in Betracht kommt, wenn die Streitparteien diese Befugnis ausdrücklich eingeräumt haben. 19 Noch nicht behandelt wurde die in der Völkerrechtslehre umstrittene Frage, ob es zur Anwendung der anderen Form der außerrechtlichen Billig14
Ebenda, pp. 10 u. 15. Ebenda, p. 40. 16 So H. Lauterpacht, The Development of International Law by the International Court, London 1958, S. 213 ff.; M.O. Hudson, The Permanent Court of International Justice 1920-1942, New York 1943, S. 620. 17 G. Dahm, VR II, S. 546. 18 So wohl auch K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, S. 106. 19 Vgl. etwa M.W. Janis, Enc.Inst. 7, S. 76; K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, S. 105, 107. 15
214
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
keit, der Billigkeit praeter legem, ebenfalls einer besonderen Befugnis bedarf. 20 I m völkerrechtlichen Schrifttum w i r d zum Teil die Auffassimg vertreten, daß „ . . . une analyse fonctionnelle des pouvoirs conférés au juge par le compromis ou par le Statut de la Coin· permette de soutenir la théorie selon laquelle le juge a des ,pouvoirs implicites' résultant de la fonction même qui lui a été dévolue." 21
Neben dieser Auffassung, die in der Befugnis zum Ausfüllen rechtlicher Lücken eine „pouvoir judiciaire implicite" 22 sieht, hat ζ. Β. auch Richter Ammoun in seiner Separate Opinion zu den Nordsee-Festlandsockel-Fällen die Frage aufgeworfen: „ . . . n'est-en pas en droit de conclure, au terme de rémunération des actes internationaux se référant à l'équité, que ces actes constituent des applications du principe général de droit qui autorise le recours à l'équité praeter legem pour une meilleure mise en oeuvre des principes et des règles de droit?" 2 3
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Es mag sein, daß die einem innerstaatlichen Gericht eingeräumten Kompetenzen die Befugnis umfassen, Lücken i m Recht zu füllen, wenngleich auch dies - jedenfalls im nicht-anglo-amerikanischen Rechtsraum - im Hinblick auf das sogenannte „Richterrecht" nicht gänzlich unumstritten ist. 2 4 Internationalen Gerichten ist eine derartige Befugnis jedenfalls nicht a priori gegeben. Sie haben das geltende Recht anzuwenden, indem sie es unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln auslegen. Dabei können sie etwa im Rahmen der teleologischen Auslegungsmethode eine Norm extensiv auslegen oder im Wege eines erst recht-Schlusses auf einen nicht eindeutig erkennbaren Konsens der Völkerrechtssubjekte schließen, die an der Entstehimg dieses Rechts beteiligt waren. I n jedem Fall müssen sich die internationalen Gerichte innerhalb des durch dieses Recht vorgegebenen Rahmens halten und dürfen ihr subjektives Rechtsempfinden nicht an die Stelle des Konsenses der Völkerrechtssubjekte setzen.25 20
Eine Übersicht über die verschiedenen Auffassungen gibt V.D. Degan, L'équité et le droit international, S. 30 ff. 21 So R. Bermejo, RHDI 1984, 67; vgl. ferner L. Delbez, Les principes généraux, S. 480 f. 22 Ebenda. 23 ICJ Rep. 1969, p. 141. 24 Vgl. dazu für den deutschen Rechtsraum die umfassende Darstellung von J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, Berlin 1975. 25 So ausdrücklich auch der I G H im Süd-West Afrika Fall, ICJ Rep. 1966, p. 48 f., paras. 89, 91 f.: „As is implied by the opening phrase of Article 38, paragraph 1, of its Statute, the Court is not a legislative body. Its duty is to apply the law as it finds it, not to make i t . . . . I t may be urged that the Court is entitled to engage i n a process of »filling i n the gaps', in the application of a teleological principle of interpretation, according to which instruments must be given their maximum effect in order to ensure the achievement of their underlying purposes. The Court need not here enquire into the scope of a principle the exact baring of which is highly controversial, for it is clear that it can have no application i n circumstances i n which the Court would have
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
215
Π. Billigkeit in der internationalen Judikatur der Abgrenzung von Seegebieten Fraglich ist nunmehr, welche Form der Billigkeit nach der internationalen Judikatur und damit indirekt auch nach den Vorschriften der 1982er SRK der Festlandsockelabgrenzung zugrunde liegt. Angesichts der vorstehenden Ausführungen steht fest, daß internationale Gerichte nur die Billigkeit intra legem anwenden dürfen. Fehlt es - wie in allen aufgeführten Fällen - an einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Parteien, ist die Anwendimg jeglicher außerrechtlichen Billigkeit ausgeschlossen. 1. Kritik der Literatur
In Teilen des völkerrechtlichen Schrifttums w i r d der internationalen Judikatur aber gerade vorgeworfen, Entscheidungen jenseits des Rechts und ex aequo et bono, als Auslegung kaschiert, getroffen zu haben. 26 Einige Autoren begrüßen die Entscheidungen im Ergebnis 27 , kritisieren ζ. T. aber die Art und Weise deren Zustandekommens 28 oder sehen sich i n ihrer Ansicht bestätigt, die Festlandsockelabgrenzung sei eine nicht justiziable Angelegenheit. 29 Grisel meint, daß die Prinzipien der Billigkeit (und das Konzept der „natural prolongation ") „ . . . do not as such provide any practical method for the drawing of boundary lines . . . I n other words, the two basic ideas formulate the goal rather than the means to reach i t . " 3 0
Er kommt daher zu dem Ergebnis, daß es an einem grundlegenden Recht der Festlandsockelabgrenzung fehle. Darin sieht er aber kein Problem, da to go beyond what can reasonably be regarded as being a process of interpretation, and would have to engage i n a process of rectification or revision. Rights cannot be presumed to exist merely because it might seem desirable that they should. . . . the Court cannot remedy a deficiency if, i n order to do so, it has to exceed the bounds of normal judicial action. . . . It may also be urged that the Court would be entitled to make good an omission resulting from the failure of those concerned to foresee what might happen . . . The Court cannot however presume what the wishes and intentions of those concerned would have been in anticipation of events that were neither foreseen nor foreseeable." 26 Vgl. etwa U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 512-567; Κ. Marek, Le problème des sources du droit international dans l'arrêt sur le plateau continental de la mer du nord, Rev.Belge 1970, 392 ff.; W. Friedmann, The North Sea Continental Shelf Cases - A Critique, AJIL 1970, 232 ff.; E. Zoller, RGDIP 1982, 645 ff.; J.-P. Quéneudec, A F D I 1981, 203 ff.; E. Decaux, A F D I 1982, 357 ff.; E.D. Brown, Hydrospace, S. 70 f. 27 So etwa E. Grisel, The Lateral Boundaries of the Continental Shelf and the Judgement of the International Court of Justice i n the North Sea Continental Shelf Cases, AJIL 1970, 564 ff.; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 391 ff. 28 So Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 395 f. 2 » So E. Grisel, AJIL 1970, 590. 30 Ebenda, 589.
216
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
,,[T]here are several reasons why the determination of lateral boundaries on the shelf is not a justiciable question, i n the sense that no legal rule is capable of resolving i t . . . . the matter is of a considerable complexity... The geographical and geological factors vary so greatly from one to another, that no single general principle could hardly take all the possible circumstances into a c c o u n t . . . I n fact, no such rule has been discovered as yet." 3 1 Rüster scheint die E n t s c h e i d u n g des I G H i n den Nordsee-FestlandsockelF ä l l e n i m Ergebnis ebenfalls i m außerrechtlichen Bereich anzusiedeln, da er - w e n n g l e i c h er der A n w e n d u n g der „ e q u i t a b l e p r i n c i p l e s " g r u n d s ä t z l i c h z u s t i m m t - a u s d r ü c k l i c h die „ w i l l k ü r l i c h erscheinende A u s w a h l der z u berücksichtigenden K r i t e r i e n " b e m ä n g e l t . 3 2 Marek
gelangt b e i der B e u r t e i l u n g der „application des principes
équita-
bles" d u r c h den I G H i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen z u der Feststellung: „L'exégèse d'un tel texte se révèle un jeu intellectuel d'ime stérilité totale. I l vaut mieux revenir à la rigueur et à la simplicité qui est celle d'un Charles De Visscher, d'un Max H u b e r . . . pour arriver à une conclusion toute simple: ayant refusé d'appliquer au litige le principe d'équidistance à titre conventionnel ou à titre coutumier, la Cour fait droit à la demande de l'Allemagne de renvoyer les parties aux négociations en vue de réalisier un accord, et elle leur recommende de se laisser guider dans ces négociations par des considérations d'équité." 33 Klemm
sieht i n den „equitable principles"
allenfalls
„ . . . ein Kriterium zur Beurteilung einer Abgrenzung..., wobei die Elemente dieses Kriteriums äußerst vage bleiben." 3 4 Aus d ê m Schiedsurteil i m K a n a l - F a l l zwischen dem Vereinigten K ö n i g r e i c h u n d F r a n k r e i c h e t w a ließen sich keine allgemeinen A u s f ü h r u n g e n über den I n h a l t v o n „equitable principles"
entnehmen, w e n n m a n v o n der B e r ü c k -
s i c h t i g u n g der j e w e i l i g e n geographischen S i t u a t i o n absehe. D a n n aber - so Klemm
- handele es sich
„ . . . hier nicht mehr um den normalen Fall der fallbezogenen Auslegung eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs . . . , sondern . . . die Norm (werde) jeweils durch die Fallgestaltung bestimmt.. , " 3 5 S e l y v i e l härter f o r m u l i e r t Friedmann
seine K r i t i k an der E n t s c h e i d u n g i n
den Nordsee-Festlandsockel-Fällen : „ . . . by rejecting the criteria laid down i n the convention and other documents, the Court, in effect, was giving a decision ,ex aequo et bono', under the guise of interpretation. The Court applied a kind of distributive justice while denying that it was doing so." 3 6 31
Ebenda, 590. Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 395 f. 33 K. Marek, Le problème des sources du droit international dans l'arrêt sur le plateau continental de la mer du nord, Rev.Belge 1970, 392 ff. 34 U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 539. 35 Ebenda, 557. 32
217
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
Insbesondere z u der besonderen B e r ü c k s i c h t i g u n g der k o n k a v geformten K ü s t e der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d d u r c h den I G H m e i n t
Friedmann:
„But then the most equitable alternative would appear to have been to recognize the relatively limited inequality stemming from the concave curvature of the coast of West Germany, as one of the thousands of inequalities of nature, which have been magnified by the division of the planet into some hundred and thirty sovereign national states of very unequal size and wealth. It cannot even be said that the correction of this particular accident of nature was a kind of Robin Hood Justice. For the Court's delimitation benefited, as it happened, the biggest and wealthiest of the three states concerned." 37 D a sich n i c h t d u r c h Regeln b z w . P r i n z i p i e n b e s t i m m e n lasse, was „ b i l l i g " sei, werde dies - so Zoller - i n t u i t i v festgestellt u n d die verschiedenen P r i n z i p i e n w ü r d e n d a n n erst ausgewählt, u m die E n t s c h e i d u n g ex post facto z u rechtfertigen. Sie k o m m t daher z u der Schlußfolgerung, Abgrenzungsregeln existierten n i c h t , so daß die Festlandsockelabgrenzung n i c h t m e h r eine rechtliche O p e r a t i o n sei, sondern „ u n e affaire
d'espèce" .3S Ebenso
Decaux,
der m e i n t : „ . . . c'est une manière de dire que la fin justifie les moyens, et de parer du terme d'équité ce qui n'est peut être qu'une solution de compromis. Une telle demarche est d'ailleurs familière aux juges inernationaux qui partent souvent du résultat à obtenir pour trouver ensuite les arguments propres à étayer ce choix." 3 9 Brown
m e i n t z u r A u s l e g u n g des Begriffs der „equity"
d u r c h den I G H ,
diese „ . . . would seem to deprive the law on delimitation of the continental shelf between adjacent States of a reasonable measure of certainty, and to open the door to abusive and vaxatious litigation i n other parts of the world. I t is moreover less than clear that reference to the »factors' enumerated by the Court w i l l guarantee a fair delimitation." 4 0 2. Verständnis der Judikatur Diese K r i t i k w i r d teilweise d u r c h den I G H selbst bestätigt, w e n n er e t w a ausführt: „The principles to be indicated by the Court have to be selected according to their appropriateness for reaching an equitable result. From this consideration it follows that the term »equitable principles' cannot be interpreted i n the abstract; it refers back to the principles and rules which may be appropriate i n order to achieve an equitable result." 4 1 36
W. Friedmann, AJIL 1970, 236. Ebenda, S. 240. 38 E. Zoller, RGDIP 1982, 645 ff. (656, 676 f.); vgl. auch J.-P. Quéneudec, A F D I 1981, 203 ff. (212). 39 E. Decaux, A F D I 1982, 357 ff. (372). 40 E.D. Brown, Hydrospace, S. 70 f. 41 ICJ Rep. 1982, p. 59 f., para. 70. Vgl. zum Verständnis des IGH O. Pirotte, RGDIP 1973,92-135. 37
218
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Dies würde i n der Tat zu der Schlußfolgerung berechtigen, daß es sich bei der Festlandsockelabgrenzung und der dazugehörigen Bestimmung der Prinzipien der Billigkeit immer nur um Einzelfallentscheidungen handelt und die in Bezug genommene Billigkeit eine außerrechtliche ist. Trotz der soeben zitierten Passage aus dem Festlandsockel Fall zwischen Timesien und Libyen wollte der IGH ganz offensichtlich aber nicht von einer außerrechtlichen Billigkeit ausgehen. Vielmehr hat er immer betont, seine Entscheidungen nach Maßgabe des Rechts und eben nicht ex aequo et bono getroffen zu haben. Bereits in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen hat der IGH zu dieser Frage ausgeführt: „On a foundation of very general precepts of justice and good faith, actual rules of law are here involved which govern the delimitation of adjacent continental shelves - that is to say, rules binding upon States for all delimitations; - i n short, it is not a question of applying equity simply as a matter of abstract justice, but of applying a rule of law which itself requires the application of equitable principles, i n accordance w i t h the ideas which have always underlain the development of the legal régime of the continental shelf in this field . . . " 4 2
Das Recht bzw. die anwendbare Regel soll demnach darin bestehen, Prinzipien der Billigkeit anzuwenden. Das als solches reicht nach dem oben Gesagten jedoch nicht aus, um hier davon ausgehen zu können, es existiere ein Recht, welches für alle Festlandsockelabgrenzungen gelte. Hinzukommen muß vielmehr, daß die anzuwendenden Prinzipien der Billigkeit von vornherein - jedenfalls teilweise - feststehen. Eine solche allgemeine Bestimmung der Prinzipien der Billigkeit nimmt der IGH in den NordseeFestlandsockel-Fällen jedoch nicht vor, was u. a. darin begründet liegt, daß er von den Parteien im Ergebnis nicht um eine Streitentscheidung, sondern letztlich nur um ein Rechtsgutachten ersucht worden war. Vielmehr verweist er auf die Pflicht, durch vernünftige Verhandlungen zu einer Vereinbarung zu gelangen, bei welcher den Besonderheiten des Falles Rechnung zu tragen sei. 43 Wenngleich der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen die Gelegenheit gehabt hätte, einige der für alle Abgrenzungen geltenden Prinzipien zu bestimmen, begnügte er sich auch in diesem Fall mit recht allgemein gehaltenen Ausführungen zur Billigkeit: „Equity as a legal concept is a direct emanation of the idea of justice. The Court whose task it is by definition to administer justice is bound to apply it. I n the course of the history of legal systems the term,equity' has been used to define various legal concepts. It was often contrasted w i t h the rigid rules of positive law, the severity of which had to be mitigated i n order to do justice. In general, this contrast has no parallel i n the development of international law; the legal concept of equity is a general principle directly applicable as law. Moreover, when applying positive internatio42 43
ICJ Rep. 1969, p. 46 f., para. 85. Ebenda, p. 47, para. 85.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
219
nal law, a court may choose among several possible interpretations of the law the one which appears, i n the light of the circumstances of the case, to be closest to the requirements of justice. Application of equitable principles is to be distinguished from a decision ex aequo et bono. The Court can take such a decision only on condition that the Parties agree (...), and the Court is then freed from the strict application of legal rules in order to bring about an appropriate settlement. The task of the Court in the present case is quite different: it is bound to apply equitable principles as part of international law, and to balance up the various considerations which it regards relevant in order to produce an equitable result. While it is clear that no rigid rules exist as to the exact weight to be attached to each element in the case, this is very far from being an exercise of discretion or conciliation; nor is it an operation of distributive justice." 4 4
Dennoch ist an dieser Passage bemerkenswert, daß der IGH zwischen einer Billigkeit intra legem, die der Linderung von Rechtshärten dient und - folgt man dem IGH - im Völkerrecht so nicht gelten soll, und einer Entscheidung ex aequo et bono sowie einer Entscheidimg nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit unterscheidet. Ebenso bemerkenswert ist, daß der I G H augenscheinlich die Billigkeit als allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut ansieht, der dementsprechend unmittelbar als Recht anwendbar sein soll. Diese Ausführungen als solche sind aber nicht geeignet anzuerkennen, das Gericht habe Prinzipien der Billigkeit tatsächlich als Bestandteil des Völkerrechts angewandt. 45 Allein der Hinweis, es handele sich bei diesen Prinzipien um allgemeine Rechtsgrundsätze, reicht dazu nicht aus, zumal der I G H diese Aussage selbst relativiert, indem er die Entwicklung der Billigkeit in den einzelnen Rechtssystemen von deren Ausgestaltung im Völkerrecht unterscheidet. Dies ist grundsätzlich zwar möglich, bedarf aber schon aus einem anderen Grunde keiner weiteren Kommentierung. Die Klassifizierung der Billigkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut ist nicht nur wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung dieses Begriffes in den verschiedenen Rechtsordnungen ausgeschlossen, so daß es bereits an der erforderlichen Einheitlichkeit eines solchen Grundsatzes fehlte. Vielmehr kann der Begriff der Billigkeit i m Völkerrecht nur im Zusammenhang mit der jeweils zu regelnden (Rechts-)Materie gesehen werden und zur Anwendung gelangen. Dann aber kann es sich dabei nicht um eine (subsidiäre) Völkerrechtsquelle handeln, sondern allenfalls um eine innerrechtliche Billigkeit, die also dem (primären) Völkerrecht immanent ist. Desweiteren könnte man diese Ausführungen mit Teilen des Schrifttums 46 gerade angesichts der Erkenntnis des IGH, der Begriff der „equitable principles" sei nur im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall und 44
ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 71. Wenngleich Hutchinson das letztgenannte Zitat aus dem Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen als Beleg dafür ausreichen läßt, der IGH habe, (Rechts-) Prinzipien angewandt, D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 149 f. 46 Vgl. dazu die Nachweise oben 3. Teil B. 2. Abschnitt II. 1. 45
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
das zu erzielende billige Ergebnis bestimmbar, als bloßes Lippenbekenntnis qualifizieren. Der IGH hat nimmehr im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta unter Bezugnahme auf seine Entscheidungen aus den Jahren 1969 und 1982 seine Position aber präzisiert: „Thus the justice of which equity is an emanation, is not abstract justice but justice according to the rule of law; which is to say that its application should display consistency and a degree of predictability; even though it looks w i t h particularity to the peculiar circumstances of an instant case, it also looks beyond i t to principles of more general application. This is precisely why the courts have, from the beginning elaborated equitable principles as being, at the same time, means to an equitable result i n a particular case, yet also having a more general validity and hence expressible i n general terms; for, as the Court has also said, ,the legal concept of equity is a general principle directly applicable as law'." 4 7
Wenngleich der IGH auch hier bei der Billigkeit noch von einem allgemeinen Prinzip („general principle") spricht, so ist doch anzunehmen, daß er dies wohl nicht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 (c) IGH-Statut verstanden wissen will. Vielmehr soll bei der Festlandsockelabgrenzung eine Regel gelten, die die Anwendung von Prinzipien der Billigkeit vorschreibt. Die anzuwendenden Prinzipien der Billigkeit werden nicht ausschließlich im Lichte des jeweiligen Einzelfalles bestimmt, vielmehr soll ihnen Allgemeinverbindlichkeit in dem Sinne zukommen, daß sie auch in anderen Fällen der Festlandsockelabgrenzung zur Anwendung gelangen müssen. Dann aber stellt entsprechend dem oben Gesagten48 die „Festlandsockelabgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zur Erzielung eines billigen Ergebnisses" eine Regel dar. Ebenfalls steht fest, daß es sich dann bei der Billigkeit nicht um eine außerrechtliche in Form der Billigkeit contra legem handeln kann. Wenngleich diese Schlußfolgerungen bereits aus den Entscheidungen vor 1985 hätten gezogen werden können 49 , so sind die Klarstellungen im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta - unabhängig von der soeben geübten K r i t i k - doch aus mehreren Gründen zu begrüßen. Zum einen beschreiben sie in überzeugender Weise den rechtlichen Rahmen der Festlandsockelabgrenzung. Zum anderen entsprechen sie dem, was von einem internationalen Gericht allgemein, d. h. nicht nur von den an der Einzelfallentscheidung interessierten Parteien, erwartet werden kann. Es hat nämlich das Ziel eines solchen Gerichts zu sein, das Recht unter Anwendung objektiver Kriterien zu bestimmen, so daß dessen Gehalt auch für potentielle Parteien eines zukünftigen Rechtsstreits bestimmbar ist. Andernfalls würden sich nur noch diejenigen Staaten an den IGH oder internationale Schiedsgerichte wenden, die weniger der Fähigkeit des Gerichts zur Rechts47 48 49
ICJ Rep. 1985, p. 39, para. 45. Vgl. oben 3. Teil B. 1. Abschnitt III. 1. Vgl. allein D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 136 ff.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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erkenntnis und -anwendung, sondern eher zur freien und gerechten Ermessensentscheidung Vertrauen entgegenbringen. Schließlich beseitigt die zitierte Passage ein wohl doch verbreitetes Mißverständnis, insbesondere auf Seiten von einigen Staaten der 3. Welt, vom Begriff und vom Inhalt der Billigkeit im Völkerrecht und trägt so zu einem Mehr an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei. Denn häufig wurde die Billigkeit zu dem Zweck herangezogen, um die Forderung nach einem Ausgleich für gewisse Nachteile zu rechtfertigen, die durch das Recht gar nicht ausgeglichen werden können. 50 So w i r d etwa die Billigkeit angeführt, wenn es um die Forderung geht, ein Entwicklungsland gegenüber einem weiterentwickelten zu bevorzugen 51 , obwohl das Völkerrecht gerade im Bereich der festlandsockelabgrenzung dafür keinerlei Handhabe bietet. Es mag sein, daß die Entscheidungen des IGH - auch die im Fall zwischen Libyen und Malta - unbefriedigend sind und tatsächlich - etwa wegen der Anwendung solcher Prinzipien und Kriterien, die für die Festlandsockelabgrenzung ungeeignet sind - auf eine Entscheidung ex aequo et bono hinauslaufen. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit des dogmatischen Ansatzes durch den IGH, dem aus den genannten Gründen zu folgen ist. Es bleibt somit als Zwischenergebnis festzuhalten, daß für die Festlandsockelabgrenzung zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten die Regel gilt, daß diese nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zu erfolgen hat, um ein billiges Ergebnis zu erzielen. Der Regelcharakter läßt sich allein aus dem Grunde bejahen, daß diese Prinzipien der Billigkeit nicht ausschließlich im Lichte des jeweiligen Einzelfalles bestimmt werden, sondern jedenfalls auch Allgemeinverbindlichkeit haben, mithin von vornherein feststehen. Diese hier in Bezug genommene Billigkeit ist demgemäß keine außerrechtliche in Form einer Billigkeit contra legem. Eine andere Frage ist es jedoch, welcher der o. g. Formen der Billigkeit diese Prinzipien entsprechen. Nachdem festgestellt werden konnte, daß es sich nicht um eine Billigkeit contra legem handelt, verbleiben nur noch die Billigkeit intra legem und die Billigkeit praeter legem. Für eine Einordnung in die Kategorie der Billigkeit praeter legem spricht, daß dem Normbefehl, Prinzipien der Billigkeit anzuwenden, von Natur aus ein weiter Bedeutungsinhalt zukommt. Daher ließe sich argumentieren, das auf die Festlandsockelabgrenzung anwendbare Recht enthalte eine nur unzureichende Regelung und die daraus resultierenden Lücken seien mittels der Billigkeit zu schließen. Zur Anwendung auch dieser - außerrechtlichen 50 Dieses Mißverständnis w i r d ζ. T. auch durch das völkerrechtliche Schrifttum gefördert. Vgl. etwa E.G. Bello , International Equity and the Law of the Sea, VRÜ 1980, 201-212, der i n der Billigkeit offensichtlich ein Mittel sieht, ζ. B. wirtschaftliche Defizite auszugleichen. 51 So etwa im Fall zwischen Guinea und Guinea-Bissau betreffend die Abgrenzung der Seegebiete, I L M 1986, 252-307.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
- Form der Billigkeit bedarf es nach dem oben Gesagten einer ausdrücklichen Ermächtigung des Gerichts oder des sonstigen Spruchkörpers. 52 Eine solche Ermächtigung lag jedoch keiner der genannten Entscheidungen zugrunde. Unabhängig davon ist die Schlußfolgerung, das die Festlandsokkelabgrenzung beherrschende Recht sei wegen der Inbezugnahme der Prinzipien der Billigkeit unzureichend bzw. lückenhaft, keineswegs zwingend. Vielmehr ist davon auszugehen, daß gerade wegen der Allgemeinverbindlichkeit - zumindest einiger - dieser Prinzipien 53 ein rechtlicher Rahmen besteht, innerhalb dessen sich die jeweilige Entscheidung halten muß. Dieser Rahmen ist u. U. sehr weit, von einer Lückenhaftigkeit des Rechts kann jedoch keine Rede sein. Daher verbleibt nur noch die Möglichkeit, die in Bezug genommene Billigkeit als Billigkeit intra legem zu qualifizieren. Dafür spricht, daß die Regel selbst die Anwendung von Prinzipien der Billigkeit vorschreibt. Jedoch geht der IGH von der Geltung einer dergestaltigen Billigkeit im Völkerrecht jedenfalls im Zusammenhang mit der für die Festlandsockelabgrenzung geltenden Regel gerade nicht aus. 54 Hinzu kommt, daß eine Einordnung dieser Billigkeit als Billigkeit intra legem, wie sie allgemein verstanden w i r d 5 5 , auf den ersten Blick wenig Sinn zu machen scheint. Dies würde nämlich bedeuten, daß die Abgrenzung zunächst nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit vorzunehmen ist, um sodann daraus möglicherweise resultierende Härten wiederum nach Maßgabe der Billigkeit zu lindern. Wenn aber die Regel selbst schon die Anwendimg von Prinzipien der Billigkeit vorschreibt, so schließt dies doch offensichtlich von vornherein jegliche Form der Unbilligkeit aus. Vieles scheint also dafür zu sprechen, für die bei der Festlandsockelabgrenzung anzuwendende Billigkeit eine neue Kategorie zu schaffen. Ein möglicher Weg bestünde darin, für solche Fälle, in denen das Recht selbst auf die Billigkeit verweist, eine Billigkeit sui generis in dem Sinne zu bejahen, daß diese Merkmale sowohl der Billigkeit intra legem als auch der Billigkeit praeter legem aufweist. Dieser - sicherlich bequeme und in vergleichbaren Fällen von Juristen leider allzu häufig beschrittene - Weg, bei Einordnungsschwierigkeiten neue Kategorien zu schaffen, verbietet sich aber, solange eine Einordnung in das bestehende System noch möglich ist. Daher kann auch nicht ohne weiteres der Auffassung von K. Strupp gefolgt werden, wonach eine irgendwie geartete Verweisung auf Billigkeit identisch mit dem Begehr eines Entscheids sei, der mit dem subjektiven Empfinden des Richters sowie der Gerechtigkeit in Einklang stehe. Die so verstandene 52 53 54 55
Vgl. oben 3. Teü B. 2. Abschnitt I. Vgl. ICJ Rep. 1985, p. 39, para. 45. ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 71. Vgl. dazu oben 3. Teil B. 2. Abschnitt I.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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Billigkeit bedeute - so K. Strupp - also eine, evtl. im Sinne der akzessorischen Billigkeit modifizierte Gerechtigkeit, die ja ebenso streng wie positives Recht sein könne. Diese Billigkeit sei also objektive Gerechtigkeit und subjektives Empfinden des Richters, die zusammenfallen könnten, aber nicht müßten. 56 Eine derartige Betonung des subjektiven Empfindens des Richters dürfte jedoch in einem Großteil der Fälle dem Interesse der Staaten an einer Rechtsentscheidung zuwiderlaufen und ist wohl kaum mit den Aufgaben eines Gerichts zu vereinbaren. Dies gilt auch, wenn das Gericht aufgrund des anzuwendenden Rechts verpflichtet ist, nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit zu entscheiden. Denn gerade für diesen Fall gilt: „The judicial task is to make the law more determinable by objective criteria, and thus more predictable. . . . Facts and circumstances taken into consideration must be as objective and intelligible as possible. I t is certainly not easy to define a precise criterion for this objectivity and intelligibility. . . . It is admitted that certain subjective elements in evaluating and balancing facts and circumstances can hardly be excluded. But it is the duty of the Court . . . to reduce these elements to a minimum." 5 7
Die Beantwortimg der Frage, wie die allgemeine Verweisung auf die Billigkeit rechtlich zu qualifizieren ist, muß sich zunächst an der Maxime orientieren, daß immer nur die innerrechtliche Billigkeit anzunehmen ist, wenn nicht zweifelsfrei nach außerrechtlicher entschieden werden darf. Sodann ist zu beachten, daß bei der Festlandsockelabgrenzung nicht sämtliche auf den jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Prinzipien der Billigkeit von vornherein feststehen, sondern teilweise erst im Lichte der Besonderheiten dieses Falles festgestellt werden müssen. Diejenigen Prinzipien, die wegen ihrer Allgemeinverbindlichkeit und grundsätzlichen Geeignetheit für die Abgrenzung von vornherein feststehen, sind aber keine „starren" Normen, die in keinem Fall einer Modifikation zugänglich wären. Vielmehr können die besonderen Umstände des Einzelfalls dazu führen, daß ihnen u. U. nur ein sehr geringes Gewicht bei der Entscheidung im Ergebnis zukommt. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Prinzipien, die eben erst aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles zur Anwendung gelangen können, die also nur in diesem ganz speziellen Fall als billig einzuordnen sind, in anderen Fällen aber sogar als gänzlich unbillig erscheinen können. Berücksichtigt man diese Besonderheiten, so ist es möglich, die in der für die Abgrenzung geltenden Regel in Bezug genommene Billigkeit als eine innerrechtliche im traditionellen Sinne zu verstehen. Dabei ist, um Mißverständnisse auszuschließen, zwischen einer innerrechtlichen Billigkeit im weiteren und einer solchen i m engeren Sinne zu unterscheiden. Die erstgenannte umfaßt diejenigen Prinzipien der Billigkeit, denen Allgemeinver56
K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, S. 106. So Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 114 f. 57
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
bindlichkeit zukommt. Die letztgenannte soll diejenigen Prinzipien der Billigkeit kennzeichnen, die die allgemeinverbindlichen Prinzipien der Billigkeit wegen der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles modifizieren oder gar auf ein Minimum reduzieren können, da andernfalls die Entscheidung nicht zu einem billigen Ergebnis führen würde. Es bleibt daher festzuhalten, daß die für die Abgrenzung des Festlandsockels geltende Billigkeit eine Billigkeit intra legem ist, die zum einen die Beachtung bestimmter, von vornherein feststehender Prinzipien, zum anderen all derjenigen Prinzipien und Kriterien vorschreibt, die im Lichte der Besonderheiten des Einzelfalles den rechtlich beachtenswerten Interessen der Parteien am ehesten gerecht werden. ΙΠ. Grundsätzliches zur Anwendung des Rechts der Festlandsockelabgrenzung auf den Einzelfall Aufgrund seiner Struktur ist das Recht der Festlandsockelabgrenzung notwendigerweise offen. Die anzuwendende Regel enthält keinen strikten Normbefehl dergestalt, daß ein bestimmtes Tim, Dulden oder Unterlassen bzw. eine bestimmte Entscheidung gefordert wird. Dies ist charakteristisch für Regeln, die nur die Beachtung von Prinzipien vorschreiben, und den Juristen nicht unbekannt. 58 Eine Besonderheit des Rechts der Festlandsockelabgrenzung liegt darin begründet, daß die anzuwendenden Prinzipien und das ihnen zukommende Gewicht ζ. T. erst aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles bestimmt werden können. Die damit verbundene Gefahr rein subjektiver Wertungen 59 liegt auf der Hand, w i r d von der Staatengemeinschaft aber ganz bewußt in Kauf genommen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten bestehen, wie bereits erwähnt 60 , nicht auf Seiten der Staaten, die im Wege der Verhandlungen zu einer Vereinbarung zu gelangen versuchen, sondern auf Seiten der internationalen Gerichte oder sonstigen Spruchkörper, die von den Parteien um eine Grenzziehung nach Maßgabe des Rechts - und nicht ex aequo et bono (!) - ersucht werden. Denn eine bestimmte, a priori für jede Abgrenzung feststehende Methode hält dieses Recht nicht vor. 6 1 Vielmehr kann 58
Vgl. dazu die Nachweise oben 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 1. Vgl. dazu allein Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 114 f. 60 Vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt II. 61 Ganz einhellige Meinung, vgl. etwa E. Grisel, AJIL 1970, 589; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 395 f.; E.D. Brown, Hydrospace, S. 70 f.; O. Adede, Va.J.Int'l.L. 1979, 207255; G. Appolis, Les frontières maritimes; ICJ Rep. 1982, p. 79, para. I l l ; ICJ Rep. 1985, p. 37 f., para. 43; Richter Mosler, ebenda, p. 119; ferner die Entscheidung des Tribunals vom 14. Februar 1985 im Abgrenzungs Fall zwischen Guinea und GuineaBissau, para. 102: „The method of delimitation to be used can have no other purpose than to divide maritime areas into territories appertaining to different States, while doing everything possible to apply objective factors offering the possibility of arriving 59
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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diese erst endgültig bestimmt werden, wenn die anzuwendenden Prinzipien aufgrund der als beachtenswert einzuordnenden Besonderheiten des Einzelfalles festgestellt worden sind. 62 Wenngleich das anwendbare Recht also weder der einen, noch der anderen Abgrenzungsmethode Vorrang gibt, so darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß zwischen den auf einen Rechtsstreit anwendbaren Prinzipien und Regeln und der Auswahl der jeweiligen Methode eine bestimmte Beziehung dergestalt besteht, daß diese Prinzipien und Regeln, obwohl die Auswahl der einen oder anderen Methode nicht zwangsläufig aus ihnen folgt, die Bestimmung der Methode indizieren. 63 Läßt das anwendbare Recht mehrere Methoden zu, so liegt es im Ermessen des jeweiligen Spruchkörpers, welche dieser Methoden er zur Bestimmung der Grenze heranzieht. 64 Desweiteren darf aus der Tatsache, daß die Prinzipien zum Teil erst aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles bestimmbar werden, nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, insoweit liege es im freien Ermessen des Rechtsanwenders, diese Bestimmung aufgrund aller tatsächlichen Gegebenheiten vorzunehmen. Denn ebenso wie die die Abgrenzung bestimmenden Prinzipien 65 müssen selbstverständlich auch die wiederum diese mitbestimmenden tatsächlichen Gegebenheiten eine Beziehung zu dem grundlegenden Festlandsockelkonzept auf weisen. 66 Erwägungen, die dem völkerrechtlichen Konzept des Festlandsockels fremd sind, dürfen somit nicht über die Bestimmung der auf die Abgrenzimg anwendbaren Prinzipien der Billigkeit quasi durch die Hintertür wieder eingeführt werden. 67 Ebenso selbstverständlich ist, daß der grundsätzliche Anspruch eines Küstenstaates auf einen Festlandsockel sowie alle Rechte, die ihm nach at an equitable result. Such an approach excludes any recourse to a method chosen beforehand. On the contrary, it requires objective legal reasoning and the method to be used can come only as a result of this." 62 Vgl. dazu auch D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 149 f. 63 So auch Richter Mosler, ICJ Rep. 1985, p. 119. 64 Ebenda. 65 Vgl. ICJ Rep. 1982, p. 43, para. 36: „. . . the principles and rules of international law which may be applied for the delimitation of the continental shelf areas must be derived from the concept of the continental shelf, as understood in international law."; ferner D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 134; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 551. 66 Vgl. allein ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 47: „. . . it must be borne in mind that the geography which is not to be refashioned means those aspects of a geographical situation most germane to the legal institution of the continental shelf; . . . " 67 So ausdrücklich ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 48: „ . . . although there is assuredly no closed list of considerations, it is evident that only those that are pertinent to the institution of the continental shelf as it has developed within the law, and to the application of equitable principles to its delimitation, w i l l qualify for inclusion. Otherwise, the legal concept of continental shelf could itself be fundamentally changed by the introduction of considerations strange to its nature"; vgl. ferner ebenda, p. 46 f., para. 61: „ I t seems logical. . . that the choice of the criterion and the method which it is to employ i n the first place to arrive at a provisional result should be made i n a manner consistent w i t h the concepts underlying the attribution of legal title."; sowie ebenda, p. 35, para. 39 f. 15 H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Maßgabe des Seevölkerrechts zustehen, ihm durch die Bestimmimg der Prinzipien und die daran ausgerichtete Abgrenzung nicht wieder - vollständig - entzogen werden dürfen. 68 Das durch die Festlandsockelabgrenzung zu erreichende Ziel, das billige Ergebnis, macht es daher erforderlich, nicht nur die allgemeingültigen Prinzipien der Billigkeit sowie diejenigen Umstände bzw. Faktoren herauszuarbeiten, die grundsätzlich berücksichtigt werden können. Vielmehr ist auch ihr jeweiliges Gewicht sowohl im allgemeinen wie auch im Lichte der Besonderheiten des Einzelfalles festzustellen. 69 Daraus ergibt sich gleichzeitig eine dreistufige Vorgehensweise. Zunächst müssen die allgemeingültigen Prinzipien der Billigkeit, sodann die grundsätzlich zu beachtenden Umstände und schließlich all jene Umstände festgestellt werden, die das Abgrenzungsgebiet kennzeichnen. 70 Diese letztgenannten Umstände lassen sich nicht von vornherein abschließend bestimmen 71 , sie stehen selbstverständlich aber unter dem Vorbehalt einer Beziehung zum rechtlichen Festlandsockelkonzept sowie zu der jeweiligen Abgrenzungsentscheidung. 72 Schließlich sei noch folgendes zu den grundsätzlichen Aspekten der Festlandsockelabgrenzung bemerkt. Aus den Entscheidungen des IGH bis zum Jahre 1982 wird etwa von O'Connell/ Shearer die Schlußfolgerung gezogen, daß „ . . . equity plays a subordinate role because it allows only for adjustment in the boundary, not the dividing up into areas of what is intrinsically appurtenant to neighbouring States." 73
Dies ist eine Konsequenz aus dem von diesen Autoren vertretenen Verständnis vom Begriff und von der Aufgabe der Festlandsockelabgrenzung, wonach diese nur in denjenigen Gebieten zur Anwendung gelangt, wo sich die den Küstenstaaten ipso facto und ab initio zustehenden Festlandsockel68 Diese Grundvoraussetzung hat offensichtlich auch das Tribunal im Fall zwischen Guinea und Guinea-Bissau im Auge, wenn es ausführt, ,,[I]n order for any delimitation to be made on an equitable and objective basis, it is necessary to ensure that, as far as possible, each State controls the maritime territory opposite its coast and i n their vicinity", Entscheidung vom 14. Februar 1985, para. 92. Damit w i r d - jedenfalls soweit der Festlandsockel betroffen ist - eindeutig auf das Kontiguitätsprinzip abgestellt, welches es dem Küstenstaat ja ermöglichen soll, allein und ungehindert durch andere Staaten das ihm vorliegende Seegebiet zu kontrollieren. 69 So etwa ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 72; DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 253 f. 70 Vgl. statt vieler ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 72. Letzteres wird auch deutlich durch die verschiedenen Versionen des Art. 83 SRK bis zu seiner endgültigen Fassimg, wonach nicht die „relevant" oder „special circumstances", sondern „all circumstances prevailing in the area concerned" berücksichtigt werden konnten. 71 So vor allem der I G H in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, ICJ Rep. 1969, p. 50, para. 93.: „ . . . there is no legal limit to the considerations which States may take account of for the purpose of making sure that they apply equitable procedures." 72 Vgl. dazu noch ICJ Rep. 1951, p. 126; 1969, p. 48, para. 88; Award, para. 97. 73 O'Connell/Shearer, Law of the Sea II, S. 695; ähnlich D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 134.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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rechte überschneiden. 74 Angesichts der überragenden Bedeutung, die der IGH der Billigkeit bei der Abgrenzung von Seegebieten beimißt, ist diese Einschätzung der Billigkeit als untergeordnet aber schon mehr als zweifelhaft. Die Entscheidungen des IGH - und der anderen Spruchkörper - lassen auch nicht erkennen, daß zunächst dasjenige Festlandsockelgebiet bestimmt worden wäre, welches dem einen oder dem anderen an dem Rechtsstreit beteiligten Staat in jedem Fall zustehen muß. Zwar rechnet der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta - ebenso wie in den vorangegangenen Entscheidungen - das „principle of non-encroachment by one party on the natural prolongation of the other "75 zu denjenigen Prinzipien der Billigkeit, die auf alle Abgrenzungsfälle anwendbar sein sollen. Dabei geht das Gericht offensichtlich von einem solchen, den Küstenstaaten in jedem Fall zustehenden Festlandsockelgebiet aus. 76 Dennoch findet sich in keiner der Entscheidungen eine Aussage darüber, wo dieses Gebiet enden und das Abgrenzungsrecht zur Anwendung kommen soll. Weitere Ausführungen zu dieser Frage erübrigen sich aber angesichts des Nachweises weiter oben im Zusammenhang mit dem Begriff und der Aufgabe der Festlandsockelabgrenzung 77 , wonach sich Zuteilung und Abgrenzimg von Festlandsockelgebieten jedenfalls heute nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Daher kommen das Recht der Festlandsockelabgrenzung und die dafür entscheidenden Prinzipien der Billigkeit nicht ausschließlich in einem von vornherein begrenzten Gebiet zur Anwendung. Vielmehr können sie in dem gesamten Festlandsockelgebiet zwischen den an der Abgrenzung beteiligten Staaten Rechtswirkungen entfalten. Eine Einschränkung besteht entsprechend den vorstehenden Ausführungen nur insoweit, als deren Anwendung nicht dazu führen darf, daß einer der betroffenen Staaten seiner grundsätzlichen Rechte auf einen Festlandsockel verlustig geht. In eben diesem Sinne soll im folgenden auch das „principle of non-encroachment" verstanden werden. IV. Prinzipien der Billigkeit und beachtenswerte Umstände („relevant circumstances") sowie Kriterien Einigkeit besteht über die Bedeutung des schon mehrfach in Bezug genommenen Grundsatzes, daß sich das Recht der Abgrenzung an dem grundlegenden Festlandsockelkonzept zu orientieren hat. 7 8 Unter der Geltung 74
Ebenda. ICJ Rep. 1985, p. 39 f., para. 46. 76 Vgl. dazu die Ausführungen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt II. 2. 77 Vgl. oben 3. Teü B. 1. Abschnitt I. 78 Vgl. ICJ Rep. 1982, p. 43, para. 36; ICJ Rep. 1985, p. 30, para. 27, p. 33 f., para. 34, p. 40, para. 47; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 693 ff.; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 413 f.; E.D. Brown, Hydrospace, S. 49 ff.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 551; L. Caflisch, in: Bar donnet/ Vir ally, Le nouveau droit de la mer, Paris 1984, S. 58 ff. 75
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
dieses Grundsatzes lassen sich sowohl die allgemeingültigen Prinzipien der Billigkeit als auch diejenigen Kriterien und - besonderen - Umstände herausarbeiten, die zur Bestimmung des Gewichts dieser Prinzipien sowie der anderen Prinzipien von Bedeutung sind, die nur auf den Einzelfall Anwendung finden können. 1. Die (allgemeingültigen) Prinzipien der Billigkeit
Die Bestimmung derjenigen Prinzipien, die in allen Abgrenzungsfällen zur Anwendung gelangen, bereitet keine nennenswerten Schwierigkeiten. So nennt etwa der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta und insoweit trifft er im Schrifttum auf weitgehende Zustimmung 79 - die folgenden „ w e l l - k n o w n
examples ":
1. „ . . .the principle that there is to be no question of refashioning geography, or compensating for the inequalities of nature"; 2. „the principle of non-encroachment by one party on the natural prolongation of the other, which is no more than the negative expression of the positive rule that the coastal State enjoys sovereign rights over the continental shelf off its coasts to the full extent authorized by international law i n the relevant circumstances" ; 3. „the principle of respect due to all such relevant circumstances" ; 4. „the principle that although all States are equal before the law and are entitled to equal treatment, equity does not necessarily imply equality"; 5. „the principle that there can be no distributive justice". 8 0
Auf den ersten Blick scheint jedenfalls zwischen den Prinzipien 1,2,4 und 5 kein beachtenswerter Unterschied zu bestehen, dienen sie doch allesamt ausschließlich dem Zweck, den Küstenstaaten denjenigen Festlandsockel zu garantieren, der ihnen in der jeweiligen geographischen Situation und aufgrund der das Gebiet charakterisierenden geographischen Umstände nach Maßgabe des Völkerrechts zusteht. Die vom IGH vorgenommene Aufteilung ist aber dennoch gerechtfertigt, da in jedem dieser Prinzipien ein bestimmter Aspekt besonders hervorgehoben ist. Diese „Beispiele" sind nicht nur mit dem o. g. Grundsatz vereinbar, sondern treffen auch auf allgemeine Zustimmung. 81 Daher sollen diese allgemeingültigen Prinzipien der Billigkeit im folgenden beibehalten werden. Es sei aber hier nochmals betont, daß sich das hiesige Verständnis von Begriff und Aufgabe der Festlandsockelabgrenzung von demjenigen des IGH und 79 Vgl. die vorstehenden Nachweise sowie DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 211 ff. m.w.N. 80 ICJ Rep. 1985, p. 39 f., para. 46. 81 Vgl. die vorstehenden Nachweise. Zu beachten ist auch der Einfluß der Judikatur des I G H auf die internationalen Schiedsgerichte, was die Entscheidung des Tribunals im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau recht deutlich zeigt.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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des überwiegenden Teils des Schrifttums unterscheidet. 82 Daher kann das Prinzip des „non-encroachment" (Nr.2) nur in dem Sinne verstanden werden, daß ein Küstenstaat durch die Abgrenzung seines a priori bestehenden Festlandsockelanspruchs nicht verlustig gehen darf. Daß aufgrund der Rechtsentwicklung Abgrenzung und Aufteilung nicht mehr voneinander unterschieden werden können, wurde weiter oben 83 schon hinreichend nachgewiesen und soll daher an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Hinzuzufügen ist lediglich, daß nur in dem soeben dargelegten Verständnis dem „principle of non-encroachment " wirklich Rechnung getragen werden kann. Dies mag verdeutlicht werden anhand des Kanal Schiedsspruchs aus dem Jahre 1977. 84 Geht man - wie das Schiedsgericht - von einem Festlandsockel für Inseln aus, der ebenfalls a priori besteht, und ist man gleichzeitig gezwungen, dem Küstenstaat seine Hoheitsrechte am Festlandsockel „to the full extent authorized by international law " (Prinzip Nr.2) zu erhalten, so läßt es sich kaum noch rechtfertigen, Inseln bei der Festlandsockelabgrenzung entweder nur halb oder aber gar nicht zu berücksichtigen. Dennoch hat das Schiedsgericht die Scilly Inseln nur zur Hälfte und die Kanal Inseln, jedenfalls unter Zugrundelegung einer vökergewohnheitsrechtlich anerkannten Küstenmeerbreite von 12 sm 85 , überhaupt nicht berücksichtigt. Das aber ist bei Geltung des traditionellen Verständnisses von Begriff und Aufgabe der Festlandsockelabgrenzung ein klarer Verstoß gegen das Prinzip des „non-encroachment" y da dann von einem a priori bestehenden Festlandsokkel, der von der Abgrenzung unberührt bleiben muß, nicht mehr die Rede sein kann. 8 6 2. Relevante Umstände und Kriterien
Weniger einfach als die Bestimmimg der allgemeingültigen Prinzipien der Billigkeit ist die der tatsächlichen Umstände („relevant circumstances") bzw. Kriterien, die nach Maßgabe des Prinzips Nr.3 hinreichende Beachtung finden müssen und die für die jeweilige Einzelfallentscheidung von großer Bedeutung sein können. Diese Schwierigkeiten resultieren zum einen aus den häufig miteinander unzuvereinbarenden Interessen der Parteien einer Abgrenzungsstreitigkeit, zum anderen aus der rapiden Entwicklung des Festlandsockelrechts, welches durch internationale Gerichte nicht immer hinreichend deutlich gemacht worden ist, was wiederum die Staaten veran82
Vgl. dazu oben 1. Abschnitt sowie die dortigen Nachweise. Vgl. oben 1. Abschnitt. 84 I L M 1979, 397-462. 85 Vgl. dazu O'Connell/ Shearer, Law of the Sea I, S. 165 f.; Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Modernes Seevölkerrecht, S. 94 f. 86 Eben aus diesem Grunde üben O'Connell/ Shearer auch, wenngleich verhalten, Kritik, vgl. O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 697 f. 83
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
laßt hat, Argumente vorzubringen, die bei genauer Betrachtung mit einer Abgrenzung nach Maßgabe des Rechts nicht mehr allzuviel zu tun haben. So hat etwa das Schiedsgericht im Channel Award zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich ohne irgendeine Präzisierimg ausgeführt: „ . . . a delimitation, to be equitable and just, must be so in relation to both Parties and i n the light of all the relevant circumstances." 87
Jedoch liegt in der Entscheidung darüber, welche Umstände bedeutsam bzw. beachtenswert sind, oft auch die Entscheidung über die Abgrenzung als solche. Daher ist die allgemeine Bezugnahme auf sie in keinem Fall ausreichend 88 , denn die diversen Abgrenzungsstreitigkeiten zeigen, daß sich alle möglichen Umstände geltend machen lassen. Vielmehr bedarf es einer Konkretisierung im Lichte des zugrundeliegenden Festlandsockelrechts. 89 Dies hat der IGH bereits in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen ebenso gesehen, der bei der Bestimmung der zu berücksichtigenden Umstände das Festlandsockelrégime im damaligen Verständnis als ausschlaggebend angesehen und dementsprechend ausgeführt hat: „ . . . various aspects must be taken into account. Some are related to the geological, others to the geographical aspect of the situation, others again to the idea of the unity of any deposits. These criteria, though not entirely precise, can provide adequate bases for decision adapted to the factual situation." 9 0
Dies ist auch der einzig mögliche Weg, eine Abgrenzung zustande zu bringen, die nicht den Anschein erregt, letztlich eine freie Ermessensentscheidung nach Maßgabe einer Billigkeit extra legem zu sein. Desweiteren kann nur so gewährleistet werden, daß die besonderen Umstände in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Festlandsockel stehen und nicht solche Prinzipien der Billigkeit zur Anwendung gelangen, die bei der Begründung von Festlandsockelrechten keine Rolle spielen. Dieser Richtung ist der IGH auch bis heute treu geblieben. Im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta sieht er sich angesichts der Rechtsentwicklung nicht mehr in der Lage, geologische und geomorphologische Umstände bei der Abgrenzung zu berücksichtigen: „The Court, however considers that since the development of the law enables a State to claim that the continental shelf appertaining to it extends up to as far as 200 miles from its coast, whatever the geological characteristics of the corresponding sea-bed and subsoil, there is no reason to ascribe any role to geological or geophysical factors within that distance either i n verifying the legal title of the States concerned or i n proceeding to a delimitation as between their c l a i m s . . . geological or geomorphological characteristics . . . are completely immaterial." 9 1 87 88 89 90 91
Award, para. 197 (Hervorhebungen vom Verf.). So auch U.-D. Klemm , ZaöRV 1978, 551. Vgl. dazu oben 3. Teil B. 2. Abschnitt III. ICJ Rep. 1969, p. 50 f., para. 94. ICJ Rep. 1985, p. 35, para. 39.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
231
V i e l m e h r k o m m t es heute, stärker als i n der Z e i t bis 1982, wegen der A b k e h r v o m geologisch-physikalischen Festlandsockelbegriff 9 2 auf geographische U m s t ä n d e a n . 9 3 Es s i n d also v o r r a n g i g die geographische S i t u a t i o n u n d die geographischen Beziehungen, die das Abgrenzungsgebiet charakterisieren, als relevante U m s t ä n d e z u b e r ü c k s i c h t i g e n . 9 4 Es b l e i b t festzuhalten, daß z w a r eine abschließende positive A u f z ä h l u n g v o n relevanten U m s t ä n d e n n i c h t m ö g l i c h ist, daß aber i n jedem F a l l g e w ä h r leistet sein muß, daß zwischen diesen U m s t ä n d e n u n d dem grundlegenden Festlandsockelkonzept eine rechtliche Beziehung bestehen m u ß . 9 5 D a h e r k a n n i m folgenden zunächst auch n u r eine Negativausgrenzung dergestalt vorgenommen werden, daß einzelne Aspekte g r u n d s ä t z l i c h z u b e r ü c k s i c h t i gender U m s t ä n d e einer näheren B e t r a c h t u n g unterzogen werden. a) Geographische
Umstände
D i e grundsätzliche B e d e u t u n g geographischer U m s t ä n d e f ü r die Festlandsockelabgrenzung h a t m i t der geänderten Rechtslage, die j a die B e r ü c k s i c h t i g i m g geologischer sowie geomorphologischer M e r k m a l e ausschließt 9 6 , z w a r augenscheinlich zugenommen, sie haben aber schon i m m e r
eine
wesentliche Rolle gespielt. 9 7
92
Vgl. dazu oben 3. Teil A. III. ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 47: „. . . it must be borne in mind that the geography which is not to be refashioned means those aspects of a geographical situation most germane to the legal institution of the continental shelf." Ebenso Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion zu dieser Entscheidung, ICJ Rep. 1985, p. 114: „Reasons derived from geographical situations and relationships characterizing the relevant region are clearly to be taken account of." 94 Wie vor. Vgl. ferner zur Berücksichtigung geographischer Umstände, wenngleich teilweise im Zusammenhang mit den „special circumstances" im Sinne von Art. 6 FSK: O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 709 f.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 551; E.D. Brown, Hydrospace, S. 63 ff.; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 402 ff. 95 So ausdrücklich der I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 48: „. . . although there is assuredly no closed list of considerations, it is evident that only those that are pertinent to the institution of the continental shelf as it has developed within the law, and to the application of equitable principles to its delimitation, w i l l qualify for inclusion. Otherwise, the legal concept of continental shelf could itself be fundamentally changed by the introduction of considerations strange to its nature." Vgl. dazu Ο. Adede, Va.J.Int'l.L. 1979, 207-255; S.H. Amin, NILR 1980, 335-346; F. Bastianeiii, Spettatore Internaz. 1982, 319-338. 96 Vgl. dazu bereits oben 3. Teil A. III. 97 Vgl. dazu die Nachweise oben 1. Abschnitt; ferner Richter Oda i n ICJ Rep. 1982, p. 257: „ I n the drawing of maritime boundaries, the geography of the areas concerned has always played a very important role ever since the International Law Commission first started dealing w i t h the law of the sea, and rarely has any other element been considered a factor affecting it."; M.I. Lazarev, Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts, S. 52; R.W. Smith, A Geographical Primer to Maritime BoundaryMaking, in: Miles/ Allen (Hrsg.), The Law of the Sea and Ocean Development Issues in the Pacific Basin (1981), S. 526-546. 93
232
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Ebenso wie im allgemeinen ist auch hier eine abschließende Aufzählung wegen des Erfordernisses der Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht möglich. 98 Es kann aufgrund der bisher ergangenen internationalen Judikatur sowie der Vorarbeiten der ILC zur Genfer Festlandsockelkonvention von 1958 aber festgehalten werden, daß die allgemeine Konfiguration der Küste, ihre Lage im Verhältnis zu der Küste des jeweils anderen Staates 99 sowie die Präsenz von Eilanden, Felsen und „minor coastal projections" 100 bei der Abgrenzung in Betracht gezogen werden können. 101 Im Zusammenhang mit den zu beachtenden geographischen Umständen hatte Libyen im Festlandsockelstreit mit Malta geltend gemacht, dazu gehörte auch die Berücksichtigung der Fläche der an der Abgrenzung beteiligten Staaten, m.a.W. die Landmasse hinter der Küste. Der I G H hat dieses Argument verständlicherweise zurückgewiesen, da die Landfläche eines Küstenstaates für dessen Anspruch auf einen Festlandsockel völlig unbedeutend ist. Ausschlaggebend ist nur die Kontiguität des Meeresgrundes und -untergrundes zu seiner Küste mit der Folge, daß es zwar auf die Küstenlinie, nicht aber auf die Landmasse hinter der Küste ankommen kann. 1 0 2 In der Tat spielen die Küstenlinie und insbesondere ihre Länge im Verhältnis zu der des anderen an der Abgrenzung beteiligten Staates vor allem in der Judikatur des I G H 1 0 3 eine erhebliche Rolle. Dieser Bewertung dieses Umstandes ist unter der Geltung des Prinzips, daß das Land die See beherrscht 104 , zweifellos zuzustimmen, jedenfalls soweit benachbarte Staaten betroffen sind. Denn erst nach Bestimmung der respektiven Küstenlänge kann in diesem Fall festgestellt werden, wieviel Festlandsockel jeder dieser Staaten im Verhältnis zu seinem jeweiligen Nachbarn geltend machen 98
So etwa auch DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 255. Vgl. zu diesen beiden Umständen ICJ Rep. 1969, p. 51, para. 96; 1982, p. 61, para. 74; 1985, p. 40, para. 47: „. .. it is the coast of each of the Parties, which constitutes the starting line from which one has to set out. . ; ferner M.M. Whiteman, AJIL 1958, 648 ff.; DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 256. 100 So die ILC in YILC 1956 II, 300. 101 Vgl. dazu auch E.D. Brown, Hydrospace, S. 63 ff. 102 ICJ Rep. 1985, p. 40 f., para. 49: „The Court is unable to accept this as a relevant consideration. Landmass has never been regarded as a basis of entitlement to continental shelf rights, and such a proposition finds no support in the practice of States, in the jurisprudence, in doctrine, or indeed in the work of the Third United Nations Conference on the Law of the Sea. I t would radically change the part played by the relationship between coast and continental shelf . . . The concept of adjacency measured by distance is based entirely on that of the coastline, and not on that of the landmass." So auch das Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 119: „The rights which a State may claim to have over the sea are not related to the extent of territory behind its coast." 103 ICJ Rep. 1982, p. 61, para. 74; ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 47. 104 Vgl. dazu allein ICJ Rep. 1969, p. 51, para. 96. 99
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
233
kann. 1 0 5 Ob dies auch im Falle von einander gegenüberliegenden Staaten gilt, soll weiter unten im Zusammenhang mit der Proportionalität erörtert werden. Ganz unzweifelhaft gehören zu den geographischen Umständen auch Inseln. 106 Diesen soll jedoch ebenfalls ein gesonderter Abschnitt vorbehalten bleiben. 107 b) Ökonomische Faktoren und Umstände Wirtschaftliche Argumente, wie beispielsweise der Entwicklungsstand eines Staates, werden immer wieder - insbesondere von Staaten der Dritten Welt - vorgebracht, um eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu erreichen. 108 Nun ist es sicherlich richtig, daß das völkerrechtliche Festlandsockelkonzept einen sehr starken Bezug zur Ökonomie aufweist, dient es doch vorrangig dem Zweck, den Küstenstaaten exklusive Erforschungs- und Ausbeutungsrechte im Hinblick auf die Rohstoffe im Meeresuntergrund zu sichern, so daß diese auch in die Lage versetzt werden, diese ökonomisch sinnvoll zu nutzen. 109 Damit soll gleichzeitig ein Anreiz geschaffen werden, daß diese Rohstoffe auch tatsächlich ausgebeutet werden, um derart der gesamten Staatengemeinschaft zugute zu kommen. 11 0 Eine andere Frage ist es aber, ob aus diesem Grunde sämtliche wirtschaftlichen Umstände bei der Abgrenzimg des Festlandsockels zu berücksichtigen sind. Stehen etwa der Entwicklungsstand eines Staates oder sein Reichtum an Bodenschätzen in einem derartigen Zusammenhang mit dem völkerrechtlichen Festlandsokkelkonzept, daß diese Faktoren die Abgrenzung beeinflussen können ? Im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen hatte Tunesien wirtschaftliche Umstände in zweierlei Hinsicht angeführt: 105 So der I G H in ICJ Rep. 1985, p. 40, para. 47 unter Bezugnahme auf ICJ Rep. 1982, .p. 61, para. 74; ferner das Tribunal im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau, para. 92: „ I n order for any delimitation to be made on an equitable and objective basis, it is necessary to ensure that, as far as possible, each State controls the maritime territories opposite its coast and in their vicinity. First of all, therefore, it is necessary to define the coastline concerned w i t h a view to delimitation." Zur Frage der Proportionalität vgl. unten dd). 106 So schon die ILC in YILC 1956 II, 300; vgl. ferner D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 259 ff.; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 414 ff.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 714 ff.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 559 ff.; Tribunal (Guinea/GuineaBissau), para. 95; E.D. Brown, Hydrospace, S. 64 ff.; G. Appolis, Les frontières maritimes, S. 163; G.R. Feulner, Va.J.Int'l.L. 1976, 77-105. 107 Vgl. unten 3. Abschnitt. 108 Teilweise finden diese Staaten Unterstützung im völkerrechtlichen Schrifttum, wenn etwa E.G. Bello im Zusammenhang mit dem Begriff der Billigkeit im Völkerrecht fordert, diese habe dazu zu dienen, solche Diskrepanzen im Entwicklungsstand auszugleichen, vgl. E.G. Bello, International Equity and the Law of the Sea, VRÜ 1980,201-212. 109 vgl. dazu die anschauliche Darstellung der (wirtschafts-)politischen Hintergründe bei McDougal/Burke, Public Order, S. 631 ff. 110 Ebenda.
234
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
„firstly, by drawing attention to its relative poverty vis-à-vis Libya in terms of absence of natural resources like agriculture and minerals, compared w i t h the relative abundance in Libya, especially of oil and gas wealth as well as agricultural resources; secondly, by pointing out that fishing resources derived from its claimed »historic rights' and »historic waters' areas must necessarily be taken into account as supplementing its national economy in eking out its survival as a country." 1 1 1 D e r I G H sah sich jedoch außerstande, diese A r g u m e n t e als relevant anzuerkennen, da es sich b e i diesen F a k t o r e n n i c h t u m dauerhafte handelt, sondern sie jederzeit d u r c h unvorhersehbare Ereignisse ins Gegenteil umschlagen können.112 Ebenso w i e i n der 1982er E n t s c h e i d u n g ließ der I G H derartige w i r t s c h a f t liche A r g u m e n t e auch n i c h t i m Festlandsockel F a l l zwischen L i b y e n u n d M a l t a gelten: „The Court does not however consider that a delimitation should be influenced by the relative economic position of the two States in question, in such a way that the area of continental shelf regarded as appertaining to the less rich of the two States would be somewhat increased in order to compensate for its inferiority in economic resources. Such considerations are totally unrelated to the underlying intention of the applicable rules of international law. It is clear that neither the rules determining the validity of legal entitlement to the continental shelf, nor those concerning delimitation between neighbouring countries, leave room for any considerations of economic development of the States i n question." 1 1 3 Demgegenüber erkennen aber s o w o h l der I G H als auch das T r i b u n a l i m A b g r e n z u n g s f a l l zwischen Guinea u n d Guinea-Bissau gewisse w i r t s c h a f t liche F a k t o r e n a n . 1 1 4 So f ü h r t der I G H i m Festlandsockel F a l l zwischen 111 ICJ Rep. 1982, p. 77, para. 106. Demgegenüber hatte Libyen geltend gemacht, daß „the presence or absence of oil or gas in the oil-wells in the continental shelf areas appertaining to either Party should play an important part in the delimitation process", ebenda. 112 ICJ Rep. 1982, p. 77, para. 107. Ähnlich auch die Kammer im Gulf of Maine Fall, die den wirtschaftlichen Argumenten der Parteien keine entscheidende Bedeutung beimessen konnte, vgl. ICJ Rep. 1984, p. 341 f., paras. 235 f. 113 ICJ Rep. 1985, p. 41 f., para. 50 f. Das Tribunal i m Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau, paras. 121 ff., verwarf ähnliche Argumente der Parteien jenes Rechtsstreits unter ausdrücklicher Berufung auf das Urteil des IGH im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen wie folgt: „However, this Tribunal has not, any more than the ICJ (ICJ Rep. 1982, p.77-78, para. 107) acquired the conviction that economic problems constitute permanent circumstances to be taken into account for purposes of delimitation. As the Tribunal can be concerned only w i t h a contemporary evaluation, it would be neither just nor equitable to base a delimitation on the evaluation of data which changes i n relation to factors that are sometimes uncertain . . . The fact is that the Tribunal does not have the power to compensate for economic inequalities of the States concerned by modifying a delimitation which it considers is called for by objective and certain considerations. Neither can it take into consideration the fact that economic circumstances may lead to one of the Parties being favoured to the detriment of the other where this delimitation is concerned." 114 Vgl. ICJ Rep. 1985, p. 41 f., paras. 50 f. Das Tribunal, paras. 121 ff., formuliert dies wie folgt: „The Tribunal can nevertheless not completely lose sight of the legitimate claims by virtue of which economic circumstances are invoked . . . "
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
235
Libyen und Malta unter Berufung auf die Nordsee-Festlandsockel-Fälle aus: „The natural resources of the continental shelf under delimitation ,so far as known or readily ascertainable' might well constitute relevant circumstances which it would be reasonable to take into account in a delimitation,.. . " 1 1 5
Auch das Schiedsgericht im Kanal Fall maß der wirtschaftlichen Bedeutung der Kanal Inseln ein „gewisses Gewicht" bei. 1 1 6 Daraus folgt, daß all diejenigen wirtschaftlichen Faktoren, die eine hinreichende rechtliche Beziehung zum völkerrechtlichen Festlandsockelkonzept aufweisen, auch bei der Abgrenzung als relevant berücksichtigt werden können. Als wichtigster dieser Faktoren ist anscheinend die Präsenz solcher Rohstofflager anzusehen, deren Ausmaß bekannt und verifizierbar ist. Denn die Entwicklung des Festlandsockelkonzepts zeigt, daß der wirtschaftliche Nutzen, der aus dem Meeresgrund und -untergrund gezogen wird, nicht eingeschränkt werden soll. 1 1 7 Dementsprechend darf die Abgrenzung nicht dazu führen, daß eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzimg völlig ausgeschlossen wird. In diesem Zusammenhang w i r d häufig geltend gemacht, es gelte die Einheit solcher Rohstofflager 118 zu bewahren mit der Folge, daß Modifikationen der Grenzlinie zugunsten einer der am Abgrenzungsprozeß beteiligten Parteien gerechtfertigt sein könnten. Zu beachten ist aber auch hier, daß sowohl der IGH als auch die Schiedsgerichte offensichtlich nur solche Rohstofflager im Auge gehabt haben, die sich in dem Abgrenzungsgebiet, welches von vornherein durch die jeweilige „natural prolongation " der Küstenstaaten beschränkt ist, befinden. Entsprechend dem oben Gesagten 119 ist heute eine solche Beschränkimg der Abgrenzungsregeln auf ein bestimmtes Gebiet aber nicht mehr durchführbar. Doch nicht nur aus diesem Grunde erscheint die Präsenz von Rohstofflagern kein beachtenswerter Umstand zu sein. Die Idee der Einheit von Rohstofflagern wurde erstmals innerhalb der ILC geäußert, um eine Modifikation der Grenzlinie zu rechtfertigen. 120 Weder die ILC noch die Genfer Konferenz von 1958 nahmen diese Idee aber auf. 1 2 1 Zwar 115 ICJ Rep. 1985, p. 41 f., paras. 50 f. unter Berufung auf ICJ Rep. 1969, p. 54, para. 101 (D) (2); ebenso im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen, ICJ Rep. 1982, p.77 f., para. 107: „As to the presence of oil-wells in an area to be delimited, it may, depending on the facts, be an element to be taken into account i n the process of weighing all relevant factors to achieve an equitable result." 116 Award, paras. 107 ff. 117 Vgl. dazu bereits oben 3. Teil Α. III. 118 Die Einheit von Rohstofflagern („unity of deposits") findet Erwähnung in ICJ Rep. 1969, p. 52, para. 97; i n ICJ Rep. 1982, p. 78, para. 107 meint der I G H vorsichtig, „the presence of oil-wells i n an area to be d e l i m i t e d . . . may, depending on the factors, be an element to be taken into account i n the process of weighing all the relevant factors to achieve an equitable result."; vgl. ferner M.W. Mouton, The Continental Shelf, RdC 1954 I, 420. 119 Vgl. oben 3. Teil A. III. 120 YILC 1950 I, 233. 121 Vgl. dazu statt vieler E.D. Brown, Hydrospace, S. 66 f.
236
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
meint Rigaldies 122, dieser vom IGH genannte Faktor sei Ausgangspunkt für eine verbreitete Staatenpraxis geworden. In der Tat haben die Staaten aber sehr unterschiedliche Wege gefunden, dieses Problem zur beiderseitigen Zufriedenheit zu lösen, wenn dies notwendig wurde. 1 2 3 So sind die Fälle, in denen es zu einer echten gemeinsamen Ausbeutung solcher Rohstofflager gekommen ist, sehr selten 124 und stellen daher lediglich Ausnahmen dar, die als solche nicht zu einer Verallgemeinerung geeignet sind. 1 2 5 Mit Richter Ammoun ist daher dazu zu sagen, daß „ . . . if the preservation of the unity of deposits is a matter of concern to the Parties, they must provide for this by a voluntary agreement". 126
Eine völkerrechtliche Pflicht zur Erhaltung der Einheit von Rohstoff lagern oder zu ihrer gemeinsamen Nutzung besteht offensichtlich aber nicht. 1 2 7 Daher können solche Rohstofflager allenfalls dann bei der Abgrenzung besondere Berücksichtigung als - sekundäre - relevante Umstände erfahren, wenn die Ausbeutung durch einen Staat alleine dem anderen, der dazu vielleicht technisch noch nicht in der Lage ist, zum Nachteil gereichen würde. Diese besondere Berücksichtigung würde aber nicht beinhalten, daß eine einmal als billig einzustufende Grenzlinie modifiziert werden müßte. 128 Vielmehr wäre in einem solchen Fall an die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen oder ähnlichem zu denken. Es zeigt sich also, daß die wirtschaftlichen Faktoren bzw. Umstände in den seltensten Fällen wirklich als relevant eingestuft werden können. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß die wirtschaftlichen Besonderheiten des Einzelfalles derart gelagert sein können, daß ein Einfluß auf die Abgrenzung unumgänglich ist. Jedoch läßt es sich heute nicht mehr vertreten, diesen Umständen komme in jedem Fall eine entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung des Festlandsockels zu. 122
F. Rigaldies, La délimitation du plateau continental entre Etats voisins, A F D I 1976, 158; ähnlich Α. Piquemal, Les principes juridiques gouvernant les accords de délimitation des plateaux continentaux, Pétrole et la mer 1977, 225 ff. 123 v g l dazu insbesondere die Abgrenzungsvereinbarungen zwischen Iran und Quatar vom 20.09.1969 (U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/16,416), Indonesien und Malaysien vom 27.10.1969 (U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/16/Add.2, 189) sowie Indonesien, Malaysien und Thailand vom 21.12.1971 (B. Rüster, Verträge und Abkommen, S.117). 124 Eine echte gemeinsame Ausbeutung solcher Rohstoff lager haben vereinbart: Abu Dhabi und Quatar, Vereinbarung vom 20.03.1969 (U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/16, 403); Rep.Korea und Japan, Vereinbarungen vom 05.02.1974 (B. Rüster, Verträge und Abkommen, S.160 ff.); Frankreich und Spanien, Vereinbarung vom 29.01.1974 (U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/19, 445); Indonesien und Australien, Vereinbarung vom 18.05.1971 (U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/18, 134). 125 Dies übersehen F. Rigaldies und auch A. Piquemal; wie hier U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 544 f. 126 ICJ Rep. 1969, p. 149. 127 So auch E.D. Brown, Hydrospace, S. 67; vgl. ferner dazu O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 711 f.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 544 f. 128 Allenfalls eine geringfügige Modifikation bzw. Verlegung erscheint noch vertretbar, vgl. dazu D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 175.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung c) Sicherheitspolitische
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Erwägungen
U n b e s t r e i t b a r sind dem grundlegenden Festlandsockelkonzept
sicher-
heitspolitische Elemente z u e i g e n . 1 2 9 Diese f i n d e n sich bereits i n der T r u m a n P r o k l a m a t i o n , i n der auf das Erfordernis des Selbstschutzes 1 3 0 verwiesen w i r d , welcher „. . . compels the coastal nation to keep close watch over the activities off its shores, which are of their nature necessary for the utilization of their resources." 131 I h r e Beziehung z u m Festlandsockelkonzept w i r d auch d a d u r c h d e u t l i c h , daß dieses dem Küstenstaat e x k l u s i v e Erforschungs- u n d Ausbeutungsrechte garantiert. D u r c h diese E x k l u s i v i t ä t soll aber n i c h t n u r ein w i r t schaftlicher A n r e i z zur A u s b e u t u n g der Bodenschätze gegeben werden. V i e l m e h r w i r d d a m i t auch den Interessen der Küstenstaaten Rechnung getragen, daß i n i h r e r u n m i t t e l b a r e n Nähe n i c h t andere Staaten ζ. B. k ü n s t liche Inseln i n s t a l l i e r e n u n d somit das n a t ü r l i c h e Bedürfnis n a c h - auch m i l i t ä r i s c h e r - Sicherheit b e e i n t r ä c h t i g e n . 1 3 2 A u s diesem G r u n d e ist es auch n i c h t w e i t e r v e r w u n d e r l i c h , daß b e i Abgrenzungsstreitigkeiten v o n den d a r a n b e t e i l i g t e n Staaten i m m e r w i e d e r sicherheitspolitische A r g u m e n t e ins Feld geführt werden. So hatte Frankreich i m Kanal-Festlandsockelstreit m i t dem Vereinigten K ö n i g r e i c h gegen eine A n w e n d i m g der Ä q u i d i s t a n z l i n i e insbesondere auch seine Sicherheitsinteressen a n g e f ü h r t . 1 3 3 Das Schieds129 Vgl. dazu D.A. Colson, in: Miles/ Allen (Hrsg.), The Law of the Sea and Ocean Development Issues (1981), S. 565 ff.; Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 124 f.; ICJ Rep. 1985, p. 41 f., para. 50 f.; McDougal/Burke, Public Order, S. 631 ff.; D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 269 ff.; N.V. Breckner, Some Dimensions of Defense Interest i n the Legal Delimitation of the Continental Shelf, in: Alexander (Hrsg.), Law of the Sea: National Policy Recommendations (1970), S. 188-192; Γ. Treves, AJIL 1980, 808-857; R.J. Zedalis, AJIL 1981, 926-933; B.-O. Bryde, Militärische und sicherheitspolitische Implikationen der neuen Seerechtskonvention, in: Delbrück (Hrsg.), Das neue Seerecht, S. 151-190; J. Goldblat, Law of the Sea and Security of Coastal States, in: Christy u. a. (Hrsg.), Law of the Sea: Caracas and Beyond (1975), S. 301-317 (309 ff.); P.S. Rao, The Public Order of Ocean Resources, S. 166 ff.; ferner zu diesen Aspekten im Bereich der Straße von Torres, H. Burmester, AJIL 1982, 337; M.W. Reisman, AJIL 1980, 48-76; allgemein zu Sicherheitsaspekten im Mittelmeer A.K. Abbadi, Security and Cooperation in the Mediterranean Basin, ODILA 1984, 55-71. 130 Im englischen Original wird der Begriff „seif protection" verwendet. 131 U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/1, 39. 132 Vgl. dazu auch McDougal/Burke, Public Order, S. 632 f.: „The primary factors suggesting the desirability of exclusive control by the coastal state are the need, widely felt to exist, for the active cooperation of that state in exploitation of its adjacent submarine areas, the requirements of security of coastal states against outside threats i n a world characterized by high tension levels, the requirements of economic administration and regulation of oil exploration, exploitation, and production, and, finally, the need for protecting reasonable expectations established by past patterns of state practice . . . The considerations pertaining to coastal security are reasonably obvious. The establishment of more or less permanent installations in the oceans in close proximity to the sea frontier of a state might permit a great variety of activities that could detrimentally affect the adjacent state in numerous different and important ways."
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
gericht erkannte in seiner Entscheidung an, daß solche Sicherheitsinteressen bei der Festlandsockelabgrenzung grundsätzlich in Betracht gezogen werden könnten. 1 3 4 Wegen der besonderen Eigenschaft des Ärmelkanals als eine der Hauptschiffahrtsrouten, welche die Häfen mehrerer Staaten versorge, fielen derartige Erwägungen bei der Abgrenzung aber nicht mehr merklich ins Gewicht. 1 3 5 Daher, so das Schiedsgericht, „ . . . they cannot be regarded by the Court as exercising a decisive influence on the delimitation of the boundary in the present case. They may support and strengthen, but they cannot negative any conclusions that are already indicated by the geographical, political and legal circumstances of the region which the Court has identified." 1 3 6
Auch das Tribunal im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau hatte sich mit sicherheitspolitischen Argumenten auseinanderzusetzen. In seiner Entscheidimg führt es dazu aus: „This is not without interest, but it must be emphasized that neither the EEZ nor the continental shelf are zones of sovereignty." 137
I n Anbetracht ihrer Beziehung zum Festlandsockelkonzept spielen sicherheitspolitische Erwägungen eine mehr oder weniger bedeutende Rolle für die Abgrenzung. 138 Diese darf aber insbesondere angesichts des vom Tribunal in Bezug genommenen Rechtscharakters des Festlandsockels (und der EEZ) nicht überbewertet werden. Zwar stehen den Küstenstaaten exklusive Hoheitsrechte am Meeresgrund und -untergrund im Hinblick auf die Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen zu. Da es sich aber bei diesen Seegebieten nicht um Territorium handelt, ist den Sicherheitsinteressen der Staaten immer dann hinreichend Rechnung getragen, wenn durch die Abgrenzung verhindert wird, daß - wie es das Tribunal ausdrückt „ . . . either Party, for one reason or another, should see rights exercised opposite its coast or i n the immediate vicinity thereof, which could prevent the exercise of its own right to development or compromise its security." 1 3 9
Ebenso, wenngleich hauptsächlich unter militärischen Aspekten, sieht dies der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta. Sicherheitspolitische Erwägungen, so der IGH, seien dem Festlandsockelkonzept selbstverständlich („of course") nicht fremd. 1 4 0 Keine der Parteien habe jedoch die Frage aufgeworfen, ob das geltende Recht dem Küstenstaat die besondere Befugnis zur militärischen Nutzung seines Festlandsockels, etwa in Form 133 Award, paras. 161 ff. 134 Ebenda, para. 188. 135 Ebenda. 136 Ebenda. 137 Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 124. 138 vgl. dazu die Nachweise in Fn. 129. 139 Ebenda. "o ICJ Rep. 1985, p. 41 f., para. 50 f.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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der Installation militärischer Anlagen auf dem Meeresboden, einräume. 141 Obwohl eine eingehende Behandlung dieses Problemkreises durch den IGH von Interesse gewesen wäre 1 4 2 , geht er darauf nicht näher ein, da die Sicherheitsinteressen der Parteien durch die von ihm vorgenommene Abgrenzung ohnehin zu genüge berücksichtigt worden seien. Denn wegen der Entfernung der Grenzlinie zu den jeweiligen Küsten könne sicherheitspolitischen Erwägungen keine weitere Beachtung bei der Abgrenzung geschenkt werden. 143 Die Sicherheitsinteressen der Parteien einer Abgrenzungsstreitigkeit sind folglich, da sie eine hinreichende Beziehung zum Festlandsockelkonzept aufweisen, grundsätzlich zu berücksichtigen. Ihre jeweilige Bedeutung hängt im Lichte des nunmehr entscheidenden Distanzprinzips 144 allerdings von der Entfernung des Festlandsockels des jeweils einen Staates von der Küste des jeweils anderen Staates ab. Je näher der Festlandsockel eines fremden Staates der Küste eines Staates zu liegen kommt, desto eher können die Sicherheitsinteressen des letzteren eine Verlegung der Grenze zu seinen Gunsten rechtfertigen. Daher muß die Abgrenzung unter Beachtung dieser Sicherheitsinteressen gewährleisten, daß in unmittelbarer Nähe zu der Küste des einen Staates nicht ein anderer Staat oder gar andere Staaten Festlandsockelrechte ausüben und beispielsweise künstliche Inseln o. ä. installieren können. Das jeweilige Maß der Berücksichtigung hängt aber nicht ausschließlich von der Nähe eines fremden Festlandsockelgebietes zur Küste ab. Vielmehr ist auch von Bedeutung, ob das betreffende Seegebiet ausschließlich von den an der Abgrenzung beteiligten Staaten oder aber auch - etwa als internationale Schiffahrtsroute - von einer Vielzahl anderer Staaten genutzt wird. Schließlich sei im Zusammenhang mit den sicherheitpolitischen Erwägungen noch auf die Frage eingegangen, ob für sie die besonderen bilateralen Beziehungen der Parteien ausschlaggebend sein können. So ließe sich etwa argumentieren, je besser es um diese Beziehungen gestellt sei, desto geringer sei die Rolle, die Sicherheitsinteressen spielen können. Ebenfalls von Bedeutung könnte dann auch die Zugehörigkeit zu ein und demselben oder zu verschiedenen Militärbündnissen sein. Letztlich handelt es sich bei solchen Umständen - ganz abgesehen davon, daß es zweifelhaft erscheint, ob sie die erforderliche Beziehung zum Festlandsockelkonzept aufweisen ι « Ebenda. 142 Vgl. dazu etwa D.A. Colson, in: Miles /Allen (Hrsg.), The Law of the Sea and Ocean Development Issues (1981), S. 565 ff.; T. Treves , AJIL 1980, 808-857. 43 1 ICJ Rep. 1985, p. 41 f., para.50 f.: „ I n any event, the delimitation which w i l l result from the application of the present Judgement is . . . not so near to the coast of either Party as to make questions of security a particular consideration in the present case." 144 Vgl. dazu bereits oben 3. Teil Α. III.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
ähnlich wie bei dem Entwicklungsstand von Staaten 145 aber um solche, die sich innerhalb kürzester Zeit grundlegend ändern können. Ihnen fehlen also die Merkmale einer gewissen Dauerhaftigkeit und Beständigkeit, die für eine Berücksichtigung bei einer Abgrenzung nach Maßgabe des Rechts entsprechend dem oben Gesagten 146 unverzichtbar sind. d) Proportionalität Seit der Entscheidung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen aus dem Jahre 1969 gehen die internationale Judikatur 1 4 7 ebenso wie weite Teile des Schrifttums 1 4 8 und zum Teil auch die Staatenpraxis 149 davon aus, daß jedenfalls bei der Festlandsockelabgrenzung zwischen benachbarten Staaten - der folgende Faktor zu berücksichtigen ist: „the element of a reasonable degree of proportionality, which a delimitation carried out in accordance w i t h equitable principles ought to bring about between the extent of the continental shelf areas appertaining to the coastal State and the length of its coast measured in the general direction of the coastline . . . " 1 5 0
W i l l man im Falle von benachbarten Staaten zu einem billigen Ergebnis gelangen, so ist die Bedeutung dieses Faktors imbestreitbar. Denn die Länge der Küste ist ganz offensichtlich mitbestimmend für das Ausmaß des Festlandsockelgebiets und die Abgrenzung darf nicht dazu führen, daß ein Staat mit einer längeren Küstenlinie im Verhältnis zu einem Nachbarstaat mit einer geringeren Küstenlinie beispielsweise einen gleich großen Festlandsockel erhält. 1 5 1 Doch darf dieser Faktor auch nicht überbewertet werden. Der IGH hat die Proportionalität herangezogen, um feststellen zu können, ob gewisse geographische Umstände zu einem derartigen Mißverhältnis führen können, daß von einer „billigen" Abgrenzung nicht mehr ausgegangen werden kann. 1 5 2 Sie stellt grundsätzlich nur einen von mehreren Faktoren dar, der 145
Vgl. dazu oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. b). i « Vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt III. 147 ICJ Rep. 1969, p. 52, para. 98 f.; 1982, p. 75 f., para. 103 f.; 1985, p. 44 f., paras. 57 ff.; Award, paras. 99 ff.; Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), paras. 118 ff. 148 B. Rüster, Rechtsordnimg, S. 395 f.; D.N. Hutchinson, BYIL 1984, 175 ff.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 538 ff.; D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 257 ff.; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 724 f.; R.T.S. Hsu, A Rational Approach to Maritime Boundary Delimitation, ODILA 1983,103-113 D.E. Karl, AJIL 1977, 642-673; G. Appolis, Les frontières maritimes, S. 124; D.M. McRae, Can.Yb.Int'l.L. 1981, 287-302. 149 Vgl. Frankreich - Spanien, Vereinbarung vom 29.01.1974 (U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/19, 445); Australien - Papua Neu-Guinea, Vereinbarung vom 18.12.1978 (ILM 1979,291). 150
ICJ Rep. 1969, p. 54, para. 101 (D) (3). Ganz einhellige Meinung. Vgl. dazu neben den vorstehenden Nachweisen noch Richter Oda in seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen, ICJ Rep. 1982, p. 258, para. 161. 151
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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bei der Verifizierung eines billigen Ergebnisses dienlich sein kann. 1 5 3 Niemals kann sie immittelbar zu der Bestimmung der konkreten Abgrenzungslinie beitragen. 154 Vielmehr wird die Bedeutung der Proportionalität noch durch das allgemeine Prinzip der Billigkeit eingeschränkt, daß eine Abgrenzung nicht zu einem „completely refashioning nature "155 führen darf. 1 5 6 Dies schließt jede mechanische Anwendung der Proportionalität in Form von mathematischen Berechnungen und Vergleichen der respektiven Küsten aus. 157 Der Faktor Proportionalität ist auch vielzu allgemeiner Natur, als daß etwa das betreffende Seegebiet und die in Betracht zu ziehenden Küsten von vornherein als feststehend in eine solche mathematische Operation eingebracht werden könnten. Es bleibt daher zunächst festzuhalten, daß „ . . . proportionality may have to be gauged simply by eyeing the area concerned as a whole, from a very broad macrogeographical standpoint, rather than w i t h an eye to establishing any predetermined ratio in the apportionment of the area." 1 5 8
Kommt der Proportionalität bei der Abgrenzung zwischen benachbarten Staaten schon eine geringere Bedeutung zu als auf den ersten Blick zu erwarten gewesen wäre, so ist es im Falle von einander gegenüberliegenden Staaten fraglich, ob dieser Faktor überhaupt berücksichtigt werden darf. Als erster internationaler Spruchkörper hatte sich das Schiedsgericht im Streit zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich über die Festlandsockelabgrenzung im Ärmelkanal (und den „ South-West Approaches ") mit einem Fall von einander gegenüberliegenden Staaten zu befassen. In seiner Entscheidung mißt es der Proportionalität eine weitaus geringere Bedeutung bei als der I G H und bezweifelt, ob dieser Faktor in allen Abgrenzungsfällen zur Anwendung gelangen kann. 1 5 9 Im Gegensatz zu der Entscheidung in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, in der der I G H wegen der 152
So i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen wegen der konkav geformten deutschen Küste. 153 So etwa Richter Oda, ICJ Rep. 1982, p. 258 f., para. 161; D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 257; Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 118; ICJ Rep. 1985, p. 44, para. 57: „proportionality is one possibly relevant,factor', among several other factors . . . " 154 So auch Richter Oda, ICJ Rep. 1982, p. 259, para. 162. im Vgl. dazu oben 3. Teil Β. 2. Abschnitt IV. 1. 156 So ausdrücklich ICJ Rep. 1969, p. 49 f., para. 91: „Equity does not necessarily imply equality. There can never be any question of completely refashioning nature, and equity does not require that a State without access to the sea should be allotted an area of continental shelf, any more than there could be a question of rendering the situation of a State w i t h an extensive coastline similar to that of a State w i t h a restricted coastline."; vgl. ferner ICJ Rep. 1985, p. 44 f., para. 57. 157 So auch das Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 118: „ . . . this does not concern mathematical equality, but rather legal equality." 158 Richter Oda, ICJ Rep.1985, p. 259, para. 162; ähnlich D.J. Attard , Exclusive Economic Zone, S. 257. 159 Award, para. 99. 1
H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
konkav geformten deutschen Küste diesem Faktor ein entscheidendes Gewicht beigemessen hatte, macht das Schiedsgericht die Proportionalität nicht an einer bestimmten geographischen Erscheinung wie der Küstenlinie fest, sondern mißt ihr eine allgemeinere Bedeutung bei. 1 6 0 Es sieht darin lediglich „ . . . a factor by which it may be determined whether . . . a distortion results in an inequitable delimitation . . . " 1 6 1 ,
wobei es jedoch nicht auf die Länge der betreffenden Küsten abstellt, sondern allgemein auf die „equitable or inequitable - effects of particular geographical features or configurations." 1 6 2
Der eigentliche Unterschied zum IGH liegt also darin, daß nicht die Proportionalität im Vordergrund steht, sondern „ . . . it is disproportion rather than any general principle of proportionality which is the relevant criterion or factor." 1 6 3
Dadurch, daß dieser Faktor nur noch dazu dienen soll, vorrangig einer eventuellen Disproportionalität vorzubeugen, ist seine Bedeutung als Hilfsmittel zur Verifizierung eines billigen Ergebnisses aber kaum noch festzustellen, wenn man bedenkt, daß noch mehrere andere Faktoren eine - gewichtigere - Rolle spielen. Ergibt sich aus deren Berücksichtigung eine „billige" Abgrenzung, so ist schwer vorstellbar, wie diese noch „disproportional" sein soü. Dennoch hält der IGH im zweiten bisher entschiedenen Fall zwischen einander gegenüberliegenden Staaten, im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, an der Proportionalität zwischen Küstenlänge und Festlandsokkelgebiet als Maßstab fest, wenngleich er einräumt, daß diese nur einer unter mehreren anderen Faktoren sei. 164 Dementsprechend zieht der IGH in dieser Entscheidung zunächst eine provisorische Mittellinie zwischen Libyen und Malta. Sodann vergleicht er die Längen der beiden Küsten und verschiebt die provisorische Grenzlinie zu Lasten Maltas nach Norden mit der Begründung, dessen Küstenlinie sei erheblich kürzer als die Libyens. 1 6 5 Schließlich überprüft der I G H die Billigkeit dieser Grenzziehung anhand des Proportionalitätsfaktors, was er wie folgt rechtfertigt: 160 Ebenda: „ I n the present case, the rôle of proportionality in the delimitation of the continental shelf is . . . a broader one, not linked to any specific geographical feature. It is rather a factor to be taken into account i n appreciating the effects of geographical features on the equitable or inequitable character of a delimitation." 161 Ebenda, para. 100. 162 Ebenda. 163 Ebenda, para. 101. 164 ICJ Rep. 1985, p. 44 f., para. 57. 165 Ebenda, pp. 44 ff., paras. 57 ff.
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„ I n the view of the Court, there is no reason of principle why the test of proportionality . . . , namely the identification of »relevant coasts', the identification of »relevant areas' of continental shelf, the calculation of the mathematical ratios of the lengths of the coasts and the areas of shelf attributed, and finally the comparison of such ratios, should not be employed to verify the equity of a delimitation between opposite coasts, just as well as between adjacent coasts." 166
Der IGH kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Verschiebimg der Mittellinie zu Lasten Maltas ein billiges Ergebnis darstellt: „The relationship between the lengths of the relevant coasts of the Parties has . . . already been taken into account in the determination of the delimitation line; if the Court turns its attention to the extent of the areas of shelf lying on each side of the line, it is possible for it to make a broad assessment of the equitableness of the result. . . . The conclusion to which the Court comes i n this respect is that there is certainly no evident disproportion in the areas of shelf attributed to each of the Parties respectively such that it could be said that the requirements of the test of proportionality as an aspect of equity were not satisfied." 167
Es ist jedoch nicht mehr einsichtig, warum der mathematische Vergleich der respektiven Küstenlinien in einem Fall einander gegenüberliegender Staaten überhaupt ein zu berücksichtigender Faktor bzw. Umstand sein können soll. Während es im Falle von benachbarten Staaten entsprechend dem oben Gesagten unmittelbar einleuchtet, daß ein solcher Vergleich geeignet ist, die Billigkeit der Abgrenzung zu verifizieren, kann dem im Falle von einander gegenüberliegenden Staaten nicht mehr gefolgt werden. Diese zusätzliche Berücksichtigung der Küstenlinien steht im Widerspruch zu dem grundlegenden Festlandsockelkonzept, welches nur die einmalige Berücksichtigung, nämlich im Hinblick auf die seitliche Ausdehnung des Festlandsockels, rechtfertigt. Die seewärtige Grenze des Festlandsockels bemißt sich nach Maßgabe des neuen Hechts aber ausschließlich nach dem Distanzkriterium von derzeit 200 sm. 1 6 8 Diese seewärtige Ausdehnung gilt unabhängig von der Länge der Küstenlinie. 1 6 9 Damit w i r d gleichzeitig deutlich, daß nicht nur die Proportionalität, sondern selbstverständlich auch die Küstenlinie als geographischer Umstand bei der Abgrenzung zwischen einander gegenüberliegenden Staaten keine Berücksichtigung finden dürfen. Sie sind als subsidiäre Faktoren lediglich geeignet, im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten Staaten eine möglicherweise entstandene Disproportionalität festzustellen. Da aber im Falle von einander gegenüberliegenden Staaten nicht die seitliche, sondern die seewärtige Ausdehnung der respektiven Festlandsockelgebiete betroffen ist, und diese für alle Staaten - ganz 166
Ebenda, p. 53, para. 74. Ebenda, p. 55, para. 75. 168 Vgl. dazu ausführlich oben 3. Teil A. III. 169 So auch Richter Mosler in seiner Dissenting Opinion zu dieser Entscheidung, ICJ Rep. 1985, p. 121. 167
1 *
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
gleich, ob ihre Küsten lang oder kurz sind - derzeit bis zu 200 sm betragen kann, müssen diese Faktoren unberücksichtigt bleiben. e) (Vor-)Verhalten
der Parteien
Fehlt es an einer wie auch immer gearteten förmlichen Vereinbarung zwischen den Parteien einer Abgrenzungsstreitigkeit, so stellt sich die Frage, ob und inwieweit ihr sonstiges Vorverhalten bei einer Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit als relevanter Umstand zu berücksichtigen ist. Relativ einfach zu beantworten ist diese Frage, wenn dieses Verhalten die Voraussetzungen entweder der „acquiescence " 170 oder von „estoppel" 111 erfüllt. „Acquiescence", die am besten mit „qualifiziertes Stillschweigen" 172 übersetzt wird, ist ein allgemein anerkanntes Institut im Völkerrecht. 173 Danach kann einem Unterlassen bzw. passivem Verhalten im Hinblick auf die Geltendmachung oder Ausübung von Rechten durch einen anderen Staat rechtsbindende Wirkung dergestalt zukommen, daß nunmehr auf Seiten dieses anderen Staates jene Rechte unbestreitbar bestehen. 174 Dies setzt neben der tatsächlichen oder - nach Maßgabe des Grundsatzes von Treu und Glauben - potentiellen Kenntnis von der Geltendmachung bzw. Ausübung voraus, daß einem solchen Handeln gewöhnlicherweise mit einem Protest o. ä. begegnet w i r d . 1 7 5 Ihren Ausdruck findet das Institut der „acquiescence" in dem Satz „qui tacet consentire videtur si loqui debuisset ac potuisset". Da dieses qualifizierte Stillschwiegen konstitutiv für Rechte anderer Staaten sein kann, sind die diesbezüglichen Anforderungen besonders streng. 176 So hat der IGH, wenngleich er sich nicht ausdrücklich auf „acquiescence" bezogen hat, im Fisheries Case die folgenden Elemente genannt: die allgemeine Kenntnis von der Geltendmachung von Ansprüchen, die im Widerspruch zu bestehenden oder seinerseits geltend gemachten Rechten stehen insoweit reiche es aus, daß von einem Staat nach Maßgabe von Treu und Glauben diese Kenntnis erwartet werden konnte; ein Tolerieren dieser 170 Vgl. dazu allgemein J.P. Müller/T. Cottier, Acquiescence, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 7 (1984), S. 5-7; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 519, 569, 586 jeweils m.w.N.; grundlegend auch die Entscheidung im Temple of Preah Vihear Fall, ICJ Rep. 1962, pp. 6-38. 171 Vgl. dazu allgemein J.P. Müller/T. Cottier, Estoppel, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc. Inst. 7 (1984), S. 78-81; Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 89; grundlegend auch hier die Entscheidung im Temple of Preah Vihear Fall sowie die Separate Opinion zu diesem Fall von Richter Alfaro, ICJ Rep. 1962, pp. 39 ff. 172 So etwa auch J.P. Müller/T. Cottier, Acquiescence, Enc. Inst. 7, S. 5. 173 Vgl. allein die vorstehenden Nachweise. 174 So J.P. Müller/T. Cottier, Acquiescence, Enc. Inst. 7, S. 5. 175 So auch Richter Alfaro, ICJ Rep. 1962, pp. 39 ff. 176 Vgl. statt vieler 7. Brownlie, Principles, S. 165.
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Ansprüche und längeres Absehen von einer Reaktion durch die besonders interessierten oder betroffenen Staaten. 177 Nach Maßgabe von „estoppel " ist ein Staat an diejenigen Erwartungen gebunden, die er durch sein Verhalten erweckt hat und auf die ein anderer Staat nach Maßgabe des Grundsatzes von Treu und Glauben vertrauen durfte. 1 7 8 Insoweit besteht also auch im Völkerrecht das Verbot des „venire contra factum proprium". 179 Ebenso wie bei der „acquiescence" kann es sich hier auch um passives Verhalten handeln, wenn üblicherweise mit einem Protest zu rechnen war. Daher können sich zwischen diesen beiden Instituten Überschneidungen ergeben. Dennoch sind sie streng voneinander zu unterscheiden. 180 Dies ist angesichts des noch nicht vollständig geklärten Verhältnisses von „estoppel" und „acquiescence" 181 nicht immer einfach, läßt sich aber im Rahmen dieser Arbeit etwa wie folgt durchführen. Während nach Maßgabe der „acquiescence" passives Verhalten unmittelbar konstitutiv für Rechte anderer Staaten sein kann, liegt die Rechtswirkung von „estoppel" vornehmlich darin, daß unter den genannten Voraussetzungen ein Staat Rechte, wie etwa das Recht zum Protest, verwirkt. 1 8 2 Diese Rechtswirkung kann nicht mit dem Institut der „acquiescence" erklärt werden; denn „estoppel" gelangt gerade in solchen Fällen zur Anwendung, i n denen nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob ein Staat eine bestimmte Situation (stillschweigend) anerkannt hat. Vielmehr muß sein Verhalten dergestalt gewesen sein, daß er nach Treu und Glauben nunmehr gehindert ist, die Entstehimg einer Verpflichtung zu bestreiten. 183 Sowohl im Fall der „acquiescence" als auch im Fall von „estoppel" würden aufgrund des Verhaltens einer oder beider Parteien Rechte bzw. Pflichten entstanden sein, die durch die Abgrenzung selbstverständlich nicht obsolet werden dürften. Weniger einfach ist die Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage aber hinsichtlich des sonstigen Vorverhaltens der Parteien, auf welches die Grundsätze von „acquiescence" und „estoppel" keine Anwendung finden. Im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen hat der IGH den Standpunkt vertreten, im Rahmen einer „billigen" Abgrenzung stelle das (gesamte) Vorverhalten der Parteien einen relevanten Umstand dar. 1 8 4 177
ICJ Rep. 1951, p. 139 f. Vgl. statt vieler J.P. Müller, Vertrauensschutz, S. 9 ff. 179 Vgl. Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 89. 180 v g l statt vieler Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 615. 178
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Vgl. dazu J.P. Müller/T. Cottier , Acquiescence, Enc. Inst. 7, S. 6. 182 vgl. statt vieler Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 89. 183 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 615; Richter Fitzmaurice i n seiner Separate Opinion zum Temple Case, ICJ Rep. 1962, p. 63. 184 ICJ Rep. 1982, pp. 70 ff., paras. 93 ff. Vgl. auch die Entscheidimg im Gulf of Maine Fall, wo die Kammer der Frage nachgeht, ob sich aus dem Vorverhalten der Parteien für deren bilaterale Beziehungen auf eine Rechtspflicht schließen lasse, bestimmte Abgrenzungsmethoden anzuwenden, ICJ Rep. 1984, p. 303 f., para. 126.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Selbstverständlich können die Parteien durch ihr Vorverhalten zu erkennen gegeben haben, welche Umstände sie grundsätzlich als relevant einordnen oder welchem dieser Umstände sie eine besondere Bedeutung beimessen. 185 Insoweit wäre es ein Gebot der Klugheit, daß beispielsweise das mit der Abgrenzung befaßte Gericht auf die in dem Vorverhalten zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung in seiner Urteilsbegründung eingeht. 186 Jedoch bedeutet dies nicht, daß etwa die von den Parteien als relevant eingeschätzten Umstände bei der Abgrenzimg dann zwangsläufig als solche Berücksichtigung finden müssen. Die Entscheidung darüber bleibt, wenn sich die Parteien darauf nicht rechtsverbindlich geeinigt haben, eben dem Gericht vorbehalten. 187 Eine Bedeutung kann dem Vorverhalten aber möglicherweise zukommen, wenn sich aus seinem historischen Kontext ergibt, daß die Parteien in dem Abgrenzungsgebiet - sei es im ganzen, sei es teilweise - bereits eine „de facto Grenze" errichtet haben. 188 So kommt der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen zu dem Ergebnis, Italien und Frankreich hätten im Jahre 1919 eine Senkrechte zur Küste als stillschweigenden modus vivendi akzeptiert. Da die Zustimmung Frankreichs zu dieser „de facto Grenze" auf Stillschweigen und fehlendem Protest beruhte, sei diese Grenze zwar nicht per se vereinbart worden 1 8 9 , jedoch könne das Fehlen eines Protestes „ . . . throughout a long period of time, . . . warrant its acceptance as a historical justification for the choice of the method of delimitation of the continental shelf between the two States, to the extent that the historic rights claimed by Tunisia could not in any event be opposable to Libya east of the modus vivendi line." 1 9 0
Das Gericht sah in dieser Entscheidung noch eine weitere „de facto Grenze", die sich aus der Praxis der Parteien im Zusammenhang mit der Vergabe von Ölbohrkonzessionen entwickelt habe. 191 Diesem Umstand,
Nach Prüfung der von den USA und Kanada vorgebrachten Argumente sieht sich die Kammer aber außerstande, eine solche Schlußfolgerung zu ziehen, ebenda, pp. 303 ff., paras. 126 ff. 185 So D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 273. 186 Dies entspricht auch der ständigen Praxis internationaler Gerichte, vgl. ζ. B. das Urteil des I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, pp. 13-58 sowie die Entscheidimg des Tribunals im Abgrenzungs Fall zwischen Guinea und Guinea-Bissau, I L M 1986, 252-307. 187 Dies verkennt D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 273, ganz offensichtlich. 188 Vgl. dazu M.B. Feldman, AJIL 1983, 219-238 (233 f.); D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 273. 189 So aber Richter Ago i n seiner Separate Opinion, der die Voraussetzungen von „acquiescence" als erfüllt ansieht, ICJ Rep. 1982, pp. 95 ff. 190 ICJ Rep. 1982, p. 71, para. 95. 191 Insoweit handelt es sich um eine bei Ras Ajdir beginnende Senkrechte zur Küste.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
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„ . . . which the Court finds highly relevant to the determination of the method of delimitation", 1 9 2
hätten die Parteien nicht hinreichend Beachtung geschenkt. Ist schon die Relevanz der erstgenannten „de facto Grenze" mangels Bezuges zum Festlandsockel zweifelhaft 193 , so gilt dies erst recht für die zweite. Zwar bezieht sich die in diesem Zusammenhang als relevant eingestufte Vergabepraxis auf klassische Festlandsockelrechte, sie hatte aber bis zu der Entscheidung des Gerichts höchstenfalls acht Jahre angedauert. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde betont der IGH, er habe seine Entscheidimg weder auf „acquiescence " noch auf „estoppel " gegründet. Vielmehr stelle - so der I G H - die aus der Vergabepraxis resultierende Linie einen Beweis dar für „ . . . the line or lines which the Parties themselves may have considered equitable or acted upon as such - if only as an interim solution affecting part only of the area to be delimited." 1 9 4
Wie bereits festgestellt, kann aber die in dem Verhalten der Parteien zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung niemals per se ein für die Abgrenzung relevanter Umstand sein. Lassen sich somit - ohne daß hier geprüft werden soll, ob sie im libysch-tunesischen Fall gegeben waren - die Voraussetzungen von „acquiescence " und „estoppel " nicht bejahen, so ist kein rechtlicher Grund ersichtlich, warum dann über das recht fragwürdige Institut einer „de facto Grenze" dem Vorverhalten der Parteien eine für die Abgrenzung rechtserhebliche Bedeutung zukommeh soll. Eine solche Vorgehensweise würde dazu führen, daß das rechtlich an sich irrelevante Verhalten eines Staates - er ist nach Maßgabe des Völkerrechts gerade nicht gehalten zu reagieren - diesem Rechtsnachteile bringt, obwohl er sich möglicherweise nur aus dem Grunde passiv verhalten hat, um die Eskalation einer eh angespannten Situation zu vermeiden. 195 Unter der Geltung des universellen Gebots der friedlichen Streitbeilegung kann einem Staat ein solches Verhalten - wenn besondere Rechtsgründe nicht eingreifen - nicht zum Nachteil gereichen. 196 Es bleibt somit festzuhalten, daß lediglich dasjenige Vorverhalten der an einer Abgrenzung des Festlandsockels beteiligten Staaten einen relevanten Umstand darstellen kann, welches die Voraussetzungen von „acquiescence " 192
ICJ Rep. 1982, p. 83, para. 117. 193 Tatsächlich stand diese Linie, wenn sie überhaupt rechtliche Gültigkeit hatte, in Beziehung zu Fischereirechten. 194 ICJ Rep. 1982, p. 84, para. 118. 195 I n der Tat bestand im Fall zwischen Tunesien und Libyen die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung, hätte Tunesien seine Bohrungen weiter nach Osten verlegt. 196 Ähnlich M.B. Feldman, AJIL 1983, 234.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
oder „estoppel" erfüllt. Das sonstige Vorverhalten der Parteien ist per se in keinem Fall ein solcher Umstand. V. Abwägung der relevanten Umstände Sind sämtliche für den jeweils zu entscheidenden Einzelfall relevanten Umstände zusammengetragen, so wird in der Regel bereits eine Sichtung dieser Umstände zeigen, daß ihnen nicht allesamt die gleiche Bedeutimg für die endgültige Abgrenzung zukommen kann. Beispielsweise können sicherheitspolitische Erwägungen eine geringfügigere Rolle spielen als wirtschaftliche Umstände, wenn es sich bei dem betreffenden Seegebiet um eine von vielen Staaten genutzte Schiffahrtsroute handelt. 1 9 7 Mit einer solchen Sichtung bzw. mit einem solchen Gegenüberstellen einzelner relevanter Umstände kann es jedoch nicht sein Bewenden haben. Die Bestimmung der Bedeutung jedes einzelnen dieser Umstände für die endgültige Abgrenzung darf nach Maßgabe des derzeitigen Abgrenzungsrechts nicht isoliert erfolgen. 198 Eine „billige" Entscheidung - auch in verfahrensmäßiger Hinsicht - ist nur gewährleistet, wenn die Gewichtung der relevanten Umstände derart erfolgt, daß sie in ihrer Gesamtheit in den Abwägungsvorgang einbezogen werden. 1 9 9 So ist beispielsweise das Schiedsgericht im Kanal-Festlandsockel-Fall zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu der Schlußfolgerung gelangt, die besonderen Umstände der Kanal-Inseln würden „call for an intermediate solution that effects a more appropriate and a more equitable balance between the respective claims and interests of the Parties." 2 0 0
Dementsprechend hat es die zahlreichen von den Parteien vorgebrachten Umstände, die es als relevant eingestuft hat, vollständig in den Abwägungsvorgang einfließen lassen. 201 Dieser zweifellos erforderliche Abwägungsvorgang stellt neben der Qualifizierung der einzelnen Umstände als relevant den wohl problematischsten Aspekt der Abgrenzung dar. 2 0 2 Die Tatsache, daß bei jeder Abgrenzung ein197
Vgl. dazu bereits oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. c). So etwa auch ICJ Rep. 1969, p. 50 para 94: „ I n balancing the factors in question it would appear that various aspects must be taken into account." 199 w i e vor. Vgl. ferner ICJ Rep. 1982, p. 59 f., para 70 f.; 1974, p. 31 f., para. 73 (wenngleich nicht im Zusammenhang mit Abgrenzungsfragen); M.D. Blecher, AJIL 1979, 60-88 (77 ff.); D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 274; O. Adede, Va.J.Int'l.L. 1977, 173-197. 200 Award, para. 198. 201 So hat das Schiedsgericht etwa auch die Größe und die (wirtschaftliche) Bedeutung der Kanal-Inseln als relevante Umstände berücksichtigt, ihnen aber im Verhältnis zu all den anderen Umständen nur eine geringe Bedeutung beigemessen, ebenda, para. 187. 198
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
249
ander widerstreitende nationale Interessen die Positionen der Parteien bestimmen, hat dazu geführt, daß das anwendbare Recht offen und daher allen denkbaren Interpretationen zugänglich ist. 2 0 3 Das Gericht, welches das anwendbare Recht zum Teil noch selbst ausfüllen muß, kann daher leicht der Versuchimg erliegen, anstelle objektiver Wertungen sein subjektives Gerechtigkeitsempfinden in die Entscheidung einfließen zu lassen. Zwar hat der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen betont, daß „ . . . it is clear that no rigid rules exist as to the exact weight to be attached to each element i n the case, this is very far from being an exercise of discretion or conciliation; nor is it an operation of distributive justice." 2 0 4
Dennoch zeigen gerade die Entscheidungen des IGH, daß der Abwägungsvorgang die Gefahr rein subjektiver Wertungen durch das Gericht in sich birgt, 2 0 5 so daß „ . . . predictions about the correct and equitable boundary w i l l perforce be hazardous." 2 0 6
Es ist aber immer zu bedenken, daß mit dem Normbefehl, Prinzipien der Billigkeit anzuwenden, gerade nicht eine im Sinne der akzessorischen Billigkeit modifizierte Gerechtigkeit 207 oder gar eine außerrechtliche Billigk e i t 2 0 8 in Bezug genommen wird. Dem subjektiven Gerechtigkeitsempfinden des Richters bzw. des Gerichts darf nach Maßgabe des geltenden Rechts keine für die Abgrenzung entscheidende Bedeutung zukommen. 209 VI. Billigkeit der Äquidistanz? Es ist bereits mehrfach hervorgehoben worden, daß die auf die Abgrenzung anzuwendenden Prinzipien, Kriterien und Methoden eine hinreichende Beziehimg zum grundlegenden Festlandsockelkonzept, wie es sich nach dem ζ. Z. geltenden Recht darstellt, aufweisen müssen. 210 Da dieses Recht den Küstenstaaten nunmehr Festlandsockelrechte gewährt, die sich unabhängig von der geologischen Beschaffenheit des Meeresgrundes und 202
S. 218. 203
So auch D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 275; D.W. Bowett, Islands,
Waldock meint sogar: „so to lay down precise criteria for solving all cases may be to chase a chimera . . . " ; C.H.M. Waldock, The International Court and the Law of the Sea (Lecture, Cornells Van Vollenhoven Foundation, 22 May 1979), S. 12. 204 ICJ Rep. 1982, p. 60, para. 71. 205 So etwa die nicht näher begründete Verlegung der Mittellinie nach Norden im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, pp. 51 ff. 206 D.W. Bowett, Islands, S. 218. 207 Vgl. dazu K. Strupp, Das Recht des internationalen Richters, S. 106. 208 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt I. 209 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt I. 2 i ° Vgl. oben 3. Teü B. 2. Abschnitt III. und IV 1.
250
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
-untergrundes bis auf 200 sm seewärts ausdehnen können, besteht weder im Hinblick auf den Rechtserwerbstitel, noch im Zusammenhang mit der Abgrenzimg eine Veranlassung, geologischen und geomorphologischen Faktoren irgendeine Bedeutung beizumessen. 211 Vielmehr liegt es nahe, da der Rechtserwerbstitel heute ausschließlich auf der nach Distanz bemessenen Kontiguität beruht 2 1 2 , dem Distanzkriterium auch für die Abgrenzung eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen. Dies drängt sich jedenfalls auf für den Fall einander gegenüberliegender Staaten. Während nämlich bei der Abgrenzung des Festlandsockels benachbarter Staaten vorrangig der Länge der jeweiligen Küsten und dem Proportionalitätsfaktor eine entscheidende Rolle zukommt und die seewärtige Ausdehnung des Festlandsockels kaum betroffen ist 2 1 3 , verhält sich dies im Fall einander gegenüberliegender Staaten genau umgekehrt. Denn bei deren Festlandsockelabgrenzung ist ja gerade - jedenfalls soweit es sich um die hier interessierenden Seegebiete handelt, in denen die betreffenden Küsten weniger als 400 sm voneinander entfernt liegen 2 1 4 - die nach Distanz zu bemessende, völkerrechtlich zulässige seewärtige Ausdehnung ihrer Festlandsockelgebiete betroffen. Kommt dem Distanzkriterium aber für die Abgrenzung des Festlandsockels einander gegenüberliegender Staaten jene besondere Bedeutung zu, so erscheint die Anwendung der Äquidistanzmethode auf den ersten Blick als eine Lösung, die mit den Prinzipien der Billigkeit voll in Einklang steht. Denn die Regel, Prinzipien der Billigkeit anzuwenden, beinhaltet auch die Forderung nach einer grundsätzlichen Gleichbehandlung der an der Abgrenzung beteiligten Staaten. 215 In der Tat deuten mehrere Passagen in den Entscheidungen internationaler Gerichte darauf hin, daß Äquidistanz die augenscheinlich korrekte Abgrenzungsmethode für den Festlandsockel zwischen einander gegenüberliegenden Staaten ist. 2 1 6 Die wohl bekannteste und am häufigsten in Bezug genommene findet sich in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen: „The continental shelf area off, and dividing, opposite States . . . can . . . only be delimited by means of a median line; and,. . . such a line must effect an equal division of the particular area involved." 2 1 7
Auch das Gericht im Kanal-Schiedsverfahren zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich ist offensichtlich der Auffassung 218 , bei einan211 So ausdrücklich der I G H i m Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 35, paras. 39, 40. 212 Ebenda. 213 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. d). 214 Vgl. zu dieser Einschränkung oben 3. Teil B. 1. Abschnitt I. 215 So ausdrücklich Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion zum Festlandsokkel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 119. Dies impliziert aber auch der I G H selbst, vgl. etwa ICJ Rep. 1969, p. 36, para. 57; ICJ Rep. 1982, para.126. 216 Ähnlich sieht dies D.N. Hutchinson, BYIL 1984,143. 217 ICJ Rep. 1969, p. 36, para. 57.
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
251
der gegenüberliegenden Staaten komme als Abgrenzungsmethode nur die Mittellinie in Betracht. 2 1 9 I n die gleiche Richtung weisen der Vorschlag des Schlichtungsausschusses im Jan Mayen-Fall zwischen Norwegen und Island 2 2 0 sowie die Entscheidimg des IGH im Festlandsockel Fall zwischen Timesien und Libyen. 2 2 1 Diese Auffassung wird auch von weiten Teilen des völkerrechtlichen Schrifttums geteilt. 2 2 2 Jedoch dürfen aus der angeführten Judikatur keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Die Entscheidung des Schiedsgerichts im Kanal Fall erging am 30. Juni 1977, also zu einem Zeitpunkt, als die Neuentwicklung des Seevölkerrechts mit UNCLOS I I I gerade begonnen hatte. Die genannten Passagen aus den Entscheidungen des IGH können auch nicht ohne weiteres dazu dienen, der Äquidistanzmethode irgendeinen Vorrang einzuräumen. Zum einen handelt es sich, da es in jenen Fällen um die Abgrenzung zwischen benachbarten Staaten geht, lediglich um obiter dicta. Zum anderen hat der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta - wenngleich in einem etwas anderen Zusammenhang 223 - eben wegen der zwischenzeitlichen Weiterentwicklung des Seerechts davor gewarnt, sich ohne weiteres auf seine vorangegangenen Entscheidungen zu verlassen. 224 Hinzu kommt, daß weiter oben bereits nachgewiesen worden ist, daß eine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur Anwendung der Äquidistanzmethode nicht besteht. 225 Vielmehr stellt sie nur eine von vielen Abgrenzungsmethoden dar, die allesamt dem überragenden Ziel, der Erreichung eines „billigen" Ergebnisses, untergeordnet sind. 2 2 6 218 Das Schiedsgericht, aaO, para. 85, geht davon aus, daß „a large proportion of the delimitations of the continental shelf have been effected by the application either of the equidistance method, or, not infrequently, of some variant of that method". 219 Ebenda, para. 87: „ . . . they (=the Parties) are agreed that the geographical and legal frame of reference for the delimitation of the boundary is that of an »opposite States' situation; and that i n consequence, the appropriate method is, i n principle, equidistance. . . . this Court sees no reason to differ from the conclusion of the Parties that, in principle, the method applicable in the English Channel is to draw a median line equidistant from their respective coasts . . . " Noch deutlicher macht das Schiedsgericht diesen Standpunkt i n para. 95: „ . . . i n the case of ,opposite' States a median line w i l l normally effect a broadly equitable delimitation . . . " ; vgl. ferner ebenda, para. 185: „Between opposite States . . . a median line boundary w i l l i n normal circumstances leave broadly equal areas of continental shelf to each State and constitute a delimitation in accordance w i t h equitable principles." 220 Jan Mayen, I L M 1981, 824. 221 ICJ Rep. 1982, p. 88, para. 126. 222 Vgl. etwa E.D. Brown, Hydrospace, S. 61 f.; D.N. Hutchinson , BYIL 1984, 143; O'Connell/Shearer, Law of the Sea II, S. 685, jeweils m.w.N. 223 Es ging um die Frage der Berücksichtigung geologischer und geomorphologischer Faktoren, vgl. ICJ Rep. 1985, p. 35 f., para. 40. 224 Ebenda. 225 Vgl. oben 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 2. 226 So auch das Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), para. 102. Eben aus diesem Grunde verbieten sich auch die Versuche einiger Autoren i m Schrifttum, allgemeingültige Methoden für sämtliche Abgrenzungsfälle zu entwickeln; vgl. ζ. B. D.E. Karl, Islands and the Delimitation of the Continental Shelf: A Framework for Analysis,
252
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
D e n n o c h sprechen der wissenschaftliche C h a r a k t e r dieser M e t h o d e u n d i h r e r e l a t i v einfache A n w e n d b a r k e i t i m L i c h t e des D i s t a n z p r i n z i p s f ü r eine i h r inhärente B i l l i g k e i t . 2 2 7 Ganz anders scheint dies aber der I G H i m Festlandsockel F a l l zwischen L i b y e n u n d M a l t a z u sehen, w o er z u m ersten M a l mit
einer A b g r e n z i m g zwischen einander gegenüberliegenden
Staaten
befaßt w a r : „Neither, however, is the Court able to accept the argument of Malta . . . that the new importance of the idea of distance from the coast has, at any rate for delimitation between opposite coasts, in turn conferred a primacy on the method of equidistance. The Court is unable to accept that, even as a preliminary and provisional step towards the drawing of a delimitation line, the equidistance method is one which must be used, or that the Court is required, as a first step, to examine the effects of a delimitation by application of the equidistance method. Such a rule would come near to an espousal of the idea of »absolute proximity', which was rejected by the Court i n 1969, and which has since, moreover, failed of acceptance at the Third United Nations Conference on the Law of the Sea. That a coastal State may be entitled to continental shelf rights by reason of distance from the coast, and irrespective of the physical characteristics of the intervening sea-bed and subsoil, does not entail that equidistance is the only appropriate method of delimitation, even between opposite or quasi-opposite coasts, nor even the only permissible point of departure. The application of equitable principles in the particular relevant circumstances may still require the adoption of another method, or combination of methods, of delimitation, even from the outset." 2 2 8 D a m i t w i r d augenscheinlich gleichzeitig jegliche der Ä q u i d i s t a n z i n h ä r e n t e B i l l i g k e i t kategorisch v e r n e i n t m i t der Folge, daß i h r a u c h i m F a l l einander gegenüberliegender
Staaten keine hervorgehobene S t e l l u n g
eingeräumt
w e r d e n darf. Dies ist jedoch n u r teilweise r i c h t i g . S i n n dieser A u s f ü h r u n g e n des I G H w i e auch des T r i b u n a l s i m Abgrenzungs F a l l zwischen G u i n e a u n d G u i n e a B i s s a u 2 2 9 - ist es n i c h t , der Ä q u i d i s t a n z m e t h o d e eine zumindest potentielle B i l l i g k e i t abzusprechen. V i e l m e h r deuten diese u n d a u c h die w e i t e r e n E n t scheidungsgründe darauf h i n , daß l e d i g l i c h v e r h i n d e r t w e r d e n soll, daß b e i der A b g r e n z u n g zwischen einander gegenüberliegenden Staaten diese M e t h o d e automatisch, d. h. ohne B e r ü c k s i c h t i g u n g anderer Methoden, z u r A n w e n d u n g g e l a n g t . 2 3 0 D e n n der I G H sagt l e d i g l i c h , daß die Ä q u i d i s t a n z AJIL 1977, 642-673; W. Langeraar, Delimitation of Continental Shelf Areas: A New Approach, J.of Marit.L.&Comm. 1986, 389-406; ders., Maritime Delimitation. The Equiratio Method - a New Approach, Mar.Policy 1986, 3-18. 227 Dies bemerkt auch das Tribunal, para. 102. 228 ICJ Rep. 1985, p. 37 f., para. 42 f. 229 Tribunal, para. 102. 230 Im folgenden, ICJ Rep. 1985, p. 46 f., para. 61 f., wendet der I G H nämlich die Mittellinie gerade als vorläufige Grenzlinie an, was er wie folgt begründet: „The Court has little doubt which criterion and method it must employ at the outset in order to achieve a provisional position i n the present dispute. The criterion is linked w i t h the
Β. 2. Abschn.: B i l l i g k e i t u n d Abgrenzung
253
unter der Geltung des Distanzprinzips nicht die einzige geeignete Abgrenzungsmethode darstellt. Hätte er ihr jegliche Eignung zur Erzielung eines billigen Ergebnisses absprechen wollen, so hätte er diese Formulierung nicht verwendet. Diesem Ansinnen ist, wenngleich es wünschenswert gewesen wäre, daß der IGH dies hinreichend deutlich gemacht hätte, grundsätzlich zuzustimmen. Denn es ist unter der Geltung der derzeitigen Abgrenzungsregel Aufgabe einer jeden zur Anwendimg gelangenden Methode sicherzustellen, daß nach Maßgabe objektiver Faktoren und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles die Abgrenzung ein „billiges" Ergebnis darstellt. Dieses Ziel kann aber gefährdet werden, wenn der Rückgriff auf eine von vornherein feststehende Methode nicht ausgeschlossen ist. 2 3 1 Vielmehr ist zunächst von dieser grundlegenden Regel auszugehen. Dabei muß beachtet werden, daß die Prinzipien der Billigkeit eine grundsätzliche Gleichbehandlung der an der Abgrenzung beteiligten Staaten fordern, wenngleich dies nicht unbedingt bedeutet, daß der jeweilige Anteil am Festlandsockel mit dem des anderen Staates identisch sein muß. 2 3 2 Eine Aufteilung des Festlandsockels zu gleichen Teilen steht aber immer dann in Einklang mit der grundlegenden Abgrenzungsregel, wenn die Gesamtheit der relevanten Umstände des Einzelfalles dieses Ergebnis nahelegt. Dann wiederum bietet sich die Äquidistanz als vorrangig in Betracht zu ziehende Methode an. 2 3 3 Erst wenn sie den Besonderheiten des Einzelfalles nicht law relating to a State's legal title to the continental shelf. As the Court has found above, the law applicable to the present dispute, that is, to claims relating to continental shelves located less than 200 miles from the coasts of the States in question, is based not on geological or geomorphological criteria, but on a criterion of distance from the coast or, to use the traditional term, on the principle of adjacency as measured by distance. It therefore seems logical to the Court that the choice of the criterion and the method which it is to employ in the first place to arrive at a provisional result should be made in a manner consistent w i t h the concepts underlying the attribution of legal t i t l e . . . . account must be taken of the fact that, according to the,fundamental norm' of the law of delimitation, an equitable result must be achieved on the basis of the application of equitable principles to the relevant circumstances. . . . But it is i n fact a delimitation exclusively between opposite coasts that the Court is, for the first time, asked to deal with. . . . It is clear that, in these circumstances, the tracing of a median line between those coasts, by way of a provisional step i n a process to be continued by other operations, is the most judicious manner of proceeding." 231 So auch das Tribunal (Guinea/Guinea-Bissau), aaO. A.A.: Richter Oda in seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, der die Auffassung vertritt, die der Äquidistanz inhärente Billigkeit führe dazu, daß diese Methode - vorbehaltlich der nach Maßgabe der Billigkeit vorzunehmenden Modifikationen - grundsätzlich zur Anwendung gelangen müsse. Denn es sei keineswegs so, daß es sich dabei um eine mathematisch feststehende Methode handele. Vielmehr stehe sie von Anfang an unter dem Vorbehalt der Abänderung, wenn dies die Besonderheiten des Einzelfalles erforderlich machten, ICJ Rep. 1985, pp. 159 ff., paras. 65 ff. 232 Dies hat der I G H schon i n den Nordsee-Festlandsockel-Fällen betont, vgl. ICJ Rep. 1969, p. 49, para. 91. 233 So auch Richter Mosler i n seiner Dissenting Opinion zum Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 119. Vgl. ferner Y. Shimada, Role of the
254
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
gerecht werden kann, ist sie durch andere Methoden zu ergänzen oder zu modifizieren. 234 Diese Auslegung der genannten Passage aus dem Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta steht nicht nur in Einklang mit der Abgrenzungsregel als solcher, sondern berücksichtigt auch in dem gebotenen Maße die besondere Bedeutung des Distanzprinzips für den Rechtserwerbstitel von Festlandsockelrechten. VII. Ergebnis Für die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen einander gegenüberliegenden Staaten bleibt daher festzuhalten, daß das umstrittene Gebiet grundsätzlich zu gleichen Teilen abgegrenzt werden muß. Zur Erreichung dieses Ziels bietet sich unter der Geltung des Distanzprinzips in all den Fällen, in denen keine besonderen geographischen oder andere relevante Faktoren zu berücksichtigen sind, die Äquidistanzmethode wegen der ihr inhärenten Billigkeit an. Dabei ist immer abschließend zu prüfen, ob die Besonderheiten des Einzelfalles eine Modifikation erforderlich machen.
3. Abschnitt: Festlandsockelabgrenzung und Inseln I. Vorbemerkung Die Tatsache, daß Inseln sowohl nach Völkervertrags- als auch nach Völkergewohnheitsrecht grundsätzlich gleich dem Festland zu behandeln sind 1 , präjudiziert als solche nicht die Beantwortung der Frage, ob Inseln bei der Abgrenzung voll, nur zum Teil oder gar nicht zu berücksichtigen sind. 2 Die bisherige Praxis macht vielmehr deutlich, daß gerade die Präsenz von Inseln einen zum Teil erheblichen Störfaktor bei der Abgrenzimg von Seegebieten darstellen kann. 3 Im völkerrechtlichen Schrifttum wird das Problem äußerst kontrovers diskutiert. 4 Median Line-Principle in the Delimitation of the Continental Shelf, in: The Frontier of the Seas (1980), S. 51-52. 234 ICJ Rep. 1985, p. 119. 1 Vgl. dazu im einzelnen oben 2. Teil. 2 So etwa auch D.W. Bowett, Islands, S. 34. 3 So auch D.C. Kapoor, The'Delimitation of Exclusive Economic Zones, Marine Policy Managment 1977, 255-263 (259); D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 261; B. Rüster, Rechtsordnung, S. 413 f.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 560. 4 Hier seien zunächst nur die umfassenderen Veröffentlichungen genannt, die auch eine gute Übersicht über diesen Problemkreis geben: D.W. Bowett, Islands, New York 1979; C.R. Symmons, Islands, Den Haag 1979; H. Pazarci, Délimitation du plateau Continental, Ankara 1982; H. Dipla, Régime juridique, Genève 1984; R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, Research Study, Bureau of Intelligence and Research, Dept. of State 1973; iV. Ely, Seabed Boundaries between Coastal States: the Effect to Be Given Islets as „Special Circumstances", Int'l. Lawyer 1972, 219-236;
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
nen
255
Bevor im folgenden auf die einzelnen Positionen, Lösungsansätze und Vorschläge eingegangen wird, bedarf es einer kurzen Klarstellung hinsichtlich des Begriffs der „Berücksichtigung". Weiter oben 5 ist darauf hingewiesen worden, daß Inseln für die Abgrenzung relevante, geographische Umstände sein können. Wenn im folgenden die Frage behandelt wird, ob Inseln bei der Abgrenzung nur teilweise oder gar nicht zu berücksichtigen sind, so ist dies gleichbedeutend mit der Frage nach ihrer Qualifizierung als eben „relevante Umstände". Dementsprechend bedeutete eine volle Berücksichtigung von Inseln, daß sie keine „relevanten Umstände" darstellen. 6 EL Multilaterale völkerrechtliche Verträge 1. Die Genfer FSK und ihre Vorarbeiten
Bekanntlich bestimmt Art. 6 FSK, daß im Falle des Fehlens einer Vereinbarung die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten nach Maßgabe des Äquidistanz- bzw. Mittellinienprinzips erfolgen soll, wenn nicht „besondere Umstände" eine andere Grenzziehung rechtfertigen. 7 Zieht man zudem in Betracht, daß gemäß Art. 1 (b) FSK Inseln ebenso wie jedes Festlandgebiet einen Festlandsockel haben, so könnte man aufgrund des Wortlauts sowie des Zusammenhangs8 im Wege einer vordergründigen Auslegung mit Teilen des Schrifttums zu dem Ergebnis gelangen, nach Maßgabe der Vorschriften der FSK seien Inseln bei der Festlandsockelabgrenzung stets voll zu berücksichtigen.9 L.F.E. Goldie, The International Court of Justice's „Natural Prolongation" and the Continental Shelf Problem of Islands, N Y I L 1973, 237-261; D.E. Karl, Islands and the Delimitation of the Continental Shelf: A Framework for Analysis, AJIL 1977, 642673; vgl. auch O'Connell/Shearer, Law of the Sea II, S. 714-723; E. Gounaris, The Delimitation of the Continental Shelf of Islands: Some Observations, RHDI 1980,111119; A. Olafsson, Some Aspects of the New Law of the Sea of Special Significance for the Small Nations of the North. The Faroese Case, Nord.T.for Int.Ret. 1985, 59-64; eingehend zu den im Schrifttum vertretenen Positionen unten unter V. 5 Vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. a). 6 So im Ansatz auch D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 261. 7 Vgl. dazu insbesondere R.D. Hodgson/L.M. Alexander, Towards an Objective Analysis of Special Circumstances, Bays, Rivers, Coastal and Oceanic Archipelagos and Atolls; Rhode Island Law of the Sea Institute (1972), Occasional Paper No. 13. » Vgl. allein Art. 31 WVK. 9 So etwa G.E. Pearcy, Geographical Aspects of the Law of the Sea, Annals of the American Association of Geographers 1959, 1-23 (17 f f.); Ch. Rousseau, Relations de voisinage (Irak et Iran). Différend concernant la délimitation de leur plateau continental dans le Golfe persique, RGDIP 1966, 488-494 (492 ff.); M. Voelckel, L'utilisation du fond de la mer, A F D I 1968, 719-735 (725 ff.); J.A.C. Gutteridge, The Geneva Convention on the Continental Shelf, BYIL 1959,102-123 (119 f.); L. Delin, Shall Islands Be Taken into Account When Drawing the Median Line According to Art. 6 of the Convention on the Continental Shelf?, Nord.T.for Int.Ret 1971, 205-219 (207); H. Dipla, Régime juridique, S. 212, 232 ff.
256
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Zweifel an der Richtigkeit dieses Auslegungsergebnisses erscheinen aber gerechtfertigt zu sein. Es ist schon fraglich, ob der Wortlaut tatsächlich so eindeutig ist, wie das zum Teil von den genannten Stimmen aus dem Schriftt u m 1 0 vertreten wird. 1 1 Zwar ergibt der systematische Zusammenhang, daß wegen der gemäß Art. 1 (b) FSK grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten in der Tatsache allein, daß Inseln vorliegen, niemals ein „besonderer Umstand" im Sinne von Art. 6 FSK gesehen werden kann, der eine andere als die Äquidistanzlinie rechtfertigte. 12 Nach Maßgabe dieser Vorschriften kann die Präsenz von Inseln nur dann als „besonderer Umstand" zu qualifizieren sein, wenn weitere Umstände hinzutreten. 13 Diese weiteren Umstände können sowohl in besonderen Merkmalen der Inseln selbst als auch des Festlands oder des abzugrenzenden Seegebiets bestehen. Dies bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der genannten Vorschriften. Schon die ILC behandelte im Rahmen ihrer Vorarbeiten zu UNCLOS I die Präsenz von Inseln im Zusammenhang mit den „besonderen Umständen". 1 4 In der Kommentierung zu ihrem Entwurf aus dem Jahre 1953 wies sie darauf hin, daß „ . . . any exceptional configuration of the coast, as well as the presence of islands or of navigable channels . . . " 1 5
„besondere" und damit für die Abgrenzung relevante, geographische Umstände 16 darstellen könnten. Dadurch - so die ILC - erhalte die Regel eine gewisse „Elastizität". 1 7 Ebenso machen die Stellungnahmen einiger Delegierter während der Genfer Seerechtskonferenz zu dem ILC-Entwurf wie auch Änderungsvorschläge 18 deutlich, daß man zwar von einer grundsätzlichen Gleichbehandlung ausging, nicht aber Inseln in jedem Fall bei der Abgrenzung voll berücksichtigt wissen wollte. So machte die Delegation Italiens den Vorschlag, den Entwurf dahingehend abzuändern, daß die Grenze zwischen den Festlandküsten gezogen werden sollte, wobei Inseln völlig außer acht zu lassen wären. 19 Dagegen wandten sich vor allem die 10
Vgl. allein L. Delin, Nord.T.for Int.Ret 1971, 207. Zu weitgehend ist allerdings die Auffassung, die Vorschriften der FSK ließen insoweit überhaupt keine Auslegung zu. Vgl. D.J. Padwa, Submarine Boundaries, ICLQ 1960, 628-653. 12 So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 718; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 546; E. Grisel, AJIL 1970, 583. 13 So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 718; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 546; E. Grisel, AJIL 1970, 583. 14 Vgl. etwa YILC 1953 I, 128. 15 YILC 1953 II, 216 (Hervorhebung vom Verf.); vgl. auch YILC 1956 II, 300. 16 Vgl. dazu bereits oben 2. Abschnitt; ferner U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 533. 17 YILC 1953 II, 216; 1956 II, 300. 18 Vgl. UNCLOS I, Off. Ree. Vol. IV, pp. 92-112. 19 Ebenda, p. 92. 11
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
nen
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Vertreter Schwedens und Argentiniens mit der Begründung, dies stehe im Widerspruch zu der grundlegenden Norm, wonach auch Inseln einen eigenen Festlandsockel haben. 20 Der Delegierte des Vereinigten Königreichs vertrat die Auffassung, Inseln sollten ausschließlich als „besondere Umstände" behandelt werden 21 , und schlug vor, daß „ . . . for the purposes of drawing a boundary, islands should be treated on their merits, very small islands or sand cays on a continuous continental shelf and outside the belts of territorial sea being neglected as base points for measurement and having only their own appropriate territorial sea." 22
Schließlich unterbreitete noch der Delegierte Irans den Vorschlag, Inseln zwar grundsätzlich einen eigenen Festlandsockel zuzugestehen, sie jedoch dann bei der Abgrenzung unberücksichtigt zu lassen, wenn sie außerhalb des Küstenmeeres des Festlandstaates, zu dem sie gehören, gelegen sind. 23 Zwar wurden die Vorschläge Italiens und des Iran bei der Abstimmung mit einer klaren Mehrheit abgelehnt 24 , dennoch machen sie und die anderen Stellungnahmen deutlich, daß die Delegierten bestimmte Inseln - sei es wegen ihrer Größe, sei es wegen ihrer Lage - nicht in jedem Fall voll berücksichtigen wollten. Die Ablehnung des italienischen und des iranischen Vorschlags durch die Konferenz kann auch nicht als Argument für eine kategorische, volle Berücksichtigung von Inseln dienen. Denn die Delegierten von UNCLOS I haben dadurch nur ihre Ablehnung der in diesen beiden Vorschlägen enthaltenen Kriterien zum Ausdruck gebracht. Sie gaben sich mit dem ILC-Entwurf und dem in der Kommentierung gegebenen Hinweis zufrieden, weil eine tiefergehende Behandlung dieses Problemkreises - insbesondere die Erarbeitimg bestimmter Kriterien, wie ζ. B. der Größe von Inseln, die keine Berücksichtigung finden sollten - einer Einigung im Wege gestanden haben würde. 25 Die Vorschriften der 1958er FSK lassen es folglich zu, Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen nur teilweise oder möglicherweise gar nicht zu berücksichtigen. 26 Abgesehen von dem sehr allgemeinen Hinweis der ILC, Inseln könnten „besondere Umstände" darstellen, sowie beispielsweise des britischen Delegierten, sehr 20
Ebenda. Ebenda, p. 93: „Among the special circumstances which might exist there was, for example, the presence of a small or large island in the area to be apportioned ..." 22 Ebenda. Der U.S.-Delegierte stimmte dem britischen Vorschlag ausdrücklich zu, ebenda, p. 95. Vgl. zum britischen Standpunkt auch dessen Darstellung durch die damalige Delegierte des Vereinigten Königreichs J.A.C. Gutteridge in BYIL 1959,120. 23 Vgl. UNCLOS I, Off. Ree. Vol. IV, p. 95. 24 UNCLOS I, Off. Ree. Vol. VI, p. 98. 25 Dies räumt selbst L. Delin, Nord.T.for Int.Ret. 1971, 205, ein. 26 Zu diesem Ergebnis kommen u. a. auch Sh. Oda, Boundary of the Continental Shelf, Jap.Ann.of Int'l.L 1968, 264-284; Ν. Ely, Int'l.Lawyer 1972, 219-236; C.R. Symmons, Islands, S. 169 f.; H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 288 ff. 21
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Heintschel
. Heinegg
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
kleine Inseln könnten unberücksichtigt bleiben, läßt sich aber weder den Vorarbeiten der ILC, noch dem Konferenzverlauf oder der FSK selbst entnehmen, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine solche Ungleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten erfolgen darf. 27 2. Die 1982er Seerechtskonvention und ihre Vorarbeiten
Hinsichtlich der Regelung der Seerechtskonvention von 1982 über die Abgrenzung des Festlandsockels wurde bereits festgestellt, daß sie keinerlei materielles Recht enthält und als solche allenfalls von geringem Nutzen sein kann. 2 8 Gleichzeitig folgt aus Art. 121 Abs. 1 SRK, daß Festlandgebiete und Inseln, die keine „Felsen" im Sinne von Art. 121 Abs. 3 SRK sind, grundsätzlich gleich zu behandeln sind. 29 Aus diesem Grunde ergibt auch die Auslegung dieser Vorschriften, daß die Präsenz von Inseln als solche nicht als ein Umstand gewertet werden darf, der für die Abgrenzimg „relevant" ist. Vielmehr müssen auch nach Maßgabe der Vorschriften der SRK weitere Umstände hinzutreten, damit die Präsenz von Inseln sich auf die Abgrenzung dergestalt auswirken kann, daß Inseln nur zum Teil oder gar nicht berücksichtigt werden. 30 Nun läßt sich den Vorschriften der Art. 83 und 121 SRK unmittelbar nicht entnehmen, welche konkreten Umstände und Kriterien dies sein müssen. Daher ließe sich hier das gleiche Auslegungsergebnis erzielen wie im Zusammenhang mit den Vorschriften der FSK. Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß die Abgrenzungsregel des Art. 83 SRK mit ihrer allgemeinen Bezugnahme auf die Prinzipien der Billigkeit sehr viel offener gestaltet ist als Art. 6 FSK mit der Folge, daß bei der Auslegung dieser Vorschrift in noch stärkerem Maße auf die Entstehungsgeschichte abzustellen ist. Die Entstehungsgeschichte der SRK ist in bezug auf die Frage der Abgrenzung von Seegebieten und Inseln von besonderem Interesse, weil sich die 3. Seerechtskonferenz mit diesem Problem gesondert befaßt hatte. Während UNCLOS I I I wurde das Problem der Auswirkung von Inseln auf die Abgrenzung des Festlandsockels und der EEZ zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten nicht - wie während UNCLOS I - nur am Rande behandelt. Schon hinsichtlich des Rechtsstatus von Inseln hatte 27 So C.R. Symmons, Islands, S. 169: „There was merely failure to agree on what criteria should single out such disqualified »islands'."; vgl. ferner Sh. Oda, Jap.Ann.of Int'l.L. 1968, 281 ff.; O'Connell/Shearer, Law of the Sea II, S. 718; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 546; E. Grisel, AJIL 1970, 583. 28 Vgl. oben 3. Teil Β. 1. Abschnitt Π. 2. c) bb) (2). 29 Vgl. oben 2. Teil Α. V. 30 So auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 718 f.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 546 f., 560; E.D. Brown, Maritime Policy Management 1977, 391.
Β . 3. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung u n d Inseln
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es eine Reihe detaillierter Vorschläge gegeben, die u. a. auf die Größe, die Bevölkerung sowie die Lage von Inseln abstellten. 31 Damit gaben sich die Delegierten aber nicht zufrieden. I n Anhang I des „Statement of activities of the Conference during its first and second sessions " durch den Berichterstatter Kenneth Rattray 32 finden sich unter der Vorschrift 243 die unterschiedlichen Positionen der Staaten zu dieser Frage in sieben Formeln wieder. Diese Formeln belegen recht deutlich, daß die Delegierten es zum Teil für notwendig erachteten, eine gesonderte Regelung zu schaffen, die sich an die Vorschriften über den Rechtsstatus und die Abgrenzung im allgemeinen unmittelbar anschließt. Formel A 3 3 sieht vor, daß bei der Abgrenzung von Seegebieten im Grundsatz Inseln außer Betracht zu bleiben haben. Die Grenze soll zwischen den Festlandküsten gezogen werden. Das Ausmaß der Berücksichtigimg von Inseln soll dabei abhängig sein von ihrer Größe, ihrer Bevölkerung, ihrer Lage sowie anderen „relevanten Umständen". Niedrigwassererhebungen, Kleinstinseln und Inseln die Kleinstinseln gleichen (weil sie klein, unbewohnt und ohne ein eigenständiges Wirtschaftsleben sind), die außerhalb des Küstenmeeres des Festlandstaates gelegen sind, sollen - ebenso wie künstliche Inseln („man-made islands") - völlig unberücksichtigt bleiben, können aber Sicherheitszonen erhalten. Diese Formel enthält all diejenigen Kriterien, die auch schon im Zusammenhang mit dem Rechtsstatus von Inseln in die Diskussion eingebracht worden waren. 34 Doch kann darin nicht 31
Vgl. oben 2. Teil Α. V. 3. U.N. Doc. A/CONF.62/L.8/Rev.l vom 17. Oktober 1974 = UNCLOS III, Off. Ree. Vol. ΙΠ, pp. 93 ff. (140ff.). 33 „Formula A: 1. The delimitation of any marine ocean space shall, i n principle, be effected between the coasts proper of the neighbouring States, using as a basis the relevant points or on the applicable baselines, so that the areas situated off the sea frontage of each State are attributed thereto. 2. Islands which are situated i n the maritime zones to be delimited shall be taken into consideration in the light of their size, their population or the absence thereof, their situation and their geographical configuration, as well as other relevant factors. 3. Low-tide elevations, islets and islands that are similar to islets (of small size, uninhabited and without economic life) which are situated outside the territorial waters off the coasts and which constitute eminences on the continental shelf whether lighthouses or other installations have been built on them or not - and man-made islands - regardless of their dimensions and characteristics - shall not be taken into consideration i n the delimitation of marine or ocean spaces between neighbouring States. 4. The naturally formed areas of land referred to i n paragraph 3 may have around them or around some of their sectors maritime safety areas or even territorial waters, provided they do not affect marine spaces belonging to the coasts of neighbouring States. 5. The provisions of the present article shall not be applicable to islands and to other naturally formed areas of land which constitute part of an island State or of an archipelagic State." 34 Vgl. oben 2. Teil Α. V. 3. 32
17*
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
lediglich eine Wiederholung gesehen werden, die keine neue Regelung enthält. Denn die Staaten, die diese Position vertraten, wollten mit diesem Vorschlag erreichen, daß auf die genannten Kriterien insbesondere bei der Abgrenzung abzustellen sei, diesen Kriterien mithin bei der Abgrenzung eine besondere Bedeutung zukommen soll. Bemerkenswert an dieser Formel ist, daß Inseln nicht undifferenziert bei jeder Abgrenzung unberücksichtigt bleiben, sondern sie vielmehr grundsätzlich berücksichtigt werden sollen. Die Grenzziehung zwischen den Festlandküsten ist also nur der erste Schritt bei der Abgrenzung von Seegebieten. Sodann ist das Ausmaß der Berücksichtigimg der in dem Abgrenzungsgebiet gelegenen Inseln anhand der genannten Kriterien festzustellen. Die Regelung betreffend Niedrigwassererhebungen sowie künstliche Inseln enthält gegenüber dem bisherigen Recht keine Neuerungen. Demgegenüber ist Formel B 3 5 sehr viel kürzer gehalten und bestimmt, daß im speziellen Fall der „semi-enclosed seas", die sich durch besondere geographische Umstände auszeichnen 36 , die Seegebiete von Inseln durch eine besondere Vereinbarung der betroffenen Staaten bestimmt werden sollen. Die sonstigen Vorschriften über die Abgrenzimg sollen von dieser Bestimmung aber unberührt bleiben. Damit soll in den „semi-enclosed seas" 31 die Klärung der Frage nach den Seegebieten von Inseln und damit auch der Abgrenzung und Inseln ausschließlich den Parteien vorbehalten bleiben. Eine allgemeingültige Regelung dieses Problems wird offensichtlich nicht angestrebt, wenn man das Anliegen der Vertreter dieser Position außer acht läßt, daß in jenen Seegebieten etwas anderes als in sonstigen gelten soll. Zwar haben die „semi-enclosed seas" insoweit eine Regelung in den Art. 122 und 123 SRK gefunden, als den Anliegerstaaten eine besondere Kooperationspflicht auferlegt worden ist. Jedoch konnten sich die Teilnehmerstaaten nicht darauf einigen, wie diese besondere Pflicht ausgestaltet sein soll. 38 Man war sich nur im groben darüber einig, daß in den „semi-enclosed seas" wegen ihrer besonderen Beschaffenheit eine gesteigerte Pflicht zur Zusam35 „Formula Β: 1. In areas of semi-enclosed seas, having special geographic charcteristics, the maritime spaces of islands shall be determined jointly by the States of that area. 2. The provisions of this chapter shall be applied without prejudice to the articles of this Convention relating to delimitation of marine spaces between countries w i t h adjacent and/or opposite coasts." 36 Art. 122 SRK definiert den Begriff der „semi-enclosed sea" wie folgt: „ . . . a gulf, basin or sea surrounded by two or more States and connected to another sea or the ocean by a narrow outlet or consisting entirely or primarily of the territorial seas and exclusive economic zones of two or more coastal States." 37 Vgl. dazu allgemein J. Symonides, The Legal Status of Enclosed and Semi-Enclosed Seas, GYIL 1984, 315-333 L.M. Alexander, Special Circumstances: Semi-enclosed Seas, in: J.K. Gamble/G. Pontecorvo (Hrsg.), Law of the Sea: The Emerging Regime of the Oceans (1973), S. 201-215; M. Benchikh, La mer Mediterranée, mer semi-fermée, RGDIP 1980, 284-297, jeweils m.w.N. 38 Vgl. die vorstehenden Nachweise.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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261
menarbeit bestehen sollte. Diese Regelung ist aber derart inhaltsleer, daß ihr keine konkreten Rechtspflichten entnommen werden können. 39 Der Vorschlag, in solchen Seegebieten solle der Rechtsstatus von Inseln nur durch die Anliegerstaaten gemeinsam bestimmt werden, ist ebensowenig geeignet, eine Antwort auf die Frage zu finden, was zu gelten hat, wenn eine Einigung eben nicht zustandekommt. Die Formeln C 4 0 und F 4 1 schließen ebenso wie Formel A an die vorangegangenen Vorschläge zur Abgrenzung im allgemeinen an. Die Abgrenzung zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten soll im Falle der Präsenz von Inseln und küstenfernen Kleinstinseln, Felsen und Niedrigwassererhebungen durch eine Vereinbarung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit erfolgen. Die Äquidistanzlinie soll dabei nur eine unter mehreren Methoden darstellen. Insoweit enthalten diese Formeln keine nennenswerten Unterschiede zu der allgemeinen Abgrenzungsvorschrift. Interessant ist aber - neben der Erwähnimg der Äquidistanzlinie - 4 2 , daß bei der Abgrenzung neben den sonstigen „besonderen Umständen" vor allem geologische und geomorphologische Umstände in Betracht gezogen werden sollen. Diese Forderung kann aber keinen Bestand haben, da ja gerade aufgrund der durch UNCLOS I I I in Gang gesetzten Entwicklung des Seevölkerrechts diesen Kriterien weder für den Rechtserwerbstitel noch für die Abgrenzung des Festlandsockels - sowie dementsprechend der EEZ irgendeine Bedeutung zukommen kann. 4 3 Die Formeln D 4 4 und E 4 5 unterscheiden sich mit der besonderen Hervorhebung der Äquidistanzlinie nur insoweit von Art. 6 FSK, als hier die insula39
Vgl. die vorstehenden Nachweise. „FormulaC: 1. In accordance w i t h the provisions of articles . . . (provision 242, formula B, paras. 2, 4 and 5), the delimitation of the marine spaces between adjacent and/or opposite States must be done, in the case of presence of islands, non-adjacent islets, rocks and low-tide elevations, by agreement between them according to principles of equity, the median or equidistance line not being the only method of delimitation. 2. For this purpose, special account should be taken of geological and geomorphological criteria, as well as of all other special circumstances." 41 „Formula F: Where the coasts of two or more States are adjacent and/or opposite to each other, the delimitation of the respective maritime spaces shall be determined by agreement among them in accordance w i t h equitable principles, taking into account all the relevant factors including, inter alia, the geomorphological and geological structure of the sea-bed area involved, and special circumstances such as the general configuration of the respective coasts, and the existence of islands, islets or rocks within the area." 42 Die Äquidistanzlinie wird nur genannt, weil die Delegierten zum damaligen Zeitpunkt noch von Art. 6 FSK und der Entscheidung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen ausgegangen waren. 43 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil Α. II. und 3. Teil B. 2. Abschnitt III. und IV. 44 „Formula D: 1. Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its territorial sea beyond the median line, every point of which is equidistant from the 40
262
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
r e n Basislinien a u s d r ü c k l i c h genannt s i n d u n d die A b g r e n z u n g der E E Z a u s d r ü c k l i c h oder i m p l i z i t m i t einbezogen w i r d . N u r die F o r m u l i e r u n g e n w i r k e n etwas schwerfälliger. D a h e r k a n n i n s o w e i t auf die obigen A u s f ü h r u n g e n z u r F S K verwiesen w e r d e n . 4 6 F o r m e l G 4 7 schließlich stellt ebenso w i e die F o r m e l n C u n d F auf eine A b g r e n z u n g n a c h Maßgabe v o n P r i n z i p i e n der B i l l i g k e i t ab. D e r U n t e r schied besteht aber d a r i n , daß die Vertreter der i n dieser F o r m e l z u m A u s d r u c k gebrachten P o s i t i o n offensichtlich die Präsenz v o n I n s e l n als solche als einen f ü r die A b g r e n z i m g „ r e l e v a n t e n U m s t a n d " ansehen. Wegen des grundsätzlichen Anspruchs v o n Inseln auf die gleichen Seegebiete w i e das Festland k a n n aber die Präsenz v o n Inseln niemals ein relevanter U m s t a n d sein, w e n n n i c h t weitere besondere U m s t ä n d e h i n z u t r e t e n . 4 8 D a h e r k a n n diese F o r m e l n u r Bestand haben, w e n n - was diese Staaten auch versucht haben durchzusetzen 4 9 -
die grundsätzliche G l e i c h b e h a n d l u n g v e r n e i n t
wird. D i e weitere Entstehungsgeschichte der S R K 5 0 m a c h t d e u t l i c h , daß einige der i n den F o r m e l n A bis G der V o r s c h r i f t 243 vorgeschlagenen K r i t e r i e n nearest points on the baselines, continental or insular, from which the breadth of the territorial seas of each of the two States is measured. 2. Where the coasts of two or more States are adjacent or opposite to each other, the delimitation of the continental shelf boundaries shall be determined by agreement amongst themselves. 3. Failing such agreement, no State is entitled to extend its sovereignty over the continental shelf beyond the median line every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines, continental or insular, from which the breadth of the continental shelf of each of the two States is measured. 4. Where the coasts of two or more States are adjacent or opposite to each other and the distance between them is less than double the uniform breadth provided in this Convention, the delimitation of their economic zones and of their sea-bed areas shall be determined by agreement among themselves. 5. Failing such agreement, no State is entitled to extend its rights over an economic zone and sea-bed area beyond the limits of the median line every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines, continental or insular, from which the breadth of the above areas of each of the two States is measured." 45 „Formula E : Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its maritime spaces beyond the median line, every point of which is equidistant from the nearest points on the baselines, continental or insular, from which the breadth of the maritime spaces of each of the two States is measured." 46 Vgl. oben 3. Teil Β. 3. Abschnitt II. 1. 47 „Formula G: 1. The delimitation of the continental shelf or of the economic zone between adjacent and/or opposite States shall be effected by agreement between them in accordance w i t h an equitable dividing line, the median or equidistance line not being the only method of delimitation. 2. For this purpose, account shall be taken, inter alia, of the special nature of certain circumstances, including the existence of islands or islets situated i n the area to be delimited or of such kind that they might affect the delimitation to be carried out." 48 Vgl. dazu bereits oben 3. Teil Β. 2. Abschnitt III. und IV. 49 Vgl. etwa die Formel D zu Vorschrift 241.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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wenn überhaupt - nur in sehr eingeschränktem Maße bei der Abgrenzung des Festlandsockels Berücksichtigung finden können. So kann es auf die Geologie und Geomorphologie des betreffenden Seegebietes51 nur ankommen, wenn die Abgrenzung in einer Entfernung von 200 bis 350 sm vor den Küsten der beteiligten Staaten erfolgen soll und man Festlandsockelrechte jenseits der 200 sm-Linie überhaupt anerkennt. 52 Ebensowenig kann wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung gemäß Art. 121 Abs. 1 S R K die Tatsache allein, daß Inseln vorliegen, als ein für die Abgrenzung relevanter Umstand gewertet werden. 53 Die weiteren Kriterien wie Größe, Bevölkerung und Lage der Insel haben jedenfalls keinen unmittelbaren Niederschlag in der SRK gefunden, wenn man einmal von Art. 121 Abs.3 SRK absieht. 54 Dennoch können sie bei einer Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit grundsätzlich relevante Umstände darstellen. Jedoch geben die Art. 83 und 121 SRK - wie auch die Vorschriften der FSK - und ihre Entstehungsgeschichte keinerlei Aufschluß darüber, welche Umstände und Kriterien in concreto bei der Abgrenzung von Seegebieten dazu führen können, daß Inseln nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden. Den während der Konferenz unterbreiteten Vorschlägen ist lediglich zu entnehmen, daß ein Teil der Delegierten eine Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit nur dann gewährleistet sah, wenn Inseln einer gewissen, nach den genannten Kriterien zu bestimmenden Kategorie als relevante Umstände eingeordnet werden. Während UNCLOS I I I ist es aber trotz entsprechender Ansätze 55 nicht gelungen, etwa das Kriterium der Größe näher einzugrenzen. Dies wäre nicht nur wegen der damit verbundenen dogmatischen Schwierigkeiten ein unmögliches Unterfangen gewesen.56 Ein dahingehender Versuch durch die Konferenz wäre auch auf den erbitterten Widerstand all derjenigen Staaten gestoßen, die Inseln und Festlandgebiete auch bei der Abgrenzung völlig gleichbehandeln wollen. 5 7 Da andererseits jede der unterschiedlichen Positionen für sich in Anspruch nehmen konnte, ihre Auffassimg habe in den Art. 83 und 121 SRK ihren Niederschlag gefunden, und man mit allen Mitteln zu einem positiven Ergebnis der Konferenz gelangen wollte, einigte man sich auch hinsichtlich dieses Problems darauf, sich nicht zu einigen. Daher bleibt auch hier die Frage, in welcher Weise Inseln bei der Abgrenzung zu behandeln sind, ungeregelt und die
50
Vgl. dazu bereits oben 2. Teil Α. V. So die Formeln C und F. 52 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil A. III. 53 So aber die Formel G. 54 Vgl. dazu im einzelnen oben 2. Teil Α. V. 55 Vgl. ζ. B. die Formel C i n Vorschrift 239. 56 So etwa auch N. Ely im Hinblick auf die Definition des Begriffs „Kleinstinsel" („islet"), Int'l.Lawyer 1972, 219. 57 So etwa die Befürworter der Formeln D und E. 51
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
im Zusammenhang mit den Vorschriften der FSK aufgezeigten Probleme bestehen mithin fort. 5 8 ΙΠ. Staatenpraxis Den bereits weiter oben in Bezug genommenen Akten nationaler Rechtsetzung 59 läßt sich naturgemäß nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels „relevante" Umstände darstellen und demgemäß nur eingeschränkt oder gar überhaupt nicht berücksichtigt werden können. Daher muß sich die Untersuchung der Staatenpraxis auf diejenigen Abgrenzungsvereinbarungen beschränken, in denen Inseln eine Rolle spielen. Bereits im Zusammenhang mit der Untersuchimg des Rechtsstatus von Inseln 60 konnte aufgrund dieser Abgrenzungsvereinbarungen recht eindeutig festgestellt werden, daß die an ihnen beteiligten Staaten Inseln grundsätzlich gleich dem Festland behandeln, indem Inseln zumindest ein beschränkter Festlandsockel zuerkannt worden ist. Weniger eindeutig erlauben diese Abkommen aber eine Deduktion auf diejenigen Kriterien, die eine Einordnung von Inseln als für die Abgrenzung „relevante" Umstände, mithin eine Ungleichbehandlung, rechtfertigen. Dies liegt darin begründet, daß sie lediglich das Ergebnis von zum Teil langwierigen Verhandlungen, nicht jedoch die Beweggründe der Parteien für eine ganz bestimmte Vorgehensweise wiedergeben. Da es auch an sog. „traveaux préparatoires" fehlt, wird in aller Regel erst eine genaue Untersuchung der konkreten Grenzlinie Aufschluß darüber geben, ob Inseln voll berücksichtigt worden sind oder nicht. Sind sie voll berücksichtigt worden, so bestehen keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich einer Antwort auf die hier interessierende Frage, da in diesem Fall die Parteien ja zu erkennen gegeben haben, daß die Umstände des Einzelfalles eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Ergibt die Untersuchung aber, daß Inseln nur beschränkt oder gar nicht berücksichtigt worden sind, so lassen sich häufig nur Schlußfolgerungen auf die Beweggründe der Parteien ziehen, die mangels unmittelbarer Verifizierbarkeit jedoch mit äußerster Vorsicht zu behandeln sind. Im folgenden sollen daher zunächst diejenigen Vereinbarungen dargestellt werden, in denen Inseln voll berücksichtigt werden. Sodann w i r d auf die Fälle eingegangen, in denen Inseln zum Teil oder gänzlich vernachlässigt worden sind. 61
58 So etwa auch E.D. Brown, The Continental Shelf and the Exclusive Economic Zone: the Problem of Delimitation at UNCLOS III, Maritime Policy Management 1977, 391; vgl. ferner U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 560. 59 Vgl. oben 2. Teil Β. II. 1. sowie Annex I. 60 Vgl. oben 2. Teil Β. II. 2. 61 Die Vereinbarungen finden sich mit ihren genauen Bezeichnungen im Annex II.
Β . 3. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung u n d Inseln
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1. AbgrenzungsVereinbarungen, in denen Inseln voll berücksichtigt werden
An erster Stelle ist hier der sog. Vertrag von Paria zwischen dem Vereinigten Königreich und Venezuela vom 26. Februar 1942 62 zu nennen, in welchem nicht nur die damaligen britischen Besitzungen Trinidad und Tobago, sondern auch die venezolanische Insel Aria bei der Abgrenzung des Festlandsockels voll berücksichtigt werden. In dem britisch-norwegischen Abkommen vom 10. März 1965 63 werden die Norwegen vorgelagerten und in dessen System gerader Basislinien einbezogenen Inseln ebenso voll berücksichtigt wie die jenseits des britischen Systems gerader Basislinien gelegenen Orkney- und Shetland-Inseln. Gleiches gilt für die Abkommen zwischen Dänemark und Norwegen vom 8. Dezember 1965 64 , dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden vom 6. Oktober 1965 65 , Finland und der UdSSR vom 5. Mai 1967 66 , der DDR und Polen vom 29. Oktober 1968 67 , Kanada und Dänemark vom 17. Dezember 19 7 3 6 8 , Japan und der Republik Korea vom 5. Februar 1974 69 sowie zwischen Griechenland und Italien vom 24. Mai 1977.70 Besonders hervorzuheben sind die Vereinbarungen zwischen Indonesien und Malaysien vom 27. Oktober 1969 71 sowie zwischen Indien und Indonesien vom 8. August 1974 72 . In dem Abkommen zwischen Indonesien und Malaysien werden die indonesischen Inseln Anambas und Natuna ebenso wie die anderen Inseln voll berücksichtigt, obwohl diese beiden Inseln etwa 250 sm von Borneo entfernt liegen. Das indisch-indonesische Abkommen betrifft den Festlandsockel zwischen den indischen M/coöar-Inseln und Indonesien. Obwohl die Nikobaren 900 sm von Indien entfernt liegen, ist die 62 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/1, 44-46; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 26-28; ferner S. Rhee, AJIL 1981, 590-628. 63 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/15, 775-776; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S.51-52. 64 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/15, 780-781; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 62-63. 65 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/15, 779-780; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 59-60. 66 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/15, 784-785; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 73-74. 67 IBS No. 65; Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 85-86. Die Äquidistanzlinie berücksichtigt voll die i n der Pommerschen Bucht gelegene Insel Greifswalder Oie. 68 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/18, 447-451; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S.151-155. 69 B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 160-173. 70 IBS No. 96; Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 401; E. Gounaris, RHDI 1980, 118. 71 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/16, 417-419; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 91-93. 72 IBS No. 62.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Grenze zwischen ihnen und Indonesien die Mittellinie mit der Folge, daß sie trotz der großen Distanz vom Festlandstaat voll berücksichtigt werden. In den Abkommen zwischen den USA und Venezuela vom 28. März 1978 73 sowie zwischen den Niederlanden (Niederländische Antillen) und Venezuela vom 31. März 1978 74 wird die unbewohnte Kleinstinsel Aves voll berücksichtigt. Desweiteren werden in dem Abgrenzungsvertrag zwischen Burma und Indien vom 23.12.198675 sowohl der Merguz-Archipel (Burma) als auch die weit vom Festland entfernt liegenden Andamanen-Inseln voll berücksichtigt. Schließlich berücksichtigen auch Italien und Frankreich in der Abgrenzungsvereinbarung über die Seegebiete in der Straße von Bonifacio vom 28. November 1986 Korsika und Sardinien voll. 7 6 2. Abkommen, in denen Inseln nur zum Teil oder gar nicht berücksichtigt werden
Gegenüber den vorstehenden Abkommen überwiegt die Anzahl derjenigen Abgrenzungsvereinbarungen, die Inseln nur zum Teil oder gar nicht berücksichtigen. Die Gründe für diese Ungleichbehandlung mit dem Festland sind selten einheitlich und daher nur bedingt kategorisierbar. In den Abkommen zwischen Saudi Arabien und Bahrein vom 22. Februar 1958 77 sowie zwischen Kanada und Frankreich vom 27. März 19 7 2 7 8 werden nur Inseln ab einer bestimmten Größe voll berücksichtigt. Kleinere Inseln, wie ζ. B. Green Island, Enfant Perdu und Petit Columbier in dem kanadischfranzösischen Vertrag, werden demgegenüber vernachlässigt. Aufgrund des am 26. April 1960 geschlossenen Vertrages zwischen Frankreich und Portugal 79 ist die Seegrenze zwischen den heute unabhängigen Staaten Senegal und Guinea-Bissau eine Gerade, die eine Fortführimg der Landgrenze darstellt und ungeachtet der Inseln vor der Küste Guinea-Bissaus dem 240 Azimut folgt. Ebenfalls vernachlässigt werden die Inseln in dem Abkommen zwischen Iran und Quatar vom 20. September 1969 80 . Dies sind zwei der seltenen Fälle, in denen Inseln bei der Abgrenzung überhaupt nicht berücksichtigt werden. Während sich für den erstgenannten nicht 7
3 IBS No. 91. Abgedruckt bei K.G. Nweihed, ODILA 1980, 1-33 (23 ff.). 5 LOSB No. 10 (November 1987), 105-107. 76 LOSB No. 10 (November 1987), 95-96. 77 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/16, 409-411; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 34-36. 78 IBS No. 57. 79 IBS No. 68. 80 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/16, 416-417; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 90-91. 74
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Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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ergründen läßt, was die damaligen Kolonialmächte zu einem solchen Vorgehen veranlaßt haben könnte - man kann nur vermuten, daß es die Unkompliziertheit dieser Methode war - , liegt die Erklärung für den letztgenannten auf der Hand: Die Inseln im Abgrenzungsgebiet sind zum einen sehr klein, zum anderen - und dies dürfte letztlich ausschlaggebend gewesen sein - ist die Souveränität über sie zwischen den Parteien umstritten. Die Abkommen zwischen Iran und Saudi Arabien vom 24. Oktober 1968 81 , Australien und Indonesien vom 18. Mai 1972 82 sowie vom 12. Februar 19 7 3 8 3 , Indien und Sri Lanka vom 26. Juni 1974 84 sowie vom 23. März 1976 85 sowie zwischen Abu Dhabi und Quatar vom 20. März 1969 86 berücksichtigen Inseln in unterschiedlichem Maße nur teilweise. In dem Abkommen zwischen Iran und Saudi Arabien w i r d die iranische Insel Kharg etwa zur Hälfte berücksichtigt. Kharg liegt ca. 17 sm vor der iranischen Küste und hat eine Fläche von ca. 31 km 2 . Wegen der relativen Nähe zum Festland besteht zwar eine Verbindimg zu dem iranischen 12 sm-Küstenmeer. 87 Da aber eine volle Berücksichtigung dieser nicht sehr großen Insel bei der Festlandsockelabgrenzung in dem engen Persischen Golf Saudi Arabien erheblich benachteiligt hätte, haben sich die Parteien auf die Berücksichtigung zu ca. 50 % geeinigt. Eine Besonderheit dieser Vereinbarung liegt in der Behandlung der zwei kleinen Inseln Farsi (Iran) und Al'-Arabiyah (Saudi Arabien). Diese erhalten jeweils ein 12 sm-Küstenmeer und in dem Gebiet, wo sie einander gegenüberliegen, w i r d eine auf dieses Gebiet beschränkte „lokale" Mittellinie gezogen. Ansonsten beeinflussen sie den Grenzverlauf nicht. Diese Lösung bot sich an, weil so sich gegenseitig kompensierende Konzessionen gleichen Ausmaßes gemacht werden konnten. Eine vergleichbare Lösung enthält die Vereinbarung zwischen Abu Dhabi und Quatar hinsichtlich der Inseln Sharaiwah (Quatar) und Dayyinah (Abu Dhabi), die ca. 6 sm voneinander entfernt liegen. Dayyinah liegt in unmittelbarer Nähe der Äquidistanzlinie zwischen den beiden Staaten. Daher erhält sie ein 3 smKüstenmeer, so daß die Äquidistanzlinie an dieser Stelle eine entsprechende Ausbuchtung hat. Ähnlich ist auch in dem Abkommen zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten vom 31. August 1974 88 verfahren 81 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/18, 403-404; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 83-84. Vgl. dazu R. Young, Equitable Solutions for Off-shore Boundaries: The 1968 Saudi Arabia-Iran Agreement, AJIL 1970, 152-157. 82 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/18, 433-435; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S.137-140. 83 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/18, 444-447; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 140-142. 84 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/19, 396-398; IBS No. 66. 85 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/19, 402-404; IBS No. 77. 86 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/16, 403; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 87-88. 87 Gesetz vom 15. Juli 1934, Quelle: LOSB No. 2 (March 1985), 43. 88 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/19, 396-398.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
worden, in dem die nahe der leicht modifizierten Mittellinie gelegene iranische Insel Sirri ein 12 sm-Küstenmeer erhält. In dem 1974er Abkommen zwischen Sri Lanka und Indien hat die bis dahin umstrittene Insel Karaitivu, die nimmehr zu Sri Lanka gehört, keinen unmittelbaren Einfluß auf die Grenzlinie. Da die Palkbucht als „historische Bucht" angesehen wird, ist die Grenze eine modifizierte Mittellinie, die zwischen den Inseln Pamban (Indien) und Delft (Sri Lanka) bis in den Golf von Mannar verläuft. Diese modifizierte Mittellinie liegt jedoch näher an Pamban, was darauf schließen läßt, daß damit auch Karaitivu jedenfalls teilweise berücksichtigt werden sollte. In dem 1976er Abkommen zwischen diesen beiden Staaten wird diese Grenze bis in den Golf von Mannar fortgeführt. Dabei werden die Inseln Pamban und Mannar jeweils voll berücksichtigt, da die Grenze zwischen ihnen die Mittellinie ist. In den beiden australisch-indonesischen Abkommen 8 9 werden die indonesischen Inseln Arn, Timor und Tanimbar nicht voll berücksichtigt. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß die Grenzlinie der 200 m-Isobathe des australischen Festlandsockels folgt, der von dem indonesischen durch den Timor-Graben geologisch getrennt ist. Angesichts der Weiterentwicklung des Festlandsockelrechts und seiner Abkehr von geologischen und geomorphologischen Merkmalen ist dieser Lösungsansatz nunmehr aber als überholt anzusehen. Zwei besonders interessante Beispiele für eine gesonderte Behandlung von Inseln finden sich in den folgenden beiden Abgrenzungsvereinbarungen, an denen auf der einen Seite jeweils Italien beteiligt war. Das Abkommen zwischen Italien und Jugoslawien vom 8. Januar 1968 90 berücksichtigt zunächst die der jugoslawischen Küste vorgelagerten Inseln voll. Wegen der Vergleichbarkeit mit der Situation Norwegens ist dies auch nicht weiter bemerkenswert. Anders sind die Parteien aber hinsichtlich der Inseln Pelagruz und Kajola verfahren, die lediglich eine 12 sm-Zone erhalten. Diese 12 sm-Zone ist kein reines Küstenmeer, da Jugoslawien seinerzeit ein Küstenmeer von 10 sm für sich beanspruchte. 91 Diese relativ geringe Berücksichtigung ist nur mit der Lage dieser Inseln zu erklären sowie der erheblichen Einschränkung des italienischen Festlandsockels, die dieser bei einer vollen Berücksichtigung erfahren hätte. In dem Abkommen zwischen Italien und Tunesien vom 20. August 197 1 9 2 spielen die italienischen Inseln Pantelleria sowie die Pelagischen Inseln Linosa, Lampione und Lampedusa eine entscheidende Rolle. Diese Inseln liegen nahe der Mittellinie zwischen Sizilien und der tunesischen Küste. Wären sie ebenso wie Sizilien voll berücksichtigt 89
Vgl. dazu im einzelnen R.D. Lumb, The Delimitation of Maritime Boundaries i n the Timor Sea, Australian Yb.Int'l.L. 1976/77, 72-86. 90 Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 74-77. 91 Erst durch Gesetz vom 30. März 1979 dehnte Jugoslawien sein Küstenmeer auf 12 sm aus. Vgl. LOSB No. 2 (March 1985), 95. 92 IBS No. 89; vgl. D.W. Bowett, Islands, S. 176.
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. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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worden, hätte dies zu einer Verminderung des tunesischen Festlandsockels gegenüber dem italienischen um etwa 50 % geführt. Daher erhalten die italienischen Inseln nach Süden hin jeweils 13 sm-Zonen mit der Folge, daß sie auch im Hinblick auf die Festlandsockelabgrenzung teilweise berücksichtigt werden. Dadurch erhält die Mittellinie zwischen Tunesien und Sizilien auf der Höhe der Inseln nach Süden hin Ausbuchtungen und der Festlandsockel der Inseln bleibt mit dem Siziliens verbunden. Mit dieser „HalbEnklaven-Lösung" haben die Parteien somit sowohl die isolierte Lage der Inseln nahe der Mittellinie als „relevanten" Umstand anerkannt 93 , aber wohl auch deren geringe Größe insbesondere im Verhältnis zu Sizilien. Ganz anders ist demgegenüber die Grenze in dem Abkommen zwischen Schweden und Finnland vom 29. September 1972 94 festgelegt worden. Das Problem der Abgrenzung lag u. a. darin, daß sich die finnischen AlandInseln von der Küste Finnlands bis auf eine Entfernimg von nur 16 sm vor die schwedische Festlandküste erstrecken. Die Parteien sehen darin aber keinen „besonderen" bzw. „relevanten" Umstand. Einen solchen sehen sie vielmehr in der Tatsache, daß die Grenze zwischen den beiden Staaten ζ. T. bereits durch die Verträge von 1811 und 1921 festgelegt worden war. Nur aus diesem Grunde w i r d die Aland-Inselgruppe letztlich nicht voll berücksichtigt. Auch erfahren die nahe der schwedischen Küste liegenden Inseln dieser Gruppe nicht etwa eine gesonderte Behandlung, vielmehr bleiben auch sie mit dem finnischen Festlandsockel verbunden. Damit haben die Parteien zu erkennen gegeben, daß in Fällen, in denen sich eine Inselkette von der Küste des einen Staates bis zu der des anderen Staates erstreckt, auch die letzten Glieder dieser Kette mit dem Festlandsockel des Mutterstaates verbunden bleiben sollen. Vor einer vergleichbaren Situation wie Schweden und Finnland standen Australien und Papua Neu-Guinea. In dem Abkommen vom 18. Dezember 1978 95 werden die Inseln der Inselgruppe, die sich von Papua Neu-Guinea erstrecken, nicht voll berücksichtigt. Ausschlaggebend für diese Vorgehensweise waren die folgenden Umstände: - Die historische Grenze Queenslands, welche auch Inseln vor der Küste Papua Neu-Guineas umfaßt; - die Ureinwohner der Inseln und ihre ethnischen Besonderheiten; - traditionelle Fischfangrechte sowohl der Inselbevölkerung Papua NeuGuineas sowie 93 Denn die nur 20 sm vor der Küste Tunesiens gelegene tunesische Insel La Galita wird offensichtlich voll berücksichtigt. 94 U.N. Doc. ST/LEG/SER. B/18, 439-441. 95 I L M 1979, 291-331. Vgl. dazu im einzelnen H. Burmester, The Torres Strait Treaty. Ocean Boundary Delimitation by Agreement, AJIL 1982, 321-349.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
- die Besonderheiten in der Straße von Torres , die eine Lösung nach Maßgabe des Rechts internationaler Wasserstraßen erforderlich machte. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß abgesehen von der historischen Grenze, die grundsätzlich zu berücksichtigen ist, all diese Umstände keine Beziehung zum völkerrechtlichen Festlandsockelkonzept aufweisen. Daher ist dieses Abkommen ein Beispiel dafür, daß Umstände, die die Parteien als relevant ansehen, um zu einem billigen Ergebnis zu gelangen, noch lange nicht in anderen Fällen berücksichtigt werden dürfen. Der Ermessensspielraum internationaler Gerichte ist gegenüber dem der Parteien, der wegen der grundsätzlichen Vertragsfreiheit fast imbeschränkt ist, sehr viel enger. Schließlich 96 ist das Abkommen zwischen Argentinien und Chile über die Abgrenzung im Beagle-Kanal vom 18. Oktober 1984 97 zu nennen. Zwar scheinen die Inseln beider Seiten voll berücksichtigt zu werden. Eine genauere Untersuchung der Grenzlinien ergibt aber, daß diese letztlich der Schiffahrtsrinne folgt, die Inseln auf die Grenzziehung somit überhaupt keinen Einfluß gehabt haben. 3. Zusammenfassung
Angesichts der durch die unterschiedlichen geographischen und sonstigen Besonderheiten sowie die grundsätzliche Vertragsfreiheit bedingten vielgestaltigen Lösungen in der Vertragspraxis der Staaten ist es unmöglich, aus ihr allgemeingültige Kriterien für die Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels herzuleiten. Dennoch erscheint es möglich, die folgenden, zwangsweise generellen, Schlußfolgerungen zu ziehen: 1. Alle Inseln haben einen eigenen Festlandsockel und sind daher bei dessen Abgrenzung grundsätzlich zu berücksichtigen, es sei denn, es handelt sich um Kleinstinseln. 98 2. Ist das Abgrenzungsgebiet groß genug, so daß die Berücksichtigung von Inseln nicht zu erheblichen Einschränkungen für den jeweils anderen Staat führt, so werden Inseln i.d.R. voll berücksichtigt, auch wenn sie sehr weit von dem Staat entfernt liegen, zu dem sie gehören. 99 96 Zwar wäre i n diesem Zusammenhang noch das Abkommen zwischen Norwegen und Island über die Abgrenzimg des Festlandsockels zwischen Island und Jan Mayen zu erwähnen. Darauf w i r d aber im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit der Darstellung der Empfehlung der Schlichtungskommission eingegangen. 97 LOSB No. 4 (February 1985), 50-72; I L M 1985, 11-28. Vgl. dazu im einzelnen D.W. Greig, The Beagle Channel Arbitration, Australian Yb.Int'l.L 1976/77, 332-385; D.M. Himmelreich, The Beagle Channel Affair: A Failure in Judicial Pursuasion, Vdblt.J.Transnat.L. Vol. 12, 971-998. 98 So die Abkommen zwischen Bahrein und Saudi Arabien vom 22.02.1958 sowie zwischen Indien und Sri Lanka vom 26.06.1974. 99 Vgl. die Abkommen oben 3. Teil B. 3. Abschnitt III. 1.
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. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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3. Ansonsten werden küstennahe Inseln, die vom Festland mehr als die doppelte Küstenmeerbreite entfernt liegen, bei einander gegenüberliegenden Staaten i.d.R. voll 1 0 0 , bei benachbarten Staaten u. U. aber auch gar nicht berücksichtigt. 101 4. Küstennahe Inseln, die mehr als die doppelte Küstenmeerbreite vom Festland entfernt liegen, können nur teilweise berücksichtigt werden. 102 5. Inseln, die nahe der Äquidistanzlinie liegen, können v o l l 1 0 3 oder nur teilweise berücksichtigt werden 1 0 4 bzw. Gegenstand reziproker Konzessionen sein. 105 6. Inseln, die nahe der Küste des anderen an der Abgrenzung beteiligten Staates liegen, können nur geringfügig berücksichtigt werden 1 0 6 , es sei denn, es handelt sich um die letzten Glieder einer Inselkette, die sich von der Küste des einen Staates zu der des anderen Staates erstreckt. 107 Es läßt sich daher abschließend feststellen, daß in der Staatenpraxis die Größe von Inseln insoweit ein entscheidendes Kriterium für die Behandlung von Inseln darstellt, als Kleinstinseln bei der Abgrenzimg des Festlandsokkels unberücksichtigt bleiben können. Ansonsten ist für die Bestimmung des Ausmaßes nur noch die Lage entscheidend: Je weiter eine Insel von der Küste des Staates entfernt liegt, zu dem sie gehört, desto weniger wird sie bei der Abgrenzung des Festlandsockels berücksichtigt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Insel zu einer Inselkette gehört, die sich von der Küste des einen Staates bis zu der des anderen Staates erstreckt. In jedem Fall sind die Staaten bemüht, eine Verbindung zum Festlandsockel des jeweiligen Küstenstaates aufrecht zu erhalten.
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So die Abkommen zwischen Indien und Sri Lanka vom 23.03.1976 sowie Italien und Jugoslawien vom 08.01.1968. Einzige Ausnahme ist insoweit der Fall der iranischen Inseln Kharg im Abkommen zwischen dem Iran und Saudi Arabien vom 24.10.1968. 101 So i n dem Abkommen zwischen Frankreich und Portugal vom 26.04.1960 betreffend Senegal und Guinea-Bissau. Demgegenüber w i r d in dem Abkommen zwischen der DDR und Polen vom 29.10.1968 Greifswalder Oie voll berücksichtigt. 102 So i n dem italienisch-jugoslawischen Abkommen vom 08.01.1968. 103 So in dem Abkommen zwischen Indonesien und Malaysien vom 27.10.1969 sowie Japan und der Republik Korea vom 05.02.1974. 104 So etwa das Abkommen zwischen Indonesien und Australien vom 18.05.1972. 105 So vor allem die Abkommen der Anrainerstaaten des Persischen Golfs: Iran Saudi Arabien vom 24.10.1968; Iran - Vereinigte Arabische Emirate vom 31.08.1974; Abu Dhabi - Quatar vom 20.03.1969. 106 Insoweit sei auf das Abkommen zwischen Italien und Tunesien vom 20.08.1971 verwiesen. 107 Vgl. dazu die Abkommen zwischen Schweden und Finnland vom 29.09.1972 sowie Australien und Papua Neu-Guinea vom 18.12.1978.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
IV. Die Behandlung von Inseln in der internationalen Judikatur zur Abgrenzung von Seegebieten Wenngleich im britisch-norwegischen Fischerei F a l l 1 0 8 sowie im Minquiers und Ecrehos F a l l 1 0 9 Inseln eine Rolle gespielt haben, finden sich in diesen beiden Entscheidungen des IGH keine Andeutungen über die Zuordnung von Seegebieten an Inseln 1 1 0 oder gar ihre Bedeutimg für die Abgrenzung des Festlandsockels. Erste Hinweise darauf enthalten erst die NordseeFestlandsockel-Fälle und sodann in zunehmendem Maße die weiteren Entscheidungen des I G H sowie internationaler Schiedsgerichte zur Abgrenzung von Seegebieten. 1. Die Nordsee-Festlandsockel-Fälle von 1969
In der Entscheidung des IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen 111 stellte sich das Insel-Problem trotz der Nordsee Inseln nicht, da diese Inseln nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren und der IGH nicht über die konkrete Grenzziehung zu entscheiden hatte. Vielmehr handelt es sich bei dieser Entscheidung um ein kaschiertes Rechtsgutachten, da der I G H nur abstrakt darüber befinden sollte, nach Maßgabe welcher Regeln und Prinzipien die Abgrenzung des Festlandsockels zu erfolgen habe. Demgemäß bezieht sich nur ein obiter dictum auf Kleinstinseln („islets"), nicht aber auf Inseln im allgemeinen. Danach können solche Kleinstinseln wie auch Felsen beim Ziehen der Mittellinie zwischen einander gegenüberliegenden Staaten vernachlässigt werden, wenn sie auf den Verlauf dieser Linie einen verzerrenden Einfluß haben. 112 Da es der IGH aber mit einem Fall benachbarter Staaten zu tun hatte, ging er nicht näher darauf ein, unter welchen Voraussetzungen von einer Kleinstinsel die Rede sein kann und ab wann die verzerrende Wirkung auf die Mittellinie zu einer völligen Vernachlässigung führen kann. 2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts im Festlandsockel Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich
Das erste internationale Gericht, welches sich mit der Bedeutung von Inseln für die Abgrenzung des Festlandsockels intensiv zu befassen hatte, 108
ICJ Rep. 1951, pp. 116-143. ICJ Rep. 1953, pp. 47-72. "ο So auch L.F.E. Goldie, N Y I L 1973, 238 ff.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 547. 111 ICJ Rep. 1969, pp. 3-54. 112 Ebenda, p. 36, para. 57: „The continental shelf area off, and dividing, opposite States, can be claimed by each of them to be a natural prolongation of its territory. These prolongations meet and overlap, and can therefore only be delimited by means of a median line; and, ignoring the presence of islets, rocks and minor coastal projections, the disproportionally distorting effect of which can be eliminated by other means, such a line must effect an equal division of the particular area involved." 109
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. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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war das Schiedsgericht im sog. Kanal-Fall zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich. 113 In seiner Entscheidung vom 30. Juni 1977 114 geht das Schiedsgericht im Lichte der Nordsee-Festlandsockel-Fälle von der Voraussetzung aus, die Abgrenzung des Festlandsockels müsse nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit erfolgen. 115 Demgemäß sieht es eine zentrale Frage dieses Rechtsstreits darin, ob aus Gründen der Billigkeit der den nahe der französischen Küste gelegenen britischen Kanal Inseln grundsätzlich zustehende Festlandsockel 116 bei der Abgrenzung eingeschränkt werden kann. 1 1 7 Es bejaht diese Frage im Grundsatz, da ,,[T]he presence of these . . . islands close to the French coast, if they are given full effect in delimiting the continental shelf, w i l l manifestly result in a substantial diminuition of the area of continental shelf which would otherwise accrue to the French Republic. This fact by itself appears to the Court to be, prima facie, a circumstance creative for inequity and calling for a method of delimitation that in some measure redresses the equity." 1 1 8
Da das Schiedsgericht somit - auch - in der Lage der Inseln einen relevanten Umstand sieht, zieht es zunächst unter Vernachlässigung der Kanal Inseln zwischen den beiden etwa gleichlangen Festlandküsten eine Mittellinie. 1 1 9 Sodann wird i n einem zweiten Schritt eine Grenze zwischen den Kanal Inseln und dem nördlich 1 2 0 davon befindlichen französischen Festlandsockel in einem Abstand von 12 sm von der Küste der Inseln gezogen (sog. Enklaven-Lösung). 121 Damit erhalten die Kanal Inseln, da das britische Küstenmeer nur 3 sm beträgt, einen Festlandsockel von 9 sm. Das Gericht gelangt zu dieser Enklaven-Lösung aufgrund der folgenden Erwägungen. Zum einen stellt das Gericht darauf ab, daß die Kanal Inseln auf der „falschen Seite" der Mittellinie gelegen sind. Ausschlaggebend für 113 Vgl. dazu die Darstellungen dieser Entscheidung bei O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 718 ff.; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 547 ff.; ders., Continental Shelf Arbitration (France/United Kingdom), in: R. Bernhardt (Hrsg.), Enc.Inst. 2,1981, S. 58-61; D.M. McRae, Delimitation of the Continental Shelf between the United Kingdom and France, CanYIL 1977, 173-197; E. Zoller, L'affaire de la délimitation du plateau continental entre la République française et le Royaume-Uni de Grande Bretagne et d'Irlande du Nord, A F D I 1977, 359-407; D. Colson, The United Kingdom-France Continental Shelf Arbitration, AJIL 1978, 95-112; D.W. Bowett, Islands, S. 193-247; ders., BYIL 1978, 1-28; J.G. Merrills, Calif. W.Int'l. L.J. 1980, 314-364; B. Rüster, ZaöRV 1980, 803-840. 114 I L M 1979, 397-494 (im folgenden: Award, para ). 115 Award, para. 195. 116 Award, para. 202. 117 Award, para. 195. 118 Award, para. 196. 119 Award, para. 201. 120 Hinsichtlich des Gebiets südlich der Inseln hat das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneint, da es entweder von Frankreich als 12 sm-Küstenmeer oder von dem Vereinigten Königreich als 3 sm-Küstenmeer bzw. als 12 sm-Fischereizone beansprucht wird, vgl. Award, paras. 14-22. 121 Award, para. 202. Das Schiedsgericht hat die Entfernung von 12 sm gewählt, um die bereits bestehenden 12 sm-Fischereizonen respektieren zu können. 1
H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
die Berücksichtigung dieses Kriteriums dürfte letztlich die Tatsache gewesen sein, daß diese Inseln vom britischen Festland völlig isoliert sind. Das Schiedsgericht unterscheidet die Lage der Kanal Inseln nämlich ausdrücklich von dem Fall „ . . . of small islands on the right side or close to the median line, and . . . from the case where numerous islands stretch out one after another long distances from the mainland." 1 2 2
Dieser Umstand rechtfertige es, ihrem Festlandsockel eine Verbindimg zu dem des britischen Festlands zu versagen. Andererseits sieht sich das Gericht durch das anwendbare Recht 1 2 3 aber gezwungen, auch Umstände zugunsten der Inseln in Betracht zu ziehen. Diese erblickt es 1 2 4 in „ . . . the particular character of the Channel Islands as not rocks or islets but populous islands of a certain political and economic importance; . . . the close ties between the islands and the United Kingdom and the latter's responsibility for their defense and security; .. . " 1 2 5
Aufgrund dieser Umstände könne der Auffassung Frankreichs nicht gefolgt werden, wonach die Inseln ein Seegebiet von insgesamt lediglich 6 sm (= 3 sm-Küstenmeer + 3 sm-Festlandsockel) erhalten sollten. 126 Das Schiedsgericht erkennt somit die Größe, die Bevölkerung sowie die wirtschaftliche und politische 1 2 7 Bedeutung der Inseln als relevante Umstände an. Gleichzeitig ordnet es diese Faktoren aber insbesondere den geographischen Gesichtspunkten unter. 1 2 8 Da das Schiedsgericht schließlich noch darauf abstellt, daß „ . . . the extent of the continental shelf is comparatively modest and the scope for adjusting the equities correspondingly s m a l l . . . , " 1 2 9
führt die Berücksichtigung dieser Umstände nicht zu einer Einbeziehung der Kanal Inseln in den Festlandsockel des britischen Festlands. 122 Award, para. 199. Aufgrund dieser Unterscheidung ist anzunehmen, daß das Schiedsgericht die Kanal Inseln i n den britischen Festlandsockel mit einbezogen hätte, wenn sie sozusagen das letzte Glied einer Inselkette gewesen wären, deren erstes Glied nahe dem britischen Festland liegt. 123 Award, para. 197: „ . . . because a delimitation, to be ,equitable' or justified', must be so i n relation to both Parties i n the light of all the relevant circumstances." 124 Award, para. 198. 125 Award, para. 197. Vgl. auch para. 184: „Possessing a considerable population and a substantial agricultural and commercial economy, they are clearly territorial and political units which have their own separate existence, and which are of a certain importance i n their own right separately from the United Kingdom." 126 Award, para. 198. 127 Wenngleich nicht deutlich wird, inwieweit dieses Kriterium ausschlaggebend war. 128 So auch U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 548. 129 Award, para. 201.
Β . 3. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung u n d Inseln
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Hinsichtlich des Seegebiets westlich einer Linie zwischen Lands End und dem westlichsten Punkt der Bretagne (das sog. Atlantische Gebiet 130 ) hatte das Schiedsgericht über das Ausmaß der Berücksichtigung der britischen Scilly Inseln, die der Halbinsel Cornwall vorgelagert sind 1 3 1 , zu entscheiden. Das Vereinigte Königreich wollte die Scilly Inseln ebenso wie die französische Insel Ouessant bei der Abgrenzimg voll berücksichtigt wissen. Demgegenüber berief sich Frankreich auf „besondere Umstände" und wollte sie gänzlich vernachlässigen. Das Schiedsgericht wählt einen Mittelweg zwischen diesen beiden Positionen. Zwar stelle die Lage der Inseln als solche noch nicht einen beachtenswerten Umstand dar. Sehr wohl aber sei ihre Lage im Lichte der gesamten geographischen Situation 1 3 2 von Relevanz, was eine andere Grenze als die Mittellinie rechtfertige. 133 Eingedenk der Tatsache, daß in der Staatenpraxis die Präsenz bestimmter geographischer Umstände, die den Verlauf der (Äquidistanz-)Grenzlinie beeinflussen würden, in der Regel zu einer Modifikation, denn zu einer völligen Aufgabe der Äquidistanzlinie geführt hat 1 3 4 , kommt das Schiedsgericht daher zu dem Ergebnis: „The appropriate method . . . is to take account of the Scilly Isles as part of the coastline of the United Kingdom but to give them less than their full effect i n applying the equidistance method." 1 3 5
Die völkergewohnheitsrechtliche Abgrenzungsregel lasse es zwar nicht zu, die „Geographie neuzugestalten" oder eine Situation „of complete equity " zu schaffen, „ . . . where nature and geography have established an inequity." 1 3 6
Die anzuwendenden Prinzipien der Billigkeit machten aber erforderlich » . . . an appropriate abatement of the disproportionate effects of a considerable projection on to the Atlantic continental shelf of a somewhat attenuated portion of the coast of the United Kingdom." 1 3 7
Daher - und nicht zuletzt auch wegen ihrer Nähe zum britischen Festland sowie ihrer Größe und Bevölkerung 138 - berücksichtigt das Schiedsgericht 130
So auch das Schiedsgericht. Die Entfernung der Scilly Inseln vom britischen Festland beträgt zwischen 21 und 31 sm, Award, para. 235. 132 Award, para. 243: „The mere f a c t . . . that the presence of the Scilly Islands in the position i n which they lie has that effect, does not in itself suffice to justify a boundary other than an equidistance line delimited by reference to the Scillies. The question is whether, in the light of all the pertinent geographical circumstances, that fact amounts to an inequitable distortion of the equidistance line producing disproportionate effects on the areas of shelf accruing to the two States." 131
133 134 135 136 137
18'
Award, para. 244. Vgl. zu dieser Staatenpraxis oben III. Award, para. 249. Ebenda. Ebenda.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
die Scilly Inseln bei der Abgrenzung zur Hälfte, d. h. die Grenze ist die Mittellinie zwischen der Äquidistanzlinie, die unter voller Berücksichtigung der Scilly Inseln ermittelt wird, und jener, die sich bei völliger Vernachlässigung dieser Inseln ergibt. 1 3 9 Diese Entscheidung des Schiedsgerichts ist in mehrfacher Hinsicht zum Teil heftig kritisiert worden. 1 4 0 Diese K r i t i k richtet sich vor allem aber gegen einzelne Aspekte des Abgrenzungsergebnisses. Die grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen des Gerichts, insbesondere die Auswahl der einzelnen relevanten Kriterien, treffen demgegenüber weitgehend auf Zustimmung 1 4 1 , so daß diese würdig sind, festgehalten zu werden. (1) Das Schiedsgericht erkennt den Anspruch von Inseln auf grundsätzliche Gleichbehandlung mit dem Festland an. (2) Bei der Abgrenzung des Festlandsockels ist aber das Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln von Kriterien wie der Lage, der Größe, der Bevölkerimg sowie der wirtschaftlichen/politischen Bedeutung abhängig· (3) Keines dieser Kriterien allein ist geeignet, die Grenzziehung zu beeinflussen. Vielmehr ist ihre Bedeutung im Wege einer makrogeographischen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der jeweils anderen Kriterien zu bestimmen, wenngleich der Lage der Inseln ein besonderes Gewicht zukommt. Dies führt zu einer unterschiedlichen Beurteilung der folgenden Konstellationen: A. Die Inseln liegen weit entfernt von der Küste des Staates, zu dem sie gehören, aber isoliert und nahe der Küste des anderen an dem Abgrenzungsprozeß beteiligten Staates („Inseln auf der falschen Seite der Mittel-/Äquidistanzlinie"). In diesem Fall können sie nur dann in das Festlandsockelgebiet des Mutterstaates einbezogen werden, wenn ihnen aufgrund ihrer Größe, Bevölkerung und Wirtschaftskraft eine derartige Bedeutung zukommt, daß eine Nicht-Einbeziehung als unbillig erscheinen würde. Andern138
Award, para. 248. Award, paras. 250, 251. 140 So wirft etwa U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 530 Fn. 68, die Frage auf, ob die Entscheidung hinsichtlich der Kanal Inseln ebenso ausgefallen wäre, wenn das Vereinigte Königreich im Entscheidungszeitraum ein 12 sm-Küstenmeer geltend gemacht hätte. O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 723, meinen im Hinblick auf die Entscheidung zu den Scilly Inseln: „Whatever plausibility there may be i n this solution, there seems to be some artificiality i n treating islands as special circumstances when they extend the coastline i n axis, but not when they extend it in lateral distance. The generality of the Court's solution . . . is questionable because of the variable results of the notion of equity. . . . That this evaluation is a matter of judgement and not of science is obvious, and its subjectivity cannot be denied." 141 Vgl. etwa D.W. Bowett, Islands, S. 215 ff.; D. Colson, AJIL 1979, 112-120; F. Rigaldies, JDI 1979, 506-531. 139
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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falls bietet sich für solche Inseln die Enklaven-Lösung an, wobei das Ausmaß dieser Enklave wiederum von der Größe, Bevölkerung und der Wirtschaftskraft abhängt. B. Die Inseln liegen weit entfernt von der Küste des Staates, dem sie angehören, und nahe der Küste des anderen Staates. Sie bilden aber das letzte Glied einer Inselkette, die sich von der einen zu der anderen Festlandküste erstreckt. In diesem Fall verbietet sich die Enklaven-Lösung und der Festlandsockel dieser Inseln w i r d mit dem des Festlands und der anderen Inseln verbunden. Sie könnten nur dann völlig unberücksichtigt bleiben, wenn sie nach Maßgabe der übrigen Kriterien als unbedeutend einzuordnen wären. C. Die Inseln liegen nahe der Küste des Staates, zu dem sie gehören. Beträgt die Entfernimg nicht mehr als die doppelte Küstenmeerbreite, so wird der Festlandsockel unter voller Berücksichtigung der Inseln 1 4 2 abgegrenzt, es sei denn es handelt sich um ein relativ kleines Seegebiet und unbedeutende Inseln, so daß ihre volle Berücksichtigung zu einer unverhältnismäßigen Erweiterung des Festlandsockelgebiets im Verhältnis zu dem anderen Staat führen würde. Beträgt die Entfernung mehr als die doppelte Küstenmeerbreite, so ist zunächst festzustellen, ob die Inseln den Verlauf der Grenzlinie erheblich beeinträchtigen würden. Ist das der Fall, so hängt das Ausmaß ihrer Berücksichtigung wiederum von den anderen Kriterien ab. Handelt es sich um Kleinstinseln, so können sie in beiden dieser Fälle vernachlässigt werden. D. Die Inseln liegen nahe der Mittellinie. Handelt es sich um Kleinstinseln, so können sie vernachlässigt werden, sollten aber vom Festlandsokkel des Mutterlandes noch umgeben sein. Handelt es sich um Inseln von einer gewissen Bedeutung, so hängt das Ausmaß ihrer Berücksichtigung von den genannten Kriterien ab. 3. Der Vorschlag der Schlichtungskommission zur Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Island und der norwegischen Insel Jan Mayen
Wenngleich die von Island und Norwegen durch Vereinbarung vom 28. Mai 1980 eingesetzte Schlichtungskommission kein internationales Gericht war und ihrem Vorschlag 143 somit keine Rechtsverbindlichkeit 142
Indem sie beispielsweise der Küstenlinie des Festlands zugerechnet werden. Conciliation Commission on the Continental Shelf Area between Iceland and Jan Mayen, Report and Recommendations to the Governments of Iceland and Norway, I L M 1981, 797-842 (im folgenden: Report). Vgl. dazu den Bericht von E. Gounaris, The Delimitation of the Continental Shelf of Jan Mayen, AVR 1983, 492-501; ferner J. Evensen, La délimitation du plateau continental entre la Norvège et l'Islande dans le secteur du Jan Mayen, A F D I 1981, 711-738; R.R. Churchill, Maritime Delimitation i n the Jan Mayen Area, Mar.Policy 1985,16-38. 143
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
zukam, so sind ihre Empfehlungen und deren Begründung im Hinblick auf die rechtliche Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels schon aus dem Grunde von Interesse, weil die Parteien den Vorschlag in ihrem Vertrag vom 22. Oktober 1981 144 übernommen haben. Die norwegische Insel Jan Mayen hat eine Größe von 373 km 2 und liegt etwa 540 km (=292 sm) nordöstlich von Island sowie ca. 1000 km westlich von Nord-Norwegen. Jan Mayen verfügt nicht über eine gewachsene Bevölkerung i m eigentlichen Sinne. Zwar leben dort ständig mindestens 30 bis 40 Personen, sie gehören aber zum Personal einer Wetterstation sowie von militärischen Einrichtungen. 145 Island hatte durch Gesetz vom 1. Juni 1979 eine 200 sm-Wirtschaftszone proklamiert, die Norwegen in der Vereinbarung vom 28. Mai 1980 anerkannte. Die Parteien konnten sich aber nicht über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Island und Jan Mayen einigen, da Island der Auffassung war, berechtigt zu sein, seinen Festlandsockel über die 200 sm-Linie auszudehnen. 146 Daher vereinbarten die Parteien die Einsetzung einer Schlichtungskommission, deren Aufgabe es sein sollte, einen Vorschlag über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Island und Jan Mayen auszuarbeiten. 147 Die Kommission wurde am 16. August 1980 eingesetzt 148 , nahm ihre Arbeit am 19. August 1980 in Genf auf und unterbreitete den Parteien ihren Vorschlag im Juni 1981. Im Zusammenhang mit dem Rechtsstatus von Inseln bezeichnet die Kommission den Entwurf des heutigen Art. 121 SRK als deklaratorisch für das geltende Völkergewohnheitsrecht. 149 Daher stehe fest, daß Jan Mayen als „Insel" im Sinne dieser Vorschrift einen Anspruch auf einen eigenen Festlandsockel sowie die anderen Seegebiete habe. 150 Gleichzeitig stellt die Kommission aber klar, daß Inseln nach Maßgabe der Art. 15, 74 und 83 SRK bei der Abgrenzung unterschiedlich stark berücksichtigt werden können und in der Staatenpraxis tatsächlich unterschiedlich stark berücksichtigt worden sind. 1 5 1 In Anbetracht der Tatsache, daß Island durch die Anerkennung seiner 200 sm-Wirtschaftszone durch Norwegen schon ein beträchtliches Seegebiet jenseits der Mittellinie zwischen Island und Jan 144
Übereinkommen zwischen Norwegen und Island über den Festlandsockel i n dem Gebiet zwischen Island und Jan Mayen vom 22. Oktober 1981, I L M 1982,1222 ff.; AVR 1983, 505 ff. 145 Vgl. zu diesen Angaben Report, I L M 1981, 801 ff. 148 I L M 1981, 798 f. 147 Vgl. Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 28.05.1980, AVR 1983, 502 ff. 148 Die Mitglieder der Kommission waren Botschafter E. Richardson (USA) als Vorsitzender sowie die Botschafter H.G. Andersen (Island) und J. Evensen (Norwegen). 149 Report, I L M 1981, 803. 15 0 Report, I L M 1981, 804, 824. 151 Report, I L M 1981, 823 ff.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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Mayen erhalten habe, und der Ungewißheit über das Rohstoffpotential in dem umstrittenen Seegebiet hält es die Kommission aber nicht für opportun, für den Festlandsockel eine andere Grenze vorzuschlagen als die isländische 200 sm-Wirtschaftszone. Anstatt überhaupt eine konkrete Grenzlinie i n Erwägung zu ziehen, hält es die Kommission für angebracht, eine sog. „joint development zone" einzurichten. 152 Diese solle ein Gebiet von 12.725 km südlich und von 32.750 km 2 nördlich der isländischen 200 sm-Linie umfassen. 153 Diese „joint development zone" befindet sich in einem Gebiet, welches nach einem Expertenbericht am ehesten wirtschaftlich ausbeutbare Rohstofflager aufweisen kann. 1 5 4 Die Kommission war bei ihrer Empfehlung zwar auch von dem Wunsche geleitet, „ . . . to further promote cooperation and friendly relations between Iceland and Norway." 1 5 5
Ausschlaggebend dürften tatsächlich aber die folgenden Faktoren/Kriterien gewesen sein: ,,a) Iceland is totally dependent on imports of hydrocarbon products. b) The shelf surrounding Iceland is considered by scientists to have very low hydrocarbon potential. c) The Jan Mayen Ridge between Jan Mayen and the 200-mile economic zone of Iceland is the only area which is considered to have the possibility of finding hydrocarbons. ... d) The water depths overlying the Jan Mayen Ridge are too great to permit exploration using present technology. The distances from the natural markets for hydrocarbons - especially gas - are great. Consequently, very large hydrocarbons discoveries would seem necessary i n order to make such finds commercial." 1 5 8
Wenngleich der Vorschlag einer „joint development zone" geradezu salomonisch anmutet, so stellt sich doch die Frage, ob die Kriterien, auf die er sich stützt, eine Grundlage im geltenden Abgrenzungsrecht finden. A l l diese Kriterien sind wirtschaftlicher Art. Wirtschaftliche Kriterien können grundsätzlich auch für die Abgrenzung des Festlandsockels von Bedeutung sein. 157 Voraussetzimg dafür ist aber - jedenfalls im Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Abgrenzungsregel - ein hinreichender Bezug zu dem grundlegenden Festlandsockelkonzept. 158 Dieser Bezug scheint hier auch gegeben zu sein, dient das Festlandsockel-Regime doch der Erforschung und 152 153 154 155 156 157 158
Report, I L M 1981, 825 f. Report, I L M 1981, 827, 836. Zur genauen Lage der Zone vgl. die Karte i n AVR 1983, 501. Report, I L M 1981, 826. Ebenda. Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. b). Vgl. dazu bereits oben 3. Teil B. 2. Abschnitt III. und IV.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Ausbeutung insbesondere der fossilen Brennstoffe des Meeresgrundes und -untergmndes. Jedoch spielt heute - im Gegensatz zur Regelung der FSK von 1958 - die technisch mögliche Ausbeutbarkeit unter der Geltung des Distanzprinzips für den Rechtserwerbsgrund keine Rolle mehr. Dementsprechend kann dieses Kriterium auch nicht für die Abgrenzimg relevant sein. Wie bereits festgestellt, kann die individuelle wirtschaftliche Situation eines Staates bei der Abgrenzung des Festlandsockels nach Maßgabe des Rechts ebenfalls keine Berücksichtigung finden. 1 5 9 Indem die Kommission sich bei ihrer Empfehlung aber sowohl von dem geringen Rohstoffpotential des isländischen Festlandsockels als auch von der Abhängigkeit Islands von Rohstoffimporten sowie von der technisch möglichen Ausbeutbarkeit leiten ließ, hat sie folglich den zulässigen Rahmen des geltenden Abgrenzungsrechts verlassen. Ein internationales Gericht hätte diese Kriterien nicht in die Abwägung einfließen lassen dürfen. Die Kommission hingegen unterlag bei ihrer unverbindlichen Empfehlung aber gerade nicht den relativ engen Bindungen des Rechts, so daß sie an einer Berücksichtigung der genannten Kriterien nicht gehindert war. Es läßt sich somit nicht vertreten, die von der Kommission berücksichtigten wirtschaftlichen Kriterien seien für die Abgrenzung des Festlandsockels sowie für das Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln von rechtlicher Relevanz. Dennoch bleiben aus rechtlicher Sicht zwei Aspekte der Empfehlung festzuhalten. Zum einen haben Norwegen und Island in ihrem Übereinkommen vom 22. Oktober 1981 den Vorschlag der Kommission übernommen und damit zu erkennen zu geben, daß sie auch mit der Wertung der wirtschaftlichen Kriterien einverstanden sind. 1 6 0 Zum anderen macht die Kommission in ihrer Begründung deutlich, daß Inseln - auch wenn sie weit entfernt von der Küste des Staates liegen, zu dem sie gehören - grundsätzlich gleich dem Festland zu behandeln sind mit der Folge, daß Jan Mayen einen eigenen Festlandsockel erhält. Dabei zeigt die Aufteilung von Rechten innerhalb der „joint development zone" , daß - wäre es zu einer Grenzziehung gekommen - Jan Mayen nicht voll berücksichtigt worden wäre. Abgesehen von den wirtschaftlichen Kriterien läßt sich dem Vorschlag aber nicht eindeutig entnehmen, ob und inwieweit etwa die Größe und die Lage von Jan Mayen als relevant eingestuft worden wären. Einiges - insbesondere die uneingeschränkte Gleichsetzung von Art. 121 SRK und dem Völkergewohnheitsrecht - spricht aber dafür, daß die Kommission diesen Kriterien ebensowenig Bedeutung beigemessen haben würde wie der Bevölkerung.
Vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. b). Selbstverständlich ist zu bedenken, daß die Vereinbarungen, die die Parteien schließen, niemals imbillig sein können, ein Gericht möglicherweise aber niemals zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangen dürfte. 160
Β. 3. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung u n d Inseln
281
4. Der tunesisch-libysche Festlandsockel Fall von 1982
Im Festlandsockel Fall zwischen Tunesien und Libyen 1 6 1 hatte der IGH erstmals über die konkrete Grenzziehimg wie auch über den möglichen Einfluß von Inseln auf die Festlandsockelabgrenzung zu entscheiden. Bei den tunesischen Inseln, deren Berücksichtigung in diesem Rechtsstreit umstritten war, handelt es sich um Djerba und die Kerkennah Inseln. Djerba hat eine Größe von 690 km 2 und liegt in unmittelbarer Nähe zur tunesischen Küste etwa auf halbem Wege zwischen Ras Ajdir und Ras Yonga. Bei Ebbe ist diese Insel nur durch einen sehr schmalen Wasserstreifen vom Festland getrennt. Djerba ist ständig bewohnt und nicht zuletzt als Tourismuszentrum für die Wirtschaft Tunesiens von Bedeutung. Die Kerkennah Inseln haben eine Größe von etwa 180 km 2 und liegen in einer Entfernung von ca. 11 sm östlich der tunesischen Festlandküste auf der Höhe der Hafenstadt Sfax. Sie sind ebenfalls ständig bewohnt und für die Fischereiwirtschaft Tunesiens von gewisser Bedeutung. Sowohl die Kerkennah Inseln als auch Djerba sind in sehr seichten Gewässern gelegen und von einer Anzahl von Niedrigwassererhebungen und Sandbänken umgeben. 162 Während Tunesien diese Inseln bei der Abgrenzung voll berücksichtigen wollte, was zu einer von SW nach NO verlaufenden Grenzlinie geführt hätte, meinte Libyen, die Grenze solle beginnend bei Ras Ajdir bis zur Höhe von Ras Yonga gerade nach Norden verlaufen, um dann leicht nach NNO abzuschwenken. 163 In diesem Zusammenhang machte Libyen geltend, daß „ . . . the Island of Djerba invites omission, since it is clearly an exceptional feature and its inclusion would introduce irrelevant complications. Similarly, the Kerkennah Islands should be excluded since they occupy little more than 180 square kilometres." 164
Der IGH sieht sich aber außerstande, diese Inseln aus den von Libyen vorgebrachten Gründen bei der Abgrenzung zu vernachlässigen. Vielmehr - so das Gericht - stelle die Präsenz beider Inseln bzw. Inselgruppen eindeutig einen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigenden Umstand dar. 1 6 5 Nur weil in dem Abgrenzungsgebiet, in dem Djerba Bedeutung erlangen könnte, andere Umstände gegeben seien, die der Präsenz dieser Insel vorgin161
ICJ Rep. 1982, pp. 18-94. Vgl. dazu allgemein E.D. Brown, Mar.Policy 1983,142162; M.B. Feldmann, AJIL 1983, 219-238; L.L. Herman, ICLQ 1984, 825-858; D.C. Hodgson, Case W.Res.J.Int'l.L. 1984, 1-37; Κ Oellers-Frahm, ZaöRV 1982, 804-814; E. Zoller, RGDIP 1982, 645-678; Y. Ben Achour, JDI 1983, 247-292; D.R. Christie, Ga.J.Int'l.&Comp.L. 1983, 1-30; M. Sonenshine, Harv.Int'l. L.J. 1983, 225-236. 162 Vgl. dazu sowie zum Vorstehenden ICJ Rep. 1982, p. 88 f., para. 128; Diss.Op. Richter Evensen, ebenda, pp. 278 ff. (300). 163 Zu den verschiedenen Grenzlinien und ihren genauen Verlauf vgl. die Karte i n ICJ Rep. 1982, p. 81. 164 ICJ Rep. 1982, p. 63, para. 79. 165 Ebenda.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
gen 1 6 6 , sei Djerba ausnahmsweise außer acht zu lassen. 167 Demgegenüber sei aber die Präsenz der Kerkennah Inseln für die Abgrenzimg des Festlandsokkels nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit von entscheidender Bedeutung. 1 6 8 Diese müßten wegen ihrer Lage und wegen ihrer Größe berücksichtigt werden. 169 Hinsichtlich der Bestimmung des Ausmaßes der Berücksichtigung wählt der I G H einen dem des Schiedsgerichts im britisch-französischen Fall bei den Scilly Inseln vergleichbaren Ansatz. 170 Angesichts der Erkenntnis, die volle Berücksichtigung der Kerkennah Inseln würde ihnen ein „excessive weight "171 zukommen lassen, nimmt der I G H Bezug auf eine Reihe von Beispielen aus der Staatenpraxis, in denen küstennahe Inseln bei der Abgrenzung nur teilweise berücksichtigt werden. 172 Demgemäß werden die Kerkennah Inseln im Ergebnis nur zur Hälfte berücksichtigt. 173 Die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidung in bezug auf die Frage, in welcher Weise - küstennahe - Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsokkels zu behandeln sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Grundsätzlich haben küstennahe Inseln einen eigenen Festlandsockel und sind daher bei der Abgrenzung in der Regel zu berücksichtigen. (2) Das Ausmaß der Berücksichtigung hängt u. a. von Kriterien der Größe und der Lage der Inseln ab. Jedoch können küstennahe Inseln bei Vorliegen weiterer Umstände, die den genannten Kriterien vorgehen, ausnahmsweise völlig unberücksichtigt bleiben, selbst wenn sie - wie ζ. B. Djerba mit 690 km 2 - von einer beträchtlichen Größe sind. 5. Der Gulf of Maine Fall von 1984
Die Kammer im Gulf of Maine Fall zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika 1 7 4 hatte sich - jedoch nur am Rande - mit den Auswir166 An anderer Stelle (p. 84, para. 120) führt der I G H dazu aus: „ I t should also not be lost sight of t h a t . . . the Court is at this stage confining its attention to the delimitation of the sea-bed area which is closer to the coast of Ras Ajdir, so that in assessing the direction of the coastline it is legitimate to disregard for the present coastal configurations found at more than a comparatively short distance from that point, for example the island of Jerba." 167 Ebenda, p. 63, para. 79. 168 Ebenda sowie p. 88 f., para. 127 f.; p. 93, para. 133 Β (3). 169 Ebenda, p. 89, para. 128. 170 Vgl. dazu oben 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 2. 171 ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128. 172 Ebenda, p. 89, para. 129. 173 Ebenda. 174 ICJ Rep. 1984, pp. 246-346. Vgl. dazu allgemein E. Decaux, A F D I 1984, 304-339; J. Schneider, AJIL 1985, 539-577; L.E. Ciain, Va.J.Int'l.L. 1985, 521-620; L.M. Legault/B. Hankey, AJIL 1985, 961-991; J. Cooper, ODILA 1986, 59-90; ferner zu den Positionen der Parteien D.M. McRae, Can.Yb.Int'l.L. 1981, 287-302; E. Collins Jr./ M.A. Rogoff, Maine L.Rev. 1982,1-62,1986,1-48; T.L. McDorman u. a., Marine Policy
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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kungen der kanadischen Insel Seal sowie ihrer kleineren Nachbarinsel Mud auf die Abgrenzung zu befassen. 175 Seal mißt i n der Längsachse ca. 4,2 km, die höchste Erhebung mißt ca. 15,2 m über NN. Seal ist ständig bewohnt und vor Cape Sable etwa 9 sm diesseits der Abschlußlinie des Gulf of Maine gelegen. Daher kommt dieser Insel für die Einfahrt in den Golf eine strategische Bedeutung zu. 1 7 6 Angesichts der Größe und insbesondere der Lage von Seal (wie auch Mud) meint die Kammer, sie bei der Abgrenzimg nicht vernachlässigen zu können. 177 Es würde aber zu weit gehen - so die Kammer - , die Küste NeuSchottlands um die gesamte Entfernung zwischen Seal und dem Festland nach SW zu verlagern. Daher sei es angebracht, die Insel bei der Abgrenzung nur zur Hälfte zu berücksichtigen. 178 Auf den ersten Blick scheint diese Entscheidung i n der Tradition der vorangegangenen Urteile internationaler Gerichte zu stehen, stellt die Kammer doch insbesondere auf die Lage der Insel als ein für die Abgrenzung relevantes Kriterium ab. Bemerkenswert ist aber, daß sich im Gegensatz zu den anderen Entscheidungen das Kriterium der Lage hier eher zugunsten als zu Lasten der Insel ausgewirkt hat. Bisher ging die Tendenz in der Judikatur dahin, Inseln trotz einer beträchtlichen Größe wegen der aus ihrer Lage resultierenden, verzerrenden Auswirkungen auf die (Äquidistanz-) Grenzlinie nur teilweise oder gar nicht zu berücksichtigen. Daher hätte es nicht überrascht, wenn die Kammer Seal und Mud wegen ihrer relativ geringen Größe vernachlässigt hätte. Die Kammer berücksichtigt sie dennoch zur Hälfte, offensichtlich um damit ihrer durch ihre Lage im Golf bedingten, strategischen Bedeutung gerecht werden zu können. 6. Der Schiedsspruch im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau von 1985
Der Schiedsspruch im Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau vom 14. Februar 1985 179 hat dazu geführt, daß diese beiden westafrikanischen Staaten nunmehr eine der wenigen geregelten Seegrenzen in dieser Region und Afrika überhaupt haben.
1985, 90-107; D. Pharand, Rev.Gén.de Droit (Ottawa) 1985, 363-386; D.R. Robinson u. a., AJIL 1985, 578-597. 175 ICJ Rep. 1984, p. 336 f., para. 222. 176 Ebenda. 177 Ebenda. 178 Ebenda. 179 Arbitral Tribunal for the Delimitation of the Maritime Boundary between Guinea and Guinea-Bissau , Award of 14 February 1985, I L M 1986, 252-307 (im folgenden: Tribunal, para ). Vgl. dazu E. David, A F D I 1985, 350-389; N. Kingue, RGDIP 1987, 45-82; DJ. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 244 ff.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
Abgesehen von diesem politisch interessanten Aspekt ist der Schiedsspruch aber vor allem wegen seiner grundsätzlichen Aussagen zum Völkerrecht der Abgrenzimg von Seegebieten sowie zur Behandlung küstennaher Inseln von Bedeutung. Das Abgrenzungsgebiet ist u. a. 1 8 0 durch die Präsenz einer Vielzahl unterschiedlich großer Inseln gekennzeichnet. Da das jeweilige Ausmaß ihrer Berücksichtigung entscheidend für den Verlauf der Grenze war, war diese Frage verständlicherweise eines der Hauptprobleme dieses Falles. 181 Das Schiedsgericht unterscheidet, um das Ausmaß der Berücksichtigung bestimmen zu können, zunächst die folgenden drei Kategorien von Inseln: ,,a) The coastal islands, which are separated from the continent by narrow sea channels or narrow water-courses and are often joined to it at low tide, must be considered as forming an integral part of the continent. b) The Bijagos Islands, the nearest of which is two nautical miles from the continent and the furthest 37 miles, and no two of which are further apart than 5 miles, can be considered, if the 12-mile rule accepted by the Parties is applied, as being in the same territorial waters as each other and as being linked to those of the continent. c) There are also the more southerly islands scattered over shallow areas (Poilao, Samba, Sene, Alcatraz), some of which may be taken into account for the establishment of baselines and be included i n the territorial waters." 1 8 2
Davon - so das Schiedsgericht - seien vor allem die Inseln der Gruppen a) und c) als relevant einzustufen, wenngleich einem Staat im Wege der Abgrenzung Inseln, die zu seinem Hoheitsgebiet gehören, nicht wieder genommen werden dürften. 1 8 3 Sodann sieht sich das Schiedsgericht im Lichte der Rechtsprechung des I G H 1 8 4 veranlaßt, die jeweilige Länge der Küsten in ihrem generellen Verlauf zu bestimmen. 185 Denn es handelt sich hier vorrangig 1 8 6 um einen Fall benachbarter Staaten, in dem ja die seitliche Ausdehnung des Festlandsockels von der Länge der Küste abhängig ist. 1 8 7 Zum Zweck der Bestimmung der Länge der respektiven Küsten seien - so das Schiedsgericht - sowohl die küstennahen Inseln (Gruppe a)) als auch der Bijagos Archipel (Gruppe b)) zu berücksichtigen, nicht jedoch die Inseln der 180
Beispielsweise zeichnet sich die Festlandküste in weiten Abschnitten durch tiefe Einbuchtungen und zahlreiche Flußmündungen aus. Vgl. dazu Tribunal, paras. 19-23. 181 Vgl. dazu die Karte i n I L M 1986, 252. 182 Tribunal, para. 95. 183 Ebenda. 184 Das Gericht bezieht sich auf die Nordsee-Festlandsockel-Fälle (ICJ Rep. 1969, p. 54, para. 101) sowie den tunesisch-libyschen Festlandsockel Fall (ICJ Rep. 1982, p. 93, para. 133). iss Tribunal, para. 97. 186 v g l dazu die Position Guinea-Bissaus, Tribunal, para. 91. 187 Dazu, daß im Fall der Abgrenzung zwischen benachbarten Staaten die Länge der Küsten ein relevanter Umstand ist, vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. d).
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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Gruppe c). 1 8 8 Hinsichtlich der Art und Weise der Berücksichtigung der Inseln bei dieser Operation meint das Schiedsgericht: „Furthermore, the relevant islands must not be taken into account in the form of the total obtained by adding together the perimeters of each of them, but as elements determining the general direction of the entire coastline of the country considered." 1 8 9
Demgemäß kommt es zu dem Ergebnis, die Küsten der Staaten seien aufgrund der Einbeziehung der Inseln beide etwa 154 Meilen lang. Wäre hingegen der Bijagos Archipel nicht berücksichtigt worden, betrüge die Länge der Küste Guinea-Bissaus nur 128 Meilen. Folglich sei die Küste dieses Staates um 20 % verlängert worden, womit der Bedeutung der Inseln in billiger Weise Rechnimg getragen worden sei. 190 Ähnlich wie die Kammer im Gulf of Maine F a l l 1 9 1 sieht das Schiedsgericht in küstennahen Inseln grundsätzlich für die Abgrenzung relevante Umstände, die zur Bestimmung der Länge der Küste in unterschiedlichem Ausmaße Berücksichtigung finden können. Ob und inwieweit sie zu diesem Zweck zu beachten sind, hängt offensichtlich nicht von ihrer Größe oder Bevölkerung ab, sondern von ihrer Lage zur Festlandküste und von ihrer Lage zueinander. Denn die Inseln der Gruppe a) werden der Küste zugerechnet, weil sie bei Ebbe mit dem Festland zum Teil verbunden sind. Der Bijagos Archipel w i r d berücksichtigt, obwohl seine Inseln teilweise unbewohnt sind 1 9 2 und sich in ihrer Größe nicht von denen der Gruppe c) unterscheiden. Die einzig plausible Erklärung für diese Vorgehensweise des Schiedsgerichts kann nur die Tatsache sein, daß die Inseln dieses Archipels sehr nahe beieinander liegen und die Inseln der Gruppe c) im Abgrenzungsgebiet weit verstreut sind. Entscheidendes Kriterium für das Ausmaß der Berücksichtigung von küstennahen Inseln bei der Abgrenzung ist unter Zugrundelegung der Auffassung des Schiedsgerichts also deren Lage. 7. Der Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta von 1985
Die Entscheidung des I G H im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta 1 9 3 ist für das Problem der Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung iss Tribunal, para. 97. Ebenda. 190 Ebenda. Im folgenden spielt das Insel-Problem noch eine - untergeordnete Rolle im Zusammenhang mit der Bestimmung der Konfiguration der Küste. Vgl. Tribunal, paras. 98-111. 191 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 5. 192 Vgl. dazu Tribunal, para. 21. 193 ICJ Rep. 1985, pp. 13-58; vgl. dazu E. Decaux, A F D I 1985, 294-323; B. Conforti, RGDIP 1986, 313-343; Z. Wlosowicz, The Cambridge Law Journal 1985, 341-345; ferner K. Oellers-Frahm, ZaöRV 1984, 840-855. 189
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
nicht etwa deshalb von Interesse, weil es sich bei Malta um einen Inselstaat handelt. 1 9 4 Denn nach ganz allgemeiner Auffassung sind Inselstaaten in jedem Fall wie Kontinentalstaaten zu behandeln. 195 Die Bedeutung dieser Entscheidung für die hier interessierende Frage der Behandlung abhängiger Inseln liegt vielmehr in zwei Passagen, in denen der I G H zum Einfluß von Kleinstinseln sowie - wenngleich nur indirekt - von anderen abhängigen Inseln auf die Abgrenzimg Stellung nimmt. 1 9 6 Wie bereits dargelegt, sieht der I G H in der im Vergleich zu Libyen relativ geringen Größe der Küste Maltas einen relevanten Umstand, der eine Verschiebung der Mittellinie zwischen den beiden Staaten zu Lasten Maltas rechtfertige. 197 Zunächst geht das Gericht bei der Bestimmung der Basislinien ohne nähere Begründung davon aus, die südlich der Hauptinseln gelegene unbewohnte Kleinstinsel Filfla 198 vernachlässigen zu müssen, die Malta ursprünglich als Basispunkt für die Grenzziehung gewählt hatte. 1 9 9 Insoweit bestätigt der IGH also die bisherige internationale Rechtsprechung, wonach unbedeutende, weil unbewohnte, Kleinstinseln bei der Abgrenzung unberücksichtigt bleiben können. 2 0 0 Desweiteren stellt sich der I G H die Frage, wie weit die Verschiebung der Mittellinie im äußersten Fall gehen dürfte. 2 0 1 Zu diesem Zweck geht das Gericht von der Hypothese aus, die maltesischen Inseln gehörten zu Italien. In diesem Fall wäre die Grenze zwischen Italien und Libyen nicht die Mittellinie zwischen Sizilien und Libyen. Vielmehr müßten dann die (maltesischen) Inseln Berücksichtigung finden, mit der Folge, daß die Grenze in jedem Fall südlich der Mittellinie zwischen Sizilien und Libyen gezogen werden müßte. 202 Wenngleich diese Ausführungen vorrangig der Rechtfertigung der Verschiebung der Mittellinie und der Veranschaulichung dienen, so machen sie doch deutlich, daß auch der I G H (abhängige) Inseln bei der Abgrenzung grundsätzlich berücksichtigt wissen will. Über das Ausmaß ihrer Berücksichtigung sowie die dieses Ausmaß bestimmenden Kriterien läßt sich dieser Passage unmittelbar nichts entnehmen. Angesichts der Größe und der Be194 Malta besteht aus den Inseln Malta (Fläche: 246 km 2 ), Gozo (67 km 2 ) und Cornino (ca. 3 km2) und hat eine Gesamtfläche von 316 km2; vgl. zu diesen Angaben ICJ Rep. 1985, p. 20, para. 15 sowie The Statesman's Year-Book, 125th ed. 1988-89, S. 840. 195 Vgl. dazu D.W. Bowett, Islands, S. 209; C.R. Symmons, Islands, S. 154; O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 714 ff.; Award, paras. 158, 186; ICJ Rep. 1985, p. 42, para. 53, p. 51, para. 72. 196 ICJ Rep. 1985, p. 51 f., paras 70 ff. 197 Ebenda, p. 51, para. 71. 198 A n anderer Stelle bezeichnet der I G H Filfla als „rock", ebenda, p. 20, para. 15. 199 Ebenda, p. 51 f., paras. 70 ff. 200 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 1.-6. 201 ICJ Rep. 1985, p. 51, para. 72. 202 Ebenda.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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völkerung der maltesischen Inseln sowie der Vernachlässigung der Kleinstinsel Filfla liegt es aber nahe anzunehmen, daß der I G H diese Kriterien als entscheidend für die Bestimmung des Ausmaßes der Berücksichtigung heranziehen würde. 8. Zusammenfassung
Die vorstehenden Entscheidungen internationaler Streitbeilegungsorgane lassen erkennen, daß insbesondere der I G H nicht geneigt ist, für die Bestimmimg des Ausmaßes der Berücksichtigung von Inseln bei der Abgrenzung verallgemeinerungsfähige Kategorien zu schaffen. 203 Vielmehr ziehen es die Gerichte vor, „ . . . to evaluate, in the light of variable facts, the operation of the notion of equity as the central principle . . . " . 2 0 4
Nicht zuletzt dies hat dem I G H den Vorwurf der Subjektivität und der Entscheidungsfindung ex aequo et bono eingebracht. 205 In der Tat lassen beispielsweise die Entscheidungsgründe im Festlandsokkel Fall zwischen Tunesien und Libyen völlig offen, warum die Kerkennah Inseln nur zur Hälfte berücksichtigt worden sind, obwohl sie keine Kleinstinseln, bewohnt und von einer gewissen wirtschaftlichen Bedeutung für Tunesien sind. 2 0 6 Der allgemeine Hinweis, eine volle Berücksichtigung dieser Inseln würde dazu führen, ihnen ein „excessive weight" 201 zukommen zu lassen, ist als Begründung sicherlich nicht ausreichend. 208 Auch scheint der IGH in diesem Zusammenhang den Lösungsansatz des Schiedsgerichts im Kanalfall zumindest teilweise mißverstanden zu haben. 209 Ähnliches gilt 203
So etwa auch O'Connell/ Shearer, Law of the Sea II, S. 723. Ebenda. 205 Ebenda; vgl. ferner U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 512 ff.; K. Marek, Rev. Belge 1970, 44 ff.; W. Friedmann, AJIL 1970, 232 ff.; E. Zoller, RGDIP 1982, 645 ff.; J.-P. Quéneudec, A F D I 1981, 203 ff.; E. Decaux, A F D I 1982, 357 ff.; E.D. Brown, Hydrospace, S. 70 f. 206 So auch Richter Schwebel in seiner Separate Opinion, ICJ Rep. 1982, p. 99. 207 ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128. 208 So auch Richter Schwebel, ICJ Rep. 1982, p. 99. 209 Richter Oda meint dazu i n seiner Dissenting Opinion im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta, ICJ Rep. 1985, p. 165, para. 73: „The 1982 Judgement departed crucially from the 1977 precedent. Admittedly, it similarity made use of the ,half-effect or half-angle' technique . . . i n order to modify its imaginary reference baseline on the Tunisian side so as to make what it regarded as proper allowance for the Kerkennah Islands. This it did i n the context of a finding that a situation had nearly been produced i n which the position of an equidistance line had become a factor to be given more w e i g h t . . . Yet, despite this, it did not apply the result of the halfeffect i n order to determine any median line between opposite coasts but proceeded to consecrate a parallel to that adjusted baseline as the second segment of the delimitation, just as if the Court had been asked to determine an outer limit of one party only rather than a common lateral boundary. France would have gained considerably had 204
288
3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
für die Entscheidung der Kammer in Gulf of Maine Fall hinsichtlich der Insel Seal. 210 Bei aller berechtigten K r i t i k an diesen Entscheidungen im einzelnen darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß sie nach Maßgabe des ζ. Z. geltenden Abgrenzungsrechts mit seiner besonderen Gewichtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles ergangen sind. Es wäre äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, im Rahmen einer solchen Entscheidung „ . . . to devise a general formula applicable to all cases in such a way as to indicate the precise shape of any coastline or the nature (size, economy, distance from mainland, etc.) of any island to be wholly or partially disregarded." 211
Aus diesem Grunde verbietet sich auch jede voreilige Verallgemeinerung der Aussagen dieser Entscheidungen. Dennoch lassen sich ihnen gewisse Grundsätze entnehmen, die geeignet zu sein scheinen, auch in anderen Fällen - vorbehaltlich ihrer Besonderheiten - zur Anwendung gelangen zu können. So bestätigen die genannten Entscheidungen zunächst das bereits weiter oben 2 1 2 gewonnene Ergebnis, daß Inseln im Grundsatz gleich dem Festland zu behandeln sind. Demgemäß können Inseln bei der Abgrenzimg niemals per se „besondere" bzw. „relevante" Umstände darstellen, auch wenn das Ungleichgewicht zwischen Festlandmasse und Inselfläche „gelegentlich irritierend" 2 1 3 sein mag. 2 1 4 Gleichzeitig machen diese Entscheidungen ähnlich wie die Entstehungsgeschichte der FSK und der SRK 2 1 5 sowie ζ. T. die Staatenpraxis 216 deutlich, daß Inseln bei der Abgrenzung trotz der prinzipiellen Gleichbehandlung nicht automatisch voll zu berücksichtigen sind. Vielmehr ist das Ausmaß ihrer Berücksichtigung von verschiedenen Umständen und Kriterien abhängig, aufgrund derer die Bedeutung der Inseln zu bestimmen ist. 2 1 7 Zu diesen Umständen bzw. Kriterien können nach Maßgabe der vorstehenden Entscheidungen gehören die Lage, die Größe, die Bevölkerung sowie allgemein die wirtschaftliche/politische und u. U. auch die militärisch-strategische this method been followed in 1977."; vgl. ferner seine Diss. Op. i n ICJ Rep. 1982, pp. 263 ff., paras. 170 ff. 210 ICJ Rep. 1985, p. 165, para. 73. 211 Richter Oda, Diss. Op., ICJ Rep. 1985, p. 163, para. 70. 212 Vgl. oben 2. Teil Β. V. 213 So Β. Rüster, Rechtsordnung, S. 414. 214 Es sei daran erinnert, daß der IGH im Festlandsockel Fall zwischen Libyen und Malta ausdrücklich feststellt, daß es auf die Landmasse hinter der Küste nicht ankommen kann, ICJ Rep. 1985, p. 40 f., para. 49. 215 Vgl. dazu oben 3. Teil B. 3. Abschnitt II. 216 Vgl. dazu oben 3. Teü B. 3. Abschnitt III. 217 Ähnlich auch D.J. Attard, Exclusive Economic Zone, S. 261: „The question of whether islands should be ignored, given full effect, or given a limited effect, depends ultimately on the extent to which they are factors of inequity . . . The weight they receive would depend in their own characteristics and other prevailing circumstances."
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
nen
289
Bedeutung der Inseln. 218 Keines dieser Kriterien soll aber allein geeignet sein, die Präsenz von Inseln im Abgrenzungsgebiet als „relevanten" Umstand werten zu können. Vielmehr sind diese Kriterien - wenn möglich - in ihrer Gesamtheit und unter Beachtung der Eigenheiten des Abgrenzungsgebietes gegeneinander abzuwägen. Die in den genannten Entscheidungen enthaltenen Lösungsansätze zur Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Unbewohnte Kleinstinseln können vernachlässigt werden. 219 Dies gilt besonders dann, wenn sie irgendwo isoliert im Abgrenzungsgebiet liegen. 220 Das bedeutet aber nicht, daß sie, wenn sie nahe genug dem Festland oder einer anderen Insel liegen, nicht in deren Basisliniensystem einbezogen werden dürften. Vielmehr bleiben sie nur zum Zweck der Abgrenzung des Festlandsockels unberücksichtigt. 221 2. Inseln nahe der Festlandküste sind grundsätzlich zu berücksichtigen. Das Ausmaß der Berücksichtigung hängt von ihrer Lage, Größe und Bevölkerung ab. 2 2 2 a) Liegen sie dem Festland so nahe, daß sie bei Ebbe mit diesem ζ. T. verbunden sind, so können sie in dessen Basisliniensystem oder Küstenmeer mit einbezogen werden. 223 Trotz einer durch Größe, Bevölkerung und Wirtschaftskraft gegebenen Bedeutung können sie aber bei der Abgrenzung unberücksichtigt bleiben, wenn andere Umstände dies erforderlich machen. 224 b) Ist eine Einbeziehung in das Basisliniensystem oder das Küstenmeer aufgrund der Entfernung zur Küste nicht möglich, so tendiert die internationale Judikatur dahin, Inseln nur ζ. T. - häufig zur Hälfte zu berücksichtigen. 225 Dabei stellt sie auf mögliche „disproportionate effects " auf die Grenzlinie unter Berücksichtigung der sonstigen Bedeutung der Inseln ab. 2 2 6 218 Bereits im Zusammenhang mit dem Jan Mayen Fall wurde dargelegt, daß allgemeine wirtschaftliche Kriterien unberücksichtigt bleiben müssen, es sei denn die Parteien vereinbaren etwas anderes. 219 ICJ Rep. 1969, p. 36, para. 57; Award, para. 199; Tribunal, para. 95; ICJ Rep. 1985, p. 51 f., paras. 70 ff. 220 Tribunal, paras. 95, 97. 221 ICJ Rep. 1985, p. 51 f., paras. 70 ff. 222 Award, para. 248; ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128 f.; Tribunal, paras. 95, 97; ICJ Rep. 1985, p. 51 f., paras. 70 ff. 223 Tribunal, paras. 95, 97. 224 ICJ Rep. 1982, p. 63, para. 79. 225 Award, para. 250 f.; ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128 f.; 1984, p. 336 f., para. 222; Tribunal, paras. 95, 97; ICJ Rep. 1985, p. 51, para. 71. 226 Award, para. 250 f.; ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128 f.; 1984, p. 336 f., para. 222; Tribunal, paras. 95, 97; ICJ Rep. 1985, p. 51, para. 71. 19 H e i n t s c h e l v. H e i n e g g
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
c) Gehören die Inseln zu einer Gruppe nahe beieinander liegender Inseln, so können sie auch dann - teilweise - Berücksichtigung finden, wenn sie unbewohnt sind. 2 2 7 d) Liegen sie isoliert im Abgrenzungsgebiet, so können sie vernachlässigt werden, 228 es sei denn ihnen kommt wegen ihrer Größe und Bevölkerung 2 2 9 oder wegen ihrer strategischen Relevanz 230 eine besondere Bedeutimg zu. 3. Inseln, die weiter entfernt vom Festland nahe der Äquidistanz-/Mittellinie liegen, sind grundsätzlich zu berücksichtigen, 231 es sei denn es handelt sich um unbewohnte Kleinstinseln. 232 Das Ausmaß der Berücksichtigung hängt auch hier von ihrer Größe und Bevölkerung ab. 2 3 3 4. Inseln, die nahe der Küste des anderen an der Abgrenzimg beteiligten Staates liegen, erhalten nach Maßgabe ihrer Bedeutung zwar einen eigenen Festlandsockel. Dieser kann u. U. zwar so groß sein, daß er sich mit dem des Festlandstaates, zu dem die Inseln gehören, verbindet. I n der Regel kommt aber die Enklaven-Lösung in Betracht. 234 Ansonsten kommt eine Verbindung ihres Festlandsockels nur noch in Betracht, wenn diese Inseln das letzte Glied einer Inselkette bilden, die sich von der einen zu der anderen Festlandküste erstreckt. 235 V. Zusammenfassung und Kritik 1. Die im völkerrechtlichen Schrifttum vertretenen Positionen zur Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels
Bereits am Anfang dieses Abschnitts ist darauf hingewiesen worden, daß im völkerrechtlichen Schrifttum 2 3 6 die Frage der Behandlung von Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels (und nimmehr auch der EEZ) äußerst kontrovers diskutiert wird. 227
Tribunal, paras. 95, 97. 228 Ebenda; ferner Award, para. 199. 229 ICJ Rep. 1982, p. 89, para. 128 f.; 1985, p. 51, para. 71; so wohl auch die Schlichtungskommission im Jan Mayen Fall. wo ICJ Rep. 1984, p. 36 f , para. 222. 231 Award, para. 199. 232 Ebenda; ferner ICJ Rep. 1969, p. 36, para. 57; Tribunal, para. 95; ICJ Rep. 1985, p. 51, paras. 70 ff. 233 So etwa die Schlichtungskommission im Jan Mayen Fall. 234 Award, paras. 197 ff. Jedoch findet sich i n der Staatenpraxis die EnklavenLösung nicht; so auch D.W. Bowett, Islands, S. 277. 235 Award, para. 199. 236 v g l neben den obigen Nachweisen F. Bastianeiii, Spettatore Internaz. 1982, 319-338; S.H. Amin, J.of Marit.L.&Comm. 1980, 509-526.
Β. 3. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung u n d Inseln
291
Im wesentlichen lassen sich die folgenden drei Positionen ausmachen: (1) Die Grenzlinie verläuft zwischen den Festlandküsten, wobei Inseln völlig unberücksichtigt bleiben sollen. 237 (2) Die Grenzlinie w i r d zwischen den Inseln und der Festlandküste des jeweils anderen Staates gezogen. Inseln sollen also voll berücksichtigt werden. 238 (3) Das Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln ist von bestimmten Kriterien wie der Größe, der Bevölkerung, der Bewohnbarkeit, der Lage sowie der geologischen und geomorphologischen Struktur des Meeresgrundes und -untergrundes abhängig. 239 Zum Nachweis der Richtigkeit jeder dieser Positionen wird auf die Entstehungsgeschichte der FSK und der SRK, die Abgrenzungspraxis sowie die Entscheidungen internationaler Gerichte verwiesen. Die beiden extremen Positionen (1) und (2) profitieren dabei insbesondere von der - wie gesehen - uneinheitlichen Abgrenzungspraxis, in der imbewohnte Kleinstinseln mal voll mal nur zum Teil und mal - ebenso wie bewohnte Kleinstinseln - gar nicht berücksichtigt werden. Beide Positionen sind jedenfalls heute aber nicht mehr haltbar. Gleiches gilt im Hinblick auf die Position (3), soweit deren Vertreter auf das Kriterium der geologischen und geomorphologischen Struktur des Meeresgrundes und -untergrundes abstellen. 240 2. Die herleitbaren Kriterien
Die Entstehungsgeschichte der beiden großen seerechtlichen Kodifikationen, die Staaten-/Abgrenzungspraxis sowie die Entscheidungen internationaler Streitschlichtungsorgane zeigen recht deutlich, daß Inseln bei der Abgrenzung des Festlandsockels (und auch der EEZ) trotz des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit Festlandgebieten nicht immer voll zu berücksichtigen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Abgrenzungsgebiet nicht 237
So etwa H. Pazarci, Délimitation du plateau continental, S. 288 ff. So G.E. Pearcy, Geographical Aspects of the Law of the Sea, Annals of the Association of American Geographers 1959, S. 1-23 (17 ff.); Ch. Rousseau, Relation de voisinage (Irak et Iran). Différend concernant la délimitation de leur plateau continental dans le Golfe persique, RGDIP 1966, 488-494 (492 ff.); M. Voelckel, L'utilisation du fond de la mer, A F D I 1968, 719-735 (725 ff.); J.A.C. Gutteridge, The 1958 Geneva Convention on the Continental Shelf, BYIL 1959, 102-123 (119 f.); L. Delin, Shall Islands Be Taken into Account When Drawing the Median Line According to Art. 6 of the Convention on the Continental Shelf? Nord. T. for Int. Ret 1971,205-219; H. Dipla, Régime juridique, S. 212, 232 ff. 239 So etwa D.E. Karl, AJIL 1977, 642-673; Sh. Oda, Boundary of the Continental Shelf, Jap. Ann. of Int'L. 1968, 264-284; C.R. Symmons, Islands, S. 29 ff., 62 ff. 152 ff.; N. Ely, IntΊ.Lawyer 1972, 219-236; U.-D. Klemm, ZaöRV 1978, 561; J. Symonides, RDI 1987, 161-180. 240 Vgl. dazu bereits oben 3. Teil B. 1. Abschnitt. 238
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
groß genug ist, als daß jeder der Staaten seinen Festlandsockel auf das völkerrechtlich zulässige Maß ausdehnen könnte, und eine volle Berücksichtigung der Inseln des einen Staates zu einer erheblichen Einschränkung des Festlandsockels (oder der EEZ) des anderen an der Abgrenzung beteiligten Staates führen würde. Gleichzeitig darf aber auch nicht die Tatsache allein, daß in solchen „engen" Seegebieten Inseln gelegen sind, als ein für die Abgrenzung „relevanter" Umstand gewertet werden. Hinzukommen müssen vielmehr - und das folgt nicht nur aus der Entstehungsgeschichte der SRK und insbesondere den Entscheidungen des IGH, sondern gerade auch aus der Staatenpraxis - bestimmte Kriterien, nach Maßgabe derer die Bedeutung der Inseln und damit das Ausmaß ihrer Berücksichtigung bestimmt werden können. Während die Entstehungsgeschichte der FSK von 1958 keinen nennenswerten Aufschluß darüber gibt, welche Kriterien dies sein können, läßt sich sowohl der Entstehungsgeschichte der SRK von 1982 als auch der Abgrenzungspraxis sowie den genannten Entscheidungen eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien, wie die Lage, die Größe, die Bevölkerung bzw. Bewohnbarkeit sowie die allgemeine wirtschaftliche, politische oder strategische Bedeutung der Inseln, entnehmen. Mit dieser Feststellung muß es aber nahezu schon sein Bewenden haben. In Art. 121 SRK haben die Kriterien der Größe, Bewohnbarkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung nur insoweit Niederschlag gefunden, als „Felsen" im Sinne von Absatz 2 dieser Vorschrift betroffen sind. Ansonsten kann die Entstehungsgeschichte der SRK nur als Nachweis dafür dienen, daß es nach Auffassung einiger Staaten für die Einordnung von Inseln als für eine Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit „relevante" Umstände grundsätzlich auf die genannten Kriterien ankommen soll. Es läßt sich aber nicht abschließend und allgemein gültig feststellen, welches Gewicht den Kriterien im einzelnen zukommen soll und wie sie näher bestimmt werden können. Gleiches gilt hinsichtlich der Abgrenzungspraxis und den genannten Entscheidungen, um so mehr als diese grundsätzlich auf den jeweiligen Einzelfall beschränkt sind. Dennoch lassen sich in den Entscheidungen und in der Abgrenzungspraxis gewisse Tendenzen erkennen, die einige - wenngleich vorsichtig zu handhabende - Rückschlüsse auf die Gewichtung der einzelenen Kriterien zulassen. Die Abgrenzungsverträge und die jeweils aus ihnen folgende Grenzziehung erlauben die Schlußfolgerung, daß die an ihnen beteiligten Staaten neben der Größe vor allem in der Lage der Inseln ein entscheidendes Kriterium erblicken. Dabei wird nicht lediglich auf die Lage in Beziehimg zum Festland abgestellt, sondern auch auf die im Verhältnis zu anderen Inseln. D. h., handelt es sich um eine einzelne, isoliert liegende Insel, so wird diese eher nur teilweise berücksichtigt, als wenn es sich um eine Inselgruppe han-
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
nen
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delt. Demgegenüber spielen die Bevölkerung bzw. die Bewohnbarkeit von Inseln ebenso wie die allgemeine wirtschaftliche, politische oder strategische Bedeutimg in der Staatenpraxis, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich belegen diese Abkommen, daß die Staaten dazu tendieren, auch kleinere und weit vom Festland entfernte Inseln in das Festlandsockelgebiet des Mutterstaates einzubeziehen und ihnen in jedem Fall einen - u. U. sehr kleinen - Festlandsockel zuzusprechen. Nur in einigen wenigen Ausnahmefällen sind Inseln bei der Abgrenzung vernachlässigt worden, weil sie entweder Kleinstinseln sind oder ihre territoriale Zugehörigkeit umstritten bleibt. Die internationale Judikatur stellt zu einem großen Teil zwar ebenfalls auf die Kriterien der Größe und der Lage ab, legt im Gegensatz zur Staatenpraxis aber ein größeres Gewicht auf die Kriterien Bevölkerung bzw. Bewohnbarkeit sowie allgemeine politische, wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Inseln. Jedoch spielt die Bevölkerung bzw. Bewohnbarkeit eine untergeordnete Rolle, wenn es sich um Inseln einer Inselgruppe handelt. In diesem Fall werden sie ähnlich wie in der Staatenpraxis zumindest teilweise berücksichtigt. Der einzige Fall, in dem eine größere bewohnte Inseln von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung bei der Abgrenzung vernachlässigt worden ist - die Insel Djerba im tunesisch-libyschen Festlandsockel Fall - , muß in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Denn der IGH hat es versäumt, hinreichend deutlich zu machen, aus welchen Gründen er zu dieser Entscheidung gelangt ist. Schließlich läßt sich eine gewisse Neigung bei internationalen Gerichten feststellen, vor allem isoliert liegende, unbewohnte Kleinstinseln zu vernachlässigen. Somit ist zwar der dritten, im völkerrechtlichen Schrifttum vertretenen Position grundsätzlich zuzustimmen, daß die genannten Kriterien für die Qualifizierung von Inseln als „relevante" Umstände und damit für die Bestimmung des Ausmaßes ihrer Berücksichtigung bei der Abgrenzung herangezogen werden können. Jeder weitergehende Versuch einer Kategorisierung und Gewichtung dieser Kriterien sowie ihre Einordnung in feststehende Schemata 241 ist aber abzulehnen. Denn letztlich kann der Entstehungsgeschichte der SRK, der Abgrenzungspraxis und den genannten Entscheidungen nur eine Antwort auf die Frage entnommen werden, ob bestimmte Kriterien generell geeignet sind, Inseln als „relevante" Umstände zu qualifizieren. Über das Wie, also die Gewichtung der einzelnen Kriterien und ihre Konkretisierung, enthalten sie aber keine verallgemeinerungsfähi241 So insbesondere der Beitrag von D.E. Karl, AJIL 1977, 642-673, in dem dieser versucht, das Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln bei der Abgrenzung von der Entfernung zur Festlandküste abhängig zu machen. Ebenfalls abzulehnen ist der Versuch von R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, S. 43-46, das Ausmaß der Berücksichtigung nach einer bestimmten Fläche in km 2 zu bestimmen.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
gen Aussagen. Zum einen wäre dies während UNCLOS I I I angesichts der ζ. T. diametral entgegengesetzten Positionen ein unmögliches Unterfangen gewesen. Zum anderen fordert das geltende Abgrenzungsrecht gerade die Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils zu entscheidenden Einzelfalls. Aus dem grundsätzlichen Anspruch folgt aber, daß die Gründe, die zu einer Vernachlässigung führen sollen, überragend sein müssen. 3. Die einzelnen Kriterien und ihre Beziehung zum grundlegenden Festlandsockelkonzept
Abschließend ist auf die Frage einzugehen, ob die angewandten Kriterien die notwendige Beziehung zum Festlandsockelkonzept aufweisen, um bei einer Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit auch wirklich zur Anwendimg gelangen zu können, und wie sie sich auf die Abgrenzung auswirken können. a) Das Kriterium
der Größe
Zunächst sei klargestellt, daß im Rahmen der Erörterung des Kriteriums der Größe nicht von „Felsen" i.S. d. Art. 121 Abs. 3 SRK die Rede sein soll. Insoweit ist trotz einiger weniger gegensätzlicher Bestrebungen in der Staatenpraxis 2 4 2 allgemein anerkannt, daß diese keinen eigenen Festlandsockel haben und dementsprechend bei der Abgrenzung des Festlandsockels unberücksichtigt bleiben müssen. 243 Ebensowenig soll hier auf solche Kleinstinseln eingegangen werden, die in großer Anzahl nahe der Festlandküste liegen und ebenso wie Niedrigwassererhebungen gem. Art. 4 K M K und 7 SRK in das Basisliniensystem einbezogen werden können. Letztgenannte müssen als zum Festland gehörig angesehen werden und stellen daher für die Abgrenzung des Festlandsockels kein Problem dar. Das Kriterium der Größe hat nicht nur während UNCLOS I I I und in den genannten Abgrenzungsvereinbarungen und Entscheidungen eine mehr oder weniger wichtige Rolle gespielt, sondern ist auch im völkerrechtlichen Schrifttum 2 4 4 als entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des Ausmaßes der Berücksichtigung von Inseln bei der Festlandsockelabgrenzung angeführt worden. Abgesehen davon, daß sich im Lichte des geltenden 242 So aus jüngster Zeit etwa der Versuch Japans, die aus zwei winzigen Felsen bestehende „Insel" Okinotorishima zu befestigen, die bei Ebbe nur 30 bis 50 cm aus dem Pazifik ragt. Der eine dieser Felsen hat einen Durchmesser von fünf, der andere einen von zwei Metern. Sie liegen etwa 1700 km südlich von Tokio. Japan beansprucht um sie herum eine 200 sm EEZ. Vgl. FAZ v. 28.11.1987, S. 7. 2 « Vgl. etwa J. Symonides, RDI 1987, 161-180; D.W. Bowett, Islands, S. 33 f.; C.R. Symmons, Islands, S. 37 ff. 244 So insbesondere durch R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, S. 43-46.
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. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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Abgrenzungsrechts alle Versuche verbieten, feststehende Schemata aufzustellen, ist es aber auch verwunderlich, daß in den meisten Fällen die Größe der Insel nach ihrer Landfläche bestimmt wird. Zwar gilt im Zusammenhang mit dem Festlandsockelrecht das Prinzip „land dominates the sea", dies beinhaltet - wie gesehen 245 - bei Festlandstaaten aber nicht, daß es auf die Fläche des jeweiligen Staates ankommen kann. Ansonsten hätten ja auch Binnenstaaten einen Anspruch auf einen eigenen Festlandsockel. Entscheidend ist beim Festland vielmehr die Küste und ihre Länge unabhängig davon, ob sich hinter ihr ein großes oder nur schmales Landgebiet erstreckt. Warum im Falle von Inseln etwas anderes gelten soll, ist nicht einsichtig. Auch bei Inseln kann es daher nicht auf ihre Größe gemessen an ihrer Fläche ankommen, sondern nur auf diejenige, die sich aus der Bestimmimg ihrer Küstenlänge ergibt. Erst so verstanden weist das Größenkriterium die notwendige Beziehung zum völkerrechtlichen Festlandsockelkonzept auf. I n diesem Zusammenhang sei an die Entscheidung des Schiedsgerichts i m Abgrenzungsfall zwischen Guinea und Guinea-Bissau erinnert. 2 4 6 Das Schiedsgericht geht nämlich bei der Bestimmung der Bedeutung der Inseln weder von deren Fläche, noch von deren Umfang aus, sondern sieht in ihnen „ . . . elements determining the general direction of the entire coastline of the country considered." 247
Dementsprechend rechnet es Teile der Inselküsten der Länge der Festlandküste Guinea-Bissaus zu. Zwar bezieht sich diese Entscheidung - ebenso wie die des Schiedsgerichts im britisch-französischen Kanal Fall hinsichtlich der Scilly-Inseln 2 4 8 - auf küstennahe Inseln. Jedoch läßt sich diese Art der Bestimmung der Bedeutung von Inseln auch insoweit auf küstenferne Inseln übertragen, als deren „Größe" nicht nach der Gesamtlänge ihrer Küste, sondern nur nach der Länge des Teils bestimmt wird, der der Küste des anderen an der Abgrenzung beteiligten Staates zugewandt ist. Selbstverständlich kann aber die aus dieser Operation resultierende Größe allein zur endgültigen Bestimmung der Bedeutung der Inseln nicht ausreichen. Diese kann erst erfolgen, wenn auch die anderen anwendbaren Kriterien im Lichte der Besonderheiten des Einzelfalles in Betracht gezogen worden sind. b) Das Kriterium
der Lage
Ähnlich wie die Größe steht das Kriterium der Lage im Mittelpunkt der Erörterung der Frage nach dem Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln 245 246 247 248
Vgl. oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 2. a). Vgl. dazu ausführlich 3. Teil B. 3. Abschnitt IV.6. Tribunal, para. 97. Vgl. dazu oben 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 2.
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
bei der Festlandsockelabgrenzung. 249 Wie gesehen, tendiert insbesondere die Staatenpraxis dahin, das Ausmaß der Berücksichtigung in Beziehimg zu der Entfernung vom Festland zu setzen. 250 Gleiches gilt ζ. T. für die internationale Judikatur. 2 5 1 Bereits auf den ersten Blick stellt sich die Frage, in welcher Beziehung dieses Kriterium zum grundlegenden Festlandsockelkonzept stehen soll. Denn der Grundsatz lautet ja, daß jedes Landgebiet, und damit jede Insel im Sinne der völkerrechtlichen Definition dieses Begriffs, (auch) einen eigenen Festlandsockel haben soll, und zwar unabhängig von der Lage. 2 5 2 Schon aus diesem Grunde kann allein die Lage einer Insel kein entscheidendes Kriterium darstellen. Dennoch ist insoweit zu differenzieren. Steht die Abgrenzung des Festlandsockels einer Insel zur Hohen See in Frage, so spielt die Lage der Insel überhaupt keine Rolle. Ganz gleich, ob die Insel nahe dem Festlandstaat, zu dem sie gehört, oder aber weit entfernt davon liegt, ihr Festlandsockel dehnt sich auf die ζ. Z. völkerrechtlich zulässige Entfernung von 200 sm aus. Die Lage einer Insel erlangt aber eine Bedeutung, sobald es um die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten in den hier allein interessierenden Seegebieten geringeren Ausmaßes geht. Der Grund dafür liegt nicht in einer unmittelbaren Beziehung des Kriteriums der Lage zum grundlegenden Festlandsockelkonzept. Eine solche Beziehung kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil es nunmehr um die Abgrenzung zwischen benachbarten und einander gegenüberliegenden Staaten geht. Vielmehr gewinnt das Kriterium der Lage an Bedeutung, weil es in unmittelbarer Beziehung zu dem im Abgrenzungsrecht geltenden Prinzip der Billigkeit des „non-encroachment" 253 steht. Denn die volle Berücksichtigung einer Insel, die beispielsweise sehr nahe an der Küste eines anderen Staates gelegen ist, kann zu einer beträchtlichen Einschränkung des grundsätzlichen Anspruchs jenes Staates auf einen Festlandsockel führen, eben einem „encroachment ". Würde man in diesem Zusammenhang das traditionelle Verständnis von der Aufgabe der Abgrenzung zugrundelegen, wonach diese niemals Zuteilung von Festlandsockelrechten sein darf, 2 5 4 könnte das Kriterium der Lage sich nur minimal auswirken. Nach dem hier vertretenen Verständnis von der Aufgabe der Abgrenzung als auch Zuteilung von Festlandsockelrechten 255 und unter Berücksichtigung des Prinzips des „non-encroachment" muß aber 249 Vgl. etwa die Erklärung der OAU aus dem Jahre 1973, U.N. Doc. A/CONF. 62/33 = UNCLOS III, Off. Ree. Vol. III, p. 63; R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, S. 14; D.E. Karl, AJIL 1977, 642-673. 250 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt III. 251 Vgl. insbesondere 3. Teil B. 3. Abschnitt IV. 2. 252 Vgl. dazu ausführlich 2. Teil Β. II. 253 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 1. 254 Vgl. dazu im einzelnen oben 3. Teil B. 1. Abschnitt I. 2. 255 Vgl. oben 3. Teil B. 1. Abschnitt I.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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dem Staat, dessen Festlandsockel bei voller Berücksichtigung der Insel erheblich eingeschränkt würde, auf Kosten des Festlandsockels dieser Insel ein Mehr zugeteilt werden. Mithin steht das Kriterium der Lage nur mittelbar in Beziehung zum grundlegenden Festlandsockelkonzept, weil es nicht den grundsätzlichen Anspruch der Insel auf einen Festlandsockel, sondern den des betroffenen Staates berührt. Wegen dieser mittelbaren Beziehung über das Recht der Festlandsockelabgrenzung dürfen bei der Berücksichtigung der Lage einer Insel zwei Aspekte in keinem Fall unberücksichtigt bleiben. Zum einen darf dieses Kriterium niemals allein ausschlaggebend sein. Vielmehr sind auch die übrigen Kriterien im Lichte der Besonderheiten des Einzelfalls in gebotenem Maße zu berücksichtigen. Zum anderen darf die mit der Lage der Insel begründete Zuteilung von Festlandsockelrechten an den betroffenen Staat nicht zu einem „refashioning of nature" und damit zu einem Verstoß gegen eines der anerkannten Prinzipien der Billigkeit führen. 2 5 6 Dieser Aspekt wird insbesondere im Falle einer Inselkette, die sich von der Küste des einen Staates bis zu der des anderen erstreckt, von Bedeutung sein. Denn nach Maßgabe des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des Kriteriums der Größe steht in diesem Fall fest, daß der Staat, zu dem die betreffenden Inseln gehören, im Verhältnis zu dem anderen an der Abgrenzimg beteiligten Staat aufgrund der „Geographie" einen - wenn vielleicht auch nur geringfügig - größeren Festlandsockel erhalten muß. c) Die Kriterien der Bevölkerung und der Bewohnbarkeit Die Kriterien der Bevölkerung und der Bewohnbarkeit von Inseln, die vor allem im Verlaufe von UNCLOS I I I immer wieder in die Diskussion eingebracht worden sind, 2 5 7 haben auch schon kurz nach der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 eine gewisse Rolle im Zusammenhang mit der Definition des Begriffs Insel gespielt. 258 Zwar werden diese beiden Kriterien häufig in einem Atemzug genannt, 259 jedoch sind sie sehr wohl voneinander zu unterscheiden. Kommt es nämlich auf die Bewohnbarkeit einer Insel an, kann es nicht auf die tatsächlich vorhandene Bevölkerung ankommen, wenn diese nur deshalb auf der Insel verbleiben kann, weil sie unter mehr oder weniger großem Aufwand sozusagen künstlich am Leben erhalten w i r d . 2 6 0 Ebensowenig kann dann das Fehlen 256
Vgl. dazu oben 3. Teil B. 2. Abschnitt IV. 1. Vgl. dazu oben 3. Teil B. 3. Abschnitt II. 2. 258 Vgl. etwa die Definition Gidels in G. Gidel, Droit de la mer III, S. 681; ferner oben 2. Teil A. 259 So etwa C.R. Symmons, Islands, S. 45 ff. 260 So etwa auch N. Ely, Int'l. Lawer 1972, 232 f. 257
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3. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels u n d der Einfluß von Inseln
einer Bevölkerung von Bedeutung sein, wenn die Insel irgendwann einmal bewohnt gewesen ist; denn dies spricht ja für ihre grundsätzliche Bewohnbarkeit. Daher stellt sich in diesem Zusammenhang vorrangig die Frage, ob das Kriterium der Bewohnbarkeit tatsächlich von Bedeutung sein kann. Dagegen spricht zunächst der Grundsatz der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten. Ist es unumstritten, daß unbewohnbare Festlandküsten ohne weiteres einen Festlandsockel erhalten, so ist nicht einsichtig, warum im Falle von imbewohnbaren Inseln etwas anderes gelten soll. So sehr diese Argumentation der Logik entsprechen mag, so kann ihr doch nicht unbeschränkt gefolgt werden. Zwar sind die ζ. T. hartnäckigen Versuche während UNCLOS III, das Kriterium der Bewohnbarkeit in die Vorschriften über die Abgrenzung sowie Art. 121 Abs. 1 SRK einzubringen, gescheitert. 261 Jedoch haben sich die Delegierten darauf geeinigt, daß Felsen, „which cannot sustain human habitation . . . of their own",
keinen Festlandsockel und keine EEZ haben, mithin bei der Abgrenzung unberücksichtigt bleiben sollen. Damit ist das Kriterium der Bewohnbarkeit jedenfalls insoweit von Bedeutung. Jedoch kann allein der Hinweis auf Art. 121 Abs. 3 SRK nicht ausreichend sein, um das Kriterium der Bewohnbarkeit berücksichtigen zu können. Denn diese Vorschrift stellt eindeutig eine Ausnahme zu Art. 121 Abs. 1 SRK dar, die naturgemäß allenfalls eingeschränkt verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es für die Anerkennung dieses Kriteriums der Feststellung einer Beziehung zum grundlegenden Festlandsockelkonzept. Eine solche läßt sich jedoch nicht bejahen. Die Anerkennung exklusiver Hoheitsrechte am Meeresgrund und -untergrund, die freilich ipso facto und ab initio bestehen, beruht auf dem Prinzip „land dominates the sea". 262 Da Festlandsockelrechte somit nur davon abhängig gemacht werden können, daß irgendein Landgebiet über einen Küstenstreifen verfügt, ist es grundsätzlich unbeachtlich, ob dieses Landgebiet bewohnbar ist oder nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, daß der betreffende Staat ungestört durch andere die natürlichen Ressourcen des Meeresgrundes und -untergrundes vor seinen Küsten erforscht und ausbeutet. 263 Ob das Gebiet, dem der Festlandsockel vorliegt, bewohnbar ist oder nicht, hat darauf keinen Einfluß. Folglich kann das Kriterium der Bewohnbarkeit nur im Falle von Felsen i.S.d. Art. 121 Abs. 3 SRK von Bedeutung sein. Ebensowenig kommt es auf die tatsächliche Bevölkerung an, es sei denn auch insoweit handelte es sich um einen Felsen i.S.d. genannten Vorschrift. Zwar kommt die Ausbeutung 261 262 263
Vgl. dazu oben 2. Teil Α. V. und 3. Teil B. 1. Abschnitt II. 2. c) aa). Vgl. oben 3. Teil Α. II. Vgl. oben 3. Teil Α. II.
Β.
. Abschn.: Festlandsockelabgrenzung
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des Festlandsockels den Menschen des jeweiligen Staates - wirtschaftlich zugute. 264 Dies macht es aber noch lange nicht erforderlich, daß nur solche Teile des Festlandsockels ausgebeutet werden dürfen, die bewohnten Gegenden vorgelagert sind. Es wäre mehr als bedenklich - und nicht zuletzt aus diesem Grunde hat die ILC jeden Versuch abgelehnt, einen Zusammenhang zwischen Festlandsockelrechten und Bevölkerung herzustellen - , gerade bevölkerungspolitische Argumente, die für die Begründung von Festlandsockelrechten keine Rolle spielen, bei der Abgrenzimg über die equitable principles wieder einzuführen. 265 d) Weitere Kriterien Aus den gleichen Gründen wie die Bewohnbarkeit kann die Fähigkeit zur Entwicklung eines eigenständigen Wirtschaftslebens nur i m Falle von Felsen im Sinne von Art. 121 Abs. 3 SRK Berücksichtigung finden. Auch insoweit ist nämlich nicht ersichtlich, inwieweit zwischen dieser Fähigkeit und dem Festlandsockelkonzept eine Beziehung bestehen soll. Vielmehr kann diese Fähigkeit gerade dadurch bedingt sein, daß der Festlandsockel ausgebeutet wird. Demgegenüber können die allgemeine politische, wirtschaftliche und strategische Bedeutung einer Insel beachtenswerte Kriterien sein. Insoweit gilt dies - mangels unmittelbarer Beziehung zum grundlegenden Festlandsockelkonzept - aber nur subsidiär, d. h. wenn die Lage und die Größe die Insel zu einem relevanten Umstand machen. Dabei können diese subsidiären Kriterien aber sowohl zugunsten, als auch zu Lasten der Insel zur Anwendung gelangen. Niemals können sie jedoch alleine zu einer vollständigen Vernachlässigung einer Insel führen.
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Vgl. oben 3. Teil Α. II. °5 U.D. Klemm, ZaöRV 1978, 551.
2
4. T E I L
Die Abgrenzung des Festlandsockels in der Ägäis I. Vorbemerkung Die Abgrenzung des Festlandsockels in der Ägäis nach Maßgabe des mangels vertraglicher Bindungen zwischen der Türkei und Griechenland notwendigerweise anzuwendenden Völkergewohnheitsrechts ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, die in den gespannten Beziehungen der beiden Staaten, in den geographischen Besonderheiten der Ägäis sowie im Abgrenzungsrecht selbst begründet sind. Soweit die gespannten Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei betroffen sind, so stehen diese bislang einer Beilegung der Streitigkeit durch den IGH oder durch ein anderes Streitschlichtungsorgan entgegen. Jedoch scheint sich nach dem Treffen der beiden Regierungschefs im Januar 1988 eine Wende abzuzeichnen, die eventuell dazu führt, daß sich die Türkei mit einem Verfahren vor dem IGH einverstanden erklärt. 1 Abgesehen von einigen propagandistischen Äußerungen, die aber nicht authentisch belegt sind 2 , haben die Spannungen in den bilateralen Beziehungen nicht dazu geführt, daß die Souveränität über die ägäischen Inseln in Frage gestellt wird. Daher kann das Abgrenzungsrecht insoweit ungehindert zur Anwendung gelangen.3 Die geographischen Besonderheiten der Ägäis stellen insoweit ein Problem dar, als man eine Situation wie dort sonst nirgendwo antrifft, so daß es an einer wirklich vergleichbaren Staatenpraxis fehlt. Dennoch soll im folgenden auf die Praxis in zwischenstaatlichen Abgrenzungsvereinbarungen eingegangen werden, da einige der dort geregelten Situationen Ähnlichkeiten mit der Ägäis aufweisen. Das Abgrenzungsrecht selbst schließlich bereitet Schwierigkeiten, weil es lediglich bestimmte Prinzipien vorhält und die Mittellinie im Fall von ein1
Vgl. dazu oben 1. Teil Α. II. Angeblich soll ein türkisches Regierungsmitglied von einer Rückerorberung der ägäischen Inseln gesprochen haben. Vgl. dazu D.W. Bowett, Islands, S. 249 Fn. 1. 3 R.D. Hodgson, Islands: Normal and Special Circumstances, S. 17, schlägt vor, „umstrittene" Inseln bei der Abgrenzung zu vernachlässigen. Dieser Vorschlag findet durch die Staatenpraxis Bestätigimg, da der Iran und Quatar in ihrem Abkommen vom 20.09.1969 tatsächlich so verfahren sind. 2
4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
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4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
ander gegenüberliegenden Staaten nicht zwangsläufig die Methode ist, die zu einem billigen Ergebnis führt. 4 Hinzu kommt, daß das Ausmaß der Berücksichtigung bei der Festlandsockelabgrenzung im Lichte dieser Prinzipien und unter Heranziehung der o. g. Kriterien und Umstände 5 für jede Insel gesondert bestimmt werden muß. Dabei sind auch diese Kriterien dermaßen offen, daß hier keine konkrete Grenzlinie vorgeschlagen werden kann. Vielmehr w i r d es nur möglich sein, einen groben Rahmen vorzugeben, der in jedem Fall zu beachten sein wird. Π. Vergleich mit der bestehenden Abgrenzungspraxis Die bereits weiter oben durchgeführte Untersuchung der Staatenpraxis 6 hat gezeigt, daß bei der Abgrenzung des Festlandsockels küstennahe Inseln grundsätzlich voll berücksichtigt werden, indem sich der Festlandsockel an das gemeinsame Küstenmeer von Festland und Inseln anschließt.7 Angewandt auf die Ägäis bedeutet dies, daß bei der derzeitigen Küstenmeerbreite von 6 sm die folgenden Inseln voll berücksichtigt werden müßten: Imbros, Tenedos und die Kaninchen-Inseln auf türkischer Seite. Thassos, cfie Sporaden Skiathos, Skopelos, Alonissos, die Insel Euböa, die Kykladen Andros, Kea und Kithnos sowie Ägina, Hydra und Kithira auf griechischer Seite. Nur in wenigen Ausnahmefällen sind Inseln - gleich ob küstennah oder nicht - vernachlässigt worden, wenn die Gebietshoheit umstritten war 8 oder wenn es sich um Kleinstinseln handelte. 9 Keine dieser Voraussetzungen trifft aber auf die Ägäis zu. Weder sind die ägäischen Inseln extrem klein 1 0 , noch ist ihre territoriale Zugehörigkeit umstritten. 11 Der Sonderfall, daß Inseln Gegenstand reziproker Konzessionen waren 1 2 , ist allenfalls auf die Nordägäis anwendbar. Insoweit wäre es möglich, zwi4
Vgl. oben 3. Teil B. 1. Abschnitt. Vgl. oben 3. Teil B. 2. und 3. Abschnitt. 6 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt III. 7 So etwa die folgenden Abgrenzunsgvereinbarungen: UdSSR - Finnland vom 05.05.1967; Vereinigtes Königreich - Norwegen vom 10.03.1965; Vereinigtes Königreich-Niederlande vom 06.10.1965; DDR-Polen vom 29.10.1968; Japan -Rep.Korea vom 05.02.1974; Italien - Griechenland vom 24.05.1977. 8 So in dem Abkommen zwischen Iran und Quatar vom 20.09. 1969. 9 So in den Abkommen zwischen Bahrein und Saudi Arabien vom 22.02.1958 und zwischen Kanada und Frankreich vom 27.03.1972. 10 Selbstverständlich bleiben die zahlreichen Felsen hier unberücksichtigt, zumal ja auch Griechenland davon ausgeht, diese müßten vernachlässigt werden. Vgl. dazu 5
C.R. Symmons, Islands, S. 96, Fn. 273, S. 109, Fn. 348.
11 Bereits im 1. Teil wurde darauf hingewiesen, daß die angeblichen türkischen Stimmen, die eine Rückeroberung der ägäischen Inseln ins Auge fassen, nicht authentisch belegt sind. 12 So die Abkommen zwischen Iran und Saudi Arabien vom 29.10.1968 sowie zwischen Abu Dhabi und Quatar vom 20.03.1969.
4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
sehen Samothrake und Lemnos einerseits sowie Imbros und Tenedos andererseits eine lokale Mittellinie zu ziehen. Diese Inseln liegen von der jeweiligen Festlandküste etwa gleich weit entfernt, jedoch unterscheiden sie sich in ihrer Größe recht erheblich. Soweit küstenfernere Inseln betroffen sind, ist in keinem Fall derart verfahren worden, daß diese zu Enklaven gemacht worden sind, indem die Grenze unter Vernachlässigung dieser Inseln jeweils von den Festlandküsten aus gezogen wurde. Dies gilt sowohl für Inseln nahe der Mittellinie als auch für solche nahe der Küste des jeweils anderen an der Abgrenzung beteiligten Staates. Vielmehr erhalten diese Inseln einen eigenen Festlandsockel, der entweder ebenso groß wie der des Festlands 13 oder eingeschränkt ist. 1 4 I n jedem Fall dehnt sich dieser insulare Festlandsockel auf mindestens 12 sm gemessen von der Basislinie aus 15 und bleibt mit dem des Festlands verbunden. 16 Dieser Staatenpraxis kann entsprechend dem oben Gesagten17 der Grundsatz entnommen werden, daß jedenfalls i n begrenzten Seegebieten wie der Ägäis 18 das Ausmaß der Berücksichtigung von Inseln von der Entfernung zur Festlandküste des Staates, zu dem sie gehören, abhängig ist. Dementsprechend würden in der Nordägäis Samothrake, Lemnos und Aghios Evstratios jedenfalls durch eine 12 sm-Zone miteinander verbunden sein. Gleiches würde auf die Sporaden einschließlich Skiros zutreffen. Da selbstverständlich auch Thassos und Lesbos zumindest eine solche 12 sm-Zone erhalten müßten, verbliebe in der Nordägäis ein Abgrenzungsgebiet, welches sich im Süden von einer gedachten Linie zwischen Skiros und Lesbos, im Norden zwischen der Stadt Volos und Thassos und im Osten zwischen Thassos, Aghios Evstratios und Lesbos erstrecken würde. Jedoch könnte die Türkei in dem Gebiet zwischen Volos, Aghios Evstratios und Thassos keinen Festlandsockel erhalten, da dort in jedem Fall der des griechischen Festlands liegen würde. Da es in der Staatenpraxis kein Beispiel für eine Enklaven-Lösung gibt, müßten Lesbos und auch Chios irgendwie mit dem Festlandsockel des griechischen Festlands verbunden bleiben. Daher müßte sich ein türkischer Festlandsockel entweder auf den schmalen Streifen beschränken, der sich 13 So etwa die folgenden Abkommen: Indien - Indonesien vom 08.08.1974; Indonesien - Malaysien vom 27.10.1969; Burma - Indien vom 23.12.1986. 14 So etwa: Italien - Jugoslawien vom 08.01.1968; Italien - Tunesien vom 20.08.1971; Australien - Indonesien vom 18. 05.1972; Indien - Sri Lanka vom 26.06.1974 und vom 23.03. 1976. 15 Vgl. etwa das jugoslawisch - italienische Abkommen vom 08.01.1968. 16 So in allen vorstehenden Abkommen. 17 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt III. 3. 18 Ist das Seegebiet groß genug, so werden Inseln in aller Regel voll berücksichtigt. Vgl. etwa das indisch-indonesische Abkommen vom 08.08.1974.
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Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
zwischen Lemnos und Lesbos von Tenedos aus in südwestlicher Richtung erstreckt, oder aber auf den, der zwischen Lesbos und Chios (einschließlich von Psara und Antipsara) in westlicher Richtung verläuft. I n beiden Fällen könnte sich dieser Festlandsockel nicht über den 26. Längengrad hinaus ausdehnen, weil dort die von Skiros aus gezogene Mittellinie verlaufen würde. In der Südägäis würde ein türkischer Festlandsockel auf den schmalen Korridor beschränkt sein, der von Cesme aus zwischen Chios im Norden und Samos und Ikaria im Süden bis zur 12 sm-Zone von Andros und Tinos verläuft. Nur in diesen drei Korridoren könnte sich demnach ein türkischer Festlandsockel westwärts ausdehnen. Jedoch würden sich die Korridore zwischen Lesbos und Lemnos einerseits sowie Lesbos und Chios andererseits gegenseitig ausschließen, da andernfalls entweder Lesbos oder aber Chios zu Enklaven würden. Eine solche Lösung hält die Staatenpraxis aber gerade nicht vor. Südlich von Samos und Ikaria bestünde keine Möglichkeit eines türkischen Festlandsockels, weil sich in diesem Gebiet die 12 sm-Zonen des Dodekanes, der Inseln Rhodos, Karpathos und Kassos mit der 12 sm-Zone der Kykladen verbinden würde. Der verbleibende Teil Hoher See nördlich von Kreta wäre angesichts der Größe dieser Insel in jedem Fall griechischer Festlandsockel. ΙΠ. Die Bestimmung des Ausmaßes der Berücksichtigung der ägäischen Inseln nach Maßgabe des geltenden Abgrenzungsrechts Der vorstehende Vergleich mit der Abgrenzungspraxis hat zu einem sehr eingeschränkten türkischen Festlandsockel geführt, weil dabei von den drei Prämissen ausgegangen werden mußte, daß 1. die Inseln nicht vernachlässigt werden dürfen, 2. sie in jedem Fall eine 12 sm-Zone erhalten und 3. diese Zonen mit dem Festlandsockel des Festlands verbunden bleiben müssen (Verbot der Enklaven-Lösung). Diese Lösung kann aus zwei Gründen nicht ohne weiteres als mit den Prinzipien der Billigkeit vereinbar angesehen werden. Zum einen führt sie offensichtlich zu einem „encroachment " des türkischen Festlandsockels, der ohne diese Inseln zweifellos gegeben wäre. Zum anderen würde den Besonderheiten dieses Falles nicht hinreichend Rechnimg getragen werden, da keine der in den aufgeführten Abgrenzungsvereinbarungen geregelten Situationen mit der in der Ägäis vollkommen vergleichbar ist.
4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
Im folgenden ist daher das mögliche Ausmaß der Berücksichtigimg der ägäischen Inseln nach Maßgabe des geltenden Abgrenzungsrechts zu bestimmen. M.a.W.: Es ist festzustellen, ob die ägäischen Inseln für die Abgrenzung des Festlandsockels „relevante" Umstände darstellen. Wegen der unterschiedlichen geographischen Verhältnisse wird diese Untersuchung für die Nord- und die Südägäis gesondert erfolgen. 1. Die Abgrenzung des Festlandsockels in der Nordägäis
Die Situation in der Nordägäis ist dadurch gekennzeichnet, daß in diesem Gebiet die beiden Staaten eher benachbart sind, als daß sie einander gegenüberliegen. Wie bereits dargelegt 19 , ist im Falle von benachbarten Staaten ein vernünftiges Maß an Proportionalität zwischen der Länge der Küstenlinie und dem Ausmaß des Festlandsockels für eine Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit erforderlich. Da es sich in der Nordostägäis um eine konkav geformte Küstenlinie handelt, würde bei Vernachlässigung der Inseln Samothrake, Lemnos, Imbros und Tenedos eine Äquidistanzlinie, die von der Festlandgrenze über Samothrake bis Lemnos verläuft, das erforderliche Maß an Proportionalität mit sich bringen. Dies sieht offensichtlich auch die Türkei so, da sie eben eine solche Grenzlinie fordert. Eine solche Grenzziehung hätte zur Folge, daß Lemnos und Samothrake auf dieser Grenzlinie bzw. unmittelbar jenseits dieser Grenzlinie zu liegen kommen würden. Sie würden mithin nicht nur bei der Festlandsockelabgrenzung vernachlässigt, vielmehr würde auch das Küstenmeer dieser Inseln in Frage gestellt werden. Angesichts des unbestrittenen Anspruchs dieser Inseln auf ein eigenes Küstenmeer von zumindest 6 sm müßte die Äquidistanzlinie um die beiden Inseln daher einen Bogen machen mit der Folge, daß sie nach Osten hin Ausbuchtungen von 6 sm aufweisen würde. Die relative Nähe von Lemnos und Samothrake zur türkischen Küste und die daraus resultierende Einschränkung eines ansonsten möglichen türkischen Festlandsockels („encroachment ") lassen es zunächst als billig erscheinen, diese Inseln als „relevante" Umstände einzuordnen und ihnen keinen eigenen Festlandsockel zuzugestehen. Eine volle Vernachlässigung bei der Festlandsockelabgrenzung ist aber nicht allein mit der Lage einer Insel zu rechtfertigen. Samothrake und Lemnos sind keine Kleinstinseln und von einer nicht zu vernachlässigenden wirtschaftlichen oder strategischen Bedeutung. Daher müssen sie gemessen an ihrer der Türkei zugewandten Küstenlinie jedenfalls einen eingeschränkten Festlandsockel erhalten. Die weitere Frage ist nun, welchen Ausmaßes dieser eingeschränkte Festlandsockel sein muß. Hält man sich vor Augen, daß derzeit eine Küsten19 Vgl. oben 3. Teil B. 3. Abschnitt III. 4. b) dd). 20 Heintschel v. Heinegg
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Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
meerbreite von 12 sm gewohnheitsrechtlich anerkannt ist 2 0 , so müßte die Breite dieses Festlandsockels jedenfalls mehr als 12 sm betragen. Diese Schlußfolgerung ist aber keineswegs zwingend, da in der Ägäis weder Griechenland noch die Türkei ein 12 sm-Küstenmeer beanspruchen, sondern sich auf 6 sm beschränken. 21 Der Festlandsockel schließt sich aber an das Küstenmeer an, wie es besteht. Auch in der Abgrenzungspraxis haben Inseln zum Teil insgesamt nur eine 12 sm-Zone erhalten, wenn die Küstenmeerbreite weniger als 12 sm betrug. 22 Dennoch darf dieser gewohnheitsrechtliche Anspruch auf ein 12 sm-Küstenmeer durch die Abgrenzung des Festlandsockels nicht ausgeschlossen werden, wenn es sich nicht um Seegebiete von weniger als 24 sm Ausmaß handelt. Daher müssen sowohl Lemnos als auch Samothrake Küstenmeer- und Festlandsockelzonen von insgesamt mindestens 12 sm erhalten. Soweit diese Inseln Imbros und Tenedos gegenüberliegen, die selbstverständlich auch eine 12 sm-Zone erhalten müssen, kommt als Grenzlinie naturgemäß nur eine lokale Mittellinie in Betracht. Soweit die Gebiete westlich der beiden Inseln betroffen sind, handelt es sich unstreitig um das Festlandsockelgebiet des nördlichen und nordwestlichen griechischen Festlands. Im südlichen Teil der Nordägäis muß die Insel Euböa angesichts ihrer Größe 23 und wirtschaftlichen Bedeutung in jedem Fall voll berücksichtigt werden. Das bedeutet, daß die von der Türkei geforderte Mittellinie ab Lemnos keineswegs gerade südlich verlaufen dürfte. Vielmehr müßte diese etwa auf der Höhe von Skiros nach Südosten abschwenken und von dort aus bis etwa Psara verlaufen. Dabei würden aber sowohl die Sporaden einschließlich Skiros als auch Aghios Evstratios, Lesbos, Chios, Psara und Antipsara völlig vernachlässigt werden. Soweit die Sporaden betroffen sind, würde diese Grenzziehimg nicht offensichtlich unbillig sein, da diese Inseln mit dem Festlandsockel Mittelgriechenlands verbunden sein würden. Aghios Evstratios würde ebenfalls diesseits der Mittellinie zu liegen kommen. Angesichts der geringen Größe und wirtschaftlichen Bedeutung wäre es daher vertretbar, diesen Inseln nach Osten hin lediglich ein 6 sm-Küstenmeer zuzusprechen, welches mit 20 Vgl. dazu oben 2. Teü Α. IV. 1. Zwar hatte Griechenland im Jahre 1974 erwogen, sein Küstenmeer auf 12 sm auszudehnen. Nachdem die Türkei aber gedroht hatte, sie würde ein solches Vorgehen als casus belli betrachten, hat es davon wieder Abstand genommen. Es läßt sich aber nicht vertreten, insoweit habe sich lokales Völkergewohnheitsrecht herausgebildet oder sei ein konkludenter bilateraler Vertrag zustandegekommen. Denn zum einen hat die Türkei mit der Anwendung von Gewalt gedroht, zum anderen hat sich Griechenland ausdrücklich das Recht vorbehalten, sein Küstenmeer auf 12 sm auszudehnen. 22 So in dem jugoslawisch - italienischen Abkommen vom 08.01.1968. 23 Euböa hat eine Gesamtfläche von 3.655 km 2 und die seewärtige Küstenlänge beträgt ca. 160 km; Quelle: Statistik des Auslandes, Länderbericht Griechenland 1986, S. 15. 21
4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
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der 12 sm-Zone von Lemnos verbunden sein würde. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß es ebenfalls nicht offensichtlich unbillig sein würde, diese Inseln jedenfalls insoweit teilweise zu berücksichtigen, als sie die Mittellinie nach Osten hin verlagern könnten. Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben, weil eigentlich klärungsbedürftig nur die Behandlung von Lesbos, Chios, Psara und Antipsara ist. Aufgrund ihrer Lage in unmittelbarer Nähe zur türkischen Festlandküste führen Lesbos und Chios unzweifelhaft zu einem „encroachment " eines potentiellen türkischen Festlandsockels. Sie stellen somit grundsätzlich für die Abgrenzung „relevante" (geographische) Umstände dar. Angesichts der an ihrer Längsachse gemessenen Küstenlinie von ca. 50 km (Chios) bzw. ca. 70 km (Lesbos)24, also ihrer Größe, sowie ihrer wirtschaftlichen und strategischen Bedeutung müssen aber auch diese beiden Inseln - ebenso wie Lemnos, Samothrake, Imbros und Tenedos - zumindest eine 12 sm-Zone erhalten. Dies würde dazu führen, daß sich die 12 sm-Zone von Chios mit dem von Euböa aus bemessenen Festlandsockel verbinden würde. Psara und Antipsara könnten aufgrund ihrer relativ geringen Größe vernachlässigt werden und würden nur ein 6 sm-Küstenmeer erhalten, welches dann ebenfalls mit dem Festlandsockel Euböas verbunden wäre. Anders stellt sich die Situation für Lesbos dar. Bei einer Zone von lediglich 12 sm würde Lesbos aufgrund seiner isolierten Lage zu einer Enklave und vom türkischen Festlandsockel umschlossen werden. Die damit verbundenen Schwierigkeiten können aber weitgehend umgangen werden, wenn Lesbos mit dem Festlandsockel Euböas verbunden werden könnte. In diesem Zusammenhang ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Küstenlinie von Lesbos die von Chios um ca. 40 % übersteigt. Aus diesem Grunde muß Lesbos im Gegensatz zu Chios stärker berücksichtigt werden. Andererseits muß soweit wie möglich verhindert werden, daß die Türkei überhaupt keinen Festlandsockel in der Ägäis erhält. Daher sollte sich der Festlandsockel von Lesbos nicht westlich der 12 sm-Zone ausdehnen. Jedoch kann der Bedeutung dieser Insel dadurch Rechnung getragen werden, daß sich ihr Festlandsockel im Süden mit der 12 sm-Zone von Chios verbindet. Dadurch würde lediglich der schmale Korridor zwischen Lesbos und Chios wegfallen, der allenfalls noch für die Türkei als Festlandsockel i n Betracht gekommen wäre. Andererseits verbliebe der Türkei das Gebiet westlich von Lesbos bis zur Mittellinie, welches im Norden durch die 12 smZone von Lemnos (bzw. das 6 sm-Küstenmeer von Aghios Evstratios) und im Süden durch die 12 sm-Zone von Chios (bzw. das 6 sm-Küsteiimeer von Psara und Antipsara) begrenzt ist, und die Seegebiete von Lesbos blieben mit dem Festlandsockel Euböas über die 12 sm-Zone von Chios verbunden. 24
Lesbos hat eine Gesamtfläche von 2.154 km 2 , Chios von 904 km 2 ; Quelle: J. Pax ton (Hrsg.), The Statesman's Year-Book, 125th edition 1988-89, S. 567. 20*
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Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
Diese Lösung würde zum einen ausschließen, daß die Türkei von der Ausübung jeglicher Festlandsockelrechte ausgeschlossen w i r d (Prinzip des „non-encroachment"). Zum anderen würde dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten nach Maßgabe der jeweiligen Bedeutung der nordägäischen Inseln Rechnung getragen und damit zugleich den Besonderheiten des Einzelfalles. Denn die Zuteilung von Festlandsokkelrechten an die Türkei darf nicht die Tatsache außer acht lassen, daß die griechischen Inseln die Ägäis dominieren. Jede weitergehende Zuteilung von Festlandsockelgebieten an die Türkei würde gegen das Verbot des „refashioning of nature" verstoßen. Die beiderseitigen Sicherheitsinteressen wiegen sich gegenseitig auf. Griechenlands Interessen sind darauf gerichtet, daß die Türkei nicht in unmittelbarer Nähe seiner Inseln Festlandsockelrechte ausübt, und die Türkei hat ein Interesse daran, daß Griechenland nicht in unmittelbarer Nähe ihrer Festlandküste den Meeresgrund und -untergrund erforscht und ausbeutet. Da Lesbos und Chios aber nun einmal so nahe der türkischen Festlandküste gelegen sind und daher die Türkei in immittelbarer Nähe ihrer Küste bereits die Ausübung von griechischer Souveränität (!) dulden muß, wiegen die türkischen Sicherheitsinteressen nicht so schwer, daß damit eine Enklaven-Lösung für Lesbos oder Chios gerechtfertigt werden könnte. Hinzu kommt, daß die Ägäis eine vielbefahrene Schiffahrtsroute ist und auch aus diesem Grunde die Sicherheitsinteressen der Anliegerstaaten an Gewicht verlieren. 2. Die Abgrenzung des Festlandsockels in der Südägäis
Von der Nordägäis unterscheidet sich die Südägäis vor allem durch die beiden großen Inselgruppen der Kykladen und des Dodekanes. Die Kykladen erstrecken sich südöstlich von Attika und Euböa von Kea und Andros bis nach Astipalaea. Die 6 sm-Küstemeere dieser Inseln sind derart miteinander verbunden, daß lediglich ein schmaler Streifen zwischen Mykonos und Siros sowie Paros und Naxos und weiter südlich zwischen Amorgos und Astipalaea verbleibt. Die Inseln des Dodekanes sind der türkischen Festlandküste südlich von Kusadasi vorgelagert und umfassen im Norden Samos und Ikaria sowie im Süden Rhodos. Die 6 sm-Küstenmeere dieser Inseln sind derart miteinander verbunden, daß sie ein einheitliches Küstenmeer bilden. Die von der Türkei geforderte Mittellinie berücksichtigt diese Inseln nicht. Vielmehr beeinträchtigt sie teilweise sogar die 6 sm-Küstenmeere und macht den Dodekanes zu einer Enklave, wobei die Türkei offensichtlich auch dort Festlandsockelrechte für sich beansprucht. Wie bereits festgestellt, bedarf die von der Türkei geforderte Mittellinie allein schon wegen Euböa dahingehend einer Korrektur, als sie etwa auf der
4. Teil: Die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Ägäis
Höhe von Skiros nach Südosten abschwenken und entlang der 12 sm-Zone von Chios bis zu einem Punkt westlich von Ikaria verlaufen müßte. Daher stellt sich für die Südägäis nur noch die Frage, ob die Türkei südlich dieses Punktes Festlandsockelrechte geltend machen kann. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß schon jetzt, d. h. bei einem Küstenmeer von 6 sm, zwischen dem Küstenmeer des Dodekanes und dem der Kykladen nur noch ein relativ schmaler Korridor verbleibt. Zwar verbietet sich für beide Inselgruppen die Errichtung sog. Archipelgewässer, so daß in diesen Küstenmeeren etwa das Recht auf friedliche Durchfahrt („innocent passage") gewährleistet bleiben muß. Es ist jedoch nichts ersichtlich, was dafür sprechen könnte, diesen beiden Inselgruppen ein 6 sm-Küstenmeer abzusprechen, welches im Falle des Dodekanes selbstverständlich nach Osten hin durch das Küstenmeer des türkischen Festlands begrenzt ist und sich nicht über die Mittellinie ausdehnen darf. Die Inseln des Dodekanes liegen der türkischen Küste zwar sehr nahe, sie sind aber weder (imbewohnte) Kleinstinseln noch Felsen. Hinzu kommt, daß die überwältigende Mehrheit der Staaten allen Inseln, d. h. auch Kleinstinseln, ein Küstenmeer von sogar 12 sm zugesteht. Gleiches gilt für die Kykladen, deren Inseln ebenfalls die erforderliche Größe und wirtschaftliche Bedeutung aufweisen, so daß ihnen in keinem Fall ein 6 sm-Küstenmeer abgesprochen werden kann. Dann aber kann die Türkei in diesen Küstenmeergebieten keine Festlandsockelrechte für sich beanspruchen, sondern bleibt insoweit auf die zwischen den Küstenmeeren dieser Inseln verbleibenden Korridore beschränkt. Die Bejahung von türkischen Festlandsockelrechten in diesen Korridoren setzt voraus, daß sich die Seegebiete der Kykladen und des Dodekanes nicht über 6 sm ausdehnen dürfen und daß es nach Maßgabe des geltenden Abgrenzungsrechts geboten ist, den Dodekanes zu einer Enklave zu machen. a) Die Kykladen Die Kykladen erstrecken sich vom griechischen Festland eng aneinandergereiht weit nach Südosten und beherrschen den Großteil der Südägäis. Die Lage dieser Inseln als solche ist geeignet, einen potentiellen türkischen Festlandsockel merklich einzuschränken. Andererseits darf nicht außer acht gelassen werden, daß jede einzelne dieser Inseln über eine zum Teil beträchtliche Größe und - subsidiär - wirtschaftliche Bedeutung verfügt. Allein diese Tatsachen sprechen dafür, ihnen auf jeden Fall einen - möglicherweise beschränkten - Festlandsockel zuzugestehen. Dafür spricht desweiteren, daß diese Inseln nicht isoliert und weit verstreut über die Südägäis liegen und ihre der Türkei zugewandte Front ca. 100 sm beträgt. Diesen Umständen ist bei der Festlandsockelabgrenzung unbedingt Rechnimg zu
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tragen, da andernfalls die geographische Tatsache ihrer Existenz unberücksichtigt bliebe. Die Abgrenzung darf aber gerade nicht zu einem „refashioning of nature" führen. Dies legt es nahe, den Kykladen jedenfalls die „Minimalzone" von 12 sm zuzusprechen. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, daß Kreta weniger als 200 sm von Attika entfernt liegt. Angesichts seiner Größe von 8.261 k m 2 2 5 ist es unbestritten, daß Kreta einen ebensolchen Festlandsockel wie das griechische Festland erhält. Daraus folgt, daß - selbst wenn man die Kykladen vollends vernachlässigte - das Gebiet nördlich von Kreta griechischer Festlandsockel ist. Da nun die geographische Tatsache der Existenz der Kykladen in dieser Region wegen der Bedeutung dieser Inseln nicht außer acht gelassen werden darf, muß sich der griechische Festlandsockel zwangsläufig jedenfalls um das Minimum erhöhen. Ohne dieses Ausmaß abschließend bestimmen zu wollen, kann daher festgehalten werden, daß die Kykladen jedenfalls eine 12 sm-Zone erhalten müssen. b) Der Dodekanes Aufgrund der Lage des Dodekanes in immittelbarer Nähe zur türkischen Küste würde die Türkei bei jeder Form der Berücksichtigung dieser Inseln von der Ausübung von Festlandsockelrechten in dem Korridor westlich des Dodekanes ausgeschlossen sein. Eine Abgrenzung nach Maßgabe von Prinzipien der Billigkeit scheint folglich nur gewährleistet werden zu können, wenn man es im Falle dieser Inseln bei einem Küstenmeer von 6 sm beläßt und auf sie die Enklaven-Lösung anwendet. Eine solche vollständige Vernachlässigung des Dodekanes bei der Festlandsockelabgrenzung - die Inseln würden in diesem Fall nicht einmal einen eingeschränkten Festlandsockel erhalten - ließe sich angesichts des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten jedoch nur rechtfertigen, wenn dem Prinzip des „non-encroachment" hier im Verhältnis zu den anderen Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung eine überragende Bedeutung zukäme und wenn diese Inseln nach Maßgabe der anwendbaren Kriterien als unbedeutend zu qualifizieren wären. Die durch die Lage des Dodekanes bedingte Beschränkung eines potentiellen türkischen Festlandsockels wird durch den geographischen Umstand der Existenz sowie den unbestreitbaren Anspruch dieser Inselgruppe auf ein einheitliches 6 sm-Küstenmeer erheblich relativiert. Aufgrund der geographischen Umstände ist die Beschränkimg vorgegeben und kann im Wege der Festlandsockelabgrenzung nicht rückgängig gemacht werden. Mithin kon25
Vgl. Statistik des Auslandes, Länderbericht Griechenland 1986, S. 15.
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kurriert das Prinzip des „non-encroachment" mit dem Verbot des „refashioning of nature". Dieses Konkurrenzverhältnis ist zwar nicht dergestalt, daß das Verbot des „refashioning of nature " dem Prinzip des ,fnon-encroachment" vorginge; denn nach dem hier vertretenen Verständnis kann die Abgrenzung ja auch Zuteilung von Festlandsockelrechten sein. Jedoch wird man die Bedeutung des Prinzips des „non-encroachment u schwerlich als überragend einordnen können. Unabhängig davon ist es aber auch fraglich, ob die Anwendung der Enklaven-Lösimg zu einer Vernachlässigung des Dodekanes führen könnte. Zum einen ist die gewohnheitsrechtliche Geltung der Enklaven-Lösung zu verneinen, da sie in keinem Fall in der Staatenpraxis zur Anwendung gelangt ist. Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, daß die EnklavenLösung - selbst wenn man i n ihr einen Bestandteil des geltenden Abgrenzunsgrechts sehen wollte - zu dem Ergebnis führen würde, daß die Inseln des Dodekanes lediglich ein 6 sm-Küstenmeer erhalten. Das Schiedsgericht im britisch-französischen Festlandsockel Fall konnte diesen Weg wählen, weil die britischen Kanal-Inseln weit entfernt von der Küste Südenglands völlig isoliert vor der französischen Küste liegen. Der Fall des Dodekanes ist aber schon deshalb anders gelagert, weil dessen Inseln weniger als 24 sm von den kykladischen Inseln entfernt sind. Von einer dem britisch-französischen Fall vergleichbaren Isolation kann mithin keine Rede sein. Hinzu kommt und das ist letztlich entscheidend - , daß die Enklaven-Lösung angesichts des fehlenden Vorrangs des Prinzips des „non-encroachment" ebenfalls dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Inseln und Festlandgebieten Rechnung tragen und den betreffenden Inseln jedenfalls einen eingeschränkten Festlandsockel belassen müßte. Folglich kann es nur dann bei einem 6 sm-Küstenmeer für den Dodekanes verbleiben, wenn diese Inseln nach Maßgabe der anwendbaren Kriterien vernachlässigt werden könnten. Alle diese Inseln sind aber „echte" Inseln im Sinne der völkergewohnheitsrechtlich geltenden Definition dieses Begriffs und verfügen über eine hinreichende Größe und Bedeutung, so daß sie jedenfalls das Minimum einer 12 sm-Zone erhalten müssen. Schließlich stellt sich die Frage, ob die Sicherheitsinteressen der Türkei eine geringere als eine 12 sm-Zone rechtfertigen können. Die türkischen Sicherheitsinteressen sind dahingehend zu bestimmen, daß Griechenland nicht in der Nähe der kleinasiatischen Küste exklusive Hoheitsrechte am Meeresgrund und -untergrund ausübt. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß Griechenland ein gleichermaßen berechtigtes Interesse daran hat, daß die Türkei solche Rechte nicht „ i m Rücken" des Dodekanes ausübt. Desweiteren handelt es sich bei der 12 sm-Zone des Dodekanes bereits um eine Minimalzone, die nur weiter eingeschränkt werden könnte, wenn dem Interesse der Türkei hier ein absoluter Vorrang einzuräumen sein
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würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr kommt den türkischen Sicherheitsinteressen von vornherein nur eine geringfügige Bedeutimg zu, weil Griechenland innerhalb des Küstenmeeres des Dodekanes Souveränität besitzt und in diesem Seegebiet naturgemäß sehr viel weitergehende Rechte innehat als die Türkei sie dort ausüben könnte. Da sich die 12 sm-Zone des Dodekanes mit der der Kykladen und dem Festlandsockel Kretas verbindet, ist die Türkei in der Südägäis von der Ausübung von Festlandsockelrechten ausgeschlossen. IV. Ergebnis Die ägäischen Inseln dürfen bei der Abgrenzung des Festlandsockels nicht vernachlässigt werden, sondern müssen wegen ihrer Größe und Bedeutung jedenfalls eine 12 sm-Zone erhalten. Für keine dieser Inseln oder Inselgruppen kommt nach Maßgabe des geltenden Abgrenzungsrechts eine EnklavenLösung in Betracht. Vielmehr bleiben deren Seegebiete mit dem Festlandsockel des griechischen Festlands sowie Kretas verbunden. Diese durch die geographischen Besonderheiten des Falles bedingte Lösung führt dazu, daß der Türkei ein Festlandsockel allenfalls in der Nordägäis zugestanden werden kann, und zwar in dem Gebiet, welches durch Lemnos im Norden, Chios im Süden und durch die Mittellinie im Westen begrenzt ist.
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Annex I
Akte nationaler Gesetzgebung (Der Klammerzusatz hinter den Staatennamen bezeichnet das Datum des Inkrafttretens der FSK für den jeweiligen Staat) Äquatorial Guinea: Act No. 15/1984 of 12 November 1984 on the Territorial Sea and Exclusive Economic Zone of the Republic of Equatorial Guinea. 1 Article 1: „The sovereignty of the Republic of Equatorial Guinea extends to the entire national territory consisting, in accordance w i t h the boundaries inherited from the colonial era, of the mainland area of Rio Muni and the islands of Bioko, Annobón, Corisco, Elobey Grande, Elobey Chico and adjacent islets, internal waters and the adjacent belt of sea described as the territorial sea." Äthiopien: Maritime Proclamation No. 137 of 25 September 1953.2 Article 6 (f): „The territorial waters of Our Empire are defined as extending from the extremity of sea-board at maximum annual high tide of the Ethiopian continental coast and of the coasts of Ethiopian islands, i n parallel line on the entire seabord and to an outward distance of twelve nautical miles, except that in the case of the Dahlac archipelago the seaward limit of the territorial waters shall be defined in Our Federal Revenue Proclamation No. 126 of 1952,.. Albanien (FSK 07.12.1964): Decree No. 4650 on the Boundary of the People's Republic of Albania of 9 March 1970, as amended by Decree No. 5384 of 23 February 1976.3 Article 1: „The territorial waters of the People's Republic of Albania extend all along its coastline to the width of 15 nautical miles (27,780 km), starting from the straight baseline which goes from the Cape of Rodoni (Muzhi), the Cape of Palla, of Logji (Kala e Turres), Semani, the estuary of the Vjosa River, the western coast of the Sazani Island, the Cape of Gjuha and the Grama Bay, further on between the Albanian coast and the Greek islands up to the Corfu Straight." Bangladesch: Territorial Waters and Maritime Zones Act 1974, Act No. X X V I of 1974.4 Article 3 (2). „Where a single island, rock or a composite group thereof constituting the part of the territory of Bangladesh is situated seawards from the main coast or 1
LOSB No.6 (October 1985), 19-22. LOSB No. 2 (March 1985), 27. 3 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 3; LOSB No. 2 (March 1985), 1. 4 ST/LEG/SER.B/19, 4-7; LOSB No. 2 (March 1985), 5-6. 2
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Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung
baseline, the territorial waters shall extend to the limits declared by notification under sub-section (1) measured from the low waterline along the coast of such island, rock or composite group." Article 7 (1): „The continental shelf of Bangladesh comprises: (b) the seabed and subsoil of the analogous submarine areas adjacent to the coasts of any island, rock or any composite group thereof constituting part of the territory of Bangladesh." Brasilien: - Decree-Law No. 1098 altering the Limits of the Territorial Sea of 25 March 1970.5 Article 1: „The territorial sea of Brazil w i l l cover a band of 200 maritime miles i n width, measured from the low-water line of the continental or insular coast of Brazil adopted as reference on Brazilian nautical charts." - Decree-Law No. 68,459 on Fishing Zones of 1 April 1971.6 Article 1: „The following fishing zones are established in the Brazilian territorial sea: I. A zone contained within 100 (one hundred) nautical miles, measured from the low water mark at the continental and island coast of Brazil, used as reference on Brazilian nautical charts." Bulgarien (FSK 31.08.1962): Decree concerning the Territorial and Island Waters of 10 October 1951.7 „1. The territorial waters of the People's Republic of Bulgaria extend into the open sea to a distance of twelve miles from the water-line on the mainland and island coasts, from the furthermost points of port installations and from the boundary of inland waters." Chile: Presidential Proclamation concerning the Continental Shelf of 23 June 1947.® „The President of the Republic hereby declares: (1) The Government of Chile confirms and proclaims its national sovereignty over all the continental shelf adjacent to the continental and insular coasts of its national territory, whatever may be their depth below the sea, and claims by consequence all the natural riches which exist on the said shelf, both i n and under it, known or to be discovered." Volksrepublik China: Declaration of the Government of the People's Republic of China on China's Territorial Sea of 4 September 1958.9 „1. The breadth of the territorial sea of the People's Republic of China shall be twelve nautical miles. This provision aplies to all territories of the People's Republic of China, including the Chinese mainland and its coastal islands, as well as Taiwan s ST/LEG/SER.B/16, 3-4; LOSB No. 2 (March 1985), 8; vgl. ferner Decree No. 28840 vom 08.11.1950 (ST/LEG/SER.B/1, 299-300). 6 ST/LEG/SER.B/16, 271-273; LOSB No. 2 (March 1985), 9. 7 LOSB No. 2 (March 1985), 9. » ST/LEG/SER.B/1, 7; LOSB No. 2 (March 1985), 13. 9 LOSB No. 2 (March 1985), 14.
Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung and its surrounding islands, the Penghu Islands, the Gungsha Islands, the Hsisha Islands, the Chungsha Islands, the Nansha Islands and all other islands belonging to China which are separated from the mainland and its coastal islands by the high seas." Costa Rica (FSK 16.02.1972): Constitution as amended by Decree No. 5699 of 5 June 1975. 10 Article 6: „The State exercises complete and exclusive sovereignty over the airspace above its territory, its territorial waters for a distance of 12 miles from the lowwater line along its coasts, its continental shelf, and its insular sill, in accordance w i t h the principles of international law." Dänemark (FSK 12.06.1963): Royal Ordinance concerning the Exercise of Danish Sovereignty over the Continental Shelf of 7 June 1963. 11 Article 2: „ I n accordance w i t h article 1 of the Convention, the term „continental shelf" is used as referring (a) to the sea-bed and subsoil of the submarine areas adjacent to the coast but outside the area of the territorial sea, to a depth of 200 metres or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas; (b) to the sea-bed and subsoil of similar submarine areas adjacent to the coasts of islands." Dominikanische Republik (FSK 11.08.1964): Act No. 186 on the Territorial Sea, the Contiguous Zone and the Continental Shelf of 13 September 1967, as amended by Act No. 573 of 1 A p r i l 1977. 12 Article 1 : „The territorial sea of the Dominican Republic shall comprise the sea area adjacent to its coasts and to the coasts of the islands over which the Dominican Republic exercises sovereignty, and extending from the low-water line or from the straight baselines, as the case may be, to a distance of six miles seawards." Equador: Civil Code, as amended by Decree No. 256 - CLP of 27 February 1970.13 Article 628: „The territorial sea under national jurisdiction shall comprise the adjacent sea to a distance of 200 nautical miles measured from the outermost points of the coast of the Ecuadorian mainland and the outermost points of the outermost islands of the Colón Archipelago and from the low-water mark, using a baseline to be defined by Executive Decree." Article 630: „The continental or insular shelf adjacent to the Ecuadorian coasts, and the resources thereof, shall belong to the S t a t e , . . . The expression „continental or insular shelf" means the submarine areas adjacent to the national territory to a depth of 200 metres."
10 LOSB No. 2 (March 1985), 16; vgl. ferner Decree No. 190 vom 28.09.1947 sowie Law No. 803 vom 02.11.1949, ST/LEG/SER.B/1, 8-10. 11 LOSB No. 2 (March 1985), 22. 12 ST/LEG/SER.B/15, 76-78; ST/LEG/SER.B/19, 26-28; LOSB No. 2 (March 1985), 23-25. 13 ST/LEG/SER.B/19, 29; LOSB No. 2 (March 1985), 25; vgl. ferner das Dekret vom 21.02.1951 (ST/LEG/SER.B/1, 300).
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Finnland (FSK 16.02.1965): - Act on the Delimitation of the Territorial Waters of Finland, 1956, Act No. 463 of 18 August 1956. 14 Paragraph 1: » . . . A single island, rock or low-water elevation or a group of them situated far out in the sea can have separate territorial waters." - Continental Shelf Act, 1965, Act No. 149 of 5 March 1965. 15 Article 1: „ . . . For the purpose of the present law the term „continental shelf" means outside the area of Finland's territorial sea w i t h the adjacent sea-bed and its subsoil to the boundary line which is determined according to articles 1 and 6 i n the Geneva Convention of April 29, 1958 on the continental shelf or upon which agreements have been concluded between Finland and a foreign state according to the said article 6, paragraphs 1 or 2." Griechenland (FSK 06.11.1972): Decree-Law No. 142/1969 concerning Exploration for and Exploitation of the Mineral Resources in the Sea-Bed and the Beds of Lakes. 16 „1. (b) On the sea-bed beyond the territorial sea, or in the subsoil thereof, where it adjoins or is adjacent to the continental or island coasts, up to a depth of 200 metres below the surface of the sea or an even greater depth where the superjacent waters admit of the exploration and exploitation referred to above, i n other words i n the continental shelf as agreed and determined i n international conventions approved by law." Guinea: Decree No. 224/PRG of 3 June 1964 on the Limitation of the Territorial Sea of the Republic of Guinea, as modified in 1965.17 Article premier. „Les limites des eaux territoriales de la République de Guinée sont fixées ainsi qu'il suit: - Au sud, par le parallèle de latitude 9° 03' 18" nord, sur une distance vers le large de deux cents (200) milles marins, à compter d'une droite passant au S.O. de l'île Sène du groupe Tristato, et au sud par la pointe S.O. de l'île Tamara, à la laisse des basses mers." Honduras: Constitution of 1965. 18 Article 5: „3. The subsoil, the air space, the territorial sea to a distance of twelve nautical miles, the bed and subsoil of the submarine platform, continental and insular shelves, and other underwater areas adjacent to its territory outside the zone of territorial waters and to a depth of two hundred metres or to the point where the depth of the superjacent waters, beyond this limit, permits the exploitation of the 14 LOSB No. 2 (March 1985), 29. 15 LOSB No. 2 (March 1985), 30. 16 LOSB No. 2 (March 1985), 35. 17 ST/LEG/SER.B/19, 32-33. 18 LOSB No. 2 (March 1985), 39-40; vgl. ferner Deere No. 102 und 103 vom 07.03.1950 (ST/LEG/SER.B/1, 11-12), No. 104 vom 07.03.1950 (U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/1, 301-303), Decree No. 25 vom 17.01.1957 (U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 301303), Decree No. 21 vom 19.12.1957 (ST/LEG/SER.B/8, 10).
Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung natural resources of the bed and subsoil, also belong to the State of Honduras and are subject to its jurisdiction and c o n t r o l . . . " Iran: - Act on the Territorial Waters and the Contiguous Zone of 15 July 1934, as amended by Act of 12 A p r i l 1959. 19 Article 5: „Every island belonging to Iran, situated within or outside the territorial sea of Iran, shall have its own territorial sea determined i n accordance w i t h the provisions of the present Act. The islands situated at a distance not exceeding 12 nautical miles from one another, shall be considered as a single island and the limit of their territorial sea shall be determined from the islands remotest from the centre of the archipelago." - Act on the Exploration and Exploitation of the Natural Resources of the Continental Shelf of 18 June 1955.20 Article 2: „The (submarine) areas as well as the natural resources of the sea-bed and subsoil thereof, up to the limit of the continental shelf adjacent to the Iranian coast and to the coasts of Iranian islands i n the Persian Gulf and the Sea of Oman have belonged and shall continue to belong to Iran and shall remain under its sovereignty." Island: Law No. 41 concerning the Territorial Sea, the Economic Zone and the Continental Shelf of 1 June 1979. 21 Article 1: „The territorial sea of Iceland shall be delimited by a line every point of which is 12 nautical miles from a baseline drawn between the following points: . . . The territorial sea shall moreover be delimited by a line every point of which is 12 nautical miles from the low-water line of Kolbeinsey (...) Hvalbakur (. ..) and the outermost points and rocks of Brimsey." Italien: - Navigation Code of 30 March 1942, as amended by Act No. 359 of 14 August 1974. 22 Article 2: „ . . . I n addition, a zone of the sea extending twelve nautical miles from the coasts of the mainland and of the islands of the Republic, and from straight lines joining the outermost points referred to i n the preceding paragraph, shall be subject to the sovereignty of the State." - Act No. 613 on the Surveying and Production of Oil and Gas in the Territorial Sea and Continental Shelf of 21 July 1967.23 Article 1: „For the purpose of this Act, the term „continental shelf" is used as referring to the sea-bed and subsoil of the submarine areas adjacent to the territory of the Italian peninsula and islands but outside the territorial sea, to a depth of 200 metres or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas." 19 ST/LEG/SER.B/15, 88-89; LOSB No. 2 (March 1985), 44; vgl. ferner das DecreeLaw of 1973 (ST/LEG/SER.B/19, 55-56). 20 ST/LEG/SER.B/15, 366-367; LOSB No. 2 (March 1985), 44. 21 ST/LEG/SER.B/19, 55-56; LOSB No. 2 (March 1985), 40-41. 22 LOSB No.2 (March 1985), 47. 23 LOSB No.2 (March 1985), 47.
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Kambodscha (Kampuchea) (FSK 18.03.1960): Statement of the Spokesman of Foreign Affairs of 15 January 1978. 24 „4. A l l the islands of Democratic Kampuchea have their territorial seas, their contiguous zones, their exclusive economic zones and their continental shelves." Kolumbien (FSK 08.01.1962): Law No. 10 of 4 August 1978. 25 Article 1: „The territorial sea of the Colombian nation, over which the latter exercises full sovereignty, shall extend beyond its mainland and island territory and internal waters to a distance of 12 nautical miles or 22 kilometres, 224 metres." Republik Korea: Presidential Declaration of 18 January 1952. 26 Kuba: Decree-Law No. 1 of 24 February 1977.27 Article 4: „The sovereignty which the socialist Cuban State exercises over the entire national territory, consisting of the Island of Cuba, the Isle of Pines, the other adjacent islands and keys, the internal waters, the territorial sea and the air space over them and the subsoil of the land areas shall extend to the bed and subsoil of the aquatic territory consisting of the internal waters and the territorial sea and to all the natural resources, whether living or non-living, in all the aforementioned areas, subject to the sovereignty of the Cuban State." Kuwait: Decree regarding the Delimitation of the Breadth of the Territorial Sea of the State of Kuwait of 17 December 1967. 28 Article 1: „The territorial sea of the State of Kuwait extends seaward for a distance of twelve miles from the baselines of the mainland and of Kuwaiti islands . . . " Libanon: Order No. 1104 w i t h respect to the Policing of Maritime Fisheries of 14 November 1921. 29 Article 1: „ I n the coastal zone of Syria and Lebanon under French mandate, the territorial sea extends, for the purpose of fisheries, to a distance of six marine miles from the coast or islands." Mexiko (FSK 02.08.1966): - General Act on National Property of 8 January 1982. 30 Article 29: „ . . . Except as provided in the following subparagraph, the breadth of the territorial sea shall be measured from the low-water mark on the coast of the mainland and on the shore of islands forming part of the national territory." 24 25 26 27 28 29 30
ST/LEG/SER.B/19, 19-21; LOSB No. 2 (March 1985), 19. ST/LEG/SER.B/19, 14-15; LOSB No. 2 (March 1985), 14. ST/LEG/SER.B/8, 14-15. ST/LEG/SER.B/19, 16-20; LOSB No. 2 (March 1985), 17. LOSB No.2 (March 1985), 52. LOSB No.2 (March 1985), 53. LOSB No.2 (March 1985), 58.
Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung - Act of 4 December 1975 regulating the provisions of paragraph 8 of Article 27 of the Constitution relating to the exclusive economic zone. 31 Article 3: „The islands which are part of the national territory, except those which cannot be kept inhabited or which do not have an economic life of their own, shall also have an exclusive economic zone the limits of which shall be fixed i n accordance w i t h the provisions of the preceding article." - Federal Act relating to the Sea of 8 January 1986.32 Article 3: „The Mexican maritime zones are: (e) The continental shelf and island shelves;" Article 23 : „The Nation shall exercise sovereignty over a belt of sea, described as the territorial sea, adjacent both to the coasts of the Nation's mainland and islands,..." Article 51: „Islands shall have an exclusive economic zone; however, rocks that cannot sustain human habitation or economic life of their own shall not." Article 57: „The Nation shall exercise over the continental shelf and island shelves sovereign rights for the purpose of exploring and exploiting their natural resources." Article 63: „Islands shall have an island shelf; however, rocks that cannot sustain human habitation or economic life of their own shall not." Nicaragua: Act No. 205 relating to the Continental Shelf and the Adjacent Sea of 19 December 1979.33 Article 3: „The sovereignty and national jurisdiction exercised over the continental shelf and the adjacent sea shall extend to the air space and all the islands, cays, banks, reefs and other geographical features situated within the limits determined in the foregoing articles, whether these are on the surface of the waters or submerged, or are elevations rising from the continental shelf." Niederlande (FSK 18.02.1966): - Netherlands Territorial Sea (Demarcation) Act of 9 January 1985. 34 - Territorial Sea of the Kingdom in the Netherlands Antilles (Extension) Act (Rijkswet) of 9 January 1985.35 Norwegen (FSK 09.09.1971): Royal Decree of 22 February 1812. 36 „ I t shall be an established rule that i n all cases where Our Majesty's territorial frontier at sea fails to be determined, it shall be reckoned according to the customary distance in nautical miles from the outermost island or islet not swept over by the sea." 31
Am 07.06.1976 in Kraft getreten. Vgl. LOSB No.2 (March 1985), 59. LOSB No.7 (April 1986), 53-66. So auch schon Presidential Decree vom 25.02.1949 (ST/LEG/SER.B/1, 14). 33 LOSB No.2 (March 1985), 63. 34 LOSB No.6 (October 1985), 16-18. Dieses Gesetz bezieht sich auch auf die westfriesischen Inseln. 35 LOSB No.7 (April 1986), 67-71. 36 LOSB No.2 (March 1985), 63. 32
21 Heintschel v. Heinegg
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Oman: Royal Decree concerning the Territorial Sea, Continental Shelf and Exclusive Economic Zone of 10 February 1981.37 Article 2: ,,(b) . . . the normal baseline for measuring the breadth of the territorial sea is the low water line along the coast of the mainland or of islands and rocks;" Pakistan: Territorial Waters and Maritime Zones Act, Act of 22 December 1976. 38 „2. . . . (4) Where a single island, rock or a composite group thereof constituting a part of the territory of Pakistan is situated off the main coast, the baseline referred to in subsection (3) shall be drawn along the outer seaward limits of such island, rock or composite group." Panama: Act No. 31 of 2 February 1967. 39 Article 1: „The sovereignty of the Republic of Panama is extended beyond its continental and insular territory and its inland waters to a zone of territorial sea two hundred (200) nautical miles in breadth, the bed and subsoil of the said zone and the superjacent air space." Peru: Presidential Decree No. 781, concerning Submerged Continental or Insular Shelf of 1 August 1947.40 „1. To declare that the national sovereignty and jurisdiction can be extended to the submerged continental or insular shelf adjacent to the continental or insular shores of national territory, whatever the depth and extension of this shelf may be." Philippinen: Republic Act No. 387 of 18 June 1949. 41 Portugal (FSK 08.01.1963): Act No. 2080 of 21 March 1956. 42 Quatar: Declaration by the Ministry of Foreign Affairs. 43 „1. The State of Quatar shall have exclusive and absolute sovereign rights over natural and marine resources and fisheries i n the areas contiguous to the territorial sea off the coasts of the State and its islands, without prejudice to the freedom of international sea and air navigation, i n accordance w i t h the established principles of international law."
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LOSB No.2 (March 1985), 65. « Am 31.12.1976 i n Kraft getreten. ST/LEG/SER.B/19, 85-92; LOSB No.2 (March 1985), 66. 39 LOSB No.2 (March 1985), 67. 4 U.N.Doc. ST/LEG/SER.B/1, 16-19; LOSB No.2 (March 1985), 68. 41 ST/LEG/SER.B/1, 19. 42 ST/LEG/SER.B/8, 16. 43 LOSB No.2 (March 1985), 71. 3
Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung
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Somalia: Law No. 37 on the Territorial Sea and Ports of 10 September 1972. 44 Article 1: „1. The Somali Territorial Sea includes the portion of the Sea to the extent of 200 nautical miles within the continental and insular coasts, delimited according to the provisions of Articles 2, and 3 of this Law." Spanien (FSK 25.02.1971): Act No. 15/1978 of 20 February 1978. 45 Article 1: „ . . . I n the case of archipelagos, the outer limit of the economic zone shall be measured from straight baselines joining the outermost points of the islands and islets forming the archipelagos, so that the resulting perimeter conforms to the general configuration of each archipelago." Sri Lanka: Maritime Zones Law No. 22 of 1 September 1976. 46 „6.(1) The continental shelf of Sri Lanka shall comprise: (b) the sea-bed and subsoil of the analoguous submarine areas adjacent to the coast of any island or rock, or group of islands and rocks, or group of islands or group of rocks, constituting part of the territory of Sri Lanka." Tansania: Presidential Proclamation on the Extent of the Territorial Waters of 24 August 1973.47 „ . . . the territorial waters of the United Republic of Tanzania extend across the sea a distance of fifty nautical miles measured from the appropriate baselines along the coasts and adjacent islands . . . " Trinidad und Tobago (FSK 11.07.1968): Continental Shelf Act No. 43 of 22 December 1969. 48 „2. In this Act „Continental Shelf" means the seabed and subsoil of the areas adjacent to the coasts of the island of Trinidad and the island of Tobago and all other islands within Trinidad and Tobago but outside the area of the territorial sea to a depth of 200 metres and beyond that limit to where the depth of the superjacent waters admits of exploitation of the natural resources of the said areas; . . . " Tunesien: Act No. 73-49 delimiting the Territorial Waters of 2 August 1973.49 Article 1: „The Tunisian territorial sea shall extend, from the Tunisian-Algerian frontier to the Tunisian-Libyan frontier and around the islands, the elevations of Chebba and the Kerkennah islands where permanent fisheries are installed and the low-tide elevations of E l Bibane and shall comprise a belt of sea of an established limit of 12 nautical miles from the baselines." 44
LOSB No.2 (March 1985), 76. ST/LEG/SER.B/19, 55-56; LOSB No.2 (March 1985), 77. 46 ST/LEG/SER.B/19, 120-126; LOSB No.2 (March 1985), 79. 47 LOSB No.2 (March 1985), 88. « LOSB No.2 (March 1985), 84. 4 ® LOSB No.2 (March 1985), 84. 45
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Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung
Türkei: Act No. 476 concerning the Territorial Sea of 15 May 1964. 50 Article 6: „The territorial sea of islands shall be established i n accordance w i t h the principles set forth above." UdSSR (FSK 22.11.1960): - Law on the State Frontier of the USSR of 24 November 1982. 51 Article 5: „The territorial waters (territorial sea) of the USSR shall consist of coastal maritime waters to a distance of 12 nautical miles measured from the lowwater line, both on the mainland and on the islands belonging to the USSR, or from straight baselines joining appropriate points . . . " - Decree of the Presidium on the Continental Shelf of 6 February 1968. 52 „I. . . . The continental shelf of the USSR consists of the sea-bed and the subsoil of the submarine areas adjacent to the coast or to the islands of the USSR . . . " - Decree of the Presidium of the Supreme Soviet of the USSR on the Economic Zone of the USSR, 28 February 1984.53 „1. In maritime areas beyond and adjacent to the territorial waters (territorial sea) of the USSR, including areas surrounding islands belonging to the USSR, there shall be established an economic zone of the USSR, the outer limit of which shall be situated at a distance of 200 nautical miles measured from the same baselines as the territorial waters (territorial sea) of the USSR." Uruguay: Decree by the Executive (D.604/969) extending National Sovereignty to a Territorial Sea of 200 nautical miles of 3 December 1969. 54 Article 1: „The sovereignty of the Eastern Republic of Uruguay shall extend beyond its continental and island territory and its internal waters to a territorial sea of 200 nautical miles, measured from the baselines." USA (FSK 12.04.1961): Presidential Proclamation No. 5030 on the Exclusive Economic Zone of 10 March 1983, Presidential Documents 48 Federal Register 10, 605 (1983).55 „The Exclusive Economic Zone of the United States is a zone contiguous to the territorial sea, including zones contiguous to the territorial sea of the United States, the Commonwealth of Puerto Rico, the Commonwealth of the Northern Mariana Islands (to the extent consistent w i t h the Covenant and the United Nations Trusteeship Agreement, and the United States overseas territories and possessions..." Venezuela (FSK 15.08.1961): - Act on the Territorial Sea, the Continental Shelf, Protection of Fisheries and A i r Space of 22 July 1956. 56 50
LOSB No.2 (March 1985), 85. LOSB No.2 (March 1985), 85; LOSB No. 4 (February 1985), 24-30. 52 LOSB No.2 (March 1985), 86. 53 LOSB No.4 (February 1985), 32-40; vgl. dazu auch die Meldung der „Izvestia" vom 29. Februar 1984, ebenda, 31-32. 54 LOSB No.2 (March 1985), 90. ss LOSB No.2 (March 1985), 89. 51
Annex I: A k t e nationaler Gesetzgebung Article 1: „The territorial sea of the Republic of Venezuela shall extend over the entire length of its continental and insular coasts to a width of 22 kilometers and 224 meters (12 nautical miles), measured from the baselines referred to in article 2 of this A c t . . . " Article 4: „ . . . The continental shelf of the Republic of Venezuela shall include the continental shelf, as just defined, of the islands of the Republic." - Act establishing an Exclusive Economic Zone along the Coasts of the Mainland and Islands of 26 July 1978.57 Article 1: „ A n exclusive economic zone is hereby established beyond and adjacent to the territorial sea, all along the coasts of the mainland and islands of the Republic of Venezuela..." Vereinigte Arabische Emirate: Declaration by the Ministry of Foreign Affairs concerning the Exclusive Economic Zone and its Delimitation of 25 July 1980. 58 „1. The United Arab Emirates possesses an exclusive economic zone adjacent to its main coasts and to the coasts of its islands in the Gulf and in the Sea of Oman." Vereinigtes Königreich (FSK 11.05.1964): - An Act to Extend British Fishery Limits and Make Further Provision i n Connnection w i t h the Regulation of Sea Fishing of 22 December 1976. 59 „I. (1) Subject to the following provisions of this section, British fishery limits extend to 200 miles from the baselines from which the breadth of the territorial sea adjacent to the United Kingdom, the Channel Islands and the Isle of Man is measured." - Declaration on the Conservation of Fish Stocks and on Maritime Jurisdiction around the Falkland Islands of 29 October 1986. 60 Vietnam: Statement on the Territorial Sea, the Contiguous Zone, the Exclusive Economic Zone, and the Continental Shelf of 12 May 1977. 61 „1. The territorial sea of the Socialist Republic of Viet Nam has a breadth of 12 nautical miles measured from a basline which links the furthest seaward points of the coast and the outermost points of Vietnamese offshore islands, and which is the low-water line along the c o a s t . . . 5. The islands and archipelagos, forming an integral part of the Vietnamese territory and beyond the Vietnamese territorial sea mentioned in Paragraph 1, have their own territorial sea, contiguous zones, exclusive economic zones and continental shelves, determined in accordance w i t h the provisions of Paragraphs 1, 2, 3 and 4 of this statement."
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LOSB No.2 (March 1985), 92-93. 57 LOSB No.2 (March 1985), 93. 58 LOSB No.2 (March 1985), 87. 59 LOSB No.2 (March 1985), 87. 60 LOSB No.9 (April 1987), 18. « LOSB No.2 (March 1985), 94-95.
Annex II
Abgrenzungsvereinbarungen, in denen Inseln eine Rolle spielen 1. Vertrag von Paria zwischen Venezuela und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nord-Irland vom 26. Februar 1942.1 2. Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und NordIrland und dem Königreich Norwegen über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 10. März 1965.2 3. Abkommen zwischen dem Königreich Dänemark und dem Königreich Norwegen über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 8. Dezember 1965 in der durch den Notenwechsel vom 24. A p r i l 1968 geänderten Fassung.3 4. Abkommen zwischen dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nord-Irland über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee zwischen beiden Ländern vom 6. Oktober 1965.4 5. Abkommen zwischen der Republik Finnland und der UdSSR über die Grenze des Festlandsockels zwischen Finnland und der UdSSR im nordöstlichen Teil der Ostsee vom 5. Mai 1967.5 6. Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen über die Abgrenzung des Festlandsockels in der Ostsee vom 29. Oktober 1968.6 7. Abkommen zwischen Kanada und dem Königreich Dänemark über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen Kanada und Grönland vom 17. Dezember 1973.7 8. Abkommen zwischen Japan und der Republik Korea über die Errichtung einer Grenze im nördlichen Teil des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 5. Februar 1974.8 1 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/1, 44-46; B. Rüster, Verträge und Deklarationen über den Festlandsockel (Continental Shelf), 1975, S. 26-28; IBS No. 11. 2 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 775-776; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 51-52; U.S.-Dept. of State, International Boundary Study, Series A - Limits i n the Seas, No. 10 Rev. 3 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 780-781; U.N. Doc. ST/LEG/ SER.B/16, 412; B. Rüster , Verträge und Deklarationen, S. 62-63, 78-79; IBS No. 10 Rev. 4 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 779-780; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 59-60. s U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/15, 784-785; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 73-74; IBS No. 56. 6 IBS No. 65; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 85-86. 7 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 447-451; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 151-155. 8 Β. Rüster , Verträge und Deklarationen, S. 160-173; IBS No. 75.
Annex II: Abgrenzungsvereinbarungen
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9. Abkommen zwischen Griechenland und Italien über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 24.Mai 1977.9 10. Abkommen zwischen der Republik Indonesien und Malaysien über die Abgrenzung der Festlandsockel zwischen beiden Staaten vom 27. Oktober 1969. 10 11. Abkommen zwischen der Republik Indien und Indonesien über die seewärtigen Grenzen vom 8. August 1974. 11 12. Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Venezuela vom 28. März 1978. 12 13. Abkommen zwischen Venezuela und dem Königreich der Niederlande betreffend die Niederländischen Antillen vom 31. März 1978. 13 14. Abkommen zwischen der Sozialistischen Republik Burma und der Republik Indien betreffend die Abgrenzung der Seegebiete i n der Andaman See, dem Coco Kanal und der Bucht von Bengalen vom 23. Dezember 1986. 14 15. Abkommen zwischen der Republik Italien und der Republik Frankreich über die Abgrenzung im Gebiet der Straße von Bonifacio vom 28. November 1986.15 16. Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Bahrein über die Abgrenzung des Festlandsockels im Persischen Golf vom 22. Februar 1958. 16 17. Vereinbarung zwischen Kanada und Frankreich über den Grenzverlauf zwischen Kanada und St.Pierre et Miquelon vom 27. März 1972. 17 18. Abkommen zwischen der Republik Frankreich und Portugal betreffend die Abgrenzung der Seegebiete von Senegal und Guinea-Bissau vom 26. A p r i l I960. 1 8 19. Abkommen zwischen dem Kaiserreich Iran und dem Scheichtum Quatar über die Grenze des Festlandsockels vom 20. September 1969. 19 20. Abkommen zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und dem Kaiserreich Iran betreffend die Souveränität über die Al-'Arabiyah und über die Farsi Inseln sowie betreffend den Verlauf der Grenzlinie der unterseeischen Gebiete zwischen beiden Staaten vom 24. Oktober 1968. 20 21. Vertrag zwischen dem Commonwealth von Australien und der Republik Indonesien über die Abgrenzung des Meeresbodens vom 18. Mai 1972. 21 9
IBS No. 96. U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 417-419; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 91-93; IBS No. 1. 11 IBS No. 62. 12 IBS No. 91. ι 3 K.G. Nweihed, ODILA 1980, 23 ff. " LOSB No. 10 (November 1987), 105-107. 15 LOSB No. 10 (November 1987), 95-96. le U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 409-411; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 34-36; IBS No. 12. 1 7 IBS No. 57. is IBS No. 68. 19 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 416-417; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 90-91; IBS No. 25. 20 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 403-404; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 83-84; IBS No. 24. 2 1 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 433-435; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 137-140; I L M 1972, 1272 ff. 10
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Annex II: Abgrenzungsvereinbarungen
22. Vertrag zwischen dem Commonwealth von Australien und der Republik Indonesien bzgl. gewisser Grenzen zwischen Papua Neu-Guinea und Indonesien vom 12. Februar 1973. 22 23. Abkommen zwischen der Republik Sri Lanka und der Republik Indien über die Grenze in den historischen Gewässern zwischen beiden Staaten vom 26. Juni 1974.23 24. Abkommen zwischen Sri Lanka und Indien über die seewärtige Grenze zwischen den beiden Staaten im Golf von Manaar und der Bengalischen Bucht vom 23. März 1976. 24 25. Abkommen zwischen dem Scheichtum Abu Dhabi und Quatar über die Grenzen des Meeresbodens und über die staatliche Zugehörigkeit gewisser Inseln im Persischen Golf vom 20. März 1969. 25 26. Vertrag über den La Plata und seine seewärtigen Grenzen zwischen der Republik Uruguay und der Republik Argentinien vom 19. November 1973. 26 27. Abkommen zwischen dem Kaiserreich Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten vom 31. August 1974. 27 28. Abkommen zwischen der Republik Italien und der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien über die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen beiden Staaten vom 8. Januar 1968. 28 29. Abkommen zwischen der Republik Italien und Tunesien betreffend die seewärtige Grenze zwischen beiden Staaten vom 20. August 1971.29 30. Abkommen zwischen Schweden und Finnland betreffend die Abgrenzung des Festlandsockels im Gebiet der Aland-Inseln vom 29. September 1972. 30 31. Abkommen zwischen dem Commonwealth von Australien und Papua Neu-Guinea betreffend die Abgrenzung in der Straße von Torres vom 18. Dezember 1978. 31 32. Übereinkommen zwischen dem Königreich Norwegen und Island über den Festlandsockel in dem Gebiet zwischen Island und Jan Mayen vom 22. Oktober 1981. 32 33. Friedens- und Freundschaf tsvertrag zwischen der Republik Agentinien und der Republik Chile vom 18. Oktober 1984. 33
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U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 444-447; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 140-142; I L M 1973, 357 f. 23 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 396-398; IBS No. 66. 24 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/19, 402-404; IBS No. 77. 25 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/16, 403; B. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 8788; IBS No. 18. 26 Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S 148-151 (Auszüge); IBS No. 64; I L M 1974, 251 ff. 27 IBS No. 63. 28 Β. Rüster, Verträge und Deklarationen, S. 74-77; IBS No. 9; I L M 1968, 547 ff. 29 D.W. Bowett, Islands, S. 176. 30 U.N. Doc. ST/LEG/SER.B/18, 439-441. 3 1 I L M 1979, 291-331. 32 AVR 1983, 505-508. 33 LOSB No. 4 (February 1985), 50-72; I L M 1985, 11-28.
Annex III Auszüge aus m u l t i l a t e r a l e n seerechtlichen V e r t r ä g e n I. Übereinkommen vom 29. April 1958 über das Küstenmeer und die Anschlußzone A r t i d e 10: 1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. The territorial sea of an island is measured i n accordance w i t h the provisions of these articles. Article 11: 1. A low-tide elevation is a naturally formed area of land which is surrounded by water at low-tide but submerged at high tide. Where a low-tide elevation is situated wholly or partly at a distance not exceeding the breadth of the territorial sea from the mainland or an island, the low-water line on that elevation may be used as the baseline for measuring the breadth of the territorial sea. 2. Where a low-tide elevation is wholly situated at a distance exceeding the breadth of the territorial sea from the mainland or an island, it has no territorial sea of its own. Article 12: 1. Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its territorial sea beyond the median line every point of which is equidistant from the nearest points on the baselines from which the breadth of the territorial seas of each of the two States is measured. The provisions of this paragraph shall not apply, however, where it is necessary by reason of historic title or other special circumstances to delimit the territorial seas of the two States in a way which is at variance w i t h this provision. 2. The line of delimitation between the territorial seas of two States lying opposite to each other or adjacent to each other shall be marked on large-scale charts officially recognized by the coastal States.
Π. Übereinkommen vom 29. April 1958 über den Festlandsockel Article 1: For the purpose of these articles, the term „continental shelf" is used as referring (a) to the seabed and subsoil of the submarine areas adjacent to the coast but outside the
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Annex I I I : Auszüge aus multilateralen seerechtlichen Verträgen
territorial sea, to a depth of 200 metres or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas; (b) to the seabed and subsoil of similar submarine areas adjacent to the coasts of islands. Article 2: 1. The coastal State exercises over the continental shelf sovereign rights for the purpose of exploring it and exploiting its natural resources. 2. The rights referred to i n paragraph 1 of this article are exclusive i n the sense that if the coastal State does not explore the continental shelf or exploit its natural resources, no one may undertake these activities, or make a claim to the continental shelf, without the express consent of the coastal State. 3. The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend on occupation, effective or notional, or on any express proclamation. 4. . . . Article 6: 1. Where the same continental shelf is adjacent to the territories of two or more States whose coasts are opposite each other, the boundary of the continental shelf appertaining to such States shall be determined by agreement between them. I n the absence of agreement, and unless another boundary line is justified by special circumstances, the boundary is the median line, every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines from which the breadth of the territorial sea of each State is measured. 2. Where the same continental shelf is adjacent to the territories of two adjacent States, the boundary of the continental shelf shall be determined by agreement between them. I n the absence of agreement, and unless another boundary is justified by special circumstances, the boundary shall be determined by application of the principle of equidistance from the nearest points of the baselines from which the breadth of the territorial sea of each State is measured. 3. In delimiting the boundaries of the continental shelf, any lines which are drawn in accordance w i t h the principles set out i n paragraphs 1 and 2 of this article should be defined w i t h reference to charts and geographical features as they exist at a particular date, and reference should be made to fixed permanent identifiable points on the land.
ΙΠ. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationeil vom 10. Dezember 1982 Article 3: Breadth of the territorial sea Every State has the right to establish the breadth of its territorial sea up to a limit not exceeding 12 nautical miles, measured from baselines determined i n accordance w i t h this Convention. Article 15: Delimitation of the territorial sea between States w i t h opposite or adjacent coasts Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its
Annex I I I : Auszüge aus multilateralen seerechtlichen Verträgen territorial sea beyond the median line every point of which is equidistant from the nearest points on the baselines from which the breadth of the territorial seas of each of the two States is measured. The above provision does not apply, however, where it is necessary by reason of historic title or other special circumstances to delimit the territorial seas of the two States i n a way which is at variance therewith. Article 46: Use of terms For the purposes of this Convention: (a) „archipelagic State" means a State constituted wholly by one or more archipelagos and may include other islands; (b) „archipelago" means a group of islands, including parts of islands, interconnecting waters and other natural features which are so closely interrelated that such islands, waters and other natural features form an intrinsic geographical, economic and political entity, or which historically have been regarded as such. Article 47: Archipelagic baselines 1. An archipelagic State may draw straight archipelagic baselines joining the outermost points of the outermost islands and drying reefs of the archipelago provided that within such baselines are included the main islands and an area i n which the ratio of the area of the water to the area of land, including atolls, is between 1 to 1 and 9 to 1. 2. The length of such baselines shall not exceed 100 nautical miles, except that up to 3 per cent of the total number of baselines enclosing any archipelago may exceed that length, up to a maximum length of 125 nautical miles. 3. The drawing of such baselines shall not depart to any appreciable extent from the general configuration of the archipelago. 4.-9.
...
Article 57: Breadth of the exclusive economic zone The exclusive economic zone shall not extend beyond 200 nautical miles from the baselines from which the territorial sea is measured. Article 74: Delimitation of the exclusive economic zone between States w i t h opposite or adjacent coasts 1. The delimitation of the exclusive economic zone between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement on the basis of international law, as referred to i n Article 38 of the Statute of the International Court of Justice, i n order to achieve an equitable solution. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States concerned shall resort to the procedures provided for i n Part XV. 3. Pending agreement as provided for in paragraph 1, the States concerned, in a spirit of understanding and co-operation, shall make every effort to enter into provisional arrangements of a practical nature and, during this transitional period, not to jeopardize or hamper the reaching of the final agreement. Such arrangements shall be without prejudice to the final delimitation. 4. Where there is an agreement i n force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the exclusive economic zone shall be determined i n accordance w i t h the provisions of that agreement.
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Annex I I I : Auszüge aus multilateralen seerechtlichen Verträgen
A r t i d e 76: Definition of the continental shelf 1. The continental shelf of a coastal State comprises the sea-bed and subsoil of the submarine areas that extend beyond its territorial sea throughout the natural prolongation of its land territory to the outer edge of the continental margin, or to a distance of 200 nautical miles from the baselines from which the territorial sea is measured where the outer edge of the continental margin does not extend up to that distance. 2. The continental shelf of a coastal State shall not extend beyond the limits provided for in paragraphs 4 to 6. 3. The continental margin comprises the submerged prolongation of the land mass of the coastal State, and consists of the sea-bed and subsoil of the shelf, the slope and the rise. It does not include the deep ocean floor w i t h its oceanic ridges or the subsoil thereof. 4. (a) For the purposes of this Convention, the coastal State shall establish the outer edge of the continental margin wherever the margin extend beyond 200 nautical miles from the baselines from which the territorial sea is measured, by either: (i) a line delineated i n accordance w i t h paragraph 7 by reference to the outermost fixed points at each of which the thickness of sedimentary rocks is at least 1 per cent of the shortest distance from such point to the foot of the continental slope; or (ii) a line delineated i n accordance w i t h paragraph 7 by reference to fixed points not more than 60 nautical miles from the foot of the continental slope. (b) In the absence of evidence to the contrary, the foot of the continental slope shall be determined as the point of maximum change in the gradient at its base. 5. The fixed points comprising the line of the outer limits of the continental shelf on the sea-bed, drawn in accordance w i t h paragraph 4 (a)(i) and (ii), either shall not exceed 350 nautical miles from the baselines from which the territorial sea is measured or shall not exceed 100 nautical miles from the 2.500 metre isobath, which is a line connecting the depth of 2.500 metres. 6. Notwithstanding the provisions of paragraph 5, on submarine ridges, the outer limit of the continental shelf shall not exceed 350 nautical miles from the baselines from which the breadth of the territorial sea is measured. This paragraph does not apply to submarine elevations that are natural components of the continental margin, such as its plateaux, rises, caps, banks and spurs. 7. The coastal State shall delineate the outer limits of its continental shelf, where that shelf extends beyond 200 nautical miles from the baselines from which the breadth of the territorial sea is measured, by straight lines not exceeding 60 nautical miles in length, connecting fixed points, defined by co-ordinates of latitude and longitude. 8.-10.
...
Article 77: Rights of the coastal State over the continental shelf 1. The coastal State exercises over the continental shelf sovereign rights for the purpose of exploring it and exploiting its natural resources. 2. The rights referred to i n paragraph 1 are exclusive in the sense that if the coastal State does not explore the continental shelf or exploit its natural resources, no one may undertake these activities without the express consent of the coastal State.
Annex I I I : Auszüge aus multilateralen seerechtlichen Verträgen 3. The rights of the coastal State over the continental shelf do not depend on occupation, effective or notional, or on any express proclamation. 4. . . . Article 83: Delimitation of the continental shelf between States w i t h opposite or adjacent coasts 1. The delimitation of the continental shelf between States w i t h opposite or adjacent coasts shall be effected by agreement on the basis of international law, as referred to in Article 38 of the Statute of the International Court of Justice, i n order to achieve an equitable solution. 2. If no agreement can be reached within a reasonable period of time, the States concerned shall resort to the procedures provided for in Part XV. 3. Pending agreement as provided for in paragraph 1, the States concerned, in a spirit of understanding and co-operation, shall make every effort to enter into provisional arrangements of a practical nature and, during this transitional period, not to jeopardize or hamper the reaching of the final agreement. Such arrangements shall be without prejudice to the final delimitation. 4. Where there is an agreement in force between the States concerned, questions relating to the delimitation of the continental shelf shall be determined in accordance w i t h the provisions of that agreement. Article 121: Régime of islands 1. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. Except as provided for in paragraph 3, the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf of an island is determined in accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 3. Rocks which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone or continental shelf.
Annex IV W o r k i n g p a p e r of t h e Second C o m m i t t e e : m a i n trends UNCLOS III, Off. Ree. Vol. Ill, 107 ff. (Auszüge) Questions of the delimitation between States; various aspects involved Provision 82 Formula A 1. Where the same continental shelf is adjacent to the territories of two or more States whose coasts are opposite each other, the boundary of the continental shelf appertaining to such States shall be determined by agreement between them. I n the absence of agreement, and unless another boundary line is justified by special circumstances, the boundary is the median line, every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines from which the breadth of the territorial sea of each State is measured. 2. Where the same continental shelf is adjacent to the territories of two adjacent States, the boundary of the continental shelf shall be determined by agreement between them. I n the absence of agreement, and unless another boundary is justified by special circumstances, the boundary shall be determined by application of the principle of equidistance from the nearest points of the baselines from which the breadth of the territorial sea of each State is measured. 3. In delimiting the boundaries of the continental shelf, any lines which are drawn i n accordance w i t h the principles set out in paragraphs 1 and 2 of this provision should be defined w i t h reference to charts and geographical features as they exist at a particular date, and reference should be made to fixed permanent identifiable points on the land. Formula Β 1. Where the coasts of two or more States are adjacent and/or opposite, the continental shelf areas appertaining to each State shall be determined by agreement among them, i n accordance w i t h equitable principles. 2. In the course of negotiations, the States shall take into account all the relevant factors . . . 3. The States shall make use of any of the methods envisaged i n Article 33 of the Charter of the United Nations, as well as those established under international agreements to which they are parties, or other peaceful means open to them, in case any of the parties refuses to enter into or continue negotiations or in order to resolve differences which may arise during such negotiations.
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4. The States may decide to apply any or a combination of methods and principles apropriate for arriving at an equitable delimitation based on agreement. Formula C 1. Where the coasts of two or more States are adjacent or opposite to each other, the delimitation of the boundary of the continental shelf appertaining to such States shall be determined by agreement between them, taking into account the principle of equidistance. 2. Failing such agreement, no State is entitled to extend its sovereignty over the continental shelf beyond the median line every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines,... from which the breadth of the territorial sea of each of the two States is measured. Formula D 1. The delimitation of the continental shelf or the exclusive economic zone between adjacent and/or opposite States must be done by agreement between them, i n accordance w i t h an equitable dividing line, the median or equidistance line not being necessarily the only method of delimitation. 2. For this purpose, special account should be taken of geological and geomorphological criteria, as well as of all the special circumstances, including the existence of islands or islets in the area to be delimited. Provision 83 Where there is an agreement between the States concerned, questions relating to the delimitation of their (economic zones-patrimonial seas) and their sea-bed areas shall be determined i n accordance w i t h the provisions of that agreement. Provision 84 No State shall by reason of this Convention claim or exercise rights over the natural resources of any area of the sea-bed and subsoil over which another State had, under international law immediately before the coming into force of this Convention, sovereign rights for the purpose of exploring it or exploiting its natural resources.
Regime of Islands Provision 239 Formula A A n island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. Formula Β 1. An island is a vast naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. An islet is a smaller naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide.
Annex IV: W o r k i n g paper of the Second Committee: m a i n trends 3. A rock is a naturally formed rocky elevation of ground, surrounded by water, which is above water at high tide. 4. A low-tide elevation is a naturally formed area of land which is surrounded by and above water at low tide but submerged at high tide. Formula C 1. An islet is a naturally formed elevation of land (or simply an eminence of the seabed) less than one square kilometre in area, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. An island similar to an islet is a naturally formed elevation of land (or simply an eminence of the sea-bed) surrounded by water, which is above water at high tide, which is more than one square kilometre but less than . . . square kilometres i n area, which is not or cannot be inhabited (permanently) or which does not or cannot have its own economic life. Provision 241 Formula A 1. Maritime spaces of islands shall be determined according to equitable principles, taking into account all relevant factors and circumstances including, inter alia: (a) The size of islands; (b) The population or the absence thereof; (c) Their contiguity to the principal territory; (d) Whether or not they are situated on the continental shelf of another territory; (e) Their geological and geomorphological structure and configuration. 2. Island States and the régime of archipelagic States as set out under the present Convention shall not be affected by this article. Formula Β 1. Subject to paragraph 4 of this article, the territorial sea of an island is measured in accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 2. The economic zone of an island and its continental shelf are determined i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to other land territory. 3. The foregoing provisions have application to all islands, including those comprised in an island State. 4. In the case of atolls or of islands having fringing reefs, the baseline for measuring the breadth of the territorial sea shall be the seaward edge of the reef, as shown on official charts. Formula C 1. The sovereignty and jurisdiction of a State extends to the maritime zones of its islands determined and delimited i n accordance w i t h the provisions of this Convention applicable to its land territory. 2. The sovereignty over the islands extends to its territorial sea, to the air space over the island and its territorial sea, to its sea-bed and the subsoil thereof and to the continental shelf for the purpose of exploring it and exploiting its natural resources.
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3. The island has a contiguous zone and an economic zone on the same basis as the continental territory, i n accordance w i t h the provisions of this Convention. Formula D 1. An island situated i n the economic zone or on the continental shelf of other States shall have no economic zone or continental shelf of its own if it does not contain at least one tenth of the land area and population of the State to which it belongs. 2. Islands without economic life and situated outside the territorial sea of a State shall have no marine space of their own. 3. Rocks and low-tide elevations shall have no marine space of their own. Formula E 1. The marine spaces of islets or islands similar to islets situated in the territorial sea, on the continental shelf or in the economic zone of another State shall be determined by agreement between the States concerned or by other means of pacific settlement used in international practice. 2. The marine spaces of such elevations of land situated i n the international zone of the sea-bed shall be established by agreement w i t h the international authority for that zone. Provision 242 Formula A 1. In principle, a State may not invoke the existence, i n one of its maritime zones, of islets or islands similar to islets, as defined in article .. . (provision 239, formula C), for the purpose of extending the marine spaces which belong to its coasts. 2. Where such elevations of land are situated along the coast of the same State, in immediate proximity thereto, they shall be taken into consideration, i n accordance w i t h the provisions of this Convention, for the purpose of establishing the baseline from which the breadth of the territorial sea is measured. 3. Where an islet or island similar to an islet is situated i n the territorial sea of the same State but very close to its outer limit, the State in question may reasonably extend its territorial waters seaward or establish an additional maritime zone for the protection of lighthouses or other installations on such islet or island. The additional zone thus established shall in no way affect the marine spaces belonging to the coasts of the neighbouring State or States. 4. Islets or islands similar to islets which are situated beyond the territorial sea, on the continental shelf or in the economic zone of the same State, may have around them or around some of their sectors security areas or even territorial waters i n so far as this is without prejudice to the marine spaces which belong to the coasts of the neighbouring State or States. 5. Where such eminences of the sea-bed are situated very close to the outer limit of the continental shelf or of the economic zone, the extension of their security zones or their territorial waters shall be established by agreement w i t h the neighbouring State or States, or, where appropriate, w i t h the authority for the international zone, having regard to all relevant geographic, geological or other factors. 22 Heintschel v. Heinegg
Annex IV: W o r k i n g paper of the Second Committee: m a i n trends Formula Β 1. An island, islet, rock or a low-tide elevation are considered as adjacent when they are situated in the proximity of the coasts of the State to which they belong. 2. An island, islet, rock or low-tide elevation are considered as non-adjacent when they are not situated i n the poximity of the coasts of the State to which they belong. 3. The baselines applicable to adjacent islands, islets, rocks and low-tide elevations, in accordance w i t h article . . . (paras. 1 and 2 and provision 239, formula B), are considered as the baselines applicable to the State to which they belong and consequently are used in the measurement of the marine spaces of that State. 4. The marine spaces of islands considered non-adjacent, in accordance w i t h paragraphs . . . (para. 2 and provision 239, formula B, para. 1), shall be delimited on the basis of relevant factors taking into account equitable criteria. 5. These equitable criteria should notably relate to: (a) The size of these naturally formed areas of land; (b) Their geographical configuration and their geological and geomorphological structure; (c) The needs and interests of the population living thereon; (d) The living conditions which prevent a permanent settlement of population; (e) Whether these islands are situated within, or i n the proximity of, the marine space of another State; (f) Whether, due to their situation far from the coast, they may influence the equity of the delimitation. 6. A State cannot claim jurisdiction over the marine space by virtue of the sovereignty or control which it exercises over a non-adjacent islet, rock or low-tide elevation as defined in paragraphs . . . (para. 2 and provision 239, formula B, paras. 2 to 4). 7. In accordance w i t h paragraph 6, safety zones of reasonable breadth may nevertheless be established around such non-adjacent islets, rocks or low-tide elevations. 8. The provisions of articles . . . (paras. 1 to 7 and provision 239, formula B) shall not apply either to island or to archipelagic States. 9. A coastal State cannot claim rights based on the concept of archipelago or archipelagic waters by reason of its exercise of sovereignty or control over a group of islands situated off its coasts.
Provision 243 Formula A 1. The delimitation of any marine or ocean space shall, in principle, be effected between the coasts proper of the neighbouring States, using as a basis the relevant points on the coasts or on the applicable baselines, so that the areas situated off the sea frontage of each State are attributed thereto. 2. Islands which are situated in the maritime zones to be delimited shall be taken into consideration i n the light of their size, their population or the absence thereof, their situation and their geographical configuration, as well as other relevant factors. 3. Low-tide elevations, islets and islands that are similar to islets (of small size, uninhabited and without economic life) which are situated outside the territorial
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waters off the coasts and which constitute eminences on the continental shelf whether lighthouses or other installations have been built on them or not - and man-made islands - regardless of their dimensions and characteristics - shall not be taken into consideration i n the delimitation of marine or ocean space between neighbouring States. 4. The naturally formed areas of land referred to in paragraph 3 may have around them or around some of their sectors maritime safety areas or even territorial waters, provided they do not affect marine spaces belonging to the coasts of neighbouring States. 5. The provisions of the present article shall not be applicable to islands and to other naturally formed areas of land which constitute part of an island State or of an archipelagic State. Formula Β 1. In areas of semi-enclosed seas, having special geographic characteristics, the maritime spaces of islands shall be determined jointly by the States of that area. 2. The provisions of this chapter shall be applied without prejudice to the articles of this Convention relating to the delimitation of marine spaces between countries w i t h adjacent and/or opposite coasts. Formula C 1. In accordance w i t h the provisions of articles . . . (provision 242, formula B, paras. 2, 4 and 5), the delimitation of the marine spaces between adjacent and/or opposite States must be done, in the case of presence of islands, non-adjacent islets, rocks and low-tide elevations, by agreement between them according to principles of equity, the median or equidistance line not being the only method of delimitation. 2. For this purpose, special account should be taken of geological and geomorphological criteria, as well as of all other special circumstances. Formula D 1. Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its territorial sea beyond the median line, every point of which is equidistant from the nearest points on the baselines, continental or insular, from which the breadth of the territorial seas of each of the two States is measured. 2. Where the coasts of two or more States are adjacent or opposite to each other, the delimitation of the continental shelf boundaries shall be determined by agreement amongst themselves. 3. Failing such agreement, no State is entitled to extend its sovereignty over the continental shelf beyond the median line every point of which is equidistant from the nearest points of the baselines, continental or insular, from which the breadth of the continental shelf of each of the two States is measured. 4. Where the coasts of two or more States are adjacent or opposite to each other and the distance between them is less than double the uniform breadth provided in this Convention, the delimitation of their economic zones and of their sea-bed areas shall be determined by agreement amongst themselves. 5. Failing such agreement, no State is entitled to extend its rights over an economic zone and sea-bed area beyond the limits of the median line every point of which is 22'
Annex IV: W o r k i n g paper of the Second Committee: m a i n trends equidistant from the nearest points of the baselines, continental or insular, from which the breadth of the above areas of each of the two States is measured. Formula E Where the coasts of two States are opposite or adjacent to each other, neither of the two States is entitled, failing agreement between them to the contrary, to extend its maritime spaces beyond the median line, every point of which is equidistant from the nearest points on the baselines, continental or insular, from which the breadth of the maritime spaces of each of the two States is measured. Formula F Where the coasts of two or more States are adjacent and/or opposite to each other, the delimitation of the respective maritime spaces shall be determined by agreement among them in accordance w i t h equitable principles, taking into account all the relevant factors including, inter alia, the geomorphological and geological structure of the sea-bed area involved, and special circumstances such as the general configuration of their respective coasts, and the existence of islands, islets or rocks within the area. Formula G 1. The delimitation of the continental shelf or of the economic zone between adjacent and/or opposite States shall be effected by agreement between them i n accordance w i t h an equitable dividing line, the median or equidistance line not being the only method of delimitation. 2. For this purpose, account shall be taken, inter alia, of the special nature of certain circumstances, including the existence of islands or islets situated i n the area to be delimited or of such kind that they might affect the delimitation to be carried out.
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