Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht [1 ed.] 9783428541720, 9783428141722

Die Rolle des Eides im römischen Privatrechtsleben ist erst in zweiter Linie ein sozial- oder religionshistorisches und

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Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht [1 ed.]
 9783428541720, 9783428141722

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 164

Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

JAN DIRK HARKE

Der Eid im klassischen römischen Privatund Zivilprozessrecht

Schriften zur Rechtsgeschichte

Band 164

Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-14172-2 (Print) ISBN 978-3-428-54172-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84172-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Rolle des Eides im römischen Privatrechtsleben ist erst in zweiter Linie ein sozial- oder religionshistorisches und zuvörderst ein dogmatisches Thema. Denn nur wenn die Bedingungen wirksamer Eidesleistung und ihre Rechtsfolgen klar zutage liegen, lassen sich weitere Schlüsse auf die soziale oder religiöse Bedeutung des Eides für die Römer ziehen. Sie durch eine dogmatische Analyse der römischen Quellen vorzubereiten ist die Aufgabe dieses Buchs. Den Mitarbeitern meines Lehrstuhls, Frau stud. iur. Magdalena Becker, Frau stud. iur. Julia Schaller, Herrn stud. iur. Norbert Schnellhammer, Frau stud. iur. Melanie Thiemann, und meinem ehemaligen Assistenten, Herrn Rechtsassessor Christoph Hendel, danke ich sehr für die geduldige Korrektur des Manuskripts. Besonders hervorheben möchte ich die Leistung von Frau Schaller, die den Text, als ich die Arbeiten schon abgeschlossen wähnte, aus eigenem Antrieb noch einmal mit Akribie durchgegangen ist und so zahlreiche Fehler entdeckt und beseitigt hat. Gewidmet soll der Band meinen Söhnen Luis Kasimir und Nuno Daniel sein. In der Entstehungszeit dieses Buches, an dem ich ab August 2012 gearbeitet habe, ist der eine vom Klein- zum Schulkind herangereift, und der andere hat zu sprechen angefangen. Würzburg, im August 2013

Jan Dirk Harke

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erstes Kapitel Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

16

I. Verpflichtung durch Eidesleistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Der Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Die Ausnahme: Der Schwur eines libertus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Der Erlass der Eidesbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Die Ausnahme: Der Schwur bei der testamentarischen Freilassung . . . . . . . . . . . . 41 Zweites Kapitel Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

43

I. Eckdaten und Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Das iusiurandum voluntarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Rechtsfolgen des Eides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Die Motivation zum Eidesantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Eidesthemen und Eidessituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Eid über den Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Eid über ein Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Eid über die Zuständigkeit einer Sache oder einer Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Eid über den Status einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5. Eid über eine Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Eidesantrag und Eidesleistung als Prozessvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

8

Inhaltsverzeichnis 2. Der Eid als nachträglich konzeptualisierte Rechtseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Die Rolle des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Drittes Kapitel Der Zwangseid

117

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Die Pflicht zur Eidesleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Der Gegeneid des Klägers als Grund der Eidespflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Der Eid über den Sklavenbesitz bei der Noxalklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Der Eid bei der actio rerum amotarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Ein Zwangseid bei der Injurienklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Die Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik . . . . . . 140 Viertes Kapitel Das iusiurandum in litem

152

I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Eidesantrag und Eidesleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Abweichung vom Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Beschränkung durch richterliche Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Verhältnis von Eid und wirklichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. ,Dolus aut contumacia‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Restitutionspflicht als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Ein kaufähnlicher Vergleichsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Fünftes Kapitel Iusiurandum de calumnia

187

I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

9

II. Der Kalumnieneid auf Antrag einer Prozesspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Die justinianische Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Sechstes Kapitel Ertrag und Rechtsvergleich

206

I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Der Eid ist folgenlos und wirkt nur kraft der Zustimmung der Gegenseite . . . . . . 206 2. Der Eid ist kein Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Der Eid ist vermeidbar oder kann nicht ohne Weiteres verlangt werden . . . . . . . . 208 4. Es gibt keine Spuren eines älteren, eidesfreundlichen Regimes . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Im byzantinischen Recht gewinnt der Eid eine eigenständige Bedeutung . . . . . . . 210 II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Verzeichnis der juristischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Abkürzungsverzeichnis Amirante, Giuramento

Luigi Amirante, Il giuramento prestato prima della litis contestatio nelle legis actiones e nelle formulae, Neapel 1954 Amirante, Iusiurandum Luigi Amirante, Dubbi e riflessioni in tema di iusiurandum in in iudicio iudicio, in: Studi in onore di Emilio Betti, Bd. 3, Mailand 1962, S. 15 ff. Bertolini, Giuramento Cesare Bertolini, Il giuramento nel diritto private romano, Rom 1886 Biondi, Giuramento Biondo Biondi, Il giuramento decisorio nel processo civile romano, 1913 Calore, Per Iovem lapidem Antonello Calore, Per Iovem lapidem. Alle origini del giuramento, Mailand 2000 Calore, Rimozione Antonello Calore, La rimozione del giuramento: condicio iurisdel giuramento iurandi e condicio turpis nel testamento romano, Mailand 1988 Chiazzese, Iusiurandum Lauro Chiazzese, Iusiurandum in litem, Mailand 1956 Demelius, Schiedseid Gustav Demelius, Schiedseid und Beweiseid, Leipzig 1887 Ehrhardt, Litis aestimatio Arnold Ehrhardt, Litis aestimatio im römischen Formularprozeß, München 1934 Fierich, Eideszuschiebung Moritz Fierich, Über die Eideszuschiebung. Mit besonderer Berücksichtigung des Werkes von Gustav Demelius, GrünhutsZ 16 (1888) 71 Gröschler, Actiones Peter Gröschler, Actiones in factum. Eine Untersuchung zur in factum Klage-Neuschöpfung im nichtvertraglichen Bereich, Berlin 2002 Grzimek, Taxatio Philipp Grzimek, Studien zur taxatio, München 2001 Kaser/Hackl, RZ Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., München 1996 Lambert, Operae liberti Jacques Lambert, Les operae liberti. Contribution à l’historie des droits de patronat, Paris 1934 Lenel, EP Otto Lenel, Das Edictum Perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927 Lenel, Pal. Otto Lenel, Palingenesia Iuris Civilis, Leipzig 1889 Münks, Parteieid Andrea Münks, Vom Parteieid zur Parteivernehmung in der Geschichte des Zivilprozesses, Köln 1992 Pescani, Operae liberPietro Pescani, Le operae libertorum, Triest 1967 torum Provera, Iusiurandum Giuseppe Provera, Contributo allo studio del iusiurandum in litem, Turin 1953 Seidl, Eid Erwin Seidl, Der Eid im römisch-ägyptischen Provinzialrecht, München, Bd. 1, 1933, Bd. 2, 1935asdf Simon, Untersuchungen Dieter Simon, Untersuchungen zum justinianischen Zivilprozeß, München 1969

Abkürzungsverzeichnis Waldstein, Operae libertorum Zuccotti, Giuramento

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Wolfgang Waldstein, Operae libertorum. Untersuchungen zur Dienstpflicht freigelassener Sklaven, Stuttgart 1986 Ferdinando Zuccotti, Il giuramento nel mondo giuridico e riligioso antico, Mailand 2000

Einleitung Zu den verschiedenen Erscheinungsformen des Eides im römischen Privat- und Zivilprozessrecht liegen schon Einzeluntersuchungen aus dem 20. Jahrhundert vor, die jedoch zum überwiegenden Teil von einer überaus freizügigen Textkritik geprägt sind. Den Versuch einer Zusammenschau aller Schwurarten hat zuletzt Bertolini im späten 19. Jahrhundert unternommen. Er konnte dabei aber noch nicht die Forschungsergebnisse von Demelius berücksichtigen, der kurz nach dem Erscheinen von Bertolinis Schrift den in Justinians Quellen verdeckten Unterschied zwischen dem freiwillig zur Streitentscheidung geleisteten Eid und dem bei bestimmten Verfahren auf den Beklagten ausgeübten Eideszwang herausstellte. Auf der Basis dieser Erkenntnis, die später von Amirante in ihrer Tragweite relativiert wurde, sowie mit größerem Vertrauen in die Authentizität des Quellenmaterials soll hier erneut eine Gesamtdarstellung der Rolle des Eides im römischen Zivil- und Zivilverfahrensrecht gewagt werden. Außer dem freiwillig übernommenen oder erzwungenen Eid über den Klagegrund soll sie auch den Schätzungseid, das sogenannte iusiurandum in litem, den Eid über die mangelnde Schikaneabsicht, das iusiurandum de calumnia, und den Eid als Mittel rechtsgeschäftlicher Gestaltung einschließen. Zwar ist es in nachrömischer Zeit üblich geworden, zwischen dem promissorischen Eid als Mittel zur Begründung einer Verpflichtung und dem assertorischen Eid als Instrument der Wahrheitsfeststellung zu trennen. Wie wenig diese strikte Sonderung noch das Rechtsdenken der römischen Spätklassik trifft, zeigt jedoch das Zitat einer kaiserlichen Entscheidung bei Ulpian. In ihr wird die ansonsten geltende Regel, dass ein falscher Eid keine Strafe zeitigt,1 für einen Schwur auf den genius des Kaisers moderat durchbrochen und eine Züchtigung durch Prügel vorgesehen.2 Sie soll denjenigen, der einen Meineid über seine mangelnde Verpflichtung geleistet hat, ebenso treffen wie denjenigen, der durch Eid eine Leistung versprochen und diese dann nicht erbracht hat: D 12.2.13.6 Ulp 22 ed Si quis iuraverit in re pecuniaria per genium principis dare se non oportere et peieraverit vel dari sibi oportere, vel intra certum tempus iuraverit se soluturum nec solvit: imperator noster cum patre rescripsit fustibus eum castigandum dimittere et ita ei superdici: propeto¯s me¯ omnye. Hat jemand in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit beim Schutzgeist des Kaisers geschworen, dass er nicht zur Leistung verpflichtet sei, und so einen Meineid geleistet, oder 1

Hierzu Zuccotti, Giuramento, S. 33 ff. Dass es keine regelrechte Strafe ist, die hier verhängt wird, hebt zu Recht Zuccotti, Giuramento, S. 46 hervor. 2

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Einleitung hat er geschworen, dass er zu leisten verpflichtet sei oder innerhalb einer bestimmten Zeit leisten werde, und hat er nicht geleistet, so hat unser Kaiser gemeinsam mit seinem Vater befunden, er sei nach Züchtigung mit Stockschlägen zu entlassen und ihm sei einzuschärfen, er solle nicht leichtfertig schwören.

Sind der Meineid über vergangene Umstände und das nicht gehaltene eidliche Versprechen aus Sicht der römischen Juristen gleichermaßen ein falscher Schwur, rechtfertigt dies auch ihre gemeinsame Untersuchung. Ergeben sich hierbei übergreifende Prinzipien, können diese auch Aufschluss über den Standpunkt der römischen Rechtswissenschaft zur Frage des Verhältnisses von Recht und Religion geben. Dass der Eid im römischen Rechtsleben vorkommt, bezeugt nicht nur die Fülle an überlieferten Entscheidungen der Juristen. Es zeigt sich auch daran, dass sogar im neuen pompejanischen Urkundenfund zwei Dokumente vorkommen, die einen Eid festhalten. Es sind TPSulp 28, worin ein Antrag dokumentiert ist, mit dem ein Schuldner seinem Gläubiger den Eid seines Gläubigers über den Bestand seiner Forderung zugesteht, und TPSulp 29, worin der Eid desselben Gläubigers dokumentiert ist, keine iniuria zulasten des Schuldners begangen zu haben. Beide Urkunden sind vermutlich Aspekte der außergerichtlichen Beilegung eines Konflikts, bei der der Gläubiger auf einen Teil der von ihm behaupteten Forderung gegen den Schuldner verzichtet und dafür von diesem aus einer durch die Anspruchsberühmung begründeten Haftung wegen Beleidigung entlassen wird.3 Die hierüber ausgestellten Dokumente belegen, dass der streitentscheidende Eid im römischen Rechtsalltag gegenwärtig ist, verraten aber noch nichts über die Rechtsprinzipien, denen er gehorcht. Dasselbe gilt für die Äußerungen der Schriftsteller, wonach sich die Zensur intensiv mit dem falschen Schwur beschäftige und ihn hart sanktioniere.4 Die sittliche Bedeutung des Eides lässt noch keinen Schluss darauf zu, ob und wie die Rechtsordnung auf einen Eid reagiert. Immerhin begründet Gellius’ bekannter Satz, der Eid werde bei den Römern als heilig angesehen und nicht verletzt,5 die Vermutung, dass der Eid auch als Rechtsinstitut anerkannt ist. Ein noch stärkeres Indiz bildet Ciceros Verweis auf die Rolle des Eides im Zwölftafelgesetz6 und seinen Zusammenhang mit Treue und Gerechtigkeit:

3 Vgl. hierzu Gröschler, Der Eid in TPSulp. 28 und 29, SZ 121 (2004) 110, 125 ff. Anders als Gröschler erscheint mir die Aufgabe des Eides über die iniuria nicht zu sein, eine Verfolgung wegen Meineides zu vermeiden; stattdessen soll sie eine Inanspruchnahme des Gläubigers wegen seiner früheren Behauptung verhindern, eine höhere als die durch Eidesantrag zugestandene Forderung in Höhe von 3.000 Sesterzen zu haben. 4 Vgl. Gell 6.18.10, Cic off 3.31.111. 5 Gell 6.18.1: Iusiurandum apud Romanos inviolate sancteque habitum servatumque est. … 6 Cic off 3.31.111.

Einleitung

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Cic off 3.29.104 Sed in iure iurando non qui metus, sed quae vis sit, debet intellegi. Est enim ius iurandum affirmatio religiosa; quod autem affirmate, quasi deo teste promiseris, id tenendum est. Iam enim non ad iram deorum, quae nulla est, sed ad iustitiam et ad fidem pertinet. Aber bei einem Eid muss man sich nicht vergegenwärtigen, was man zu befürchten hat, sondern welche Bedeutung er hat. Der Eid ist nämlich eine religiöse Bekräftigung; was man aber bekräftigt und gleichsam unter göttlichem Zeugnis versprochen hat, ist einzuhalten. Denn der Eid hat nichts mehr zu tun mit dem Zorn der Götter, den es nicht gibt, sondern mit Gerechtigkeit und Treue.

Indem Cicero den Eid von seiner religiösen Bedeutung löst und aus den Geboten der iustitia und fides erklärt, stellt er eine Verbindung zur Rechtsordnung her, in der eben diese Gebote als Rechtsprinzipien wirksam sind. Dies legt nahe, dass der Eid nicht nur sittliche Bedeutung hat, sondern ein Rechtsinstitut mit eigenständiger Funktion ist.7 Von vornherein unberechtigt wäre ein solcher Schluss aus dem Begriff des iusiurandum. Der merkwürdige Ausdruck entstammt offensichtlich einer Phase der Sprachentwicklung, in der ius und iurare nicht nur in ihrem Ursprung, sondern auch noch in ihrer Bedeutung miteinander verbunden waren: ius bezeichnete die Formel, iurare ihr Aufsagen, so dass ius iurandum die aufzusagende Formel, die der Schwörende vorgesprochen bekam und dann wiederholen musste.8 Der Ausdruck iusiurandum knüpft also an den äußeren Hergang der Eidesleistung und nicht etwa an das ius im Sinne der von Menschen gesetzten Rechtsordnung und Gegenbegriff zu fas an.9

7

Insoweit richtig Calore, Rimozione, S. 166 ff. und ders., Per Iovem lapidem, S. 156 ff. Vgl. Benveniste, Indo-European language and society, London 1973, S. 389, 391 ff., Mallory/Adams, Encyclopedia of Indo-European culture, London 1997, S. 346 (,oath‘). 9 Auch fas entspringt der Vorstellung einer – freilich unpersönlichen und damit göttlichen – Äußerung; vgl. Benveniste (Fn. 8), S. 407, 410 ff. 8

Erstes Kapitel

Iusiurandum bei Rechtsgeschäften I. Verpflichtung durch Eidesleistung? 1. Der Grundsatz Der Schwur, eine Leistung zu erbringen, ist nach klassischem Recht grundsätzlich nicht geeignet, eine Verpflichtung zu begründen. Dies ergibt nicht bloß das Schweigen der von Justinian gesammelten Quellen. Es ist auch Thema eines Passus des gaianischen Institionenlehrbuchs. In seinem direkt überlieferten Teil gibt er das Prinzip wieder, verweist aber zugleich auf eine Ausnahme: Gai 3.96 … Sed haec sola causa est, ex qua iureiurando contrahitur obligatio. sane ex alia nulla causa iureiurando homines obligantur, utique cum quaeritur de iure Romanorum. nam apud peregrinos quid iuris sit, singularum ciuitatium iura requirentes aliud intellegere poterimus in aliis valere. … Aber dies ist der einzige Fall, in dem durch den Eid eine Verpflichtung begründet wird. Ansonsten wird jemand nämlich nicht aufgrund eines Eides verpflichtet, zumindest was das Recht der Römer anbelangt. Denn in der Frage, was für Ausländer gilt, können wir je nach dem untersuchten Recht der einzelnen Bürgerschaft feststellen, dass immer etwas anderes gilt.

Der diesem Text vorangehende Satz, von dem nur die einleitenden Worte: ,item uno loquente‘, erhalten sind, lässt sich mit Hilfe der in der Lex Romana Visigothorum überlieferten Epitome ergänzen. Hierin wird als Ausnahme von der Regel mit annähernd derselben Einleitungsformel der Eid eines Freigelassenen genannt, der seinem Patron schwört, ein Geschenk zu machen, Lasten zu übernehmen oder Dienste zu leisten; und den Grundsatz, wonach ein Eid nicht verbindlich machen könne, finden wir in der Weise konkretisiert, dass keine andere Person als ein Freigelassener durch seinen Schwur eine Verpflichtung begründen könne: Gai ep 2.9.4 Item et alio casu, uno loquente et sine interrogatione alii promittente, contrahitur obligatio, id est, si libertus patrono aut donum aut munus aut operas se daturum esse iurauit. In qua re supradicti liberti non tam verborum solemnitate, quam iniurandi religione tenentur. Sed nulla altera persona hoc ordine obligari potest. Auch in einem anderen Fall, in dem nur einer redet und nicht einer etwas auf die Frage eines anderen verspricht, kommt eine Verpflichtung zustande, nämlich wenn ein Freigelassener

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

17

schwört, seinem Freilasser ein Geschenk zu machen, eine Last zu übernehmen oder Dienste zu leisten. In diesem Fall haften die oben genannten Freigelassenen nicht kraft einer Wortformel, sondern kraft der Bindung an den Eid. Aber keine andere Person kann auf diese Weise verpflichtet werden.

Im Original seines Lehrbuchs stellt Gaius den Grundsatz der Unverbindlichkeit des Eides als eine Eigenheit des römischen Rechts heraus und weist darauf hin, dass in anderen Rechtsgemeinschaften durchaus etwas anderes gelten könne. Spuren einer solchen vom römischen Recht abweichenden Rechtspraxis finden sich noch in einer Entscheidung Scaevolas: D 32.37.5 Scaev 18 dig Codicillis ita scripsit: ,Boulomai panta ta hypotetagmena kyria einai. Maximo¯ to¯ kyrio¯ mou de¯naria myria pentakischilia, hatina elabon parakatathe¯ke¯n para tou theiou autou Iouliou Maximou, ina auto¯ andro¯thenti apodo¯so¯ ha ginontai syn toko¯ tris myria, apodothe¯nai auto¯ boulomai; houto¯ gar to¯ theio¯ autou o¯mosa‘. quaesitum est, an ad depositam pecuniam petendam sufficiant verba codicillorum, cum hanc solam nec aliam ullam probationem habeat. respondi: ex his quae proponerentur, scilicet cum iusiurandum dedisse super hoc testator adfirmavit, credenda est scriptura. In einem Kodizill hat jemand bestimmt: „Ich will, dass gilt, was im Folgenden angeordnet ist. Ich will, dass meinem Herrn Maximus der Betrag von 15.000 Denaren gegeben werde, den ich von dessen Onkel, Julius Maximus, zur Verwahrung erhalten habe, damit ich sie ihm, wenn er volljährig wird, zurückgebe, und zwar einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 30.000, weil ich es so gegenüber seinem Onkel beschworen habe.“ Es ist gefragt worden, ob der Wortlaut des Kodizills hinreicht für die Forderung des hinterlegten Betrags, da er nur diesen und keinen anderen Beweis hatte. Ich habe befunden: Nach dem Vorgetragenen ist der Urkunde zu glauben, da der Erblasser versichert, einen Eid geleistet zu haben.

Scaevola ist vor die Frage gestellt, ob die Erwähnung einer unregelmäßigen Verwahrung in einem vom Verwahrer verfassten Testamentszusatz auch ohne weitere Beweismittel genügt, um die Existenz des Verwahrungsvertrags zu beweisen. Dieser bildet die Grundlage für die Forderung des hinterlegten Betrags, der von dem Niederleger mit der Verwahrungsklage, von dem Destinatär aufgrund des ihm im Testamentszusatz ausgesetzten Fideikommisses herausverlangt werden könnte. Scaevola hält die Verwahrung für nachgewiesen, weil der Erblasser in dem Kodizill behauptet, er habe das Versprechen zur Erfüllung des Verwahrungsvertrags beeidet. Diesem Schwur misst Scaevola nur deshalb Bedeutung zu, weil der Bericht des Erblassers über seinen Eid ein starkes Indiz für die Wahrheit seiner Behauptung ist. Zugrunde liegt die Überlegung, ein Erblasser stelle nicht so leicht die Behauptung seiner eidlichen Bindung auf, die seine Darstellung in besonderem Maße glaubhaft mache. In materiellrechtlicher Hinsicht bleibt der Eid dagegen ohne Belang. Gemeinsam mit der griechischen Fassung des Testamentswortlauts deutet seine Erwähnung darauf hin, dass der Erblasser einem anderem Kulturkreis entstammt, in dem die Beeidigung einer Vereinbarung als wirksames Instrument zur Begründung oder Verstärkung der vertraglichen Bindung angesehen wird.

18

1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

Keine Ausnahme vom römischen Grundsatz der Unverbindlichkeit eines Eides bedeutet es, dass ein Vadimonium zuweilen in Gestalt eines Schwurs geleistet wird. Hiervon berichtet Gaius an einer anderen Stelle seines Institutionenlehrbuchs: Gai 4.185 Fiunt autem uadimonia quibusdam ex causis pura, id est sine satisdatione, quibusdam cum satisdatione, quibusdam iureiurando, quibusdam recuperatoribus suppositis … Die Gestellungsversprechen werden aber in manchen Fällen rein, also ohne Sicherheitsleistung, in manchen Fällen mit Sicherheitsleistung, manchmal durch Eid, manchmal unter Bestellung eines Richterkollegiums geleistet …

Und Paulus stellt fest, dass in diesem Fall noch kein Meineid vorliegt, wenn derjenige, der den Schwur geleistet hat, sich später aus wichtigem Grund1 entgegen seiner Zusage doch nicht am Prozessort einfindet: D 2.8.16 Paul 6 ed Qui iurato promisit iudicio sisti, non videtur peierasse, si ex concessa causa hoc deseruerit. Wer durch Eid versprochen hat, vor Gericht zu erscheinen, wird nicht so angesehen, als habe er falsch geschworen, wenn er dieses Versprechen aus erlaubtem Grund nicht eingehalten hat.

Dass die Zusage, sich zur Fortsetzung des Prozesses einzufinden, mitunter beeidet wird, stellt eine Erleichterung gegenüber der regelmäßigen Form des Vadimonium durch Stipulation und Sicherheitsleistung dar. Während diese dem gewöhnlichen Beklagten obliegen, kommt der Eid als Mittel zur Sicherung des Gestellungsversprechens nur bei Personen in Betracht, auf deren Zusage man eigens vertrauen darf.2 Eine solche Differenzierung deutet auch Justinian in der Parallelstelle seiner Institutionen an, in der er auf die cautio iuratoria des byzantinischen Rechts eingeht. Er führt diese ebenfalls als Alternative zum einfachen Gestellungsversprechen und einer Sicherheitsleistung auf und lässt über die Auswahl die qualitas personae entscheiden: IJ 4.11.2 Sed haec hodie aliter observantur. sive enim quis in rem actione convenitur sive personali suo nomine, nullam satisdationem propter litis aestimationem dare compellitur; sed pro sua tantum persona, quod in iudicio permaneat usque ad terminum litis, vel committitur suae promissioni cum iureiurando, quam iuratoriam cautionem vocant, vel nudam promissionem vel satisdationem pro qualitate personae suae dare compellitur. Aber heute wird dies anders gehandhabt. Wer nämlich mit einer dinglichen oder persönlichen Klage selbst in Anspruch genommen wird, wird nicht gezwungen, Sicherheit für den Streitgegenstand zu leisten, sondern lediglich für seine Person, nämlich dass er bis zum Ende des Rechtsstreits vor Gericht verbleibt; und dies geschieht entweder durch sein Versprechen 1

Zu denken ist hier an die Entschuldigungsgründe der Krankheit, der höheren Gewalt und der Abwesenheit in Staatsangelegenheiten, die Ulpian in D 2.11.2 (74 ed) auflistet. 2 Kaser/Hackl, RZ, S. 229 Fn. 27 denken hier wegen D 2.8.15pr und D 12.2.15 (s. u. S. 129) an Grundbesitzer und personae egregiae.

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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unter Eid, das man eidliche Kaution nennt, oder er wird je nach dem Rang seiner Person gezwungen, ein einfaches Versprechen oder eine Sicherheitsleistung zu geben.

Ein Grund für gesteigertes Vertrauen ist Immobilienvermögen, das Kaiser Zeno bereits dazu veranlasst hat, Grundbesitzer zur cautio iuratoria zuzulassen: CJ 12.21.8.1 (a 484) … ita videlicet, ut pro tenore generalium edictorum ii, qui vel in sacratissima urbe vel in provinciis immobiles possident facultates, iuratoriae cautioni et substantiae suae credantur. … jedoch in der Weise, dass man sich entsprechend den Regeln allgemeiner Edikte bei denjenigen, die in der geweihten Stadt oder in den Provinzen über Grundbesitz verfügen, auf ihre eidliche Kaution und ihr Vermögen verlassen soll.

Bei viri illustres soll es das hohe Ansehen ihrer Person sein, das ein besonderes Vertrauen in sie begründet und den Ausschlag dafür gibt, ihnen das Privileg der cautio iuratoria zuzugestehen: CJ 12.1.17pr (a 485) Zeno A. Arcadio pp. Quotiens ex privata cuiuslibet interpellatione civili vel criminali viri illustres conveniendi sunt, nulla dandae fideiussionis concussione vexentur, sed per speciale privilegium suae committi fidei consequantur, iuratoria ab his cautione tantummodo exponenda. (1) Quam si neglexerint et contra insertum cautioni sacramentum ipsi vel eorum procuratores afuerint, in pecuniariis quidem causis super possessione rerum ad eos pertinentium iudex competens, quod et iuris auctoritas et rei qualitas suggerit, ordinabit … Kaiser Zeno an den Prätorianerpräfekten Arcadius. Werden hervorragende Beamte mit einer irgendeiner privaten Zivil- oder Strafklage belangt, sind sie nicht zur Stellung von Bürgen zu nötigen, sondern ihnen soll im Wege einer besonderen Vergünstigung Vertrauen zuteilwerden, indem nur eine eidliche Kaution von ihnen zu stellen ist. (1) Vernachlässigen sie diese aber und bleiben sie selbst oder ihre Prozessvertreter entgegen dem in der Sicherheitsleistung enthaltenen Eid abwesend, bestimmt in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über den Besitz der ihnen gehörenden Sachen der zuständige Richter, was nach dem Recht und der Eigenart des Falles geboten ist …

Indem Zeno die Sanktion eines Verstoßes gegen das eidliche Gestellungsversprechen dem Richter überlässt, rüttelt er an dem Grundsatz der Unverbindlichkeit des Eides. Ihm unterliegen im klassischen Recht auch die Vadimonien: Anders als die byzantinische cautio iuratoria sind sie sanktionslos und durchbrechen statt der Regel von der fehlenden Verpflichtungswirkung des Eides vielmehr den Grundsatz, dass ein Gestellungsversprechen durch Stipulation erfolgen und damit auch eine Verbindlichkeit schaffen muss. Zwar bedeutet auch die von Zeno ins richterliche Ermessen gestellte Reaktion auf die Nichterfüllung einer cautio iuratoria noch keine regelrechte Verpflichtung des Schwörenden, sondern nur seine Bestrafung; nichtsdestoweniger ist sie eine weltliche Konsequenz, durch die der in klassischer Zeit noch sanktionslose Gestellungseid bewehrt wird. Eine Parallele findet die Strafe für den Verstoß gegen eine cautio iuratoria in der Sanktion eines beeideten Vergleichs, wie sie die Kaiser des Jahres 395 anordnen:

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften CJ 2.4.41 = CTh 2.9.3 (a 395) Arcadius et Honorius AA. Rufino pp. Si quis maior annis adversus pacta vel transactiones nullo cogentis imperio libero arbitrio et voluntate confecta putaverit esse veniendum vel interpellando iudicem vel supplicando principibus vel non implendo promissa, eas autem invocato dei omnipotentis nomine eo auctore solidaverit, non solum inuratur infamia, verum etiam actione privatus, restituta poena quae pactis probatur inserta, et rerum proprietate careat et emolumento, quod ex pacto vel transactione illa fuerit consecutus: itaque omnia eorum mox commodo deputabuntur, qui intemerata pacti iura servaverint. (1) Eos etiam huius legis vel iactura dignos iubemus esse vel munere, qui nomina nostra placitis inserentes salutem principum confirmationem initarum esse iuraverint pactionum. Die Kaiser Arcadius und Honorius an den Prätorianerpräfekten Rufinus. Hat jemand über 25 Jahren geglaubt, gegen Pakte oder Vergleiche verstoßen zu müssen, die er ohne Zwang eines anderen und aus freien Stücken eingegangen ist, indem er entweder den Richter anruft oder ein Gesuch an die Kaiser richtet oder seine Versprechen nicht erfüllt, während er sie zur Gewähr unter Anrufung des Namens des allmächtigen Gottes bekräftigt hat, wird er nicht nur als ehrlos gebrandmarkt, sondern geht, während er die Strafe zahlen muss, die erweislich in den Pakt aufgenommen ist, auch seiner Klage verlustig, und ferner des Eigentums und des Gewinns, den er aus dem Pakt oder dem Vergleich erlangt hat; daher wird all dies als Vorteil demjenigen zukommen, der die Verpflichtungen aus dem Pakt unverletzt eingehalten hat. (1) Wir ordnen daher an, dass die in diesem Gesetz bestimmten Vorteile oder Lasten auch denjenigen zuteilwerden, die unsere Namen in ihre Vereinbarungen eingefügt haben und geschworen haben, dass das Wohlergehen der Kaiser die eingegangenen Pakte bestärke.

Arcadius und Honorius befassen sich mit pacta vel transactiones und meinen hiermit Vergleichsverträge gerichtlicher oder außergerichtlicher Art3. Zwar machen sie deren Wirksamkeit nicht davon abhängig, dass ihre Einhaltung beschworen wird.4 An einen solchen Eid knüpfen sie aber besondere Konsequenzen, indem sie für den Fall der Erfüllungsverweigerung oder schlichten Nichterfüllung die Infamie des vertragsbrüchigen Kontrahenten und die Verwirkung seiner Rechte aus dem Vertrag anordnen.5 Diese Wirkungen treten zu dem Verfall der in der Vereinbarung festgelegten Vertragsstrafe hinzu. Sie stellen eine besondere Sanktion des Eides dar, mit dem die Parteien ihre Bindung an die Vereinbarung beschworen haben.6 Ihrem Eid kommt damit durchaus eigenständige Bedeutung zu. Diese manifestiert sich freilich nicht in der schon durch den Vergleichsvertrag begründeten Verpflichtung, sondern in einer vermögensrechtlichen Strafe, durch die der Bruch des eidlichen Versprechens geahndet wird. Unterliegt der Verstoß gegen eine cautio iuratoria oder einen Vergleichsvertrag im byzantinischen Recht besonderen Sanktionen, zeugt dies freilich noch nicht von 3

Seidl, Eid, Bd. 2, S. 112. Insoweit richtig Levy, Weströmisches Vulgarrecht. Das Obligationenrecht, Weimar 1956, S. 47, der der Entscheidung in ihrer Gesamtheit freilich nicht gerecht wird. 5 Diese Rechtsfolge bleibt unerwähnt in § 78 SRB, der auf diese Konstitution Bezug zu nehmen scheint; vgl. Selb/Kaufhold, Das syrisch-römische Rechtsbuch, Bd. 3: Kommentar, Wien 2002, S. 157. 6 Seidl, Eid, Bd. 2, S. 97, 133. 4

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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einer generellen Abkehr vom klassischen Prinzip der Unverbindlichkeit des Eides. Nicht zufällig sind beide Arten des sanktionierten Eides mit dem Prozess verknüpft, der Gestellungseid, indem er ihn vorbereitet, der beeidete Vergleich, indem er eine streitige Entscheidung vermeidet. Im Zivilverfahren spielt der Eid in byzantinischer Zeit eine hervorragende Rolle,7 die auf prozessnahe Rechtsinstitute ausstrahlt und auch bewirkt, dass unter Justinian eine Schiedsvereinbarung unter Eid der Parteien oder zumindest des Schiedsrichters getroffen werden muss8. Machen die byzantinischen Juristen insoweit vielleicht auch aus einer verbreiteten Praxis, Vereinbarungen zu beeiden,9 eine rechtliche Vorgabe,10 nehmen sie diese im eigentlichen Vertragsrecht doch einfach hin,11 ohne an den Eid irgendwelche Konsequenzen zu knüpfen. Zuweilen betonen sie sogar, dass der Schwur einer Vertragspartei auf die Fallentscheidung keinen Einfluss hat, die vertraglich begründete Verpflichtung insbesondere nicht von den Einwendungen ausnimmt, die dem Schuldner, der den Eid geschworen hat, gewöhnlich zustehen: CJ 4.30.16 (a 531/532) Iustinianus A. Iohanni pp. Indubitati iuris est non numeratae pecuniae exceptionem locum habere et in talibus nominibus vel feneraticiis vel aliis cautionibus, quae etiam sacramenti habent mentionem. quae enim differentia est in huiusmodi exceptione, sive iusiurandum positum est sive non, tam in feneraticiis cautionibus quam in aliis instrumentis, quae talem exceptionem recipiunt? Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Johannes. Es unterliegt keinem rechtlichen Zweifel, dass die Einrede der unterbliebenen Auszahlung auch bei denjenigen Verträgen, Darlehen oder Sicherheitsleistungen statt hat, die einen Eid erwähnen. Was soll es für diese Einrede nämlich bei Darlehen, Sicherheitsleistungen oder anderen Schuldverschreibungen, bei denen sie gilt, für einen Unterschied machen, ob ein Eid geleistet worden ist oder nicht?

2. Die Ausnahme: Der Schwur eines libertus Die Sonderstellung, die der Eid eines Freigelassenen einnimmt, wird dadurch unterstrichen, dass die römischen Juristen die verpflichtungsbegründende Wirkung des Schwures strikt an das Patronatsverhältnis zwischen Freilasser und libertus binden. Leistet jemand den Eid, ohne wirklich freigelassen zu sein, etwa weil er schon vorher frei war und sich nur irrtümlich für einen Sklaven hielt,12 bleiben der Schwur und auch eine für ihn übernommene Bürgschaft wirkungslos:

7

s. u. S. 201 ff. CJ 2.55.4 (a 529), aufgehoben durch NJ 82.11.1 (a 539). 9 Sie nimmt Seidl, Eid, Bd. 2, S. 101 an. 10 Ähnlich verfährt Justinian bei der Vormundschaft, indem er dem Vormund einen Eid abverlangt, die Geschäfte ordentlich zu führen; vgl. NJ 72.2, 8. 11 Zu der in den Papyri in dieser Hinsicht dokumentierten Praxis Seidl, Eid, Bd. 2, S. 116 ff. 12 Vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 244. 8

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften D 46.1.56pr Paul 15 quaest Si quis pro eo, qui libertus non esset et operas praestaturum se iurasset, fideiussor erit, non tenebitur. Hat sich jemand für denjenigen verbürgt, der kein Freigelassener war und geschworen hat, Dienste zu leisten, haftet er nicht.

Auch wenn der Eid von einem emanzipierten Sohn gegenüber seinem Vater geleistet wird, kommt keine Verpflichtung zustande, weil die durch den Schwur ausgelöste Verbindlichkeit ein Spezifikum des Patronatsverhältnisses und nicht auf die Vater-Sohn-Beziehung zu übertragen ist: D 37.15.10 Tryph 17 disp Nullum ius libertatis causa impositorum habet in mancipato filio, quia nihil imponi liberis solet. nec quisquam dixit iureiurando obligari filium patri manumissori ut libertum patrono: nam pietatem liberi parentibus, non operas debent. Gegenüber einem emanzipierten Sohn hat man kein Recht, das wegen der Freiheit auferlegt ist, weil man Kindern gewöhnlich nichts auferlegt. Und niemand hat je behauptet, ein Sohn werde seinem Vater, der ihn aus seiner Gewalt entlässt, ebenso wie ein freigelassener Sklave seinem Freilasser durch Eid verpflichtet; denn Kinder schulden ihren Eltern Achtung, nicht Dienste.

Bei Gaius erscheint der Eid, den ein Freigelassener gegenüber seinem Patron schwört, neben der dotis dictio13 als Fall einer Verpflichtung durch einseitigen Akt, der wiederum die Stipulation als Rechtsgeschäft mit beiderseitiger Rede gegenübergestellt ist. Aus der Erwähnung des Eides im Abschnitt über die verborum obligatio14 lässt sich folglich nicht schließen, die Verpflichtung aus dem Eid gehöre in diese Kategorie; und es besteht kein Widerspruch zu der Feststellung der Epitome, der Schwur mache den Freigelassenen gerade nicht durch Wortformel verbindlich. Mit der Stipulation hat die eidlich übernommene Verpflichtung aber gemein, dass sie förmlich durch acceptilatio erlassen werden kann: D 46.4.13pr Ulp 50 Sab Et per iusiurandum liberti interpositam operarum obligationem per acceptilationem tolli verius est. Es ist richtiger, dass auch die Verpflichtung zu Diensten aus einem von einem Freigelassenen übernommenen Eid durch förmlichen Erlass aufgehoben werden kann.

Zwar könnte Ulpian, indem er den Komparativ ,verius‘ verwendet, Zweifel an der Wirkungsweise der acceptilatio zum Ausdruck bringen, die gerade daher rühren, dass der Eid keine Verbalobligation begründet.15 Selbst wenn die Möglichkeit zum Erlass durch acceptilatio unumstritten ist, erlaubt dies jedoch noch nicht die Folgerung, die eidliche Verpflichtung des Freigelassenen zähle zu den Verbalobliga13 14 15

Hiervon handelt Gai 2.95a. Sie beginnt von Gai 2.92 bis 2.134. Dies glaubt Tomulescu, Sulla forma del iusiurandum liberti, RIDA 15 (1968) 461, 468 f.

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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tionen.16 Es zeigt lediglich, dass der Eid des libertus gegenüber seinem Patron eine Verbindlichkeit nach ius civile begründet.17 Dementsprechend teilt sie sich mit der Verpflichtung zur Leistung von operae, die der Freigelassene durch Stipulation versprochen hat, auch eine zivilrechtliche Klage, nämlich die kondiktionsähnliche actio operarum. Dass diese Klage dem Honorarrecht angehört, ist lediglich ein vorschneller Eindruck, den man bei der Lektüre des einleitenden Abschnitts des Digestentitels de bonis libertorum gewinnt: D 38.2.1pr, 1 Ulp 42 ed Hoc edictum a praetore propositum est honoris, quem liberti patronis habere debent, moderandi gratia. namque ut Servius scribit, antea soliti fuerunt a libertis durissimas res exigere, scilicet ad remunerandum tam grande beneficium, quod in libertos confertur, cum ex servitute ad civitatem Romanam perducuntur. (1) Et quidem primus praetor Rutilius edixit se amplius non daturum patrono quam operarum et societatis actionem … Dieses Edikt ist vom Prätor mit dem Ziel erlassen worden, die Belastung durch die Ehrerbietung zu mildern, die Freigelassene ihrem Freilasser schulden. Denn vorher war es, wie Servius schreibt, üblich, dass Freilasser von ihren Freigelassenen sehr harte Leistungen zum Ausgleich für die große Wohltat forderten, die sie den Freigelassenen hatten zuteilwerden lassen, indem sie sie aus der Sklaverei zum römischen Bürgerrecht gelangen ließen. (1) Und zuerst hat der Prätor Rutilius verkündet, dass er einem Freilasser nicht mehr gewähren würde als die Klage auf Dienstleistung und die Gesellschaftsklage …

Nimmt man Ulpian beim Wort, hat das Edikt des Rutilius die actio operarum keineswegs eingeführt, sondern lediglich verboten, dass ein Freilasser andere Ansprüche an seinen Freigelassenen stellt, als sie sich aus einem Gesellschaftsvertrag und dem durch Eid oder Stipulation abgegebenen Versprechen von Diensten ergeben.18 Die mit dem Edikt verkündete Formel der actio operarum kann daher ohne Weiteres auf einen zivilrechtlichen Anspruch bezogen sein, der schon vorher bestanden hat19 und sogar schon vor Einführung des Formularprozesses mit der legis actio per condictionem durchsetzbar gewesen sein könnte20. Sind der Eid und das Stipulationsversprechen von Diensten mit derselben Klage bewehrt, gibt es noch weitere Gemeinsamkeiten der beiden Arten von Verpflichtungen, die gleichermaßen durch Bürgschaft gesichert werden können. So kann der Eid ebenso wie die Stipulation nur bei gleichzeitiger Anwesenheit von Gläubiger und Schuldner geschworen werden. Ulpian erscheint dies derart evident, dass er es als Vergleichsfall für die Entscheidung der Frage heranzieht, ob das Geständnis eines Beklagten wirksam auch in Abwesenheit des Klägers erfolgen kann:21 16

Anders Lambert, Operae liberti, S. 115 ff. Insoweit richtig Lambert, Operae liberti, S. 144 ff., der glaubt, die Verpflichtung aufgrund des Eides sei nachträglich zum Teil des ius civile geworden. 18 Richtig Waldstein, Operae libertorum, S. 137 gegen Lambert, Operae liberti, S. 122 ff. 19 Waldstein, Operae libertorum, S. 135 ff., 349. 20 Dies glaubt Waldstein, Operae libertorum, S. 347. 21 Vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 246 f. 17

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften D 42.2.6.3 Ulp 5 omn trib Si quis absente adversario confessus sit, videndum, numquid non debeat pro iudicato haberi, quia nec qui iurat de operis, obligatur nec soleat quis absenti condemnari. certe procuratorem, tutorem curatoremve praesentem esse sufficit. Hat jemand in Abwesenheit seines Gegners gestanden, stellt sich die Frage, ob man ihn deshalb nicht als verurteilt ansehen darf, weil auch derjenige, der schwört, Dienste zu erbringen, nicht verpflichtet wird, und gewöhnlich niemand zugunsten eines Abwesenden verurteilt wird. Es genügt aber sicher, wenn ein Vertreter, Vormund oder Pfleger anwesend ist.

Nicht anders als die Stipulationsverpflichtung kann der Eid freilich vor einem Sklaven geleistet werden und bindet den Schwörenden dann gegenüber dessen Eigentümer,22 und zwar bei einem gemeinschaftlichen Sklaven in der Weise, dass die Verpflichtung geteilt wird:23 D 38.1.8pr Pomp 8 Sab Si quando duobus patronis iuraverit libertus operas se daturum, Labeoni placet et deberi et peti posse partem operae, cum semper praeterita opera, quae iam dari non possit, petatur. quod contingit, si vel ipsis patronis iuretur vel promittatur vel communi eorum servo vel complures heredes uni patrono existant. Hat ein Freigelassener zwei Freilassern geschworen, Dienste zu leisten, werden sie nach Ansicht Labeos zum Teil geschuldet und können auch teilweise gefordert werden, da man stets auch vergangene Dienste, die nicht mehr geleistet werden können, fordern könne. Dies gilt, wenn gegenüber den Freilassern selbst oder einem gemeinschaftlichen Sklaven geschworen oder versprochen wird oder wenn mehrere Erben die Rechtsnachfolge nach einem Freilasser antreten.

Das eidliche Versprechen eines Freigelassenen unterliegt ferner denselben Auslegungsmaßstäben wie eine Stipulation. Es gilt der typische Sinn der Zusage, die beim Versprechen von Leistungen nach dem Ermessen des Patrons unter dem stillschweigenden Vorbehalt steht, dass das Ermessen in billiger Weise ausgeübt wird:24 D 38.1.30pr Cels 12 dig Si libertus ita iuraverit dare se, quot operas patronus arbitratus sit, non aliter ratum fore arbitrium patroni, quam si aequum arbitratus sit. et fere ea mens est personam arbitrio

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Vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 247. Vgl. hierzu auch das Celsus-Zitat auch in D 38.1.15.1 Ulp 38 ed: … denique Celsus libro duodecimo scribit, si communis libertus patronis duobus operas mille daturum se iuraverit aut communi eorum servo promiserit, quingenas potius deberi, quam singularum operarum dimidias. („ … ferner schreibt Celsus im 12. Buch, dass, wenn ein gemeinschaftlicher Freigelassener seinen Freilassern oder deren gemeinschaftlichem Sklaven geschworen hat, 1000 Tage an Diensten zu leisten, eher jeweils 500 geschuldet seien als die Hälfte der einzelnen Tagwerke.“) 24 Dies lässt keinen Gegenschluss darauf zu, dass eidliche Versprechen von Dienstleistungen ursprünglich unbegrenzt waren; vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 245. 23

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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substituentium, ut, quia sperent eum recte arbitraturum, id faciant, non quia vel immodice obligari velint.25 Hat ein Freigelassener geschworen, Dienste nach dem Ermessen des Patrons zu leisten, ist die Bestimmung des Freilassers nur dann wirksam, wenn er sie in billiger Weise getroffen hat. Denn der Wille derjenigen, die sich dem Ermessen eines anderen unterstellen, geht dahin, dass sie dies in der Hoffnung tun, das Ermessen werde richtig ausgeübt, und nicht, weil sie sich übermäßig verpflichten wollten.

Freilich gibt es auch Unterschiede zwischen dem Eid und der stipulatio operarum, in denen zum Ausdruck kommt, dass der Schwur im Gegensatz zum Schuldversprechen kein Rechtsgeschäft ist. So ist der Eid, den ein unmündiger Freigelassener leistet, nicht einfach wirkungslos,26 sondern Grundlage einer actio utilis, die dem Patron nach Eintritt der Mündigkeit des Freigelassenen gewährt wird; und dieser kann seine künftige Verpflichtung schon vorher durch Dienste erfüllen, zu denen er trotz seines Alters körperlich in der Lage ist, insbesondere indem er als Schauspieler auftritt oder seinem Freilasser Namen von Gästen nennt: D 40.12.44.2 Venul 7 act In eum, qui impubes iuraverit, scilicet qui et iurare potuerit, danda est utilis actio operarum nomine, cum pubes tamen factus erit. potest tamen et impubes operas dare, veluti si nomenculator sit vel histrio. Gegen denjenigen, der unmündig geschworen hat, ist, falls er überhaupt schwören konnte, eine zweckdienliche Klage zu gewähren, wenn er mündig geworden ist. Er kann jedoch auch als Unmündiger Dienste leisten, wie zum Beispiel als Namennenner oder Schauspieler.

Zudem ist die durch den Eid begründete Verbindlichkeit auf den Freilasser konzentriert. Nach Ansicht von Pomponius und Julian, aus deren Stellungnahmen die Kompilatoren eine Katene gefertigt haben, taugt ein Dritter, und sei es der Sohn des Freilassers, nicht einmal als solutionis causa adiectus für das Versprechen von operae:27 D 38.1.10.1 Pomp 15 Sab Libertus operarum nomine ita iurando ,patrono aut Lucio Titio‘ solvere Lucio Titio non potest, ut a patrono liberetur … Ein Freigelassener, der schwört, Dienste an den Freilasser oder Lucius Titius zu leisten, kann sich nicht durch Leistung an Lucius Titius gegenüber seinem Freilasser befreien … D 38.1.11 Iul 22 dig … (nihil autem interest, extraneus sit Lucius Titius an filius) … … (es spielt dabei keine Rolle, ob Lucius Titius ein Fremder oder der Sohn des Freilassers ist) 25 Vgl. hierzu auch Harke, Argumenta Iuventiana, Berlin 1999, S. 76, ders., Argumenta Iuventiana - Argumenta Salviana, Berlin 2012, S. 54. 26 Auf diese Divergenz zur Stipulation weist auch Waldstein, Operae libertorum, S. 243 hin. 27 Vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 246.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften D 38.1.12 Pomp 15 Sab … quia aliae operae erunt, quae Lucio Titio dantur. sed si libertatis causa pecuniam promittat libertus egenti patrono aut Titio, omnimodo adiectio Titii valet. … weil es andere Dienste sind, die Lucius Titius geleistet werden. Verspricht der Freigelassene aber wegen der Freilassung seinem bedürftigen Freilasser oder Titius einen Geldbetrag, ist die Hinzuziehung von Titius jedenfalls gültig.

Der von Pomponius gebildete Gegenfall, in dem der Dritte wirksam in das Schuldverhältnis einbezogen wird, unterscheidet sich von der Ausgangskonstellation nicht nur dadurch, dass statt des Schwurs ein Stipulationsversprechen abgegeben wird; er weicht auch insofern ab, als statt Diensten ein Geldbetrag versprochen wird. Daher ist nicht ganz klar, ob die Aufnahme eines solutionis causa adiectus an der Eigenart des eidlichen Versprechens oder dem Gegenstand der beschworenen Verpflichtung scheitert. Die Begründung, dass es andere Dienste seien, die einem Dritten geleistet werden, spricht nur auf den ersten Blick dafür, dass es statt auf den Eid auf die Dienstleistung ankommt; denn man kann sie im Zusammenhang mit der Fragestellung auch so verstehen, dass es eben die eidlich versprochenen Dienste sind, die mit der Leistung an einen anderen ihre Identität verlieren. Während Dienste, die auf gewöhnlichem Wege versprochen worden sind, ohne Weiteres auch an einen anderen geleistet werden können, scheitert dies bei Diensten, die durch Eid versprochen werden, am Charakter der religiösen Bindung, die nur im Verhältnis zum Freilasser besteht.28 Diese Bindung bewirkt auch, dass die eidliche Verpflichtung eines Freigelassenen bei einer capitis deminuitio des Gläubigers ebenso wie der Nießbrauch als ein persönliches, unübertragbares Recht angesehen wird:29 Gai 3.83 Etenim cum pater familias se in adoptionem dedit mulierue in manum conuenit, omnes eius res incorporales et corporales, quaeque ei debitae sunt, patri adoptiuo coemptionatoriue adquiruntur exceptis his, quae per capitis deminutionem pereunt, quales sunt ususfructus, operarum obligatio libertorum, quae per iusiurandum contracta est, et lites contestatae legitimo iudicio. Hat sich nämlich ein Familienvater adoptieren lassen oder ist eine Frau in die Gewaltehe aufgenommen, werden alle ihre nicht-körperlichen und körperlichen Gegenstände sowie ihre Forderungen von dem Adoptivvater oder Ehemann erworben mit Ausnahme dessen, was durch einen Verlust der Rechtsstellung verloren geht, wie der Nießbrauch, eine Verpflichtung von Freigelassenen zu Dienstleistungen, die durch Eid begründet ist, und rechtshängige Ansprüche im gesetzlichen Verfahren.

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So Pescani, Operae libertorum, S. 37. Einer Erklärung dieses Phänomens enthält sich dagegen Waldstein, Operae libertorum, S. 241. 29

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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Zumindest Venuleius sieht in der besonderen Bindung, die durch den Eid zwischen Freilasser und Freigelassenem entsteht, aber kein Hindernis für eine Erwähnung der Ehefrau als solutionis causa adiecta:30 D 40.12.44.1 Venul 12 act Licet autem circa donum munus operas etiam uxorum personas inserere. Es ist aber erlaubt, beim Versprechen eines Geschenks, der Übernahme einer Last oder Diensten auch die Person der Ehefrauen einzusetzen.

Dagegen lassen Celsus und Ulpian eine Verpflichtung gegenüber dem Sohn des Freilassers nur in dem Sonderfall zu, dass dieser stirbt und den Eid zur Bedingung für ein Vermächtnis macht, das er dem Freigelassenen zulasten seines Sohnes ausgesetzt hat: D 38.1.7.1 Ulp 28 Sab Plane quaeritur, si quis liberto suo legaverit, si filio suo iuraverit se decem operarum nomine praestaturum, an obligetur iurando. et Celsus Iuventius obligari eum ait parvique referre, quam ob causam de operis libertus iuraverit: et ego Celso adquiesco. Fraglich ist aber, ob ein Freigelassener durch seinen Schwur verpflichtet wird, wenn sein Freilasser ihm ein Vermächtnis für den Fall ausgesetzt hat, dass er seinem Sohn schwört, zehn anstelle der Dienstleistung zu zahlen. Und Iuventius Celsus sagt, er werde verpflichtet und es komme nicht darauf an, aus welchem Motiv der Freigelassene einen Eid über seine Dienste geleistet habe; und ich stimme Celsus zu.

Dass der Eid in diesem Fall wirksam ist, muss wiederum nicht daran liegen, dass es hier um eine Geldzahlung anstelle einer Dienstleistung geht.31 Celsus’ Erläuterung, in der von einem Eid über die Dienste (,de operis iuraverit‘) die Rede ist, macht dies eher unwahrscheinlich.32 Sie spricht dafür, dass die ratio dubitandi für ihn und Ulpian in der besonderen Bindung von Freilasser und Freigelassenem besteht und diese im Fall des Vermächtnisses deshalb überwunden ist, weil der Sohn nach dem Tod des Vaters an die Stelle des Freilassers gerückt ist33. Den Grund für die mehr oder weniger streng genommene Beschränkung der Gläubigerrolle auf den Freilasser liefert seine Verbindung zu dem Freigelassenen durch das frühere Gewaltverhältnis: Vor seiner Freilassung konnte es keine Verpflichtung des Sklaven gegenüber Dritten, sondern bestenfalls eine Bindung gegenüber seinem Eigentümer geben; und auch diese ließ sich eben nicht auf dem 30

Entgegen Pescani, Operae libertorum, S. 38 ist diese Aussage nicht auf eine Verpflichtung durch Stipulation, sondern auf den Eid zu beziehen, um den es auch im principium (s. u. S. 28 f.) und in § 2 (s. o. S. 25) des Fragments geht. 31 Waldstein, Operae libertorum, S. 246 glaubt, ein Eid sei grundsätzlich nur über operae möglich gewesen; Gai 3.96 und D 40.12.44.1 nennen daneben aber auch donum und munus. 32 Calore, Per Iovem lapidem, S. 167 erkennt hier einen Widerspruch zum prinicipium des Fragments (s. u. S. 28 f.), in dem er die von Celsus überwundene Haltung von Sabinus wiederfindet. 33 So Pescani, Operae libertorum, S. 48 f.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

gewöhnlichen Wege einer vertraglichen Verpflichtung, sondern, wenn überhaupt, dann nur durch den Eid herstellen. Denn der Gültigkeit des Vertrags hätte wiederum die fehlende Rechtsfähigkeit des Sklaven entgegengestanden. Trägt die eidliche Verpflichtung des Freigelassenen noch Züge der uneigentlichen Bindung durch einen Schwur im bestehenden Gewaltverhältnis, ist hier auch die Ursache dafür zu suchen, dass man den Eid eines Freigelassenen überhaupt als Verpflichtungsgrund anerkannt hat. Zwar ist für die spätklassischen Juristen ausgemacht, dass der Eid nach der Freilassung und damit in einem Stadium geschworen werden muss, in dem sich der Freigelassene auch durch Stipulation verpflichten könnte: D 38.1.7pr, 2 Ulp 28 Sab Ut iurisiurandi obligatio contrahatur, libertum esse oportet qui iuret et libertatis causa iurare. … (2) Iurare autem debet post manumissionem, ut obligetur: et sive statim sive post tempus iuraverit, obligatur. Um eine Verpflichtung durch Eid zu begründen, muss der Schwörende ein Freigelassener sein und wegen der Freilassung schwören. … (2) Der Eid muss aber nach der Freilassung geschworen werden, damit er verpflichtet wird. Und er wird unabhängig davon verpflichtet, ob er sofort oder nach einer gewissen Zeit geschworen hat.

Noch Venuleius erinnert sich aber daran, dass man ursprünglich glaubte, der Eid könne wirksam nur vor der Freilassung geleistet werden: D 40.12.44pr Venul 7 act Licet dubitatum antea fuit, utrum servus dumtaxat an libertus iurando patrono obligaretur in his quae libertatis causa imponuntur, tamen verius est non aliter quam liberum obligari. ideo autem solet iusiurandum a servis exigere, ut hi religione adstricti, posteaquam suae potestatis esse coepissent, iurandi necessitatem haberent, dummodo in continenti, cum manumissus est, aut iuret aut promittat. Obwohl früher Streit darüber herrschte, ob nur ein Sklave oder auch ein Freigelassener seinem Freilasser durch einen Eid dazu verpflichtet wird, was ihm wegen der Freilassung auferlegt wird, ist trotzdem richtiger anzunehmen, dass er nur als Freier verpflichtet wird. Daher fordert man gewöhnlich von Sklaven einen Eid, damit sie, nachdem sie rechtlich selbständig geworden sind, aus religiöser Ehrfurcht unter dem Druck des Eides stehen, falls sie nur sofort nach der Freilassung entweder den Eid schwören oder ein Versprechen abgeben.

Venuleius beschreibt es als eine in seiner Zeit gängige Praxis, dass man Sklaven vor ihrer Freilassung den Eid abnimmt, die Leistungen zu erbringen, die sie später, wenn sie rechtlich selbständig geworden sind, wiederum durch Eid oder Stipulation versprechen sollen. Zugrunde liegt die Sorge, die Freigelassenen könnten sich als undankbar erweisen und das Versprechen verweigern, zu dem sie nach ihrer Freilassung nicht mehr gezwungen werden können. Auch Venuleius hält dieses nur dann für wirksam, wenn es von einem schon Freigelassenen abgegeben wird. Den vorherigen Mangel einer rechtlichen Verpflichtung soll die religiöse Bindung durch den Eid überbrücken, die schon im Sklavenstadium einsetzt und über die Freilassung hinaus wirkt. Sie soll den Freigelassenen dazu bestimmen, unmittelbar nach seiner

I. Verpflichtung durch Eidesleistung?

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Freilassung eine Zusage abzugeben, aus der dann auch eine weltliche Verpflichtung entsteht.34 Von dieser Praxis und einer zu Venuleius’ Zeit schon vergessenen Sanktion berichtet schon Cicero. Er erwähnt ein auf den Prätor Drusus zurückgehendes Edikt. Danach blieb einem Freigelassenen die Anerkennung seines Status verwehrt,35 wenn er sich weigerte, nach seiner Freilassung einen vorher geleisteten Schwur zu wiederholen: Cic Att 7.2.8: … itaque usurpavi vetus illud Drusi, ut ferunt, praetoris in eo qui eadem liber non iuraret, me istos liberos non addixisse, praesertim cum adesset nemo a quo recte vindicarentur. … … So habe ich den alten Satz des Drusus übernommen, der, wie man berichtet, als Prätor über denjenigen, der als Freier nicht erneut den Eid leistete, sagte, er hätte ihnen die Freiheit nicht zuerkannt, zumal niemand vorhanden sei, von dem sie zu Recht gefordert würden. …

Sollte es sich bei dem von Cicero erwähnten Prätor um M. Livius Drusus handeln, dessen Amtszeit um 115 v. Chr. lag,36 trennen ihn von Venuleius, der unter Antoninus Pius wirkt, mehr als 250 Jahre. In dieser Zeit hat sich offenbar unverändert der Brauch erhalten, dass ein Freilasser schon vor der Freilassung einen Schwur über die von dem Freigelassenen erwarteten Leistungen verlangt. Allerdings ist das Edikt des Drusus, von dem wir in den römischen Rechtsquellen keine Spur mehr finden, bis in die Hochklassik offenbar außer Übung geraten.37 Eine mögliche Erklärung für sein Verschwinden bietet die bei Venuleius noch dokumentierte Alternative, dem vor der Freilassung geschworenen Eid selbst verpflichtungsbegründende Kraft zuzumessen.38 Mit ihr wird unmittelbar erreicht, wozu das edictum Drusi nur indirekt zwingt, nämlich dass einerseits der Freigelassene den ihm zugedachten Status, andererseits der Freilasser einen Anspruch gegen seinen ehemaligen Sklaven auf Erbringung der im Gegenzug zur Freilassung zugesagten Dienste erlangt. Dass Venuleius von der Diskussion berichtet, ob den verpflichtenden Eid „nur“ ein Sklave leisten könne (,utrum servus dumtaxat an libertus iurando patrono obligaretur‘), zeigt, dass am Anfang überhaupt nur ein vor der Freilassung geschworener Eid als Verpflichtungsgrund anerkannt war und die Obligation durch einen danach geleisteten Eid erst spätere Zutat ist. Nimmt man Ciceros Schilderung wörtlich, setzt das drusische Edikt freilich schon voraus, dass ein bereits Freigelassener den Eid wiederholen 34

Dass diese Zusage unmittelbar nach der Freilassung erfolgen soll, braucht kein besonderes Wirksamkeitserfordernis zu sein, das Venuleius im Gegensatz zu Ulpian aufstellte; stattdessen kann Venuleius auch nur die angestrebte Wirkungsweise der eidlichen Bindung beschreiben, die zu einem rechtsverbindlichen Versprechen sofort nach der Freilassung bestimmen soll. 35 Vgl. Pescani, Operae libertorum, S. 31 und Waldstein, Operae libertorum, S. 111. 36 Dies glaubt Waldstein, Operae libertorum, S. 110. 37 Vgl. Waldstein, Operae libertorum, S. 112. 38 So richtig Pescani, Operae libertorum, S. 30 f., 33; vorsichtiger Waldstein, Operae libertorum, S. 110.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

muss,39 sich also nach seiner Freilassung auch durch seinen Schwur und nicht nur im Wege einer Stipulation verpflichten kann. Die verpflichtende Wirkung eines vor Freilassung geschworenen Eides müsste dann die ältere Lösung, das edictum Drusi das jüngere Mittel gewesen sein, um dem Versuch des Sklaven zu wehren, sich nach seiner Freilassung der Leistung an seinen Freilasser zu entziehen. Der vom Edikt ausgehende Zwang zur Wiederholung des Schwures böte dann die Erklärung dafür, dass man auf die Anknüpfung der Obligation an den Eid des Sklaven verzichtet und sich auf den nach Freilassung geschworenen Eid beschränkt hat.40 Lässt das knappe Zeugnis Ciceros auch keine sichere Einordnung der Rolle zu, die das edictum Drusi in der Herausbildung des klassischen Rechtszustandes spielt, erlaubt Venuleius’ Darstellung in D 40.12.44pr doch eine Antwort auf die Frage nach Ursprung und Grund der eidlichen Verpflichtung eines Freigelassenen. In ihr lebt kein altertümlicher Verpflichtungsmodus aus einer Zeit fort, in der weltliche Verpflichtung und religiöse Bindung noch nicht scharf getrennt waren.41 Vielmehr ist sie dem Versuch entsprungen, die praktischen Schwierigkeiten zu bewältigen, die der Austausch von Freiheit und Leistungen des Freigelassenen wegen dessen Statuswechsel bereitet: Da eine vertragliche Verpflichtung des Freigelassenen seine rechtliche Selbständigkeit voraussetzt, kann sie erst nach seiner Freilassung und damit in einem Moment erfolgen, in dem der Patron über kein Druckmittel gegen den Freigelassenen mehr verfügt. Ein in der Hochklassik nicht mehr gewählter, aber noch in der Erinnerung präsenter Ausweg aus diesem Dilemma lag darin, dem Eid, den der Freigelassene üblicherweise zu seiner religiösen Bindung vor der Freilassung leistete, verpflichtende Wirkung zuzugestehen.42 Hieraus hat sich dann später der Eid des Freigelassenen als Variante zu seiner Verpflichtung durch Stipulationsversprechen entwickelt.43 Obwohl er so zur Quelle der Obligation einer rechtlich selbständigen Person geworden war, blieb er seinem Ursprung doch insoweit verhaftet, als er mit verpflichtungsbegründender Wirkung nicht von jedem geschworen werden konnte. Vielmehr war er exklusives Mittel für die Obligation von Freigelassenen gegenüber ihrem Patron aus Anlass ihrer Freilassung. Diese Sonderstellung bliebe unverständlich, wäre der Verpflichtungseid des Freigelassenen das Überbleibsel eines allgemein zugänglichen Obligationsgeschäfts. Er geht dem Grundsatz der Unverbindlichkeit des Eides nicht zeitlich voran, sondern folgt ihm nach und bietet 39

So verstehen Cicero Tomulescu, RIDA 15 (1968) 461, 470, Fabre, Libertus. Recherches sur les rapports patron-affranchi à la fin de la république romaine, Bordeaux 1977, S. 555 f. und Waldstein, Operae libertorum, S. 111. 40 An eine umgekehrte Entwicklung glaubt Pescani, Operae libertorum, S. 30 f., der annimmt, das Edikt sei Folge der Entscheidung gewesen, als verpflichtungsbegründend nur noch den nach der Freilassung geschworenen Eid anzuerkennen. 41 So aber Calore, Per Iovem lapidem, S. 177. 42 Dass der Eid des Sklaven zuvor durch ein Recht zu seiner Tötung als homo sacer sanktioniert war, glaubt Fabre (Fn. 39), S. 554. 43 Deshalb verbietet sich der Schluss, das iusiurandum liberti sei älter als die von dem Freigelassenen abgegebene Stipulation; hiergegen wendet sich auch Waldstein, Operae libertorum, S. 240, 242.

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen

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dementsprechend keinen Beleg dafür, dass die Verpflichtung durch Eid ursprünglich einen breiteren Anwendungsbereich gehabt hätte. Hier ist man auf die Spekulationen darüber angewiesen, die Verpflichtung durch Stipulation sei aus einer ursprünglich durch Eid begründeten Verbindlichkeit hervorgegangen44.

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen Dass ein Eid auch zur Verstärkung der Verpflichtung aus einer letztwilligen Verfügung eingesetzt wird, hier aber, für sich genommen, ebenfalls rechtlich wirkungslos ist, zeigt die folgende Entscheidung Papinians: D 31.77.23 Pap 8 resp Filius matrem heredem scripserat et fideicommissa tabulis data cum iurisiurandi religione praestari rogaverat. cum testamentum nullo iure factum esset, nihilo minus matrem legitimam heredem cogendam praestare fideicommissa respondi: nam enixae voluntatis preces ad omnem successionis speciem porrectae videbantur. Ein Sohn setzte seine Mutter als Erbin ein und gab ihr in demselben Testament die Erfüllung von Fideikommissen unter Eidesleistung auf. Ich habe entschieden, dass die Mutter, da das Testament nicht wirksam war, auch als gesetzliche Erbin zur Erfüllung der Fideikommisse gezwungen werden könne. Denn die Bitte des Sohnes, die von seinem dringenden Wunsch zeugt, war so zu verstehen, dass sie sich auf alle Arten der Erbfolge bezieht.

Soll eine Erbin den Eid schwören, das ihr auferlegte Fideikommiss zu erfüllen, ändert dies nichts an der Verpflichtung, die allein von dem Fideikommiss selbst ausgeht.45 Die Bitte um eine eidliche Bekräftigung seiner Erfüllung bestimmt aber die Auslegung des Fideikommisses in dem Fall, dass die Erbeinsetzung an der Unwirksamkeit des Testaments scheitert. Für Papinian zeigt der Wunsch nach der Eidesleistung, dass die Erfüllung des Fideikommisses dem Erblasser besonders am 44

Hierzu etwa Zuccotti, Giuramento, S. 57 ff. Hieran ändert sich auch unter Justinian nichts, der das eidliche Fideikommiss in CJ 6.43.2pr (a 531) als eine unter mehreren gleichwertigen Varianten der letztwilligen Verfügung aufführt: Iustinianus A. Iuliano pp. Omne verbum significans testatoris legitimum sensum legare vel fideicommittere volentis utile atque validum est, sive directis verbis, quale est ,iubeo‘ forte , sive precariis utetur testator, quale est ,rogo‘, ,volo‘, ,mando‘, ,fideicommitto‘, sive iuramentum posuerit, cum et hoc nobis audientibus ventilatum est, testatore quidem dicente ,enorcho¯‘, partibus autem huiusmodi verbum huc atque illuc lacerantibus. („Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Julian. Jede Formulierung, mit der der Erblasser den erlaubten Wunsch zum Ausdruck bringt, ein Vermächtnis oder Fideikommiss auszusetzen, ist zweckdienlich und wirksam, sei es, dass der Erblasser sich einer direkten Formulierung bedient hat wie etwa: ,ich ordne an‘, sei es, dass er sich einer vorsichtigen Wortwahl bedient hat wie ,ich bitte‘, ,ich möchte‘, ,ich trage auf‘, ,ich vertraue an‘, sei es, dass er einen Eid hat schwören lassen, wie uns aus eigener Erfahrung der Fall bekannt ist, dass ein Erblasser sagte: ,ich beschwöre‘, und die anderen die Worte durcheinander schrien.“) Der dem Erben auferlegte Eid stellt keine eigenständige Art der letztwilligen Verfügung dar, deren Wirksamkeit an den Schwur gebunden wäre; vielmehr liegt in der Aufforderung oder Bitte, den Eid zu leisten, nur eine mögliche Ausdrucksweise für den Wunsch des Erblassers, den Fideikommissar zu bedenken. 45

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

Herzen lag; und er schließt daraus, dass es die Erbin auch dann treffen sollte, wenn sie kraft Gesetzes zur Rechtsnachfolge berufen ist. 1. Der Erlass der Eidesbedingung Als Gestaltungselement kommt der Eid bei letztwilligen Verfügungen aber vor allem in der Weise vor, dass er zur Bedingung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses gemacht wird. In dieser Funktion erscheint er auch bei Rechtsgeschäften unter Lebenden und kann hier insbesondere bewirken, dass statt einer Schenkung eine datio ob rem vorliegt: D 39.5.19.6 Ulp 76 ed Denique Pegasus putabat, si tibi centum spopondero hac condicione, si iurasses te nomen meum laturum, non esse donationem, quia ob rem facta est, res secuta est. Schließlich glaubt Pegasus, dass, wenn ich dir 100 unter der Bedingung versprochen habe, dass du schwörst, meinen Namen zu tragen, keine Schenkung vorliege, weil um eines Zwecks willen geleistet worden und dieser eingetreten ist.

Auch in dieser Funktion wirkt der Eid aber wiederum nicht für sich, sondern lediglich als Gegenstand der Bedingung, also als Umstand, bei dem es bloß auf seinen wirklichen Eintritt oder Ausfall ankommt. Während die römischen Juristen hieran bei Rechtsgeschäften unter Lebenden keinen Anstoß nehmen, findet der Eid als Bedingung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses die Missbilligung des Prätors. Um dem Begünstigten einen voreilig übernommenen Schwur oder die übereilte Ausschlagung der Zuwendung zu ersparen, erklärt er die Bedingung der Eidesleistung in seinem Edikt für erlassen: D 28.7.8pr Ulp 50 ed Quae sub condicione iurisiurandi relinquuntur, a praetore reprobantur: providit enim, ne is, qui sub iurisiurandi condicione quid accepit, aut omittendo condicionem perderet hereditatem legatumve aut cogeretur turpiter accipiendi condicionem iurare. voluit ergo eum, cui sub iurisiurandi condicione quid relictum est, ita capere, ut capiunt hi, quibus nulla talis iurisiurandi condicio inseritur, et recte: … Was unter der Bedingung einer Eidesleistung hinterlassen ist, wird vom Prätor missbilligt; er trägt nämlich dafür Sorge, dass nicht derjenige, der etwas unter der Bedingung der Eidesleistung erhält, entweder, indem er die Bedingung ausfallen lässt, die Erbschaft oder das Vermächtnis verliert oder gezwungen wird, die Bedingung für den Erwerb durch schändlichen Eid zu beschwören. Er wollte also, dass derjenige, dem etwas unter der Bedingung der Eidesleistung hinterlassen ist, dies so erhält wie diejenigen, denen keine solche Bedingung der Eidesleistung auferlegt ist; und zwar zu Recht: …

Die einschlägige Ediktsbestimmung gilt nach ihrem Wortlaut nur für Erbeinsetzungen und Legate,46 wird von der Jurisprudenz aber auch auf Fideikommisse und Schenkungen von Todes wegen erstreckt, die den Legaten gleichgestellt sind: 46 Vgl. Kaser, Über Verbotsgesetze und verbotswidrige Geschäfte im römischen Recht, Wien 1977, S. 100. Anders Calore, Rimozione del giuramento, S. 82, der glaubt, die Edikts-

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen

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D 28.7.8.1 – 3 Ulp 50 ed Hoc edictum etiam ad legata pertinet, non tantum ad heredum institutionem. (2) In fideicommissis quoque oportebit eos, qui de fideicommisso cognoscunt, subsequi praetoris edictum eapropter, quia vice legatorum funguntur. (3) Et in mortis causa donationibus dicendum est edicto locum esse, si forte quis caverit, nisi iurasset se aliquid facturum, restituturum quod accepit: oportebit itaque remitti cautionem. Dieses Edikt bezieht sich auch auf Vermächtnisse, nicht nur auf Erbeinsetzungen. (2) Auch bei Fideikommissen sollen diejenigen, die hierüber befinden, das Edikt des Prätors befolgen, weil die Fideikommisse den Vermächtnissen gleichstehen. (3) Auch bei Schenkungen von Todes wegen gilt, dass das Edikt Platz greift, insbesondere wenn jemand Sicherheit für die Rückgewähr des Empfangenen unter der Bedingung geleistet hat, dass er nicht schwöre, etwas zu tun; es muss also die Sicherheitsleistung erlassen werden.

Bemerkenswert ist, dass der Erlass der Eidesbedingung in seiner Wirkung nicht auf das Honorarrecht beschränkt bleibt, sondern offenbar auf die Ebene des Zivilrechts durchschlägt.47 Ulpian betrachtet Eidesbedingungen schon kraft des Edikts als weggefallen und hält es demzufolge für unnötig, im Einzelfall den Prätor zu bemühen:48 D 28.7.8.8 Ulp 50 ed De hoc iureiurando remittendo non est necesse adire praetorem: semel enim in perpetuum a praetore remissum est nec per singulos remittendum. et idcirco ex quo dies legati cesserit, remissum videtur etiam ignorante scripto herede. ideoque in herede legatarii recte probatur, ut post diem legati cedentem si decesserit legatarius, debeat heres eius actione de legato uti, quasi pure legato relicto ei cui heres exstiterat. Zum Erlass einer solchen Eidesleistung ist nicht erforderlich, den Prätor anzurufen; denn sie ist ein für alle Mal durch den Prätor erlassen und nicht mehr in jedem einzelnen Fall zu erlassen. Und deshalb gilt sie mit dem Tag des Vermächtnisanfalls auch dann als erlassen, wenn der Erbe das Testament nicht kennt. Und daher nimmt man für den Erben des Vermächtnisnehmers zu Recht an, dass er, wenn der Vermächtnisnehmer nach dem Tag des Vermächtnisanfalls gestorben ist, die Klage aus dem Vermächtnis so erheben kann, als sei demjenigen, dessen Erbe er geworden ist, das Vermächtnis unbedingt hinterlassen.

Wäre der Erlass der Eidesbedingung bloß für das Honorarrecht relevant, käme man um eine Entscheidung des Prätors im konkreten Fall nicht umhin. Denn er müsste einem nach ius civile unter der Eidesbedingung eingesetzten Erben, wenn er den Schwur nicht leistet, den Nachlassbesitz und einem Vermächtnisnehmer, der bestimmung selbst beziehe sich nur auf Erbeinsetzungen und werde schon auf Legate nur im Wege eines Analogieschlusses angewandt. 47 Dies bestreiten Bertolini, Giuramento, S. 65, Voci, Diritto ereditario romano, Bd. 2, 2. Aufl. Mailand 1963, S. 800 f., Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 279 ff. und Calore, Rimozione del giuramento passim. 48 Eine Andeutung der zivilrechtlichen Wirkung des Edikts enthält auch D 28.7.8pr. Kaser (Fn. 46), S. 99 f. sieht hier in dem Passus: ,voluit ergo eum, cui sub iurisiurandi condicione quid relictum est, ita capere, ut capiunt hi, quibus nulla talis iurisiurandi condicio inseritur‘ den Ediktswortlaut wiedergegeben und hält ihn zu Recht der Formulierung pro non scriptum für äquivalent.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

einer ihm auferlegten Eidesbedingung nicht nachkommt, eine analoge Klage gewähren. Soll stattdessen das Edikt ,semel in perpetuum‘ wirken, kann dies nur daran liegen, dass die Bedingung automatisch wegfällt, Erbe und Vermächtnisnehmer also eine von der Eidesbedingung befreite Position erlangen.49 Daher spricht Julian einem Freilasser dessen Pflichtteil am Nachlass seines Freigelassenen mit der Begründung ab, er sei, falls er unter einer vom Prätor erlassenen Eidesbedingung eingesetzt ist, regelrechter Erbe des Freigelassenen geworden:50 D 38.2.20pr Iul 25 dig Libertus sub condicione iurisiurandi, quam praetor remittere solet, patronum instituit heredem: non puto dubitandum, quin a bonorum possessione submoveatur: verum est enim eum heredem factum. Ein Freigelassener hat seinen Freilasser unter der Eidesbedingung zum Erben eingesetzt, die der Prätor erlässt; ich glaube, man kann nicht bezweifeln, dass er vom Nachlassbesitz ausgeschlossen ist; denn er ist Erbe geworden.

Ferner spricht Ulpian dem Erben, der den Eid nicht leistet, sich aber so verhält, wie er beschwören soll, in D 28.7.8.651 die „Erbschaftsklagen“ (,actiones hereditarias‘) zu, mit denen mangels erklärenden Zusatzes nur die zivilen Klagerechte gemeint sein können52. Und Gaius erklärt ihn zum Schuldner der Legate und Fideikommisse:53 D 32.14.1 Gai 1 fid Heres quoque, cui iurisiurandi condicio remittitur, legatum et fideicommissum debet. Ein Erbe, dem die Bedingung der Eidesleistung erlassen ist, schuldet auch die Erfüllung der Vermächtnisse und Fideikommisse.

Für eine bloß honorarrechtliche Wirkung des Verzichts auf die Eidesleistung54 lassen sich lediglich zwei Belege anführen, die jedoch, genau besehen, nicht aus49 Calore, Rimozione del giuramento, S. 75 ff. entstellt die einleitende Aussage Ulpians, indem er unterstellt, der Spätklassiker wolle bloß zum Ausdruck bringen, dass der Prätor im Einzelfall keine Bewertung mehr anstellen müsse. Für den Schlusssatz, in dem Ulpian von einem legatum pure relictum spricht, muss Calore dementsprechend auch zu einer Interpolationsvermutung Zuflucht nehmen. 50 Auch diese Aussage muss Calore, Rimozione del giuramento, S. 42 verdrehen, wenn er annimmt, Julian konzentriere sich auf die Frage des Pflichtteils und lasse daher den Unterschied zwischen zivilrechtlicher Erbfolge und Nachlassbesitz unbeachtet. 51 s. u. S. 36. 52 Richtig Kaser (Fn. 46), S. 102 Fn. 20; anders Calore, Rimozione del giuramento, S. 121, der glaubt, hier seien prätorische Klagen zum Schutz der bonorum possessio gemeint. 53 Diese Aussage verkehrt Calore, Rimozione del giuramento, S. 126 wiederum in ihr Gegenteil, wenn er behauptet, die Verpflichtung zur Erfüllung der Vermächtnisse wäre bei einer zivilrechtlichen Wirkung des Eideserlasses selbstverständlich und bedürfe einer besonderen Feststellung nur im Fall der prätorischen Erbfolge. 54 Sie ergibt sich noch nicht aus dem Begriff remissio. Dies zeigen die Aussagen der Juristen zu den gesetz- und sittenwidrigen Bedingungen, die kein Gegenstand einer Bestimmung im prätorischen Edikt sind (vgl. Kaser (Fn. 46), S. 104) und gleichwohl zuweilen als Gegenstand

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sagekräftig sind: Zum einen gibt es die knappe Feststellung des Paulus, der meint, die lex Falcidia komme bei einer Erbeinsetzung unter Eidesbedingung nur kraft des prätorischen Edikts zum Zuge.55 Hiermit kann aber statt einer Entscheidung des Gerichtsmagistrats im Einzelfall ohne Weiteres die Bestimmung über den Erlass der Eidesbedingung selbst gemeint sein: D 35.2.1.2, 3 Paul sing Falc Ad eos, qui omissa causa testamenti possident hereditatem, non pertinet lex Falcidia: sed per edictum praetoris inducitur potestas legis. (3) Idemque est, si iurisiurandi condicio remissa sit. Auf diejenigen, die den Nachlass entgegen dem Testament besitzen, bezieht sich das falzidische Gesetz nicht; aber durch das Edikt des Prätors findet es hier Anwendung. (3) Dasselbe gilt, wenn die Bedingung der Eidesleistung erlassen ist.

Zum anderen spricht Gaius von prätorischen Klagen und der bonorum possessio in einem Fall, in dem es um die Überleitung des Nachlasses auf einen Universalfideikommissar geht:56 D 36.1.65.9 Gai 2 fid Quod si condicio adscripta est et ea est, quam praetor remittit, sufficit edictum, ut Iulianus ait: hactenus iubendus est, ut constituat praetoris actionibus uti aut petat bonorum possessionem secundum tabulas, ut ita nanctus actiones tunc restituta hereditate transferat eas ex senatus consulto. Ist aber eine Bedingung beigefügt, die der Prätor erlässt, genügt, wie Julian sagt, das Edikt; insofern ist er zu zwingen, sich zu entscheiden, von den prätorischen Klagen Gebrauch zu machen, oder den Nachlassbesitz entsprechend dem Testament zu fordern, damit er die so erworbenen Klagen nach Herausgabe der Erbschaft gemäß dem Senatsbeschluss überträgt.

eines „Erlasses“ erscheinen; vgl. D 35.1.20 (S. 38) und D 28.7.9 Paul 45 ed: Condiciones, quae contra bonos mores inseruntur, remittendae sunt, … („Bedingungen, die gegen die guten Sitten eingefügt sind, sind zu erlassen.“). Dagegen werden sie in anderen Quellen schlicht „nichtig“ genannt; vgl. D 30.112.4 Marcian 6 inst: Divi Severus et Antoninus rescripserunt iusiurandum contra vim legum et auctoritatem iuris in testamento scriptum nullius esse. („Die göttlichen Kaiser Severus und Antoninus haben befunden, dass ein in einem Testament auferlegter Eid, der gegen Gesetz und Recht verstößt, nichtig sei.“); ferner PS 3.4b.2: Condiciones contra leges et decreta principum vel bonos mores adscriptae nullius sunt momenti: … („Bedingungen, die gegen die Gesetze, die kaiserlichen Verordnungen oder die guten Sitten hinzugefügt werden, sind nichtig …“). Ein Unterschied zwischen beiden Ausdrucksweisen lässt sich nur ausmachen, wenn man mit Calore, Rimozione del giuramento, S. 232 ff. einen Schwenk vom prätorischen Erlass der sittenwidrigen Bedingung zu ihrer zivilrechtlichen Nichtigkeit annimmt. Zwar lässt sich vielleicht noch die von Marcian zitierte Entscheidung der Severerkaiser als Wendepunkt ausmachen; ein Grund für eine solche Entwicklung ist damit aber noch nicht gefunden und bestenfalls durch die Unterstellung gewonnen, die kaiserliche Kanzlei wende sich gezielt gegen die Missachtung kaiserlichen Rechts (so Calore a. a. O., S. 208) 55 Hierauf berufen sich Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 279 f. und Calore, Rimozione del giuramento, S. 129. 56 Vor allem auf diesen Text stützt sich denn auch Calore, Rimozione del giuramento, S. 112.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

Gaius stellt den Fall der Eidesbedingung demjenigen gegenüber, in dem der Erbe, der die Erbschaft an einen Fideikommissar herausgeben soll, unter einer gewöhnlichen Bedingung eingesetzt ist57: Während der Fideikommissar hier dem Erben die Aufwendungen für die Erfüllung der Bedingung ersetzen muss, braucht er bei der Eidesbedingung, die ja schon durch das Edikt erlassen ist, keinen Beitrag zu leisten, sondern kann den Erben, wenn dieser die Erbschaft wegen seiner angeblichen Überschuldung nicht antreten will, unmittelbar nach dem senatus consultum Pegasianum zum Antritt zwingen lassen.58 Dass die Rechtsnachfolge auf honorarrechtlichem Wege erfolgen soll, beruht nicht auf der Wirkung der prätorischen Anordnung über den Erlass des Eides; es liegt vielmehr daran, dass die Erbschaft dem Universalfideikommissar entsprechend dem senatus consultum Trebellianum herauszugeben ist, dessen Regelung durch prätorische Klagen umgesetzt wird.59 Der Erlass des Eides führt freilich nur dann zu einem unbedingten Erwerb der Zuwendung, wenn der Schwur auf ein verbotenes oder unsittliches Verhalten gerichtet ist. Dies ist zweifellos nicht selten der Fall, weil es für den Erblasser naheliegt, zum Gegenstand des Eides gerade das zu machen, was er nicht wirksam zur Bedingung für die Zuwendung machen kann. Wird der Schwur auf diese Weise dazu eingesetzt, durch eine religiöse Bindung des Begünstigten ein Gesetzes- oder Sittenverbot zu umgehen, fällt die Bedingung der Eidesleistung schlicht weg. Soll der Bedachte mit seinem Eid dagegen ein erlaubtes Verhalten versprechen, wird eben dieses als Gegenstand der Bedingung angesehen: D 28.7.8.6 Ulp 50 ed Quotiens heres iurare iubetur daturum se aliquid vel facturum: quod non improbum est, actiones hereditarias non alias habebit, quam si dederit vel fecerit id, quod erat iussus iurare. Immer dann, wenn einem Erben befohlen worden ist, zu schwören, dass er etwas gebe oder tue, was ungehörig ist, hat er die Erbschaftsklagen nur, wenn er gegeben oder gemacht hat, was ihm zu schwören aufgegeben war.

Unbedingt ist die Verfügung im Fall eines erlaubten Verhaltens daher nur dann, wenn dieses unmöglich, also beispielsweise der freizulassende Sklave schon gestorben, ist: D 28.7.8.7 Ulp 50 ed Mortuo autem vel manumisso Sticho vivo testatore qui ita heres institutus est, si iurasset se Stichum manumissurum, non videbitur defectus condicione heres, quamvis verum sit compellendum eum manumittere, si viveret. idem est et si ita heres institutus esset quis: ,Titius heres esto ita, ut Stichum manumittat‘ aut ,Titio centum ita lego, ut Stichum manumittat‘. nam mortuo Sticho nemo dicet summovendum eum: non videtur enim defectus condicione, si parere condicioni non possit: implenda est enim voluntas, si potest.

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Hierum geht es in § 8 des Fragments. Vgl. Gai 2.258. Richtig Kaser (Fn. 46), S. 102 Fn. 20.

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen

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Ist jemand unter der Bedingung zum Erben eingesetzt worden, dass er schwört, den schon zu Lebzeiten des Erblassers gestorbenen oder freigelassenen Stichus freizulassen, ist es nicht so anzusehen, als habe er die Bedingung ausfallen lassen, obwohl wahr ist, dass er gezwungen würde, ihn freizulassen, wenn er noch lebte. Dasselbe gilt, wenn jemand folgendermaßen zum Erben eingesetzt ist: „Titius soll mein Erbe sein, damit er Stichus freilässt“, oder „Titius vermache ich 100, damit er Stichus freilässt“. Denn da Stichus schon tot ist, kann niemand behaupten, er hätte sein Recht verwirkt; kann jemand eine Bedingung nicht erfüllen, wird er nämlich nicht so angesehen, als habe er sie ausfallen lassen; den Willen des Erblassers hat er nur dann zu erfüllen, wenn er es kann.

Spricht Ulpian hier davon, ein Erbe, dem der Eid über die Freilassung eines Sklaven auferlegt ist, werde hierzu im Normalfall, in dem der Sklave noch lebt und nicht schon freigelassen ist, auch gezwungen (,compellendum eum manumittere‘), bedeutet dies nicht, dass sich die Bedingung der Eidesleistung in eine Auflage verwandelte.60 Der Zwang, dem der Bedachte unterliegt, ergibt sich daraus, dass er, um in den Genuss der Zuwendung zu kommen, deren Voraussetzungen schaffen muss.61 Derselben Formulierung wie Ulpian bedient sich Julian, für den die Umwandlung der Eides- in eine Verhaltensbedingung erstmals belegt ist: D 35.1.26pr Iul 82 dig Haec scriptura ,si viginti dederit aut iuraverit se aliquid facturum‘ unam condicionem exprimit habentem duas partes: quare si quicumque heres scriptus erit sub condicione ,si iuraverit se decem daturum‘ aut ,monumentum facturum‘, quamvis verbis edicti ad hereditatem vel legatum admittatur, tamen compellitur facere id quod facturum se iurare iussus est solo iureiurando remisso. Die Bestimmung: „wenn er 20 gezahlt oder geschworen hat, etwas zu tun“, enthält eine Bedingung mit zwei Teilen; daher wird jemand, wenn er als Erbe eingesetzt ist unter der Bedingung: „wenn er schwört, zehn zu zahlen oder ein Denkmal zu errichten“, obwohl er nach dem Wortlaut des Edikts zur Erbschaft oder zu dem Vermächtnis zugelassen sein soll, dennoch dazu gezwungen zu tun, was ihm zu beschwören befohlen ist, während bloß der Eid erlassen ist.

Julian stellt den Ersatz der Eides- durch eine Verhaltensbedingung hier als Alternative zur unbedingten Begünstigung des Zuwendungsempfängers dar, die gemäß den verba edicti einträte. Damit sagt er indirekt, dass der Wechsel zur Verhaltensbedingung bei einem erlaubten Gegenstand des Schwures nicht selbst im prätorischen Edikt vorgesehen,62 sondern erst das Ergebnis seiner Handhabung durch die Jurisprudenz ist.63 Es kommt also, modern gesprochen, zu einer teleologischen 60

So aber Voci (Fn. 47), S. 801. Der Interpolationsannahme von Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 278 bedarf es daher nicht. 62 Dies glaubt auch Kaser (Fn. 46) S. 101 Fn. 20. 63 Steht Julians Entscheidung des Ausgangsfalles, in dem der Eid Alternative zu einer echten Verhaltensbedingung ist, im Gegensatz zu Ulpians Lösung in D 28.7.8.5 (s. u. S. 39), rechtfertigt dies noch nicht den Interpolationsverdacht, den Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 271 und Calore, Rimozione del giuramento, S. 70 ff. gegen den ersten Satz des Julianfragments hegen. Indem Ulpian ausdrücklich eine ratio dubitandi angibt, zeigt er gerade, dass die Entscheidung des Falles auch anders, nämlich im Sinne Julians, ausfallen könnte. 61

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

Reduktion der ediktalen Regelung, die eigentlich auf einen durchgängigen Erlass der Eidesbedingung gerichtet ist. Deren Rechtsfolgenanordnung wird von den Juristen auf den Fall begrenzt, dass der Begünstigte ein unerlaubtes Verhalten beschwören soll, das sich nicht selbst zum Gegenstand einer Bedingung machen lässt. Die Umdeutung der Eides- in eine Verhaltensbedingung zeigt, dass Grund für die Einführung des Edikts nicht die Vorstellung gewesen sein kann, die Bedingung eines Schwures sei schlechthin sittenwidrig.64 In diesem Fall könnte sich die römische Jurisprudenz hierüber kaum durch Umdeutung der Eides- in eine Verhaltensbedingung hinwegsetzen. Dass die Eidesbedingung nicht ohne Weiteres als condicio turpis gilt, zeigen zudem zwei Äußerungen Marcells. In der einen werden die sittenwidrige und Eidesbedingung nebeneinandergestellt:65 D 29.1.29.2 Marcell 10 dig Edictum praetoris, quo iusiurandum heredibus institutis legatariisque remittitur, locum habet etiam in militum testamentis, sicut etiam in fideicommissis: idemque si turpis esset condicio. Das Edikt des Prätors, wonach eingesetzten Erben und Vermächtnisnehmern der Eid erlassen ist, findet auch bei Soldatentestamenten Anwendung, und zwar ebenso wie bei Fideikommissen; dasselbe gilt, wenn die Bedingung sittenwidrig ist.

In der anderen werden die Eidesbedingungen als „häufig“ (,plerumque‘) sittenwidrig genannt, was auf ihren regelmäßigen Missbrauch für anstößige Zwecke,66 zugleich aber darauf schließen lässt, dass die Bedingung der Eidesleistung, für sich genommen, nicht als verwerflich gilt: D 35.1.20 Marcell not Iul 27 dig Non dubitamus, quin turpes condiciones remittendae sunt: quo in numero plerumque sunt etiam iurisiurandi. Wir bezweifeln nicht, dass sittenwidrige Bedingungen zu erlassen sind, wozu häufig auch die Bedingung einer Eidesleistung gehört.

Astolfi hält den Erlass der Eidesbedingung für ein Mittel, um dem Erblasserwillen besser Geltung zu verschaffen.67 Bedenkt man, dass das Edikt selbst lediglich den Wegfall der Eidesbedingung und nicht auch ihre Ersetzung durch eine Verhaltensbedingung vorsieht, kann die Durchsetzung der Absicht des Testators aber zumindest nicht den Ausschlag für die Einführung des Edikts gegeben haben. Und selbst wenn man annimmt, die Umwandlung der Eides- in eine Verhaltensbedingung habe schon von vornherein der Intention des Prätors entsprochen, ist fraglich, ob man hierin eine Rücksicht auf den Erblasserwillen sehen kann. Denn dieser ist, wie Calore zu Recht 64

Richtig Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 266. Calore, Rimozione del giuramento, S. 198 f. schließt aus diesem Text vielleicht nicht zu Unrecht darauf, dass die nicht eigens geregelte Sanktion sittenwidriger Bedingungen jedenfalls zeitweise an die ediktale Bestimmung über die Eidesbedingung anknüpfte. 66 Vgl. Kaser (Fn. 46), S. 102, Calore, Rimozione del giuramento, S. 198. 67 Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 285 ff. 65

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen

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bemerkt, ja nicht nur auf das zu beschwörende Verhalten, sondern auch auf die eidliche Bindung des Begünstigten gerichtet.68 Deren Beseitigung durch den Prätor kann nur die Folge eines Misstrauens gegenüber dem eidlichen Versprechen sein, auf dessen Kontrolle das Edikt nach Calores Ansicht zielt69. Dass es die Reserve gegenüber dem Eid ist, die zu seinem Erlass führt, meint denn auch zumindest Ulpian in seiner Ediktslaudation:70 D 28.7.8pr Ulp 50 ed … cum enim faciles sint nonnulli hominum ad iurandum contemptu religionis, alii perquam timidi metu divini numinis usque ad superstitionem, ne vel hi vel illi aut consequerentur aut perderent quod relictum est, praetor consultissime intervenit. etenim potuit is, qui voluit factum, quod religionis condicione adstringit sub condicione faciendi relinquere: ita enim homines aut facientes admitterentur aut non facientes deficerentur condicione. … Denn da manche Menschen in Missachtung der Religion leichtfertig mit dem Eid umgehen, andere dagegen aus Furcht vor der göttlichen Macht bis hin zum Aberglauben eingeschüchtert sind, greift der Prätor höchst weise ein, damit weder jene erhalten noch diese verlieren, was ihnen hinterlassen ist. Derjenige, der wollte, dass geschieht, wozu er sich unter der religiösen Bedingung verpflichtet hat, hätte nämlich auch unter der Bedingung verfügen können, dass es geschieht; so hätten die Menschen nämlich durch ihr Verhalten die Bedingung erfüllen oder ausfallen lassen können.

Dementsprechend lässt sich Ulpian auch bei der Anwendung des Edikts von dem Ziel leiten, den Begünstigten vor jeglichem Zwang zum Eid zu schützen. Aus diesem Grund erklärt er anders als Julian71 auch eine alternative Bedingung für erlassen, die den Begünstigten entweder zum Schwur oder zu einem bestimmten Verhalten nötigt: D 28.7.8.5 Ulp 50 ed Sed si sub iurisiurandi condicione sit institutus aut si decem milia dederit, hoc est alternata condicione, ut aut pareat condicioni aut iuret aliud quid, videndum, numquid remitti ei condicio non debet, quia potest alteri condicioni parendo esse securus. sed est verius remittendam condicionem, ne alia ratione condicio alia eum urgueat ad iusiurandum. Aber wenn jemand unter der Bedingung der Eidesleistung oder für den Fall zum Erben eingesetzt ist, dass er 10.000 zahlt, also unter einer alternativen Bedingung, so dass er sie erfüllen oder etwas anderes schwören soll, ist zu sehen, ob ihm die Bedingung nicht erlassen werden muss, weil er ja sicher gehen kann, indem er die andere Bedingung erfüllt. Aber es ist richtiger, die Bedingung zu erlassen, damit die andere Bedingung ihn nicht aus einem anderen Grund zum Schwur drängt.

Die besondere Gefahr, die der Eid mit sich bringt, liegt in der Benachteiligung der gewissenhaften Hinterbliebenen: Während diese, weil sie sich an den Eid wirklich gebunden fühlen, vor seinem Schwur zurückschrecken, eröffnet dieser den gewissenlosen Begünstigten die Möglichkeit, die letztwillige Zuwendung leicht zu er68 69 70 71

Calore, Rimozione del giuramento, S. 182 f. Calore, Rimozione del giuramento, S. 160 ff. Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 289 ff. muss diese für interpoliert erklären. Vgl. D 35.1.26pr; s. o. Fn. 36.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften

langen, ohne dass dies weltliche Konsequenzen hätte. Sie erhalten das ihnen Zugedachte und können gleichwohl nicht zur Erfüllung ihres eidlichen Versprechens angehalten werden, wohingegen diejenigen, die sich hieran halten möchten, schon von der Annahme der Zuwendung absehen. Diese ungerechte Konsequenz liegt in der mangelnden Verpflichtungswirkung des Eides begründet: Da er den Schwörenden nicht rechtlich, sondern nur religiös binden kann, bedeutet er zwangsläufig einen Vorteil für den Bedachten, der sich weder um die göttliche Rache noch um die Wünsche des Erblassers schert. Dem korrespondierenden Nachteil des treuen Hinterbliebenen, der die göttliche Rache fürchtet und daher voreilig die Zuwendung ausschlägt, steht auf der anderen Seite kein schutzwürdiges Interesse des Erblassers gegenüber. Auch dies beruht auf der Unverbindlichkeit des Eides: Da der Erblasser den Begünstigten durch die Eidesbedingung nur zum Schwur nötigen kann, nicht aber zu dem Verhalten, das beschworen werden soll, genießt sein Wunsch nach dem Eid nicht denselben Respekt wie das Interesse eines gewissenhaften Hinterbliebenen, von unnötigen Beschwörungen göttlicher Rache unbehelligt zu bleiben. Überwiegen kann der Wunsch des Erblassers, wie Ulpian ausdrücklich sagt und durch Umdeutung der Eides- in eine Verhaltensbedingung auch praktiziert, nur dann, wenn statt des Eides das hiermit zu versprechende Verhalten Gegenstand der Bedingung ist. Der Erlass der Eidesbedingung erweist sich damit als logische Konsequenz aus der mangelnden Verpflichtungswirkung des Eides. Mag sie dem Prätor bei Rechtsgeschäften unter Lebenden auch nicht als dringliches Problem erschienen sein, hat sie ihn bei den wirtschaftlich ungleich bedeutenderen Rechtsgeschäften von Todes wegen doch dazu bestimmt, den Eid aus dem Rechtsleben zu verbannen.72 72

Wann dieser Schritt erfolgt ist, lässt sich nur insoweit sicher bestimmen, als er wahrscheinlich nach der Wirkungszeit Ciceros getan worden ist, der in Verr 2.1.47.123 f. davon berichtet, dass eine Eidesbedingung im Einzelfall erlassen worden ist; hierzu ausführlich Calore, Rimozione del giuramento, S. 55. Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 292 ff. hält das Edikt über den Eideserlass für ein Produkt der Hochklassik und schreibt es der Redaktion des edictum perpetuum durch Julian zu. Hierbei stützt er sich auf zwei Entscheidungen Javolens und Nerzaz’, die jedoch nicht aussagekräftig sind: D 29.2.62pr Iav 1 post Lab: Antistius Labeo ait, si ita institutus sit ,si iuraverit, heres esto‘, quamvis iuraverit, non tamen eum statim heredem futurum, antequam pro herede aliquid gesserit, quia iurando voluntatem magis suam declarasse videatur. ego puto satis eum pro herede gessisse, si ut heres iuraverit: Proculus idem, eoque iure utimur. („Antistius Labeo sagt, dass jemand, wenn er so zum Erben eingesetzt ist: ,wenn er schwört, soll er Erbe sein‘, obwohl er schwört, nicht unmittelbar Erbe werde, bevor er sich nicht wie ein Erbe verhalten habe, weil er durch den Eid eher seinen Willen erklärt habe. Ich glaube, dass er sich, wenn er als Erbe den Eid leistet, wie ein Erbe verhalten habe; Proculus nimmt dasselbe an, und so halten wir es.“) D 35.1.97 Paul 2 Ner: Municipibus, si iurassent, legatum est. haec condicio non est impossibilis. Paulus: quemadmodum ergo pareri potest per eos? itaque iurabunt, per quos municipii res geruntur. („Der Gemeinde ist ein Vermächtnis unter der Bedingung ausgesetzt, dass sie schwört. Diese Bedingung ist nicht unmöglich. Paulus: Wie kann also die Gemeinde der Bedingung Genüge tun? Es schwören diejenigen, die die Geschäfte der Gemeinde besorgen.“) Beide Texte erlauben keinen Schluss auf das Alter des Edikts: Bei Labeo geht es nur um die Frage, ob der Eid schon eine pro herede gestio bedeutet, was völlig unabhängig davon ist, ob der Eid auch als Gegenstand der Bedingung wirksam ist. Und Neraz interessiert, ob die Bedingung schon an der Unmöglichkeit ihrer Erfüllung scheitert; hierin

II. Der Eid als Bedingung letztwilliger Verfügungen

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2. Die Ausnahme: Der Schwur bei der testamentarischen Freilassung Beruht der ediktale Erlass der Eidesbedingung auf der fehlenden Verbindlichkeit des Schwures, muss er ebenso wie diese eine Ausnahme erleiden, wenn der Eid doch eine Verpflichtung hervorbringt. Der Fall ist dies, wenn er von einem libertus aus Anlass seiner Freilassung geschworen wird. Gilt dies für ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, darf nichts anderes gelten, wenn der Sklave im Testament für frei erklärt wird. Er kann sich durch seinen Schwur wirksam gegenüber dem Erben seines Eigentümers verpflichten und erfüllt mit diesem eidlichen Versprechen auch eine gültige Bedingung seiner Freilassung, die nicht dem generellen Erlass der Eidesbedingung unterfällt: D 40.4.12pr Ulp 50 ed73 Si quis libertatem sub iurisiurandi condicione reliquerit, edicto praetoris locus non erit, ut iurisiurandi condicio remittatur, et merito: nam si quis remiserit condicionem libertatis, ipsam libertatem impedit, dum competere aliter non potest, quam si paritum fuerit condicioni. Hat jemand die Freiheit unter der Bedingung eines Eides hinterlassen, greift das prätorische Edikt, wonach die Bedingung des Eides erlassen wird, nicht ein, und zwar zu Recht: denn wenn man die Bedingung für die Freiheit erlässt, verhindert man auch die Freilassung selbst, die nur dann zustehen kann, wenn der Bedingung gehorcht wird.

Streng genommen ist Ulpians Argumentation zirkulär; denn er setzt voraus, was es erst zu begründen gilt: Dass die Freiheit dem mit ihr Bedachten nicht zuteilwird, wenn der Eid ausbleibt, lässt sich nur dann behaupten, wenn man davon ausgeht, dass der Eid nicht erlassen wird. Er wird aber eben deshalb nicht erlassen, weil er in diesem Ausnahmefall die Grundlage einer wirksamen Verpflichtung ist. Deshalb hat der Erblasser auch ein schutzwürdiges Interesse an dem Schwur, das ihm ansonsten, wenn der Eid unverbindlich bleibt, fehlt.74 Die Ausnahme vom Erlassedikt reicht folglich nur so weit, wie es um einen Eid geht, der libertatis causa und damit gültig geschworen wird. Sie wird nicht gemacht, wenn der Eid Bedingung für ein Legat und die Freilassung entweder unbedingt oder schon zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt ist: unterscheidet er sich nicht von Paulus, der dieser Frage ebenfalls nachgeht, obwohl zu seiner Wirkungszeit das Edikt längst existierte; vgl. Calore a. a. O., S. 190 f. 73 Lenel, Pal., Bd. 2, Sp. 727 f. (Ulpian 1218) ordnet diesen Text, der aus demselben Buch wie Ulpians Traktat zum Erlassedikt stammt, zwischen dessen §§ 3 und 4 ein. 74 Dies erwägt auch Calore, Rimozione del giuramento, S. 133 ff., der dann jedoch im Anschluss an Bertolini, Giuramento, S. 65 und Voci (Fn. 47), S. 801 für maßgeblich hält, dass der Erlass des Eides nur zu einer prätorischen Freilassung führt, die hinter der angestrebten Freiheit nach ius civile zurückbliebe. Diese Deutung steht und fällt mit der unberechtigten Annahme, der Erlass des Eides habe nur honorarrechtlich gewirkt (s. o. S. 33 ff.), und übergeht überdies, dass Ulpian, wie Astolfi, SDHI 23 (1957) 265, 273 hervorhebt, überhaupt nicht zwischen zivilrechtlicher und prätorischer Freilassung unterscheidet.

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1. Kap.: Iusiurandum bei Rechtsgeschäften D 40.4.12.1 – 3 Ulp 50 ed Proinde et si legatum quis cum libertate acceperit, non aliter legatum habebit, nisi condicioni iurisiurandi paruerit. (2) Sed si pure libertatem acceperit, legatum sub iurisiurandi condicione, putat Iulianus libro trigensimo primo digestorum remitti ei condicionem iurisiurandi. (3) Idem puto dicendum et si libertati quoque iniecta condicio sit, sed testator eum vivus manumiserit: nam et hic condicio legati remittetur. Daher wird jemand, wenn er ein Vermächtnis gemeinsam mit der Freilassung erlangt, das Vermächtnis nur dann erwerben, wenn er der Eidesbedingung gehorcht. (2) Hat er aber die Freiheit unbedingt, das Vermächtnis unter der Bedingung des Eides erlangt, wird die Bedingung des Eides ihm, wie Julian im 31. Buch seiner Digesten meint, erlassen. (3) Ich glaube, dasselbe gilt, wenn die Freilassung unter eine Bedingung gestellt wurde, der Erblasser ihn aber zu Lebzeiten freigelassen hat; denn auch hier ist die Bedingung für das Vermächtnis erlassen.

Seitdem die römischen Juristen die Wirksamkeit der eidlichen Verpflichtung von der vorherigen Freilassung des Sklaven abhängig machen, stellt sich bei der Durchführung der letztwilligen Verfügung freilich ein praktisches Problem: Um die Bedingung für seine Freilassung zu erfüllen, muss der Begünstigte vorher schwören, also in einem Stadium, in dem er nach neuer Doktrin noch keinen verpflichtungsbegründenden Eid leisten kann. Auflösen ließe sich diese Schwierigkeit nur, indem man den Eid entsprechend der ursprünglichen Handhabung als ein vor der Freilassung geleistetes Versprechen für wirksam hält. Zumindest Paulus gibt aber dem später entwickelten Grundsatz den Vorrang, wonach der Eid nur dann eine Obligation hervorbringt, wenn er nach der Freilassung geschworen worden ist. Daher entscheidet er sich dafür, den Schwur nur als Mittel zur Erfüllung der Bedingung gelten zu lassen, ihm aber die verpflichtungsbegründende Wirkung abzusprechen: D 40.4.36 Paul 7 Plaut Servum testamento ita manumisi: ,si iuraverit se Cornelio filio meo decem operarum daturum, liber esto‘: quaeritur, quid iuris sit. et sciendum est iurando servum condicionem implere, sed non teneri operarum nomine, quia nisi post manumissionem iuret, non obligatur. Ich habe meinen Sklaven durch Testament folgendermaßen freigelassen: „Er soll frei sein, wenn er meinem Sohn Cornelius geschworen hat, zehn Tagewerke an Diensten zu leisten.“ Fraglich ist, was gilt. Und man muss wissen, dass der Sklave durch den Schwur die Bedingung erfüllt, aber deshalb nicht auf die Dienstleistungen haftet, weil er nur verpflichtet wird, wenn er nach der Freilassung schwört.

Diese Lösung ist freilich widersprüchlich, weil Paulus, wenn er den Eid für unwirksam hält, auch auf die Eidesbedingung verzichten und das Edikt über den Erlass des Schwures zur Anwendung bringen könnte.

Zweites Kapitel

Der Eid nach dem Edikt de iureiurando I. Eckdaten und Grundfragen 1. Das iusiurandum voluntarium Der Digestentitel 12.2 ist das Ergebnis einer Mischung von Fragmenten, die sich ursprünglich auf zwei verschiedene Bestimmungen des prätorischen Edikts bezogen haben.1 Die überwiegende Zahl der Texte bezieht sich auf das Edikt de iureiurando, das von Ulpian im 22. Buch und bei Paulus im 18. Buch des Ediktskommentars behandelt wird. Die übrigen Fragmente gelten einem Abschnitt des Edikts si certum petetur, in dem ein Eid vorgesehen war, zu dem der Prätor einen Beklagten auf Antrag des Klägers zwingen konnte. Dieser Eid, mit dem sich Ulpian im 26. Buch seines Kommentars und Paulus im 28. Buch beschäftigt, ist in der Überschrift des Digestentitels mit der Bezeichnung „Zwangseid“ (iusiurandum necessarium) versehen, wohingegen der Eid nach dem Edikt de iureiurando „freiwilliger Eid“ (iusiurandum voluntarium) heißt. Der Wortlaut des zuletzt genannten Edikts ist teilweise in einem Auszug aus Ulpians Kommentar überliefert, den die Kompilatoren um einen Zusatz aus dem Werk des Paulus ergänzt haben: D 12.2.7 Ulp 22 ed Ait praetor: ,eius rei, de qua iusiurandum delatum fuerit, neque in ipsum neque in eum ad quem ea res pertinet actionem dabo.‘ eius rei sic erit accipiendum, sive de tota re sive de parte sit iuratum: nam de eo quod iuratum est pollicetur se actionem non daturum neque in eum qui iuravit neque in eos qui in locum eius cui iusiurandum delatum est succedunt, D 12.2.8 Paul 18 ed etiamsi in rem successerint. Der Prätor sagt: „In der Sache, in der ein Eid angetragen worden ist, werde ich weder gegen ihn selbst noch gegen denjenigen, den die Sache angeht, eine Klage erteilen.“ „In der Rechtssache“ ist so zu verstehen, dass es sich sowohl auf den Fall bezieht, in dem über die ganze Sache geschworen worden ist, als auch auf den Fall, in dem nur über einen Teil geschworen worden ist. Denn nur für das, worüber geschworen worden ist, verheißt der Prätor, dass er keine Klage gewähren wird, und zwar weder gegen denjenigen, der geschworen hat, noch gegen diejenigen, die an die Stelle desjenigen getreten sind, dem der Eid angetragen wurde, und zwar selbst dann, wenn sie nur in eine Sache nachgefolgt sind. 1

Vgl. Demelius, Schiedseid, S. 20 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Der Prätor verkündet die Verweigerung einer Klage für den Fall, dass der Beklagte oder sein Rechtsvorgänger auf Antrag des Klägers einen Eid geleistet hat. Der Schwur kann sich auf die gesamte Rechtssache oder nur auf einen Teil, nämlich eine bestimmte Verurteilungsvoraussetzung, beziehen. Ist er auf die gesamte Sache gerichtet, leugnet der Beklagte mit ihm seine Verpflichtung und leistet so einen Rechtseid, während er beim Schwur über eine Verurteilungsvoraussetzung eine Tatsache beschwört. Im Gegensatz zum Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur ist der Eid nach dem Edikt de iureiurando bei allen Arten von Klagen eröffnet. In einer aus systematischer Sicht nicht ganz befriedigenden Reihung zählt Ulpian persönliche und dingliche Klagen (actiones in personam – actiones in rem) auf, dann Tatsachenklagen (actiones in factum), die regelmäßig persönliche Klagen sind, sowie Strafklagen (actiones poenales). Diese sind stets persönlich, können aber einerseits Tatsachenklagen, andererseits auch auf das Zivilrecht bezogen sein. Hinzugefügt sind „irgendwelche anderen Klagen“, womit eigentlich nur die übrigen Tatsachenklagen gemeint sein können, sowie die Klagen, die im Nachverfahren zu einem Interdikt erhoben werden:2 D 12.2.3.1 Ulp 22 ed Quacumque autem actione quis conveniatur, si iuraverit, proficiet ei iusiurandum, sive in personam sive in rem sive in factum sive poenali actione vel quavis alia agatur sive de interdicto. Unabhängig davon, mit welcher Klage jemand belangt wird, nützt ihm, wenn er geschworen hat, sein Eid, sei es, dass eine persönliche Klage erhoben wird, sei es, dass es eine dingliche Klage ist, sei es, dass es eine auf den Sachverhalt zugeschnittene, eine Strafklage oder irgendeine andere Klage oder eine Klage über ein Interdikt ist.

Auslöser für die Wirkung des Eides ist der entsprechende Antrag des Klägers. Erst er rechtfertigt die streitentscheidende Bedeutung des Schwures: D 12.2.3pr Ulp 22 ed Ait praetor: ,si is cum quo agetur condicione delata iuraverit‘. eum cum quo agetur accipere debemus ipsum reum. nec frustra adicitur ,condicione delata‘: nam si reus iuraverit nemine ei iusiurandum deferente, praetor id iusiurandum non tuebitur: sibi enim iuravit: alioquin facillimus quisque ad iusiurandum decurrens nemine sibi deferente iusiurandum oneribus actionum se liberabit. Der Prätor sagt: „hat derjenige, gegen den geklagt werden soll, den Eid geschworen, nachdem ihm die Befugnis hierzu angetragen worden ist“. Unter demjenigen, gegen den geklagt werden soll, müssen wir den Beklagten selbst verstehen. Und nicht ohne Grund ist hinzugefügt: „nachdem ihm die Befugnis hierzu angetragen worden ist“. Denn wenn der Beklagte geschworen hat, ohne dass ihm jemand den Eid angetragen hat, schützt der Prätor diesen Eid nicht. Er hat sich nämlich selbst den Eid geschworen. Andernfalls würden sich diejenigen, die leichtsinnig einen Eid schwören, von der Last der Klage befreien, indem sie sich zur Eidesleistung drängen, ohne dass ihnen der Eid angetragen worden ist. 2

Vgl. Gröschler, Actiones in factum, S. 143.

I. Eckdaten und Grundfragen

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Das wirkungslose Gegenstück zum antragsgemäßen Eid nennt Ulpian sibi iurare: Der Schwörende spricht sich selbst erfolglos die Befugnis zur Entscheidung der Sache zu. Zukommen kann sie ihm allein durch das Einverständnis des Gegners, der mit seinem Antrag seine Zustimmung zu der streitentscheidenden Wirkung des Schwures bekundet. Dass der Eid im Übrigen wirkungslos bleibt, folgt für Ulpian aus der auch bei der Laudation des ediktalen Eideserlasses3 beschworenen Gefahr, dass der Eid sonst leichtfertig eingesetzt wird, um der Verurteilung zu entkommen.4 Denn es ist nicht sichergestellt, dass ein Schuldner auch hinreichende Furcht vor der göttlichen Macht hat, damit sein Schwur als wahrheitsgemäß gelten darf. Fürchtet er die Götter nicht, könnte er den Eid, wenn er ohne Antrag wirksam wäre, ungehemmt dazu einsetzen, wirklich bestehende Forderungen abzuleugnen und so undurchsetzbar zu machen. Tritt damit auch der praktische Grund für das Erfordernis der Eideszuschiebung zutage, lässt das Edikt doch die Frage offen, ob in der Kombination von Eidesantrag und -leistung ein Vertrag zu sehen ist, der dem Schwur seine streitentscheidende Wirkung verleiht. Ein offenkundiger Unterschied zu gewöhnlichen contractus und pacta liegt jedenfalls darin, dass eine solche Vereinbarung kein Pflichtenprogramm aufstellt, sondern die Wahrheit festlegt, sei es, dass der Eid eine vergangene Tatsache betrifft, sei es, dass er sich als Rechtseid auf die juristische Wirklichkeit bezieht. Näheren Aufschluss kann in dieser Frage nur die Untersuchung der einzelnen Arten von Eiden und der Umstände ergeben, unter denen sie jeweils abgegeben worden sind. 2. Rechtsfolgen des Eides Umgesetzt wird die vom Prätor verkündete Rücksicht auf den antragsgemäßen Eid je nach der Situation, in der er geleistet worden ist. Ein Schwur des Beklagten kann zu der im Edikt de iureiurando eigens proponierten denegatio actionis, aber auch zur Einschaltung einer exceptio führen: D 12.2.9pr Ulp 22 ed Nam posteaquam iuratum est, denegatur actio: aut, si controversia erit, id est si ambigitur, an iusiurandum datum sit, exceptioni locus est. Nachdem nämlich geschworen worden ist, wird die Klage verweigert oder es greift, wenn es streitig, also zweifelhaft ist, ob ein Eid geleistet worden ist, eine Einrede Platz.

Der Prätor verweigert schon die Gewährung der Klage, wenn feststeht, dass der Beklagte einen Eid geleistet hat, der seine Verurteilung ausschließt. Der Fall ist dies, wenn der Beklagte den Eid vor dem Prätor selbst während der Verhandlung in iure

3 4

D 28.7.8pr; s. o. S. 39. Amirante, Giuramento, S. 49 hält diesen Passus zu Unrecht für interpoliert.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

geleistet oder der Kläger nicht bestritten hat, dass er vorher geschworen worden ist.5 Ist die Eidesleistung zweifelhaft, weil sie vorgerichtlich geschehen sein soll und umstritten ist, ob oder mit welchem Inhalt sie erfolgt ist, schaltet der Prätor eine exceptio ein.6 Im Edikt ist diese unter dem Titel de exceptionibus und hier in der Rubrik quarum rerum actio non datur7 vorgesehen. Mit ihr wird der Richter dazu angehalten, über die Frage der Eidesleistung Beweis zu erheben. Lenel rekonstruiert die exceptio iurisiurandi in Anlehnung an die Verheißung der denegatio actionis in D 12.2.7 folgendermaßen: Si non Ns Ns Ao Ao deferente iuravit se Ao Ao dare non oportere.8

Ausgehend von der abweichenden Formulierung in D 12.2.3pr nimmt Mantovani dagegen folgenden Wortlaut an: Si non Ns Ns Ao Ao iurisuirandi condicionem deferente iuravit se Ao Ao dare non oportere.9

Diese Einrede kann, obwohl sie schon die Existenz des Anspruchs in Frage stellt, neben anderen Einreden erhoben werden10 und unterliegt der Beweislast des Beklagten. Dieser muss dartun, dass der Eid vom Kläger angetragen und von ihm selbst geleistet worden ist: D 22.3.19.4 Ulp 7 disp Hoc amplius, si iudicatae rei vel iurisiurandi condicio delata dicatur de eo quod nunc petitur, sive in alea gestum esse contendatur, eum implere probationes oportet. Darüber hinaus muss er [der Beklagte] den Beweis erbringen, wenn behauptet wird, die Klage, die nun erhoben wird, sei schon Gegenstand eines rechtskräftigen Urteils oder eines Eidesantrags geworden oder ergebe sich aus einem Glücksspiel.

Der Leistung des Eides steht sein Erlass gleich, wobei offen ist, ob das Edikt diesen Fall eigens erwähnt oder hierauf erst im Wege der Interpretation erstreckt wird.11 Lenel glaubt, er sei zumindest bei der Verkündung der denegatio actionis in Gestalt des Zusatzes: ,sive id iusiurandum ei remissum fuerit‘, berücksichtigt worden.12 5 Dass der Eid stets in iure geleistet werden müsse, behaupten Kaser/Hackl, RZ, S. 267 und Simon, Untersuchungen, S. 316 f. ohne Grund. In dieser Lehre lebt das Verschwinden des freiwilligen Eides in der nachklassischen Praxis (s. u. S. 140 ff.) fort. 6 Lenel, EP, S. 150 glaubt, der Prätor habe diese Frage ursprünglich selbst aufgeklärt. 7 Lenel, EP, S. 512. 8 Lenel, EP, S. 512. 9 Mantovani, Le formule del processo privato, 2. Aufl., Padua 1999, S. 100 (Nr. 171). 10 D 44.1.5 Paul 18 ed: Is, qui dicit se iurasse, potest et aliis exceptionibus uti cum exceptione iurisiurandi vel aliis solis: pluribus enim defensionibus uti permittitur. („Wer behauptet, einen Eid geschworen zu haben, kann sich auch anderer Einreden allein oder gemeinsam mit der Eideseinrede bedienen; es ist nämlich erlaubt, sich auf mehrfache Weise zu verteidigen.“) 11 Für Letzteres tritt Amirante, Giuramento, S. 50 ein. 12 Lenel, EP, S. 150.

I. Eckdaten und Grundfragen

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Dieselbe Frage stellt sich beim Gegenstück zur Einrede, der modern sogenannten actio ex iureiurando, mit der ein vom Beklagten angetragener Eid des Klägers über die eigene Forderung sanktioniert wird: D 12.2.9.1 Ulp 22 ed Iureiurando dato vel remisso reus quidem adquirit exceptionem sibi aliisque, actor vero actionem adquirit, in qua hoc solum quaeritur, an iuraverit dari sibi oportere vel, cum iurare paratus esset, iusiurandum ei remissum sit. Nach Leistung oder Erlass des Eides erwirbt der Beklagte für sich oder andere eine Einrede, der Kläger eine Klage, bei der nur geprüft wird, ob er geschworen hat, dass ihm geleistet werden müsse, oder ihm, als er hierzu bereit war, der Eid erlassen worden ist.

Da die Verurteilungsvoraussetzung der Klage dem Tatbestand der exceptio iurisiurandi entspricht und allein in der antragsgemäßen Eidesleistung oder dem Verzicht auf den Schwur besteht, muss die Klage ebenso abstrakt sein wie die condictio.13 Lenel rekonstruiert zwei Formeln, von denen sich eine auf den Fall, dass der Eid wirklich geleistet worden ist, die andere auf seinen Erlass bezieht:14 Si paret Am Am No No deferente iurasse Nm Nm sibi HS decem milia dare oportere … Si paret Nm Nm Ao Ao, cum is illo deferente paratus esset iurare illum ei HS decem milia dare oportere, iurisiurandum remisisse …

Gröschler nimmt an, die actio ex iureiurando sei eine der actio iudicati vergleichbare Vollstreckungsklage.15 Als solche wäre sie aber bestenfalls für den in iure vor dem Prätor geleisteten Eid geeignet. Beim vorgerichtlichen Eid würde es dagegen an einer richterlichen Überprüfung der Eidesleistung fehlen, wie sie beim Gegenstück der exceptio iurisiurandi stattfindet. Da dies unwahrscheinlich und zugleich nicht erkennbar ist, warum der außergerichtlich geschworene Eid von der actio ex iureiurando ausgenommen sein soll, liegt näher anzunehmen, dass die Klage keine Exekutivfunktion hat, sondern erst die für die Vollstreckung erforderliche condemnatio herbeiführt.16 Die actio ex iureiurando ist eine actio in factum, die zuweilen auch actio utilis genannt wird und ihrerseits der Einschaltung einer exceptio iurisiurandi zugänglich ist, wenn der Beklagte antragsgemäß beschwört, der Kläger habe nicht den zur Verurteilung aus der actio ex iureiurando erforderlichen Eid geleistet:

13 Amirante, Giuramento, S. 135. Lenel, EP, S. 150 hält diese abstrakte Fassung dagegen nur für eine Eigenart der proponierten Musterformel. 14 Vgl. Lenel, EP, S. 151. Eine andere Formulierung findet sich wiederum bei Mantovani (Fn. 9), S. 69 (Nr. 70 f.), der die actio ebenso wie die exceptio auf der Grundlage von D 12.2.3pr rekonstruiert. 15 Gröschler, Actiones in factum, S. 147 ff. Vgl. auch dens., SZ 121 (2004) 110, 121 f. 16 Gegen die früher unter anderem von Fierich, Eideszuschiebung, S. 78 ff. und heute noch von Kaser/Hackl, RZ, S. 269 Fn. 30 vertretene These, zumindest der in iure geleistete Eid sei ohne Gewährung der actio ex iureiurando unmittelbar vollstreckungsfähig, haben sich zu Recht schon Demelius, Schiedseid, S. 35 und Amirante, Giuramento, S. 58 gewandt.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando D 12.2.29 Tryph 6 disp Quod si iuravi te deferente non iurasse te dare tibi oportere, et adversus utilem actionem, qua hoc quaeritur, an iuraveris tibi dari oportere, opponenda est exceptio iurisiurandi perementis quaestionem actione comprehensam. Habe ich aber auf deinen Antrag geschworen, dass du nicht geschworen habest, ich müsse dir leisten, kann auch der zweckdienlichen Klage, mit der untersucht wird, ob du geschworen hast, dass dir geleistet werden müsse, die Einrede des Eides entgegengesetzt werden, die die Untersuchung des Klagegegenstands ausschließt.

Was Tryphonin hier für den speziellen Fall eines Eides über die fehlende Eidesleistung feststellt, gilt auch in anderen Fällen: Die Einfügung der exceptio iurisiurandi führt dazu, dass die in der Klageformel genannten Verurteilungsvoraussetzungen, soweit sie durch den Eid geleugnet werden, vom iudex nur noch dann untersucht werden dürfen, wenn seine Prüfung ergibt, dass der Eid gar nicht geschworen worden ist. Obwohl die Eidesleistung Gegenstand einer exceptio ist, genießt ihre Prüfung Vorrang, weil der Richter mit einer vorhergehenden Untersuchung der Verurteilungsvoraussetzungen eine antezipierte Untersuchung über die Richtigkeit des Eides anstellte. Diese ist ihm aber strikt verwehrt, weil der antragsgemäße Schwur nicht hinterfragt werden darf. Er entscheidet den Streit endgültig und ist im Gegensatz zu einem ohne Antrag geleisteten Eid17 noch nicht einmal dem Einwand ausgesetzt, der Schwörende habe arglistig gehandelt:18 D 44.1.15 Iul 4 Urs Fer Adversus exceptionem iurisiurandi replicatio doli mali non debet dari, cum praetor id agere debet, ne de iureiurando cuiusquam quaeratur. Gegen die Einrede des Eides darf nicht die Replik der Arglist gewährt werden, weil der Prätor dafür sorgen muss, dass der Eid einer Partei nicht überprüft wird.

Zugrunde liegt die Überzeugung, der Meineid sei allein der Sanktion durch jenseitige Mächte überlassen. Diese Vorstellung schließt nicht nur eine zivilrechtliche Konsequenz, sondern auch eine strafrechtliche Verfolgung des falschen 17

Vgl. D 4.3.23 Gai 4 ed prov: Si legatarius, cui supra modum legis falcidiae legatum est, heredi adhuc ignoranti substantiam hereditatis ultro iurando vel quadam alia fallacia persuaserit, tamquam satis abundeque ad solida legata solvenda sufficiat hereditas, atque eo modo solida legata fuerit consecutus: datur de dolo actio. („Hat ein Vermächtnisnehmer, dem über das von dem falzidischen Gesetz erlaubten Maß hinaus vermacht worden ist, den Erben, der den Umfang des Nachlasses nicht kannte, durch einen von sich aus geleisteten Eid oder irgendeine andere Täuschung davon überzeugt, dass der Nachlass voll und ganz zur ungekürzten Erfüllung der Vermächtnisse ausreicht, und so die ungekürzten Vermächtnisse erlangt, wird die Arglistklage gewährt.“) – Auf einen ohne Antrag geleisteten Eid bezieht sich vermutlich auch die Aussage Modestins, der Meineid über ein Pfandrecht führe zur Bestrafung wegen stellionatus; vgl. D 47.20.4 Mod 3 poen: De periurio, si sua pignora esse quis in instrumento iuravit, crimen stellionatus fit, et ideo ad tempus exulat. („Schwört jemand in einer Urkunde, ihm gehörten Pfandsachen, wird durch einen Meineid der Tatbestand des Stellionats verwirklicht, und der Täter wird auf Zeit verbannt.“) 18 Dagegen ist der Einwand, Eidesleistung oder -antrag seien unter Zwang erfolgt, offenbar zulässig; vgl. D 2.14.7.16, s. u. S. 94 Fn. 101.

I. Eckdaten und Grundfragen

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Schwures aus. Wie die kaiserliche Kanzlei feststellt, gilt dies sogar dann, wenn der Eid auf den Kaiser geleistet worden ist: CJ 4.1.2 (a. 223) Iurisiurandi contempta religio satis deum ultorem habet. periculum autem corporis vel maiestatis crimen secundum constituta divorum parentum meorum, etsi per principis venerationem quodam calore fuerit periuratum, inferri non placet. Mangelnde Ehrfurcht vor dem Eid wird von Gott genügend gerächt. Es soll daher auch dann, wenn mit einer gewissen Leidenschaft auf die Würde des Kaisers falsch geschworen worden ist, keine Anklage wegen Körperverletzung oder Majestätsverbrechens nach den Verordnungen meiner göttlichen Vorfahren erhoben werden.

Steht damit das Grundmuster der Rechtsfolgen eines antragsgemäß geleisteten Eides fest, ist noch ungeklärt, ob er nicht auch auf andere Weise wirken und insbesondere auch vom Richter berücksichtigt werden kann, wenn dieser in der vom Prätor erteilten Formel für den Schwur keinen Anhaltspunkt findet. Ist dies der Fall, kann der Eid auch noch in oder während der Verhandlung apud iudicem geleistet werden, wenn die Beweislage für die Parteien erkennbar wird. Auch auf diese Frage kann nur eine Untersuchung der einzelnen Eidesarten und der Umstände, unter denen der Schwur jeweils abgegeben wurde, eine Antwort geben. 3. Die Motivation zum Eidesantrag Während es wegen der streitentscheidenden Wirkung des Eides keiner Erklärung zu bedürfen scheint, warum er geschworen wird, ist nicht so leicht einzusehen, was den Gegner dazu bringen soll, den Eid anzutragen; denn der Schwur bedeutet für ihn unweigerlich den Verlust der eigenen Position, sei es, dass der schon eingeleitete Prozess verloren geht, sei es, dass er gar nicht mehr mit Erfolgsaussicht aufgenommen werden kann. Dass Eidesleistung und -antrag in erster Linie eine Frage der Ehre sind, erfahren wir aus Quintilians institutio oratoria (5.6): (1) Ius iurandum litigatores aut offerunt suum aut non recipiunt oblatum aut ab adversario exigunt aut recusant cum ab ipsis exigatur. Offerre suum sine illa condicione ut vel adversarius iuret fere improbum est. (2) Qui tamen id faciet, aut vita se tuebitur, ut eum non sit credibile peieraturum, aut ipsa vi religionis (in qua plus fidei consequitur si id egerit ut non cupide ad hoc descendere, sed ne hoc quidem recusare videatur), aut, si causa patietur, modo litis, propter quam devoturus se ipse non fuerit: aut praeter alia causae instrumenta adiciet ex abundanti hanc quoque conscientiae suae fiduciam. (3) Qui non recipiet condicionem et a multis contemni iuris iurandi metum dicet, cum etiam philosophi quidam sint reperti qui deos agere rerum humanarum negarent: eum vero qui nullo deferente iurare sit paratus et ipsum velle de causa sua pronuntiare et quam id quod offert leve ac facile credat ostendere. (4) At is qui defert alioqui agere modeste videtur, cum litis adversarium iudicem faciat, et eum cuius cognitio est onere liberat, qui profecto alieno iure iurando stari quam suo mavult. (5) Quo difficilior recusatio est, nisi forte res est ea quam credibile sit notam ipsi non esse. Quae excusatio si deerit, hoc unum relinquetur, ut invidiam sibi quaeri ab adversario

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando dicat, atque id agi ut in causa in qua vincere non possit queri possit. Itaque hominem quidem malum occupaturum hanc condicionem fuisse, se autem probare malle quae adfirmet quam dubium cuiquam relinquere an peierarit. (6) Sed nobis adulescentibus seniores in agendo facti praecipere solebant ne umquam ius iurandum deferremus, sicut neque optio iudicis adversario esset permittenda nec ex advocatis partis adversae iudex eligendus. … (1) Einen Eid bieten die Streitparteien selbst an, oder sie lehnen ihn ab, wenn er angeboten worden ist, oder sie fordern ihn vom Gegner oder sie verweigern ihn, wenn er von ihnen gefordert wird. Einen Eid ohne die Bedingung anzubieten, dass auch der Gegner schwören solle, ist beinahe unanständig. (2) Wer es aber unternimmt, wird sich durch Verweis auf seine Lebensführung verteidigen, wonach es nicht glaubhaft sei, dass er einen Meineid leiste, oder indem er sich auf die Kraft der Ehrfurcht vor dem Eid beruft (wobei ihm eher vertraut wird, wenn er so vorgeht, dass er nicht aus Gier, sondern so zu handeln scheint, dass er vor dem Eid nicht zurückschreckt), oder, wenn es der Fall zulässt, durch Verweis auf die Art des Streites, dessentwegen er sich nicht verfluchen würde, oder schließlich, indem er ihn zu anderen Beweismitteln hinzufügt, um zusätzlich noch Vertrauen darin zu wecken, dass er ein reines Gewissen hat. (3) Wer den Eid ablehnt, wird auf den Stand der Parteien und darauf verweisen, dass die Furcht vor dem Eid von vielen verspottet wird, zumal sich auch einige Philosophen finden, die bestreiten, dass sich die Götter um menschliche Angelegenheiten kümmern. Wer aber ohne Antrag bereit zum Eide sei, wolle in eigener Sache urteilen und zeige, wie leichtfertig er sein Angebot mache. (4) Aber wer den Eid einem anderen anträgt, scheint ehrbar zu handeln, da er seinen Streitgegner zum Richter macht und diesen von der Last der Entscheidung befreit, da er sich lieber an den Eid eines anderen als an seinen hält. (5) Hierdurch wird die Verweigerung des Eides umso schwieriger, sofern die Sache nicht so liegt, dass es wahrscheinlich ist, dass sie dem Betreffenden nicht bekannt ist. Greift diese Entschuldigung nicht, gibt es nur den einen Ausweg, dass er sagt, der Gegner trachte nach einer Beschimpfung und handele mit dem Ziel, in einer nicht zu gewinnenden Sache einen Ansatz für einen Vorwurf zu finden. Daher wolle er, obwohl ein schlechter Mensch die Lage ausgenutzt hätte, seine Behauptung lieber beweisen als einen Zweifel zurücklassen, ob er einen Meineid geleistet habe. (6) Aber als ich noch jung war, rieten die älteren und in Prozessen erfahrenen Anwälte gewöhnlich dazu, niemals einen Eid anzutragen, wie auch dem Gegner nicht die Wahl des Richters zu gestatten oder ein Richter nicht aus den Anwälten der Gegenseite auszuwählen sei. …

Die Eignung dieses Textes für die Rekonstruktion des römischen Rechtslebens wird seit Fierich mit der Begründung in Zweifel gezogen, Quintilian schließe sich an die Darstellung in der aristotelischen Rhetorik an, ohne die Besonderheiten des römischen Rechts, insbesondere das Erfordernis des Eidesantrags, zu berücksichtigen.19 Zwar ist der aristotelische Einfluss nicht zu leugnen; dies genügt jedoch noch nicht, Quintilians Schilderung die Aussagekraft für die römischen Verhältnisse abzusprechen, da die Einschätzung des Eides in Rom und Griechenland ähnlich sein kann und Quintilian ausdrücklich auf seine eigene Erfahrung als Lehrling verweist20. Als Argument gegen die Authentizität von Quintilians Darstellung bleibt damit nur, 19

Fierich, Eideszuschiebung, S. 111 ff., Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 32, Münks, Parteieid, S. 28. 20 Dies stellt Amirante, Nota minima su Quintiliano Inst. orat. 5. 6, Labeo 6 (1960) 334, 337 heraus.

I. Eckdaten und Grundfragen

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dass das römische Recht das Angebot eines eigenen Eides nicht kennt.21 Dies trifft, für sich genommen, zwar zu. Quintilian spricht vom Eidesangebot aber gar nicht als Rechtsinstitut, sondern als tatsächliche Erscheinung; und als solche kann es in Rom nicht anders als in Griechenland vorkommen. Wollte man aus der Voraussetzung des Eidesantrags folgern, in Rom gebe keinen Vorschlag eines eigenen Eides, müsste man aus dem Konsenserfordernis beim Vertrag auch schließen, es gebe unter Römern keinen einseitigen Vorschlag zum Vertragsschluss. Ebenso wie diesen muss man annehmen, dass der Eidesantrag des Gegners nicht selten auf einem vorangehenden Angebot des Schwörenden beruht. Dieses ist zwar rechtlich nicht unmittelbar relevant, aber doch Mittel der gerichtlichen und außerprozessualen Auseinandersetzung und daher durchaus tauglicher Gegenstand einer rhetorischen Abhandlung. Man braucht auch nicht auf die von Demelius angebotene Erklärung auszuweichen, Quintilian behandle hier nicht den Eid im Sinne des Edikts de iureiurando, sondern einen hiervon gesonderten Beweiseid, wie er ausschließlich vor dem iudex angeboten, angetragen, geschworen oder verweigert wurde22. Quintilian bezieht sich durchaus auf den Eid, der durch das Edikt de iureiurando sanktioniert wird, hat aber eben nicht den rechtlichen Mechanismus von Eidesantrag und Eidesschwur im Auge. Stattdessen geht es ihm um die gerichtliche oder vorgerichtliche Verhandlungssituation, bei der jede Seite die Leistung des eigenen Eides oder den Schwur des Gegners anregen oder ablehnen kann. Verständigen sich die Parteien darauf, dass die Sache durch Eid entschieden wird, erhält diese Vereinbarung dann die rechtliche Gestalt von Eidesantrag und Eidesleistung, an die allein die Rechtsfolgen anknüpfen. Von Quintilian erfahren wir, dass die Eidesleistung als anstößig gilt. Daher bedarf das Angebot des eigenen Eides einer besonderen Rechtfertigung aus der Person des Schwörenden oder den Umständen des Falles, während seine Ablehnung durch den Kontrahenten schon aufgrund des Verweises auf die allgemeine Gefahr eines Meineides und die Ungewissheit der göttlichen Reaktion erfolgen kann. Dass der Schwörende zum Richter in eigener Sache wird und die Furcht vor einem Meineid zuweilen gering ist, sind Themen, die auch in den juristischen Quellen begegnen. So spricht Ulpian außer in seiner einleitenden Bemerkung zum Edikt de iureiurando (D 12.2.3pr23) auch bei der Darstellung des ediktalen Erlasses testamentarisch auferlegter Eidesbedingungen vom contemptus religionis, der nicht wenige zum falschen Schwur verleite (D 28.7.8pr24); und er nennt den Schwörenden ebenso wie Quintilian einen Richter in eigener Sache (,de causa sua‘):

21 22

337 f. 23 24

Fierich, Eideszuschiebung, S. 116. Demelius, Schiedseid, S. 99 ff. Dagegen auch zu Recht Amirante, Labeo 6 (1960) 334, s. o. S. 44. s. o. S. 39.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando D 44.5.1pr Ulp 76 ed25 Iusiurandum vicem rei iudicatae optinet non immerito, cum ipse quis iudicem adversarium suum de causa sua fecerit deferendo ei iusiurandum. Dem Eid kommt nicht zu Unrecht die Rolle eines Urteils zu, da jemand durch den Antrag eines Eides selbst seinen Gegner zum Richter in eigener Sache macht.

Und dass der Eidesantrag ehrbarer als die Eidesleistung ist, steht auch für Papinian fest, wenn er die Zurückschiebung eines angetragenen Zwangseides für vorzugswürdig gegenüber dem eigenen Schwur erklärt: D 13.5.25.1 Pap 8 quaest26 … quia nemo dubitat modestius facere qui referat, quam ut ipse iuret … … weil zweifellos anständiger ist, wer zurückschiebt statt selbst zu schwören …

Die Differenz im Ansehen von Eidesleistung und Eidesantrag vermag freilich noch nicht vollständig zu erklären, warum der Gegner des Schwörenden sie durch die Preisgabe seiner eigenen Rechtsposition erkauft. Ein denkbares Motiv scheint auf den ersten Blick die Spekulation darauf zu sein, dass der Kontrahent den Eid aus Furcht vor göttlicher Rache schließlich doch nicht leisten werde. Mag diese Strategie auch beim Zwangseid sinnvoll sein, lässt sie sich beim freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando freilich nur dann verfolgen, wenn der Eidesantrag und die Entscheidung des Gegners über seinen Schwur zeitlich auseinanderfallen. Nur hier kann es zu dem Phänomen eines ausgeschlagenen oder ungenutzt gebliebenen Eidesantrags kommen, das sich anschließend vor Gericht als Indiz gegen den Gegner verwenden lässt. Fällen die Parteien die Entscheidung über den Eid gemeinsam, kommt es dagegen gar nicht erst zu einem isolierten Antrag, sondern es bleibt entweder bei einem ergebnislosen Gespräch, das sich nur schwerlich als Beweismittel vor Gericht einsetzen lässt; oder die Eidesleistung folgt unmittelbar auf den Eidesantrag. Zudem ist die Verweigerung eines einmal angetragenen Eides, wie Quintilian ausdrücklich sagt, ebenfalls ein nur ausnahmsweise ohne Ehrverlust zu beschreitender Weg, so dass die Hoffnung hierauf auch bei einem vorher nicht abgesprochenen Eidesantrag kaum angebracht ist. Wirkt der aus Erfahrung geborene Anwaltsrat gegen einen Eidesantrag, von dem Quintilian berichtet, daher überaus berechtigt, ist er doch offenbar nicht befolgt worden. Denn allein die Zahl der juristischen Quellen zum iusiurandum beweist, dass der Eidesantrag in Rom häufig vorkommt. Ein plausibles Motiv hierfür kann lediglich eine im Einzelfall bestehende Beweisnot sein, die den Prozessverlust als Preis für den Ehrgewinn des Antragenden vertretbar erscheinen lässt: Ist für eine Seite absehbar, dass das Verfahren wegen des Fehlens von Zeugen oder Urkunden gegen sie ausgeht, bedeutet es einen gewissen Ausgleich, wenn der Richter seine Entscheidung nicht auf den Beweismangel, sondern auf den Eid des Gegners stützt. Denn so stehen der materiellen Niederlage im Vermögensstreit der eigene Ehrgewinn 25 26

Zu diesem Text s. u. S. 101. Zu diesem Fragment im Übrigen s. u. S. 131 f.

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und ein korrespondierender Ehrverlust des Kontrahenten gegenüber, der den anstößigen Eid leisten muss. Und demjenigen, der den Eid angetragen hat, bleibt, wenn er denn wirklich von der Berechtigung seiner nicht oder nur schwer beweisbaren Position überzeugt ist, immerhin noch die Hoffnung, sein Gegner werde wegen des Meineides der göttlichen Rache anheimfallen.27 Ist die Beweisnot einer Partei der mutmaßliche Beweggrund für ihre Entscheidung zum Eidesantrag, legt dies zwei Konsequenzen nahe, die es durch Untersuchung zu den einzelnen Eidesarten und Eidesumständen zu überprüfen gilt: Zum einen muss in den Quellen der Schwur mit negativem Eidesthema überwiegen, weil die Eidesleistung ja gerade dem Kontrahenten angetragen wird, der die nicht oder schwer zu beweisende Behauptung bestreitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich diese auf eine Tatsache oder ein Rechtsverhältnis bezieht. Entscheidend ist, dass demjenigen, der den Eid anträgt, der positive Beweis des bestrittenen Umstands oder Verhältnisses voraussichtlich nicht gelingt. Dass der negative Eid das Grundmuster bildet, ergibt schon die zugrunde liegende Anordnung des Prätors, worin er nicht die Gewährung einer Klage, sondern eine denegatio actionis verheißt (D 12.2.7)28. Soweit ein positiver Eid des Anspruchstellers überhaupt vorkommt, muss man mit ihm vor allem als Eid über die Verpflichtung (dare oportere) des Schuldners rechnen, dem es nicht gelingt, den ihm obliegenden Nachweis zu erbringen, dass er eine einmal begründete Schuld schon durch Leistung getilgt hat. Zum anderen ist wahrscheinlich, dass der Eid auch und gerade vor dem Richter angetragen und geschworen wird. Denn häufig wird erst hier der Beweismangel augenfällig, der den Eidesgegner dazu veranlasst, den Streit verloren zu geben und sich mit dem Ehrgewinn und Vertrauen auf jenseitige Mächte zu begnügen. Wird der Eid erst in oder während der Verhandlung vor dem iudex und nicht spätestens vor dem Prätor geschworen, kann er aber auch in der Klageformel keine Berücksichtigung finden; und der Eid muss allein kraft des officium des Richters wirken.

27 Nicht auszuschließen, aber auch nicht naheliegend ist, dass der Eid auch dazu verwendet wurde, einen Personenwechsel bei der obligatio herbeizuführen, wie Sturm, Der Eid im Dienste von Abtretung und Schuldübernahme, in: Studi in onore di Scherillo, Bd. 2, Mailand 1972, S. 514, 524 ff. dies aufgrund von D 12.2.17pr (s. u. S. 93 f.) annimmt. Der Umweg über den Eid erscheint allerdings sehr aufwändig, zumal die Funktionsfähigkeit der Abtretung durch Einzugsermächtigung nicht zu unterschätzen ist; vgl. Harke, Zum römischen Recht der Forderungsübertragung, TR 76 (2008) 1 ff. 28 s. o. S. 43.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

II. Eidesthemen und Eidessituationen 1. Eid über den Vertragsschluss Wie und mit welchen Wirkungen der Abschluss eines Vertrags zum Gegenstand eines Eides nach dem Edikt de iureiurando gemacht werden kann, erörtert Ulpian für den Kauf- und Gesellschaftsvertrag: D 12.2.13.3, 4 Ulp 22 ed Si quis iuraverit vendidisse me ei rem centum, ex empto agere poterit, ut ei cetera praestentur, id est res tradatur et de evictione caveatur: an tamen ad pretium consequendum ex venditio conveniri possit, videndum. et si quidem et de hoc ipso iuratum est, quod pretium solutum est, nulla pro pretio actio superest: si vero hoc non fuerit iuratum, tunc consequens est de pretio eum teneri. (4) Idem dicemus et si quis societatem fecisse iuraverit: nam et is pro socio poterit conveniri. Hat jemand geschworen, ich hätte ihm eine Sache um 100 verkauft, kann er die Kaufklage darauf erheben, dass ihm die ausstehende Leistung erbracht wird, also die Sache übergeben und wegen Eviktion Sicherheit geleistet wird. Sehen wir zu, ob er auch mit der Verkäuferklage auf Zahlung des Kaufpreises belangt werden kann. Und wenn geschworen worden ist, der Kaufpreis sei gezahlt worden, hat die Preisklage keinen Bestand. Ist dies aber nicht geschworen worden, dann haftet er folgerichtig auf Zahlung des Kaufpreises. (4) Dasselbe müssen wir auch annehmen, falls jemand geschworen hat, eine Gesellschaft gegründet zu haben. Denn auch dieser kann mit der Gesellschafterklage belangt werden.

Für Kauf und Gesellschaft gilt nach Ulpian gleichermaßen, dass der Eid, den eine Partei über den Vertragsschluss leistet, auch gegen sie wirkt: Hat der Käufer geschworen, eine Sache zu einem bestimmten Preis gekauft zu haben, steht nicht nur ihm die Klage auf die Verkäuferleistung, also auf Übergabe der Sache und Abgabe eines Eviktionsversprechens, zu; auch der Verkäufer kann den Käufer, der den Eid geleistet hat, auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen. Und beim Gesellschaftsvertrag erleichtert der Sozius, der die Gesellschaftsgründung beschworen hat, nicht nur die Durchsetzung eines eigenen Anspruchs auf Zahlung eines Gesellschafterguthabens durch seinen Partner, sondern setzt sich auch der Gesellschafterklage des anderen Gesellschafters aus, dem gleichfalls der Nachweis des Vertragsschlusses erspart bleibt. Etwas anderes gilt, wenn sich der Eid auch auf die vom Schwörenden jeweils erwartete Leistung erstreckt, insbesondere wenn der Käufer neben dem Vertragsschluss auch die Kaufpreiszahlung beschwört. Hier taugt der Eid nicht zum Anknüpfungspunkt einer Klage des Eidesgegners, der durch ihn vielmehr die Grundlage entzogen wird. Der Eid, der diese Wirkung hat, kann zumindest, was die Klage des jeweiligen Eidesgegners anbelangt, nicht in iure geleistet werden. Er mag vor dem Prätor geschworen worden sein, als der Käufer die Verkäuferleistung oder ein Gesellschafter erstmals die Auszahlung eines Guthabens durch seinen Sozius verlangt hat. Und es ist grundsätzlich auch denkbar, dass die jeweils vom Eidesgegner geforderte Leistung nicht im Wege einer weiteren Klage gefordert, sondern zum Gegenstand einer Gesamtabrechnung im Rahmen der vom Schwörenden erhobenen Klage gemacht

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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wird, zumal dieser als bonae fidei iudicium ja sämtliche Einreden und damit auch die exceptio iurisiurandi inhärent sind. An diesen Fall hat Ulpian jedoch offensichtlich nicht gedacht. Zumindest seine Wortwahl im Fall des Gesellschaftsvertrags zeigt, dass er die Aussichten einer eigenständigen Klage des Eidesgegners erwägt, mit der dieser den Schwörenden später aktiv belangt (conveniri). Selbst wenn der Eid also vor dem Prätor anlässlich der Klageerhebung durch den Schwörenden geleistet wurde, ist er zumindest für die Klage des Gegners aber nicht in iure erfolgt. Die genauen Umstände, unter denen der Eid abgegeben worden ist, spielen für Ulpian keine Rolle. Er kann im Erstprozess vor dem Prätor, aber auch außergerichtlich oder in oder während der Verhandlung vor dem iudex geleistet worden sein, der über die zuerst erhobene Klage des Schwörenden zu befinden hatte. Wäre der Schwur vor dem Richter des Erstprozesses möglich und auch erfolgt, könnte er zumindest hier keine Berücksichtigung mehr in der vom Prätor erteilten Klageformel gefunden haben. Ob dies bei einem vor der Streiteinsetzung erfolgten Eid anders ist, lässt sich nur indirekt erschließen. Zweifellos kann der Prätor bei einem Schwur über die Tatsache des Vertragsschlusses nicht die abstrakte actio ex iureiurando gewähren, die ja einen Rechtseid über die Rechtsfolge der Verpflichtung voraussetzt.29 Kann der Prätor demnach bloß die Kauf- oder Gesellschafterklage gewähren, müsste er, um sicherzustellen, dass der iudex nicht die Tatsache des Vertragsschlusses, sondern nur die Frage der Eidesleistung prüft, eigentlich die demonstratio umstellen. Statt ,quod As As de No No rem qua de agitur emit‘ müsste es dann lauten: ,quod As As No No deferente iuravit de No No rem qua de agitur emisse‘.30 Ob es zu einer solchen Veränderung des Klageformulars wirklich kommt, erscheint Lenel deshalb unsicher, weil dann die nachfolgende intentio: ,quidquid ob eam rem dare facere oportet ex fide bona‘, sprachlogisch auf den Umstand der Eidesleistung bezogen wäre, aus dem jedoch kein bonae fidei iudicium erwächst.31 Zugleich hält er jedoch auch für unwahrscheinlich, was Fierich vorschlägt, nämlich, dass die demonstratio der Klage beim Eid über den Vertragsschluss völlig unverändert bleibt32.33 Setzt man sich über Lenels Bedenken gegen die Bedeutungsvarianz der intentio hinweg, weckt die Annahme einer Anpassung der demonstratio an den Eid gleichwohl Zweifel, wenn man sich der zweiten von Ulpian im Kaufvertragsfall erwogenen Konstellation widmet: Hier kann der Käufer trotz seines Eides über den Vertragsschluss vom Verkäufer nicht mehr belangt werden, weil er außerdem geschworen hat, den Kaufpreis schon bezahlt zu haben. Dieses zweite Eidesthema ist nicht nur für einen Zweitprozess gegen den Käufer, sondern auch schon für dessen Klage gegen den Verkäufer relevant; denn die Zahlung des Kaufpreises schließt aus, dass der Verkäufer deren Ausbleiben zur Verteidigung gegen den Anspruch auf 29 Richtig Amirante, Giuramento, S. 83 f., 133, 135 und insoweit auch Fierich, Eideszuschiebung, S. 92. 30 Dies nimmt Amirante, Giuramento, S. 83 an. 31 Lenel, EP, S. 149. 32 Vgl. Fierich, Eideszuschiebung, S. 84 ff. 33 Lenel, EP, S. 149 Fn. 4.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Sachübergabe und Eviktionsgarantie nutzt. Da der Eid insoweit die intentio, nämlich das dare facere oportere ex fide bona betrifft, kann ein hierüber geleisteter Eid aber schwerlich in die demonstratio aufgenommen werden; und in der Formel der intentio ist hierfür erst recht kein Platz. Muss der Eid über die Kaufpreiszahlung vom iudex damit jedenfalls ohne besonderen Anhalt in der Klageformel berücksichtigt werden, mutete es merkwürdig an, wenn hierin nur der Eid über den Vertragsschluss Eingang fände. Der Schwur über die Kaufpreiszahlung ist nämlich nicht nur formell Teil eines einheitlichen Eides, sondern auch inhaltlich mit dem Schwur über den Vertragsschluss verbunden: Die gerichtliche Inanspruchnahme des Verkäufers ist für den Käufer, der einen Eid schwört, gerade dann leichter, wenn seine Leistung als schon erbracht gilt und nur noch die Verkäuferleistung aussteht. Der Eid, einen Kaufvertrag geschlossen und den Kaufpreis schon bezahlt zu haben, ist daher viel vorteilhafter als der isolierte Schwur über den Vertragsschluss. Und für ihn lassen sich in hinlänglicher Zahl Parallelfälle bilden, die nicht anders behandelt werden können: Was soll gelten, wenn ein Verkäufer den Vertragsschluss und die Übergabe der Kaufsache beschworen hat, ein Vermieter die Mietvereinbarung und die Überlassung der Mietsache, ein Gesellschafter die Gründung der Gesellschaft und die Leistung der eigenen Einlage oder ein Auftraggeber das Mandat und die Überlassung des zur Auftragserfüllung erforderlichen Objekts eidlich versichert hat? In allen diesen Fällen könnte ebenso wie beim Eid über Kaufvertragsschluss und Preiszahlung jeweils nur ein Teil des Eidesthemas in der Klageformel berücksichtigt werden, während der zweite, nicht minder wichtige Umstand allein vom iudex und bloß aufgrund der mit bona-fides-Klausel versehenen intentio beachtet werden könnte. Eine solche Aufspaltung ist nicht sehr wahrscheinlich; und dies legt nahe, dass der Schwur über den Vertragsschluss ebenfalls ohne Eingriff in die Klageformel vom iudex berücksichtigt wird, zumal auch der umgekehrte Eid, dass ein Vertrag gerade nicht geschlossen worden ist, ohne besonderen Anhalt in der Formel, nämlich aufgrund der im bonae fidei iudicium inhärenten exceptio iurisiurandi, beachtlich wäre. Einen Eid über einen Vertragsschluss stellt auch der Schwur einer Ehefrau dar, einen bestimmten Betrag als dos ihrem Mann überlassen zu haben. Paulus unterscheidet diesen Eid von demjenigen, mit dem die Frau beschwört, ihr werde ein bestimmter Betrag als dos geschuldet: D 12.2.30.2 Paul 18 ed Si mulier iuraverit decem dotis sibi deberi, tota ea summa praestanda est: sed si iuravit decem se dedisse in dotem, hoc solum non erit quaerendum, an data sint, sed quasi data sint, quod ex eo reddi oportet praestandum erit. Hat eine Frau geschworen, ihr würden zehn aus Mitgift geschuldet, ist die gesamte Summe zu leisten. Hat sie aber geschworen, zehn als Mitgift geleistet zu haben, darf lediglich nicht mehr geprüft werden, ob sie geleistet worden sind, und von diesem Betrag ist so, als ob er geleistet worden wäre, zu leisten, was herauszugeben ist.

Während der Eid: dotis nomine deberi, eine Verpflichtung zur Zahlung des im Schwur genannten Betrags auslöst, bewirkt der Schwur über die Hingabe desselben

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Betrags als Mitgift lediglich, dass die Bestellung der dos nicht mehr untersucht werden darf. Ob und in welcher Höhe der Frau ein Rückerstattungsanspruch zusteht, muss der Richter dagegen noch feststellen, indem er darüber befindet ,quod reddi oportet‘. Zumindest im zweiten Fall ist das einschlägige iudicium dann nicht die actio ex iureiurando, die bestenfalls beim Schwur über die schon bezifferte Erstattungspflicht zuständig sein könnte.34 Stattdessen kann nur die actio rei uxoriae zum Zuge kommen, von der auch Ulpian in einem Passus seines Ediktskommentars spricht, der in der justinianischen Kompilation auf seine Darstellung der Wirkung des Eides bei Kauf- und Gesellschaftsvertrag folgt: D 12.2.13.5 Ulp 22 ed Marcellus etiam scribit, si quis iuraverit ob decem pignori dedisse fundum, non alias eum pigneraticia agere posse, quam si decem solverit: sed et illud adici fortassis eum etiam in decem ex iureiurando suo posse conveniri, quod magis probat. cui Quintus Saturninus consentit argumentoque utitur eius, qui iuravit eam, quae uxor sua fuerit, rem sibi in dotem dedisse: nam et hic uxori ait utilem de dote actionem dandam. quae non esse extra aequitatem posita non negaverim. Marcell schreibt ferner, dass jemand, wenn er geschworen hat, er habe für eine Schuld von zehn ein Grundstück zum Pfand gegeben, die Pfandklage nur dann erheben könne, wenn er zehn gezahlt hat. Aber er fügt hinzu, dass er womöglich sogar wegen seines Eides auf Zahlung von zehn verklagt werden könne, was er für richtiger hält. Quintus Saturninus stimmt hiermit überein und führt als Argument denjenigen an, der geschworen hat, seine frühere Frau habe ihm eine Sache als Mitgift überlassen; denn auch hier sei der Frau eine zweckdienliche Mitgiftklage zu gewähren. Ich will nicht in Abrede stellen, dass dies der Gerechtigkeit entspricht.

Der von Ulpian zitierte Venuleius behandelt eine Konstellation, in der nicht die Ehefrau, sondern ihr Mann geschworen hat, sie habe ihm eine Sache als Mitgift übergeben. Ebenso wie bei dem Schwur über Kauf-, Gesellschafts- oder Pfandvertrag wirkt dieser Eid zunächst für seinen Urheber, kehrt sich dann aber gegen ihn: Der Ehemann obsiegt zwar im Streit über das Eigentum an der Sache, der im Rahmen einer rei vindicatio oder, was wegen des Schwurs über den Erwerbsgrund wahrscheinlicher ist, einer actio Publiciana geführt wird. Zugleich schafft er aber die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rückforderung der Sache durch die Frau. Die ihr zu gewährende Klage, für die das iusiurandum über die Hingabe der Sache zweifellos eine außergerichtliche Eidesleistung bedeutet, ist in der überlieferten Fassung des Textes als actio utilis de dote bezeichnet und könnte von Ulpian ursprünglich actio utilis rei uxoriae genannt worden sein35. Bei diesem Begriff denkt man spontan an eine Abwandlung der Mitgiftklage, in der auf den Eid über die Mitgiftbestellung Bezug genommen wird. Anders als bei der Kauf- und der Gesellschafterklage fehlt es für den Hinweis auf den beeideten Vertragsschluss in der Mitgiftklage jedoch von vornherein an einem passenden Formelstück: Folgt man Lenels Rekonstruktion, verfügt die actio rei uxoriae über keine demonstratio, son34 35

Dass sie eröffnet ist, glaubt insbesondere Amirante, Giuramento, S. 86 f. So Lenel, Pal. Bd. 2, Sp. 547 (Ulp 673).

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

dern lediglich eine zweiteilige intentio dergestalt: ,si paret Nm Nm Aae Aae dotem partemve eius reddere oportere, quod eius melius aequius erit‘.36 Formeltechnisch erfolgt die Überprüfung der Mitgiftbestellung also indirekt durch die Feststellung, dass die Ehefrau Rückgewähr der Mitgift verlangen kann. Zwar ließe sich dieser erste Teil der intentio vielleicht noch durch die Formulierung: ,si paret Am Am/Nm Nm iurasse dotem partemve eius reddere oportere‘, auf einen von der Frau oder dem Mann geleisteten Eid münzen. Für die ebenfalls durch den Eid geklärte und ungleich wichtigere Frage, welches Objekt denn als Mitgift geleistet worden ist, bietet die Formel jedoch keinen Anhaltspunkt. Denn dies gehört schon zum zweiten Teil der intentio, durch die der konkrete Anspruchsinhalt nach dem Gebot von bonum et aequum festgelegt wird; und dieses Formelstück kann man wegen der Ungewissheit, ob und wie viel von der Mitgift zurückgegeben werden muss, nicht durch einen Hinweis auf den Eid über die dos-Bestellung ersetzen. Ungeachtet der Bezeichnung der Klage als actio utilis liegt daher auch hier wiederum näher anzunehmen, dass statt einer Klageabwandlung die gewöhnliche Mitgiftklage gewährt und die Rücksicht auf den vorprozessual geleisteten Eid des Mannes dem Richter überlassen wird. Auf diesem Wege könnte sogar auch der Schwur über die Pflicht zur Rückgewähr der Mitgift in einer bestimmten Höhe sanktioniert werden, den Paulus in D 12.2.30.2 dem Eid über die Mitgiftbestellung gegenüberstellt. Hierfür spricht, dass die Frau in diesem Fall geschworen hat, ihr stünde der Betrag „als Mitgift“ (,dotis‘) zu, wofür in der abstrakten Formel der Klage ex iureiurando kein Platz ist. Der Eid über die Mitgiftbestellung dient dem von Ulpian in D 12.2.13.5 zitierten Venuleius lediglich als Entscheidungshilfe für den auch von Marcell behandelten Ausgangsfall, in dem es um die Rückforderung einer verpfändeten Sache mit der actio pigneraticia geht: Schwört der Verpfänder, dass er die umstrittene Sache seinem Kontrahenten zum Pfand für eine Schuld über einen bestimmten Betrag gegeben hat, dringt er mit der Pfandklage nur dann durch, wenn er zugleich die Tilgung der Schuld behauptet und nachweist. Denn die Verurteilung des Pfandgläubigers aus der actio pigneraticia setzt nach deren Formel37 außer ,ob debitam pecuniam pignori dedisse‘ noch ,pecuniam solutam esse‘ voraus; und zumindest diese Voraussetzung kann weder in der Formel noch bei der richterlichen Prüfung durch den Eid über die Verpfändung ersetzt werden. Kann der Verpfänder die Tilgung der gesicherten Forderung nicht nachweisen, erweist sich sein Eid für ihn als lediglich nachteilig; denn der Pfandgläubiger kann ihn sowohl nach Marcells als auch nach Venuleius’ Ansicht zur Grundlage einer Klage auf den Betrag machen, dessen Zahlung gerade durch die Verpfändung gesichert sein sollte.38 Als passendes iudicium kommt hier nur die actio ex iureiurando in Betracht, die abstrakt gefasst ist und den Schuldgrund ungenannt lässt, der ja auch in dem Eid offensichtlich nicht erwähnt wird. 36 37 38

Lenel, EP, S. 305. Vgl. Lenel, EP, S. 255. Nach Amirante, Giuramento, S. 84 ist dieser Passus interpoliert.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Sämtliche Eide über den Vertragsschluss sind positiv und betreffen einen Umstand, der zunächst einmal nicht der Beweislast des Eidesgegners, sondern des Schwörenden unterliegt; denn dieser erhebt einen Anspruch aus Kauf-, Gesellschafts- oder Pfandvertrag oder verlangt eine zur Mitgift überlassene Sache heraus. Auf den ersten Blick passen diese Fälle daher nicht zu der Vermutung, der Eidesantrag sei vor allem aus der Beweisnot des Eidesgegners geboren und daher regelmäßig auf einen negativen Schwur durch den Kontrahenten gerichtet. Etwas anderes ergibt sich jedoch, wenn man bedenkt, dass der Schwur über den Vertragsschluss zumindest von Ulpian allein unter dem Gesichtspunkt behandelt wird, inwiefern der Eid dem Schwörenden auch zum Nachteil gereichen kann, indem der Eidesgegner auf seiner Grundlage einen gegenläufigen Anspruch erhebt. Gerade dieser Anspruch bietet einen besonderen Anreiz zum Eidesantrag jenseits von Beweislast und -not und erklärt, warum es in der Frage des Vertragsschlusses ausnahmsweise zur Zuschiebung eines positiven Eides kommt. 2. Eid über ein Delikt Dem Eid über den Vertragsschluss ähnlich ist der Schwur über ein Delikt, aus dem die umstrittene Verpflichtung erwachsen sein soll. Im Gegensatz zu jenem erscheint der über eine unerlaubte Handlung in den Quellen aber vorwiegend mit negativem Beweisthema, wird also von demjenigen geschworen, der des Delikts beschuldigt wird, aber seine Täterschaft abstreitet. Das Motiv für den korrespondierenden Eidesantrag des Tatopfers kann damit nur dessen Beweisnot sein, die bei einem Delikt noch häufiger vorkommt als bei einem zumeist durch Zeugen oder Urkunden zu belegenden Vertragsschluss. Ein positiver Eid des Opfers über die von ihm erlittene Tat ist nur bei Paulus erwähnt, der sich für seine Entscheidung wiederum auf Pomponius beruft: D 12.2.28.9 Paul 18 ed Item Pomponius ait eum, qui furtum sibi factum alicuius rei iuravit, non statim etiam condictionis causam nancisci. Ferner schreibt Pomponius, dass nicht ohne Weiteres die Befugnis zur Kondiktion erlange, wer geschworen habe, dass ihm eine bestimmte Sache gestohlen worden sei.

Schwört jemand, sein Gegner habe ihm eine Sache gestohlen, ermöglicht dies zwar die Verfolgung der Tat mit Hilfe der actio furti; es genügt jedoch nicht als Grundlage für die condictio furtiva. Anders als die Diebstahlsklage, die demjenigen zusteht, der ein Interesse am Ausbleiben der Tat hatte, kann die Diebstahlskondiktion nur vom Eigentümer erhoben werden. Da der Schwur des Opfers aber bloß die Entwendung selbst und nicht auch das Eigentum des Schwörenden an der entwendeten Sache abdeckt, erleichtert er zwar die Verurteilung aus condictio furtiva, erschöpft deren Tatbestand jedoch nicht.39 39

Vgl. Amirante, Giuramento, S. 88.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Bei der Diebstahlsklage könnte der Eid, dessen Umstände die knappe Darstellung bei Paulus offenlässt, in der Formel leicht in der Weise erwähnt werden, dass es anstelle von ,si paret Ao Ao a No No furtum factum esse‘ heißt: ,si paret Am Am No No deferente iuravit sibi a No No furtum factum esse‘. Bei der Diebstahlskondiktion kommt eine Umgestaltung der gewöhnlichen Klageformel dagegen nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger nun allein die Entwendung der Sache oder auch sein Eigentum und damit den gesamten anspruchsbegründenden Tatbestand beschworen hat. Denn die intentio der Kondiktion ist auf die abstrakte Feststellung von dare oportere einer Sache beschränkt und nennt nicht den Rechtsgrund, auf den sich der Eid des Klägers bezieht. Und auch die Gewährung einer actio ex iureiurando kommt nicht in Betracht, weil der Kläger ja nicht die Leistungspflicht des Beklagten beschworen hat, die Gegenstand der wiederum abstrakten Eidesklage ist, sondern seinen Eid nur auf die Tat bezogen hat. Dies bedeutet, dass der Eid des Klägers zumindest bei der Rückforderung der gestohlenen Sache ohne Anhaltspunkt in der Formel allein vom iudex berücksichtigt werden kann. Auf die Gestalt der Formel wirkt sich dagegen der umgekehrte Eid des Deliktsverdächtigen aus, die Tat nicht begangen zu haben. Demselben Fragment aus Paulus’ Ediktskommentar, dem das Pomponiuszitat zum positiven Eid des Opfers über die Tat entstammt, entnehmen wir, dass der negative Eid des angeblichen Täters zumindest dann, wenn er vor dem Prozess erfolgt, zur Einschaltung einer exceptio iurisiurandi führt: D 12.2.28.6 Paul 18 ed Colonus, cum quo propter succisas forte arbores agebatur ex locato, si iuraverit se non succidisse, sive e lege duodecim tabularum de arboribus succisis sive e lege Aquilia damni iniuria sive interdicto quod vi aut clam postea convenietur, per exceptionem iurisiurandi defendi poterit. Hat ein Pächter, gegen den etwa wegen gefällter Bäume aus der Verdingung geklagt worden ist, geschworen, dass er keine Bäume gefällt habe, kann er sich später mit der Einrede des Eides verteidigen, sei es, dass er gemäß dem Zwölftafelgesetz wegen gefällter Bäume verklagt wird, sei es, dass er gemäß dem aquilischen Gesetz über widerrechtlich zugefügten Schaden oder mit dem Interdikt „was gewaltsam oder heimlich“ belangt wird.

Anders als im Fall des Schwurs durch das Diebstahlsopfer schildert Paulus hier, in welcher Situation der Eid geleistet wird: Ein Verpächter erhebt aus dem Pachtvertrag Klage gegen den Pächter mit der Begründung, dieser habe das gepachtete Grundstück geschädigt, indem er Bäume gefällt habe. Vor oder in diesem Verfahren schwört der Pächter auf Antrag des Verpächters, dass er die Bäume nicht gefällt habe. Wird der Eid in iure geleistet oder ein früherer Schwur hier nicht bestritten, verweigert der Prätor schon die Erteilung der Klage. Dass Ulpian an diesen Fall denkt, ergibt sich daraus, dass er für weitere Klagen, die der Verpächter aus demselben Grund gegen den Beklagten erheben kann, die Einschaltung einer exceptio iurisiurandi erwägt. Wäre die Rücksicht auf den Eid im ersten Verfahren dem iudex überlassen, der den Schwur kraft der bona-fides-Klausel jedenfalls auch ohne exceptio prüfen könnte, käme es zu einem Freispruch des Pächters, mit dem auch

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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weitere Klagen, die gegen ihn aus demselben Grund erhoben würden, konsumiert wären. Die Beschädigung des gepachteten Grundstücks zieht aber außer der Pachtklage noch eine außervertragliche Haftung nach sich. Weniger relevant ist hierbei die im Zwölftafelgesetz vorgesehene Bußpflicht für Baumfällung, die auf eine feste Strafe von 25 As für jeden Baum gerichtet und in der Klassik nicht mehr in usu ist.40 Relevant ist dagegen die Klage aufgrund des aquilischen Gesetzes sowie die Haftung mit dem interdictum quod vi aut clam. Werden diese später (,postea‘) erhoben, kann der Prätor sie ebenfalls verweigern, wenn die Eidesleistung nicht umstritten ist. Ist sie streitig, muss sie durch den iudex aufgrund der vom Prätor eingeschalteten exceptio iurisiurandi geprüft werden. Diese zwingt den iudex nicht nur zur Untersuchung der Frage, ob der Beklagte den Eid wirklich geleistet hat. Sie nötigt ihm auch eine vom gewöhnlichen Programm abweichende Prüfungsreihenfolge auf: Statt zunächst das damnum iniuria fecisse der actio legis Aquiliae oder das quod vi aut clam factum esse des Interdikts zu bejahen, muss sich der iudex unmittelbar dem Eid zuwenden. Verführe er umgekehrt, käme er nicht umhin, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Schwurs festzustellen, der jedoch gerade nicht hinterfragt werden soll. Stellt er fest, dass der Beklagte den Eid geleistet hat, muss er ihn freisprechen, ohne sich dem eigentlichen Thema der Klage oder des Interdikts zu widmen, obwohl dieses eigentlich nicht völlig deckungsgleich mit dem Thema des Eides ist. Durch Einschaltung der exceptio nimmt der Prätor dem iudex also die Konkretisierung von damnum iniuria fecisse oder quod vi aut clam factum esse auf arbores succidisse ab; und der Richter kann sich über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen, indem er eine Haftung wegen Sachbeschädigung oder Besitzanmaßung aus anderen Gründen bejaht. Diese Beschränkung ist gerechtfertigt, weil auch ein vorangehendes Urteil im Pachtverfahren die aus demselben Grund erhobenen Klagen wegen Sachbeschädigung verbrauchen würde. Der Wirkung eines Eides auf die Haftung wegen Sachbeschädigung vergleichbar ist sein Effekt auf die actio rerum amotarum. Mit ihr befasst sich Paulus in dem folgenden Abschnitt des Fragments aus seinem Ediktskommentar: D 12.2.28.7 Paul 18 ed Quae iuravit divortii causa rem se non amovisse, non debet defendi per exceptionem, si cum ea in rem agatur, et si contendat suam esse, alio iureiurando opus est: contra si iuraverit suam esse, debet in actione rerum amotarum defendi. et omnino hoc observandum est, licet per aliam actionem eadem quaestio moveatur, ut exceptio iurisiurandi locum habeat. Eine Frau, die geschworen hat, anlässlich ihrer Scheidung keine Sache entwendet zu haben, kann sich nicht mit der Einrede verteidigen, wenn gegen sie dinglich geklagt wird; und wenn sie behauptet, die Sache gehöre ihr, bedarf es eines weiteren Eides. Hat sie dagegen geschworen, die Sache gehöre ihr, kann sie sich gegen die Klage wegen entwendeter Sachen verteidigen. Und generell gilt, dass die Eideseinrede Platz greift, wenn durch die andere Klage dieselbe Frage aufgeworfen wird. 40

Vgl. Gai 4.11.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Paulus will einer Frau, die von ihrem ehemaligen Ehemann mit der Entwendungsklage belangt wird, die exceptio iurisiurandi gewähren, wenn sie geschworen hat, die umstrittene Sache gehöre ihr. Da diese Behauptung die Widerrechtlichkeit der Wegnahme und damit zugleich die Klagevoraussetzung des ,divortii causa amovisse‘ ausschließt, kann der Prätor den Schwur der Frau ebenso wie den Eid behandeln, die Tat nicht begangen zu haben, und ohne Weiteres eine exceptio iurisiurandi in die actio rerum amotarum einschalten, die dem Richter die Prüfung der intentio abschneidet. Dass der Prätor das Prüfungsprogramm derart verengt, liegt daran, dass der Eid hier schon vorprozessual geleistet worden ist: Verhält sich der von Paulus geschilderte Fall, wie anzunehmen ist, spiegelbildlich zu dem vorangehenden, hat der Ehemann hier zunächst eine dingliche Klage erhoben und die Ehefrau in diesem Rahmen den Eid über ihr Eigentum geleistet, das den Tatvorwurf zwangsläufig ausschließt. Ist die actio rerum amotarum auch kondiktionsähnlich oder vielleicht sogar eine Kondiktion,41 ist die Wirkung eines negativen Eides doch schwieriger zu bestimmen, wenn er bei einer regelrechten condictio Berücksichtigung finden soll; denn diese kann ja nicht nur wegen eines furtum, sondern auch aus anderem Grund gegeben sein. Paulus beschäftigt sich mit diesem Problem nur in dem noch vergleichsweise leicht zu lösenden Fall, dass jemand geschworen hat, keinen Raub begangen zu haben. Da dies nicht ausschließt, dass er die umstrittene Sache heimlich und damit nichtsdestoweniger im Wege eines furtum an sich gebracht hat, bleibt der Eid, wenn eine condictio furtiva angestellt wird, schlechthin unberücksichtigt: D 12.2.28.5 Paul 18 ed Si quis iuraverit se non rapuisse, non debet adiuvari hoc iureiurando in actione furti aut condictione, quia aliud est furtum fecisse, quod vel clam fieri potest. Hat jemand geschworen, keinen Raub begangen zu haben, darf ihm wegen dieses Eides nicht gegenüber der Diebstahlsklage oder -kondiktion geholfen werden, weil es etwas anderes ist, einen Diebstahl zu begehen, der auch heimlich geschehen kann.

Komplizierter ist die Wirkung des diebstahlsleugnenden Eides in einem Fall, für dessen Lösung sich Ulpian auf Julian beruft: D 12.2.13.2 Ulp 22 ed Idem Iulianus scribit eum, qui iuravit furtum se non fecisse, videri de toto iurasse, atque ideo neque furti neque condicticia tenetur, quia condicticia, inquit, solus fur tenetur. numquid ergo qui iuravit se furtum ne fecisse hoc solo nomine, condictione si conveniatur, exceptione utatur? ceterum si contendat qui condicit quasi cum herede se furis agere, non debet repelli et quasi monomere¯s condictio ei dari debet adversus furis heredem nec pati eum iudex debet, si coeperit temptare probare furem. Julian schreibt ferner, derjenige, der geschworen hat, keinen Diebstahl begangen zu haben, habe ersichtlich mit Bezug auf die ganze Sache geschworen, und deswegen haftet er weder mit der Diebstahlsklage noch mit der Diebstahlskondiktion, weil er, wie er schreibt, mit der 41

Vgl. D 25.2.26 Gai 4 ed prov: Rerum amotarum actio condictio est.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Kondiktion nur als Dieb haftet. Kann also derjenige, der geschworen hat, keinen Diebstahl begangen zu haben, allein aus diesem Grund die Einrede erheben, wenn er mit der Kondiktion belangt wird? Behauptet dagegen derjenige, der die Kondiktion erhebt, er klage gegen den Erben des Diebs, darf er nicht zurückgewiesen werden, und die Kondiktion ist ihm isoliert vom Diebstahlsvorwurf gegen den Erben des Diebs zu gewähren; und der Richter darf es nicht zulassen, wenn er nachzuweisen versucht, dass er ein Dieb sei.

Ulpian will wissen, ob der Schwur, keinen Diebstahl begangen zu haben, außer der Diebstahlsklage auch die Kondiktion sperrt, indem der Prätor ihr eine exceptio iurisiurandi einfügt. Die Frage, die in der ursprünglichen Fassung des Textes vielleicht eine regelrechte Antwort fand, ist in der überlieferten Textgestalt bloß rhetorisch, die Antwort schon durch das vorangehende Julianzitat gegeben. Danach ist der Schwur auf das Ganze bezogen, neben der Haftung aus der actio furti also auch die Verpflichtung aus der condictio ausgeschlossen, weil diese im vorliegenden Fall nur als Sanktion eines Diebstahls in Betracht kommt (,condicticia solus fur tenetur‘). Im Allgemeinen kann die Kondiktion auch aus einem anderen Grund erhoben werden; im konkreten Fall kommt jedoch nur der Diebstahlstatbestand als Anspruchsgrundlage in Betracht. Deshalb darf der Prätor die exceptio iurisiurandi einschalten und dem Richter so die Prüfung abschneiden, ob die Kondiktion auch anderweitig begründet sein könnte. Etwas anderes gilt in dem Fall, dass der Kläger die Kondiktion mit der Begründung erhebt, er nehme den Erben des Diebs in Anspruch. Zwar verhindert auch hier der von dem Verstorbenen geleistete Eid eine Überprüfung der Frage, ob er einen Diebstahl zum Nachteil des Klägers begangen hat. Es ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beklagte die Sache aus einem anderen Grund herausgeben muss, insbesondere weil er sie ohne Diebstahlsvorsatz an sich genommen hat und sich daher vorhalten lassen muss, die Sache, wenn auch nicht durch furtum, so doch durch rechtswidrigen Eingriff und damit ex iniusta causa zu besitzen.42 Da der diebstahlsleugnende Eid des Erblassers dies nicht ausschließt, darf der Prätor dem Beklagten keine exceptio iurisiurandi gewähren; denn sie führte zur Abweisung der Klage auch dann, wenn der Richter feststellte, dass der Beklagte die Sache aus einem anderen Grund als wegen eines furtum herauszugeben hat. Die Kondiktion wird dem Kläger daher gleichsam als Monomer gewährt. Das heißt, dass sie nur dann die Verurteilung des Beklagten zeitigt, wenn sich herausstellt, dass er die Sache unabhängig von dem Diebstahl herauszugeben hat. Es bleibt daher lediglich ungeprüft, ob der Rechtsvorgänger des Beklagten einen Diebstahl begangen hat, weil diese Frage schon durch den von diesem geleisteten Eid erledigt ist. Im Übrigen sind die Voraussetzungen der condictio einer Untersuchung zugänglich und können zur Verurteilung des Beklagten führen. Die Rücksicht auf den Eid, die hier nicht mit Hilfe der exceptio iurisiurandi erfolgen und daher nicht vom Prätor genommen werden kann, obliegt in diesem Fall, wie Julian ausdrücklich feststellt, allein dem Richter. 42 Zur Eingriffskondiktion eingehend Harke, Das klassische römische Kondiktionensystem, IVRA 54 (2003) 49, 68 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

3. Eid über die Zuständigkeit einer Sache oder einer Erbschaft Von Paulus erfahren wir in D 12.2.28.7, dass der Eid über das Eigentum an einer Sache auch auf eine Deliktsklage wirken kann, indem er den Tatbestand einer gegen den Schwörenden erhobenen actio rerum amotarum ausschließt. Im Übrigen gelten die Aussagen der römischen Juristen zum Schwur über das Eigentum der Frage, welchen Effekt er auf die rei vindicatio hat. Hier bezieht sich das Eidesthema unmittelbar auf die intentio der formula petitoria, die als Klagevoraussetzung ja nur ,rem ex iure Quiritium Ai Ai esse‘ nennt. Hiergegen kann sich ein auf Herausgabe in Anspruch genommener Besitzer wenden, indem er entweder schwört, sein Gegner sei nicht Eigentümer der Sache, oder indem er den Eid leistet, selbst Eigentümer der Sache zu sein. Trotz des unterschiedlichen Eidesthemas handelt es sich in beiden Fällen der Sache nach doch um einen negativen Schwur, weil sich der Besitzer zunächst einmal gegen den Anspruch eines anderen wehrt und hierfür lediglich eine unterschiedliche Strategie wählt: Während er sich beim Eid über das fehlende Eigentum seines Kontrahenten an die Struktur der formula petitoria der rei vindicatio hält und die hierin genannte Klagevoraussetzung in Abrede stellt, folgt er beim Eid über das eigene Eigentum dem ursprünglichen Muster des Prätendentenstreites, wie es noch in der legis actio sacramento in rem seinen Ausdruck findet.43 Die Existenz eines positiven Eides über das Eigentum des Besitzers stellt also nicht in Frage, dass sich die Motivation für den Eidesantrag aus der ungünstigen Beweissituation des Eidesgegners ergibt. Diese ist der Klägerrolle beim Eigentumsstreit inhärent und wird später sogar mit dem Sprichwort der probatio diabolica versehen. Die Wirkungen beider Arten des Eigentumsschwures finden sich an zwei verschiedenen Stellen in Ulpians Ediktskommentar gegenübergestellt. Der eine Text stammt aus dem Kapitel über das Edikt de iureiurando im 22. Buch, der andere aus dem 16. Buch, in dem Ulpian die actio Publiciana behandelt: D 12.2.11pr, 1 Ulp 22 ed Sed si possessori fuerit iusiurandum delatum iuraverit rem petitoris non esse, quamdiu quidem possidet, adversus eum qui detulit iusiurandum, si petat, exceptione iurisiurandi utetur: si vero amiserit possessionem, actionem non habebit, ne quidem si is possideat qui ei iusiurandum detulit: non enim rem suam esse iuravit, sed eius non esse. (1) Proinde si, cum possideret, deferente petitore rem suam iuravit, consequenter dicemus amissa quoque possessione, si is qui detulit iusiurandum nanctus sit possessionem, actionem in factum ei dandam. et fructus perceptos ex re, quam meam esse iuravi, restitui mihi placuit: sed et partum editum fetusque pecorum restituendos constat post iusiurandum delatum. Ist aber dem Besitzer der Eid angetragen worden und hat er geschworen, die Sache gehöre nicht dem Kläger, kann er sich, solange er besitzt, gegen denjenigen, der ihm den Eid angetragen hat, wenn dieser Klage erhebt, der Einrede des Eides bedienen. Hat er aber den 43

Vgl. Gai 4.16.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Besitz verloren, hat er keine Klage, und zwar auch dann nicht, wenn es der Besitzer ist, der ihm den Eid angetragen hat. Denn er hat nicht geschworen, dass ihm die Sache gehöre, sondern dass sie diesem nicht gehöre. (1) Daher müssen wir, wenn er, als er besaß, auf Antrag des Klägers geschworen hat, dass ihm die Sache gehöre, folgerichtig sagen, dass ihm auch dann, wenn er den Besitz verloren hat und derjenige ihn erlangt hat, der ihm den Eid angetragen hat, eine auf den Sachverhalt zugeschnittene Klage zu geben ist. Mir sind anerkanntermaßen auch die Früchte der Sache herauszugeben, von der ich geschworen habe, dass sie mir gehöre. Und es steht fest, dass mir auch ein geborenes Kind oder Tierjunges nach Antrag eines Eides herauszugeben ist. D 6.2.7.7 Ulp 16 ed Si petenti mihi rem iusiurandum detuleris egoque iuravero rem meam esse, competit Publiciana mihi, sed adversus te dumtaxat: ei enim soli nocere debet iusiurandum, qui detulit. sed si possessori delatum erit iusiurandum et iuraverit rem petitoris non esse, adversus eum solum petentem exceptione utetur, non ut et habeat actionem. Hast du mir, als ich die Herausgabe einer Sache forderte, einen Eid angetragen und habe ich geschworen, dass die Sache mir gehöre, steht mir die publizianische Klage zu, aber nur gegen dich. Der Eid darf nämlich nur demjenigen zum Nachteil gereichen, der ihn angetragen hat. Ist aber dem Besitzer der Eid angetragen worden und hat er geschworen, dass die Sache nicht dem Kläger gehöre, kann er die Einrede nur gegen den Kläger und nicht derart verwenden, dass ihm eine Klage zusteht.

In beiden Fällen geht es um dieselbe Situation, in der einem Besitzer von einem anderen, der als petitor oder petens bezeichnet ist, ein Eid angetragen wird und der Besitzer hierauf entweder sein Eigentum an der umstrittenen Sache beschwört oder den Eid leistet, der andere sei nicht ihr Eigentümer. Da jeweils untersucht wird, wie sich der Eid auf eine weitere Klage desselben Klägers gegen denselben Beklagten auswirkt, kann es noch nicht zu einem Urteil gekommen sein, dessen Rechtskraft ja ein weiteres Verfahren schon im Wege der Klagenkonsumtion ausgeschlossen hätte. Der erste Prozess hat sein Ende also schon in iure durch eine denegatio actionis gefunden, die auf einem vor dem Prätor selbst geleisteten oder hier zumindest unumstrittenen früheren Eid beruhte. Für den zweiten Prozess ist dieser Schwur jedenfalls ein außergerichtlicher und führt, wenn er nicht offenkundig ist, zur Einschaltung einer exceptio iurisiurandi, so dass der iudex prüfen muss, ob der Beklagte in der Vergangenheit schon den streitentscheidenden Eid geleistet hat. Diese Prüfung ist wiederum vorrangig vor der Untersuchung der in der intentio genannten Klagevoraussetzung. Denn mit ihr hätte der Richter den Eid auf seine Richtigkeit geprüft, die jedoch nicht in Zweifel gezogen werden darf. Erweist sich, dass der beklagte Besitzer im oder vor dem ersten Verfahren den Eid geleistet hat, muss der Richter ihn freisprechen und so mit Hilfe der exceptio iurisiurandi dafür sorgen, dass die prätorische denegatio actionis im Erstprozess ebenso wirkt wie eine mit Klageverbrauch bewehrte Klageabweisung durch Urteil. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Eid gegen das Eigentum des Klägers oder auf das Eigentum des Beklagten richtet; denn in beiden Fällen schließt der Schwur gleichermaßen die Klagevoraussetzung des ,rem ex iure Quiritium Ai Ai esse‘ aus.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Ein Unterschied zwischen beiden Eidesarten ergibt sich erst, wenn der im ersten Verfahren beklagte Besitzer die Sache später verloren hat und sie nun durch Aktivprozess von dem früheren Kläger herausverlangt. Hat er im Erstprozess lediglich geschworen, die Sache gehöre nicht seinem Gegner, wird er nun nicht gehört, weil aus dem fehlenden Eigentum des nunmehrigen Besitzers nicht folgt, dass er die Sache an den jetzigen Kläger herausgeben müsste. Hat dieser dagegen seinerzeit geschworen, selbst Eigentümer der Sache zu sein, kann er sie aufgrund dieses Eides nun mit Erfolg von seinem Kontrahenten herausverlangen. Das zuständige iudicium, das ebenso wie die rei vindicatio die Erstattung von Sachfrüchten einschließen soll, bezeichnet Ulpian in der Kommentierung des Edikts de iureiurando als actio in factum, während er in dem Kommentar über die actio Publiciana eben diese Klage gewähren will. Während Amirante letzteres als Beleg für das klassische Recht wertet und die Erwähnung der actio in factum in dem anderen Text für interpoliert hält,44 will Gröschler den Sachverhalt beider Entscheidungen ergänzen: Für den Fall, den Ulpian in der Kommentierung der actio Publiciana schildert, nimmt er an, dem Kläger des Zweitprozesses sei die Sache vorher aufgrund seines Eides von dem jetzigen Beklagten übergeben worden, so dass eine traditio ex causa iurisiurandi vorgelegen hätte.45 Und für den im Abschnitt de iureiurando behandelten Fall vermutet er, der Kläger sei im Erstprozess über den Eidesantrag seines Gegners hinausgegangen und habe, obwohl dieser ihm nur den Eid über sein mangelndes Eigentum angetragen habe, auch das eigene Eigentum beschworen.46 Bei dem von Ulpian verwendeten Ausdruck: actio in factum, denkt man zunächst unwillkürlich an die actio ex iureiurando, die ja an das factum des Eides anknüpft und in einer Konstitution Diokletians von 294 (CJ 4.1.847) auch ausdrücklich actio in factum genannt wird. Selbst wenn man die von Ulpian befürwortete Tatsachenklage mit der actio ex iureiurando identifizierte, müsste sie aber ganz anders aussehen als eine Klage, die auf Leistung eines certum gerichtet ist. Sie müsste sich in ihrer Gestalt an die formula petitoria der rei vindicatio anlehnen, die das Grundmuster der dinglichen Herausgabeklagen bildet.48 Entgegen Gröschler scheint mir ihre Bezeichnung als actio in factum eine solche Formelstruktur nicht auszuschließen und zu der Unterstellung einer über den Eidesantrag hinausgehenden Eidesleistung zu nötigen. Für diese bietet der Text keinen Anhalt; und dass sie überhaupt rechtlichen Schutz erfahren soll, widerspricht dem auch ansonsten nicht durchbrochenen Grundsatz, dass ein sibi iurare sanktionslos bleibt49. Hält man die von Ulpian zugestandene actio in factum für eine Abwandlung der rei vindicatio, steht der Rekonstruktion ihrer intentio nach dem Schema: ,si paret Am 44 45 46 47 48 49

Amirante, Giuramento, S. 114. Gröschler, Actiones in factum, S. 159. Gröschler, Actiones in factum, S. 161 f. s. u. S. 101. Insoweit richtig Gröschler, Actiones in factum, S. 145, 153. D 12.2.3pr; s. o. S. 39.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Am No No deferente iurasse rem qua de agitur ex iure Quiritium suam esse‘, aber die Bezeichnung der Klage als actio Publiciana in dem hierauf bezogenen Abschnitt aus Ulpians Ediktskommentar entgegen. Auch hier überzeugt Gröschlers Deutung der Entscheidung nicht: Für die Annahme, der Kläger habe die umstrittene Sache früher von dem Beklagten ex causa iurisiurandi übergeben bekommen, liefert der Text schon deshalb keine Grundlage, weil der jetzige Kläger den Eid über sein Eigentum ja im ersten Verfahren als beklagter Besitzer geschworen und die Sache später verloren hat; eine Übergabe aufgrund des Eides lässt sich in diesen Geschehensablauf nur künstlich durch Unterstellung eines weiteren Besitztransfers einordnen. Bedenkt man, dass die actio Publiciana vielfältige Gestalt annehmen konnte und auch den Anspruch aus einer Anfechtung wegen Übervorteilung eines Minderjährigen abdeckt,50 braucht man den Sachverhalt aber auch gar nicht unbedingt auf die traditio ex iusta causa zu münzen, um die Bezeichnung der Klage als publizianisch zu rechtfertigen. Dieser Name zeigt lediglich an, dass sie die publizianische Fiktion: ,tum si eam rem qua de agitur Ai Ai ex iure Quiritium esse oporteret‘,51 enthält.52 Wird diese in der Klage mit dem Hinweis auf das factum des Eides verknüpft, könnte man sie zugleich actio in factum nennen. Vielleicht stellen die publizianische Fiktion und die auf das factum des Eides bezugnehmende Formel aber auch alternative Fassungen der Klage dar, mit denen der Schwur über das Eigentum durchgesetzt wird. Dass Ulpian in dem einen Fall von der Tatsachenklage, in dem anderen Fall von der actio Publiciana spricht, spiegelte dann lediglich eine schwankende Rechtspraxis wieder, die sich vom Ergebnis leiten lässt und hierfür zwei gleichwertige Mittel einsetzt. Dass die aus dem Eid entspringende Klage generell oder zumindest gelegentlich die publizianische Fiktion enthält, erklärt jedenfalls am ehesten, warum man mit ihr sogar gegen einen Besitzer nach Ablauf der Ersitzungsfrist durchdringt: D 12.2.13.1 Ulp 22 ed Iulianus ait eum, qui iuravit fundum suum esse, post [longi temporis praescriptionem] etiam utilem actionem habere debere. Julian schreibt, derjenige, der geschworen hat, ihm gehöre ein Grundstück, könne auch [wenn ihm die Einrede der langen Zeit entgegenstehe] eine zweckdienliche Klage erheben.

Der von Ulpian zitierte Julian will demjenigen, der sein Eigentum an einem Grundstück beschworen hat, nach Vollendung der usucapio eine actio utilis zugestehen.53 Damit kann kein Klagerecht des Besitzers gemeint sein, der mit Verstreichen der Ersitzungsfrist ja quiritischer Eigentümer der Sache geworden ist und diese unproblematisch mit der rei vindicatio herausverlangen kann. Stattdessen geht es 50

Lenel, EP, S. 123. Mantovani (Fn. 9), S. 46 Fn. 78 setzt ,pareret‘ an die Stelle von ,oporteret‘. 52 Dies glaubt auch Amirante, Giuramento, S. 119. 53 Die longi temporis praescriptio hat sich erst nach Julian etabliert und muss daher nachträglich anstelle der usucapio eingefügt worden sein; vgl. Gröschler, Actiones in factum, S. 155. 51

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Julian um die Frage, ob die Position des Ersitzungsbesitzers noch wegen eines zuvor geleisteten Eides überwunden werden kann.54 Dies ließe sich schwerlich annehmen, wenn die dem Schwörenden gewährte Klage schlicht auf das factum der Eidesleistung Bezug nähme. Hier müsste man mit Gröschler zu der Hilfsüberlegung greifen, der Eid wirke ebenso wie eine Streiteinsetzung und führe daher aufgrund des bei den actiones in rem wirksamen Restitutionsgedankens zu einer Vernachlässigung der usucapio.55 Deren Überwindung leuchtet aber eher ein, wenn die Klage, die Julian als actio utilis bezeichnet, entweder neben dem Eid oder sogar allein das fiktive quiritische Eigentum des Klägers nennt. Dieses ist dann ebenso wie bei den anderen Anwendungsfällen der actio Publiciana stärker als das wirkliche Eigentum des Gegners und vermag dessen Herausgabepflicht zu begründen. Als actio utilis wird auch das Klagerecht bezeichnet, mit dem sich derjenige, der einen Eid über seine Erbenstellung geschworen hat, gegen einen anderen Erbprätendenten durchsetzt; und der entsprechende Abschnitt aus Ulpians Ediktskommentar ist wiederum durch ein Zitat des Hochklassikers Julian geprägt: D 12.2.11.3 Ulp 22 ed Si, cum de hereditate inter me et te controversia esset, iuravero hereditatem meam esse, id consequi debeo, quod haberem, si secundum me de hereditate pronuntiatum esset. et non solum eas res restituere debes, quas tunc possidebas, sed et si quas postea coepisses possidere, perindeque haberi quod iuratum est atque si probatum esset: idcirco utilis actio mihi competit. quod si ego ex eadem hereditate possiderem tuque coepisses petere eam a me, cum adversus te iurassem, exceptione me uti debere iurisiurandi. plane si alius a me hereditatem petere coeperit, dubium non erit, ut et Iulianus scribit, nihil mihi iusiurandum prodesse. Besteht zwischen mir und dir Streit über eine Erbschaft und habe ich geschworen, dass sie mir gehört, muss ich das erhalten, was ich hätte, wenn zu meinen Gunsten über die Erbschaft entschieden worden wäre. Und du musst nicht nur die Sachen herausgeben, die du damals besaßest, sondern auch diejenigen, die du später zu besitzen begonnen hast; und es sei, was geschworen worden ist, so anzusehen, als sei es bewiesen. Daher steht mir eine zweckdienliche Klage zu. Besitze ich aber etwas aus derselben Erbschaft und beginnst du, sie von mir zu fordern, könne ich, wenn ich gegen dich schwöre, die Einrede des Eides verwenden. Beginnt freilich ein anderer, von mir die Erbschaft zu fordern, nützt mir der Eid, wie auch Julian schreibt, zweifellos nichts.

Thema dieses Textes, in dem das Julianzitat ausweislich der indirekten Rede ursprünglich schon früher als im letzten Satz begonnen haben muss, ist der positive Schwur über die Erbenstellung. Die Umstände der Eidesleistung sind hier offen und nur in der Weise beschrieben, dass über die Erbschaft eine controversia bestand. Derjenige Erbprätendent, der den Eid geleistet hat, kann sich danach gegen die Herausgabeklage des anderen mit der exceptio iurisiurandi verteidigen, die die Prüfung der wirklichen Rechtsnachfolge gemäß der formula petitoria der hereditatis petitio (,si paret hereditatem ex iure Quiritium Ai Ai esse‘) abschneidet. Als positiver 54 55

Richtig Gröschler, Actiones in factum, S. 155 f. Vgl. Gröschler, Actiones in factum, S. 157 f.

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Eid zeitigt der Schwur über ,hereditatem meam esse‘ aber auch ein Klagerecht, das Ulpian und vermutlich schon Julian actio utilis genannt haben und dessen Vorbild die formula petitoria der hereditatis petitio sein muss. Denkbar sind wiederum eine reine Bezugnahme auf das factum des Eides dergestalt: ,si paret Am Am No No deferente iurasse hereditatem qua de agitur ex iure Quiritium suam esse‘,56 sowie eine fiktizische Formel nach Art der Publiciana: ,tum si eam hereditatem Ai Ai ex iure Quiritium esse oporteret‘, und schließlich beider Kombination. Die Wirkung ist jeweils, wie von Ulpian beschrieben, nämlich dass der Eid den Nachweis der Erbenstellung erspart und den Gegner zur Herausgabe aller Erbschaftsgegenstände zwingt. Die im Schlusssatz von D 12.2.11.3 angebrachte Klarstellung, dass der Eid zur Grundlage einer exceptio iurisiurandi nur gegenüber einer Klage desjenigen taugt, der ihn angetragen hat, haben die Kompilatoren durch einen Originalauszug aus den Digesten Julians untermauert. Darin wird die entsprechende Folgerung für die aus dem Eid resultierende Herausgabeklage gezogen und in Fortführung der Argumentation von D 12.2.11.3 damit begründet, dass auch der Beweis der Erbenstellung gegenüber einem Erbprätendenten nicht den Nachweis gegenüber einem weiteren Gegner erübrigt: D 12.2.12 Iul 9 dig Idem est et si ego a quolibet alio possidente res hereditarias petere velim, quia et si petissem a te hereditatem et probassem meam, nihilo minus ab altero petendo id ipsum probare necesse haberem. Dasselbe gilt auch, wenn ich von irgendeinem anderen Erbschaftsbesitzer Nachlassgegenstände fordern möchte, weil ich, auch wenn ich von dir die Erbschaft fordere und beweise, dass sie mir zusteht, nichtsdestoweniger gezwungen bin, dasselbe zu beweisen, wenn ich sie von einem anderen herausverlange.

Auch für den Eid über das Eigentum findet sich ein vergleichbarer Vorbehalt in D 6.2.7.7 (,sed adversus te dumtaxat‘) und wiederum eine Katene, diesmal gebildet mit Hilfe eines Auszugs aus dem Ediktskommentar von Paulus: D 12.2.9.7 Ulp 22 ed Si petitor iuravit possessore deferente rem suam esse, actori dabitur actio, sed hoc dumtaxat adversus eum qui iusiurandum detulit eosque qui in eius locum successerunt: ceterum adversus alium si velit praerogativa iurisiurandi uti, nihil ei proderit … Hat der Kläger auf Antrag des Besitzers geschworen, die Sache gehöre ihm, wird ihm eine Klage gewährt, aber nur gegen denjenigen, der ihm den Eid angetragen hat oder gegen diejenigen, die an seine Stelle getreten sind. Will er dagegen gegenüber einem Dritten den Vorzug des Eides geltend machen, nützt er ihm nicht … D 12.2.10 Paul 18 ed … quia non deberet alii nocere, quod inter alios actum esset. 56

Hierfür ist Gröschler, Actiones in factum, S. 154 Fn. 187.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando … weil einem Dritten nicht zum Nachteil gereichen darf, was zwischen anderen vereinbart worden ist.

Im Unterschied zu Julian setzt Paulus in seiner Begründung der inter-partesWirkung nicht bei der Wirkung des Eides im Prozess, sondern beim Akt der Eidesleistung selbst an: Statt der Relativität des Beweises stellt er die Relativität des quod actum heraus: Was zwischen dem Urheber des Eides und dem Eidesgegner ausgemacht ist, kann sich ebenso wenig wie ein regelrechter Vertrag zum Nachteil eines Dritten auswirken, sondern nur die Parteien und ihre Rechtsnachfolger binden. Die beschränkte Gültigkeit von Eidesantrag und -leistung und die von Julian betonte Relativität ihrer Wirkung im Prozess hängen aber unmittelbar zusammen: In der antragsgemäßen Eidesleistung, die auf Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung gerichtet ist, kann man auch eine Prozesshandlung erkennen, die nur von und für die Parteien eines schon begonnenen oder künftigen Rechtsstreits wirken kann. Der Grund, aus dem die Relativität der Eidesleistung beim Schwur über Eigentum und Erbenstellung besonders betont wird, ist der dingliche Charakter des beschworenen Rechts: Beim Eid über den Vertragsschluss oder ein Delikt ist von vornherein klar, dass Rechtswirkungen nur im Verhältnis der Vertragspartner oder zwischen Täter und Tatopfer eintreten können, weil auch der Vertrag oder die Tat nur hier wirkt. Dagegen betrifft der Eid über Eigentum oder Erbenstellung eine absolute Rechtsposition: Da sowohl die rei vindicatio als auch die hereditatis petitio gegenüber jedem Sach- oder Erbschaftsbesitzer angestellt werden können, liegt der Fehlschluss nicht fern, auch das auf den Eid gegründete Klagerecht, das nach dem Vorbild dieser Klagen gestaltet ist, sei gegen jedermann zuständig. Wegen des Erfordernisses eines Eidesantrags können die Eideswirkungen aber nur gegenüber dem Eidesgegner eintreten, der den Schwur angetragen hat. 4. Eid über den Status einer Person Die mangelnde Drittwirkung eines Eides ist auch beherrschendes Thema der Quellen zum Schwur über den Status einer Person. Dass ein solcher zulässig ist, bemerkt Ulpian schon bei der Vorstellung des Edikts de iureiurando: D 12.2.3.2 Ulp 22 ed Sed et si de condicione personae fuerit iuratum, praetor iusiurandum tuebitur: ut puta detuli iusiurandum et iurasti in potestate mea te non esse: tuendum erit iusiurandum. Aber auch wenn über den Status einer Person geschworen worden ist, schützt der Prätor den Eid; wie zum Beispiel, wenn ich dir den Eid angetragen habe und du geschworen hast, mir nicht zu gehören; der Eid ist zu schützen.

Anknüpfungspunkt für den als Beispiel angeführten Schwur, nicht in der Gewalt des anderen zu stehen, kann nur eine von dem Eidesgegner erhobene vindicatio in servitutem, nicht dagegen die vindicatio in libertatem oder ein entsprechendes praeiudicium sein. Denn auf die hier entscheidende Frage: ,an liber sit‘, bietet der

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Eid, nicht dem Kontrahenten zu gehören, keine passende Antwort, so dass Ulpian auch nicht sagen könnte, der Eid sei zu schützen. Sinnvoll ist der Eid, nicht dem Kontrahenten zu gehören, nur, wenn dieser sein Eigentum geltend macht; und das Motiv zum Eidesantrag liegt hier offensichtlich in der Beweisnot des Klägers, der nicht glaubt, sein Eigentum an dem Schwörenden nachweisen zu können. Wie der Schutz des Eides bei der vindicatio in servitutem erfolgen soll, lässt Ulpian offen. Wird der Eid vorgerichtlich oder in iure geschworen, muss der Prätor die Erteilung der Klage verweigern oder eine exceptio iurisiurandi gewähren, die dem Richter die Prüfung der intentio: ,si paret hominem quo de agitur ex iure Quiritium Ai Ai esse‘, verwehrt. Anders als die Quellen zur parallelen Frage des Sacheigentums ist Ulpians Aussage aber nicht auf eine dieser beiden Konstellationen festgelegt. Ein Eid über die Rechtsstellung als Freigelassener oder Patron kann sowohl im Rahmen des praeiudicium ,an libertus sit‘ als auch unmittelbar bei Erhebung der actio operarum oder bei der Entscheidung über die Einweisung in die bonorum possessio berücksichtigt werden, mit der ein Patron sein Pflichtteilsrecht am Nachlass seines Freigelassenen durchsetzt. Mit dem negativen Eid des vermeintlich Freigelassenen, nicht libertus seines Kontrahenten zu sein, befasst sich Paulus: D 12.2.30.4 Paul 18 ed Si libertus deferente patrono iuravit se libertum non esse, ratum habendum est iusiurandum, ut nec operarum petitio nec bonorum possessio contra tabulas dari debeat. Hat ein Freigelassener auf den Antrag eines Freilassers geschworen, nicht dessen Freigelassener zu sein, gilt dieser Eid, so dass weder die Klage auf Dienstleistungen noch der Nachlassbesitz entgegen dem Testament gewährt werden darf.

Misst Paulus dem Eid se libertum non esse hindernde Kraft für die actio operarum und die Gewährung der bonorum possessio zu, hat er dabei offenbar nicht ein vorgeschaltetes praeiudicium im Blick. Stattdessen befürwortet er eine denegatio der von dem angeblichen Patron erhobenen Dienstleistungsklage oder seines Antrags auf Erteilung der bonorum possessio. Der Eid des vermeintlich Freigelassenen wirkt so unmittelbar auf die aus der Patronatsstellung folgenden Klagerechte, im Fall des Antrags auf Nachlassbesitz allerdings posthum. Ist er hier auch gewiss nicht vor dem Prätor geschworen worden, kann er doch allein von diesem berücksichtigt werden, weil der Prätor selbst über die Einweisung in die bonorum possessio entscheidet. Bei der actio operarum käme zumindest im Fall eines vorgerichtlichen Eides auch eine exceptio iurisuriandi in Betracht, mit der dem Richter die Prüfung der Patronatsstellung als Voraussetzung der Verurteilung aus der kondiktionsähnlichen Dienstleistungsklage57 abgeschnitten ist. Paulus’ Entscheidung für eine prätorische denegatio actionis (nec dari debeat) gilt jedoch auch für diesen Fall, so dass er entweder einen vor dem Prätor geleisteten oder unstreitig erfolgten Schwur vor Augen hat. Als Anlass für den entsprechenden Antrag des vermeintlichen Patrons ist wiederum vor allem dessen ungünstige Beweislage denkbar, die einen Prozessverlust im Verfahren 57

Zu ihr Lenel, EP, S. 339.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

über die actio operarum wahrscheinlich und den mit dem Eid verbundenen Ehrgewinn attraktiv macht. Dass der Eid über die Patronatsstellung oder der entgegengesetzte Schwur des angeblich Freigelassenen wie die Entscheidung im Rahmen des praeiudicium wirkt,58 stellt auch Ulpian für das Verbot einer in ius vocatio ohne Genehmigung des Prätors59 heraus: D 2.4.8.1 Ulp 5 ed ,Patronum‘, inquit, ,patronam‘. patroni hic accipiendi sunt, qui ex servitute manumiserunt: … vel si qui praeiudicio pronuntietur esse libertus cum alioquin non fuerit, aut si iuravi eum libertum meum esse: quemadmodum per contrarium pro patrono non habebor, si contra me iudicatum est aut si me deferente iuraverit se libertum non esse. „Den Freilasser“ sagt der Prätor, oder „die Freilasserin“. Als Freilasser sind hier diejenigen anzusehen, die jemanden aus der Sklaverei entlassen haben … oder wenn jemand in einem Vorverfahren zum Freigelassenen erklärt worden ist, während er es vorher nicht war, oder wenn ich geschworen habe, dass es mein Freigelassener sei, und zwar genauso wie ich umgekehrt nicht als Freilasser angesehen werden, wenn gegen mich ein Urteil ergangen ist oder jemand auf meinen Antrag geschworen hat, dass er nicht mein Freigelassener sei.

Nicht ohne praeiudicium kann dagegen zumindest im Fall des Antrags auf bonorum possessio der Eid des Freilassers ,se patronum esse‘ wirken: D 37.14.14 Ulp 5 Iul et Pap Si iuravero me patronum esse, dicendum est non esse me quantum ad successionem patronum, quia iusiurandum patronum non facit: aliter atque si patronum esse pronuntiatum sit: tunc enim sententia stabitur. Habe ich geschworen, Patron zu sein, bin ich es, wie zu sagen ist, doch nicht im Hinblick auf die Erbfolge, weil der Eid nicht zum Patron macht. Anders verhält es sich, wenn ich durch Urteil zum Patron erklärt worden bin. Diese Entscheidung gilt nämlich.

Da die positive Entscheidung zur Einweisung des Patrons in den Nachlassbesitz eine Vielzahl von Erben betreffen kann, taugt der Eid, den der angebliche Freilasser auf Antrag eines Einzelnen geleistet hat, nicht als Grundlage für die Erteilung der bonorum possessio. Anders verhält es sich mit der pronuntiatio im Rahmen eines praeiudicium. Ist so die Patronatsstellung mit Hilfe des Eides geklärt, wirkt diese Entscheidung gegenüber allen60.

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Vgl. Fierich, Eideszuschiebung, S. 83. Vgl. D 2.4.4.1 Ulp 5 ed: Praetor ait: ,parentem, patronum patronam, liberos parentes patroni patronae in ius sine permissu meo ne quis vocet‘. („Der Prätor bestimmt: „Niemand lädt einen Elternteil, einen Freilasser oder eine Freilasserin oder die Kinder oder Eltern des Freilassers oder der Freilasserin ohne meine Erlaubnis vor Gericht.“) 60 Vgl. Kaser/Hackl, RZ, S. 348 f. 59

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Dass auch der negative Eid ,se libertus non esse‘ jedenfalls im Verhältnis zu einem Nebenprätendenten des Eidesgegners keine Rechtswirkung entfaltet, erklärt Julian, der aber zugleich den tatsächlichen Effekt eines Eides berücksichtigt: D 12.2.13pr Ulp 22 ed Si duo patroni essent et libertus altero deferente iurasset se libertum eius non esse, utrum alteri totius debitae patronis portionis an vero dimidiae debitae eis partis bonorum possessio competeret? et ait, si is cui iuratum est patronus fuisset, alteri suae partis bonorum possessionem competere nec ei prodesse, quod adversus alterum libertus iurasset: multum tamen fidei et auctoritatis apud iudicem patronum habiturum, quo magis solum se patronum probaret, quod libertus iurasset alterum patronum non esse. Gibt es zwei Freilasser und hat ein Freigelassener auf Antrag eines der beiden den Eid geleistet, nicht sein Freigelassener zu sein, stellt sich die Frage, ob dann dem anderen der gesamte ihnen zustehende Patronatsanteil am Nachlass oder nur eine Hälfte hiervon dem anderen geschuldet ist. Und Julian sagt, dass, wenn derjenige, dem der Eid geleistet worden ist, wirklich sein Freilasser war, dem anderen der Nachlassbesitz an seinem Anteil zustehe und es ihm nichts nütze, dass der Freigelassene gegenüber dem anderen den Eid geleistet hat. Beim Richter werde der Freilasser jedoch viel Vertrauen und Ansehen genießen, so dass er deshalb leichter beweisen kann, der einzige Freilasser zu sein, weil der Sklave den Eid geleistet hat, der andere sei nicht sein Freilasser.

Hat ein Erblasser zu Lebzeiten geschworen, nicht Freigelassener eines bestimmten Patrons zu sein, schließt dies dessen Pflichtteilsrecht am Nachlass des libertus aus. Hat er die Patronatsstellung gemeinsam mit einem anderen beansprucht, stellt sich die Frage, ob diesem der Eid des Erblassers indirekt nützt, indem er nun den gesamten Pflichtteil allein beanspruchen kann. Eigentlich ist der Eid, der nur gegenüber dem anderen Patron geschworen worden ist, ohne rechtliche Relevanz für den anderen Patronatsprätendenten. Nach Julian beeinflusst er gleichwohl die Entscheidung des Richters, vor dem derjenige, der sein Patronatsrecht geltend macht, ohnehin erhebliches Ansehen genießt. Daher bedeutet der Eid, den der Freigelassene auf Antrag des einen Patronatsprätendenten geschworen hat, ein starkes Indiz dafür, dass der andere die Patronatsstellung zur Gänze innehat.61 Noch drängender stellt sich die Frage einer Drittwirkung, wenn die Ehefrau eines Erblassers den Eid leistet, mit dessen Nachkommen schwanger zu sein, oder ein anderer Erbberechtigter das Gegenteil beschwört. Bei seiner Beschreibung der Wirkungen dieser Schwüre beruft sich Ulpian auf Marcell: D 12.2.3.3 Ulp 22 ed Unde Marcellus scribit etiam de eo iurari posse, an praegnas sit mulier vel non sit, et iuriiurando standum: denique ait, si de possessione erat quaestio, servari oportere, si forte quasi praegnas ire in possessionem volebat et, cum ei contradiceretur, vel ipsa iuravit se praegnatem vel contra 61

Den entsprechenden Passus halten Biondi, Giuramento, S. 121 und Amirante, Giuramento, S. 108 für ein Werk der Kompilatoren, indem sie davon ausgehen, der Eid habe im klassischen Recht niemals Beweismittel sein können. Dabei übersehen sie, dass der Eid hier auch für den Autor des inkriminierten Schlusssatzes kein Beweismittel im eigentlichen Sinne, sondern lediglich ein Indiz darstellt.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando eam iuratum est: nam si ipsa, ibit in possessionem sine metu, si contra eam, non ibit, quamvis vere praegnas fuerit: proderitque, inquit Marcellus, mulieri iuranti iusiurandum, ne conveniatur quasi calumniae causa ventris nomine fuerit in possessionem neve vim patiatur in possessione. sed an iusiurandum eo usque prosit, ut post editum partum non quaeratur, ex eo editus sit an non sit cuius esse dicitur, Marcellus tractat: et ait veritatem esse quaerendam, quia iusiurandum alteri neque prodest neque nocet: matris igitur iusiurandum partui non proficiet: nec nocebit, si mater detulerit et iuretur ex eo praegnas non esse.62 Daher schreibt Marcell, man könne auch schwören, dass eine Frau schwanger oder nicht schwanger sei, und dieser Eid gelte. Der Eid sei zum Beispiel zu beachten, wenn über den Nachlassbesitz gestritten wird und sie diesen als Schwangere ergreifen will, und zwar unabhängig davon, ob sie selbst geschworen hat, schwanger zu sein, oder ob gegen sie geschworen worden ist. Hat sie nämlich selbst geschworen, ergreift sie den Besitz ohne Furcht; ist gegen sie geschworen worden, ergreift sie ihn nicht, obwohl sie wirklich schwanger ist. Und wie Marcell sagt, nützt der Frau, wenn sie schwört, der Eid in der Weise, dass sie nicht deshalb belangt wird, weil sie durch Prozessmissbrauch für ihre Leibesfrucht den Besitz ergriffen hat, und auch in der Weise, dass sie im Besitz vor Gewalt geschützt ist. Aber Marcell behandelt ebenfalls die Frage, ob ihr der Eid derart hilft, dass nach der Geburt des Kindes nicht mehr geprüft werden darf, ob es von demjenigen gezeugt worden ist, von es angeblich abstammt; und er sagt, man müsse die Wahrheit ermitteln, weil der Eid einem Dritten weder schade noch nütze. Also wird der Eid dem Kind nicht nützen; und ihm schaden auch nicht, wenn die Mutter den Eid angetragen hat und geschworen worden ist, sie sei nicht von ihm [dem Erblasser] schwanger.

Hat die Frau eines Erblassers geschworen, von diesem schwanger zu sein, wirkt dieser Eid auf zweierlei Weise: Zum einen kann sie die vorläufige Einweisung in den Nachlassbesitz verlangen, die der Prätor nach dem Vorbild des edictum Carbonianum zugunsten eines noch nicht geborenen Hauserben gewährt, wenn sich die Frau des Erblassers als schwanger erweist (,si praegnas esse dicetur‘).63 Zum anderen ist sie vor der Inanspruchnahme durch andere Erben wegen betrügerisch erschlichener Besitzeinweisung (,si mulier ventris nomine in possessione calumniae causa esse dicetur‘) sicher. Hier kann der Schwur der Frau sowohl zu einer denegatio actionis führen als auch, wenn seine vorgerichtliche Leistung streitig ist, die exceptio iurisiurandi begründen, die dem Richter die Prüfung ihrer calumnia verwehrt. Die Entscheidung über die Besitzeinweisung fällt der Prätor dagegen selbst causa cognita und lässt sich hierbei von dem Eid der Frau leiten: D 37.10.10 Marcell 7 dig Cum mulier deferente herede iuraverit se praegnatem esse, bonorum possessio ex edicto Carboniano dari debet, vel denegari, si illa heredi detulit iusiurandum, cum causa cognita 62 Eine verkürzte Fassung dieses Textes ist als Auszug aus dem 34. Buch von Ulpians Ediktskommentar zu D 25.6.1pr geworden: Si de possessione ventris nomine quaeratur et deferente herede mulier iuraverit praegnatem se esse, servandum est iusiurandum nec tenebitur mulier, quasi calumniae causa fuerit in possessionem missa, nec vis ei facienda est post iusiurandum. si tamen peperit, quaeretur veritas, an ex eo praegnas fuerit: alteri enim nec prodest nec nocet iusiurandum inter alios factum, nec partui igitur nocebit. 63 Vgl. D 37.9.1.1, 10 Ulp 41 ed und Lenel, EP, S. 347 Fn. 18.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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detur possessio, ne aut heredi bonorum possessio data faciat praeiudicium aut denegata ius ordinarium eripiat pupillo.64 Hat eine Frau auf Antrag des Erben den Eid geschworen, dass sie schwanger sei, ist ihr der Nachlassbesitz nach dem carbonianischen Edikt zu gewähren – oder zu verweigern, wenn sie dem Erben den Eid angetragen hat, da der Nachlassbesitz nach Ermittlung des Sachverhalts gewährt wird, damit nicht die Einräumung des Nachlassbesitzes ein Präjudiz zulasten des Erben bedeutet oder das ordentliche Recht des Mündels entzogen wird.

In diesem Rahmen ist auch der entgegengesetzte Eid des Erben zu berücksichtigen, der auf Antrag der Frau geschworen hat, dass sie nicht schwanger sei. In beiden Fällen wirkt der Eid aber nicht zugunsten oder zulasten des Kindes nach dessen Geburt, weil es ein Dritter ist und der Schwur nur das Verhältnis zwischen der Frau und dem Erben betrifft, der ihre Schwangerschaft bestreitet. Dass die Frau oder ihr Kontrahent zu dem Mittel des Eidesantrags greifen, erklärt sich aus den Besonderheiten des Beweises, die die Behauptung einer Schwangerschaft oder deren Bestreiten mit sich bringen. Da sie die Intimsphäre der Frau betreffen, verwundert es nicht, dass hier auch und vor allem ein positiver Schwur der Frau über ihre Schwangerschaft vorkommt. Wird die Frau wegen betrügerisch erlangter Besitzeinweisung in Anspruch genommen, wirkt ihr Eid über die Schwangerschaft ohnehin negativ, indem er die von ihrem Kontrahenten nur schwer nachzuweisende Behauptung des Prozessmissbrauchs widerlegt. Beim edictum Carbonianum wirkt der Schwur der Frau dagegen rechtsbegründend, so dass ihr Gegner eigentlich davon absehen und sich darauf beschränken könnte, die Schwangerschaft der Frau zu bestreiten. Ihr so den Nachweis ihres Zustands aufzuzwingen erscheint jedoch wenig anständig, so dass es für ihren Gegner naheliegt, sich in dieser Situation auch ohne Beweisnot mit dem Eidesantrag zu begnügen. 5. Eid über eine Leistungspflicht Anders als bei anderen Eidesthemen ist beim Schwur über die Leistungspflicht selbstverständlich, dass er auch in seiner positiven Form vorkommt. Denn selbst wenn die anspruchsbegründenden Umstände vom Gläubiger bewiesen werden müssen, kann sich eine leicht nachzuvollziehende Beweisnot des Schuldners doch daraus ergeben, dass er seinerseits die Erfüllung der nachweislich begründeten Schuld nicht dartun kann.65 Daher kann es auch für ihn besser sein, seine Ver64

Einer unangebrachten und kaum begründeten Textkritik unterzieht das Fragment noch Stiegler, Marcell D. 37,10,10 und die Drittwirkung des Eides, SZ 85 (1968) 394 ff. 65 Dies gilt beim Eid über die Verpflichtung zur Einräumung eines Nießbrauchs freilich nur, wenn dieser in verbrauchbaren Sachen besteht. Gerade hierauf lassen sich aber die Aussagen von Ulpian und Paulus beziehen, die den mit der actio ex iureiurando durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers davon abhängig machen, dass dieser die cautio usufructuaria leistet: D 12.2.11.2 Ulp 22 ed: Item si iuravero usum fructum alicuius rei vel meum esse vel dari mihi oportere, eatenus mihi competit actio, quatenus, si vere usum fructum haberem, duraret: quibus vero casibus amitteretur, non competit mihi actio. sed si rerum, in quibus usus fructus propter

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

pflichtung durch den Eidesantrag außer Streit zu stellen und zumindest den damit verbundenen Ansehensvorteil zu erlangen. Ein anderes Motiv für die Zuschiebung des Eides an den Gläubiger kann sich daraus ergeben, dass der Schuldner trotz fehlender Erfüllung nicht befürchten muss, verurteilt zu werden. Der Fall ist dies bei der Unmöglichkeit der Leistung, die nur dann keinen Untergang der Forderung bewirkt, wenn der Schuldner für Zufall einzustehen hat: D 12.2.30.1 Paul 18 ed Si iuravero te Stichum mihi dare oportere, qui non sit in rerum natura, nec aestimationem mihi praestare reus debet nisi ex causa furtiva vel propter moras: tunc enim etiam post mortem servi aestimatio praestatur. Habe ich geschworen, du seist mir zur Leistung von Stichus verpflichtet, der nicht mehr lebt, muss der Beklagte mir seinen Schätzwert nur in den Fällen des Diebstahls oder Verzugs leisten. Dann ist nämlich auch nach dem Tod des Sklaven der Schätzwert zu leisten.

Nach Ansicht von Paulus führt der Eid des Gläubigers über die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung eines mittlerweile gestorbenen Sklaven nur dann zur Verurteilung, wenn dieser aus Diebstahl geschuldet oder nach Verzug gestorben und daher eine perpetuatio obligationis eingetreten ist. Sie bewirkt eine Fiktion der Fortexistenz des Sklaven,66 setzt aber eine Prüfung voraus, die den Rahmen der actio ex iureiurando sprengt: Diese ist auf den Schwur der Verpflichtung bezogen und gestattet zwar die Rücksicht auf die Unmöglichkeit der Leistung, deren bei der Prüfung: ,quanti ea res est‘, festzusetzender Wert eben 0 ist; sie lässt aber weder Raum für die Frage, welchen Rechtsgrund die beschworene Verpflichtung gehabt haben soll, noch für die Untersuchung, ob der Beklagte mit ihrer Erfüllung in Verzug geraten ist. Soll die Verurteilung des Beklagten hierauf gestützt werden, lässt sich dies nur mit Hilfe der ursprünglichen Klage erreichen, die auf die Verpflichtung selbst gerichtet ist und somit die Prüfung des Haftungsgrundes und der verzugsbedingten Haftungsverschärfung gestattet. Auch wenn der Kläger den Eid über die Verpflichtung vorgerichtlich oder in iure geschworen hat, muss der Prätor, falls der abusum constitui non potest, iuraverit usum fructum se habere vel sibi deberi, effectum iurisiurandi sequendum arbitror ideoque tunc quoque videri eum recte iurasse puto et ex eo iureiurando posse petere usum fructum cautione oblata. („Habe ich ferner geschworen, dass mir der Nießbrauch an einer Sache zusteht oder eingeräumt werden muss, steht mir deshalb so lange eine Klage zu, wie sie mir zustehen würde, wenn ich den Nießbrauch in Wirklichkeit hätte. In den Fällen, in denen ich ihn verloren hätte, steht mir die Klage nicht zu. Hat aber jemand geschworen, dass ihm ein Nießbrauch an solchen Sachen zustehe oder eingeräumt werden müsse, an denen er wegen des Verbrauchs der Sachen nicht bestehen kann, ist die Wirkung des Eides nach meiner Ansicht zu beachten; und daher glaube ich, dass gültig geschworen worden ist und aufgrund dieses Eides der Nießbrauch gegen Sicherheitsleistung gefordert werden kann.“) D 12.2.30.5 Paul 18 ed: Si iuravero usum fructum mihi dari oportere, non aliter dari debet, quam si caveam boni viri arbitratu me usurum et finito usu fructu restituturum. („Habe ich geschworen, dass mir ein Nießbrauch einzuräumen ist, muss er mir nur unter der Bedingung geleistet werden, dass ich Sicherheit dafür leiste, dass ich den Nießbrauch nach dem Ermessen eines redlichen Mannes ausübe und die Sache nach dem Ende des Nießbrauchs zurückgebe.“) 66 Vgl. D 45.1.91.6 Paul 17 Plaut: Effectus huius constitutionis ille est, ut adhuc homo peti possit …

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vorherige Tod des geschuldeten Sklaven in Rede steht, statt der actio ex iureiurando die condictio gewähren und die Prüfung des Eides und seiner Wirkung dem officium iudicis überlassen. Anders wäre es nur, wenn der geschuldete Sklave erst nach der Eidesleistung gestorben ist. Der durch den Schwur begründete Anspruch ist nämlich schon verewigt, so dass Befreiungstatbestände hier ebenso irrelevant sind, als wären sie nach der Streitbefestigung für die ursprüngliche Verpflichtung eingetreten: D 12.2.9.3 Ulp 22 ed Si is, qui temporaria actione mihi obligatus erat, detulerit iusiurandum, ut iurem eum dare oportere, egoque iuravero, tempore non liberatur, quia post litem contestatam cum eo perpetuatur adversus eum obligatio. Hat derjenige, der aus einer befristeten Klage verpflichtet war, mir den Eid angetragen, dass ich schwöre, er sei zur Leistung verpflichtet, und habe ich geschworen, wird er durch Zeitablauf nicht befreit, weil die Verpflichtung nach der Streitbefestigung gegen ihn verewigt wird.

Dass die auf den Eid gestützte Klage anderen Regeln folgt als die Klage, mit der die zugrunde liegende Verpflichtung durchgesetzt wird, zeigt sich auch bei der Litiskreszenz. Sie tritt nur bei der ursprünglichen Obligation, nicht dagegen bei der actio ex iureiurando ein,67 deren Klagegrund eben der Eid und nicht die beschworene Verpflichtung ist:68 D 12.2.30pr Paul 18 ed Eum, qui iuravit ex ea actione quae infitiando crescit aliquid sibi deberi, simpli, non dupli persecutionem sibi adquirere Pedius ait: abunde enim sufficere exonerare petitorem probandi necessitate, cum omissa hac parte edicti dupli actio integra maneat: et potest dici hoc iudicio non principalem causam exerceri, sed iusiurandum actoris conservari. Pedius schreibt, derjenige, der geschworen hat, ihm werde etwas aus einer Klage geschuldet, die mit ihrem Bestreiten wächst, erwerbe eine Klage auf das Einfache, nicht auf das Doppelte. Denn es genüge vollständig, dass der Kläger von der Beweislast befreit sei, zumal ihm die Klage auf das Doppelte erhalten bleibe, wenn er nicht nach diesem Teil des Edikts vorgehe. Und man kann sagen, dass durch diese Klage nicht der Hauptanspruch durchgesetzt, sondern dem Eid gefolgt werde.

Die Aussagen der Juristen zum negativen Eid ,se dare non oportere‘ beziehen sich überwiegend auf die exceptio iurisiurandi. Streng genommen, setzen sie also voraus, dass der Eid schon vor der Verhandlung in iure geschworen worden, aber streitig ist und daher nicht zu einer denegatio actionis durch den Prätor führt. Der Fall ist dies sicher, wenn der Eid wegen eines zunächst geltend gemachten Anspruchs geleistet 67 Entgegen Amirante, Giuramento, S. 42 lässt sich hieraus nichts für die Frage ableiten, ob die römischen Juristen Eidesantrag und -leistung als Vertrag ansehen. Dass ein pactum nach PS 1.19.2 bei Litiskreszenz nicht möglich sein soll, gilt für anspruchsbeschränkende, nicht für anspruchsbegründende Vereinbarungen. 68 Geht der Kläger aufgrund des Eides vor, steht der Beklagte demnach so, als hätte er seine Verpflichtung zur Vermeidung der Litiskreszenz in iure gestanden; vgl. Amirante, Giuramento, S. 139.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

und dann auch zur Verteidigung eines hiermit konkurrierenden Klagerechts des Gläubigers eingesetzt wird. So befasst sich Paulus mit der Konstellation, dass ein Eid über eine Verpflichtung aus einem bonae fidei iudicium geleistet worden ist, die wegen einer hierüber abgeschlossenen Stipulation zugleich Gegenstand einer condictio ist. Der Eid, den der Schuldner in iure oder im Rahmen einer außerprozessualen Verhandlung über die Verpflichtung aus dem Grundverhältnis geschworen hat, wirkt auch auf die später erhobene Kondiktion. Hier führt er zur Einschaltung einer exceptio iurisiurandi, die dem Richter die Prüfung des dare oportere in der intentio der condictio verwehrt:69 D 12.2.28.4 Paul 18 ed Exceptio iurisiurandi non tantum si ea actione quis utatur, cuius nomine exegit iusiurandum, opponi debet, sed etiam si alia, si modo eadem quaestio in hoc iudicium deducatur, forte si ob actionem mandati negotiorum gestorum societatis ceterasque similes iusiurandum exactum sit, deinde ex isdem causis certum condicatur, quia per alteram actionem altera quoque consumitur. Die Einrede des Eides kann nicht nur erhoben werden, wenn jemand die Klage erhebt, derentwegen der Eid abgenommen worden ist, sondern auch, wenn eine andere erhoben wird, falls nur dieselbe Frage zum Gegenstand des Prozesses gemacht wird; wie zum Beispiel, wenn ein Eid wegen einer Auftrags-, Geschäftsführungs-, Gesellschafter- oder einer anderen ähnlichen Klage abgenommen worden ist und danach aus demselben Grund die Kondiktion mit bestimmtem Gegenstand erhoben wird, weil durch die eine Klage die andere verbraucht wird.

Dagegen soll ein Schwur, der sich auf den Anspruch aus einem constitutum bezieht, nach Ansicht von Ulpian nicht auf die zugrunde liegende Hauptverpflichtung wirken, sofern er nicht ausdrücklich hierauf erstreckt worden ist: D 12.2.36 Ulp 27 ed Si actor deferat iusiurandum de sola constituta pecunia et reus iuraverit, exceptione utetur, si de constituta conveniatur: sed si de sorte, id est de priore obligatione conveniatur, exceptio cessabit, nisi de hac quoque iuraverit adversario deferente. Hat der Kläger einen Eid nur über die Erfüllungszusage zugeschoben und der Beklagte geschworen, kann er sich der Einrede bedienen, wenn er aus der Erfüllungszusage belangt wird. Wird er aber wegen des Kapitals, also aus der Hauptverpflichtung, in Anspruch genommen, greift die Einrede nicht ein, es sei denn, der Beklagte hat auf die Eideszuschiebung durch seinen Gegner auch hierüber geschworen.

Die unterschiedliche Behandlung der Klagen aus Konstitut und ergänzender Stipulation entspricht der Natur dieser beiden Sicherungsmittel: Während die Stipulationsverpflichtung mit der zugrunde liegenden Obligation identisch, der Eid also zwangsläufig auf beide bezogen ist, geht die Verpflichtung aus Konstitut über die primäre Verbindlichkeit hinaus, indem sie das Zeitinteresse des Gläubigers er-

69 Dies gilt natürlich nur, wenn es nicht zu einem Urteil gekommen ist, das die exceptio rei iudiciatae auslöst.

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fasst. Schwört jemand, nicht durch constitutum verpflichtet zu sein, bedeutet dies also noch keineswegs, dass auch die Hauptobligation keinen Bestand hat. Um die Fernwirkung der exceptio iurisiurandi geht es Julian in D 12.2.40 (Iul 13 dig): Iusiurandum a debitore exactum efficit, ut pignus liberetur: est enim hoc acceptilationi simile: perpetuam certe exceptionem parit. idcirco poenam quoque petentem creditorem exceptione summoveri oportet et solutum repeti potest, utpote cum interposito eo ab omni controversia discedatur. Ein dem Schuldner abgenommener Eid führt dazu, dass ein Pfand frei wird. Der Eid ist nämlich dem Erlass ähnlich; er begründet jedenfalls eine dauerhafte Einrede. Deshalb kann auch der Gläubiger, der eine Vertragsstrafe verlangt, mit der Einrede überwunden und zurückgefordert werden, was geleistet worden ist, da mit der Eidesleistung der Streit ja in jeder Hinsicht beendet sein soll.

Da die Eideseinrede die Verpflichtung nicht nur vorübergehend, sondern für immer sperrt, wirkt sie wie ein förmlicher Erlass. Sie führt nicht nur zur Befreiung eines Pfandes70 und zum Wegfall einer Verpflichtung aus einem Vertragsstrafeversprechen, sondern auch dazu, dass eine irrtümliche Leistung auf die Schuld kondiziert werden kann. Obwohl Anknüpfungspunkt dieser Rechtsfolgen die exceptio iurisiurandi ist, kommt sie bei der Gestaltung der Klageformel in zwei der drei Fälle doch weder direkt noch auch nur mittelbar zum Einsatz: Lediglich die Klage aus dem Vertragsstrafeversprechen soll an der Eideseinrede scheitern. Bei der in factum konzipierten actio pigneraticia, mit der die Pfandsache zurückgefordert wird, wäre zwar denkbar, dass der Prätor anstelle oder neben den gewöhnlichen Tatbeständen der Erfüllung oder einer sicherungsweisen Befriedigung (,eam pecuniam solutam eove nomine satisfactum esse‘)71 den Eid als alternativen Befreiungsgrund anführt. Gerade der von Julian angestrengte Vergleich zur acceptilatio, die ja in der Quittierung einer scheinbaren Leistung besteht, legt jedoch näher, dass die Formel der Pfandklage unangetastet bleibt und der Richter wegen des Eides die solutio bejaht.72 Ähnlich verfährt auch Marcian, der den Eid über die Pfandfreiheit bei der insoweit gleichgestalteten actio Serviana73 berücksichtigen will, indem er sicherungsweise Befriedigung des Gläubigers annimmt: D 20.6.5.3 Marcian sing form hyp Satisfactum esse creditori intellegitur et si iusiurandum delatum datum est hypothecae non esse rem obligatam.

70 Da der Text drei völlig verschiedene Fälle behandelt, erscheint mir trotz seiner Abkunft aus dem 13. Buch von Julians Digesten nicht zwingend, dass er sich, wie Lenel, Pal., Bd. 1, Sp. 353 Fn. 6 (Iul 211) meint, ursprünglich auf die hier behandelte fiducia bezog. 71 Vgl. die Rekonstruktion der Pfandklage bei Lenel, EP, S. 255. 72 Dies übersieht Amirante, S. 129, der den Vergleich mit der acceptilatio für interpoliert hält, weil diese die Forderung ipso iure zum Erlöschen bringt. 73 Vgl. die Rekonstruktion der Serviana bei Lenel, EP, S. 494 f.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando Als befriedigt gilt der Gläubiger auch, wenn auf Antrag geschworen worden ist, die Sache unterliege nicht der Pfandhaftung.

Für die Klage auf Rückgewähr einer Nichtschuld, mit der sich Julian in D 12.2.40 ebenfalls beschäftigt, ist schließlich die condictio zuständig, deren abstrakte Fassung unverändert bleibt. Hier ist es zwangsläufig dem Richter überlassen, wegen des Eides die Voraussetzungen der Rückgewährpflicht zu bejahen und den vermeintlichen Gläubiger zur Erstattung der geleisteten Zahlung zu verurteilen. Die exceptio iurisiurandi, von der die Lösung in allen drei Fällen ausgeht, ist hier und bei der Verpfändung also keine wirkliche Erscheinung des Prozesses mehr, sondern gleichsam eine materiellrechtliche Figur, deren Beurteilung dem officium iudicis unterfällt. Daher überrascht nicht, dass auch die Entscheidung, ob ein Eid die Rechtsfrage der Verpflichtung und eine tatsächliche Vorfrage betrifft, zuweilen vom Richter getroffen werden muss: D 12.2.42pr Pomp 18 ep Creditore, qui de mutua pecunia contra pupillum contendebat, iusiurandum deferente pupillus iuravit se dare non oportere: eandem pecuniam a fideiussore eius petit: an excludendus sit exceptione iurisiurandi? quid tibi placet, rescribe mihi. eam rem apertius explicat iulianus. nam si controversia inter creditorem et pupillum fuerit, an omnino pecuniam mutuam accepisset, et convenit, ut ab omni condicione discederetur, si pupillus iurasset, isque iuraverit se dare non oportere, naturalis obligatio hac pactione tolletur et soluta pecunia repeti poterit. sin vero creditor quidem se mutuam dedisse contendebat, pupillus autem hoc solo defendebatur, quod tutor eius non intervenisset et hoc tale iusiurandum interpositum est, hoc casu fideiussorem praetor non tuebitur. si autem liquido probari non potest, quid actum sit, et in obscuro erit (ut plerumque fit), de facto an de iure inter creditorem et pupillum controversia fuerit deferente creditore pupillum iurasse, intellegere debemus id actum inter eos, ut, si iurasset se dare non oportere, ab omni condicione discederetur: atque ita et solutam pecuniam repeti posse et fideiussoribus exceptionem dari debere existimavimus. Ein Mündel hat auf Antrag eines Gläubigers, der von ihm die Rückzahlung eines Darlehens verlangte, den Eid geleistet, er sei nicht zur Leistung verpflichtet. Denselben Betrag fordert er nun von dem Bürgen; ist der Gläubiger durch die sich aus dem Eid ergebende Einrede ausgeschlossen? Antworte mir, was du glaubst. Diese Frage wird bei Julian deutlicher erklärt. Denn wenn der Streit zwischen dem Gläubiger und dem Mündel darum gegangen sei, ob er überhaupt Geld in Empfang genommen hätte, und man vereinbart habe, dass er durch den Eid schlechthin befreit würde, sei, wenn er seine mangelnde Verpflichtung beschwöre, die Naturalobligation durch diese Vereinbarung beseitigt, und eine schon erbrachte Leistung könne zurückgefordert werden. Hat der Gläubiger dagegen geltend gemacht, er habe das Darlehen ausgezahlt, der Mündel sich aber nur damit verteidigt, sein Vormund sei nicht dabei gewesen, und ist der Eid so geleistet worden, schützt der Prätor den Bürgen in diesem Fall nicht. Kann aber nicht klar bewiesen werden, was vereinbart worden ist, und bleibt im Dunkeln (wie dies häufig geschieht), ob der Streit zwischen dem Gläubiger und dem Mündel, als jener diesem antrug zu schwören, über Tatsachen oder über Rechtsfragen herrschte, müssen wir annehmen, dass vereinbart ist, den ganzen Streit zu beenden, wenn es schwört, nicht leisten zu müssen. Und daher glaubten wir, dass sowohl der gezahlte Betrag zurückgefordert werden könne als auch den Bürgen eine Einrede zu gewähren sei.

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Pomponius befasst sich mit der Frage, ob ein Bürge, der für die Darlehensschuld eines Mündels eingetreten ist, befreit wird, wenn dieses wirksam den Eid ,se dare non oportere‘ geleistet hat.74 Für seine Entscheidung75 greift er auf Julian zurück, der sich freilich selbst nicht mit der von Pomponius untersuchten Verpflichtung des Bürgen, sondern mit dem Problem beschäftigt, ob eine trotz des Schwures erbrachte Leistung durch das Mündel zurückgefordert werden kann. Er bejaht dies für den Fall, dass der Eid im Zuge eines Streits darüber geleistet worden ist, ob das Mündel das Darlehen überhaupt in Empfang genommen hat, weil dann noch nicht einmal eine Naturalobligation bestehe. Für die von Pomponius behandelte Bürgschaftskonstellation bedeutet dies, dass der Bürge durch den Schwur des Mündels befreit wird. Anders verhält es sich, wenn bei dem Eid die Auszahlung des Darlehens unstreitig und nur die Anwesenheit des Vormunds umstritten war. Hier liegt nach Julians und Pomponius’ Ansicht eine Naturalobligation vor. Diese schließt die Rückforderung einer nach Eintritt der Volljährigkeit erbrachten Leistung aus und gibt auch der Verpflichtung des Bürgen ihre Grundlage. Ebenso wie die beiden Hochklassiker urteilt später auch Paulus: D 12.6.13.1 Paul 10 Sab Item quod pupillus sine tutoris auctoritate mutuum accepit et locupletior factus est, si pubes factus solvat, non repetit. Ebenso wenig kann ein Mündel, wenn es nach Eintritt der Volljährigkeit zahlt, zurückfordern, was es ohne Zustimmung seines Vormunds als Darlehen empfangen hat und um das es bereichert worden ist.

Anders sieht dies aber noch Neraz, der sich schon der später von Julian konzeptualisierten76 Figur der Naturalobligation bedient: D 12.6.41 Ner 6 membr Quod pupillus sine tutoris auctoritate stipulanti promiserit solverit, repetitio est, quia nec natura debet. Was ein Mündel ohne Zustimmung seines Vormunds seinem Gläubiger versprochen und geleistet hat, kann zurückgefordert werden, weil es nicht einmal natürlich geschuldet ist.

In der Konstellation, in der nur die Anwesenheit des Vormunds im Streit stand, nennt Pomponius die der Eidesleistung vorangehende Auseinandersetzung eine controversia de facto. Dagegen liege ein Streit de iure vor, wenn das Mündel schon die Auszahlung des Darlehens bestreite. Für den Fall, dass sich die Umstände der Eidesleistung nicht ermitteln lassen, nimmt er an, dass der Eid die Verpflichtung im Zweifel völlig beseitigen sollte, also auch keine Naturalobligation mehr übrig lasse, 74

Dass ein von einem Mündel geleisteter Eid unbedingt wirksam ist, sagt ausdrücklich Paulus in D 12.2.26pr (s. u. S. 105 f.). 75 Vgl. zu ihr auch Babusiaux, Id quod actum est, München 2006, S. 131 ff. und Steiner, Die römischen Solidarobligationen, München 2009, S. 142 f. 76 Vgl. Harke, Argumenta Iuventiana – Argumenta Salviana, Berlin 2012, S. 261 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

so dass eine schon erbrachte Leistung zurückgefordert werden kann und der Bürge befreit ist. Pomponius’ Unterscheidung zwischen factum und ius überrascht zunächst deshalb, weil der dem Eid des Mündels zugrunde liegende Streit ja in beiden Konstellationen von divergierenden Tatsachenbehauptungen ausgeht: Im einen Fall ist es die Auszahlung des Darlehens, die bestritten ist, im zweiten die Anwesenheit des Vormunds. Bezieht man das Begriffspaar nicht nach seinem strengen Wortsinn auf die controversia, die nur der Interpretation des Eides dient, sondern auf diesen selbst, gewinnt die Unterscheidung dagegen Sinn: Den Eid, der aufgrund der Behauptung geleistet wird, das Darlehen gar nicht empfangen zu haben, kann man als iusiurandum in iure bezeichnen, weil hier die Verpflichtung schlechthin in Frage gestellt wird, das Eidesthema ,se dare non oportere‘ sich also wirklich auf das ganze Rechtsverhältnis erstreckt. Den Eid, den das Mündel wegen der mangelnden Zustimmung seines Vormunds zur Darlehensgewährung schwört, kann man jedenfalls dann, wenn man von einer so begründeten Naturalobligation des Mündels ausgeht, iusiurandum in factum nennen; denn er erschöpft die in Rede stehende Verpflichtung nicht und sorgt nur dafür, dass das Mündel selbst nicht in Anspruch genommen werden kann, während der Bürge verpflichtet und auch die Rückforderung einer vom Mündel selbst erbrachten Leistung ausgeschlossen bleibt. Die Unterscheidung zwischen ius und factum ist vor allem deshalb interessant, weil Julian und Pomponius erwägen, einen Schwur, der formal ohne Weiteres ein Rechtseid ist, in einen Tatsacheneid umzudeuten: Ginge es um die Inanspruchnahme des Mündels selbst, spielte es keine Rolle, ob es das Darlehen überhaupt nicht oder nur ohne Mitwirkung seines Vormunds erhalten hätte; und sein Schwur: ,se dare non oportere‘ wäre eindeutig auf die gesamte im Streit befindliche Verpflichtung bezogen. Mehrdeutig wird der Eid erst durch die Figur der Naturalobligation, die zwar an der fehlenden Verpflichtung des Mündels nichts ändert, aber doch die Rückforderung einer schon erbrachten Leistung sperrt und die Inanspruchnahme eines Bürgen erlaubt. Daher gibt es auch einen eigens auf die Naturalobligation bezogenen Eid, dem Papinian die Wirkung zuschreibt, auch den Bürgen eines Mündels zu befreien: D 46.3.95.4 Pap 28 quaest Naturalis obligatio ut pecuniae numeratione, ita iusto pacto vel iureiurando ipso iure tollitur, quod vinculum aequitatis, quo solo sustinebatur, conventionis aequitate dissolvitur: ideoque fideiussor, quem pupillus dedit, ex istis causis liberari dicitur.77 Eine natürliche Verbindlichkeit wird durch die Zahlung des Geldbetrags, ferner durch einen erlaubten Pakt oder einen Eid automatisch aufgelöst, weil das Band der Billigkeit, von dem sie getragen wird, durch die Billigkeit einer Vereinbarung aufgelöst wird. Daher nimmt man auch von einem durch ein Mündel gestellten Bürgen an, dass er aus diesen Gründen befreit wird.

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Zu diesem Text s. u. S. 93 f.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Ist wie in dem von Pomponius und Julian behandelten Fall nicht eindeutig, ob sich der Eid auch auf die Naturalobligation richtet, könnte man sich auf die formale Position zurückziehen, die Aussage ,se dare non oportere‘ zeige den Ausfall der Obligation schlechthin an und schließe damit auch eine Naturalobligation aus. Stattdessen halten die Hochklassiker es aber für denkbar, dem Eid einen anderen Sinn abzugewinnen, der sich aus dem Kontext der vorangehenden Verhandlungen ergibt. Hat sich das Mündel nur mit der Behauptung verteidigt, sein Vormund sei bei der Darlehensgewährung nicht zugegen gewesen, erscheint hierauf auch sein Schwur bezogen; bezogen auf die Naturalobligation, ist er nun nicht mehr Rechtseid, sondern auf die Tatsache der fehlenden Mitwirkung des Vormunds beschränkt. Der Eid erhält seine Bedeutung also, wie Pomponius ausdrücklich sagt, aus dem quod actum der Parteien. Und zumindest Pomponius gibt auch die Auslegung des Schwures für den Fall vor, dass sich dieses quod actum nicht aufklären lässt. Er hält sich dabei an die von Julian in D 12.2.40 aufgestellte, aber hier nicht bemühte Regel, dass im Zweifel der ganze Streit erledigt sein soll (ab omni controversia discedatur). Auf den Schwur des Mündels gemünzt, bedeutet dies, dass der Eid typischerweise außer dessen Verpflichtung auch die Naturalobligation erfassen soll.78 Kann sich an diese Auslegungsregel auch der Prätor halten, ist die Untersuchung des quod actum doch zwangsläufig Aufgabe des iudex, der hierüber zumindest in einem der beiden Fälle ohne besonderen Anhaltspunkt in der Formel befinden muss: Fordert das Mündel seine eigene Leistung zurück, muss er untersuchen, ob durch den Eid schon die Voraussetzungen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Schwur als Rechtseid die Verpflichtung schlechthin und damit auch die Naturalobligation ausschließt. Hat das Mündel dagegen einen bloßen Tatsacheneid über die Mitwirkung seines Vormunds geschworen, lässt dieser immer noch die Feststellung einer die Rückgewähr sperrenden Auszahlung des Darlehens zu. Nimmt der Darlehensgeber einen vom Mündel gestellten Bürgen in Anspruch, muss der Richter dieselbe Prüfung in anderem Rahmen vornehmen, nämlich um zu ermitteln, ob der Klage gegen den Bürgen die exceptio iurisiurandi entgegensteht. Dabei muss er die Bedeutung des Schwures klären, indem er die Frage beantwortet, ob wirklich der in der exceptio genannte Eid ,se dare non oportere‘ oder vielleicht doch nur der für die Bürgenpflicht irrelevante Tatsacheneid über die Mitwirkung des Vormunds vorliegt. Dass der Eid des Hauptschuldners, wenn er als Rechtseid dessen Verpflichtung erledigt, zur Einschaltung der exceptio iurisiurandi führt, ergeben auch §§ 1 und 3 des Pomponiusfragments, dessen principium das Julianzitat zum Schwur des Mündels enthält:

78 Sieht man auf die angehängte Verpflichtung des Bürgen, kann man auch mit Babusiaux (Fn. 75), S. 132 davon sprechen, dass der Eid hier in rem, also nicht auf die Person des Mündels beschränkt, wirkt.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando D 12.2.42.1,3 Pomp 18 epist Si fideiussor iuraverit se dare non oportere, exceptione iurisiurandi reus promittendi tutus est: atquin si, quasi omnino idem non fideiussisset, iuravit, non debet hoc iusiurandum reo promittendi prodesse. (3) Item si reus iuravit, fideiussor tutus sit, quia res iudicata secundum alterutrum eorum utrique proficeret. Hat der Bürge geschworen, er müsse nicht leisten, ist der Hauptschuldner durch die Einrede des Eides geschützt. Dagegen darf der Eid dem Hauptschuldner nicht nützen, wenn der Bürge geschworen hat, sich überhaupt nicht verbürgt zu haben. (3) Hat ferner der Hauptschuldner geschworen, soll der Bürge geschützt sein, weil ein Urteil, das für einen von beiden ergangen ist, dem anderen nützt.

Bei seiner Feststellung, der Bürge werde durch einen Eid des Hauptschuldners befreit, bedient sich Pomponius derselben Formulierung wie im umgekehrten Fall, in dem der Hauptschuldner durch einen Eid des Bürgen befreit wird (,tutus est/sit‘). Ist hier hinzugefügt, dass die exceptio iurisiurandi eingreift, muss dies auch dann gelten, wenn der Bürge sich auf den Eid des Hauptschuldners beruft. Pomponius leitet dieses Ergebnis aus der Klagenkonsumtion her, die von einem mit Freispruch beendeten Verfahren für eine Klage gegen den jeweils anderen Schuldner ausgeht. Bemerkenswert ist, dass die Wirkung eines Eides des Bürgen auf die Verpflichtung des Hauptschuldners und damit zumindest indirekt auch die umgekehrte Wirkung eines Eides des Hauptschuldners auf die Bürgenpflicht von Paulus anders, nämlich durch Vergleich zur Erfüllung, hergeleitet wird: D 12.2.28.1 Paul 18 ed Quod reus iuravit, etiam fideiussori proficit. a fideiussore exactum iusiurandum prodesse etiam reo Cassius et Iulianus aiunt: nam quia in locum solutionis succedit, hic quoque eodem loco habendum est: si modo ideo interpositum est iusiurandum, ut de ipso contractu et de re, non de persona iurantis ageretur. Der Eid des Hauptschuldners nutzt auch dem Bürgen. Cassius und Julian schreiben, auch ein dem Bürgen abgenommener Eid nütze dem Hauptschuldner; denn da er den Platz der Erfüllung einnimmt, ist er hier ebenso zu behandeln, falls der Eid so geleistet worden ist, dass man sich auf den Vertrag selbst und die Sache, nicht auf die Person des Schwörenden bezogen hat.

Anders als Pomponius, der dem Eid von Hauptschuldner oder Bürge jeweils schlicht die Gesamtwirkung attestiert, differenziert Paulus noch zwischen einem Eid de re, der auch der Verpflichtung des Hauptschuldners entgegensteht, und einem Schwur de persona, der nur die Verpflichtung des Schwörenden sperrt. Diese Unterscheidung entspricht der gleichnamigen Differenzierung bei einem pactum de non petendo, das lediglich den jeweiligen Anspruch gegen den Bürgen oder den Hauptschuldner oder beider Verpflichtung betreffen kann79. Bezogen auf den Eid, findet sich diese Unterscheidung auch bei Ulpian:

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Vgl. D 2.14.7.8 Ulp 4 ed, D 2.14.21.5 Paul 3 ed.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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D 44.5.1.3 Ulp 76 ed Si fideiussor iuravit, si quidem de sua persona tantum iuravit, quasi se non esse obligatum, nihil reo proderit: si vero in rem iuravit, dabitur exceptio reo quoque. Hat ein Bürge geschworen, nützt dies dem Hauptschuldner nicht, wenn er lediglich über seine Person geschworen hat, nämlich dass er nicht verpflichtet sei. Hat er dagegen über die Sache geschworen, wird auch dem Hauptschuldner eine Einrede gewährt.

Mit einem Eid de persona stellt der Bürge den Abschluss des Bürgschaftsvertrags, mit dem Eid de re die Existenz der Hauptschuld in Frage. In der Klage gegen den Bürgen wirkt sich dies aber nicht auf die Prüfungsreihenfolge des iudex aus. Zwar kann man den Eid über das fehlende Bürgschaftsversprechen dem praeiudicium zuordnen, in dem klargestellt wird, dass der Beklagte als Bürge in Anspruch genommen wird,80 und den Eid über die mangelnde Hauptschuld dem Merkmal des dare oportere in der intentio der eigentlichen Klageformel.81 Um den Eid nicht auf seine Richtigkeit zu überprüfen, muss sich der Richter jedoch vorrangig der exceptio iurisiurandi widmen, die dann sowohl eine Prüfung des praeiudicium als auch der intentio erübrigt. Erheblich ist die Unterscheidung zwischen einem Eid de re und einem solchen de persona nur im Prozess gegen den Hauptschuldner: Geht der Gläubiger nach dem Schwur des Bürgen nicht gegen diesen, sondern gegen den Hauptschuldner vor, muss die Reichweite des Eides bei der Entscheidung über die exceptio iurisiurandi geklärt werden. Hierfür schlägt Paulus in § 2 desselben Fragments die Ergänzung der Einrede um eine replicatio vor, mit der der Inhalt des Schwures konkretisiert wird: D 12.2.28.2 Paul 18 ed Si ei, qui debitorem meum in iudicium exhibere promisit, iusiurandum detulerim isque iuraverit se omnino exhibitionem eius non promisisse, prodesse debitori meo id non debet: si vero iuraverit se nihil mihi praestare oportere, distinguendum sit et replicatione emendandum, utrum ideo iuraverit an quia post promissionem exhibuerit an vero quia solverit: quod et in fideiussorem debiti distinguendum est. Habe ich demjenigen, der versprochen hat, meinen Schuldner vor Gericht vorzuführen, den Eid angetragen und hat er geschworen, dass er dessen Vorführung überhaupt nicht versprochen habe, darf dies meinem Schuldner nicht nützen. Hat er dagegen geschworen, dass er mir nicht leisten müsse, ist zu unterscheiden und mit Hilfe einer Replik klarzustellen, ob er deshalb geschworen hat, weil er [den Schuldner] nach dem Versprechen vorgeführt hat oder weil dieser geleistet hat. Dies ist auch bei einem Schuldbürgen zu unterscheiden.

Der Eid eines Bürgen soll nach Paulus ebenso zu behandeln sein wie der Schwur über die Verpflichtung aus einem Gestellungsversprechen: Hat der hieraus Belangte den Eid geleistet, das Versprechen überhaupt nicht abgegeben zu haben, kann dies dem Hauptschuldner in keiner Weise nützen. Anders verhält es sich bei dem Schwur, nicht zur Gestellung verpflichtet zu sein. Zwar bleibt der Schwur hier für den Hauptschuldner wiederum wirkungslos, wenn er aufgrund der Behauptung geleistet 80 81

Vgl. Gai 4.137. Dies schlägt Steiner (Fn. 75), S. 141 vor.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

worden ist, der Hauptschuldner sei schon vorgeführt; ist der Eid aber deshalb geschworen worden, weil der Hauptschuldner schon geleistet habe und deshalb gar kein vorzuführender Schuldner mehr sei, wirkt der Schwur auch zugunsten des Hauptschuldners. Zugrunde liegt die auch von Pomponius und Julian im Fall der Darlehensgewährung an ein Mündel erwogene Deutung eines formal als Rechtseid ausgewiesenen Schwures in einen Tatsacheneid, die Paulus aber nicht allein dem iudex überlassen, sondern mit Hilfe einer replicatio vorgeben will. Diese bewirkt, dass die Eideseinrede trotz Feststellung der antragsgemäßen Eidesleistung nicht eingreift, wenn der Eid des Gestellungsschuldners nur deshalb geleistet wurde, weil er die Vorführung des Hauptschuldners nicht versprochen oder bereits bewirkt habe. Übertragen auf den Bürgschaftsfall bedeutet dies, dass nach Paulus’ Ansicht bei einer Klage des Gläubigers gegen den Hauptschuldner der exceptio iurisiurandi eine replicatio über die eingeschränkte Bedeutung des Bürgeneides hinzugefügt wird: Der Hauptschuldner kann, wenn der Bürge den Eid ,se non dare oportere‘ geschworen hat, ohne Weiteres die Einschaltung der Eideseinrede begehren, der Gläubiger aber zugleich auf einer replicatio bestehen, wonach die Einrede nicht zum Zuge kommt, wenn der Bürge den Eid bloß deshalb geleistet hat, weil er sein Bürgschaftsversprechen in Abrede stellt. Anders als im Fall der Darlehensgewährung an ein Mündel kann der Prätor die Prüfung des quod actum hier nicht allein dem iudex überlassen. Denn dieser kann zwar verneinen, dass ein regelrechter Eid ,se non dare oportere‘ des Mündels vorliegt, wenn dieser nur die Mitwirkung des Vormunds bestritten und mit seinem Eid zwar eine gewöhnliche Verpflichtung, nicht aber eine auch die Bürgenpflicht begründende Naturalobligation ausgeschlossen hat. Dass der Eid des Bürgen ,se non dare oportere‘ geleistet worden ist, trifft jedoch unter allen Umständen zu, sei es, dass der Bürge die Existenz der Hauptschuld in Abrede stellt, sei es, dass er bloß den Abschluss des Bürgschaftsvertrags bestreitet und so die Hauptschuld unangetastet lässt. Verurteilte der Richter in diesem zweiten Fall den Hauptschuldner, hätte er die exceptio iurisiurandi missachtet, deren Voraussetzungen jedenfalls gegeben sind, weil der Bürge ja immer regelrecht ,se non dare oportere‘ geschworen hat. Ungeachtet dieser formeltechnischen Zwänge knüpft Paulus, wenn er die Wirkung eines vom Bürgen geleisteten Eides auf die Verpflichtung des Hauptschuldners in D 12.2.28.1 beschreibt, doch nicht an das Beispiel des Klageverbrauchs an. Stattdessen vergleicht er den Eid mit der solutio. Auf derselben Erwägung beruhen vermutlich auch seine in demselben Fragment überlieferten und nicht eigens begründeten Entscheidungen zur Gesamtwirkung eines Eides in dem Fall, dass er von einem Gesamtschuldner oder Gesamtgläubiger geschworen worden ist,82 denen gegenüber ja auch die Erfüllung durch einen der Beteiligten wirkt83 : 82

Dies nimmt zu Recht auch Steiner (Fn. 75), S. 62 an. Vgl. IJ 3.16.1. Zum Konzept von Gesamtobligation und Gesamtwirkung Harke, Die Wurzel der Gesamtobligation im römischen Recht, in: ders. (Hg.), Drittbeteiligung am Schuldverhältnis, Berlin/Heidelberg 2010, S. 1 ff. 83

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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D 12.2.28pr, 3 Paul 18 ed In duobus reis stipulandi ab altero delatum iusiurandum etiam alteri nocebit. (3) Ex duobus reis promittendi eiusdem pecuniae alter iuravit: alteri quoque prodesse debebit. Bei zwei Gesamtgläubigern schadet ein Eid, der von einem der beiden angetragen worden ist, auch dem anderen. (3) Schwört einer von zwei Gesamtschuldnern desselben Geldbetrags, muss dies auch dem anderen nützen.

Und der Vergleich mit der solutio trägt aller Wahrscheinlichkeit nach auch Paulus’ Entscheidung für die Drittwirkung eines Eides, den ein pater familias gegenüber dem angeblichen Gläubiger seines Sohnes leistet. Bestreitet der Vater mit seinem Schwur nicht die Werthaltigkeit des dem Sohn eingeräumten peculium, sondern bereits dessen Verpflichtung, steht dem Gläubiger die exceptio iurisiurandi auch dann entgegen, wenn er nicht den Vater, sondern den Sohn in Anspruch nimmt. Denn die Erfüllung durch den mit der adjektizischen Klage haftenden Vater würde auch dem Sohn zugutekommen:84 D 12.2.26.1 Paul 18 ed Si pater filium dare non oportere iuraverit, Cassius respondit et patri et filio dandam exceptionem iurisiurandi: si pater iuraverit in peculio nihil esse, filius conveniri poterit: sed et pater ita convenietur, ut post adquisiti peculii ratio habeatur. Hat ein Vater geschworen, dass sein Sohn nicht leisten müsse, ist, wie Cassius befunden hat, sowohl dem Vater als auch dem Sohn die Einrede des Eides zu gewähren. Hat der Vater geschworen, das Sondergut sei gegenstandslos, kann der Sohn belangt werden. Aber auch der Vater kann in der Weise belangt werden, dass nur das später erlangte Sondergut berücksichtigt wird.

Die solutio ist aber ein Umstand, der gerade ohne besonderen Anhaltspunkt in der Klageformel wirkt und der Berücksichtigung durch den iudex überlassen ist, indem 84

Unproblematisch ist die Drittwirkung eines Eides dagegen, wenn er von einem defensor oder procurator geschworen worden ist. Dem Geschäftsherrn kann hieraus sowohl bei einem negativen Schwur die exceptio iurisiurandi als auch die aus einem positiven Schwur folgende actio ex iureiurando erwachsen; vgl. D 12.2.9.6 Ulp 22 ed: Iusiurandum defensoris vel procuratoris ei ab adversario delatum prodesse exceptionemque domino parere Iulianus scribit. idem ergo dicendum erit et si datus ad petendum procurator reo deferente iuraverit dari mihi oportere: nam actionem mihi parit. quae sententia habet rationem. („Der Eid eines Verteidigers oder Vertreters, der diesem vom Gegner angetragen worden ist, nützt, wie Julian schreibt, auch dem Geschäftsherrn. Dasselbe muss folglich auch dann gelten, wenn ein Vertreter zur Klageerhebung bestellt ist und auf Antrag des Beklagten geschworen hat, dass mir geschuldet werde. Denn er erwirbt eine Klage für mich. Diese Ansicht ist richtig.“) Tritt der defensor für einen Bürgen auf, steht die für diesen erworbene exceptio auch dem Hauptschuldner zu Gebote; vgl. D 12.2.42.2 Pomp 18 ep: Sed et si actore deferente defensor absentis vel praesentis iuravit eum quem defendit dare non oportere, exceptio iurisiurandi ei cuius nomine iurandum fuerit dari debebit. eadem ratio est et si fideiussoris defensor iuraverit: reo enim detur exceptio. („Aber auch, wenn der Verteidiger eines Ab- oder Anwesenden auf Antrag des Klägers geschworen hat, dass derjenige, den er verteidigt, nicht zur Leistung verpflichtet sei, ist die Eideseinrede demjenigen zu gewähren, in dessen Namen geschworen worden ist. Dasselbe gilt auch, wenn der Verteidiger eines Bürgen den Eid geschworen hat; dem Hauptschuldner ist nämlich die Einrede zu gewähren.“)

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

er schlicht das dare oportere ausschließt. Dass Paulus auf diesen eher materiellrechtlichen Umstand rekurriert, Pomponius dagegen auf die prozessuale Einrichtung des Klageverbrauchs, erinnert an die zweifache Begründung, die die römischen Juristen für die inter-partes-Wirkung des Eides geben:85 Während Julian in D 12.2.12 den prozessrechtlich orientierten Vergleich zum geglückten Beweis im Prozess anstellt, wird in der aus Ulpian- und Paulusfragmenten hergestellten Katene D 12.2.9.7, 10 die beschränkte Wirkung des Eides aus dem Verbot von Verträgen zulasten Dritter hergeleitet. Beides sind Aspekte der antragsgemäßen Eidesleistung als einer Art Prozessvertrag; und aus dessen Doppelnatur ergibt sich nun auch der zweifache Begründungsansatz für die Drittwirkung im Fall von Bürgschaft und Gesamtverpflichtung: Während Rechtshängigkeit und Urteil das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien prozessual erledigen, wird es materiellrechtlich durch die solutio beendet. 6. Sonderfälle Aus dem Muster der üblichen Eidesthemen fällt außer dem Schwur über die mangelnde Eidesleistung durch den Gegner (D 12.2.2986) der Eid des Familienvaters heraus, der sich gegenüber dem Gläubiger seines Sohnes durch den Schwur verteidigt, dessen Sondergut sei aufgebraucht. Paulus spricht diesem Eid die Drittwirkung zugunsten des Sohnes ab und misst ihm den Effekt zu, die Haftung des Vaters auf das nach Eidesleistung erworbene Sondergut zu beschränken (D 12.2.26.187). Ansatzpunkt im Formular der actio de peculio ist die Beschränkung der Verurteilung: ,dumtaxat de peculio‘. Nicht ausgeschlossen, aber doch schwer vorstellbar ist, dass diese Klausel um einen Zusatz ergänzt wird, mit dem die Haftung in Abhängigkeit von der Eidesleistung noch weitergehend auf das künftige peculium eingeschränkt wird. Näher liegt anzunehmen, dass der Eid über den Fehlbestand im peculium ohne besondere Erwähnung in der Formel vom iudex bei Anwendung der unveränderten Verurteilungsformel berücksichtigt wird. Zur Einschaltung einer exceptio führt dagegen der Eid, nicht verurteilt worden zu sein: D 12.2.28.8 Paul 18 ed Igitur si quis iuravit se non esse condemnatum, etiamsi ex stipulatu iudicatum solvi ob rem iudicatam conveniatur, defendetur per exceptionem. contra si, cum ex stipulatu iudicatum solvi conveniretur, iuravit se dare non oportere, agenti iudicati non utique obstabit exceptio: potest enim fieri, ut non sit commissa stipulatio, licet res iudicata sit: nisi ideo iurasset, quod nec damnatum se esse diceret. Hat daher jemand geschworen, er sei nicht verurteilt worden, wird er durch die Einrede geschützt, auch wenn er aufgrund des Urteils aus der Stipulation über die Erfüllung der Urteilsschuld belangt wird. Dagegen steht dem Kläger, der aus dem Urteil klagt, keinesfalls 85 86 87

s. o. S. 69 f. s. o. S. 48. s. o. S. 87 f.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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die Einrede entgegen, wenn er, als er aus der Stipulation über die Erfüllung der Urteilsschuld belangt wurde, geschworen hat, dass er nicht leisten müsse. Es kann nämlich vorkommen, dass die Stipulation nicht verfallen ist, obwohl das Urteil ergangen ist – es sei denn, er hat deshalb geschworen, weil er behauptete, nicht verurteilt worden zu sein.

Wird die actio iudicati erhoben, kann der Beklagte seine Verurteilung bestreiten und folglich auch einen Eid ins Feld führen, mit dem er auf Antrag des Klägers geschworen hat, nicht verurteilt worden zu sein. Die entsprechende Einrede ist dem Klagegrund der actio iudicati angepasst, der nicht in der einfachen Verpflichtung des Schuldners, sondern im ,iudicatum dare oportere‘ liegt. Ein Eid, der dies leugnet, kann auch gegen eine Klage aus der stipulatio iudicatum solvi eingesetzt werden, weil diese eben auf Erfüllung der Schuld aus dem Urteil gerichtet und gegenstandslos ist, wenn keine Verurteilung stattgefunden hat. Dagegen begründet der zur Abwendung der Klage aus der Stipulation geleistete Eid ,se dare non oportere‘ grundsätzlich keine Einrede gegen die actio iudicati, gegen die sich der Schuldner ja nur mit der Behauptung verteidigen könnte, nicht verurteilt worden zu sein. Wie schon in den Fällen einer Bürgschaft oder der Darlehensgewährung an einen Minderjährigen gesehen,88 ist der Schwur: ,se dare non oportere‘, aber einer Deutung vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zugänglich, in deren Rahmen er geleistet worden ist. Hat der Schuldner in der Diskussion mit dem Gläubiger seine mangelnde Verpflichtung aus der fehlenden Verurteilung hergeleitet, lässt sich sein Eid auch im Sinne eines ,se condemnatum non esse‘ verstehen und zum Gegenstand einer gegen die actio iudicati zuständigen exceptio machen. Betreffen der Eid über das peculium oder der Schwur über die Verurteilung im Erkenntnisverfahren jeweils noch das Rechtsverhältnis, um das die Parteien streiten, berichtet Julian auch von einem Eid über einen Umstand, der gänzlich jenseits hiervon liegt: D 12.2.39 Iul 10 dig Si quis cum debitore suo pepigerit, ne ab eo pecunia peteretur, si iurasset se Capitolium non ascendisse vel aliud quodlibet fecisse vel non fecisse, isque iuraverit, et exceptio iurisiurandi dari debebit et solutum repeti poterit: est enim iusta conventio, si quaelibet causa in condicione iurisiurandi deducta fuerit. Hat jemand mit seinem Schuldner vereinbart, der geschuldete Betrag werde nicht gefordert, wenn er schwöre, das Kapitol nicht erstiegen oder irgendetwas anderes getan oder nicht getan zu haben, und leistet der Schuldner den Eid, ist ihm die Einrede wegen des Eides zu gewähren und, was geleistet worden ist, kann zurückgefordert werden. Es liegt nämlich stets eine gültige Vereinbarung vor, wenn irgendeine Sache zum Gegenstand eines Eids gemacht wird.

Dass dem Eid über einen beliebigen Umstand die Wirkung zukommt, eine Einrede des Schuldners gegen die Klage seines Gläubigers zu begründen, ist jedenfalls dann kaum einzusehen, wenn man dem Eid beweisersetzende Funktion zuschreibt; denn diese kann er ja nur dann haben, wenn das Eidesthema mit dem Klagegrund 88

s. o. S. 80 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

ganz oder teilweise identisch ist. Es liegt daher durchaus nicht fern, Julians Entscheidung mit Amirante so zu erklären, dass der Hochklassiker eine exceptio pacti conventi gewährt, deren Grundlage ein unter die Bedingung der Eidesleistung gestelltes pactum de non petendo ist. Der geleistete Eid wäre dann überhaupt kein solcher im Sinne des Edikts de iureiurando, vielmehr ein Eid kraft Vereinbarung (iusiurandum ex conventione), dessen Rechtsfolge von den Parteien durch pactum bestimmt ist.89 In der Tat spricht hierfür auch Julians Beschreibung der Vereinbarung, die auf ,ne pecunia peteretur‘ gerichtet ist, sowie zumindest auf den ersten Blick auch Julians Begründung, es liege eine iusta conventio vor. Die Einrede, deren Gewährung Julian befürwortet, ist jedoch eindeutig als exceptio iurisiurandi bezeichnet und nicht ohne die Unterstellung einer Verfälschung des julianischen Originals in eine exceptio pacti conventi umzumünzen. Geht man vom überlieferten Text und damit von der Entscheidung für die Eideseinrede aus, ist Julians Begründung auch keineswegs sinnlos: Statt auf ein pactum im Sinne der exceptio pacti bezieht sich der Begriff der iusta conventio auf den Eidesantrag, der nicht die Grenzen zulässiger Eidesthemen sprengt. Und auch bei der Formulierung der exceptio iurisiurandi stellen sich in diesem Fall keine Schwierigkeiten; denn in der schlichten Formulierung: ,si non Ns Ns Ao Ao deferente iuravit se Capitolium non ascendisse‘, ist durch den Verweis auf den Eidesantrag bereits der Verknüpfung von Eidesthema und Schuld gedacht: Stellt der iudex fest, dass der Beklagte zwar wie behauptet einen bestimmen Umstand beschworen hat, es aber an einer Übereinkunft fehlt, wonach aus diesem Grund die Verpflichtung erlassen sein soll, lässt sich nicht behaupten, dass der Beklagte auf Antrag des Klägers (,Ao Ao deferente‘) geschworen habe. In dem zweiten von Julian behandelten Fall, in dem der Schuldner schon gezahlt hat, obliegt die Rücksicht auf den Eid ohnehin allein dem iudex, der im Rahmen der zur Rückforderung angestellten condictio darüber befinden muss, ob die Verbindlichkeit, auf die die Leistung erfolgte, mit einer Einrede behaftet und der Gläubiger deshalb zur Rückerstattung der Leistung verpflichtet ist. Bezieht man Julians Entscheidung, dem Wortlaut von D 12.2.39 folgend, auf die exceptio iurisiurandi, kommt man auch nicht umhin, diese in einer Konstellation wiederzufinden, die sich noch weiter vom Regelfall entfernt. Hier wird der Streit nicht durch den Schwur einer der Parteien, sondern durch den Eid eines von ihnen ausgewählten Dritten entschieden: D 44.5.1.2 Ulp 76 ed Si petitor fundi iusiurandum detulerit adversario, ut, si auctor eius iurasset suum fundum se tradidisse, ab ea controversia discessurum se, exceptio possessori fundi dabitur. Hat derjenige, der ein Grundstück herausverlangt, seinem Gegner einen Eid in der Weise angetragen, dass er den Streit beende, wenn der Vordermann seines Gegners schwöre, dass er ihm sein Grundstück übergeben hätte, wird die Einrede dem Besitzer des Grundstücks gegeben.

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Vgl. Amirante, Giuramento, S. 205, Münks, Parteieid, S. 19 ff.

II. Eidesthemen und Eidessituationen

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Auch in diesem Fall, in dem der Vordermann des beklagten Besitzers den Eid geschworen hat, ihm das eigene Grundstück überlassen zu haben, ist man zunächst versucht, mit Amirante anzunehmen, es gehe nicht um den Eid nach dem Edikt de iureiurando. Stattdessen läge dann lediglich ein ex conventione geleisteter Eid vor, der seine Wirkung nicht als solcher, sondern durch eine exceptio pacti conventi entfalte.90 Die technische Wendung: ,iusiurandum deferre‘, derer sich Ulpian bedient, spricht jedoch mehr dafür, dass auch hier von einem Eid im Sinne des Edikts de iureiurando die Rede und dementsprechend auch die exceptio iurisiurandi einschlägig ist. Auch deren Gestaltung bereitet wiederum keine Schwierigkeiten, weil in der Formulierung: ,si non auctor Ni Ni Ao Ao deferente iuravit se suum fundum No No tradidisse‘, schon das Einverständnis des Klägers mit der streitentscheidenden Wirkung des Eides des Dritten enthalten ist: Nur wenn er sich bereiterklärt hat, vom Rechtsstreit abzulassen, falls der Vordermann des Beklagten den Schwur leistet, kann man sagen, dass dessen Eid auf Antrag des Klägers erfolgte. Die Vereinbarung der Parteien wirkt damit durch eine exceptio iurisiurandi. Legt die Sanktion eines Schwures, der von einem Dritten oder über einen beliebigen Umstand geleistet wird, einen vertraglichen Charakter der antragsgemäßen Eidesleistung nahe, lässt sich hieraus auch am einfachsten der Vorrang des jüngeren Schwures vor dem älteren erklären: D 12.2.28.10 Paul 18 ed Item cum ex hac parte iusiurandum et actionem et exceptionem inducat, si forte reus extra iudicium actore inferente iuraverit se dare non oportere et actor reo deferente dari sibi oportere, vel contra, posterior causa iurisiurandi potior habebitur: nec tamen praeiudicium periurio alterius fiet, quia non quaeretur, an dare eum oportet, sed an actor iuraverit. Da ferner der Eid nach diesem Teil [des Edikts] sowohl eine Klage als auch eine Einrede begründet, gilt, wenn etwa der Beklagte außergerichtlich auf Antrag des Klägers den Eid geschworen hat, dass er nicht leisten müsse, und der Kläger auf Antrag des Beklagten, dass er leisten müsse, oder umgekehrt, dass der spätere Eid als stärker angesehen wird. Doch ist damit noch keine Vorentscheidung darüber getroffen, ob der Beklagte einen Meineid geleistet hat; denn es wird nicht geprüft, ob er zu leisten verpflichtet ist, sondern nur, ob der Kläger geschworen hat.

Kommt es zu zwei einander widersprechenden Eiden, indem der angebliche Gläubiger das ,dare oportere‘, der vermeintliche Schuldner ,se dare non oportere‘ beschwört, zählt nach Ansicht von Paulus der Eid, der zuletzt geleistet wird. Leicht einzusehen ist dieses Ergebnis, wenn es der Eid des Gläubigers ist. Dann kann dieser nämlich ohne Weiteres die actio ex iureiurando erheben, ohne dass ihr eine exceptio iurisiurandi entgegensteht. Der vorangehende Schwur des Beklagten bezieht sich ja nur auf dessen mangelnde Verpflichtung aus dem ursprünglich behaupteten Rechtsverhältnis und nicht auf den Eid des Gläubigers, aus dem die schließlich erhobene Klage entspringt. Daher wird, wie Paulus ausdrücklich sagt, mit der

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Vgl. Amirante, Giuramento, S. 204; ähnlich schon Fierich, Eideszuschiebung, S. 96.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Prüfung der Verurteilungsvoraussetzungen auch keine Entscheidung darüber getroffen, ob der vorangehende Eid des Schuldners wahr oder ein Meineid ist. Schwieriger abzuleiten ist die Entscheidung des umgekehrten Falles, in dem zunächst der positive Eid des Gläubigers, dann der negative Eid des Schuldners geleistet worden ist. Eigentlich steht dieser der actio ex iureiurando abermals nicht entgegen; denn die Behauptung des Schuldners ,se dare non oportere‘ stellt nicht die Klagevoraussetzung in Frage, die nur darin liegt, dass der Gläubiger den Eid über ,dare oportere‘ geschworen hat. Soll gleichwohl auch hier gelten, dass die ,posterior causa iurisiurandi potior‘ ist, kann dies nur daran liegen, dass Paulus den ersten Eid durch den nachträglichen Schwur aufgehoben sieht; und dies ist wiederum vor allem dann denkbar, wenn man in dem zweiten Eid einen contrarius consensus erkennt, durch den der erste Eid seine Kraft verliert. In dem von Paulus angedeuteten Fall, dass der erste Eid außergerichtlich, der zweite in iure vorgenommen wird, führt dies zu einer denegatio actionis.91 Prozessual umsetzen lässt sich der Vorrang des späteren Schwures aber auch bei zwei außergerichtlichen Eidesleistungen. Weniger wahrscheinlich als die Einschaltung einer exceptio iurisiurandi ist hier, dass der iudex die Frage der Eidesleistung überprüft und, wenn er feststellt, dass der Schuldner als zweiter seine mangelnde Verpflichtung beschworen hat, die Klagevoraussetzungen verneint. Es trifft nämlich nicht mehr zu, dass der Gläubiger seinen zuerst geleisteten Eid ,No No deferente‘ geschworen hat, weil mit dem späteren Eid des Schuldners dessen Einverständnis mit der früheren Eidesleistung des Gläubigers weggefallen ist.

III. Schlussfolgerungen 1. Eidesantrag und Eidesleistung als Prozessvertrag Die Sonderfälle zweier widersprechender Eide oder des Schwures über einen nicht entscheidungserheblichen Umstand oder durch einen unbeteiligten Dritten sind gewissermaßen der Stein des Anstoßes für die Debatte über die Vertragsnatur des Eides. Während sein schiedsvertraglicher Charakter etwa für Demelius noch ganz außer Frage steht,92 wird er von Amirante später energisch in Abrede gestellt. Möglich ist dies freilich nur deshalb, weil Amirante die Sonderfälle des Eides über anspruchsfremde Umstände oder durch Dritte in die besondere Kategorie eines iusiurandum ex conventione delatum aussondert, das nicht dem Edikt de iureiurando 91 Dass der Hinweis auf die Umstände der ersten Eidesleistung (extra iudicium) interpoliert ist, nehmen ohne zureichende Begründung Demelius, Schiedseid, S. 139, Biondi, Giuramento, S. 85 und Amirante, Giuramento, S. 67 an. Paulus bedient sich lediglich eines Beispiels (forte) und will nicht sagen, dass der eine von den beiden Eiden außergerichtlich geschworen sein muss. 92 Demelius, Schiedseid, S. 26 f. Verteidigt wird Demelius’ Ansicht auf der Grundlage von D 12.2.42pr (s. o. S. 80 ff.) neuerdings auch von Babusiaux (Fn. 75), S. 132, die den Vergleich zur Streitbefestigung anstellt.

III. Schlussfolgerungen

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unterfallen soll.93 Der Name dieses Sammelbegriffs ist einer denkbar allgemeinen Aussage aus Paulus’ Ediktskommentar entnommen: D 12.2.17pr Paul 18 ed Iusiurandum, quod ex conventione extra iudicium defertur, referri non potest. Ein Eid, der aufgrund einer Vereinbarung außerhalb eines Rechtsstreits angetragen wird, kann nicht zurückgeschoben werden.

Der Text stammt aus der Kommentierung des Edikts de iureiurando; und hierauf lässt er sich bei unbefangenem Verständnis auch ohne Weiteres beziehen: Paulus stellt klar, dass die Zurückschiebung des Eides, wie sie beim Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur zulässig ist,94 beim Eid nach dem Edikt de iureiurando nicht in Betracht kommt, weil auf den Eidesantrag ja nicht geschworen zu werden braucht. Der Hinweis darauf, dass der Eidesantrag extra iudicium erfolgt,95 ist deshalb angebracht, weil ein Eidesantrag zumindest dann, wenn er vor dem Prätor bei einer Klage nach dem Edikt si certum petetur erfolgt, automatisch als Antrag auf einen Zwangseid gelten muss und daher auch das Recht des Beklagten zur Zurückschiebung des Eides auslöst. Kann man damit nicht ohne Annahme einer Textentstellung leugnen, dass sich Paulus’ Aussage auf einen Eid nach dem Edikt de iureiurando bezieht, ist er neben Julians Argumentation in D 12.2.3996 und Papinians Äußerung in D 46.3.95.497 schon der dritte Beleg dafür, dass die klassischen Juristen in der antragsgemäßen Eidesleistung eine conventio sehen. Hinzu kommen eine weitere allgemeine Aussage von Paulus sowie ein kurzer Auszug aus Gaius’ Kommentar zum Provinzialedikt, den die Kompilatoren an den Anfang des Digestentitels 12.2 gestellt haben: D 12.2.26.2 Paul 18 ed Iurisiurandi condicio ex numero esse potest videri novandi delegandive, quia proficiscitur ex conventione, quamvis habeat et instar iudicii. Die Eidesbefugnis kann zu Novation und Anweisung gerechnet werden, weil sie aus einer Vereinbarung hervorgeht, obwohl sie auch der Prozessbegründung gleichsteht. D 12.2.1 Gai 5 ed prov Maximum remedium expediendarum litium in usum venit iurisiurandi religio, qua vel ex pactione ipsorum litigatorum vel ex auctoritate iudicis deciduntur controversiae. Als das beste Mittel zur Auflösung von Streitigkeiten hat man sich die Ehrfurcht vor dem Eid dienstbar gemacht, durch die aufgrund einer Vereinbarung der Parteien oder kraft der Amtsgewalt des Richters Streitigkeiten entschieden werden. 93

Vgl. Amirante, Giuramento, S. 202 ff. Ebenso Kaser/Hackl, RZ, S. 267, Simon, Untersuchungen, S. 316, 340. 94 s. u. S. 120 f. 95 Diesen erklären Demelius, Schiedseid, S. 139 und Biondi, Giuramento, S. 85 für interpoliert. 96 s. o. S. 89 f. 97 s. o. S. 82 f.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Während Papinian in D 46.3.95.4 Eid und pactum als zwei Erscheinungsformen der conventio nennt, hält Gaius den Eid nach dem Edikt de iureiurando für eine Art pactio und stellt ihn ebenso wie Paulus in D 12.2.17pr dem Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur gegenüber.98 Diese terminologische Schwankung bietet keinen Anlass für Echtheitszweifel an der einen oder anderen Aussage,99 zumal die bekannte Definition von conventio als Oberbegriff für alle Vereinbarungen einschließlich der pacta und contractus erst auf Pedius zurückgeht.100 Sie hat sich also vielleicht schon bei Papinian, nicht aber unbedingt schon bei Gaius durchgesetzt. Sieht man daher von dem variierenden Gebrauch der Begriffe pactum oder pactio ab, bleibt als gemeinsamer Nenner der Aussagen von Paulus, Gaius und Papinian, dass die antragsgemäße Eidesleistung eine Vereinbarung darstellt, die ein pactum oder diesem doch zumindest ähnlich ist.101 Dass sie kein pactum im eigentlichen Sinne 98

s. u. S. 82 f. Diese finden sich naturgemäß bei Amirante, Giuramento, S. 36, 42, aber auch bei Biondi, Giuramento, S. 105. 100 Vgl. D 2.14.1.3 Ulp 4 ed. 101 Dies wird auch durch die in CJ 2.11.18 überlieferte Entscheidung der kaiserlichen Kanzlei von 260 nicht in Frage gestellt: Gordianus A. Antiocho. Non damnatos quidem dumtaxat iniuriae, sed pactos quoque perpetuum infamat edictum. verum pactos eos demum, qui ullos adversariis nummos pro mala conscientia ex transactione numerassent, in hac causa placuit intellegi. ceterum simplex eius rei gratia integram existimationem illibatamque conservat. quod si iureiurando decisa contentio est, nemo dubitaverit, quin religionem absolutio iudicantis sequatur. („Kaiser Gordian an Antiochus. Das ewige Edikt erklärt nicht nur diejenigen für ehrlos, die aufgrund der Injurienklage verurteilt worden sind, sondern auch diejenigen, die hierüber einen Pakt geschlossen haben. Unter denjenigen, die einen Pakt geschlossen haben, versteht man aber anerkanntermaßen nur diejenigen, die ihren Gegnern aus schlechtem Gewissen zum Vergleich einen Geldbetrag gezahlt haben. Dagegen lässt eine einfache Verzeihung die Ehre unberührt. Ist der Rechtsstreit aber durch einen Eid entschieden worden, hat dies den Freispruch durch den Richter zur Folge.“) Der Eid wird hier neben zwei Arten von pacta, dem einfachen und dem entgeltlichen Klageverzicht, genannt, ihnen aber nicht regelrecht gegenübergestellt. Der Wortlaut lässt sogar offen, ob der Eid nicht sogar selbst als eine dritte Art von pactum angesehen wird, die ebenso wie der einfache Klageverzicht von der auf entgeltliche Vergleiche beschränkten Infamiefolge der actio iniuriarum ausgenommen bleibt. – Gegen die Annahme einer Vertragsnatur des Eides spricht auch nicht die Darstellung Ulpians in D 2.14.7.16 Ulp 4 ed: Et generaliter quotiens pactum a iure communi remotum est, servari hoc non oportet: nec [legari, nec] iusiurandum [de] hoc adactum ne quis agat servandum Marcellus libro secundo digestorum scribit: et si stipulatio sit interposita de his, pro quibus pacisci non licet, servanda non est, sed omnimodo rescindenda. („Und ein Pakt darf generell nicht berücksichtigt werden, wenn es vom gemeinen Recht abweicht. Auch ein Eid, der dadurch erzwungen worden ist, dass jemand nicht Klage erhebt, ist, wie Marcell im zweiten Buch seiner Digesten schreibt, nicht zu berücksichtigen. Und eine Stipulation über einen Gegenstand, über den man keinen Pakt schließen darf, ist nicht zu berücksichtigen, sondern unbedingt zu bekämpfen.“) Der Bezug dieser Aussage ist nicht ganz klar. Seidl, Eid, S. 115 nimmt an, es gehe gar nicht um einen streitentscheidenden, sondern um einen promissorischen Eid, mit dem die Vertragserfüllung bekräftigt wird. Näher liegt freilich, ihn auf den Schwur nach dem Edikt de iureiurando zu beziehen. Dieser ist dem pactum jedoch wiederum nicht regelrecht gegenübergestellt. Seine gemeinsame Behandlung mit gewöhnlichen pacta bildet vielmehr ebenso wie ihre Zusammenstellung in der Kaiserentscheidung von 260 eher einen Beleg für die 99

III. Schlussfolgerungen

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sein kann, ergibt sich schon daraus, dass der Eid, wenn er vom Anspruchsteller geschworen wird, selbständig eine Klage hervorbringt. Der Gleichstellung oder Annäherung mit dem pactum entspricht es, wenn der Eid zugleich transactio genannt wird, die ja auch regelmäßig die Gestalt eines pactum annimmt. Eine solche Bezeichnung findet sich wiederum bei Paulus: D 12.2.2 Paul 18 ed Iusiurandum speciem transactionis continet maioremque habet auctoritatem quam res iudicata. Der Eid schließt eine Art von Vergleich ein und hat stärkere Wirkung als ein Urteil.

Und Pomponius folgert in einem bei Ulpian überlieferten Zitat aus dem Vergleichscharakter des Eides, dass er entgegen der Ansicht Labeos auch nicht indirekt im Wege einer actio de dolo auf seine Richtigkeit überprüft werden darf:102 D 4.3.21 Ulp 11 ed Quod si deferente me iuraveris et absolutus sis, postea periurium fuerit adprobatum, Labeo ait de dolo actionem in eum dandam: Pomponius autem per iusiurandum transactum videri, quam sententiam et Marcellus libro octavo digestorum probat: stari enim religioni debet. Hast du aber auf meinen Antrag geschworen und bist freigesprochen und ist später erwiesen worden, dass es ein Meineid war, ist, wie Labeo schreibt, die Arglistklage gegen ihn zu Gleichheits- oder Ähnlichkeitsbeziehung, die man in klassischer und frühnachklassischer Zeit ausgemacht hat. 102 Dagegen soll der Eid durchaus einer Wiedereinsetzung wegen Übervorteilung eines minor viginti quinque annis sowie der actio Pauliana zugänglich sein, um einer Benachteiligung von Gläubigern in dem Fall zu wehren, dass jemand durch Eidesantrag einen Anspruch aufgibt oder einem seiner Gläubiger einen Vorteil verschafft, indem er ihm den Eid über seinen Anspruch anträgt und so ein weiteres Klagerecht einräumt; vgl. D 12.2.9.4, 5 Ulp 22 ed: Si minor viginti quinque annis detulerit et hoc ipso captum se dicat, adversus exceptionem iurisiurandi replicari debebit, ut Pomponius ait. ego autem puto hanc replicationem non semper esse dandam, sed plerumque ipsum praetorem debere cognoscere, an captus sit, et sic in integrum restituere: nec enim utique qui minor est statim et circumscriptum se docuit. praeterea exceptio ista sive cognitio statutum tempus post annum vicensimum quintum non debet egredi. (5) Sed et si quis in fraudem creditorum iusiurandum detulerit debitori, adversus exceptionem iurisiurandi replicatio fraudis creditoribus debet dari. praeterea si fraudator detulerit iusiurandum creditori, ut iuret sibi decem dari oportere, mox bonis eius venditis experiri volet, aut denegari debet actio aut exceptio opponitur fraudatorum creditorum. („Hat jemand, der unter 25 Jahre alt war, den Eid angetragen und ist, wie er behauptet, auf diese Weise übervorteilt worden, kann er, wie Pomponius schreibt, auf die Eideseinrede replizieren. Ich aber glaube, dass diese Replik nicht stets zu gewähren ist, sondern der Prätor meist ermitteln muss, ob er übervorteilt worden ist, und nur unter dieser Voraussetzung in den vorigen Stand wieder einsetzen darf; denn wer minderjährig ist, hat so noch nicht automatisch dargetan, dass er übervorteilt worden ist. Außerdem dürfen diese Einrede oder Ermittlung sich nicht über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus erstrecken. (5) Hat aber jemand einem Schuldner zum Nachteil der eigenen Gläubiger den Eid angetragen, muss gegen die Eideseinrede die Replik der Gläubigerbenachteiligung gewährt werden. Außerdem ist, wenn der arglistige Schuldner einem Gläubiger den Eid anträgt, dass er schwören soll, dass ihm zehn zu leisten sind, und er später nach Veräußerung des Schuldnervermögens klagen will, entweder die Klage zu verweigern oder die Einrede der Gläubigerbenachteiligung entgegenzusetzen.“)

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando gewähren. Pomponius meint dagegen, durch den Eid scheine ein Vergleich abgeschlossen – eine Ansicht, die auch Marcell im achten Buch seiner Digesten vertritt. Denn die Ehrfurcht muss gewahrt bleiben.103

Streicht Ulpian statt der von Pomponius hervorgehobenen Vergleichsnatur die Achtung vor dem Eid als gleichsam öffentliches Gut heraus (,stari religioni debet‘),104 kann dies damit zusammenhängen, dass er den Eid nicht als regelrechte transactio ansieht. Andernorts stellt er transactio und iusiurandum nämlich nebeneinander:105 D 47.10.11.1 Ulp 57 ed Iniuriarum actio ex bono et aequo est et dissimulatione aboletur. … proinde et si pactum de iniuria intercessit et si transactum et si iusiurandum exactum erit, actio iniuriarum non tenebit. Die Injurienklage entspringt dem Gebot von Güte und Billigkeit und fällt durch Nichtbeachtung weg. … Deshalb bleibt die Klage nicht bestehen, wenn ein Pakt über die Beleidigung oder ein Vergleich abgeschlossen oder ein Eid abgenommen worden ist.

Dass der Eid hier neben pactum und transactio erscheint, obwohl diese regelmäßig durch jenes vorgenommen wird, zeigt jedoch hinlänglich, dass die Grenzen in diesem Bereich auch für Ulpian nicht scharf gezogen sind. Allen drei Texten, in denen die Verbindung zur transactio hergestellt wird, kann man damit wiederum als gemeinsame Aussage entnehmen, dass nach Ansicht der klassischen Juristen im antragsgemäßen Eid der Abschluss eines Vergleichs oder zumindest einer vergleichsartigen Vereinbarung liegt. Der Unterschied zur regelrechten transactio, deren Begriff auch kein klar fixierter Terminus ist, besteht erneut darin, dass der Eid eine Klage hervorbringen kann, während der Vergleich hierzu entweder der Stipulation oder des Zusammenhangs mit einem bonae fidei iudicium bedarf. Die von Gaius (D 12.2.1) bekannte Kontraposition des Eides nach dem Edikt de iureiurando und des Zwangseides findet sich auch in einer Konstitution Kaiser Caracallas: CJ 4.1.1 (a. 213) Antoninus A. Herculiano. Causa iureiurando ex consensu utriusque partis vel adversario inferente delato et praestito vel remisso decisa nec periurii praetextu retractari potest, nisi specialiter hoc lege excipiatur. 103

Dass Pomponius hier von der absolutio spricht, ist entgegen Biondi, Giruamento, S. 80 noch kein Zeichen dafür, dass der Eid hier erst vor dem iudex geschworen wurde; vgl. Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 25. 104 In dieselbe Richtung weist die von den Kompilatoren an den Text angehängte Begründung von Paulus; vgl. D 4.3.22 Paul 11 ed: Nam sufficit periurii poena. Mit der „Strafe des Meineids“, die Paulus für abschließend hält, ist nicht etwa eine weltliche Sanktion, sondern die göttliche Rache gemeint, die gerade die Überprüfung des Eides mit Hilfe der actio de dolo ausschließt. 105 Hierauf legt Amirante, Giuramento, S. 42 wert, der so aber nicht die von ihm für den Paulustext behauptete Interpolation (S. 38) belegen kann.

III. Schlussfolgerungen

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Kaiser Antoninus an Herculianus. Eine Sache, die durch Einigung der Parteien oder auf Zuschiebung des Gegners durch Leistung oder Erlass des Eides entschieden worden ist, kann auch mit der Behauptung des Meineides nicht wieder neu verhandelt werden, falls nicht ein Gesetz eine besondere Ausnahme macht.

Dass der Eid keine Überprüfung auf seine Richtigkeit zulässt, soll sowohl für den zugeschobenen Eid als auch für den Schwur ,ex consensu utriusque partis‘ gelten. Zwar kann man diese Aussage, isoliert betrachtet, durchaus im Sinne Amirantes verstehen, der hier den gewöhnlichen Eid einem besonderen Schwur kraft Vereinbarung gegenübergestellt sieht106. Deutet man das Reskript vor dem Hintergrund der zahlreichen Juristentexte, in denen dem Eid nach dem Edikt de iureiurando der Charakter einer conventio oder sogar eines pactum zugemessen wird, liegt aber ein anderes Verständnis weitaus näher: Während der Kaiser mit der zweiten Form des Eides, der vom Gegner zugeschoben wird, den Schwur nach dem Edikt si certum petetur meint, der in iure förmlich angetragen und auch spätestens apud iudicem erlassen wird,107 ist der ex consensu erwachsene Schwur der Eid nach dem Edikt de iureiurando, den die Juristen als ex conventione entstanden bezeichnen. Zu diesen direkten Belegen für die Annahme eines Vertragscharakters durch die klassische Jurisprudenz kommen noch mittelbare Zeugnisse wie die Ableitung der inter-partes-Wirkung des Eides aus der Relativität der Vertragsbindung (D 12.2.9.7, D 12.2.10108) sowie die Begründung der adjektizischen Haftung mit der Eidesklage: D 12.2.22 Paul 18 ed Quidam et de peculio actionem dandam in dominum, si actori detulerit servus iusiurandum. eadem de filio familias dicenda sunt. Manche nehmen an, es sei auch die Klage wegen des Sonderguts gegen den Eigentümer eines Sklaven zu gewähren, wenn dieser dem Kläger den Eid zuschiebt. Dasselbe ist von einem Haussohn zu sagen.

Während Paulus die Eidesklage als actio de peculio sowohl gegen den Gewalthaber eines Haussohnes als auch gegen den Eigentümer eines Sklaven eröffnet sieht,109 verneint Ulpian eine Haftung, wenn dem Gegner der Eid durch einen Sklaven angetragen worden ist, weil er hierin einen von der Verwaltungsbefugnis des

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Amirante, Giuramento, S. 206. s. u. S. 124 ff. 108 s. o. S. 69 f. 109 Dass der negative Eid des Haussohnes, mit dem dieser die eigene oder die adjektizische Verpflichtung seines Vaters leugnet, zu dessen Gunsten wirkt, versteht sich dagegen von selbst. Vgl. D 44.5.2pr Paul 71 ed: Si filio familias delatum sit iusiurandum et iuraverit patrem suum dare non oportere, danda est patri exceptio. („Ist einem Haussohn ein Eid angetragen worden und hat er geschworen, sein Vater sei zur Leistung nicht verpflichtet, ist dem Vater eine Einrede zu gewähren.“) Ferner D 44.1.24 Herm 4 epit: Filius familias exceptionem iurisiurandi patri quaerit, si eum dare non oportere iuraverit. („Ein Haussohn erwirbt für seinen Vater die Eideseinrede, wenn er geschworen hat, dieser sei nicht zur Leistung verpflichtet.“) 107

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Sklaven ausgenommenen Rechtsverzicht erkennt.110 Für den Haussohn bejaht er dagegen ebenfalls eine Verpflichtung des Gewalthabers111 und führt sie auf die Ähnlichkeit zu dem Fall zurück, dass der Sohn einen contractus eingegangen ist: D 15.1.5.2 Ulp 29 ed Si filius familias iusiurandum detulerit et iuratum sit, de peculio danda est actio, quasi contractum sit: sed in servo diversum est. Hat ein Haussohn den Eid angetragen und ist geschworen worden, ist die Klage wegen des Sonderguts zu gewähren, und zwar so, als ob ein Vertrag geschlossen worden wäre. Aber bei einem Sklaven ist dies anders.

Nicht zuletzt kann man auch den freien Umgang der Juristen mit dem Eidesthema am einfachsten mit der Annahme einer Vertragsnatur des Eides erklären: Nicht nur Julian und Pomponius halten es für möglich, den Eid eines vermeintlichen Schuldners, der auf ,se dare non oportere‘ gerichtet und damit seinem Wortlaut nach Rechtseid ist, in einen Schwur über einen bestimmten Umstand umzudeuten, auf den sich die dem Eidesantrag vorangehende Diskussion konzentrierte.112 Auch Paulus will bei einem Gestellungsversprechen und einer Bürgschaft den Eid ,se dare non oportere‘ in Abhängigkeit vom Kontext des Schwures entweder auf die Hauptschuld

110 Dementsprechend kann auch ein vom procurator zugeschobener Eid nur dann gegen den Geschäftsherrn wirken, wenn dieser von dem Mandat des Vertreters gedeckt ist. Als zum Eidesantrag befugt nennt Paulus außer dem Vertreter in eigener Sache (procurator in rem suam), der als Zessionar selbst über das Schicksal der Forderung entscheiden kann, noch den Vermögensverwalter (procurator omnium bonorum), sowie denjenigen Vertreter, der ausdrücklich zum Eidesantrag ermächtigt ist; vgl. D 12.2.17.3 Paul 18 ed: Procurator quoque quod detulit ratum habendum est, scilicet si aut universorum bonorum administrationem sustinet aut si id ipsum nominatim mandatum sit aut si in rem suam procurator sit. („Hat ein Vertreter den Eid angetragen, ist dies wirksam, und zwar, wenn ihm die Befugnis zur Verwaltung des gesamten Vermögens zusteht oder wenn er zum Eid ausdrücklich ermächtigt worden oder ein Vertreter in eigener Sache ist.“) Und Ulpian stellt heraus, dass der Auftrag, Klage zu erheben, nicht die Befugnis zum Eidesantrag einschließt; vgl. D 12.2.19 Ulp 26 ed: Si itaque mandatum fuit procuratori, ut petat, ille iusiurandum detulit, aliud fecit quam quod mandatum est. („Ist also ein Vertreter ermächtigt worden zu klagen, hat er aber den Eid angetragen, hat er etwas anderes gemacht, als was ihm aufgetragen war.“) Nach seiner Inskription stammt dieser Text zwar aus der Kommentierung des Edikts si certum petetur; da das vorangehende Fragment D 12.2.18 ebenfalls hieraus entnommen sein soll, liegt aber nahe, dass D 12.2.19 aus der Kommentierung des Edikts de iureiurando stammt; vgl. Lenel, Pal., Bd. 2, Sp. 547, Fn. 3. 111 Anders entscheidet später die diokletianische Kanzlei in einer Konstitution von 293; vgl. CJ 4.1.7: Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Eutychianae. Nec filius nec quisquam alius neque litigando neque paciscendo, sed nec iusiurandum citra voluntatem domini rei deferendo praeiudicium ei facere potest. unde si citra mandatum tuum aliquid erga rem tuam filius tuus gessit nec ratum habuisti, nihil tibi oberit. („Kaiser Diokletian und Maximian an Eutychiana. Weder ein Sohn noch irgendein anderer kann durch einen Rechtsstreit oder einen Pakt und auch nicht durch einen ohne Zustimmung seines Gewalthabers angetragenen Eid zu dessen Nachteil handeln. Daher schadet es dir nicht, wenn dein Sohn ohne deinen Auftrag in deinen Angelegenheiten gehandelt hat und du es nicht genehmigt hast.“) 112 D 12.2.42pr; s. o. S. 80 ff.

III. Schlussfolgerungen

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oder die eigene Verpflichtung des Bürgen oder Gestellungsschuldners beziehen.113 Diese Rücksicht auf den Diskussionszusammenhang, in dem der Eid steht, ist nichts anderes als eine Deutung nach dem jeweiligen quod actum, wie sie gerade bei Verträgen, und zwar bei pacta und contractus gleichermaßen, stattfindet. Und der hier erprobten Auslegung nach der typischen Absicht der Vertragsparteien entspricht die von Julian aufgestellte Regel, dass mit dem Eid wegen dessen streitentscheidender Wirkung im Zweifel die ganze Angelegenheit erledigt und nicht nur ein bestimmter Punkt in der Auseinandersetzung geklärt sein soll.114 Der Vertragsnatur des Eides tut es keinen Abbruch, wenn die klassischen Juristen zur Einordnung des Eides auch noch andere Institute heranziehen. Da ist zunächst die solutio, auf die Paulus in D 12.2.28.1 verweist, um die Drittwirkung eines Eides im Fall der Bürgschaft zu begründen.115 Isoliert findet sich dieser Vergleich auch in einem Auszug aus Gaius’ Kommentar zum Provinzialedikt: D 12.2.27 Gai 5 ed prov Iusiurandum etiam loco solutionis cedit. Der Eid nimmt auch den Platz der Erfüllung ein.

Und bezogen auf den von einem Sklaven gemachten Eidesantrag, hat der Ähnlichkeitsschluss aus der solutio Eingang in eine Katene gefunden, die die Kompilatoren mit Hilfe von Auszügen aus dem gaianischen und Paulus’ Ediktskommentar hergestellt haben. Danach soll die von Ulpian in D 15.1.5.2 in Abrede gestellte Gültigkeit eines Eides, den ein Schuldner auf Antrag des Sklaven seines Gläubigers leistet, aus der Einziehungsbefugnis des Sklaven folgen: Ist er für solutio und novatio einer zum peculium gehörenden Forderung zuständig, kann er auch durch seinen Eidesantrag dafür sorgen, dass sie durch eine exceptio iurisiurandi gesperrt wird: D 12.2.20 Paul 18 ed Servus quod detulit vel iuravit, servetur, si peculii administrationem habuit: … Ein Eid, den ein Sklave anträgt oder leistet, ist zu beachten, wenn er die Befugnis zur Verwaltung seines Sonderguts hat: … D 12.2.21 Gai 5 ed prov … huic enim solvi quoque recte potest et novandae obligationis ius habuit. … denn an ihn kann auch mit befreiender Wirkung geleistet werden, und er hat die Befugnis zur Novation einer Verbindlichkeit.

Dem Vergleich zur solutio entspricht die in D 12.2.40 überlieferte Bezugnahme Julians auf die acceptilatio116. Diese ist zumindest ihrer Form nach eine Quittung über die solutio und kommt dem Eid sogar in zweifacher Hinsicht noch näher: Zum 113 114 115 116

D 12.2.28.2; s. o. S. 85 f. D 12.2.40; s. o. S. 79 f. s. o. S. 84. s. o. S. 79 f.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

einen wird die Obligation sowohl bei der acceptilatio als auch beim Eid undurchsetzbar, ohne dass es zu einer Leistung kommt; zum anderen stellt der förmliche Erlass ebenfalls einen Vertrag dar, der sich von einem pactum de non petendo nur dadurch unterscheidet, dass er die Verpflichtung des Schuldners automatisch und nicht ope exceptionis zum Erlöschen bringt. Der Vergleich zur solutio und seine Verfeinerung durch den Vergleich zur acceptilatio fügen sich damit aber ohne Weiteres zu der Ähnlichkeitsbeziehung, die die römischen Juristen zum pactum und zur transactio herstellen. Weckt der Vergleich zur solutio auch keine Zweifel an der Vertragsnatur der antragsgemäßen Eidesleistung, gilt etwas anderes eher für die Stellen, in denen dem Eid eine Beweiswirkung attestiert wird. Hierzu gehört noch nicht die bei Paulus überlieferte Argumentation von Pedius, der dem Gläubiger einer der Litiskreszenz unterliegenden Forderung nach seinem Schwur nur eine Klage auf das Einfache zugestehen will, weil ihm schon durch die Befreiung von der necessitas probandi hinreichend gedient sei117. Auf eine Beweiswirkung des Eides lässt es aber schließen, wenn nach Ulpians Ansicht derjenige, der unter den Verdacht einer infamierenden Tat geraten ist, deshalb vom Stigma der ignominia ausgenommen sein soll, weil er sich durch seinen Eid ,se non delinquisse‘ gleichsam als unschuldig erwiesen habe: D 3.2.6.4a Ulp 6 ed Sed et si iureiurando delato iuraverit quis se non deliquisse, non erit notatus: nam quodammodo innocentiam suam iureiurando adprobavit. Aber auch derjenige, der, nachdem ihm der Eid angetragen wurde, geschworen hat, dass er kein Delikt begangen habe, ist nicht von Ehrlosigkeit betroffen. Denn er hat gewissermaßen durch den Eid seine Unschuld bewiesen.

Noch zugespitzter erscheint eine aus der Kommentierung des Edikts de iureiurando stammende allgemeine Aussage Ulpians: D 12.2.5.2 Ulp 22 ed Dato iureiurando non aliud quaeritur, quam an iuratum sit, remissa quaestione an debeatur, quasi satis probatum sit iureiurando. Nach Ableistung des Eides wird lediglich geprüft, ob er geschworen worden ist, und von der Prüfung der Frage abgesehen, ob geschuldet wird, so als ob dies durch den Eid hinreichend bewiesen sei.

Die Aussage, eine Behauptung gelte durch den Eid als bewiesen, muss freilich vor dem Hintergrund von Ulpians eigentlichem Thema gesehen werden, nämlich dass die beschworene Behauptung aus Achtung vor dem Schwur nicht auf ihre Richtigkeit und stattdessen nur geprüft wird, ob der Eid geleistet worden ist. Der Nachweis der beschworenen Tatsache steht also für den Prozessgewinn, auf den auch die Argumentation Julians in D 12.2.12 gerichtet ist, wo er die relative Wirkung des Eides

117

D 12.2.30pr; s. o. S. 77 f.

III. Schlussfolgerungen

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über das Eigentum dessen erfolgreichem Nachweis für ähnlich erklärt118. Der Vergleich mit dem geglückten Beweis ist also nur eine Variante des Vergleichs zum rechtskräftigen Urteil, dessen sich Pomponius in D 12.2.42.3119 und Ulpian in D 44.5.1pr120 bedienen. Auch die diokletianische Kanzlei setzt ihn ein, um die streitentscheidende Wirkung eines Eides darzutun: CJ 4.1.8 (a. 294) Diocletianus et Maximianus. AA. et CC. Alexandro. Actori delato vel relato iureiurando, si iuraverit vel ei remissum fuerit sacramentum, ad similitudinem iudicati in factum actio competit. Diokletian und Maximian an Alexander. Nachdem der Eid dem Kläger zu- oder zurückgeschoben worden und geschworen oder erlassen worden ist, steht eine Tatsachenklage ähnlich der Klage aus rechtskräftigem Urteil zu.

Eine weitere Variante derselben Argumentation ist der Ähnlichkeitsschluss aus der litis contestatio, der bei Ulpian in D 12.2.9.3121 begegnet und hier dazu dient, den Fortbestand der actio ex iureiurando trotz Verfristung des zugrunde liegenden Klagerechts darzutun. Die relative Bedeutung dieser Vergleiche erhellt, wenn man betrachtet, wie sie sich mit Ähnlichkeitsschlüssen aus dem Vertrag abwechseln: Während Julian die inter-partes-Wirkung des Eides aus dem Fall des geglückten Eigentumsbeweises im Prozess herleitet, ergibt sie sich für Paulus aus der Relativität der Vereinbarung122. Und während Pomponius die Drittwirkung der Eideseinrede für einen Bürgen aus der Drittwirkung des Klageverbrauchs herleitet, folgt sie für Paulus aus dem Effekt, den die Erfüllung auf die Hauptschuld hat123. Wie Biondi erkannt hat, widersprechen sich diese unterschiedlichen Vergleiche nicht,124 sondern entspringen der Doppelnatur des antragsgemäßen Eides: Er ist einerseits eine Vereinbarung, die pactum oder transactio entspricht, andererseits ein Mittel der Prozessgestaltung, indem er im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Pakt kein zusätzliches Rechtsverhältnis schafft, dessen Voraussetzungen im Prozess überprüft werden müssen, sondern den Rechtsstreit ganz oder in einzelnen Fragen abschneidet: Da der Richter nicht mehr überprüfen darf, was zum Gegenstand des Eides geworden ist, werden durch ihn die demonstratio oder intentio einer Klage ganz oder teilweise irrelevant. Der Eid kommt zwar wie pactum und transactio zustande und wirkt auch, für sich genommen, wie diese als ein gewissermaßen materiellrechtlicher Umstand, der im Prozess untersucht wird. Im Gegensatz zu pactum und transactio verschlingt er jedoch die von ihm 118

s. o. S. 69. s. o. S. 83 f. 120 s. o. S. 52. 121 s. o. S. 77 f. 122 D 12.2.10; s. o. S. 69 f. 123 D 12.2.28.2; s. o. S. 85 f. 124 Biondi, Giuramento, S. 53 f. sieht den Vergleich zum Vertrag auf die Phase vor Ableistung des Eides, die Ähnlichkeit zum Urteil auf den Eid selbst bezogen. 119

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

betroffenen anderen Fragen und steuert als Prozessvertrag nicht nur den Ausgang des Rechtsstreits, sondern auch das Prozessprogramm. Dieser doppelten Gestalt des Eides nähern sich die klassischen Juristen, indem sie sowohl den Vergleich zum Vertrag anstellen als auch die Ähnlichkeit zum Prozessgewinn herausstellen. In einem einzigen Text konzentriert finden wir den auf die Zwitternatur des Eides verweisenden Doppelvergleich bei Paulus. Dieser führt die Gültigkeit eines von einem Vormund oder Pfleger angetragenen Eides darauf zurück, dass beide auch wirksam eine Sache des Mündels oder Entmündigten veräußern, eine Leistung empfangen und mit Wirkung für diese einen Prozess führen können: D 12.2.17.2 Paul 18 ed Si tutor qui tutelam gerit aut curator furiosi prodigive iusiurandum detulerit, ratum id haberi debet: nam et alienare res et solvi eis potest et agendo rem in iudicium deducunt. Hat ein Vormund im Rahmen seiner Vormundschaft oder der Pfleger eines Geisteskranken oder eines Verschwenders einen Eid angetragen, ist dies als wirksam anzusehen. Denn sie können auch Sachen veräußern oder eine Leistung empfangen und einen Anspruch durch Klageerhebung rechtshängig machen.

2. Der Eid als nachträglich konzeptualisierte Rechtseinrichtung Begreifen die klassischen Juristen den Eid als Prozessvertrag, bedeutet dies freilich noch nicht, dass diese Vorstellung seit jeher mit dem Institut verbunden war. Der Rückgriff auf den denkbar allgemeinen Begriff der conventio und die vielfältigen Vergleiche zu pactum, solutio, probatio, litis contestatio und res iudicata zeigen vielmehr, dass die hoch- und spätklassischen Juristen für den Eid noch keinen festen Platz in ihrer Dogmatik gefunden haben und darum bemüht sind, seine Eigenart durch die Ähnlichkeitsbeziehungen zu beschreiben. Der Eid ist ihnen als Einrichtung des prätorischen Rechts vorgegeben und stellt sie vor die Aufgabe, ihn in eine Dogmatik einzupassen, die ohne Rücksicht auf ihn entstanden ist. Die Schwierigkeiten der klassischen Jurisprudenz verwundern nicht, bedenkt man das Alter des streitentscheidenden Eides, der später zum Vorbild für den Schwur nach dem Edikt de iureiurando geworden ist. Dass er schon zu Plautus’ Zeit und damit im Legisaktionenverfahren existierte, macht der folgende Abschnitt aus dem Prolog von Rudens (13 – 20) wahrscheinlich: Qui falsas litis falsis testimoniis petunt quique in iure abiurant pecuniam, eorum referimus nomina exscripta ad Iovem; cotidie ille scit quis hic quaerat malum:

Wer einen unberechtigten Anspruch mit falschem Zeugnis einklagt und wer vor dem Prätor den Kreditempfang durch Eid ableugnet, dessen Namen bringen wir schriftlich vor Zeus. Täglich erfährt er, wer hier nach Übel trachtet.

III. Schlussfolgerungen qui hic litem apisci postulant peiurio mali, res falsas qui impetrant apud iudicem, iterum ille eam rem iudicatam iudicat; maiore multa multat quam litem auferunt.

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Für die, die hier den Prozesssieg durch Meineid begehren, die Schlechten, die Falsches beim Richter erfolgreich vorbringen kehrt jener dieses Urteil wiederum um und erlegt eine Strafe auf, die größer ist als das, was ihnen der Prozess eingebracht hat.

Die Gegenüberstellung von ,falsis testemoniis petere‘ und ,in iure abiurare‘ findet ihre Entsprechung in der chiastischen Kombination von ,litem apisci peiurio postulare‘ und ,res falsas impetrare apud iudicem‘. Plautus unterscheidet demnach klar zwischen einem Meineid, der schon beim Prätor zum ungerechtfertigten Sieg des beklagten Darlehensschuldners führt, und einer auf falsche Tatsachenbehauptungen gestützten Klage, mit der ein Kläger beim iudex erfolgreich ist. Und dies zeigt wiederum, dass er, wie Amirante zu Recht annimmt, vom römischen Recht und Verfahren ausgeht und hier den streitentscheidenden Eid beschreibt.125 Ob er damit den Vorläufer des späteren Zwangseides nach dem Edikt si certum petetur oder den freiwillig übernommenen Eid nach dem Muster des Edikts de iureiurando meint, lässt sich freilich ebenso wenig entscheiden wie die Frage, welche dieser beiden Eidesarten älter ist.126 Beides kann jedoch auch dahinstehen. Um das relative Alter von Eid und Vertragsrecht einschätzen zu können, genügt schon die Feststellung, dass der streitentscheidende Eid, sei er nun freiwillig geleistet oder vom Prätor erzwungen, schon am Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. eine Einrichtung des römischen Zivilprozesses war. Er existierte damit bereits, als die Dogmatik des Vertragsrechts noch weitgehend unentwickelt und wahrscheinlich auch noch nicht die Figur des pactum etabliert war. Erst nachdem auf diesem Gebiet die entscheidenden Fortschritte gemacht worden sind, kann sich die klassische Jurisprudenz daran machen, den antragsgemäßen Eid, der mittlerweile im Edikt de iureiurando geregelt ist, dogmatisch zu erfassen. Einen kleinen Einblick in die Entwicklung der Diskussion bietet Ulpians Darstellung des Verhältnisses von iusiurandum und actio de dolo, die in D 4.3.21 überliefert ist127: Während der Frühklassiker Labeo noch erwägt, die Wirkungen des Eides durch das konkurrierende Institut der Arglistklage einzuschränken, folgert der Hochklassiker Pomponius aus Vertrags- und Vergleichsnatur der antragsgemäßen Eidesleistung, dass gegen sie die Arglistklage nicht erhoben werden kann.128 Dass die römischen Juristen den als Prozessinstitut vorgefundenen Eid als Vertrag oder mindestens vertragsähnliches Gebilde erfassen wollen und können, liegt wiederum an zwei vorgegebenen Eigenheiten des iusiurandum. Sie sind in den Quellen 125

Amirante, Giuramento, S. 172 ff., 193. Amirante, Giuramento, S. 199 hält den freiwilligen Eid für älter, weil durch diesen erst die Rechtsfolge festgelegt worden sei, mit der der Zwangseid sanktioniert wurde. 127 s. o. S. 95 f. 128 An diesen Streit erinnert wohl noch Justinian in CJ 4.1.13; s. u. S. 148 f. 126

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

nirgends aus dem Vertrags- oder Vergleichscharakter abgeleitet und müssen daher älter als die hierzu entwickelten Theorien der klassischen Juristen sein. Das eine Merkmal ist das Erfordernis einer Kongruenz von Eidesantrag und Eidesleistung, das andere die Möglichkeit zum Eideserlass: Dass der geleistete Eid, um wirken zu können, mit dem Antrag des Gegners übereinstimmen muss, beschreibt Ulpian in seiner Kommentierung des Edikts de iureiurando unmittelbar im Anschluss an die Darstellung seines Anwendungsbereichs (D 12.2.3.1-3): D 12.2.3.4, 5pr Ulp 22 ed Iurari autem oportet, ut delatum est iusiurandum: ceterum si ego detuli ut per deum iurares, tu per caput tuum iurasti … (5pr) non erit ratum habendum iusiurandum: quod si exegi, ut per salutem tuam iurares, et iurasti, stabitur. omne enim omnino licitum iusiurandum, per quod voluit quis sibi iurari, idoneum est et si ex eo fuerit iuratum, praetor id tuebitur. Geschworen werden muss aber, wie der Eid angetragen worden ist: Andernfalls, wenn ich dir angetragen habe, bei Gott zu schwören, du aber bei deinem Haupt geschworen hast, … (5pr) gilt der Eid nicht. Habe ich aber verlangt, dass du bei deinem Wohlergehen schwörst, und hast du geschworen, gilt der Eid. Denn jeder überhaupt erlaubte Eid, von dem jemand will, dass er ihm geleistet wird, ist tauglich; und wenn er daraufhin geschworen wird, schützt der Prätor ihn.

In seinem Sabinuskommentar schildert Ulpian, wie streng das Kongruenzerfordernis gehandhabt wird. An ihm scheitert sogar ein Eid, der statt bei Gott bei dem eigenen Wohlergehen des Schwörenden geleistet wird, obwohl dieser Eid, wie Ulpian sogar zugibt, eigentlich auch bei Gott geleistet wird, weil dieser ja das Schicksal des Einzelnen lenkt: D 12.2.33 Ulp 28 Sab Qui per salutem suam iurat, licet per deum iurare videtur (respectu enim divini numinis ita iurat), attamen, si non ita specialiter iusiurandum ei delatum est, iurasse non videtur: et ideo ex integro sollemniter iurandum est. Schwört jemand bei seinem Wohlergehen, gilt dies, obwohl er ersichtlich bei Gott schwört (weil er bei dem göttlichen Willen schwört), trotzdem nicht als Eid, es sei denn, der Eid ist ihm ausdrücklich so angetragen worden. Und daher muss von Neuem in der gewöhnlichen Weise geschworen werden.

Dagegen liegt ein wirksamer Eid vor, wenn nicht nur der Schwur, sondern schon der Antrag auf das Wohlergehen des Schwörenden gestellt ist. Da das Eidesmittel durch den Antrag individuell bestimmt werden kann, bedeutet dies, wie Ulpian ausdrücklich in seinem Ediktskommentar sagt, dass der Schwur in omne omnino licitum iusiurandum bestehen kann.129 Daher eignet sich als Anknüpfungspunkt des Eides sogar eine Überzeugung, die nach allgemeiner Ansicht Aberglaube ist: D 12.2.5.1 Ulp 22 ed Divus Pius iureiurando, quod propria superstitione iuratum est, standum rescripsit. 129

Dass der entsprechende Abschnitt interpoliert ist, glaubt Amirante, Giuramento, S. 158.

III. Schlussfolgerungen

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Der göttliche Kaiser Antoninus Pius hat befunden, dass auch ein Eid gilt, der auf den persönlichen Aberglauben geleistet wird.

Eine Grenze ist erst dort erreicht, wo der Glaube, auf den sich der Schwur richtet, öffentlich verboten ist. Aber selbst in diesem Fall ist die Unwirksamkeit des Eides nicht durchweg anerkannt, sondern entspricht lediglich einer Auffassung, die Ulpian eher (,magis‘) befürwortet: D 12.2.5.3 Ulp 22 ed Sed si quis illicitum iusiurandum detulerit, scilicet improbatae publice religionis, videamus an pro eo habeatur atque si iuratum non esset: quod magis existimo dicendum. Hat aber jemand einen unerlaubten Eid angetragen, nämlich auf einen öffentlich verbotenen Glauben, müssen wir zusehen, ob dies so zu behandeln ist, als sei gar nicht geschworen worden, was ich anzunehmen für richtiger halte.

Der Grund für die Wahlfreiheit ist derselbe, der auch den Eid durch einen Minderjährigen als gültig erscheinen lässt. Der Eid, der für diesen lediglich vorteilhaft ist und ihn auch nicht der Verfolgung wegen Meineides aussetzt, wirkt allein deshalb, weil der Gegner hiermit zufrieden (,contentus‘) ist:130 D 12.2.26pr Paul 18 ed Qui iurasse dicitur nihil refert cuius sexus aetatisve sit: omni enim modo custodiri debet iusiurandum adversus eum, qui contentus eo cum deferret fuit: quamvis pupillus non videatur peierare, quia sciens fallere non videatur. Wird behauptet, jemand habe geschworen, so kommt es nicht darauf an, welchen Geschlechts oder Alters er ist. Der Eid muss nämlich jedenfalls gegenüber demjenigen gelten, der sich mit ihm zufrieden gegeben hat, indem er ihn angetragen hat. Freilich kann ein

130 Dagegen bleibt ein Eid, den ein Mündel ohne Zustimmung seines Vormunds seinem Gegner anträgt, nach Ansicht von Ulpian wirkungslos; vgl. D 44.5.1.1 Ulp 76 ed: Si pupillus sine tutoris auctoritate detulerit iusiurandum, dicemus non obstare exceptionem istam [nisi tutore auctore in iudicio delatio facta sit]. („Hat ein Mündel einen Eid ohne Zustimmung seines Vormunds angetragen, steht ihm, wie wir sagen müssen, keine Einrede entgegen [es sei denn, die Zuschiebung ist mit Zustimmung des Vormunds vor Gericht geschehen].“) Nach Auffassung von Paulus ist ihm zumindest eine Replik zu gewähren; vgl. D 12.2.17.1 Paul 18 ed: Pupillus tutore auctore iusiurandum deferre debet: quod si sine tutore auctore detulerit, exceptio quidem obstabit, sed replicabitur, quia rerum administrandarum ius ei non competit. („Ein Mündel kann den Eid nur mit Zustimmung seines Vormunds antragen; hat es ihn ohne die Zustimmung seines Vormunds angetragen, steht ihm zwar die Einrede entgegen, er kann jedoch eine Replik entgegensetzen, weil er keine Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens hat.“) – Auch einen Erlass des Eides kann das Mündel nicht ohne Mitwirkung seines Vormunds vornehmen; vgl. D 12.2.32 Mod 1 diff: Iurisiurandi gratiam facere pupillus non potest. („Den Verzicht auf einen Eid kann das Mündel nicht erklären.“) – Dass ein Mündel erst recht nicht seinem Vormund einen diesen von der actio tutelae befreienden Eid zuschieben kann, stellt die kaiserliche Kanzlei in einer Entscheidung von 290 fest; vgl. CJ 4.1.4: Diocletianus et Maximianus AA. Maximae. Si ad excludendam tutelae actionem pupillus iusiurandum tutori dedit, postea eandem litem exercere non prohibetur. („Diokletian und Maximian an Maxima. Hat ein Mündel seinem Vormund einen Eid angetragen, mit dem die Vormundschaftsklage ausgeschlossen wird, hindert dies es später nicht, diese Klage zu erheben.“)

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Mündel keinen Meineid schwören, weil man von ihm nicht annehmen kann, dass es vorsätzlich täuscht.

Eine noch stärkere Subjektivierung erfährt das Institut des iusiurandum durch die Möglichkeit, auf den Schwur zu verzichten: Die Wirkung des Eides tritt außer im Fall seines Schwures auch dann ein, wenn er von demjenigen, der ihn schwören soll, lediglich auf sich genommen, vom Eidesgegner dann aber erlassen wird. Hierfür genügt noch nicht, dass der Eid zunächst ausbleibt und vom Eidesgegner später nicht mehr verlangt wird. Stattdessen muss sich derjenige, der den Eid leisten soll, zumindest zum Schwur bereit (,paratus‘) erklären:131 D 12.2.6 Paul 19 ed132 Remittit iusiurandum, qui deferente se cum paratus esset adversarius iurare gratiam ei facit contentus voluntate suscepti iurisiurandi. quod si non suscepit iusiurandum, licet postea parato iurare actor nolit deferre, non videbitur remissum: nam quod susceptum est remitti debet. Den Eid erlässt, wer den Gegner, als dieser auf den Antrag zum Schwur bereit war, hiervon entbindet, weil er sich mit dem Willen zufriedengibt, den Eid auf sich zu nehmen. Hat er den Eid dagegen nicht auf sich genommen, gilt er auch dann nicht als erlassen, wenn er später bereit zum Schwur ist, der Kläger ihn aber nicht mehr antragen will. Denn erlassen werden kann nur, was man auf sich genommen hat.

Dass bei erklärter Bereitschaft zum antragsgemäßen Eid133 dessen Erlass die Eidesleistung ersetzt, muss den Vertrags- und Vergleichscharakter geradezu aufdrängen: Treten die Eideswirkungen auch ohne den Schwur ein, erhellt dies, dass der Eid, für sich genommen, völlig bedeutungslos ist. Er kann nicht nur an einem beliebigen Eidesmittel erfolgen, sondern auch völlig unterbleiben. Seine Kraft erhält er allein dadurch, dass eine Seite den Eid anträgt und die andere dieses Angebot annimmt, sei es, dass sie den Eid leistet, sei es, dass sie sich hierzu lediglich bereiterklärt. Was zählt, ist also die Übereinstimmung der Parteien, dass die Sache durch Eid entschieden werden soll. Vor dem Hintergrund ihrer ausgebildeten Dogmatik des Vertragsrechts kann sich die klassische Jurisprudenz also der Folgerung kaum verschließen, Eidesantrag und -leistung bildeten einen Vertrag oder zumindest ein vertragsähnliches Gebilde.

131 Dagegen braucht der Erlass dem anderen nicht bekannt gegeben werden, um zu wirken; vgl. D 12.2.41 Pomp sing reg: Labeo etiam absenti et ignoranti iurisiurandi gratiam fieri posse respondit: sed et per epistulam gratia iurisiurandi fieri potest. („Labeo hat befunden, der Erlass eines Eides könne auch zugunsten desjenigen geschehen, der abwesend ist und hiervon gar nichts weiß. Aber auch durch Brief kann der Erlass eines Eides geschehen.“) 132 Das Fragment stammt wohl eher aus dem 18. Buch des Kommentars, in dem Paulus das Edikt de iureiurando behandelt; vgl. Lenel, Pal., Bd. 1, Sp. 995 Fn. 1 (Paulus 275). 133 Sie setzt auch Ulpian in D 12.2.9.1 ausdrücklich voraus; s. o. S. 47.

III. Schlussfolgerungen

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Dagegen spricht auch nicht, dass der isolierte Eidesantrag, wie Ulpian ausdrücklich feststellt, wirkungslos bleibt und sogar seine Wirkung verliert, wenn im Anschluss an den Antrag des Eides weder dessen Leistung noch ein Erlass folgen:134 D 12.2.5.4 Ulp 22 ed Si neque iuratum est neque remissum iusiurandum, pro eo debet haberi, atque si res in iusiurandum admissa non esset. proinde si postea iurare paratus sit, nihil ei hoc iusiurandum proficiet, quia ex eo quod delatum est iuratum non est. Ist der Eid weder geleistet noch erlassen worden, muss es so behandelt werden, als sei die Sache nicht zum Eid zugelassen worden. Daher nützt jemandem der Eid nicht, wenn er erst nachträglich zum Schwur bereit ist, weil nicht auf den Antrag hin geschworen worden ist.

Dass die Einigkeit über den Eid nicht für sich wirken kann, sondern von seiner Eidesleistung oder seinem Erlass begleitet sein muss, unterscheidet das iusiurandum nicht vom Realvertrag, bei dem zur Erzielung einer Rechtswirkung eine Sachhingabe erfolgen muss. Erkennen die klassischen Juristen beim Realvertrag eine conventio der Parteien am Werke,135 können sie kaum umhin kommen, eine solche auch beim Eid auszumachen, der zwar geleistet oder erlassen werden muss, aber eben auch nicht gelten kann, ohne dass die Parteien ihre Einigkeit demonstriert haben. 3. Die Rolle des Richters Bei der Untersuchung der einzelnen Eidesarten, von denen die Quellen berichten, sind wir auf eine Vielzahl von Fällen gestoßen, in denen der Eid nur durch den iudex berücksichtigt werden kann und nicht kraft einer exceptio136 wirkt: Dies versteht sich von selbst bei einem anspruchsverneinenden Schwur über eine Verpflichtung im bonae fidei iudicium, bei dem die Einschaltung der exceptio iurisiurandi entbehrlich ist. Es gilt aber auch für den Schwur über den Abschluss eines Vertrags nach guter Treue137 sowie bei der actio rei uxoriae138, ferner bei verschiedenen Erscheinungsformen der condictio: Der positive Schwur, mit dem das Opfer eines Diebstahls die

134 Dies heben Demelius, Schiedseid, S. 27, Fierich, Eideszuschiebung, S. 95 und natürlich Amirante, Giuramento, S. 39 hervor, der sich dagegen wehrt, in der Übernahme eines Eides eine conventio zu sehen (S. 203). 135 Vgl. D 2.14.1.3 Ulp 4 ed: … adeo autem conventionis nomen generale est, ut eleganter dicat Pedius nullum esse contractum, nullam obligationem, quae non habeat in se conventionem, sive re sive verbis fiat: nam et stipulatio, quae verbis fit, nisi habeat consensum, nulla est. („Der Begriff der Konvention ist so allgemein, dass Pedius treffend sagt, es gebe keinen Vertrag und kein Schuldverhältnis, die nicht eine Konvention in sich bergen, seien sie durch Sachhingabe oder durch mündliche Formel entstanden. Denn auch die Stipulation, die durch mündliche Formel zustande kommt, ist nichtig, wenn sie nicht vom Konsens getragen ist.“) 136 Diese hält Amirante, Giuramento, S.121 für die durchgehende Konsequenz zumindest des Eides mit negativem Thema. 137 D 12.2.13.3, 4; s. o. S. 54. 138 D 12.2.30.2, D 12.2.13.5; s. o. S. 56 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Tat beschwört, kann in der Formel der Klage keine Berücksichtigung finden139 und der negative des Täters nur dann eine exceptio iurisiurandi zeitigen, wenn die Klage allein aufgrund des Diebstahls erhoben werden kann.140 Auch wenn jemand nach dem Eid über seine fehlende Verpflichtung die Rückgewähr einer schon erbrachten Leistung verlangt, wirkt der Eid allein kraft der Entscheidung des iudex, dass kein Rechtsgrund und dementsprechend ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung vorliegt.141 Kann die beschworene Verpflichtung nur kraft einer Verewigung des Schuldverhältnisses fortbestehen, muss der positive Eid über den Bestand der Verpflichtung, statt eine actio ex iureiurando auszulösen, vom Richter im Rahmen der ursprünglichen Klage beachtet werden, weil nur sie die Prüfung ermöglicht, ob der Leistungsgegenstand ursprünglich wegen Diebstahls geschuldet oder der Schuldner in Verzug geraten ist.142 Der Eid wird zudem bei der Klage auf Rückgabe einer verpfändeten Sache als erfüllungsgleicher Umstand ohne Veränderung der Klageformel vom Richter berücksichtigt.143 Dasselbe gilt für den Schwur eines mit der actio de peculio belangten Hausvaters, der vorbringt, das seinem Sohn eingeräumte Sondergut sei aufgebraucht.144 Dass die Rücksicht auf den Eid dem Richter obliegt, stellt Julian schließlich ausdrücklich für den Fall fest, dass jemand mit der condictio den Erben eines angeblichen Diebes in Anspruch nimmt, der die Tatbegehung zu Lebzeiten noch durch Eid geleugnet hat.145 In allen Konstellationen, in denen der Eid kraft des officium iudicis wirkt, muss er auch dann Berücksichtigung finden, wenn er erst vor dem Richter oder zumindest in der Zeit abgelegt wird, in der die richterliche Verhandlung noch andauert. Einziger Hinderungsgrund für die Geltung des Eides könnte hier die Ansicht der Prokulianer sein, die den Beklagten im Rahmen eines strengrechtlichen iudicium stets verurteilt wissen wollen, wenn die Urteilsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Streitbefestigung gegeben waren: Gai 4.114 Superest, ut dispiciamus, si ante rem iudicatam is, cum quo agitur, post acceptum iudicium satisfaciat actori, quid officio iudicis conueniat, utrum absoluere an ideo potius damnare, quia iudicii accipiendi tempore in ea causa fuerit, ut damnari debeat. nostri praeceptores absoluere eum debere existimant; nec interesse, cuius generis sit iudicium. et hoc est, quod uolgo dicitur Sabino et Cassio placere omnia iudicia absolutoria esse. Diversae scholae auctoribus de strictis iudiciis contra placuit; de bonae fidei autem iudiciis idem sentiunt, quia in eiusmodi iudiciis liberum est officium iudicis. tantumdem et de in rem actionibus putant … 139 140 141 142 143 144 145

D 12.2.28.9; s. o. S. 59. D 12.2.13.2; s. o. S. 62 f. D 12.2.40, s. o. S. 79 f.; D 12.2.42pr, s. o. S. 80 ff. D 12.2.30.1; s. o. S. 76. D 12.2.40; s. o. S. 79 f. D 12.2.26.1; s. o. S. 87 f. D 12.2.13.2; s. o. S. 62 f.

III. Schlussfolgerungen

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Es bleibt zu untersuchen, was Aufgabe des Richters ist, wenn der Beklagte den Kläger vor dem Urteil, aber nach der Einlassung auf den Prozess befriedigt, ob er ihn freisprechen oder doch eher deshalb verurteilen soll, weil er sich bei Einlassung auf den Prozess in einer solchen Lage befand, dass er verurteilt werden musste. Unsere Lehrer glauben, er müsse freigesprochen werden; und es komme nicht darauf an, welcher Art der Prozess sei. Und das meint man, wenn man gewöhnlich sagt, Sabinus und Cassius zufolge könne in jedem Prozess freigesprochen werden. Die Vertreter der anderen Schule sind für strengrechtliche Verfahren anderer Ansicht; für Verfahren nach guter Treue glauben sie aber dasselbe, weil das Ermessen des Richters bei diesen Verfahren frei ist. Dasselbe nehmen sie auch für dingliche Klagen an …

Diese auf eine nachträgliche solutio bezogene Ansicht der Prokulianer146 lässt sich entgegen Amirante147 nicht auf den streitentscheidenden Eid übertragen. Denn hier wird der Rechtszustand, wie er im Zeitpunkt der Streitbefestigung wirklich bestand, gerade nicht vom Richter untersucht. Ja es wird sogar unterstellt, dass der Eid der Wahrheit entspricht. Demnach hat sich der Beklagte, der seine fehlende Verpflichtung oder zumindest einen Umstand beschworen hat, der sie ausschließt, rückwirkend betrachtet zu keinem Moment in einer Situation befunden, in der er hätte verurteilt werden müssen. Aus diesem Grund könnte sich ein Richter also auch gar nicht über einen nachträglich geleisteten Eid hinwegsetzen; vielmehr muss er die Klage abweisen, wenn ihr hierdurch ihre Grundlage entzogen wird. Die Entscheidungsbefugnis des iudex kann allenfalls dadurch begrenzt sein, dass der Prätor, weil der Eid noch nicht bis zum Abschluss der Verhandlung in iure geschworen worden ist, keine exceptio iurisiurandi in die Klageformel eingefügt hat. Zwar ist diese bei den bonae fidei iudicia von vornherein und auch in anderen Fällen entbehrlich, in denen sich der Eid nicht auf die Verpflichtung selbst, sondern auf eine Vorfrage richtet, die der iudex bei der Feststellung von dare oportere zu beantworten hat. Der Rücksicht auf einen vor dem Richter geleisteten Rechtseid ,dare non oportere‘ könnte aber zumindest bei den strengrechtlichen Klage die naheliegende Erwägung entgegenstehen, ein einredebegründender Umstand könne nicht ohne Einschaltung einer entsprechenden exceptio durch den Prätor wirken.148 Zumindest für eine exceptio doli, die aus einem Verstoß gegen einen von den Parteien geschlossenen Vergleich entspringt, wird dies aber durch den folgenden Auszug aus Ulpians Sabinuskommentar widerlegt: D 12.6.23.3 Ulp 43 Sab Si quis post transactionem nihilo minus condemnatus fuerit, dolo quidem id fit, sed tamen sententia valet. potuit autem quis, si quidem ante litem contestatam transegerit, volenti litem contestari opponere doli exceptionem: sed si post litem contestatam transactum est, nihilo minus poterit exceptione doli uti post secuti: dolo enim facit, qui contra transactionem expertus amplius petit. … 146 Dass sie der Gegenauffassung der Sabinianer unterlegen ist, zeigt Kaser, Restituere als Prozessgegenstand, 2. Aufl., München 1968, S. 108 ff. 147 Iusiurandum in iudicio, S. 29. 148 So Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 38 f., Kaser/Hackl, RZ, S. 298 m. Fn. 20.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Ist jemand nach Abschluss eines Vergleichs nichtsdestoweniger verurteilt worden, ist dies zwar durch Arglist geschehen, aber das Urteil gilt gleichwohl. Wer sich vor der Streitbefestigung verglichen hatte, konnte aber dem Gegner, der den Rechtsstreit befestigen wollte, die Arglisteinrede entgegensetzen. Hat man sich aber nach der Streitbefestigung verglichen, kann man sich nichtsdestoweniger der Einrede, und zwar wegen nachträglicher Arglist, bedienen. Denn arglistig handelt, wer einem Vergleich zuwider klagt und zu viel verlangt. …

Für Ulpian führt auch ein nach litis contestatio abgeschlossener Vergleich dazu, dass der Beklagte vom Richter freizusprechen ist; denn der Kläger handele arglistig, indem er sein Verurteilungsbegehren aufrechterhält. Die exceptio doli wirkt also wie die solutio in der sabinianischen Lehre und damit gewissermaßen als Einrichtung des materiellen Rechts, die vom iudex auch ohne Vorgabe des Prätors zu beachten ist. Nichts anderes kann für den Eid gelten: Wird dieser erst in oder während der Verhandlung apud iudicem geschworen, muss der Richter, obwohl der Prätor keine exceptio iurisiurandi bereitgestellt hat, nichtsdestoweniger so verfahren, als sei diese Einrede in die Klageformel eingeschaltet worden, und den Beklagten freisprechen. Selbst wenn man die überlieferte Aussage des Ulpiantextes statt auf das Erkenntnisverfahren auf die actio iudicati bezieht, oder sie der Veränderung einer ursprünglich auf die restitutio in integrum gemünzten Darstellung zuschreibt,149 begründet dies keinen Zweifel daran, dass einem nach litis contestatio geleisteten Eid auch bei strengrechtlichen Klagen verurteilungshindernde Wirkung zukommen muss. Von einem nachträglich begründeten Arglistvorwurf unterscheidet den Eid nämlich, dass er auch ohne Einschaltung einer exceptio über einen Anknüpfungspunkt in der Klageformel verfügt: Indem der iudex ohnehin prüfen muss, ob den Schuldner ein dare oportere trifft, kann und muss er auf einen Eid Rücksicht nehmen, der eben diese Verurteilungsvoraussetzung leugnet. Da der Eid außer Zweifel stellt, dass der Beklagte eben nicht schuldet, verstieße seine Verurteilung unmittelbar gegen die Klageformel, und dies auch dann, wenn man entsprechend der prokulianischen Auffassung zur solutio allein für maßgeblich hält, ob der Beklagte im Moment der Streitbefestigung schuldete. Gibt es damit, wie Biondi zu Recht meint, kein plausibles Argument gegen die Wirksamkeit eines nach Streitbefestigung geleisteten Eides,150 bleibt aber doch die Frage, weshalb in den Quellen zum Edikt de iureiurando von einem apud iudicem geleisteten Eid keine Rede ist.151 Die Antwort ist ganz einfach. Sie lautet: Weil dieser Fall der Eidesleistung von den meisten Aussagen der römischen Juristen ohnehin abgedeckt ist. Indem sie die Umstände, unter denen der Eidesantrag und der Schwur stattfinden, regelmäßig völlig unbestimmt lassen, erstrecken sie ihre Aussagen nicht nur gleichermaßen auf den vorgerichtlich und in iure erfolgten Eid;152 sie erfassen 149

Dies erwägt Brutti, La problematica del dolo processuale nell’ esperienza Romana, Bd. 2, Mailand 1973, S. 740. 150 Biondi, Giuramento, S. 78. 151 Wie Simon, Untersuchungen, S. 319 bemerkt, ist es unwahrscheinlich, dass der Eid, wenn er in iure gängig ist, nicht auch apud iudicem vorkommt. 152 Dies glaubt auch Amirante, Giuramento, S. 164 ff.

III. Schlussfolgerungen

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auch Konstellationen, in denen der Schwur erst in oder während der Verhandlung vor dem iudex geleistet wird. Zwar weist der Wortlaut eines Textes bisweilen auf eine denegatio actionis hin153 oder die Entscheidung für eine exceptio iurisiurandi erlaubt die Folgerung, dass ein Vorprozess ohne Urteil ausgegangen sein muss, die Klage also aufgrund eines vor dem Prätor geleisteten oder zumindest unstreitig erfolgten früheren Eides verweigert worden sein muss.154 Dagegen lassen sich alle Aussagen, die sich auf die Bereitstellung einer exceptio durch den Prätor beziehen, ohne Weiteres als Darstellung eines typischen Falles verstehen, der dem überkommenen Muster des Formularprozesses entspricht, dessen Lösung sich aber auf eine Entscheidung durch den iudex übertragen lässt.155 Dass ein nach der Streitbefestigung erfolgter Eid dieselbe Wirkung wie ein vorher getätigter Schwur hat, wird also gerade durch die Lücken bewiesen, die die Quellen bei der Schilderung der Eidesumstände lassen. Und diese Lücken können nicht die Folge ihrer nachträglichen Bearbeitung sein: Zwar wäre denkbar, dass die Hinweise auf eine Eidesleistung vor dem Prätor nach Abschaffung des Formularprozesses unterdrückt worden sind. Dann wäre dies aber durch eine schematische Ersetzung geschehen und wir würden an ihrer Stelle nun die Aussage finden, dass der Eid vor dem Richter geleistet wird, der ja die Funktion des Gerichtsmagistrats übernommen hat. In den Digestentexten zum Edikt de iureiurando finden wir den iudex aber überhaupt nur zweimal erwähnt: Die eine Stelle ist der als Einleitung verwendete Auszug aus Gaius’ Kommentar zum Provinzialedikt, in dem ein Eid ex pactione litigatorum demjenigen gegenübergestellt wird, der ex auctoritate iudicis geleistet

153

D 12.2.30.4 (s. o. S. 71 f.), D 12.2.28.10 (s. o. S. 91 f.). So in D 12.2.28.6 (s. o. S. 60), D 12.2.11pr, 1 (s. o. S. 64 f.), D 12.2.28.4 (s. o. S. 78), D 12.2.28.8 (s. o. S. 88 f.). 155 Einen positiven Beleg für einen Eid apud iudicem stellen entgegen Biondi, Giuramento, S. 80 f. weder D 4.3.21 (s. o. S. 95 f.) noch die folgende Aussage Ulpians zur infamierenden Wirkung einer Klage dar: D 12.2.9.2 Ulp 22 ed: Si damnetur quis post iusiurandum ex famoso iudicio, famosum esse magis est. („Ist jemand nach einer Eidesleistung aufgrund einer ehrlos machenden Klage verurteilt worden, spricht mehr dafür, dass er ehrlos ist.“) Zwar kann sich die Infamiefolge nicht aus der abstrakten actio ex iureiurando ergeben, sondern nur aus einem infamierenden iudicium, in dessen Rahmen der Eid wirkt. Hier kann durchaus fraglich sein, ob der Eidesantrag, mit dem der Beklagte ja im Ergebnis seine Verpflichtung zugesteht, der gewöhnlich eintretenden Ehrlosigkeit entgegensteht. Wie Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 24 zu Recht geltend macht, kann sich die Entscheidung jedoch auch auf den Fall beziehen, in dem der Eid schon in iure geleistet worden ist. – Auch in dem angehängten Halbsatz von D 44.5.1.1 (s. o. S. 105 Fn. 130) kann man kein Zeugnis für eine Eidesleistung vor dem iudex erblicken. Zwar ist hier von einem Schwur die Rede, den ein Mündel ohne Zustimmung seines Vormunds in iudicio angetragen hat; die Ausnahme dieses Falles von der zuvor festgestellten Unwirksamkeit eines Eidesantrags durch einen Mündel ist jedoch einerseits redundant, andererseits entstellend: Die Ungültigkeit der Eideszuschiebung durch das Mündel folgt schon aus der fehlenden auctoritas tutoris und nicht auch noch daraus, dass der Eid nicht vor Gericht zugeschoben worden ist. Der mit nisi eingeleitete Halbsatz muss daher das Ergebnis einer späteren Ergänzung des Textes durch einen Bearbeiter sein, für den ein Eid vor Gericht die Regel darstellte. 154

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

wird (D 12.2.1156). Gemeint ist hiermit aber offensichtlich der Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur, der ebenfalls in diesem Digestentitel behandelt wird. Daher hat man selbst dann, wenn man hier den iudex nachträglich an die Stelle von praetor oder proconsul gesetzt sieht,157 sicherlich keinen Fall vor sich, in dem ein Eid nach dem Edikt de iureiurando nachträglich auf einen Schwur vor dem iudex gemünzt worden ist. Der andere Text stammt ebenfalls aus Gaius’ Kommentar zum Provinzialedikt und bietet die Grundlage für die weitverbreitete Meinung, in Rom gebe es neben dem ediktal vorgesehenen Eid auch einen besonderen Schwur vor dem Richter, der allein für die Beweiswürdigung relevant sei:158 D 12.2.31 Gai 30 ed prov Admonendi sumus interdum etiam post iusiurandum exactum permitti constitutionibus principum ex integro causam agere, si quis nova instrumenta se invenisse dicat, quibus nunc solis usurus sit. sed hae constitutiones tunc videntur locum habere, cum a iudice aliquis absolutus fuerit (solent enim saepe iudices in dubiis causis exacto iureiurando secundum eum iudicare qui iuraverit): quod si alias inter ipsos iureiurando transactum sit negotium, non conceditur eandem causam retractare. Wir müssen darauf hinweisen, dass gemäß kaiserlichen Erlassen zuweilen erlaubt ist, eine Sache auch nach Einholung eines Eides erneut zu verhandeln, wenn jemand vorbringt, neue Urkunden gefunden zu haben, auf die er sich jetzt allein beziehe. Aber diese Erlasse finden nur dann Anwendung, wenn jemand vom Richter freigesprochen worden ist (Richter pflegen nämlich häufig, in Zweifelsfällen einen Eid einzuholen und zugunsten desjenigen zu urteilen, der ihn geschworen hat). Ist die Angelegenheit dagegen auf andere Weise durch Eid zwischen den Parteien selbst verglichen worden, ist es unzulässig, die Sache wiederaufzugreifen.

Den Geltungsbereich der kaiserlichen Entscheidungen, wonach ein Verfahren wiederaufgenommen werden kann, wenn sich eine Partei jetzt ausschließlich auf vorher noch nicht aufgetauchte Urkunden bezieht, will Gaius auf bestimmte Fälle beschränken. Sie sollen nur dann maßgeblich sein, wenn die Parteien die Sache nicht selbst verglichen haben, sondern der Beklagte wirklich freigesprochen worden ist.159 Gaius fügt hinzu, Richter holten häufig Eide ein und fänden so zu ihrem Urteil. Auf den ersten Blick bietet sich an, hier mit Demelius den Unterschied zwischen einem Vertrags- und einem Beweiseid beschrieben zu sehen:160 Während der vor dem Richter als bloßes Beweismittel verwendete Eid einer erneuten Überprüfung der Angelegenheit mit Hilfe der gefundenen Urkunden nicht entgegenstünde, wäre der Eid, mit dem der Streit verglichen wird, einer Revision fortan entzogen. Wäre dieser 156

s. o. S. 93 f. Auch dies ist aber nicht angebracht; s. u. 158 Vgl. Demelius, Schiedseid, S. 96 ff., Fierich, Eideszuschiebung, S. 103, Simon, Untersuchungen S. 346 und in neuerer Zeit vor allem Münks, Parteieid, S. 23 ff. 159 Dass der Text interpoliert und daher als Zeugnis des klassischen Rechts untauglich sei, behaupten Biondi, Giuramento, S. 97 und Schindler, Justinians Haltung zur Klassik, Köln/ Graz 1966, S. 105. 160 Demelius, Schiedseid, S. 95. 157

III. Schlussfolgerungen

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zweite Eid ein solcher nach dem Edikt de iureiurando, könnte der andere nicht hierunter fallen, sondern müsste als richterlicher Eid eine besondere Erscheinung des Prozesswesens sein.161 Dass der Eid vom iudex eingeholt (exactum) worden ist, bedeutet freilich noch nicht zwangsläufig, dass er vom Richter aus eigenem Antrieb auferlegt worden ist.162 Stattdessen kann Gaius auch einen Eid meinen, der vom Gegner beantragt wird und dessen Leistung oder Verweigerung der Richter würdigt.163 In diesem Fall handelte Gaius von einer Art Zwangseid apud iudicem,164 wie er in byzantinischer Zeit in der Tat vorkommt165. Weder diese Variante noch die Annahme eines vom Richter selbst auferlegten Eides haben aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. Denn Gaius’ beiläufige Bemerkung wäre die einzige Quelle für einen solchen, wie auch immer gestalteten, richterlichen Eid im klassischen Recht; und der Mangel weiterer Zeugnisse ließe sich nur mit der pauschalen Unterstellung erklären, dass sich die römische Jurisprudenz nun einmal nicht um Beweisfragen gekümmert habe166. Deutet man Gaius’ Aussage vor dem Hintergrund der sonstigen Quellen zum klassischen Recht, liegt statt der Erklärung, Gaius behandle hier ein besonderes Phänomen des Prozesswesens, die Deutung näher, dass er sich mit dem Eid nach dem Edikt de iureiurando beschäftigt.167 Dieser ist auch Gegenstand der anderen Texte aus dem Digestentitel 12.2, sofern sie sich nicht auf das Edikt si certum petetur beziehen. Und Gaius’ Aussage passt auch auf ihn: Da der antragsgemäß geschworene Eid dem Richter die Entscheidung abnimmt, darf man annehmen, dass er auf ihn in causis dubiis dringt, wenn es an hinreichenden Beweismitteln für einen Umstand fehlt, dieser aber auch nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Dass es der Richter ist, der den Schwur anregt, stellt nicht in Frage, dass es ein Eid nach dem Edikt de iureiurando ist, der dann auf den Antrag des jeweiligen Gegners geschworen wird. Gerade für diesen Eid macht die als CJ 4.1.1 überlieferte Konstitution von 213 auch einen Vorbehalt für eine speziell angeordnete Revision der auf dem Eid beruhenden Entscheidung.168 Sie soll „durch Gesetz“ (lege) zugelassen sein, womit eben die von Gaius zitierten Konstitutionen gemeint sein können. Fraglich erscheint nur, warum diese Konstitutionen die Überprüfung einer solchermaßen durch Eid entschiedenen Sache gestatten sollen, während ein von den 161 Dass es sie gab, bezweifeln auch Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 38 und Kaser/ Hackl, RZ, S. 366. 162 Richtig insoweit Demelius, Schiedseid, S. 95 und Münks, Parteieid, S. 29. 163 Hieran denkt Simon, Untersuchungen, S. 318. 164 Münks, Parteieid, S. 25 f. spricht hier von einem indirekten Zwang zum Eid. 165 s. u. S.149 ff. 166 So Demelius, Schiedseid, S. 101. 167 In die richtige Richtung geht daher Debray, NRH 32 (1908) 125, 137, der meint, hier gehe es um eine Entscheidung über die exceptio iurisiurandi. 168 Daher bedeutet es einen Zirkelschluss, wenn Simon, Untersuchungen S. 346 diesen Zusatz in CJ 4.1.1 für eine durch D 12.2.31 angeregte Interpolation hält. Auf CJ 4.1.12 stützt seine Interpolationsvermutung dagegen Schindler (Fn. 159), S. 105.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

Parteien allein zustande gebrachter Vergleich unberührt bleiben soll. Denn auch dem vom Richter vorgeschlagenen Eid ist doch der Vertrags- und Vergleichscharakter eigen, der eine Revision der Entscheidung eigentlich ausschließt. Der Grund für diese Differenzierung ist aber leicht gefunden: Ein ohne Beteiligung des iudex angetragener und geleisteter Eid wird wirklich freiwillig geschworen, wohingegen ein von dem Richter angeregter Eid unter dem Druck der vermeintlichen Beweisnot abgegeben wird, die sich im Verfahren abgezeichnet hat. Zwar ließe sich auch hier vertreten, dass dies noch kein hinreichender Grund ist, den Fall wiederaufzugreifen, zumal die Sache ja auch anschließend durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden ist. Dieser Einwand, für den sich auch Pomponius’ Argumentation gegen Gewährung einer actio de dolo anführen ließe,169 trifft jedoch allein die Sinnhaftigkeit der uns nicht überlieferten Kaiserkonstitutionen, von denen Gaius spricht.170 Er stellt nicht in Frage, dass der Gaiustext auch dann eine plausible Aussage enthält, wenn man ihn auf den Eid nach dem Edikt de iureiurando bezieht, um den es auch in den umliegenden Quellen geht. Spuren eines besonderen Eides, der apud iudicem geschworen wurde, gibt es daneben nicht. Es bedarf daher auch keiner Erklärung, warum Gellius (14.2.4 ff.) nicht zu diesem Mittel greift, als er über die Klage eines Darlehensgebers zu befinden hat, der zwar ohne Beweismittel, aber im Gegensatz zu dem Beklagten ehrbar ist:171 Petebatur apud me pecunia, quae dicebatur data numerataque; sed qui petebat, neque tabulis neque testibus id factum docebat et argumentis admodum exilibus nitebatur. (5) Sed eum constabat virum esse firme bonum notaeque et expertae fidei et vitae inculpatissimae, multaque et inlustria exempla probitatis sinceritatisque eius expromebantur; (6) illum autem, unde petebatur, hominem esse non bonae rei vitaque turpi et sordida convictumque volgo in mendaciis plenumque esse perfidiarum et fraudum ostendebatur. … (25) … ut absolverem tamen, inducere in animum non quivi et propterea iuravi mihi non liquere atque ita iudicatu illo solutus sum.

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D 4.3.21; s. o. S. 95 f. In ihrer Tradition steht die 293 ergangene Entscheidung Kaiser Diokletians, mit der dieser einen Vergleich generell der Arglistanfechtung unterwirft; vgl. CJ 2.4.19: Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Irenaeo. Sub praetextu instrumenti post reperti transactionem bona fide finitam rescindi iura non patiuntur. sane si eam per se vel per alium subtractis, quibus veritas argui potuit, decisionem litis extorsisse probetur, si quidem actio superest, replicationis auxilio doli mali pacti exceptio removetur, si vero iam perempta est, infra constitutum tempus tantum actionem de dolo potes exercere. („Kaiser Diokletian und Maximian an Irenaeus. Das Recht lässt es nicht zu, dass ein in gutem Glauben geschlossener Vergleich unter dem Vorwand angefochten wird, es seien später Urkunden gefunden worden. Wird freilich bewiesen, dass dein Gegner den Vergleichsschluss dadurch erzwungen hat, dass er oder ein anderer die Urkunden unterdrückt hat, mit deren Hilfe die Wahrheit hätte dargetan werden können, kannst du, wenn dein Anspruch schon beseitigt ist, innerhalb der vorgeschriebenen Zeit die Arglistklage erheben.“) 171 Fierich, Eideszuschiebung, S. 118 f. und Simon, Untersuchungen, S. 320 müssen hier die alte Rechtslage vor Einführung des von ihnen angenommen Beweiseides wiedergegeben sehen. 170

III. Schlussfolgerungen

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Vor mir wurde wegen eines Geldbetrags geklagt, der ausgezahlt worden sein sollte. Aber der Kläger tat diesen Vorgang weder durch Urkunden noch durch Zeugen dar und stützte sich auf sehr dürftige Argumente. (5) Aber es stand fest, dass er ein sehr guter Mann war, bekannterund erprobtermaßen vertrauenswürdig und von tadellosem Lebenswandel; und es gab viele und glänzende Beispiele für seine Rechtschaffenheit und Aufrichtigkeit. (6) Der Beklagte aber war erwiesenermaßen ein Mann von schändlichem und unanständigem Lebenswandel und bereits massenhaft der Täuschung überführt und voller Hinter- und Arglist. (25) … dass ich ihn freispreche, konnte ich auch nicht über mich bringen und daher habe ich geschworen, dass ich in der Sache nicht entscheiden könne, und so wurde ich des Richteramtes entbunden.

Gellius gibt das Richteramt auf und kann die Sache nicht aufgrund eines Eides des ehrenhaften Klägers entscheiden, weil er den Schwur als Richter eben nicht auferlegen, sondern bestenfalls anregen kann. Zu seiner Gültigkeit bedürfte der Eid noch der Zuschiebung durch den Beklagten, der sich jedoch unter Berufung auf die Beweisnot des Klägers aus der Affäre zieht (14.2.7 f.):172 Is tamen cum suis multis patronis clamitabat probari apud me debere pecuniam datam consuetis modis: expensi latione, mensae rationibus, chirographi exhibitione, tabularum obsignatione, testium intercessione; (8) ex quibus omnibus si nulla re probaretur, dimitti iam se oportere et adversarium de calumnia damnari … Dieser aber verlangte gemeinsam mit seinen zahlreichen Anhängern, es müsse vor mir der Beweis für die Auszahlung des Betrags mit üblichen Beweismitteln geführt werden: durch die Eintragung in Haus- oder Rechnungsbücher, die Vorlage eines Schuldscheins, eine gesiegelte Urkunde oder durch Zeugenbeweis. (8) Könne er von diesen allen kein Beweismittel beibringen, sei er freizusprechen und der Gegner wegen Prozessschikane zu verurteilen …

Geht man davon aus, dass auch der nach der Streitbefestigung geleistete Eid dem Edikt de iureiurando unterliegt, hat man auch eine Erklärung für das Phänomen des bedingten Endurteils gefunden. Belegt ist es einmal bei Seneca dem Älteren (controversia 7 praef 6 f.), der schildert, wie ein gar nicht als solcher gemeinter Eidesantrag eine hierauf bezogene Entscheidung des Zentumviralgerichts provoziert: … haec illum sollicitudo fugavit a foro et tantum unius figurae crudelis eventus. nam in quodam iudicio centumvirali, cum diceretur iuris iurandi condicio aliqua delata ab adversario, induxit eiusmodi figuram, qua illi omnia crimina regereret: (7) ,placet‘ inquit ,tibi rem iure iurando transigi? iura, sed ego ius iurandum (man)dabo: iura per patris cineres, qui inconditi sunt, iura per patris memoriam.‘ et executus est locum. quo perfecto surrexit L. Arruntius ex diverso et ait: ,accipimus condicionem. iurabit.‘ clamabat Albucius: ,non detuli condicionem, schema dixi.‘ Arruntius instabat … summa rei haec fuit: centumviri dixerunt dare ipsos secundum adversarium Albucii, si iuraret. ille iuravit. … Und es war seine [Albucius’] Besorgnis, die ihn aus dem Gericht trieb, und vor allem das grausame Resultat der Verwendung einer Redefigur. Denn in einem Verfahren vor dem Zentumviralgericht bediente er sich, da er von einem durch den Gegner angetragenen Eid gehört hatte, als Bild dieses Schwures, durch den alle Vorwürfe gegen seinen Gegner erledigt 172

Richtig Biondi, Giuramento, S. 94 ff.

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2. Kap.: Der Eid nach dem Edikt de iureiurando

wären. (7) Er sagte: „Du willst die ganze Angelegenheit durch Eid abschließen. Schwöre, aber ich werde den Eid vorgeben. Schwöre bei der unbegrabenen Asche deines Vaters, schwöre beim Andenken deines Vaters.“ Und er führte seinen Standpunkt aus. Als er fertig war, erhob sich Lucius Arruntius auf der anderen Seite und sagte: „Wir nehmen den Eidesantrag an. Er wird schwören.“ Albucius schrie: „Ich habe keinen Antrag gemacht, ich habe mich einer Redefigur bedient.“ Arruntius bestand auf dem Eid. … Die Angelegenheit endete wie folgt: Das Zentumviralgericht befand, für Albucius’ Gegner zu entscheiden, falls er schwor. Er schwor.

Aussagekräftiger als diese vielleicht ungenau wiedergegebene oder den Besonderheiten der Zentumviralgerichtsbarkeit entspringende173 Entscheidung ist die andere Quelle, eine Konstitution Kaiser Diokletians: CJ 7.45.11 Diocl. et Maxim. AA. et CC. Titiano. Cum iudex in definitiva sententia iusiurandum solummodo praestari praecipiat, non tamen addat, quid ex recusatione vel praestatione sacramenti fieri oportet, huiusmodi sententiam nullam vim obtinere palam est. Kaiser Diokletian und Maximian an Titianus. Hat ein Richter im Endurteil nur die Leistung des Eides vorgeschrieben und nicht hinzugefügt, was aus der Verweigerung oder der Leistung des Eides folgen soll, ist ein solches Urteil offensichtlich wirkungslos.

Die Möglichkeit der Entscheidung durch bedingtes Endurteil setzt voraus, dass der Richter über den zu leistenden Eid nicht mehr zu befinden hat, sondern ihn hinnehmen muss.174 Diese Bindungswirkung wäre verblüffend, wenn der Eid, von dem das Urteil abhängig gemacht ist, ein Beweismittel wäre, dessen Würdigung noch dem officium iudicis unterläge. Demelius nimmt hier zu der Unterstellung Zuflucht, auch der vom Richter eingeholte Beweiseid habe im Unterschied zu anderen Beweismitteln und ebenso wie der Eid nach dem Edikt de iureiurando ebenfalls Bindungswirkung besessen.175 Weitaus mehr spricht für die Annahme, dass der Eid, von dem das Urteil abhängig gemacht wird, ein solcher nach dem Edikt de iureiurando und vom Gegner im Verfahren angetragen ist.176 Dann versteht sich von selbst, warum das Endurteil schon vor dem Eid erlassen werden kann. Denn der Richter hätte auch bei einer umgekehrten Reihenfolge von Schwur und Urteil keinen Entscheidungsspielraum mehr, weil aufgrund des Eides ja feststünde, ob die Urteilsvoraussetzungen gegeben wären oder nicht.

173 Dies glaubt Amirante, Iusiurandum in iudicio, S. 30 f., der auf die Koerzitionsgewalt des Gerichts verweist. Dagegen wendet sich Simon, Untersuchungen, S. 319. 174 Insoweit richtig Demelius, Schiedseid, S. 15. 175 Vgl. Demelius, Schiedseid, S. 117. Hiergegen wendet sich zu Recht Biondi, Giuramento, S. 111 f., der freilich eine Interpolation von Diokletians Entscheidung annimmt (S. 101 ff.). 176 Dies nimmt Biondi, S. 82 ff. denn auch für die bei Seneca überlieferte Entscheidung des Zentumviralgerichts an.

Drittes Kapitel

Der Zwangseid I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur 1. Die Pflicht zur Eidesleistung Die Fragmente des Digestentitels 12.2, die sich nicht auf den Eid nach dem Edikt de iureiurando beziehen, sind ganz überwiegend der Kommentierung des Edikts si certum petetur entnommen, in dem der Prätor einen speziellen Eid für die in diesem Abschnitt behandelten Klagen vorsieht. Im Gegensatz zum Eid nach dem Edikt de iureiurando kommt der Schwur nicht dadurch zustande, dass der Schwörende von sich aus auf den Eidesantrag des Eidesgegners eingeht. Vielmehr wird er vom Prätor gezwungen, den Eid zu leisten; und anders als der freiwillig übernommene Eid wird dieser erzwungene Schwur auch nur dem Beklagten auferlegt, der schwören soll, dass die geltend gemachte Verpflichtung nicht besteht. Nach der im Wortlaut überlieferten Ediktsbestimmung zwingt der Prätor ihn, den vom Kläger zugeschobenen Eid abzulegen oder die geforderte Leistung zu erbringen: D 12.2.34.6 Ulp 26 ed Ait praetor: ,eum, a quo iusiurandum petetur, solvere aut iurare cogam‘: alterum itaque eligat reus, aut solvat aut iuret: si non iurat, solvere cogendus erit a praetore.1 Der Prätor sagt: „Denjenigen, von dem der Eid gefordert wird, zwinge ich zu leisten oder zu schwören.“ Deshalb muss der Beklagte wählen, ob er leistet oder schwört. Schwört er nicht, zwingt der Prätor ihn zu leisten.

Dieser Zwang zur Eidesleistung bedingt die Besonderheiten, die den Schwur von dem Eid nach dem Edikt de iureiurando grundlegend unterscheiden: Da die Zuschiebung des Zwangseides im Gegensatz zum Antrag eines freiwilligen Eides selbst Rechtsfolgen hervorruft, ist sie anders als dieser nicht ohne Weiteres wirksam: Obwohl ein Eid nach dem Zeugnis von Paulus in D 12.2.26pr2 auch durch einen 1 Amirante, Giuramento, S. 55 glaubt, der von Ulpian zitierte Prätor habe die Konstellation, in der der Eideszwang ausgeübt wird, mit dem Relativsatz: ,a quo certum petetur‘, beschrieben, während die überlieferte Fassung das Resultat einer späteren Textbearbeitung sei. Käme in der von Amirante rekonstruierten Fassung des Ediktswortlauts auch die in der Nachklassik missachtete (s. u.) Stellung der Aussage im Edikt si certum petetur klar zum Ausdruck, würde mit ihr doch nicht hinreichend deutlich, dass der Prätor den Beklagten nicht schlechthin, sondern nur auf den Antrag des Klägers zum Eid nötigt. 2 s. o. S. 105 f.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Minderjährigen geschworen werden kann, bleibt die Zuschiebung des Zwangseides an ihn doch wirkungslos, weil sie den Minderjährigen zu einer Reaktion nötigt: D 12.2.34.2 Ulp 26 ed Pupillo non defertur iusiurandum. Einem Mündel kann der Eid nicht zugeschoben werden.

Dasselbe gilt für einen Prozessvertreter des Schuldners, der den Schwur zwar, wie Pomponius und Ulpian in D 12.2.42.2 und D 12.2.9.6 ausdrücklich feststellen,3 mit Wirkung für den Schuldner leistet, nicht aber zu ihm gezwungen werden darf: D 12.2.34.3 Ulp 26 ed Procurator non compellitur iurare nec defensor, et ita Iulianus scribit libro decimo digestorum defensorem iurare non compelli sufficereque ad plenam defensionem, si paratus sit iudicium accipere. Ein Vertreter kann nicht gezwungen werden zu schwören, ebenso wenig ein Verteidiger; und deshalb schreibt Julian im zehnten Buch seiner Digesten, ein Verteidiger könne nicht gezwungen werden zu schwören, und es sei zur Verteidigung hinreichend, wenn er bereit sei, sich auf die Klage einzulassen.

Und umgekehrt darf der Prätor zumindest nach Ansicht Julians auch nicht der Eideszuschiebung durch einen für den Gläubiger auftretenden Prozessvertreter nachkommen: D 12.2.18 Ulp 26 ed Alias autem procuratorem deferentem iusiurandum non esse audiendum Iulianus libro decimo digestorum scribit, ne postea reus, qui semel iuravit, a domino conveniatur: nec multum ei proficere, si fuerit ei de rato cautum: sive enim dominus petat, cogetur docere reus liquido se iurasse posita scilicet exceptione, sive ex stipulatione de rato agat, necesse habebit ipse de periurio suo docere. In anderen Fällen ist ein Vertreter mit seiner Eideszuschiebung, wie Julian im zehnten Buch seiner Digesten schreibt, nicht zu hören, damit der Beklagte, wenn er einmal geschworen hat, nicht erneut von dem Vertretenen in Anspruch genommen wird. Und es nütze ihm wenig, wenn ihm für die Genehmigung durch den Vertretenen Sicherheit geleistet wird. Denn wenn der Vertretene klagt, wird der Beklagte gezwungen, durch Erhebung einer Einrede nachzuweisen, dass er geschworen hat, und wenn er aus dem Versprechen über die Genehmigung klagt, muss er nachweisen, einen Meineid geleistet zu haben.

Schwört der Beklagte auf die Zuschiebung des Eides durch einen Prozessvertreter, wirkt dieser Eid zwar auch gegenüber dem Vertretenen. Der Beklagte läuft jedoch Gefahr, bei einer erneuten Inanspruchnahme durch den Vertretenen nicht den ihm obliegenden Nachweis seiner Eidesleistung erbringen zu können. Und dieses Risiko ist nicht durch die Sicherheitsleistung für die ausbleibende Genehmigung der Prozessführung durch den Vertretenen abgedeckt, weil der Beklagte nur dann einen ersatzfähigen Schaden dartun könnte, wenn er nachweist, in Wirklichkeit doch 3

s. o. S. 87 Fn. 84.

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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Schuldner gewesen zu sein, und sich so selbst des Meineids überführt. Um den Beklagten nicht in diese Situation zu bringen, darf der Prätor der Eideszuschiebung durch den Prozessvertreter keine Folge leisten und muss von einem Zwang gegen den Beklagten absehen, obwohl ein freiwilliger Eid, der auf Antrag des Prozessvertreters geschworen wird, wirksam wäre4. Anders als Julian urteilt freilich Pomponius, der in einer von Ulpian andernorts5 zitierten Entscheidung die Wirksamkeit der Eideszuschiebung an einen Vertreter stillschweigend voraussetzt. 2. Der Gegeneid des Klägers als Grund der Eidespflicht Die Motivation zur Zuschiebung des Zwangseides unterscheidet sich nicht wesentlich von den Gründen, aus denen der Antrag des freiwilligen Eides erfolgt. Glaubt ein Kläger, die Voraussetzungen seines Anspruchs ohne Weiteres dartun zu können, wird er seinem Schuldner kaum je den Eid zuschieben, da er ja Gefahr läuft, dass dieser seine mangelnde Verpflichtung wirklich beschwört und so den Rechtsstreit für sich entscheidet. Anders verhält es sich, wenn die Beweislage für den Kläger ungünstig ist. Muss er ernsthaft damit rechnen, den Prozess mangels hinreichender Beweismittel zu verlieren, erscheint der Ansehensgewinn, den ihm die Zuschiebung des Eidesantrags einbringt, als attraktive Alternative gegenüber dem schlichten Prozessverlust. Und er kann anders als beim freiwilligen Eid, dessen Antrag ihm zumeist wenig nützt,6 noch darauf spekulieren, dass der Beklagte den Schwur vielleicht doch nicht leistet und sich trotz der Beweissituation aus Sorge um seine Ehre geschlagen gibt. Diese Zwangslage, in die eine Eideszuschiebung den Beklagten bringt, kann dem Beklagten freilich nicht ohne Weiteres zugemutet werden. Daher ist seine Eidespflicht auch in zweifacher Weise bedingt: Zum einen kann der Beklagte die eigene Eidesleistung davon abhängig machen, dass der Kläger schwört, nicht schikanös zu handeln: D 12.2.34.4 Ulp 26 ed Qui iusiurandum defert, prior de calumnia debet iurare, si hoc exigatur, deinde sic ei iurabitur. hoc iusiurandum de calumnia aeque patrono parentibusque remittitur. Wer den Eid zuschiebt, muss vorher, wenn dies verlangt wird, schwören, dass keine Schikane vorliege, danach wird ihm geschworen. Dieser Eid, dass Schikane vorliege, wird Freilassern und Verwandten gleichermaßen erlassen.7

4

Vgl. D 12.2.17.3, 12.2.19; s. o. S. 98 Fn. 110. D 3.3.39.1; s. u. S. 125 f. 6 s. o. S. 51. 7 Die Ausnahme von Verwandten und Freilassern von der Pflicht zum Kalumieneid stellt Ulpian auch an anderer Stelle seines Ediktskommentars heraus; vgl. D 37.15.5pr, 7.3 Ulp 10 ed: Parens, patronus patrona, liberive aut parentes patroni patronave … Nec deferentes iusiurandum de calumnia iurant. 5

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3. Kap.: Der Zwangseid

Zum anderen kann der Beklagte dem Kläger den Eid zurückschieben mit der Folge, dass nun der Kläger schwören muss, dass ihm die erhobene Forderung zusteht. Sträubt er sich dagegen, verweigert der Prätor die Gewährung der Klage unbedingt, und ohne dass der Kläger nun wiederum im Gegenzug vorher einen Kalumnieneid von dem Beklagten verlangen könnte: D 12.2.34.7 Ulp 26 ed Datur autem et alia facultas reo, ut, si malit, referat iusiurandum: et si is qui petet condicione iurisiurandi non utetur, iudicium ei praetor non dabit. aequissime enim hoc facit, cum non deberet displicere condicio iurisiurandi ei qui detulit: sed nec iusiurandum de calumnia referenti defertur, quia non est ferendus actor, si condicionis quam ipse detulit de calumnia velit sibi iurari. Dem Beklagten wird aber auch noch die weitere Möglichkeit gegeben, dass er den Eid, wenn er es vorzieht, zurückschiebt. Und wenn der Kläger von der Eidesbefugnis keinen Gebrauch macht, gewährt der Prätor ihm keine Klage. So handelt er höchst gerecht, denn derjenige, der den Eid zugeschoben hat, kann diese Befugnis nicht ablehnen. Und demjenigen, der den Eid zurückschiebt, kann auch nicht der Eid zugeschoben werden, dass keine Schikane vorliege, weil der Kläger nicht gehört werden darf, wenn er will, dass aufgrund eines Eides, den er selbst zugeschoben hat, geschworen wird, dass keine Prozessschikane vorliege.

Die Eidespflicht des Beklagten wird also nicht nur durch das Erfordernis des Kalumnieneides beschränkt. Sie ist auch durch eine bedingte Eidespflicht des Klägers begrenzt. Der Beklagte, der sich in ähnlichen Beweisschwierigkeiten wie der Kläger befinden kann, braucht nicht zu schwören, sondern kann den Kläger in die unangenehme Rolle des Eidespflichtigen bringen. Der dem Beklagten daraus erwachsende Nachteil entspricht demjenigen, dem sich der Kläger mit der erstmaligen Zuschiebung des Eides ausgesetzt hat: So wie ihm bei einem Schwur des Beklagten der Prozessverlust droht, muss der Beklagte, der den Eid zurückschiebt, damit rechnen, dass die Klage aufgrund des Schwures des Klägers zu seiner Verurteilung führt. Und auch die Folgen einer Verweigerung des Eides, auf die der jeweilige Eidesgegner spekulieren kann, sind spiegelbildlich: Will der Beklagte den Eid nicht leisten, wird er zur Leistung gezwungen; verweigert der Kläger ihn, wird ihm die Klage verwehrt oder abgewiesen. Die Eidespflicht erhält ihre Rechtfertigung also durch die korrespondierende Eidespflicht des Klägers. Daher beruht Ulpians Urteil, der vom Prätor ausgeübte Zwang zur Eidesleistung sei aequissimus, auch auf dem gegenläufigen Recht des Beklagten, den Eid zurückzuschieben. Nur weil der Beklagte den Kläger in die Rolle bringen kann, die dieser ihm zugedacht hat, liegt in der durch die erstmalige Zuschiebung begründeten Eidespflicht keine iniuria: D 12.2.34pr Ulp 26 ed Iusiurandum et ad pecunias et ad omnes res locum habet: etiam de operis iusiurandum deferri potest. nec de iniuria queri adversarius potest, cum possit iusiurandum referre. quid tamen, si ideo dicat reus se liberatum, quoniam Stichum, quem promiserat, putat decessisse? non erit tutus per relationem. et ideo ex hac causa putat Marcellus, et recte, aut remittendum ei iusiurandum aut spatium dandum, ut certioretur et sic iuret.

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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Der Eid ist sowohl bei Geldforderungen als auch bei allen anderen Klagegegenständen statthaft. Es kann sogar ein Eid über Dienste zugeschoben werden. Und der Gegner kann sich nicht darüber beschweren, dass ihm ihn Unrecht geschehe, da er den Eid zurückschieben kann. Was soll aber gelten, wenn der Beklagte deshalb angibt, befreit zu sein, weil er glaubt, Stichus, den er versprochen hat, sei gestorben? Durch die Zurückschiebung des Eides ist er nicht sicher. Und deshalb glaubt für diesen Fall Marcell, und zwar zu Recht, ihm sei der Eid zu erlassen oder hierfür eine Frist zu geben, innerhalb derer er sich vergewissern und dementsprechend den Eid schwören kann.

Der schwierige Fall, in dem der Zwang zum Eid fraglich wird, tritt dann ein, wenn auf Seiten des Beklagten eine nachvollziehbare Ungewissheit über die eigene Leistungspflicht besteht: Stellt er den Grund seiner Verpflichtung nicht in Abrede, glaubt aber, diese sei durch einen von ihm nicht zu beeinflussenden Umstand, insbesondere den Tod des geschuldeten Sklaven, ausgeschlossen, kann man ihm die Entscheidung zwischen dem eigenen Schwur und der Zurückschiebung des Eides nicht zumuten: Der Beklagte kann seine mangelnde Verpflichtung nicht mit der Gewissheit beschwören, keinen Meineid zu leisten; und er kann den Eid auch nicht zurückschieben, ohne Gefahr zu laufen, zu einer Leistung verurteilt zu werden, die er in Wirklichkeit gar nicht mehr schuldet. Der von Ulpian zitierte Marcell will ihm den Eid daher einstweilen erlassen und eine Frist geben, in der er sich darüber informieren kann, ob der anspruchsausschließende Umstand eingetreten ist oder nicht. An dieser Einschränkung für den Grenzfall der Leistungsunmöglichkeit zeigt sich der Grund dafür, warum der Prätor den Zwang zum Eid nicht generell, sondern in erster Linie bei Klagen ausübt, die unter das Edikt si certum petetur fallen: Während der Beklagte bei Schuldverhältnissen mit unbestimmtem Leistungsgegenstand, insbesondere bei bonae fidei iudicia, schwer übersehen kann, was er wirklich schuldet, und ihm deshalb auch kein Eid über seine mangelnde Verpflichtung zuzumuten ist, kann er diese Frage bei Ansprüchen auf ein certum gewöhnlich leicht beantworten:8 Im Normalfall ergibt sich die Verpflichtung aus einer Stipulation, von der der Beklagte weiß, ob er oder sein Gewaltunterworfener sie abgeschlossen hat oder nicht; und wegen der Präzisierung der versprochenen Leistung kann er auch abschätzen, ob er seine Verpflichtung durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht hat. Dasselbe gilt bei Ansprüchen aus Damnationsvermächtnis, bei denen sowohl die vom Kläger herangezogene letztwillige Verfügung als auch deren Gegenstand fest umrissen sind, sowie bei Ansprüchen aus mutuum und ungerechtfertigter Bereicherung, die beide den Empfang einer Leistung des Klägers durch den Beklagten voraussetzen. Sieht man von dem bei Marcell behandelten Sonderfall der zufälligen Leistungsunmöglichkeit und weiteren speziellen Konstellationen wie etwa einer Drittleistung ab, ist der Beklagte durch sein gegenläufiges Recht zur Provokation einer Eidesleistung des Klägers also genügend geschützt und diese ein Grund, auch ihm den Zwang zur Eidesleistung zuzumuten und so für eine beschleunigte Entscheidung des Rechtsstreits zu sorgen. Und diese kann auch durch eine Pflicht zum 8

Richtig Demelius, Schiedseid, S. 74 ff.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Rechtseid geschehen, mit dem die Verpflichtung zur Leistung insgesamt geleugnet und nicht nur eine einzelne Vorfrage geklärt wird.9 Jenseits der Ansprüche auf ein certum besteht dagegen eine zu große Ungewissheit für den Beklagten über Grund und Ausmaß seiner Verpflichtung, als dass ihm sein Recht auf den Gegeneid des Klägers einen hinreichenden Ausgleich für seine eigene Eidespflicht böte. Daher können die ,omnes res‘, bei denen Ulpian die Eideszuschiebung für zulässig hält, lediglich certa res sein, die mit Hilfe der Klagen nach dem Edikt si certum petetur durchgesetzt werden. Liefert die bedingte Eidespflicht des Klägers die Rechtfertigung für den gegen den Beklagten geübten Zwang, kann man in der antragsgemäßen Eidesleistung anders als beim Schwur nach dem Edikt de iureiurando auch keinen Vertrag erblicken, mit dem die Streitsache erledigt wird.10 Dementsprechend findet sich in den Quellen zum Zwangseid auch nur ein einziger authentischer Text, in dem ein Vergleich zur conventio angestellt wird. Unecht oder zumindest mit anderem Bezug ist dieser offensichtlich in D 12.2.25 Ulp 26 ed: Sed et si servus meus [delato vel] relato ei iureiurando, iuravit rem domin[i esse vel ei] dari oportere, puto dandam mihi actionem [vel pacti exceptionem propter religionem et conventionem]. Aber auch wenn mein Sklave, nachdem ihm ein Eid [angetragen oder] zurückgeschoben worden ist, geschworen hat, dass eine Sache seinem Eigentümer [gehöre oder ihm] geleistet werden müsse, ist, wie ich glaube, mir die Klage [oder die Einrede aus einem Pakt] zu gewähren [wegen der Ehrfurcht vor dem Eid und der Vereinbarung].

Nimmt man wegen der Herkunft dieses Fragments aus dem 26. Buch von Ulpians Ediktskommentar an, es gehe allein um den Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur, kann der Text in seiner ursprünglichen Gestalt nicht von der erstmaligen Zuschiebung des Eides gehandelt haben; denn diese kann nicht den Schwur mit dem beschriebenen positiven Inhalt zur Folge haben, der nur auf die Zurückschiebung des Eides denkbar ist. Möglich ist dieser nur bei dem freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando, der sich im Gegensatz zum Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur auch nicht auf das Eidesthema: ,rem domino dari oportere‘, beschränkt, sondern auch den Schwur: ,rem domini esse‘, abdeckte. Lässt sich nicht ausschließen, dass Ulpian in der Kommentierung des Edikts si certum petetur ebenfalls auf den Eid nach dem Edikt de iureiurando eingegangen ist, passt hierzu auch die Entscheidung für eine Einrede, mit der sich derjenige, der sein Eigentum beschworen hat, gegen die Eigentumsherausgabeklage eines anderen verteidigen kann11. Unerklärbar bleibt dagegen die Bezeichnung der Einrede als exceptio pacti, an die sich der Begrün9

Dass der Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur ein Rechtseid über die Verpflichtung des Schuldners ist, nehmen Demelius, Schiedseid, S. 33 und Münks, Parteieid, S. 12 füglich an. Amirante, Giruamento, S. 46 wehrt sich dagegen zu Unrecht. 10 Richtig Demelius, Schiedseid, S. 78 ff. 11 s. o. S. 64 ff.

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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dungszusatz: propter religionem et conventionem, anschließt. Hielte man diesen für echt, könnte er sich nur auf den Eid schlechthin und damit auch auf den vertragsartigen Schwur nach dem Edikt de iureiurando beziehen. Sehr viel näher liegt es freilich, die Begründung ebenso wie die Erwähnung der Einrede einem späteren Bearbeiter des Textes zuzuschreiben, der mit dem Hinweis auf die conventio die Entscheidung für die exceptio pacti rechtfertigen wollte.12 Dann gehen auf ihn aber auch sehr wahrscheinlich die Erwähnung des Schwures über das Eigentum des Sklavenherrn und die Bezeichnung des Eides als erstmals angetragen zurück, die sich beide auf den Eid nach dem Edikt de iureiurando beziehen und im 26. Buch von Ulpians Ediktskommentar ohnehin überraschten.13 Nicht zu bezweifeln ist dagegen die Echtheit von D 12.2.35.1 Paul 28 ed: Prodigus si deferat iusiurandum, audiendus non est: idemque in ceteris similibus ei dicendum est. nam sive pro pacto convento sive pro solutione sive pro iudicio hoc iusiurandum cedit, non ab aliis delatum probari debet, quam qui ad haec habiles sunt. Schiebt ein Verschwender den Eid zu, ist er nicht zu hören; und dasselbe gilt für ähnliche Personen. Denn eine Eideszuschiebung kann nur bei denjenigen zugelassen werden, die handlungsfähig sind, sei es, dass der Eid die Stelle eines Pakts, der Erfüllung oder eines Urteils einnimmt.

Dass ein Eid nicht wirksam von einer in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkten Person zugeschoben werden kann, gilt auch für den freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando.14 Der Bezug von Paulus’ Aussage auf den Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur ergibt sich freilich nicht nur aus der Herkunft des Textes aus dem 28. Buch des paulinischen Ediktskommentars, sondern auch aus seinem Wortlaut: Soll ein Verschwender mit seiner Eideszuschiebung nicht gehört werden, kann es nur darum gehen, dass diese, für sich genommen, schon Rechtsfolgen in Gestalt des prätorischen Zwangs zeitigt. Interessanter als diese geradezu selbstverständliche Entscheidung ist ihre Begründung, bei der Paulus auf die auch beim Eid nach dem Edikt de iureiurando üblichen Vergleichsfälle des pactum, der solutio und des Urteils zurückgreift. Ihre Bedeutung für die Entscheidung liegt darin, den möglichen Rechtsverlust anzuzeigen, den der beschränkt Geschäftsfähige durch seine Eideszuschiebung erleiden kann und vor der er wegen seiner mangelnden Kapazität geschützt werden muss: Ebenso wenig wie er ohne den Beistand seines Betreuers seinen eigenen Anspruch durch pactum beseitigen oder wirksam eine Erfüllungsleistung annehmen oder ein Urteil hinnehmen muss, kann er wirksam eine Prozesshandlung vornehmen, die auf die Verweigerung seines Klagerechts hinausläuft. Weitergehende Bedeutung hat Paulus’ Vergleich, der wegen der Varianz der Anknüpfungspunkte auch sehr vage ausfällt, nicht; und er vermag auch nicht die un12

Richtig Amirante, Giuramento, S. 69. Wiederum richtig Amirante, Giuramento, S. 69. 14 Vgl. zum Fall des Eidesantrags durch einen Minderjährigen D 12.2.17.2 und D 44.5.1.1; s. o. S. 98 Fn. 110, S. 105 Fn. 130. 13

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3. Kap.: Der Zwangseid

terschiedliche Struktur der Eide nach dem Edikt de iureiurando und dem Edikt si certum petetur einzuebnen. Diese schließt zwar nicht aus, dass es einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen beiden Schwurarten gibt. Sie lässt aber nicht zu, den Zwangseid als eine fortentwickelte Erscheinung des freiwilligen Eides zu deuten.15 Mit demselben Recht könnte man annehmen, der freiwillige Eid sei aus dem Zwangseid entstanden. Eine nachträgliche Dogmatisierung mit Hilfe des Vertragskonzepts, wie sie beim Eid nach dem Edikt de iureiurando stattgefunden hat, ist beim Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur in beiden Fällen nicht möglich gewesen. 3. Das Verfahren Sind der freiwillige und der Zwangseid weder aus heutiger Sicht noch in den Augen der römischen Juristen in ihrer Struktur vergleichbar, bleibt Amirantes These von der Einheitlichkeit der Rechtsfolgen Eides nach den Edikten de iureiurando und si in certum petetur16 zumindest in einem Punkt richtig. Im Dreipersonenverhältnis kann der Zwangseid dieselben Rechtsfolgen auslösen, die auch der freiwillige Eid hat. So erwägen Julian und Ulpian in D 12.2.18 das Risiko, das sich für den Beklagten daraus ergibt, dass er den auf Zuschiebung eines Prozessvertreters geschworenen Eid im Wege einer exceptio iurisiurandi gegen den Vertretenen geltend machen muss. Und auch in einer Katene, die die Kompilatoren mit Hilfe von Auszügen aus Ulpians und Paulus’ Kommentaren des Edikts si certum petetur gebildet haben, ist von dieser Einrede die Rede: D 12.2.23 Ulp 26 ed Si servus iuraverit dominum dare non oportere, exceptio domino indulgenda est sibique adversarius imputabit, qui servo detulit iusiurandum. Hat ein Sklave geschworen, dass sein Eigentümer nicht zur Leistung verpflichtet sei, ist dem Eigentümer die Einrede zu geben, und der Gegner, der dem Sklaven den Eid zugeschoben hat, muss sich dies selbst zuschreiben. D 12.2.24 Paul 28 ed Multo magis proderit patri religio filii, cum quo etiam iudicium consistere potest. ipsi autem referentes condicionem eorum, quibus subiecti sunt, non faciunt deteriorem. Umso mehr nützt einem Vater der Eid seines Sohnes, gegen den auch eine Klage erhoben werden kann. Schieben sie aber einen Eid zurück, verschlechtern sie die Stellung derjenigen, denen sie unterworfen sind, nicht.

Während der freiwillige Eid von einem Haussohn anerkanntermaßen mit Wirkung für seinen Gewalthaber, von einem Sklaven zumindest nach Ansicht von Paulus

15

Dies tun aber Fierich, Eideszuschiebung, S. 102 und Münks, Parteieid, S. 45; anders insoweit zu Recht Amirante, Giuramento, S. 45 und Fn. 154, der zu Recht zur Zurückhaltung bei der Rekonstruktion der Entwicklung der beiden Eidesarten mahnt. 16 Vgl. Amirante, Giuramento, S. 26, 29. Ebenso Simon, Untersuchungen S. 317.

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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angetragen werden kann,17 versagt dieser beiden gleichermaßen die Befugnis, einen Zwangseid zuzuschieben, der auch ihren Gewalthaber bindet. Der Haussohn und der Sklave können ihrem Gewalthaber aber ebenso wie durch einen freiwilligen Schwur18 nützen, indem sie einen zugeschobenen Zwangseid leisten, der Sklave, wenn er seinen Eigentümer im Prozess vertritt, der Sohn auch dann, wenn er selbst vom Kläger belangt wird. Und das Mittel für diese Drittwirkung des Eides ist gleichfalls die exceptio iurisiurandi. Dass der Zwangseid auch eine actio ex iureiurando begründen kann, wenn er vom Beklagten zurückgeschoben und dann von einem Sklaven als Klägervertreter geschworen wird, könnte sich zum einen aus dem gestörten Fragment D 12.2.2519 ergeben.20 Zum anderen deutet Ulpian es in dem folgenden Text an: D 3.3.39.1 Ulp 9 ed … sed interdum licet suo nomine procurator experiatur, tamen de rato debebit cavere, ut Pomponius libro vicensimo quarto scribit. ut puta iusiurandum procuratori rettulit, iuravit absenti dari oportere: agit hoc iudicio suo nomine propter suum iusiurandum (neque enim haec actio domino competere potuit): sed debebit de rato cavere. … … Mitunter muss aber auch ein Prozessvertreter, selbst wenn er im eigenen Namen Klage erhebt, für die Genehmigung Sicherheit leisten, wie Pomponius im 24. Buch schreibt. Hat beispielsweise der Gegner dem Prozessvertreter den Eid zurückgeschoben und dieser geschworen, dass dem Abwesenden geleistet werden müsse, erhebt er diese Klage wegen seines Eides im eigenen Namen (da diese Klage dem Geschäftsherrn gar nicht zustehen kann); aber er muss für die Genehmigung Sicherheit leisten. …

Der von Ulpian zitierte Pomponius befasst sich mit dem Fall, dass ein Prozessvertreter des Gläubigers auf die Zurückschiebung des dem Beklagten angetragenen Eides geschworen hat, dass dem Gläubiger die eingeklagte Leistung zusteht. Dabei geht er offenbar anders als Julian in D 12.2.1821 davon aus, dass der Prozessvertreter wirksam eine Eideszuschiebung vornehmen kann, ohne die ja keine Zurückschiebung denkbar ist. Pomponius glaubt, der Vertreter müsse in diesem Fall Sicherheit für die Genehmigung der Prozessführung durch den Gläubiger leisten. Dies hält er deshalb für bemerkenswert, weil der Gläubiger gar nicht in derselben Weise gegen den Beklagten vorgehen könne. Der Prozessvertreter klagt nämlich, wie Ulpian ausführt, aufgrund seines eigenen Eides. Der Gläubiger kann gegen den Beklagten aber nur aus dem ursprünglich geltend gemachten Anspruch vorgehen und verfügt über keine dem Vorgehen des Prozessvertreters entsprechende Klage (,haec actio‘). Mit dieser ist wahrscheinlich die actio ex iureiurando gemeint, die Pomponius und Ulpian dem Gläubiger jedoch mangels Drittwirkung des vom Vertreter geleisteten Eides absprechen. 17 18 19 20 21

Vgl. D 12.2.22; s. o. S. 97 f. Anders sieht dies Ulpian; vgl. D 15.1.5.2; s. o. S. 98. Vgl. Vgl. D 44.5.2pr und D 44.1.24; s. o. S. 97 Fn. 109. s. o. S. 122. Dies glaubt Amirante, Giuramento, S. 69 f. s. o. S. 118 f.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Gibt es damit hinreichende Anzeichen dafür, dass die römischen Juristen auch den Zwangseid mit einer exceptio iurisiurandi sanktionieren und die Gewährung einer actio ex iureiurando immerhin als Möglichkeit erwägen, betreffen diese Entscheidungen doch immer nur Dreiecksbeziehungen. Hier kann es ausnahmsweise dazu kommen, dass der von einem Prozessbeteiligten geleistete Eid für oder gegen einen Dritten wirkt. Dagegen gibt es keine Nachricht darüber, dass der Zwangseid auch in dem Prozess, in dem er zugeschoben wird, dieselben Rechtsfolgen wie der freiwillige Eid nach dem Edikt de iureiurando hat. Für das Verfahren, in dem die Eideszuschiebung erfolgt, gilt der Satz des Prätors, dass er den Beklagten dazu zwingen werde, den Eid zu schwören oder die geforderte Leistung zu erbringen (eum, a quo iusiurandum petetur, solvere aut iurare cogam22). Wie diese Ankündigung verstanden werden muss, ist in der modernen Forschung kaum umstritten. Seit Demelius und Lenel nimmt man an, der Prätor behandele den Beklagten, der sich weigert, den Eid in iure zu leisten, wie einen indefensus und verfüge zugunsten des Klägers eine vorläufige missio in bona.23 Nur Biondi meint, der Prozess gehe trotz der unterbliebenen Eidesleistung seinen gewöhnlichen Gang und die Weigerung des Beklagten habe nur zur Folge, dass ihm die ansonsten abgewendete Pflicht zur Zahlung einer Strafe aus der sponsio tertiae partis nicht erspart bleibe.24 So wenig der Zusammenhang mit diesem Strafversprechen nachweisbar ist, so wenig Belege gibt es für einen Zwang des Beklagten durch Anordnung einer missio in bona. Diese ist, worauf Biondi zu Recht hinweist, nur für das vor dem Prätor abgelegte Geständnis des Beklagten vorgesehen25 und lässt sich mit dem Zwangseid bestenfalls dadurch in Verbindung bringen, dass das iusiurandum zuweilen neben der confessio genannt wird: D 42.1.56 Ulp 27 ed Post rem iudicatam vel iureiurando decisam vel confessionem in iure factam nihil quaeritur post orationem divi Marci, quia in iure confessi pro iudicatis habentur. Nach dem Erlass eines Urteils oder einer Entscheidung durch Eid oder einem Geständnis vor dem Prätor wird einer Entscheidung des göttlichen Marcus zufolge die Sache nicht untersucht, weil das Geständnis vor dem Prätor wie ein Urteil behandelt wird. D 12.2.38 Paul 37 ed Manifestae turpitudinis et confessionis est nolle nec iurare nec iusiurandum referre. Den Eid nicht leisten noch zurückschieben zu wollen, zeugt von handfester Sittenlosigkeit und einem Geständnis. 22

D 12.2.34.6; s. o. S. 117. Vgl. Demelius, Schiedseid, S. 16, 35, Lenel, EP, S. 236 u. Fn. 6, Fierich, Eideszuschiebung S. 78, Debray, Contribution à l’étude du serment nécessaire, NRH 32 (1908) 125, 156 ff., Amirante, Giuramento, S. 34, 66, Münks, Parteieid, S. 10, Wenger, Institutionen des römischen Zivilprozeßrechts, München 1925, S. 116, Kaser/Hackl, RZ, S. 269. 24 Biondi, Giuramento, S. 26 ff., 40 ff. 25 Vgl. Biondi, Giuramento, S. 34, der sich auf die einschlägigen Passagen in der lex Rubria (Kap. 21 Z. 19) beruft. 23

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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Die Aussage Ulpians kann ohne Weiteres dem freiwilligen Eid gelten,26 der als Prozessvertrag in seinen Wirkungen regelmäßig mit einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung im Verfahren verglichen wird.27 Dagegen steht bei Paulus der Bezug zum Zwangseid wegen des Hinweises auf die Zurückschiebung zwar fest.28 Dass die Weigerung zu Leistung oder Zurückschiebung des Eides als Geständnis gilt, ist jedoch eine überaus vage Aussage.29 Aus ihr kann man noch nicht auf die Äquivalenz der Rechtsfolgen schließen, zumal Paulus durch den Eid außer dem Eingeständnis der Schuld auch die Sittenlosigkeit des Beklagten bezeugt sieht, an die keine konkreten Rechtsfolgen geknüpft sind. Die Annahme, der Prätor habe den Beklagten auf dem Wege einer missio in bona gezwungen, widerspricht aber auch geradewegs der Darstellung der Rechtsfolgen einer Eideszuschiebung, wie sie in Ulpians Ediktskommentar zu finden ist: Dass der Prätor selbst Zwang auf den Beklagten ausübt, heißt es dort nirgends. Stattdessen erwähnt Ulpian eine eigene Handlung des Prätors nur in dem Fall, dass der Kläger den Eid zugeschoben, sich dann aber geweigert hat, selbst den Kalumnieneid abzulegen. Unter diesen Umständen soll der Prätor die Gewährung der Klage ebenso verweigern wie in dem Fall, dass der Kläger dem Beklagten den Eid in iure erlassen hat: D 12.2.37 Ulp 33 ed Si non fuerit remissum iusiurandum ab eo qui detulerit, sed de calumnia non iuratur, consequens est, ut debeat denegari ei actio: sibi enim imputet, qui processit ad delationem iurisiurandi nec prius de calumnia iuravit, ut sit iste remittendi similis. Ist der Eid von demjenigen, der ihn zugeschoben hat, nicht erlassen worden und wird nicht geschworen, dass keine Schikane vorliege, ist es folgerichtig, dass ihm die Klage verweigert werden muss. Wer zur Eideszuschiebung geschritten ist und nicht vorher geschworen hat, dass keine Schikane vorliege, muss sich nämlich selbst zuschreiben, dass er demjenigen gleichsteht, der den Eid erlassen hat.

Im Übrigen berichtet Ulpian von der Tätigkeit des iudex, der den Parteien im Rahmen seines Ermessens bei der Formulierung des Eides behilflich sein soll: D 12.2.34.5 Ulp 26 ed Si de qualitate iuramenti fuerit inter partes dubitatum, conceptio eius arbitri iudicantis est. Haben die Parteien Zweifel bei der Abfassung des Eides, liegt sie im Ermessen des Richters.

Dies gilt insbesondere für die Frage, wie ein Eid beschaffen sein soll, wenn der Beklagte ihn zurückschiebt; denn durch die Umkehrung des Eidesthemas ändert sich 26 Debray, NRH 32 (1908), 125, 133, 139 hält sie zudem zu Recht für wenig ergiebig. Amirante, Giuramento, S. 32 spricht ihr die Aussagekraft deshalb ab, weil der Hinweis auf das iusiurandum und die Begründung interpoliert seien. 27 s. o. S. 92 ff. 28 Aus dem gleichen Grund kann man den Text auch nicht ohne Weiteres mit Demelius, Schiedseid, S. 90 auf die actio rerum amotarum zu beziehen. 29 Biondi, Giuramento, S. 70 f. hält sie gar für interpoliert.

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3. Kap.: Der Zwangseid

der Gegenstand und bei einer Personenmehrheit unter Umständen auch das in der Eidesformel genannte Subjekt: D 12.2.34.8 Ulp 26 ed Non semper autem consonans est per omnia referri iusiurandum quale defertur, forsitan ex diversitate rerum vel personarum quibusdam emergentibus, quae varietatem inducunt: ideoque si quid tale inciderit, officio iudicis conceptio huiuscemodi iurisiurandi terminetur. Nicht immer ist es aber angebracht, den Eid genauso zurückzuschieben, wie er zugeschoben worden ist, etwa wenn durch den Wechsel von Sachen oder Personen ein Unterschied auftritt. Daher muss, wenn etwas Derartiges geschieht, die Fassung eines solchen Eides nach dem Ermessen des Richters bestimmt werden.

Ist es der iudex, der bei der Abfassung einer sachgemäßen Eidesformel mitwirkt, können der erstmalig zu- oder der zurückgeschobene Eid nicht vor dem Prätor geleistet werden. Zwar kann die Weigerung des Klägers, den zurückgeschobenen Eid zu leisten, nach dem Zeugnis von D 12.2.34.730 zu einer denegatio actionis führen. Lehnt der Kläger die Eidesleistung aber nicht von vornherein ab, kann der zurückgeschobene Eid ebenso wie der erstmalig zugeschobene erst nach der Streitbefestigung vor dem Richter erfolgen, der dann auch über die Wirkung des Eides befindet. Eben dies sagt Ulpian im Fortgang des Textes: D 12.2.34.9 Ulp 26 ed Cum res in iusiurandum demissa sit, iudex iurantem absolvit: referentem audiet et, si actor iuret, condemnet reum: nolentem iurare reum si solvat, absolvit, non solventem condemnat: ex relatione non iurante actore absolvit reum. Ist eine Sache zum Gegenstand eines Eides gemacht worden, spricht der Richter denjenigen, der schwört, frei. Demjenigen, der den Eid zurückschiebt, leistet er Folge, und wenn der Kläger geschworen hat, verurteilt er den Beklagten. Denjenigen Beklagten, der nicht schwören will, spricht er frei, wenn er leistet; denjenigen, der nicht leistet, verurteilt er. Schwört der Kläger auf die Zurückschiebung des Eides nicht, spricht er den Beklagten frei.

Ob der Beklagte verurteilt oder freigesprochen wird, hängt von seiner Reaktion auf die in iure erfolgte Zuschiebung des Eides ab: Leistet er diesen, wird er ebenso freigesprochen wie in dem Fall, dass er den Eid dem Kläger zurückschiebt und dieser seinerseits nicht schwören will. Dagegen kommt es zu einer Verurteilung, wenn der Kläger den zurückgeschobenen Eid leistet. Dem Beklagten bleiben sowohl die Leistung und Zurückschiebung des Eides als auch die Verurteilung erspart, wenn er die vom Kläger geforderte Leistung erbringt. Sieht man in dem überlieferten Ulpiantext ein Zeugnis des klassischen Rechts, obliegt der Zwang zu Eid oder Leistung, den der Prätor in seinem Edikt verheißt, also nicht ihm selbst, sondern dem Richter. Und das Mittel, mit dem der Prätor diesen Zwang auslöst, kann nur die Gewährung einer gewöhnlichen Klage auf Leistung sein. Nur sie bietet Raum für die verschiedenen Lösungsvarianten, die sich aus den möglichen Entscheidungen der Parteien über Eidesleistung oder Erfüllung ergeben. Bei Einschaltung einer exceptio iuris30

s. o. S. 120.

I. Der Eid nach dem Edikt si certum petetur

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iurandi wäre dagegen keine Rücksicht auf die Leistung des Beklagten oder die Zurückschiebung des Eides möglich; und die Gewährung einer actio ex iureiurando ließe keinen Platz für einen Freispruch aufgrund der Leistung des dem Beklagten zugeschobenen Eides. Demgegenüber kann der Richter die weitere Entwicklung in jeder Hinsicht berücksichtigen, wenn er lediglich prüfen soll, ob das von der gewöhnlichen Klageformel geforderte ,dare oportere‘ vorliegt: Er verneint es, wenn der Beklagte die geforderte Leistung erbringt oder den Eid schwört, weil in beiden Fällen die mangelnde Verpflichtung des Beklagten feststeht. Und er bejaht das ,dare oportere‘, wenn der Beklagte untätig bleibt oder der Kläger auf die Zurückschiebung des Eides seinen Anspruch beschwört, in diesem Fall, weil das ,dare oportere‘ so als bewiesen gilt, im anderen Fall, weil die Untätigkeit des Beklagten als Eingeständnis seiner Verpflichtung gilt. Zu einem spiegelverkehrten Ergebnis muss er dagegen kommen, wenn der zurückgeschobene Eid nicht geleistet wird; hier ist es die fehlende Reaktion des Klägers, die das Eingeständnis eines fehlenden ,dare oportere‘ bedeutet, so dass der Beklagte freigesprochen werden muss.31 Zu Ulpians Darstellung des Verfahrens, in dem der Zwangseid abgenommen wird, passt auch die von den Kompilatoren an die Spitze des Digestentitels 12.2 gestellte Bemerkung Gaius’: D 12.2.1 Gai 5 ed prov Maximum remedium expediendarum litium in usum venit iurisiurandi religio, qua vel ex pactione ipsorum litigatorum vel ex auctoritate iudicis deciduntur controversiae. Als das beste Mittel zur Auflösung von Streitigkeiten hat man sich die Ehrfurcht vor dem Eid dienstbar gemacht, durch den aufgrund einer Vereinbarung der Parteien oder der Amtsgewalt des Richters Streitigkeiten entschieden werden.

Während der Hochklassiker den freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando als das Ergebnis einer Vereinbarung der Parteien betrachtet, führt er den Zwangseid auf die auctoritas iudicis zurück. Ist es der Richter, der den Eid nach dem Edikt si certum petetur abnimmt, ist diese Behauptung durchaus treffend. Sie bedarf daher auch keiner Erklärung aus den Besonderheiten des Provinzialverfahrens32. Die Echtheit der Quellen, in denen von der Mitwirkung des Richters bei der Eidesleistung und seiner Entscheidung über deren Wirkungen die Rede ist, wird seit Demelius mit der Begründung bestritten, hier sei nachträglich der Abschaffung des Formularprozesses Rechnung getragen, in dem die Rolle des Prätors vom Richter

31 Ist die Eidesleistung für eine der Parteien wegen ihrer Stellung oder körperlichen Verfassung beschwerlich, muss der Richter das Verfahren in ihrem Haus weiterführen; vgl. D 12.2.15 Paul 6 ed: Ad personas egregias eosque qui valetudine impediuntur domum mitti oportet ad iurandum. („Bei hochgestellten Personen und solchen, die wegen Krankheit verhindert sind, muss das Verfahren zur Eidesleistung in ihr Haus verlegt werden.“) Paulus kann hier nur den Zwangseid meinen, da der freiwillige Eid ohne Weiteres außergerichtlich geschworen werden könnte. 32 Hierauf versucht Münks, Parteieid, S. 30 Gaius’ Äußerung zurückzuführen.

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3. Kap.: Der Zwangseid

übernommen wird.33 Diese Annahme baut aber auf der Prämisse auf, der streitentscheidende Eid sei im klassischen Formularverfahren allein durch den Prätor im Verfahren in iure berücksichtigt worden. Diese Prämisse hat sich schon für den Eid nach dem Edikt de iureiurando als unrichtig, vielmehr gerade das Gegenteil als korrekt erwiesen, nämlich dass der freiwillige Eid in vielen Fällen allein vom Richter und ohne Anhaltspunkt im Formular der erteilten Klage und auch dann berücksichtigt wird, wenn er erst in oder während der Verhandlung vor dem iudex geschworen wird.34 Dementsprechend gibt es auch beim Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur keinen Grund, einen Schwur vor dem Richter und seine Beurteilung durch ihn von vornherein auszuschließen. Dann bliebe auch völlig ungeklärt, warum die nachklassischen oder justinianischen Bearbeiter nicht auch in den anderen Quellen oder zumindest in den Auszügen aus Ulpians Ediktskommentar den Prätor durch den iudex ersetzt haben. Echtheitszweifel an der Schilderung seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Zwangseid können daher allein aus dem Wortlaut des prätorischen Edikts herrühren, in dem der Gerichtsmagistrat ja verkündet, den Beklagten zu Leistung oder Eid zu zwingen. Damit ist aber keineswegs gemeint, dass der Prätor beides erzwingen will, sondern nur, dass er den Beklagten nötigt, eines von beidem zu tun.35 Und genau dies veranlasst der Prätor ja auch, indem er die Klage gewährt und so für die Verurteilung des Beklagten durch den Richter sorgt, falls sowohl der Eid als auch die Leistung ausbleiben.36

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid Der Eid nach dem Edikt si certum petetur ist nicht der einzige Zwangseid, den das klassische Recht kennt. Dass er zumindest in der Provinzialpraxis auch bei ganz anderen Klagen vorkommt, die nicht auf ein certum gerichtet sind, deutet ein Passus

33

Vgl. Demelius, Schiedseid, S. 27, 88, 141 ff., Biondi, Giuramento, S. 59 ff.; vorsichtig Debray, NRH 32 (1908) 125, 140 ff.; anders dagegen Fierich, Eideszuschiebung, S. 106 ff. 34 s. o. S. 107 ff. 35 Insoweit richtig Amirante, Giuramento, S. 65. 36 Gegen diese Rekonstruktion des Verfahrens lässt sich auch nicht der folgende Auszug aus Paulus’ Kommentar ad Plautium anführen: D 5.1.28.2 Paul 2 Plaut: Ex quibus autem causis non cogitur legatus iudicium accipere, nec iurare cogendus est se dare non oportere, quia hoc iusiurandum in locum litis contestatae succedit. („In den Fällen, in denen ein Gesandter nicht gezwungen werden kann, sich auf einen Prozess einzulassen, kann er auch nicht gezwungen werden, zu schwören, dass er nicht leisten muss, weil dieser Eid die Stelle der Streitbefestigung einnimmt.“) Zwar ist es strenggenommen nicht richtig, davon zu sprechen, dass der Eid den Platz der Streitbefestigung einnimmt, wenn er erst nach dieser geschworen wird. Worum es Paulus hier geht, ist jedoch, schon der Eideszuschiebung an den Gesandten die Wirkung zu versagen, weil der Eideszwang den Gesandten, der Recht auf Verweisung des Rechtsstreits an sein Heimatgericht hat, in gleicher Weise treffen würde wie die Durchführung eines gewöhnlichen Rechtsstreits.

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid

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in der lex rivi Hiberiensis an.37 Zumindest im prätorischen Edikt ist der Zwangseid aber nicht sehr häufig vorgesehen; und auch in der römischen Praxis ist er noch seltener, als man in der modernen Forschung gemeinhin annimmt. Hier glaubt man seit Demelius, der Zwang zum Eid werde außer bei einer Klage nach dem Edikt si certum petetur auch bei der actio operarum38 ausgeübt,39 kann sich dabei aber lediglich auf die Bemerkung Ulpians in D 12.2.34pr stützen, der Zwangseid könne auch dann zugeschoben werden, wenn eine Dienstleistung eingeklagt wird (,etiam de operis iusiurandum deferri potest‘)40. Versteht man den vorangehenden Satz, der Eid komme bei Geld und allen anderen Anspruchsgegenständen zum Zuge (,iusiurandum et ad pecunias et ad omnes res locum habet‘) in dem Sinne, dass es um die alle möglichen Klageziele der condictio geht,41 kann man die Aussage zu den operae aber nicht anders deuten und muss davon ausgehen, dass Ulpian auch hier die condictio und nicht die actio operarum meint. Auch die Texte über einen Zwangseid beim constitutum lassen keinen sicheren Schluss darauf zu, dass bei der hieraus entspringenden Klage ein Eid in gleicher Weise wie nach dem Edikt si certum petetur erzwungen wird. Nur die Fernwirkung eines solchen Eides beschäftigt Papinian in D 13.5.25.1 Pap 8 quaest: Si iureiurando delato deberi tibi iuraveris, cum habeas eo nomine actionem, recte de constituta agis. sed et si non ultro detulero iusiurandum, sed referendi necessitate compulsus id fecero, quia nemo dubitat modestius facere qui referat, quam ut ipse iuret, nulla distinctio adhibetur, tametsi ob tuam facilitatem ac meam verecundiam subsecuta sit referendi necessitas. Hast du, nachdem ich dir den Eid angetragen habe, geschworen, dir werde geschuldet, kannst du, weil dir deshalb eine Klage zusteht, zu Recht aus der Erfüllungszusage klagen. Aber auch wenn ich dir den Eid nicht aus eigener Initiative, sondern zu seiner Zurückschiebung gezwungen worden bin, weil zweifellos anständiger ist, wer zurückschiebt statt selbst zu schwören, macht dies keinen Unterschied, obwohl der Zwang zur Zurückschiebung sich aus deiner Leichtsinnigkeit und meinem Anstandsgefühl ergeben hat.

Papinian behandelt außer dem freiwilligen auch einen Zwangseid,42 den der Beklagte aus Anstandsgefühl dem Kläger zurückgeschoben hat43. Die Klage aus 37 Hierzu Nörr, Prozessuales (und mehr) in der lex rivi Hiberiensis, SZ 125 (2008) 108, 163 f., der die Befugnis zur Zuschiebung eines Zwangseides hier mit dessen restriktiver Geltung im prätorischen Edikt dadurch in Einklang bringen möchte, dass er annimmt, die Eideszuschiebung knüpfe an die Verpflichtung zur Zahlung einer genau bestimmten Strafsumme an. 38 Zu ihr s. o. S. 71. 39 Demelius, Schiedseid, S. 40 ff., Kaser/Hackl, RZ, S. 268 Fn. 19, Waldstein, Operae libertorum, S. 348, Münks, Parteieid, S. 42. 40 s. o. S. 120 f. 41 Insoweit richtig Demelius, Schiedseid, S. 38 f. 42 Schon dies stellt Amirante, Giuramento, S. 73 in Abrede, indem er den Text ab ,sed et si‘ für interpoliert erklärt.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Konstitut, die er in beiden Fällen erwägt, folgt jedoch gerade nicht aus dem geleisteten Schwur. Vielmehr stellt Papinian lediglich klar, dass sie nicht durch den Eid ausgeschlossen wird,44 der, wenn er freiwillig geleistet wird, die actio ex iureiurando begründet und, wenn er auf seine Zurückschiebung vom Kläger geschworen wird, zur Verurteilung des Beklagten aus der condictio führt45. Nicht völlig ausgeschlossen ist der Bezug des Zwangseides zur actio de pecunia constituta dagegen in D 12.2.14 Paul 3 ed: Quotiens propter rem iuratur, nec parenti nec patrono remittitur iusiurandum: propter rem autem iusiurandum exigitur veluti de pecunia credita, cum iurat actor sibi dari oportere vel reus se dare non oportere. idem est, cum de pecunia constituta iusiurandum exigitur. Immer wenn in Vermögensstreitigkeiten geschworen wird, wird weder Verwandten noch dem Patron der Eid erlassen. In einer Vermögensstreitigkeit wird der Eid aber beispielsweise wegen geliehenen Geldes abgenommen, wenn der Kläger schwört, dass ihm geleistet werden müsse, oder der Beklagte, dass er nicht leisten müsse. Dasselbe gilt, wenn ein Eid über einen zugesagten Betrag abgenommen wird.

Trotz des Gebots der reverentia soll einem Patron, der mit seinem Freigelassenen in Streit liegt, oder einem Verwandten der anderen Partei der Eid nicht erlassen werden, wenn er in einer Vermögensangelegenheit zu- oder zurückgeschoben wird. Die angehängte Aussage, dasselbe gelte bei einem Schwur de pecunia constituta, kann bedeuten, dass auch bei der einschlägigen Klage ein Eid gefordert und dem Eidespflichtigen hier ebenfalls nicht erlassen wird.46 Näher liegt freilich anzunehmen, dass mit der pecunia constituta allein die Forderung beschrieben ist, die zum Gegenstand des Eides gemacht und auch eine Vermögensangelegenheit ist; dann würde sich der Eid ebenso wie in D 13.5.25.1 doch auf die mit der condictio geltend zu machende Hauptforderung und nicht die Verpflichtung aus dem Konstitut beziehen. Als einziger Beleg für einen Zwangseid bei der actio de pecunia constituta kann die undeutliche Aussage D 12.2.14 kaum genügen, bedenkt man, dass nicht nur der Schwur nach dem Edikt si certum petetur, sondern auch zwei weitere Zwangseide jeweils gleich durch mehrere Texte belegt sind. Es sind der Schwur über die Entwendung einer Sache, die im Wege der actio rerum amotarum gefordert wird, und der Eid, mit dem der mit einer Noxalklage belangte Beklagte schwört, den der Tat verdächtigen Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben.

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Hierzu s. o. S. 52. Insoweit richtig Amirante, Giuramento, S. 74, der freilich von einer Interpolation des zweiten Textteiles ausgeht, sowie Demelius, Schiedseid, S. 65 f. und Babusiaux, Papinians Quaestiones, München 2011, S. 219, die aber annehmen, die actio ex iureiurando komme stets auch beim Zwangseid zum Zuge. 45 s. o. S. 128 ff. 46 So verstehen den Text Demelius, Schiedseid, S. 68 f., Amirante, Giuramento, S. 73. 44

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid

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1. Der Eid über den Sklavenbesitz bei der Noxalklage Von dem Zwangseid, der dem Beklagten bei einer Noxalklage auferlegt wird, ist sogar die einschlägige Anordnung des prätorischen Edikts überliefert: D 9.4.21.2, 3 Ulp 23 ed Praetor ait: ,si is in cuius potestate esse dicetur negabit se in sua potestate servum habere: utrum actor volet, vel deierare iubebo in potestate sua non esse neque se dolo malo fecisse, quo minus esset, vel iudicium dabo sine noxae deditione.‘ (3) ,in potestate‘ sic accipere debemus, ut facultatem et potestatem exhibendi eius habeat: ceterum si in fuga sit vel peregre, non videbitur esse in potestate. Der Prätor sagt: „Bestreitet derjenige, von dem behauptet wird, er habe den Sklaven in seiner Gewalt, dass er ihn in seiner Gewalt habe, werde ich nach der Wahl des Klägers entweder anordnen, dass er schwört, den Sklaven nicht in seiner Gewalt und auch nicht arglistig bewirkt zu haben, dass er sich nicht darin befindet, oder eine Klage ohne Auslieferungsklausel gewähren.“ (3) „In der Gewalt“ müssen wir so verstehen, dass er die Fähigkeit und Macht hat, ihn vorzuführen. Ist er dagegen auf der Flucht oder im Ausland, befindet er sich nicht in der Gewalt.

Vom Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur unterscheidet sich der dem Noxalbeklagten auferlegte Eid in zweifacher Hinsicht: Zum einen kann er vom Kläger nur dann beantragt werden, wenn der Beklagte sich mit einem bestimmten Einwand verteidigt, nämlich mit der Behauptung, den deliktischen Sklaven nicht in seiner Gewalt und auch nicht arglistig bewirkt zu haben, dass er sich nicht darin befindet. Zum anderen kann der Kläger als Alternative zum Schwur auch die Erteilung der Klage ohne Auslieferungsklausel begehren. Der Beklagte kann sich in diesem Fall gegen die Feststellung seiner Verpflichtung zur Bußpflicht wehren, indem er das haftungsbegründende Verhalten des Sklaven in Abrede stellt oder auf seiner Behauptung beharrt, den Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben. Denn die Noxalhaftung, die nicht nur den Eigentümer, sondern auch den Besitzer nach guter Treue47 und sogar den bösgläubigen Besitzer48 trifft, setzt voraus, dass sich der deliktische Sklave in der Gewalt des Beklagten befindet oder sich dieser ihrer arglistig begeben hat: 47

D 9.4.11 Ulp 7 ed: Bona fide servi possessor eius nomine furti actione tenebitur, dominus non tenetur. sed noxae dedendo non facit quidem actoris: cum autem coeperit istum servum dominus vindicare, doli exceptione summovebitur vel officio iudicis consequetur, ut indemnis maneat. („Wer einen Sklaven nach guter Treue besitzt, haftet seinetwegen mit der Diebstahlsklage, der Eigentümer haftet nicht. Aber durch die Auslieferung macht er den Kläger nicht zum Eigentümer. Verlangt dann aber der Eigentümer diesen Sklaven heraus, wird er mit der Arglisteinrede überwunden, oder er hält den Besitzer nach richterlichem Ermessen schadlos.“) 48 D 9.4.13 Gai 13 ed prov: Non solum adversus bona fide possessorem, sed etiam adversus eos qui mala fide possident noxalis actio datur: nam et absurdum videtur eos quidem qui bona fide possiderent excipere actionem, praedones vero securos esse. („Nicht nur gegen einen Besitzer nach guter Treue, sondern auch gegen diejenigen, die bösgläubig besitzen, wird die Noxalklage gegeben. Denn es wäre widersinnig, wenn sich zwar Besitzer nach guter Treue auf die Klage einlassen müssten, bösgläubige Besitzer aber vor einer Inanspruchnahme sicher wären.“)

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3. Kap.: Der Zwangseid

D 9.4.21pr. Ulp 23 ed Quotiens dominus ex noxali causa convenitur, si nolit suscipere iudicium, in ea causa res est, ut debeat noxae dedere eum, cuius nomine iudicium non suscipitur: aut si id non faciat, iudicium suscipiet omnimodo, sed non alias condemnabitur, quam si in potestate habeat dolove malo fecerit, quo minus haberet. Wird ein Eigentümer mit einer Noxalklage belangt, verhält es sich, wenn er sich auf den Rechtsstreit nicht einlassen will, so, dass er denjenigen, dessentwegen er sich nicht auf den Prozess eingelassen hat, ausliefern muss. Oder er wird sich, wenn er dies nicht tut, jedenfalls auf den Rechtsstreit einlassen, aber nur dann verurteilt, wenn er den Sklaven in seiner Gewalt oder arglistig bewirkt hat, dass er ihn nicht hat.

Kann der Kläger den Beklagten seines Besitzes an dem Sklaven überführen und auch den Nachweis von dessen Tat erbringen, wird der Beklagte, weil er den ihm zugeschobenen Eid nicht geschworen hat, unbedingt zur Bußleistung verurteilt; er hat keine Möglichkeit, sich der Zahlung durch Auslieferung des Sklaven zu entziehen:49 D 9.4.22.4 Paul 18 ed Si negavit dominus in sua potestate esse servum, permittit praetor actori arbitrium, utrum iureiurando id decidere an iudicium dictare sine noxae deditione velit, per quod vincet, si probaverit eum in potestate esse vel dolo eius factum, quo minus esset: qui autem non probaverit in potestate adversarii esse servum, rem amittit. Bestreitet der Eigentümer, dass sich der Sklave in seiner Gewalt befindet, überlässt es der Prätor der Wahl des Klägers, ob er die Sache durch Eid entschieden wissen oder die Klage ohne Auslieferungsklausel erheben will; mit dieser obsiegt er, wenn er beweist, dass sich der Sklave in der Gewalt des Klägers befindet oder es durch dessen Arglist geschehen ist, dass er sich nicht darin befindet. Wer aber nicht beweist, dass sich der Sklave in der Gewalt des Gegners befindet, verliert den Rechtsstreit.

Die Verurteilung erfolgt ohne Auslieferungsvorbehalt, obwohl feststeht, dass der Beklagte den Sklaven entgegen seiner Behauptung doch in seiner Gewalt hat und daher ausliefern könnte. Indem der Prätor ihm die Möglichkeit nimmt, sich durch Überlassung des Sklaven an den Kläger zu befreien, nimmt er ihn zur Strafe für seine Lüge bei seinem unrichtigen Wort, den Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben. Träfe dies zu, wäre die Verurteilung zur Auslieferung nämlich von vornherein sinnlos. Leistet der Beklagte den Eid,50 den Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben, führt dies zwar zu einer denegatio der vom Kläger angestrebten Noxalklage. Der Schwur 49 Lenel, EP, S. 167 nimmt an, diese Verurteilungsbedingung sei Gegenstand einer Klausel, die nur für den Fall in die Klage aufgenommen werde, dass der Sklave nicht vorgeführt worden ist. 50 Bei einem Beklagten, der in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist, muss der Eid durch den Vormund oder Pfleger geleistet werden, bei der Verteidigung durch einen Prozessvertreter durch den Eigentümer des Sklaven selbst; vgl. D 9.4.21.5 Ulp 23 ed: Si tutor vel curator extent, ipsi iurare debent in potestate domini non esse: si autem procurator sit, dominus ipse iuret necesse est. („Treten ein Vormund oder Pfleger auf, müssen sie selbst schwören, dass sich der

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid

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des Beklagten hat jedoch keine Fernwirkung und führt nicht dazu, dass auch einer künftigen Klage die exceptio iurisiurandi entgegensteht. Denn die Noxalhaftung fußt auf dem Besitz an dem Sklaven im Zeitpunkt der Klageerhebung. Für eine spätere Klage kann der frühere Eid des Beklagten daher nichts ausgeben: D 9.2.23 Gai 6 ed prov Sed et si postea adversarius eius in potestate habere coeperit servum, tenetur ex nova possessione denegata ei exceptione. Aber wenn der Gegner den Sklaven später wieder in seiner Gewalt hat, haftet er aufgrund seines neuen Besitzes und ihm wird die Einrede verweigert. D 9.4.21.6 Ulp 23 ed Si iusiurandum exegit actor reusque iuravit, deinde postea noxali velit actor experiri, videndum est, an exceptio iurisiurandi debeat adversus actorem dari. et Sabinus putat non esse dandam, quasi de alia re sit iuratum, hoc est tunc non fuisse in potestate: modo vero cum in potestate deprehendatur, de facto eius posse agi. Neratius quoque dicebat post exactum iusiurandum posse actorem detracta noxae deditione experiri, si modo hoc contendat, posteaquam iuratum est coepisse in potestate habere. Hat der Kläger einen Eid verlangt und der Beklagte ihn geschworen und will der Kläger später die Noxalklage erheben, stellt sich die Frage, ob gegen den Kläger die Einrede des Eides gewährt werden muss. Und Sabinus glaubt, sie sei nicht zu gewähren, weil über eine andere Sache geschworen worden sei, nämlich dass er sich damals nicht in seiner Gewalt befand. Ergreife man ihn jetzt in seiner Gewalt, könne man wegen des Delikts klagen. Neraz sagt auch, der Kläger könne nach der Eidesleistung ohne Auslieferungsklausel klagen, falls er vortrage, der Beklagte habe den Sklaven erst, nachdem geschworen worden ist, in seine Gewalt bekommen.

Nach Ansicht von Neraz kehrt sich der frühere Eid sogar gegen den Beklagten, weil die weitere Klage wiederum ohne Auslieferungsklausel gewährt werden soll. Sein Schwur, den deliktischen Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben, zwingt den Beklagten, der sich die Möglichkeit der noxae deditio offenhalten will, also dazu, den Sklaven, wenn er wieder seiner Herr wird, von sich aus dem Kläger vorzuführen und sich dann auf dessen Klage einzulassen. Sonst wird er auch hier an seiner früheren Behauptung festgehalten, den Sklaven nicht in seiner Gewalt zu haben, und muss seine unbedingte Verurteilung zur Bußleistung hinnehmen. Weicht der Eid, der dem Beklagten bei einer Noxalklage auferlegt wird, in seinen Wirkungen zwangsläufig von dem Eid nach dem Edikt si certum petetur ab, unterscheidet sich das Eidesverfahren doch nicht wesentlich.51 Die einzigen beiden Texte, die hierüber Auskunft geben, lassen den Schluss zu, dass der Eid, wenn sich der Kläger für ihn entschieden hat, nicht vor dem Prätor, sondern vor dem iudex Sklave nicht in der Gewalt des Eigentümers befinde. Tritt aber ein Prozessvertreter auf, muss der Eigentümer selbst schwören.“) 51 Anders sieht dies naturgemäß Amirante, Giuramento, S. 82, der schon für den Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur annimmt, der Prätor verfüge bei mangelnder Eidesleistung zugunsten des Klägers eine missio in bona.

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3. Kap.: Der Zwangseid

geleistet werden muss und seine Verweigerung im Fall der Feststellung von Tat und Sklavenbesitz die unbedingte Verurteilung des Beklagten zur Folge hat: D 9.4.21.4 Ulp 23 ed Quod si reus iurare nolit, similis est ei, qui neque defendit absentem neque exhibet: qui condemnantur quasi contumaces. Will der Beklagte nicht schwören, verhält es sich ähnlich wie bei demjenigen, der einen Abwesenden weder verteidigt noch vorführt. Solche Personen werden nämlich wegen Ungehorsams gegenüber dem Gericht verurteilt. D 9.4.22.3 Paul 18 ed Dominus, qui servum in sua potestate esse confitetur, aut exhibere eum debet aut absentem defendere: quod nisi faciat, punitur atque si praesentem non noxae dederit. Gesteht der Eigentümer, dass sich der Sklave in seiner Gewalt befindet, muss er ihn entweder vorführen oder ihn in seiner Abwesenheit verteidigen. Tut er dies nicht, wird er so bestraft, als hätte er den anwesenden Sklaven nicht ausgeliefert.

Dass ein Beklagter wegen Missachtung des Gerichts in der Sache verurteilt wird, ist eigentlich eine Erscheinung des Kognitionsverfahrens.52 Spricht Ulpian hiervon im Zusammenhang mit dem Eid bei der Noxalklage, kann dies nur bedeuten, dass der Beklagte, wenn er den vom Kläger zugeschobenen Eid nicht leistet, ohne Auslieferungsklausel verurteilt wird. Genau dies ist auch die Rechtsfolge, die laut Paulus in dem Fall eingreift, der Ulpian zufolge demjenigen der mangelnden Eidesleistung gleichsteht, nämlich dass der Beklagte den verdächtigen Sklaven weder ausliefert noch verteidigt.53 Der Prätor verfährt bei Verweigerung des zugeschobenen Eides demnach ebenso wie in dem Fall, dass der Kläger sich statt für den Eid für die Gewährung der Klage entscheidet: Er erteilt die Klage ohne Auslieferungsklausel und überlässt es dem iudex, im Fall des Schwures die Klagevoraussetzung des ,in potestate habere‘ zu verneinen und die Klage abzuweisen oder den Beklagten zu verurteilen, weil wegen der Weigerung zum Eid die klägerische Behauptung feststeht. Ähnlich zum Eid nach dem Edikt si certum petetur ist auch die Motivation zur Eideszuschiebung, die beim Schwur im Noxalverfahren auf der Hand liegt: Der Kläger kann nur schwer überprüfen, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, dass er den Sklaven nicht in seiner Gewalt und sich seiner auch nicht arglistig begeben hat.54 Dementsprechend gering sind seine Aussichten, diese Verurteilungsvoraussetzung nachzuweisen. Durch Zuschiebung des Eides erlangt er, wenn der Schwur geleistet wird, zumindest einen Ehrgewinn und kann außerdem noch darauf hoffen, dass der Beklagte sich dann doch nicht zum Schwur bereitfindet und verurteilt wird. Indem der Prätor den Beklagten zum Eid oder zur Einlassung auf eine Klage oder 52

Vgl. D 42.1.53 Herm 1 iur epit, CJ 7.43.4 (a. 244), CJ 7.43.5 (Philippus Arabs). Für seine abweichende Ansicht muss Amirante, Giuramento, S. 78 f. unterstellen, Paulus habe im Original nicht punitur, sondern ducitur geschrieben. 54 Richtig Demelius, Schiedseid, S. 63. 53

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid

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Auslieferungsklausel zwingt, hilft er einer spezifischen Beweisnot des Klägers ab, die bei der anderen Verurteilungsvoraussetzung: der Tat des beschuldigten Sklaven, nicht besteht. Daher sieht er weder einen Zwang zu einem weiteren hierauf bezogenen Tatsacheneid noch eine Pflicht zum Rechtseid über die Noxalverbindlichkeit insgesamt vor. Und die Juristen erwägen anders als beim Eid nach dem Edikt si certum petetur auch keine Zurückschiebung des Schwures, weil der Beklagte ja gerade in keiner Beweisnot ist, sondern selbst dann, wenn der Kläger zumindest Anzeichen für die Gewalt des Klägers über den Sklaven beibringt, seine gegenläufige Behauptung, falls sie richtig ist, immer noch leicht beweisen kann. 2. Der Eid bei der actio rerum amotarum In seinem Thema ähnlich begrenzt und ohne Möglichkeit zur Zurückschiebung ist auch der Schwur eines geschiedenen Ehepartners, der wegen der Entwendung einer Sache seines ehemaligen Gatten in Anspruch genommen wird. Dass dieser Schwur nicht nur freiwillig geleistet,55 sondern vom Prätor auch erzwungen wird, verrät von den Fragmenten im Digestentitel 12.2 nur ein unscheinbarer Text. Er stammt aus dem zehnten Buch von Ulpians Ediktskommentar und handelt vom obsequium, das einer Freigelassenen als Ehefrau ihres Freilassers obliegt: D 12.2.16 Ulp 10 ed Si patronus libertam suam uxorem duxerit, non compelletur iurare de rerum amotarum iudicio. sed et si ipse deferat iusiurandum libertae suae, de calumnia non debet iurare. Hat ein Freilasser seine Freigelassene geheiratet, wird er nicht gezwungen, über die Klage wegen entwendeter Sachen zu schwören. Aber auch wenn er selbst seiner Freigelassenen den Eid anträgt, muss er nicht schwören, dass keine Schikane vorliege.

Nimmt die Freigelassene ihren Ehemann wegen Sachentwendung in Anspruch, leistet der Prätor ihrer Zuschiebung des Eides an den Ehemann ebensowenig Folge wie ihrem Antrag auf einen Kalumnieneid in dem umgekehrten Fall, dass der Ehemann die Freigelassene wegen Sachentwendung belangt und ihr den Eid zuschiebt.56 Der Fall wird anders behandelt als die Zuschiebung eines Eides über eine Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehens, für den Paulus in D 12.2.14 eine Befreiung des Freilassers von der Eidespflicht ablehnt. Denn der Vorwurf der Sachentwendung ist ehrverletzender als die Behauptung, der Freilasser habe ein Darlehen nicht zurückgezahlt. Dementsprechend darf er nicht ohne Verstoß gegen die von der Freigelassenen geschuldete reverentia zum Gegenstand eines Eides werden.

55

Hierzu s. o. S. 61 ff. Dieser zweite Fall könnte die Grundlage für den verkürzten Auszug in D 37.15.7.3 gebildet haben, den die Kompilatoren demselben Buch des ulpianischen Ediktskommentars entnommen haben wollen: Nec deferentes iusiurandum de calumnia iurant. 56

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3. Kap.: Der Zwangseid

Das aus D 12.2.16 ablesbare Verfahrensschema entspricht dagegen dem des Zwangseides nach dem Edikt si certum petetur: Vom Ausnahmefall eines besonderen obsequium abgesehen, kann ein Kläger, der die kondiktionsähnliche57 actio rerum amotarum erhebt, dem Beklagten den Eid zuschieben, mit dem dieser seine Verpflichtung leugnet; der Kläger muss aber, wenn der Beklagte dies fordert, den Kalumnieneid leisten und schwören, dass er den Eid nicht nur zum Zwecke der Schikane anträgt. Außer durch D 12.2.16 ist dies auch durch einen Auszug aus dem Buch des Ediktskommentars belegt, in dem Ulpian die actio rerum amotarum behandelt: D 25.2.11.1 Ulp 33 ed Qui rerum amotarum instituit actionem si velit magis iusiurandum deferre, cogitur adversarius iurare nihil divortii causa amotum esse, dum prius de calumnia iuret qui iusiurandum defert. Will derjenige, der die Klage wegen entwendeter Sachen erhebt, lieber einen Eid zuschieben, wird sein Gegner gezwungen zu schwören, dass er wegen der Scheidung nichts entwendet hat, falls derjenige, der den Eid zuschiebt, zuvor geschworen hat, dass keine Schikane vorliege.

Anders als beim Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur ist aber keine Zurückschiebung des Eides möglich: D 25.2.11.3 Ulp 33 ed Si quis delatum sibi iusiurandum referre velit, non videtur praetor permisisse … Will jemand den ihm zugeschobenen Eid zurückschieben, lässt der Prätor dies nicht zu … D 25.2.12 Paul 7 brev … non magis quam si quis ei qui furti agat iusiurandum deferat, an ipse fur sit. … ebenso wenig, wie man demjenigen, der wegen Diebstahls klagt, den Eid darüber zuschieben kann, dass er selbst kein Dieb ist. D 25.2.13 Ulp 33 ed Ideo Labeo scribit mulieri non esse permittendum referre iusiurandum, et ita edictum ordinatum videtur. Daher schreibt Labeo, der Frau sei nicht zu gestatten, den Eid zurückzuschieben, und so ist offensichtlich auch das Edikt abgefasst.

Wie der von den Kompilatoren in den Ulpiantext eingeflochtene Beitrag des Paulus erkennen lässt, ist der Eid, den ein mit der Entwendungsklage belangter Ehegatte leisten muss, nicht als Rechtseid auf den Mangel seiner Verpflichtung gerichtet. Stattdessen ist es ein Tatsacheneid, mit dem der Beklagte bloß beschwört, die Tat nicht begangen zu haben. Als solcher kann der Eid auch nicht zurückgeschoben werden. Zwar lässt sich auch für ihn ein positives Pendant in Gestalt des Schwures konstruieren, der Beklagte habe die Tat doch begangen. Die Juristen er57

s. o. S. 62 Fn. 41.

II. Andere Fälle des Zwangs zum Eid

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wägen einen solchen Eid aber nicht. Stattdessen ziehen sie gleichsam als Absurditätsargument bloß den denkbaren Schwur des Klägers heran, seinerseits kein Delikt zulasten des Beklagten begangen zu haben, was für das Klageziel jedoch offensichtlich irrelevant ist. Dass der Eid nicht zurückgeschoben werden kann, führt Ulpian auf das Edikt zurück, woraus folgt, dass auch der Eid bei der actio rerum amotarum Gegenstand einer ediktalen Bestimmung ist58. Deren Grund ist ebenso wie beim Eid im Noxalverfahren die besondere Beweisnot des Klägers. Ihm gelingt der Nachweis, der andere Ehegatte habe eine Sache in Zueignungsabsicht an sich gebracht, wegen der tatsächlichen Vermischung der Vermögen beider Ehegatten nur selten.59 Umgekehrt bedarf der Beklagte keiner Entlastung, weil er die Tat nur leugnen muss und seine Unschuld auch dann, wenn der Kläger seinen Vorwurf auf gewisse Anhaltspunkte stützen kann, immer noch leichter dartun kann als der Kläger seine Schuld. Da dies nicht mehr für den Vater eines Ehegatten oder dessen Erben gilt, werden diese anders als der selbst belangte Ehegatte auch nicht zum Schwur gezwungen: D 25.2.11.2 Ulp 33 ed Iurare autem tam vir quam uxor cogetur. pater autem amoventis iurare non cogitur, cum iniquum sit de alieno facto alium iurare: is ergo cogitur iurare, qui amovisse dicitur. et idcirco nec heres eius, qui quaeve amovisse dicetur, iurare cogetur. Gezwungen zu schwören werden sowohl der Mann als auch die Frau. Der Vater desjenigen, der entwendet haben soll, wird jedoch nicht gezwungen zu schwören, da es ungerecht ist, über die Tat eines Dritten schwören zu müssen; es wird also derjenige gezwungen zu schwören, der entwendet haben soll. Und daher wird zum Schwur auch nicht der Erbe desjenigen gezwungen, von dem behauptet wird, dass er eine Sache entwendet habe.

3. Ein Zwangseid bei der Injurienklage? Von anderen Erwägungen hat sich der Prätor vielleicht bei dem nur dürftig dokumentierten Schwur im Rahmen der actio iniuriarum leiten lassen. Über seine Herkunft berichtet Ulpian in D 47.10.5.8 Ulp 56 ed: Hac lege [Cornelia] permittitur actori ius iurandum deferre, ut reus iuret iniuriam se non fecisse. sed Sabinus in adsessorio etiam praetores exemplum legis secuturos ait: et ita res se habet. Durch dieses [cornelianische] Gesetz wird dem Kläger gestattet, dass er den Eid zuschiebt, damit der Beklagte schwört, er habe keine Beleidigung begangen. Aber Sabinus schreibt in seinem Buch über die Assessur, auch die Prätoren seien dem Vorbild des Gesetzes gefolgt, und so verhält es sich auch.

58 59

Vgl. Lenel, EP, S. 310. Richtig Demelius, Schiedseid, S. 61.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Dass die Prätoren die von der lex Cornelia de iniuriis für das Kriminalverfahren zugelassene Eideszuschiebung zum Vorbild für andere Fälle genommen haben, kann nur bedeuten, dass sie einen Zwang zum Eid auch bei der auf Privatstrafe gerichteten actio iniuriarum oder zumindest bei einzelnen ihrer Erscheinungsformen ausüben.60 Dabei bleibt jedoch ungewiss, ob sie dies von Fall zu Fall oder generell aufgrund einer entsprechenden Verheißung im Edikt tun. Das Interesse des Klägers, das die Prätoren so schützen, kann sich auch hier aus Problemen beim Nachweis der Tat ergeben, der bei der Beleidigung zumindest dann schwerfällt, wenn die Tat nicht im Beisein Dritter begangen worden ist. Denkbar ist freilich auch, dass der Prätor den Kläger dadurch schützen will, dass er ihm eine Beweisaufnahme über die Tat erspart61 und ihm eine gewisse Genugtuung ohne Verurteilung schon durch den Schwur verschaffen will, der für den Beklagten ehrmindernd ist.

III. Die Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik In nachklassischer Zeit dehnt sich der Anwendungsbereich des Zwangseides erheblich aus und reicht schließlich so weit wie der des freiwilligen Eides, den er absorbiert. Erkennbar wird diese Entwicklung erstmals in den Reskripten der diokletianischen Kanzlei. Hier tritt auch in Entscheidungen, die im Ergebnis noch nicht vom klassischen Recht abweichen, der Beweismangel als ein Merkmal der Eideszuschiebung hervor: CJ 4.1.3 (a 286) Diocletianus et Maximianus AA. Severae. In bonae fidei contractibus [nec non etiam in aliis causis] inopia probationum per iudicem iureiurando causa cognita res decidi potest. Kaiser Diokletian und Maximian an Severa. Bei Verträgen auf gute Treue [und auch in anderen Angelegenheiten] kann bei Beweisnot die Sache durch den Richter nach Prüfung aufgrund eines Eides entschieden werden. CJ 4.1.10 (a 294) Diocl. et Maximianus AA. et CC. Protogeni. In actione etiam depositi, quae super rebus quasi sine scriptis datis movetur, iusiurandum ad exemplum ceterorum bonae fidei iudiciorum deferri potest. Kaiser Diokletian und Maximian an Protogenes. Bei der Verwahrungsklage, die über eine ohne Dokument hinterlegte Sache angestellt wird, kann der Eid nach dem Vorbild der anderen Klagen auf gute Treue angetragen werden.

Entgegen einer verbreiteten Ansicht bezeugen diese beiden Konstitutionen noch nicht die Wandlung des Zwangseides zu einem universell einsetzbaren Instrument des Zivilprozesses. Die Mitarbeiter der kaiserlichen Kanzlei stellen lediglich die 60 61

Vgl. Amirante, Giuramento, S. 104. Dies glaubt Demelius, Schiedseid, S. 64.

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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Zulässigkeit des Antrags auf einen Eid des Gegners im Rahmen eines bonae fidei iudicium und außerdem heraus, dass dieser für die Entscheidung des Richters ausschlaggebend ist. Beides lässt sich ohne Weiteres schon für das klassische Formularverfahren behaupten, bei dem die Rücksicht auf den freiwilligen Eid nicht selten dem iudex oblag; und es gilt natürlich erst recht für die Kognitur, bei der dem Richter zugleich die frühere Rolle des Prätors zufällt. Sogar der offenbar nachträglich und wahrscheinlich von den Kompilatoren eingefügte62 Zusatz, dass der Eid auch in anderen Angelegenheiten (,nec non etiam in aliis causis‘) angetragen werden könne, trifft noch das klassische Recht, wenn man ihn auf den freiwilligen Eid bezieht. Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Juristen der diokletianischen Kanzlei hier einen im klassischen Recht noch unbekannten Zwangseid bei bonae fidei iudicia im Auge haben,63 bietet lediglich der Hinweis auf die Beweisnot, der in dem einen Fall abstrakt (,inopia probationum‘), in dem anderen konkret dadurch beschrieben ist, dass die Hinterlegung ohne Dokument erfolgt sein soll (,res quasi sine scriptis datae‘). So wie sie hier offensichtlich den Kläger trifft, der dem beklagten Verwahrer den Eid anträgt, ist sie sicherlich auch dort als eine Beweisnot desjenigen gemeint, der den Eid zuschiebt. Nicht eindeutig ist dagegen, ob es sich um eine Voraussetzung für die Gültigkeit des Eidesantrags handelt. Träfe dies zu, könnte nur der Zwangseid gemeint sein, weil dieser ja selbständig und ohne die durch die Eidesleistung dokumentierte Zustimmung des anderen Teils wirkt, während es keinen Grund gibt, den freiwilligen Eid an die Voraussetzungen eines Beweismangels zu binden. Die kaiserlichen Juristen könnten aber auch lediglich die tatsächliche Situation schildern, in der sich die Partei befindet, die den Eid anträgt. Dass sie sich hierzu gewöhnlich in Beweisnot entscheidet, gilt wiederum auch für die klassische Zeit und für den freiwilligen Eid nicht weniger als für den Zwangseid.64 Zudem ist die Beweisnot eher für die durch bonae fidei iudicium geltend zu machenden Ansprüche typisch. Da sie Konsensualverträgen entspringen, bedürfen sie zu ihrer Begründung keiner Form, deren Einhaltung üblicherweise beurkundet würde.65 Dagegen bezieht sich das folgende Reskript Diokletians sicher auf den Zwangseid, lässt aber nicht erkennen, dass dieser hier außerhalb seines angestammten Geltungsbereichs zugeschoben würde: CJ 4.1.9 (a. 294) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Marciano. Delata condicione iurisiurandi reus (si non per actorem, quominus de calumnia iuret, steterit) per iudicem solvere vel iurare, nisi referat iusiurandum, necesse habet. 62 Insoweit richtig Simon, Untersuchungen, S. 320, der zu Recht bemerkt, dass durch diesen Zusatz das vorangehende ,in bonae fidei contractibus‘ geradezu einfältig wirkt. 63 Dies glaubt Simon, Untersuchungen, S. 320 f., der annimmt, diese Entwicklung habe bei den bonae fidei iudicia ihren Ausgang genommen, wohingegen Biondi, Giuramento, S. 99 ff. meint, die Texte seien nachträglich interpoliert worden. 64 s. o. S. 49. 65 Insoweit wiederum richtig Simon, Untersuchungen, S. 320.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Kaiser Diokletian und Maximian an Marcian. Ist ein Eid zugeschoben worden, muss der Beklagte (falls es nicht am Kläger liegt, dass er nicht schwört, dass keine Schikane vorliegt) durch den Richter gezwungen werden zu leisten oder zu schwören, falls er den Eid nicht zurückschiebt.

Die Aussage der kaiserlichen Juristen stimmt wiederum völlig mit dem klassischen Recht überein: Hat der Kläger dem Beklagten einen Eid zugeschoben und seinerseits den Kalumnieneid geleistet, wird der Beklagte, sofern er den Eid nicht zurückschiebt, gezwungen zu schwören oder zu leisten. Ein Unterschied zum früheren Formularverfahren besteht nur insofern, als im Kognitionsverfahren auch der Kalumnieneid vor dem Richter geschworen werden muss, der die Aufgaben des Prätors übernimmt. Dagegen gibt es keine Anzeichen dafür, dass es hier um die Durchsetzung eines Anspruchs geht, der im Formularverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des Edikts si certum petetur lag. Anders ist dies im Fall von CJ 4.1.5 (a. 290): Diocletianus et Maximianus AA. Iuliano. Cum etiam a pupillorum tutoribus velut ab ipsis pupillis relicta fideicommissa videantur, super fideicommisso praeses provinciae cognoscet et, si id tibi relictum esse constiterit, reddi tibi efficiet. idem, si infitietur, ad iusiurandum, ut desideras, tutorem adiget. Kaiser Diokletian und Maximian an Julian. Da Fideikommisse, die den Vormündern von Mündeln auferlegt sind, so anzusehen sind, als seien sie den Mündeln selbst auferlegt, wird der Provinzstatthalter über ein Fideikommiss für Recht erkennen und, wenn sich herausstellt, dass es dir ausgesetzt ist, bewirken, dass an dich geleistet wird. Falls der Anspruch bestritten wird, wird er den Vormund auch zum Eid zwingen, wenn du es verlangst.

Nach Ansicht der kaiserlichen Kanzlei kann ein Vormund gezwungen werden, einen Eid über ein Fideikommiss abzulegen, das ihm auferlegt und als vom Mündel geschuldet zu verstehen ist66. Dies bedeutet, dass der Zwang zum Eid67 auch jenseits des Geltungsbereichs des Edikts si certum petetur ausgeübt wird,68 allerdings in einem Fall, der den hierunter fallenden Konstellationen überaus ähnlich ist: Schon in klassischer Zeit gibt es die Tendenz dazu, Fideikommisse den Legaten gleichzustellen, deren Durchsetzung unter anderem mit der condictio und damit nach dem Edikt si certum petetur erfolgte.69 Schon als allgemeines Instrument der Prozessführung des Klägers erscheint der Zwangseid in den Paulussentenzen:

66 Dieser Teil des Reskripts ist auch in CJ 6.42.20 überliefert: Diocletianus et Maxim. AA. Iuliano. Etiam a pupillorum tutoribus velut ab ipsis relicta fideicommissa debentur. 67 Von diesem geht hier zu Recht Simon, Untersuchungen, S. 324 aus. 68 Dass es ein Beweiseid ist, der nur der Überzeugungsbildung des Richters dient, sagt der Text entgegen Demelius, Schiedseid, S. 104 nicht. 69 Daher gibt es auch keinen Grund, die Entscheidung mit Biondi, Giuramento, S. 100 f. erst einem Texteingriff der Kompilatoren zuzuschreiben.

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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PS 2.1.1 – 4 In pecuniariis causis si alter ex litigatoribus iusiurandum deferat, audiendus est: hoc enim et compendio litium et aequitatis ratione provisum est. (2) Deferre iusiurandum prior actor potest: contrarium autem de calumnia iusiurandum reo competit. (3) Si, reus cum iurare velit, actor illi necessitatem iurisiurandi remisit et hoc liquido appareat, actio in eum non datur. (4) Heredi eius cum quo contractum est iusiurandum deferri non potest, quoniam contractum ignorare potest. Schiebt in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit eine der Parteien den Eid zu, ist sie damit zu hören. Dies ist nämlich zur Abkürzung des Rechtsstreits und aus Gründen der Gerechtigkeit vorgesehen. (2) Zuschieben kann den Eid zunächst der Kläger; der Antrag auf einen Eid, dass keine Schikane vorliegt, steht dagegen dem Beklagten zu. (3) Hat der Kläger, als der Beklagte schwören wollte, diesem die Notwendigkeit des Eides erlassen und ist dies offenkundig, wird ihm keine Klage erteilt. (4) Einem Erben des Vertragspartners kann der Eid nicht zugeschoben werden, da möglich ist, dass er den Vertrag nicht kennt.

Die Aussagen dieses Textes entsprechen wiederum weitgehend dem klassischen Recht: Der Kläger kann dem Beklagten den Eid in der Weise zuschieben, dass dieser zum Eid gezwungen wird, falls der Kläger einen im Gegenzug vom Beklagten geforderten Kalumnieneid schwört. Ausnahmsweise wird der Beklagte nicht zum Eid gezwungen, wenn er sich in einer nachvollziehbaren Ungewissheit über den Bestand des Anspruchs befindet. Während der Autor der Paulussentenzen hier den Fall des Erben anführt, der nicht über den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags unterrichtet ist, hat der Hochklassiker Marcell diese Konstellation am Beispiel eines Schuldners behandelt, der sich wegen des natürlichen Todes des geschuldeten Sklaven von seiner Verpflichtung befreit wähnt, dies aber nicht sicher weiß70. Nicht mehr dem klassischen Recht scheint dagegen zumindest auf den ersten Blick die Feststellung zu entsprechen, die Befugnis zum Eidesantrag stehe beiden Kontrahenten (,alter ex litigatoribus‘) zu. Denn sowohl der Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur als auch die Eide bei Noxal- und Entwendungsklage konnten nur vom Kläger zugeschoben werden. Versteht man die nachfolgende Beschreibung des Eidesverfahrens als Ausführung der einleitenden Bemerkung, muss man in der beiderseitigen Antragsbefugnis jedoch das Wechselspiel von zugeschobenem und Kalumnieneid erkennen: Zunächst (,prior‘) kann der Kläger von dem Beklagten den Schwur über seine mangelnde Verpflichtung verlangen; anschließend darf der Beklagte, bevor er schwört, den Kläger zum Kalumnieneid auffordern. Bezieht man hierauf die vorangestellte Aussage, beide Parteien könnten von dem jeweils anderen einen Schwur verlangen, bedeutet sie nur eine ungenaue Darstellung des früher geltenden Mechanismus. Worin die Paulussentenzen dagegen zweifellos vom klassischen Recht abweichen, ist, dass der Eid ,in pecuniariis causis‘ zugeschoben werden kann. Damit sind nicht etwa nur die Klagen über pecunia credita gemeint, die unter das Edikt si certum

70

s. o. S. 120 f.

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3. Kap.: Der Zwangseid

petetur fielen.71 Stattdessen sind alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten und damit Klagen auf ein incertum ein- und bestenfalls Statusprozesse ausgeschlossen.72 Und mit dieser Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Zwangseides geht seine Integration mit dem freiwilligen Eid einher, der früher bei allen Arten von Streitigkeiten angetragen werden konnte: Für die Ausnahme vom Eideszwang wegen Erlasses des Schwures durch den Kläger fordert der Autor der Paulussentenzen, dass dieser vor Gericht ohne Weiteres darzutun ist. Könnten Antrag und Erlass des Eides nur vor dem Richter erfolgen, wäre diese Einschränkung widersinnig. Sinnvoll ist sie nur dann, wenn man auch einem außergerichtlichen Eidesantrag die Wirkung zumisst, dass der Beklagte im späteren Prozess alternativ zu Schwur oder zu Leistung gezwungen wird. Noch weiter verallgemeinert finden wir die Befugnis zum Zwangseid in: D 22.3.25.3 Paul 3 quaest In omnibus autem visionibus quas praeposuimus licentia concedenda est ei, cui onus probationis incumbit, adversario suo rei veritate iusiurandum ferre, prius ipso pro calumnia iurante, ut iudex iuramenti fidem secutus ita suam sententiam possit formare, iure referendae religionis ei servando. In allen Fällen, die wir vorgestellt haben, ist demjenigen, der die Beweislast trägt, die Befugnis zu gewähren, seinem Gegner einen Eid über die Wahrheit seines Vortrags zuzuschieben, indem er vorher selbst schwört, dass keine Schikane vorliege, damit der Richter sein Urteil im Vertrauen auf den Eid fällen kann, freilich vorbehaltlich des Rechts, den Eid zurückzuschieben.

Auch wenn der Text als Auszug aus den quaestiones des Paulus ausgegeben ist, kann er doch nicht von dem Spätklassiker verfasst worden sein.73 Denn die Befugnis, den streitentscheidenden Zwangseid74 zuzuschieben, wird hier für alle Arten von Streitigkeiten und Prozesslagen stets demjenigen zugestanden, der die Beweislast trägt.75 Ein Zusammenhang mit dem klassischen Recht besteht nur insofern, als die Anknüpfung an die Beweislastverteilung der praktischen Erfahrung entspricht, unter welchen Umständen sich jemand auch hier auf den streitentscheidenden Eid seines Gegners eingelassen hat: Ein Anreiz hierzu bestand nur für denjenigen, der in dem fraglichen Punkt beweisbelastet war, den gebotenen Beweis aber nicht erbringen konnte. Da er aus diesem Grund mit dem Prozessverlust rechnen musste, bedeutete der Ehrenvorsprung, den er durch seinen Antrag und den Eid des Gegners erfuhr, eine echte Alternative zur Fortführung der Auseinandersetzung.76 Geht man von dieser 71

So aber Biondi, Giuramento, S. 17. Zu weitgehend ist daher vielleicht die Ansicht von Demelius, Schiedseid, S. 128, der alle Zivilsachen erfasst sieht. 73 Richtig insofern Demelius, Schiedseid, S. 90, Simon, Untersuchungen, S. 334, Münks, Parteieid, S. 42. 74 Anders Biondi, Giuramento, S. 118 f., der glaubt, es gehe um den Eid als Beweismittel. 75 Insofern richtig Biondi, S. 74 f. 76 s. o. S. 49 ff. 72

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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praktischen Regel aus, ist es nur konsequent, den Zwangseid, nachdem er einmal vom Edikt si certum petetur und der Klägerrolle gelöst ist, mit der Beweislast zu verknüpfen und ihn demjenigen zuzugestehen, der in der entscheidenden Frage den Nachweis seiner Behauptung erbringen muss. Zur Wandlung der Eideszuschiebung in ein universelles Prozessinstrument, das an die bloße Beweislast geknüpft ist, passt die weitgehend unveränderte Wiedergabe der Auszüge aus den Schriften der klassischen Juristen im Digestentitel 12.2 nicht ohne Weiteres. Die Anpassung an den neuen Rechtszustand macht sich gleichwohl dadurch bemerkbar, dass der spezifische Bezug auf die dem Edikt si certum petetur unterfallenden Klagen unkenntlich gemacht und heute nur noch anhand ihrer Palingenesie zu rekonstruieren ist. Dass die Verallgemeinerung des Zwangseids in Justinians Zeit fällt, zeigt der in den Institutionen überlieferte Bericht über eine Konstitution, die Justinian 531 aus Anlass eines Falles erlassen hat, in dem ein Fideikommissar in Beweisnot dem Erben einen Eid über dessen mangelnde Verpflichtung zugeschoben hat:77 IJ 2.23.12 Et quia prima fideicommissorum cunabula a fide heredum pendent et tam nomen quam substantiam acceperunt, et ideo divus Augustus ad necessitatem iuris ea detraxit: nuper et nos, eundem principem superare contendentes, ex facto quod Tribonianus vir excelsus quaestor sacri palatii suggessit, constitutionem fecimus, per quam disposuimus: si testator fidei heredis sui commisit, ut vel hereditatem vel speciale fideicommissum restituat et neque ex scriptura neque ex quinque testium numero, qui in fideicommissis legitimus esse noscitur, res possit manifestari, sed vel pauciores quam quinque vel nemo penitus testis intervenerit, tunc sive pater heredis sive alius quicumque sit, qui fidem elegit heredis et ab eo aliquid restitui voluerit, si heres perfidia tentus adimplere fidem recusat, negando rem ita esse subsecutam, si fideicommissarius iusiurandum ei detulerit, cum prius ipse de calumnia iuraverit, necesse eum habere vel iusiurandum subire, quod nihil tale a testatore audivit, vel recusantem ad fideicommissi vel universitatis vel specialis solutionem coartari, ne depereat ultima voluntas testatoris fidei heredis commissa. eadem observari censuimus et si a legatario vel fideicommissario aliquid similiter relictum sit. quodsi is a quo relictum dicitur confiteatur quidem aliquid a se relictum esse, sed ad legis subtilitatem decurrat, omnimodo cogendus est solvere. Und da die Fideikommisse auf die Treue des Erben zurückgehen und hieraus sowohl ihren Namen als auch ihre Wirkung erlangten und deshalb der göttliche Augustus sie mit Rechtszwang versehen hat, haben wir mit dem Ziel, diesen Kaiser zu übertreffen, die folgende Entscheidung in einer Sache getroffen, die unser hervorragender Justizminister Tribonian vorgebracht hat: Hat ein Erblasser es der Treue seines Erben überlassen, dass er entweder die gesamte Erbschaft oder eine einzelne Sache als Fideikommiss herausgebe, und ist dieser Vorgang weder durch eine Urkunde noch durch fünf Zeugen zu beweisen, die bei Fideikommissen gesetzlich vorgeschrieben sind, sondern durch weniger oder überhaupt keinen Zeugen, und hat nun der Erbe – sei es, dass es der Vater war, sei es, dass es ein anderer war, der im Vertrauen auf die Treue des Erben wollte, dass er etwas herausgibt – sich in treuloser Weise geweigert, das in ihn gesetzte Vertrauen zu erfüllen, und geleugnet, dass es 77

Die Konstitution selbst ist in CJ 6.42.32 überliefert.

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3. Kap.: Der Zwangseid

so geschehen ist, und hat der Fideikommissar, ihm den Eid zugeschoben, nachdem er vorher geschworen hat, dass keine Schikane vorliege, muss der Erbe entweder den Eid auf sich nehmen, er habe nichts dergleichen vom Erblasser gehört, oder, wenn er sich weigert, zur Erfüllung des Universal- oder Einzelfideikommisses gezwungen werden, damit nicht der letzte Wille des Erblassers, den er dem Erben anvertraut hat, verloren ist. Dasselbe gilt nach unserer Entscheidung auch dann, wenn einem Vermächtnisnehmer oder Fideikommissar etwas in vergleichbarer Weise auferlegt ist. Gesteht aber derjenige, der so beschwert ist, dass ihm dies auferlegt sei, und nimmt er nur zum Wortlaut des Gesetzes Zuflucht, ist er unbedingt zur Leistung zu zwingen.

Justinian preist hier die schon von Diokletian (CJ 4.1.5) anerkannte Befugnis eines Fideikommissars zur Zuschiebung des Zwangseides an den Erben als Errungenschaft Tribonians. Dementsprechend muss die Generalisierung des Zwangs zum Eid, wie wir sie in D 22.3.25.2 ausgesprochen finden, erst ein Produkt der Digestenherstellung sein, das sich bei Erlass der Konstitution und Neufassung der Institutionen noch nicht durchgesetzt hat. Sie bedeutet einen weiteren Schritt zur Integration von freiwilligem und Zwangseid, indem dieser nun in allen Konstellationen zugeschoben werden kann, in denen eine Entscheidung des Streits durch freiwilligen Eid möglich ist.78 Ist der Zwangseid an die Beweislast geknüpft, bedeutet dies noch nicht, dass er eine Beweisnot desjenigen voraussetzt, der den Eid zuschiebt. Selbst wenn dies die Auffassung der byzantinischen Juristen sein sollte,79 kommt es in dem justinianischen Gesetzgebungswerk nicht hinreichend zum Ausdruck: Ebenso wie in den Paulussentenzen fehlt in D 22.3.25.2 jeglicher Hinweis darauf, dass die Zuschiebung des Eides nur bei Beweismangel erfolgen kann. Auch in IJ 2.23.12 ist die Beweisnot des Fideikommissars ebenso wenig wie in den diokletianischen Konstitutionen CJ 4.1.3 und 4.1.10 eindeutig als Wirksamkeitserfordernis der Eideszuschiebung gekennzeichnet; stattdessen könnte sie stets bloß das tatsächliche Motiv zur Eideszuschiebung beschreiben. Dasselbe gilt für eine Konstitution Justinians zum Widerruf des Eidesantrags: CJ 4.1.11 (a. 529) Iust. A. Demostheni pp. Si quis iusiurandum intulerit et necdum eo praestito postea, utpote sibi adlegationibus abundantibus, hoc revocaverit, sancimus nemini licere penitus iterum ad sacramentum recurrere (satis enim absurdum est redire ad hoc, cui renuntiandum putavit, et, cum desperavit aliam probationem, tunc denuo ad religionem convolare) et iudices nullo modo eos audire ad tales iniquitates venientes. (1) Si quis autem sacramentum intulerit et 78

Hierzu fügt sich, dass Simon, Untersuchungen S. 330 den freiwilligen Eid auch in den Schriften der byzantinischen Juristen vom Zwangseid verschluckt sieht. Den Begriff des freiwilligen Eides sieht Simon, S. 339 ff. auf einen außergerichtlichen Schwur beschränkt, der in der byzantinischen Praxis aber nicht vorkommt. – Dagegen bedeutet die knappe Bezugnahme auf die actio ex iureiurando in IJ 4.6.8 (,item praetor proposuit de peculio servorum filiorumque familias, et ex qua quaeritur, an actor iuraverit, et alias complures‘) entgegen Demelius, Schiedseid, S. 123 nicht, dass diese Klage, die nur beim freiwilligen Eid denkbar ist, in byzantinischer Zeit noch Verwendung findet. 79 Dies legt Simon, Untersuchungen, S. 326 f. dar.

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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hoc revocare maluerit, licere quidem ei hoc facere et alias probationes, si voluerit, praestare, ita tamen, ut huiusmodi licentia usque ad litis tantummodo terminum ei praestetur. (2) Post definitivam autem sententiam, quae provocatione suspensa non sit vel quae, postquam fuerit appellatum, corroborata fuerit, nullo modo revocare iuramentum et iterum ad probationem venire cuidam concedimus, ne repetita lite finis negotii alterius causae fiat exordium. Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Demosthenes. Hat jemand den Eid zugeschoben und dies, bevor er geleistet worden ist, wegen hinreichender Beweismittel widerrufen, so darf er, wie wir bestimmen, nicht mehr erneut auf den Eid zurückgreifen (es ist nämlich reichlich absurd, zum Eid, dessen Zuschiebung er widerrufen zu müssen glaubte, wieder zurückzukommen und erneut zur Religion Zuflucht zu nehmen, nachdem er am übrigen Beweis verzweifelt ist), und die Richter sollen keinesfalls solchen Ungerechtigkeiten Folge leisten. (1) Hat dagegen jemand den Eid zugeschoben und vorgezogen, dies zu widerrufen, soll ihm dies und gestattet sein, andere Beweismittel einzusetzen; diese Befugnis soll ihm freilich nur bis zum Ende des Rechtsstreits zustehen. (2) Nach dem Endurteil, sofern es nicht durch Berufung in seiner Rechtskraft aufgeschoben oder auf die Berufung hin nicht bestätigt worden ist, gestatten wir keineswegs, die Eideszuschiebung zu widerrufen und zu Beweismitteln überzugehen, damit nicht durch Wiederholung des Streits das Ende der einen Rechtssache der Beginn einer anderen ist.

Wiederum verknüpft Justinian die Zuschiebung des Eides mit der Beweisnot desjenigen, der den Eid anträgt: Entscheidet er sich in neu- oder wiedergewonnenem Vertrauen auf seine Beweismittel dafür, die Eideszuschiebung zu widerrufen, soll dies bis zum Ende des Rechtsstreits möglich, aber nicht mehr reversibel sein. Daher kann der Kläger, wenn sich die Beweislage entgegen seiner zwischenzeitlichen Erwartung doch als ungünstig herausstellt, nicht erneut auf den früher zugeschobenen Eid bestehen.80 Auch hier erscheint die Beweisnot des Klägers nur als Motiv für den Eidesantrag und nicht als dessen Gültigkeitserfordernis. Als regelrechte Voraussetzung eines wirksamen Eidesantrags wird sie nur in einem interpolierten Auszug aus Paulus’ Ediktskommentar genannt, der Eingang in den Digestentitel 12.2 gefunden hat: D 12.2.35pr Paul 28 ed: Tutor pupilli omnibus probationibus aliis deficientibus iusiurandum deferens audiendus est: quandoque enim pupillo denegabitur actio. Der Vormund eines Mündels muss mit einer Eideszuschiebung gehört werden, wenn alle anderen Beweismittel fehlen; denn zuweilen wird dem Mündel die Klage verweigert.

Durch den Einschub: ,probationibus aliis deficientibus‘, wird die Zuschiebung eines Eides durch einen Vormund in ihrer Wirksamkeit vom Mangel an Beweismitteln abhängig gemacht. Dass hier aber keine generelle Voraussetzung für die Eideszuschiebung aufgestellt wird, ergibt sich schon daraus, dass die übrigen Fragmente des Digestentitels eine solche Voraussetzung nicht nennen. Stammt der

80 Dass Justinian hier nur ein schon vorher anerkanntes Recht zum Widerruf des Eidesantrags beschränkt hat, glaubt Fierich, Eideszuschiebung, S. 132.

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3. Kap.: Der Zwangseid

Einschub überhaupt von den Kompilatoren,81 kann er also nur eine besondere Regelung für die Prozessvertretung durch einen Vormund anzeigen. Deren Motiv ist nicht die Rücksicht auf den Gegner, sondern der Schutz des Mündelvermögens: Da der Vormund durch die Eideszuschiebung die konkrete Gefahr eines Prozessverlustes schafft, soll er hierzu nur ausnahmsweise im Fall völliger Beweisnot berechtigt, der Eidesantrag ansonsten von der vormundschaftlichen Vertretungsbefugnis ausgenommen sein.82 Im Übrigen lässt sich dem justinianischen Gesetzgebungswerk nicht entnehmen, dass die Zuschiebung des Zwangseides eine Beweisnot desjenigen voraussetzt, der den Eid anträgt. Dass auch ein Eid trotz Beweislast des Eidesgegners vorkommt, zeigt eine weitere Konstitution Justinians: CJ 4.1.13 (a. 531) Iustinianus A. Iohanni pp. Cum quis legatum vel fideicommissum utpote sibi relictum exigebat et testamento forte non apparente pro eo sacramentum ei ab herede delatum est et is religionem suam praestavit, adfirmans sibi legatum vel fideicommissum derelictum esse, et ex huiusmodi testamento id quod petebat consecutus est, postea autem manifestum factum est nihil ei penitus fuisse derelictum, apud antiquos quaerebatur, utrum iureiurando standum est, an restituere debet hoc quod accepit: vel, si re vera ei relictum fuerat legatum vel fideicommissum, si demus licentiam heredi Falcidiam, si competat, ex hoc retinere. (1) Nobis itaque melius visum est repeti ab eo legatum vel fideicommissum nullumque ex huiusmodi periurio lucrum ei accedere, sed et si verum fuerit inventum, quartae detentionem introduci (si tamen locum habeat), ne quis ex hoc delicto sibi lucrum impium adferre nostris legibus concedatur. Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Johannes. In dem Fall, dass jemand ein Vermächtnis oder Fideikommiss als ihm hinterlassen gefordert und ihm, da etwa das Testament nicht gefunden wurde, an dessen Stelle vom Erben der Eid zugeschoben worden ist und er diesen Eid unter der Versicherung geleistet hat, dass ihm dieses Vermächtnis oder Fideikommiss hinterlassen sei, und er erlangt hat, was er aus diesem Testament forderte, aber festgestellt worden ist, dass ihm gar nichts hinterlassen war, war bei den alten Juristen umstritten, ob dem Eid zu folgen sei oder er zurückerstatten müsse, was er empfangen hat, und ob, wenn ihm wirklich ein Vermächtnis oder Fideikommiss hinterlassen war, dem Erben die Befugnis zum Abzug der falzidischen Quart zu gewähren sei, wenn sie ihm zustehe. (1) Uns erscheint richtiger, dass von ihm das Vermächtnis oder Fideikommiss zurückgefordert werden kann und ihm aus diesem Meineid kein Gewinn erwächst, und dass, wenn sich der Eid als wahr herausgestellt hat, ein Abzug des Viertels stattfinde (falls es eingreift), damit nicht durch unsere Gesetze erlaubt ist, dass sich jemand durch dieses Delikt sündhaft bereichert.

Justinian kommt dem Erben zu Hilfe, der einem Kläger den Eid über den geltend gemachten Anspruch aus einem Fideikommiss zuschiebt, und dies, obwohl der Erbe nicht die Gültigkeit des Fideikommisses dartun muss und sich demnach auch nicht in der Beweisnot befindet, die sich aus dem Mangel an Urkunden und Zeugen ergibt. 81 82

Dies macht Simon, Untersuchungen, S. 332 plausibel. Simon, Untersuchungen, S. 333.

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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Justinian gestattet dem Erben nicht nur den Abzug der falzidischen Quart, sondern auch die Rückforderung einer an den Anspruchsteller erbrachten Leistung, falls sich der Schwur als Meineid herausstellt.83 Damit schließt sich Justinian der Auffassung von Labeo an, der bereits glaubte, der Eidesgegner könne im Fall eines bewusst unrichtigen Schwures mit der Arglistklage vorgehen.84 Der entgegengesetzte Standpunkt von Pomponius und Ulpian, die den Eid wegen seines Vergleichscharakters und der Achtung vor der religiösen Bedeutung jeglicher Überprüfung entzogen sahen, ist damit aber nicht endgültig aufgegeben. Sie hat ihren Niederschlag in einem Abschnitt von Justinians Institutionen gefunden, worin herausgestellt wird, dass ein durch exceptio iurisiurandi erzieltes Prozessergebnis der Rechtswirklichkeit widersprechen kann: IJ 4.13.4 Aeque si debitor deferente creditore iuraverit, nihil se dare oportere, adhuc obligatus permanet: sed quia iniquum est de periurio quaeri, defenditur per exceptionem iurisiurandi. in his quoque actionibus quibus in rem agitur aeque necessariae sunt exceptiones: veluti si petitore deferente possessor iuravent, eam rem suam esse, et nihilo minus eandem rem petitor vindicet: licet enim verum sit quod intendit, id est rem eius esse, iniquum est tamen, possessorem condemnari. Ebenso bleibt ein Schuldner, wenn er auf Antrag des Gläubigers schwört, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, nach wie vor verpflichtet. Aber weil es unrichtig wäre, einen Meineid aufzudecken, wird er durch die Eideseinrede geschützt. Auch bei den Klagen, mit denen ein dinglicher Anspruch erhoben wird, sind Einreden unumgänglich, wie zum Beispiel, wenn der Besitzer auf Antrag des Klägers schwört, dass ihm die Sache gehöre, und der Kläger sie trotzdem herausverlangt. Auch wenn zutrifft, was er geltend macht, nämlich dass die Sache ihm gehöre, ist es dennoch unrichtig, den Besitzer zu verurteilen.

Justinian bezeichnet hier den Schuldner, der seine mangelnde Verpflichtung beschworen hat, als nach wie vor verpflichtet und die Eigentumsherausgabeklage desjenigen, der eine Sache entgegen einem Schwur des Besitzers fordert, als eigentlich begründet. Dagegen müsste er, wenn er der ratio seiner Entscheidung in CJ 4.1.13 folgte, die Entscheidung zugunsten des Schwörenden eigentlich für umkehrbar halten. Denn die in den Institutionen noch beschworene Regel, dass ein Schwur nicht auf einen Meineid untersucht wird (,iniquum est de periurio quaeri‘), wird in der Konstitution gerade durchbrochen. Diese Neuerung lässt sich mit der Verallgemeinerung des Zwangseides in Zusammenhang bringen:85 Erfolgt die Eidesleistung nicht freiwillig, sondern stets nur aufgrund des durch Zuschiebung 83 Ein Vorbild für diese Regelung könnte eine Entscheidung Gaius’ zum Fall des meineidigen Vermächtnisnehmers sein, die jedoch einem ohne Antrag geleisteten Schwur gilt; vgl. D 4.3.23; S. 48 Fn. 17. 84 s. o. S. 95 f. Dagegen glaubt Schindler, Justinians Haltung zur Klassik, Köln/Graz 1966, S. 108 ff., Justinian behandle entgegen seinem eigenen Zeugnis keinen unter den klassischen Juristen ausgetragenen Streit, sondern ein Problem der nachklassischen oder byzantinischen Rechtslehre. 85 Dies tut im Ansatz zu Recht auch Schindler (Fn. 84), S. 108, der jedoch davon ausgeht, Justinian befasse sich nicht mit einem streitentscheidenden, sondern mit einem Beweiseid.

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3. Kap.: Der Zwangseid

ausgelösten Drucks, kann man in ihm keinen Vergleich mehr erkennen, der jede weitere Überprüfung der Angelegenheit ausschließt. Mit der schon bei Diokletian begonnenen Umstellung auf ein System allgemeinen Eideszwangs geht die Einführung eines vom Richter ohne Antrag des Gegners auferlegten Eides einher. Fassbar ist sie für uns erstmals in einer Konstitution Justinians von 529: CJ 4.1.12 Iustinianus A. Demostheni pp. Generaliter de omnibus iuramentis, quae in litibus offeruntur vel a iudice vel a partibus, definiendum est. cum enim iam increbuit iudices in plenissima definitione sacramentum imponere, evenit, ut provocatione lite suspensa hi quidem, qui iusiurandum praestare iussi sunt, ab hac forte luce subtrahantur, probationes autem rerum cadant, cum multum discrepat iuramentum hereditarium a principali sacramento. necessitate itaque rerum coacti et probationibus pinguius subvenientes ad huiusmodi venimus sanctionem. (1) Omne igitur iuramentum, sive a iudicibus sive a partibus illatum vel in principio litis vel in medio vel in ipsa definitiva sententia, sub ipso iudice detur non expectata vel ultima definitione vel provocationis formidine. (1a) Sed iuramento illato, cum hoc a partibus fuerit factum et a iudice approbatum vel ex auctoritate iudicis cuicumque parti illatum, si quidem is cui imponitur sacramentum nihil ad hoc fuerit reluctatus, et hoc praestetur vel referatur … Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Demosthenes. Über sämtliche Eide, die in Rechtsstreitigkeiten vom Richter oder von den Parteien angeboten werden, ist eine Bestimmung zu treffen. Da es nämlich üblich geworden ist, dass Richter den Eid mit genauer Bestimmung auferlegen, kommt es vor, dass, wenn der Prozess durch Berufung aufgeschoben ist, diejenigen, denen die Eidesleistung befohlen worden ist, versterben, während die Beweise für die Sache verlorengehen, da sich ein Eid des Erben von dem des Erblassers sehr unterscheidet. Von den Umständen gezwungen und um die Beweisführung umfassend zu unterstützen, kommen wir daher zu folgender Regelung: (1) Jeder Eid, sei er von Richtern oder von den Parteien auferlegt, sei es am Beginn des Rechtsstreits, während seines Verlaufs oder im Endurteil geschehen, soll vor demselben Richter geleistet werden, ohne auf die Rechtsmittelentscheidung zu warten oder darauf, dass keine Berufung eingelegt wird. (1a) Ist ein Eid zugeschoben worden, sei es, dass dies durch die Parteien geschehen und vom Richter genehmigt worden ist oder dass der Eid vom Richter kraft Amtes einer der Parteien auferlegt worden ist, so soll, wenn derjenige, dem der Eid auferlegt wird, nichts dagegen einwendet, dieser geleistet oder zurückgeschoben werden …

Justinian möchte die Ableistung eines Eides beschleunigen, damit der Eidespflichtige nicht schon verstorben ist, wenn das Berufungsgericht die auf den Eid gerichtete Entscheidung des Erstrichters bestätigt und die wegen der Eideszuschiebung vernachlässigten Beweismittel nicht mehr zugänglich sind. Als Quelle der Eidespflicht, die sich ebenso wie schon bei Diokletian86 auch aus einem bedingten Endurteil ergeben kann,87 nennt Justinian sowohl die Zuschiebung durch den Ei-

86 87

s. o. S. 116. Simon, Untersuchungen, S. 323.

III. Verschmelzung von Zwangseid und freiwilligem Eid in der Nachklassik

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desgegner als auch die Anordnung des Richters.88 Anders als in den klassischen Quellen, in denen sich der Hinweis auf die auctoritas iudicis als Ausdruck des durch den Eidesantrag ausgelösten Zwanges deuten lässt,89 treten die Eideszuschiebung und die von Amts wegen verhängte Eidespflicht hier deutlich auseinander: Bei dem durch eine Partei zugeschobenen Eid spricht Justinian davon, dass dieser vom Richter lediglich „genehmigt“ (,approbatum‘) ist, während der andere ihm kraft des richterlichen Amtes auferlegt ist (,ex auctoritate iudicis illatum‘). Dies bedeutet, dass der Richter von sich aus und ohne Antrag des Gegners eine Eidespflicht vorsehen kann.90 Sie folgt nicht aus der Initiative des Kontrahenten und der Selbsteinschätzung ihrer Aussichten auf den Prozessgewinn, sondern entspringt der Würdigung der Beweislage durch den Richter. Ebenso wie die Parteien wird er sich zum Eid regelmäßig dann entscheiden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Schwörende mit seinem Vorbringen im Recht ist. Dann liefert der Eid die letzte Gewissheit, die ihm nach Auswertung der Beweismittel noch fehlt. Gesetzlich geregelte Fälle eines solchen Eides, der nicht auf Zuschiebung der Gegenseite geleistet wird, sind der Schwur, den Justinian als letztes Mittel zum Nachweis der Urkundenauthentizität vorsieht,91 sowie bestimmte Eide, mit denen sich eine Partei freischwören soll und darf: So kann sich ein Gläubiger durch seinen Eid von dem Vorwurf reinigen, ein Pfand zum Nachteil des Schuldners unter Wert verkauft zu haben.92 Und derjenige, der zur Vorlage einer Urkunde verpflichtet ist, soll seine Behauptung, diese nicht vorlegen zu können, eidlich bekräftigen.93 Schon Kaiser Zeno hat einen Erben zu dem Schwur zugelassen, nichts aus dem Nachlass entfernt zu haben.94 In allen diesen Fällen verschafft sich der Richter durch den Eid die Überzeugung von der Wahrheit der Parteibehauptung, für die auch die Beweislage spricht.

88 Entgegen Demelius, Schiedseid, S. 124 ff. und Biondi, Giuramento, S. 115 ff. gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der richterlich verhängte Eid im justinianischen Recht ein bloßer Beweiseid und dementsprechend nicht streitentscheidend ist. 89 s. o. S. 113 f. 90 Richtig Simon, Untersuchungen, S. 322. 91 NJ 73.4 (a 538). 92 CJ 8.33.3.5 (a 530). 93 CJ 4.21.22.4 (a 530); hierzu Simon, Untersuchungen, S. 285. 94 CJ 10.35.2 = NTh 22.2.3 (a 443); hierzu Seidl, Eid, S. 94.

Viertes Kapitel

Das iusiurandum in litem I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger 1. Eidesantrag und Eidesleistung Trotz seiner Allgemeinheit ist der Begriff des iusiurandum in litem auf einen ganz bestimmten Schwur beschränkt, nämlich den Eid, mit dem ein Kläger sein Interesse an der Herausgabe eines Gegenstandes bemisst, den sich der Beklagte auszuliefern weigert. Die Initiative zum Eid geht in diesem Fall schon im klassischen Recht vom Richter aus, der dem Kläger den Eid antragen muss: D 12.3.4.1 Ulp 36 ed Deferre autem iusiurandum iudicem oportet: ceterum si alius detulerit iusiurandum vel non delato iuratum sit, nulla erit religio nec ullum iusiurandum: et ita constitutionibus expressum est imperatoris nostri et divi patris eius. Den Eid antragen muss der Richter; hat dagegen ein anderer den Eid angetragen oder ist ohne Antrag geschworen worden, gibt es keine Bindung und keinen regelrechten Eid; und so ist es in Verordnungen unseres Kaisers und seines göttlichen Vaters bestimmt worden.

Verweist Ulpian in diesem Text zur actio tutelae1 auf Entscheidungen der Severerkaiser, die einem ohne Mitwirkung des iudex geschworenen Eid die Wirkung absprechen, zeigt dies, dass ein solcher in der Gerichtspraxis zuweilen vorkommt, und zwar als ein auf eigene Initiative des Klägers geleisteter Schwur. Eine Eideszuschiebung durch den Beklagten ist beim Schätzungseid eher unwahrscheinlich. Damit es zu diesem Eid kommt, muss die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe des umstrittenen Gegenstands nämlich bereits feststehen und für den Kläger nur noch das Problem bestehen, die Höhe seines Interesses konkret darzutun. Für den Beklagten besteht keine Beweisschwierigkeit, die es ratsam erscheinen lassen könnte, dem Kläger ein Zugeständnis zu machen und so zumindest ehrbarer zu erscheinen. Dem Grunde nach ist seine Verpflichtung schon erwiesen; und für die Anspruchshöhe trifft den Kläger die Beweislast. Der Schätzungseid ist also ein vom Richter gewährtes Privileg für den Kläger,2 nach dem dieser sich manchmal ungebeten drängen mag, an dem der Beklagte aber kein Interesse hat. 1 Dies ergibt der palingenetische Zusammenhang; vgl. Lenel, Pal., Bd. 2, Sp. 669 f., Fr. 1030. 2 Richtig Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 176.

I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger

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Als Vergünstigung für den Kläger kann der Schätzungseid von diesem eingesetzt, aber auch ungenutzt gelassen werden. Scheut der Kläger den Eid aus religiöser Furcht oder Ehrgefühl, kann der Richter ihn nicht zum Schätzungseid zwingen. Die kaiserliche Kanzlei stellt dies in einem unter Caracalla erlassenen Reskript klar, das wiederum der Vormundschaftsklage gilt: CJ 5.53.2pr (a 212) Antoninus A. Severo. Is, qui rationes tutelae seu curae reposcit, invitus in litem iurare compelli non potest. sed volens ita demum audiendus est, si heres per longam successionem tutoris instrumenta pupillaria dolo circumveniendi pupilli gratia exhibere non vult. Kaiser Antoninus an Severus. Wer Rechnungslegung über eine Vormundschaft oder Pflegschaft fordert, kann gegen seinen Willen nicht dazu gezwungen werden, im Verfahren zu schwören. Will er schwören, ist er nur dann zu hören, wenn der in langwierigem Verfahren bestimmte Erbe des Vormunds Urkunden des Mündels vorsätzlich nicht vorlegen will, um diesen zu hintergehen.

Und Paulus beschreibt in einem vermutlich auf die rei vindicatio bezogenen3 Passus die Konsequenz, nämlich dass der Richter das Interesse des Klägers an der Herausgabe der vorenthaltenen Sache selbst ermitteln und hierauf seine Verurteilung stützen muss: D 6.1.71 Paul 13 Sab Quod si possessor quidem dolo fecit, actor vero iurare non vult, sed quanti res sit adversarium condemnari maluit, mos ei gerendus est. Hat der Besitzer zwar vorsätzlich gehandelt, will der Kläger aber nicht schwören, sondern zieht vor, dass sein Gegner in den Wert der Sache verurteilt wird, ist diesem Wunsch zu entsprechen.

2. Abweichung vom Eid Als ein vom Richter zuerkanntes Privileg entfaltet der Schätzungseid nicht dieselbe Bindungswirkung wie ein freiwilliger Schwur auf Antrag des Gegners oder ein von diesem zugeschobener Zwangseid. Es ist daher, wenn auch unüblich, so doch nicht ausgeschlossen, dass ein iusiurandum in litem darauf hin untersucht wird, ob ein Meineid vorliegt: D 12.3.11 Paul 3 resp De periurio eius, qui ex necessitate iuris in litem iuravit, quaeri facile non solere. Ob derjenige, der gezwungen war, einen Eid im Verfahren zu leisten, einen Meineid geleistet hat, wird nicht ohne Weiteres untersucht.

Die Gefahr, durch den Nachweis eines unrichtigen Schwures bloßgestellt zu werden, ist also größer als bei den anderen Erscheinungsformen des Eides. Deshalb 3 Nach dem palingenetischen Zusammenhang gehört das Fragment zum Abschnitt de iudiciis; vgl. Lenel, Pal., Bd. 1, Sp. 1286, Fr. 1858. Dies begründet keine Zweifel daran, dass die Aussage des Textes seiner Zuordnung in den Digesten Justinians entspricht.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

ist ein Minderjähriger anders als beim freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando4 von vornherein vom Schwur ausgeschlossen; und beim Vormund oder Pfleger betrachtet man einen für das Mündel geschworenen Schätzungseid als Ausdruck einer ganz besonderen affectio: D 12.3.4pr Ulp 36 ed Videamus in tutelari causa quis iurare et adversus quem possit. et quidem ipse pupillus, si impubes est, non potest: hoc enim saepissime rescriptum est. sed nec tutorem cogendum vel matrem pupilli admittendam, etsi parata esset iurare, divi fratres rescripserunt: grave enim videbatur et ignorantes et invitos tutores sub alieni compendii emolumento etiam periurium anceps subire. curatores quoque pupilli vel adulescentis non esse cogendos in litem iurare rescriptis imperatoris nostri et divi patris eius continetur. si tamen tantam affectionem pupillo suo vel adulescenti tutores vel curatores praestare volunt, auctoritas iuris non refragabitur, quin iudicio, quod inter ipsos acceptum est, finis eiusmodi possit adhiberi. non enim ad suam utilitatem iurisiurandi referenda aestimatio est, sed ad domini, cuius nomine tutelae ratio postulatur. adulescens vero si velit iurare potest. Sehen wir zu, wer gegen wen im Fall einer Vormundschaft schwören kann. Das Mündel kann es, wenn es unmündig ist, jedenfalls nicht; dies ist nämlich schon sehr häufig entschieden worden. Aber die göttlichen Brüder haben entschieden, dass auch der Vormund nicht zum Eid gezwungen und die Mutter des Mündels, auch wenn sie bereit ist zu schwören, hierzu nicht zugelassen werden darf; es erschien nämlich zu schwerwiegend, Vormünder, die von der Angelegenheit keine Kenntnis haben, gegen ihren Willen für den Gewinn eines anderen der Gefahr des Meineids auszusetzen. In den Entscheidungen unseres Kaisers und seines göttlichen Vaters ist zudem bestimmt, dass auch Pfleger eines Mündels oder eines betreuten Volljährigen nicht dazu gezwungen werden dürfen, im Rechtsstreit zu schwören. Wollen dagegen Vormünder oder Pfleger ihrem Mündel oder betreuten Volljährigen einen so großen Gefallen tun, gibt es kein rechtliches Hindernis, dass das Verfahren, das sie aufgenommen haben, auf diese Weise beendet werden kann. Denn die Schätzung durch den Eid ist nicht auf ihr Interesse zu beziehen, sondern auf das des Vertretenen, in dessen Namen die Geschäfte geführt werden. Ein Volljähriger kann aber, wenn er will, selbst schwören.

Und wiederum im Gegensatz zum Eid nach dem Edikt de iureiurando5 lässt man auch keinen Eid durch einen Prozessvertreter, sondern nur einen Schwur des als Kläger auftretenden Anspruchsinhabers zu: D 12.3.7 Ulp 8 ed Volgo praesumitur alium in litem non debere iurare quam dominum litis: denique Papinianus ait alium non posse iurare quam eum, qui litem suo nomine contestatus est. Gemeinhin nimmt man an, nur der Geschäftsherr dürfe im Verfahren schwören; daher meint Papinian, nur derjenige könne schwören, der im eigenen Namen Klage erhoben habe.

Die besondere Gefahr, die mit dem iusiurandum in litem verbunden ist, liegt darin, dass der Richter den Beklagten in einen geringeren Betrag verurteilen und die Klage sogar ganz abweisen kann, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger ent4 5

s. o. S. 105 f. s. o. S. 87 Fn. 84.

I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger

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gegen seinem Schwur überhaupt kein Interesse an der Herausgabe des geforderten Gegenstands hat. In Marcians libri regularum findet sich dies knapp behauptet: D 12.3.5.2 Marcian 4 reg Item et si iuratum fuerit, licet iudici vel absolvere vel minoris condemnare. Ferner darf der Richter auch dann, wenn geschworen worden ist, entweder freisprechen oder in einen geringeren Betrag verurteilen.

Ausführlicher ist die Darstellung in Ulpians Ediktskommentar zur actio tutelae, der, wie der Abgleich der Themenfolge ergibt, das Vorbild für das Marcians Regelsammlung bildet: D 12.3.4.3 Ulp 36 ed Item videndum, an possit iudex, qui detulit iusiurandum, non sequi id, sed vel prorsus absolvere vel etiam minoris condemnare quam iuratum est: et magis est, ut ex magna causa et postea repertis probationibus possit. Ferner gilt es zu untersuchen, ob der Richter, der den Eid angetragen hat, ihm die Folge versagen und entweder freisprechen oder in einen geringeren Betrag verurteilen darf, als geschworen worden ist; und es ist richtiger anzunehmen, dass er es aus wichtigem Grund und dann darf, wenn später Beweismittel aufgefunden worden sind.

Im Einklang mit Paulus, der die Untersuchung des iusiurandum in litem auf einen Meineid nicht facile zulassen will, kommt sie auch für Ulpian nur bei schwerwiegenden Zweifeln und neuen Beweisen in Betracht. Dass der Richter anders als beim freiwilligen oder Zwangseid über den Anspruchsgrund nicht uneingeschränkt an den Schätzungseid gebunden ist, bedeutet freilich noch nicht, dass das iusiurandum in litem ein bloßes Beweismittel ist.6 Es folgt vielmehr aus dem Charakter des Schätzungseides als eines vom Richter eingeräumten Privilegs. Kann der iudex hiervon auch ganz absehen und von sich aus das Interesse des Klägers schätzen, muss er dies ebenfalls in den Konstellationen dürfen, in denen die Unrichtigkeit des Eides zutage tritt.

6 So aber Grzimek, Taxatio, S. 161 und früher schon Chiazzese, Iusiurandum, S. 162 ff. sowie Provera, Iusiurandum, S. 108, 123, die hierauf ihre Interpolationsvermutungen zu D 12.3.11 und D 12.3.4.3 und D 12.3.5.2 stützen. Für unecht hält die Aussagen zur gelockerten Bindung des Richters an den Eid ferner Levy, Zur Lehre von den sogenannten actiones arbitrariae, SZ 36 (1915) 1, 61 f., der insbesondere geltend macht, ein Freispruch des Beklagten liefe der vorangehenden Feststellung der Herausgabepflicht des Beklagten zuwider; diese bedeutet aber, wenn auch regelmäßig, so doch nicht stets, dass der Kläger auch ein Interesse an der Herausgabe hat, das sich in Geld angeben und zur Grundlage einer condemnatio pecuniaria machen lässt.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

3. Beschränkung durch richterliche Schätzung Einen Erst-Recht-Schluss aus dem Privilegcharakter des iusiurandum in litem zieht Ulpian eigens, wenn es um die Begrenzung der Eidesbefugnis durch eine richterliche Schätzung geht:7 D 12.3.4.2 Ulp 36 ed Iurare autem in infinitum licet. sed an iudex modum iuriiurando statuere possit, ut intra certam quantitatem iuretur, ne arrepta occasione in immensum iuretur, quaero. et quidem in arbitrio esse iudicis deferre iusiurandum nec ne constat: an igitur qui possit iusiurandum non deferre, idem possit et taxationem iuriiurando adicere, quaeritur: arbitrio tamen bonae fidei iudicis etiam hoc congruit. Schwören darf man aber nicht in unbegrenzter Höhe. Ich frage jedoch, ob der Richter eine Grenze festsetzen kann, so dass nur bis zu einem bestimmten Betrag geschworen werden kann, damit nicht die Gelegenheit ausgenutzt und ins Unermessliche geschworen wird. Und es steht fest, dass es im Ermessen des Richters steht, den Eid anzutragen oder nicht; es stellt sich also die Frage, ob derjenige, der den Eid gar nicht antragen kann, einen Schätzwert hinzufügen kann. Dem Ermessen eines Richters, der nach guter Treue zu entscheiden hat, entspricht dies jedenfalls.

Während in Ulpians Kommentar zum Edikt der Vormundschaftsklage die Möglichkeit einer begrenzenden taxatio ohne Weiteres nur für den Fall des bonae fidei iudicium bejaht wird, ist der korrespondierende Passus in Marcians regulae allgemein gehalten, enthält aber dieselbe Argumentation: D 12.3.5.1 Marcian 4 reg Sed iudex potest praefinire certam summam, usque ad quam iuretur: licuit enim ei a primo nec deferre. Aber der Richter kann einen bestimmten Betrag festsetzen, bis zu dem geschworen werden kann; es ist ihm nämlich auch gestattet, den Eid von vornherein gar nicht erst anzutragen. Zu Ulpians Ableitung der Schätzungsbefugnis aus der Eigenart des bonae fidei iudicium passt, dass Ulpian bei der rei vindicatio ausdrücklich den für die Vormundschaftsklage abgelehnten Schwur „ins Unermessliche“ zulässt: D 6.1.68 Ulp 51 ed8 Qui restituere iussus iudici non paret contendens non posse restituere, [si quidem habeat rem, manu militari officio iudicis ab eo possessio transfertur et fructuum dumtaxat omnisque causae nomine condemnatio fit.] si vero non potest restituere, si quidem dolo fecit quo minus possit, is, quantum adversarius in litem sine ulla taxatione in infinitum iuraverit, damnandus est. si vero nec potest restituere nec dolo fecit quo minus possit, non pluris quam quanti res 7 Vgl. zu diesem Text auch Nörr, Zur condemnatio cum taxatione im römischen Zivilprozeß, SZ 112 (1995) 51, 64 f. 8 Lenel glaubt, der Text stamme aus dem 51. Buch von Ulpians Sabinuskommentar, und weist ihn hier dem Titel de iudiciis zu; vgl. Pal., Bd. 2, Sp. 1197, Fr. 2987. Dies steht nicht in Widerspruch zu der Einordnung in den Digestentitel über die Vindikation.

I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger

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est, id est quanti adversarii interfuit, condemnandus est. haec sententia generalis est et ad omnia, sive interdicta, sive actiones in rem sive in personam sunt, ex quibus arbitratu iudicis quid restituitur, locum habet. Demjenigen, der der Anordnung des Richters zur Herausgabe nicht gehorcht mit der Behauptung, er könne nicht herausgeben, [wird der Besitz kraft der Amtsgewalt des Richters durch Soldaten entzogen, und die Verurteilung findet nur wegen der Früchte und der übrigen Rechtslage statt.] Kann er dagegen nicht herausgeben, ist er, wenn er vorsätzlich bewirkt hat, dass er es nicht mehr kann, in den Betrag zu verurteilen, den der Gegner im Verfahren beschworen hat, und zwar ohne irgendeine Schätzung bis ins Unermessliche. Kann er aber nicht zurückgeben und hat auch nicht vorsätzlich bewirkt, dass er es nicht kann, ist er zu nur dazu zu verurteilen, was die Sache wert ist, also was das Interesse des Gegners ausmacht. Diese Regel gilt als Grundsatz und greift bei allen Interdikten und dinglichen oder persönlichen Klagen ein, bei denen etwas nach richterlichem Ermessen zurückzugeben ist.

Zweifel an der Authentizität des Text bestehen in zweifacher Hinsicht: Zum einen läuft die im Fall der Herausgabeverweigerung befürwortete Erzwingung der Herausgabe manu militari9 außer dem Grundsatz der Geldverurteilung auch dem anschließend dargestellten Verfahren des iusiurandum in litem zuwider. Zwar ist dieser hier nur auf den Fall bezogen, in dem sich der Besitzer der Sache vorsätzlich begeben hat, so dass der Text nicht in sich widersprüchlich ist. Aus anderen Stellen wissen wir jedoch, dass der Schätzungseid auch und gerade in dem Fall zum Zuge kommt, in dem der mit der rei vindicatio belangte Besitzer die Sache auf den Restitutionsbefehl des iudex nicht herausgibt, obwohl er hierzu durchaus in der Lage ist.10 Daher muss der einleitende Passus über die Naturalvollstreckung des Herausgabeanspruchs interpoliert sein. Zum anderen steht der Schlusssatz, wonach das Vorangehende als Regel bei allen dinglichen und persönlichen Klagen mit Restitutionsziel gilt,11 auf den ersten Blick in Widerspruch zu Ulpians Äußerung in D 12.3.4.2, wo ein Eid in immensum, der hier als Eid in infinitum ausdrücklich zugelassen wird, zumindest bei der actio tutelae gerade nicht stattfinden soll. Anders als beim Einleitungssatz kommt man hier aber ohne die Annahme einer nachträglichen Textveränderung aus, weil man die im Schlusssatz genannte regula auch in der unmittelbar vorhergehenden Äußerung erkennen kann, wonach derjenige Besitzer, der die Sache aus bloßer Fahrlässigkeit nicht herauszugeben imstande ist, lediglich das vom Richter geschätzte Interesse leisten muss.12 Daher ist es auch keineswegs unumgänglich, an der Echtheit der Äußerung zu zweifeln, bei einer vorsätzlichen Vereitelung der Sachherausgabe, dürfe ins Unermessliche geschworen und verurteilt werden.13 Denn dass der Richter einen solchen Schwur durch die Festlegung einer Obergrenze verhindern kann, ist in 9 Deren Erwähnung verdächtigen Levy, SZ 36 (1915) 1, 68 f., Chiazzese, Iusiurandum, S. 214 ff. und Provera, Iusiurandum, S. 21, 115. 10 Vgl. D 12.3.2 (s. u. S. 164), D 6.1.46 (s. u. S. 182 f.) und D 6.1.71 (s. o. S. 153). 11 Ihn verdächtigt Provera, Iusiurandum, S. 115. 12 Zu dessen Verhältnis zu einem beschworenen Betrag s. u. S. 160 ff. 13 Dies tut aber Provera, Iusiurandum, S. 108.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

D 12.3.4.2 auf das Gebot der guten Treue zurückgeführt. Ihm gehorcht das richterliche Ermessen zwar bei der actio tutelae, aber nicht bei der rei vindicatio.14 Nicht ohne Weiteres passen will die Zulassung eines Eides in infinitum bei der Eigentumsherausgabeklage dagegen zu dem Vorbehalt richterlicher Schätzung, den Ulpian für die Vorlegungsklage macht: D 10.4.3.2 Ulp 24 ed Praeterea in hac actione notandum est, quod reus contumax per in litem iusiurandum petitoris damnari possit ei iudice quantitatem taxante. Außerdem ist bei dieser Klage zu beachten, dass der Beklagte wegen Missachtung des Gerichts aufgrund eines vom Kläger im Verfahren geschworenen Eides verurteilt werden kann, wobei der Richter einen Betrag schätzt.

Da die Formel der Vorlegungsklage ebenso wenig wie diejenige der rei vindicatio auf das Gebot der bona fides verweist, lässt sich für ihre abweichende Behandlung allenfalls ein Grund finden: Der Anspruch auf Vorlegung hat nicht denselben Stellenwert wie das Herausgaberecht des Eigentümers: Da mit ihm noch nicht über das Recht an der vorzulegenden Sache entschieden wird, lassen sich dem Schätzungseid hier eher Grenzen setzen als in dem Fall, dass jemand im Rahmen der rei vindicatio schon den Nachweis erbracht hat, Eigentümer der geforderten Sache zu sein. Unter diesen Umständen ist die Verweigerung der Herausgabe durch den Beklagten schändlicher als ihre unterbliebene Vorlegung.15 Für eine Schätzungsbefugnis des Richters spricht sich Paulus zumindest bei der Arglist- und metus-Klage aus: D 4.3.18pr Paul 11 ed Arbitrio iudicis in hac quoque actione restitutio comprehenditur: et nisi fiat restitutio, sequitur condemnatio quanti ea res est. ideo autem et hic et in metus causa actione certa quantitas non adicitur, ut possit per contumaciam suam tanti reus condemnari, quanti actor in litem iuraverit: sed officio iudicis debet in utraque actione taxatione iusiurandum refrenari. Auch in dieser Klage schließt das Ermessen des Richters den Befehl zur Herausgabe ein; und wenn sie nicht geschieht, erfolgt die Verurteilung in den Betrag, den die Sache wert ist. Und deshalb wird weder hier noch bei der Klage wegen Furcht ein bestimmter Betrag angegeben, damit der Beklagte bei Missachtung des Gerichts in den Betrag verurteilt werden kann, den der Kläger im Verfahren beschwört; aber bei beiden Klagen muss der Eid vom Richter im Rahmen seiner Amtsgewalt durch eine Schätzung begrenzt werden.

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Dementsprechend erscheint auch der Interpolationsverdacht, den Levy, SZ 36 (1915) 1, 64 f. gegen die Verknüpfung der Taxationsbefugnis mit dem Gebot der bona fides in D 12.3.4.2 hegt, nicht zwingend. 15 Jedenfalls der Widerspruch zur allgemeinen Zulassung der taxatio in Marcians regulae trägt aber die Beobachtung von Grzimek, Taxatio, S. 156, das Problem sei zur Zeit der Spätklassiker noch nicht ausdiskutiert.

I. Der Schätzungseid als Privileg für den Kläger

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Die richterliche Schätzung, mit der das iusiurandum in litem eingeschränkt wird,16 erscheint hier ebenso wie in Ulpians Bemerkung zur Vorlegungsklage nicht nur als Gegenstand einer Befugnis des iudex, sondern sogar als Teil seiner Amtspflicht.17 Dies steht nicht im Widerspruch zu Ulpians Bemerkungen zur Vormundschaftsklage.18 Denn dort wird als Ziel der richterlichen Schätzung angegeben, einen Eid in immensum zu verhindern, so dass ein guter Richter seiner Amtspflicht auch nur dann in jeder Hinsicht gerecht wird, wenn er die taxatio auch wirklich vornimmt. Ob die Schätzung des Richters den Eid des Klägers regelrecht begrenzt oder bloß auf einen Richtwert konzentriert, bleibt bei Paulus ebenso offen wie bei Ulpian. Eindeutig finden wir die Wirkungsweise der taxatio erst in einer Entscheidung des byzantinischen Kaisers Zeno zu einer Klage aufgrund des Interdikts unde vi beschrieben:19 CJ 8.4.9 (a 477) Zeno A. Sebastiano pp. Si quando vis iudicio fuerit patefacta, dein super rebus abreptis vel invasis vel damno tempore impetus quaestio proponatur, si non potuerit qui vim sustinuit quae perdidit singula comprobare, taxatione ab iudice facta pro personarum atque negotii qualitate, sacramento aestimationem rerum quas perdidit manifestet nec ei liceat ultra taxationem ab iudice factam iurare: et quod huiusmodi iureiurando dato fuerit declaratum, iudicem condemnare oportet. Kaiser Zeno an den Prätorianerpräfekten Sebastian. Ist in einem Verfahren die Gewaltanwendung dargetan worden, dann aber Streit entstanden über die entwendeten oder in Besitz genommenen Gegenstände oder über den im Zeitpunkt des Eingriffs entstandenen Schaden und kann derjenige, der Gewalt erlitten hat, nicht nachweisen, was er im Einzelnen verloren hat, soll er, nachdem der Richter nach den beteiligten Personen und Gegenständen eine Schätzung abgegeben hat, den Wert der verlorenen Sachen durch Eid beschwören, und es soll ihm nicht erlaubt sein, über den vom Richter geschätzten Betrag hinaus zu schwören; und in den Betrag, der durch diesen Eid festgelegt worden ist, muss der Richter verurteilen.

Die vom Richter vorzunehmende Schätzung des Schadens, den der Kläger infolge der Gewaltanwendung durch den Beklagten erlitten hat, stellt eine Obergrenze für den Schätzungseid dar, der nicht über den vom iudex angesetzten Betrag hinausgehen darf. Zugleich soll der Richter aber auch unbedingt in den Betrag verurteilen, den der Kläger beschworen hat, und den Eid nicht mehr auf seine Richtigkeit überprüfen. In Zenos Entscheidung kommt damit ein Zusammenhang zum Ausdruck, der auch schon im klassischen Recht gegeben ist: Die richterliche Schätzung bedeutet eine vorweggenommene Kontrolle des Schätzungseides und beruht auf derselben Grundlage wie die Befugnis des Richters, in Ausnahmefällen von dem Schwur des 16 Grzimek, Taxatio, S. 159 f. sieht hier einen Widerspruch zu der vorangehenden Aussage, mit dem Eid werde die contumacia des Beklagten sanktioniert. 17 Dass Paulus zugleich eine magistratische taxatio ablehnt, an deren Stelle die richterliche getreten sei, glaubt Nörr, SZ 112 (1995) 51, 73 ff. 18 So aber Provera, Iusiurandum, S. 105 f., der den Paulustext insoweit für interpoliert hält. 19 Entgegen Grzimek, Taxatio, S. 152 scheint sich mir hieraus noch nicht zu ergeben, dass es insgesamt eine Entwicklung hin zu einem größeren Entscheidungsspielraum des iudex gibt.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Klägers abzuweichen: Da der Kläger zum iusiurandum in litem nur durch den Richter zugelassen wird, kann dieser ihm den Schätzungseid auch bloß eingeschränkt zugestehen. Er darf im Nachhinein davon abweichen, wenn sich der Schwur als Meineid erweist. Er kann aber auch von vornherein eine Vorgabe machen, die den Kläger, wenn er sich daran hält, dem Vorwurf des Meineides von Anfang an entzieht.

II. Verhältnis von Eid und wirklichem Interesse Die Diskussion um die Begrenzung des Schätzungseides durch eine richterliche taxatio setzt als tatsächlichen Anlass den Missbrauch des Eides zur Durchsetzung einer überhöhten Verurteilungssumme voraus. Einer solchen Praxis wehrt eigentlich schon der Eid selbst, der seinen Urheber ja der göttlichen Rache für den Fall aussetzt, dass er einen Betrag beschwört, der nicht sein wirkliches Interesse wiedergibt. Dass dieses und nicht etwa ein vom Kläger beliebig festzusetzender Betrag das eigentliche Ziel des Eides ist, ergibt sich aus einer Reihe von Texten. Deren deutlichster ist ein Passus aus Ulpians Ediktskommentar zum interdictum quod vi aut clam. Der Schätzungseid erscheint hier neben der aestimatio iudicis als Mittel zur Bestimmung des Interesses, das der Kläger an der Befolgung des Interdikts hat: D 43.24.15.9 Ulp 71 ed Sed quod interfuit, aut per iusiurandum, quod in litem actor iuraverit, aut, si iurare non possit, iudicis officio aestimandum est. Sein Interesse wird entweder durch den Eid, den der Kläger im Verfahren schwört, oder, wenn er nicht schwören kann, durch den Richter kraft Amtes bestimmt.

Als Gegenstand des Eides erscheint das Interesse des Klägers zudem in zwei Aussagen Scaevolas und Callistrats zur Verurteilung aus der actio ad exhibendum, die jeweils auf die Vorlegung von Urkunden gerichtet ist: D 49.1.28.1 Scaev 25 dig Iussus a iudice exhibere secundum praeceptum praesidis provinciae rationes, quas apud se esse caverat, instrumentorum gratia data dilatione nec postea exhibuit ideoque secundum constitutionem recitatam, quia per contumaciam instrumenta non exhibuerat, cum petitor quanti sua interesset exhiberi iurasset, facta erat condemnatio. … Jemandem wurde vom Richter befohlen, entsprechend der Entscheidung des Provinzstatthalters die Rechnungsbücher vorzulegen, deren Besitz er versichert hatte, und er hat sie, nachdem ihm wegen der Urkunden ein Aufschub gewährt worden war, wiederum nicht vorgelegt, und es erfolgte deshalb, weil die Urkunden unter Missachtung des Gerichts nicht vorgelegt wurden, nach der schon genannten Verordnung die Verurteilung, indem der Kläger schwor, was sein Interesse an der Vorlage ausmachte. … D 12.3.10 Call 1 quaest In instrumentis, quae quis non exhibet, actori permittitur in litem iurare, quanti sua interest ea proferri, ut tanti condemnetur reus: idque etiam divus Commodus rescripsit.

II. Verhältnis von Eid und wirklichem Interesse

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Legt jemand Urkunden nicht vor, ist es dem Kläger gestattet, im Verfahren zu schwören, wie hoch sein Interesse daran ist, dass sie vorgelegt werden, so dass der Beklagte in diesen Betrag verurteilt wird; und dies ist auch vom göttlichen Kaiser Commodus entschieden worden.

Eine praktische Folgerung aus der Identität von Interesse und Eidesgegenstand zieht Ulpian für die Verwahrungsklage, indem er das iusiurandum in litem für ausgeschlossen hält, wenn es um den Wert eines Geldbetrags geht. Da dieser feststehe, könne der Schätzungseid bei der Verwahrungsklage nur insoweit zum Zuge kommen, als der Kläger über den objektiven Wert des hinterlegten Betrags auch sein Interesse daran geltend macht, diesen rechtzeitig erlangt und sich dadurch Folgenachteile wie den Verfall einer Vertragsstrafe oder die Verwertung eines Pfandes erspart zu haben:20 D 12.3.3 Ulp 30 ed21 Nummis depositis iudicem non oportet in litem iusiurandum deferre, ut iuret quisque quod sua interfuit, cum certa sit nummorum aestimatio. nisi forte de eo quis iuret, quod sua interfuit nummos sibi sua die redditos esse: quid enim, si sub poena pecuniam debuit? aut sub pignore, quod, quia deposita ei pecunia adnegata est, distractum est? Bei der Verwahrung von Geld darf kein Eid im Verfahren angetragen werden, mit dem jemand sein Interesse beschwört, da der Wert des Geldes feststeht. Etwas anderes gilt, wenn jemand beschwört, was sein Interesse daran ausmacht, dass das Geld rechtzeitig zurückgegeben worden wäre. Was soll nämlich gelten, wenn er den Betrag unter der zusätzlichen Verpflichtung zu einer Vertragsstrafe schuldete, oder indem er ein Pfand bestellt hatte, das veräußert worden ist, weil ihm der hinterlegte Betrag verweigert worden ist.

Während der Eid auch hier wieder ausdrücklich auf das Interesse bezogen ist,22 wie es sich gleichfalls durch den Richter feststellen ließe, gibt es auf der anderen Seite eine Reihe von Texten, in denen das Interesse und der Schätzungseid gegenübergestellt werden. Dabei gehen die Juristen ohne Weiteres davon aus, dass der 20 Dass der Eid dagegen außer der Unsicherheit über den bloßen Wert der hinterlegten Sache auch eine solche über ihren Umfang beseitigen kann, sagt Ulpian in D 16.3.1.40 Ulp 30 ed: Si quis argentum vel aurum depositum petat, utrum speciem an et pondus complecti debeat? et magis est, ut utrumque complectatur, scyphum forte vel lancem vel pateram dicendo et materiam et pondus addendo. sed et si purpura sit infecta vel lana, pondus similiter adiciendum salvo eo, ut, si de quantitate ponderis incertum est, iuranti succurratur. („Hat jemand in Verwahrung gegebenes Silber oder Gold gefordert, muss er dann nur die einzelnen Stücke oder auch deren Gewicht angeben? Und es spricht mehr dafür, dass er beides angeben muss, indem er etwa einen Becher, eine Schüssel oder eine Schale beschreibt und deren Material und Gewicht angibt. Aber auch wenn es um purpur gefärbten Stoff oder Wolle geht, ist das Gewicht ebenfalls anzugeben, freilich mit der Maßgabe, dass, wenn die Menge ungewiss ist, dem Schwörenden geholfen wird.“) 21 Dass es Ulpian um die Verwahrungsklage und nicht etwa um die konkurrierende Vindikation geht, macht die Herkunft des Textes aus dem 30. Buch von Ulpians Ediktskommentar wahrscheinlich, der dem depositum gewidmet ist; vgl. Lenel, Pal., Bd. 2, Sp. 614, Fr. 895. 22 Kaser, Quanti ea res est, München 1935, S. 71 hält diesen Textabschnitt noch für interpoliert.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Schätzungseid höher als das Interesse ausfällt.23 Der Kreis der Autoren, für die eine solche Aussage belegt ist, deckt sich freilich nicht völlig mit der Gruppe derjenigen, die das Interesse als Gegenstand des Eides beschreiben. Statt auf Scaevola und Callistrat treffen wir auf Javolen, Marcell, Pomponius, Paulus und die kaiserliche Kanzlei. Javolen befasst sich mit der Frage, mit welchem Wert bei der Ermittlung der falzidischen Quart ein Vindikationsvermächtnis anzusetzen ist, das vom Erben nicht freiwillig erfüllt, sondern mit der Eigentumsherausgabeklage unter Einsatz des iusiurandum in litem durchgesetzt wird: D 35.2.60.1 Iav 14 Cass Legato petito cum in litem iuratum est, ratio legis Falcidiae non eius summae, in quam legatarius iuravit, haberi debet, sed eius, quanti re vera id fuit quod petitum est: nam id quod poenae causa adcrevit in legem Falcidiam non incidit. Hat jemand ein Vermächtnis gefordert, indem im Verfahren geschworen worden ist, muss die Berechnung nach dem falzidischen Gesetz nicht auf der Grundlage des Betrags stattfinden, den der Vermächtnisnehmer beschworen hat, sondern nach dem Betrag, den das Geforderte wirklich wert ist; denn was als Strafe hinzukommt, wird bei dem falzidischen Gesetz nicht berücksichtigt.

Für Javolen versteht sich von selbst, dass der Betrag, auf den sich der Schätzungseid richtet, von dem wahren Wert der vermachten Sache abweicht. Nur diesen will er bei der Berechnung nach der lex Falcidia berücksichtigen, weil der Überschuss Strafe für den nicht zur Vermächtniserfüllung bereiten Erben sei und dementsprechend auch weder den Wert des gesamten Nachlasses noch den Wert des einzelnen Vermächtnisses erhöht. Der bemerkenswerte Gegensatz von Schätzungseid und Wirklichkeit erscheint auch im zweiten Teil der schon behandelten Konstitution Caracallas zur Vormundschaftsklage.24 Die kaiserliche Kanzlei beschäftigt sich hier mit der Fallvariante, dass die Voraussetzungen des iusiurandum in litem nicht vorliegen. Es wird als Gegenstand einer facultas des Klägers genannt, das, wenn sie nicht gegeben ist, einer Untersuchung der veritas durch den Richter Platz machen muss: CJ 5.53.2.1 (a 212) Antoninus A. Severo. Sin vero neque dolus neque lata culpa neque fraus heredis convincetur, omissa iurisiurandi facultate iudex de veritate cognoscet, quae etiam argumentis liquidis investigari potest. Kaiser Antoninus an Severus. Wird aber weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit noch Arglist des Erben zur Überzeugung des Gerichts gebracht, fällt die Befugnis zu schwören weg und der Richter ermittelt den wirklichen Sachverhalt, sofern er auch durch leicht zugängliche Beweismittel erforscht werden kann.

23 Chiazzese, Iusiurandum, S. 193 ff. und Provera, Iusiurandum, S. 15 machen es sich hier sehr einfach, indem sie diese Texte für durchgängig interpoliert erklären. 24 s. o. S. 153.

II. Verhältnis von Eid und wirklichem Interesse

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Von Pomponius ist zwar keine begriffliche Trennung von Eid und Wirklichkeit, wohl aber eine Aussage überliefert, in der er voraussetzt, dass das iusiurandum in litem höher als die richterliche Schätzung des Wertes einer zurückzugebenden Sache ausfällt: D 47.2.9.1 Pomp 6 Sab Sed si eam a fure vindicassem, condictio mihi manebit. sed potest dici officio iudicis, qui de proprietate cognoscit, contineri, ut non aliter iubeat restitui, quam si condictionem petitor remitteret: quod si ex condictione ante damnatus reus litis aestimationem sustulerit, ut aut omnimodo absolvat reum aut (quod magis placet), si paratus esset petitor aestimationem restituere nec restituetur ei homo, quanti in litem iurasset, damnaretur ei possessor. Habe ich aber die Sache vom Dieb mit der Eigentumsherausgabeklage verlangt, bleibt mir die Kondiktion erhalten. Aber es ist vertretbar anzunehmen, dass es zur Aufgabe des Richters gehöre, der über das Eigentum entscheidet, die Herausgabe nur unter der Bedingung zu befehlen, dass der Kläger die Kondiktion erlässt und, wenn der Beklagte schon vorher aufgrund seiner Verurteilung aus der Kondiktion die Schätzsumme geleistet hat, ihn entweder völlig freizusprechen oder, was besser ist, den Beklagten zu dem Betrag zu verurteilen, den der Kläger im Verfahren schwört, wenn er bereit ist, die Schätzsumme zurückzuzahlen, und ihm der Sklave nicht herausgegeben wird.

Pomponius möchte das Konkurrenzverhältnis bewältigen, das zwischen der rei vindicatio und der condictio furtiva besteht, wenn der Eigentümer einer gestohlenen Sache diese von dem Dieb zurückfordert: Während er bei Kondiktion nur den vom Richter bestimmten Betrag erlangt, ist er bei der Eigentumsherausgabeklage zum iusiurandum in litem zugelassen. Wegen dieses Unterschieds hat sich diese Klage aus Sicht des Klägers auch dann noch nicht erledigt, wenn er den Dieb schon erfolgreich mit der condictio furtiva in Anspruch genommen hat. Weil jedoch keine doppelte Verurteilung aus beiden sachverfolgenden Klagen stattfinden darf, muss die Eigentumsherausgabeklage nach erfolgreicher Kondiktion entweder abgewiesen werden oder nur unter einer Einschränkung mit einer Verurteilung des Diebes enden: Dem Kläger wird der verlangte Betrag bloß dann zugesprochen, wenn er sich bereit erklärt, die mit der Kondiktion erlangte Summe zurückzuzahlen. Sinnvoll ist diese Lösung, die Pomponius für besser hält (,magis placet‘), nur unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass der im Rahmen der Vindikation mit Hilfe des Schätzungseides bestimmte Betrag über der vom Richter bei der Verurteilung aus der Kondiktion festgesetzten Summe liegt. Auf Paulus geht zum einen die schon betrachtete Aussage von D 6.1.7125 zurück, in der er den Eid dem ,quanti res est‘ gegenüberstellt, zum anderen ein aus demselben Buch seines Sabinuskommentars stammender Text, den die Kompilatoren an die zweite Stelle des Titels über den Schätzungseid gestellt haben. Hier tritt das ,quanti in litem iuravit‘ dem ,quod interest‘ als eine Strafschärfung gegenüber:

25

s. o. S. 153.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

D 12.3.2 Paul 13 Sab Sive nostrum quid petamus sive ad exhibendum agatur, interdum quod intersit agentis solum aestimatur, veluti cum culpa non restituentis vel non exhibentis punitur: cum vero dolus aut contumacia non restituentis vel non exhibentis, quanti in litem iuraverit actor. Zuweilen wird, wenn wir etwas als uns gehörig fordern oder auf Vorlegung klagen, allein nach dem Interesse des Klägers geschätzt, wie zum Beispiel, wenn nur die Fahrlässigkeit desjenigen bestraft wird, der nicht zurückgibt oder vorlegt; wird dagegen der Vorsatz oder die Missachtung des Gerichts desjenigen bestraft, der nicht zurückgibt oder vorlegt, wird geschätzt, was der Kläger im Verfahren geschworen hat.

Vom Strafgedanken lässt sich auch Marcell leiten, der sich mit der Haftung eines Vormunds für die Rückgabe einer dem Mündel gehörenden Sache befasst. Deren Wert und die Schätzung durch das Mündel fallen für ihn völlig auseinander: ,quanti res est‘ setzt er mit dem Wert (pretium) der Sache gleich, ,quanti iuratum est‘ mit dem Ergebnis des arbitrium domini, das zur Strafe für die Missachtung des richterlichen Rückgabebefehls gedacht ist: D 12.3.8 Marcell 8 dig Tutor rem adulti, quam possidet, restituere ei non vult: quaero, utrum quanti res est an quanti in litem iuratum fuerit condemnari debet, respondi: non est aequum pretio, id est quanti res est, litem aestimari, cum et contumacia punienda sit et arbitrio potius domini rei pretium statuendum sit potestate petitori in litem iurandi concessa. Ein Vormund will die von ihm besessene Sache seines volljährig gewordenen Mündels diesem nicht zurückgeben. Ich frage, ob er in den Wert der Sache oder in den Betrag verurteilt werden muss, der im Verfahren beschworen worden ist. Ich habe geantwortet: Es ist nicht gerecht, dass der Gegenstand nach dem Wert der Sache bemessen wird, weil die Missachtung des Gerichts bestraft und der Wert der Sache eher nach dem Ermessen des Eigentümers bestimmt werden muss, wenn dem Kläger die Befugnis zugestanden ist, im Verfahren zu schwören.

Trotz dieser Kontraposition stimmen der objektiv bestimmte Wert und der Schätzungseid aber zumindest insoweit überein, als diesem attestiert wird, ebenfalls auf das pretium rei gerichtet und nur eine besondere Methode zu seiner Festsetzung (statuere) zu sein. Der Schätzungseid dient damit zwar einerseits zur Strafe des Beklagten und Erhöhung der Verurteilungssumme, soll aber andererseits doch nur eine Variante der Wertbestimmung sein, die im Unterschied zur objektiven Schätzung durch den Richter nach dem arbitrium domini erfolgt. Ein vergleichbares Doppelgesicht hat der Schätzungseid auch bei Ulpian, von dem mit D 43.24.15.9 und D 12.3.3 gleich zwei Aussagen überliefert sind, in denen als Gegenstand des Schätzungseides das Interesse angegeben ist. Zugleich setzt er aber das iusiurandum in litem dem quod interest gegenüber, wie es vom Richter bestimmt wird: D 5.1.64pr Ulp 1 disp Non ab iudice doli aestimatio ex eo quod interest fit, sed ex eo quod in litem iuratur: …

II. Verhältnis von Eid und wirklichem Interesse

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Die Schätzung erfolgt bei Vorsatz nicht durch den Richter nach dem Interesse, sondern nach dem, was im Verfahren geschworen wird. …

Und in einem Fragment, das von den Kompilatoren an die Spitze des Digestentitels über das iusiurandum in litem gestellt worden ist, spricht er ausdrücklich davon, dass durch den Eid die streitbefangene Sache über ihren Wert hinaus (ultra pretium) geschätzt werde: D 12.3.1 Ulp 51 Sab Rem in iudicio deductam non idcirco pluris esse opinamur, quia crescere condemnatio potest ex contumacia non restituentis per iusiurandum in litem: non enim res pluris fit per hoc, sed ex contumacia aestimatur ultra rei pretium. Man hält den Wert einer Sache, die zum Gegenstand eines Rechtsstreits geworden ist, nicht deshalb für größer, weil die Verurteilungssumme wegen Missachtung des Gerichts für denjenigen, der sie nicht zurückgibt, infolge des im Verfahren geschworenen Eides wachsen kann; denn hierdurch steigt nicht der Wert der Sache, sondern wegen der Missachtung des Gerichts wird sie über ihren Wert hinaus geschätzt.

Soll der Wert der streitbefangenen Sache nichtsdestoweniger derselbe bleiben, bedeutet dies, dass das iusiurandum in litem eben nur eine andere Ansicht des Sachwertes liefert. Diese fällt zwar gewöhnlich und auch planmäßig höher aus als seine objektive Bestimmung durch den Richter. Gerade weil sie vom Kläger beschworen wird, gilt sie jedoch nichtsdestoweniger als der Sachwert. Von den Fällen abgesehen, in denen die Juristen eine Überprüfung des Schwures zulassen, schafft der Schätzungseid eine nicht zu hinterfragende Wahrheit, die der Richter ohne Verstoß gegen seine Amtspflicht seiner Entscheidung zugrunde legen kann, weil der beschworene Betrag eben ausmacht ,quanti ea res est‘.26 Das iusiurandum in litem unterscheidet sich in seiner Wirkung demnach grundsätzlich nicht vom freiwilligen oder Zwangseid über den Klagegrund und schafft ebenso wie diese eine formale Wahrheit. Diese kann man einerseits der echten Wirklichkeit gegenübersetzen, in der Sachwert und Interesse niedriger sind; andererseits kann man sie aber auch mit Fug und Recht als wirklich, nämlich als quod interest oder quanti ea res est, gelten lassen. Der scheinbare Widerspruch der Aussagen über das Verhältnis von Eid und wirklichem Wert oder Interesse ist daher nicht etwa Folge eines uneinheitlichen Sprachgebrauchs oder Begriffs des iusiurandum in litem27 und auch nicht das Ergebnis einer Degeneration der religiösen Bindung, die zu einem Missbrauch eines eigentlich für andere Zwecke bestimmten Instituts geführt hat28. Er ist vielmehr die Konsequenz aus der Funktionsweise des

26 Insoweit richtig Schipani, Zum iusiurandum in litem bei den dinglichen Klagen, in: Medicus/Seiler (Hg.), Studien im römischen Recht, Berlin 1973, S. 169, 190 ff. 27 So aber Medicus, Id quod interest, Köln/Graz 1962, S. 206 f. 28 Dies glauben Broggini und Schipani, die annehmen, das iusiurandum in litem habe ursprünglich dazu gedient, die Schätzungsschwierigkeiten des Richters zu überwinden (s. u. Fn. 93); ähnlich ist die Ansicht von Grzimek, Taxatio, S. 152.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Eides, der wirklich bestehende Ansprüche inexistent machen und ein in Wahrheit geringeres Interesse in ein höheres verwandeln kann.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid 1. ,Dolus aut contumacia‘ Wirkt das iusiurandum in litem wie der freiwillige oder Zwangseid über den Klagegrund, bedarf es ebenso wie diese eines besonderen Rechtfertigungsgrundes. Zwar unterscheidet sich der Schätzungseid vom Schwur über den Klagegrund dadurch, dass er nicht auf die Parteiinitiative zurückgeht, sondern ein vom Richter gewährtes Privileg für den Kläger ist. Dies entbindet jedoch nicht von der Suche nach dem Grund für dieses Privileg, das der Richter nicht willkürlich, sondern nur nach pflichtgemäßem Ermessen einräumen darf. Dass Marcell in D 12.3.8 und Paulus in D 12.3.2 von einer Bestrafung des Beklagten sprechen, lässt zunächst vermuten, dass der Schätzungseid dem Strafbedürfnis entspringt, das die Verweigerung der Sachherausgabe begründet. Hierfür lässt sich auch noch eine Entscheidung Paulus’ zur Prozessvertretung durch einen procurator anführen: D 46.1.73 Paul 76 ed Cum procurator in rem agebat, cautionem dederat ratam rem dominum habiturum: postea victo eo dominus reversus iterum de eadem re agitabat, et cum reus haberet possessionem, et noluit eam restituere et ideo magno condemnatus est: in amplius fideiussores non tenentur: hoc enim non debet imputari fideiussoribus, quod ille propter suam poenam praestitit. Als ein Vertreter eine dingliche Klage erhob, leistete er Sicherheit dafür, dass der Geschäftsherr die Prozessführung genehmigen werde. Nachdem er besiegt worden war, klagte der Geschäftsherr erneut in derselben Angelegenheit; und der Beklagte ist, weil er den Besitz hatte und die Sache nicht herausgeben wollte, deshalb zu einer größeren Summe verurteilt worden. Die Bürgen haften nicht für den Mehrbetrag, denn sie brauchen sich nicht zurechnen zu lassen, was dieser zum Zwecke seiner eigenen Bestrafung geleistet hat.

Die durch Bürgschaft geleistete cautio ratam rem haberi, die der auf Klägerseite auftretende Prozessvertreter leisten muss, deckt zwar den Schaden ab, den der Beklagte dadurch erleidet, dass er nach seinem eigenen Sieg über den procurator noch einmal, und zwar erfolgreich, durch den Vertretenen in Anspruch genommen wird. Die Bürgen brauchen dem Beklagten aber nicht den Mehrbetrag zu ersetzen, in den dieser aufgrund eines Schätzungseides des Vertretenen deshalb verurteilt worden ist, weil er die Sache nicht herausgeben wollte. Dieser Mehrbetrag stellt nach Paulus’ Ansicht eine poena für den Beklagten dar, deren Verwirkung er sich selbst zuzuschreiben hat. Als Grund für die Bestrafung, die der Beklagte durch eine Verurteilung in den vom Kläger beschworenen Betrag erfährt, bietet sich zunächst sein Ungehorsam (contumacia) gegenüber dem Gericht an. Diesen dokumentiert er, indem er die streitbefangene Sache nicht herausgibt, obwohl der Richter im Laufe des Verfahrens schon

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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bekundet hat, dass er sie dem Kläger überlassen muss. Als ausschlaggebend für die Befugnis zum Schätzungseid wird die contumacia des Beklagten bei Marcell (D 12.3.829), durch Paulus (D 4.3.18pr30) und Ulpian (D 12.3.131) genannt. Sie erschöpft den Tatbestand des iusiurandum in litem aber nicht völlig. Dieser ist nämlich auch durch den Vorsatz des Beklagten bestimmt, der wiederum bei Paulus (D 6.1.7132, 12.3.233), Ulpian (D 5.1.64pr34), und in den Kaiserkonstitutionen (CJ 5.53.2.135) als Auslöser für den Eid genannt ist.36 Und er bildet das Gegenstück zum Fall der culpa, den Paulus und auch Ulpian in seinem Kommentar zur Vormundschaftsklage und der nach seinem Vorbild entstandene Abschnitt in den libri regularum Marcians vom iusiurandum in litem ausnehmen: D 12.3.4.4 Ulp 36 ed Ex culpa autem non esse iusiurandum deferendum constat, sed aestimationem a iudice faciendam. Es steht aber fest, dass der Eid nicht bei Fahrlässigkeit angetragen werden kann, sondern dass dann die Schätzung durch den Richter zu erfolgen hat. D 12.3.5.3 Marcian 4 reg Sed in his omnibus ob dolum solum in litem iuratur, non etiam ob culpam: haec enim iudex aestimat. Aber in allen diesen Fällen wird nur bei Vorsatz im Rechtsstreit geschworen, nicht auch bei Fahrlässigkeit; denn hier schätzt der Richter.

Geht es um die Herausgabe einer Sache, die der Beklagte hat, aber entgegen einer Anordnung des Richters behält, fallen contumacia und dolus zusammen. Nicht ohne Weiteres in Deckung zu bringen sind sie dagegen in dem von Ulpian in D 6.1.68 behandelten Fall, dass der Beklagte sich schon vorher der Sache entledigt hat.37 Dass es hier überhaupt zur Verurteilung des Beklagten kommt, geht vermutlich auf die Regelung der parallelen Konstellation bei der Erbschaftsklage durch das senatus consultum Iuventianum zurück. Dieses sieht vor, dass der Erbschaftsbesitzer, der sich des umstrittenen Nachlasses begeben hat, ebenso zu verurteilen ist, als ob er noch im Besitz der Erbschaft wäre. Hieraus folgert Ulpian, dass der Schätzungseid statt der 29

s. o. S. 164. s. o. S. 158 f. 31 s. o. S. 165. 32 s. o. S. 153. 33 s. o. S. 164. 34 s. o. S. 164 f. 35 s. o. S. 162 f. 36 Chiazzese, Iusiurandum, S. 155 ff. entledigt sich dieses Problems wiederum durch eine generelle Interpolationsvermutung für alle Texte, die das iusiurandum nicht an die contumacia des Beklagten binden. 37 Hiermit beschäftigt sich auch das von den Kompilatoren angefügte Paulusfragment D 6.1.69, s. o. S. 180 f. 30

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Missachtung des Gerichts vielmehr den vorprozessualen Vorsatz des Beklagten sanktioniert, der sich der Möglichkeit zur Herausgabe der Erbschaft schon vor deren richterlicher Anordnung begeben hat: D 5.3.25.8, 10 Ulp 15 ed ,perinde‘, inquit, ,condemnandos quasi possiderent‘ … (10) Haec verba senatus consulti etiam adversus eum qui non possidet iusiurandum inducunt: tam enim adversus eum qui dolo fecit quo minus possideat quam adversus possidentem in litem iuratur. Der Senat sagt: „Sie sollen so verurteilt werden, als ob sie besäßen …“ (10) Mit diesen Worten des Senatsbeschlusses wird auch gegen denjenigen, der nicht besitzt, ein Eid eingeführt; denn es wird gegenüber demjenigen, der vorsätzlich bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt, ebenso im Verfahren geschworen wie gegenüber dem Besitzer.

Für die Vorlegungsklage hat schon Julian entschieden, dass der Schätzungseid nicht nur bei einer Verweigerung der Vorlage, sondern auch dann stattfindet, wenn sich der Beklagte dieser Möglichkeit bereits durch Aufgabe seines Besitzes beraubt hat: D 10.4.5.2 Ulp 24 ed Idem Iulianus scribit emptorem, qui ruta caesa non restituit, ad exhibendum teneri in quantum in litem iuravero: sed ibi adicit, si emptor possideat aut dolo fecit quo minus possideat. Julian schreibt auch, dass ein Käufer, der Erzeugnisse des Grundstücks nicht herausgibt, mit der Vorlegungsklage auf den Betrag hafte, den ich im Verfahren beschworen habe, aber nur, wie er dort hinzufügt, wenn der Käufer sie besitzt oder vorsätzlich bewirkt hat, dass er sie nicht besitzt.

Zwar lässt sich dem Beklagten unter diesen Umständen ebenfalls Vorsatz vorwerfen; von contumacia zu sprechen, fällt aber deshalb nicht so leicht, weil der Beklagte der Anordnung des Richters zur Herausgabe der Sache überhaupt nicht mehr entsprechen kann, also eigentlich gar keinen Ungehorsam übt. Zur Missachtung des Gerichts könnte sein Verhalten erst durch die tatsächliche Fiktion werden, dass noch als Besitzer einer Sache gilt, wer sie vorsätzlich aufgegeben hat. Je nachdem, ob man den Schwerpunkt hier auf die Fiktionsbasis, nämlich den Vorsatz des Beklagten, oder ihr Produkt, nämlich die Unterstellung des Besitzes, legt, kann man den Grund für das iusiurandum in litem einmal in der Missachtung der Interessen des Klägers, das andere Mal in der Missachtung des Gerichts sehen. Da der vorsätzliche Ungehorsam gegenüber dem Recht des Klägers sich stets als Missachtung des Gerichts deuten lässt, das diesen Anspruch feststellt, handelt es sich um verschiedene Erscheinungsformen desselben Phänomens. Daher verwundert auch nicht, dass Paulus den Tatbestand des Schätzungseides in D 12.3.2 mit der alternativen Formel ,dolus aut contumacia‘ angibt.38

38

Für eine „absonderliche Zusammenstellung“ hält dies Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 175.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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2. Restitutionspflicht als Anknüpfungspunkt Wäre es die Missachtung des Gerichts, die für das iusiurandum in litem den Ausschlag gibt, müsste sein Anwendungsbereich unbeschränkt sein. Denn bei jeder Art von Klage kann es zu der Situation kommen, dass der Richter den geltend gemachten Anspruch bejaht und zugleich feststellen muss, dass der Beklagte ihn vorsätzlich unerfüllt gelassen hat. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass der Kläger eine dem Beklagten gehörende Sache herauszugeben hat, sondern auch dann, wenn er die Übereignung einer Sache oder eine Buße schuldet, die er unabhängig von einer Sachherausgabe leisten muss. Tatsächlich finden sich im Digestentitel 12.3 Fragmente, die einen Schätzungseid auch in diesen Konstellationen vorzusehen scheinen: Auf die actio furti, die auf eine von der Rückgabe der gestohlenen Sache unabhängige poena gerichtet ist, bezieht sich ein Auszug aus Javolens libri ex Cassio: D 12.3.9 Iav 15 ex Cass Cum furti agitur, iurare ita oportet ,tanti rem fuisse cum furtum factum sit‘, non adici ,eo plurisve‘, quia quod res pluris est, utique tanti est. Wird die Diebstahlsklage erhoben, ist wie folgt zu schwören: „so viel ist die Sache wert gewesen, als der Diebstahl begangen worden ist“, und es braucht nicht hinzugefügt zu werden: „oder mehr“, weil die Sache, wenn sie mehr wert ist, jedenfalls so viel wert ist.

Wie Lenel erkannt hat, geht es hier nicht um das iusiurandum in litem, sondern um einen noch vor dem Prätor zu leistenden Schätzungseid, der den Besonderheiten des Klageformulars der actio furti entspringt:39 Da die mit ihr verfolgte Buße als der Betrag gefordert wird, den der Beklagte zur vergleichsweisen Erledigung des Tatvorwurfs zahlen muss (pro fure damnum decidere oportet),40 muss der Kläger eine Summe als Vergleichsbetrag angeben.41 Er findet Eingang in die demonstratio, schließt aber, wie Javolen ausführt, nicht aus, dass der Beklagte in einen höheren Betrag verurteilt wird.42 Auf die Pflicht zur Sachübereignung aus der condictio bezieht sich eine Katene, zu der die Kompilatoren den letzten Abschnitt des Auszugs aus Marcians regulae und ein Fragment aus Paulus’ Ediktskommentar zusammengestellt haben: 39 Lenel, EP, S. 329; vgl. auch Kaser (Fn. 22), S. 137, Kaser/Hackl, RZ, S. 340 und Manthe, Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, Berlin 1982, S. 238 ff. 40 Gai 4.37; Lenel, EP, S. 328. 41 Nicht um einen Eid im eigentlichen Sinn geht es dagegen in D 47.2.19.4 Ulp 40 Sab, wo Ulpian dem Opfer eines Diebstahls von Kleidern die Angabe von deren Farbe erspart, wenn er sie, wie er schwört, keinesfalls angeben kann: De veste quaeritur, an color eius dicendus sit. et verum est colorem eius dici oportere … plane si quis iuret pro certo se colorem dicere non posse, remitti ei huius rei necessitas debet. („Bei Kleidern stellt sich die Frage, ob deren Farbe anzugeben ist. Und es ist richtig, dass ihre Farbe anzugeben ist … Dieser Zwang ist freilich zu erlassen, wenn jemand schwört, dass er die Farbe gewiss nicht angeben könne.“) 42 Dies ist, wie Lenel, EP, S. 329, Provera, Iusiurandum, S. 56 richtig bemerken, die Reaktion auf ein naheliegendes Missverständnis und keine Banalität, die einen Interpolationsverdacht oder eine andere Deutung des Fragments rechtfertigen würde.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

D 12.3.5.4 Marcian 4 reg Plane interdum et in actione stricti iudicii in litem iurandum est, veluti si promissor Stichi moram fecerit et Stichus decesserit, quia iudex aestimare sine relatione iurisiurandi non potest rem quae non extat: … Zuweilen muss aber auch bei strengrechtlichen Klagen im Verfahren geschworen werden, wie zum Beispiel wenn derjenige, der die Übereignung von Stichus versprochen hat, in Verzug geraten und Stichus gestorben ist, weil der Richter ohne Bezugnahme auf den Eid nicht eine Sache schätzen kann, die nicht mehr existiert … D 12.3.6 Paul 26 ed … alias, si ex stipulatu vel ex testamento agatur, non solet in litem iurari. … im Übrigen wird bei Klagen aus einer Stipulation oder einem Versprechen gewöhnlich nicht imVerfahren geschworen.

Schon die Einleitung des Maricantextes (,plane interdum et‘) lässt darauf schließen, was Paulus ausdrücklich sagt, nämlich dass bei strengrechtlichen Verbindlichkeiten, wie sie aus Stipulation oder Legat entstehen, in aller Regel kein iusiurandum in litem stattfindet. Gleichwohl erscheint es nach Ansicht beider Juristen nicht völlig ausgeschlossen und kann, wie Marcian ausführt, in dem Fall zum Zuge kommen, dass der Leistungsgegenstand nach Verzugseintritt untergegangen ist.43 Dieser Fall unterscheidet sich von der gewöhnlichen Konstellation, in der eine noch vorhandene Sache geschuldet wird, allerdings ganz erheblich. Denn die Übereignung der Sache kann nicht mehr direkt, sondern nur noch auf dem Umweg der perpetuatio obligationis gefordert werden: Wegen des vorangehenden Fehlverhaltens des Beklagten wird fingiert, dass der Leistungsgegenstand noch existiert und deshalb seine Übereignung noch gefordert werden kann.44 Den Grund für diese Fiktion benennt Modestin, indem er herausstellt, dass der Anspruch auf eine unmögliche Leistung eigentlich an ihrem fehlenden Schätzwert scheitert: D 45.1.103 Mod 5 pandect Liber homo in stipulatum deduci non potest, quia nec dari oportere intendi nec aestimatio eius praestari potest, non magis quam si quis dari stipulatus fuerit mortuum hominem aut fundum hostium. Ein freier Mensch kann nicht Gegenstand einer Stipulation sein, weil seine Übereignung nicht begehrt, sein Schätzwert nicht geleistet werden kann, und zwar ebenso wenig wie in dem Fall, dass sich jemand einen toten Sklaven oder ein Grundstück in Feindeshand hat versprechen lassen.

43 Der Mühe, die die Erklärung dieser Lösung bereitet, entziehen sich Chiazzese, S. 191, der ohne Weiteres ausschließt, dass es in klassischer Zeit zu einem Eid bei einer Verpflichtung aus einer Stipulation gekommen ist, und die Fragmente für interpoliert hält, sowie Provera, Iusiurandum, S. 8, 87 ff. der die Texte deshalb für unecht hält, weil der Eid dem Kläger hier gleichsam zur Pflicht gemacht wird. 44 Vgl. D 45.1.91.6 Paul 17 Plaut und Harke, Sie error aliquis intervenit, Berlin 2005, S. 170 f.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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Eben hierauf verweist auch Marcian, indem er dartut, der Richter könne die untergegangene Sache nicht ohne Rückgriff auf den Eid des Klägers schätzen (,iudex aestimare sine relatione iurisiurandi non potest rem quae non extat‘). Damit ist nicht gemeint, dass es dem Richter an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine eigene Schätzung fehlt, die sich am Preis einer Sache orientieren könnte, die der untergegangenen entspricht. Das Problem, das durch die perpetuatio obligationis und das iusiurandum in litem gleichermaßen überwunden werden muss, ist, dass die eingeklagte Leistung wertlos ist: Da ihr Gegenstand untergegangen ist und nicht durch ein vergleichbares Objekt ersetzt werden kann, kann er nur noch fiktiv gefordert werden und hat lediglich einen fiktiven Wert, den man aufgrund der bloßen Behauptung des Klägers bestimmen muss. Damit diese nicht gänzlich überzogen ist, bietet sich zumindest aus Sicht der Spätklassiker an, sie mit einem Eid des Klägers zu verknüpfen, zumal die Voraussetzung der perpetuatio obligationis ja wie beim iusiurandum ansonsten auch in einer vorsätzlichen Missachtung des Gläubigerrechts besteht: Der Verzug, der die Fiktion und damit die Zufallshaftung des Schuldners auslöst, setzt voraus, dass er wegen der Vereinbarung eines Leistungstermins oder der Mahnung des Gläubigers einen hinreichenden Grund zu der Annahme hat, leisten zu müssen, und sich hierüber hinwegsetzt.45 Ebenso wie im Fall des Diebstahls geht es also auch hier um einen Sonderfall des Schätzungseides, der nicht in Frage stellt, was Paulus als Regel für die Verpflichtungen aus Stipulation und Vermächtnis behauptet, nämlich dass ein iusiurandum in litem bei Verpflichtungen auf Sachübereignung eigentlich ausgeschlossen ist. Dementsprechend gibt es auch keine Quellen für einen Schätzungseid über den Wert einer Kaufsache oder der Leistung eines locator oder conductor, obwohl der erste Abschnitt des Marcianfragments die Eignung des iusiurandum in litem für sämtliche bonae fidei iudicia behauptet: D 12.3.5pr Marcian 4 reg In actionibus in rem et in ad exhibendum et in bonae fidei iudiciis in litem iuratur. Bei dinglichen Klagen, der Vorlegungsklage und bei Klagen nach Treu und Glauben wird im Verfahren geschworen.

Stattdessen stoßen wir im Bereich der auf die bona fides ausgerichteten Klagen nur dort auf das iusiurandum in litem, wo es um die Verpflichtung zur Rückgabe einer Sache geht.46 So ist der Schätzungseid bei der Verdingung nur für die actio locati des Vermieters auf Rückgewähr einer Mietsache belegt:

45 Vgl. D 12.1.5 Pomp 22 Sab und Harke, Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, Berlin 2005, S. 61 ff. 46 Ebenso Grzimek, Taxatio, S. 147. Für eine weitergehende Anwendung des Schätzungseids dagegen Watson, lusiurandum in litem in the bonae fidei iudicia, TR 34 (1966) 175 ff.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

D 19.2.48.1 Marcell 8 dig47 Qui servum conductum vel aliam rem non immobilem non restituit, quanti in litem iuratum fuerit damnabitur. Wer einen gemieteten Sklaven oder eine andere bewegliche Sache nicht zurückgibt, wird in den Betrag verurteilt, der im Verfahren beschworen worden ist.

Gleichfalls um die restitutio einer dem anderen Teil überlassenen Sache geht es bei der actio commodati directa, mit der ein Verleiher die dem Entleiher überlassene Sache zurückverlangt: D 13.6.3.2 Ulp 28 ed In hac actione sicut in ceteris bonae fidei iudiciis similiter in litem iurabitur: et rei iudicandae tempus, quanti res sit, observatur, quamvis in stricti litis contestatae tempus spectetur. Bei dieser Klage wird ebenso wie bei anderen Klagen auf gute Treue im Verfahren geschworen; und bei der Bestimmung des Wertes wird der Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde gelegt, obwohl bei strengrechtlichen Klagen vom Zeitpunkt der Streitbefestigung ausgegangen wird.

Ulpian stellt hier klar, dass es um das in ius konzipierte bonae fidei iudicium und nicht um die ältere Tatsachenklage geht, mit der Leihe und Verwahrung zunächst allein sanktioniert waren. Diese Klage nennt als Verurteilungsvoraussetzung noch ausdrücklich, dass die überlassene Sache vorsätzlich nicht zurückgegeben worden ist (,eamque dolo malo Ni Ni Ao Ao redditam non esse‘48). Sie könnte durchaus mit Ulpians in D 12.3.349 überlieferten Aussage zur Verwahrung gemein sein, die die Art der Klage, mit der die hinterlegte Sache zurückgefordert wird, offenlässt. Dasselbe gilt für die folgende knappe Bemerkung: D 16.3.1.26 Ulp 30 ed50 In depositi quoque actione in litem iuratur. Bei der Verwahrungsklage wird im Verfahren geschworen.

Dass dieser Text auch auf das bonae fidei iudicium bezogen werden muss51 und es hier ebenso wie bei der Tatsachenklage zum Schätzungseid kommt, ergibt sich aber indirekt aus dem folgenden Passus. Hier schließt Ulpian das iusiurandum in litem für

47 Nach dem palingenetischen Zusammenhang, in dem dieses Fragment in Marcells Digesten steht, wollen es Broggini, Sulle origini del iusiurandum in litem, in: Studi in onore di Betti, Mailand 1962, S. 119, S. 153 ff., Medicus (Fn. 27), S. 183 f. und Grzimek, Taxatio, S. 148 auf die actio furti beziehen. Demgegenüber gehen Provera, Iusiurandum, S. 52 f. und Watson, TR 34 (1966) 175, 183 ff. mangels Anhaltspunkten für eine Veränderung der Textaussage und wegen der Nennung der actio locati im principium des Fragments davon aus, dass es um die Vermieterklage geht. 48 Gai 4.47. 49 s. o. S. 161. 50 Lenel verbindet diesen Text mit D 12.3.3; vgl. Pal., Bd. 2, Sp. 614, Fr. 895. 51 Dies nehmen Provera, Iusiurandum, S. 49 und Watson, TR 34 (1966) 175, 185 an.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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die Gegenklage des Verwahrers aus, die es nicht bei der actio in factum, sondern nur beim bonae fidei iudicium gibt: D 16.3.5pr Ulp 30 ed Ei, apud quem depositum esse dicetur, contrarium iudicium depositi datur, in quo iudicio merito in litem non iuratur: non enim de fide rupta agitur, sed de indemnitate eius qui depositum suscepit. Die Gegenklage aus Verwahrung wird demjenigen erteilt, bei dem etwas hinterlegt worden sein soll; und bei dieser Klage wird zu Recht nicht im Verfahren geschworen; denn mit ihr wird nicht wegen eines Treubruchs, sondern geklagt, um den Verwahrer schadlos zu halten.

Gegen die Zulassung des Beklagten zum Schätzungseid spricht für Ulpian, dass es statt um fides rupta nur um die indemnitas des Verwahrers geht: Erhält er nicht seine Aufwendungen ersetzt, die er zur Aufbewahrung des niedergelegten Gegenstands machen musste, betrifft dies allein sein Vermögen. Zwar ist das Gebot der bona fides auch in diesem Fall verletzt; das Treueverhältnis, das die Verwahrung kennzeichnet, betrifft jedoch die hinterlegte Sache und ist nur dann berührt, wenn der Verwahrer diese nicht herausgibt. Ebenso wie bei der locatio conductio wird die Befugnis zum iusiurandum in litem also nur durch die unterbliebene Rückgabe einer Sache ausgelöst, die der Eidesberechtigte dem anderen Teil überlassen hat.52 Dass es die Pflicht zur Herausgabe einer Sache ist, die das iusiurandum in litem erlaubt, gilt auch für die Vormundschaftsklage, deren Formel ebenfalls über eine bona-fides-Klausel verfügt53. Sie bildet einen Schwerpunkt der Quellen zum Schätzungseid und stellt im Codextitel 5.53 sogar den einzig behandelten Fall dar. Zwar soll der dolus des Vormunds, der die Eidesbefugnis des Mündels begründet, schon dadurch dargetan sein, dass der Vormund bei Übernahme der Geschäftsführung kein Verzeichnis über das Mündelvermögen angefertigt hat: D 26.7.7pr Ulp 35 ed Tutor, qui repertorium non fecit, quod vulgo inventarium appellatur, dolo fecisse videtur, nisi forte aliqua necessaria et iustissima causa allegari possit, cur id factum non sit. si quis igitur dolo inventarium non fecerit, in ea condicione est, ut teneatur in id quod pupilli interest, quod ex iureiurando in litem aestimatur. … Ein Vormund, der kein Verzeichnis anfertigt, das gewöhnlich Inventar genannt wird, handelt vorsätzlich, wenn er nicht etwa einen dringenden und berechtigten Grund anführen kann, warum er es nicht gemacht hat. Hat jemand vorsätzlich das Inventar nicht angefertigt, steht er so, dass er dem Mündel auf das Interesse haftet, das nach dem im Verfahren geleisteten Eid bestimmt wird. …

52

Dagegen glaubt Provera, Iusiurandum S. 70, es fehle bei actio commodati contraria an der Feststellung eines dolus des Beklagten; wenn dieser aber seinem Vertragspartner absichtlich nicht die Aufwendungen erstattet, zu deren Ersatz er verpflichtet ist, kann man ihm nicht minder Vorsatz vorwerfen als dem Verwahrer, der die in Verwahrung gegebene Sache in Kenntnis seiner Rückgabepflicht behält. 53 Vgl. Gai 4.62 und Lenel, EP, S. 318.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Der Sinn dieses Verzeichnisses besteht jedoch gerade darin, dem Mündel bei Beendigung der Vormundschaft die Rückforderung der ihm gehörenden Gegenstände zu ermöglichen, deren Identifikation sonst praktisch unmöglich ist54. Ein Erbe des Vormunds muss einen Schätzungseid des Mündels daher nicht schon wegen des fehlenden Inventars hinnehmen, das auch zufällig verloren gegangen sein kann; er haftet aber wegen seines eigenen Vorsatzes:55 D 27.7.4pr. Ulp 36 ed … nam cum permittatur adversus heredem ex proprio dolo iurari in litem, apparet eum iudicio tutelae teneri ex dolo proprio. … denn da es gestattet ist, gegenüber dem Erben wegen dessen eigenen Vorsatzes im Verfahren zu schwören, ist auch ausgemacht, dass er mit der Vormundschaftsklage für seinen eigenen Vorsatz haftet.

Und dieser ergibt sich wiederum daraus, dass er Sachen des Mündels, die er als solche erkannt hat, nicht zurückgibt: CJ 5.53.1 (a 205) Severus et Antoninus AA. Asclepiodoto. Adversus heredem tutoris ad transferendam tutelam iudicem accipiens tempore litis ad puberem instrumenta pertinentia restitui desiderabis. quod si dolo non exhibeantur, in litem iurandi tibi facultas erit, modo si quondam pupillo debitam adfectionem ad vincula quoque religionis extendere volueris. Kaiser Severus und Antoninus an Asclepiodotus. Hast du die Einsetzung eines Richters erwirkt, um gegenüber dem Erben des Vormunds die Übertragung der Vormundschaft zu erreichen, kannst du die Rückgabe der Urkunden verlangen, die im Zeitpunkt des Prozesses dem Mündel gehören. Werden sie aber vorsätzlich nicht vorgelegt, hast du die Befugnis, im Verfahren zu schwören, falls du die dem Mündel geschuldete Unterstützung auch auf eine religiöse Bindung ausdehnen willst. CJ 5.53.4pr (a 238) Gordianus A. Muciano. Alio iure est tutor, alio heres eius. tutor enim inventarium ceteraque instrumenta si non proferat, in litem iusiurandum adversus se potest admittere: at enim heres eius ita demum, si reperta in hereditate dolo malo non exhibeat. Kaiser Gordian an Mucianus. Bei dem Vormund ist dies, bei seinem Erben etwas anderes rechtens. Ein Vormund kann nämlich, indem er das Inventar oder andere Urkunden nicht herausgibt, bewirken, dass gegen ihn im Verfahren geschworen wird, aber sein Erbe nur dann, wenn er sie im Nachlass gefunden hat und vorsätzlich nicht herausgibt. 54

Provera, Iusiurandum, S. 96. Die diokletianische Kanzlei stellt ihm den anderweit nachgewiesenen Vorsatz des verstorbenen Vormunds gleich; vgl. CJ 5.53.5 (a 294): Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Artemidoro. Licet adversus heredes ob non factum inventarium iusiurandum in actione tutelae praetermitti placuerit, iudicem tamen velut ex dolo tutoris aliis indiciis instructum adversus eos ferre sententiam convenit. („Kaiser Diokletian und Maximian an Artemidorus. Obwohl man bei der Vormundschaftsklage gegen den Erben wegen eines ausgebliebenen Inventars anerkanntermaßen keinen Eid zulässt, gilt doch, dass der Richter dennoch sein Urteil wegen eines Vorsatzes des Vormunds fällen kann, wenn er hiervon durch andere Beweisanzeichen überzeugt worden ist.“) 55

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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Der Vormundschaftsklage vergleichbar ist die actio rei uxoriae, deren Formel mit der Klausel: ,quod eius melius aequius erit‘, auf das dem Gebot der bona fides gleichkommende Ziel von ,bonum et aequum‘ verweist. Auch diese Klage ist auf die Rückgewähr einer Sachgesamtheit in Gestalt der Mitgift gerichtet. Deren Bestandteile wechseln bei ihrer Bestellung zwar in das Eigentum des Ehemannes, bilden wegen der Herausgabepflicht bei Eheauflösung aber doch ein Sondervermögen und sind als solches der Frau zugewiesen.56 Gibt der Ehemann sie vorsätzlich nicht heraus, muss er sich daher gefallen lassen, dass er in den Betrag verurteilt wird, den die Frau durch Schätzungseid angibt: D 24.3.25.1 Paul 36 ed Maritum in reddenda dote de dolo malo et culpa cavere oportet. quod si dolo malo fecerit, quo minus restituere possit, damnandum eum, quanti mulier in litem iuraverit, quia invitis nobis res nostras alius retinere non debeat. Der Ehemann muss wegen der Rückgabe der Mitgift für Vorsatz und Fahrlässigkeit Sicherheit leisten. Hat er aber vorsätzlich bewirkt, dass er sie nicht zurückgeben kann, sei er in den Betrag zu verurteilen, den die Frau im Verfahren beschwört, weil ein anderer unsere Sachen nicht gegen unseren Willen behalten darf.

Geht es auch bei Vormundschafts- und Mitgiftklage um die Herausgabe von Sachen,57 fügen sich die Anwendungsfälle des iusiurandum in litem bei den bonae fidei iudicia bestens zu den restitutorischen Klagen im eigentlichen Sinne, bei denen der Richter dem Beklagten in einem Zwischenbescheid die Herausgabe einer vom Kläger geforderten Sache aufgibt. Es sind dies neben der Eigentumsherausgabeklage58 die hereditatis petitio59 und die vindicatio usus fructus60, die ebenfalls über eine Restitutionsklausel der Form: ,neque ea res arbitrio iudicis restituetur‘, verfügen61. Eine solche enthält auch die zur Geltendmachung eines Pfandrechts dienende actio Serviana,62 bei der umstritten ist, ob der Schätzungseid auch dann geleistet werden kann, wenn sie sich gegen den Schuldner richtet: Marcian folgert aus der dinglichen Natur der Klage, dass der Pfandgläubiger nicht auf den Betrag der gesicherten Forderung festgelegt ist, den er ja auch ohne Weiteres mit der persönlichen Klage geltend machen könnte. Dagegen sieht Ulpian die Haftung des

56 Wegen dieser Bindung begründet es entgegen Provera, S. 116 keinen Interpolationsverdacht, wenn Paulus in D 24.3.25.1 aus Sicht der Frau von ,res nostras‘ spricht. 57 Richtig Provera, Iusiurandum, S. 96. 58 Hierauf beziehen sich D 12.3.2 (s. o. S. 164), D 6.1.46 (s. u. S. 182), D 6.1.68 (s. o. S. 156 f.), D 6.1.69 (s. u. S. 180 f.), D 6.1.70 (s. u. S. 180 f.), D 6.1.71 (s. o. S. 153). 59 Auf diese Klage bezieht sich D 5.3.25.10 (s. o. S. 168). 60 Hierauf bezieht sich D 8.5.7 Paul 21 ed: … si vero neque rem praestat neque cautionem, tanti condemnet, quanti actor in litem iuraverit. („… Leistet er aber weder den Gegenstand noch Sicherheit, wird er in den Betrag verurteilt, den der Kläger im Verfahren beschworen hat.“) 61 Lenel, EP, S. 177, 190. 62 Lenel, EP, S. 494.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Schuldners mit der actio Serviana durch die gesicherte Forderung vorgegeben, so dass für ihn hier auch kein Schätzungseid in Betracht kommt:63 D 20.1.16.3 Marcian form hyp In vindicatione pignoris quaeritur, an rem, de qua actum est, possideat is cum quo actum est. … sin vero dolo quidem desiit possidere, summa autem ope nisus non possit rem ipsam restituere, tanti condemnabitur, quanti actor in litem iuraverit, sicut in ceteris in rem actionibus: nam si tanti condemnatus esset, quantum deberetur, quid proderat in rem actio, cum et in personam agendo idem consequeretur? Bei der Vindikation des Pfandes wird geprüft, ob der Beklagte die Sache besitzt, derentwegen geklagt wird. … Hat er sich aber vorsätzlich des Besitzes begeben und kann er trotz größter Anstrengung die Sache nicht zurückgeben, wird er in den Betrag verurteilt, den der Kläger im Rechtsstreit beschwört, und zwar ebenso wie bei den anderen dinglichen Klagen. Denn was nützte ihm die dingliche Klage, wenn er in den Betrag verurteilt würde, der geschuldet wird, da derselbe doch auch mit der persönlichen Klage erlangt werden könnte? D 20.1.21.3 Ulp 73 ed Si res pignerata non restituatur, lis adversus possessorem erit aestimanda, sed utique aliter adversus ipsum debitorem, aliter adversus quemvis possessorem: nam adversus debitorem non pluris quam quanti debet, quia non pluris interest, adversus ceteros possessores etiam pluris, et quod amplius debito consecutus creditor fuerit, restituere debet debitori pigneraticia actione. Wird die verpfändete Sache nicht zurückgegeben, ist der Streitwert gegenüber dem Besitzer zu schätzen, aber gegenüber dem Schuldner selbst anders als gegenüber einem anderen Besitzer, im Verhältnis zum Schuldner nämlich nicht mehr, als er schuldet, weil kein höheres Interesse besteht, im Verhältnis zu anderen Besitzern dagegen höher, und was der Gläubiger über die Schuld hinaus erlangt, muss er dem Schuldner mit der Pfandklage herausgeben.

Außerhalb der dinglichen Klagen findet sich eine Restiutionsklausel noch bei der zur Vorbereitung des dinglichen Verfahrens dienenden Vorlegungsklage,64 auf die sich etliche Quellen beziehen,65 ferner bei actio doli66 und metus-Klage67, die auf Beseitigung eines ungerechten Zustands gerichtet sind und für die der Schätzungseid gemeinsam durch D 4.3.18pr68 ebenfalls belegt ist. Ähnlich ist die Wirkungsweise 63 Während Chiazzese, Iusiurandum, S. 263 ff. und Provera, Iusiurandum, S. 28 hier Interpolationsvermutungen anstellen, will Wubbe, Der Streitwert bei der actio Serviana, in: Medicus/Seiler (Hg.), Festsschrift für Kaser, München 1976, S. 179, 185 ff. die Divergenz der Entscheidungen mit einem Unterschied in der zu lösenden Fallkonstellation erklären: Ulpian beschäftige sich mit dem besitzlosen, Marcian mit dem Besitzpfand, bei dem der Pfandgläubiger über den Vorteil des Sachbesitzes als Anknüpfungspunkt für eine über den Schuldbetrag hinausgehende Schätzung verfüge. Die Texte scheinen mir einen solchen Schluss nicht zuzulassen. 64 Lenel, EP, S. 223. 65 Es sind D 10.4.3.2 (s. o. S. 158), D 10.4.5.2 (s. o. S. 168), D 12.3.10 (s. o. S. 160 f.), D 49.1.28.1 (s. o. S. 160 f.), D 12.3.2 (s. o. S. 164), D 12.3.5pr (s. o. S. 171). 66 Lenel, EP, S. 115. 67 Lenel, EP, S. 112 ff. 68 s. o. S. 158 f.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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der actio Fabiana,69 mit der eine Verfügung sanktioniert wird, die dem Pflichtteil eines Freilassers am Nachlass seines Freigelassenen bei testamentarischer Erbfolge zuwiderläuft. Dass der Kläger auch hier zum Schätzungseid zugelassen werden kann, zeigt D 38.5.5.1 Paul 42 ed: In actione Faviana si res non restituatur, tanti damnabitur reus, quanti actor in litem iuraverit. Bei der fabianischen Klage ist der Beklagte, wenn er die Sache nicht herausgibt, in den Betrag zu verurteilen, den der Kläger im Verfahren beschworen hat.

Über eine Restitutionsklausel verfügt schließlich noch die Klage, die im Anschluss an das interdictum quod vi aut clam erhoben werden kann70 und für die der Schätzungseid durch D 43.24.15.9 belegt ist. Einen dem Restitutionsvorbehalt vergleichbaren Formelteil in Gestalt der negativen Kondemnationsbedingung: ,easque res redditas non esse‘, vermutet Lenel für die actio rerum amotarum.71 Auf diese Klage bezieht sich die aus D 25.2.8.1 und den beiden folgenden Fragmenten gebildete Katene.72 Zwar lassen die Quellen keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass das iusiurandum in litem zunächst bei den Klagen mit Restitutionsklausel zugelassen73 und dann auf andere Ansprüche übertragen worden ist.74 Gleichwohl kann man in der Restitution, wie sie sich im Zwischenbescheid des iudex materialisiert, doch das Grundmuster der Klagen ausmachen, bei denen der Schätzungseid stattfindet. Stets geht es um die Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache, sei es, dass sie Gegenstand einer besonderen Klausel in der Klageformel ist, sei es, dass sie die geltend gemachte Forderung zumindest inhaltlich bestimmt.75 Der Schätzungseid kommt dagegen, vom Ausnahmefall der unmöglichen Leistung abgesehen, nicht zum Zuge, wenn es um eine Zahlungs- oder sonstige Pflicht zur Übereignung geht, die nur das Vermögen betrifft.

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Lenel, EP, S. 352. Lenel, EP, S. 483. 71 Lenel, EP, S. 309. 72 s. u. S. 179 f. 73 Zum möglichen Ursprung des iusiurandum in litem s. u. S. 185 f. 74 So rekonstruieren die historische Entwicklung Chiazzese, Iusiurandum, S. 11 f., der den Schätzungseid ursprünglich auf Klagen mit einer Klausel über die arbitrio iudicis befohlene Restitution beschränkt sieht, und Provera, Iusiurandum, S. 87 ff., der von der Übertragung von den dinglichen Klagen auf persönliche Ansprüche ausgeht. In beiden Fällen müsste das iusiurandum in litem bei der Vormundschaftsklage jünger sein; für diese rechnet Watson, TR 34 (1966) 175, 192 f. wegen des Zusammenhangs mit dem Serviuszitat in D 27.7.4pr aber schon mit der Zulassung des Schätzungseids in der Republik. 75 Provera, Iusiurandum, S. 47, Kaser/Hackl, RZ, S. 340. 70

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

3. Ein kaufähnlicher Vergleichsvertrag Obwohl der in D 12.3.9 behandelte Schätzungseid bei der Diebstahlsklage kein iusiurandum in litem ist,76 liefert er doch das Grundmuster für diesen: Da die actio furti auf den Vergleichsbetrag gerichtet ist, mit dem der Täter seine Tat wieder wettmachen kann, dient der Schätzungseid dazu, die Vorstellung des Opfers über diesen Betrag zu fixieren. Der Beklagte ist zur Zahlung dieses Betrags verpflichtet, weil er durch das Unrecht, das er dem Kläger vorsätzlich zugefügt hat, gewissermaßen vorab sein Einverständnis mit dem Vergleich bekundet hat. Und der Kläger darf die Annahme der Zahlung des Beklagten nicht verweigern, weil er die Summe, mit der das Unrecht ausgeglichen werden kann, ja selbst festgelegt hat.77 Zwanghaft ist der Vergleich, von dem die Formel der Diebstahlsklage ausgeht, nur insofern, als sich der Beklagte überhaupt mit einer vom Kläger ausgehenden Sanktion seiner Tat und der Kläger damit abfinden muss, dass diese durch Geldzahlung ausgeglichen wird. Beides folgt aber aus der Einrichtung der actio furti selbst: Mit ihr gestattet das Gemeinwesen dem Opfer eines Diebstahls dessen private Verfolgung und verbietet ihm zugleich, auf andere Weise Vergeltung für die Tat zu üben. Dem Schema des Eides bei der Diebstahlsklage, die mit ihrer Ausrichtung auf den Vergleichsbetrag vermutlich eine sehr alte Vorstellung konserviert, folgt auch das iusiurandum in litem bei den restitutorischen Klagen: Der Kläger gibt mit seinem Schwur an, wie der Kläger die Vorenthaltung der herauszugebenden Sache ausgleichen kann. Und der Beklagte muss diesen Ausgleich leisten, weil er durch seine selbstbestimmte Entscheidung für die Frustration des Klägerrechts gewissermaßen sein antezipiertes Einverständnis mit der Zahlung des beschworenen Betrags erklärt hat. Das Ergebnis ist ein Vergleich, der von der Rechtsordnung insofern erzwungen wird, als sie überhaupt die Vorenthaltung der Sache durch den Beklagten sanktioniert und zugleich dem Kläger, der sich mit der condemnatio pecuniaria begnügen muss, verwehrt, die Sache selbst zu erlangen. Ebenso wie das Opfer eines Diebstahls dessen Sühne durch eine Geldzahlung hinnehmen muss, kann der zur Sachherausgabe berechtigte Restitutionskläger bloß erwarten, dass er sein Interesse an dem Klageziel in Geld ersetzt bekommt. Eine der Diebstahlsklage vergleichbare Situation besteht dagegen weder bei den Klagen, mit denen der Beklagte statt für seinen Vorsatz lediglich für ein fahrlässiges Verhalten einzustehen hat, noch bei solchen, in denen es statt um die Restitution um die Erfüllung einer Leistungspflicht geht: Bei einem bloß fahrlässigen Verhalten, mit dem der Beklagte die Herausgabe der Sache an den Kläger vereitelt, kann man nicht annehmen, dass er sich vorab mit der Zahlung des vom Kläger als Vergleichssumme festzusetzenden Betrags einverstanden erklärt; da er das Herausgaberecht des Klägers verkannt hat, fehlt es an einem freiwilligen Handeln, dem man die Zustimmung 76

s. o. S. 169. Entgegen Provera, S. 94 hat der Eid also auch hier keineswegs die Funktion eines Beweismittels. 77

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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zu einem späteren Vergleich nach dem Ermessen des Klägers entnehmen könnte. Bei den Klagen, die nicht auf Restitution einer Sache gerichtet sind, fallen das Klageziel und die Verurteilung nicht auseinander: Wer die Erfüllung einer Leistungspflicht verlangt, begehrt einen Vermögenswert, den er durch die Verurteilung auch erfährt. Die Leistung, zu der sich der Beklagte verpflichtet hat, ist ihm lediglich dem Vermögen nach zugewiesen und erfolgt auch durch Befriedigung seines pekuniären Interesses an ihr. Die Verurteilungssumme stellt keinen Vergleich dar, mit dem sich der Kläger sein eigentliches Klageziel erst abkaufen lassen müsste. In den Quellen kommt der von der Diebstahlssanktion entlehnte Vergleichsmechanismus, der für ein hohes Alter des iusiurandum in litem spricht, zuweilen direkt, zuweilen mittelbar zum Ausdruck: Indirekt tritt es in der Rechtfertigung des Schätzungseides aus dem Verbot der Vorenthaltung hervor, wie wir sie bei Paulus in D 24.3.25.1 für die Mitgiftklage kennengelernt haben:78 Soll sich die Befugnis der Frau zum Schätzungseid wider ihren vorsätzlich handelnden Ehemann daraus ergeben, dass dieser ihre Sachen nicht gegen ihren Willen behalten darf, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der Mann die zur Mitgift gehörenden Sachen eben nicht mehr ohne den Willen der Frau hat, wenn er den von ihr beschworenen Betrag geleistet und sich daher gleichsam mit ihr verglichen hat. Noch spezifischer ist die Begründung, die die Kompilatoren aus einem Paulustext entnommen und in einen Auszug aus Pomponius’ Sabinuskommentar eingeflochten haben, in dem es um den Schätzungseid bei der actio rerum amotarum geht: D 25.2.8.1 Pomp 16 Sab Sabinus ait, si mulier res quas amoverit non reddat, aestimari debere quanti in litem vir iurasset … Gibt eine Ehefrau entwendete Sachen nicht zurück, müssen sie, wie Sabinus sagt, auf so viel geschätzt werden, wie der Ehemann im Verfahren geschworen hat, … D 25.2.9 Paul 37 ed … (non enim aequum est invitum suo pretio res suas vendere) … … (denn es ist nicht gerecht, Sachen unfreiwillig zu ihrem Wert verkaufen zu müssen) … D 25.2.10 Pomp 16 Sab … ideoque nec debere eum pro evictione promittere, quod ex contumacia mulieris id ita acciderit. … und deshalb müsse er auch kein Versprechen für den Fall der Entwehrung leisten, weil es nämlich hierzu wegen der Missachtung des Gerichts durch die Frau gekommen ist.

Geht man von der plausiblen Annahme aus, Paulus’ Satz habe sich in seinem ursprünglichen Kontext auf dieselbe Frage bezogen, mit der sich Pomponius und der von ihm zitierte Sabinus befassen, konkretisiert er deren Aussage zur Mitgiftklage: Darf der Ehemann, der seine Frau wegen der Entwendung von Sachen in Anspruch nimmt, nicht dazu gezwungen werden, diese zu ihrem gemeinen Wert (,suum pre78

s. o. S. 175 f.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

tium‘) zu veräußern, heißt dies wiederum im Umkehrschluss, dass er sehr wohl zu ihrem Verkauf gezwungen werden kann, wenn er die Befugnis hat, durch Schätzungseid seinen Preis und damit den Vergleichsbetrag anzugeben, mit dessen Zahlung der Streit um die diebstahlsähnliche Tat der Frau erledigt sein soll.79 Dieselbe Aussage findet sich in einem kurzen Pomponiusfragment, das von den Kompilatoren ebenfalls zum Teil einer Katene im Digestentitel über die rei vindicatio gemacht worden ist: D 6.1.69 Paul 13 Sab Is qui dolo fecit quo minus possideret hoc quoque nomine punitur, quod actor cavere ei non debet actiones quas eius rei nomine habeat, se ei praestaturum. Wer vorsätzlich bewirkt hat, dass er nicht mehr besitzt, wird deshalb ebenfalls in der Weise bestraft, dass der Kläger ihm keine Sicherheit dafür leisten muss, dass er ihm die Klagen abtritt, die er wegen der Sache hat. D 6.1.70 Pomp 29 Sab Nec quasi Publicianam quidem actionem ei dandam placuit, ne in potestate cuiusque sit per rapinam ab invito domino rem iusto pretio comparare. Und ihm soll noch nicht einmal eine Klage wie die publizianische gewährt werden, damit es nicht in seiner Macht steht, sich eine Sache durch Raub gegen den Willen des Eigentümers zu ihrem Wert zu verschaffen.

Auch Pomponius hält es für ungerecht, dass der Beklagte die umstrittene Sache zu ihrem gemeinen Wert erlangen soll, den er den „gerechten Preis“ (,pretium iustum‘) nennt, und verweigert ihm deshalb die einem Ersitzungsbesitzer zukommende actio Publiciana.80 Diese Entscheidung kann sich nur auf den Fall beziehen, dass der Kläger gerade nicht zum Schätzungseid zugelassen und die Verurteilungssumme vom Richter nach dem gemeinen Wert der Sache bestimmt wird. Sie könnte sich daher entgegen dem Sinn, den sie durch die Zusammenstellung mit dem Paulusfragment gewinnt, auf den Fall beziehen, dass der Beklagte die Sache aus bloßer Nachlässigkeit verloren hat. Oder Pomponius lässt anders als die übrigen Juristen den Schätzungseid nur bei Verweigerung der Herausgabe einer noch bei dem Beklagten befindlichen Sache zu und nicht in der Konstellation, dass der Beklagte sich des Sachbesitzes arglistig begeben hat. In beiden Fällen kann man aus seiner Argumentation aber e contrario schließen, dass er einen Verbleib der Sache bei dem Beklagten dann nicht missbilligt, wenn dieser nicht nur den gemeinen Wert der Sache, sondern zu erstatten hat, was der Kläger zum Ausgleich hierfür verlangt.

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In diesen Betrag können dann, wie Grzimek, Taxatio, S. 150 f. hervorhebt, die Affektionsinteressen des Klägers eingehen, die er auch bei einem Verkauf der Sache ansetzen könnte. 80 Während Provera, Iusiurandum S. 117 diese Lösung für das Ergebnis einer nachträglichen Textveränderung hält, wertet Levy, SZ 42 (1921) 476, 485 f. die Äußerung als Stütze seiner These, dass der Beklagte, der den Schätzwert einer herausgeforderten Sache leistet, nur den Ersitzungsbesitz und nicht das Eigentum erlangt.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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Den von Paulus und Pomponius eingesetzten Gedanken eines Zwangsverkaufs finden wir vor ihm erstmals bei Julian,81 der sich ebenfalls mit der actio rerum amotarum beschäftigt und untersucht, welche Rechtsstellung der Frau zukommt, die die Verurteilungssumme entrichtet hat: D 25.2.22 Iul 19 dig Si propter res amotas egero cum muliere et lis aestimata sit, an actio ei danda sit, si amiserit possessionem? movet me, quia dolo adquisiit possessionem. respondi: qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est. ideo si mulier, cum qua rerum amotarum actum est, aestimationem litis praestiterit, adversus vindicantem maritum vel heredem mariti exceptionem habet et, si amiserit possessionem, in rem actio ei danda est. Habe ich gegen meine Frau geklagt wegen entwendeter Sachen und ist der Streitwert geschätzt worden, stellt sich die Frage, ob ihr eine Klage zu gewähren ist, wenn sie den Besitz verliert? Mir gibt zu denken, dass sie den Besitz arglistig erworben hat. Ich habe entschieden: Wer die Schätzsumme leistet, steht einem Käufer gleich. Deshalb steht der Frau, gegen die eine Klage wegen entwendeter Sachen erhoben worden ist, wenn sie den Schätzwert geleistet hat, gegen ihren klagenden Ehemann oder seinen Erben eine Einrede zu, und wenn sie den Besitz verloren hat, ist ihr eine dingliche Klage zu gewähren.

Julian will der Frau, die auf die Klage ihres Ehemannes den Verurteilungsbetrag gezahlt hat, zur Verteidigung gegen ein Herausgabeverlangen ihres Ehemannes oder seiner Erben die exceptio rei venditae et traditae und zur aktiven Sachverfolgung die actio Publiciana gewähren. Zwar erlangt die Frau nicht sofort das Eigentum an den entwendeten Sachen, weil sie ihren Besitz hieran ja arglistig begründet hat. Durch die Zahlung der litis aestimatio hat sie sich jedoch in die Rechtslage eines Käufers gebracht und erwirbt damit den ihm zukommenden Schutz eines Ersitzungsbesitzers.82 Bezogen auf die Eigentumsherausgabeklage findet sich der Vergleich zum Kauf83 auch in einem Julianzitat bei Ulpian:84 D 6.2.7.1 Ulp 16 Si lis fuerit aestimata, similis est venditioni: et ait Iulianus libro vicensimo secundo digestorum, si optulit reus aestimationem litis, Publicianam competere. 81 Dass erst dieser den Anschluss an das „Regelrecht“ gefunden und die entscheidende Wende für die Lehre vom Eigentumserwerb des Beklagten geschafft habe, glauben Levy, SZ 42 (1921) 476, 482 und Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 171. 82 Entgegen Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 145 kann diese Begründung schwerlich interpoliert sein, weil sie eben die von Julian befürworteten Rechtsfolgen trägt. 83 Hier greift die Analogie zum Kaufvertrag zumindest theoretisch weiter aus als bei der actio rerum amotarum, weil die Verurteilung anders als dort nicht an den Vorsatz des Beklagten geknüpft ist, sondern auch dann erfolgt, wenn er die Sache fahrlässig verloren hat. In diesem Fall kann er jedoch mangels Schätzungseides keinen Ersitzungsbesitz erlangen, so dass ihm der Vergleich zum Kauf nicht weiterhilft. 84 Dagegen findet er sich entgegen Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 146 nicht einmal angedeutet bei Marcell in D 12.3.8 (s. o. S. 164), wo der Begriff pretium gerade nicht den Preis, sondern den Wert bezeichnet.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Ist der Streit in Geld geschätzt worden, ist dies einem Verkauf ähnlich; und Julian schreibt im 22. Buch seiner Digesten, dass dem Beklagten die publizianische Klage zustehe, wenn er den Streitwert geleistet habe.85

Paulus bemüht für diesen Fall dagegen außer dem von Julian herangezogenen Vorbild des Kaufvertrags noch die vermutlich ältere Vorstellung eines Vergleichs zwischen den Parteien. Einerseits bezeichnet er den durch Schätzungseid ermittelten Verurteilungsbetrag in Entgegensetzung zu dem in D 25.2.9 genannten gemeinen Wert (,pretium suum‘) als den Preis, den der Kläger selbst bestimmt hat und der deshalb auch für einen Kaufvertrag über die Sache maßgeblich sein muss. Andererseits erkennt er in der Schätzsumme den Gegenstand einer transactio: D 6.1.46 Paul 13 Sab Eius rei, quae per in rem actionem petita tanti aestimata est, quanti in litem actor iuraverit, dominium statim ad possessorem pertinet: transegisse enim cum eo et decidisse videor eo pretio, quod ipse constituit. Das Eigentum an einer Sache, die durch dingliche Klage herausverlangt und auf so viel geschätzt worden ist, wie der Kläger im Verfahren geschworen hat, seht sofort dem Besitzer zu; denn ich werde so angesehen, als ob ich mich mit ihm verglichen und den Streit beendet habe zu dem Preis, den ich selbst festgesetzt habe.

Indem Paulus dem Beklagten das dominium zuspricht,86 hält er ihn offenbar für den zivilrechtlichen Eigentümer87 und geht so über Julian, Pomponius und Ulpian hinaus, die lediglich erwägen, dem Beklagten nur die publizianische Klage zuzugestehen. Dass der Beklagte nur den hiermit geschützten Ersitzungsbesitz erlangen soll, sagt Ulpian an anderer Stelle auch ausdrücklich: D 41.3.27 Ulp 31 Sab … idem et in litis aestimatione placet, ut, nisi vere quis litis aestimationem subierit, usucapere non possit. … Dasselbe gilt bei der Schätzung des Streitwertes, so dass jemand nicht ersitzen kann, wenn er den Schätzbetrag nicht auf sich genommen hat.88 85 Verkürzt findet sie sich auch in D 41.4.3 Ulp 75 ed: Litis aestimatio similis est emptioni. („Die Zahlung des Streitwertes ist einem Kauf ähnlich.“) Ähnlich ist D 42.4.15 Ulp 6 fid: Is, qui rem permutatam accepit, emptori similis est: item is, qui rem in solutum accepit vel qui lite aestimata retinuit … („Wer eine Sache durch Tausch erhalten hat, ist einem Käufer ähnlich, ebenso wer eine Sache an Erfüllungs Statt erhalten oder gegen Leistung des Schätzwertes behalten hat …“) 86 Für das Ergebnis einer Interpolation des Textes halten dies Provera, Iusiurandum, S. 120 und Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 163 f., 172, der in der Textänderung eine Folge der Beseitigung des Unterschieds zwischen quiritischem und bonitarischem Eigentum sieht. 87 Anders Levy, SZ 42 (1921) 476, 484 m. Fn. 1, der glaubt, Paulus meine mit dominium nur das bonitarische Eigentum. 88 Unergiebig ist dagegen Ulpians Stellungnahme in D 27.9.3.2 (35 ed), wo er dem Angebot der Zahlung des Schätzwertes lediglich die Wirkung einer alienatio bescheinigt, die wegen ihres unfreiwilligen Charakters nicht vom Verbot der Verfügung über Mündelgrundstücke gemäß der oratio Severi erfasst wird: Item quaeri potest, si fundus a tutore petitus sit pupillaris

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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Und Gaius führt die Ersitzung durch den Beklagten auf dessen käuferähnliche Stellung zurück, die Julian und Ulpian als Rechtfertigung für die Gewährung der publizianischen Klage dient: D 41.4.1 Gai 6 ed prov Possessor, qui litis aestimationem optulit, pro emptore incipit possidere. Der Besitzer, der die Zahlung des Streitwertes anbietet, beginnt, wie ein Käufer zu besitzen.

Aber auch Paulus, der sich in D 6.1.46 für einen unmittelbaren Eigentumserwerb ausspricht, nimmt an anderer Stelle eine Ersitzung durch den Beklagten an, wenn dieser die Schätzsumme an den Kläger entrichtet: D 41.3.4.13 Paul 54 ed Sed et si vindicavero rem mihi subreptam et litis aestimationem accepero, licet corporaliter eius non sim nactus possessionem, usucapietur. Aber auch wenn ich eine mir entwendete Sache mit der Eigentumsherausgabeklage fordere und den Streitwert angenommen habe, wird sie ersessen, obwohl ich den Besitz an ihr nicht körperlich erlangt habe.

Die Divergenz zur Entscheidung in D 6.1.46 lässt sich damit erklären, dass es hier um eine gestohlene Sache und die Frage geht, ob der Makel des Diebstahls durch ihre Rückkehr zum Eigentümer wieder wettgemacht ist. Während Paulus dies bejaht, schreckt er doch davor zurück, den Beklagten direkt zum Eigentümer zu erklären und eröffnet ihm nur die Möglichkeit der Ersitzung. Dass es noch andere Juristen gibt, die zumindest dann, wenn kein Diebstahl vorgekommen ist, einen sofortigen Eigentumserwerb des Beklagten annehmen, macht der folgende Auszug aus den Responsen Neraz’ wahrscheinlich: D 16.3.30 Ner 1 resp Si fideiussor pro te apud quem depositum est litis aestimatione damnatus sit, rem tuam fieri. Ist ein Bürge für dich, bei dem eine Sache hinterlegt worden ist, zur Zahlung des Streitwertes verurteilt worden, gehört die Sache dir.

Dass die Verurteilung des von einem Verwahrer gestellten Bürgen ausreichen soll, um den Übergang des Eigentums an der hinterlegten Sache auf den Verwahrer zu bewirken, lässt sich auf zweifache Weise erklären: Entweder wird der Bürge in den nec restituatur, an litis aestimatio oblata alienationem pariat, et magis est, ut pariat: haec enim alienatio non sponte tutorum fit. („Ebenso lässt sich fragen, ob das Angebot der Zahlung des Streitwertes eine Veräußerung bewirkt, wenn ein Grundstück des Mündels vom Vormund herausverlangt und es nicht herausgegeben wird; und es ist besser anzunehmen, dass es die Veräußerung herbeiführt; diese Veräußerung geschieht nämlich nicht aus dem Antrieb des Vormunds.“) Carelli, L’acquisto della proprietà per litis aestimatio nel processo civile romano, Mailand 1934, S. 106 ff. entnimmt Ulpians Hinweis auf die mangelnde Freiwilligkeit der Veräußerung zu Unrecht, dass für die römischen Juristen eine Deutung des iusiurandum in litem als Vertrag von vornherein nicht in Betracht gekommen sei. Ulpian stellt nicht in Frage, dass es bei der Vorenthaltung des Mündelgrundstücks zu einer alienatio kommt; er verneint lediglich, dass sie unter das Verbot der Grundstücksveräußerung durch den Tutor fällt.

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Betrag verurteilt, den der Verwahrer zu leisten hätte, und muss sich also, obwohl durch Stipulation verpflichtet, einen Schätzungseid wie im restitutorischen Prozess gegen den Hauptschuldner gefallen lassen; oder Neraz genügt für die Annahme eines Eigentumserwerbs durch den Verwahrer, dass der Hinterleger diesen selbst mit der Verwahrungs- oder Eigentumsherausgabeklage zu belangen und in diesem Rahmen einen Schätzungseid zu leisten hat89. Ist die Frage, ob der Beklagte aufgrund der Leistung des Streitwertes Eigentum oder Ersitzungsbesitz an der geforderten Sache erlangt, zwischen den römischen Juristen auch umstritten, lässt sich ansonsten doch keine Kontroverse über die Reichweite des Vergleichs zum Kaufvertrag ausmachen. Vielmehr besteht Einigkeit darin, dass er nur den Erwerb des Eigentums an der Sache betrifft und keine Verpflichtung des Klägers begründet.90 Nicht nur Pomponius lehnt es in D 25.2.10 ab, dem Kläger eine Eviktionsgarantie für die Sachen aufzuerlegen, die er von seiner ehemaligen Frau mit der actio rerum amotarum zurückverlangt und die diese gegen Zahlung der Schätzsumme behalten hat. Auch Paulus lehnt eine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung wegen Eviktion ab: D 6.1.35.2 Paul 21 ed Petitor possessori de evictione cavere non cogitur rei nomine, cuius aestimationem accepit: sibi enim possessor imputare debet, qui non restituit rem. Der Kläger wird nicht gezwungen, dem Besitzer Sicherheit für den Fall der Entwehrung der Sache zu leisten, deren Schätzwert er erhalten hat; der Besitzer muss es sich nämlich selbst zuschreiben, dass er die Sache nicht herausgegeben hat.

Paulus’ Begründung entspricht der von Pomponius, der eine Eviktionshaftung des Klägers unter Verweis auf die contumacia der Beklagten ablehnt. Paulus schließt eine Gewährleistung durch den Kläger mit der Begründung aus, die Beklagte habe die Sache aus eigenem Antrieb nicht herausgegeben. Dementsprechend kann sie die Stellung eines Käufers nicht insgesamt beanspruchen, sondern sich auf den Quasikauf lediglich als Rechtsgrund für den Verbleib der Sache berufen. Eine Verpflichtung des Klägers zu weiteren Leistungen widerspräche auch dem Vergleichscharakter, den die Verurteilung in den durch iusiurandum in litem bestimmten Betrag hat: Der Kläger bekundet mit seinem Eid ja nur, welcher Betrag erforderlich ist, um den Verlust der Sache auszugleichen, nicht dagegen, dass er sich dem Beklagten noch für den Fall der Entwehrung oder in anderer Weise verbindlich machen will. Die zwischen transactio und Kaufvertrag schwankende Einordnung des Mechanismus, kraft dessen der infolge des Schätzungseides verurteilte Beklagte das Eigentum oder den Ersitzungsbesitz an einer Sache erlangt, erinnert an die Versuche, den freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando zu erfassen. Auch dort greifen die römischen Juristen auf das Konzept eines Vertrags und insbesondere eines 89 90

Letzteres glaubt Ehrhardt, Litis aestimatio, S. 152. Vgl. auch Levy, SZ 42 (1921) 476, 482 f.

III. Der Grund für die Zulassung zum Schätzungseid

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Vergleichs zurück, um ein schon vorgefundenes Institut zu konzeptualisieren: Beim Eid nach dem Edikt de iureiurando ist es der Antrag des Kontrahenten, der den Ausschluss des behaupteten Anspruchs oder seine ungeprüfte Hinnahme rechtfertigen. Beim iusiurandum in litem ist es die durch Missachtung der richterlichen Weisung oder antezipiert durch Sachaufgabe dokumentierte Weigerung des Beklagten zur Herausgabe, die den Austausch der Sache gegen den vom Kläger beschworenen Betrag und damit auch die Eidesbefugnis rechtfertigt. Mit ihr erklärt der Beklagte sein Einverständnis mit dem Eid des Kontrahenten auf ähnliche Weise wie jemand, der seinem Gegner den Eid nach dem Edikt de iureiurando anträgt. Das Einverständnis der Gegenseite liegt hier wie dort in dem Eid selbst,91 zu dessen Schwur der Eidesberechtigte jeweils weder direkt noch indirekt gezwungen werden kann.92 Dass die römischen Juristen es im Fall des iusiurandum in litem nicht bei der Annahme eines Vergleichs bewenden lassen, sondern auch den Kaufvertrag bemühen, lässt sich mit Zweifeln an der Tragfähigkeit des Vergleichs zur transactio erklären: Als einfaches pactum kann sie zwar Rechte ausschließen, nicht aber ohne Weiteres den Eigentumserwerb an der herausverlangten Sache rechtfertigen, den die römischen Juristen dem Beklagten direkt oder wenigstens mittelbar im Wege der Ersitzung zugestehen wollen. Das genaue Alter des iusiurandum in litem lässt sich ebenso wenig bestimmen wie dasjenige des freiwilligen Eides nach dem Edikt de iureiurando. Es liegt jedoch nicht fern, seine Entstehung in Zusammenhang mit der condemnatio pecuniaria zu bringen, die ja erst den Grund dafür schafft, dass sich ein Kläger, der eine Sache heraus- oder zurückverlangt, mit einer Geldzahlung zufrieden geben muss.93 Gaius bringt die Geldverurteilung in Verbindung mit dem Formularprozess und stellt sie der Sachherausgabe in der olim-Zeit gegenüber,94 mit der er zumindest die dinglichen 91 Levy, SZ 42 (1921) 476, 488 redet hier, wie er selbst einräumt, zu modern, indem er von einer „rechtsgestaltenden Willenserklärung“ als Vertragselement spricht. 92 Entscheidend für die Analogie ist daher, wie Levy, SZ 42 (1921) 476, 494 zu Recht geltend macht, die Eidesbefugnis, nicht der Schwur selbst. 93 Dies nehmen völlig zu Recht Levy, SZ 36 (1915) 1, 68, Provera, Iusiurandum, S. 77 und Grzimek, Taxatio, S. 143 an, wohingegen Broggini (Fn. 47), S. 123 ff., 136 und Schipani (Fn. 26), S. 175 ff. glauben, das iusiurandum in litem habe anfangs der neutralen Rechtsfindung in den Fällen gedient, in denen dem iudex eine Feststellung des Wertes der herauszugebenden Sache wegen deren Zerstörung oder Abwesenheit unmöglich oder erschwert war. 94 Gai 4.48: Omnium autem formularum, quae condemnationem habent, ad pecuniariam aestimationem condemnatio concepta est. itaque et si corpus aliquod petamus, uelut fundum, hominem, uestem, aurum, argentum, iudex non ipsam rem condemnat eum, cum quo actum est, sicut olim fieri solebat, sed aestimata re pecuniam eum condemnat. („Die Verurteilung ist bei allen Klagen, die eine entsprechende Klausel haben, auf einen Geldbetrag gerichtet. Deshalb verurteilt der Richter den Beklagten auch dann, wenn wir eine bestimme Sache wie ein Grundstück, einen Sklaven, ein Kleid, Gold oder Silber fordern, nicht auf die Lieferung der Sache selbst, wie es früher gewöhnlich geschah, sondern, nachdem die Sache geschätzt worden ist, zu einem Geldbetrag.“)

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4. Kap.: Das iusiurandum in litem

Klagen des Legisaktionenprozesses meint95. Rechnet man deshalb mit einer Herausbildung des Schätzungseides nach der Einführung des Formularprozesses,96 kommt man in dieselbe Periode, in der auch der streitentscheidende Eid über den Rechtsgrund erstmals bei Plautus erwähnt wird, wobei freilich offen bleiben muss, ob damit der Vorläufer des freiwilligen Eides nach dem Edikt de iureiurando oder derjenige des Zwangseides nach dem Edikt si certum petetur gemeint ist97. Dass das iusiurandum in litem erst lange nach seiner Einführung von den hochund spätklassischen Juristen mit Hilfe des Vertragsmodells dogmatisiert worden ist, bedeutet ebenso wie beim freiwilligen Eid über den Rechtsgrund nach dem Edikt de iureiurando nicht, dass es zuvor einer Rechtfertigung entbehrte. Das in hoch- und spätklassischer Zeit bemühte Vertragskonzept dient ja nur dazu, einen zuvor schon erahnten oder zumindest gefühlten Gerechtigkeitsgehalt des Schätzungseides abstrakt zu beschreiben: Er besteht darin, dass ein Beklagter, der eine Sache nicht herausgibt, es sich selbst zuzuschreiben hat, wenn er den Betrag leisten muss, den der Beklagte veranschlagt, damit ihm die Sache gewissermaßen abgekauft wird. Er ist damit demjenigen ähnlich, der einen streitentscheidenden Eid nach dem Edikt de iureiurando anträgt und es sich ebenfalls selbst zurechnen muss, wenn dieser geschworen und damit sein Anspruch ausgeschlossen oder eine Forderung gegen ihn begründet ist.

95

Kaser/Hackl, RZ, S. 127. Dass es schon im Legisaktionenverfahren Anwendung fand, glaubt dagegen Provera, Iusiurandum, S. 92. 97 s. o. S. 103. 96

Fünftes Kapitel

Iusiurandum de calumnia I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid Der Schwur, einen Rechtsbehelf nicht zur Schikane einzusetzen, ist in den Quellen, die nicht unmittelbar auf Justinian zurückgehen, nur spärlich dokumentiert. Mit Ausnahme des Eides, von dem der Zwangseid abhängig gemacht werden kann,1 und einer weiteren Quelle finden wir in den Digesten nur Konstellationen beschrieben, in denen der Prätor den Kalumnieneid von Amts wegen aus Anlass eines von dem Eidespflichtigen gestellten Antrags auferlegt. Hervorragende Beispiele sind die operis novi nuntiatio und das Verfahren zur Leistung einer cautio damni infecti. In beiden Fällen soll der Antragsgegner gezwungen werden, eine Sicherheit für den Fall zu leisten, dass von seinem Grundstück eine schädliche Einwirkung auf das dem Antragsteller gehörende Nachbargrundstück ausgeht. Für die operis novi nuntiatio, bei der es um den Schutz vor einem unzulässigen Bau geht, ist der Kalumnieneid durch einen Auszug aus Ulpians Ediktskommentar belegt, in dem zugleich der Unterschied zur Zuschiebung des Zwangseides herausgestellt wird: D 39.1.5.14 Ulp 52 ed Qui opus novum nuntiat, iurare debet non calumniae causa opus novum nuntiare. hoc iusiurandum auctore praetore defertur: idcirco non exigitur, ut iuret is ante, qui iusiurandum exigat. Wer einen neuen Bau beanstandet, muss schwören, dass er den Bau nicht nur beanstandet, um den anderen zu schikanieren. Dieser Eid wird vom Prätor von Amts wegen auferlegt; daher ist nicht erforderlich, dass zunächst derjenige schwört, der den Eid fordert.

Die Beanstandung des Neubaus, die ein einstweiliges Bauverbot auslöst, und den Bauherrn, wenn er den Bau fortführen will, zur Sicherheitsleistung für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zwingt, unterliegt dem Erfordernis des Kalumnieneids nicht erst auf Antrag des Bauherrn. Anders als bei der Zuschiebung eines Zwangseides wird der Prätor hier von Amts wegen tätig und macht den Erlass des Bauverbots von vornherein von dem Schwur des Antragstellers abhängig, dass keine Schikane vorliege. Der Grund hierfür ist naheliegend: Da der Prätor die Berechtigung der Beanstandung erst nachträglich bei seiner Entscheidung über die Aufhebung des Bauverbots überprüft, verlangt er zur Abwehr gänzlich unbegrün-

1

s. o. S. 119 ff.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

deter Anträge die eidliche Versicherung des Antragstellers, nicht mit dem Ziel tätig zu werden, den Bauherrn zu schikanieren. Einen ähnlichen Grund hat der Kalumnieneid bei der cautio damni infecti. Hier ist er nicht erst durch die Digesten, sondern schon durch die lex Rubria (20.7 – 12) belegt: Qua de re quisque et a quo in Gallia Cisalpeina damnei infectei/ ex formula restipularei satisue accipere uolet, et ab eo quei/ ibei i(us) d(eicet) postulauerit, idque non k(alumniae) k(aussa) se facere iurauerit, tum is, quo/ d(e) e(a) r(e) in ius aditum erit, eum, quei in ius eductus erit, d(e) e(a) r(e) ex formu/la repromittere et, sei satis darei debebit, satis dare iubeto decernito. Will sich jemand in der Provinz Gallia Cisalpina wegen drohenden Schadens entsprechend der Formel ein Versprechen oder eine Sicherheitsleistung geben lassen und hat er bei demjenigen, der für die Rechtsprechung zuständig ist, einen Antrag gestellt und geschworen, dass er nicht zum Zwecke der Schikane handele, so muss derjenige, an den er sich in dieser Rechtssache gewandt hat, befehlen und anordnen, dass derjenige, der vor Gericht geladen ist, in dieser Sache gemäß der Formel ein Versprechen und, wenn eine Sicherheitsleistung gegeben werden muss, eine Sicherheitsleistung gibt.

Die Erwähnung des Kalumnieneides in dem vermutlich auf Caesar zurückgehenden Gesetz für Gallia Cisalpiana lässt darauf schließen, dass die entsprechende Anordnung des prätorischen Edikts ebenfalls aus der Republik stammt. Überliefert ist sie in D 39.2.7pr Ulp 53 ed: Praetor ait: ,Damni infecti suo nomine promitti, alieno satisdari iubebo ei, qui iuraverit non calumniae causa id se postulare. …‘ Der Prätor bestimmt: „Ich ordne an, dass wegen eines drohenden Schadens ein Versprechen im eigenen Namen und, falls es durch Dritte geschieht, eine Sicherheitsleistung gegeben werden muss, zugunsten desjenigen, der geschworen hat, dies nicht zum Zwecke der Schikane zu fordern …“

Beim Verfahren auf Abgabe einer cautio damni infecti beschäftigen Ulpian auch Einzelfragen der Eidesleistung. So hebt er hervor, dass sich der Eid eines Prozessvertreters auf die fehlende Schikaneabsicht bei dem Vertretenen beziehen muss. Folglich wird sie dann erlassen, wenn der Vertretene wegen der besonderen Ehrerbietung, die der Antragsgegner ihm als Freilasser oder Verwandtem schuldet,2 von dem Eideserfordernis ausgenommen ist: D 39.2.13.13, 14 Ulp 53 ed Si alieno nomine caveri mihi damni infecti postulem iurare debeo non calumniae causa id eum, cuius nomine cautum postulo, fuisse postulaturum. (14) Sed si eius nomine postulem, qui, si ipse postularet, iurare non compelleretur, veluti patronus vel parens, dicendum est locum iuriiurando non esse: de quo enim ille non iuraret, nec qui vice eius postulat in hac stipulatione debet iurare. 2

D 37.15.5pr, 7.3 Ulp 10 ed; s. o. S. 119 Fn. 7.

I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid

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Fordere ich im Namen eines anderen, dass Sicherheit wegen drohenden Schadens geleistet werde, muss ich schwören, dass derjenige, in dessen Namen ich die Sicherheit fordere, dies nicht zur Schikane verlange. (14) Fordere ich die Sicherheitsleistung aber für jemanden, der, wenn er sie selbst forderte, nicht zum Schwur gezwungen würde, wie etwa ein Freilasser oder ein Elternteil, darf der Eid nicht stattfinden; denn in einer Sache, in der jener nicht schwören würde, muss auch derjenige, der an seiner Stelle fordert, bei diesem Versprechen nicht schwören.

Dass der Vertreter hier einen Eid über einen Umstand ablegen soll, der einen Dritten betrifft, steht nur vordergründig im Widerspruch zur Ausnahme des Prozessvertreters vom Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur3. Denn anders als dort ist der Kalumnieneid ja freiwillig übernommen, indem der Prozessvertreter ihn zur Unterstützung seines eigenen Antrags schwört und, wenn er ihn nicht schwört, lediglich dessen Abweisung hinnehmen muss. Anders als beim iusiurandum in litem, wo ein Prozessvertreter ebenfalls nicht zum Eid zugelassen ist,4 besteht auch nicht die Gefahr, dass der Kalumnieneid durch eine abweichende Sachentscheidung als Meineid entlarvt wird. Selbst wenn der Prätor dem Antrag auf Erzwingung einer cautio damni infecti keine Folge leistet, bedeutet dies noch nicht automatisch, dass der Antragsteller in Schikaneabsicht und damit im Wissen um die fehlende Berechtigung seines Begehrens gehandelt hat. Ulpian stellt ferner heraus, dass der Kalumnieneid stets im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erzwingung der Sicherheitsleistung geschworen werden muss und auch dann, wenn dieses Begehren schließlich doch nicht weiterverfolgt wird, nicht für ein zweites Verfahren hinreicht: D 39.2.13.12 Ulp 53 ed Si quis stipulaturus iuraverit nec fuerit stipulatus, an postea ei stipulari volenti iurandum sit, videamus. et puto iterum iurandum, quia possit fieri, ut aut tunc aut modo calumnietur. Hat jemand, um sich ein Versprechen geben zu lassen, geschworen und sich das Versprechen dann nicht geben lassen, müssen wir zusehen, ob noch einmal zu schwören ist, wenn er sich später das Versprechen geben lassen will. Und ich glaube, es sei erneut zu schwören, weil es vorkommen kann, dass entweder damals oder jetzt Schikane vorliegt.

Ist der erste Antrag ohne Schikaneabsicht gestellt worden, bedeutet dies noch nicht, dass sie auch beim zweiten Antrag nicht gegeben ist. Und wenn der erste Antrag tatsächlich zur Schikane erfolgt ist, kann der damalige Schwur als Meineid nicht den zweiten Antrag rechtfertigen. Dass der Kalumnieneid beim Verfahren zur Leistung einer cautio damni infecti aus demselben Grund wie bei der operis novi nuntiatio geleistet werden muss, erfahren wir schließlich aus einer weiteren Bemerkung Ulpians:

3 4

s. o. S. 118 f. s. o. S. 154 f.

190

5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

D 39.2.13.3 Ulp 53 ed Qui damni infecti caveri sibi postulat, prius de calumnia iurare debet: quisquis igitur iuraverit de calumnia, admittitur ad stipulationem, et non inquiretur, utrum intersit eius an non, vicinas aedes habeat an non habeat. totum tamen hoc iurisdictioni praetoriae subiciendum, cui cavendum sit, cui non. Wer eine Sicherheitsleistung wegen drohenden Schadens verlangt, muss vorher schwören, dass keine Schikane vorliegt; daher wird jeder, der dies beschworen hat, zu dem Versprechen zugelassen, und es wird nicht untersucht, ob er ein Interesse hat oder nicht, ob ihm ein Nachbargrundstück gehört oder nicht. Wem Sicherheit zu leisten ist und wem nicht, unterliegt aber völlig dem Ermessen des Prätors.

Der Prätor macht den Zwang zur cautio damni infecti von dem Kalumnieneid des Antragstellers abhängig, weil er die Berechtigung dieses Begehrens grundsätzlich nicht überprüft. Zwar steht es in seinem Ermessen, ob er dem Antrag folgt und dem Antragsgegner die Leistung der cautio auferlegt. Als vorläufige Maßnahme zur einstweiligen Sicherung des Antragstellers muss der Antragsgegner sie jedoch im Regelfall leisten, ohne dass das Interesse des Antragsstellers hinterfragt wird.5 Sicherheit gegen eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Antragsgegners bietet daher vor allem der Kalumnieneid, mit dem sich der Antragsteller, wenn er zur Schikane handelt, der göttlichen Rache aussetzt. Um eine vergleichbare Konstellation geht es in dem folgenden Auszug aus Pomponius’ Sabinuskommentar, dessen Aussage sich nicht ohne Weiteres erschließt: D 10.4.15 Pomp 18 Sab Thensaurus meus in tuo fundo est nec eum pateris me effodere: cum eum loco non moveris, furti quidem aut ad exhibendum eo nomine agere recte non posse me Labeo ait, quia neque possideres eum neque dolo feceris quo minus possideres [utpote cum fieri possit, ut nescias eum thensaurum in tuo fundo esse]. non esse autem iniquum iuranti mihi non calumniae causa id postulare vel interdictum vel iudicium ita dari, ut, si per me non stetit, quo minus damni infecti tibi operis nomine caveatur, ne vim facias mihi, quo minus eum thensaurum effodiam tollam exportem. quod si etiam furtivus iste thensaurus est, etiam furti agi potest. Mein Schatz befindet sich in deinem Grundstück, und du erlaubst nicht, dass ich ihn ausgrabe; bewegst du ihn nicht von der Stelle, kann ich zwar, wie Labeo sagt, weder die Diebstahls- noch die Vorlegungsklage mit Erfolg erheben, weil du ihn nicht besitzt und auch nicht arglistig bewirkt hast, dass du ihn nicht besitzt [zumal ja vorkommen kann, dass du nicht weißt, dass der Schatz sich in deinem Grundstück befindet]. Aber es sei nicht ungerecht, dass mir, wenn ich schwöre, dass ich dies nicht zum Zwecke der Schikane fordere, ein Interdikt oder eine Klage mit dem Ziel gewährt wird, dass du, falls es nicht an mir liegt, dass dir nicht wegen des durch die Arbeit drohenden Schadens Sicherheit geleistet wird, nicht gewaltsam verhinderst, dass ich den Schatz ausgrabe, hebe und wegschaffe. Ist dieser Schatz aber auch noch gestohlen, kann auch die Diebstahlsklage erhoben werden. 5 Dass das Erfordernis des Kalumnieneids in diesem Fall der Eilbedürftigkeit der prätorischen Entscheidung geschuldet ist, glaubt auch Camiñas, Régimen jurídico del iusiurandum calumniae, SDHI 60 (1994) 457, 463.

I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid

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Ein „Schatz“, der nur untechnisch so genannt wird und in Wahrheit einen Eigentümer hat,6 ist im Grundstück eines anderen vergraben, der nicht duldet, dass er ausgegraben und fortgeschafft wird. Nach Ansicht von Labeo kann der Inhaber des Schatzes gegen den Grundeigentümer weder mit der Diebstahlsklage vorgehen, weil dieser den Schatz ja nicht entwendet hat, noch die Vorlegungsklage erheben, weil der Grundstückseigentümer nicht sein Besitzer ist und sich des Besitzes auch nicht arglistig entledigt hat. Zwar verfügt er über die naturalis possessio an dem in seinem Grundstück befindlichen Schatz. Solange er ihn nicht als sich gehörig behandelt, fehlt ihm jedoch der Besitzwille: D 41.2.3.3 Paul 54 ed Neratius et Proculus et solo animo non posse nos adquirere possessionem, si non antecedat naturalis possessio. ideoque si thensaurum in fundo meo positum sciam, continuo me possidere, simul atque possidendi affectum habuero, quia quod desit naturali possessioni, id animus implet. ceterum quod Brutus et Manilius putant eum, qui fundum longa possessione cepit, etiam thensaurum cepisse, quamvis nesciat in fundo esse, non est verum: is enim qui nescit non possidet thensaurum, quamvis fundum possideat. sed et si sciat, non capiet longa possessione, quia scit alienum esse. quidam putant Sabini sententiam veriorem esse nec alias eum qui scit possidere, nisi si loco motus sit, quia non sit sub custodia nostra: quibus consentio. Neraz und Proculus meinen, durch bloße Absicht könne man keinen Besitz erwerben, wenn nicht der natürliche Besitz vorangehe. Daher besitze ich einen Schatz, wenn ich weiß, dass er in meinem Grundstück vergraben ist, unmittelbar, sobald ich Besitzwillen habe, weil er vervollständigt, was dem natürlichen Besitz ermangelt. Ferner stimmt nicht, was Brutus und Manilius glauben, nämlich dass derjenige, der ein Grundstück ersitzt, auch einen Schatz ersitze, obwohl er nicht weiß, dass er sich in dem Grundstück befindet; denn derjenige, der von dem Schatz nicht weiß, besitzt ihn nicht, obwohl er das Grundstück besitzt. Aber auch wenn er von ihm erfahren hat, ersitzt er ihn nicht, weil er weiß, dass der Schatz einem anderen gehört. Einige meinen, die Ansicht Sabinus’ sei richtig, wonach derjenige, der von dem Schatz weiß, nur dann besitze, wenn er ihn ausgegraben habe, weil er ansonsten nicht in unserem Gewahrsam sei; diesen stimme ich zu.

Zwar ergibt sich der affectus possidendi gewöhnlich schon aus dem Wissen des Grundeigentümers von dem in seinem Boden vergrabenen Schatz. In dem von Labeo behandelten Fall liegt es jedoch anders, weil der Grundstückseigentümer den Schatz nicht ergreift, sondern sich darauf beschränkt, den Inhaber des Schatzes an seiner Bergung zu hindern. Die für die Verneinung des Besitzes gegebene Begründung, der Eigentümer könne ja in Unkenntnis des Schatzes sein, trifft dies nicht. Sie ist zwar nicht regelrecht falsch,7 bietet für die Lösung des Falles, in dem der Grundstückseigentümer den Inhaber des Schatzes ja bewusst an dessen Hebung hindert, aber auch keine Entscheidungshilfe. 6 Er entspricht damit nicht der Definition als Sache, die so lang versteckt war, dass sie mangels Erinnerung keinen Eigentümer mehr hat (,vetus quaedam depositio pecuniae, cuius non exstat memoria, ut iam dominum non habeat‘); vgl. D 41.1.31.1 Paul 31 ed. 7 Und deshalb entgegen Marrone, Actio ad exhibendum, APal 26 (1958) 177, 314 auch nicht zwangsläufig interpoliert.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

Verwehrt Labeo dem Inhaber des Schatzes mangels possessio civilis des Grundstückseigentümers die actio ad exhibendum, kann diese Klage auch nicht gemeint sein, wenn er sich danach doch dazu durchringt, ein Interdikt oder eine Klage (,vel interdictum vel iudicium‘) zu gewähren.8 Zwar haben die byzantinischen Redaktoren, als sie das Fragment in den Digestentitel 10.4 eingereiht haben, an die actio ad exhibendum gedacht; und es wäre durchaus denkbar, dass schon Pomponius die possessio naturalis für die Passivlegitimation zur Vorlegungsklage genügen ließ.9 Die Entscheidung für Interdikt oder Klage soll jedoch auf Labeo zurückgehen, der hier entweder eine actio in factum oder die Klage im Blick hat, die im Nachverfahren zu dem Interdikt erhoben werden kann.10 Für die zweite Alternative spricht, dass das Klageziel im Verbot der Gewaltanwendung liegen soll (,ne vim facias mihi‘).11 Dies rechtfertigt es, auch den Kalumnieneid, den der Inhaber des Schatzes leisten soll, auf das Interdikt zu beziehen, sei es, dass dieses selbst gewährt wird, sei es, dass doch eine actio in factum mit interdiktaler Funktion zugestanden wird.12 Labeos Entscheidung bietet freilich keine Grundlage für die Annahme, das Erfordernis des Kalumnieneids bestehe beim Antrag auf Erlass eines Interdikts ganz generell. Wäre dies so, müsste der Eid in einer der zahlreich überlieferten Formeln erwähnt sein, mit denen der Prätor in seinem Edikt die Besitzschutzrechte verheißt.13 Der Kalumnieneid wird in Labeos Fall vielmehr ausnahmsweise verlangt, weil das dem Eigentümer des Schatzes zu gewährende Interdikt keinem der herkömmlichen Besitzschutzrechte entspricht, sondern auf den besonderen Fall zugeschnitten14 und hier die Kontrolle des klägerischen Begehrens auf seine Schutzbedürftigkeit erschwert ist: Da der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Schatzes gerade den Zugang zu diesem verwehrt, lässt sich schwerer als bei einer präsenten Sache entscheiden, ob sie überhaupt existiert und sich tatsächlich im Gewahrsam des anderen befindet. Aus diesem Grund will Sabinus, den Ulpian in D 41.2.3.3 zitiert, einen 8 Anders Marrone, APal 26 (1958) 177, 292, der den Text als Beleg dafür wertet, dass die Vorlegungsklage auch bei bloß corpore begründetem natürlichem Besitz des Beklagten gewährt wird. 9 Vergleichbare Entscheidungen, in denen die Vorlegungsklage ohne possessio civilis des Beklagten gewährt worden sein könnte, enthalten D 10.4.5.5, 19.1.17.6, 19.2.19.5; hierzu Marrone a. a. O., S. 316 ff. 10 Dass Labeo nur ein Interdikt gewährt, glaubt auch Marrone, APal 26 (1958) 177, 315 Fn. 85, der den Text ansonsten als Zeugnis dafür werten will, dass die klassischen Juristen für die Passivlegitimation zur actio ad exhibendum den bloß corpore begründeten natürlichen Besitz genügen lassen. 11 Dass hiermit nur das Interdikt gemeint sein kann, nimmt auch Marrone a. a. o., S. 316 Fn. 85 an. 12 Umgekehrt Krüger, Das summatim cognoscere und das klassische Recht, SZ 45 (1925) 39, 65, der hier ein nach dem Vorbild der Vorlegungsklage geschaffenes Interdikt vermutet. 13 Und auch, wenn man mit Krüger, SZ 45 (1925) 39, 63 f. annähme, das Erfordernis des Kalumnieneids sei auf die Vorlegungsklage bezogen, wäre das Fragment schwerlich ein Beleg dafür, dass der Schwur dem Kläger hier in klassischer Zeit schlechthin auferlegt und erst in byzantinischer Zeit aus den Quellen getilgt worden ist. 14 Vgl. Kaser/Hackl, RZ, S. 412 und Fn. 36.

I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid

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Besitz des Grundstückseigentümers auch erst dann annehmen, wenn dieser den Schatz ausgegraben hat. Entscheidet sich der Gerichtsmagistrat gleichwohl dazu, Besitzschutz zu gewähren, geschieht dies ohne die eigentlich gebotene Prüfung des Sachverhalts und damit wie bei der operis novi nuntiatio und bei der cautio damni infecti auf Verdacht. Eine Sicherheit gegen eine missbräuchliche Rechtsverfolgung durch den Interdiktskläger bietet daher nur der auch dort geforderte Kalumnieneid. Demselben Muster folgt der Einsatz des Eides bei verschiedenen Akten, mit denen der Prätor die Vorlage von Urkunden anordnet. Auf eine Bestimmung des Edikts geht sie im Fall der argentarii zurück, denen der Prätor die Vorlage von Abrechnungen aufgibt, die sich auf den anderen Teil beziehen. Um den Prätor zur Anordnung der Vorlage zu veranlassen, muss der Gegner zunächst den Kalumnieneid schwören: D 2.13.6.2 Ulp 4 ed Exigitur autem ab adversario argentarii iusiurandum non calumniae causa postulare edi sibi: ne forte vel supervacuas rationes vel quas habet edi sibi postulet vexandi argentarii causa. Man verlangt vom Gegner eines Bankiers den Eid, dass er nicht nur zur Schikane die Vorlage der Abrechnung verlange, damit er nicht etwa nur, um dem Bankier zur Last zu fallen, die Bekanntgabe von Rechnungen verlangt, die er nicht braucht oder schon hat.

Dass der Kalumnieneid hier an die Stelle einer Prüfung des Interesses tritt, das der Antragssteller an der Vorlage hat, ergibt schon der Vergleich des einschlägigen Edikts mit dem über die Pflicht zur Vorlage gegenüber einem Bankier: D 2.13.4pr Ulp 4 ed Praetor ait: ,Argentariae mensae exercitores rationem, quae ad se pertinet, edent adiecto die et consule‘. Der Prätor bestimmt: „Diejenigen, die eine Bank betreiben, sollen die Abrechnung, die sich auf den Gegner bezieht, vorlegen, indem sie den Tag und den Namen des Konsuls hinzufügen.“ D 2.13.6.8 Ulp 4 ed Praetor ait: ,Argentario eive, qui iterum edi postulabit, causa cognita edi iubebo‘. Der Prätor bestimmt: „Dass einem Bankier oder demjenigen vorgelegt wird, der erneut die Vorlage verlangt, werde ich nur nach Untersuchung der Angelegenheit anordnen.“

Zwar ist die Haftung mit der Klage wegen Verstoßes gegen die Vorlagepflicht auf das Interesse gerichtet, das der Antragsteller an der Edition der Abrechnung hatte;15 dieses Interesse wird bei der Anordnung der Vorlage selbst jedoch nicht durchgängig geprüft. Während der Prätor dem Antrag des Bankiers auf Vorlage der Abrechnung und dem Antrag des Gegners auf erneute Vorlage nur nach Prüfung stattgibt, ob das Verlangen auch gerechtfertigt ist, fehlt ein solcher Vorbehalt bei der Bestimmung über die Pflicht der Bankiers zu erstmaliger Vorlage. Diese ordnet der Prätor ohne Weiteres an, indem er sich allein auf den Kalumnieneid des Antragstellers verlässt: 15

D 2.13.6.4, 8.1 Ulp 4 ed; vgl. auch Lenel, EP, S. 64.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

D 2.13.9.3 Paul 3 ed Ceterum omnibus postulantibus et iurantibus non calumniae causa petere rationes, quae ad se pertineant, edi iubet.16 Im Übrigen gilt, dass der Prätor die Vorlage der sie betreffenden Abrechnungen gegenüber allen anordnet, die sie verlangen und schwören, dass sie dies nicht zur Schikane fordern.

Ähnlich heißt es von der Anordnung des Prätors über die Einsicht in ein eröffnetes Testament: D 29.3.1pr Gai 17 ed prov Omnibus, quicumque desiderant tabulas testamenti inspicere vel etiam describere, inspiciendi describendique potestatem facturum se praetor pollicetur: quod vel suo vel alieno nomine desideranti tribuere eum manifestum est. Allen, die ein Testament einsehen oder auch abschreiben wollen, gewährt der Prätor die Befugnis zur Einsicht und zur Abschrift; und er gewährt sie bekanntlich sowohl denjenigen, die dies im eigenen Namen wünschen, als auch denjenigen, die es im fremden Namen begehren.

Der Prätor gewährt die Einsicht in eine Testamentsurkunde, ohne nachzuprüfen, ob der Antragsteller ein berechtigtes Interesse hieran hat. Eine causae cognitio findet nur dann statt, wenn offen ist, ob der Testator noch lebt,17 oder wenn das Testament eine Pupillarsubstitution enthält18. Im Übrigen verlässt er sich auf den Kalumnieneid, der als Voraussetzung der Einsichtnahme zumindest in einem Bescheid der diokletianischen Kanzlei erwähnt ist:19 CJ 6.32.3 (a 294) Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aristoteli. Eius, quod ad causam novissimi patris vestri iudicii pertinet, de calumnia tibi iuranti praeter partem, quam aperiri defunctus vetuit vel ad ignominiam alicuius pertinere dicitur, inspiciendi ac describendi praeter diem et consulem tibi rector provinciae facultatem fieri iubebit. Kaiser Diokletian und Maximian an Aristoteles. Der Provinzstatthalter soll anordnen, dass du, wenn du schwörst, nicht aus Schikane zu handeln, die Befugnis zu Einsicht und Abschrift der Urkunde ohne Nennung von Datum und Konsul erhältst, die den letzten Willen deines Vaters enthält, mit Ausnahme des Teils, den zu eröffnen der Verstorbene verboten hat oder der zu jemandes Schande gereichen könnte.

Ähnlich ist die Funktion des Kalumnieneides, den der Prätor dem Gläubiger eines Gemeinschuldners auferlegen soll, wenn dieser zum zweiten Mal um Einsicht in

16 Lenel, EP, S. 63 entnimmt diesem Text, dass der Kalumnieneid, obwohl in der Wiedergabe des Ediktswortlauts in D 2.13.4pr nicht erwähnt, ursprünglich doch in der Verheißung der Editionspflicht der Bankiers genannt war. 17 D 29.3.2.4 Ulp 50 ed. 18 D 29.3.8 Ulp 50 ed. 19 Ob der Eid im prätorischen Edikt Erwähnung findet oder auf die Entscheidungspraxis des Prätors zurückgeht, will auch Lenel, EP, S. 363, in diesem Fall nicht entscheiden.

I. Der vom Prätor auferlegte Kalumnieneid

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Urkunden bittet, aus denen sich die Zusammensetzung des Schuldnervermögens ergibt: D 42.5.15pr, 1 Ulp 62 ed Cum plures creditores in possessionem rerum debitoris mittantur, ne corrumpantur rationes, uni hoc negotium a creditoribus esse dandum, quem maior pars creditorum elegerit. ego puto creditoribus instrumentorum etiam !macqavµm facere, non ut describant ipsa corpora instrumentorum, sed quot sint, de qua re sint, subnotent sibi et quasi inventarium faciant: quod etiam universorum facere eis erit permittendum. praeterea nonnumquam praetor causa cognita etiam describere aliquid ex instrumentis creditoribus debebit permittere, si qua idonea causa interveniat. (1) Utrum semel an etiam saepius recognitio et dispunctio concedenda sit creditoribus, videamus. et ait Labeo amplius quam semel non esse concedendam: si quis tamen, inquit, iuraverit non calumniae causa se postulare neque habere quae dispunxerit, iterum ei faciendam potestatem ait nec amplius quam bis. Werden mehrere Gläubiger in den Besitz des Vermögens ihres Schuldners eingewiesen, müssen die Gläubiger einem von ihnen, der von ihrer Mehrheit der Gläubiger gewählt wird, die Geschäftsführung übertragen, damit nicht die Rechnungsbücher verfälscht werden. Ich glaube, dass den Gläubigern auch gestattet sein muss, eine Aufzeichnung über die Urkunden zu erstellen, nicht damit sie deren Inhalt abschreiben, sondern notieren, wie viele es sind und wovon sie handeln, und gewissermaßen ein Inventar errichten, was ihnen auch von dem ganzen Vermögen erlaubt sein muss. Außerdem muss der Prätor nach Prüfung der Angelegenheit den Gläubigern auch erlauben, etwas aus den Urkunden abzuschreiben, wenn hierzu ein triftiger Grund vorhanden ist. (1) Wir müssen zusehen, ob die Durchsicht und Aufzeichnung den Gläubigern nur einmal zu gestatten ist. Und Labeo sagt, mehr als einmal sei es nicht zu erlauben; schwöre jedoch jemand, dass er es nicht zur Schikane fordere und dass er seine Aufzeichnung nicht mehr habe, sei ihm die Befugnis, wie er sagt, erneut zu gewähren, aber nicht mehr als zweimal.

Während die erstmalige Einsicht in die Urkunden den Gläubigern vorbehaltlos gewährt wird, bedeutet die erneute Durchsicht eine Ausnahme, die zumindest nach Ansicht des von Ulpian zitierten Labeo grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Der Prätor soll sie gleichwohl gestatten, wenn der Gläubiger vorträgt, die Aufzeichnungen, die er bei der ersten Einsichtnahme gefertigt hat, verloren zu haben. Anders als bei dem Antrag, von den Urkunden eine Abschrift fertigen zu dürfen, soll der Prätor in diesem Fall aber keine causae cognitio anstellen, sondern die Einsicht unter der Voraussetzung gewähren, dass der Gläubiger den Kalumnieneid leistet. Dieser ist hier mit dem konkreten Thema angereichert, dass der Gläubiger seine früheren Aufzeichnungen verloren hat. Ein bestimmtes Eidesthema finden wir auch für den Eid angegeben, den ein zur Sicherheitsleistung verpflichteter Prozessbeteiligter leisten muss, wenn er beantragt, die Sicherheit statt in Rom in seiner Heimatgemeinde leisten zu dürfen: D 2.8.8.5 Paul 75 ed Iubetur iurare de calumnia, ne quis vexandi magis adversarii causa, forsitan cum Romae possit satisdare, in municipium evocet: sed quibusdam hoc iusiurandum de calumnia remittitur, velut parentibus et patronis. sic autem iurare debet qui in municipium remittitur ,Romae se satisdare non posse et ibi posse, quo postulat remitti, idque se non calumniae

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

causa facere‘: nam sic non est compellendus iurare ,alibi se quam eo loco satisdare non posse‘, quia si Romae non potest, pluribus autem locis possit, cogitur peierare. Man wird gezwungen zu schwören, dass man nicht zum Zwecke der Schikane handele, damit man nicht nur, um den Gegner zu belästigen, in eine Gemeinde lädt, während man vielleicht in Rom Sicherheit leisten kann; aber einigen wird dieser Eid, nicht zum Zwecke der Schikane zu handeln, erlassen, wie zum Beispiel Eltern oder Freilassern. Wer aber in eine Gemeinde verweisen will, muss schwören, dass er in Rom nicht, dort, wohin er die Verweisung fordert, aber schon Sicherheit leisten könne, und dass er nicht zum Zwecke der Schikane handele; denn er wird nicht gezwungen zu schwören, dass er an einem anderen Ort keine Sicherheit leisten könne, weil er nicht gezwungen werden soll, einen Meineid zu leisten, wenn er in Rom keine Sicherheit leisten kann, aber an mehreren anderen Orten schon.

Wiederum liegt eine Ausnahme von einem Grundsatz vor, der in diesem Fall lautet, dass derjenige, der an einem Prozess in Rom beteiligt ist, auch hier die ihm obliegende Sicherheitsleistung erbringt. Die Behauptung, hierzu nicht imstande zu sein, überprüft der Prätor nicht, sondern macht sie zum Gegenstand des Kalumnieneides, der Voraussetzung für die Verweisung des Verfahrens an die vom Antragsteller genannte Gemeinde ist. Von einem weiteren Anwendungsfall eines vom Prätor auferlegten Kalumnieneides mit bestimmtem Eidesthema berichtet Gaius in seinem Institutionenlehrbuch: Gai 4.186 Et si quidem iudicati depensiue agetur, tanti fit uadimonium, quanti ea res erit; si uero ex ceteris causis, quanti actor iurauerit non calumniae causa postulare sibi uadimonium promitti: nec tamen pluris quam partis dimidiae nec pluribus quam sestertium C milibus fit uadimonium. … Und wenn wegen einer Urteilsschuld oder wegen Bürgenregresses geklagt wird, erfolgt das Gestellungsversprechen in Höhe des Streitwerts; wird dagegen in anderen Fällen geklagt, dann in Höhe des Betrags, von dem der Kläger beschworen hat, dass er die Leistung des Gestellungsversprechens nicht zur Schikane verlange; aber das Gestellungsversprechen erfolgt nicht über die Hälfte des Streitwertes hinaus oder mehr als 100.000 Sesterzen. …

Verlangt der Kläger vom Beklagten ein Vadimonium unter Festlegung auf eine bestimmte Strafsumme, leistet der Prätor diesem Antrag nur unter bestimmten Bedingungen Folge: Zum einen darf der Betrag die Hälfte des Streitwertes und 100.000 Sesterzen nicht übersteigen; zum anderen muss der Kläger schwören, dass er eine Strafsumme in der gewünschten Höhe nicht nur begehrt, um den anderen zu schikanieren. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der Prätor noch untersucht, ob der vom Kläger angegebene Betrag die relative Grenze der Hälfte des Streitwertes überschreitet.20 Deren Vorgabe und die absolute Grenze von 100.000 Sesterzen sprechen jedoch dafür, dass ansonsten keine Prüfung stattfindet, der Prätor also nicht der Frage nachgeht, wie hoch das Interesse des Klägers an der Fortführung der Verhandlung ist, sondern sich stattdessen auf seinen Kalumnieneid verlässt. 20

Dies nimmt Lenel, EP, S. 516 an.

II. Der Kalumnieneid auf Antrag einer Prozesspartei

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Alle Fälle, in denen der Prätor von sich aus den Eid über die mangelnde Schikaneabsicht verlangt, verbindet ein gemeinsames Grundmuster: Der Prätor befasst sich nicht mit der Frage, ob dem Antrag eines Beteiligten ein berechtigtes Interesse zugrunde liegt, sondern lässt den Antragsteller lediglich schwören, dass er keine Schikaneabsicht hat. Zuweilen wird dieser Eid, der für sich allein schon aussagt, dass der Antragsteller einen hinreichenden Grund für sein Begehren hat, um ein konkretes Eidesthema ergänzt, worin sein Interesse präzise beschrieben wird. Leistet der Antragsteller den Eid, unterstellt der Prätor, dass es einen zureichenden Grund gibt, ihm Folge zu leisten, und sieht davon ab, den Sachverhalt zu ermitteln. Gangbar erscheint ihm dieser Weg einmal in Fällen wie der operis novi nuntiatio und der cautio damni infecti, in denen lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, bei der sich der Prätor in der Frage der materiellen Berechtigung des Antragstellers noch nicht festlegt. In den anderen Konstellationen geht es um die Vorlage von Dokumenten; hier trifft der Prätor eine Entscheidung, die zwar nicht mehr reversibel, für den anderen Teil aber auch nicht allzu belastend ist. Hier wie dort führt der Eid nicht zu einer Feststellung, die vorgreiflich für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung ist. Eine Wirkung hat lediglich die Verweigerung des Eides, die zur Ablehnung des gestellten Antrags führt. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass es außer den im Corpus Iuris aufgeführten Fällen noch weitere Konstellationen gibt, in denen der Prätor auf der Grundlage seines Edikts oder kraft seiner Amtsbefugnis im Einzelfall den Kalumnieneid gefordert hat. Die Homogenität der Konstellationen, für die ein solches Vorgehen überliefert ist, spricht dafür, dass die weiteren Fälle den bekannten vergleichbar sind.

II. Der Kalumnieneid auf Antrag einer Prozesspartei Von dem Kalumnieneid, den der Prätor von Amts wegen auferlegt, ist der Schwur völlig verschieden, den ein Kläger leisten muss, wenn er dem Beklagten einen Zwangseid über den Klagegrund zuschiebt.21 Diesen Schwur verlangt der Prätor nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Beklagten, dem der Zwangseid zugeschoben worden ist. Und der Kalumnieneid ersetzt in diesem Fall auch nicht die Prüfung, ob der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an seinem Begehren hat; denn die Zuschiebung des Zwangseides setzt gar kein solches Interesse voraus, sondern kann grundlos erfolgen. Mit dem Kalumnieneid beschwört derjenige, der den Eid zuschiebt, lediglich, dass es ihm um die Auseinandersetzung über den Klagegegenstand und nicht nur darum geht, dem Beklagten in eine peinliche Situation zu bringen. Der Kalumnienschwur bei der Eideszuschiebung ist damit dem Schwur vergleichbar, den jeder Kläger oder Beklagter auf Antrag des jeweiligen Gegners bei

21

s. o. S. 119 ff.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

Prozesseinleitung leisten muss. In den Digesten finden wir ihn nur an einer einzigen Stelle dokumentiert: D 10.2.44.4 Paul 6 Sab Qui familiae erciscundae et communi dividundo et finium regundorum agunt, et actores sunt et rei et ideo iurare debent non calumniae causa litem intendere et non calumniae causa ad infitias ire. Wer die Klagen auf Erbteilung, Teilung oder Grenzregelung erhebt, ist sowohl Kläger als auch Beklagter und muss daher sowohl schwören, dass er die Klage nicht zum Zwecke der Schikane erheb, als auch beeiden, dass er den Anspruch nicht zur Schikane bestreite.

Aus dem besonderen Charakter der Teilungsverfahren, in dem alle Seiten in derselben Rolle sind, folgert Paulus, dass jeder, wenn er den Kalumnieneid leisten soll, ihn sowohl als Kläger als auch als Beklagter zu schwören hat: Er muss einerseits beeiden, dass er den eigenen Anspruch nicht aus Schikane erhebt, andererseits schwören, dass er denjenigen seines Gegners nicht mutwillig bestreitet. Gewöhnlich fallen beide Arten des Kalumnieneides auseinander und treffen nur eine der beiden Seiten.22 Der Kläger muss die fehlende Schikaneabsicht für seine Klage, der Beklagte beschwören, dass er das Recht des Klägers nicht mutwillig in Abrede stellt. Dass der Eid jeweils von einem entsprechenden Antrag des Gegners abhängt, erfahren wir von Gaius, der den Kalumnieneid in seiner Darstellung der Instrumente zur Vermeidung des Prozessmissbrauchs aufführt. Den Kalumnieneid des Beklagten stellt er in eine Reihe mit der Litiskreszenz und dem Versprechen eines zusätzlichen Teils der Klageforderung, der bei der condictio und der Klage aus einem constitutum Platz greift23: Gai 4.172 Quod si neque sponsionis neque dupli actionis periculum ei, cum quo agitur, iniungatur ac ne statim quidem ab initio pluris quam simpli sit actio, permittit praetor iusiurandum exigere NON CALVMNIAE CAVSA INFITIAS IRE. unde quamuis heredes uel qui heredum loco habentur, non pluris quam simpli obligati sint, item feminae pupillique eximantur periculo sponsionis, iubet tamen eos iurare. Droht dem Beklagten weder die Gefahr eines Versprechens noch einer Verdoppelung des Klagebetrags und ist die Klage auch nicht von Anfang an auf mehr als den einfachen Betrag gerichtet, gestattet der Prätor, den Eid zu verlangen, dass der Anspruch nicht bloß zur Schikane bestritten werde. Daher befiehlt er auch den Erben oder denjenigen, die an ihrer Stelle stehen, selbst wenn sie nicht zu mehr als zum einfachen Betrag verpflichtet sind, ferner Frauen und Mündeln zu schwören, obwohl sie von der Gefahr des Versprechens ausgenommen sind.

Den vom Kläger zu leistenden Kalumnieneid führt er gemeinsam mit der Gegenklage, der restipulatio und der Kalumnienklage auf:

22 23

Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 459. Vgl. Gai 4.171.

II. Der Kalumnieneid auf Antrag einer Prozesspartei

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Gai 4.174 – 176 Actoris quoque calumnia coercetur modo calumniae iudicio, modo contrario, modo iureiurando, modo restipulatione. (175) Et quidem calumniae iudicium aduersus omnes actiones locum habet et est decimae partis, praeterquam quod aduersus adsertorem tertiae partis est. (176) Liberum est autem ei, cum quo agitur, aut calumniae iudicium opponere aut iusiurandum exigere NON CALVMNIAE CAVSA AGERE. Auch eine Schikane durch den Kläger wird bald durch die Klage wegen Schikane, bald durch eine Gegenklage, bald durch einen Eid und bald durch ein Gegenversprechen bekämpft. (175) Die Klage wegen Schikane greift aber bei allen Klagen Platz und ist auf den zehnten Teil des Streitwertes gerichtet, bei Klagen gegen denjenigen, der die Freiheit eines Menschen geltend macht, auf ein Drittel. (176) Es steht dem Beklagten aber frei, entweder die Klage wegen Schikane entgegenzusetzen, oder den Eid zu verlangen, dass nicht zum Zwecke der Schikane geklagt werde.

Bei der auf bestimmte Fälle beschränkten Gegenklage24 und restipulatio25 ist der Kläger immer schon dann haftbar, wenn er die Voraussetzungen seines Klagerechts nicht erfolgreich dartun kann. Dagegen sind die Kalumnienklage und der Kalumnieneid bei jeder Art von Verfahren denkbar.26 Die durch sie ausgelöste Strafe, die bei der Kalumnienklage in der Pflicht zur Zahlung des zehnten Teils der Klagesumme, beim Kalumnieneid in der göttlichen Rache besteht,27 ist aber nur dann verwirkt, wenn dem Kläger böse Absicht zur Last fällt. Er muss den Mangel seines Rechtes kennen und die Klage nur zur Belästigung des anderen Teils oder in der Hoffnung auf eine Fehlentscheidung des Richters erhoben haben: Gai 4.178 Seuerior autem coercitio est per contrarium iudicium. nam calumniae iudicio X. partis nemo damnatur nisi qui intellegit non recte se agere, sed uexandi aduersarii gratia actionem instituit potiusque ex iudicis errore uel iniquitate uictoriam sperat quam ex causa ueritatis. calumnia enim in adfectu est, sicut furti crimen … Die Strafe durch eine Gegenklage ist härter. Denn aufgrund der Klage wegen Schikane auf ein Zehntel wird man nur dann verurteilt, wenn man weiß, dass man zu Unrecht klagt, und die Klage nur erhoben hat, um dem Gegner zur Last zu fallen, oder hofft, den Sieg eher aufgrund eines Irrtums oder der Ungerechtigkeit des Richters als um der Wahrheit willen zu erringen. Die Schikane besteht nämlich ebenso wie der Diebstahl in der schlechten Absicht. …

24

Gai 4.175. Gai 4.180 26 Dies hebt Buzzacchi, L’abuso del processo nel diritto romano, Mailand 2002, S. 104 f. hervor. 27 Dass der Kalumnienschwur, wenn er sich als Meineid erweist auch eine weltliche Sanktion in Gestalt einer Haftung mit einer prätorischen Klage auslöst, glaubt Lemosse, Recherches sur l’histoire du serment de calumnia, TR 21 (1953) 30, 35 ff. Gegen diese These, für die sich in den Quellen kein Anhalt finden lässt, sprechen sich zu Recht Serangeli, C. 7,16,31 e le azioni contro il litigante temerario, BIDR 71 (1968) 199, 210 f., Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 465 f., Buzzacchi (Fn. 26) S. 116 ff. aus. 25

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

Kalumnieneid und Kalumnienklage, die das prätorische Edikt in dem für rechtsgeschäftliche Schikane vorgesehenen Titel de calumniatoribus behandeln könnte,28 stehen sowohl untereinander als auch zu restipulatio und Gegenklage in einem Ausschlussverhältnis. Entscheidet sich der Beklagte dafür, von dem Kläger einen Eid über seine fehlende Schikaneabsicht zu verlangen, kann er sich nicht zugleich eines der übrigen Instrumente zur Abwehr des Prozessmissbrauchs bedienen:29 Gai 4.179, 181 Vtique autem ex quibus causis contrario iudicio agi potest, etiam calumniae iudicium locum habet; sed alterutro tantum iudicio agere permittitur. qua ratione si iusiurandum de calumnia exactum fuerit, quemadmodum calumniae iudicium non datur, ita et contrarium non dari debet. … (181) Qui autem restipulationis poenam patitur, ei neque calumniae iudicium opponitur neque iurisiurandi religio iniungitur; nam contrarium iudicium ex his causis locum non habere palam est. Jedenfalls greift dann, wenn man die Gegenklage erheben kann, auch die Klage wegen Schikane Platz; aber es ist nur die Erhebung einer der beiden Klagen gestattet. Deshalb darf die Gegenklage ebenso wie die Klage wegen Schikane nicht gewährt werden, wenn ein Eid gefordert worden ist, dass keine Schikane vorliege. … (181) Demjenigen, der die Strafe des Gegenversprechens erleidet, wird weder die Klage wegen Schikane entgegengesetzt noch ein Eid auferlegt; denn auch die Gegenklage greift in diesen Fällen offensichtlich nicht Platz.

Vergleicht man den allgemeinen Kalumnieneid, den Kläger und Beklagter jeweils auf Antrag des anderen Teils leisten müssen, mit dem vom Prätor amtswegig auferlegten Schwur, fällt eine Gemeinsamkeit auf: Hier wie dort ist der Eid selbst nicht mit einer positiven Wirkung ausgestattet und führt zu keiner Feststellung, die das weitere Verfahren präjudiziert; was wirkt, ist jeweils allein die Verweigerung des Schwures, die den gewöhnlichen Prozessablauf unterbricht. Dagegen unterscheidet den allgemeinen Kalumnieneid von dem durch den Prätor geforderten Schwur sein bilateraler Charakter. Der auf Parteiantrag geleistete Schwur über die fehlende Schikaneabsicht kann stets von beiden Seiten verlangt werden. Und dass der eine Teil ihn von dem anderen fordern darf, findet seine Rechtfertigung nicht gerade darin, dass auch der andere Teil den Kalumnieneid von seinem Kontrahenten verlangen darf. Der allgemeine Kalumnieneid folgt daher demselben Muster wie der Zwangseid über den Klagegrund, mit dem er nicht zufällig dadurch verbunden ist, dass es auch dort einen Kalumnieneid gibt: Den Zwang zum Eid über den Klagegrund braucht sich der Beklagte nur gefallen zu lassen, weil er vom Kläger zum einen den Kalumnieneid fordern, zum anderen den Eid zurückschieben und so den Kläger seinerseits zum Eid über den Bestand seines Anspruchs nötigen kann.30 Die Zu28

Vgl. Lenel, EP, S. 106, 109. Vgl. auch Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 461, Centola, Alcune osservazioni in tema di calumnia nel processo privato romano dalla repubblica al principato, SDHI 66 (2000) 165, 187, Buzzacchi (Fn. 26), S. 113. 30 s. o. S. 119 ff. 29

III. Die justinianische Reform

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mutung, die der Eidesantrag für jede Seite bedeutet, korrespondiert mit einem gleichartigen Nachteil für den anderen. Beide Kontrahenten können einander nur abverlangen, was sie selbst auf Antrag des Gegners auch leisten müssten. Wegen seines bilateralen Charakters liegt der Gedanke einer Abkunft des allgemeinen Kalumnieneides aus dem Kriminalverfahren31 eher fern. Wäre er hieraus übernommen worden, wäre er zunächst nur dem Kläger abverlangt worden und hätte erst nachträglich ein Pendant auf Beklagtenseite erhalten.32 In Betracht kommt eine Anlehnung an das Kriminalverfahren allenfalls bei dem vom Prätor amtswegig auferlegten Eid. Für den auf Parteiantrag zu leistenden allgemeinen Kalumnieneid bietet sich dagegen eine Verbindung zu dem sacramentum des Legisaktonenprozesses an,33 das ja gleichfalls von beiden Seiten zu leisten war.34 Dass es anders als der Kalumnieneid für die Prozesseinleitung erforderlich war,35 ist kein Umstand, der gegen ein Verwandtschaftsverhältnis beider Einrichtungen spricht. Denn in dem Fall, dass der Kläger den vom Beklagten geforderten Kalumnieneid nicht schwört, kommt es ebenfalls zu einer denegatio actionis;36 und die spiegelbildliche Sanktion für den Beklagten, der den vom Kläger beantragten Kalumnieneid nicht leistet, kann nur darin bestehen, dass der Prätor ihm die Verteidigung gegen die Klage abschneidet und ihn so behandelt, als hätte er den Klageanspruch zugestanden.37

III. Die justinianische Reform Der Grund, aus dem der auf Parteiantrag zu leistende Kalumnieneid in den justinianischen Quellen kaum zu finden ist, liegt in der Umgestaltung dieses Instituts, die wiederum mit der Entwicklung des Zwangseides zusammenhängt: So wie dieser seit Justinian nicht nur auf Antrag der anderen Seite, sondern auch dann geschworen werden muss, wenn der Richter ihn einer Partei auferlegt,38 wandelt sich auch der Kalumnieneid von einem antragsgebunden zu einem amtswegig erzwungenen 31

Sie behaupten für den Kalumnientatbestand insgesamt Lemosse, TR 21 (1953) 30, 39 ff. und Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 462; dagegen wendet sich Centola, SDHI 66 (2000) 165, 167 ff. 32 Diese Abfolge nimmt für die Sanktion der calumnia denn auch Lemosse, TR 21 (1953) 30, 41 f. an. 33 Diese Beziehung vermutet, freilich in Widerspruch zur ebenfalls vertretenen These von der Herkunft des Kalumnieneides aus dem Kriminalverfahren, auch Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 462. 34 Centola, SDHI 66 (2000) 165, 169 ff. glaubt sogar, dass der calumnia-Tatbestand schon im Zwölftafelgesetz behandelt war, und beruft sich hierfür auf D 50.16.233pr. Gai 1 XII tab. 35 Diesen Umstand hebt Buzzacchi (Fn. 26), S. 105 hervor. 36 Vgl. Camiñas, SDHI 60 (1994) 457, 460. 37 Zumindest für den prozesseinleitenden Kalumnieneid des justinianischen Rechts (s. u. S. 202 ff.) finden wir dies in CJ 2.58.2.7 (a 531) ausgesprochen. Anders verhält es sich beim Zwangseid über den Klagegrund; s. o. S. 124 ff. 38 s. o. S. 149 ff.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

Schwur. In der Parallelstelle zur gaianischen Schilderung der Maßnahmen gegen Prozessschikane berichtet Justinian von einer eigens betriebenen Reform, mit der er dem Kalumnieneid eine neue Gestalt gegeben und die außer Gebrauch geratene Kalumnienklage39 ersetzt habe:40 IJ 4.16pr, 1 Nunc admonendi sumus, magnam curam egisse eos qui iura sustinebant, ne facile homines ad litigandum procederent: quod et nobis studio est. idque eo maxime fieri potest, quod temeritas tam agentium quam eorum cum quibus agitur, modo pecuniaria poena, modo iurisiurandi religione, modo metu infamiae coercetur. (1) Ecce enim iusiurandum omnibus qui conveniuntur ex nostra constitutione defertur: nam reus non aliter suis allegationibus utitur, nisi prius iuraverit, quod putans se bona instantia uti ad contradicendum pervenit. … Item actoris quoque calumnia coercetur: nam etiam actor pro calumnia iurare cogitur ex nostra constitutione. utriusque etiam partis advocati iusiurandum subeunt, quod alia nostra constitutione comprehensum est. haec autem omnia pro veteris calumniae actione introducta sunt, quae in desuetudinem abiit, quia in partem decimam litis actorem multabat, quod nusquam factum esse invenimus: sed pro his introductum est et praefatum iusiurandum et ut improbus litigator etiam damnum et impensas litis inferre adversario suo cogatur. Man bedenke, dass diejenigen, die das Recht schufen, große Sorgfalt darauf verwandten, dass die Menschen nicht leichtfertig Prozesse führten; und dies ist auch unser Bestreben. Und dies geschieht am besten, indem die Unbesonnenheit sowohl der Kläger als auch der Beklagten bald durch eine Geldstrafe, bald durch die Ehrfurcht vor dem Eid, bald durch die Angst vor Ehrlosigkeit bekämpft wird. (1) So wird nämlich allen Beklagten zunächst aufgrund unserer Verordnung ein Eid auferlegt; denn der Beklagte wird erst dann mit seinen Behauptungen gehört, wenn er vorher geschworen hat, dass er den Anspruch in gutem Glauben bestreitet. … Auch die Schikane durch den Kläger wird bekämpft: Denn auch der Kläger wird aufgrund unserer Verordnung zum Eid gezwungen, dass keine Schikane vorliege. Und auch die Anwälte beider Parteien unterziehen sich dem Eid, was in einer anderen Verordnung von uns festgelegt ist. Dies alles ist aber anstelle der alten Klage wegen Schikane eingeführt worden, die außer Übung geraten ist, weil sie den Kläger in Höhe von einem Zehntel des Streitwertes bestrafte, was wir nirgends angewandt gefunden haben; stattdessen ist sowohl der erwähnte Eid als auch eingeführt worden, dass die unanständige Partei dazu gezwungen wird, ihrem Gegner auch den Schaden und die Aufwendungen für den Prozess zu ersetzen.

Die maßgeblichen Konstitutionen sind im Codex überliefert. Sie beginnen mit einer 529 erlassenen Vorschrift über einen Eid, mit dem der Gegner der beweispflichtigen Partei beschwören muss, die zu beweisende Behauptung nicht nur deshalb in Abrede zu stellen, um seinen Kontrahenten zu schikanieren. Nur wenn dieser Kalumnieneid geleistet wird, muss der Beweis erhoben werden; bleibt der Schwur aus, gilt die Tatsache als unstreitig: 39 Deren Wegfall erklärt Lemosse, TR 21 (1953) 30, 36 f. mit der praktischen Unzuträglichkeit, dass sie erst nach Abschluss des Erstprozesses erhoben werden kann. 40 Der Pluralform ,pro his‘ entnimmt Krüger, SZ 45 (1925) 39, 44 f., dass Justinian durch den Kalumnieneid auch die beiden anderen Instrumente gegen den Prozessmissbrauch: das iudicium contrarium und die restipulatio, ausgewechselt sehen will.

III. Die justinianische Reform

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CJ 2.58.1pr (a 529) Iustinianus A. Demostheni pp. In omnibus causis, sive propter litteras fuerit certatum sive propter instrumenta sive propter quicquam aliud, in quo necessitas probationis incumbit, sancimus non aliter easdem probationes praestare compelli, nisi prius qui eas ecit iuramentum de calumnia praestaverit, quod non causa differendi huiusmodi proposuit adlegationes: nam sacramenti timore contentiosa litigantium instantia compescitur. Justinian an den Prätorianerpräfekten Demosthenes. Wir ordnen an, dass in allen Fällen, in denen über Schriftstücke, Urkunden oder irgendetwas anderes gestritten wird und in denen es auf die Beweislast ankommt, der Beweis nur dann geführt werden muss, wenn vorher derjenige, der ihn fordert, einen Eid geleistet hat, dass keine Schikane vorliege, nämlich dass er seine Behauptungen nicht zur Verschleppung aufgestellt hat; denn durch die Furcht vor dem Eid wird die Streitsucht der Parteien gebändigt.

Zwei Jahre später führt Justinian einen vom Richter auferlegten Kalumnieneid bei Prozessbeginn ein, durch den er den Schwur der Richter und Anwälte ergänzt sieht:41 CJ 2.58.2pr (a 531) Iust. A. Iuliano pp. Cum et iudices non aliter causas dirimere concessimus nisi sacrosanctis evangeliis propositis et patronos causarum in omni orbe terrarum, qui Romano imperio suppositus est, prius iurare et ita perferre causas disposuimus: necessarium duximus et praesentem legem ponere, per quam sancimus in omnibus litibus, quae fuerint post praesentem legem inchoatae, non aliter neque actorem neque fugientem in primordio litis exercere certamina, nisi post narrationem et responsionem, antequam utriusque partis advocati sacramentum legitimum praestent, ipsae principales personae subeant iusiurandum. et actor quidem iuret non calumniandi animo litem movisse, sed existimando bonam causam habere: reus autem non aliter suis adlegationibus utatur, nisi prius et ipse iuraverit, quod putans se bona instantia uti ad reluctandum pervenerit … Kaiser Justinian an den Prätorianerpräfekten Julian. Wir haben schon Richtern die Entscheidung von Streitigkeiten nur dann erlaubt, wenn sie vorher den Eid auf das heilige Evangelium abgelegt haben, und festgesetzt, dass auch die Beamten im gesamten Erdkreis, der dem römischen Reich unterworfen ist, zunächst schwören und dann die Sachen verhandeln sollen. Daher erscheint es uns notwendig, auch dieses Gesetz zu erlassen, durch das wir anordnen, dass in allen Rechtsstreitigkeiten, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgenommen werden, sowohl der Kläger als auch der Beklagte den Rechtsstreit nur dann führen dürfen, wenn nach dem klägerischen Vortrag und der Antwort des Beklagten, bevor die Anwälte beider Parteien den gesetzlichen Eid leisten, auch die Parteien sich dem Eid unterziehen. Und der Kläger soll schwören, dass er den Streit nicht zur Schikane begonnen habe, sondern glaube, eine gerechte Sache zu betreiben; der Beklagte soll sich auf seine Behauptungen nur dann berufen dürfen, wenn er vorher selbst schwört, durch den Glauben, eine gerechte Sache zu betrieben, zur Verneinung des Anspruchs bestimmt worden zu sein …

Sechs Jahre später ergänzt Justinian diesen prozesseinleitenden Eid um den generellen Schwur, keinen Beweis nur zum Zwecke der Prozessverschleppung zu fordern. So will er den selbst verursachten Missstand beseitigen, dass vor jeder 41 Die Verordnung über den Eid der Richter findet sich in CJ 3.1.14 (a 530); der Eid der Schiedsrichter ist in CJ 2.55.4 (a 529) geregelt.

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5. Kap.: Iusiurandum de calumnia

Beweiserhebung der Beweisführer erneut auf dem Eid des anderen Teils besteht, die Beweisaufnahme nicht unnötig zu fordern: NJ 49.3 (a 537) … multi namque sola iniuriae causa, et maxime super nobilibus mulieribus, sive litterarum probatio obiciatur sive alia quaelibet causa, ad iusiurandum hoc concurrunt, ut in uno negotio frequenter iusiurandum praebeatur. (1) Sancimus hanc perimentes iniuriam et nolentes crebro in eodem negotio iusiurandum praeberi, utraque pars, dum una quidem de calumnia sacramentum praebuerit, alia vero quia iustam putans reluctationem esse litis, adiciat quia in tota lite, sicubi quaesierit probationes adversarium suum, non per occasionem dilationis hoc facit, sed pro veritate necessariam sibi a suo adversario exhibendam putans probationem. Et si hoc iuraverit sacramentum, nequaquam penitus, licet crebro requirendae sint probationes, ab alterutra parte expeti sacramentum, sed dari probationes et non crebro cogi quendam sacramenta subire, generaliter semel huiusmodi sacramento perhibito. … viele nämlich fordern den Eid, wenn der Beweis durch ein Schriftstück oder in anderer Weise abverlangt wird, zu Unrecht, und vor allem von vornehmen Frauen, so dass in einer Angelegenheit der Eid häufig geschworen werden muss. (1) Indem wir diese Ungerechtigkeit beseitigen und nicht wollen, dass in einer Angelegenheit häufig der Eid geleistet wird, verordnen wir, dass beide Seiten, der eine, während er den Eid leistet, nicht aus Schikane zu handeln, der andere, während er schwört, dass sein Bestreiten gerecht sei, hinzufügen, dass sie im gesamten Rechtsstreit, wenn sie Beweis von ihrem Gegner verlangen, dies nicht mit dem Ziel der Prozessverschleppung tun, sondern weil sie es in Wahrheit für erforderlich halten, dass der Beweis von dem Gegner geführt werden müsse. Und wenn sie diesen Eid geschworen haben, dürfen sie, auch wenn von ihnen später häufig der Beweis verlangt wird, von dem anderen Teil keinen Eid verlangen, sondern der Beweis muss erbracht werden und der einmal geschworene Eid verhindert, dass man gezwungen wird, sich erneut dem Eid zu unterziehen.

Der vor der einzelnen Beweiserhebung zu leistende Schwur war zwar eigentlich auch nicht vom Gegner zugeschoben, sondern ebenso wie der prozesseinleitende Eid vom Richter auferlegt. Da er davon abhing, dass der Eidespflichtige die zu beweisende Tatsache bestritt, unterlag er jedoch indirekt ebenfalls der Parteidisposition. So konnte es zu dem von Justinian beschriebenen Phänomen einer Forderung nach dem Eid kommen, indem derjenige, der die Beweislast trug, den anderen Teil aufforderte, den Eid dadurch zu umgehen, dass er seine Darstellung fallenlässt und die klägerische Behauptung unstreitig stellt. Den Wechsel von einem auf Parteibetrieb zu leistenden Eid hin zu einer hoheitlich diktierten Maßnahme perfektioniert Justinian, indem er sogar eine Parteivereinbarung über den Erlass des Kalumnieneides für ungültig erklärt und den Richter auffordert, sich hierüber hinwegzusetzen: CJ 2.58.2.4 (a 531) Sed quia veremur, ne forsitan quidam collusione aliqua utentes remittere videantur sibi huiusmodi sacramentum et ex praedicta dissimulatione nostram sanctionem deludant, sancimus omnes iudices, licet ex compromisso cognoscant, vigorem suum exercentes, quia non pro commodo privatorum, sed pro communi utilitate praesentem legem posuimus,

III. Die justinianische Reform

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minime pati tale sacramentum remitti, sed omnimodo hoc et ab actore et a fugiente exigi, ne paulatim videatur huiusmodi res defraudari et sacramentum vel principalium personarum vel advocatorum ex quacumque parte mutilari. Da wir fürchten, dass einige etwa unter Ausnutzung eines geheimen Einverständnisses den Eid erlassen und durch eine solche Verstellung unsere Verordnung umgehen, ordnen wir an, dass alle Richter, und sei es, dass sie aufgrund einer Vereinbarung erkennen, indem sie ihre Amtsgewalt einsetzen, da wir dieses Gesetz nicht zum Vorteil von Privaten, sondern zum Wohl des Gemeinwesens erlassen haben, keineswegs erlauben, dass der Eid auf diese Weise erlassen wird, sondern ihn unbedingt vom Kläger und vom Beklagten fordern, damit es nicht allmählich so aussieht, als ob diese Sache umgangen werden könne und der Eid der Parteien oder der Anwälte auf irgendeine Weise herabgesetzt werden könne.

Die Unwirksamkeit der Vereinbarung leitet Justinian folgerichtig daraus ab, dass der vom Richter auferlegte Kalumnieneid nicht zum Vorteil des jeweiligen Prozessgegners gedacht, sondern dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung unnötiger Gerichtsverfahren geschuldet ist. Dass er sich zur Umsetzung dieses Ziels des Eides bedient, liegt an Justinians großem Vertrauen in die Effektivität der Bindung an die christliche Religion.42 Dieses Vertrauen manifestiert sich noch in weiteren Eidespflichten, die der Kaiser und seine christlichen Vorgänger für den Zivilprozess einführen. So schreibt etwa Konstantin die Vereidigung von Zeugen vor.43 Justinian übernimmt dieses Erfordernis für seine Regel über den Nachweis der Erfüllung durch fünf Zeugen44 und fordert zum Beweis der Echtheit einer öffentlichen Urkunde ferner den Eid des tabellio, der sie aufgenommen hat45.

42 43 44 45

Zilletti, Studi sul processo civile giustianeo, Mailand 1965, S. 226. CJ 4.20.9 (a 334). CJ 4.20.18 (a 528). NJ 73.7.1 (a 538).

Sechstes Kapitel

Ertrag und Rechtsvergleich I. Ergebnisse Die Untersuchung der Quellen zum Eid im römischen Privat- und Zivilprozessrecht ergibt für die klassische Zeit ein durchaus homogenes Muster, das sich erst im byzantinischen Recht auflöst. Der Eid zeitigt selbst keine Rechtsfolgen und erbringt keinen Beweis, sondern wirkt, wenn überhaupt, kraft des Einverständnisses der Gegenseite. Da der Schwur als anstößig gilt, bedeutet seine Provokation eine Zumutung, die einer Rechtfertigung, vor allem durch eine gegenläufige Eidespflicht, bedarf. Es gibt keine konkreten Reste eines älteren Regimes, worin dem Eid eigenständige rechtliche Bedeutung zukam. 1. Der Eid ist folgenlos und wirkt nur kraft der Zustimmung der Gegenseite Der Eid bringt, für sich genommen, keine Rechtsfolgen hervor. Wird mit ihm eine Leistung versprochen, begründet er keine Verpflichtung. Und wegen seiner Unverbindlichkeit wird er vom Prätor auch als Bedingung einer letztwilligen Verfügung erlassen, da der Erblasser kein schutzwürdiges Interesse an der ohnehin wirkungslosen Eidesleistung durch den Begünstigten hat. Eine Ausnahme gilt lediglich für das Versprechen eines Freigelassenen gegenüber seinem Patron aus Anlass seiner Freilassung. Hervorgegangen ist diese Sonderregelung aus der Anerkennung des Eides als Mittel zur Verpflichtung eines Sklaven im Gegenzug zu seiner bevorstehenden Freilassung. Auf diese Weise sollte das praktische Dilemma bewältigt werden, dass sich der Sklave durch Vertrag erst nach seiner Freilassung verpflichten kann, wenn der Patron seinen Teil der Abmachung schon geleistet hat und ihn nicht mehr zu dem Versprechen zwingen kann. Dient der Eid dazu, einen Streit über Bestand oder Höhe eines Anspruchs zu entscheiden, wirkt er nur kraft des Einverständnisses der Gegenseite. Leistet eine Seite den freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando, hängt die Wirkung des Schwurs von dem Antrag des Kontrahenten ab. Beim Zwangseid des Beklagten nach der Rubrik si certum petetur und anderen Abschnitten des prätorischen Edikts ist es die Zuschiebung des Eides durch den Kläger, die seine streitentscheidende Wirkung zeitigt. Sowohl beim freiwilligen als auch beim Zwangseid ist der Schwur selbst bedeutungslos: Er kann auf jede denkbare Glaubensvorstellung bezogen sein und

I. Ergebnisse

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sogar ganz ausbleiben, wenn die Gegenseite den einmal auf sich genommenen Eid erlässt. Beim freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando kann der Schwur, da er nicht auf ein bestimmtes Thema oder die Parteirolle festgelegt ist, auch von einem Dritten oder über einen Umstand geleistet werden, der gar nicht Teil der Auseinandersetzung der Parteien ist. Scheidet beim Zwangseid wegen des auf den Beklagten ausgeübten Drucks die Annahme eines Vertrags aus, erkennen die hoch- und spätklassischen Juristen in Eid und Antrag nach dem Edikt de iureiurando einen Vergleichspakt oder doch zumindest eine vergleichsähnliche Vereinbarung. Weil diese kein neues Rechtsverhältnis schafft, sondern die Parteien an die beschworene Rechts- oder Tatsachenwahrheit bindet, unterscheidet sie sich von gewöhnlichen pacta und Vergleichsverträgen dadurch, dass sie das Prozessprogramm umgestaltet. Die römischen Juristen nähern sich dieser Doppelnatur des antragsgemäßen Eides als Prozessvertrag, indem sie zusätzlich zur Annäherung an das Vertragsrecht einen Analogieschluss zur Entscheidung eines Rechtsstreits durch Urteil ziehen. Auf demselben Vertragsgedanken lässt sich auch die Wirkung des iusiurandum in litem genannten Schätzungseides zurückführen. Er wird dem Kläger zwar vom Richter angetragen, geht aber auf das selbstbestimmte Verhalten des Beklagten zurück. Durch dessen Weigerung zur Herausgabe einer vom Kläger beanspruchten Sache oder die Aufgabe ihres Besitzes erklärt er gleichsam sein Einverständnis mit Verurteilung in den Betrag, den der Kläger als sein Interesse beschwört. Dieser stellt aus Sicht der klassischen Juristen eine Vergleichssumme dar, die der Kläger ebenso wie den Kaufpreis bei einem Verkauf der umstrittenen Sache selbst festlegen kann. Dementsprechend kommt der Schätzungseid weder bei bloßer Fahrlässigkeit des Beklagten noch bei einem Verstoß gegen eine Leistungspflicht zum Zuge. In dem einen Fall fehlt es an einem Verhalten, das sich als Einverständnis zur Konsequenz der Verurteilung deuten ließe; in dem anderen erhält der Kläger, dem die Leistung nur dem Vermögen nach zugeordnet ist, mit der Verurteilung in ihren Wert genau das, was er anstrebt, so dass für einen kaufvertragsähnlichen Vergleich kein Raum ist. Nur scheinbar aus dem Schema der Unverbindlichkeit des Schwures fällt der Kalumnieneid heraus, mit dem eine Prozesspartei ihre fehlende Absicht zur Schikanierung des Kontrahenten beteuert. Dieser Eid wird vom Prätor zuweilen von Amts wegen gefordert. Er ist in diesen Fällen aber lediglich Voraussetzung eines Antrags, dem der Prätor ohne Prüfung des berechtigten Interesses des Antragstellers stattgibt, weil er nur für eine vorläufige oder den anderen Teil nicht besonders belastende Regelung sorgt. Der Prätor trifft also gerade keine Feststellung, die auf den Schwur des Antragstellers gründete. Dasselbe gilt bei dem allgemeinen Kalumnieneid, den jede Partei auf Antrag der Gegenseite bei Aufnahme des Prozesses leisten muss: Hier erfolgt die Eidesleistung sogar im Einverständnis mit der Gegenseite, eine Rechtsfolge geht aber wiederum nur von der Verweigerung des Eides, nicht von seinem Schwur aus, der das Prozessergebnis in keiner Weise präjudiziert.

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

2. Der Eid ist kein Beweismittel Ist der Eid selbst unverbindlich, kann er auch nicht als Mittel zur Bildung richterlicher Überzeugung taugen. Es gibt im klassischen Recht keinen vom Richter auferlegten Eid, mit dem dieser sich die Gewissheit von der Richtigkeit des Vortrags einer Partei verschafft. Schon im Formularprozess ist der Richter allerdings nicht nur beim Schätzungseid in die Entscheidung über den Schwur oder das Verfahren zu seiner Leistung involviert: Er und nicht der Prätor ist für die Abnahme eines zu- oder zurückgeschobenen Zwangseides nach dem Edikt si certum petetur zuständig. Und er kann auch die Anregung zu einem freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando geben. Da dieser häufig ohne besonderen Anhalt in der Klageformel berücksichtigt wird, kann er auch noch in oder während der Verhandlung vor dem Richter geschworen werden. In diesem Fall erfolgt die Einigung der Parteien unter dem Eindruck des vorläufigen Ergebnisses der Beweisaufnahme oder der Einschätzung der Beweislage durch den Richter. Da der Eid allein kraft des Einverständnisses des Kontrahenten wirkt, ist der Richter jedoch unbedingt an ihn gebunden. Lediglich beim Schätzungseid, bei dem die Zustimmung der Gegenseite nur mittelbar erfolgt, kann er zuweilen eingreifen, indem er von dem beschworenen Betrag abweicht oder von vornherein eine Grenze für den Eid setzt.

3. Der Eid ist vermeidbar oder kann nicht ohne Weiteres verlangt werden Der Eid bringt dem Schwörenden zwar einen materiellen Vorteil; er ist aber mit einem Ansehensverlust verbunden, der zumindest beim freiwilligen Eid nach dem Edikt de iureiurando und dem Zwangseid mit einem Ehrgewinn für den anderen Teil einhergeht. Dieser liefert zumindest im Regelfall das Motiv dazu, sich überhaupt mit dem Schwur einverstanden zu erklären, durch den der Eidesgegner sich ja endgültig seines behaupteten Anspruchs begibt oder ein bislang bestrittenes Recht der Gegenseite unstreitig stellt. Ein solches Zugeständnis erscheint zumindest dann plausibel, wenn die Beweislage für ihn ungünstig ist: Droht ohnehin der Verlust des schon aufgenommenen oder noch bevorstehenden Prozesses, erscheint es vorzugswürdig, ihn durch den Eid des anderen Teils als durch ein Beweislasturteil entscheiden zu lassen. Dementsprechend hat der freiwillige Eid nach dem Edikt de iureiurando gewöhnlich ein negatives Thema und kommt als positiver Schwur des Anspruchstellers vor allem dann vor, wenn der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis einer Erfüllung der beschworenen Verpflichtung nicht erbringen zu können glaubt. Wegen seines ehrenrührigen Charakters kann der Eid nicht ohne Weiteres gefordert werden. So bleibt das iusiurandum in litem dem Kläger überlassen, der sich auch mit einer Schätzung durch den Richter begnügen kann. Den Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur kann der Kläger nur deshalb verlangen, weil er sich infolge der Befugnis des Beklagten, den Eid zurückzuschieben oder vom Kläger den Kalumnieneid zu fordern, selbst einem Eideszwang mit spiegelbildlichen Konse-

I. Ergebnisse

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quenzen aussetzt. Entsprechendes gilt für den allgemeinen Kalumnieneid, den jede Partei von der anderen bei Einleitung des Prozesses nur deshalb verlangen kann, weil sie ihn auf Antrag des Gegners selbst leisten muss. Der besondere Kalumnieneid, den der Prätor in bestimmten Fällen fordert, ist schließlich bloße Voraussetzung für den Erfolg eines vom Eidespflichtigen gestellten Antrags. 4. Es gibt keine Spuren eines älteren, eidesfreundlichen Regimes Das geringe Ansehen der Eidesleistung und ihre fehlende Rechtswirkung hängen miteinander zusammen: Der Schwur gilt als ehrenrührig, weil er nicht das adäquate Mittel zur Rechtsgestaltung und Rechtsdurchsetzung ist und seine Wirkung allein anderen Faktoren verdankt, die weltlichen Charakter haben und ihrerseits Teil der Rechtsordnung sind. Die zugrunde liegende Entscheidung zum Ausschluss des Eides aus dem Rechtssystem ist lange vor der klassischen Zeit getroffen: Die Tendenz, die Wirkungen des antragsgemäß geschworenen Eides nach dem Edikt de iureiurando in das Vertragsschema einzupassen, stellt zwar einen Versuch nachträglicher Dogmatisierung eines vorgefundenen Instituts dar. Dessen Eigenheiten, die seine Konzeptualisierung mit Hilfe des Vertragsbegriffs nahelegen, sind jedoch schon seit langer Zeit vorgegeben: Einen mit Zustimmung des Gegners geschworenen Eid, der dem freiwilligen Schwur nach dem Edikt de iureiurando oder dem Zwangseid nach dem Edikt si certum petetur entspricht, gibt es schon zur Wirkungszeit Plautus’. Und auch der Schätzungseid, dessen Einführung sich aus der Beschränkung auf die Geldverurteilung im Formularverfahren ergeben haben muss, lässt mit der Anknüpfung an die Vorstellung eines Sühnevergleichs ein hohes Alter erkennen. Dasselbe gilt für den allgemeinen Kalumnieneid, den jede Partei von der anderen ohne Präjudizwirkung fordern kann und der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem sacramentum des Legisaktionenverfahrens aufweist. Liegen die Ursprünge der klassischen Konzeption damit lange zurück, fehlt es zugleich an konkreten Anzeichen dafür, dass und wann der Eid, für sich genommen, als Instrument der Streitentscheidung oder Beweismittel eine Rolle gespielt hätte.1 Ähnlich verhält es sich beim verpflichtenden Eid: Dass er ausnahmsweise von einem Freigelassenen gegenüber seinem Patron geschworen werden kann, lässt sich nicht als Relikt eines früher weiterreichenden Regimes des promissorischen Eides deuten. Stattdessen ist es das Überbleibsel einer Notlösung für einen Sonderfall, in 1 Keinen Anhaltspunkt bietet auch der Insolvenzeid nach der lex Poetelia, der seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert v. Chr. vermutlich vor dem Prätor geschworen werden konnte und im Fall einer Darlehensschuld zu einer denegatio der legis actio per manus iniectionem sowie zur Infamie des Schuldners führte; vgl. Klinck, Die vorklassische Personalvollstreckung wegen Darlehensschulden nach der lex Poetelia, SZ 130 (2013). Zwar scheint der Insolvenzeid ein Vorzug für Darlehensschuldner gewesen zu sein, der auf gesetzlicher Grundlage vom Prätor und ohne Mitwirkung des Gläubigers gewährt wurde. Er ist den im klassischen Recht noch existierenden Arten des Eides jedoch völlig unvergleichbar; denn mit ihm erkauft sich der Darlehensschuldner seine Ausnahme von der Personalvollstreckung um den Preis seiner Infamie.

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

dem das Vertragsrecht versagt und der Grundsatz der Unverbindlichkeit des Eides durchbrochen wurde. Für ein Vertragsrecht, in dem dieser Grundsatz noch nicht gegolten hätte, fehlt es wiederum an Spuren. 5. Im byzantinischen Recht gewinnt der Eid eine eigenständige Bedeutung Eine eigenständige Wirkung, wie sie im klassischen Recht noch fehlt und auch für die frühere Zeit nicht nachzuweisen ist, gewinnt der Eid im byzantinischen Recht. Auch hier bleibt es freilich bei einzelnen Ansätzen, die keine vollständige Abkehr vom klassischen Regime bedeuten. Die entscheidende Veränderung, die der streitentscheidende Eid schon in der Nachklassik erfährt, liegt in der Fusion von Zwangsund freiwilligem Eid. Sie bedeutet allerdings keine Abkehr von dem Grundsatz, dass der Eid selbst unverbindlich, kein taugliches Beweismittel und seine Zuschiebung von der gegenläufigen Eidespflicht des Kontrahenten abhängig ist. Anders ist die Einführung eines vom Richter auferlegten Eides zu bewerten, der sich erstmals bei Justinian nachweisen lässt. Dieser Schwur ist ein Beweismittel, mit dem sich der Richter die Überzeugung von der Richtigkeit des Parteivortrags verschafft, für den auch die Beweislage spricht. Er hat daher eine eigenständige, objektive Bedeutung. Zugrunde liegt das offenbar religiös motivierte Vertrauen in die Glaubhaftigkeit eines durch Eid unterlegten Vorbringens. Es sorgt auch für die gleichfalls von Justinian betriebene Umstellung des Kalumnieneides von einem auf Parteiantrag zu leistenden Schwur auf einen solchen, der vom Richter von Amts wegen und im öffentlichen Interesse der Prozessökonomie gefordert wird. Mit diesen Änderungen des Prozessrechts gehen auch Wandlungen des Vertragsrechts einher: Zwar wird der Grundsatz, dass ein Schwur keine Verpflichtung hervorbringt, nicht völlig umgestoßen. Zumindest bei prozessnahen Eiden wie dem Gestellungsschwur oder dem Eid, mit dem die Einhaltung eines Vergleichs bekräftigt wird, erfährt die religiöse Bindung eine Ergänzung durch eine weltliche Sanktion in Gestalt besonderer Strafen. Diese sind zwar noch nicht Ausdruck einer Verpflichtung des Schwörenden, lockern aber doch das klassische Prinzip der Unverbindlichkeit des Eides auf.

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid Die Eigentümlichkeit des römischen Eidesrechts tritt noch deutlicher vor dem Hintergrund der Rechtstradition anderer Völker hervor. Hier ist die Figur des Reinigungseides verbreitet, mit dem sich ein Beklagter auf Anordnung des Gerichts von dem Vorwurf befreien kann, wegen eines Delikts oder aufgrund eines Vertrags Schuldner des Klägers geworden zu sein. Diese Art des Eides fehlt im klassischen römischen Recht völlig und tritt ansatzweise erst im richterlich auferlegten Schwur des justinianischen Rechts in Erscheinung. Sie findet sich dagegen sowohl vor als auch nach dem Ende der römischen Klassik in den anderen Rechtskulturen:

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

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Eine gesetzliche Regelung des Reinigungseides aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert enthält das Stadtrecht von Gortyn.2 Es erlaubt einem Ehemann, sich bei einer Scheidung von dem Anspruch seiner Frau auf Herausgabe von Mitgiftsachen zu befreien (2.55 – 57), und der Ehefrau, sich von dem Vorwurf der Entwendung von Sachen ihres Mannes zu reinigen (3.5 – 7, 11.45). Ferner gestattet es demjenigen, der ein Darlehen ohne Zeugen aufgenommen haben soll, sich von der Behauptung seiner Schuld zu entlasten (9.51 – 53). Verbindendes Merkmal dieser drei Fälle ist, dass die Beweisposition des Klägers oder der Klägerin jeweils ungünstig ist, so dass der Richter durch den Reinigungseid die Gewissheit erlangt, dass der kaum beweisbare Anspruch nicht besteht. Der Eid einer Partei soll, wie sich aus einer allgemeinen Bestimmung über die richterliche Entscheidungsfindung (9.26) ergibt, Alternative zum Zeugenbeweis sein und wird im Fall der angeblichen Darlehensgewährung deshalb auferlegt, weil der Mangel an Zeugen die Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Kreditvergabe in Wahrheit gar nicht stattgefunden hat. Während der Reinigungseid im späteren griechischen und insbesondere im attischen Recht verschwindet und dort dem später auch in Rom verwendeten Modell eines Eides mit Zustimmung des Prozessgegners Platz macht,3 kennen ihn wieder die Rechtsordnungen der germanischen Völker, die auf dem Gebiet des untergehenden weströmischen Reiches siedeln. Der Gegensatz zum römischen Recht kommt besonders deutlich in der westgotischen Interpretatio zu den Paulussentenzen zum Ausdruck. Diese weichen zwar ihrerseits schon vom klassischen Recht ab, indem sie den Zwangseid über den Klagegrund bei allen vermögensrechtlichen Streitigkeiten zulassen;4 ebenso wie das Edikt des Prätors machen sie Befugnis und Zwang zum Schwur von der Zuschiebung des Eides durch den Gegner abhängig. Dagegen lässt die westgotische Neufassung des einschlägigen Passus (PS 2.1.1 – 4) erkennen, dass der Eid auf Initiative des Richters erfolgt und dieser auch die Partei aussucht, die den Eid schwören soll:5 IP 2.1.1 – 3 Cum de repetitione pecuniae agitur et probatio debitae pecuniae nulla proferatur, iubet huius rei ambiguitatem sacramentorum interpositione finiri. (2) Licet prior petitor offerat sacramentum, tamen cum nulla probatio debiti est, is, qui calumniam se pati dicit, potest fidem 2 Zu dessen eidesrechtlichen Regelungen im Stadtrecht von Gortyn Latte, Heiliges Recht. Untersuchungen zur Geschichte der sakralen Rechtsformen in Griechenland, Tübingen 1920, S. 8 ff. Zum streitentscheidenden Eid bei Homer und in mykenischen Rechtsquellen Thür, Der Reinigungseid im archaischen griechischen Rechtsstreit und seine Parallelen im Alten Orient, in: Barta/Rollinger (Hg.), Rechtsgeschichte und Interkulturalität, Wiesbaden 2007, S. 179 ff. und ders., Oaths and Dispute Settlement in Ancient Greek Law, in: Foxhall/Lewis, Greek Law, Oxford 1996, S. 57 ff. 3 Lipsius, Das Attische Recht und Rechtsverfahren, Bd. 2.2, Leipzig 1912, S. 895 ff., Latte (Fn. 2), S. 19 ff. 4 s. o. S. 143 f. 5 Dagegen lässt die Interpretatio an der anderen Stelle, an der der Eid Erwähnung findet (IP 5.34), keine Abweichung von dem korrespondierenden Passus der Paulussentenzen (5.32) erkennen.

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

suam iurisiurandi religione firmare. (3) Si quando pulsatus repetenti pecuniam obtulerit sacramentum et ille ei iurisiurandi necessitatem ultro concesserit, non potest postea ab eo debitum postulare. Wird wegen der Rückforderung eines Geldbetrags geklagt und kann der Beweis der Geldschuld nicht erbracht werden, ordnet er an, diese Zweifelsfrage durch die Leistung eines Eides zu beenden. (2) Auch wenn der Kläger den Eid zuerst angeboten hat, kann doch, da es keinen Beweis für die Schuld gibt, derjenige, der behauptet, das Opfer von Schikane zu sein, seine Vertrauenswürdigkeit durch den heiligen Eid bestätigen. (3) Bietet er, nachdem er verklagt worden ist, dem Kläger, der die Rückzahlung des Geldes verlangt, den Eid an und überlässt dieser ihn seinerseits der Eidespflicht, kann nachher von ihm die Schuld nicht gefordert werden.

Das veränderte Konzept des Eides ergibt sich noch nicht daraus, dass die Interpretatio vom Angebot eines eigenen Schwures durch den Kläger und Beklagten spricht.6 Auch unter Geltung des klassischen Rechts gab es solche Angebote, von denen wir sogar Zeugnis haben.7 Angebot und Eid waren aber, für sich genommen, wirkungslos und dienten lediglich dazu, einen Antrag des Gegners zu provozieren, mit dem erst die Grundlage für die streitentscheidende Wirkung des Eides gelegt wurde. Dass eine Eideszuschiebung erforderlich ist, nimmt auch der Verfasser der Interpretatio an, der sich in diesem Punkt nicht von der Vorlage der Paulussentenzen lösen kann. Neu sind jedoch zwei Gedanken, die in dem kommentierten Text noch nicht angelegt sind: zum einen, dass die Angelegenheit wegen Beweismangels durch Eid entschieden werden muss, zum anderen, dass der Beweismangel auf Seiten des Klägers den Ausschlag dafür gibt, dass der Beklagte den Eid leisten soll.8 Zwar war es auch in klassischer Zeit eine ungünstige Beweisposition, die den Eidesgegner zum Antrag des Eides bestimmte, durch den er anstelle des ohnehin verloren geglaubten Rechtsstreits zumindest einen Ansehensvorsprung gewann.9 Dieses Motiv war jedoch keine Gültigkeitsvoraussetzung des Eides, der allein wegen seiner Zuschiebung wirkte. Obwohl es dem Kläger an hinreichenden Beweismitteln für den Nachweis der anspruchsbegründenden Umstände fehlte, hätte er dennoch durch seinen Eid den Streit zu seinen Gunsten entscheiden können, wenn der Beklagte nur hiermit einverstanden gewesen wäre und ihm den Schwur angetragen hätte. Für den Autor der Interpretatio kommt ein solches Szenario nicht in Betracht. Stattdessen hält er bei einem Beweismangel des Klägers allein den Beklagten für eidesbefugt. Auch dies könnte man, für sich genommen, vielleicht noch mit der gerade in den Paulussentenzen dokumentierten Verschmelzung von freiwilligem Eid und Zwangseid im nachklassischen Recht erklären, die bewirkt, dass das Recht zum Eidesantrag immer 6

So aber Levy, Westen und Osten in der nachklassischen Entwicklung des römischen Rechts, SZ 49 (1929), 230, 245 Fn. 3. 7 s. o. S. 49 ff. 8 Dass er den Kalumnieneid schwören soll, lässt sich dem Text entgegen Levy, SZ 49 (1929) 230, 245 Fn. 4 nicht entnehmen. 9 s. o. S. 52 f.

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

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der Beweislast folgt10. Im Zusammenhang mit dem anderen neuen Gedanken, der in der Interpretatio zum Ausdruck kommt, ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Der Beweismangel des Klägers gibt nicht nur den Ausschlag für die Eidesbefugnis des Beklagten, sondern auch dafür, dass der Rechtsstreit überhaupt durch Eid entschieden werden soll. Dies entspricht keineswegs dem klassischen oder nachklassischen römischen Recht, in dem der fehlende Nachweis der anspruchsbegründenden Umstände auch ohne den Eid zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Klageabweisung und lediglich auf Initiative der Parteien zu einem Eid geführt hätte. Der Verfasser der Interpretatio hält diesen dagegen auch aus Sicht des Richters für unumgänglich und verknüpft die Auswahl der zum Eid zugelassenen Partei mit der Beweislage: Der Rechtsstreit soll durch den Eid der Partei beendet werden, zu deren Gunsten die Beweislage ausfällt. Zwar kann der westgotische Kommentar das Erfordernis einer Zustimmung des Gegners zu diesem Eid wegen der insoweit eindeutigen Aussage der Paulussentenzen nicht leugnen. Die Streitentscheidung durch Eid und die Person des Schwörenden sind jedoch durch die Beweissituation vorgegeben; und der Schwur des Beklagten dient dazu, hieraus eine das Urteil tragende Gewissheit zu machen. Dementsprechend ist es auch kein Zufall, dass der westgotische Interpret die in den Paulussentenzen noch erwähnte Möglichkeit unterschlägt, dass der Kläger dem Beklagten den Eid erlässt. Ein Verzicht auf die Eidesleistung kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Wirkung des Schwures bloß von dem zugrunde liegenden Antrag des Gegners ausgeht. Er verbietet sich dagegen, wenn der Eid ein Mittel ist, um dem Richter die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptungen des Schwörenden zu verschaffen. Den Eid, zu dem er den Beklagten wegen der Beweisfälligkeit des Klägers zulässt, verwechselt der Verfasser der Interpretatio überdies mit dem Kalumnieneid. Auslöser dieses Irrtums ist die mehrdeutige Formulierung von PS 2.1.2, wonach der Eid über die fehlende Schikaneabsicht dem Beklagten „zustehe“ (,contrarium autem de calumnia iusiurandum reo competit‘). Ist damit eigentlich gemeint, dass der Beklagte die Eideszuschiebung von dem Kalumnieneid abhängig machen kann, hält der Autor der Interpretatio ihn dagegen für einen Schwur des Beklagten, der behauptet, das Opfer von Prozessschikane durch den Kläger geworden zu sein (,qui calumniam se pati dicit‘). So verstanden, ist der Kalumnieneid nicht Element der Eideszuschiebung, sondern das Gegenstück zum Eid des Klägers, mit dem dieser die Existenz seines Anspruchs beschwört. Indem der Richter zwischen diesem und dem Kalumnieneid des Beklagten wählen kann, entscheidet er darüber, welche der beiden Parteien wahrheitsgemäß vorgetragen hat: Entweder treffen die beschworenen Behauptungen des Klägers zu; oder der Beklagte hat Recht, wenn er sich als Opfer von Schikane bezeichnet, und der Kläger hat die Unwahrheit gesagt. Der Eid vermeidet eine Beweislastentscheidung, die offen ließe, wessen Vortrag der Wahrheit entspricht. Er sorgt dafür, dass aus der Beweislage Gewissheit wird, indem er den 10

s. o. S. 212.

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

Beweismangel der einen Seite zu der Feststellung komplettiert, dass die Behauptungen der anderen Partei zutreffen. Das abweichende Konzept, das in der Interpretatio mühsam mit dem Eidesregime des nachklassischen Rechts verbunden wird, kommt rein in den etwa zeitgleich entstandenen Bestimmungen des Codex Euricianus über die Schadensersatzpflicht eines Verwahrers zum Ausdruck.11 Dessen Schwur, für den Untergang der niedergelegten Sache nicht verantwortlich zu sein, erscheint hier gleichsam als materiellrechtliches Erfordernis seiner Enthaftung: CE 278 = LV 5.5.1 = LBai 15.1 Qui cavallum aut quodlibet animalium genus ad custodiendum mercede placita commendaverit, si perierit, eiusdem meriti ille, qui commendata suscepit, exsolvat; si tamen mercedem fuerit pro custodia consecutus. Quod si etiam qui nulla placita mercede susceperat ea mortua esse probaverit, nec ille mercedem requirat, nec ab illo aliquid requiratur; ea tamen ratione, ut praebat sacramentum ille, qui commendata susceperat, quod non per suam culpam nec per negligentiam animal morte consumpta sit. Eadem et de commodatis forma servetur. Hat jemand ein Pferd oder ein beliebiges anderes Tier einem anderen gegen eine vereinbarte Vergütung zur Bewachung anvertraut, soll derjenige, der das anvertraute Tier erhalten hat, wenn er es verliert, ein gleichwertiges Tier leisten, falls er die Vergütung für die Bewachung erlangt hat. Hat er es aber ohne Entgelt übernommen und nachgewiesen, dass es gestorben ist, kann er weder eine Vergütung verlangen, noch kann von ihm etwas verlangt werden, freilich nur dann, wenn derjenige, der die anvertraute Sache erhalten hat, einen Eid leistet, dass das Tier nicht durch seine Schuld oder seine Nachlässigkeit gestorben ist. Dasselbe gilt bei der Leihe.

Während ein Verwahrer, der ein Tier gegen Entgelt übernommen und die vereinbarte Vergütung auch erhalten hat, verschuldensunabhängig für dessen Tod einzustehen hat, haften ein unentgeltlich tätiger Verwahrer und ein Entleiher nicht unbedingt. Sie müssen nur für ihr Verschulden einstehen, aber auch beschwören, dass es fehlt, um von der Verpflichtung endgültig frei zu sein.12 Dass dem beklagten Verwahrer ein solcher Reinigungseid keineswegs stets eröffnet ist, zeigt die anschließende Vorschrift:

11

Insoweit dann im Ergebnis doch richtig Levy, SZ 49 (1929) 230, 245 Fn. 3 und 5. Einen vergleichbaren Eid soll der Verwahrer auch leisten, wenn die hinterlegte Sache beim Brand seines Hauses zerstört worden ist; vgl. CE 280 = LV 5.5.3 = LBai 15.2: Si cui aurum, argentum vel ornamenta vel species fuerint commendatae, sive custodiendae traditae sive vendendae, et in domo ipsius cum rebus eius fuerint incendio concrematae, una cum testibus qui commendata susceperat praebeat sacramentum, nihil exinde suis profuisse conpendiis, et nihil cogatur exsolvere, excepto auro et argento, quod ardere non potuit. … („Sind jemandem Gold, Silber, Schmuck oder eine Sache anvertraut worden, sei es zur Bewachung, sei es zum Verkauf, und sind sie in seinem Haus mit seinen eigenen Sachen bei einem Feuer verbrannt, soll derjenige, der die Sachen anvertraut erhalten hat, zugleich mit Zeugen den Eid leisten, er habe hieraus keinen Gewinn gezogen, und er soll abgesehen von dem Gold und Silber, das nicht verbrannt ist, nicht zur Leistung gezwungen werden. …“) 12

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

215

CE 279 = LV 5.5.2 Si quis alicui iumentum praestiterit, et illud per aliquid infirmitatem aput eum moritur, sacramentum primitus praebere debet, quod non per suam culpam morte consumptum sit, et nihil cogatur exsolvere. Sin autem nimium sedendo vel fasces carricando mortuum fuerit, eiusdem meriti caballum reddat. Si vero idem praestitus alicui aliquid debilitatis intulerit vel damni, ille conponat, qui eum aput se susceptum habuisse dinoscitur. Hat jemand einem anderen ein Zugtier überlassen und ist es bei diesem infolge einer Krankheit gestorben, muss er zunächst einen Eid leisten, dass es nicht durch seine Schuld gestorben ist, und er wird nicht gezwungen, etwas zu leisten. Ist es aber gestorben, indem es zu viel festsaß oder Bündel trug, soll er ein gleichwertiges Pferd zurückgewähren. Hat er dagegen mit Vorsatz einem anderen eine Krankheit oder einen Schaden zugefügt, soll derjenige, von dem sich herausstellt, dass er eine anvertraute Sache erhalten hat, Ausgleich leisten.

Steht fest, dass der Verwahrer für den Tod des ihm anvertrauten Tieres verantwortlich ist, weil er es nicht ordentlich behandelt oder gar vorsätzlich geschädigt hat, muss er das Tier ersetzen und im Fall des Vorsatzes sogar noch einen weitergehenden Schaden ersetzen, ohne sich dieser Verpflichtung durch seinen Eid entziehen zu können. Der enthaftende Schwur ist also nur dann zulässig, wenn der Kläger ein Fehlverhalten des Verwahrers nicht nachweisen kann. Zu einer abstrakten Regel über das Verhältnis von Beweisaufnahme und Eidesleistung finden wir diesen Gedanken in einer Vorschrift gemacht, die sich wegen ihrer Doppelüberlieferung in der Lex Visigothorum und der Lex Baiuvariorum ebenfalls auf den Codex Euricianus zurückführen lässt. Sie ermahnt den Richter, nicht voreilig die Entscheidung durch den Eid zu suchen und diesen nur dort zu gestatten, wo ein Beweismangel vorliegt:13 LV 2.1.21 ant = LBai 9.17 = CE rest 9 Iudex, ut bene causam agnoscat, primum testes interroget, deinde iscripturas requirat, ut veritas possit certius inveniri, ne ad sacramentum facile veniatur. Hoc enim iustitie potius indagatio vera commendat, ut scripture ex omnibus intercurrant et iurandi necessitas sese omnino suspendat. In his vero causis sacramenta prestentur, in quibus nullam scripturam vel probationem seu certa indicia veritatis discussio iudicantis invenerit. Damit ein Richter eine Sache ordentlich behandelt, soll er zunächst die Zeugen vernehmen, dann die Vorlage von Urkunden verlangen, damit er die Wahrheit zuverlässiger ermitteln kann und es nicht vorschnell zum Eid kommt. Zu einer gerechten Ermittlung empfiehlt es sich nämlich, dass von allen Urkunden vorgelegt werden und die Notwendigkeit eines Eides ganz unterbleibt. Ein Eid ist hingegen in den Angelegenheiten zu leisten, in denen die Untersuchung des Richters weder eine Urkunde noch einen Beweis oder ein sicheres Anzeichen für die Wahrheit zutage fördert.

Kommt es wegen der Beweisschwierigkeiten des Klägers dazu, dass der Beklagte den Eid leisten soll und darf, sorgt er so dafür, dass sich seine Darstellung als wahr erweist und die Klage wegen erwiesener Unwahrheit des klägerischen Vortrags abgewiesen werden muss. Der Kläger muss sich daher den Vorwurf der Schikane 13 Dass hier eine Neuerung Eurichs vorliegt, nimmt Beyerle, Die Beweisverteilung im gerichtlichen Sühneverfahren der Volksrechte, Heidelberg 1913, S. 11 ff. an.

216

6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

gefallen lassen, deren Erfolg der Beklagte durch seinen Eid abwendet. Eben dies sagt eine weitere Bestimmung des Codex Euricianus zum Reinigungseid bei der Veruntreuung einer geliehenen oder niedergelegten Sache durch einen Sklaven: CE 284 = LV 5.5.7 Si dominus per servum suum quodcumque sibi petierit commodatum, et servus cum rebus commodatis in fuga fuerit elapsus, tunc dominus obligetur, ut commodata restituat. Si vero servus petisse dominum mentiatur et sic deportanda ad dominum susceperit, sed ea, quae susceperit, everterit aut forte perdederit, et fugitivus non potuerit inveniri, dominus servi praebeat sacramentum, se eum, ut susciperet, non misisse, et cum id peteret, ignorasse, et nihil calumniae pertimescat. Haec eadem de commendatis praecipimus. Hat der Eigentümer eines Sklaven durch diesen etwas ausgeliehen und ist der Sklave mit den geliehenen Sachen entflohen, ist der Eigentümer zur Rückgabe der geliehenen Sachen verpflichtet. Hat aber der Sklave nur vorgegeben, dass sein Eigentümer die Leihe erbitte und er die Sachen empfange, um sie zu seinem Eigentümer zu bringen, hat er aber die übernommenen Sachen beschädigt oder gar verloren und kann er auf seiner Flucht nicht gefunden werden, soll der Eigentümer des Sklaven einen Eid leisten, dass er ihn nicht geschickt habe, um die Sachen zu übernehmen, und nicht wusste, dass er sie erbat, und er soll keine Schikane fürchten. Dasselbe bestimmen wir für die Verwahrung.

Beschwört der Eigentümer eines Sklaven, dass dieser ohne sein Mandat oder Wissen Sachen entliehen oder in Verwahrung genommen hat, kann er für deren Verlust nicht haftbar gemacht werden. Das westgotische Gesetz drückt dies so aus, dass er keine Angst vor Schikane zu haben brauche (,nihil calumniae pertimescat‘). Ebenso heißt es in einer lex antiqua der Lex Visigothorum, die ebenfalls auf den Codex Euricianus zurückgehen könnte14 und in der es um die Reinigung des Beklagten vom Vorwurf des Plagiats geht: LV 9.1.13 ant … Quod si fugitivus ab eo, quo fuerat captus, fugerit, dominus servi ab eodem sacramentum accipiat: quod non ipsius fraude vel studio fugitivus evaserit; et nullam postea calumniam pertimescat. Et si post datum sacramentum aliquid a fugitivo convincitur accepisse mercedis, aut eius fraude doceatur admissum, ut fugitivus ad longinquiora pertenderet: si fugitivus fuerit inventus, paris meriti alium servum domino reformare cogatur; sin autem inventus non fuerit, duos eiusdem meriti servos domino eius compellatur exsolvere. … Ist aber der flüchtige Sklave von demjenigen, der ihn gefangen hat, geflohen, soll der Eigentümer des Sklaven von diesem einen Eid geleistet bekommen, dass der flüchtige Sklave nicht durch seine Arglist oder mit seinem Zutun entkommen ist; und er soll nachher keine Schikane fürchten. Und wird er nach der Eidesleistung überführt, etwas von dem Sklaven als Lohn empfangen zu haben, oder erwiesen, dass er es arglistig zugelassen hat, dass der Sklave ins Weite gezogen ist, soll er gezwungen werden, wenn der Sklave gefunden worden ist, dem Eigentümer einen anderen gleichwertigen Sklaven oder, wenn er aber nicht gefunden worden ist, zwei gleichwertige Sklaven zu leisten.

14

Zeumer, Leges Visigothorum, Hannover u. a. 1902, S. 360 Fn. 1.

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

217

Durch den Eid des Beklagten ist das klägerische Vorbringen, für das es an dem erforderlichen Beweis fehlt, jeweils als Prozessschikane entlarvt. Der Eid des Beklagten erlaubt als Kalumnieneid im neuen, germanischen Sinn dem Richter die Abweisung der Klage, weil er den Beweismangel des Klägers zur Gewissheit von der Unrichtigkeit seiner Behauptung werden lässt. Die von den westgotischen Juristen an der Wende vom fünften zum sechsten Jahrhundert geleistete Verschmelzung der römischen Terminologie mit dem eigenen Konzept des streitentscheidenden Schwures prägt auch die spätere Gesetzgebung der gotischen Herrscher.15 Sie erwähnen nicht nur den Reinigungseid als Mittel der Streitentscheidung, sondern stellen zuweilen auch klar, dass er die Folge eines Beweismangels auf der Gegenseite ist. So bestimmt Chindasvinth in der Mitte des siebten Jahrhunderts, dass ein Richter, dem ein Fehlurteil zur Last gelegt wird, sich bei Beweisfälligkeit des Klägers durch seinen Eid von der Haftung befreien könne: LV 2.1.20 … Certe si fraudem aut dilationem iudicis non potuerit petitor adprobare, sacramento suam iudex conscientiam expiet, quod eum nullo malignitatis obtentu vel quolibet favore aut amicitia audire distulerit, et propter hoc culpabilis idem iudex nullatenus habeatur. … … Kann der Kläger aber die Arglist des Richters oder die Verzögerung des Rechtsstreits durch ihn nicht beweisen, soll der Richter sein Gewissen durch Eid reinigen, dass er nicht aus missgünstigem Vorwand oder aus Sympathie oder Freundschaft die Anhörung verschoben habe, und deswegen soll der Richter keineswegs als schuldig gelten. …

Sein Sohn Rekkesvinth legt dasselbe für denjenigen fest, der nicht der ihm vorgeworfenen Tötung eines fremden Tieres überführt werden kann: LV 7.2.23 Si quis caballum alienum aut bovem vel quodlibet animalium genus nocte aut occulte occidisse convincitur, novecupli conpositionem dare cogatur. Quod si convinci non potuerit, quod talia fecerit, sacramenta evidentissime dabit. … Ist jemand überführt worden, ein fremdes Pferd oder ein Rind oder irgendein anderes Tier nachts oder heimlich getötet zu haben, wird er gezwungen, das Neunfache zu leisten. Kann er der Tat nicht überführt werden, soll er selbstverständlich den Eid leisten. …

In einer Verordnung, die an die mutmaßlich eurizianische Bestimmung in LV 2.1.21 erinnert, stellt Chindasvinth ferner den Vorrang der Beweisaufnahme vor dem Eid16 fest und bestimmt als Strafe für die durch den Eid als Schikane erwiesene Klage eine Geldstrafe:17 15 Man kann das westgotische Recht mit Bethmann-Hollweg, Der germanisch-romanische Zivilprozeß im Mittelalter, Bd. 1 (= Der Zivilprozeß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, Bd. 4.1), Bonn 1868, S. 244 durchaus ein Gemisch nennen, das aber entgegen seiner Einschätzung nicht prinzipienlos ist. 16 Sie beobachtet in der lex Visigothorum zu Recht Löning, Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, Heidelberg 1880, S. 118. 17 Diese Regelung wird in LV 6.1.2 in Bezug genommen, wo es um die Reinigung von dem Vorwurf geht, einen Sklaven in böser Absicht gefoltert zu haben.

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

LV 2.2.5 Quotiens causa auditur, probatio quidem ab utraque parte, hoc est tam a petente quam ab eo, qui petitur, debet inquiri, et que magis recipi debeat, iudicem discernere conpetenter oportet. Tamen si per probationem rei veritas investigare nequiverit, tunc ille, qui pulsatur, sacramentis se expiet, rem, vel si quid ab eo requiritur, neque habuisse neque habere nec alquid de causa, unde interrogatur, se conscium esse vel quidquam inde in veritate scire nec id, quod dicitur, et illi parti, cui dicitur, commisisse; et postquam ita iuraverit qui pulsatus est, quinque solido ille, qui pulsavit, ei cogatur exolvere. Immer wenn eine Sache verhandelt wird, muss der Beweis von beiden Seiten, also sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten, untersucht werden, und was eher einzuholen ist, muss der Richter nach Sachlage entscheiden. Aber wenn er den wahren Sachverhalt durch den Beweis nicht ermitteln kann, muss sich der Beklagte durch den Eid reinigen, dass er die Sache, oder was von ihm verlangt wird, nicht gehabt habe und nicht habe und von der Sache, die untersucht wird, nichts wisse und auch das wahre Geschehen nicht kenne und das, was behauptet wird, und demjenigen, dem es geschehen sein soll, nicht angetan habe; und nachdem der Beklagte so geschworen hat, soll der Kläger gezwungen werden, ihm fünf Goldmünzen zu zahlen.

Und in zwei leges antiquae genannten und damit zumindest auf Leovigild zurückgehenden Vorschriften wird die Rechtsfolge des Reinigungseides eines Plagiatsverdächtigen ebenso wie in der Interpretatio der Paulussentenzen damit umschrieben, dass er fortan keine Schikane mehr erdulden müsse: LV 9.1.4 ant Si quis nesciens fugitivum susceperit et ei humanitatem dederit, et non amplius ibidem fuerit quam una die vel nocte inmoratus, domino requirenti fugitivum suum prebeat sacramentum: se nescisse, quod fugeret; aut si certe potuerit adprobare, quod fugitivum non celaverit, ab omni calumnia liber abscedat. … Hat jemand unwissentlich einen entflohenen Sklaven aufgenommen und ihm Menschlichkeit erwiesen, und hat er sich nicht länger als einen Tag und eine Nacht bei ihm aufgehalten, soll er dem Eigentümer, der ihn zurückverlangt, den Eid leisten, dass er nicht gewusst habe, dass er entflohen sei; oder wenn er klar nachweisen kann, dass er den entflohenen Sklaven nicht versteckt hat, soll er von jeder Schikane unbehelligt bleiben. LV 9.1.8 ant … Quod si se fugitivus ad alia loca forte contulerit, sacramentum presentibus illis, quibus testatus est, prebere debebit: se ut fugiret non suasisset vel precepisset et ubi lateat non scire; et post hec nullam calumniam patiatur. … Hat sich aber der flüchtige Sklaven an einen anderen Ort begeben, soll er im Beisein seiner Zeugen schwören, dass er ihn nicht zur Flucht überredet und diese auch nicht geahnt habe und dass er nicht wisse, wo er sich versteckt hält; und danach soll er keine Schikane erleiden.

Im Edictum Theoderici, das entweder ein westgotischer Vorläufer des Codex Euricianus oder ein zeitgenössisches ostgotisches Regelwerk ist, findet sich das neue Konzept des Eides ebenfalls in Ansätzen. Zum einen kennt auch dieses Gesetz den

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

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streitentscheidenden Eid, der statt auf die Initiative des Prozessgegners vom Richter aus eigenem Antrieb auferlegt wird:18 ETh 106 Quotiens aliquod negotium consensu litigantium aut sententia iudicis sacramentis fuerit diffinitum, retractari non poterit: nec de periurio agere cuiquam vel movere permittitur quaestionem. Immer wenn ein Streit durch einen Eid beendet worden ist, der aufgrund der Vereinbarung der Parteien oder der Entscheidung des Richters geschworen worden ist, darf die Sache nicht noch einmal behandelt werden; und auch die Frage, ob ein Meineid geleistet worden ist, darf nicht mehr gestellt werden.

Zum anderen erscheint der Eid hier ebenfalls als eine Befugnis, die alternativ einer der beiden Parteien zusteht: Über die Haftung eines beklagten Gastwirts soll nach dem Edikt Theoderichs entweder der Eid des Gastes entscheiden, dass ihm in dem Betrieb des Beklagten etwas abhandengekommen ist, oder der gegenläufige Schwur des Beklagten, er und seine Leute seien hierfür nicht verantwortlich:19 ETh 119 Si quid de taberna vel stabulo perierit, ab his qui locis talibus praesunt, vel qui in his negotiantur, repetendum est, ita ut praestent sacramenta de conscientia sua suorumque: et si hoc fecerint, nihil cogantur exsolvere; aut certe quantum petitor iuraverit se in eo loco perdidisse, restituant. Ist etwas aus einem Wirtshaus oder aus einem Stall verschwunden, kann es von denjenigen, die diesen Lokalen vorstehen oder die in ihnen ihr Geschäft betreiben, gefordert werden, freilich nur in der Weise, dass sie einen Eid über ihr und das Gewissen ihrer Leute leisten; und wenn sie dies tun, werden sie nicht gezwungen zu leisten; oder sie müssen leisten, wie viel der Kläger schwört, dass ihm in diesem Lokal verloren gegangen sei.

Auch das burgundische Recht führt den vom Richter auferlegten Eid als Alternative zum Schwur kraft Parteivereinbarung auf. Die einschlägige Bestimmung der lex Romana Burgundionum stellt zudem klar, dass er nur als Mittel zur Bewältigung einer res dubia, also dann nicht in Betracht kommt, wenn sich der Fall aufklären lässt:20 LRB 23.1 Si a iudice statutum fuerit aut inter partes convenerit, ut de rebus dubiis sacramenta praebeantur, eum solum debere iurare, a quo aliquid repetitur, nec ad sacramenta personas alias requirendas. Quo praestito sacramento omnis causae ipsius repetitio conquiescat.

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So richtig Bethmann-Hollweg (Fn. 15), S. 286. Anders, aber mit dem Text nicht zu vereinbaren ist die Deutung von Bethmann-Hollweg (Fn. 15), S. 287, der annimmt, der Eid des Gastwirts diene lediglich dazu, die Haftung auf das Doppelte zu vermeiden, während die Verpflichtung zur Leistung einfachen Ersatzes erhalten bleibe und sich in ihrem Umfang nach dem Schwur des Klägers richte. 20 Dass der Eid im burgundischen Recht nicht stets zur Streitentscheidung taugt, glaubt auch Bethmann-Hollweg (Fn. 15), S. 170 ff. 19

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6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

Ist vom Richter bestimmt oder unter den Parteien vereinbart, dass über zweifelhafte Fragen ein Eid geleistet werden soll, solle nur derjenige schwören, von dem etwas gefordert wird, ohne dass andere Personen zum Eid zugelassen werden. Mit der Leistung dieses Eides ist die Forderung in der gesamten Angelegenheit erledigt.

Darüber hinaus enthält die lex Burgundionum eine Parallelvorschrift zu LV 9.1.13, in der es um die Haftung desjenigen geht, der den entflohenen Sklaven eines anderen zunächst gefangen und dann wieder aus der Kontrolle verloren hat. Der Eid, mit dem er sich vom Vorwurf einer Mitwirkung an der Sklavenflucht freischwören kann, soll auch nach dem burgundischen Gesetz zur Folge haben, dass er keine Prozessschikane erdulden muss: LB 6.321 Si fugitivus cuiuscumque seu Burgundionis, seu Romani captus fuerit et casu de custodia fugerit, is, quem fugit, iuret: nec suo nec suorum concludio aut conscientia fuisse dimissum, et praestitis ut dictum est sacramentis, nullam calumpniam patiatur. Ist der flüchtige Sklave eines Burgunders oder Römers gefangen worden und aus seinem Gewahrsam zufällig entflohen, soll derjenige, dem er entflohen ist, schwören, dass er nicht durch seine Absicht oder mit seinem Wissen oder durch die Absicht oder das Wissen seiner Leute freigekommen sei; und wenn er diesen Eid geschworen hat, soll er keine Schikane erleiden.

Diese mit der Interpretatio der Paulussentenzen übereinstimmende Formulierung findet sich noch in einer weiteren Bestimmung zu einem ähnlichen Fall: LB 6.9 Si ingenuus fugitivo seu Burgundionis, seu Romani conscius panem dederit, fugitivum revocet. Si nesciens panem dederit, aut flumen transierit, vel viam ostenderit, sacramento dato, nullam calumpniam patiatur. Hat ein Freier dem flüchtigen Slaven eines Burgunders oder Römers vorsätzlich zu essen gegeben, muss er den flüchtigen Sklaven herbeischaffen. Hat er ihm aber unwissentlich zu essen gegeben oder ihm geholfen, einen Fluss zu überqueren, oder einen Weg gezeigt, muss er, wenn er einen Eid leistet, keine Schikane erleiden.

Das in der Interpretatio der Paulussentenzen hervortretende Regime des streitentscheidenden Eides ist demnach nicht nur prägend für das spätere westgotische Recht. Es ist auch ein schon in seiner Zeit verbreitetes Konzept. Dass es außer im westgotischen Reich noch bei den Burgundern und vielleicht auch bei den Ostgoten auftritt, legt die Vermutung nahe, dass es außerrömische Wurzeln hat. Kann man es deshalb auch noch nicht germanisches Rechtsgut nennen, ist es doch zumindest Gegenstand einer bei den Germanenvölkern lebendigen Rechtstradition. Zumindest bei Goten und Burgundern ist der Gebrauch des Eides als Instrument nachzuweisen, mit dem der Richter eine dem Schwörenden günstige Beweislage in Gewissheit verwandelt.22 Er entspringt dem Wunsch, den Vortrag einer der beiden Parteien als 21 22

Diese Bestimmung wird in LB 20.4. und 39.3 in Bezug genommen. Löning (Fn. 16), S. 75 nennt dies die Subsidiarität des Eides.

II. Das Gegenmodell: Der Reinigungseid

221

richtig und den der Gegenseite als falsch zu erweisen. Dringt der Kläger mit seinem Begehren nicht gegen den Beklagten durch, soll dieser nicht nur von Verurteilung verschont, sondern auch von dem Verdacht frei sein, dem er durch die Klageerhebung ausgesetzt ist.23 Und umgekehrt soll der Kläger, wenn der Beklagte einen ihm obliegenden Beweis schuldig bleibt, durch seinen Eid von dem Zweifel gereinigt sein, den die Leugnung seines Anspruchs durch den Beklagten aufgeworfen hat. Das Verhalten des beweisfälligen Teils bedeutet in germanisch-römischer Terminologie eine calumnia, die es durch den Eid zu überwinden gilt. Eine vergleichbare Rolle kann der Eid im römischen Recht nicht spielen, weil er, für sich genommen, wirkungslos und daher auch nicht geeignet ist, einen Verdacht zu beseitigen, ja vielmehr umgekehrt eine Zumutung für den Schwörenden bedeutet, die dieser nicht ohne Weiteres auf sich zu nehmen braucht. Der Vergleich mit dem Reinigungseid germanischer Prägung verleitet zu einer Hypothese über die Entstehungszeit des römischen Eidesregimes: Dient der Reinigungseid dazu, die Behauptung einer der beiden Seiten als wahr zu erweisen, zeigt dies, dass der Prozess in den germanischen Staaten kontradiktorischer Natur, also auf die Verifikation der Darstellung einer der beiden Partei angelegt, ist. Ein solches Verfahren hat es auch in Rom gegeben, und zwar in Gestalt der legis actio sacramento, bei der darum gestritten wurde, wessen sacramentum iustum war.24 Ein Urteil, das zugunsten des mit einer actio in personam belangten Schuldners erging, wies also nicht nur den Anspruch des Gläubigers zurück, sondern bestätigte die Behauptung des Beklagten, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein oder das ihm vom Kläger zur Last gelegte Delikt nicht begangen zu haben; und bei der actio in rem stand mit der Verneinung des klägerischen Rechts zugleich das Eigentum des Beklagten fest, dessen Behauptung dem Vorbringen des Klägers bei der Prozesseinleitung entgegengesetzt worden war. Zu einem solchen Verfahren passt ebenso wie zum germanischen Prozess der vom Richter auferlegte Eid als ein Instrument, mit dem er sich Gewissheit verschafft, dass der Beklagte nicht nur mangels Nachweis des Klägerrechts, sondern deshalb obsiegt, weil er die Wahrheit gesagt hat. Auch wenn er in den römischen Rechtsquellen keine Spuren hinterlassen hat, könnte der Reinigungseid also auch in Rom vorgekommen sein, als die legis actio sacramento noch in Gebrauch und die vorherrschende Verfahrensart war. Den Boden für das klassische Eidesregime hat dann die Einführung der Klagen bereitet, die nicht mehr kontradiktorischer Natur sind und ein abweisendes Urteil ohne Aussage über die Wahrheit der Behauptungen des Beklagten zulassen. Zu diesen Verfahren gehören sicherlich die Klagen des Formularprozesses, deren Absolutionsklausel: ,si non paret, absolvito‘, den Freispruch des Beklagten an das Scheitern des vom Kläger zu erbringenden Nachweises knüpft. Aber auch schon die Legisaktionen, die ohne sacramentum auskommen, könnten diesem Muster entsprochen haben und Auslöser für die Herausbildung des klassischen Eidesregimes gewesen sein. Schon die im Zwölftafel23 24

Vgl. Löning (Fn. 16), S. 273 ff. Vgl. Kaser/Hackl, RZ, S. 85.

222

6. Kap.: Ertrag und Rechtsvergleich

gesetz eingeführte25 legis actio per iudicis arbitrive postulationem war auf die Verurteilung des Beklagten zu einer Leistung gerichtet26 und zwang den Richter, der außer iudex auch arbiter war, bei der Klageabweisung nicht mehr zu der Feststellung, wessen Rechtsbehauptung zutraf. Diese Klage war bereits ein Vorbote des Formularprozesses, der den Reinigungseid entbehrlich machte und den Rahmen für das klassische Eidesregime bildete.

25 26

Vgl. Gai 4.17a. Vgl. Kaser/Hackl, RZ, S. 108.

Verzeichnis der juristischen Quellen Gai institutiones 2.92 2.95a 2.134 2.258 3.83 3.96 4.11 4.16 4.17a 4.37 4.47 4.48 4.62 4.114 4.137 4.171 4.172 4.174 4.175 4.176 4.178 4.179 4.180 4.181 4.185 4.186

22 Fn. 14 22 Fn. 13 22 Fn. 14 36 Fn. 58 26 f. 16 f., 27 Fn. 31 61 Fn. 40 64 Fn. 43 222 Fn. 25 169 Fn. 40 172 Fn. 48 185 Fn. 94 173 Fn. 53 108 f. 85 Fn. 80 198 Fn. 23 198 f. 199 199 199 199 f. 200 199 Fn. 25 200 18 196

Pauli sententiae 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 3.4b.2 5.32

143 f., 211 ff. 143 f., 211 ff. 143 f., 211 ff. 143 f., 211 ff. 35 Fn. 54 211 Fn. 5

224

Verzeichnis der juristischen Quellen

Gai epitome 2.9.4

16 f.

Codex Theodosianus 2.9.3

20

Novellae Theodosii 22.2.3

151 Fn. 94

Corpus Iuris Civilis Institutiones 2.23.12 3.16.1 4.6.8 4.11.2 4.13.4 4.16pr 4.16.1

145 f. 86 Fn. 83 146 Fn. 78 18 f. 149 f. 202 f. 202 f.

Digesta 2.4.4.1 2.4.8.1 2.8.8.5 2.8.15pr. 2.8.16 2.11.2 2.13.4pr 2.13.6.2 2.13.6.4 2.13.6.8 2.13.8.1 2.13.9.3 2.14.1.3 2.14.7.8 2.14.7.16 2.14.21.5 3.2.6.4a 3.3.39.1 4.3.18pr 4.3.21 4.3.22 4.3.23 5.1.28.2

72 Fn. 59 72 195 f. 18 Fn. 2 18 18 Fn. 1 193 f. 193 193 Fn. 15 193 f. 193 Fn. 15 194 S. 94 Fn. 100, S. 107 Fn. 135 84 Fn. 79 48 Fn. 18, 94 Fn. 101 84 Fn. 79 100 119 Fn. 5, 125 f. 158 f., 167, 176 95 f., 103, 111 Fn. 155, 114 Fn. 169 96 Fn. 104 48 Fn. 17, 149 Fn. 83 130 Fn. 36

Verzeichnis der juristischen Quellen 5.1.64pr 5.3.25.8 5.3.25.10 6.1.35.2 6.1.46 6.1.68 6.1.69 6.1.70 6.1.71 6.2.7.1 6.2.7.7 8.5.7 9.4.11 9.4.13 9.4.21pr 9.4.21.2 9.4.21.3 9.4.21.4 9.4.21.5 9.4.21.6 9.4.22.3 9.4.22.4 9.4.23 10.2.44.4 10.4.3.2 10.4.5.2 10.4.5.5 10.4.15 12.1.5 12.2.1 12.2.2 12.2.3pr 12.2.3.1 12.2.3.2 12.2.3.3 12.2.3.4 12.2.5pr 12.2.5.1 12.2.5.2 12.2.5.3 12.2.5.4 12.2.6 12.2.7 12.2.8 12.2.9pr 12.2.9.1 12.2.9.2 12.2.9.3

164 f., 167 168 168, 175 Fn. 59 184 175 Fn. 58, 182 f. 156 f., 167, 175 Fn. 58 167 Fn. 37, 175 Fn. 58, 180 f. 175 Fn. 58, 180 f. 153, 157 Fn. 10, 163, 167, 175 Fn. 58 181 f. 65, 69 175 Fn. 60 133 Fn. 47 133 Fn. 48 134 133 133 136 134 f. Fn. 50 135 136 134 135 158, 176 Fn. 65 168, 176 Fn. 65 192 Fn. 9 190 ff. 171 Fn. 45 93 f., 96, 112, 129 95 44, 46, 47 Fn. 14, 51, 66 Fn. 49 44, 104 70 f., 104 73 f., 104 104 104 104 f. 100 f. 105 107 106 43 f., 46, 53 43 f. 45 f. 47, 106 111 Fn. 155 77, 101

225

226 12.2.9.4 12.2.9.5 12.2.9.6 12.2.9.7 12.2.10 12.2.11pr 12.2.11.2 12.2.11.3 12.2.12 12.2.13pr 12.2.13.1 12.2.13.2 12.2.13.3 12.2.13.4 12.2.13.5 12.2.13.6 12.2.14 12.2.15 12.2.16 12.2.17pr 12.2.17.1 12.2.17.2 12.2.17.3 12.2.18 12.2.19 12.2.20 12.2.21 12.2.22 12.2.23 12.2.24 12.2.25 12.2.26pr 12.2.26.1 12.2.26.2 12.2.27 12.2.28pr 12.2.28.1 12.2.28.2 12.2.28.3 12.2.28.4 12.2.28.5 12.2.28.6 12.2.28.7 12.2.28.8 12.2.28.9 12.2.28.10 12.2.29 12.2.30pr

Verzeichnis der juristischen Quellen 95 Fn. 102 95 Fn. 102 87 Fn. 84, 118 69 f., 88, 97 69 f., 88, 97 64 f., 111 Fn. 154 75 f. Fn. 65 68 f. 69, 88, 100 73 67 f. 62 f., 108 Fn. 140, 145 54, 107 Fn. 137 54, 107 Fn. 137 57 f., 107 Fn. 138 13 f. 132, 137 18 Fn. 2, 129 137 f. 53 Fn. 27, 93 f. 105 Fn. 130 102 98 Fn. 110, 119 Fn. 4, 123 Fn. 14 98 Fn. 110, 118 f., 124 f. 98 Fn. 110, 119 Fn. 4 99 f. 99 f. 97 f., 125 Fn. 17 124 f. 124 f. 122, 125 81 Fn. 74, 105 f., 117 87 f., 108 Fn. 144 93 f. 99 87 84, 86, 99 85 f., 99 Fn. 113 87 78, 111 Fn. 154 62 60, 111 Fn. 154 61 f., 64 88 f., 111 Fn. 154 59, 108 Fn. 139 91 f., 111 Fn. 153 48, 88 77 f., 100 Fn. 117

Verzeichnis der juristischen Quellen 12.2.30.1 12.2.30.2 12.2.30.4 12.2.30.5 12.2.31 12.2.32 12.2.33 12.2.34pr 12.2.34.2 12.2.34.3 12.2.34.4 12.2.34.5 12.2.34.6 12.2.34.7 12.2.34.8 12.2.34.9 12.2.35pr 12.2.35.1 12.2.36 12.2.37 12.2.38 12.2.39 12.2.40 12.2.41 12.2.42pr 12.2.42.1 12.2.42.2 12.2.42.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4pr 12.3.4.1 12.3.4.2 12.3.4.3 12.3.5pr 12.3.5.1 12.3.5.2 12.3.5.4 12.3.6 12.3.7 12.3.8 12.3.9 12.3.10 12.3.11 12.6.13.1 12.6.23.3 12.6.41

76, 108 Fn. 142 56 ff., 107 Fn. 138 71 f., 111 Fn. 153 76 Fn. 65 112 ff. 105 Fn. 130 104 120 f., 131 118 118 119 f. 127 f. 117, 126 Fn. 22 120, 128 128 128 f. 147 f. 123 78 f. 127 126 f. 89 f., 93 79 f., 83, 99, 108 Fn. 141, 143 106 Fn. 131 80 ff., 92 Fn. 92, 98 Fn. 112, 108 Fn. 141 83 f. 87 Fn. 84, 118 83 f., 101 165, 167 157 Fn. 10, 164, 167 f., 175 Fn. 59, 176 Fn. 65 161, 172 Fn. 50 154 152 156 ff. 155 171, 176 Fn. 65 156 155 170 170 154 164, 167, 181 Fn. 84 169 160 f. , 176 Fn. 65 153 f., 155 Fn. 6 81 109 f. 81

227

228 13.5.25.1 13.6.3.2 15.1.5.2 16.3.1.26 16.3.1.40 16.3.5pr 16.3.30 19.1.17.6 19.2.19.5 19.2.48.1 20.1.16.3 20.1.21.3 20.6.5.3 22.3.19.4 22.3.25.3 24.3.25.1 25.2.8.1 25.2.9 25.2.10 25.2.11.1 25.2.11.2 25.2.11.3 25.2.12 25.2.13 25.2.22 25.2.26 25.6.1pr 26.7.7pr 27.7.4pr 27.9.3.2 28.7.8pr 28.7.8.1 28.7.8.2 28.7.8.3 28.7.8.4 28.7.8.5 28.7.8.6 28.7.8.7 28.7.8.8 28.7.9 29.1.29.2 29.2.62pr 29.3.1pr 29.3.2.4 29.3.8 30.112.4 31.77.23 32.14.1

Verzeichnis der juristischen Quellen 52, 131 f. 172 98, 125 Fn. 17 172 f. 161 Fn. 40 173 183 f. 192 Fn. 9 192 Fn. 9 172 176 f. 176 f. 79 f. 46 144 ff. 175 f., 179 177, 179 f. 179 f. 179 f. 138 139 138 f. 138 f. 138 f. 181 62 Fn. 41 74 Fn. 62 173 f. 174, 177 Fn. 74 182 Fn. 88 32 f., 39, 45 Fn. 3, 51 33 33 33, 41 Fn. 73 41 Fn. 73 39 f. 34, 36 36 f. 33 f. 35 Fn. 54 38 40 Fn. 72 194 194 Fn. 17 194 Fn. 18 35 Fn. 54 31 f. 34 f.

Verzeichnis der juristischen Quellen 32.37.5 35.1.20 35.1.26pr 35.1.97 35.2.1.2 35.2.1.3 35.2.60.1 36.1.65.8 36.1.65.9 37.9.1.1 37.9.1.10 37.10.10 37.14.14 37.15.5pr 37.15.7.3 37.15.10 38.1.7pr 38.1.7.1 38.1.8pr 38.1.10.1 38.1.11 38.1.12 38.1.15.1 38.1.30pr 38.2.1pr 38.2.20pr 38.5.5.1 39.2.7pr 39.2.13.3 39.2.13.12 39.2.13.13 39.2.13.14 40.4.12pr 40.4.12.1 40.4.12.2 40.4.12.3 40.4.36 40.12.44pr 40.12.44.1 40.12.44.2 41.1.31.1 41.2.3.3 41.3.4.13 41.3.27 41.4.1 41.4.3 42.1.53 42.1.56

17 35 Fn. 54, 38 37 f. 40 Fn. 72 35 35 162 36 Fn. 57 35 f. 74 Fn. 63 74 Fn. 63 74 f. 72 119 Fn. 7, 188 Fn. 2 119 Fn. 7, 137 Fn. 56, 188 Fn. 2 22 28 27 24 25 f. 25 f. 26 24 Fn. 23 24 f. 23 34 177 188 189 f. 189 f. 188 f. 188 f. 41 42 42 42 42 27 Fn. 30, Fn. 32, 28 ff. 27 25, 27 Fn. 30 191 Fn. 6 191 f. 183 182 f. 183 182 Fn. 85 136 Fn. 52 126 f.

229

230 42.2.6.3 42.4.15 42.5.15pr 43.24.15.9 44.1.5 44.1.15 44.1.24 44.5.1pr 44.5.1.1 44.5.1.2 44.5.1.3 44.5.2pr 45.1.91.6 45.1.103 46.1.56pr 46.1.73 46.3.95.4 46.4.13pr 47.2.9.1 47.2.19.4 47.10.11.1 47.20.4 49.1.28.1

Verzeichnis der juristischen Quellen 24 182 Fn. 85 160, 177 46 Fn. 10 48 f. 97 Fn. 109, 125 Fn. 17 52, 101 105 Fn. 130, 111 Fn. 155, 123 Fn. 14 90 f. 85 97 Fn. 109, 125 Fn. 17 76 Fn. 66, S. 170 Fn. 44 170 f. 22 166 82 f., 93 f. 22 f. 163 169 Fn. 41 96 48 Fn. 17 160 f. , 176 Fn. 65

Codex 2.4.19 2.4.41 2.11.18 2.55.4 2.58.1pr 2.58.2pr 2.58.2.4 3.1.14 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12 4.1.13 4.20.9

114 Fn. 170 20 94 Fn. 101 f. 21 Fn. 8, 204 Fn. 41 203 203 f. 204 f. 203 Fn. 41 96 f., 113 49 140 f., 146 105 Fn. 130 142, 146 98 Fn. 111 66, 101 141 f. 140 f., 146 146 f. 113 Fn. 168, 150 f. 103 Fn. 128, 148 f. 205 Fn. 43

Verzeichnis der juristischen Quellen 4.20.18 4.21.22.4 5.53.1 5.53.2pr 5.53.2.1 5.53.4pr 5.53.5 6.32.3 6.42.20 6.42.32 6.43.2pr. 7.43.4 7.43.5 7.45.11 8.4.9 8.33.3.5 10.35.2 12.1.17pr 12.21.8.1

205 Fn. 44 151 Fn. 93 174 153 162 f., 167 174 f. 174 Fn. 55 194 f. 142 Fn. 66 145 Fn. 77 31 Fn. 45 136 Fn. 52 136 Fn. 52 116 159 f. 151 Fn. 92 151 Fn. 94 19 19

Novellae 49.3 72.2 73.4 72.8 73.7.1 82.11.1

204 21 Fn. 10 151 Fn. 91 21 Fn. 10 205 Fn. 45 21 Fn. 8

Edictum Theoderici 106 119

219 219

Codex Euricianus 278 279 280 284

214 215 214 Fn. 12 216

Interpretatio ad Pauli sententias 2.1.1 2.1.2 2.1.3 5.34

211 ff. 211 ff. 211 ff. 211 Fn. 5

231

232

Verzeichnis der juristischen Quellen

Lex Romana Burgundionum 23.1

219 f.

Lex Burgundionum 6.3 6.9 20.4 39.3

220 220 220 Fn. 21 220 Fn. 21

Lex Visigothorum 2.2.5 2.1.20 2.1.21 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.7 6.1.2 7.2.23 9.1.4 9.1.8 9.1.13

218 217 215 f. 214 215 214 Fn. 12 216 217 Fn. 17 217 218 218 216 f., 220

Lex Baiuvariorum 9.17 15.1 15.2

215 214 214 Fn. 12

Sachverzeichnis Aberglaube 104 f. acceptilatio 79 f., 99 ff. actio ad exhibendum 157 ff., 168, 176, 190 ff. actio de dolo 95 f., 103, 114, 149, 176 actio depositi 161 f., 172 f. actio ex iureiurando 47 ff., 55, 58, 60, 66 f., 77, 91 f., 108, 122, 125 ff. actio Fabiana 176 f. actio furti 59 f., 63, 169, 178 f. actio locati 171 ff. actio operarum 23, 71, 131 actio Pauliana 95 Fn. 102 actio pigneraticia 58, 79 actio Publiciana 57, 64 ff., 180 f. actio rei uxoriae 57 f., 107, 175 actio rerum amotarum 61 ff., 137 ff., 177, 179, 181, 184 actio Serviana 79, 175 f. actio tutelae 152, 157 f., 173 ff. Bedingung 31 ff. bonae fidei iudicium 55 f., 60, 78, 96, 107, 109, 121, 141, 156 ff., 171 ff. Bürgschaft 80 ff., 99, 166 cautio damni infecti 188 ff., 193, 197 cautio iuratoria 18 ff. condemnatio pecuniaria 155 Fn. 6, 178 ff. condictio furtiva 59 f., 62 f., 76 f., 163 constitutum 78 f. Darlehen 80 ff. datio ob rem 32 denegatio actionis 45 ff., 65, 77, 92, 111, 128, 134 f., 201 dos 56 ff. dotis dictio 22 edictum Carbonianum 74 f. edictum Drusi 29

Eidesantrag 44 f., 104 ff., 117 ff., 145 ff., 152 ff., 197 f., 206 ff. Eideserlass 47, 106 ff. Eideszuschiebung siehe Eidesantrag emptio venditio siehe Kaufvertrag Erfüllung 84 ff., 99 ff., 109, 123 exceptio doli 109 exceptio iurisiurandi 45 ff., 56, 60 ff., 71, 77 ff., 83 ff., 89 ff., 107 ff., 124 ff. exceptio pacti 90 f., 122 f. Fideikommiss 31 f., 36 f. Freigelassener 16 f., 21 ff., 41 ff., 71 ff. Freiheitsprozess 71 ff. Gesellschaft 54 ff. Gestellungseid 18 ff. hereditatis petitio 68 ff., 167 f., 175 iniuria 14, 96, 139 f. interdictum 192 f. interdictum quod vi aut clam 160 f., 177 interdictum unde vi 159 iusiurandum ex conventione 92 ff. iusiurandum necessarium 43 f., 117 ff. iusiurandum voluntarium 43 ff. Kalumnieneid 119 ff., 143, 187 ff. Kalumnienklage 198 ff. Kaufvertrag 54 ff., 179 ff. Klageverbrauch 84, 86, 101 Legisaktionenverfahren 201, 221 f. libertus siehe Freigelassener metus 158, 176 Noxalklage 133 ff. operis novi nuntiatio 187 ff., 193, 197

234 Pachtvertrag 60 f. Patronat 21 ff., 71 ff. peculium 87 ff., 96 f., 108 perpetuatio obligationis 76 f., 170 f. praeiudicium 71 f. Prozessvertrag 70, 88, 92 ff., 127 Prozessvertretung 87 Fn. 84, 118 f., 134 Fn. 50, 154 f., 166, 189 Rechtseid 81 ff. rei vindicatio 57, 64 ff., 153, 156 ff., 162 f., 175, 180 f. Reinigungseid 210 ff. restitutio in integrum 95 Fn. 102 Sanktion des Meineides 13 f., 19 ff., 48 f., 153 ff. Schenkung von Todes wegen 32

Sachverzeichnis Sittenverstoß 36, 38 societas siehe Gesellschaft solutio siehe Erfüllung Tatsacheneid 81 ff. Taxatio 156 ff. transactio siehe Vergleich usucapio 67 f., 182 ff. Vadimonium 18 ff. Vergleich 95 ff., 179 ff. Zurückschiebung des Eides 120 f., 127 ff., 132