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German Pages 99 [198] Year 2022
Denkwürdigkeiten, ausgezeichnet
zur Beförderung
des Edlen und Schönen.
Herausgegeben
von
C. P. Moritz und C. F. Pockels.
Zweyten Bandes Zweytes Stück. Berlin, 1788. Bey Johann Friedrich Unger.
Inhalt.
Briefe über verschiedene Gegenstände der
Moral. Fortsetzung. Sechster Brief.
Seite r
Siebenter Brief.
9
Achter Brief.
*4 sa
Neunter Brief. Zehnter Brief. Eilfter Brief.
3i
Acte zur Verstcherung der Gewist sensfreyheit von der Assemblee
von Dirginien.
Abgefaßt zu
Anfang des Jahrs 1786.
(
0
)
Montaigne (Wie er sich in seinen Ver,
suchen selbst geschildert.)
Seite 43
Fortgesetzte Gedanken aus dem Tagebuche eines Hypochondrisien.
Das andere Geschlecht. Fortsetzung.
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Dom Carlos. Ein historisches Gemählde. 139
Denkwürdigkeiten ausgezeichnet
zur Beförderung deS Edlen und Schönen.
Briefe über verschiedene Gegenstände der Moral.
Fortsetzung.
Sechster Brief. Die Erfahrung lehrt uns, Theoklee, daß unzählige
Veränderungen in unsrer Seele vorgehen, die nicht von unserm freien Willen abhängen, und wobei sich unsere moralische Natur nur leidend verhält.
Ein
jeder kann diese Erfahrungen bei sich machen, wen« er will, und mehrere unsrer vertrauten Freunde ha ben uns ehrlich gestanden, daß sie zu diesen und jenen
edlen Handlungen mehr durch einen unerwarteten
Einklang ihrer Gefühle, durch eine Schwäche ihrer Organisation, durch eine feurige Einbildungskraft,
und durch eine gewisse Weichheit ihres Charaeterü, als durch freie Ueberlegung, und reifes Nachdenken angetrieben worden wären.
Zweiter Band.
Unsere moralischen GeA
fühle
fühle sind vermöge eines unläugbaren Einflusses um
seres Körpere auf ihre verschiedenen Modifikationen, so wie unsre übrige Art zu denken und zu handeln,
den Abwechslungen der Laune unterworfen. — Es giebt Augenblicke, wo auch die besten Menschen, aus
einer gewissen unwillkührltchen Verstimmung des Ge müths, zu allem Guten tröge sind, und das, was
sie sonst mit leichter Mühe und warmen Frohsinn thaten, alsdann mit Anstrengung und Unlust thun müssen.
Es giebt aber auch Augenblicke, wo wir
mit einer angenehmen Leichtigkeit, und kühne» Ent
schlossenheit gleichsam zum Guten fortgerissen wer den.
Laß uns besonders hierüber eine nähere Be
trachtung anstellen! Wir fühlen zu gewissen Zetten — vermöge eines
blinden Antriebes, den die Schwärmer von jeher einem besondern göttlichen Einflüsse zugcschriebe«
haben, nicht nur eine außerordentliche Bereitwillig
keit in uns, das Gute zu thun; sondern auch zugleich
eine innerliche Kraft, dasselbe zu vollbringen.
Zn
solchen Augenblicken erscheint uns Tugend und Re
ligion in ihrer.ltebenswürdigsten Gestalt, und wir
werden alsdann nicht selten von einem Feuer der An dacht überrascht, das unsere ganze Seele fürs Gute
«inntmmt.
Unsere Selbstbeherrschung wird uns itzt
leichter, als sonst;
die Verführungen der Sinne
(
9
)
schrinen auf einmal für uns ihre Stärke, ihren Zau, der verloren zu haben.
Wir fühlen plötzlich eine
Geneigtheit, unsern Feinden von Herzen zu verg«, ben, und einen langen Haß in Liebe zu verwandeln. Wohlthätigkeit und Freundschaft nähren uns mit
einem unbeschreibliche» Seeligkeitögefühle.
Wir
schwärmen für das Gute, für jede edle That; wir glauben uns in einer andern Welt zu befinden, und
fassen alödenn die ernsilichsten Entschlüsse, der Tu, gend, die uns eine solche Glückseligkeit gewährt, mit der größten Treue anzuhängen;— Entschlüsse, die
uns aber vielleicht schon den andern Tag, die andere Stunde darauf, nicht mehr mit dem Feuer und der
Kraft beleben, die wir vorher dabei empfanden. Wir fangen diesen unsern Seelenzustand zu un
tersuchen an;— allein wir sind nicht im Stande, die
psychologischen oder physischen Gründe deutlich an, zugeben, die uns darein versetzt haben. Er war ohne alles unser Daznthun, ohne alle Vorbereitung, alles
Nachdenken und Nichten unserer Vorstellungen ent, standen. Unsere Gefühle hatten sich in wenigen Augen,
blicken gleichsam selbst geboren, wir waren durch einen
blinden Znstinct dahin gelangt, und dieser Znstinct,
oder wenn man lieber will, diese blinde Geneigtheit zum Guten, welche uns nur plötzlich mit sich fort, riß, und oft stärker als Klarheit und Licht der Vor-?
A r
fiel--
stellungen auf unsern Willen wirkte, — war inv
streitig, wenigstens größtenrheils, körperlichen oder
materiellen Ursprungs.
Ich habe die Menschen in
mancherlei Situazionen ihres Seeletlzustandes beob achtet, und fast immer gefunden, daß eine sehr leb,
hafte Empfindung fürs Gute, fürs Edle und Schö ne, daß ängstliche Gewissenhaftigkeit, seine Pflicht zu thun, daß schneller Antrieb zu diesem und jenem
Werke der Wohlthätigkeit, daß feurige Entschließun, gen, welche aus einem plötzlichen Gefühl der Andacht
entstanden,
daß Religions - und Freundschafts
schwärmerei mit gewissen körperlichen Veränderun
gen, mit der jedesmaligen Stimmung des Nerven
systems und der Laune, und der so sehr davon ab, hängenden Einbildungskraft sehr nahe verwandt
waren, — und hier, guter Theokles, stehe ich an
der unglücklichen Klippe, woran vor mehrern Zäh
ren mein jetzt so fester Glaube an die innere Schön heit und Wahrheit der Tugend so sehr zu scheitern anfing, und wo mich nichts als Religion, und ein
ernstes Studium der Philosophie vor dem gänzlichen Schtfbruche meines mir ewig theuren moralischen
Glaubens retten konnte.
Der Gedanke:
"deine
Tugend, deine gesammte Moralität, und mit ihr das Gefähl deiner seeligsten Hofnungen einer glück,
Uchern Zukunft, ist vielleicht nichts anders, als eine
mecha,
(
s
)
mechanische Richtung deiner Organisation, eine
körperliche Nothwendigkeit deiner Natur, die du aus Zrrwahn für etwas Geistiges hältst, weil es dir von
Kindheit an so vorgesagt wurde", hat mich damalost, sehr oft unbeschreiblich beunruhigt, und viele
Schriften unsrer Weltweisen haben mir um so viel weniger die sehnlichst verlangten Aufschlüsse hierüber geben können, je mehr sie bis jeht noch in der Be
stimmung der Principien unserer Moralität von ein, ander abgehen.
Zch habe in unsern Gesprächen meinen damals
gen Seelenzustand oft, aber nur flüchtig berührt,
jeht will ich ihn dir etwas näher beschreiben, und du
wirst mir eingestehen, daß meine Zweifel über die moralische Güte unserer Tugend, in so fern ich nach
Selbsierfahrungen urtheilte,
nicht ganz unge,
gründet waren; nicht zu gedenken, Haß ich damals
an mehrern Menschen die nehmlichen Beobachtun, gen anzustellen Gelegenheit hatte. Meine damalige Gemüthsstimnrung trieb mich
in die Einsamkeit; aber ohne die Menschen zu Has,
sen. Zch fühlte grade das Gegentheil in mir. Mein voriger Haß gegen meine Feinde war erloschen, und
die herzlichste Liebe, verbunden mit einem heißen
Triebe, jeden so viel ich könnte, glücklich zu machen,
hatte seine Stelle eingenommen. A 3
Keine wilde /Let,
den,
c
s
)
denschaft empörte sich In meinem Zmiern;
meine
Gedanken folgten gleich einträchtigen Freunden, die
sich gütig die Hand boten, in sanfter Stille und Har« monie auf einander, und meine Seele, in sich selbst verschlossen, hing mit einem unbeschreiblichen Won
negefühl an dem Bilde der Tugend und Religion, das
allen Reiz der Sinne in mir verdunkelte.
Zch fühlte
alles Edle und Schöne viel stärker, als ich es sonst empfand, und als ich es jetzt empfinde.
Zn den
gottesdienstlichen Versammlungen der Christen, wo ich mich, ich weiß nicht warum, immer in einem dunkeln Winkel verbarg, stieg mein Geist ohne AnKrengung, durch sich selbst erhoben, und von heiliger Andacht entflammt, freudig zu Gott empor; ich
glaubte mich dann oft schon unter den Chören seliger
Geister zu erblicken, ich schwur Gott eine ewige un verfälschte Treue, und that das Gute mit einer
frommen Entschlossenheit, mit einem Eifer, den ich hernach nie wieder in mir bemerkt habe; — aber du wirst erschrecken, mein Theokies, wenn Ich dir ehr
lich gestehe, daß ich grade damals, als ich in meiner Seele eine so leichte Empfänglichkeit fürs Gute be
merkte, von einer nicht geringen Nervenschwäche litt, und daß mit der wieder zunehmenden Stärke
Meines Körpers auch mein Enthusiasmus fürs Gute, meine glühenden Religionsgefühle, meine fchwärmerb
c
7
)
merische Menschenliebe abnahmen.
Ich bemühte
mich nachher vergeblich, mich in jene süßen Situazionen meines Herzens zurückzusehen; die Ideen, welche mich sonst mit einem unbeschreiblichen Feuer
für edle Handlungen einnahmen, glitschten auf der
Oberfläche meines Herzens hin, und die kalte Der, turnst ließ sie nicht zur Reife kommen. — Und nun
weißt du auch schon, Theokles, was ich eigentlich
mit allem diesem Gesagten sagen will.
Ich meine
nemlich und behaupte, daß diejenigen Aeußerungen
moralischer Gefühle, welche au« einer körperlichen
Schwache oder körperlichen Situazton überhaupt zunächst ihren Ursprung nehmen, woran also unsere Vernunft und unser freies Nachdenken gar keinen,
oder nur einen sehr entfernten Antheil hak,
nicht
ächte tugendhafte Handlungen veranlassen können, oder deutlicher, daß Tugenden, die aus einer bloßen körperlichen Schwache entstehen, nicht eigentliche
Tugenden genannt zu werden verdienen.
Zch will und kann hier nicht untersuchen, ob nicht viele hundert Menschen ohne jene Schwäche ihrer Nerven vielleicht gar wenig taugen würden;
ob ferner nicht vielleicht die andere Hälfte des Men, schengeschlechts grade wegen dieser Schwäche, oder
auch Feinheit der Nerven jene liebenswürdige Sanft heit des Characters, jene gutmüthige Milde gegen
A 4
Elende
c
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)
Elende und Nothleidende, und jene feinern Gefühle fürs Edle und Schöne besiht, die wir an ihr bewun, dern, und — durch die wir selbst so viel Bildung des Geistes und Herzens erlangen; — aber so viel weiß
ich nach genauern Beobachtungen und Untersuchung
gen über den Charaerergrund einzelner Menschen gewiß, daß ihre Tugend mehr in der Feinheit der
Organisation und des Nervensystems, als in einer
wirklichen Ausbildung ihres Geistes und Herzens ge
gründet ist.
Data hiervon ein andermal!
Der Welt, die mehr Ursach hat, auf die Hand, lungen selbst, als auf die Gründe der Handlungen zu sehen, mag es übrigens einerlei seyn, durch wel
che Mittel und Wege die Menschen gut und edel denken, — genug, wenn sie es wirklich sind; aber
diese Gleichgültigkeit dürfen wir ja von der Philo sophie nicht erwarten.
Ihr kommt es zu, die ersten
Gründe unserer gesummten Moralität zu untersu
chen, und so viel es ihr möglich ist, die feine Grenz, ltnie zu ziehen, wo der gutartige Inftinct, und
die blos mechanische Tugend aufhört, und wo das
eigentliche Gebiet der wahren Moralität anfangt. Zch wage es nicht, eine solche Grenzlinie überhaupt
zu läugnen, da es einen wirklichen essentiellen Un terschied zwischen thierischer und geistiger Natur
geben muß.
Sie-
(
>
z
Siebenter Brief Nicht nur körperliche Schwächen, Verfeinerung
und empfindlichere Reizbarkeit der Nerven; sondern auch körperliche Starke, Lauf des Bluts, Bauart und Beschaffenheit des Gehirns, der Eingeweide,
imb das sich auf alle diese Dinge gründende Tem? perament des Menschen haben einen großen, un verkennbaren Einfluß auf die moralische Stimmung
unsrer Natur; alle tragen das Ihrige zur individuel len Bestimmung einzelner Charaktere bei, und ma
chen den jedesmaligen physisch-moralischen Unter schied zwischen Menschen und Menschen aus. wie, und ob bei diesen körperlichen Bestimmungen unsers
Charakters die Freiheit des Willens bestehen könne, will ich in der Folge untersuchen.
Jetzt laß uns ein
mal die Temperamentstugenden, und zwar zuvörderst
nur eines Menschen etwas in der Nahe betrachten, Ein Beispiel wird alle übrige beleuchten, und genug
seyn, uns zu zeigen, wie wenig dergleichen Tugenden djesen ehrwürdigen Namen verdienen.
Du kennst die weiche, sanfte und herzliche Seele
des Kratippö.
Ich behaupte, daß er vermöge sei
nes Temperaments keiner schlechten Handlung fähig ist, wenn er sie auch begehen wollte.
Er ge,
steht es selbst, daß seine Tugend mehr Naturell, als
A $
wirk-
C
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)
wirklich moralische Stärke und Geisteskraft sey, und
hat oft in seinen fröhlichen Launen darüber gescherzt,
daß er zu seinen guten Handlungen gar keine Ver nunft nöthig habe.
Versuch' es, ihm von schlechten
Menschen vorzuerzählen, und er wird dir sagen:
daß du dich irrst, ttaß die Menschen viel besser sind, als sie scheinen, und daß man durchaus allezeit von Ihnen das beste denken müsse.
Es geschieht ihm Un
recht, er hat Gelegenheit sich zu rächen; allein der
Zorn, der andere in diesen Umständen halb rasend machen würde, röthet kaum seine Wangen; er ver
liebt seinen Beleidigern mit der ruhigsten Groß,
Muth, und ist ihr Freund, wenn sie es verlangen.
Sein Herz schmilzt vor Wehmuth und Mitgefühl,
wenn er einen Elenden sieht, wenn er von einem Kranken
hört.
Seine Gattin
muß über seine
Hände wachen, sonst würde er sein Vermögen hin,
leben, und in eine selbst verschuldete Armuth gera then; — Kurz Kraripp ist in den Augen aller Welt ein sehr tugendhafter, rechtschaffener, aber ich sehe
hinzu, schwacher Mann, und in dieser Schwache
liegt seine Tugend.
Es ist ihm gleichsam zu unbe,
quem, etwas Böses zu thun, er fürchtet dadurch in dem ruhigen Genusse seines Lebens gestört zu wer
den, er ist aus Mechanismus, aus physischem Znjtlnct gut.
Ob es besser wäre, besser mit der Welt
stünde.
(
II
)
stünde, wenn alle, oder mehrere Menschen so iiv stinctartig gut wären, — weiß ich nicht; aber da« darf ich dir ehrlich und gewissenhaft sagen: daß ich irach meine» Ueberzeugungen,
eine angeborne
Weichheit des Characters, die uns gleichsam um
willkührlich zum Guten antreibt, daß ich jene na, türliche Anlage so vieler Menschen, sich in alle Fal,
ten des Lebens mit einer fromm scheinenden Her, zensgüte zu schmiegen, und eine mechanische vom
Temperament abhängende Menschenliebe durchaus für keine wahren Tugenden des Herzen« halten kann.
Auch habe ich gegen diejenigen Menschen,
weiche nur vermöge ihres Temperaments gut wa,
ren, nie die wahre und innige Hochachtung empfin,
den können, welche ich immer gegen die gefühlt ha,
be, deren Tugenden mir die Folgen eines freien LTachdenkens, und einer gebildeten Vernunft zu seyn scheinen; obgleich jene, weil ihre Handlungen meistens sehr deutlich in die Augen fallen, und weil
eine angeborne Herzenögüte so leicht den Beifall der Menge erhält, nicht selten al« Muster eine« vor,
treflichen Characters vorgestellt werden,
indessen
diese oft mit einer Art von Verachtung al« kalte Ver, nunstmenschen auögeschrien wurden.
Ich halte es sehr, Theokleö, mit dieser letzter» Menschengattung,
und wer wollte es überhaupt
nicht
c
-r
)
nicht gern mit Leuten halten, von denen man mit
Zuversicht weiß, daß sie aus Grundsätzen, und nicht bloß aus Temperament aut sind!
Bei ihnen allein
bin ich sicher, daß sie sich nicht so leicht ane dem Be,
sitze ihrer guten moralischen Gemüthestimmung wer
ten Herauetreiben lassen.
Zhre Vernunft, und ihre
Hochachtung dagegen ist mir Bürge,
daß sie sich
durch keine Hindernisse werden abschrecken lassen, auf dem angefangenen Pfade ruhig fortzuwandeln.
Sie werden, so wie jeder Freund der Wahrheit und Tugend, manchen innern Kampf mit sich selbst be
stehen müssen; allein sie werden darin nicht erliegen, sie werden darin nur gegen künftige Angriffe auf ihr
Herz mehr Muth und Stärke bekommen.
Ihre
Tugend gleicht einem starken, auf einem Felsengrunde erbauten Gebäude, welches im Sturm und ter unerschüttert stehen bleibt, und dem Himmel
trotzt. — Nicht so, Theokles^ jene weichen Seelen, welche vor Empfindung zerfließen, und von Sympa thie zerschmelzen.
So heftig und stark sie uns auch
thre Gefühle gleichsam aufdringen, so leidenschaftlich sie fürs Gute wirken; doch trauen.
so wenig kann man ihnen
Da sie bei ihren Handlungen und
Entschließungen selten von einem ernsten Nachden ken geleitet werden; so folgen sie blos dem sinnli
chen Eindrücke ihrer Organe, und den Veränderun, gen
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)
in deiner Empfindlichkeit, in der Art dich auszu drücken, zu scherzen, zu tadeln, und in den Aeuft sernngen deiner Fröhlichkeit selbst Etwas, das sie gegen dich empört? Hast du nicht, vielleicht Fehler an dir, die du nicht siehest, weil deine Eitelkeit einen Floor um deine A »gen gezogen hat? und schweift eben diese d-tne Eitelkeit, dies muthwtllige Kind deiner Selbstliebe, nicht vielleicht in ihren Forderungen über die Gränzen der Bescheidenheit und Billigkeit hinaus? Vornehmlich aber hüte dich vor jener kindischen Empfindlichkeit der Seele — dich alle Augenblicke, und durch die geringsten Veranlassungen beleidigt zu glauben. Was können Andere dafür, wenn du jede kleine Vernachlässigung des Ceremonlels, jeden freundlichen Blick, den ein Anderer eher als du empfängst, jede kleine Unaufmerksamkeit auf deine Aussprüche, deinen Witz, deine Meinungen, deine geträumten — oder auch wahren Verdienste übel nimmst? wenn du dich immer als den Mitteln punct der Gesellschaft betrachtest, der Allen will, kommen. Allen unentbehrlich seyn, immer vorgezogen/ eingeladen, applaudirt werden müsse?------
§ 4
»e*
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)
Genieße jede unschuldige Freude deines Lebens, die du jetzt erhaschen kannst; denn du weißt nicht, ob dir die Zukunft vielleicht günstiger seyn dürste, auch kommt ein vorübergegangener ungenützter Au, genbltck nie wieder zurück. Aber selbst bei deinen unschuldigen Freuden überlaß dich keiner zu lauten Fröhlichkeit. Biel Menschen halten sie für ein Zeichen einer bäuerischen Erziehung, und sie habe» nicht ganz Unrecht, weil ee ein Zeichen einer feinen Erziehung ist, über seine Empfindungen herrschen zu können. Um aber dein Gemüth immer für die Freuden des Lebens offen und empfänglich zu erhalten, so gehe mit der schönen Natur, wie mir deiner liebsten «nd wärmsten Freundinn um. Ermüde nie ihr« Reize, die nimmer verwelken, nimmer Eckel er, wecken, zu genießen, und in diesem Genusse die süßeste Belohnung deiner Arbeiten zu suchen. Die Heiterkeit des blauen Himmels, das Einathmen des reinen gesunden Aethers, der Anblick der lachenden ländlichen Flur, des sanft dahinrauschenden Quelles muß dir viel, viel mehr werth seyn, als die glSn, zendsten Gesellschaften der bleichen Städter, worin so oft der Neid, die alberne Etiquette, die giftige Medisanee und jene erbärmliche Rangsucht der Stände den wahren und innigen Geist der Freude ver,
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)
verbannen, und den Weisen in eine traurige Etnide
versehen. Hast du den Geschmack an den Freuden der Natur verlohrcn, — so bist du für dich selbst halb
todt, und du lebst nur, um dich auf die unglücklichste
Art zu quälen.
Ach! und was fehlt deiner Tugend
nicht alles, wenn du den Geschmack an den Freu»
den der Narur verlohren hast! Ihr fehlt die Seele ihres innigen Gefühls der Glückseligkeit, und ste
wenn sie ihn In der
ist unreif für den Himmel,
Schönheit der irdischen Natur nicht kennen g«
lernt hat.
An die------- G—. zu P—m.
Glückliche, glückliche Mutter! die du in deM
zärtlichen Umgänge mit deinen Kindern die süßesten Freuden des irdischen Leben genießest.
Wie sehr
unterscheidest du dich von denjenigen weiblichen Halbseelen, die zu sehr mit den rauschenden Zer» streuungen der Mode, und den lächerlichen Spielen
ihrer Eitelkeit beschädigt,
ihre Klnder gleichsam
von sich verbannen, und den treulosen Handen ge» dungcner Wärterinnen überlassen, — woraus wir
täglich so viele an Leib und Seele verwahrloset« Kin,
der — hervorgehen sehen. 8 5
'>0 daß
< 9® ) J ”0 baß so viel Mütter es nicht fühlen, oder nicht fühlen wollen, welch ein Himmel voll Seeligkett, welch ein mächtiger Reiz zur Tugend in dem Umgänge mit jenen unschuldigen liebenswürdi gen Geschöpfen liegt! — so hörte ich dich oft sagen. Indem du deine Minna zärtlich an den Dusen drücktest, und dein Heinrich mit jugendlicher Lebhaf, tigkeit dir sein Tagewerk erzählte. Thränen der Freude stiegen dann in dein und mein Auge, und ein sehnsuchtsvoller Wunsch bemächtigte sich dann ganz meines Herzens, daß eine so zärtliche treue und wachsame Mutter ihrer Kinder einst mein Weib seyn möchte!
Ich kann es dir nicht beschreiben, liebe G—! Ivie tief ich in dem Innersten meines Herzen gerührt werde, wenn ich jene Lieblinge des Himmels, — so nenn' ich sie wegen ihrer Unschuld und reinen Seele, in dem Schooße ihrer Mutter schlum mern sehe, wenn ich sie mit einer unnachahmlichen Sprache der Liebe und des Zutrauens, und einer ungeschmückten Aufrichtigkeit, die wir im höhern Alter, leider! zu verlieren scheinen, ihre gesunden unverdorbenen Empfindungen ausdrücken höre; wenn ich sie bey ihren muntern Tänzen und Spie len, bey ihren herzlichen Umarmungen, wodurch fr
(
?I
)
sie gleichsam ihre kleinen Verträge unter sich heili gen, beobachten kann.
♦
♦
•
Je mehr wahre Aufklärung unter den Men» schen zunlmmt, je mehr muß sich auch die barbari» sche Strenge verlieren, mit welcher man jene in rohern Zeitaltern zu erziehen, und zur Ausübung ihrer Pflichten anzuhalten pflegte. In jedem rohen ungebildeten Zeitalter der Menschheit lst Tugend mehr eln sclavischer als freywilliger Gehorsam; nur alsdann erst nimmt sie die gefälligere Gestalt einer Freundinn des menschlichen Lebens an, wenn ein richtlgdenkender Verstand ihren Schritten vorleuch, tet, und ihr zur Aufmunterung den Menschen auf einer höher» Stufe seines moralischen Werths
zeigt. Ein genaueres Studium unserer Natur — von dem allein alle wahre Aufklärung ausgehen muß;— eine sorgfältigere Beobachtung ihrer physischen und geistigen Kräfte; ihrer erhabensten Anlagen zur Weisheit und Tugend hat daher von -eher für die Bildung und Erziehung der Menschen die vortres, ltchsten Folgen gehabt. Man hat dadurch nicht nur von einer weil liebenswürdigern Sette di
menschliche NMr zu betrachten angefangen; son» der»
c
9-
)
dem man hat dadurch auch zugleich einsehen gelernt, daß die besten Absichten, den Menschen zu bilden vnd sein Herz auf eine dauerhafte Art an die edeln Empfindungen der Tugend zu gewöhnen, nicht er, reicht werden, wenn man über seine Freyheit tyran, nisirt, und anstatt ihn Mit sanfter Hand zu leiten, mit^Gewalt zum Guten zu führen sucht. Das Gefühl für Freyheit, für den ungehinder ten Gebrauch unserer Kräfte bringen wir mit auf die Welt. Anfänge nur, um mich so auszudrückett, als einen mechanischen R tz der thierischen Natur, das von uns zu entfernen, was unsere Instinkte aufhalten oder eis schränken kann, nachher aber er gießt siche als eine edlere, auf Vorstellungen und Schlüffe gegründete Kraft durch alle unsere Hand, lungen, und macht den Menschen zu dem thätigsten Wesen der Erde; — aber dieses thätigste Wesen würde der Mensch durch das ihm mitgetheilte mäch tige Gefühl für Freyheit nicht seyn, wenn uns die Gottheit nicht zugleich als Menschen in eine Lage versetzt hätte, wo tausend Hindernisse unsere Kräfte theils würklich etnschränken, theils einzuschränken scheinen. Der menschliche Geist übt sich unaufhör, ltch mir Anstrengung aller seiner Kräfte, sich jene Hindernisse nicht zu nahe kommen zu lassen, andere würklich i» übersteigen, und die Gränzen seiner Thä-
(
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)
Thätigkeit weiter hinaurzurücken; noch andere zur
Ockonomie
seiner freyen Handlungen selbst
nutzen. —
Kurz, die Eingeschränktheit der mensch,
zu
licken Natur ist und bleibt der wichtigste Grund ihrer grißern Thätigkeit, und sie erschlaft, so bald
sich dieser keine Hindernisse mehr darstellen.
So vortreflich diese Einrichtung zur Auswicke«
lung menschlicher Fähigkeiten und Kräfte ist,
so
deutlich fühlen wir eö doch, daß unserer Selbsithitigkeit nicht» so lehr zuwider ist, als in ihren Wür?
kungen eingeschränkt $u werden, und dieses erstreckt sich bis auf dir Natur unserer individuellen Borstel«
lungen,
wenn wir nehmlich in ihnen Die Deutlich
keit und Bestimmtheit vermissen, haben wünschen.
weiche-wir.zu
Za! — selbst die sanften Triebe
für Wahrheit und Tugend, die uns die gütige Na
tur zu wohlthätigen Begleitern unsers Ledens mit«
getheilt, und durch ihre fühlbare moralische Schi»« Helt zu den ersten Vertrauten unseres Herzens ge
macht hat, verlieren ihre himmlischen Reiz« für uns, wenn wir zur Wahrheit und Tugend gezwungen werden,
so wenig wir ihren hohen Werth fürs
Beste der Menschheit abiäugnen können.
Wir 6c«
trachten sie nun nicht mehr als freywillige unschul« dige Kinder unserer Natur, sondern als Sclaven, die sich unter den Willen eines andern beugen müs
sen.
(
94
)
fet»/ und denen wir nun eben als Sclaven weniger Liebe und Hochachtung schuldig zu seyn glauben. — Wir gehen sogar in vielen Zwangsföllen unserer
Tugend noch weiter, wir sangen je/ie süßen Freun« Innen unser« Leben« ,
Wahrheit und Tugend, zu
hassen an, wenn wir mir Gewalt zu ihrem Dienste gezwungen werden, und nicht selten ist es geschehen,
daß dadurch Menschen, welch« die herrlichsten An« lagen de« Herzen« zu edeln Handlungen und Gesin« nungen hatten, von Grund au« verdorben wurden
— und an eben diesem, leider!
noch so allgemein
ausgebreileten Zwange, welcher in der Erziehung
und Bildung der meisten Menschen herrscht,
und
durch alle« Schreiben wider denselben sich immer
noch auf seinem eisernen Throne behauptet, — liegt « wohl, wie mich dünkt, am meisten, daß die Tu«
Send mit allem ihrem natürlichen Zauber, womit sie die Gottheit zum Glück unsterblicher Geister ausge« rüstet hat, immer noch nicht die großen Eroberungen
unter den Menschen machen konnte, die sie vermöge
ihrer himmlischen Würde und de« Gefühl« ihrer
unendlichen Freuden hervorbringrn sollte und könn« te. —
O wer weiß wir viele Zahrtausende daS
Menschengeschlecht eben de« Zwange« wegen, un, ter dem die menschliche Tugend sich erziehen lassen
muß, noch vergeben« auf die glücklichen Revolutio, nen
c 9f ) nett warten wird, wo sie keine strengen Gesetze und Richter mehr gebieten, keine Zuchthäuser, keine barbarische Schulen, keine Fehmstätte die Men schen mit Schaudern an sie erinnern, keine Redner künste ihr wohlthätiges Feuer erwecken werden, son dern wo sie freywillig In den menschlichen Herzen wohnen, und als eine ungezwungene Frucht der Liebe unter dem Einflüße einer edel» Erziehung — unbefleckt von dem Gifte des Lasters da« ganz« Menschengeschlecht beglücken wird! O wo ist rin Menschenfreund, der sich nicht gern in die goldenen Zetten der Zukunft hindenke»» möchte! — wären sie auch nur ein süßer Traum —. wo er der ewigen Weisheit gefallen wird, alle Men schen, zwar nicht im gleichen Grade, denn die« ist wegen der individuellen Verschiedenheit der Men schencharaktere unmöglich, aber doch alle in ihrer Art, und zur Errichtung einer allgemeinen Freund schaft untereinander — tugendhaft zu machen. Wie die Schatten der Nacht nach und nach vor dem wohlthätigen Lichte dec Morgensonne verschwinden, so wird dann da« Laster von der Erde entfliehen, wenn da« glühende Gefühl für Wahrheit und Tu gend, und mit ihm die reinste Liebe für die Gott heit über eine zügellose Sinnlichkeit gesiegt, und unter der Aussicht einer aufgeklärten Vernunft — ahn»
(
96 )
^ne welche keine wahre Tugend möglich ist — der Urquell aller menschlichen Gedanken, Empfindung gen und Handlungen seyn wird. Ohne Zwang, ohne barbarische Gesetze werden wir alsdann ihren freundlichen Einladungen zur Glückseligkeit folgen, und unsere Leidenschaften Welt entfernt uns auf dem Men Pfade der Weisheit zu beunruhigen, werden nichts als bescheidene unermüdete Diene, rinnen in ihrem Gebiete seyn. Alsdann erst wird di« Erziehung der Menschen, die die jetzt so gut wie die Justiz ihre fürchterlichen Gerichteplätze hat, die menschenfreundlichste aller Wissenschaften werden — wird sich nicht mehr in schöne Ideale, die sich nicht zur Wirklichkeit bringen lassen, vergaffen; sondern uns Menschen liefern, die bis an die ruhft ge Vollendung ihrer Tag« die Unschuld ihrer Stt, ten bewahrt, und in der friedlichsten Harmonie mit sich selbst und ihren Brüdern gelebt haben.
Das andere Geschlecht. I. Kapitel.
Weibliche Liebe. (Fortsetzung.) kann eigentlich sagen: daß das andere Ge« schlecht zur Liebe geschaffen sey, und das unsrige, diese Liebe zu empfangen. Die Natur har dazu an jenes ihre schönsten Gaben, aber tust der größten Weisheit verschwendet. Sie hat aus dem Manne «in Meisterstück des hohen, muthigrn, allen Ge« fahren trotzenden und thätigen Geistes schaffen wol« len. Das Weib sollte ein Meisterstück der Liebe, und aller sanftern und feinern Empfindungen des Herzens seyn; es sollte das Rauhe, Ernsthafte und Wilde des Mannes durch jene Liebe mildern, und «ns durch dieje Milderung einer wahrhaften Glück« feligkeir fähig machen. Dazu bekam es die Reize der weiblichen Schönheit; den feinen Gltederbau; die himmlische Grazie im Ausdrucke seiner Gedan« ken und Empfindungen; den sonoren bezaubernden Ton seiner Stimme; das Sanfte und Gefällig« seines Charakters, und selbst jene kleinen Schtvä« Zweiter Band. G chen
(
98
)
chen des Nachgebens und der Folgsamkeit, wodurch eö oft tausendmal mehr über uns vermag, als durch den grausamen Despotismus der Weiberherrschaft. Endlich aber liegt in der Natur der weiblichen Liebe ein noch größter, und ich behaupte, der größte Grund zu unserer Glückseligkeit. Das Zuvorkom» mende. Gefällige, Einladende, Gutmeinende und Herzliche derselben, da« der weiblichen Liebe so ganz eigen ist, hat eine erstaunliche Gewalt über unser Herz, und die unschuldige Heftigkeit, welche sie begleitet, und für das männliche Herz so schwele chelhaft ist, erhebt sie leicht zu der liebenswürdigsten Größe, die wir anbeten, weil wir ohne sie nicht leben, und weil wir sie selbst nicht erreichen köne nett. Liebe de« andern Geschlechts ist das stärkste, ist aber auch das allerichwächsteDtng; beydes muß» te ste den Absichten der Natur gemäß seyn, wenn wir durch sie glücklich werden sollten. Tie mußte leicht siegen und erobern können; aber sie mußte sich auch leicht erobern lassen, wenn sie die große Quelle unserer Zufriedenheit und Glückseligkeit seyn sollte, die sie würklich ist. Die Erfahrung giebt uns die merkwürdigsten Beyspiele ihrer Stärke, ihre« er» staunltchen Heroismus. Ste überwindet die griß» teil Hindernisse, die sich ihren süßen Empfindungen tnt#
c rntgegenstellen,
9?
)
und Ihre feine List gesellt sich z«
ihrem mehr als männlichen Muthe.
Sie zerbricht
die Bande, worin man sie etnschließen will,
mit
einer unerwarteten Kühnheit, und zerbricht sie ost
auf Kosten ihrer Schamhaftigkeit und Sittsamkeit, wenn keine andere Mittel mehr vorhanden sind. Sie trotzt dem Eigensinn und der Gewalt eine erzürnten Vaters,
und den Rechten, die er aus
ihre freye Entschließungen zu haben glaubt;
sie
verdammt sich selbst zu einer schrecklichen Einsamkeit, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden sollten,
und sie scheut das fürchterlichste aller Dinge, den Tod selbst nicht, wenne darauf ankommt, sich ihm
muthig in die Arme zu werfen, um dadurch dem
Zwange zu entgehen, womit man ihr Herz binden will.
So muthig die weibliche Liebe ihre Hindere
Nisse aus dem Wege räumt; so daurend und heftig ist sie nun auch gegen den Gegenstand, worauf eine
mal ihre Wünsche gefallen waren.
Sie liebt sogar
noch den Unmenschen im Grabe, in einem andern
Welttheile, in den Armen eines niederträchtigen Weibes, der sie hintergangen hatte.
Die Thränen,
die sie über ihn weint, sind mehr Thränen der Lieb« als des Schmerze« und weiblichen Haffes.
Zhe
Auge hängt immer noch an seinem Bilde; ihr Geist sucht tausend Entschuldigungen seiner Untreue auf»
Gr
sie
c ico ) Ae selbst macht sich lieber Vorwürfe, als dem ehemaltgen Lieblinge ihres Herzeus — und wie geneigt ist sie endlich nicht, einem Mann zu verzeihen, wenn er in ihre Umarmungen zurückkehrt, wenn er auch nur eine kleine Reue blicken läßt. Ihre Wangen fangen zu glühen an, und ihr Auge, und der nach lässig hingesenkre Arm, der keine Kraft zum Zurück stoßen äussere, sagt es nur zu deutlich, was in ihrem Innern vorgeht, wenn auch der Mund noch kein Wörtchen dem Verirrten zu sagen vermag. O gewiß! nie ist weibliche Lt-be größer und erhabener; nie trägt sie das himmlische Bild der Sanstmuth und Menschengüte mehr an sich; nie ist sie anbe tungswürdiger, als wenn sie — vergtebt, und der Wiedervereinigung zweyer Herzen eine Thräne der Freude und der Tugend weint. Aber die Schwachheiten der weiblichen Liebe sind in ihrer Art eben so groß, als es die Heftigkeit derselben ist. So bald ein Frauenzimmer würklich liebt, verliert sie auch die Kraft sich ferner selbst zu beherrschen. Alle ihre Leidenschaften sind alsdann beschästigt sie zu entwaffnen; ihre Grundsätze selbst nehmen oie Natur ihrer Liebe an, und sind bereit sich zu ergeben; oder sich so drehen zu lassen, wie rs die Leidenschaften des entzündeten Herzens haben wollen; ihre Unschuld und Tugend hängt oft an einem
(
IOI
)
einem dünnen Faden, der nur durch die Ehrlichkeit des Liebhabers noch einige Festigkeit behält. Ihre ©dritte nähern sich den Gefahren der Liebe, anstatt, daß sie sich davon entfernen sollten. Man will bis, weilen wieder umkehren; aber man geht nur desto schmller vorwärts, weil die Seele der Liebe keinen andern Gesichtspunkt hat, als den geliebten Gegen,
stand, und keinen unanoenebmern Nebenweg ein, schlagen mag. Dieser Nebenweg müßte außerdem durch Raisonnement, durch kalte Bernunft gesucht werden, und nichts ist der Liebe nnerträgiicher als Raisonnement und kalte Vernunft. Wenn die Seele glühet, will ste keine ernsthaften Untersuchum gen über ihre moralischen Handlungen anstellen; will lieber ihr größtes Kleinod aufvpfern; lieber in die unsichern Umarmungen eines Liebhabers eilen; lieber Vater und Mutter hassen, als auf Kosten ihrer Liebe der Vernunft Gehör geben. An allen diesen Schwächen arbeitet ihre Einbildungskraft unaufhörlich, sie noch schwächer zu machen. Ihre eben so lebhaften als giftigen Bilder tödten in dem Innern des weiblichen Herzens oft vollends jeden kleinen Ueberrest des Nachdenkens, der Sittsamkeit und der Unschuld. Sie berauschen den weiblichen Geist, durch ihren sinnlich schönen Anblick; sie mah, len die Süßigkeiten der Liebe in den reizendsten und G z ver
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verführerischsten Farben ab; sie heften sich an jeden Gedanken, an jedes Buch, das man liefet, an jedes Blümchen, das man pflückt; sie haben gemei, niglich schon lange das weibliche Herz In seinem Innern zu einer völligen Uebergabe gestimmt; so daß ein äusseres dabey angenommenes Betragen der Sittsamkeit oft nur eine leere Schaaie der Tugend und ein erkünstelter Betrug ist. Indem aber das Aeussere eines verliebten Frauenzimmers das Zeichen einer innern Kalte an sich trägt, und an sich tragen muß, um das Auge einer mürrischen Tante, eines scharssehenden Vaters zu blenden, wird ihre Seele Riesenschritte in der Liebe thun', und die Heimlich, lichkeit, die sie dabey anwenden muß, wird nur ihre Schnelligkeit befördern. ♦ * .* Die Liebe 'eines einfältigen Weibes muß für «inen gescheidten Mann äusserst lästig seyn. Die faden Ausdrücke ihrer armseligen Gedanken und Empfindungen; das Tändelnde und Läppische ihrer Zärtlichkeit, die Plumpheit ihrer sich aufdrtngenden seelenlosen Grazie; die sklavische Anhänglichkeit an allem, was der Geliebte will, denkt, empfindet; das hirnlose Repetiren und Empfehlen aller Worte und Handlungen ihres Gatten; das dumme Herz, liche in ihren Umarmungen und Küssen selbst, kann un,
( IO? ) unmöglich einem gescheidten Manu« gefallen — und er ist zu entschuldigen, wenn er einen andern weiblichen Umgang sucht, wobey sein Geist und Herz mehr reelle Nahrung findet.
Diejenigen Frauenzimmer, deren Liebe mehr eine Art Raserey als Zärtlichkeit ist, die nnaufhör# llch klagen und weinen, wenn sie ihren Liebhaber nicht bey sich haben; die vom Dolch und von Ver# gistung sprechen, wenn man ihre Verbindungen nicht zugeben will, werden gemeiniglich, wenn sie ihre Wünsche am Ende doch erreicht haben, am er# sten kalt; — »der sie sind schon kalt, und nehmen jene äussere Wuth der Liebe nur deswegen an, um dadurch die Kälte ihres Herzens zu verstecken, und dem aufmerksam werdenden Liebhaber Sand in die Augen zu streuen. Wenn ein Frauenzimmer fürchtet, daß ihre Liebe gegen ihren Geliebten wohl einmal aushören könnte; so ist sie gewiß schon auf dem Wege de« — Aufhirens.
Tausend Frauenzimmer heyrathen nicht den Mann; sondern sein einträgliche« Amt, seine Land# gütrr, seine Equipage, und, ich darf htnzusehen, G 4 seine
c 104 ) seine Einfalt — zum Deckmantel — einer verbor genen Liebe. ES giebt viele verheyrathete Frauenzimmer, die etwas unausstehlich Tändelndes bet der Liebe gegen ihre Männer an den Tag legen. Sie bewachen die Schritte ihrer Gatten wie die eines Kindes; setzen über ein kleines Kopf- oder Bauchweh derselden die ganze Nachbarschaft in Bewegung; schrei ben ihnen mit einer tissotschen Aengstlichkett bey jeder Schüssel vor, wie viel fle davon essen sollen, hüllen sie gegen jedes kühle Lüftchen in dicke Pelze ein, warnen sie vor jedem Steinchen, woran sie stoßen könnten, und wachen Nächtelang, um mit größter Vorsicht die Tranespiratton ihrer Männer zu besorgen. Für einen ernsthaften Mann muß solch eine tändelnde Liebe eine seiner unangenehmsten Hausplagen seyn, — wenn er nicht anders Weib genug ist, sich in jener Tandeley selbst zu gefallen.
Wenn weibliche Liebe am Gängelbande deS Stolzes geleitet wird, und der Mann, dem sie ihr Herz schenkte, keine hervorstechenden Eigenschaften des Geistes und keine glänzenden Ehrenstellen besitzt; so wird sie wahrscheinlich von kurzer Dauer seyn. Eitelkeit führt sehr oft in der weiblichen Seele das Regiment über die Liebe, und diese muß ins Extltum.
( 10? ) um, wenn sie vor jener nicht das Knie beugen will. ♦
♦
»
Ein Mann, der gegen das schöne Geschlecht zu viel ängstliche Hochachtung an den Tag legtwird bey demstlben schwerlich sein Glück machen. Man will zwar Anbeter; aber nur keine schüchler» neu Anbeter haben. Diejenigen Frauenzimmer, die zu viel Liebe von ihren Männern gegen sich verlangen, machen eben dadurch die Herzen der Männer oft ganz kalt, zu, mahl wenn die Art, wie sie jene Liebe verlangen, nicht klug und bescheiden genug ist, und sie ist eit selten, weil sich dazu gemeiniglich eine große Por, tion Jalousie mischt — und viel Jalousie macht die Liebe gar leicht zu dem unerträglichsten Dinge. Liebe kann daS wildeste Mädchen zahm machen, und Amor führt jene wilden lebhaften Seelen, die sich durch nichts einschränken ließen, die ein ewiger Muthwtlle umgaukelre, die unaufhörlich gegen die Sclaverey der Liebe deklamirten, endlich am sicher, sten an feinen Ketten, weil gemeintglich die ganze Lebhaftigkeit ihres Temperaments irgend einmal sich den Empfindungen der Liebe mitthriit. ® f Die
C 106 ) ♦
*
Die Liebe eines phlegmatischen Weibes kann viel Angenehmes und Sanftes an sick haben; ober sie wird einen lebhaften Mann nur auf kurze Zeit fesseln. ♦ » ♦
Dlejeuigeu verheyratheten Fraumzimmer, die ihren Männern ihre Liebe ökonomisch zuzumessen wissen, werden allemal die Herzen ihrer Männer längere Zeit besitzen, als die, welche ihre Gatten mit ihrer Liebe bestürmen. Es giebt eine Arr vernünfttger Sprödigkeit, eine Art Zurückhaltung in der Ehe, die oft selbst den wankelmüthrgsten Mann «nzertrennbar an seiue Frau fesselt, und seine an dern zärtlichen Plane auf die glücklichste Art ver rückt. Die meisten Frauenzimmer haben die Kunst jener Zurückhaltung nicht studirt, sie schütten daö ganze Meer ihrer Liebe gegen die Männer aus, — und ersäufen dadurch nicht selten die ehltche Treue Derselben. ♦ ♦ ♦ Es ist nicht immer die Folge, daß ein Frauen« zimmer, die ihren Mann liebt, ihm auch gewiß treu seyn werde. Selten hat ein Mann in den Augen eines Frauenzimmers alle die Eigenschaften, die sie vo« ihm verlangt, sie findet leicht bei einem andern
C 107 ) tnbetn das, waS ihr Mann nicht hat, und wett ihre weiche zärtliche Seele für alle« Gute sehr fühl» bar ist, so neigt sich auch gemeiniglich ihr Her» bald da bald dorthin — ♦ « * Viele junge Frauenzimmer lieben, ehe sie'« noch glauben, und früher, alö es andre glauben. Schamhaftigkeit lehrt sie anfangs die Empfind»«« gen der Liebe gleichsam vor sich selbst zu verbergen; sie erröchen bey dem kleinsten Verdacht anderer, bey einem unbedeutenden Schrey, der eine Bezie« Hang auf ihr Herz har; sie vertheidigen sich gegen einen Argwohn ihres eroberten Herzens noch eher, als man ihnen Vorwürfe darüber macht; sie äusi ftrn darüber In ihrem äusser» Ausdruck einen Utt* willen; sie scheinen unzufrieden, daß sie etwas in sich zu fühlen glauben, wobey sie unruhig sind; sie möchten nicht gern der Liebe die Schuld davon geben, doch ists nichts anders als Liebe, was siez« allen jenen Handlungen und Empfindungen ver* leitete. —
Das andre Geschlecht beobachtet bey seiner Liebe fast durchgehends eine größere Delikatesse, als da« unfrige. Ein Frauenzimmer, da« eine Manns* Person liebt, weiß ihre Liebe — wenn sie Erziehung hat.
C reg ) hat, auf die listigste Art zu verbergen, so lang« sie noch nicht gewiß weiß, ob sie wieder geliebt wirb. Sie wirb immer so handeln, daß der Mann sich keine« freywilligen Triumph« über ihr Herz rühmen kann; sie wirb mit ihren Blicken Pfeile in sein Herz schießen, aber «in Blick ist einer vielfachen Auslegung fähig, man kann ihn abgeschickt habenUnd doch dem Mann, der sich einer Zudringlichkeit ihrer Liebe rühmen will, ohne daß er selbst etwa« dabey empfindet, sagen, daß man ganz kalt gegen ihn gewesen sey, — und der Mann verdient diese Kälte, wenn er die SEwächen eine« armen roelb# Üchen Herzen« ausschwatzt.
Das
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Das andere Geschlecht. II. Kapitel. Coquetterie.
E.n junges Frauenzimmer ohne
alle Coquetterls gefüllt nicht, — weil sie keinen Werth auf sich selbst zu sehen, und weil ihr die Achtung des männlichen Geschlechts ganz gleichgültig zu seyn scheint. ♦ ♦ e
Es giebt eine ertaubte und liebenswürdige Art der Coq retterie. Diese setzt die Talente und Reize des andern Geschl chrS in ihr schönstes Licht; ver, breitet über all? weibliche Handlungen, selbst über -weibliche Schwächen die angenehmste Grazie; be/ seelr jeden Ausdruck durch ein sanftes Feuer; macht jeden Blick des Auges allmächtig, und giebt jedem Gedanken und jeder werblichen Handlung ihre eigentliche wahre Stelle. Diese Coquetterie ists, die man nicht mehr iür Eitelke it halt, wenn ste'S auch gleich ist; sie hat nicht nur das Gepräge der Kl igheit und Unschuld, sondern ist es würklich; tu Ihrem Gewand? vertiert Moe, gewinnt jede Tiu geno, und ihre Handlungen gehören weder unter dir
( no ) die Geissel des SatyrenschreiberS, noch unter bas Forum des Moralisten. *
♦
Aber ihre unnatürliche Schwester, eine Tochter der Narrheit und des Leichtsinns, ist ein desto abge« schmackteres, lächerlicheres, unbescheideneres und gefährlicheres Geschöpf. Zn ihrer Gesellschaft, und durch ihren giftigen Einfluß auf das weibliche Her; verwelken die schönsten Tugenden deö andern Ge» schlecht« gleich zarten Blüthen, die ein glühender Sirocco tidtet; sie vertilgt jede hohe geistige Em» pfindung der Weisheit und Menschenliebe; er» schlafft den Willen zu allen edlen Handlungen; setzt Ränke und Betrug an Ihre Stelle, und fühlt in sich nie das, was sie bey andern oft auf die nie» derträchtigste Art gegen sich zu erwecken sucht, — nemlich Liebe. Das ewige Handwerk dieser gt» schminkten Furie ist, unserm oft so blinden Ge» schlechte Fallen zu stellen, und uns an fürchterlichen Ketten, die fle uns als süße Bande der Zärtlichkeit »ufschwatzt, herumzuführen. Sie gleicht den ehr» süchtigen Eroberern, die nur viele Länder besitzen wollen, ohne auf das Glück ihrer Unterthanen be» dacht zu seyn. Zhr größter Triumph ist, über die eingebildete Stärke unseres Geschlechts zu siegen, und die Gränzen der Sittlichkeit weiter htnausge» steckt
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steckt zu haben, als es die Natur haben will. Sie zerreißt oft kühn die süßesten Bande ehlicher Liebe, martert edelgesinnte Gatten mit Nebenbuhlern; oder mit Kindern, die gleichfalls in der Schule der Coquetterte aufgewachsen sind; a(>tt am Ende wird sie gemeiniglich aufs schrecklichste bestraft, — das Alter wird ihre blutige Geissel.
Das lächerlichste; aber auch allergefährlichste Geschöpf ist eine alt? Coquette. Ihre Augen buhlen um die Gunst unseres Geschlechts, und opfern dir letzten Reste ihres jugendlichen Feuers dafür auf. Indem die Rainen ihres Gesichts einen sehr gerech ten Proceß gegen die Bestechungen des Auqe^sühs ren. Ihr Mund spricht noch mit süßen Ausdrü cken von Zärtlichk it und Liebe; aber es ist dir Stimme eines Sterbenden', der uns noch in den letzten Zügen überreden will, daß er noch vollkom men gesund sey. Ihr- Schminke deckt die Runzeln des Gesichts nicht; sie sprechen zu laut von den vergangcnen Zetten, und die Schminke selbst hilft Ihnen mitspl echen. Jalousie sitzt, immer noch in ihrem Auge, und kocht Gift in ihrem Herzen; aber ein Gift, das sie selbst verzehrt, weil sie allst Augenblicke sehen muß, daß sie von jüngern Schön heiten verdrängt wirb. Dieses Gefühl sich verachtet I*
( 112 ) zu sehen, oft wenn sie durch alle nur migllche Kunstgriffe der Wetberltst die Gunst eines Mannes zu gewinnen suchte, sich dennoch verachtet zu sehen, nährt eine ewige Flamme in ihrem Dusen, der sie oft durch die giftigste Rachsucht Luft zu machen suchen wird. Von ihr angeseuert wird sie sich nicht selten ein Vergnügen daraus machen, die Liebe un, schuldiger Seelen zu verhindern; den Saamen der Eifersucht und Zjnkerey in den glücklichsten Ehen auszustreuen; die Fama zur Vergrößerung heim, ltcher Gerüchte listig zu bestecken, und ihre Hände in unschuldigem Blute zu baden, wenn es ihr belei, digter Stolz haben will.
Die Ehen pflegen selten gut auszuschlagen, wenn die Frau den Mann durch Coquetterie gefönt gen bat; der jungen Frau wird der Hang zur Co, quetterte auch in der Ehe immer noch anhängen, Unb der junge Mann wird, wenn er nicht anders durch die List seines Weibes in einer — glücklichen Unwissenheit erhalten wird, seine Gattin verachten lernen, die ihn — hintergangen hat, und immer noch bereit ist, ihn zu hintergehen. Es ist ein iusserst seltener Fall, daß ein coquettes Mädchen eine gute Frau wird. Coquet,
£ uz ) Loquetterle ist selten ohne Zlererey, ob sie sich gleich dadurch sehr oft tn ihren Eroberungen schadet, indem sie sich durch Zlererey lächerlich macht. ♦ ♦ * Weibliche Gefälligkeit, eine der ltebenöwür, dlgsten Grazien des andern Geschlechts, ist nicht immer Coquetterie, so wie diese auch nicht immer durch Gefälligkeit geleitet wird. Es giebt eine Art superber Coquetten, die den größten Stolz gegen ihre Anbeter blicken lassen, mit ihnen als ihren Sclaven umgehen; über alle Handlungen, Worte und Gedanken dieser Sclaven mit dem strengsten DespotlsmuS herrschen, ohne daß diese dafür auch nur einen gnädigen Blick von ihrer Göttin erhalten sollten. —
♦
♦
Solchen Frauenzimmern ist es eigentlich nur darum zu thun, Eroberungen zu machen. Nur dazu glauben sie geschaffen zu seyn. Sie sind die größten Egoistinnen tn ihrer Art. Sie sind nie eher ruhig, bis ein Heer kriechender Männer um ihre Altäre hinkt. Zhr Tag- uhb Nachtgedanke ist unser Geschlecht; nicht wie sie es lieben, sondern wie sie es tn Fesseln schmieden wollen. Zhre Seele ist ein ewiger Puhtisch, auf welchem sie das seine Garn 4» unsrer Gefangennehmung zubereiten. Sie haben Zweiter Land. H für
C 114 ) für kein anderes Geschäft des Lebens einen Sinn, als für Putz und — Hinterlist, — und wehe dem Manne, der solch «In Weib heyrakhet! Es ist kein Wunder, »venn ein einfältiger Mann so leicht in das Netz einer Coquetre fällt, da es das Privilegium der Dummheit ist, immer am ersten betrogen zu werden; aber merkwürdig ist« doch in der That, daß oft die gefcheidtesten Köpfe, Und die festesten Männer eben so leicht in dir Hände .coquetter Frauenzimmer gerathen. Man siehet daraus, daß Verstand nicht gegen die verführerischen Kunstgriffe der Liebe schützt; daß uns selbst bey aller Festigkeit des Charakters, wenigstens In g« wissen Augenblicken, eine große Portion Schwache heit anklebt, und daß wir in diesem Betracht gar nicht den Namen de« stärker» Geschlecht« verdienen. Der festeste, klügste und ernsthafteste Mann wird weich, wenn ihn die Lippe eines coquelten Frauen« zimmer« schmeichelt. Er kann gegen da« Lob der Männer schon kalt geworden seyn; und seine Eitel, keit wird wieder zu glühen anfangen, wenn sie durch die Lobsprüche eine« Weibe« gekitzelt wird, und um Lobsprüche von ihr zu erhalten, wird er Handlungen unternehmen, wozu sthn vielleicht die ganze Männerwelt umsonst würbe aufgefodert haben.
C ns ) haben. Von dieser Seite her werden gemeiniglich die festesten Charaktere erschüttert, «nd gefangen davon geführt.
einzuschlagen, und das Zutrauen seines Nebenbuh lers selbst zu gewinnen. Der offene, treuherzige Character des Dom Carlos war ihm bekannt, und er zweifelte nicht, daß er über lang oder kurz ein Geheimniß aus ihm Herauelocken würde, dessen Ent deckung er begierigst wünschte. Um seine Plane auezuführen, legte er auf einmal den bisherigen Ton der Familiarität ab, wozu ihn der Rang des Onkels gegen den Prinzen berechtigte, und wurde einer seiner ehrerbietigsten Verehrer. Er kam ihm in allen Stücken ^uvor, rühmte überall setcke vortrefltchen Eigenschaften, und brachte es endlich durch dieses verstellte Wesen dahin, daß er jenen von sei ner aufrichtigen Freundschaft würklich überzeugte. Dom Carlos äußerte gegen ihn ein nicht geringes Zutrauen; aber es kam damit nie so weit, daß er ihm seine geheimntßvolle Liebe entdeckt hätte.
Man sieht aus dem allen, mit welchem ver, schmizren und gefährlichen Kopfe der gute Dom Carlos zu thun chatte. Da jener sahe, daß ihm sein neuer hinterlistiger Versuch nicht besser, als der er ste geglückt war, erfand er ein anderes Mittel, seine Neugierde zu befriedigen, und sich von sach kundigem Personen rathen zu lassen. Da er einer der schönsten Männer seiner Zeit war; so hatte er Zweiter Band. L Ein,
( I»> ) Eindruck auf das Herz der Prinzessin von Eboli gei macht. Er wußte dies , und da er sie für eine sehr wichtige und schlaue Rathgeberin bey seinen Entwürfen hielt, affeetirte er eine ganz besondere Gegenltebe gegen sie, und beide kamen endlich so weit, daß sie sich mit einer gegenseitigen Vertraulichkeit gegen einander entdeckten. Dom Juan eröffnete ihr nun bald den Verdacht, welchen er von der Liebe des Dom Carlos gegen die Königinn hege, und die Prinzessinn hörte diese Neuigkeit mit einem solchen innigen schadenfrohen Vergnügen an, daß sie weiter gar nicht darüber nachdachte, warum sich wohl ihr Anbeter so sehr um die Gesinnungen der Kiniginn bekümmern möge. Sie rieth ihm sogleich, mit strengster Aufmerksamkeit auf alles, was zwi schen der Zsabelle und Dom Corios vorginge, Acht zu geben, indem sich durch dieses Mittel allein ihre beyderseitige Liebe über lang oder kurz, welche Vor sicht man auch von der andern Seite dabey brau chen möchte, offenbaren müßte, und um so viel leichter offenbaren würde, da jene Leidenschaft ihre sehr unvorsichtigen Launen hätte. —
Es ist sehr wahrscheinlich, daß zwei so verschla gene Leute, die jezt mit verbundenen Kräften ubetteten, jenes Geheimniß entdeckt haben würden. wenn
( 163 ) wenn ihnen htebey auch nicht ein unvorhergesehener Zufall zu statten gekommen wäre, welcher den Dom Carlos aus Madrid entfernte, und, wie wir in der Folge sehen werden, Gelegenheit zu einem Briefe gab, welcher vornemltch den König Philipp mit der abscheulichsten Mordsucht erfüllte. ES verbreitete sich um diese Zett, wahrschein/ lich durch die teufelischen Kunstgriffe derZnquisirion ein piözltcheS Gerücht: daß Karl V. am Abend sei, neS Lebens noch eine Neigung gegen die protestan/ tische Religion verrathen, und sich bloß deswegen in die Einsamkeit begeben habe, um seinen gehet/ men Gesinnungen und den Uebungen jener Reli, giott desto ungestörter nachhangen zu können. Man wurde in dieser Zdee durch die Wahl- zweier Leute bestärkt, welche Karl zu seinen geistlichen Rathgebern gemacht hatte, und von welchen man argwohnte, freilich nur argwohnte, daß sie der neuen Lehre heimlich ergeben wären; überdem fand man, daß daS Testament Karlo V. gar nicht indem Stil etsUger Catholiken gemacht war, und alle diese Umstände zusammengenommen brachten denn natürlicher Weise die heiltge Inquisition sehr auf. Durch das Beyspiel eines bigotten Monar/
chen, welcher alle Anhänger der neuen Lehre hin, L r richten
richten ließ, ermuntert, wandte dieses barbarische Gericht seine Klauen sogleich gegen den Erzbischof von Toledo, den Bischof von Drosse, und endlich gegen alle diejenigen, welche mit dem Kaiser am Ende seines Lebens vertraulich umgegangen waren. Phtlspp, dessen schwarze Seele keine Scho, nung kannte, ließ sie alle ins Gefängniß werfen. Sein Eifer für die wahre Religion wurde in ganz Spanten bis in den Himmel erhoben; -aber daübrige Europa sah mit Ab scheu den Bischof von Drosse, Karls V. eigenen Beichtvater, in dessen Türmen der Monarch gestorben war, in einem fürch, terlichen Kerker eingesperrt, und in der augenschetn, ltchey Gefahr, von dem Sohn dieses Monarchen selbst auf eine schändliche Art -um Tode verdammt zu werden. Nur das gallsüchtige bigottdumme Herz eines Spaniers konnte die Abscheulichkeit ei, neö solchen Verfahrens nicht fühlen.^ Die Znquis. sition eilte geflissentlich mir dem Proceß gegenKarlS leite Freunde, und verdammte sie mir einer uner, hörten Frechheit, nebst dem Testamente Karls selbst, zum Feuer. Philipp stimmte in seinem Herzen völ lig mit der schwarzen Sentenz der Inquisition über, ein, hatte aber doch noch einige Schaam, die Aus führung derselben aufzuschieben; aber er benahm
c -65 ) sich dabey so, daß die Ehre des heiligen Gerichtdadurch nichts verlohr. Dom Carlos, ein Mann von einem unendlich bessern und menschitchern Character, als sein unx menschlicher Vater, und noch voll dankbaren Andenken-an die vielen Beweise der Zärtlichkeit, die ihm sein Großvater gegeben hatte, gerterh in Flam men, als er vernahm, daß man das Andenken ei nes solchen Mannes, wie Karl V. war, selbst nach seinem Tode auf -ine so schändliche Art zu brand marken suchte. Dom Juan und der Prinz von Parma, welche für den Ruhm jenes großen Man, nes ein gleiches Interesse fühlten, verbanden sich mit den Klagen des Dom Carlos, und sprachen saut und mit Verachtung von der Schwache des Königs, welcher sich nicht der Vermessenheit des unmenschlichen Gerichts mit kühnem Muthe zu wi dersetzen suchte; noch heftiger und stärker äußerten sie sich aber gegen die Inquisition selbst. Das bi gotte Volk, welches an der Seite jener teufelischen Priester hing, und von ihnen bald von den aufge brachten Gesinnungen der Prinzen benachrichtigt wurde, zeigte einen öffentlichen Unwillen gegen ihr Betragen» Philipp befurchte, baß aus diesem Verdruffe des Volkes.allerley unangenehme Folgen entL | stehen
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166 )
stehen könnten, und trug daher dem Stut > @ox mez auf, mit den Prinzen deshalb -u sprechen, und ihnen die Unvorsichtigkeit ihres bisherigen De, tragen vorzustellen. Dom Juan und der Prinz von Parma, welche einsahen, daß sie sich in einer ganz andern Lage, als Dom Carlos befanden, und sich die Ungnade des Königs und den Haß des Volks zu gleicher Zeit zuzuziehen für gefährlich hielten, — gaben nach, baten den Rui^Gomez, für sie bey dem König um Vergebung zu bitten, und verspra chen, sich weiter'gar nicht in die Sache zu ml, schen.
Dom Carlo-, ein Mann von stärkerer Seele, und vkl zu stolz, als eine Handlung widerrufen zu wollen, deken Unrecht er nicht einsahe, zeigte nicht die nemliche Nachgiebigkeit gegen den Willen seines Vaters. Inzwischen wurde doch Karls V. Beicht vater nebst einem Bilde lebendig verbrannt, wel ches den Vorsteher des verstorbenen Kaisers vor stellte, und welcher einer so schimpflichen tiiiö bar barischen Strafe durch seinen kurz vorher im Ge fängnisse erfolgten Tod entgangen war. Philipp gab seinen Consens zu dieser abscheulichen Hinrich tung, im Fall die Inquisition dem Erzbischof nach Rom zu appelliren erlauben, und btlS Testament Karls
( 167 )
Karts V. nickt weiter erwähnen würde. Diese Nachgiebigkeit beruhigte den Dom Carlos zwar et was wieder; aber die Inquisitoren behielten einen unversöhnlichen Haß gegen einen Prinzen, der ihre Handlungen so öffentlich getadelt hatte, und von dessen künftiger Regierung sie voraussehen konnten, daß sie ihren Planen eben nicht sehr günstig seyn dürfte. Sie erregten ein so großes Murren unter dem Volke, daß der König, nm es zu unterdrücken, sich genöthigt sahe, die Prinzen auf einige Zeit vom Hofe zu entfernen. Er beschloß sie daher nach der Universität Alcala zu schicken, welche damals eine der ange sehensten und berühmtesten in ganz Spanien war. Dom Carlos wurde wie vom Donner gerührt, als er von dem Plane seines Vaters Nachricht bekam. Der Gedanke, sich von der Königinn trennen zu müssen, erfüllte ihn mit allen Quaalen der Liebe,, und in Rücksicht dieser Leidenschaft that er jetzt etwas, wozu ihn das Interesse seiner Erhaltung, seines Standes und seiner Ehre sonst nicht vermöcht haben würde, — er bereuete sein Betra gen gegen die Inquisition; — aber vergebens. Seine Abreise war beschlossen, er mußte die Köni ginn verlassen- und — was sein fühlendes Her- noch L 4 mehr
mehr beunruhigen mußte, — durfte nicht einmal das laut werden lassen, was in dem Innern seiner Seele verging, da seine Begleiter seine Heimlichen Feinde waren. Als er zu Alcala angekommen war, machte man ihm ein Geschenk mit einem sehr schönen, aber eben so wilden Pferde. Der Prinz ließ es zuretten; war aber mit denen, welche es thaten, so unzusrteden, daß er eö selbst besteigen wollte. Das Pferd, welches ohnedies schon erhitzt war, wuxde nun vol, lends wüthend, als es der Prinz anspornte, und bäumte sich mit solcher Gewalt, daß sich der Prinz zur Erde werfen mußte. Er that es, aber auf eine so unglückliche Art, daß er wie todt auf dem Platze liegen blieb; man brachte ihn weg, und die Aerzte entdeckten an seinem Kopfe eine so gefährliche Wunr de, daß sie in Absicht seines Lebens zu verzweifeln anfingen. Der Prinz, welcher sich seinem Ende nahe glaubte, hatte jetzt den Marquis von Pofa feinen Liebling nach Madrid geschickt, welcher der Königinn ftin lehtesLebewohl überbringen sollte, und dies war ein Zeitpunkt, von welchem sich die Prinzes sinn von Eboli wichtige Entdeckungen versprach.
( i6- )
Der Kunstgriff, uns In dem ersten Anfall unserer £döenfd)cifun zu beobachten, nm Geheimnisse aus unserer Seele zu locken, täuscht die menschliche Neugierde sehr selten. Wir zeigen uns alsdann, wie wir sind, und unsere sonstige Vorsicht verlaßt in jenem Gemüchszustaude nur gar zu leicht die Schlupfwinkel des Herzens, durch welche unsere geheimen Empfindungen offenbar werden. . Die Prinzessinn.von Eboll begab sich gleich beym ersten Gerücht von dem Unglücke des Dom Carlos zur Königinn, um zu scheu, wie sie sich bey einer solchen Nachricht benehmen würde,und sie benahm sich so, wie es die listige und ehrsüchtige Ebolt erwartet und gewünscht halte. Dir Königinn gerieth in eine sichtbare Bestürzung, welche nur zu deutlich den Schmerz ihrer theilnehmenden liebevollen Seele an den Tag legte. Die, welche sich öfter in der Ge sellschaft der Zsabelle befanden, und von jeher eine große Freundschaft zwischen ihr und dem Prinzen bemerkt hatten, wunderten sich freylich über ihr jetziges Betragen nicht; — aber die schlauere Prin zessinn von Ebolt, welche ohnedies schon voll Arg wohn war, legte 5er Verzweifelung her Kcmgürn einen ganz andern Grund, als eine bloß freund schaftliche Theilnahme bey, und sie glaubte nun über das alles vollkommen gewiß zu seyn, was sie L $
bisher
C 170 ) bisher nur geargwohnt hatte. Zsabelle, welche eine längere Zurückhaltung ihres zärtlichen Herzens für unnörhig hielt, bei* sie sich ohnedies' schon zu sehr verrathen hatte, und glaubte, daß Dom Car, los sterben würde, schrieb ihm jetzt einen Brief, der ganz aus ihrem liebevollen Herzen geflossen war, — eben den Brief, welcher der unglücklichen Kö, ntgtnn nicht lange darauf das Leben kostete. Dom Carlos wurde durch den Empfang' dieses zärtlichen Schreibens in ein solches Entzücken gesetzt, daß er durch seine Kraft gleichsam wieder zu leben anfing. Als der Prinz ausser Gefahr war, ließ ihn der Kü, rüg nach Madrid zurückbrtngen. Zsabelle bat sich sogleich ihren Brief wieder aus, sie schien eö zu ahn, den, welche Folgen er nach sich ziehen könnte; aber Dom Carlos wollte dieses redende Pfand ihrer Zärtlichkeit durchaus nicht aus seinen Händen geben.
Der Lauf der Welt ist ein wunderliches Ding. Es geschieht sehr oft, daß ganz gegenseitige Bege, benheiten in einem gemeinschaftlichen Punkte zu, sammenstoßen, und neue hervorbringen, die man gar nicht erwartet hatte. Die Art und Weise, wie Philipp II. von dem zärtlichen Etnverstandntß zwi, schen seiner Gattinn und seinem Sohne unterrichtet wurde.
C 171 )' wurde, ist eben so sonderbar als erstaunenSwürdtg. — Hier Ist der Verlauf der Sache! — Die Spanier, von einem dummblindenReltgionseifer und andern politischen Gründen angeretzt, hatten sich vorgenommen, die Johanne d'AlbertKöniginn von Navarra, nebst ihrem Sohn, roefr cher hernach unter dem Namen Heinrich IV, so berühmt wurde, zu entführen, und weil sie die pro testantische Religion angenommen hatten, den Händen der heiligen Jnguisition zu übergeben. Ein Plan, welcher eben so kühn als abscheulich war. Die Ausführung dieses niederträchtigen und ehrlo sen Geschäfts selbst wurde dem Herzog von Alba und dem Rui , Gomez, den zwey vornehmsten spa nischen Staatöministern, aüfgetragen; — zwey Menschen, die den dazu ersoderltchen Grad von hä mischer Bosheit und Verschlagenheit besaßen. Isa belle bekam bald Nachricht von der ganzen Sache, und empfand einen solchen Unwillen gegen das schändliche Unternehmen, daß sie es der Königinn von Navarra sogleich bekannt machte, und ihre und ihres Sohns Entführung glücklich hintertrieb. Daü Gerücht von jener Verschwörung wurde bald aus gebreitet, und Isabelle erzählte eines Tages dem Dom Carlos alles, was sie von der Sache wußte. Der
C 17* )
Der Prinz, welcher ein edles Herz besaß , und eine solche Gewaltthätigkeit aufs höchste verabscheute, wurde bey der Erzählung von einem heftigen Schauder ergriffen, und drohete, daß er diejenigen aufs ernstlichste strafen würde, welche seinem Vater solche niederträchtige Rathschläge gäben. Die Prinzessinn von Eboli, welche gegenwärtig war, eilte, ihrem Mann logletch von allem, was sie gehört, Nachricht zu geben, und dieser hinterbrachte ei eben so eilig dem Herzog von Alba, seinem Mtcverschwornen. Deyde Minister lebten bisher nichts weniger als in einer freundschaftlichen Verbindung; aber jetzt, da ihnen beyden die Drohung des Prinzen galt, vereinte sie auf einmal ein gemeinschaftliches Zn, teresse, und sie wurden die besten Freunde. Um sich aber gegen den aufgebrachten Prinzen in Sicherheit zu setzen, dessen Alter ihm jetzt ein wich, tiges Ansehn gab, und um ihm an der Königinn selbst eine so mächtige Stütze bey seinem Vater zu rauben, machten die beyden Männer einen Plan, der nicht boshafter und schändlicher erdacht werden konnte. Sie beschlossen nemlrch, den alten mlstrauischen König gegen seine Gemahlinn und seinen Sohn aufzubringen, ihm die Ursach des vereitelten Plans gegen das Haus Navarra bekannt zu.ma chen.
c 17? ) chen, und zugleich die Vertraulichkeit zu entdecken, welche zwischen dem Prinzen und der Königinn herrsche.
Philipp überließ sich zwar nicht gleich den Em pfindungen einer unruhigen, und alten Männern so eigenthümlichen Eifersucht, da er von der Tu, gend der Königinn überzeugt .war; aber er wurde doch jetzt auf die öftern Besuche des Prinzen bey der Zsabelle aufmerksamer als sonst, und verord nete, daß man ihr gegenseitiges Betragen genauer untersuchen sollte. Ein Geschäft, welches der listi gen Prinzessinn von Ebolt aufgerragen wurde, wel che denn freylich nicht unterließ, die strengste Beobachterlnn des Umgangs der Königinn mit dem Prinzen zu seyn. Als dieses alles vorging, kamen Gesandte aus Flandern am spanischen Hofe an, welche den König wegen der Empörungen der Niederländer, wozu sie durch eine gegen sie auSgeübte unerhörte Gewaltthätigkeit gezwungen worden wären, um Verzeihung bitten sollten. Dom Carlos, welcher durch seine Gegenwart in Flandern den Geist der Unruhen daselbst zu unterdrücken hoste, wünschte, daß der König ihm das Gouvernement dieses Lan des
( be< geben möchte.
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)
Er hielt zwar die Entfernung
von der Königinn für ein Unglück;
unterdessen
theilte er ihr doch seinen Plan mit, und diese-, weiche
von seiner Liede nachtheilige Folgen für ihn und sich furchte, rieth ihm gradezu, den König um da6
Gouvernement in Flandern zu bitten.
Philipp
schien mit der Ditte des Prinzen nicht unzufrieden zu seyn, schlug ihm vor,
daß er ihn mitnehmen
wollte, und ließ würkltche Anstalten zu dieser Reise
machen.
Allein von nun an lauerten immer^tvey
Männer im Hinterhalte,
um jeden weitsichtigen
Plan des Prinzen zu hintertreiben.
Die beyden
Minister, deren wir eben gedacht haben, kannten
den Haß,
welchen Dom Carlos einmal gegen sie
gefaßt hatte^, und stellten dem König vor,
daß eS
sehr gefährlich sey, einem so ehrsüchtigey Prinzen ein Gouvernement von solcher Wichtigkeit, als das Flandrische wäre, zu geben; daß-eben dieser Prinz
durch Vermittelung der Königinn leicht eine mäch tige Stühe an Frankreich finden,
und das Hoch
seines Vaters abschütteln würde, welches er ohne dies schon lange mit Verdruß und Ungeduld getra gen hätte.
Nichts war geschickter das MiStrauen
des Königs zu reizen, als eben dieses Raisonnement.
Alles, was ihm die Minister gesagt hatten,
kam
ihm mehr als wahrscheinlich vor, und er beschloß
nun
nun fest-/ seinem Sohn die Statthalterstelle durchs aus nicht zu geben.
Die Reise Philipps wurde
unter dem Vorwande einer Krankheit eingestellt;
die Niederländer hielten die Entschuldigung für wahr, aber die Königinn und der Prinz ließen fich nicht dadurch tauschen. —
Eines Tags, als sich Dom Carlos mit dem
Dom Juan und der Prinzessinn von Ebolt bey der Königinn befand,
erlaubte er sich einige Scherze
über die Reise, welche sein Vater mir ihm machen
sollte,
und über die Gewalt, die er sich anthun
müsse, um die Rolle eines Kranken zu spielen.
Er
setzte hinzu, daß Karl V. für sich und seinen Sohn genug gereist sey, und daß Phillpp sich nun für sei
nen Vater und sich hübsch in Ruhe sehen würde. Seine scherzhafte und bittere Laune ging so gar so wett, daß er die seinem Vater schuldige Hochachtung vergaß, ein Papier in Gestalt eines kleinen' ,Duch6
zusammenlegte, und auf die erste Seite die Worte
schrieb: Die großen und bewundernswürdigen Weisen des Rönigs Dom Philipp; auf die an,
der« Seiten des Buchs setzte er: Die Reise von
Madrid nach dem Escurial; vom Eecurial nach Toledo; von Toledo nach Madrid; von
Madrid nach Aranjuez; von Aranjuez nach pardo;
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pardo; von pardo nach dem Escurial. Auf diese Art füllte er das ganze Buch nut lächerlichen Titeln der Reisen seines Vaters nach dessen Land häusern an, und zeigte ee der Königinn, welche sich dabey nicht des Lachens enthalten konnte. Als sie es eben durchlae, benachrichtigte man sie, daß der König von einer Schwache befallen sey, und sich gar nicht wohl befände. Sie gab das Buch dem Dom Carlos sogleich wieder', rieth ihm es zu ver stecken, und eilte dann ihren kranken Gemahl zu besuchen. Der Prinz folgte ihr, und warf das Buch in ein kleines Cabiner, wovon er den Schlüs sel zu sich steckte. — Dom Carlos hatte freylich etwas zu muth. Willig über die Reisen seines Vaters gespöttelt; aber nur eine so schwarze Seele, wie die der Prin zessin von Eboli und ^ihres Mannes konnte einen giftigen Gebrauch davon machen. Die Prinzessinn, welche vom König auüdrückilch dazu bestimmt war, seine Gattin zu beobachten, hatte falsche Schlüssel zu allen Kabinettern der Königinn. .Kaum hatte sich der Prinz entfernt, als sic sich seiner Schrift bemächtigte, und eine teufelische Freude empfand, daß sie dadurch so ein hen l cheS Mittel, jenem zu schaden, in die Hände bekommen hatte. Da sie nicht
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5
nicht zweifelte, daß die Königinn bey ihrer Zurück, kunft das Buch gleich aussuchen würde, damit aus dem Dinge keine Übeln Folgen entstehen möchten; so ließ sie sogleich ein ähnliches Düchelchen machen, und darin die Hand des Prinzen vollkommen nachzetchnen; legte dann dieses an die Stelle des ersten, und lieferte das Original ihrem Manne ab. Die Königinn, welche das nachgemachte Buch an der Stelle fand, die ihr Dom Carlos angezetgt hatte, hielt es für das rechte, und warf es sogleich ins Feuer, völlig zufrieden, einen Scherz vernichtet zu haben, der ihr bey allem Lächerlichen, das er an sich hatte, doch sehr gefährlich schien. Inzwischen war Philipp würkltch ernstlich krank geworden, und seine Gesundheit litt viel durch ein dreytägiges Fieber, das durch die unange, nehmen Nachrichten von dem Fortgänge ber Subeb lion in Holland noch mehr zunahm. Jetzt bractte die gute Königinn ganze Tage an dem Bette ihres Gemahls zu, und Dom Carlos nutzte diese Gele, genheit, die Königinn zu sehen, und besuchte seinen Vater häufiger, als er wohl sonst gethan Haden würde, Ihre Augen sprachen mit einander, was sich ihre Lippen nicht sagen durften; man wurde auf ihre Liebe täglich aufmerksamer; sie wagten es Zweiter Land. M nicht.
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nicht, einander zu schreiben, und suchten daher jetzt «ine Person auf, welcher sie ihre Geheimnisse mit Sicherheit anvertrauen könnten. Zhre Augen sielen auf den Marquis von Posa, welcher mit dem Dom Carlo« als Page auferzogen worden war, «nd als ein Mann von einer vorsichtigen Klugheit «nd Verschwiegenheit die Zuneigung und das Vertrauen der Königinn und des Prinzen besaß. Isabelle ließ . keine Gelegenheit vorbey, wo sie ihm ihre Achtung erweisen konnte; aber eben die« schärfte auch den giftigen Zahn der Medifance. Die Hofkeure, welche befurchten, daß Posa zu vielen Credit bekam» men möchte, und auf die Verdienste eines recht» schaffenen Mannes neidisch waren, trieben ihre Doehett so weit, daß der König von der Vertrau, lichkeit zwischen seiner Gattinn und dem Marquis auf eine schiefe Art benachrichtigt wurde. Ze weh, rere gute Eigenschaften Philipp an jenem entdeckte, je gegründeter schien ihm sein Argwohn zu seyn, fein Herz lag an Eifersucht krank, und eine sonder» bare Begebenheit verwandelte fein argwöhnische« Mtskrauen plötzlich in völlige, freylich nur ringe» bildete Gewißheit.
Philipp war wieder gesund geworden, und e« war unter den Freudenfesten zum Andenken seiner Ge»
c Genesung auch ein prächtiges Turnier angesttstet worden. Zeder Cavalier war vermöge des alten Herkommens verbunden, sich für eine Hofdame zu erklären, und den Abend vor dem Feste Ihre Farben zi» tragen. Elntgr Tage vorher war der Marqut« bey der Kintgtnn gewesen, und sie hatte sich bey Ihm nach den Namen aller derjenigen Damen er« kündigt, welche schon ihre Ritter hätten. Als er sie alle hergenannt hatte, äußerte sich die Königinn: daß kein Mensch für sie eine» Wettkampf eingehen wollte, und beklagte sich darüber mehr auf eine scherzhafte als ernste Art. Der Marquis antwore tete ihr mit einem sehr ernsthaften Tone: baß sie die Schuld der lieben Natur geben müßte, und daß, wenn sie so schön, wie die übrigen Dame» wäre, sich gewiß auch ein Ritter für sie gefunden haben würde' Die ganze Gesellschaft klatschte dem Scherz des Marquis ihren Beyfall zu, die Königinn äußerte aber in einem eben so ernsthaften Tone, wie der de« Marquis gewesen war: daß er, um ihn für seine Dreistigkeit zu bestrafen, ihr Ritter seyn müßte, damit er sich schämen müßte, derjenigen, welche am wenigsten schön sey, zu dienen! Alles die« war weiter nichts, als ein bloß hkfi, scher Scherz gewesen, worüber ein jeder anderer M 2 Eh«,
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Ehemann, als Philipp, mikgelacht haben würde; aber es giebt Seelen, die sonderlich bey gewissen Leidenschaften für dergleichen Späße durchaus keinen Sinn haben, und alles von einer schiefen Seite nehmen; Philipp gehörte unter diese. Seine Eifersucht fing ihn täglich mehr zu quälen an, unb es gefiel ihm gar nicht, daß der Marquis der Ritter der Königinn beym Turnier seyn sollte. Er hielt das ganze Ding für einen Kunstgriff, wodurch sich Zsabelle ihrem Liebhaber vollends ganz habe ent/ decken wollen, und wurde nun von seinem Argwohn völlig überzeugt, als er am Turniertage den Mar quis mit dem Bilde der Sonne und dem Deub spruche auf seinem Schilde: keiner kann mich sehen ohne entzündet zu werden! in die Schranken treten sah. Die Eifersucht tödtet aller ruhige Nachdenken, und vergiftet gleichsam jeden unsrer Gedanken — sie wird die grausamste Hyder, wenn sie Gelegenheit hat, und in dem Herzen einet Königs ist sie jedes. Bubenstücks fähig. Philipp beschloß auf der Stelle, den unglücklichen Posa sei ner Rache aufzuopsern. Ee wurden einige Zeit allerley Mittel zu seinem Untergange ausgesucht, und unter diesen wählte man grade das schändlichste und niederträchtigste, welches eine schwarze Seele ausdenken konnte — — er wurde des Nachrs auf der
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)
der Gasse durch gedungene Meuchelmörder hingerichtet. — Dieser schändliche Streich Philipps mußte in der Skle der Königinn und des Dom Carlos die unangenehmsten Besorgnisse erregen. Sie sahen, wie man mit ihren eigenen Vertrauten umging, und wie weit der König seine rachsüchtige Elfen sucht treiben könne. Zn der That wurden für beyde die Aussichten in die Zukunft immer trüber, und ihr beyderseitiger Umgang gefährlicher. Der Prinz sahe Wohl ein, daß e6 unter diesen Umständen für ihn am besten sey, sich zu entfernen, und erneuerte daher seine Bitten, daß ihn Philipp nach Flandern schicken möchte, wo die Lage der Sachen ein schnel les und dringendes Gegenmittel nöthig hätte. Dom Carlos sprach diesmal mit einer solchen Entschlossen heit und männlichen Geisteskraft, daß der König selbst furchtsam gemacht wurde, und es nicht wagte, dem Prinzen seine Ditte rund abzuschlagen. Phi lipp eilte zum Rui-Gomez, und bat sich bey solchen kritischen Umstanden seinen Rath aus, — und ein jeder wird leicht denken können, was der bübische Minister gerathen haben werde. Er stellte dem König nochmals ernstlich vor: wie gefährlich es sey, einem so ehrgeizigen und unternehmenden Prinzen M 3
das
c iti ) bat Commando einer der ansehnlichsten Armeen an»
zuvertrauen;
und
um seinen Vorstellungen ein
desto größere« Gewicht zu geben, versicherte er dem
König,
das er etwas in seinen Händen habe,
»voraus man nur zu deutlich die Gesinnungen des Prinzen gegen ihn, seinen Vater, erkennen könne. Zn dem Augenblick überreichte er bem König das
kleine Buch, welches seine Frau bey der Königinn gefunden hatte. Philipp la« es durch, und erkannt«
die Hand seine« Sohn«. — — —
Der König war wie betäubt, al« er eS durch/
gelesen hatte,
und Rui »Gomez,
der gerade zur
rechten Zeit seine schändliche List auSgefüh« hatte, war nun seines Siege« gewiß.
Die Eifersucht des
König« gegen seine Gemahlinn fing von neuem mit aller ihrer Stärke in ihm zu würken an, und er
zweifelte nicht länger, daß eine Gattinn und ei« Sohn, die sich auf Kosten ihre« Königs lustig mach,
ten, in dem unerlaubtesten Umgänge mit einander
leben müßten.
Eben so sehr befurchte er nun auch,
daß Dom Carlo«, welcher jeht schon seinen Vater mit solchem Muthwillen behandele, noch viel weiter
gehen würde,
wenn er in Flandern sein eigener
Herr geworden wäre, und da« Glück seine Unter/ nehmungen und seinen Ehrgeiz begünstigt hätte, —
er
( in )
er ließ Ihm daher sagen: daß er ihn wegen der zu grof, sen Verwirrung in den Niederlanden jetzt unmöglich dahin schicken könne, ohne fein junges Leden den sichtbarsten Gefahren auszusehen, daß er aber seine Wünsche erfüllen wolle, sobald der Herzog von Alba mit einer neuen furchtbaren Armee die Sachen tn Flandern wieder in Ordnung gebracht hätte!
Die6 mistrauische Betragen von Seiten des Königs ließ den Prinzen leicht muthmaßen, daß es um ihn geschehen sey, wenn er sich länger am Hofe seines Vaters aufhalten würde. Er konnte die Verachtung nicht ertragen, mit welcher man ihm von jetzt an begegnete, und faßte daher den kühnen Entschluß, welcher manchem freylich zu un überlegt scheinen möchte, — sich an die Spitze der Rebellen in Holland, welche ihn dazu unter den ansehnlichsten Bedingungen anfgeforvert hatten, zu stellen. Die flandrischen Gesandten, welche noch am Hofe zu Madrid waren, wollten ihn sogleich ohne allen weitern Verzug mit sich nehmen. Dom Carlos.zauderte, weil er sich vorher noch einige nöthige Corrsspvndenzen verschaffen wollte, und dies Zaudern war sein Verderben.
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Unter-
( m ) Unterdessen dleß alles verging, raubten ihm feine Feinde jedes Mittel, wodurch er die Gunst feines Vaters wieder erlangen konnte, und erfanden einen neuen Kunstgriff, auch die Königinn ihm im mer verhaßter -u machen. Die Chtkane bediente sich hiezu sogar eines Märchens, welches nur so ein dumtn bigotter und mistrauischer Wann, wie Phi lipp, glauben konnte. Man schwatzte nemltch dem König vor: daß Franz II. damaliger König von Frankreich, und Bruder der Isabelle, mit einer gH wissen Krankheit behaftet sey, welche nicht anders geheilt werden könnte, als daß man den Patienten in dem Blute junger Kinder baden müßte. Da Philipp in Absicht seiner Gesundheit immer sehr besorgt war, so kam er auch leicht auf den Verdacht, baß seine Gemahlin die Keime der nemlichen Krank heit, welche oft ein Famtlienfehler ist, auch bey sich tragen könne; ein Verdacht, welcher durch die hä mischen Erzählungen ihrer Feinde, welche bey der Diatternkrankheit der Königinn allerley Spuren jenes Uebels entdeckt haben wollten, noch gar sehr verstärkt wurde. Philipp hielt alles dieß Geschwätz für pure Wahrheit, und dadurch gelang es der Chikane würklich, daß der König seine Gemahlinn, die er ohnedies nach der Hinrichtung des Pofa noch nicht wieder gesprochen hatte, nicht mehr zu sehen wünschte.
wünschte. Der Herzog von Alba war eine von den Haupttriebfedern bey der ganzen Sache gewesen. Er reiste sogleich nach Flandern ab, als er sein Bu benstück gehörig eingeleitet hatte, und zweifelte nicht, daß es bald seine guten Würkungen thun würde.
Indessen drangen die Rebellen in Holland immer mehr 4n den Prinzen, daß er seine Abreift beschleunigen möchte, und nun machte er sich auch würklich fertig dazu. Er ließ für seine Begleiter Waffen -»bereiten, welche ihn gegen einen ver muthlichen Anfall auf der Reise sichern sollten; aber so vorsichtig und heimlich er auch damit zu Werke ging, so entwischte doch dem aufmerksamen Ange des Prinzen Juan von Oesterreich nichts, und durch diesen Canat erfuhr der König alles wieder.
Philipp machte aus dem allen den Schluß, daß fein Sohn entweder entfliehen, oder ihm selbst Ge walt anthun wollte. Er wußte eigentlich noch nicht gewiß, welche von den beyden Muthmaßungen die wahre sey, bis er von dem General der Posten benachrichtiget wurde: daß ein Franzose bey der Königinn sehr heimlich um drey Pferde angehalten habe, welche beym Einbruch der Nacht zur Reise fertig seyn sollten. Dieß benahm dem König allen
( ist ) fernern Zweifel, und er war nur noch unentschlüßig, »eiche Parthie er bev dieser Lage der Sachen er» greifen müßte, und ob er seinen Sohn nur mit einem aufmerksamen Auge beobachten, oder sogleich festsetzen ließe. Endlich ergriff er die letzte — die, welche mit seinem mirtrauischen Herzen am meisten überein kam. Um aber sein Betragen gegen den Dom Carlo« im Folgenden entschuldigen zu können, gab er Ordre, daß man ihn nicht eher, al« den Aue genbltck arretiren möchte, wenn er eben zu entfliee hen im Begriff sey. Der Prinz hakte würklich Anstalten zur Abreise in der nrmltchen Nacht getrost fen, und hatte sich vorher zur Königinn begeben, um Abschied von ihr zu nehmen. Rui > Gomez kam dazu, und benachrichtigte sie im Namen de« König«, daß die Mohren eine Rebellion angesangen hätten. Hierüber sprach der schlaue Minister so lange, daß der Prinz nicht mehr Zeit genug zu einem glücke llchen Entkommen in der Nacht übrig zu haben glaubte, und sein Unternehmen daher auf die au, -ere Nacht verschob. Rui »Gomez entfernte sich, al« der Prlnz zu Bette gegangen war; besetzte aber alle Eingänge seiner Zimmer mit getreuen und «nl, schioffenen Leuten, damit er seinen Vorsatz nicht auösühren möchte. Philipp
C 187 ) Philipp hatte keinen ruhigem Augenblick mehr, unb er kam jetzt selbst, sich seiner Person zu bemäch» tlgen. Er ließ die Thür durch einen Schlösser öffnen, und befahl dem Grafen von Lerma, tn die Kammer des Prinzen zu gehen, und ihm die Was, fen wegzunehmen, welche er unter feinem Kopfe küssen versteckt halte. Nachdem dieß, ohne daß der Prinz aufwachte, geschehen war, trat der König selbst, von bewaffneten Leuten begleitet, -in da« Zimmer. Der Prinz, welcher in einem tiefen Schlaf lag, wurde jetzt aufgeweckt, that eine» lauten Schrey, und rief: ich bin des Todes! al« er seine Augen öffnete. Der König schien ganz kalt zu seyn, und sagte: daß man ihn nur zu seinem Besten beunruhige. —. Darauf bemächtigte er sich noch eines Kästchens, worin Papiere waren, und welche« unter dem Bette des Prinzen stand. Dom Carlos wurde ganz wüthend, als er diesen Schatz in den Händen des Königs sahe, und warf sich nak» kend tn einen Haufen glühender Kohlen, die man wegen der großen Kälte angezündet hatte. Der un glückliche Prinz wollte sich darüber ersticken, und er konnte nur mit der größten Gewalt davon zurückge» zogen werden. Sein Zimmer wurde sogleich von allen Meubeln ledig gemacht, uud man lleß nicht« als eine schlechte Matratze darin liegen. Keiner von
ton feinen Bedienten wurde mehr zu ihm gelassen; et mußte einen Trouerrock anztehen, und dlejeutgen, welche ihn bedienten, und wovon er keinen kannte, waren gletchfais schwarz gekleidet. Wohin der unglückliche Prinz blickte, sahe er das Bild des Todes vor sich. — Der König las all- Papiere mit größter Auf merksamkeit durch, welche er bey seinem Sohn ge, funden hatte. Er erschrak über die Gefahr, die so nahe über ihm geschwebt, da er die Vorschläge fand, welche man dem Dom Carlos von Seiten der Niederländer gethan hatte; aber er gerieth vol lends in eine wüthende Eifersucht, als er den Brief der Königinn an jenen las, welchen sie ihm nach Aleala geschrieben hatte. Die deutlichen Ausdrücke einer darin herrschenden Zärtlichkeit, die unverkenn baren Ergüsse einer schmachtenden Liebe, die innig sten Empfindungen des Mitleids , - die das Auge Philipps darin entdeckte, waren eben so viel Dolche, die sein mtstrautsches Herz durchbohrten. Sein Sohn und seine Gemahlinn waren ihm nun auf einmal die verächtlichsten und haffenöwürdigsten Geschöpfe geworden. Er konnte nicht mehr an sie denken, ohne jedesmal eine wilde Rachsucht gegen Ihre vermeinten Verbrechen zu empfinden, und er beschloß,
t
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beschloß, es koste was es wolle, alle seine Wuth an ihnen und ihren Mitgehülfen auezulassen.
Die Lieblinge des Prinzen wurden hingerlchtet, und Philipp hatte in seinem Herzen auch bereits
schon über, den unglücklichen Dom Carlos das To, desurtheil gesprochen.
Ganz Europa war aufmerk,
sam aus eine Scene, die das Schicksal eines künf,
eigen königlichen Thronerben entscheiden sollte. All« europäische Monarchen legten sich ins Mittel, und
stellten dem wüthenden Philipp vor: daß er seinen
Namen auf ewig durch die Hinrichtung seines eige, «en Sohnes beflecken werde; — aber olles war um,
sonst.
Die Seele des königlichen Barbaren hört«
keine Stimme der Natur,
der Freundschaft und
Politik mehr, nur das Blut des Prinzen konnte sie
beruhigen, und dieser bekanr jetzt würkltch den stren«
gen, väterlichen und mehr als grausamen Befehl: daß « sich die Art seines Todes wählen möchtet —
Der Prinz wurde erschüttert, als diese schänd, liche Bothschafl an ihn kam, — nicht sowohl aus
rigener Furcht vor dem Tode, als aus der mehr als zu gewissen Vermuthung,
daß dieses nemlichr
Schicksal eine Person treffen würde, für welche er gern tausend Leben hingegebeu hätte. Zweiter Land.
N
Zsabelle ließ
den
( r-o ) den Prinzen bitten, daß er sich in diesen kritischen Umstanden dem König zeigen sollte. Al« man ihm sagte: daß sein Vater ankäme, rief er: sagt nicht mein Vater, sondern mein König! Philipp trat mit einem ernsten Gesicht in« Zimmer, und Dom Larios warf sich ihm zu Füße«, und sagte; daß e« da« Blut seine« Kindes, daß fein eigene« Blut sey, was er sich zu vergießen vorgenommen hätte! Selbst diese Sprache, die ein weichere« Baterherz mit unendlicher Wehwuth erfüllt haöen würde, erwiederte der Barbar mit einer kalten Miene und mit den mehr al« unmenschlichen,Worten: wenn ich schlechtes Blut habe, so lasse ich« mir durch den Lhirurgu« abzapfen! — Werte, die dem unglücklichen Prinzen alle Hoffnung benäh, men, und ihn um so viel mehr aufbrtngen mußten, da er e« für niederträchtig hielt, seine Kniee vor einem Vater gebeugt zu haben, in dessen Brust ein Tiegerherz schlug. Er stand in dem Augenblick mit einer trotzigen Miene auf, und fragte mit ent# schloffener Stimme: ob da« Bad Hine« Todes, da« er sich gewählt habe, ferrg sey? Hast du mir nicht« weiter ais da« zu sagen? erwiederte Philipp. Nicht«! war die Antwort de« unglücklichen Prin# zen, und wenn nicht, fuhr er fort, Leute, gegen die ich erst mit meinem Tode dankbar zu seyn aushöreir werde.
(
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werde, mich Sie zu sehen verpflichtet hätten, ft würde ich nicht die Niederträchtigkeit, Sie um Gnade zu bitten, begangen haben, — würde rühm»
kicher gestorben seyn, als Sie jemals leben «er»
den.'-----Der König entfernte sich ohne das mindeste Zeichen einer Gemüthsbewegung, und jetzt war das Bad fertig, in welchem Dom Carlos sterben sollte. Er stieg mit der ruhigsten Entschlossenheit hinein, ließ sich die Adern an den Armen und Füßen iffnen, und befahl, daß man ihn in den letzten Augenblicken seines Lebens ganz allein lassen möchte! Zudem sein Dlut von ihm rann, hielt er das Bild der Kint» ginn en Mignatüre in seiner Hand, welches man ihm geschickt hatte, als sie zu seiner Gattin» be» stimmt wurde, und Er verließ eS mit keinem Blick, bis der herannaheude Tod ihm die Augen schloß.
Dom Carlo- starb den rssten Zuli isäz. Um das Volk, das ihm am Ende seines Lebens wieder günstig geworden war, auf die Nachricht von seinem Tode vvrzubereiten, hielt man ihn lange verborgen. Hernach hieß es, daß der Prinz eine gefährliche Krankheit habe, und endlich, daß er gestorben sey. Der Schmerz des Volks «nd die
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C Ifl > Berjweiflung seiner Domestiken wurde aus ejmnat über den Verlust eines so liebenswürdigere Herrn so laut, daß der König erschüttert wurde. Der Graf von Lerme, welchem man die Wache bey dem Prinzen wahrend seiner Gefangenschaft onx vertrauet hatte, hatte eine solche Freundschaft gegen ihn gefaßt daß er. vor Yen Augen des ganzen HofeS untröstbar schien. Philipp beschenkte die Bedienten des Dom Carlos, um .ihren Verdruß zu mildern, sehr reichlich; aber alle diese Prohen von Freygebig, seit waren nichts anders, als eben so viel Einge ständnisse seines Verbrechens. Die Rache deS Königs war aber selbst durch dieses unmenschliche Opfer noch nicht befriedigt. Drantome versichert, daß der Barbar seiner Gemahlinn, ob sie gleich schwanger war, einen Trank aufgedrungen habe, O4i dem sie svtzleich gestorben sey. Man öffnete die Lerche der unglücklichen Prinzessinn, und fand den Magen, die Eingeweide, und selbst d§6 Kind, wel, cheö sie unter ihrem Herzen trug, ganz verbrannt.