Sämtliche Werke. Band 11 Denkwürdigkeiten: Aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Vorworte, Nachworte und Anmerkungen zu von Moritz herausgegebenen Werken 9783110332315, 9783110332285

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German Pages 773 [774] Year 2013

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Table of contents :
Publizistik
Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen
Herausgegebene Schriften
John Trusler, Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 1784
Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786
James Beattie, Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790
Adam Walker, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791
Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin 1792–94
Kabinet der neuesten englischen Romane, Berlin 1793
Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93
Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, Berlin 1793
Kommentar
Benutzungshinweise
1. Zu diesem Band
2. Editorische Abkürzungen und Zeichen
3. Allgemeine Abkürzungen
4. Abgekürzt zitierte Werke von Moritz
5. Abgekürzt zitierte Literatur
Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen
Überlieferung
Überblickskommentar
Dokumente
Die Texte im einzelnen
Vorwort
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Almansor
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ueber Moses Mendelssohn
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das Buch
Überlieferung
Stellenerläuterungen
An die künftigen Zeiten
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Pädagogen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Schöpfung der Götterwelt
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das Eisen. Ein Ideenspiel
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Macht des Unglücks
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Am 24sten Januar
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Holzendorf
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das Skelet
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Schwärmerei
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das menschliche Elend
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Phantasie
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das Kriegsheer
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Jean Vaumorin und sein Sohn
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Schlafen und Wachen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die lezte Klage des müden Wandrers
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Bibliotheken
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Morgenphantasie
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Warum? und wozu?
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Der tragische Dichter
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Frühlingsgedanken
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die lezte Freistadt des Weisen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Unterordnung der Vergnügungen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Unmuth und Fassung
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ein Blick auf das alltägliche Leben. An ***
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Zeit und Ewigkeit
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben?
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ueber deutsche Titulaturen
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Edle Herablassung eines Fürstensohns
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Edle Beispiele. Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus einem Reisejournal
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus K. . .s Papieren
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Ersatz für das Schrecklichste
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Theater. Puf van Vlieten
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus einem ungedruckten Singspiele
Überlieferung
Stellenerläuterungen
An ***
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Aus K. . .s Papieren. (Beschluß.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Selbstgefühl
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Die Abenddämmerung. An ***
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Nach Hanns Sachs
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Noch etwas aus K. . .s Papieren
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
F. . .s Geschichte
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Kannst du dem Stengel
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder
Überlieferung
Stellenerläuterungen
F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.)
Überlieferung
Stellenerläuterungen
So sinke denn unter
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Fragment einer Predigt Ueber die Leiden des Lebens
Überlieferung
Stellenerläuterungen
Zu Moritz’ Herausgaben
John Trusler, Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 1784
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
James Beattie, Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790
Überlieferung
Überblickskommentar
Die Texte im einzelnen
Adam Walker, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin 1792–94
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
Kabinet der neuesten englischen Romane, Berlin 1793
Überlieferung
Überblickskommentar
Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, Berlin 1793
Überlieferung
Überblickskommentar
Stellenerläuterungen
Personenregister
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Sämtliche Werke. Band 11 Denkwürdigkeiten: Aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Vorworte, Nachworte und Anmerkungen zu von Moritz herausgegebenen Werken
 9783110332315, 9783110332285

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Karl Philipp Moritz Smtliche Werke ——— Band 11

Karl Philipp Moritz Smtliche Werke Kritische und kommentierte Ausgabe Herausgegeben von Anneliese Klingenberg, Albert Meier, Conrad Wiedemann und Christof Wingertszahn

Band 11

De Gruyter

Karl Philipp Moritz Denkwrdigkeiten

Vorworte, Nachworte und Anmerkungen zu von Moritz herausgegebenen Werken Herausgegeben von Claudia Stockinger

De Gruyter

Kritische und kommentierte Moritz-Ausgabe gefçrdert von der Hamburger Stiftung zur Fçrderung von Wissenschaft und Kultur und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Gedruckt mit Untersttzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-15700-2 (Gesamtwerk) ISBN 978-3-11-033228-5 (Band 11) eISBN 978-3-11-033231-5  2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: pagina GmbH, Tbingen Druck und Buchbinder: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Gçttingen

¥ Gedruckt auf surefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Texte Publizistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Herausgegebene Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . John Trusler, Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 1784 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . James Beattie, Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adam Walker, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791 . . . . . . . . . . . . . Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin 1792–94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kabinet der neuesten englischen Romane, Berlin 1793 . . . . . . . . . . . Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93 . . . . . . . . . . . . Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegypter aus

225

227 233 234 276 294 297 299

den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, Berlin 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301

Kommentar Benutzungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 305

VI

2. 3. 4. 5.

Inhaltsverzeichnis Editorische Abkürzungen und Zeichen Allgemeine Abkürzungen . . . . . . . . . Abgekürzt zitierte Werke von Moritz . Abgekürzt zitierte Literatur . . . . . . . .

...................... ...................... ...................... ......................

308 309 312 317

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Texte im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339 339 340 361 375

〈Vorwort〉 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375 375 375

Almansor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

380 380 380

〈Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur〉 . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383 383 385

Ueber Moses Mendelssohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

389 389 389

Das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394 394 397

An die künftigen Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401 401 401

Inhaltsverzeichnis

ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Pädagogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Schöpfung der Götterwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Das Eisen. Ein Ideenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Macht des Unglücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

403 403 403 407 407 409 412 412 413 414 414 414 417 417 417 419 419 421 423 423 424

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

426 426 427

Holzendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 429

Am 24sten Januar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII

Inhaltsverzeichnis

Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431 431 431

Das Skelet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

435 435 438

Die Schwärmerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

440 440 440

Das menschliche Elend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

442 442 445

Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

448 448 448

Phantasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449 449 449

Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

451 451 451

Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

453 453 453

Das Kriegsheer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 460 461

Inhaltsverzeichnis

Jean Vaumorin und sein Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft – . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

462 462 462 465 465 469

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

470 470 470

Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

472 472 473

Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475 475 476

Die lezte Klage des müden Wandrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

477 477 478

Die Bibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

480 480 480

Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

483 483 484

Morgenphantasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

485 485 485

Schlafen und Wachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

Inhaltsverzeichnis

Warum? und wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

486 486 487

Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

488 488 488

Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

489 489 489

Der tragische Dichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

492 492 492

Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

493 493 495

Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

496 496 496

Frühlingsgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

497 497 497

Die lezte Freistadt des Weisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

498 498 500

Inhaltsverzeichnis

Die Unterordnung der Vergnügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Unmuth und Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

503 503 503 506 506 506 508 508 508

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509 509 509

Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

511 511 513

Ein Blick auf das alltägliche Leben. An *** . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zeit und Ewigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

516 516 517

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

519 519 519

Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

523 523 523

Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister . . . . .

Ueber deutsche Titulaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

525 525 526

XII

Inhaltsverzeichnis

Edle Herablassung eines Fürstensohns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

528 528 528

Edle Beispiele. Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande

531 531 531

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

533 533 533

Aus einem Reisejournal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

535 535 535

Aus K. . .s Papieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539 539 539

Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

541 541 541

Ersatz für das Schrecklichste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

543 543 544

Theater. Puf van Vlieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

546 546 546

Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

549 549 549

Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

XIII

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

553 553 553

Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555 555 558

Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

560 560 560

Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Aus einem ungedruckten Singspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

An *** . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

562 562 562 563 563 563

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

565 565 565

Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

568 568 568

Selbstgefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

569 569 569

Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren . . . . . . . . . . . . . . . .

571 571 571

Aus K. . .s Papieren. (Beschluß.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIV

Inhaltsverzeichnis

Die Abenddämmerung. An *** . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

573 573 573

Nach Hanns Sachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

574 574 574

Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

576 576 576

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

578 578 578

Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

581 581 585

F. . .s Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

586 586 586

ÇKannst du dem StengelÈ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

588 588 588

Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

589 589 591

Noch etwas aus K. . .s Papieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ÇSo sinke denn unterÈ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

592 592 592 594 594 594

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

596 596 596

Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

597 597 597

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

600 600 602

Zu Moritz’ Herausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

605

John Trusler, Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 1784 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

610 610 616 625

Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786 Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . .

627 627 627 636

Fragment einer Predigt Ueber die Leiden des Lebens . . . . . . . . .

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XVI

Inhaltsverzeichnis

James Beattie, Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Texte im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

638 638 638 643

Adam Walker, Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791 . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1792–94 . . . . . . . . . . . . . . . . ....................... ....................... .......................

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Kabinet der neuesten englischen Romane, Berlin 1793 . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93 Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . .

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Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit der Aegypter aus

den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, Berlin 1793 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblickskommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenerläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Publizistik

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. 5

Herausgegeben von Carl Philipp Moritz. Erstes Vierteljahr. Berlin, 1786.

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Bey Johann Friedrich Unger.

Inhalt

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Almansor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur . . Ueber Moses Mendelssohn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Buch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bücherwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An die künftigen Zeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere . . . . . . . . . . . . Die Pädagogen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schöpfung der Götterwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto. . . . Das Eisen. Ein Ideenspiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Macht des Unglücks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am 24sten Januar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holzendorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf. . . . . . . . . Das Skelet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schwärmerei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das menschliche Elend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phantasie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Publizistik

Das Kriegsheer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jean Vaumorin und sein Sohn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft – . . . . . . . . . . . . . . . Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafen und Wachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die lezte Klage des müden Wandrers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bibliotheken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur. . . . . . Morgenphantasie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum? und wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder. . . . . . . . . . . . . . Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der tragische Dichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters. . . . . . . . . . . . . . Frühlingsgedanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die lezte Freistadt des Weisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unterordnung der Vergnügungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmuth und Fassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Blick auf das alltägliche Leben. An *** . . . . . . . . . . . . . . Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeit und Ewigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister. . . Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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Ueber deutsche Titulaturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edle Herablassung eines Fürstensohns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edle Beispiele. Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder. . . . . . . . . . . . . Aus einem Reisejournal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus K. . .s Papieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatz für das Schrecklichste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theater. Puf van Vlieten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf dem Luthersbrunnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus einem ungedruckten Singspiele. (Im Saale vor dem Schlafgemach der Herzogin.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An *** . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus K . . .s Papieren. (Beschluß.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählung des Herausgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstgefühl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren. . . . . . . . . . . . . . . Die Abenddämmerung. An *** . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach Hanns Sachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch etwas aus K. . .s Papieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. . .s Geschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kannst du dem Stengel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . So sinke denn unter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragment einer Predigt Ueber die Leiden des Lebens. . . . . . .

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Vorwort

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Vorwort

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Der Verfasser hat in den ersten Stücken dieser Denkwürdigkeiten nur vorzüglich den Gesichtspunkt festzusetzen gesucht, worauf inskünftige bei dieser Schrift hingearbeitet werden soll; dieser ist: d i e g e hörige Würdigung des Denkbaren, in Rücksicht auf d i e Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s . – Um diesen Gesichtspunkt näher zu bestimmen, mußte nothwendig erst die Entwickelung einiger allgemeinen Begriffe vorangehen, ehe zu dem eigentlichen D e t a i l der Ausführung geschritten werden konnte. Dieß ist die Ursach, warum in diesen ersten Stücken auf den eigentlichen Inhalt der A n k ü n d i g u n g dieser Schrift noch so wenig Rücksicht hat können genommen werden, und die speziellen Rubriken, als T h e a t e r , s c h ö n e K ü n s t e , P ä d a g o g i k , e d l e B e i s p i e l e , u. s. w. durch andre Aufsätze über größtentheils abstrakte Gegenstände verdrängt worden sind. Diese Aufsätze waren n o t h w e n d i g , um die U n t e r l a g e a l l e s v o n n u n a n F o l g e n d e n zu seyn, wodurch dasselbe erst Zweckmäßigkeit und Werth erhalten kann. Sie enthalten eine Auseinandersetzung vom Edlen und Schönen in Ansehung der Bildung des menschlichen Geistes, worauf hier alles ankömmt. Diese Begriffe müssen uns nothwendig bei der Betrachtung der Dinge in der Welt zur beständigen Richtschnur dienen, wenn wir dieselben nicht über oder unter ihrem eigentlichen Werth würdigen wollen. Unter allen Endzwecken menschlicher Einrichtungen und Bestrebungen muß nothwendig Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s oben an stehen; sobald wir diesen Zweck oben an stellen, ordnet sich alles übrige von selbst, und nimmt seinen gehörigen Platz ein; stellen wir einen andern Zweck oben an, so ist nichts als Unordnung und

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Verwirrung. – Da nun aber in unserm k a m e r a l i s t i s c h e n Z e i t a l t e r fast alles menschliche Denken auf die E r n ä h r u n g d e s K ö r p e r s hingerichtet ist, und der Mensch doch nicht bloß lebt und denkt, um zu e s s e n , sondern i ß t , um z u d e n k e n u n d z u l e b e n , so kann es wohl nicht schaden, wenn die Aufmerksamkeit einmal von dem untergeordneten Zweck der Ernährung des Körpers, auf den höhern Zweck der Veredlung und Bildung des Geistes hingelenkt wird. Das kann aber dadurch geschehen, wenn aus der immerwährenden Ebbe und Fluth der menschlichen Dinge dasjenige herausgehoben, und besonders vors Auge gestellt wird, was vorzüglich den Menschen interessirt, und zur Veredlung seines eigentlichen Wesens mittelbar oder unmittelbar beiträgt; wenn aus der großen Menge des Wissenswürdigen und Denkwürdigen, das zu umfassen kein Menschenleben mehr zureicht, der Blick auf das W i s s e n s w ü r d i g s t e u n d D e n k w ü r d i g s t e , in beständiger Beziehung auf die Vervollkommnung unsers Wesens, gehalten wird. Denn d i e s e B e z i e h u n g der Dinge muß nothwendig immer die erste bleiben, und alle übrigen Beziehungen sind nur wichtig in so fern sie auf diese erste Beziehung wieder Bezug haben. – Wa s a l s o n u n v o n d e m , w a s i s t u n d g e w e s e n i s t , a u f d e n e i g e n t l i c h e n P u n k t d e r Ve r v o l l k o m m n u n g u n s e r s We s e n s a m m e i s t e n a b z w e c k t , o d e r a b g e z w e c k t h a t , und was diesen Zweck am meisten zu verhindern s c h e i n t , o d e r z u v e r h i n d e r n g e s c h i e n e n h a t – das soll der vorzüglichste Gegenstand dieser Blätter seyn, und in dieser beständigen Hinsicht sollen die in der ersten Ankündigung dieser Schrift enthaltenen einzelnen Rubriken, als: E d l e B e i s p i e l e ; ö f f e n t l i che und Privaterziehung; Schöne Künste; Theater; Kenntnisse, die zum Umlauf reif sind; nützliche Erfindungen; Handhabung der Gerechtigkeit; Predigtwes e n ; r e l i g i ö s e S c h w ä r m e r e i ; Vo l k s v o r u r t h e i l e ; Vo l k s i r r t h ü m e r ; m e n s c h l i c h e s E l e n d i m Ve r b o r g n e n ; m e r k w ü r d i g e M i s s e t h ä t e r ; I n d u s t r i e ; u n e r k a n n t e s Ve r dienst; u. s. w. künftig bearbeitet werden. M.

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Almansor

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Erstes Stück.

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Almansor.

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Schon als ein Knabe laß A l m a n s o r mit einem geheimen Vergnügen die Verzeichnisse von den Schriftstellern und Dichtern seines Vaterlandes. Von seiner frühesten Kindheit an hatte er schon durch ihre Werke seinen Geist genährt; er fühlte innige Hochachtung und Liebe mit Bewunderung verknüpft gegen diese erhabenen Lehrer seiner Jugend, und konnte zuweilen dem Gedanken nicht widerstehen, sie für Wesen höherer Art zu halten. Was Wunder, daß bei ihm der geheime Wunsch entstand, wo möglich dereinst in diesem glänzenden Zirkel der besten Köpfe seiner Nation einen Zutritt zu gewinnen; und daß von nun an alle sein Streben dahin ging, sich den Weg zu diesem großen Ziele zu bahnen. Er übte sich also unablässig in der Kunst, seine Gedanken durch wohlgewählte Worte auszudrücken, und sie auf die Weise beständig in das anpassendste Gewand der Sprache zu kleiden. – Alles was der Mensch mit Ernst will, gelingt ihm. – A l m a n s o r hatte seine Jünglingsjahre noch nicht vollendet, als er schon seinen Nahmen in den Verzeichnissen der Schriftsteller seines Vaterlandes erblickte. Aber ach, wie hatte seit seinen Knabenjahren ihre Anzahl sich vermehrt! – Die erhabenen Lehrer seiner Jugend verloren sich mit unter der ungeheuren Menge, wie die glänzenden Sterne der Nacht, wenn ein dicker Nebel sie dem Auge verbirgt. Obgleich die Sterne so hell, wie vormals schimmern, so ist der Nebel doch dem Auge näher, und hält ihren sanften Glanz zurück. – A l m a n s o r staunte über die Wuth zu schreiben, die sich aller seiner Zeitgenossen bemächtigt hatte, und schämte sich, daß er sich unter ihrer Zahl befand.

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Der süße Traum seiner Jugend war nun zum Theil erfüllt – er hatte sich einen Zutritt zu den Zirkeln der Gelehrten erworben. – Aber wie sehr fand er sich in seiner Erwartung betrogen! – statt jener Wesen höherer Art, die seine Knabenphantasie ihm einst vorgemahlt hatte, fand er nicht gerade das Gegentheil von dem, was er erwartet hatte? nein! – aber er fand das wirklich Edle und Schöne in Gesinnungen und Handlungen bei den meisten unter solch einem Schwall von kleinen Kunstgriffen, sich einen Nahmen zu machen, von unaufhörlichen ängstlichen Bemühungen, sich einander den Rang abzulaufen, von niedriger Eifersucht und kindischer Eitelkeit, versteckt, daß er es nicht mehr der Mühe werth fand, es darunter hervorzusuchen: ihm ekelte vor der Schriftstellerwelt, in deren Geheimnisse er nun einen Blick gethan hatte. Die große Natur, dachte er, ist immer gut und schön, im Winter und im Frühling, im Sturmwind und im Sonnenschein – was suche ich denn so ängstlich und mühsam, nach dem, was mir so nahe liegt? – A l m a n s o r schöpfte nun täglich Nahrung für seinen Geist aus dem Anblick der Morgensonne, und der grünen Bäume, Kräuter und Pflanzen, die ihre reizende Gestalt in seinem Auge spiegelten. Von dem grünen Teppich der Wiese hob er sein gestärktes Auge zu dem sanften Blau des Himmels empor – und fühlte sich wieder größer und edler in der großen und edlen Natur. Seine Hypochondrie, die ihm noch aus seiner Schriftstellerepoche anklebte, verlor sich allmälig – im leichtern Kreislauf rollte sein Blut wieder durch seine Adern. – Kaum fühlte er sich nun an Seele und Körper völlig froh und heiter, so wandelte ihn – wer hätt’ es denken sollen? – seine Sucht zum Schreiben wieder an. Ein gefährlicher Rückfall, wenn er nicht Kraft genug hatte, zu widerstehen! – Er hatte nicht Kraft genug zu widerstehen – Er schrieb, aber während daß er schrieb, verfeinerten sich seine Gedanken, erweiterte sich sein Gesichtskreis – denn die große Natur war seine Lehrerin, seine Führerin geworden – nicht mehr das zweideutige Lob, nach dem er

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Was giebt es Edleres und Schöneres

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einst begierig haschte, sondern die Größe seines Gegenstandes begeisterte ihn – durch jede Anstrengung, womit er einen würdigen Ausdruck für einen edlen Gedanken suchte, vervollkommnete sich sein Geist; auch veredelten sich die Neigungen seines Herzens: denn er bestrebte sich, zu nützen, und zu bessern.

Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur

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Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur, als den Geist des Menschen, auf dessen Vervollkommnung alles übrige unablässig hinarbeitet, und in welchem sich die Natur gleichsam selbst zu übertreffen strebt. Denn die Natur, welche den menschlichen Geist gebildet hat, gnügt ihm zulezt nicht mehr – er ruft in der Schöpfung, die ihn umgiebt, eine neue Schöpfung hervor. – Die Bäume die ihm Schatten gaben, müssen sich nun, ihres Schmucks beraubt, und in Bretter und Balken verwandelt, zu künstlichen Wohnungen für ihn zusammenfügen; sie müssen sich zu seinem Sitze krümmen oder ihre glatte Fläche vor ihm erheben, um die Speisen seinem Munde, und die Arbeit seinen Händen und seinem Auge näher zu bringen. Mitten im Schooße der Natur steigt zwischen Bergen, Thälern und Flüssen, plözlich eine Stadt empor mit Pallästen, Statüen, Gemählden, Tempeln, Schauspielen, Musik und Tanz – Durch wen entstand dieß große Zauberwerk? – Die gütige Natur schuf und bildete den menschlichen Geist, und brachte das mittelbar durch ihn hervor, was sie selbst unmittelbar nicht würde hervorgebracht haben. – Sie ließ es sich wohl gefallen, daß der Mensch ihre Wälder zu Städten und Dörfern, ihre Felsenbrüche zu Pallästen und Thürmen umschuf – Denn das Größte, was er unternehmen konnte, brachte noch keine Aenderung in ihrem großen Plane hervor. – Warum sollte

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sie ihm nicht vergönnen, in ihrem unermeßlichen Pallaste sein Nest zu bauen? – Der schöpferische Geist des Menschen ahmt die große Natur im Kleinen nach; bestrebt sich, durch die Kunst ihre Schönheiten im verjüngten Maßstabe darzustellen, und wähnt wohl gar, sie zu übertreffen und zu verschönern – aber die Natur sieht lächelnd seinem Spiele zu, und läßt ihn eine Weile seine kleine Schöpfung anstaunen – dann verschwemmt sie, was er schuf, in dem Strome der Zeiten, und läßt wieder neue Werke der Kunst unter fremden Himmelsstrichen emporsteigen, um sie auch dereinst wieder in Vergessenheit zu begraben – Sie aber ist sich immer gleich und jugendlich – ihr sanfter Hauch erquickt mit jedem Frühling die Erde, ihr belebender Strahl weckt mit jedem Morgen die schlummernde Welt zu neuer Thätigkeit. In ihrem mütterlichen Schooße erzieht sie ein Menschengeschlecht nach dem andern, und bildet unzählige Geister zu höherer Vollkommenheit, deren sterbliche Hülle sie dann wieder mit dem Staube mischt, aus dem sie unaufhörlich Wachsthum und neues Leben hervorruft. Sollte nun die sonst so sparsame Natur mit so vielem Aufwande den menschlichen Geist gebildet haben, um Statüen, Tempel und Gemählde, die sie nicht unmittelbar schuf, durch ihn hervorzubringen? oder schuf sie nicht vielmehr nur deswegen Statüen, Tempel und Gemählde durch den menschlichen Geist, weil sie ihn selbst eben durch diese Ausübung seiner schaffenden Kraft vollkommner machen wollte? – Sollte alle das Gewirre in der bürgerlichen Welt keinen Zweck haben, als sich selbst – wer könnte dann diesen Knoten lösen? Arbeitet die Natur nicht unaufhörlich auf Veredlung und Verfeinerung des gröbern Stoffes hin? – Ist Gold nicht edler als Silber, und der Geist nicht edler als Gold? – Kann die Natur etwas Erhabeneres hervorbringen, als einen Menschen, der sagen kann:

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Schön ist Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht, Aber schöner ein froh Gesicht, Das den großen Gedanken deiner Schöpfung noch einmal denkt! Ist es nicht die Krone ihres Werks, von einem Wesen, das sie schuf und bildete, so angeredet – so gedacht zu werden? Wer kann sie fassen, wer kann sie lieben, als der Geist des Menschen? O hier ist eine Goldgrube, reicher als alle Berge von Peru. – Hier bildet sich das edelste Metall, von ächtem innerem Gehalte, wogegen der Glanz des feinsten Goldes schwindet. Ob nun gleich der Mensch so oft seinen Werth verkennt, und über die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse, unter Arbeit und Sorgen, sein geistiges Wesen ganz vergißt, so leitet ihn dennoch die gütige Natur durch alle das Gewirre der Geschäfte und die Krümmungen des Lebens, unvermerkt dem großen Endzweck näher, wozu sie ihn schuf. – Jeder Stand, jede Beschäftigung im Leben giebt unvermerkt dem Geiste Nahrung, indem durch tausend zufällige Veranlassungen die Denkkraft der Seele geübt wird, Schlüsse, Entwürfe und Pläne zu machen, ihre Ideen zu ordnen, ein Ganzes zu übersehen, und sich die Dinge in der Welt aus dem rechten Gesichtspunkte vorzustellen. Ohne selbst daran zu denken, übt der Mensch stündlich und augenblicklich seine Denkkraft; und vom Könige der sein Volk beherrscht, bis zum Hirten, der seine Heerde weidet, ist von dieser immerwährenden Wohlthat der Natur niemand ausgeschlossen. Wenn das Messer nur einst scharf schneidet, was liegt denn an dem Steine, worauf es gewezt ward? – Da nun aber der Geist des Menschen so sehr außer sich wirkt, daß er sich oft in den Dingen die ihn umgeben verschwimmt, und anfängt, sie für höher als sich selbst und Wesen seiner Art zu halten, so ist es nöthig, daß er auf alle Weise in sich selbst und auf seinen eignen Werth zurückgeführt werde.

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Ernstes Nachdenken muß hier, wie die Arznei bei einer körperlichen Krankheit, der Natur zu Hülfe kommen, und ihre Endzwecke zu befördern suchen. Der Mensch muß es wieder empfinden lernen, daß er um sein selbst willen da ist – er muß es fühlen, daß bei allen denkenden Wesen, das Ganze eben so wohl um jedes Einzelnen willen, als jeder Einzelne um des Ganzen willen da ist. Die Natur giebt uns also selbst den besten Fingerzeig, wo wir das wahre Edle und Schöne aufsuchen und befördern sollen. – Alles, was sie her-vorbringt, erreicht erst dann den höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit, wenn es sich irgend einem menschlichen Geiste darstellt, der im Stande ist, diese Vollkommenheit zu begreifen. Wir haben also nun einen festen Gesichtspunkt, auf welchen wir alles beziehen können – es kömmt nur in so fern auf die Veredlung und Verfeinerung der schönen Kunstwerke an, als der menschliche Geist durch die Betrachtung dieser Kunstwerke veredelt und verfeinert werden kann. Alle Wissenschaften und Künste, die seit Jahrtausenden erfunden sind, müssen sich in diesem Punkte vereinigen. – Und es ist wohl einmal Zeit, daß der Mensch, das hin und her zerstreute, bisher so oft vernachlässigte, und gemißbrauchte, in diesem einzigen erhabenen Gesichtspunkte zusammenfaßt, und es darnach schätzen lernt. Es muß nothwendig ein gemeinschaftlicher Faden, durch alle das Mannichfaltige, was in den Köpfen von Millionen Menschen zerstreut ist, durchlaufen, um es zu einem gewissen festen Endzwecke zusammen zu knüpfen, und es nach seinem verhältnißmäßig größern oder geringern Einfluß auf die allgemeine Bildung des menschlichen Geistes zu ordnen. Der einzelne Mensch muß schlechterdings niemals als ein bloß n ü z l i c h e s sondern zugleich als ein e d l e s Wesen betrachtet werden, das seinen eigenthümlichen Werth in sich selbst hat, wenn auch das ganze Gebäude der Staatsverfassung, wovon er ein Theil ist, um ihn her wegfiele.

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Der Staat kann eine Weile seine Arme, seine Hände brauchen, daß sie wie ein untergeordnetes Rad in diese Maschine eingreifen – aber der Geist des Menschen kann durch nichts untergeordnet werden, er ist ein in sich selbst vollendetes Ganze. Baumstämme mögen sich behauen und beschneiden lassen, um zu dem Ganzen eines Gebäudes ineinander gefugt zu werden. – Der Mensch soll keinen Gran von den Vorzügen seines Wesens verlieren, um in irgend ein Ganzes, das außer ihm ist, gepaßt zu werden, da er selbst für sich das edelste Ganze ausmacht. Daß ich denke und den Werth meines Daseyns fühle, will ich nicht dem Zufall danken, der mir gerade unter dem Theile des Menschengeschlechts einen Plaz anwieß, der sich den g e s i t t e t e n T h e i l nennt – ich stelle mich auf die unterste Stufe, worauf mich der Zufall versetzen konnte, und gebe keinen von meinen Ansprüchen auf die Rechte der Menschheit nach. Ich fordre so viel Freiheit und Muße, als nöthig ist, über mich selbst, über meine Bestimmung, und meinen Werth als Mensch, zu denken. Eins der größten Uebel, woran das Menschengeschlecht krank liegt, ist die schädliche Absonderung desselben, wodurch es in zwei Theile zerfällt, von welchen man den einen, der sich erstaunliche Vorzüge vor dem andern anmaßt, den g e s i t t e t e n T h e i l nennt. Dieser Theil scheint sich für den Zweck der Schöpfung, und alle übrige Menschen für untergeordnete Wesen zu halten, die deswegen im Schweiß ihres Angesichts die Erde bauen, damit es Rechtsgelehrte, Staatsmänner, Priester, Künstler, Dichter und Geschichtschreiber geben könne, von deren geistigen Beschäftigungen, und verfeinerten Vergnügungen, jene Bebauer des Feldes nicht einmal die Nahmen wissen. Aber auch selbst in den gesitteten Ständen betrachtet immer ein Theil den andern mehr als bloß brauchbare und nüzliche Wesen – so denkt man sich immer einen Theil von Menschen, als ob er bloß um des andern Willen da wäre – dieß geht ins Unendliche fort, und warum denn nun zulezt alle da sind, bleibt unausgemacht. –

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Diese falsche Vorstellungsart hat fast in alle menschlichen Dinge eine schiefe Richtung gebracht. – Die herrschende Idee des N ü z l i c h e n hat nach und nach das Edle und Schöne verdrängt – man betrachtet selbst die große erhabne Natur nur noch mit kameralistischen Augen, und findet ihren Anblick nur interessant, in so fern man den Ertrag ihrer Produkte überrechnet – Bei der Einrichtung der Stände und Gewerbe, ist nicht die Frage, in wie fern dieser Stand oder dieß Gewerbe a u f d i e M e n s c h e n , d i e es treiben zurückwirkt, den Körper und den Geist schwächt oder gesund erhält, und die Endzwecke der Natur zur Bildung des menschlichen Geistes hintert r e i b e n o d e r b e f ö r d e r n h i l f t – sondern man scheint immer einen Theil der Menschen als ein bloßes Werkzeug in der Hand eines andern zu betrachten, der wieder in der Hand eines andern ein solches Werkzeug ist, und so fort. – Da z. B. eine Zeitlang das Erziehungsgeschäft zum herrschenden Gedanken in unsern Köpfen geworden war, so war die Welt, welche erst erzogen werden sollte, das einzige, worauf man sein Augenmerk richtete – die erziehende Welt, welche doch auch nun einmal da war, wurde in Ansehung ihrer eignen Bildung und Veredlung wenig oder gar nicht in Erwägung gezogen – Da es doch ganz unmöglich ist, daß ein Theil von Menschen den andern veredeln kann, wenn er nicht erst selbst veredelt worden ist. Bei den Methoden, die man vorschrieb, nahm man nur auf den Zögling, nicht auf den Erzieher Rücksicht. – Es blieb dem Zufall überlassen, ob die Methode so eingerichtet war, daß zugleich der Geist des Erziehers, indem er sie auf seinen Zögling anwandte, dadurch zu Fortschritten in der Vollkommenheit veranlaßt wurde oder nicht. Man erwog nicht, daß bei dem Erziehungsgeschäft die Bildung des Erziehers durch dasselbe eben sowohl Z w e c k ist, als die Bildung des Zöglings, und daß die leztere ohne die erstere gar nicht erreicht werden kann. Soll ein Lehrer sich z. B. zu den geringen Fähigkeiten seiner Schüler herablassen, so muß ihm nothwendig zugleich ein Weg vorge-

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zeichnet werden, wie er selbst aus dieser Herablassung für die Bildung seines eignen Geistes Vortheil ziehen, und durch dieselbe z. B. seine Ideen mehr verdeutlichen, seine Denkkraft zu neuer Anstrengung vorbereiten könne, u. s. w. Welch eine andre Gestalt würden alle menschlichen Dinge gewinnen, wenn man auf die Weise bei allen Einrichtungen, die gemacht werden, jeden einzelnen Menschen immer zugleich als Zweck und Mittel, und nicht bloß als ein nüzliches Thier, betrachtete. Daß nun jeder einzelne Mensch, wenn er seinen Antheil von Kräften zur Erhaltung des Ganzen aufgewandt hat, sich auch als den Zweck dieses Ganzen betrachten lerne, und auch von jedem andern so betrachtet werde – darin besteht eigentlich die w a h r e A u f k l ä r u n g , welche nothwendig a l l g e m e i n verbreitet seyn muß, wenn sie nicht als bloße Täuschung und Blendwerk betrachtet werden soll. Hier steht nun wieder jene schädliche Absonderung zwischen dem sogenannten gesitteten Theile der Menschen, und dem welcher nicht so heißt, im Wege. Und überhaupt hat man bei den menschlichen Einrichtungen größtentheils schon im Zuschnitt des rechten Zwecks verfehlt. – Da sie aber nun einmal da sind, so muß man sich freilich den bittern Trank, so gut wie möglich, zu versüßen streben. Das kann man aber durch den tröstenden Gedanken, daß es keinen Stand in der Welt giebt, der dem Menschen die Macht rauben könnte, die wahren Vorzüge seines Geistes zu empfinden, über die Verhältnisse der Dinge und ihren Zusammenhang Betrachtungen anzustellen, und sich mit einem einzigen Schwunge seiner Denkkraft über alles das hinwegzusetzen, was ihn hienieden einengt, quält und drückt. –

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Zweites Stück.

Ueber Moses Mendelssohn.

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Unter allem Denkwürdigen auf Erden, ist nichts denkwürdiger, als d a s L e b e n d e s We i s e n , und die Bildung eines Geistes, der mit der Fackel der Philosophie sein Jahrhundert erleuchten half. Die Bildung eines solchen Geistes in einer sterblichen Hülle ist einer der lezten und erhabensten Endzwecke der Natur; und in der ganzen Natur kann die Denkkraft des Menschen auf keinem wichtigern Gegenstande verweilen. Ein solcher Gegenstand fordert die ganze Aufmerksamkeit aller derer auf, die auch, indem sie in sterblichen Hüllen den Tod erwarten, auf die Vorrechte der Geisterwelt Anspruch machen. Um den Verstand des Menschen zu schärfen, und seine Denkkraft zu üben, schuf ihn die Natur bedürftiger, als irgend eines der lebenden Geschöpfe, welche sie hervorbrachte. Der menschliche Geist sollte sich unter dem Druck der körperlichen Bedürfnisse emporarbeiten, damit alle seine Kräfte allmälig in ein vollkommenes Spiel gesezt, und keine einzige ungenuzt gelassen würde. Und um nun wieder unter den Menschen einen ächten Weisen hervorzubringen, dessen Geist auf eine vorzügliche Art seine Kräfte entwickeln sollte, schien die weise Natur ihn von seiner Kindheit an gleichsam a b s i c h t l i c h in die drückendsten Verhältnisse gesezt zu haben, die sonst nur den Geist irgend eines Menschen darniederbeugen können. Der nun verewigte M o s e s M e n d e l s s o h n erhielt durch seine Geburt nicht die mindesten Ansprüche auf Ehre und Glück. Sein Vater war Zehngebotschreiber und Schulmeister in Dessau, welches bei der jüdischen Nation, wo die Erzieher der Jugend von dem großen Haufen noch sehr zurückgesezt und schlecht belohnt

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werden, äußerst wenig bedeutet, und ein Stand ist, von welchem Mühseligkeit und Armuth unzertrennlich sind. Nicht genug also, daß der Zufall der Geburt ihn zu der Theilnahme an dem Schicksale einer an den meisten Orten auf eine oder die andre Weise gedruckten Nation bestimmte, das ohnedem schon einen jeden trift, der unter ihr gebohren wird; so wurden ihm selbst noch unter dieser Nation solche Eltern zu Theil, deren er sich zwar auf keine Weise schämen durfte, weil sie edel und rechtschaffen dachten, die ihm aber doch jene Bildung und Erziehung nicht zu geben im Stande waren, wozu wenigstens ein gewisser Grad von Wohlhabenheit erfordert wird. Dazu kam noch ein fast von Jugend auf schwächlicher und kränklicher Körper – unter allen diesen drückenden Lagen mußte sich sein Geist ganz allein, ohne irgend eine fremde Beihülfe, oder irgend eine Aufmunterung von außen her, erst emporarbeiten, um seine Denkkraft bis zu einem Grade, der nur selten von irgend einem Sterblichen erreicht wird, auszubilden, und sich einen Platz unter der Zahl jener erhabenen Lehrer der Menschheit zu erwerben, die von Jahrhundert zu Jahrhundert ihr Zeitalter aufgeklärt, und in den Köpfen ihrer Zeitgenossen ein neues und ungewohntes Licht angezündet haben. Selbst seine Sprache mußte sich, da sie schon in seiner Kindheit durch den Nationaldialekt verwöhnt war, durch weit mehr Hindernisse, und unter weit mehr Schwierigkeiten, wie bei einem andern, zu derjenigen Reinigkeit und Eleganz emporarbeiten, welche durchgängig in seinen Schriften herrscht, und die er auch beständig in seinem mündlichen Ausdruck beobachtete. Derjenige, welcher dazu bestimmt war, unsrer Sprache eine Bildung und Form zu geben, die sie vorher nicht hatte, und zuerst ihre Perioden zum edlen und körnichten philosophischen Ausdruck zu ründen, ward in dem Lerm und Gewirre einer gemeinen Judenschule erzogen, wo sein Ohr nichts als Mißtöne und Uebellaute in der Sprache auffangen konnte. Dasjenige, worin er mehr leistete, als unzählige andre, die es zu ihrem Hauptgeschäft machen, erlaubte ihm sein Stand und seine

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Beschäftigung nur als N e b e n s a c h e zu treiben – Erst nach der Vollendung zum Theil bloß mechanischer, den Geist nicht erhebender Arbeiten, die ihm Zeit und Muße raubten, durfte er daran denken, seiner Lieblingsbeschäftigung einige Stunden zu widmen – Dahingegen ein Gelehrter von Profession sich den ganzen Tag durch Lesen und Schreiben mit seiner Wissenschaft unterhalten, und gleichsam ihres ehelichen Umgangs genießen kann, indes jener nur verstohlener Weise Liebschaft mit ihr pflegen konnte. Auch noch unter diesem Druck der G e s c h ä f t e mußte sich sein Geist zu den Wissenschaften und Kenntnissen emporarbeiten, die zu seiner Bildung nothwendig erfordert wurden. Sein unersättlicher Durst nach Kenntnissen verleitete ihn oft in seinem frühern Alter, daß er Nächte durchwachte, weil der Tag für ihn verloren war – dieß war insbesondre der Fall bei ihm, als er zuerst Wo l f und L e i b n i z studirte, und mit einer vorher nie gekannten Wollust einen immer hellern Tag in seiner Seele aufdämmern sahe – dann war es ihm oft unmöglich, die Lampe auszulöschen, bis die Sterne der Nacht verschwanden, und der Morgen schon wieder in sein Fenster schimmerte – er nannte das seine n ä c h t l i c h e n S c h w ä r mereien – Durch dieß häufige Nachtwachen in jüngern Jahren hat er sich wahrscheinlich seine nachherige langwierige Nervenschwäche zugezogen, wodurch er für seinen edlen Durst nach Wissenschaft, mit der Standhaftigkeit eines Weisen, viele Jahre büßte. Selbst diese Nervenschwäche, welche so weit ging, daß er einmal fast ein ganzes Jahrlang sich alles ernsthaften und anhaltenden Denkens enthalten, und oft mehrere Stundenlang die einzige Beschäftigung seines Geistes darin suchen mußte, indem er am Fenster stand , die Ziegel auf dem Dache des gegenüber stehenden H a u s e s z u z ä h l e n , konnte seinen Geist nicht ganz darniederdrücken, er arbeitete sich auch hierunter hervor – und wußte, durch eine w e i s e E r s p a r u n g s e i n e s g e i s t i g e n Ve r m ö g e n s , von einer durch körperliche Schwäche beinahe erstickten Denkkraft noch einen so vortrefflichen Gebrauch zu machen, wie seine lezten Schrif-

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ten, seine P s a l m e n ü b e r s e t z u n g , sein J e r u s a l e m , und seine M o r g e n s t u n d e n , beweisen. – Diese M o r g e n s t u n d e n führen ihren Nahmen mit der That – weil der verewigte in den lezten Jahren seines Lebens nur in den Morgenstunden zum ernsthaften und scharfen Nachdenken noch aufgelegt war – die übrige Zeit des Tages und vorzüglich in den Abendstunden mußte er sich sorgfältig davor hüten. – Er mußte unaufhörlich eine ebenso strenge G e i s t e s als k ö r p e r l i c h e D i ä t halten, wenn sein Zustand nur irgend erträglich bleiben sollte. – Mancher Abendbesuch von Personen, die dieß entweder nicht wußten, oder ob sie es gleich wußten, doch zudringlich genug waren, ihn zu einer Unterredung über philosophische Gegenstände zu nöthigen, hat ihm den Schlaf der Nacht geraubt – Am vergnügtesten brachte er den Abend im Kreise seiner Familie, etwa mit irgend einem Freunde, in leichten und angenehmen Gesprächen über gewöhnliche, sich täglich ereignende Vorfälle des Lebens zu. – Auch erinnerte er sich denn gern an vergangene rührende und angenehme Scenen aus seinem Leben, die ihn in sanfte Empfindungen einwiegten, mit denen er dann vergnügt einschlief. – Des Morgens war er denn im Hause am frühsten auf, kochte sich selber seinen Kaffee, und dachte, las und schrieb, etwa bis um acht oder höchstens neun Uhr; dann riefen ihn seine Geschäfte schon wieder in sein Handlungskomtoir, wo er seinen Geist wieder mit Gegenständen zu beschäftigen genöthigt war, die natürlicher Weise von denen, in welche er sich den Morgen mit Mühe und Anstrengung hinein gedacht hatte, wohl die meiste Zeit ganz erstaunlich verschieden seyn mußten – Er war nun genöthigt, eben die Denkkraft, die sich an demselben Morgen noch mit den erhabensten Gegenständen beschäftigt, und zur Aufklärung des menschlichen Geschlechts hingearbeitet hatte – zur Erfindung von Desseins zu seidenen Stoffen, und zu kaufmännischen Berechnungen zu verwenden –

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Indes wußte sein Geist selbst aus dieser unangenehm scheinenden Ablenkung von jenen erhabenen Gegenständen Nutzen zu ziehen – er s p a r t e dadurch gleichsam seine Denkkraft, die nun bei diesen schon mehr mechanischen Arbeiten wieder ausruhete, zur Bearbeitung jener Gegenstände a u f – um sie, in einen kürzern Zeitraum zusammengedrängt, mit desto mehr Kraft und Nachdruck wieder wirken zu lassen. – Vielleicht war es auch eben diese zufällige Lenkung seiner thätigen Kräfte auf einen minder wichtigen und weniger Anstrengung des Geistes erfordernden Gegenstand, welche ihn bei seiner außerordentlichen Nervenschwäche noch so viele Jahre erhielt. Ohne diese n o t h w e n d i g e A b l e n k u n g würde es ihm schwer oder vielleicht gar unmöglich gewesen seyn, sich von jenen Gegenständen abzuziehen, die die ganze Thätigkeit seines Geistes erfordert hatten, und wodurch zugleich die wenigen, ihm noch übriggebliebenen körperlichen Kräfte, bald völlig würden erschöpft worden seyn. Denn obgleich sein Verlust für die Welt immer noch zu früh erfolgt seyn würde, so ist es doch zu verwundern, daß es ihm möglich war, durch die strengste und ununterbrochenste Geistes und körperliche Diät, seine Jahre bis dahin zu bringen – Selbst die Dauer seines Lebens, wodurch er der Welt noch so nützlich ward, ist ihm in dieser Rücksicht mit als ein Ve r d i e n s t anzurechnen.

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Das Buch. Daß die Geschichte der Vorwelt mit allen ihren nützlichen Erfindungen, Künsten und Wissenschaften auf uns gekommen ist; Daß der Mund der Gestorbenen noch immer zu uns redet, und wir die hinterlassenen Schätze ihres Geistes besitzen; Daß wir wissen, was die Menschen, die tausend Jahre und länger vor uns lebten, Edles und Schönes gedacht und gethan haben;

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Das verdanken wir alles den v i e r u n d z w a n z i g k l e i n e n F i g u r e n , die wir B u c h s t a b e n nennen, und aus denen alle Bücher der Welt zusammengesezt sind. Dergleichen Dinge, die an sich so groß, so erhaben, und so wundervoll sind, werden uns durch den öftern Gebrauch so alltäglich und gewöhnlich, daß wir fast nichts mehr dabei denken, und die großen Vortheile, die uns daraus erwachsen, nicht mehr so lebhaft empfinden, wie wir sollten – Was für ein Verdienst um das menschliche Geschlecht hat also nicht der Erfinder dieser vier und zwanzig kleinen Figuren, wodurch alle Wissenschaften, alle menschliche Begebenheiten, alle Dinge, die am Himmel und auf Erden sind, in dem kleinen Umfange einer Sammlung von Büchern dargestellt werden können! Und welch ein Verdienst hat wiederum derjenige, der die Kunst erfand, diese kleinen Figuren in Metall zu gießen, um durch ihre Zusammensetzung Wörter zu bilden, die mit leichter Mühe zu unzähligen malen vervielfältigt werden, und wodurch es möglich gemacht wird, daß die Gedanken eines einzigen Menschen in kurzer Zeit unter einer großen Anzahl von Menschen verbreitet werden können. Durch diese vier und zwanzig kleinen Figuren, die entweder geschrieben oder gedruckt sind, wirkt der Geist des Menschen noch nach seinem Tode auf die kommenden Geschlechter fort – Horaz, der weit über tausend Jahre vor dem liebenswürdigen Hagedorn starb, war dennoch sein Lehrer, sein Freund, und sein Begleiter – Wenn wir in dieser Rücksicht ein B u c h als eine Erfindung des menschlichen Geistes betrachten, so muß es uns ein erhabener, ein ehrwürdiger Anblick seyn. Allein die Bücher machen itzt in Ansehung ihres Einflusses und ihrer Zahl einen so großen Theil der menschlichen Dinge aus, daß man sie beinahe nicht mehr als eine untergeordnete Klasse von Dingen in der Kunstwelt betrachten kann; sondern man denkt sich außer der großen Natur und Kunstwelt, noch

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Die Bücherwelt.

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In den unzähligen Büchern, die nun einmal da sind, ist so viel enthalten, daß kein menschlicher Kopf es je zusammenfassen kann – Die Wissenschaft ist also größer als der Mensch geworden – Des Menschen eignes Werk kann nicht mehr von seinem Geiste umfaßt werden – Er hat sich gleichsam selbst übersprungen, da er den Gipfel des menschlichen Wissens erreichen wollte – Der Materialien zum Gebäude sind zu viel geworden, als daß sie könnten übersehen und geordnet werden – darum kömmt hie und da einer, und raubt einen Theil dem großen Ganzen, fängt für sich an zu bauen, so gut es geht – und alles wird vereinzelt, zerstückt – ein jeder zerrt für sich aus der unübersehbaren Masse irgend ein Fragment heraus; darüber brütet nun sein Geist sein ganzes Leben hindurch – Das Ganze der Wissenschaften kann nicht mehr in irgend einem menschlichen Kopfe existiren – es modert in dicken Bänden, und wird von Würmern zernagt – Die Bücher sind eine Welt a u ß e r dem Menschen geworden, die nicht sowohl in ihm, als er in ihr lebt – Er umfaßt sie nicht, sondern er wird von ihr umfaßt. Er lebt und stirbt in ihr, ohne sich kaum darin umgesehen zu haben. Aber wenn ich auch nur einen Taglang des Anblicks der großen Natur genießen sollte, würde nicht das edelste in ihr, die rund umher sich verbreitenden Strahlen der Sonne mein Auge erquicken, würde ich nicht bei ihrem Lichte die mannichfaltigen Gestalten der Dinge um mich her unterscheiden lernen, die eben um dieses süßen Lichtes willen, meinem Auge einen desto reizendern Anblick gewährten – Das Licht würde mich ergötzen um der mannichfaltigen Gestalten willen, die ich dadurch unterscheiden lernte; und die mannichfaltigen Gestalten um des Lichts willen, das ich daraus immer mehr bewundern lernte. Wo also durch die Buchstaben das Licht der Vernunft am hellsten strahlt; wo es am wenigsten durch den Nebel der Vorurtheile und des

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Aberglaubens verdeckt und gehemmt wird – wo der menschliche Geist am stärksten auf sich selbst und seine Veredlung zurückgewirkt hat – da werde ich auch, weil das Leben so kurz ist, am ersten die Aufmerksamkeit meiner Seele hinheften – bis ich Zeit gewinne, daß das Uebrige nach seiner Ordnung auch an die Reihe kömmt, wodurch die eigentliche Veredlung des Geistes mittelbar oder unmittelbar, in nähern oder entferntern Kreisen bewirkt wird – Das reine und erhabene Licht der Vernunft, in allem was sie durch ihre Beleuchtung, den Augen meines Geistes dargestellt hat, immer mehr zu lieben und bewundern zu lernen, ist der erste leitende Endzweck bei allem, was ich lese und über das Gelesene denke – alle übrigen Zwecke müssen sich diesem unterordnen. Es ist derselbe reine und ungetrübte Strahl des Lichts, den ich in L e s s i n g s N a t h a n d e m We i s e n , in M o s e s M e n d e l s s o h n P h ä d o n , in W i e l a n d s M u s a r i o n , in R o u s s e a u ’ s E m i l , d e n G e s p r ä c h e n d e s S o k r a t e s , und in H o r a z e n s B r i e f e n , als meinem Geiste verwandt, begrüße. Bei diesem sanften Strahl verweile ich gern – und sollt’ ich auch immer dabei verweilen müssen. – Ich kann es nun ruhiger abwarten, bis meine Kenntnisse sich erweitern, und die Welt von Erfindungen des menschlichen Geistes sich immer mehr vor meinem Blicke enthüllt.

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Soll denn die Sonne ewig rollen? – Geschlechter untergehn – Aeonen fliehn – und sollen Wir nie der Menschheit hohen Werth verstehn? Wird man noch stets den Weisen tadeln, Der nie der Pflicht vergißt, Des Menschen Geist zu adeln, Der nur dem Himmel unterthänig ist?

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Wann wollen wir die Ketten brechen, Die unsern Muth zerknikt – Und uns am Vorurtheile rächen, Das unsern Geist zu Boden drückt? – Ist dieser Geist von Götterstamme, O, welcher Talismann Facht die erloschne Flamme, In dem erstorbnen Busen wieder an? Wer stielt das Feuer von dem Sitze Der Götter – daß es schnell Durch alle Seelen blitze, Und mache da die Dunkelheiten hell? Mag dieß Geschlecht im Staube kriechen! Bot doch der edle Theil, Verschonet von den Flüchen Die jener trägt – nicht seine Würde feil – Der Weise stellt in sich die Rechte Der Menschheit wieder her – Er scheucht des Irrthums Nächte Hinweg – und fürchtet keinen Jupiter –

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Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere Alles, was die Natur hervorbringt, hat edlere und minder edle Theile. Die Blätter des Baumes sind verfeinerter, als sein Stamm und seine Zweige, die Blüthe ist veredelter als die Blätter, und die Frucht ist das Edelste von allem. Das Erdreich, worin der Baum wächst, ist noch weit gröber und ungebildeter als der Stamm desselben; und doch würden der Stamm

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und die Zweige nicht ohne das Erdreich, und die feiner gebildeten Blätter, Blüthen und Früchte, nicht ohne den gröber gebildeten Stamm und seine Aeste und Zweige seyn können. Das weniger Edle muß also immer die Grundlage des Edlern seyn, und das erste muß durch das lezte bis zur höchsten Stufe der Verfeinerung vorbereitet werden. Der Stamm verliert sich in die schlankeren Aeste, die Aeste in die zarter gebildeten Zweige, die Zweige in Blätter, die Blätter in Blüthen, und die Blüthen in Früchte. Im menschlichen Körper heißen diejenigen die edlern Theile, deren Verletzung am gefährlichsten, und in welchen gleichsam der Hauptsitz des Lebens ist: die übrigen Theile des Körpers scheinen mehr um dieser willen hervorgebracht zu seyn, als daß sie selbst um der übrigen willen hervorgebracht wären. Nun findet aber zwischen den edlern Theilen wiederum ein großer Rangstreit statt, und es kömmt fast alles auf die Frage an, ob der Kopf um des Magens oder der Magen um des Kopfes willen da sey? ob der Mensch nur denken soll, um zu essen, oder ob er essen soll, um zu leben und zu denken? Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen, die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden. – Und dennoch denkt der größte Theil der Menschen nur um zu essen – aber er d e n k t doch – die Natur hat ihren Endzweck erreicht, sie hat das edlere durch das weniger edle unmerklich veranlaßt und vorbereitet. Hier ist nun wiederum eine schädliche Absonderung unter dem Menschengeschlecht entstanden, indem man denjenigen Theil, der das Denken als Zweck betrachtet, den d e n k e n d e n , und den andern, der es nur als Mittel um zu essen und zu leben betrachtet, den n i c h t d e n k e n d e n Theil nennt. – Wenn nun die Menschen in einen Staat zusammentreten, so befolgt wiederum der ganze Staat die Grundsätze eines Menschen aus der n i c h t d e n k e n d e n Klasse, und richtet sein H a u p t a u g e n m e r k darauf, daß so viele Menschen wie möglich e s s e n können, ob und

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wie sie denken, das bleibt immer Nebensache, und einer kleinen Anzahl von Menschen überlassen, welche die erhabne Kunst andere denken zu lehren, größtentheils zu einem gemeinen Gewerbe herabwürdigen, und sie wiederum als ein Mittel betrachten, um e s s e n z u können. Da also das Essen doch immer der Mittelpunkt bleibt, um den alles menschliche Denken mit Gewalt sich drehen muß, so sollte man freilich beinahe in Versuchung gerathen zu glauben, die Natur habe einen solchen erstaunlichen Aufwand von feiner Bildung und Organisation gemacht, um Wesen hervorzubringen, die weit vorzüglicher und bequemer als die Thiere sich bedecken, essen, und wohnen können. Aber arbeitet nicht auch der größte Theil der Menschen, um ruhen zu können; und ist nicht demohngeachtet der Mensch in Arbeit und in Thätigkeit edler, als der Mensch in Ruhe? Die Natur will Leben – und ist Bewegung und Thätigkeit nicht Leben? Vermöge einer wohlthätigen Täuschung muß der Mensch oft selbst wider seinen Willen die Endzwecke der Natur befördern. – Indem er Genuß und Ruhe für den lezten Zweck seines Daseyns hält, da doch das Streben nach Genuß und Ruhe eigentlich den edelsten Theil seines Daseyns ausfüllt. So trieb ihn Hunger und Frost für Nahrung, Kleider, und Wohnung zu sorgen – und eben dieß gab ihm die erste Veranlassung zu der mit Anstrengung verknüpften Uebung seiner Denkkraft, und zur Erfindung der Künste und Wissenschaften, wozu er wegen seines natürlichen Hanges zur Trägheit eines solchen Sporns bedurfte. Das was nun aber auf die Weise Edles und Schönes hervorgebracht ist, muß schlechterdings als ein g e m e i n s c h a f t l i c h e s E i g e n t h u m betrachtet werden, das wiederum verhältnißmäßig unter die Geisterwelt vertheilt wird. – Es muß aus diesem allen gleichsam eine Art von Quintessenz gezogen werden, die jedem einzelnen denkenden Wesen zu statten kömmt. –

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Wie soll das bewerkstelligt werden? – Es müßte eine eigne Verwaltung des Geisterreichs statt finden, welche für die geistigen Bedürfnisse, so wie der Staat für die körperlichen Bedürfnisse seiner Mitglieder, sorgte. Die vorzüglichsten Köpfe müßten sich zu diesem erhabenen Geschäft vereinigen, und jene Quintessenz aus allem, was der Geist des Menschen Edles und Schönes hervorgebracht hat, mit gemeinschaftlichen Kräften immer allgemeiner zu verbreiten, und verhältnißmäßig zu vertheilen suchen. Der Nutzen dieser wohlthätigen Beschäftigung fällt auf diejenigen, welche sich ihr widmen, selbst zurück, und bildet ihren Geist zu höherer Vollkommenheit, indem derselbe dadurch geübt wird, ein großes Ganze zu übersehen, das unendlich Mannichfaltige in einem Gesichtspunkte zusæmmenzufassen, und dann erst einen Gebrauch davon zu machen, der ohne diese Z u s a m m e n f a s s u n g unmöglich gewesen wäre. Es kömmt also darauf an, zu untersuchen, in wiefern alles, was der Mensch erfunden, auch ausser der Uebung seiner Denkkraft bei der Erlernung desselben, noch zur Veredlung seines Geistes bei-trägt? – in wiefern z. B. durch die Anatomie und Physiologie der Wollust, durch Sternkunde und Geschichte der Eitelkeit, durch die Lehre von Ursach und Wirkung der Trägheit, durch die Uebersicht des Ganzen einer Staatsverfassung dem Neide, u. s. w. entgegengearbeitet, und die entgegengesezten Vollkommenheiten des Geistes, als Wohlwollen, Thätigkeit, Reinigkeit der Gedanken, u. s. w. befördert werden können. Das Edelste und Schönste – oder der eigentliche Geist aus alle dem, was der Mensch von jeher erfunden und gedacht hat, muß sehr wenig, von jedem Verstande leicht zu fassen, und zu dem geistigen Bedürfniß des Menschen, wenn er auch sonst nichts hätte, hinlänglich seyn. Ueberhaupt wird alles das, was der Geist zur Veredlung des Menschen hervorbringt, wenn die Aufmerksamkeit einmal auf einen Gegenstand gerichtet ist, gleich zu ungeheuer und u n b e h ü l f l i c h , als daß ein zweckmäßiger Gebrauch im Großen und im Kleinen davon gemacht werden könnte.

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So ging es mit den Schriften, die über die Erziehung herausgekommen sind – welch ein ungeheures unbehülfliches Werkzeug in der Hand des Erziehers mußte der Anwachs aller dieser Schriften seyn, die doch zu diesem Gebrauch geschrieben waren: Eine R e v i s i o n d e s g e s a m m t e n E r z i e h u n g s w e s e n s soll nun dieß Werkzeug in der Hand des Erziehers bequemer machen, indem sie das verwirrte Chaos ordnet, und alles auf ein festes System zurückzuführen sucht – der Geist aus dieser Revision des gesammten Erziehungswesens, in wenige Blätter zusammengedrängt, wird dereinst ein vortreffliches Werk seyn. Wenn eine Idee in den Köpfen einmal anfängt herrschend zu werden, und die allgemeine Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gerichtet wird, so will freilich ein jeder, der sich zu der denkenden Klasse zählt, zu der großen Berathschlagung der Geister unter einander, gern sein Wort mit geben, und läßt also seine Gedanken drucken. So wie aber im englischen Parlamente, wenn die Redner bei den Debatten zu sehr auf Nebendingen verweilen, und den Hauptgesichtspunkt aus den Augen verlieren, immer ein Theil mit den Stökken auf die Erde zu stampfen, und zu rufen anfängt: to the Question! to the Question! (zur Sache! zur Sache!) – so sollte es auch in der Schriftstellerwelt beständig dergleichen Rufer geben, welche die abschweifende menschliche Denkkraft immer gehörig wieder einzulenken suchten – Die besten Köpfe sollten sich zu diesem Endzweck vereinigen – es sollte in die große Geisterberathschlagung mehr Interesse und Leben kommen. – Man sollte mit mehr Theilnehmung: h ö r t i h n ! h ö r t i h n ! r u f e n , wenn jemand wirklich etwas das ganze Wohl der Geisterwelt betreffendes, zweckmäßiges und anwendbares gesagt hätte. Die Aufmerksamkeit sollte nur auf das wirklich Edle und Schöne in den Produkten des menschlichen Geistes mehr wieder geheftet werden, und nur nicht mehr so zerstreut und zertheilt seyn – so würde mancher von selber schweigen, der itzt noch immer sein Publikum findet, das nun einmal zufälliger Weise nichts besseres kennt.

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Man sollte nicht mehr mit solcher Geduld die langweiligen Redner anhören, sondern drauf dringen, daß jeder, der etwas vorzubringen hat, nicht Worte sondern Sachen vorbringe. Denn es soll ja nicht geredet und geschrieben werden, damit geredet und geschrieben, sondern damit am Ende wirklich etwas ausgemacht werde, was nun als die Frucht dieser vielen Arbeit jedem Sterblichen zu Nutzen kömmt. Allein die Frage bleibt immer, wie soll nun das Edelste und Beste, was der menschliche Geist wirklich hervorgebracht hat, allgemein verbreitet werden? Steht nicht immer jene schädliche Absonderung der Stände, die so viel Unordnung, Mißvergnügen, und Unzufriedenheit hervorbringt, im Wege? Und wie ist diesem so tief eingewurzelten Uebel, woran die Menschheit krank liegt, abzuhelfen? Einige Gedanken, die ich einst an einem andern Orte hierüber geäußert habe, sind vielleicht gelesen und vergessen worden. Da sie nun dort in gar keinem Zusammenhange standen, und sich itzt von selbst in den gegenwärtigen Zusammenhang meiner Gedanken fügen, und hier gerade am rechten Orte stehen, so trage ich kein Bedenken, sie dieser Folge von Betrachtungen einzuverleiben. Ihre Ueberschrift heißt:

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Seit undenklichen Jahren war die Erziehung eine Sache, die man, wie tausend andre Dinge, ihren Gang gehen ließ, ohne sich ihre Vervollkommung zu einem besondern Augenmerk zu machen. Es standen in unsern Tagen der Weichlichkeit und Ueppigkeit Männer auf, welche aus starken Gründen bewiesen, daß die Erziehung etwas sehr wichtiges sey; und ein großer Theil der Menschen fing an, diesen Männern zu glauben, und die Erziehung auch für etwas sehr wichtiges zu halten.

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Da man nun darauf zu denken anfing, wie man eigentlich das künftige Menschengeschlecht erziehen wollte, so zerfiel dasselbe in zwei Theile, wovon man denjenigen, welcher über den andern erhaben zu seyn glaubt, den g e s i t t e t e n T h e i l nennt. Zu diesem rechneten sich nehmlich alle, welche ihren Kopf mehr, als ihre Hände brauchen, und zu jenem wurden alle diejenigen gerechnet, die ihre Hände mehr als ihren Kopf brauchen. Nun war es aber dahin gekommen, daß der denkende Theil die Hände der übrigen Menschen fast allein für sich arbeiten, und der mit den Händen arbeitende Theil die Köpfe der übrigen Menschen fast allein für sich denken ließ. Ein ganzer Theil von Menschen war also gleichsam der Kopf der übrigen geworden, die seine Hände waren, welches ganz wider die Ordnung der Natur ist, die einem jeden einzelnen Menschen zu seinem Gebrauch Kopf und Hände gegeben hat. Dieß nun wieder ins Gleis zu bringen, hätte eigentlich das Hauptaugenmerk der neuen Wissenschaft seyn sollen, welche man die Erziehungskunst oder Pädagogik nannte. Weil aber der gesittete Theil der Menschen die Erziehungsbücher verfertigte, so zog er vorzüglich sich selbst in Betrachtung, und alles lief darauf hinaus, wie er seine Geisteskräfte noch mehr vervollkommen wollte: darüber vergaß er seine Brüder, deren Hände ihm doch Nahrung und Bequemlichkeit verschaften, und denen er nicht einmal dafür einen kleinen Theil seiner erworbenen Weisheit wollte zufließen lassen, indem er sich nicht entblödete noch die Frage aufzuwerfen, ob man das Volk in der Täuschung oder Unwissenheit erhalten müsse oder nicht? Die Erziehungskunst blieb daher größtentheils auf die sogenannten gesitteten Stände eingeschränkt, die dadurch noch mehr verfeinert, und noch gesitteter werden sollten, und das Volk blieb, wie es war – denn zwischen ihm und der sogenannten feinern Welt blieb eine undurchdringliche Scheidewand. Anstatt sich einander zu nähern, entfernten sie sich immer weiter voneinander.

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Daher die fürchterlich grotesken Erscheinungen von Dummheit und Aberglauben des Pöbels gerade da, wo man die höchste Aufklärung vermuthete. Die Erziehungskunst ließ sich auf die Weise nicht mehr auf allgemeine Grundsätze zurückbringen, sondern zerfiel in so viele ganz voneinander abgesonderte Methoden, als es Verschiedenheiten der Stände gab, und allenthalben zeigten sich nun Unordnung und Widersprüche. Da dachten die weisesten unter den Vätern von dem gesitteten Theile der Menschen, daß es besser sey, wenn sich ihre gesunde Vernunft mit der warmen väterlichen Liebe vereinbarte, um den wahren Gesichtspunkt der Erziehungskunst selbst zu treffen, als wenn sie den leeren Hirngespinnsten mancher eingebildeter Weisen ferner Gehör gäben. Und nun fanden sie, daß es gar nicht wohl gethan sey, wenn die höhern Stände die niedern zu sich wollten hinaufsteigen lassen; daß es aber sehr wohl gethan sey, wenn die höhern zu den niedern ein paar Stufen wieder herabstiegen. Sie fanden, daß es zum Wohl der Menschheit nöthiger sey, den höhern Ständen schon in der Jugend Ehrfurcht gegen die niedern, als den Niedern Ehrfurcht gegen die Höhern einzuflößen. Daß derjenige, welcher vorzüglich seinen Kopf brauchen soll, um andre zu regieren, von diesen vor-her gelernt haben müsse, seine Hände zu brauchen, um sich im Fall der Noth zu ernähren. Daß die wahre Kultur schlechterdings nicht einseitig seyn könne, sondern sich verhältnißmäßig auch über die niedrigsten Stände verbreiten müsse. Und daß die höhern Stände von den niedern an Körperkultur wieder gewinnen müssen, was sie ihnen an Geisteskultur mittheilen. Die weisen Väter, welchen es übrigens weder an Macht noch Reichthum fehlte, um ihre Absichten durchzusetzen, fielen auf ein ganz einfaches und leichtes Mittel, wozu sie weder des einen noch des andern bedurften, und wodurch sie demohngeachtet bewerkstelligten, daß die verhaßte Scheidewand zwischen den Ständen allmälig weggerückt wurde;

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Daß die niedern Stände mehr wahre Ehrfurcht gegen die höhern hegten, weil sich diese im Nothfall dasjenige selbst verschaffen konnten, was sie sonst von den niedern Ständen abhängig macht. Und daß die höhern Stände mehr Liebe und Ehrfurcht gegen die niedern hegten, weil sie einmal ihres Gleichen gewesen, und näher mit ihnen bekannt geworden waren. So daß auf die Weise bessre Richter, bessre Aerzte, bessre Lehrer des Volks, bessre Obrigkeiten, und bessre Fürsten entstanden; Daß der Menschheit ihr erkranktes Selbstgefühl wiedergegeben ward; Daß die Weichlichkeit der Sitten abnahm; Daß die menschlichen Dinge sich nach und nach wieder in ihr ordentliches Gleis fügten, die allgemeine Aufklärung mit gleichen Schritten fortging, die Stände einander immer näher rückten, und allmälig jeder Vorzug der Menschheit, sich, wie der Thau des Himmels, über alle ergoß. – Und was thaten die weisen Väter, um diese großen Endzwecke zu bewirken? Sie ließen ihre Söhne Handwerke lernen.

Die Schöpfung der Götterwelt. Schon seit undenklichen Zeiten ist die Welt mit unzähligen Wesen bevölkert worden, die ausser der Einbildungskraft des Menschen nirgends waren – Dahin gehörten, alle Nymphen, Faunen, und Satyrs; alle Götter und Göttinnen im Olymp – Diese Wesen entstanden, indem man das Unpersönliche in der Welt persönlich, und es sich dadurch gewissermaßen mehr g l e i c h machen wollte – So dachte man sich unter Jupiter Luft und Himmel; unter Neptun das Meer; und unter Pluto die Erde. –

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Diese ungeheuern Massen Luft, Erde, Meer waren für die s p i e l e n d e E i n b i l d u n g s k r a f t des Menschen zu unbehülflich – man suchte sich ihre Darstellung zu erleichtern, indem man ihnen die Persönlichkeit mittheilte – Nun konnte man mit ihnen reden, Gebete an sie richten, ihnen Opfer bringen, und sie sich als höhere Wesen denken, weil man dem, was durch seinen Umfang und Größe den Menschen schon so klein macht, nun auch noch menschliche Vernunft und Gedanken dazu gab – So schuf sich die Einbildungskraft der Menschen Götter – –

Viertes Stück.

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Es war rührend anzusehen, wenn er, während daß seine Familie des Abends vergnügt am Tische saß, sich in die Nebenstube, die mit einer Glasthüre versehen war, auf seinen Sopha zurückzog, wo er durch den bloßen Anblick an der Freude der Seinigen Theil nahm, indem er sich jeden andern Mitgenuß auf das strengste versagen mußte. Wenn dann manchmal die Freude am Tische laut ward, und allerlei kleine Spiele und Scherze auf die Bahn gebracht wurden, so verschmähte er nicht, sich in diese frohe gesellschaftliche Unterhaltung wieder zu mischen, und manche kleine Spiele des Witzes selbst mitzumachen; die durch seinen Beitritt gleichsam veredelt zu werden, und eine Art von Würde zu erhalten schienen – denn er suchte alle dergleichen Spiele zu einer Uebung der Denkkraft zu erheben, worauf er denn alles auch im gewöhnlichen Umgangsgespräch unvermerkt hinzulenken wußte.

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Alle seine Gespräche, ja man könnte sagen, jedes Wort von ihm war lehrreich und unterrichtend; weil er kein einziges Wort überflüßig oder am unrechten Orte sagte – Sobald sein Urtheil über irgend einen Gegenstand der Unterredung in seinen Gedanken noch nicht entschieden war, schwieg er – aber wenn er dann sprach, so war auch Gedank’ und Ausdruck abgewogen – Er antwortete daher nie, wie man sonst wohl pflegt, aus Gefälligkeit, bloß, um etwas zu antworten, oder das Gespräch fortzuführen, sondern das Wort war bei ihm beständig dem Gedanken heilig, den es bezeichnen sollte – Daher flößte alles, was er sprach, eine Art von Ehrfurcht ein, und der Schwätzer mußte vor ihm verstummen – Schon sein b e j a h e n d e s K o p f n i c k e n in der Unterredung war sehr bedeutend – und man konnte sicher darauf bauen – denn auch jede seiner Geberden, war dem auf weise Ueberlegung gegründeten, feststehenden Gedanken heilig, dem sie zum lebendigen Ausdruck dienen sollte. – Wenn ein Gespräch ihn nicht interessirte, so sahe man es seinem Auge, und jedem seiner Gesichtszüge an, wie er sich in sich selbst zurückzog – Sein Auge schien sich dann, wie mit einem Flor zu überziehen, und das Feuer seines Blicks erlosch – Sobald ihn aber ein Gegenstand der Unterredung anzog, trat auch der Geist wieder in seine Augen – Dieß wechselte in kurzer Zeit oft schnell bei ihm ab – Was Wunder, da er seiner Konstitution sowohl, als seiner Diät nach mehr Geist, als Körper war, daß sich sein Geist in jeder Falte dieses dünnen Schleiers, der ihn umgab, leichter offenbarte. – Der Mahler, welcher Mendelssohns Ebenbild mit dem Pinsel darstellen wollte, müßte daher auch gewiß ein Mahler der Seele seyn, wie derjenige war, welcher uns jeden Zug seines Geistes in dem vortrefflichsten Gemählde aufbewahrt hat, was vielleicht je ein Künstler von einem Weisen entwarf –* * Das Porträt des Hrn. Moses Mendelssohn von dem hiesigen berühmten Mahler F r i s c h ist ein Meisterstück in seiner Art, welches als ächte S e e l e n m a h l e r e i nicht nur Beifall sondern Bewunderung verdienet.

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Wo ist der Mahler, der seinen Geist in T h ä t i g k e i t schildert, so wie das Porträt ihn in R u h e darstellt? Welche Feder entwirft ein so ausdruckvolles Gemählde seines Lebens, wie jener Pinsel von der Kraft seines Geistes, wie sie in einen Moment seines Daseyns zusammengedrängt war? – Es ist wahrlich nicht zuviel von ihm gesagt, daß er der S o k r a t e s s e i n e s Z e i t a l t e r s war – Jener Weise des Alterthums schien gleichsam ein h i n t e r l a s s e n e r F r e u n d von ihm zu seyn, dem er in seinem P h ä d o n das würdigste Denkmal stiftete. Viele der Gespräche des verewigten Weisen, würden, wenn man sie aus dem Gedächtniß seiner Freunde sammelte, den S o k r a t i s c h e n D e n k w ü r d i g k e i t e n an die Seite zu setzen seyn, so wußte er zum öftern durch glückliche und überraschende Wendungen die Ueberzeugung zu lenken – Als einmal vor einiger Zeit die Materie von der Freiheit des menschlichen Willens unter den Philosophen aufs neue in Regung kam, so hatte ihm ein junger Schriftsteller hierüber einen Aufsatz zum Durchlesen gebracht, und kam nach einiger Zeit, um sein Urtheil darüber zu hören – »Ich habe Ihren Aufsatz über die Willensfreiheit nicht lesen können;« sagte M. . . Der junge Mann war hierüber betreten, schob die Schuld auf seinen Aufsatz, und versicherte, daß es ihm leid thäte, Hrn. M. . . damit behelligt zu haben – M. . . sprach den etwas gedemüthigten jungen Schriftsteller wieder zufrieden, indem er ihm versicherte, die Schuld liege gar nicht an seinem Aufsatz, daß er ihn nicht gelesen habe – sondern er sey durch Umstände daran verhindert worden – »Wie konnten sie aber auch, fuhr M. . . fort, aus meiner vorigen Aeußerung schließen, daß ich Ihren Aufsatz für schlecht hielte?« Weil ich glaubte, Sie hätten ihn nicht lesen w o l l e n , erwiederte jener. »Sie machen also, wie ich höre, einen Unterschied zwischen Wo l l e n und K ö n n e n ? versezte M. . . denn darf ich ja ihren Aufsatz über

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die Willensfreiheit gar nicht lesen, denn ich höre, wir sind schon einig.« – Einmal sprach ich mit ihm über diesen Gegenstand, und indem ein Dritter hereintrat, und sich nach der Materie unsers Gesprächs erkundigte, sagte er: »Wir machen es, wie Miltons kleine Teufel, die auf einem Hügel allein sitzen, und über Vorherbestimmung und Vorhersehung, Freiheit und Nothwendigkeit zanken.«

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Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto. Es ist vorbei – nichts kann mich retten – als der Zufall – also, zu Grunde gerichtet – Weib und Kind – O noch nicht! noch ists nicht so weit – Ein Ohngefähr, ein blinder Griff kann mich retten – muß mich retten – vielleicht in diesem Augenblick – – Vielleicht auch nicht – Und was dann? was dann? – O, dann ist alles aus – – mein Glück, mein Leben, meine Seeligkeit steht auf dem Spiele – Ein blinder Griff entscheidet – Der Zufall ist mein Gott geworden – Er hört mich nicht – Er sieht mein Elend nicht – Er kann sich meiner nicht erbarmen, wenn ich zu ihm flehe – Weh mir! meine Gottheit, der ich so lange diene, der ich im Wachen und im Schlafen alle meine Gedanken und meine Wünsche gewidmet, an die ich alle meine Gebete gerichtet habe, ist gefühlloß, blind und taub – Welch ein schreckliches Licht geht mir plözlich auf? – Der Frieden meiner Seele ist zerstört, auf ewig zerstört – Was war ich einst? – und was bin ich nun? alle meine Seelenkräfte sind gelähmt – ich habe in mir selbst die Ordnung der Natur zerrüttet –

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Meine Gedanken wollen nicht mehr Ursach und Würkung zusammen denken – alles ist zerrissen – Wirkung ist ohne Ursach – die Thätigkeit meiner Denkkraft ist gehemmt – alles ist Widerspruch – für mich ist keine Gottheit mehr, als der Zufall – Da liegt mein Unglück – nicht in dem Verlust meines Vermögens, meiner Freiheit, meines Lebens – sondern in dieser Zerrüttung meines denkenden Wesens – die ich in jeden Zustand mit hinüber trage – Wenn mich auch dießmal der Zufall rettet – wer rettet mich vom Zufall? – Wer knüpft in meiner Denkkraft die zerrißnen Fäden zwischen Ursachen und Wirkungen wieder aneinander? – Wer stellt den süßen Frieden meiner Seele, die Thätigkeit meines Geistes wieder her, von der mir itzt nur noch ein schwaches Bild aus den Zeiten meines bessern Lebens vorschwebt? – – (nach einer langen Pause) Welch ein unbekanntes Gefühl bemächtigt sich meiner? Ist es ein höherer Beistand, der mir diese neue Stärke, diesen Muth einflößt – Ich fühle plözlich meinen Arm mit Kraft belebt, das Feld zu bauen, und die Axt zu heben – wenn mir der Zufall alles raubt. – Ist dieß Gefühl nur vorübergehend? – wie? oder sollte noch eine Wiederkehr möglich seyn?

Das Eisen. Ein Ideenspiel. 25

Das Pflanzenreich giebt dem Menschen Nahrung und Kleidung – Das Thierreich giebt dem Menschen Nahrung und Kleidung – Das Mineralreich giebt ihm trennende und zusammenfügende Werkzeuge, Sicherheit, Vertheidigungsmittel.

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Der Mensch zerstört das Thierreich und Pflanzenreich – Das Mineralreich, dem die Natur keine eigentliche Bildung und Form gegeben hat, wird nicht von dem Menschen zerstört, aber es zerstört den Menschen, indem es zu seinem eignen Verderben von ihm gebildet wird – Helm, Schild – Schwerdt, Kugel, Pfeil – Stahl schüzt gegen Stahl – Helm und Schild schützen Kopf und Brust gegen Schwerdt und Pfeil – Aber weder gegen die Gewalt der zerschmetternden Bombe, noch der Kugel von Blei, die durch die Macht des angezündeten Pulvers aus dem tödtenden Rohre gejagt wird. – Darum halten Helm und Schild in unsern Tagen den Tod und die Zerstörung nicht mehr zurück, sondern sind als eine unnütze Last des Kriegers hinweggeworfen – Die zerstörenden Werkzeuge haben über die schützenden die Obermacht gewonnen – Mit der erhöhten Kraft der Zerstörung hat die Erhöhung der beschützenden Kraft nicht gleichen Schritt gehalten. – Bogen und Pfeil ist hinweggeworfen, und das tödtende Feuerrohr an seine Stelle getreten. – Helm und Schild ist auch hinweggeworfen, aber an seine Stelle ist nichts getreten. – Das Eisen rächt an dem Menschen die zerstörte Thier- und Pflanzenwelt – Die weiche Wolle des Schafes kleidet ihn – Die Stämme des Baumes geben ihm, ob er sie gleich abgehauen hat, eine bequeme Wohnung, und schützen ihn vor Wind und Regen. – Aber das Eisen, das er selbst zu seinem Verderben geschmiedet hat, zerschmettert und tödtet ihn – Es ist das nüzlichste und gefährlichste Werkzeug in der Hand des Menschen – Z e r s t ö r u n g bleibt immer sein vorzüglichster Zweck. –

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Durch die Axt fällt der Baum – Durch das Beil der Stier – Durch die Säge wird die innerste Zusammensetzung des Baumes zerstört. Durch das Messer die ganze innere Zusammensetzung des Thiers aufgelößt, und aus ihren festesten Fugen gebracht – Durch die Sense fallen Aehren – Der Mensch zerstört durch das Eisen die Thier- und Pflanzenwelt – um eine andre Schöpfung von seiner eignen Arbeit daraus hervorgehen zu lassen. – Bald b e n e i d e n sich die Menschen untereinander diese neue von ihnen selbst hervorgebrachte Schöpfung. Daraus entsteht Krieg und Streit – Eben das gefährliche Werkzeug, wodurch diese Schöpfung hervorgebracht wurde, zerstört sie wieder – Die glühende Kugel verwandelt Palläste in Schutthaufen – Die Spitze des Eisens kehrt sich gegen den Menschen selbst – und weil er damit die Ordnung der Natur zerstörte – so zerstört es ihn wieder. Der Mensch, der diese wunderbare Verkettung der Dinge, ihr Inund Gegeneinanderwirken, ihr Entstehen und wieder Vernichtetwerden, im Ganzen genommen überschauet, weiß am Ende kein Resultat daraus zu ziehen – Die mancherlei Beziehungen und Verhältnisse der Dinge untereinander wirken wieder auf seine Denkkraft, und setzen sie unwillkührlich in Thätigkeit – Er sinnt, und sint, indem er glaubt auf etwas zu stoßen – allein es ist beinahe, als ob durch alles das die Fiebern seines Gehirns nur sollten in Bewegung gesezt werden; denn am Ende ist die ganze Frucht seines Nachdenkens – e i n I d e e n s p i e l .

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Die Macht des Unglücks. Macht das Glück frölich – so macht das Unglück weise – Und die Weißheit macht doch am Ende, trotz dem Unglück, wieder frölich – sie frägt: was ist Unglück? Armuth und Niedrigkeit? – thörichter Wahn! – wie kann ein Mensch arm und niedrig seyn. – Krankheit? – Was kann mir die Krankheit rauben, als einen vorbeirauschenden Genuß? Kann sie mir wohl die Standhaftigkeit, die Geduld, womit ich Schmerzen trage, oder irgend eine andere errungene Tugend, oder einen Vorzug meines Geistes rauben, der doch weit edler, als irgend ein vorbeirauschender Genuß ist? Meine Denkkraft, worin ich mich gesichert fühle, kann sie m i r nicht rauben, denn diese Denkkraft b i n ich selbst, – und h a b e sie selbst – Kein andres Wesen außer mir hat sie; sie könnte also nur einem Undinge geraubt werden – was heißt das anders, als, sie kann g a r n i c h t geraubt werden – Alles was ich habe, kann ich verlieren, aber nichts, was ich b i n – Das Unglück kann seine Macht nur auf das, was ich h a b e , erstrecken, nie auf das, was ich b i n – Kann ich mich denn also nicht in jedem Augenblick, wo es mir gefällt, in diesen Mittelpunkt meines Daseyns zurückziehen, der dem Unglück keinen einzigen Berührungspunkt darbietet? – Und dulden die Menschen wohl irgend eine Widerwärtigkeit, als weil sie sie dulden wollen? – weil ihnen das Spiel worin ihre Leidenschaften wechselsweise gesezt werden, bei aller ihrer Traurigkeit immer noch behäglicher ist, als die unerschütterliche Ruhe des Weisen, der sich zuweilen selbst gern wieder unglücklich fühlet, und freiwillig Schmerz und Traurigkeit empfindet, um sich von der Weißheit gleichsam einige Augenblicke wieder zu erhohlen? –

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Am 24sten Januar

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Gestirne sind am Firmament verloschen, Die vormals herrlich strahlten – Sonnen sind ausgebrannt Welten aus ihrem Gleise gewichen – Auch unsre Sonne wird nicht ewig strahlen, Noch wird unser Erdball, Ewig seine große Sonnenbahn beschreiben – Aber der alles regierende Weltgeist, Welcher Sonnen und Sonnenstäubchen In seinem Schooße erhält und trägt – Ist das ewig Bleibende Mitten unter dem Vorübereilenden, Das Unveränderliche Mitten unter dem Veränderlichen – Das Alleszusammenfassende Mitten unter dem rund umher Zerstreuten – Ihm ist gegenwärtig Was war, und seyn wird – Königen hat er ihr Ziel gesezt, Daß sie nicht überschreiten dürfen – Fest und unerschütterlich steht sein Rathschluß – Das vereinigte Gebet von Tausenden Um das Leben e i n e s E i n z i g e n , Vermag nichts in seinem großen Plane zu ändern: Denn er sahe auch dieß Gebet, Dieß Flehen eines ganzen Volks Um die Verlängerung des Lebens Eines g e l i e b t e n K ö n i g e s voraus – Und hatte schon von Ewigkeit

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Auf dieß G e b e t , das selbst nicht außer seinem Plane lag, E r h ö r u n g abgewogen. –

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Fünftes Stück.

Holzendorf.

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Der Nahme eines Mannes, welcher sich, trotz alle dem, was seinen Geist und seinen Muth im Anfang seiner Laufbahn hätte niederdrücken können, dennoch bis zu einem ausgezeichnet großen Wirkungskreise emporgearbeitet hat, muß seinen Zeitgenossen und der Nachwelt ehrwürdig seyn. Jeder D r u c k , worunter sich irgend eine menschliche Kraft emporarbeitet, erhöht und v e r e d e l t sie. – Beyspiele von der Art verdienen vorzüglich ausgehoben, und als redende Muster zur Bewunderung und Nachahmung aufgestellt zu werden – Vom Themistokles wird erzählt: Da ihn im Anfange seiner Laufbahn als Krieger und Staatsmann, ein Umstand so zurücksezte, daß er ihm fast alle Aussicht auf eine ehrenvolle Zukunft zu benehmen schien: non fregit eum, sed erexit ( d i e ß s c h l u g s e i n e n M u t h n i c h t n i e d e r , s o n d e r n e r h o b i h n v i e l m e h r ) – Ein paar vortreffliche Worte, die jeden aufstrebenden Geist mit neuem Muth beleben müssen – Denn Themistokles, dessen Glückssonne damals unterzugehen schien, wurde dennoch ein großer Mann. Die folgende kurze Lebensbeschreibung des verstorbenen Generalmajors von H o l z e n d o r f , die selbst von einem w ü r d i g e n u n d v o r t r e f f l i c h e n O f f i c i e r entworfen ist, geht zwar nicht in das Detail seines Lebens, aber sie giebt doch einen allgemeinen Ueberblick der großen Fortschritte, welche er von Zeit zu Zeit, ohngeachtet seiner anfänglichen mehrmaligen Zurücksetzung, in seiner ehrenvollen Laufbahn gethan hat. –

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Und ein solcher Ueberblick hat auch etwas Grosses und Herzerhebendes.

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Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf. Der wohlselige Herr Generalmajor George Ernst von Holzendorf wurde 1717 den 4ten Febr. geboren. Nachdem Er von 1723 bis 1730 auf dem Joachimsthalschen Gymnasio den Wissenschaften obgelegen, trat Er 1730 als Bombardier beim Artilleriecorps in Dienste; Er wurde in einigen Jahren Feuerwerker, hatte aber das Unglück dem hochseligen Könige Friedrich Wilhelm zu mißfallen, und Er wurde zum Bombardier degradirt. Dieses Sein Unglück war der Grund Seines nachherigen Glücks, welches Er Seinen Freunden öfters versicherte: denn Er nahm sich nach diesem Vorfall vor, Seinen Abschied und in auswärtigen Diensten Sein Glück zu suchen; doch sah Er sehr wohl ein, daß dazu gründliche Kenntnisse Seines Metiers erforderlich waren. Von der Zeit an legte Er sich mit großem Eifer auf alles, was Ihn zu seinem Stande geschickt machen konnte, so daß dieses der hochselige König erfuhr und Ihn auch deshalb selbst wieder zum Feuerwerker ernannte. Anno 1741 avancirte Er zum Secondelieutenant, und hatte nach erfolgtem Frieden wieder das Unglück bei einer Veränderung der Rangliste um einige zurückgesezt zu werden. 1746 wurde Er Premierlieutenant. 1755 Stabscapitaine. 1758 erhielt Er den Posten als Feuerwerksmeister, welchen Er bei Seinem weitern Avancement auch beibehalten, bis Er Chef und Generalinspecteur geworden. Er erhielt auch noch in dem nämlichen Jahre eine Compagnie. Anno 1761 wurde Er Major. Anno 1767 erhob Ihn der König mit seinen Nachkommen in den Adelstand. 1770 wurde Er Obristlieute-

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nant. 1771 Obrister. 1777 Chef und Generalinspecteur der sämmtlichen Artillerie und Anno 1779 erhielt Er den Charakter als Generalmajor. Er hat in seinen 55jährigen Diensten den Schlachten bei Molwitz, Hohenfriedeberg, Soor, Lawfeld in Brabant, Lowositz, bei welcher Er den Orden pour le merite´ erhielt, Prag, Breslau, Leuthen, in welcher Er durch eine Kanonenkugel an der linken Lende schwer verwundet wurde, Zorndorf, Hochkirch und Liegnitz; der Attaque der Burkersdorfer Berge; dem Bombardement von Neisse und den Belagerungen von Brieg, Neisse, Prag zweimal, Bergen op Zoom, Olmütz, Dresden und Schweidnitz rühmlichst beigewohnt. Sein Monarch schäzte Ihn Seiner hervorstechenden Verdienste wegen auch sehr hoch; wie genau Er Sr. Majestät bereits im 7jährigen Kriege bekannt war, kann folgende Anekdote beweisen. Als Seine Majestät Anno 1758 im Frühjahr sich bei dem damaligen Obristen und Chef der Artillerie Herrn von Dieskau erkundigten, ob noch Officiere von der Artillerie krank zurückgeblieben, so nannte der Oberste Sr. Majestät unter andern den verstorbenen General, welcher damals Capitain, und von Seiner bei Leuthen erhaltenen Blessur noch nicht wieder hergestellt war: worauf Se. Majestät erwiederten, d e r k o m m t g e w i ß , s o b a l d e r k a n n . Seinen Verlust haben Se. Majestät äusserst beklagt, und Ihm das Zeugniß öffentlich gegeben, daß E r a l s e i n e h r l i c h e r u n d r e c h t s c h a f f e n e r M a n n g e dient . Das hat Er, dieser würdige ruhmvolle Held, der für die Preussische Artillerie das war, was Valiere einst für die Französische gewesen, das heißt, Er schuf sie um. Er verbesserte die Geschütze, das Pulver, und führte die jetzige gute und bequeme Art zu formen auf den Munitions-Gießereien ein. Er lehrte die Artilleristen Geschwindigkeit mit Ordnung und Genauigkeit im Dienst verbinden. Er verbreitete Wissenschaften im Corps, da Er als Major und Feuerwerksmeister nicht allein selbst Collegia las, sondern auch um Seinen Untergebenen mit gutem Beispiele vorzugehen, Selbst einige hörte.

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Kurze Lebensbeschreibung

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Er errichtete eine Bibliothek, die durch einen kleinen Beitrag von sämmtlichen Compagniechefs unterhalten wird. Er war Muster in allem, vorzüglich in der Liebe und Treue, die man seinem Monarchen schuldig ist, und in dem Eifer, den der Dienst fordert, wenn man ihm mit Rechtschaffenheit vorstehen will. Er kannte kein anderes Vergnügen, als was Er in Dienstgeschäften fand, an die Er ohne Aufhören dachte, von denen er beständig sprach. Er wußte diese Eigenschaften bei Seinen Untergebenen hervorzulokken, ohne daß sie es selbst gewahr wurden. Dieses hatte Er Seiner großen Menschenkenntniß zu danken, nach welcher Er einen jeden nach der Art behandelte, nach welcher Er seine Thätigkeit am meisten rege zu machen glaubte. Nach Umständen bat, befahl, belohnte und bestrafte Er, doch wenn es irgend möglich war, zog Er immer Güte der Strenge vor. Er wurde auch dafür von Seinen Untergebenen fast durchgängig angebetet. Sie liessen keine Gelegenheit vorbei öffentliche Beweise davon zu geben; unter vielen andern, die alle hier anzuführen zu weitläuftig seyn würde, aber nur diesen: Als der General Anno 1780 den 21sten Octbr. Sein 50jähriges Dienstalter erreicht hatte, erwartete Ihn an diesem Tage das ganze Corps Officiere im Zeughause, der älteste Capitain gratulirte Ihm im Namen aller Officiere, und überreichte Ihm dabei ein Gedicht. Es war die herrlichste Scene, da stand Er, der Greis, von Seinen Officieren wie von Seinen Kindern umgeben, in deren Augen Er Bewunderung der ruhmvollen Laufbahn, die Er funfzig Jahre durchgewandelt, die heiterste Freude über sein Wohl und die heissesten Wünsche für Sein ihnen so theures Leben las, und dem es Seinerseits an Worten gebrach, Seine väterliche und dankvolle Liebe die er dabei empfand, auszudrücken. Doch dieses läßt sich besser empfinden, als beschreiben. – So aufrichtig wurden noch wenige Chefs von ihren Untergebenen; so, wenige Väter von ihren Kindern geliebt. – Seiner schwächlichen Gesundheit ohnerachtet hat Er bis an das Ende seines Lebens seinem Dienste vorgestanden, alles angeordnet und sich die geringste Kleinigkeit melden lassen.

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Er starb an einer Brustwassersucht und Entkräftung in einem verdienst- und ruhmvollen Alter von 71 Jahren, 10 Monathen und 6 Tagen. Er hinterläßt zwei Söhne, die beide Lieutenant beim Feldartilleriecorps sind; Seine Gemahlinn und eine Tochter starben Anno 1779 in Breslau, als sie zu Ihm ins Winterquartier gekommen waren. Er ist nicht mehr – aber Sein Geist ruhet noch auf den Artilleristen, die Er gebildet, Er war zu sehr mit Ihnen verwebt, als daß Er sie je verlassen könnte: die Gesinnungen die Er ihnen eingeflößet, sind unveränderlich, und so werden sie auf die Nachkommen fortgepflanzt den Namen des Mannes unvergeßlich machen, der sie hervorgebracht, und sich dadurch den Weg zur Unsterblichkeit gebahnet hat.

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Das Skelet. Durch dieß von Fleisch entblößte Knochengebäude des Menschen wird also der Tod im Bilde dargestellt! – Die ganze Natur scheint alle ihre Kräfte aufgeboten zu haben, eine Zeitlang in dem Umfange dieses Schädels und dieses Knochenbaues, ein wunderbares Spiel von Gedanken und Empfindungen zu unterhalten, wodurch sie sich gleichsam selbst übertrift, indem sie erst den höchsten Gipfel ihrer Schönheit und Vollkommenheit in der Vorstellung eines denkenden Wesens erreicht, daß sich ihrer mit reinem Herzen freuen kann – Und nun hat sie selbst diesen kostbaren Spiegel zerschmettert, worin sich ihre Gestalt so herrlich abbildete – Statt jener Augen, worin sich so oft das Antlitz der Sonne mahlte, sind hier ein paar leere grauenvolle Oefnungen – Die Lippen, auf welchen die Freude und das Lächeln wohnte, sind verschwunden – Alle die weichen Fiebern, welche jeden sanften Eindruck annahmen, und ihn dem Sitze des Denkens zuführten, sind von der harten Knochenmasse abgelößt, die noch eine Zeitlang der gänzlichen Zer-

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störung trotzt; selbst in ihrer Zerstörung noch Ueberreste der Würde in Gang und Stellung zeigt, und wie die Ruinen eines zerfallenen Göttertempels, Staunen und Ehrfurcht einflößt – Hier sollte also das Ende dieser Schöpfung seyn, die sich in dem Geiste des Menschen bildete? – Mit dieser traurigen Verwandlung sollte nun alles aufhören? – Die sonst so sparsame Natur sollte hier allein mit solchem Aufwande sich nur eine desto prächtigere Zerstörung haben schaffen wollen? – Sie sollte nur deswegen in jedem einzelnen Menschen eine eigne neue Schöpfung, eine neue Welt hervorgebracht haben, um ihr Werk desto öfter wieder zerstören zu können? Menschen und Thiergerippe wären also der lezte bleibende Endzweck ihrer immerwährenden Schöpfung, und damit deren Zahl sich immer mehr anhäufte, ließ sie Millionen gebohren werden, die alle wieder ein Grab verschlingt, das nie gesättigt wird? Dieß Knochengebäude soll länger dauren, als der denkende Mensch, das Meisterstück der Natur? – Zwar macht diese Knochengestalt die größte Scheidewand zwischen allen unsern Gedanken und Vorstellungen. L e b e n und To d steht im fürchterlichen Gegensatz nebeneinander – Diese Knochengestalt ist die furchtbare Trümmer einer zerstörten Welt – Anfang – Ende des Daseyns ist beides für uns in gleiches Dunkel gehüllt – Hier ist der S c h l u ß p u n k t alles unsers Denkens von zwei Seiten – Hier senkt sich der Horizont bis auf den Boden nieder – und die Aussicht ist gehemmt – Indem man diese Knochengestalt betrachtet, so verschwindet alles – Thürme, Palläste, Städte, Wünsche, Hoffnungen, Wissenschaften, Künste – alles ist in Nacht verschwunden, alles ist in das erste Chaos der Dinge zurückgesunken –

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Die Gedanken schwinden uns, wenn wir uns an die Stelle dieses Knochengebäudes versetzen sollen – Wir staunen und staunen – und sehen nicht, wie es möglich ist, daß unser Wesen so verwandelt werden kann – Eine solche Verwandlung unsers Wesens scheinet uns ein Widerspruch – Wir sind geneigt zu glauben, daß nur die Hülle unsers eigentlichen Wesens, aber nicht unser Wesen selbst auf die Weise verwandelt ist – D e n k e n d e r M e n s c h – K n o c h e n g e r i p p e – Es läßt sich kein Uebergang von dem einen zu dem andern denken – Das, was d a c h t e , kann nicht s o verwandelt werden – So wie aus der Zerstörung neues Leben hervorgeht, so erzeugt die anhaltende Betrachtung dieses Todtengerippes einen erhabenen Gedanken, einen neuen Begriff in der Seele, der plözlich die Schrecken des Todes verschwinden macht – Das, was ich hier vor mir sehe, ist von meinem denkenden Ich zu verschieden, als daß dieses je darein sollte verwandelt werden können – Hier sehe ich harte, steiffe Körpermasse, die sich anfaßt, wie Holz und Stein – diese ist aus dem Innersten meines Körpers herausgehoben – und steht nun vor mir da – als ein Gegenstand meiner Betrachtung – Diese betrachtenden und beobachtenden Gedanken in meinem Innern, wie unendlich verschieden sind sie von dem Gegenstande, den ich vor mir sehe! Ich muß dem, was in mir betrachtet und beobachtet nothwendig einen andern Nahmen, als dieser harten und steifen Körpermasse geben – Einen Nahmen, der Leben und Bewegung, Denkkraft und Thätigkeit bezeichnet – Ich fühle mich gedrungen, eine neue Grenzlinie in meiner Vorstellung zu ziehen, zwischen K ö r p e r und G e i s t .

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Aus der dunklen Mitternacht dämmert das Morgenroth – aus der zerstörten Körperwelt steigt die Geisterwelt empor – Das unverwandte Anschauen des Todes läßt uns einen Blick hinter den geheimnißvollen Vorhang thun, der das, was jenseit des Grabes ist, vor unsern Augen verhüllt – Unser Gesichtskreis erweitert sich wieder, und schließt uns eine heitre Ferne auf – Bauet die Natur, um zu zerstören? Nein, sie zerstört nur, um zu bauen – Das B a u e n , das B i l d e n ist ihr Zweck, die Zerstörung ist nur Mittel – In jedem Herbst fallen die Blätter vom jungen Stamme, und andre brechen im Frühling wieder hervor, indes der Stamm mit jedem Jahre wächst, und fester und stärker wird – Menschen werden gebohren und sterben; der Staub von Millionen mischt sich zu dem Staube, aber mitten durch die Zerstörung wächst die Geisterwelt empor; sie arbeitet sich durch Tod und Verwüstung durch – und nimmt mit jedem Menschenalter zu – Die immerwährende Vervollkommung der Geisterwelt ist das F o r t s c h r e i t e n d e in der Natur – ohne dieß Fortschreitende würde der Kreislauf der Dinge selbst ohne Zweck und ein bloßes absichtloses Spiel seyn. – Was hilft es, wenn das Rad am Wagen sich ewig um seine Axe dreht, ohne daß der Wagen vorwärts rollt – Hat nicht selbst der Erdball diese d o p p e l t e Bewegung, daß er unaufhörlich f o r t s c h r e i t e t , während er sich um seine Axe drehet – Der immerwährende Kreislauf der Natur ist: Leben und Tod Jugend und Alter Bildung und Zerstörung Dieß ist ihr D r e h e n u m i h r e A x e , dieß ist immer abwechselnd Ta g und N a c h t –

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Wie die junge Morgenröthe, so steigt mit jedem Menschenalter die jugendliche Welt empor – um nach ihrem vollendeten Lauf in das Dunkel des Grabes wieder hinabzusinken. – Wo ist nun das Fortschreitende bei dem ewigen Kreislaufe, bei dem Drehen um die Axe, welches doch nothwendig ist, wenn alles nicht ein zweckloses Spiel seyn soll? – Was anders kann dieß seyn, als die immerwährende Vermehrung und Vervollkommung der Geisterwelt, die mit jedem vollendeten Kreislauf wächst und zunimmt – Hier ist ein unübersehbares Feld – Eine trostvolle Aussicht in ein unendliches Gewebe voll Mannichfaltigkeit und Einheit, bei dessen Betrachtung der Geist Ewigkeiten hindurch nicht e r m ü d e n kann.

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Die Schwärmerei. Was wälzet langsam für ein Ungeheuer Aus dunkler Tiefe sich empor, Und wirft um Gottes Schöpfung einen Schleier, Und vor die Seele einen Flor? Sie ist es, die mit ihrem Zauberscheine, So mancherlei Gestalten lügt, Voll schwarzer List, der Unholdinnen eine, Die oft den Sterblichen betrügt, Das in der Seele, wie in einem Spiegel, Von einem Dämon angehaucht, Ein dunkles Blendwerk steht, das sie zum Siegel Der ganz entstellten Wahrheit braucht; Die schmeichelnd sich in blöde Herzen senket, Und in den trüben Seelen wohnt,

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Die sie mit ihrem süssen Gifte tränket, Und mit Verzweiflung ihnen lohnt.

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Der, dessen Lied von ihrem Frevel tönet, Hat ihre Fesseln selbst gekannt, Und ihrem Joche, schon als Kind, gefröhnet; Er war an des Verderbens Rand, Als mit der düstern Flamm’ ein Lichtstrahl kämpfte, Der seinen Weg zum Herzen nahm, Und jene Glut der Seele liebreich dämpfte, Noch eh sie ganz zum Ausbruch kam. Allgütiger, aus dessen reinem Quelle Das Licht in klaren Bächen fließt, Und in der Unschuld Busen sich so helle, Wie ein kristallner Strom, ergießt,

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Bewahre doch, mit Vaterhuld, das weiche, Noch unschuldsvolle, gute Herz, Daß jenes Gift es nicht schon früh erreiche, Und bring’ ihm endlich Höllenschmerz; Ach wehre dem unseeligen Gedanken, Der auf des Irrthums Pfade streift, Und, o Vernunft, aus deinen edlen Schranken, In dunkle Labyrinthe schweift! Und hemme doch des frommen Schwätzers Zunge, Der nichts bei so viel Worten denkt, An deren Schall der Blödsinn, und die junge Schon früh verwöhnte Seele hängt, Die dann der Freundschaft und der Menschheit Bande Um diesen leeren Schall zerreißt, Pflicht und Gesetz vergißt, und, o der Schande! Noch ihre Frevelthaten preißt.

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Doch, wenn noch Haß und Wahn die Seele füllen, So wirst du ihr Gebet verschmähn, Die Glut wird sich in Dampf und Nebel hüllen, Und Stürme werden sie verwehn. Wo der Gedanke durch Vernunft geläutert Sich nur zur heissen Andacht schwingt, Zuerst mit seinem Strahl die Seel’ erheitert, Und dann mit Wärme sie durchdringt, Da wälzet sich, zu deinem Wohlgefallen, Die reine Flamme himmelan, Du siehst sie durch die stillen Lüfte wallen, Und nimmst das Opfer gnädig an.

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Sechstes Stück.

Das menschliche Elend.

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Ueber das Elend, welches die Menschen nun seit Jahrtausenden, ohne es sich selber recht vorzustellen, erduldet haben, hat endlich der Professor Salzmann in Schnepfenthal bei Gotha, ein ganzes Buch geschrieben, worinn er alles gleichsam in einen Brennpunkt zusammenfaßt, was man sonst nur hie und da einzeln und zerstreut bemerkt hat. Um nun aber die versengenden Strahlen, welche dieser schreckliche Spiegel von sich werfen würde, in etwas wieder zu mildern, hat er seinen Gegenstand in den Flor der E r d i c h t u n g eingehüllt, und alles menschliche Elend in einen R o m a n gebracht, den er nach seinem Helden K a r l v o n K a r l s b e r g nennt, und von welchem schon eine zweite Auflage gemacht worden ist. Die wichtigsten Sachen, welche die ganze Menschheit betreffen, kommen manchmal erst sehr spät zur Sprache, so wie es in großen

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Das menschliche Elend

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Rathsversammlungen und Kollegiis zu geschehen pflegt, wo die Aufmerksamkeit auch nicht immer gerade zuerst auf das fällt, worauf sie zuerst fallen sollte; sondern der Zufall scheint die Gedanken der Menschen eben so im Großen, wie im Kleinen, zu lenken: sonst müßten alle Dinge in der Welt schon eine ganz andre Gestalt gewonnen haben – Aber so fängt man erst spät an, nachdem man schon sehr lange Conchylien, Schmetterlinge, und allerlei Gewürme klassifizirt hat, auch das menschliche Elend in Klassen zu ordnen, damit es etwa einer oder mehrere Menschen, die einen Staat zu beherrschen haben, mit einem Blick, wie auf einer Landkarte, übersehen, und eins nach dem andern, so wie die Noth am dringendsten wäre, abhelfen könnten – Die meisten Menschen werden nun freilich das Salzmannsche Buch, so wie jeden andern Roman, mehr zum Zeitvertreibe lesen, als daß sie es wie eine feierliche Anrede betrachten sollten, wodurch jemand die ganze mit ihm lebende Menschheit auffordert, der gemeinschaftlichen Noth in Zeiten zu Hülfe zu kommen, und da die Gefahr so dringend ist, nicht länger die Hände in den Schooß zu legen – Indem man nun allerlei hierüber nachsinnt, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, wie leicht allem menschlichen Elend abgeholfen werden könnte, wenn in irgend einem günstigen Augenblick aller Menschen Herzen, wie durch ein Wunder, plözlich erweicht, und nur a u f e i n e n e i n z i g e n Ta g l a n g von Selbstsucht und E i g e n n u t z gänzlich befreit werden könnten. Was für erstaunliche Veränderungen würde dieser einzige Tag in der Welt bewirken? – Scepter würden sich beugen, Kronen würden niedergelegt, Waffen zerbrochen, Werkzeuge der Zerstörung in die Tiefen des Meeres gesenkt, Thränen getroknet, Wunden geheilet, Seufzer gestillt werden! – Alles wieder ins Gleis kommen, was aus seiner Bahn gewichen war – Das Krumme wieder gerade, das Hökkerichte eben werden – Aber nun wäre auch auf einmal den menschlichen Bestrebungen ihr S t a c h e l , dem allgemeinen Wettlauf der Sporn genommen – das

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lebendige Spiel der Leidenschaften gegeneinander hörte auf – Um dieß große Spiel nun wieder in Bewegung zu bringen, müßte doch am Ende jener Stachel der Thätigkeitstriebe den Menschen wieder gegeben werden – Am andern Tage würde alles von neuem seinen Gang gehen. – Die gesenkten Scepter würden sich allmälig wieder erheben, niedergelegte Kronen würden wieder aufgesezt, die zerbrochenen Waffen wieder zusammengeschmiedet, die Werkzeuge der Zerstörung aus dem tiefsten Abgrunde wieder heraufgewunden, und alles bald wieder in seinen vorigen Zustand hergestellt seyn – Muß Eigennutz und Selbstsucht nothwendig in der Welt seyn – wie soll denn je die allgemeine Quelle des menschlichen Elendes verstopft werden? – So lange es U n t e r d r ü c k e r giebt, muß es auch U n t e r d r ü c k t e geben. – Die menschlichen Kräfte wollen f r e i e n S p i e l r a u m haben, hat nun die Kraft eines einzigen unter tausenden einen zu großen Spielraum, so sind tausende nicht so glücklich, wie sie es seyn könnten – Alles Elend des Menschen entsteht aus in sich selbst zurückgedrängten ungenuzten Kräften, die das Laster und die Thorheit erwecken – So wie Kinder nur dann auf Unarten und Thorheiten gerathen, wenn sie unbeschäftigt sind. – Die S e l b s t t h ä t i g k e i t der Menschen anzufeuern ist daher die erste Grundregel einer guten bürgerlichen Einrichtung – Der Künstler ist nicht elend, welcher Tag und Nacht mit unermüdetem Eifer an der Vollendung seines Werks arbeitet. – »Du wägst das menschliche Elend auf trüglichen Schalen, scheint eine geheime Stimme in mir zu sagen – im Ganzen genommen ist das Elend nirgends, als in dem Kopfe dessen, der ein Belieben daran findet, es zusammen zu fassen – was einmal einzeln ist, bleibt ewig einzeln – du kannst jedesmal nur das Elend eines e i n z e l n e n Menschen, und nie das Elend aller Menschen zusammen genommen auf die Wage legen. – Da nun das Elend so v e r e i n z e l t wird, so fällt schon seine eingebildete Schwere weg, die fast ganz verschwindet, wenn du die Ve r e i n z e l u n g d e s s e l b e n d u r c h d i e Z e i t er-

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wägst; daß es nur eigentlich der g e g e n w ä r t i g e A u g e n b l i c k ist, worin der e i n z e l n e M e n s c h e s w i r k l i c h trägt; daß es gar k e i n e e i g e n t l i c h e S u m m e des Elendes selbst bei dem einzelnen Menschen giebt, eben weil sein wirkliches Daseyn auf den Moment begrenzt, und alles übrige bei ihm nur Erinnerung an die Vergangenheit oder Furcht vor der Zukunft ist – und daß ein jeder dieser Momente dieß kurze und nichtige Leben seinem Ende näher bringt. – Das Elend des einen ist dem Blick des andern durch Meere, durch weite Strecken Landes wo niemand wohnet, und an den bewohnten Orten selbst durch die Wände und Mauern entzogen, welche die Seufzer und Thränen der Menschen in sich schließen – Kurz, die große Masse des menschlichen Elendes, wird bei genauer Zergliederung des Begriffes, so w i n z i g klein, wie die Menschen selber und ihr ganzes irrdisches Daseyn – es verschwindet in Traum und Blendwerk, wie des Menschen Leben. – Denen, die es tragen, ist es lange nicht so wichtig, als denen, die es betrachten und schildern – und wem es w i c h t i g scheint, der findet schon wieder in dieser Wichtigkeit eine Art von Trost. – Die Menschen werden es dir wenig danken, wenn du ihnen ihr selbstgewähltes Elend rauben wolltest – daß sie Sklaven sind, dadurch glauben sie sich der Mühe des Denkens überhoben – daß sie unglücklich, verlassen oder verfolgt sind, macht ihnen ein gewisses behägliches Gefühl von Mitleid mit sich selber. – Es giebt wirklich k e i n E l e n d a u f E r d e n , w e l c h e s n i c h t s e i n e n g e h e i m e n Tr o s t u n d E r s a t z f ü r d e n E l e n d e n m i t s i c h f ü h r t , welcher nur ihm allein, und keinem der Umstehenden fühlbar oder merkbar wird – darum trage deine eigne Bürde durch dieß Leben, so gut du kannst! – was hilft es dir, dich zum Mittelpunkt zu machen, wel-cher das vereinigte menschliche Elend zusammenfaßt? Du siehst doch nur die Aussenseite – oder hast du mit dir selbst nicht genug zu thun? Drum wandle still und ruhig den kurzen Lebenspfad und denke: Man wants but little here below Nor wants that little long.«

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Gegen diese Stimme, welche das Resultat von Schwäche und Niedergeschlagenheit des Geistes ist , fühle ich die bessre Natur, und einen edlen Thätigkeitstrieb in mir, sich wieder auflehnen – Ehe ich selbst vollkommen ruhig und zufrieden seyn kann, muß ich erst mit allen den Wesen, die ausser mir eben so wie ich denken und empfinden, gewissermaßen in Richtigkeit seyn – ich fühle einen Hang in mir, zu wissen, wie es um sie steht, welcher sogar das Interesse meines eignen Daseyns bei mir überwiegt – Ich fühle, daß es mir unerträglich seyn würde, in einer Welt zu leben, worin irgend ein denkendes und empfindendes Wesen wirklich und n o t h w e n d i g unglücklich wäre – denn ich kann der Neigung nicht widerstehen, mich an die Stelle desselben zu setzen, an welche mich der Z u f a l l d e r G e b u r t hätte setzen können, dem ich nicht zu gebieten vermochte. Ehe ich daher in der Betrachtung des menschlichen Elends einen Schritt weiter gehe, suche ich erst festen Fuß zu fassen, indem ich mir den tröstenden, durch Erfahrung geprüften Gedanken denke, d a ß e s in der Macht des Menschen steht, sich der Nothwendigkeit freiwillig zu unterwerfen – Daß sein eigentliches denkendes Ich dem Unglück keinen einzigen Berührungspunkt darbietet, daß dieses nur mit seiner Umgebung spiele, aber ihn selbst nicht erschüttern kann; daß es in jedem Augenblick seines Daseyns in seiner Macht steht, sich in sich selbst zurückzuziehen, und alles was ihn umgiebt, freiwillig dem Zufall Preis zu geben – Nachdem ich dieß vorausgesezt habe, kann ich erst mit unbefangenem Muth über das menschliche Elend nachdenken und Betrachtungen anstellen – Aus dieser sichern Veste, die ich um mich her gezogen habe, biete ich dem Zufall trotz, der mich als den unglücklichsten auf Erden konnte gebohren werden lassen – Und nun fühle ich mich erst stark genug, das, was die Menschen drückt und quält, als einen Gegenstand meiner kaltblütigen Betrachtung vor mich hinzustellen, weil ich nun auf jeden Fall, es mag demselben abgeholfen werden können, oder nicht, gefaßt bin. –

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Und nun lasse ich das menschliche Elend in seinen fürchterlichsten Gestalten vor meiner Seele vorüber ziehen, und denke mir, wie sich das alles entwickeln, was aus diesem faulenden Saamenkorn dereinst für ein Halm emporkeimen wird – wie Kerker und Vestung, Schwerdt und Rad, Mönchsklöster und Tollhäuser, Krieg und Pest, als ungeheure Dissonanzen, sich endlich wohl in allgemeine Harmonie wieder auflösen, und alles das Mangelhafte und Unvollkommene, gegen das Gute und Vollkommene, was daraus entsprang, wie Traum und Blendwerk verschwinden wird, indes das Gute und Vollkommene selbst w i r k l i c h da ist, und unvergänglich bleibt – – Sollten aber auch diese süßen Gedanken selbst nur ein Traum seyn, so sinke ich dennoch nicht – denn ich habe gelernt, wenn alles um mich wankt, mich in den Moment meines Daseyns zurückzuziehen. –

Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto. W i l m e r . E i n K o l l e k t e u r (sein vertrauter Freund.) Kollekteur.

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Was ist hier zu thun, Freund – als den unvermutheten Gewinnst frisch wieder zu wagen – fünftausend Thaler sind noch kein Schiff, das dich sicher in den Hafen bringt – sie sind nur ein Brett, das das Glück dir zuwirft, um dich so lange damit empor zu halten, bis eine günstige Welle dich ans Ufer treibt – Wilmer.

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Du weißt meine Gründe – ich setze von diesem Gelde keinen Heller mehr aufs Spiel, und wenn ich Krösus Schätze damit gewinnen könnte –

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O, Possen! – Du willst dem Zufall nichts mehr zu danken haben? – Eine Stecknadel, die deine Mutter aus ihrem Halstuch fallen ließ, und die dein Vater aufhob, war die erste Veranlassung, daß die Blicke deiner Eltern sich einander begegneten, und war die erste Ursach deines Daseyns – Was hatte denn der Stoff, woraus dein Körper sich bildete, verbrochen, daß er nicht der Stoff zu einem Fürstensohne wurde – O, mein Freund, ich bin im Dienst des Zufalls grau geworden, und habe mich weiter nicht übel dabei befunden – Befriedige meinetwegen mit deinen fünftausend Thalern deine Gläubiger so gut du kannst, und ergreiffe dann sogleich den Bettelstab, oder die Axt und die Säge – damit du hinlängliche Muße hast, dir Ursach und Wirkung gehörig wieder zusammen zu denken – und den Frieden in deiner Seele wieder herzustellen – ich kann dir versichern, daß es in meiner Seele sehr ruhig ist, und daß ich auch noch recht gut das Ei von der Henne zu unterscheiden weiß –

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Wenn’s in deiner Seele ruhig ist, so mag’s seyn! – ich freue mich sehr, daß es mit mir noch nicht so weit gekommen ist – Die bessre Natur liegt bei mir, Gottlob! noch mit der blinden Leidenschaft im Kampfe – und kurz, du merkst selbst wohl unsre Seelen haben aufgehört miteinander zu stimmen – ich dächte also, wir schieden, und jeder ging seinen Weg für sich, wie’s ihm gut dünkt –

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Kollekteur. Wie du willst! ich will mich dir nicht aufdringen – wenn du mich so sehr verabscheuungswürdig findest, so will ich dir gern nicht im Wege stehen – und da du mich für einen so verstockten Sünder hälst, so bewahre mich der Himmel, daß ich mich bemühen sollte, dich mir gleich zu machen, um etwa an dir einen Gefährten meiner Verdammniß zu haben. – Nein, mein Freund, ein solcher verstockter Bösewicht

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bin ich wenigstens nicht – und ich bin auch immer Manns genug, die Verdammniß, die ich mir zuziehe, allein auf mich zu nehmen. – Uebrigens thut es mir leid, daß mir mein wohlangelegter Plan mit dir mißlungen ist, der freilich geradezu auf dein Verderben abzweckte – denn ich versprach dir, durch eine sorgfältig vertheilte Anlage von dem Rest deines Vermögens den Zufall zu zwingen, dir wieder günstig zu seyn – Was ich versprach, hab’ ich nun zwar gehalten – aber freilich hätte ich weit edler und besser gehandelt, wenn ich mein Versprechen nicht gehalten hätte – dann hätte ich dir den Frieden deines Herzens nicht geraubt, die Thätigkeit deiner Seele nicht gehemmt. – Wie ich auch so ein Bösewicht seyn konnte, mir den Kopf für dich zu zerbrechen, Tag und Nacht Zahlen auszusinnen, und Wahrscheinlichkeiten zu berechnen – um dir fünftausend Thaler zu verschaffen, damit du vor den Thüren Holz sägen könntest. – – Freilich, wer das erstemal seinen Freund so hintergangen hat, wie ich dich, der verdient das zweitemal kein Zutrauen wieder. – Unsre Abrede ging doch, däucht mir, darauf hinaus, daß wir nur erst so viel zu erhalten suchen wollten, um wieder festen Fuß zu fassen – festen Fuß hätten wir nun gefaßt – und haben wir den Zufall vorher zehnfach gefesselt, so könnten wir ihn nun hundertfach fesseln – daß es ihm nach allen Gründen der Wahrscheinlichkeit unmöglich seyn sollte, uns zu entschlüpfen. – Doch, ich bin wohl ein Thor, daß ich so viele Worte verliere – unsre Seelen haben aufgehört miteinander zu stimmen – es wird also besser seyn, wir scheiden, und ein jeder geht seinen Weg für sich, wie’s ihm gut dünkt – (geht ab)

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Wilmer. (bleibt in einer nachdenkenden Stellung stehen.) (Die Scene ist vor Wilmers Hausthüre.)

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Der Kollekteur. (zu einem seiner Herren Kollegen, mit welchem er in tiefem Gespräch begriffen ist, indem er mit dem Finger auf Wilmers Haus zeigt,) Der entgeht uns auch nicht.

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Phantasie. Laß die Goldumsäumte Wolke Ueber jenen Hügel ziehn – Laß sie sinken in das Meer Wo die Purpurstreifen glühn; Wölkchen schweben um sie her, Gleich dem zarten Lämmervolke Auf dem weichen Wiesengrün – Sie ist Königin des Himmels – Sie verbreitet Licht und Glanz – Was trägt sie in ihrem Schoße? Was umschließt ihr Purpurkranz? Ist es eine goldne Schale Die in ihrer Wölbung ruht, Und vermischt mit Morgenstrahle Jenes purpurrothe Blut In die offne Wölbung gießet Die vom Schimmer überfließet – Oder ist es eine Kugel Die den Lichtstoff in sich schließet, Und sich auf der Fläche wiegt, Wo sie von der Luft umgeben, Wie auf einem Küssen liegt – Ach die Purpurwolke sinket, Doch ihr Schimmer sinket nicht –

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Ueber Moses Mendelssohn

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Denn aus ihrem Saume blinket Plötzlich ein allmächtig Licht – Nun hat sich das Licht geründet – Aller Wolken Schimmer schwindet – Und des Himmels Königin, Welche dieses Licht gebohren, Schwindet selbst in Nacht dahin – All’ ihr Schimmer ist verlohren – Aber lächelnd sinkt sie hin: Denn sie hat das Licht gebohren: Die Gebährerin des Lichts Sinket lächelnd in ihr Nichts.

Siebentes Stück.

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Ueber Moses Mendelssohn. 15

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(Fortsetzung.) In seiner Gegenwart war einem wohl – man fühlte sich schon durch seinen Anblick erhoben und ermuntert – und nie ist vielleicht einer ungebessert von ihm gegangen. Ich besuchte ihn einmal mit einem lutherischen Prediger, welcher in seiner Gegend, wo noch große Dunkelheit herrschte, Aufklärung zu verbreiten suchte, und sich darüber Mendelssohns Rath ausbat. – Es war rührend anzuhören – wie ein Jude hier mit einem lutherischen Prediger über die beste Art und Weise sprach, wie eine christliche Gemeinde zu unterrichten sey, und wie Mendelssohn den Prediger ermahnte, ja nicht auf einmal zu viele Neuerungen zu machen, und bei dem Aufklärungsgeschäft mit Behutsamkeit und Sanftmuth zu verfahren, wie Christus auch zu thun gelehrt habe.

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Mit der edelsten Bescheidenheit, die mit Feinheit verknüpft war, wußte er übertriebene Komplimente, die ihm gemacht wurden, von sich abzulehnen. – So kam ich einmal dazu, als ihn gerade ein paar junge Edelleute aus Frankreich besuchten, welche versicherten, daß sie vorzüglich, um den König von Preussen und ihn zu sehen nach Deutschland gereist wären – ohne hierauf zu antworten, fragte er sie durch einen kleinen Umweg, ob sie etwa auch nach Weimar reisen würden? – und nahm hievon Gelegenheit von W i e l a n d , H e r d e r und G ö t h e mit solchen Lobeserhebungen, als den vorzüglichsten Köpfen Deutschlands, zu sprechen, daß er sich selbst durch diese Beschreibung gleichsam in Schatten stellte – und so fuhr er fort, das Gespräch immer noch auf mehrere der vorzüglichsten Köpfe Deutschlands zu richten, deren Verdienste er seinen beiden Bewunderern aus Frankreich, so lebhaft schilderte, als wenn diese ihn selbst ganz darüber vergessen sollten. Diese edle Bescheidenheit war von jeher der auszeichnendste, liebenswürdigste Zug in seinem Charakter, der nur bei einem w i r k l i c h g r o ß e n M a n n e , welcher sich seines ganzen inneren Werths bewußt ist, bei solchen entschiednen Vorzügen, in dem Grade statt finden kann: – denn nur ein solcher ist vermögend auf Lob und Beifall r e s i g n i r t z u seyn, welche Resignation eben die vorzüglichste Quelle der Bescheidenheit ist. Er schien ordentlich eine Art von Vergnügen darin zu finden, auch seinen offenbaren Feinden Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, und sprach fast nie mit Bitterkeit von ihnen; und ob ihm gleich der feinste Spott zu Gebote stand, so bediente er sich doch desselben nur äusserst selten, und so, daß der Stich immer durch einen hinzugefügten Ersatz gleichsam gemildert wurde. – Wenn man sich über philosophische Materien bei ihm Raths erhohlte, so war er besonders auf den A u s d r u c k aufmerksam, worauf selbst oft die Richtigkeit des Gedankens beruhet – auch konnte er es nicht wohl leiden, wenn man sich auch nur eines überflüssigen Wortes bediente – so tadelte er mir z. B. in einem Aufsatze, den ich ihm zur Durchsicht gab, den Ausdruck e t w a s t h ä t i g z u b e f ö r d e r n ,

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Ueber Moses Mendelssohn

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weil das Wort b e f ö r d e r n schon den Begriff t h ä t i g in sich schließe – Eben diese Präzision des Ausdrucks, die er sich in allen seinen Schriften zum Hauptaugenmerk genommen hat, wünschte er auch den Aufsätzen seiner Freunde – darum war er sehr strenge in der Kritik derselben, und ließ, wenn er einen solchen Aufsatz las, nicht leicht etwas nur halb, schief, oder schwankend ausgedrucktes, durchschlüpfen. – Freilich war seine strengste Kritik immer schon ein stillschweigender Beifall, wozu man sich Glück wünschen konnte. – Er mußte es der Mühe werth finden, an einem Aufsatze viel zu tadeln, sonst unterzog er sich nicht gern mehr der Mühe – aber nie schlug er irgend jemanden durch bittern Spott darnieder, wenn einer auch noch so viele Blößen gegeben hätte. – G u t m ü t h i g k e i t mit Ve r s t a n d verknüpft, schäzte er über alles, und war immer im Lobe derjenigen Personen unerschöpflich, bei denen er diese beiden Eigenschaften vereint antraf. – »Selten« – pflegte er zu sagen, wenn er jemanden recht loben wollte – »selten habe ich einen Mann gefunden, der mit so viel Guthmüthigkeit so viel Scharfsinn verbunden hätte; –« vorzüglich pflegte er sich dieses Ausdrucks von einem seiner neuern Freunde K.. zu bedienen, der auch dieses Urtheils in aller Absicht werth ist. Wenn zuweilen von auffallenden guten Handlungen die Rede war, die man durch lieblose Urtheile verunglimpfen, und ihnen z. B. unedle Motiven unterschieben wollte; so war er sehr lebhaft in der Vertheidigung solcher guten Handlungen gegen dergleichen Beschuldigungen – sagte man, daß sie durch Ehrsucht veranlaßt wären, so erwiederte er, daß eben dieß ja schon etwas Vortreffliches sey, in guten Handlungen Ehre zu suchen. – Kurz, er ging mit Absicht lieber im Zutrauen, als im Mißtrauen gegen menschliche Tugend und Güte des Herzens, zu weit. – Dieß Zutrauen war ihm gleichsam ein kostbarer Schatz, den er sich auf keine Weise wollte rauben lassen – wenn daher die Rede zuweilen auf Falschheit der Menschen, auf List und Verstellung kam – so lief

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immer sein Urtheil dahinaus, daß man sich durch dieß alles doch nicht müsse versteckt, verschlossen und mißtrauisch machen lassen. – Und er war selbst der erste, welcher unverbrüchlich bis an seinen Tod diese edle Lebensregel übte.* (Die Fortsetzung folgt.)

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Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland. Unsre guten dramatischen Schriftsteller schreiben z u w e n i g , die mittelmäßigen und schlechten z u v i e l , und die Kritik schweigt – das ist wohl die Hauptursach, weswegen unsre Schaubühne noch immer hinter den Ausländern, die wir fast in allen übrigen Fächern erreichen oder doch zu erreichen streben, so sehr zurückbleibt. L e s s i n g s M i n n a v o n B a r n h e l m und E m i l i a G a l o t t i , L e i s e w i t z e n s J u l i u s v o n Ta r e n t , und E n g e l s beide Nachspiele der E d e l k n a b e und d e r d a n k b a r e S o h n , sind fast immer noch die einzigen Stücke, die wir gegen die Ausländer, als völlig korrekte und ausgefeilte Werke in dieser Art aufzuweisen haben. – Diese Stücke verrathen allein bis in ihre k l e i n s t e n F u g e n Genie, Fleiß, und Kunst. – Die übrigen zum Theil nicht schlechtern Stücke, die wir haben, sind mehr ein roher Abguß, der sich nicht weit von der unorganisirten Masse ent-fernt, und doch auch nicht, wie die Shakespearschen Stücke, durch seinen innern Werth und Gehalt für den Mangel der ausgeglätteten Form hinlänglich schadloß hält. – Es muß nothwendig erst wieder ein allgemeiner Geist der höchstmöglichen Vervollkommnung ihrer Werke, ohne Rücksicht auf den Beifall des großen Haufens unter unsre dramatischen Schriftsteller * Das vortreffliche Porträt des Verstorbenen von F r i s c h , dessen in einem der vorigen Aufsätze Moses Mendelssohn betreffend Erwähnung geschehen, ist eine n e u e r e Arbeit jenes Künstlers, welche noch durch keinen Kupferstich vervielfältigt ist.

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kommen, wenn diese erhabne Kunst, die jezt so sehr im Sinken begriffen ist, wieder steigen, und zur Veredlung des Menschengeschlechts, zu der Verfeinerung der Empfindung und Verbesserung des Herzens, wie in den verflossenen Zeiten, beitragen soll. Wenn man aber die neuern dramatischen Produkte, welche noch itzt zum Theil auf den deutschen Schaubühnen im Schwange gehen, nacheinander die Musterung passiren läßt, so stößt man fast auf nichts hervorstechendes, auf nichts die Aufmerksamkeit fesselndes. – Bei allen diesen Stücken scheint der B e i f a l l , den sie s o g l e i c h erhalten sollten, der Hauptzweck zu seyn, welcher die Künstler geleitet hat, und dieser Beifall scheinet ihnen lieber gewesen zu seyn, als das Werk selbst, das sie schufen. – Dieß ist aber der Fall nie bei dem wahren Künstler, dem die innere Vollkommenheit seines Werks, mehr als jener Beifall, am Herzen liegt. – Daß ein Stück, wie F i g a r o ’ s H o c h z e i t , in ganz Europa ein solch erstaunliches Glück macht, ist doch wahrlich wohl kein Beweiß gegen die Frivolität unsers Zeitalters? – und es erhellet doch wohl offenbar daraus, daß der dramatische Schriftsteller den jezt herrschenden Geschmack unmöglich zur Richtschnur bei seinen Arbeiten wählen, sondern daß er selbst durch seine Arbeiten den Ton g l e i c h s a m h ö h e r a n z u g e b e n , und durch sein Werk jener allgemeinen Verstimmung in den Empfindungswerkzeugen der Menschen, entgegen streben müsse. – Hiemit ist gar nicht gesagt, daß Figaro’s Hochzeit an sich ein schlechtes Produkt sey; aber daß ein solches Stück, welches der Verfasser selbst nur ein Vaudeville, einen lustigen Schwank nennt, woran sich ein aufgeräumtes Völkchen etwa einmal einen Abend ergötzen kann, in ganz Europa, in allen Zungen und Sprachen, eine solche erstaunliche Sensation macht, daß fast alles übrige auf eine Zeitlang dadurch verdrängt wird, das gereicht dem Geschmacke unsers Zeitalters nicht zur Ehre. – Dieß Produkt scheint gleichsam in den allgemeinen Geist unsers Zeitalters, das immer fader und thatenleerer wird, eingegriffen zu haben – man will nicht mehr stark bewegt, erschüttert, gerührt – man will nur a m ü s i r t seyn – und dazu taugt denn ein solcher Spaß, wie Figaro’s Hochzeit ist, am besten. –

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Und gehört nun Figaro’s Hochzeit nicht unter die schlechten, so gehört es doch gewiß unter die mittelmäßigen Produkte – will man sagen: in seiner Art sey es doch meisterhaft – wozu denn eine solche Art? – Jeder dramatische Schriftsteller kann auf die Weise sein Stück eine eigne Art nennen, worinn es denn freilich, als das erste und einzige wohl meisterhaft seyn muß. Aber das ganze Stück besteht ja im Grunde bloß aus Theatercoups – e s i s t g a r k e i n e C h a r a k t e r z e i c h n u n g d a r i n – denn selbst Figaro ist kein Charakter, sondern nur ein Hauptspaßmacher und nichts weiter. – Wenn F i g a r o in seiner Art, so wie J o h n F a l l s t a f f in der seinigen wäre durchgeführt worden – dann wäre es doch noch etwas, und Shakespear hat ja doch auch S p a ß genug dabei anzubringen gewußt, aber der Spaß hatte doch eine feste Unterlage, und der Mann von Geist fand hier sowohl als der Pöbel Nahrung. – Aber in Figaro ist nichts als Spaß, der noch dazu von allen Seiten herbeigezwängt ist. – Da ist ein dummer Richter der stottert – welch ein abgenuzter Kunstgriff, um Lachen zu erwecken! Ein besoffner Gärtner – Nacht und Mißverständnisse – ausgetheilte Ohrfeigen – komische Erkennungsscenen – zwischen Vater und Mutter und Sohn – ein ungeheurer Monolog, der doch noch im Grunde das Beste im ganzen Stücke ist – eine schlüpfrige Scene mit dem entkleideten Pagen – kurz lauter ganz gemeine Theaterkunstgriffe, um die Aufmerksamkeit zu reizen, und die Sinne zu fesseln. – Der lange Monolog ist wie gesagt, von allem noch das Beste, und als abgesondert und für sich betrachtet eine kleine meisterhafte Skizze von dem s e l t s a m e n G a u k e l s p i e l des menschlichen Lebens – er trägt auch gewissermaßen zur Veredlung des ganzen Stücks etwas bei, indem man nun alles wie eine natürliche Darstellung dieses Sorgen und Ränkevollen Lebens betrachtet, das den Menschen, eben so wie ein solcher Tag, unter den Händen entschlüpft. – Und aus diesem Gesichtspunkte betrachtet erhält das Stück wieder einigen Werth. – Man könnte sagen, es sey gleichsam ein Miniaturgemählde, wo das sonderbare Spiel der menschlichen Leidenschaften,

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alle die kleinen eigennützigen Bestrebungen, und der lächerliche Krieg aller wider einen, und eines wider alle, der daraus entsteht, wie in einem Spiegel dargestellt wird – und da nun einmal der Strom des Beifalls doch in seinem Laufe nicht gehemmt werden kann, so ist dieser Gesichtspunkt noch das einzige, wodurch selbst der Beifall, den ein solches Produkt des Geistes erhält, einigermaßen wieder veredelt werden kann. – Dummheit und Witz, List und Ueberlist liegen gleichsam das ganze Stück hindurch miteinander im Kampfe – man betrügt – man wird betrogen – so wie es alle Tage in der Welt zugeht. – Allein so ein Stück muß schlechterdings keine Art werden. – Im Shakespear findet man auch die ganze Welt des Menschen mit allen ihren Thorheiten, Leidenschaften, und den daraus entstehenden Ereignissen wieder – aber es ist auch fast durchgängig dasjenige herausgehoben, wodurch das menschliche Leben erst eigentlich wichtig, und der Betrachtung des Weisen werth wird. – Ein Drama, wodurch das menschliche Leben in seiner ganzen Frivolität dargestellt wird, mußte also mehr in Rücksicht dieses Endzwecks, als seines eigentlichen Inhalts wegen, Beifall finden. – Findet es nun aber vorzüglich des Inhalts wegen Beifall, so ist dieß ein Zeichen, daß die Beifallgebende Welt selber für das Edle und Große keinen Sinn mehr hat, und der spielende Witz bei ihr alles gilt. – Diese Abschweifung von meinem Gegenstande auf ein auswärtiges Produkt ist nicht unzweckmäßig – weil der entschiedne Beifall, den ein solches auswärtiges Stück erhält, auf die vaterländische Litteratur nothwendig Einfluß haben muß, sobald B e i f a l l das einzige Ziel ist, worauf unsre dramatischen Schriftsteller hinarbeiten. – Zum Verfall unsrer dramatischen Litteratur tragen selbst die gutgerathnen Familiengemählde von I f f l a n d und G r o ß m a n n bei. – Je l a x e r die Gesetze werden, welche man sich vorschreibt, desto nachlässiger wird man auch in der Kunst. – Die Ausarbeitung solcher Scenen, die man nur so aus der Natur hebt, und hinwirft, kann einem unmöglich so sehr am Herzen liegen, als wenn man genöthigt ist, sie sorgfältig i n e i n G a n z e s z u fügen, und sehr lange ab und zuthun muß, bis etwas Vollkommenes daraus erwächst. –

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Indes sind jene Familiengemählde d i e s e c h s S c h ü s s e l n , d i e J ä g e r , und Ve r b r e c h e n a u s E h r s u c h t , fast noch immer das Beste unter den neuern dramatischen Produkten, – s i e s i n d w e nigstens das, was die holländische Schule in der Mahl e r e i – eine getreue Kopie der Natur. – Aber ohne hinlänglich geschmackvolle Auswahl – es bleiben immer nur mehr M a t e r i a l i e n für den wirklichen Schauspieldichter. – Die Idee des N ü z l i c h e n , welche schlechterdings nicht bei den Werken der schönen Künste die herrschende seyn muß, fängt auch hier an, das E d l e und bis zum höchsten Grade Vervollkommte allmälig zu verdrängen. – In den J ä g e r n von I f f l a n d z. B. wird häußliche Familienglückseligkeit mit den rührendsten Farben geschildert, es wird gegen Intoleranz und Religionshaß auf eine höchsteindringende Art geredet – ein grader und rechtschaffener Mann wird gegen einen Schurken in den auffallendsten Kontrast gestellt – das Stück hat unläugbaren moralischen Werth – es kann wirklich b e s s e r n – und wer wollte solche Eigenschaften bei irgend einem Produkt des Geistes nicht schätzen – aber hier ist die Frage davon: o b d i e K u n s t d a d u r c h F o r t s c h r i t t e g e m a c h t h a b e , o d e r n i c h t ? – und diese Frage bin ich geneigt mit N e i n zu beantworten. – Denn indem ich über die Erhabenheit eines Meisterwerks des menschlichen Geistes nachdenke, so verschwindet vor diesem so erreichenswerthen Ideale bei mir jede andre Rücksicht. – Selbst der N u t z e n , den ein solches Werk stiften kann, ist mir nur etwas Z u f ä l l i g e s auf keine Weise abgezwecktes – ich betrachte es als einen lebendigen Abdruck der innern Vollkommenheiten des menschlichen Geistes, als den herrlichsten Spiegel, der diese Vollkommenheiten in ihrem höchsten Glanze darstellt – und diese Darstellung selbst ist es schon, die mir genügt, ich verlange weiter keinen Nutzen davon, als die B e t r a c h t u n g derselben. – Ein solcher vollkommner Abdruck eines ausgebildeten menschlichen Geistes ist mir L e s s i n g s E m i l i a G a l o t t i und N a t h a n d e r We i s e . –

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Aber in jenen getreu nach der Natur gezeichneten Familiengemählden ist der Gesichtskreis der handelnden Personen so eingeschränkt; ihre Aeusserun-gen so alltäglich, obgleich wahr und zuweilen n a i v , daß ich meinen Geist nicht weiter dadurch erhoben, meine Gesinnung nicht dadurch veredelt fühle, als bloß in so fern ich mich über den N u t z e n freue, den ein solches Stück auf die Gesinnungen und Empfindungen sehr vieler Zuschauer haben kann. – Sollen also dergleichen Stücke von der Bühne verbannet seyn? – Nichts weniger! sie sollen vielmehr so oft wie möglich wiederhohlt werden, damit durch die Kunst, wenn sie in sich selbst nicht fortschreitet, doch wenigstens ein guter Zweck ausser ihr befördert werde – nur sollten dergleichen f a s t z u w a h r e u n d g e t r e u e Kopien aus der Natur, und nachlässig hingeworfne Scenen nicht das Ziel werden, w o h i n unsre dramatischen Dichter arbeiten – Immer mögen die Produkte dieser Art ihren Werth behalten: nur suche man Fortschritte in der Kunst zu thun!

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(Die Fortsetzung künftig.)

Das Kriegsheer. 20

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Nichts giebt einen auffallendern Beweiß, wieviel vereinigte menschliche Kräfte vermögen, als ein Kriegsheer. Daß viele tausend Menschen auf den Wink eines einzigen Hand und Fuß mit eben der Leichtigkeit bewegen, wie ein einzelner Mensch; Daß diese ungeheure Maschine gleichsam, wie an einem Draht aufgezogen, alle die Bewegungen machen muß, die ein einzelner Mensch, der diese Maschine regiert, für gut befindet; Daß auf einen ungeheuern Wurf dieser in Bewegung gesezten Maschine auf einmal tausende fallen, und Tod und Verderben rund umher, wohin man sieht, verbreitet wird;

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Das alles wird durch die vereinigten menschlichen Kräfte bewirkt, die sich hier nur vereinigt zu haben scheinen, um sich wechselseitig wieder zu zerstören – Vereinigte Kräfte müssen wieder vereinigten Kräften entgegen gesezt werden – Wenn ein Staat seine Kräfte zur Vertheidigung und Sicherheit in ein Kriegsheer zusammenzieht, so thut dieß auch der benachbarte Staat – Und so treiben sich die gegeneinander gestellten vereinigten Kräfte bis aufs höchste – Der Staatskörper wird ausgesogen und ausgemergelt, weil alle seine Kraft und Stärke, statt gleichmäßig vertheilt zu werden, sich in die Arme, die er zu seiner Vertheidigung braucht, zusammen ziehen muß.

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Achtes Stück.

Jean Vaumorin und sein Sohn.

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Es* lebte zu Paris im Jahr 1613 ein Schneider mit Namen J e a n Va u m o r i n , der sich wegen seines modernen Schnitts in Kleidern, am Hofe sehr beliebt gemacht hatte, und deshalb berühmt war. Alles trug Kleider nach J e a n Va u m o r i n ! Dieser verheirathete sich mit J e a n n e P e r r o t , der Tochter eines seiner Mitmeister zu Paris, aus welcher Ehe sie dann einen Sohn zeugten, den sie M i c h e l nannten. Nach einigen Jahren entdeckte man einen Diebstahl, der in dem Hause eines grossen Herrn begangen worden war, der Dieb wurde gehangen, und man fand, daß J e a n Va u m o r i n mit darin verwickelt war. * Man lasse sich nicht durch den Anfang dieser Geschichte verleiten, sie für eine von den gewöhnlichen rührenden Galeerengeschichten zu halten, sondern lese bis zu Ende, wo man finden wird, daß sie in p s y c h o l o g i s c h e r Rücksicht höchst merkwürdig ist.

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Da man ihn von der That gerichtlich überzeugt hatte, so würde er ein gleiches Schicksal gehabt haben, wenn sein Urtheil nicht durch die Fürsprache sehr angesehener Freunde und Beschützer in eine ewige Galeerenstrafe verändert worden wäre. Gerade zu der Zeit traf es sich, daß Heinrich der zweite, die Margarethe von Frankreich mit dem Herzog von Savoyen vermählte, der unter andern Geschenken demselben eine völlig ausgerüstete Galeere zu Marseille gab, worauf nun J e a n Va u m o r i n mit andern Missethätern gebracht und angeschmiedet wurde. Man kann sich das Elend einer Frau vorstellen, die mit ihrem zweijährigen Kinde dem traurigsten Schicksale überlassen wurde. Man brachte die Galeere nach Nice, wo sie einige Zeit blieb, bis ein gewisser Capitain der spanischen Marine sie kaufte, und mit ihr nach Neapolis ging. Während der Zeit wuchs M i c h e l Va u m o r i n heran, und es konnte nicht fehlen, daß er nicht öfters wegen seines Vaters Fragen an seine Mutter that, die sie ihm dann, um die Schande zu verbergen, damit beantwortete, er sey todt. Mittlerweile widmete sich dieser junge Mensch dem Gesange, wozu er eine natürliche Neigung und gute Anlage hatte, und man nahm ihn in der Eigenschaft eines Sängers in ein vornehmes Haus auf. Da er endlich 22 Jahr alt war, faßte er den Entschluß zu reisen, und da eben ein Prälat nach Rom gehen wollte, begab er sich unter dessen Gefolge und nahm von seiner Mutter Abschied, die, da sie lange nichts mehr von ihrem Manne gehört hatte, ihn wirklich für todt hielt und sich wieder mit einem Schreiber verheirathete. Mit thränenden Augen entließ sie ihren Sohn, und bat ihn, bald wieder zurück zu kehren. M i c h e l Va u m o r i n kam nach Rom, wo er bald bei einem Cardinal in Diensten trat, der ihn wegen seiner vorzüglichen Stimme sehr schäzte. Er blieb aber auch da nicht lange, sondern seine Begierde zu reisen trieb ihn nach Neapolis. Dort besahe er die Merkwürdigkeiten der Stadt, und ging endlich auch nach dem Hafen, um zu sehen, ob nicht auch unter den Galeerensklaven einige Franzosen seyn würden.

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Der erste, der ihm aufstieß, war ein Greis, der die Kennzeichen seines Verbrechens trug, jedoch mehr Freiheit als andere genoß. Sobald er ihn ansichtig wurde, frug er ihn, ob er nicht ein Franzose von Geburt wäre? – Ja, antwortete ihm der Greis, aber es ist schon lange, daß ich aus meinem Vater-lande vertrieben worden bin; – Und wie lange denn? – Länger als zwanzig Jahre, und indem er das sagte, sahe er den jungen Menschen mit unverwandten Augen an, und hohlte tiefe Seufzer aus seiner Brust. Was seufzt ihr denn, guter Alter, frug M i c h e l Va u m o r i n ? – Ach Gott! ich habe dazu Ursache genug, wenn ich meinen gegenwärtigen Zustand mit dem vergangenen vergleiche; aber vorzüglich das Andenken eines Sohnes schmerzt mich, den ich in seinem zweiten Jahre zu Paris zurück ließ, wo ich geboren bin, und den Sie mir ins Gedächtniß bringen. Es ist als wenn ich ihn sehe, ob er gleich damals noch so jung war, da mich mein Unglück von meiner Familie trennte. Wie hieß denn euer Sohn? – er hieß M i c h e l Va u m o r i n , und drauf erzählte der Greis seinen ganzen Lebenslauf, nannte seine Frau, bezeichnete den Ort, wo er gewohnt hatte, und so viel andere Umstände, die den jungen Menschen in Erstaunen sezten. Dennoch hielt er zurück, und versprach im Weggehen, den künftigen Morgen wiederzukommen, um mit ihm ein Frühstück zu essen. Dieser Vorfall sezte den jungen Va u m o r i n in ausserordentliche Bewegung, theils dachte er an die Versicherung seiner Mutter, daß sein Vater gestorben sey, und dann fand er auf der andern Seite bei der Erzehlung des Greises so viel Wahrscheinlichkeit, daß seine Mutter ihm nur, bloß in der Absicht, die Schande des Vaters zu verbergen, den Tod desselben vorgestellt hatte. Mit unruhigem Verlangen eilte er am künftigen Morgen zu seinem Greise, der ihn schon sehnlichst erwartete, und mit Thränen umarmte; je mehr ich Sie ansehe, sagte er, je mehr erinnere ich mich der Gesichtszüge meines Sohnes. Nun konnte sich der junge Mann nicht mehr halten; die Natur forderte ihre Rechte, und er lief in die offenen Arme seines Vaters: Ja ich bin M i c h e l Va u m o r i n , euer Sohn, ich danke Gott, daß ich den wiedergefunden habe, den ich nicht mehr am Leben zu seyn glaubte.

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Ihre beiderseitige Freude über diese unvermuthete Begebenheit war ausserordentlich, und sogleich faßte auch der Sohn den Entschluß seinen Vater zu befreien. Er eilte zum Schiffscapitain, und suchte ihn durch die rührendsten Vorstellungen zur Befreiung des Greises zu bewegen; aber alles war umsonst. Ich will euch gern den Greis in Freiheit setzen, wenn ihr dagegen in seine Stelle treten wollt, war alles, was er erlangen konnte. Betrübt verließ er diesen Unmenschen, und voll von seinem Vorsatz, trat er eilfertig seine Reise nach Turin an. Er traf den Herzog begleitet von der Herzogin am Eingange der Capelle, um die Messe zu hören, fiel ihnen zu Füßen und bat in den rührendsten Vorstellungen um die Befreiung seines unglücklichen Vaters. Es ist nicht mehr in meiner Gewalt, antwortete ihm der Herzog, es zu thun, weil ich die Galeere dem Capitain verkauft habe; aber ich will euch ein Schreiben an ihn geben, und sogleich ausfertigen lassen. Der vortreffliche Fürst erfüllte sein edelmüthiges Versprechen zugleich mit einem Geschenk von 50 Rthlr. wozu die Herzogin noch eben so viel hinzugab, so daß es gerade die Ranzion des Unglücklichen ausmachte. Sogleich trat er seine Rückkehr an, ging durch Rom, wo ihn auch seine ehemaligen Gönner unterstüzten. Sobald er zu Neapolis angekommen war, überreichte er dem Capitain das Schreiben des Herzogs, der nach Durchlesung desselben ein ganz anderes Verhalten annahm, sich mit 50 Thalern begnügen ließ, und den Vater frei gab. Was konnte nun der Freude eines Kindes gleichen, seinen Vater gerettet zu haben, und ohne sich weiter aufzuhalten, führte er ihn nach Rom in einen bequemen Gasthof, um seine Kräfte durch bessere Pflege wiederherzustellen. Da der Greis aber zu viel Wein genommen hatte, gerieth er in eine solche Unordnung, daß er alles im Gasthofe prügeln woll-te, so daß sein Sohn genug zu thun hatte, den Wirth und seinen Vater zu beruhigen. Sie sezten ihre Reise fort, kaum aber hatten sie zwei Tagereisen gemacht, so stand der Vater des Nachts auf, durchsuchte die Taschen seines menschenfreundlichen Sohns und bestahl ihn. Es war natürlich, daß der Sohn, sobald er es bemerkte, niemand anders als seinen Vater in Verdacht haben konnte.

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Er nahm sich daher besser in Acht, und ließ nur hie und da etwas Geld in seinen Taschen, um sich davon besser zu überzeugen, und alles überführte ihn, niemand sey sein Dieb, als sein eigener Vater. Das war nicht die einzige Kränkung des guten Sohnes; so oft der Weg beschwerlich wurde, fluchte der Greis, und verwünschte seinen Sohn, daß er ihn darum von den Galeeren genommen, um ihn eine so beschwerliche Reise machen zu lassen. Der gute Mensch wandte alles an, um den Vater zu beruhigen, daß sie nun bald in Frankreich seyn würden. Nach vielen Beschwerlichkeiten langten sie endlich zu Paris an, und M i c h e l bedeutete seinen Vater, so lange an einen gewissen Ort zu verzögern, um seine Mutter zum Empfang vorzubereiten. Noch hatte der Vater nicht daran gedacht, sich um sie zu bekümmern. Er frug also, ob sie noch am Leben wäre? – Ja, antwortete ihm der Sohn, sie war gesund, da ich sie verließ; aber sie hatte sich wieder verheirathet, da sie Sie für todt hielt. – Todt? hier fing der Alte an, entsezlich zu fluchen und zu schimpfen, und schwur seine Frau umzubringen. Indeß verließ ihn der Sohn, und sobald ihn seine Mutter ansichtig wurde, eilte sie ihm mit offenen Armen und mit Freudenthränen entgegen. Hier entdeckte er nun der bestürzten Mutter die Errettung seines Vaters, und daß er noch am Leben sey, während dessen trat schon der Vater, der seinen Sohn in einiger Entfernung gefolgt hatte, herein, und fiel mit Wuth über seine Frau her. Bei dem Geschrei eilte ihr zweiter Mann zu Hülfe, und da der Sohn unvermögend war, sie auseinander zu bringen, schrie er um Hülfe. Man eilte herbei, der Sohn wurde vor das Parlament gebracht, und entschieden, daß die erste Ehe der J e a n n e P e r r o t vorgehen müßte, und der zweite Ehemann sich anderweitig verheirathen könne. Sobald sie nun wieder vereinigt waren, bezog Vater, Mutter und Sohn eine gemeinschaftliche Wohnung. Da nun aber der Alte seine Geschicklichkeit größtentheils in seiner langen Gefangenschaft verloren hatte, fing er an Kleider zu flicken oder aus-zubessern. Zu dem war sein Gesicht geschwächt, und seine Hände gehäutet worden; aber immer noch geschickt genug, seiner Leidenschaft nachzuhängen.

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Kaum war ein Jahr verflossen, so merkte man schon deutlich, daß er nichts vornehmen konnte, ohne zu stehlen. Nun traf es sich, daß die Familie zu einer Hochzeit eingeladen wurde. Es war damals in Paris die Gewohnheit, daß die Hochzeitgäste gewisse Zimmer in einem Gasthofe mietheten, wo dieses Fest der Neuverehligten auf Unkosten derselben gefeiert wurde, und beim Eingang und zu Ende desselben wurden Teller oder Gefäße herumgegeben, wo ein jeder Theilnehmende sein verschlossenes Geschenk drauf legte, um den Wirth nach Maaße der Aufwartung zu entschädigen. Hier nun war es, wo J e a n Va u m o r i n ein solches Geschenk entwendete. Der Wirth der seine Stücke nach der Anzahl der Gäste übersah, entdeckte den Diebstahl, und zeigte ihn auch sogleich der Gesellschaft an. Der Argwohn mancher unter derselben ließ sogleich den Va u m o r i n errathen, man griff ihn an und fand das entwendete Geschenk. Man machte die Sache klagbar. Seine ehemalige Dieberei und seine jetzige brachten den Urtheilsspruch zuwege, gehangen zu werden, das denn auch auf dem Platz Maubert ausgeführt wurde. Man sieht daraus, wie wenig Strafen Verbesserungsmittel der Verbrecher sind, und daß der verordnete Unterricht in unsern Zuchthäusern ebenfalls genug beweiset, daß er nicht von der Art, und von der Aufmerksamkeit auf die Sitten begleitet sey, wodurch man einen Lasterhaften zu bessern Gesinnungen zurückführen will. In dieser Geschichte ist die Tugend des Sohnes und das Laster des Vaters gleich ausserordentlich.*

* Die Geschichte des J e a n Va u m o r i n steht in folgender Schrift: les histoires tragiques de notre tems, compose´es par Franc¸ois de Rosset. a Lyon 1639. unter manchen sonderbaren Dingen.

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Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –

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Durch die Vereinigung m e h r e r e r m e n s c h l i c h e n K r ä f t e z u e i n e m Z w e c k , sind in der Welt erstaunliche Dinge entstanden – Städte – Kriegsheere – Staatsverfassungen – Dämme gegen das Meer – egyptische Pyramiden – unterirrdische Kanäle – Kriegsschiffe – Schachten – Bergw e r k e – M a n u f a k t u r e n und F a b r i k e n – Welch ein Unterschied, wenn wir nebeneinander stellen d e n e i n z e l n e n M e n s c h e n und d e n M e n s c h e n i n G e s e l l schaft – Der e i n z e l n e Mensch – mit Hütte und Lagerstätte für sich, und für seine Bedürfnisse Wasser zum Trank, und Wurzeln und Kräuter zur Nahrung – Der Mensch in G e s e l l s c h a f t mit Städten, Kriegsheeren, Vestungen, Manufakturen und Fabriken – Eine Anzahl Menschen treten zusammen in Verbindung, um wieder einen K ö r p e r auszumachen, wovon sich einige entschließen A r m und F u ß zu seyn, indes andre der K o p f sind, wodurch Arm und Fuß in Bewegung gesezt werden – Die vereinigten Kräfte mehrerer Menschen bringen viel Gutes und viel Böses hervor – Das Böse besteht vorzüglich darin, daß der einzelne Mensch zu sehr darüber vernachlässigt und vergessen wird, indem man ihn nicht mehr selbst als ein Ganzes, sondern als einen untergeordneten Theil eines großen Ganzen betrachtet, und der einzelne Mensch zu häufig b l o ß Hand und Fuß seyn muß, da er doch auch der Bestimmung der Natur gemäß zugleich Kopf seyn, und über sich und die Verhältnisse in der Welt zu d e n k e n Freiheit und Gelegenheit haben sollte. – Bei der Vereinigung mehrerer menschlichen Kräfte zu einem Zweck geht es nun so zu, daß die körperlichen Bewegungen mehrerer

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Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –

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Menschen, durch die lenkenden Gedanken eines einzigen eine g e w i s s e R i c h t u n g erhalten, wovon sie nicht a b w e i c h e n dürfen, wenn das Werk, was man hervorbringen will, zu Stande kommen soll. – Diejenigen, welche z. B. einmal zum Herzureichen der Materialien bei Errichtung eines Gebäudes bestimmt sind, müssen i m m e r Materialien zureichen, und dürfen sich nicht einfallen lassen, ihrer thätigen Kraft eine Richtung auf etwas anders zu geben, weil sonst die ganze Sache in Unordnung gerathen würde – Die jedesmaligen Zuträger der Materialien müssen also, s o l a n g e b i s d a s G e b ä u d e f e r t i g i s t , auf jeden andern freiwilligen Gebrauch ihrer thätigen Kräfte Ve r z i c h t thun – Dieß Ve r z i c h t t h u n ist vorzüglich zur Vereinigung mehrerer menschlichen Kräfte nothwendig – und es würde ohne dasselbe nichts von den großen menschlichen Werken zu Stande gekommen seyn – Der einzelne Mensch hebt seinen Fuß nicht in die Höhe und streckt seine Hand nicht aus, wenn nicht sein e i g n e r G e d a n k e ihn dazu treibt – Er hebt seinen Fuß in die Höhe, weil er denkt, er will sich fortbewegen, und streckt seine Hand aus, weil er denkt, er will Speise zu sich nehmen – Nun ist es sehr sonderbar, daß es einem Theile der Menschen gelungen ist, den andern zu etwas in Bewegung zu setzen, wozu dieser selber die Gedanken nicht hat – Wie z. B. zu der Errichtung eines Gebäudes, wozu der Baumeister, nicht aber der Zuträger der Materialien die Gedanken hat – Der Zuträger der Baumaterialien arbeitet also zu einem Zweck, der nicht in seinem, sondern in dem Kopfe eines andern Menschen existirt – Der Zuträger entäußert sich eine Weile seiner Denkkraft, und wird bloß Hand und Fuß – Er bewegt sich nun einmal so, ohne sich weiter darum zu bekümmern, w a r u m er sich so bewegt –

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Wie ist das möglich, daß der einzelne Mensch seine freie Selbstthätigkeit so a u f g i e b t ; Daß sich alle seine Bewegungen den ganzen Tag über, um kein Wa r u m in seinem eignen Kopfe, sondern um das Wa r u m in dem Kopfe eines andern drehen – Es würde nicht möglich seyn, wenn dem einzelnen Menschen nicht ein Z w e c k untergeschoben würde, weswegen er eine Zeitlang das Band zwischen Geist und Körper gleichsam z e r r e i ß t – indem er jeder seiner Bewegungen nicht durch seine eigenen sondern durch die Gedanken eines andern ihre Richtung vorschreiben läßt – Der Zweck, der seiner Denkkraft l i s t i g e r We i s e untergeschoben wird, ist, als müsse er dieß thun, weil er sonst seine körperlichen Bedürfnisse nicht würde befriedigen, seinen Hunger nicht stillen, seinen Körper nicht bedecken können – Der listigere und verschlagnere Theil der Menschen hat nehmlich Mittel gefunden, dem ehrlichern und gutmüthigern, seine nothwendigen Bedürfnisse auf gewisse Weise zu entreissen und abzuschneiden, um sie ihm nur unter der Bedingung wieder zufließen zu lassen, daß er eine Zeitlang auf die natürliche Verbindung seiner Geistes- und Körperkräfte Ve r z i c h t thut – und wie eine bloße Maschine durch die Gedanken eines andern seinen Arm ausstrecken, und seinen Fuß emporheben läßt, wie der Soldat auf das Kommando thun muß – Ein anders ist, wenn z. B. eine Gesellschaft von Menschen in Verbindung tritt, von denen jeder einzelne mit den übrigen ein großes Haus zu bewohnen wünscht, daß aber durch die Kräfte eines einzigen nie würde hervorgebracht werden können – Diese Anzahl von Menschen w ä h l e n einen unter sich, durch dessen Gedanken sie ihre Arme nach einer gewissen Richtung ausstrekken, und ihre Füße nach einer gewissen Richtung wollen emporheben lassen – Hier ist a l l e n der Zweck gemeinschaftlich – a l l e n ist daran g e l e g e n , daß das Haus fertig werde. – Einer d e n k t zwar für alle, aber er denkt f ü r s i e nur die A r t der Erreichung des Zwecks, nicht den Zweck selber –

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Wenn er den Zweck erst für sich allein hatte, so war er genöthigt, e t w a v o r h e r e i n e R e d e a n d i e ü b r i g e n z u h a l t e n , wodurch er seinen Zweck erst in ihre K ö p f e verpflanzen müßte, ehe er nur daran denken durfte, von den Armen und Füßen eines einzigen zur Erreichung seines Endzwecks Gebrauch zu machen – Hier findet also nichts Gewaltsames, keine Beraubung der natürlichen Freiheit, kein Zerreissen der Verbindung zwischen Gedanken und Bewegung statt – niemand ist hier ganz Maschine – Jeder bewegt Hand und Fuß, weil er will – das Wa r u m steht in seiner eignen Seele, und nicht in der Denkkraft eines andern – Nur die Art und Weise w i e , und die Richtung nach welcher er Hand und Fuß, zur Erreichung des gesellschaftlichen Endzwecks, bewegt, läßt er sich freiwillig durch die Gedanken eines andern vorschreiben – Denn er hat diese Gedanken eines andern gleichsam zu seinen eigenen Gedanken gewählt. –

Neuntes Stück.

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In den Abendstunden vermied er, wie ich schon erwähnt habe, jedes Gespräch, das zu angestrengtem Nachdenken über philosophische Gegenstände hätte verleiten können, um die Lebhaftigkeit seiner Ideen allmälig zum ruhigen Schlummer einzuwiegen, und die Kraft seines Geistes auf die M o r g e n s t u n d e n zu ersparen. Er pflegte daher, wenn ihm das Gespräch auf zu ernsthafte Gegenstände zu fallen schien, durch irgend eine schickliche Wendung auszubeugen, und es gelang ihm sehr bald die Unterredung wieder zu

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dem ruhigen Konversationstone, mit untermischten kleinen Pausen, herabzustimmen. – So lenkte sich unser Gespräch einmal des Abends spät noch auf die Ontologie, und es wurden hierüber einige Fragen an ihn gethan – Es ist wahr – fiel er ein – es ist etwas vortreffliches um die Ontologie – vorzüglich, wenn sie einem ein gutes Nachtlager verschaft – mir hat sie einmal ein gutes Nachtlager verschaft, da ich schon darauf gefaßt war, die Nacht in meinem Wagen unter freiem Himmel zuzubringen – Wir waren auf einmal von unsern Fragen abgeleitet, und begierig zu hören, wie die Ontologie auch dazu gebraucht werden könne, jemanden ein Nachtlager zu verschaffen – Er erzählte uns darauf folgende Anekdote aus seinem Leben, die ich meinen Lesern hier mittheile: M o s e s M e n d e l s s o h n war nehmlich auf einer Reise im ***schen begriffen. Eines Abends wurde er durch einen Umstand genöthigt, in einem kleinen Dorfe zu übernachten, wo kein ordentlicher Gasthof war – Das Wetter war sehr unfreundlich – Hr. M. erfuhr, daß ein Prediger im Dorfe wohne – er schickte also zu diesem, und ließ sich bei ihm, als einen Gelehrten aus Berlin anmelden, und um ein Nachtlager bitten – Der Prediger ließ sich willig finden, mochte aber doch sich einige Bedenklichkeiten machen, da er hörte, daß der Gelehrte aus Berlin ein Jude sey – Da also H. M. auf das Haus zu kam, sahe er den Prediger, der ihn erwartete, einen ehrwürdigen Greis schon vor der Thüre stehen – Ehe nun aber dieser alte Mann Herrn M. unter sein Dach nöthigte – wollte er erst einige genauere Erkundigung einziehen, und fragte mit gegen ihn hingestrecktem Arm, und auf ihn hingerichteten Zeigefinger: Quid est Ontologia? (was ist die Ontologie?) Hr. M. sagte ihm die Wolfische Definition in lateinischer Sprache – und jener fragte weiter bis auf den Begriff von Gott als dem höchsten Wesen; und da nun Hr. M. seine Beantwortung und Erklärung des

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Begriffs von Gott, mit den Worten ens summum optimum, maximum (das höchste, gütigste und größte Wesen) schloß, so fiel der Greis gleichsam wie in eine ihm bekannte Melodie mit Entzückung ein: ens summum optimum, maximum – und nun erst bot er Herrn Mendelssohn die Hand, und sagte: seyn Sie mir herzlich willkommen! – Da Hr. M. auf seiner Rückreise wieder durch dasselbe Dorf kam, hatte er einen pohlnischen Juden bei sich, den er, weil er zu Fuße ging, eingeladen hatte, eine Strecke mitzufahren. – Diesem sagte Hr. M., er müsse sich in dem Dorfe ein Stündchen aufhalten, weil er dem hiesigen Prediger seinen Besuch machen wollte. – Eben den hatte ich mir auch zu besuchen vorgenommen, sagte der pohlnische Jude. »Also kennen Sie ihn?« Wie sollte ich ihn nicht kennen, erwiederte jener, – ich habe diesem Manne sehr große Verbindlichkeiten – ich hatte ihm einmal mein ganzes Vermögen in Verwahrung gegeben – und da vor einigen Jahren sein Haus abbrannte, hat er alles stehen und liegen lassen, und erst das Meinige gerettet – darüber hat er das Seinige selbst verlohren, wovon er fast nichts hat retten können. – Hr. M. und der pohlnische Jude gingen nun beide zu dem alten Prediger ins Haus, der sie freundschaftlich umarmte, und so gut es sich thun ließ, bewirthete. – Der Sohn des Predigers, welcher in Halle studirt hatte, war während der Zeit von der Universität zurückgekehrt, und hatte M o s e s M e n d e l s s o h n s Schriften gelesen, wovon er seinem Vater viel erzählt hatte. – Dieser freute sich nun noch mehr einen Gelehrten unter seinem Dache zu bewirthen, der auf alle Weise so gut bestand. – Er ließ sich mit Hr. M. aufs neue in ein eifriges Gespräch über die Ontologie ein – und bei der Abreise nahm er von Hr. M. auf das zärtlichste, und von dem pohlnischen Juden, wie von einem alten guten Freunde, Abschied.

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Hr. M. hat diesen Prediger nachher noch verschiedene mal, bei der Durchreise durch dieß Dorf besucht, und wurde immer so freundschaftlich von ihm empfangen.

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Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt. In der natürlichen Welt, die mich umgiebt, in Pflanzen, Bäumen und Kräutern, und Thieren vom Größten bis zum Kleinsten, ist alles ordnungsvoll und planmäßig, voller Licht und Klarheit, wie die allesbelebende Sonne. – Die Thier- und Pflanzenwelt steigt r u h i g vor meinem Blick empor, und sinkt wieder in sanfte Auflösung hin, um einer nachfolgenden Platz zu machen. – Zwar würgt der Wolf das Lamm – aber er würgt es nicht anders, als der Sturmwind die Blätter des Baumes verweht – daß der Wolf das Lamm aus Hunger würgt, ist eben so natürlich, als wenn das Lamm selbst vor Hunger stürbe. – Der wiederkäuende Ochse ruht in der schwülen Sonnenhitze auf der Wiese im Grase, und fürchtet den Tag seines Todes nicht. – Wo ich hinblicke, sehe ich Vollendung des angefangnen, ganzes vollständiges Leben im gegenwärtigen Augenblick. – Da ist nichts abgerißnes, nichts zerstücktes, noch unzweckmäßiges. – Ich werfe von der mich umgebenden Natur einen Blick in die moralische Welt; auf menschliche Verbindungen, Aussichten, Plane, Entwürfe – und schaudere vor der Vergleichung zurück. – Hier ist alles Verwirrung, Unordnung – zweckloses Streben – bauen um zu zerstören – wechselseitiges Aufreiben, mit A b s i c h t und Vo r s a t z – innere Mißbilligung – thätige Aeußerung – Sünde – Verbrechen – Laster. – Ist denn die ganze moralische Welt mit allen ihren Verbindungen und Einrichtungen etwa ein bloßer Auswuchs des wohlgeordneten Ganzen – eine Mißgeburt dieser sonst so herrlichen Schöpfung? –

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Und doch wieder, was ist edler als der Mensch, wenn er unschuldig, wenn er w a h r und o f f e n ist? – Wo sind denn die Goldminen die seinen Werth aufwiegen können? – Aber wozu denn nun alle jene im Staube kriechenden, den Staub leckenden Insekten? – wozu die Welt voller kriechenden Eigennutzes, gegen eine einzige große, edle, uneigennützige Seele, die sich, wie durch Zufall, einmal aus dem Haufen emporarbeitet, und gleichsam ein Wesen fremder Art wird, das die übrigen nicht allzulange unter sich dulden? – wozu die Millionen stechenden Mückenschwärme, in diesem schönerleuchteten Weltall ? – wozu der tragikomische Krieg aller gegen einen, und eines gegen alle, und eines jeden einzelnen wieder mit sich selber? – wozu dieß burleske Spiel der menschlichen Leidenschaften, das Prozesse, Hochgerichte, Krieg, Verwüstung und Tod über die Erde bringt, und die reine edle Natur befleckt? Ist denn das Menschengeschlecht eine so ungeheure zusammengeworfne Masse von Schlacken, die erst hinwegschmelzen müssen, ehe ein kleines Stückchen Gold zum Vorschein kömmt? – Oder ist das Menschengeschlecht nun einmal ein so sonderbares v i e l k ö p f i g t e s P r o d u k t der Natur, worin das viele eins, und das eine nothwendig viel werden muß – Ist der einzelne Mensch etwas oder nichts? – Sollen die Köpfe eines Leibes sich miteinander besprechen, und Berathschlagungen pflegen, oder soll jeder Kopf und Leib nur eins seyn? – Was ist unnatürlich, Vereinzelung oder Vereinigung des Menschen ? – ist der einzelne Mensch ein vollständiges Ding, ein Ganzes? oder ist eine Familie, ist erst ein Staat ein Ganzes? – Ist der einzelne Mensch eine unnatürliche Zerstückelung, oder ist der Staat eine unnatürliche Zusammenstellung? – Herrscht nicht eben der innerliche Krieg, eben das ewige Mißverständniß mit sich selber, in der einsamen Zelle, in den Familien, und in den Staaten? –

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Schlafen und Wachen. Hat sich denn mein ganzes Leben in diese einsame Stunde der Mitternacht zusammengedrängt? – Wie lebhaft, wie geräuschvoll wird alles um mich her – da doch die Welt im Schlummer liegt – welch ein täuschendes Spiel meiner Phantasie, stellt mir eine so reizende Perspective der Vergangenheit und der Zukunft dar. – Morgen wird alles wieder wach seyn – die Todtenstille, die jezt herrscht, wird verschwinden, und dieselbe Welt, die jezt im tiefen Schlummer liegt, wird dann in allen ihren Beziehungen und Verhältnissen wieder lebendig seyn. – Schlummert denn noch eine Weile sanft ihr Müden, welche der morgende Sonnenstrahl zu neuen Beschwerden wecken wird – ruhet noch eine Weile, ihr bestimmten Opfer dieses festgeknüpften Zusammenhanges menschlicher Einrichtungen und Gesetze, träumet nicht von eurem Schicksal, das mit dem morgenden Tage unaufhaltsam über euch hereinbrechen wird. – Der Wind hört des Nachts nicht auf zu rauschen – das Meer hört nicht auf, seine Wellen emporsteigen zu lassen, und die schwerbeladnen Schiffe auf seinem Rücken fortzutragen – die Flüsse eilen Tag und Nacht unermüdet fort – die hohe Eiche senkt sich nicht zum Schlummer nieder, sondern trägt ihr Haupt hoch im Sturme empor. – Nie arbeitet die leblose Natur sich ab – nur die lebenden und empfindenden Wesen bedürfen dieser immerwiederkehrenden Pause, dieses Stillstandes aller ihrer empfindenden Kräfte – unbeschadet der natürlichen Lebensbewegungen, die ebenfalls ohne Rast und Ruhe unaufhörlich von statten gehen – so wie die Flüsse unaufhörlich in ihren Betten hinrauschen, und Sturm und Regen bei Tag’ und Nacht fortwähret. –

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Die Pflanzenwelt bedarf auch eine Art von Ruhe, eine Art von Schlummer, wo sie sich zu neuem Wachsthum und neuer Fruchtbarkeit erhohlet, und Kräfte sammlet. – Ein tiefer Schlum-mer, der vom Herbst bis zum Frühling dauert – Was also an das Lebende gränzt, das Organisirte und Wachsende, scheinet auch des Schlummers, nur eines nicht so oft wiederkehrenden Schlummers, als das Lebende und Empfindende zu bedürfen. – Nur das Selbstthätige, und was daran gränzt, bedarf Erhohlung, Erquickung, nicht das, was getrieben, was maschinenmäßig bewegt wird – nicht der Lauf der Flüsse – nicht der Herzschlag und Blutumlauf. – Was von den bewegenden Kräften in der Natur Erhohlung bedarf, und nicht Erhohlung bedarf, scheidet sich in das Edlere und Unedlere, in das Gröbere und Verfeinerte, in das Organisirte und Unorganisirte. – Bedürfniß der Erhohlung ist das untrügliche Zeichen edlerer Kräfte, die zu höherm Zweck aufgespart, gleichsam i n e i n e n B r e n n p u n k t z u s a m m e n g e d r ä n g t werden sollen. – Das Ausstrecken einer Hand nach Zweck und Absicht ist etwas Größeres und Erhabneres, als das Rauschen aller Winde, und das Strömen aller Flüsse auf dem ganzen Erdboden. – Wunderbar – und ich schaudre nicht, dieß Bewußtseyn meiner selbst, das einzige, was ich wirklich mein nennen kann, das Edelste, was ich besitze, wodurch ich die ganze Schöpfung gleichsam in mich hineinziehen, und mit einem Blick umfassen kann, auf einige Stunden ganz hinwegzugeben – mich freiwillig des Gebrauchs meiner Denkkraft zu entäußern, die mir allein mein wirkliches Daseyn sichert? – Würd’ ich nicht schaudern, wenn die täuschende Wahrscheinlichkeit des Erwachens, die sich auf Jahrelange Erfahrung gründet, nicht so fest in meiner Seele stünde? –

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Die lezte Klage des müden Wandrers. Auf der öden Erdenfläche Irr’ ich hier – Angeschwellte Regenbäche Rauschen mir Von dem kahlen Berg’ entgegen – Hier auf unbekannten Wegen, Wandre ich nun bergauf, bergab – Seh den Himmel an und weine, Suche Ruh und finde keine, Fänd’ ich doch mein Grab! Seit so vielen trüben Tagen Hab’ ich Näß’ und Frost getragen – Diese Erde war mein Bette Dürres Laub die Lagerstätte, Die ich mir zusammentrug – Wo ich wandre, scheint ein Fluch Auf der öden Welt zu ruhn – Alle Bäume sind entlaubt, Jeder Flur ihr Schmuck geraubt – Und was soll ich Armer thun? Soll ich unaufhörlich wandern Ueber diesen Dornenpfad? Der vielleicht so manchen andern Schon zum Ziel geführet hat? Nur mich hält er stets zurück – Oftmals stellt er meinem Blick Schon das Ziel so nahe vor – Aber kaum stieg es empor, So verschwand es auch schon wieder –

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Wenig sind der Freudenlieder, Die ich auf dem Wege sang, Und nie war es reiner Klang – Aber meines Kummers Zähren, Ach daß sie gezählet wären! Die ich in den Staub geweint – Denn, wem nie die Sonne scheint, Wem der Himmel immer trübe Stets die Aussicht dunkel bliebe, Könnte der wohl heiter seyn? – Trübe war mir stets der Himmel, Um mich her ein leer Gewimmel Täuschung, Blendwerk, falscher Schein, Dennoch sollt’ ich heiter seyn? O verzeiht mir meine Klagen! Denn mir aus dem Sinn zu schlagen Meinen Schmerz vermag ich nicht – Wem der Regen ins Gesicht Auf der Wanderstraße schlägt, Und der Wind das Schneegestöber In das nasse Antlitz jägt – Dieser kann doch nimmer glauben, Daß es Frühling um ihn sey – Wollt’ ihr dann den Trost ihm rauben, Den er noch im Klagen findet? Ach des Menschen Leben schwindet Doch nur wie ein Traum dahin – Daß ich nun nicht glücklich bin – Ists mein Looß – so will ichs tragen, Nahet doch von meinen Tagen Wohl der lezte bald heran – Oft auf meiner Pilgerbahn Sank ich und erhob mich wieder – Aber schmachtend nach der Ruh,

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Sinken nun die müden Glieder Sehnsuchtsvoll dem Grabe zu – 145

Zehntes Stück.

Die Bibliotheken.

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M o s e s M e n d e l s s o h n sagt gelegentlich in seiner Schrift an Lessings Freunde, der Deutsche habe sich durch das unablässige Studium der Naturgeschichte gewöhnt, für jedes Ding gleich eine Klasse zu machen, worin es geordnet wird, jeder müsse darum nothwendig gleich irgend ein ***zist oder ***tist seyn, der etwa eine besondre Meinung vortrüge. – Daß es nun auch wirklich den Deutschen gleichsam zur Natur geworden zu seyn scheint, wenn sie nur etwas weniges haben, es gleich mit der größten Sorgfalt zu o r d n e n , und zu k l a s s i f i z i r e n , davon dienen unter andern die unzähligen Bibliotheken und Bibliothekchen zum Beweise, die von Messe zu Messe erscheinen. – Der Deutsche scheint mit einer gewissen Aengstlichkeit immer mehr darauf bedacht zu seyn, daß von dem, was er hat, sey es auch so gering es wolle, ja nichts verlohren gehe, als daß etwas neues und beßres hinzugebracht werde. Die unzähligen Register über unsre Litteratur mac h e n v i e l l e i c h t e i n s t ä r k e r e s Vo l u m e n a u s , a l s u n s r e ganze Litteratur selber. – Ueber die Register werden wieder Register gemacht, und dieß geht so ins Unendliche fort – Alles, was Menschen je über einen Gegenstand gedacht haben, sey es noch so nichtsbedeutend, ist uns des Aufhebens werth. – Bei dem allen vergessen wir die K ü r z e d e s L e b e n s , und daß wir in unsrer Wahl desjenigen, womit sich unsre Gedanken vorzüglich beschäftigen, und was wir vorzüglich wissen wollen, schnell und ent-

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Die Bibliotheken

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schlossen seyn müssen. – Unser Leben selbst würde vielleicht darüber hingehen, wenn wir nur alle die weitläuftigen Register durchblättern wollten, worin der Hauptinhalt dessen, was die Menschen über die verschiedensten Gegenstände gedacht haben, enthalten ist. Indes scheint doch die obige Reflexion auch an der Entstehung der Bibliotheken Ursach gewesen zu seyn. – Jemehr man bei dem ungeheuern Anwuchs der Litteratur die Unmöglichkeit empfand, sie noch mit irgend einer menschlichen Denkkraft zu um-spannen, destomehr strebte man natürlicher Weise dahin, das Vo l u m i n ö s e k o m p e n d i ö s e r , die Uebersicht leichter zu machen. – Nun haben wir unter andern eine A l l g e m e i n e d e u t s c h e B i b l i o t h e k , eine B i b l i o t h e k d e r s c h ö n e n W i s s e n s c h a f t e n , eine B i b l i o t h e k d e r R o m a n e , eine B i b l i o t h e k f ü r K i n d e r , u. s. w. Und gerade an der wichtigsten von allen fehlt es uns noch, an einer Bibliothek für den Menschen. – Die Sokratischen Denkwürdigkeiten, Horazens Briefe, Moses Mendelssohns Phädon, Lessings Nathan der We i s e , und W i e l a n d s M u s a r i o n , würden schon gewissermaßen eine solche Bibliothek ausmachen, in so fern sie vielleicht das Edelste und Vortrefflichste sind, was irgend ein menschlicher Kopf i n d e r n ä c h s t e n B e z i e h u n g a u f d e n M e n s c h e n s e l b s t hervorgebracht hat. – Alles andre wird nur wichtig, in so fern es wieder auf diese nächste Beziehung Bezug hat. – Alles übrige soll und muß nur nach dieser Beziehung gewürdigt werden, und wenn auch selbst ein großer Theil der bis jezt erfundnen menschlichen Wissenschaften wieder darüber verlohren gehen sollte. – Eine solche Würdigung der Litteratur bis in ihre kleinsten Zweige fehlet uns noch; wir verlieren immer diesen Hauptgesichtspunkt aus den Augen, indem wir unsre Aufmerksamkeit zu sehr auf alles Einzelne richten, was sich uns z u f ä l l i g e r We i s e darstellt. –

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Die N a t u r g e s c h i c h t e hat offenbar dem menschlichen Geschlechte zu viele Zeit zur nützlichern Anwendung seiner Denkkraft geraubt – diese ist zu sehr ins Spielende verfallen. – Man hat über diesem ungeheuern Gebäude den Endzweck des Gebäudes vergessen, den: durch immerwährende Betrachtung von Ursach und Würkung, von Zweck und Mittel, von der Unterordnung der Theile zu einem schönen Ganzen, den Geist zu erhöhen und zu veredlen. – Man vergaß über den zu großen Umfang den Mittelpunkt – über der unendlichen Zahl von Einzelnheiten das große einfache Resultat derselben. – Auf die Weise hat das Studium der Naturgeschichte der menschlichen Denkkraft im ganzen genommen geschadet. – Der Mensch hat sich darüber in den O b j e k t e n verlohren, und die Betrachtung seines eignen sub-jektivischen Daseyns vernachlässigt. – Er hat sich dadurch gewöhnt, die Wissenschaften ebenfalls nur objektivisch zu betrachten, und durch diese objektivische Betrachtung ist denn endlich aus der ganzen Litteratur ein Naturalienkabinet geworden, wo immer geordnet, und geordnet, und gesammlet wird, ohne daß man je d e m e i g e n t l i c h e n Z i e l e dieses immerwährenden Ordnens und Sammlens näher käme. –

Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur. Welch ein Unterschied zwischen einem Wo h n z i m m e r und der großen Natur! Und doch ist das Wohnzimmer mitten in der großen und offenen Natur so angenehm – Denn es hat Fenster, wodurch der Anblick der ganzen schönen Natur bloß vors Auge gebracht werden kann, ohne daß unser Gefühl der Unbequemlichkeit eines rauhen Lüftchens ausgesezt wird. – Durch das Wohnzimmer macht sich der Mensch von Sturm und Regen, von Frost und Schnee, und allen Unbequemlichkeiten der Witterung unabhängig. –

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Im Winter versucht er Wärme, im Sommer Kühlung hineinzubringen – er macht sich in seinen vier Wänden zum Herrn der ihn umgebenden Natur. – In diese vier Wände eines Wohnzimmers drängen sich daher auch die meisten Scenen menschlicher Glückseeligkeit zusammen, die in der weiten Welt, über Meere und in entfernten Himmelsstrichen vergeblich gesucht wird. – Das wahre Glück ist in der Einschränkung, nicht in der Ausbreitung zu suchen. – Daher ist nun die reizende Idee von häußlicher Glückseeligkeit entstanden. – Der Begriff von Wo h n u n g , H a u s oder O b d a c h führt schon so viele dunkle Nebenbegriffe von Sicherheit, Ruhe, Geselligkeit, Beschützung u. s. w. mit sich, daß die Seele dadurch beständig mit einer Reihe angenehmer Bilder erfüllt wird, so oft man sich diesen Begriff lebhaft denkt. Das Haus, die Wohnung knüpft schon an sich das Band zwischen den Menschen fester, und ist gleichsam der erste Keim zu den größten menschlichen Verbindungen. – Aus einzelnen Häusern entstehen Dörfer und Städte, die mit ihrem Zubehör Länder und Königreiche ausmachen. – Aber die ganze Wohlfahrt von Ländern und Königreichen muß doch immer wieder auf das e i n z e l n e H a u s , und auf die Glückseeligkeit, die darin herrscht, zurückgeführt werden. – Denn in dem ganzen Umfange eines mächtigen Königreichs kann doch einer z. B. nur in einer Stadt, und in der ganzen Stadt nur in einem Hause, und in dem ganzen Hause nur in einem Zimmer seinen j e d e s m a l i g e n w i r k l i c h e n A u f e n t h a l t finden. – In sein eigentliches Wohnzimmer, in den Schoß seiner Familie, drängt sich sein wirkliches Daseyn, das durch die bürgerlichen Geschäfte gleichsam zerstreut wurde, am meisten wieder zusammen. – Aber der Ort täuscht den Menschen, wie die Zeit –

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Er glaubt Jahre zu leben, und lebt nur Augenblicke – Er glaubt ein Land, eine Stadt zu bewohnen, und bewohnt nur den jedesmaligen Fleck, wo er steht oder liegt – das Zimmer, worin er arbeitet, das Gemach, worin er schläft – Diese Täuschung macht, daß der Mensch sein Glück so selten in dem g e g e n w ä r t i g e n A u g e n b l i c k und auf dem j e d e s m a l i g e n F l e c k s e i n e s w i r k l i c h e n D a s e y n s sucht – Er lernt die Kostbarkeit des gegenwärtigen Augenblicks, und dieses F l e c k s , wo er sein wirkliches Daseyn hat, nicht einsehen – darum sucht er das Glück in der Zukunft, und jagt ihm allenthalben a u ß e r d e m B e z i r k s e i n e r Wo h n u n g , nach – Sich von dieser Täuschung loß zu machen, führt zur wahren Glückseligkeit – Die geselligen Freuden des Lebens aus den großen Cirkeln wieder in die kleinern zusammen zu drängen, dahin sollte das Bestreben aller gehen, die das kurze menschliche Leben von Langerweile und Ueberdruß befreien wollten. – Wenn um das e i n z e l n e H a u s , auch alles übrige wegfiele, so bleibt doch rund umher die schöne offne Natur, die eigentlich das wahre Element ist, worin der Mensch, sobald er aus seiner Wohnung tritt, athmen und sich bewegen sollte – Sich dieser einfachen Glückseeligkeit, ohngeachtet der unauflößlichen Verflechtung in den menschlichen Verbindungen, die einmal da sind, so viel wie möglich zu nähern, ist das Bestreben des Weisen. Das höchste Ziel seiner Wünsche ist: H ä u ß l i c h e Z u f r i e d e n heit, verbunden mit dem ungestörten Genuß der schönen Natur.

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Was leuchtet, was flimmert am Horizont? Was bilden sich für luftige Gestalten In jenem Dampf, der von den Wiesen steigt? Die grünen Büsche spiegeln sich In freier Luft – Und stellen sich verdoppelt hin Im Wiederschein – Die Wasserfläche jenes Teiches – Sie ruht, gleich einem Spiegel, Im Schoß der grünen Flur. – An dem Ufer In der Ferne Weiden Lämmer – Ach die Zeiten Sind verflossen, Wo als Knabe, Frei von Sorgen, Ich an jenem Ufer saß – Ruhig war da meine Seele, Wie der See, der vor mir lag – Und die Lüftchen spielten Sanft mit meinen Locken, Die noch ungebunden flogen – Ist denn jene Zeit verschwunden? Kehrt sie niemals mehr zurück? Ach, ich sehne mich schon lange, Lange sehn’ ich mich nach etwas, Das mir, gleich des Traums Erinnerung, Dunkel vor der Seele schwebt –

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Ich such’ es auf im Morgenstrahle, Wenn die ersten Purpurstreifen Noch im Osten dämmern; Ich such’ es, wo der Himmel Sich auf jene Berge senkt, Die wie graue Nebelwolken In die trübe Nacht verschwinden – Ist es Blendwerk, ist es Wahrheit, Was mich oft so nach sich zieht, Daß die Spanne dieses Lebens Mir so klein – so täuschend dünket Und fast ganz in Nichts hinschwindet? – Kenn’ ich denn schon etwas Beßres? Wie? – oder hab’ ich’s schon gekannt? – Such’ ich den Gedanken wieder, Der in meiner Seele war, Eh’, zu diesem Erdenleben Meine Mutter mich gebahr? – Oder ist’s ein Strahl der Zukunft, Welche noch ein Vorhang deckt, Der aus dieses Lebens Traume Mich zum neuen Daseyn weckt?

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Warum? und wozu? Wenn nicht Ordnung, Plan, Zweck, in diesem Weltall ist, so hört mein Denken auf – die Thätigkeit meiner vorstellenden Kraft ist gehemmt – ich verhalte mich leidend, wie der Spiegel, der die mannichfaltigen Gestalten in sich abbildet, ohne sie in einem Punkt zusammenzufassen. – Soll ich über das Universum denken, so muß es auch ein denkbarer Gegenstand, es müssen keine Widersprüche darinn seyn. – Es muß sich in meiner Vorstellung nichts einander aufheben und zerstören –

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P l a n , O r d n u n g , Z w e c k ist das höchste, was ich denke – ich suche es allenthalben, und weiß nicht, w a r u m ich es suche – denn ich kann über die Grenzen meines Wesens nicht hinausgehen – Wohin sich meine Denkkraft heftet, frage ich allenthalben w a r u m ? und w o z u ? – warum ich aber nun allenthalben w a r u m ? und w o z u ? frage, das ist bei mir weiter keine Frage mehr. – Die Frage kömmt mir eben so sonderbar vor, als w a r u m h a t e i n Z i r k e l einen Umkreis und einen Mittelpunkt? Wa r u m ? und w o z u ? zu fragen, ist selbst das Wesen meiner Denkkraft. – Warum frage ich allenthalben w a r u m ? und w o z u ? – das heißt: warum und wozu denke ich? – Nun muß ich aber doch den Zweck nothwendig immer, als etwas Edleres und Vorzüglicheres wie die Mittel zur Erreichung des Zwecks denken. – Und da ich nichts Edleres und Vorzüglicheres, als das Denken selber kenne, so kann ich es mir unmöglich, als Mittel zu etwas anderm vorstellen – ich kann daher nicht weiter fragen: warum oder wozu denke ich? – Aber wohl kann ich bei allen andern Dingen in der Welt fragen, warum, wozu sind sie da? – ich finde daß das eine immer um des andern willen da ist – aber warum ist das Ganze da? – ich finde nichts Höheres weiter, als u m g e d a c h t z u w e r d e n – und nun beruhige ich mich auch, und frage nicht weiter. – Der lezte Stift ist eingesteckt – der Zirkel mit dem Mittelpunkt ist fertig – die Fülle des Unendlichen ist da. –

Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder. Ein Vogel flog in der freien offnen Natur umher, und sang, und ergötzte sich selber an seinem Liede; selten daß einmal ein menschliches Ohr ihn hörte.

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Er wurde gefangen und in einen Käficht gesezt; nun hörte ihn jedermann mit Entzücken singen, und der schöne Vogel freute sich, daß er gefangen war, weil er den Menschen Vergnügen erwecken konnte. Endlich sehnte er sich doch aber wieder ins Freie, und der gütige Zufall sorgte, daß die Thüre seines Käfichts und das Fenster im Zimmer einmal zugleich eröfnet wurden, da entfloh’ er wieder, und genoß der Wonne, anstatt seines kleinen Käfichts und des Zimmers, das ihn umgab, die ganze schöne Natur wieder vor sich zu sehen. Nun hüpfte er frölich von einem Baume zum andern, und flog vergnügt von einem Walde zum andern, nachdem er eine kleine Weile eingeschlossen gewesen war, um den Menschen Freude zu machen. Als der Vogel noch im Käficht saß, hörte einmal ein unverständiges Kind ihn singen. Dieses glaubte, daß der Käficht zu dem Gesange des Vogels sehr vieles beitrüge, weil er so ansehnlich und schön vergoldet, und der Vogel so unansehnlich wäre. Als er nun aus dem Käficht entflohen war, so sagte das Kind: ach, der arme Vogel, nun kann er doch nicht mehr singen! Der Geist, den wir besitzen, würde bald im Himmel, bald auf Erden seyn, er würde von einem Sterne zum andern eilen, und immer die ganze weite Schöpfung durchfliegen wollen, wenn er nicht durch den Körper an diese Erde gefesselt würde, um auf derselben eine kleine Weile nützlich zu seyn, und zum Glück andrer Menschen das seinige beizutragen.

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Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden.* Ich muß es gestehen, daß dieses Gleichniß, als ich das dritte Stück der Denkwürdigkeiten las, meine Aufmerksamkeit in einem solchen Grade auf sich zog, daß ich sogleich das Blatt aus den Händen legte, um die Gedanken, welche dadurch in meiner Seele erregt wurden, zu verfolgen. Der Grund davon lag ohne Zweifel in dem Zusatze: die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden; denn die Vergleichung, insbesondere der Handlungen eines Menschen mit den Früchten am Baume, ist dazu zu bekannt. Ich ging also dem erhaltenen Winke nach, und vielleicht ist einiges von dem, worauf ich dabei stieß, nicht ganz ohne alle Wichtigkeit. Der Baum treibt seine Blüthen und Früchte d u r c h e i g e n e K r a f t . Bekannt mit der Natur des Baums und kundig des Bodens, in * Dieser Aufsatz, welcher mir von einem Freunde mitgetheilt ist, scheint mir, vorzüglich in p ä d a g o g i s c h e r R ü c k s i c h t Aufmerksamkeit zu verdienen, da derselbe den Satz ins Licht stellt, daß der Erzieher dem Gange der Natur folgen, und so wie der Gärt-ner auf die Pflanzen, weit mehr m i t t e l b a r a l s u n m i t t e l b a r , auf den Zögling wirken müsse. Der Verfasser wird in der Folge dasjenige, was er hier noch bloß im Allgemeinen entwickelt hat, auf e i n z e l n e B e i s p i e l e zurückführen, wodurch alsdann dieser Aufsatz seinem Zweck noch näher kommen wird. – Der Erzieher muß sich, so wie der Gärtner, stets bescheiden, daß er bei allem, was er hervorbringt, nur Veranlassung, n i e U r s a c h seyn kann; er muß nie mehr als Veranlassung seyn wollen, wenn er seines Zwecks nicht verfehlen will. –

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welchem er gedeihen kann, pflanzt oder verpflanzt ihn der Gärtner dahin, wo seine Natur es heischet. Dann umgräbt und düngt er ihn, reiniget ihn von den verzehrenden Raupen, nimmt ihm die wil-den Zweige, pfropfet ihm edlere, die er in die seinigen verwandeln kann, ein, und erwartet nun ruhig Blüthen und Früchte. Der Gärtner kann zur Vermehrung und Veredlung der Blüthen und Früchte eines Baums beitragen, wenn gleich nur bis zu einem bestimmten Grade. Aber alle seine Einwirkungen auf den Baum gehen bloß auf die Erregung und Verstärkung seiner ihm eigenthümlichen Kraft, und er befördert diese bloß dadurch, daß er ihr den Stoff, gegen welchen sie sich äußern kann, nahe bringt und vermehrt, daß er die unnütze Anwendung derselben verhütet, und das, was sie zerstören könnte, aus dem Wege räumet. Erziehung des Menschen ist Wartung und Pflege des Baums, der einst durch seine Früchte nähren und erquicken soll. Die dem Menschen eigenthümliche Kraft ist es daher, auf deren Erregung und Verstärkung alle Handlungen des Erziehers abzwecken müssen, und die Mittel, diesen Endzweck zu erreichen, sind Herbeischaffung und Vermehrung des Stoffs, der sie in Thätigkeit versetzen kann, Verhütung der unnützen Anwendung derselben, und Wegräumung alles dessen, was sie zu tödten im Stande ist. Vom Keime an bis zum Vertrocknen hat der Baum, so wie der Mensch, vom ersten Werden an bis zum Sterben Bedürfnisse, die, gering und wenig im Anfang, immer zahlreicher und mannichfaltiger werden. Nur das, was diese Bedürfnisse zu befriedigen im Stande ist, vermag die eigenthümliche Kraft beider in Thätigkeit zu versetzen, aber es thut solches, sobald es da ist, und nahe genug liegt. Sobald der Baum in einem fruchtbaren Boden steht, entzieht er demselben die Säfte, die seinen Wachsthum befördern, und der Mensch ist thätig, sobald er unter Umstände versezt wird, wo die Anstrengung seiner Kräfte ihm Vortheile gewährt, die für ihn nothwendig und Bedürfniß sind.

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Eine bekannte Behauptung! Aber auch eine eben so benuzte? Mir sind Fälle bekannt, wo man Zöglinge gern vor allem Bedürfniß verwahrt hätte, und wo, ohnstreitig gerade deswegen, die Zöglinge alles andere, nur nicht das gern trieben, womit sie sich beschäftigen sollten. Woher kommt’s, daß so viele Menschen, der größten Unkosten und Mühe, die auf ihre Erziehung verwendet wurden, ungeachtet, doch erst in spätern Jahren, durch äussere Lagen dazu getrieben, sich selbst bilden? Die ersten Bedürfnisse haben Baum und Mensch schon bei ihrem Entstehen von der Natur; zu den spätern bringen sie bloß die Anlage mit, und eine weise und der Natur gemäße Befriedigung der erstern ist allein die Ursache der Erweckung der leztern. Zugleich aber vermehrt jede zweckmässige Befriedigung jedes Bedürfnisses durch die von der Natur dazu vorgeschriebenen Mittel die eigenthümliche Kraft des Baums und des Menschen, und vergrössert ihre Vollkommenheit. So werden die Blüthen und Früchte am Baume, so wie die Gesinnungen und Handlungen des Menschen a l l m ä l i g d u r c h d e n gröbern Nahrungsstoff zubereitet. Eine wichtige Wahrheit für jeden Erzieher, einmal, um darnach sein Verhalten zu bestimmen. Sulzer äusserte einmal, nicht lange vor seinem Tode, bei einem Gespräche über die Unterweisung der Jugend, den Gedanken, daß, wenn es möglich wäre, den Menschen von Kindheit an seiner individuellen Beschaffenheit nach immer zweckmäßig zu beschäftigen, oder nur immer in einen solchen Wirkungskreiß zu versetzen, wo seine Fähigkeiten Gelegenheit sich zu äussern hätten, kein Unterricht nöthig seyn würde. Eberhard sagt in seiner Schrift, über das Denken und Empfinden: Die Entwickelung des menschlichen Geistes fängt von den Empfindungen an, und geht von da stufenweise zu den Gedanken fort; so daß, wenn man jede Art der Empfindung oft erneuert, und die verschiedenen Gegenstände derselben oft vor die Sinne bringt, die Aufmerksamkeit v o n s e l b s t ein Merkmal nach dem andern absondert, sie

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untereinander vergleicht, und so den abstrakten Satz, der zuerst unmittelbar in der Empfindung gedacht wurde, nun abgesondert und deutlich denkt. Es ist dies also gar keine neue und unbekannte Wahrheit. Aber befolgen wir sie, wenn wir den Unterricht der Kinder von der Erlernung des Lesens anfangen? wenn wir sie zum Urtheilen anhalten, ehe sie die Dinge, welche sie vergleichen sollen, einzeln genau kennen gelernt haben? wenn wir ihnen abstrakte Gegenstände vorhalten, wenn ihre Fähigkeiten noch nicht an sinnlichen geübt sind? wenn sie sich mit Dingen beschäftigen sollen, die sie sich nur durch die Einbildungskraft vergegenwärtigen können, ohne sie vorher dieselben durch die Sinne empfinden zu lassen? u. s. w. Aber auch eine wichtige Wahrheit für jeden Erzieher, zum andern, um seinen Werth gehörig zu wägen. Kenntniß des Bodens und Kenntniß des Baums verbunden mit treuer Benutzung desselben sind die wichtigsten Eigenschaften eines guten Gärtners. Was ist der Erzieher ohne eine ausgebreitete und tiefe Kenntniß der Natur des Menschen, der Lagen, in welche er kommen kann, und der Art und Weise, wie diese auf jener Ausbildung wirken? Und wenn er nun diese besizt, und mit Treue und Sorgfalt anwendet, und der Erfolg sein Bestreben krönt, hat E r die Blüthen und Früchte hervorgebracht? darf er sagen: das ist m e i n Werk? Erzieher seyd treu in eurem Beruf, aber auch bei dem glücklichsten Erfolg eurer Thätigkeit rühmet euch nicht, seyd nicht stolz! Die Gesinnungen und Handlungen des Menschen sind die Blüthen und Früchte am Baume. Wie viel Blüthen fallen ab, ohne Früchte anzusetzen? Wie viel Früchte welken, ehe sie reif werden? Und welches ist das Schicksal eines Baums, der F r ü c h t e z u t r a g e n b e s t i m m t , nur von Zeit zu Zeit mit täuschenden Blüthen prangte? (Die Fortsetzung künftig.)

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Der tragische Dichter.

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Das fürchterlichste, was die Menschheit erdulden kann, zusammengenommen mit der unüberwindlichen Spannkraft der Seele, die dem allem zum Trotz bis auf den lezten Hauch ausdauret, und bis dahin, ob sie schon wankt, nie bricht – dieß ist der höchste Gegenstand der tragischen Dichtkunst, unter dessen Bearbeitung die Phantasie erliegen muß, wenn sie nicht selbst mit einer solchen Spannkraft der Seele verknüpft ist, die allen Schrecken der Einbildungskraft das Gleichgewicht halten kann. – Der tragische Dichter darf nicht vor seinem eignen Phantom erschrecken, sondern muß immer stark genug bleiben, nach Willkür damit zu spielen, und wie es ihm gefällt davon ab und zu zu thun. – Er muß sich von seinem Gegenstande können hinreissen lassen, so lange er will, und wieder Herr desselben seyn können, sobald er will. – An dieser Kraft aber, oder wenigstens an der Uebung dieser Kraft scheint es unsern neuern tragischen Dichtern vorzüglich zu fehlen – sie sind ihres Gegenstandes nicht Meister, sondern lassen ihrer Phantasie freien Lauf, die dann freilich bald ins Unnatürliche und Abentheuerliche ausschweift – denn dieß ist das Wesen der Phantasie, sobald sie nicht von der Vernunft regiert wird. – Zu einem großen tragischen Dichter gehört daher eine gewisse S t ä r k e d e r S e e l e , die den We i s e n ausmacht – eine Herrschaft über die Gedanken, womit sich der Besitzer vielleicht zum Beherrscher der Welt zu machen im Stande wäre, wenn er die ganze Kraft seiner Seele auf diesen Punkt hinlenkte. – Aber das Genie des tragischen Dichters ist bei aller dieser Stärke der Seele, dennoch von einem zu weichen, jedem Eindruck nachgebenden Stoff; die Welt in ihm ist daher von zu großem Umfange, als daß die Strebekraft seiner Seele sich auf irgend etwas Glänzendes, oder in die Augen fallendes in der wirklichen Welt ausser ihm, vorzüglich hinlenken sollte. –

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Die unendliche Fülle der innern Ideenwelt, welche in der Seele eines S h a k e s p e a r da stand, mußte ihm gewissermaßen edler und größer dünken, als die wirkliche Welt ausser ihm. – Diese innere Ideenwelt war ihm vielleicht Ersatz für allen äussern Glanz, da er unter seinem niedrigen Dache in S t r a t f o r d , die lezten Jahre seines Lebens, von dem Schauplatz seines Ruhms entfernt, in dem vertraulichen Zirkel seiner Nachbaren, mit der Zufriedenheit und Genügsamkeit eines Weisen zubrachte.

Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen. Die Der Die Der Die Der Die

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Eile in die Hütte, Freund! – draussen ist’s kalt – Die Thür ist niedrig – Mußt dich bücken! Bis zur Erden bück’ ich mich und kann nicht durch – Bücke dich in die Erde, so kannst du durch – Wie sieht’s drinnen aus? Schön und nett – Fremdling reich mir deine Hand! – D e r F r . Was willst du mit der Hand? D i e S t . Ich will dich zu mir ziehn – Dein Bett’ ist gemacht – Du sollst der Ruhe pflegen – D e r F r . Deine Hütte ist so schmal und niedrig – Wie kannst du darin aufrecht stehn? D i e S t . Komm nur herein – du sollst alles sehn – D e r F r . Dein Ton ist mir verdächtig, Bewohner der schmalen Hütte – ich, will nicht länger hier verweilen – D i e S t . Geh, wenn du kannst – sind, dir nicht deine Füße schwer? – D e r F r . Die Füße sind mir schwer – und ich kann nicht gehen –

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D i e S t . Ist deine Hand nicht kalt wie Eis? D e r F r . Kalt wie Eis ist meine Hand – D i e S t . So reiche mir dann die eiskalte Hand! – Nun hab’ ich dich, du Trauter – Nun bist du immer mein – Nun sollst du niemals wieder Ein Spiel des Zufalls seyn – Ich will dich freundlich schützen Vor jedem Ungemach – Nun mag der Himmel blitzen, Es sey Nacht oder Tag! – Du sollst es nicht empfinden, Wenn Erd’ und Himmel schwinden, Der Sonne Glanz verlischt – – Die Thränen, die du weintest, Sind nun, ehe du es meintest, Vom Auge dir gewischt – Du hast ja unverschuldet Wohl Schmerz genug erduldet – Nun aber bist du frei – Die Fesseln sind gelöset, Dein müder Leib verweset – Die Schmerzen sind vorbei – Kein Donner soll dich wecken Kein Weltensturz dich schrecken – Wenn Elemente zanken Der Erde Pfeiler wanken Liegst du in stolzer Ruh – So schließe denn auf immer Die müden Augen zu – Was scheust du meine kalte Hand? – Du hast an meiner Brust gesogen, Ich bin es, die dich aufgezogen, Und habe dir mit Geisterzungen Dein leztes Wiegenlied gesungen!

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Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters. den 6ten Febr. 1785. Mit Pfeilschnelle ist wieder ein Tag verschwunden – Ich werde mit unwiderstehlicher Gewalt durchs Leben fortgerissen – und von allem dem, was vor mir vorüberfliegt, haftet so wenig, so äusserst wenig – Die mannichfaltigen Gestalten der Dinge entschlüpfen meinem Auge wieder, ehe es sie noch fassen kann. – Unaufhaltsam rollen die Räder fort – der Nagel der erst unten war ist oben. – Alles dreht sich vor meinen Blicken, und was mir erst so wirklich schien, wird lauter Täuschung und Blendwerk. – Aber ich will von nun an das Leben in seinem Fluge erhaschen – ich will dieß täuschende Blendwerk festhalten, und es beschwören, daß es mir Rede stehen soll. – Tage und Stunden sollen mir nicht mehr unter den Händen entschlüpfen, bis ich die süße Beute der Erinnerung aus ihnen gesogen habe, die mir ihren unvermeidlichen Verlust ersezt. – Hat nicht ein jeder Tag gleichsam seine eigne Melodie, seine eigne Tonart, in der er sich anhebt, und welche durch die verschiedensten Abwechselungen durchgeht? Steht nicht Schlafen und Wachen miteinander in der genauesten Verbindung, und wird nicht das Bleibende in dem Zustande des Wachens großen Theils durch den jedesmaligen sanftern oder unruhigern Schlaf, durch die nächtlichen Träume, und durch den Augenblick des Erwachens bestimmt? – Gehört nicht auch die jedesmalige Witterung mit zu der herrschenden Tonart in der Melodie eines Tages, so wie die Bemerkungen darüber, gleich einem gemeinschaftlichen Faden, durch alle die verschiedensten Gespräche der Menschen durchlaufen? –

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Kurz, sind nicht bis jezt vielleicht tausend Kleinigkeiten unbemerkt geblieben, die zusammen das Wohl oder Weh des Lebens ausmachen? – Was ist Glückseeligkeit, wenn sie nicht an die eigentlichen Lebensmomente, mit allen ihren Modifikationen, gereihet wird? – Es ist ein Wintertag – der Himmel ist trübe – der Schnee liegt auf den Dächern der Häuser, die ich aus meinem Fenster sehe – ich kann über die hohen Dächer nicht wegsehen – sie engen meinen Horizont ein. – Dieser Anblick hat einen wunderbaren Einfluß auf alle meine Gedanken und Empfindungen – er drängt mich in mich selbst zurück, wiegt die Gedanken an die Zukunft, an Ausbreitung, an weite Reisen, in Schlummer, und erweckt dagegen tausend Erinnerungen an die Vergangenheit. – Ganz im Hintergrunde regt sich ein angenehmes Gefühl von Hoffnung – das Hinwegschmelzen von Schnee und Eis – das Emporkeimen der Pflanzen, die jungen Knospen und Blätter an den Bäumen – kontrastiren gegen den einförmigen trägen Anblick der beschneieten hohen Dächer, und die sanfte Mischung, welche daraus entsteht, bringt wieder ein Gefühl von Wehmuth hervor, wodurch die Lebensmelodie oft Stundenlang zu lauter weichen Tönen gestimmt wird. –

Zwölftes Stück.

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Frühlingsgedanken.

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Der Schnee zerschmilzt – die Fesseln sind gelöset, Die alle Lebenskraft gehemmt – Das Korn in seiner Gruft ist nun verweset, Die Zeit der Pflanzenauferstehung kömmt. Ich will hinaus, und will die jungen Keime Aus feuchtem Boden sprossen sehn –

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Und harren, bis dereinst die süßen Träume Der schönern Zukunft in Erfüllung gehn.

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Die lezte Freistadt des Weisen. B e o b a c h t e n – sich ü b e r die Dinge erheben, wodurch man sonst mit ins Spiel gezogen wird – und nun mit Seelenruhe darauf achten – dieß bleibt das ewige Antheil des Weisen, das ihm kein Zufall rauben, ein Ersatz für jede Entbehrung, der ihm durch nichts verleidet werden kann. – Als jenem edlen Römer, mitten im ruhigen Genuß des Lebens, da er lachend und scherzend im Kreise seiner Freunde saß, auf Befehl des Tyrannen sein Todesurtheil angekündigt wurde, und der Scharfrichter, welcher es an ihm vollstrecken sollte, auch schon bereit stand; so ging er mit einer Heiterkeit und Unbefangenheit der Seele zum Tode, die seine Freunde in ein betäubendes Erstaunen sezte. – Auf Befragen: w i e i h m z u M u t h e s e y ? gab er zur Antwort: E r fasse jezt alle seine Gedanken zusammen, um auf den Punkt recht aufmerksam zu seyn, wo nun sein gegenwärtiges Daseyn in ein anderes Daseyn wirklich übergehen würde. – Dieser entschlossene Sterbliche mußte wohl zwei Dinge gelernt haben, denen er jene Heiterkeit und Unbefangenheit der Seele noch in der lezten Stunde seines Lebens verdankte: erstlich, s i c h d e r N o t h w e n d i g k e i t u n t e r w e r f e n , und zweitens, w e n n i h m s o n s t n i c h t s m e h r ü b r i g b l i e b , – doch noch ruhiger Beobachter zu seyn – Ohne Unterwerfung unter die Nothwendigkeit findet kein ruhiges Beobachten statt – diese ist die einzige nothwendige Stütze des ruhigen festen Denkens –

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B e o b a c h t e n ist die einzige Seelenthätigkeit, die uns in Ermangelung aller andern, bis an den lezten Hauch unsers Lebens übrig bleibt – Warum lernen wir also, bei dem furchtbaren Wechsel der Dinge, nicht unser Glück in dem suchen, was uns durch keinen Wechsel der Dinge entrissen werden kann? – Warum üben wir uns nicht von Kindheit auf, in dieser großen Kunst, die uns, wie jenen edlen Römer, sterben lehrt? – Das r u h i g e B e o b a c h t e n ist zugleich mit einem großen, erhabenen Gefühl verknüpft, das uns über diese Erde und alle die kleinen Verhältnisse des Lebens hinweg versetzen kann. Durch die Seelenruhe wird unser Blick gestärkt, das Ganze zu umfassen, und unpartheiischer von einem Zusammenhange der Dinge zu urtheilen, in welchen wir uns nicht mehr verflochten denken – Dieß r u h i g e B e o b a c h t e n aber ist eine Kunst, die wir täglich, bei allen unangenehmen und angenehmen Vorfällen üben können, und die beständig unsern Geist veredeln wird – Bei den unangenehmen Vorfällen, d i e w i r n i c h t ä n d e r n k ö n n e n , wird es uns, auch für die bitterste Nothwendigkeit, der wir uns unterwerfen müssen, Ersatz seyn, daß wir wenigstens unsre Denkkraft beschäftigen, indem wir kaltblütig untersuchen, worin nun die Nothwendigkeit desjenigen, was nicht mehr geändert werden konnte, e i g e n t l i c h g e g r ü n d e t war? – Eine widrige Meinung, welche z. B. Menschen, von denen unser Glück abhängt, von uns hegen, ist f ü r s e r s t e eine Nothwendigkeit, der wir uns so wie der Kälte, dem Regen und dem Sturmwinde unterwerfen müssen – die wir mit keiner Gewalt umstoßen können – Nachdem wir nun einmal resignirt sind, und uns dieser bittern Nothwendigkeit unterworfen haben – so sind wir nun im Stande kaltblütig nachzudenken: w i e d o c h w o h l d i e s e w i d r i g e M e i nung von uns in den Köpfen dieser Leute entstanden seyn mag? – Und eben bei dieser kaltblütigen Untersuchung wird man vielleicht am ersten auf Mittel stoßen, wodurch dasjenige, wovon man

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anfänglich glaubte, daß es nicht zu ändern sey, oft mit leichter Mühe geändert werden kann. – Bei angenehmen Vorfällen zieht uns das ruhige Beobachten aus dem Wirbel der Dinge heraus, der uns sonst unaufhaltsam mit sich fortreißt; es erhöht unser Selbstgefühl, und macht uns in jedem Augenblick besser und weiser. – Das ruhige Denken muß eine Unterlage haben, wovon es ausgeht – mit dieser Unterlage müssen wir jede Minute unsers Lebens, o h n e r ä s o n n i r e n z u d ü r f e n , in Richtigkeit seyn. – Nun ist aber die Nothwendigkeit gerade eine Sache, w o m i t s i c h w e d e r z a n k e n , n o c h ü b e r w e l c h e s i c h w e i t e r r ä s o n n i r e n l ä ß t . – Das Räsonnement kann also in jedem Moment des Lebens am bequemsten und leichtesten hievon ausgehen. – Ich denke mir den Zusammenhang der Dinge fürs erste, als ein Wesen, das bloß s t ä r k e r ist, als ich, dem ich mich also auf alle Fälle unterwerfen muß. – Und da ich nun hierin einmal resignirt bin, so habe ich erst hinlängliche Ruhe und Muße, um über diesen Zusammenhang der Dinge weiter kaltblütig nachzudenken – jeder Schimmer von Zweckmäßigkeit, Ordnung, und Absicht, den ich nun erblikke, ist mir gleichsam ein angenehmer Fund, ein Gewinn, der meine Erwartung übertrift, welche auf das Schlimmste schon einmal gefaßt war.

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Die Unterordnung der Vergnügungen.* Man theilt die Vergnügungen, deren der Mensch fähig ist, und in deren Genuß das, was wir Glück und Glückseeligkeit nennen, allein besteht, worin folglich auch die Triebfedern aller menschlichen Handlungen zu suchen sind, in Vergnügungen der Sinne, des Verstandes, und des Herzens. * Der V. des pädagogischen Aufsatzes im vorhergehenden Stück, hat in diesem Aufsatze einen nicht minder wichtigen Gegenstand ins Licht zu stellen ge-

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Die Vergnügungen der Sinne sind theils gröbere, theils feinere. Zu jenen gehören die Vergnügungen des Gefühls, des Geschmacks, und des Geruchs; zu diesen die Vergnügungen des Gehörs und des Gesichts. Also je gröber der Sinn, und je enger seine Sphäre, desto gröber das Vergnügen, welches er gewährt, und umgekehrt. Die Vergnügungen des Verstandes sind ebenfalls von einander verschieden. Sie entspringen ent-weder aus der gründlichen Betrachtung sinnlicher Gegenstände, oder wir genießen sie bei Dingen, die wir nur vermittelst der Einbildungskraft vergegenwärtigen können, oder die reine Vernunft, so weit der Mensch dergleichen besizt, ist allein ihre Quelle. Auch die Vergnügungen des Herzens können in Klassen gebracht werden. Anders sind sie bei Handlungen, die ganz mit unsern Neigungen und Kräften übereinstimmen, anders bei Handlungen, die uns sauer werden, und noch anders endlich, wenn wir sie durch Aufopferung unserer Lieblingsneigungen und durch Besiegung der Leidenschaften erringen müssen. Zu allen diesen Vergnügungen hat die Natur dem Menschen, wenn auch nicht jedem in gleichem Grade, Fähigkeit gegeben, und die Umstände, unter welchen er lebt, sind so beschaffen, daß er, bei sorgfältiger Benutzung aller zur Ausbildung seiner Anlagen sich darbietenden Gelegenheiten, sich stufenweise zum Genuß aller erheben kann. Alle sind auch oder werden nach und nach Bedürfniß für ihn, und so wie alle Gaben Gottes gut sind, und keine verwerflich, so auch hier. Aber Zeit und Umstände, die selbst Tugenden in Laster verwandeln können, ertheilen auch bald die-sen bald jenen Vergnügungen den Vorzug. Pflichtwidrig wird selbst die Sorge für die Erhaltung des Lebens, wenn Beruf und Vaterland den Tod zu übernehmen gebieten, und den M a n n , den Häuschen bauen, Mäuse an einen Wagen spansucht, worüber eine Aufklärung der Begriffe desto nothwendiger ist, jemehr die Verwirrung derselben in Ansehung dieses Gegenstandes zu mancherlei schädlichen Vorurtheilen Veranlassung gegeben hat.

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nen, und auf einem Stocke reiten ergötzen könnte, zählt selbst Demasipp beim Horaz* zu den Thoren. Die sinnlichen Eindrücke sind das erste, was der Mensch erfährt; von der Natur mit den Sinnen ausgerüstet, und umgeben mit Gegenständen, die darauf wirken, wie könnte er sich ihrer erwehren? Bald aber treibt ihn das Behagliche, welches er dabei empfindet, daß er s e l b s t die Anzahl derselben zu vermehren sucht, und ist dieses geschehen, so entspringt aus ihrer Regelmäßigkeit und übereinstimmenden Mannichfaltigkeit Vergnügen, welches die Kraft der Sinne zu größerer Thätigkeit reizt. Der Vorrath der sinnlichen Vorstellungen wird also vermehrt, die schon dagewesenen zur größern Klarheit erhoben, und auf mehrern Wegen erhalten. Vermehrtes Vergnügen ist davon eine natürliche Folge, so wie dieses von neuem die Kraft der Sinne reizt, und alles das vermehrt, was durch sie hervorgebracht wird. Endlich fängt die Seele, durch die Menge, die Verschiedenheit, und Uebereinstimmung der erworbenen sinnlichen Vorstellungen erweckt, an, abzusondern und zu vergleichen. Eine neue Beschäftigung für sie, aber auch eine neue Quelle des Vergnügens, denn jede Erweiterung ihres Ideenkreises, jedes Gefühl ihrer Kraft gewährt ihr dergleichen. Und die Folge davon? Kann sie eine andere seyn, als diese, daß die Seele mit verstärkter Thätigkeit die sich ihr darbietenden Gegenstände zur Vermehrung ihrer sinnlichen Vorstellungen benuzt, dabei das Geschäft der Absonderung und Vergleichung treibt, und in dem Gebiete der intellektuellen Vorstellungen weiter fortrückt? So wirken unablässig die sinnlichen Vorstellungen zur Erzeugung der intellektuellen, und diese treiben zur Vermehrung jener an; bis die Seele bekannt mit den Beziehungen der Dinge ausser sich auf sie zu wirken, und sie nach ihren Bedürfnissen einzurichten anfängt.

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Aedificare casas, plostello adjungere mures, Ludere par impar, equitare in arundine longa, Si quem delectet barbatum, amentia verset. Hor. Sat. II. 3.

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Abermals eine neue Beschäftigung der Seele, und eine neue Quelle des Vergnügens, und dieses Vergnügen ein neuer Antrieb, die sinnlichen und intellektuellen Vorstellungen, in welchen sein Keim lag, zu vermehren und zu vervollkommnen. Auf diese Art fängt sich die Entwickelung der Fähigkeiten des Men-schen an, und auf eine ähnliche Weise schreitet sie bis zur möglich höchsten Stufe der Vollkommenheit fort. Dies ist der Weg der Natur, und die Kunst darf sich von ihr nur darin unterscheiden, daß sie dieselben Kräfte und dieselben Mittel näher zusammendrängt, und dadurch, nicht andere, sondern größere Wirkungen hervorbringt. Also ist ununterbrochener Gebrauch aller vom Schöpfer erhaltenen Kräfte jedes Menschen P f l i c h t ; aber auch der Genuß aller Arten der Vergnügungen u n u m g ä n g l i c h n o t h w e n d i g , wenn er diese Pflicht auszuüben im Stande seyn soll. Jede Erweckung des Verstandes oder der Vernunft sezt den Gebrauch der Sinne voraus, und die moralischen Fähigkeiten entspringen erst nach den intellektuellen. Jede Vergrößerung der Vernunftfähigkeit erfordert Vergrößerung des Gebiets der sinnlichen Vorstellungen, und die Vervollkommnung der moralischen Anlagen des Menschen k a n n ohne vorhergegangene Vervollkommnung des Verstandes und der Sinne n i c h t S t a t t finden. So lange also der Mensch Mensch ist, bleiben, zu was für einer Stufe der Vollkommenheit er auch gelangt, die sinnlichen Vergnügungen eben sowohl Bedürfniß für ihn, als die intellektuellen und moralischen; eigentliches Ziel nur werden diese leztern für ihn desto mehr, je mehr er an wahrer Vollkommenheit zunimmt. Wer den Menschen verhindert, den Kreis seiner sinnlichen Vorstellungen zu erweitern, macht ihm dadurch die Erweiterung seiner Verstandeskräfte unmöglich; und das größte Hinderniß, welches er ihm in den Weg legen kann, ist, Beraubung des Genusses sinnlicher Vergnügungen. Wer den Menschen von der Ausbildung des Verstandes zurückhält, entfernt ihn eben dadurch von der Erlangung moralischer Vollkommenheiten. A l s o k a n n d i e B e r a u b u n g d e s G e n u s s e s e i n e s s i n n l i c h e n Ve r g n ü g e n s s o n s t u n a u s b l e i b -

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liche intellektuelle und moralische Fertigkeiten so g a r i n i h r e m K e i m e e r s t i c k e n ? Was für eine schreckende Wahrheit. Vielleicht hatte sie von Maupertuis vor Augen, wenn er sagt: »Man darf sich nicht fürchten, die Vergnügungen der Sinne mit den intellektuellsten Vergnügungen zu vergleichen; denn man irrte sich sehr, wenn man glaubte, daß eine Art des Vergnügens von edlerer Natur als die andere wäre.«* Väter der Völker! wollt ihr euer Volk, eure Kinder, zu guten, thätigen Menschen machen? Macht euch um die wahre Ausbildung ihres Verstandes verdient. Daß ihr Schulen anlegt, ist gut; aber e u r e e r ste, eure wichtigste Sorge muß seyn, daß ihr eure Unterthanen glücklich, daß ihr sie mit ihrem Zustande z u f r i e d e n m a c h t . Dann findet sich die Aufklärung von selbst, und mit ihr ist wohlgeordnete Thätigkeit unzertrennlich verbunden. Erzieher und Lehrer der Jugend! auch eure Pflicht ist es, zu sorgen, daß es euren Zöglingen bei euch gefalle. Und gefallen wirds ihnen bei euch, wenn ihr die Fähigkeiten, die ihr ausbilden sollt, nach der Anleitung der Natur und zweckmäßig beschäftiget. Gefällt es ihnen bei euch nicht, so ist unter zehn Fällen bei neunen die Ursach darin zu suchen, daß ihr eure Zöglinge nicht kennet, oder zu träge, oder zu eingebildet seyd, Werkzeuge und Mittel nach dem Bedürfniß des zu bearbeitenden Subjekts zu wählen. Zum Genuß der intellektuellen Vergnügungen wird der Mensch erst nach und durch den Genuß der sinnlichen fähig, und eben so verhalten sich die moralischen Vergnügungen zu den intellektuellen. Ja selbst zu dem Genusse der höhern Arten jeder von diesen Vergnügungen erlangt man die Fähigkeit erst nach dem Genusse der niedern. Eben diese Ordnung findet unter den Kenntnissen Statt, aus welchen die Vergnügungen entspringen. Den Menschen dann, wenn seine Seele noch sinnliche Nahrung fordert, zu geistigen Speisen zwingen, heißt die Kraft der Seele un* In seinem Versuche einer philosophischen Moral.

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Die Unterordnung der Vergnügungen

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terdrücken: so wie die künstlichen Speisen der Vornehmen den Körper des gemeinen Mannes entnerven. Gewöhnen kann man ihn freilich, aber in Einöden ißt man aus Noth selbst Früchte, die die Natur nur für niedrigere Geschöpfe erschuf. Dadurch befördert man im günstigsten Falle das schädliche Uebergewicht der höhern Erkenntnißkräfte über die niedern, und bildet Geschöpfe, die, stumpf an Gefühl, zu den meisten Geschäften des thätigen Lebens durchaus unfähig sind, und wenig Freuden zu geben, und wenig von andern zu nehmen vermögen. Den Menschen zum Handeln anhalten, bevor er die Kenntnisse besizt, aus denen die Neigung dazu entsteht, und bevor ihm das Handeln aus eigenem Triebe Bedürfniß geworden; ist Entfernung von dem Wege der Natur, und verkehrtes, zweckwidriges Verfahren. Mechanische Fertigkeiten können dadurch hervorgebracht werden, aber der eigenen Thätigkeit werden desto größere Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Durch zu frühe und verkehrte Uebungen in religiösen Handlungen werden bloß Heuchler gebildet, und wenn ist aus einem Heuchler ein rechtschaffener Fromme geworden? Wenn der im sinnlichen Genusse Versunkene auf die Beschäftigungen des Geistes mit Verachtung blickt; was thut er anders, als beweisen, daß er zum Pöbel gehöre. Bei ihm ist Genießen nicht Weisheit, denn thätiges Streben ist ihm nicht Tugend. Aber in der Ordnung der Natur ist Genießen eben so sehr Pflicht als Handeln, und Thoren verlangen das Leztere, ohne das Erstere zu vergönnen. Sorge dafür, daß die sämmtlichen ursprünglichen Kräfte deines Zöglings in einer solchen Ordnung und in einem solchen Maaße gestärkt und ausgebildet werden, daß der erwachsene und zu seiner Reife gediehene Mensch diese Kräfte alle mit gleicher Leichtigkeit in gleich starke Thätigkeit setzen könne, und daß es ihm leicht sey, nach Erforderniß der Umstände, von der einen Wirkungsart zu der andern ohne Widerwillen oder Ermattung überzugehen.* Eine vortrefliche * Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungs Wesens 3 Th. S. 317.

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Regel! Was kann es schaden, über die Art der Befolgung derselben aus dem bisherigen einige allgemeine Vorschriften herzuleiten. (Die Fortsetzung künftig.)

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Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder. Ein kleiner Knabe, der immer kränklich war, und viele Schmerzen an seinem Körper erdulden mußte, beklagte sich einmal, und sagte: ach, was bin ich doch für ein unglückliches Kind! ich habe doch auch fast gar keine vergnügte Stunde auf der Welt? Der Vater suchte ihn zu trösten; faßte ihn bei der Hand, und sagte: sieh es ist so schönes Wetter, die Bewegung wird dir gut seyn – laß uns ein wenig spazieren gehen! Sie gingen. Als sie unterweges vor einem Hause vorbei kamen, an welchem ein hölzern Gerüste erbauet war, so betrübte sich der unerfahrne Knabe, daß man dieß schöne Haus so sehr verunstaltet hatte? – Damit es noch schöner werden soll, antwortete der Vater, und sie gingen weiter. Nach einiger Zeit kamen sie wieder vor eben dem Hause vorbei: Das Gerüste war abgerissen, und das Haus war zierlich angemahlt und stand nun weit schöner da, als es jemals vorher gewesen war. Während der Zeit war auch der kleine Knabe gesund geworden, und seine Krankheit hatte ihn besser und frömmer gemacht.

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Unmuth und Fassung

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Dreizehntes Stück.

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Unmuth und Fassung.

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Gehüllt in meinen Trübsinn sitz ich hier, Der Sturmwind brauset über mir, Von Sorgen bin ich eingeengt – Mir will kein Freudenlied gelingen; Ich will von meinem Kummer singen, Bis sich die Nacht herniedersenkt. Dann soll der Schlaf mein Auge nicht erquicken, Ich will hinauf zum düstern Himmel blicken, Und seufzen, bis der Tag anbricht – Mit ihm wird sich des Lebens Sturm erneuern – Doch will ich muthig durch die Wogen steuern – Denn in der Ferne seh ich Licht – –

Ein Blick auf das alltägliche Leben. An ***

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Seit drei Tagen, mein Lieber, bin ich im unaufhörlichen Wirbel, von Täuschung zu Täuschung umher getrieben – alles um mich her erscheint mir in einer kreisförmigen Bewegung, und mein Kopf schwindelt mir, sobald ich einen Augenblick aufhöre, die Augen vor diesem unangenehmen Drehwerk zuzudrücken – Der vorgestrige Tag schwebt mir nur noch wie ein dunkles Schattenbild, wie eine groteske Erscheinung vor – Ich erwachte am Morgen ohne eigentliche Lebenslust – die Aussicht auf den Tag war so alltäglich – und was ist denn das a l l t ä g lich? –

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Warum bedienen wir uns denn dieses Ausdrucks, das Schlechte, das Gemeine, und Verächtliche zu bezeichnen? – Ist es denn etwa das Gefühl, daß die eigentliche L e b e n s m a s s e , die doch aus a l l e n Ta g e n besteht, nicht sehr viel Werth habe ? – daß es nur wenige hervorschimmernde Tage und Stunden giebt, welche gleichsam die Edelgesteine unter diesen Schlacken sind? – Es ist ein langweiliger ermüdender Begriff, der Begriff des Alltäglichen – und was ist alltäglicher, als das Leben selber, welches demohngeachtet eine ununterbrochne Kette von Wundern ist, deren Anfang und Ende wir nicht fassen. In der ersten Stunde des Morgens gelang es mir, den aufsteigenden Ekel am Alltäglichen zu überwinden, oder er überwand sich vielmehr selber, wie es gemeiniglich zu geschehen pflegt, indem mit der zunehmenden Klarheit der Gedanken das dem ersten Anschein nach Alltägliche anfing, sich zu individualisiren, und nun allmälig immer mehr Reiz zu gewinnen, jemehr sich dieser Tag, bei aller Aehnlichkeit mit so vielen vorhergehenden, doch in unzähligen nun immer deutlicher werdenden Kleinigkeiten von ihnen unterschied. – Es ist wohl eins der ersten Erfordernisse der Lebensweißheit, einen jeden einzelnen Tag, als ein für sich bestehendes Ganze zu betrachten und schätzen zu lernen. – Jede vorzügliche Heraushebung gewisser Tage und Zeiten kann daher leicht schädlich werden, wenn die übrige Lebenszeit dadurch gar zu sehr in Schatten gestellt, und gleichsam nur als Mittel betrachtet wird, um etwa einen solchen herausgehobenen Tag einmal ganz zu leben, indes man, wer weiß wie viele Tage, die nie zurückkehren, darüber vernachlässigt und unwiederbringlich verlohren hat. – Wenn sich die Moralität auch auf den Ausdruck unsrer Gedanken durch die Sprache erstreckte, so könnte man sagen, daß es unrecht sey, das Gemeine und Schlechte durch den Ausdruck a l l t ä g l i c h zu bezeichnen: denn Tage sind nicht wie Kieselsteine, unter denen etwa hier und da einmal ein kostbarer Stein hervorschimmert; sondern jeder Tag kann von dem Weisen zum Edelgesteine geschliffen werden, dessen eigenthümlichen Glanz kein giftiger Hauch verdunkeln kann. –

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Wenn wir nun gleich diesen immerglänzenden Stein der Weisen nie in seiner höchsten Vollkommenheit erlangen, so können wir doch in unserm ganzen Leben nichts bessers thun, als ihn mit unermüdeter Sorgfalt zu suchen. – Denn dieß Suchen selbst kann schon, wenn wir es ununterbrochen fortsetzen, unser irrdisches Daseyn bis zu einem hohen Grade veredeln. – Um nun aber die Empfindung des Alltäglichen nicht aufkommen zu lassen, müssen wir immer tiefer in das Innere des Lebens einzudringen suchen, wodurch es auch in seinen kleinsten Momenten noch interessant wird – wir müssen diesen unaufhörlichen Wundern, die sich stündlich in uns, und um uns ereignen, auf die Spur zu kommen, und sie zum Gegenstande unsrer Betrachtung zu machen suchen. – Mit in sich gekehrtem Blick beobachten ist eben so nöthig, als ausser sich wirken. – Die Menschheit hat zu lange bloß ausser sich gewirkt, ohne den Blick auf sich zurück zu werfen – Es ist nöthig, daß sich einige wieder auf die Warte stellen, und spähen, ehe die Linien vorwärts rücken.

Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns. 20

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Die Zeichensprache der Taubstummen ist ohngefähr das, was die Wortsprache in ihrer Kindheit gewesen seyn mag – sie bezeichnete b l o ß e t w a s a n e i n e m D i n g e , wobei man sich des übrigen erinnern konnte – als z. B. an einem Pferde das Wiehern, an einem Ochsen das Blöken. – Indem man nun dieß Geräusch durch die Stimme nachahmte, so stellte sich nach dem Gesetz der Ideenvergesellschaftung zugleich die ganze Gestalt des Thiers, das ein solches Geräusch hervorbrachte, dar. – Aber die vorzüglichste Aufmerksamkeit fiel doch immer auf das G e r ä u s c h , und die Vorstellung von dem Ganzen litte unter der zu lebhaften Vorstellung des Einzelnen, bis man bei der fernern Ausbil-

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dung der Sprache, und da der erste Ursprung des Worts allmälig vergessen wurde, auch das Einzelne, was das Wort anfänglich bezeichnet hatte, nicht mehr in Betrachtung zog, sondern sobald man das Wort hörte, seine ganze Aufmerksamkeit auf das Ganze richtete, und es mit dem Worte gleichsam umfaßte. – Das Zeichen hörte auf, Sache zu seyn, und wurde bloß Zeichen – Der Ton wurde als Ton, den man in der Natur nicht fand, gar nicht mehr in Betrachtung gezogen. – Die Begriffe von Zeichen und Sachen lagen in der Seele abgesondert, und konnten sich nicht mehr untereinander verwirren. – Die ganze Masse der Zeichenbegriffe zusammengenommen, wog auch nicht einen einzigen Sachbegriff in Ansehung ihres innern Gehalts auf – Darum wurde sie nun eben ein so bequemes, behendes und leichtes Werkzeug zum Denken, welches die Masse der sichtbaren Zeichen nie werden kann – Denn diese können nie aufhören, zugleich in andern Beziehungen als Sachen gedacht zu werden, sie können nie g a n z r e i n e Z e i c h e n werden. – E i n S t e r n a u f d e r B r u s t , wodurch der Taubstumme einen Fürsten oder König bezeichnet, bleibt immer ausser dem Zeichen der Würde auch an sich noch etwas. – Man kann kein Bild, keine Figur erfinden, die nicht ausser der Idee des Menschen noch irgendwo in der Natur statt fände – aber die ganze Natur ausser dem Menschen, die ganze Thierwelt, und alle Flüsse, und Winde bringen keinen a r t i k u l i r t e n To n hervor – Dieser ist und bleibt das Eigenthum des Menschen, wodurch er sich gleichsam zum Herrn der ihn umgebenden Natur macht, und alles unter das Gebiet seiner allmächtigen Denkkraft zwingt. – Er kann das unermeßliche Weltall, welches vor ihm steht, vermittelst dieser Zeichen in und auseinander wickeln – auf der Walze stehen vier und zwanzig Stifte, in denen die unendliche Harmonie dieses ganzen Weltalls mit allen ihren Melodien schlummert. –

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Dieß erhabene Werkzeug des Denkens ist nun gleichsam aus der Seele des Taubstummen herausgenommen – was ist an dessen Stelle gesezt? – Ist es etwas dem ungeheuren Umfange der chinesischen Bilderschrift ähnliches, statt der simplen Buchstabenschrift? – So müßte es den Taubstummen eben so erstaunlich schwer werden, jemals schnell und geläufig zu denken, als dem Chineser, schnell und geläufig zu schreiben und zu lesen. – Das Werkzeug des Denkens bei dem Taubstummen würde stets zu unbehülflich bleiben, sich der umgebenden Welt damit zu bemächtigen: – die um-gebende Welt würde sich vielmehr seiner bemächtigen, sie würde sich m e h r i n i h m d a r s t e l l e n , als daß er s i c h d i e s e l b e v o r s t e l l t e . – Seine Denkkraft verhielte sich immer mehr leidend, als thätig – Wie soll sein Ich sich unter diesem Druck, unter diesem Mangel emporarbeiten – auf welche Art wird die Denkkraft in dem ganzen Leben eines Taubstummen erhöht? Sie kann nicht anders erhöht werden, als d u r c h e i n b e s t ä n d i g e s S t r e b e n n a c h S i m p l i f i z i r u n g d e r Z e i c h e n , vermöge deren der Taubstumme die ihn umgebende Welt in seinem Kopfe zu ordnen sucht – erlangt er nun gleich durch dieses Streben nie seinen Zweck, so ist doch das unwillkührliche Streben selbst schon eine unmerkliche Uebung der Denkkraft – und wenn es vorzüglich auf Erhöhung derselben ankömmt, so ist es gleichviel, wodurch sie erhöht wird – Indem der Taubstumme, durch das Bedürfniß sich andern verständlich zu machen, genöthigt wird, Zeichen zu erfinden, bei denen andere sich irgend ein Ganzes denken sollen, so wie er es sich dabei denkt, und indem er zu dem Ende irgend einen Theil eines Ganzen zum Zeichen des Ganzen macht – so lernt er unvermerkt, d a s E i n zelne mit beständiger Rücksicht auf das Ganze, und das Ganze mit beständiger Rücksicht auf das Einzelne, betrachten – Und daß wir dieß, sey es auch auf noch so verschied e n e n We g e n , l e r n e n – s c h e i n t d o c h d e r e i g e n t l i c h e Endzweck unsers Erdenlebens zu seyn –

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Kein denkendes Geschöpf, bei dem dieser Endzweck, sey es auch, auf welche Art es wolle, erreicht ist, scheint mir vernachlässiget zu seyn – Nehme ich dieses zum lezten Zweck bei der Schöpfung der Geister an, so lösen sich mir alle Räthsel in d e r m o r a l i s c h e n We l t a u f – i c h s e h e n i c h t s , a l s P l a n , Ordnung, und Zusammenhang, wo ich sonst nur zweckl o s e s S t r e b e n , U n o r d n u n g u n d Ve r w i r r u n g s a h e – In diesem lezten großen Gesichtspunkte müssen alle übrigen zusammentreffen – und jede andere Betrachtung muß sich in diesen verlieren – Es kömmt, i n d e r a l l e r l e z t e n R ü c k s i c h t , nicht sowohl auf den Gegenstand des Denkens, als auf das Denken selber, und die dadurch erworbenen bleibenden Fertigkeiten der Seel e an – Ob nun der Taubstumme seine Denkkraft an den Sachen selber oder an den Z e i c h e n übt, wodurch er, von dem Bedürfniß sich verständlich zu machen gedrungen, die Vorstellungen von den Sachen selbst in seinem Kopf zu ordnen sucht, das ist in Ansehung der eigentlichen Veredlung seines Wesens dasselbe – Der gegenwärtige Gebrauch unsrer Denkkraft scheint nach diesem allen noch nicht Zweck zu seyn, sondern es scheint, als ob sie durch denselben nur gleichsam zu einem höhern Gebrauch erst geschliffen werden soll – Dieser Gedanke beruhigt und tröstet mich beim Anblick der moralischen Welt – ich betrachte sie als Gerüste um ein Gebäude – das einst aus dieser Entstellung, rein geglättet und majestätisch emporsteigen wird, wenn das unbrauchbar gewordene Gerüste umher wegfällt – Der Taubstumme übt seine Denkkraft, indem er von dem Bilde des Königes den Stern auf der Brust desselben heraushebt, und ihn zum Zeichen des Ganzen macht – ich übe meine Denkkraft, indem ich über diese Bezeichnungsart des Taubstummen Betrachtungen anstelle – u n d w i r s i n d b e i d e u n v e r m e r k t d e m Z i e l e d e r E r h ö h u n g u n s e r s We s e n s n ä h e r g e r ü c k t . –

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Zeit und Ewigkeit.

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Wenn man sich das Leben oft noch so reizend vorstellt, so scheint es doch mit zu vielem Zwange, mit zu vieler Anstrengung verbunden zu seyn, als daß man es immer ertragen könnte. In dem Wunsche nach Ruhe, nach gänzlicher Auflösung, scheinen sich doch am Ende einmal alle Wünsche zu verlieren. Und wenn man sich selbst eine Ewigkeit noch so reizend denkt, so scheinet es doch wieder, als ob sie nicht immer zu ertragen wäre. – Selbst fortdaurende Freude erfordert Anstrengung, und auch von der sucht man endlich auszuruhen. Wenn der Geist des Menschen sich eine Weile mit den herrlichsten Aussichten und mit den erhabensten Gegenständen beschäftiget hat, so fühlt er sich zulezt In jeder Zeit ermatten, Und findet keinen Trieb als nach der Ruh. – – Sehr merkwürdig ist dieser Schluß in Hallers Ode von der Ewigkeit. Er scheint in dem Augenblick die ganze Last, auch selbst von den Freuden einer Ewigkeit empfunden zu haben. Mir ist es oft, als müsse mein ganzes Wesen verändert werden, wenn es mit einer ewigen Fortdauer harmoniren sollte. Die Ewigkeit, welche wir uns bei Gott denken, ist wesentlich von derjenigen unterschieden, welche wir hoffen. Diese leztere ist immer nur Zeit; immer nur eine Folge desjenigen aufeinander, was Gott mit einemmale zusammenfaßt, so daß seine ganze Ewigkeit in einen Augenblick zusammenfließt. Bei ihm ist keine Folge. Dieß ist einer der erhabensten Gedanken, den die menschliche Seele denken kann. Wie kam sie zu diesem Gedanken? Und liegt denn wirklich kein Widerspruch darinn, ist es wohl möglich, daß etwas aufeinander folgendes als nebeneinander bestehend gedacht werden kann?

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Wenn es wäre, so müßte es vielleicht bloß das Resultat unsrer Unvollkommenheit seyn, daß uns die Dinge in der Welt aufeinander zu folgen scheinen. Weil wir uns nicht mehrere Dinge auf einmal vorstellen können, so müssen wir warten, bis das eine erst vorüber ist, ehe wir das andere betrachten können. Wenn ich eine Stadt besehen will, und befinde mich unten an der Erde, so muß ich eine Straße nach der andern durchgehen, und erst abwarten, bis sich mir nach und nach, durch Hülfe meines Ge-dächtnisses, die Vorstellung von der ganzen Stadt darbietet. Stehe ich aber auf einem Thurme, von dem ich die Uebersicht der ganzen Stadt habe, so sehe ich nun dasjenige auf einmal und nebeneinander, was ich vorher nacheinander sehen mußte. Wir sagen, eine Straße folgt auf die andre, und dieser Ausdruck ist selbst ein Beweiß von unsrer Täuschung, indem wir die Folge unsrer Vorstellungen von den Straßen, mit den Straßen selbst verwechseln. Was wir die Folge der Dinge nennen, ist also vielleicht bloß die Folge unsrer Vorstellungen von diesen Dingen. Aber die Folge in diesen Vorstellungen selber muß doch wohl wirklich seyn? – – Vielleicht auch nur für einen eingeschränkten Geist, der sie eine nach der andern hat, aber vielleicht nicht für ein höheres Wesen, das auch alle diese Vorstellungen schon nebeneinander sieht.

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Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. 5

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Herausgegeben von Carl Philipp Moritz. Zweites Vierteljahr. Berlin, 1786. Bey Johann Friedrich Unger.

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Es wird in der Geschichte des hiesigen Theaters immer merkwürdig bleiben, daß im Jahr 1786 der p o l i t i s c h e K a n n e n g i e ß e r wieder auf die Bühne gebracht wurde – und zwar nicht nur etwa zum Spaß einmal, sondern zu wiederhohlten malen. Daß dieß Produkt der Dänischen etwas schwerfälligen komischen Muse zu seiner Zeit viel Sensation gemacht haben müsse, ist daraus zu schließen, weil der politische Kannengießer nachher zu einem so allgemeinen Sprichwort geworden ist, das jedermann im Munde führt, der auch nicht weiß, woher es seinen Ursprung hat. Das Gefühl für ächten Witz und Laune muß bei einem Volke immer gleichsam erst aus dem Groben herausgearbeitet werden – und dieß that H o l l b e r g in seinen dramatischen Stücken meisterhaft. – Ein solches Stück aber bleibt nachher immer nur noch in so fern merkwürdig, als man daraus auf den damaligen Grad der Bildung schließen kann – Je verfeinerter eine Nation wird, desto mehr fällt aus dem Umkreise des angenommenen Komischen weg – Eine große Menge ehemals witziger Einfälle verlieren gänzlich ihren Stachel, weil es ihnen an Gegenständen fehlt, woran sie ihn wetzen können. Was damals Naivitäten waren, sind jezt Grobheiten, und was damals Grobheiten waren, sind jezt Abscheulichkeiten –

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H o l l b e r g führt in einem seiner Stücke O c h s e n h ä n d l e r auf, und macht ihre Sitten und Gebräuche zum Gegenstande seines Witzes und seiner Laune. Kurz er arbeitete im eigentlichen Verstande a u s d e m G r o b e n heraus – dieß that er auch durch seine übrigen Schriften – durch sein Heldengedicht P e t e r P a r s , K l i m m s u n t e r i r r d i s c h e R e i s e n , u. s. w. welche sich in Ansehung der S c h w i f t s c h e n S c h r i f t e n von eben der Art, ohngefähr wie Kleie zu Weizenmehl verhalten. – Ob es nun etwa mit unserm Geschmack im dramatischen Fache so steht, daß der Teich von neuem geknetet werden, und wir uns von neuem aus dem Groben müssen herausarbeiten lassen, um den Geschmack an dem Feinern wieder aufzufrischen? – Denn wenn man einmal irre gegangen ist, so ist freilich kein sicherer Mittel, als auf den Punkt wieder zurückzukehren, wo man ausging, und wo die Wege sich scheiden – also von F i g a r o und den R ä u b e r n wieder zurück zu dem p o l i t i s c h e n K a n n e n g i e ß e r ! Eines der neuesten Produkte in der dramatischen Kunst, ist d e r B ü r g e r m e i s t e r , ein Lustspiel in fünf Aufzügen vom G r a f e n von Brühl – Die Schauspiele des Herrn Grafen tragen alle das Gepräge einer sehr edlen Absicht, Moralität durch das Drama zu befördern – und wem wird nicht schon eine solche Absicht schätzbar seyn? Allein es ist die Frage, ob das Schauspiel u n m i t t e l b a r auf die Moralität wirken, oder ob nicht vielmehr das Gefühl vom Schicklichen und Unschicklichen, vom Zusammenhängenden und Unzusammenhängenden, vom Passenden und Unpassenden, nur im A l l g e m e i n e n dadurch verfeinert, und veredelt werden soll, so daß sich hernach die Anwendung die-ses erhöhten und verfeinerten Gefühls auf einzelne Fälle, von selbst ergiebt. – Denn es wird gar zu bald ekelhaft, wenn man auf dem Theater allzuviel Tugendlehren und Sittensprüche hört. – Auf dem Theater muß eben so wenig gepredigt, als auf der Kanzel dramatisirt werden; wenn beides nicht aus seinen angewiesenen Schranken gehen soll.

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Und der Gedanke, d a ß m a n d o c h i r g e n d e i n e n g u t e n m o ralischen Endzweck auch durch ein mittelmäßiges S t ü c k erreichen könne, ist es, welcher die Kunst am meisten niederdrückt, und dem Künstler sowohl als dem Beurtheiler in ihren Fortschritten schadet, weil es jenen zu s e l b s t z u f r i e d e n , und diesen zu g e n ü g s a m macht. Daher entstehen die vielen sogenannten m o r a l i s c h g u t e n S t ü c k e , worunter denn auch der B ü r g e r m e i s t e r vom Herrn Grafen von Brühl gehört. Der Bürgermeister einer Reichsstadt soll in verschiedenen Situationen, als ein Muster eines edlen und guten Mannes dargestellet werden – Er soll sowohl in seinem öffentlichen, als in seinem Privatleben in einem vortheilhaften Lichte erscheinen: seine Familienverhältnisse müssen daher mit seinen öffentlichen Geschäften so viel wie möglich verflochten werden, damit Zusammenhang zwischen den Situationen sey. Sein öffentliches Geschäft ist dießmal eigentlich die Habhaftwerdung einer Anzahl Kirchenräuber – das Wiederfinden eines Bruders, der zum Bettler geworden ist, soll damit in Verbindung gebracht werden; dieß geschieht auf folgende Weise: Der Bettler bringt in seiner Vaterstadt die erste Nacht auf der Straße zu – die Kirchenräuber werden seines kleinen Sohnes habhaft, der ihnen leuchten muß, und dem sie dafür einen goldenen Becher zuwerfen. – Der Vater befiehlt dem Knaben, er soll selbst nach dem Rathhause gehen, und sich mit dem Becher stellen – die Wahrheit werde schon ans Licht kommen. Man hört bald darauf von der S t r e n g e des Bürgermeisters, und zittert vor dem Erfolg, weil der Anschein wider den Knaben, und wider den Bettler ist. – Allein da es nun zur Untersuchung kommt, so läßt der Verfasser den Knoten, den er zu schürzen im Begriff war, auseinander fallen, indem er die ü b e r t r i e b e n e S t r e n g e , welche der Bürgermeister bei einem guten Herzen haben sollte, dem Stadtschreiber bei einem schlechten Herzen, zutheilt. – Dadurch wird nun zwar der Charakter des Bürgermeisters m o r a l i s c h b e s s e r , aber das Interesse des Stücks ist g e -

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l ä h m t ; man hoft und erwartet nicht mehr viel, weil man nicht mehr viel fürchtet. – Man kann höchstens noch gerührt, aber nicht mehr interessirt werden. Damit es aber auch nicht an einer Liebesintrigue fehlen möge, so muß sich die Tochter des Bürgermeisters in einen Werbeoffizier verlieben, und die Mutter derselben, ihrem Manne zum Trotz, dieser Liebe Vorschub thun, und selbst eine Entführung ihrer Tochter durch den Werbeoffizier veranstalten. – Das ist nun wieder eine ganz eigene Entwickelung für sich, die mit der Wiedererkennungsscene der Brüder fast in gar keiner Verbindung steht, als daß sich beides zu gleicher Zeit ereignet. – Ein Soldat, welcher den Werbeoffizier bedient, stößt bei einer Nachtschwärmerei auf den Bettler, welcher auf der Straße liegt, und welchen der Bürgermeister nachher für seinen Bruder erkennt – das ist der einzige Faden, welcher diese beiden ganz voneinander verschiedenen Reihen von Handlungen zusammenknüpft. Das Interesse wird dadurch getheilt; man weiß nicht, welches die Haupthandlung, und welches nur Episode seyn soll. Diese Häufung der Begebenheiten in einem Stücke, ist ein Zeichen, daß es dem Verfasser ehr darum zu thun war, fünf Akte anzufüllen, als bei dem Zuschauer das Spiel der Leidenschaften rege zu machen. G r o ß m a n n nennt seine sechs Schüsseln nur ein Familiengemählde, aber es herrscht demohngeachtet weit mehr Einheit der Handlung darin, als in diesem Stück, wo nothwendig der Bettler die Hauptperson seyn müßte, um dessen Schicksal sich alles übrige drehte; allein die Personen werden uns hier alle g l e i c h w i c h t i g gemacht, und darum ist uns denn keine recht wichtig. – Indes gelingt dem Verfasser doch das R ü h r e n d e , welches den Zuschauer in manchen Scenen wieder schadlos hält.

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Volks-Aberglauben

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Volks-Aberglauben.

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Was die Alten von Ahndungen gehalten haben?

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Es kann vielleicht nüzlich seyn, zu wissen, wie vernünftige Menschen vor zweitausend Jahren von Dingen gedacht haben, worüber man jezt noch streitet, und die der Aberglaube noch so gern vertheidigt. Man höre also das Urtheil eines wichtigen Staatsmannes und Weltweisen seiner Zeit* über die Orakelsprüche der Götter, welche damals noch durch das Ansehen der Religion geheiligt wurden: Was kann die Gottheit für Absichten dabei haben, den Menschen etwas kund zu thun, was ohne Dollmetscher nicht verstanden werden kann, und wogegen auch alle Vorsicht vergeblich seyn würde? Nicht einmal gute Menschen thun ja das, daß sie ihren Freunden, ein Unglück, welches denselben drohet, und auf keine Weise mehr vermieden werden kann, gleichsam zu ihrer Qual noch lange vor-her sagen sollten; so wie die A e r z t e , ob sie es gleich oft gewiß wissen, daß der Kranke sterben wird, es ihm dennoch gern verschweigen, um ihm die übrigen wenigen Augenblicke seines Lebens durch die Beraubung der Hoffnung nicht gänzlich zu verbittern. Jede Vorhersagung irgend eines Unglücks kann ja nur dann von Nutzen seyn, so lange dasselbe noch durch Vorsicht abgewandt werden kann. Was haben uns denn die Orakelsprüche der Götter, zusammt ihren Auslegungen geholfen? Waren es Winke, die uns die Gottheit ertheilte, warum waren sie denn in solches Dunkel eingehüllt? – Sollten wir wissen, was künftig geschehen würde, so mußte es uns deutlich offenbaret werden; sollten wir es aber nicht wissen, so mußte uns auch nicht einmal eine dunkle Nachricht davon ertheilt werden. * Des Cicero in seinem Buche über die Divination.

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Man berichtete einst dem Senat, es habe Blut geregnet, das Wasser im Flusse sey in Blut verwandelt, die Bilder der Götter hätten geschwizt; würde aber ein Thales, ein Anaxagoras oder irgend ein Naturkündiger dergleichen Nachrichten wohl Glauben beigemessen haben? – Denn was nicht von einem belebten Körper kömmt, kann ja weder Blut noch Schweiß genannt werden, wenn es auch noch so große Aehnlichkeit damit hat. Die Verwand-lung des Wassers in etwas dem Blute ähnliches ist also in nichts als einer zufälligen Beimischung fremdartiger Theile zu suchen; und eine Feuchtigkeit, welche sich zufälligerweise an etwas lebloses von aussen ansezt, kann ja bloß vergleichungsweise Schweiß genannt werden; so wie man sagt: die Mauren schwitzen. Allein, es ist merkwürdig, daß dergleichen Erscheinungen immer in K r i e g e s z e i t e n , wo alles voller Furcht und Erwartung ist, bemerkt worden sind. In Friedenszeiten mag sich dergleichen unzähligemal ereignen, ohne, daß man darauf achtet. Ich stütze mich bei dergleichen Wundern auf den sichern Schluß: Was nicht geschehen k o n n t e , das ist nicht geschehen; und was hat geschehen können, das ist kein Wunder. Ich halte es mit jenem ehrlichen Zeichendeuter, dem man berichtete, es habe sich in seinem Hause ein Wunder ereignet: eine Schlange habe sich um den Bratspieß gewunden; »ich würde es für ein Wunder halten,« gab er zur Antwort, »wenn der Bratspieß sich um die Schlange gewunden hätte.«

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Die Kaiserin von Rußland hat befehlen lassen, daß man am Ende einer Bittschrift sich nicht mehr u n t e r t h ä n i g s t e r K n e c h t , sondern bloß unterthäniger oder getreuer Unterthan unterzeichnen, und sich in allen andern ähnlichen Aufsätzen immer des Worts U n t e r t h a n statt Knecht bedienen solle.

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Ueber deutsche Titulaturen

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Diese Nachricht läßt den Wunsch entstehen, daß einmal mit unsern deutschen Titulaturen, wodurch wir uns bei auswärtigen gesitteten Völkern lächerlich machen, eine allgemeine Reform vorgenommen, und wenigstens das höchst abgeschmackte g e b o h r e n , welches fast an alle unsre Titulaturen angehängt wird, möchte abgeschaft werden – da überdem mit diesen Titulaturen ein so großer Mißbrauch getrieben wird, und tausend unnütze Verlegenheiten dadurch entstehen, wo man gar leicht zu wenig oder zu viel thun kann. Die Titulaturen H o c h e d e l g e b o h r e n , Wo h l g e b o h r e n , H o c h w o h l g e b o h r e n , u. s. w. scheinen aus einer niedrigen sklavischen Gesinnung ihren Ursprung genommen zu haben, wo der Pöbel, durch den äussern Schein geblendet, den allerzufälligsten Umstand der G e b u r t mit zu den Verdiensten eines Mannes gerechnet, und nach dieser sogar seinen eigentlichen Werth bestimmt hat. Daher ist denn der höchst lächerliche Unterschied zwischen einem E d l e n , H o c h e d l e n , und H o c h e d e l g e b o h r n e n Mann entstanden, wovon das lezte mehr sagen will, als die beiden erstern Benennungen, weil es den Umstand der G e b u r t mit einschließt. So daß ich nun also einen Mann weit mehr ehre, indem ich ihm zugestehe daß er hochedel g e b o h r e n ist, als wenn ich einen schlechtweg einen edlen, oder hochedlen Mann nenne. Die niedrige kriechende Denkungsart einer Nation zeigt sich nirgends mehr, als in einer solchen dummen Verehrung des Z u f a l l s , und sobald sich eine Nation gebildet hat, und ihre angestammte Würde fühlt, sollte sie diese schändenden Ueberbleibsel ihrer sklavischen Gesinnung von sich abzuwerfen suchen. – Allein bei den Deutschen scheint es gerade umgekehrt zu seyn; sie haben bei ihrer größern Bildung, ihre Titulaturen noch ungereimter und abgeschmackter gemacht, und selbst diejenigen, die an sich keine edle G e b u r t haben, nicht anders zu ehren gewußt, als daß sie ihnen mißbrauchsweise dennoch eine e d l e G e b u r t beilegen, und sie Hochedel g e b o h r n e oder Wohl g e b o h r n e Leute nennen. Nur die M a g i s t r ä t e d e r S t ä d t e haben noch den ehrenvollern und achtungswerthern Titel H o c h e d l e beibehalten, der jezt unter alle übrigen auf eine sehr lächerliche Weise heruntergesezt ist.

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Man setze doch diesen Titel wieder in seine Rechte, und wenn ja Titulatur seyn soll, so sage man steigerungsweise E d l e r , Wo h l e d l e r , und H o c h e d l e r , und streiche alle die übrigen Titel weg, an welche der z u f ä l l i g e U m s t a n d d e r G e b u r t , die zwar reich und mächtig, aber nicht e d e l macht, auf eine höchst abgeschmackte Weise angehängt ist!

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Edle Herablassung eines Fürstensohns. Der Sohn eines armen Juden in Frankfurth an der Oder verließ seine Vaterstadt, in der er keine Aussicht zum Fortkommen hatte. Durch Verbindungen, die er seinem braven, biedern Wesen zu danken hat, sahe er sich in Copenhagen im Stande, einen Kleinhandel anzufangen, der bald so ergiebig wurde, daß er unabhängig leben und von Zeit zu Zeit seine armen Eltern unterstützen konnte. Seine Lage verbesserte sich täglich, und zog endlich die Aufmerksamkeit der einheimischen auf sich, die durch Resignation auf alle Rechte des Bürgers und auf viele des Menschen, das elende Recht haben, jeden fremden Handelsjuden in Copenhagen nicht dulden zu dürfen. Sie zeigten diesen jungen Menschen der Polizei an und drangen auf dessen Entfernung. Die Freunde des jungen Menschen hatten für ihn alles gethan, als sie ihm die Erlaubniß auswirkten, noch vier Wochen in Copenhagen sich aufhalten zu dürfen, um seine Schulden einkassiren zu können. Die Briefe, die der junge Mensch in dieser Zeit an seine Eltern schrieb, zeigten, wie schrecklich er seine Lage oder vielmehr die ihm drohende Zerstörung seiner Lage, und – was ihn noch mehr kränkte – der Lage, in die er seine Eltern zu setzen das Glück hatte, fühlte; doch verzweifelte er noch nicht ganz. Er hatte ausgekundschaftet, daß die verwittwete Königin von Dännemark die Tante des Herzogs Leopold von Braunschweig sey – und

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Edle Herablassung eines Fürstensohns

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von diesem glaubte er, würden seine Eltern ein Empfehlungsschreiben an die verwittwete Königin erhalten können, das ihm Schutz auf immer verschaffen würde. Er schreibt das nöthige an seine Eltern, die von der Güte des Herzogs und von seiner ihnen bekannten Liebe zu der jüdischen Nation, unter denen ein L e s s i n g ihn mehrere rechtschaffene und edle Menschen hatte finden gelehrt, als die drückende Lage derselben und die Vorurtheile gegen ihre Moralität erwarten ließen, alles hoffen. Der Vater läßt sich beim Herzog melden, wird vorgelassen und erzählt ihm die Lage der Sache, mit aller Rührung, von der er natürlich ergriffen werden mußte, und die dem Herzog die Wahrheit seiner Erzählung verbürgte. Er wagt seine Bitte um das Empfehlungsschreiben, und der gute Herzog ist gleich willig, und äussert sich so gnädig gegen den unglück-lichen Mann, daß ihm diese Aeusserung noch theurer seyn mußte, als die Gewährung seiner Bitte. Nur bedauret der Herzog, daß es ihm unmöglich ist, noch heute den Brief ausfertigen zu können; es mußte also bis auf den künftigen Posttag aufgeschoben werden. Doch der Geschäfte des Herzogs sind nicht so viele, oder sie nehmen nicht so viele Zeit weg, als er dachte. In der Abenddämmerung wird an der elenden Hütte des Juden gepocht, er öfnet sie und man stelle sich sein und seiner Frau Erstaunen vor, als sie den Herzog von Braunschweig erkennen. Doch dieser wußte durch sein liebevolles Benehmen die Conversation mit diesen Leuten bald auf den Ton zu stimmen, in dem man mit seines gleichen spricht. »Da ist der Brief, meine lieben Leute,« sagte er, »ihr müßt ihn eurem Sohn heute noch schicken, und ihm schreiben, daß er ihn der Königin selbst abgeben soll.« Wie sehr bedaure ich, erwiederte der Vater, daß wir heute von der uns ewig unvergeßlichen Gnade Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht keinen Gebrauch mehr machen können. Die Post gehet in einer halben Stunde ab, und man nimmt keinen Brief mehr an. »Von mir werden sie ihn wohl noch nehmen, lieber Alter! Schreib er nun geschwind an seinen Sohn, daß er ihn ja der Königin selbst abgiebt. Ich will hier so lange warten, und dann führt mich mein Weg

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so bei der Post vorbei.« Der Alte muß sich setzen und schreiben. Der Herzog unterhält sich während des Schreibens mit der alten Frau und trägt dann den Brief auf die Post. Ich kenne keine Geschichte, die mehr von Erkennung und Schätzung der Menschenwürde zeugte. Und gleichwohl mußte sich dieser Herzog durch alle Schwierigkeiten durcharbeiten, die Prinzenerziehung und Prinzenverhältnisse erzeugen. S. . .tz.

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Funfzehntes Stück.

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Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande.

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Die Wittwe eines hiesigen Bürgers und Eigenthümers überreichte kürzlich der Königl. Servis-Commission eine Bittschrift, worin sie anhielt, daß man dieß Jahr ihr Haus nicht mit Beurlaubten belegen möchte. Einem Verordneten des Distrikts wurde von der Commission aufgetragen, die Umstände dieser Wittwe und die Beschaffenheit ihres Hauses zu untersuchen. Er ging zu ihr. Auf seine Frage: ob sie den Beurlaubten in ihrem Hause nicht selbst Quartier geben könnte? erwiederte die Wittwe: Ach mein Herr! das Haus ist zu klein; ich habe für sie nicht Platz darin – mit Kosten muß ich sie unterbringen. Denn sehen Sie, ich bewohne nicht mehr als diese Stube, hier den Alkoven, da eine Kammer, die Küche ist auf dem Flur, größer ist das Haus nicht – die Werkstatt ist oben, und noch eine Stube wie diese habe ich für 16 Thaler vermiethet, um doch einige Unterstützung zu Bezahlung der Interessen zu haben.

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Muß sie viel Zinsen bezahlen? fragte der Verordnete – Für meine Umstände sehr viel, war ihre Antwort: meinem Creditor zahle ich vierteljährig zwei Friederichsd’or, darauf bekomme ich 1 Thlr. 8 Gr. wieder heraus, welches jährlich 35 Thaler beträgt. Denn es sind 700 Thlr. Capital Gold, welche mein verstorbener Mann zu Erkaufung dieses Hauses aufnahm – Krankheit und mehrere Unglücksfälle machten es unmöglich darauf etwas abzutragen. Gewiß mein Herr – fuhr sie unter Vergießung heißer Zähren fort: mir gehts recht kümmerlich – mein Mann starb nach einer langwierigen Krankheit, die viel Geld kostete, gerade zu einer Zeit, da ich in Wochen war, und mit dem Kinde krank darnieder lag – jezt setze ich zwar die Profession meines verstorbenen Mannes fort und halte darauf einen Gesellen, weil verschiedene Kunden mir noch Arbeit geben. – Aber mein Herr! sechs Personen wollen leben und daß soll von eines Menschen Arbeit geschehen? Bei der Arbeit kann ich nicht viel helfen, und meine Kinder sind zu klein, Hülfe zu leisten. – Den ältesten halte ich zwar zur Arbeit an, was kann aber ein eilfjähriger Knabe für Hülfe leisten? Hat sie viel Kinder? fragte der Verordnete – Drey – tretet herein, Kinder! sprach sie, indem sie die Kammer öfnete. – Da mein Herr! das sind meine Aeltesten, der jüngste ist krank. – Mit bescheidenem Anstand traten beide Knaben zum Verordneten und ohne von der Mutter dazu aufgemuntert zu werden, küßten sie ihm die Hand; ihr äusserer Anstand war für diese Kinder schon Empfehlung und die Art, womit sie ihn begrüßeten, war ein Beweiß, daß die Mutter sie gut erzogen hatte. Sehen Sie! fuhr die Wittwe fort, die Kinder wollen Nahrung, Kleider und Schulunterricht haben – und hier dieser lieben alten Mutter – wobei sie auf eine in der Stube gegenwärtige betagte Frau zeigte – bin ich Pflege und Unterhalt schuldig. Dieß ist doch ihre Mutter? fragte der Verordnete – Ach nein! mein Herr, meine leibliche Mutter ist sie nicht, sie ist mehr als diese – sie ist meine Pflegemutter; sie nahm mich als eine Vater- und Mutterlose Waise in meinen ersten Jahren zu sich und erzog mich. Von ihr habe ich erlernet meiner Haushaltung vorzustehen und meine Kinder

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christlich zu erziehen. Jezt da sie Alters wegen sich nicht mehr nähren kann, erachte ichs für Pflicht, sie nach Möglichkeit wieder zu versorgen. Von der edlen Denkart dieser Frau gerührt, gab der Verordnete ihr die Versicherung, daß er bei der Königl. Servis-Commission sich für sie so verwenden würde, daß ihr wo nicht beide, doch gewiß einer der Beurlaubten abgenommen werden würde. – O thun Sie doch das – versezte sie, ich bin schon zufrieden, wenn ich nur einen los werde, so kann ich doch die Hälfte der Kosten für meine Kleinen verwenden. Als der Verordnete von ihr ging, begleitete sie ihn bis zur Hausthüre, sie bat nochmals für sie zu sorgen; er gab ihr die Versicherung, es wo möglich zu bewürken, daß ihr beide Beurlaubte abgenommen werden möchten. O mein Herr! wenn das möglich ist, so thun Sie es doch, erwiederte sie mit heiterer Miene, wobei sie auf eine gutmüthige Art die Hand des Verordneten ergriff – thun Sie es doch – aber wenn ich bitten darf, so nehmen Sie mir nur einen, und meiner Nachbarin – sehen Sie – die hier queer über in dem kleinen rothen schmalen Häuschen wohnet, und so arm als ich ist, den andern Beurlaubten ab – O ja machen Sie es doch so. – Ganz von dem edlen Charakter dieser guten Frau bewegt, verließ der Verordnete dieselbe. Nach desselben, von den wahren Umständen dieser Frau an die Königliche Servis-Commission erstatteten Bericht, wurden der Wittwe nicht allein die beiden Beurlaubten, sondern auch ihrer Nachbarin, für welche sie so dringend gebeten, ein Beurlaubter abgenommen.

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Der Ring ein Lustspiel, von Schröder.

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Das Stück hat eine sonderbare Verwickelung: man weiß nicht, was man eigentlich daraus machen soll; dem ohngeachtet amüsirt es, bis zur Entwickelung, die sehr kahl und unbefriedigend ist. Es taugt immer nichts, wenn die Entwickelung durch eine lange Erzählung geschehen muß, wie es hier der Fall ist; ist die Erzählung denn noch dazu so abentheuerlich und unwahrscheinlich wie hier, so sieht man offenbar, daß der Dichter die Kunst, den Knoten auf eine schickliche Art zu lösen nicht verstand, oder es nicht der Mühe werth hielt, sie in Ausübung zu bringen. Eine Dame ist vor zehn Jahren durch ihren Onkel mit einem Mann verheirathet worden, den sie vor dem Hochzeittage nicht sahe, und welcher nach der Hochzeitnacht verschwindet, worüber ihr Onkel vor Gram stirbt, und sie selbst dem Tode nahe ge-bracht wird – sie hat diesen entflohenen Mann die zehn Jahre über vergeblich aufgesucht – Sie kömmt nach Wien, wo ein reicher Banquier, der Neffe dieses Banquier, ein Graf, und ein Hauptmann, sich zugleich, auf eine nicht allzuanständige Art, um ihre Liebe bewerben. Der Banquier, welcher sich für sein Geld hat adeln lassen, ist ein steifer eingebildeter alter Narr; sein Neffe ist ein andächtiger Heuchler; der Graf ist der am meisten ausgeführte Charakter, welcher eigentlich diesem Stücke seinen Werth gibt, weswegen es auch mehr, als um der Intrigue willen, verfertigt zu seyn scheint. Die sonderbare Mischung von Ernst und Lustigkeit, Vernunft und Thorheit, Lasterhaftigkeit und Gutmüthigkeit in diesem Charakter macht dem Meister Ehre – Man interessirt sich für ihn mehr, als für alle übrigen Personen, auf welche eigentlich das Hauptinteresse fallen sollte –

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Der Schauspieler, welcher diesen Charakter recht faßt, kann dadurch unwiderstehlich auf den Zuschauer wirken – eine gewisse Würde und Adel der Seele, welche immer nach den drollichtsten Ausschweifungen des Humors, gerade in dem rechten Zeitpunkte wiederkehren, nehmen für einen solchen Charakter ganz ausserordentlich ein, und machen ihn bei den größten Fehlern noch liebenswürdig. – Die steife ernsthafte Tugend selbst wird dagegen in Schatten gestellt. Der Hauptmann ist dann der entflohene Gemahl der eigentlichen Heldin des Stücks, welcher sie gleich am Morgen nach der Hochzeitnacht, wegen eines Duells verließ, das ihn zur Flucht, und einer zehnjährigen Entfernung nöthigte. Eine Narbe im Gesicht, die er in diesem Duell davon trug, diente noch, ihn unkenntlicher zu machen. Auf diesen Hauptmann, und die Heldin des Stücks sollte nun der Anlage nach eigentlich das Hauptinteresse fallen. Es fällt aber wenig oder gar nicht auf sie, und am wenigsten auf den leztern. Die Hauptverwickelung wird durch die eingewebte Episode verdrängt, welche die Aufmerksamkeit weit stärker an sich zieht, weil in diese Episode der G r a f verwickelt ist. Und alles, was den Grafen betrift, sey es auch noch so unbedeutend, dafür findet man sich unwillkürlich interessirt. Die Episode besteht darin, daß der heuchlerische Neffe des Banquier, sich an einem jungen adelichen Frauenzimmer, die nebst ihrer Mutter mit der Heldin des Stücks in einem freundschaftlichen Umgange lebt, wegen einer abschläglichen Antwort auf einen Heirathsantrag, dadurch zu rächen sucht, daß er dem ausschweifenden Grafen einbildet, diese junge Dame sey ein Freudenmädchen, und ihre Mutter eine Kuplerin, welche sich nur für ihre Mutter ausgäbe, und immer einen Roman von ihrer vornehmen Herkunft in Bereitschaft habe. Er giebt dem Grafen zu dem Ende ein Billet mit, daß ihm den Eintritt verschaffen soll. In diesem Billet, dessen Inhalt er dem Grafen falsch vorliest, ist von einem ernsthaften Heirathsantrage die Rede, den der Graf zu thun willens wäre.

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Dieser führt sich nun ein; die Mutter durch das Billet getäuscht, legt alle Freiheiten, die er sich nimmt, auf der besten Seite aus, weil sie ihn für eine sehr gute Parthie hielt. Daraus entsteht denn ein gar lächerliches Mißverständniß, welches beinahe bis zum Schluß des Stücks dauert, und den Zuschauer in beständiger Erwartung erhält, wie sich dieser Knoten lösen wird. – Er löst sich denn zur Zufriedenheit der interessirten Personen. Der Graf, welcher sonst einen Abscheu vor den Heirathen hatte, ist in die junge Dame, die er zuerst für ein Freudenmädchen hielt, im Ernst verliebt geworden, und da er aus seinem Irrthum gerissen ist, bewirbt er sich um ihre Hand, und erhält sie. – Man hat darüber die Hauptpersonen des Stücks fast ganz vergessen, indem diese erscheinen, und sich dann auch noch durch einen R i n g als Mann und Frau erkennen, und sich durch eine lange abentheuerliche Erzählung, aus der sonderbaren Verwickelung ihrer Begebenheiten herauswickeln. So daß man am Ende des Stücks noch etwas Langeweile hat, weil einem die Hauptpersonen unwichtig geworden sind. Die Heldin des Stücks zeichnet sich überhaupt nicht sonderlich zu ihrem Vortheil aus – sie redet immer erstaunlich viel von Tugend und Moralität, und man weiß demohngeachtet nicht recht, was man von ihrem Charakter urtheilen soll. Sie hat in einer Scene ihre Liebhaber, die sie in einem verfinsterten Zimmer zu einem Rendezvous bestellt, auf eine eben nicht feine Art zum besten, und indem sie unter andern den reichen Banquier abfertigt, so thut sie dieß auf eine Art, wodurch sie in gar keinem vortheilhaften Lichte erscheint, indem sie in einem sehr preziösen Tone, seinen neuen gekauften Adel, gegen ihren alten angestammten Adel vergleicht, und daher vorzüglich den Bewegungsgrund nimmt, seinen Heirathsantrag abzulehnen. – Es war recht gut, daß der lächerliche Stolz des geadelten Banquiers gedemüthigt wurde; aber es mußte nicht von einer Person geschehen, die in einem vortheilhaften Lichte erscheinen soll, und welche nun, da sie über den Stolz eines Narren auf seinen gekauften Adel, in Ve r g l e i c h u n g g e g e n i h r e n a l t e n A d e l , spottet, durch eben diese Ve r g l e i c h u n g selbst lächerlich wird.

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Aus einem Reisejournal. Brück den 23sten Juli 17**. Heute Morgen, mein Lieber! haben wir denn Vormittags um 9 Uhr von Potsdam aus unsre Wanderschaft angetreten. – Es war ein trüber Himmel, ein kühler Wind, der die Wege vor uns her vom gestrigen Regen trocknete, und die Witterung überhaupt so, wie sie Fußgänger immer zu wünschen pflegen. Wir gingen denn aus dem Brandenburger Thore, nachdem wir gehörig examiniret worden waren, die große Allee nach Baumgartenbrück zu, wo zur linken Seite die mit Fichten bewachsenen Berge längst der Havel, und zur rechten das neue Palais, vor unserm Blick immer mehr Fronte machten, indes etwas weiter zurück Sanssouci zwischen den Bäumen versteckt, und Potsdam mit seinen drei schönen Thürmen hinter uns lag. Nachdem wir diese Allee zurückgelegt hatten, wanderten wir einen Berg hinauf, der mit Fichten sehr dicht bewachsen war, und uns eben keine Aussicht übrig ließ, als ein leerer Bauerwagen hinter uns herkam, mit dem wir gern weiter fuhren, weil wir hier nicht allzuviel zu verlieren glaubten, wenn wir auch eine Weile nicht zu Fuße gingen. Aber was für einen reizenden Anblick hatten wir, da wir aus dem Fichtenwalde kamen, und sich auf einmal eine ordentliche Straße von so niedlich gebauten kleinen Bauerhäusern vor uns eröfnete, wie ich sie hier zum erstenmale sahe. Es waren Kolonistenhäuser, und unser Fuhrmann belehrte uns, daß der Ort N e u G e l t e hieße, weil nicht weit davon ein Dorf Nahmens G e l t e liegt. Etwas netteres, als dieses Kolonistendorf läßt sich nicht leicht denken. Es waren immer zwei Wohnungen unter einem Dache zusammen; alles bis auf die Hauffen Fichtenzweige, die vor den Thüren lagen, war wie abgezirkelt, und es kann wohl nirgends eine voll-

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kommnere Symmetrie geben, als immer zwischen den beiden Hälften eines solchen Hauses statt findet. Die Zäune der Gärten waren wie an einer Schnur gezogen, und immer in gleichen Entfernungen waren Weidenbäume in dieselben eingefugt, als ob sie hineingewachsen wären – Die ganze Gegend um das Dorf, Aecker und Wiesen, Berg und Thal, war auf die Weise gleichsam symmetrisch zugeschnitten, so wie eine Weidenallee, welche immer schnurgerade fortlief. – Das alles erweckte eine angenehme Empfindung von Ordnung und Regelmäßigkeit in der Seele, und überraschte durch seine Neuheit. – Auch schien, nach dem Anschein zu urtheilen, der Boden hier nicht schlecht zu seyn. Die Gegend war hier etwas bergigt, und ehe wir an Baumgartenbrück kamen, sahen wir noch das Dorf Gelte, wovon die Kolonistenhäuser den Nahmen haben, dicht am Ufer der Havel liegen, die hier eine Art von See bildet. Von Baumgartenbrück ließen wir unsern Bauer weiter fahren, und genossen hier mit Muße des schönen Prospekts über die Havel nach We r d e r zu, das mit seinem Thurme und rothen Dächern aus der Ferne herüberschimmerte. – Baumgartenbrück selbst ist nur ein Gasthof, welcher von der großen Brücke, die hier über die Havel geht, den Nahmen erhalten zu haben scheint. – Auf dieser Brücke stehen einige Invaliden, welche diejenigen die herüber gehen, der Desertion wegen, noch einmal nach Stand und Nahmen fragen. Wir wollten nun unsern Weg über Brück auf Wittenberg zu nehmen, und das erste Dorf Nahmens Pezow, welches wir, ohngefähr nur eine Viertelmeile weit von Baumgartenbrück, auf diesem Wege antrafen, hatte wiederum eine sehr angenehme Lage auf einer Anhöhe, an einem See. Von da gingen wir durch einen ziemlich langen Fichtenwald auf Klestow zu, welches hier das erste sächsische Dorf war, und wo wir zu Mittag aßen. – In Klestow fanden wir schon keine allzufreundliche Aufnahme, und ein sehr sparsames Mittagbrodt – aber noch weit

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unfreundlicher und unwirthbarer, als der Gasthof in Klestow, war die Gegend, welche nun jenseit Klestow anging, und beinahe drei Stunden weit, bis dicht vor Brück, sich auf eine traurige und fürchterliche Weise ähnlich blieb: eine unabsehliche sandigte Fläche, mit dürren Heidekraut, und hie und da mit niedrigem Gesträuch bewachsen –

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The Wilds immeasurable spread Seem lengthening as i go.

Endlich kamen wir auf den Damm vor Brück, und die Gegend fing wieder an, ein andres Ansehen zu gewinnen. – Statt der dürren Haide lachten uns wieder grüne Wiesen, und statt der traurigen Fichten, hangende Birken.

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Aus K. . .s Papieren. Was ich aus diesen Papieren mittheile, ist gerade so viel, als ich darf, um die Person des Verfassers, in Rücksicht auf seine Familie, nicht zu kenntbar zu machen: indes wird das was ich mittheile, hinlänglich seyn, an dem Schicksal des Entschlafenen einige Theilnehmung zu erwecken, die, wenn sie gleich für ihn zu spät kömmt, doch vielleicht noch einem andern Unglücklichen, welcher des Trostes fähig ist, zu statten kommen kann.

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Wittenberg, den 3ten May 1778. Zwölf Dukaten! – begleitet mit dem Fluch meines Vaters – diese sind also das letzte, was ich zu hoffen, und zu erwarten habe – und begleitet mit seinem Fluch – warum denn das? – ist es nicht Fluch

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genug, daß er mich verläßt? – o meine Brüder, o Ernst, o Ludewig! ist das auch euer Werk? – Wurden nicht immer eure weichen blonden Locken sanft gestreichelt, wenn mein struppichtes schwarzbraunes Haar mit rauher Hand aus der Stirn zurückgeschoben ward? – Hab’ ich euch nicht aus dem Oderfluß gezogen, da euer wankender Kahn umschlug, rühmete ich mich wohl je gegen unsern Vater dieser That? und drei Tage darauf verklagtet ihr mich doch, daß ich jeden von euch einen Apfel gestohlen hätte. – Habt ihr mir auch diesen Fluch meines Vaters ausgewirkt – o Ernst, o Ludewig, wo soll ich euch denn verklagen? – – den 4ten May. Noch einmal will ich meine Kräfte zusammenraffen, sollt’ es nicht möglich seyn, mich auch gegen diesen Sturm zu sträuben? – Zwölf Dukaten, wohl zu rathe gehalten, können ja noch die Grundlage meines Glücks, meiner Ehre werden – dieser Fluch meines Vaters mit dem sie begleitet sind, kann sich ja noch in Segen verwandeln – wenn ich nun noch anfange, meine Seelenkräfte zu nutzen, das Versäumte nachzuhohlen, und mich zu einem brauchbaren Menschen zu bilden. den 6ten May. Hinweg verdammter Spiegel! – o diese Narbe, diese scheußliche Narbe, die meinen Anblick mir selbst verhaßt macht – – So lang’ ich lebe werd’ ich also dies unauslöschliche Merkmal meiner Thorheit und Unbesonnenheit an mir tragen – mit welchem Tugendeifer werde ich dies häßliche Brandmark je wieder auslöschen, diesen verhaßten Zeugen je zum schweigen bringen. – Nie darf, nie werde ich wieder vor dir erscheinen, du die mir einst alles war, und der ich alles war. – Ha, müßt ich meine Augen nicht vor Schaam vor meinen Kindern niederschlagen! – und was hilft mir denn alles Anstrengen, aller Fleiß, da ich doch den süßesten Hoffnungen entsagen muß? – O diese Narbe geht tiefer als ins Fleisch; sie geht bis ins innerste meiner Seele; sie stößt alle meine Vorsätze, meine heiligsten Entschließungen um, und macht den Fluch meines Vaters wahr.

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den 20sten May. Der Fluch meines Vaters haftet an diesen Goldstücken fester, als ich glaubte; die Hälfte davon ist hin – Sechs Dukaten sind also nun alles, was ich in dieser Welt besitze und zu hoffen habe. Warum war es mir denn nicht möglich, meinen Vorsatz ins Werk zu richten? Warum erstarb denn meine Thätigkeit immer in ihrem ersten Aufkeimen wieder? Ist denn die Kraft meines Willens gelähmt, daß ich will und zugleich nicht will? Ach, nur zu deutlich leuchtet mir der Grund meines Uebels ein: – meine süßesten Hoffnungen, woraus sonst alle mein Fleiß, und meine besten Bestrebungen, wie ein edler Stamm emporsproßten, sind mit der Wurzel ausgerissen – der edle Baum hat seine Nahrung verlohren, und stirbt allmälig ab. – Allmählig? – o warum nicht mit einmale – Hämischer D. . ., warum hohlte dein Hieb nicht ein wenig stärker aus? – oder bist du so unschuldig, wie dein Eisen, und war es ein feindseliges Geschick, welches deinen Arm so hämisch lenkte, daß er in einer Minute alle meine Freuden, alle meine Hoffnungen mit der Wurzel ausrottete? – War nicht alles ein feindseliges Geschick? – Konnt’ ich den thörichten, und doch für mich so schreklichen Zweikampf wohl vermeiden? Kamen nicht tausend Kleinigkeiten zusammen, die es mir ganz unmöglich machten, auszuweichen? – Ruf ich alle Umstände zurük, so kann ich, was ich that, nicht einmal bereuen – In H a l l e sollte nun einmal mein Glück z e r b r o c h e n werden – o verwünscht sey dieser Aufenthalt! verwünscht die thörichte Freiheit, die mir das Glück meines Lebens kostet. – Wie wohl stand meinem Vater seine Narbe, mit der er aus der Schlacht zurückkehrte – wie oft beneidete ich sie ihm! – wie oft wünschte ich als Knabe schon an seiner Seite zu fechten! aber ich wurde nun einmal zu den Büchern verdammt – und zu was für Büchern? zu leeren zwangvollen Gedächtnißübungen, unter der Herr-

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schaft unfreundlicher harter Lehrer, die mir die Jahre meiner Jugend verbitterten. Wie oft drohte schon damals dies tobende Blut in meinen Adern seinen Kerker zu zersprengen! Und was ist nun der Zweck von dem allen? – daß ich hier mit gelähmter Seele sitze, und an mir selbst verzweifle – – Dazu habe ich also fünf und zwanzig Jahre lang geathmet, dazu bin ich von dieser mich umgebenden Natur groß gezogen? Am 21sten May. Heute früh ging ich am Strand der Elbe spaziren, zu meiner linken lag die Stadt in ihrer Länge ausgedehnt, mit ihren grünen Wällen eingefaßt; zur rechten ein kleines Dörfchen jenseit der Elbe, das mit seinem hervorragenden Thürmchen gegen die gegenüberliegende Stadt einen angenehmen Kontrast machte – Ein paar große Schifferkähne rauschten vor mir vorbei die Elbe hinunter; der Wind bließ scharf in die Segel; die rothen Wimpel wehten in der Luft, und bald waren sie in einer Krümmung, die die Elbe in der Ferne macht, aus meinen Augen verschwunden – und von ihrem Durchgange durch diese Fluthen blieb keine Spur zurück; die vor ihnen her getheilte Fluth, war längst wieder hinter ihnen zusammengeschossen, und alles war in seinem vorigen Zustande – – so rollt ein Menschenleben durch den Strom der Zeiten, und eilt mit vollen Segeln fort, bis die fatale Krümme kömmt, und seine Spur ist verschwunden. (Die Fortsetzung künftig.)

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Wittenberg den 25sten Juli 17** Beim Eingange von Brück war noch eine Art von Thor, neben den Ueberbleibseln eines alten Bollwerks, womit diese Stadt vor Erfindung des Pulvers bevestigt gewesen seyn mag. Es sollte eigentlich eine Bürgerwache am Thore stehen, die aber, wie wir nachher hörten, weggeblieben ist, weil das Wachthaus durch einen tollen Menschen verunreinigt worden, der an einer ansteckenden Krankheit darin gestorben ist. Auf den Straßen von Brück herrschte eine todten Stille. Die Häuser waren alle von Leimen gebaut, und in verschiedenen hörte man das Geräusch von Leineweberstühlen. Wir kehrten in der grünen Linde, einem ganz hübschen Gasthofe ein, und machten, nachdem wir Kaffee getrunken hatten, noch einen Spaziergang um die Stadt. Ein solcher Spaziergang um die Stadt Brück ist gewiß der einzige in seiner Art, wegen des vorzüglich schönen Anblicks einer Reihe dicht aneinander gränzender Gärten, die um die ganze Stadt in einem fort sich herziehen, und wo hinter jedem Bürgerhause einer befindlich ist! – Rund um die Gärten her zieht sich wieder ein schmaler sumpfigter Graben, und um den Graben ein mit Bäumen bepflanzter Spaziergang auf dem grünen Rasen, von welchem man an der einen Seite der Stadt die Aussicht auf eine Wiese und einen Wald in der Ferne, und an der andern Seite auf das bebaute Feld hat – Unbeschreiblich schön aber ist von diesem kleinen Spaziergange die Aussicht nach den Gärten zu, von welchen immer ein Brett über den Graben gelegt ist, so daß man ohne Mühe sogleich vom Felde in den Garten und aus dem Garten wieder in das Feld kommen kann.

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Weil nun fast in allen diesen Gärten Bohnen gepflanzt waren, die sich alle sehr hoch an ihren Stangen hinaufwanden, welche über den kleinen Gängen Lauben bildeten, und weil das Erdreich sich immer nach der Stadt etwas hebt, so vermehrte dieß um vieles die Schönheit des Anblicks, so daß ich einem jeden der im Sommer die Stadt Brück besucht, rathe, diesen Spaziergang um die Stadt nicht zu vernachlässigen. Unser freundlicher Wirth begegnete uns unterweges mit einem Wagen voll Heu, und freute sich, daß wir die Gegend von Brück schön fanden. – Wir gingen nun gleich von unserm Spaziergange durch den Garten wieder in unsern Gasthof – wo wir einen Preußischen Deserteur antrafen, die hier, weil es die nächste sächsische Grenzstadt ist, eine ganz gewöhnliche Erscheinung sind. Am Eingange des Thors von Brück war noch von vielen Jahren her ein geschriebenes Mandat angeheftet: da verlauten wolle, daß eine Meile hinter Berlin die Viehseuche grassire, so könne niemand von dorther ohne Paß hier durchgelassen werden. Wir fanden übrigens in Brück eine recht gute Bewirthung, und setzten am Sonntag morgen um neun Uhr unsre Reise über die Dörfer Rodstock, Zitze und Lodke nach Niemeck fort, von wo wir denn bis Wittenberg nur noch zwei Meilen hatten. Bis Rodstok war der Weg etwas sandigt und unangenehm, und dauerte noch so eine Weile bis gegen Zitze fort; aber zwischen Zitze und Lokde trafen wir eine herrliche Gegend an – ein angenehmer Bach rieselte unter dunklem Gebüsch hin, und auf beiden Seiten standen hohe Eschen und Pappeln – die kühlen Schatten waren so einladend, daß wir uns hier in gramine remoto

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hinlagerten, und ein paar Oden aus dem Horaz lasen, der auf allen unsern Wanderungen unser Freund, unser Lehrer, unser Begleiter ist, und es auf unsrer Reise durchs Leben beständig bleiben soll. – Aus ihm schöpften wir oft neuen Muth, den gegenwärtigen Augenblick zu nutzen, und der finstern und mürrischen Laune uns wieder zu ent-

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laden, wenn wir auf eine kleine Weile die Lebensweißheit zu verlieren in Gefahr waren. Oft hat er uns selbst die schöne Natur noch verschönert, und den stumpfen Sinn zu ihrem Genuß aufs neue geschärft. Oft hat er uns der tödtenden Langeweile entrissen, und uns, wenn wir ermüdet in die Herberge einkehrten, unser sparsames Mittagsmahl versüßt. Als wir uns ausgeruht hatten, gingen wir längst dem Bache über Lodke bis Niemeck fast beständig im Grünen und unter schattigten Bäumen hin, so daß wir diese zwei Meilen gewiß einen wahren Spaziergang nennen konnten. In einer Erwartung fanden wir uns freilich sehr getäuscht, was nehmlich das Obst anbetrift: wir hatten uns vorzuglich darauf gefreut, unterweges einen Ueberfluß an Erdbeeren und Kirschen anzutreffen, und wollten uns vorzüglich an diese gesunde Nahrung halten. Aber wenn wir es mit Gelde hätten aufwiegen wollen, so hätten wir auf den Dörfern kein Obst bekommen – Die Leute, welche wir darnach fragten, sprachen fast so davon, als wenn gar dergleichen nicht in der Welt wäre – wir bekamen dagegen ein Stück grobes halbausgebacknes Brod, wo man bei jedem Bissen den Mund voll Sand bekommt, der mit an die Rinde gebacken ist, und etwa einen Krug saures Bier, das war alles, was man in den Wirthshäusern auf den Dörfern für Geld erhalten konnte, ausgenommen in Lokde, wo wir auch frische Butter fanden. Je näher wir an Niemeck kamen, desto schöner und dichter standen die Feldfrüchte um uns her, und hier schien der Ackerbau das zu seyn, was den Einwohnern von Brück ihr Gartenbau und Wiesenwachs ist.

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Ersatz für das Schrecklichste.

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In We r t h e r s L e i d e n heißt es von einem verrükten Menschen, daß er sich der Zeit, in welcher er an Ketten gelegen hatte, immer noch mit Vergnügen erinnert habe, es sey ihm da s o w o h l g e w e s e n , w i e d e m F i s c h i m Wa s s e r . Ich habe einige Jahre lang das Oberaufseheramt über alle Zuchthäuser in der Stadt, und dem Territorium U t r e c h t gehabt. Bei dieser Gelegenheit hatte ich verschiedene Jahre lang, ein Mädchen von 34 bis 36 Jahren beobachtet, die so rasend war, daß man sie nackend lassen mußte, weil sie alle Kleider sogleich zerriß. Ich habe dies arme Geschöpf, welche schon nichts als Haut und Knochen war, mehr als hundertmal nakt auf dem Stroh liegen sehen, in einer Kammer, die nichts als ein eisernes Gitter hatte, wodurch das Licht hineinfiel, und ohne Fenster war, weil sie die Fensterscheiben, so wie alles zerbrechliche, sogleich zerbrach. – Eines Tages besuche ich das Haus, und bemerkte an der Person, die mich herein läßt, eine Physiognomie, die mir zwar bekannt vorkam, aber deren ich mich doch nicht deutlich erinnern konnte. Es war ein wohlgekleidetes, ehrbares, starkes und gesundes Mädchen, welches mich auch zu kennen schien. Indem ich das Haus untersuche, frage ich den Herrn, wo er seine neue Magd, die ich mich anderwärts gesehen zu haben erinnerte, herbekommen habe. Ihr mögt sie freilich wohl oft gesehen haben, mein Herr, gab er zur Antwort – und ließ mich weiter nachsuchen, bis er mich endlich an die Unglückliche auf dem Stroh erinnerte – »Es sind nun drei Monathe,« sagte er, »daß sie völlig wieder hergestellt ist. – Etwas Niedergeschlagenheit, die ihr noch übrig geblieben ist, ausgenommen, hat sie wieder ihre gesunde Vernunft so gut, als einer sie haben kann. – Ich wollte ohnedem von ihr Be-richt abstatten, weil sie auf die Probe gestellt werden kann, um sie wieder loßzulassen.«

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Ich befriedigte darauf meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen über ihren vorhergehenden Zustand zu thun, und hörte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde. Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentlichen Sachen vor, daß wenn man mehrere bestätigte Erfahrungen von der Art hätte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden könnten. Unter andern aber befragte ich sie, wegen der physikalischen Empfindung, die sie in Ansehung ihres Zustandes gehabt hatte. – Und sie gab mir zur Antwort, daß sie sich vollkommen erinnerte, nie die geringste Empfindung von K ä l t e , oder sonst einer U n g e m ä c h l i c h k e i t gehabt zu haben, ausgenommen bei Gewittern, wo sie viel Schrecken und Angst ausstand, und sich allemal tief ins Stroh verbarg, oder in einen Winkel kroch. Kurz, der sieben oder acht Jahre, die sie in diesem Zustande zugebracht, erinnerte sie sich wie im Traume, aber doch im Ganzen genommen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen. So wahr ist es, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloßhaltungen giebt, die bewundernswürdig sind. V. G.

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Ist eigentlich nichts, als eine Verdeutschung von dem e n g l i s c h e n K a u f m a n n . Nur daß der englische Kaufmann F r e e p o r t in den Danziger Schiffer P u f v a n V l i e t e n , (ein Charakter aus Sophiens Reisen) umgetauft ist: denn übrigens sagt er wörtlich alles, was Freeport sagt. Der Zeitungsschreiber Wasp heißt hier ein L i c e n t i a t Wasp, und der Schauplatz ist in D a n z i g : das sind denn die Verdeutschungen. Ich habe den Kaufmann von London im Jahr 1782 in London aufführen sehen, und hatte vorher in Hamburg den P u f v a n V l i e t e n von Herrn Fleck vorstellen sehen, und mir gefiel damals sein Puf von Vlieten besser, als der Freeport des engli-schen Schauspielers, weil der englische Schauspieler mir den Freeport zu fein zu nehmen schien, so daß fast nichts auffallendes in dem Charakter übrig blieb, Herr Fleck hingegen das M i t t e l traf. Um desto mehr wunderte ich mich, daß Herr Fleck diesen Charakter itzt weit g r ö b e r , wie damals, nimmt, und aus dem Puf van Vlieten einen so plumpen Danziger Schiffer macht, wie es vielleicht, in der That nicht einmal viele geben mag. Wozu das? Ist denn Verdeutschung eines Charakters etwa Ve r g r ö b e r u n g desselben? und soll durch den ungeheuren dicken Bauch, und den abentheuerlichen Gang etwa die Gallerie belustigt werden? – Den Zeitungsschreiber Wasp spielte in London ein gewisser Herr P a l m e r , dessen ganzer Anstand nicht dazu war, weswegen ich auch selbst von Engländern das Urtheil hörte: er spiele ihn Gentlemanlike, zu sehr im Ton eines feinen Mannes. H e r r R e i n w a l d schien mir, einige Uebertreibungen abgerechnet, diesen Charakter besser, als der englische Schauspieler zu nehmen. Denn dieser

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Charakter kann nicht wohl anders, als grob genommen werden, weil ein Mensch von einigem Kopf und von einiger Bildung unmöglich zu dergleichen Niederträchtigkeiten, als er begeht, fähig seyn kann. Auch die Madame B a r a n i u s spielte das Fräulein mit weit mehr Natur und Wahrheit, als die englische Schauspielerin diesen Charakter darstellte, welcher man einigemal von der Gallerie herunter zurief: s p e a k l o u d e r ! (redet lauter) weil sie aus Furchtsamkeit, indem sie zum erstenmal in diesem Stück den Schauplatz betrat, etwas leise sprach. Freilich eine den Schauspielern nicht allzuangenehme Freiheit, die man sich dort herausnimmt, die aber den großen Nutzen hat, daß die Schauspieler sich insgesammt bemühen deutlich und vernehmlich zu reden, so daß man auch in das englische Schauspiel geht, um Englisch zu lernen, weil durchgängig äußerst richtig accentuirt, und keine Sylbe verschluckt wird. Ein Ausländer, der in unser deutsches Schauspiel gehen wollte, um Deutsch zu lernen, möchte denn wohl seine Absicht sehr verfehlen.

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Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) Wittenberg den 25sten Juli 17** In N i e m e c k kamen wir gegen Mittag an, und fanden in dem Gasthofe ziemlich gute Bewirthung. Weil aber die Hitze zum Gehen zu groß geworden war, so nahmen wir uns hier einen Wagen, womit wir durch eine nicht sonderlich auffallende Gegend bis nach W i t t e n b e r g fuhren. Wie wir uns dieser Stadt näherten, die in einer Vertiefung vor uns lag, so stiegen die Bilder meines ehemaligen Aufenthalts an diesem Orte allmählig wieder vor meiner Seele auf. Ich sahe die beiden Thürme der alten Stadtkirche, worin Luther so oft gepredigt hat, ehrwürdig ihre Häupter emporheben. Gegen ihren

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Anblick kontrastirte der neugebaute Schloßthurm, welcher mit seinen zierlichen Abstufungen und Geländern, und seiner leuchtenden rothen Kuppel, gewiß unter die schönen Thürme gezählt zu werden verdient. Das zerstörte Schloß, welches zu meiner Zeit noch mit einem alten stumpfen zerfallenen Thurme neben der schön gebauten Schloßkirche da stand, war nun auch, wenigstens dem äußern nach, in seinem Glanze wieder hergestellt, und der alte stumpfe Thurm ebenfalls mit einer schönen Kuppel versehen, und dadurch seinem größern Bruder ähnlich gemacht. Wittenberg, so wie es sich längst der Elbe hin erstreckt, macht einen ganz ansehnlichen Prospekt. – Trift man aber von den beiden Enden der Stadt auf sie zu, so nimmt sie sich sehr ärmlich aus, weil ihre Breite gegen die Länge gar nicht verhältnißmäßig ist. Wir gingen durch ein altes, langes Thor in die Stadt, daß sich wie ein großer unterirrdischer Gang unter dem Walle hin erstreckt, und wegen seiner Krümmungen in der Mitte einer dunkeln Höhle ähnlich sieht, in welche das Tageslicht nur von oben durch eine Oefnung im Walle hereinfällt. Dies Thor gehört mit zu den Ueberresten der alten demolirten Vestungswerke, welche nebst den Ruinen, die noch als Zeugen von den schrecklichen Verwüstungen des Krieges dastehen, dieser Stadt, die überhaupt ein altes, neu übertünchtes Gemäuer zu seyn scheint, ein sonderbares Ansehn geben. Sobald wir durch das lange dunkle Thor wieder ans Tageslicht gekommen waren, bestiegen wir den angenehmen Wall, der die Stadt umgiebt, und welcher ehemals oft der vorgezeichnete Kreis meiner Spaziergänge gewesen war: denn ein solcher Spaziergang auf dem Walle um die Stadt, reicht gerade zu einer mäßigen und gesunden Bewegung hin. Die öftere Veränderung der Aussicht, bald nach der Elbe und den jenseits liegenden Anhöhen, bald auf Fluren, und Gärten, und entfernte Hügel und Wälder, und selbst die abwechselnden Aussichten der Stadt, gewähren bei diesen Spaziergange ein Vergnügen, welches man bei einem Spaziergange in gerader Linie nicht

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empfindet. Auch ist es ein angenehmer Gedanke, d a ß m a n d e n O r t s e i n e s A u f e n t h a l t s u m g e h t , und dadurch gleichsam eine volle Idee von demselben bekömmt, welche man sonst nie hat, wenn man etwa nur einige einzelne Straßen zum Ziele seiner Wanderungen macht. Freilich kann man dieß Vergnügen der U m g e h u n g des Orts seines Auf-enthalts in einer kleinern Stadt haben, wozu denn Wittenberg auch gehört, denn es enthält nicht mehr als zwei bis drei Hauptstraßen, die sich in der Länge nebeneinander hin erstrecken. Die eine von diesen, welche die Kollegengasse heißt, nimmt sich, so wie der Marktplatz mit dem Rathhause, recht gut aus, obgleich alles dennoch ein kleinstädtisches Ansehen hat, wozu insbesondre bei den Brauhäusern die langen Stangen mit den ausgehängten Kränzen beitragen. Aus der Kleidung und dem Aeußern der meisten Studenten, die einem begegnen, sieht man leicht, daß sehr viele Arme hier studieren, welches sich auch leicht erklären läßt, weil Wittenberg wirklich eine der wohlfeilsten Universitäten ist, wo ein Student auf den höchsten Fall der Noth mit 30 Thaler jährlich auskommen kann, wenn er einen Platz im Konviktorium und freie Wohnung hat, welches beides hier sehr leicht zu bekommen ist. Für den Mittag- und Abendtisch im Konviktorium wird monathlich nicht mehr, als einen Thaler bezahlt. Und zwei Kollegia, das Augustäum und Friderizianum enthalten eine große Anzahl freier Wohnungen für arme Studenten, die hier eine Stube und Kammer, einen Tisch nebst einem hölzernen Schemel, und eine Bettstelle mit Stroh finden. Wer so dürftig ist, daß er nicht einmal monatlich einen Thaler aufbringen kann, der kann im Konviktorium eine Famulantenstelle erhalten, deren Geschäft es ist, den übrigen die Speisen aufzutragen, und welche dafür den Tisch selbst ganz frei haben. Im höchsten Nothfall ist also in Wittenberg ein Student, der auch ganz ohne Geld ist, vor dem Verhungern gesichert. Indes haben die meisten Dürftigen wenigstens das churfürstliche Stipendium, welches jährlich dreißig Thaler sind, wofür aber diejenigen, die es erhalten, sie mögen nun bloße Studenten, oder schon Magister seyn, sich alle Monathe öffentlich müssen examiniren lassen. Auch werden eine große Menge Disputirübungen angestellt, welche denen,

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die gewisse Benefizien genießen, zur Pflicht gemacht sind; so wie denn überhaupt wohl nirgends mehr öffentlich d i s p u t i r t wird, als in Wittenberg, womit denn freilich sehr viele Zeit unnütz verschwendet, und die Nebensache zur Hauptsache gemacht wird. Die Studenten in Wittenberg, besonders die Theologen tragen noch größtentheils Peruken, und haben ein gewisses steifes, pedantisches Wesen, welches sie wohl von den Fürstenschulen mitbringen mögen, wovon die meisten hierherkommen; ob sie gleich auch größtentheils gute Sprachkenntnisse mitbringen. Derjenigen, welche einigen Aufwand machen können, sind immer nur eine kleine Anzahl hier, die sich denn auch zusammenhalten, und gleichsam ein eigenes Korps für sich ausmachen. Ein Privatdozent kann daher auch auf dieser Universität von Kollegienlesen schlechterdings nicht leben; und ein Magister legens genießt hier gemeiniglich ein Stipendium von neunzig Thaler jährlich wovon er seine Bedürfnisse bestreitet. – Künftig mehr von Wittenberg!

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Wittenberg, den 30sten May 1778. Mit schnellen Schritten naht mein Geschick heran – Bis auf drei elende Goldstücke ist also nun meine ganze Hoffnung geschmolzen – Hiervon hängt die Fortdauer meiner Existenz ab. – Und wie hab ich denn diese schönen Tage genützt? – Wo sind meine Vorsätze, meine Entschließungen?

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den 2ten Juni.

Auf dem Luthersbrunnen.

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Hier in diesem einsamen Wäldchen will ich fern vom lermenden Geräusch noch einmal die Wonne der Erinnerung an die Tage meiner Kindheit schmecken. Hier will ich mir die Freuden ins Gedächtniß zurückrufen, welche nun auf immer für mich entflohen sind. Es ist ein schöner Abend – die Sonne vergoldet die Fenster jenes Hauses, daß so einsam in dies Thal herab sieht. – In der Ferne schimmert der Elbstrom durch das dunkle Grün der Bäume. Aus jenen Fenstern des einsamen Hauses schallt das wilde Geräusch der lermenden Menge, in das ich mich so oft gemischt habe, um meinen Kummer zu betäuben. Aber ach, die Betäubung war Verzweiflung, die sich endlich in viehischer, wilder Lust verlohr, welche mir nichts als die thierische Hälfte meiner Menschheit übrig ließ. – Aber ist mir die andre Hälfte nicht zu meiner Quaal? – o daß ich diese andre Hälfte ganz wegwerfen, ganz unterdrücken könnte! aber umsonst, sie strebt noch immer unter dem Druck der erliegenden Kräfte wieder empor, und martert mich mit fruchtlosen Gewissensbissen. Mir gewährt dieser Anblick der schönen Natur keine Wonne mehr – aber er erweicht mein Herz, und macht es dadurch wieder zu der Empfindung nagender Schmerzen über begangnes Unrecht fähig. Und doch möcht’ ich in diesem Augenblick den schmerzhaften Zustand, worin ich mich befinde, nicht gegen jenes der thierischen Hälfte meines Wesens so behägliche Wohlseyn einer viehischen Betäubung, vertauschen. Freilich in diesem Augenblick; wo die Wehmuth selbst mit einer Art von Süßigkeit verknüpft ist. – Aber ich fühl’ es; wenn die Stunden des Ve r d r u s s e s , der zwecklosen L a n g e n w e i l e , die Stunden des Z ä h l e n s d e r K n ö p f e a m K l e i d e , und der d u m p f e n h i r n -

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l o s e n B e t r a c h t u n g d e r Z i e g e l a u f d e n D ä c h e r n , wiederkehren – – dann werd’ ich mich wieder der viehischen Betäubung, dem gedankenlosen Taumel, dem wilden Geschrei, und der freiwilligen Tollheit in die Arme werfen; dann werde ich mich wieder unter jenen lermenden Haufen mischen, und der Rädelsführer ihrer Unmenschlichkeiten seyn. – Und wird denn diese süße Wehmuth immer dauren? – o ich weiß, nur zu bald werden die Stunden des nagenden Verdrusses, der tödtenden Langenweile wiederkehren, und ihre sichere Folge wird seyn, daß ich mich aufs neue in den Strudel der viehischen Betäubung stürze – Und wird es nicht immer so seyn? Und wie lange soll denn dies so dauern? Und ist ein solches Leben auch ein Leben? – Werd ich nicht am Ende selbst kriechen und betteln müssen, um mir nur auf einige Stunden jene viehische Betäubung zu erkaufen? – Und ich sehe dies alles voraus, und sitze still dazu? und sehe mit meinen eignen Augen mein Verderben ruhig und kaltblütig an? den 4ten Juni. Die Wahnwitzigen haben Zwischenstunden, wo sie gleichsam von ihrem Wahnwitz ausruhen, um nachher wieder mit erneuerten Kräften rasen zu können. – Wohl mir! eine solche Stunde ist auch mir gewährt. Ich bin aufs neue im Stande mir den vorgestrigen Abend in dem Wäldchen bei Luthersbrunnen zurückzurufen, als mein Herz zum erstenmale wieder vor Wehmuth schmolz, und der edlere Theil meines Wesens sich wieder fühlte. – Aber während der Zeit, welch ein Zwischenraum von Taumel, Taubheit, Vergessen meiner selbst, viehischer Aus-schweifung, Flüchen und Verwünschungen meines Schicksals. Was hing denn nun von mir ab? diese Stunde, in der ich über alle jene Ausschweifungen wieder nachdenken, und bittre Reue, nagende Wehmuth darüber empfinden kann; oder jener fürchterliche Zwischenraum, über den ich jetzt bittre Reue empfinde? – Werd’ ich

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nicht, und hab’ ich nicht schon im Taumel der Ausschweifung selbst wieder diese meine Reue bereuet? – Schwank ich nicht unwiderstehlich hin und her? – woran soll ich mich fest halten? – I c h k a n n m i c h j a n i c h t a u ß e r m i r s e l b s t hinstellen, um zwischen meiner schlechtern und edl e r n N a t u r z u w ä h l e n ? – Ich fühle mein I c h g e d o p p e l t ; es entschlüpft mir zum Thier, wenn ich Mensch es festhalten will, und wird unwillkührlich wieder zum Menschen, wenn ich Thier in meiner Thierheit zu versinken wünsche. – – den 6ten Juni. Das letzte Goldstück von zwölfen! – nun gut, daß es so weit ist – dieser Anblick hat mich noch einmal aus meinem Taumel geweckt. – Es ist doch sonderbar, daß die Menschen an diese Goldstückchen, die ihr Finger decken kann, ihr ganzes Schicksal geknüpft haben. – Da das Laster sein Werk noch nicht an mir vollendet, und meinen anklebenden Stolz noch nicht in Niederträchtigkeit verwandelt hat, um mir andre dergleichen Goldstückchen von hochmüthigen Anverwandten, oder auf andre Weise, wieder zu erbetteln oder zu erkriechen, so steht nun mein ganzes Schicksal auf der Spitze von einem gegründeten Stückchen Metall, womit ich noch einige Tage, als ein freier Mensch leben, und mich vor dem Hunger schützen kann: dann zwingt mich das Bedürfniß diese Existenz noch einige Tage länger fortzuführen, meine Freiheit, die Herrschaft über meinen Leib und meine Glieder zu verkaufen, um diesen verkauften Leib und Glieder noch einige Tage länger nicht für mich, sondern für den, der sie gekauft hat, zu gebrauchen. Aber sey’s denn! – mag denn mein Geschick, das mich bis dahin brachte, sich in mir selbst be-strafen. – Ich lasse ruhig über mich ergehen, was beschlossen oder nicht beschlossen ist. – Vergebens hab’ ich redlicher Schwimmer dem Strome entgegen gearbeitet – meine Arme sinken – ich gebe mich den Fluthen hin – die Thatkraft meines Geistes ist verschwunden – mögen denn die Wellen mit den entseelten Leichnam spielen!

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Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.)

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– – Und Adam sprach zum Engel: Schwer ist es für den Menschen zu erzählen, wie des Menschen Daseyn seinen Anfang nahm; denn wer hat sich im Augenblick des Werdens je erkannt. Bloß das Verlangen, länger noch mit dir zu reden, ists, was zu der Erzählung mich bewog. Als wie vom tiefsten Schlaf erwacht, fand ich mich hingestreckt auf weichem Grase, das noch vom Thau befeuchtet war, den bald mit ihren Strahlen die Sonne wegsog – Stracks wandt ich voll Verwunderung meine Augen in die Höhe, und staunte eine Weile den weiten Himmel an, bis ich, von einem innern Triebe geweckt, schnell aufsprang, als wenn ich dem Himmel näher wollte, und aufrecht auf den Füßen stand. Rund um mich erblickt’ ich Hügel, Thäler, schattigte Wälder, und sonnichte Ebnen, und murmelnder Ströme helle Fluth; hiebei Geschöpfe, welche Leben und Bewegung hatten, wandelnd einige und andre fliegend, Vögel wirbelnd auf den Zweigen. – Alles lächelte; mein Herz floß über von Erquickung und von Freude. Dann heftete mein Blick sich auf mich selber; ich übersahe Glied vor Glied; zuweilen ging, zuweilen lief ich mit geschmeidigen Gelenken, so wie die neue Lebenskraft mich führte. – Doch wer ich war, und wo, und was die Ursach meines Daseyn, war mir unbewußt. – Ich machte den Versuch zu sprechen, und ich sprach; gehorsam dem Gedanken nannte meine Zunge alles, was ich sahe. Du Sonne, sagt’ ich, schönes Licht, und du von ihr erhellte Erde, so frisch und froh, ihr Hügel und ihr Thäler, ihr Wälder, Flüsse, und ihr Wiesen, und die ihr lebt und euch bewegt, ihr edlern Krea-turen, sagt, sagt mir, wenn ihrs wißt: wie ward ich, was ich bin? wie bin ich hier?

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Nicht von mir selbst. – Von einem großen Schöpfer also voll Güte und voll Macht. Sagt mir, wie kenn’ ich ihn, und bet’ ihn an, ihn, dem ichs danke, daß ich mich jezt beweg’ und lebe, und fühle, daß ich noch beglückter bin, als ich es weiß. Als ich so rief, und, ich weiß nicht wohin, mit schnellen Schritten eilte, den Ort zu finden, wo ich den ersten Athemzug gethan, zum erstenmal dieß süße Licht erblickt, und als nun keine Antwort mir zurück ertönte; so sezt’ ich mich an einem schattigten beblümten Ufer traurig nieder: hier fand zum erstenmale mich der sanfte Schlaf, und ward mit wachsender Betäubung allmälig meiner Sinne Meister: doch ich blieb unbekümmert, ob ich gleich damals dachte, daß nun mein neues Wesen aufgelößt, und ich dann in mein Nichtseyn wiederkehren würde; als plözlich mir ein Traum zum Haupte stand, dessen innere Erscheinung meine Phantasie bewog, zu glauben, daß ich noch mein Daseyn hatt’, und lebte: Mir däuchte, einer der von göttlicher Gestalt war, kam und sagte: Dein schöner Wohnplatz ruft dich, Adam auf! Der Menschen erster bist du, und Vater von unzähligen Geschlechtern. Von dir gerufen, komm’ ich dein Führer zu dem edlen Garten, welcher zu deinem Wohnsitz dir bereitet ist. So sprach er, hielt mich bei der Hand empor, und schwebte, ohne einen Schritt zu thun, über Fluren und Gewässer, wie in der Luft sanft mit mir hin, und führte mich zuletzt ein waldigtes Gebürg’ hinauf, dessen hoher Gipfel eben war, ein weiter eingeschloßner Cirkel, bepflanzet mit den schönsten Bäumen, mit Gängen und mit Lauben, daß, was ich vorher auf der Erde sahe, mir kaum noch reizend schien. Jeder Baum beladen mit den schönsten Früchten, die lockend vor den Augen hingen, erregten eine plözliche Begier in mir, zu pflücken, und zu essen, worauf ich schnell erwachte; und nun vor meinen Augen alles wirklich fand, was mir der Traum im Schattenbilde zeigte. Hier hätt’ ich nun von neuem eine Wanderung angetreten, wenn der, so mich herauf geführt, die gegenwärtige Gottheit nicht unter den Bäumen mir erschienen wäre. Voll Freude, doch mit Furcht vermischt, fiel ich anbetend hin zu seinen Füßen.

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Er hob mich auf; der, den du suchtest, bin ich, sagt’ er mit mildrer Stimme, der Ursprung alles dessen, was du über dir, und unter dir, und um dich her erblickst. Dir geb’ ich dieses Paradieß, es sey dein eigen, du kannst es bauen und bewohnen, und kannst von seiner Frucht dich nähren. Von jedem Baume, der in dem Garten wächst, iß dreist mit frohem Herzen, und fühle keine Theurung. Doch von dem Baume, dessen Wirkung die Erkenntniß des Guten und des Bösen mit sich bringt, den ich zum Unterpfande des Gehorsams und der Treue, hier in des Gartens Mitte, bei dem Baum des Lebens dir hingepflanzet habe – gedenk’ an diese Warnung! – von dem Baum hüte dich, zu kosten, hüte dich vor bittren Folgen. Denn wisse, von dem Tag’ an, daß du davon issest, und übertrittst mein einziges Gebot, von diesem Tag’ an wirst du sterblich, und dein Tod unvermeidlich sein, du wirst dein ganzes Glück verlieren, und wirst von hier in eine Welt voll Angst und Kummer hingetrieben werden. Nachdrücklich sprach er diese strenge Untersagung aus, die noch in meinen Ohren furchtbar tönt, obs gleich bei mir steht, nie mich zu vergehen. Bald aber kehrte seine heitre Klarheit wie-der, und was er erstlich sagen wollte, hub er wieder an: nicht nur, was in diesen schönen Grenzen liegt, sondern jenen ganzen Erdkreiß geb’ ich dir und deinen Kindern. Besitzt ihn, herrscht darüber, und über alles, was drauf lebt; und was in Meer und Lüften lebt, Thiere, Fisch’, und Vögel. Zum Zeichen deiner Herrschaft sollst du Thier und Vögel izt nach ihren Arten und Geschlechtern kennen; ich führe sie dir vor; es soll ein jedes seinen Nahmen jezt von dir empfangen und dir mit tiefer Unterwerfung huldigen.

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Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.)

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Woher, o Brutus, kömmt es wohl, da wir doch aus Leib und Seele bestehen, daß man sich um die Kunst, den Körper zu heilen, und vor Krankheiten zu schützen, und um die nüzliche Anwendung dieser Kunst bemüht, und den unsterblichen Göttern sogar die Ehre der Erfindung derselben zugeeignet hat; daß man hingegen die Heilkunde der Seele, weder vor ihrer Erfindung so sehr zu besitzen, noch nach ihrer Erfindung, dieselbe auszuüben gewünscht hat; und daß diese auch lange nicht bei so vielen Beifall und Liebe erhalten hat, als die Heilkunde des Körpers; ja, daß sie manchem sogar verhaßt und verdächtig geworden ist? Kömmt dieß vielleicht daher, weil wir vermittelst der Seele über unsre körperlichen Krankheiten und Gebrechen urtheilen, der Körper aber nicht so die Krankheiten und Schwächen der Seele bemerken kann? und weil also, indem die Seele über sich selbst urtheilt, dasjenige, womit sie urtheilt, selbst krank ist? Hätte uns die Natur so geschaffen, daß wir sie selbst anschauen und durchschauen, und unter ihrer besten Führung unser Leben vollenden könnten, so bedurfte es weiter keiner Grundsätze, keiner Lebensregeln. Nun aber hat sie bloß einige kleine Fünkchen in uns gelegt, die wir bald, durch böse Sitten und Meinungen verschlimmert, dergestalt auslöschen und dämpfen, daß nie das Licht, welches uns die Natur gab, wieder hervorbrechen kann. Die Keime aller Tugenden schlummern in unsern Seelen, dürften sie ungehindert emporschießen, so würde selbst die Natur uns zur Glückseligkeit leiten. Izt aber sind wir kaum gebohren, so sind wir sogleich von aller Verderbtheit, und von der äußersten Verkehrtheit der Meinungen umgeben, so daß wir gleichsam schon mit der Am-

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menmilch den Irrthum einsaugen. Sind wir, denn von der Brust der Amme entwöhnt, unsern Eltern wieder überliefert, so dauert es nicht lange, bis wir unter die Zucht unsrer Lehrmeister gegeben werden, wo wir denn wieder mit einer solchen Menge von Irrthümern überschüttet werden, daß die Wahrheit dem Wahne, und dem eingewurzelten Vorurtheile die Natur selber weicht. Hierzu kommen denn die Dichter: und weil diese sich immer einen großen Schein von Weisheit und außerordentlichen Kenntnissen angemaßt haben, so werden sie gehört, gelesen, auswendig gelernt, und prägen sich tief ins Gedächtniß ein. Wenn nun auch das Volk, als der größte Lehrer, und die von allen Seiten dem Laster zuströmende Menge hinzukömmt, so werden wir von der Schädlichkeit ihrer Meinungen und Grundsätze unvermeidlich angesteckt, und fallen endlich ganz von der Natur ab. Diejenigen scheinen uns daher die Natur, als unsre beste Lehrerin am meisten verleiden zu wollen, die für den Menschen nichts wünschenswerther, nichts seines Bestrebens für würdiger halten, als Ehrenstellen, Herrschaft über Länder, und Volksgunst. Auch der Beste läßt sich durch diesen Strom hinreißen, und statt daß er nach jener wahren Würde streben sollte, wozu er nur allein unter Anführung der Natur gelangen kann, beschäftigt er sich mit eiteln Entwürfen, und verfolgt nicht das strahlende Bild der Tugend, sondern das dämmernde und immer halb in Schatten gehüllte bloße Phantom des Ruhms. Nur der wahre Ruhm ist etwas wirkliches und kein dämmerndes Phantom. Er ist das übereinstimmende Lob der Rechtschaffenen. Die unbestochne Stimme der Richter, die von der hervorstechenden Tugend ein weises Urtheil fällen. Er antwortet der Tugend, wie das Echo dem Schall. Und weil nun dieser Ruhm größtentheils gute Handlun-gen begleitet, so dürfen Edle Menschen sich seiner nicht schämen. Jener falsche Ruhm aber, welcher diesem nachäft, ohne Grund, ohne Ueberlegung, das Schlechte, und sogar Verbrechen und Laster preißt, das Urtheil des Pöbels ist es, welches durch eine angenommene nachgeahmte Würde, selbst auf die Schönheit und Vortrefflichkeit des wahren Ruhms einen Schatten wirft. Durch

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diese Blindheit geschlagen, haben viele, welche nach Ruhm strebten, ohne zu wissen, was, und wo er zu suchen wäre, von Grund aus ihre Staaten zerstört, andere sich selbst ums Leben gebracht. Alle diese strebten im Grunde nach etwas Gutem und Wünschenswerthem, und wurden nicht sowohl durch ihren Willen, als durch den Strom der Irrthümer, welcher sie hinriß, betrogen. Was soll man nun von denen sagen, welche durch Habsucht und Wollust sich hinreißen lassen, und deren Seelen dadurch so in Unordnung gebracht worden, daß sie nicht weit vom Wahnwitz entfernt sind, welches im Grunde bei allen Thoren der Fall ist, sollen bei diesen keine Heilmittel angewandt werden? Entweder deswegen nicht, weil die Krankheiten der Seele weniger schädlich sind, als die Krankheiten des Körpers? oder weil es wohl eine Heilkunde für den Körper aber keine für die Seele giebt?

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Aus einem ungedruckten Singspiele.

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(Im Saale vor dem Schlafgemach der Herzogin.) Chor der Damen. O Fürstin erwache Von süßesten Traume Zum Tage der Wonne!

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Erste Dame. Sieh, mit ihren sanften Schimmer Glänzet schon die Morgenröthe. Und auf unserm Angesichte Strahlt die Freude dir entgegen.

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Aus einem ungedruckten Singspiele

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Chor. Wir feiern mit Liedern, Und festlichen Tänzen Des Tages Erwachen. 5

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Zweite Dame. Dieses Tages, den die Liebe Sich zum Festtag auserkohren, Da sie Adelstan den edlen Dir in deine Arme führet. Chor. Er eilt dir entgegen, Eröfne die Arme, Empfange den Gatten!

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Dritte Dame. Diesen Gatten, der so zärtlich Des Entschlusses harren konnte, Der die frommen, treuen Wünsche Seiner Liebe krönen sollte. Chor.

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Wir feiern mit Liedern Und festlichen Tänzen Den schönsten der Tage. Die Herzogin. (tritt aus ihrem Schlafgemach.) Hemmet Eure Lieder: Denn dieser fröhlichen Gesänge War, ach, zu lange schon mein Ohr entwöhnt, Sie dringen nicht mehr in mein Herz Und gießen keinen Trost in meine Brust.

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Erste Dame. Dämpft zu sanftern Tönen Eu’r Saitenspiel! Mischt in eure Lieder Wehmuthsvoller Freude Dunkles Vorgefühl!

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Chor. O Fürstin erhebe dein thränendes Auge Und schau empor! Dort schimmert der Morgen auf Purpurgewölken Und wallet herab: Es schlummern Freuden in seinem Schooße, Die wallen mit ihm herab Und werden noch an diesem Tage Unzähliger Müden Trost und Stab! Die Herzogin. Ach keine Freude schlummert Für mich in seinem Schooße Und wär es Himmelswonne, Mein Herz blieb ihr verschlossen In seinem Schmerz gehüllt.

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An *** Auch mir ist R a m l e r s To d J e s u in seinen einzelnen Theilen ein Meisterstück, oder vielmehr er ist eine Sammlung von Meisterstükken eines vollkommnen poetischen Wohlklangs, die ich zu bewundern nie aufhören kann. Schon als Knabe, da ich kaum lesen konnte, gewöhnte sich unvermerkt mein Ohr an den harmonischen Silbenfall, welcher durchgän-

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gig in dieser vortrefflichen Kantate herrscht, die mir damals zufälliger weise in die Hände fiel, und welche ich so oft las und wieder las, bis ich sie auswendig wußte. Ich fühlte mich zu jedem einzelnen Vers unwiderstehlich angezogen, ohne damals zu wissen, oder zu fragen warum? Seitdem nun aber dies w a r u m , welches damals noch in meiner Seele schlummerte, in mir erwacht ist, läßt es mir keine Ruhe, sondern treibt mich, bei allem, was ich sehe und empfinde, mein Gefühl von dem was schön, und weniger schön ist, gegen mich selbst zu rechtfertigen, und mir selbst die Gründe und Ursachen meines Wohlgefallens an den Gegenständen zu entwickeln. Diese mit einiger Anstrengung verbundne Entwickelung erhöht und veredelt mein Vergnügen, welches ich an den Werken der schönen Künste empfinde, so sehr, daß ich mit der Unterbrechung des ruhigen Genusses durch das sich stets empordrängende Warum auf keine Weise unzufrieden bin. Mit innigem Vergnügen erinnere ich mich noch des ersten sanften Eindrucks, welchen die Strophe Ihr weichgeschaffnen Seelen Ihr könnt nicht lange fehlen; Bald weint aus euch der Schmerz – auf mein Ohr und auf meine Empfindung machte: – es war mir, als ob ich ganz etwas neues ungewohntes hörte, oder als ob ich durch eine angenehme Musik aus einem Schlummer geweckt wäre; ohne damals daran zu denken, daß der leichte Vorschlag, womit sich jeder Vers anhebt; das darauf folgende melodische Auf-und Niedersteigen der Stimme von einer langen zu einer kurzen, und wieder von einer langen zu einer kurzen Sylbe; das w nach dem r , das s nach dem e , in dem ersten, das k nach dem r , das n nach dem t , und das l nach dem t , in dem zweiten; das w nach dem d , u. s. w . in dem dritten Verse, vielleicht zu der angenehmen Wirkung, welche die Verse auf mein Ohr machten, etwas beitrüge – oder daran zu denken, das nicht sowohl die Folge der Töne an und für sich selber, als vielmehr ihre wunderbare U e b e r e i n s t i m m u n g mit dem Gedanken, den sie ausdrückten, so unwiderstehlich auf meine Empfindung wirkte.

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Diese e r h ö h t e U e b e r e i n s t i m m u n g des Ausdrucks mit dem Gedanken aber ist es, wodurch ich mir itzt jene Wirkung am leichtesten erkläre. – Ohne diese Uebereinstimmung würde der Wohlklang nicht Wohlklang seyn. Es möchten noch so weiche sanfte Töne aufeinander folgen; es möchte immer die Härte eines r durch ein darauf folgendes w , die Härte eines t durch ein darauf folgendes n oder l gemildert seyn, so würde dies alles wenig auf den Geist und die Empfindung wirken, wenn nicht das b e d e u t e n d e , die lichtvolle Uebereinstimmung zwischen Gedanken und Ausdruck alle diese einzelnen Schönheiten erst zu Schönheiten, den Wohlklang erst zum Wohlklange machte.

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Neunzehntes Stück.

Aus K . . .s Papieren. (Beschluß.)

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Wittenberg, den 8ten Juni. Dies ist also der letzte Tag meiner Freiheit! – Morgen bin ich ein Sklave auf immer, weil ich nicht Muth und Kraft genug habe, die Bürde dieses Lebens ganz abzuschütteln. Was soll ich nun mit diesem Tage machen? Soll ich ihn wiederum in viehischer Betäubung zubringen? Soll ich ihn über mein unvermeidliches Schicksal nachdenken? was soll ich machen? – o, dieser Tag drückt mich ja, wie eine schreckliche Last, – und doch ist es der letzte meiner Freiheit – Meiner Freiheit? – was für einer Freiheit? – die mich mir selbst, meinem ärgsten Peiniger, meinem unversöhnlichsten Feinde gefangen giebt; mei- nem eigenen Bewußtseyn, das mich mit starken Armen festhält, dem ich nicht entfliehen kann, wenn ich auch ans äußerste Ende der Welt ginge –

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Ist es denn ein schlimmer Tausch, wenn ich um einer solchen Freiheit loß zu werden, mich in eine ewige Knechtschaft stürze? Wenn ich eine solche Freiheit um ein elendes Handgeld, um einen einzigen berauschenden Trunk verkaufe? 5

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Mittags. Die Sonne brennt so heiß am Himmel, die Luft ist so schwül – Ist mir nicht dieser Zustand des dumpfen Hinbrütens unerträglich? warum beharre ich denn darin? warum reiße ich mich denn nicht loß? – wozu diese Fragen? – das ists eben! das ist der eigentliche Sitz meiner Krankheit. – Vom Gedanken der Ausführung ist die Kraft meiner Seele gelähmt. – Wäre sie das nicht, o dann wär’ ich ein andrer Mensch! – Doch will ich noch einmal hinaus in jenes Wäldchen, wo ich einst gute Vorsätze faßte – ach, die guten Vorsätze, wo sind sie? – ich will hin, und will sie betrauren.

Erzählung des Herausgebers. Gegen Abend kam K. . . ganz allein auf den Luthersbrunnen hinaus. – Es war eine Anzahl Studenten draußen, unter denen ich mich auch befand. Einige tranken unten in der Laube Kaffee, andre, die oben auf dem Saal waren, tranken Bier, rauchten Toback, und sangen Studentenlieder – K. . . war ernsthafter, wie gewöhnlich – Man bat ihn lustig zu seyn; er zwang sich auch zu lachen und zu scherzen, und wollte sogar in den wilden Studententon einstimmen – aber es wollte ihm nicht gelingen – er ging darauf eine Stunde allein im Wäldchen beim Luthersbrunnen nach der Elbe zu spazieren, und schrieb folgendes in seine Schreibtafel: Was lächelst du Natur So freundlich um mich her? Mir glänzt nicht mehr die Flur Mir rauscht der Bach nicht mehr –

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Wie komm ich denn dazu, in meinem verzweiflungsvollen Zustande noch Verse zu machen? – etwa wie die Menschen, welche im hitzigen Fieber fremde Sprachen reden? – Sonderbar! – mein Zustand kann sich nur verschlimmern, nicht verbessern, und doch bin ich voller Ungeduld wegen der Zukunft. Was geht mich denn die Zukunft an, da es für mich doch nun keine einzige frohe Erwartung auf der Welt mehr giebt. Er ging, bis es beinahe finster war, im Walde allein umher – da er zurückkam, und man ihn mit einem groben Scherze darüber aufzog, wollte er den Scherz weiter fortführen, aber seine Worte stockten, und er sprach kurz und abgebrochen – Man hatte einen Wagen bestellt, um hereinzufahren – es war eine schöne Nacht – man war lustig und aufgeräumt; – ich kam auf dem Wagen neben K. . . zu sitzen, und wir huben an, zu singen: Gaudeamus igitur, Juvenes dum sumus &c.

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Brüder laßt uns fröhlich seyn, Weil der Lenz uns blühet u. s. w. K. . . schwieg. – Warum singst du nicht mit? fragte ich ihn. Meine Brust ist etwas heiser! war seine Antwort. – Du bist wohl ein großer Liebhaber vom Singen? – Mir gefällt dies alte Lied, sowohl die Melodie, als der Text, sagte ich ihm – Es ist ein lustiges Lied: gab er zur Antwort, aber man kann nicht immer lustig seyn. Wir fuhren bis vors Stadthor – jeder ging zu Hause. Am andern Morgen früh war K. . . verschwunden – er hatte die Nacht mit den Kleidern auf den Bette gelegen, war vor Tagesanbruch ausgegangen und hatte folgenden Brief an F. . ., den in der Folge fast ein ähnliches Schicksal betroffen hat, auf dem Tische liegend, zurückgelassen.

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Mein liebster F. . . Ich habe nur noch eine Faser von meinem Herzen übrig, und die blutet für Dich – Verzeih es mir, mein Bester, daß ich diese Worte, welche Lear zu seinem Narren sagt, auf Dich anwende; ich schreibe nicht gerade in der besten Sammlung meiner Gedanken. – Ich stehe nun vor dem Abgrunde, auf welchen Du auch mit starken Schritten zueilst, O sey ein Mann, und folge mir nicht nach: Raffe, wenn Du kannst, noch einmal Deine Kräfte zusammen; suche Dich von der schrecklichen Unthätigkeit loß zu winden, die Dich schon mit starken Armen fest hält, suche ein edler Mensch, ein rechtschaffner Bürger des Staats zu werden, und wenn Du das bist, so schenke Deinem unglücklichen Freunde zuweilen noch eine Thräne, der izt zu Dei-ner Warnung seinem unvermeidlichen Schicksal mit schnellen Schritten entgegen geht. – Erkundige Dich nicht, wo ich geblieben bin: ich bin auf alle Fälle verlohren. Rette Dich selbst; wenn Du kannst! F. . ., welcher auch mein Freund war, zeigte mir den Brief, und bedauerte das Schicksal des unglücklichen K. . ., ohne zu wissen, oder nur zu ahnden, daß ihn nach Jahren einst dasselbe Schicksal treffen würde. K. . . war nach Koswig gegangen, das nur zwei Meilen von Wittenberg liegt, und hatte sich dort unter den Zerbstischen Truppen als gemeiner Soldat anwerben lassen. Seit dem Abend auf dem Luthersbrunnen war mir K. . . äußerst interessant geworden. Wir erfuhren sein Schicksal erst nach einigen Wochen. Darauf machten wir, F. . . und ich, uns einmal zusammen auf den Weg, um ihn in Koswig zu besuchen. Wir kamen des Nachmittags an, und kehrten im Gasthofe ein, wo wir ihn zu uns bitten ließen. Aber welch ein Anblick! Blaß wie der Tod und abgehärmt, mit eingefallnen Wangen, worauf die fürchterliche Narbe nur desto stärker zu sehen war, trat er in seinem groben Soldatenrock, mit der

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rothen festgeschnallten Halsbinde zu uns herein, und wollte in unsrer Gegenwart nicht den Hut aufsetzen, so sehr wir ihm zuredeten. Sein Schicksal hatte ihn bis zur Demuth darniedergebeugt. Wir redeten ihm freundschaftlich und brüderlich zu, und sagten ihm, daß er doch ganz auf den alten Fuß mit uns umgehen möchte, welches ihn zu Thränen rührte. – Er erzählte uns darauf, daß er bei dem Feldwebel, für den er den ganzen Tag schriebe, den freien Mittagstisch habe, und sich daher von seiner Löhnung beinahe schon so viel gesammelt hahe, daß er sich ein schwarzes seidnes Halstuch kaufen könne, welches er sich gern anschaffen möchte, um nicht immer die steife, rothe Binde tragen zu müssen. Er rühmte ein paar Officiere, die ihm mit einiger Distinktion begegneten, und ihn s i e nenneten. Daß ein Offizier ihn s i e nannte, war also nun sein ganzer Stolz, und sich ein seidnes Halstuch anzuschaffen, sein ganzes Bedürfniß: so enge war nun die Sphäre seiner Wünsche eingeschränkt. Ich fragte ihn, wie ihm den Abend zu Muthe gewesen sey, da wir gesungen hätten, gaudeamus igitur, als wir vom Luthersbrunnen hereinfuhren, und er den Morgen drauf Soldat ward, und er ge-stand mir, daß nichts in seinem Leben ihn mehr angegriffen habe, als gerade dieß Lied, daß von lauter fröhlichen jungen Leuten gesungen wurde, die alle ihre angenehmen Aussichten und Hoffnungen auf die Zukunft hatten, und worunter er der einzige war, der gar keine Hoffnung mehr hatte, und dessen Schicksal an dem morgenden Tage unwiderbringlich entschieden werden sollte. Auf dem Wege nach Koswig hatte er sich in dem schrecklichsten Zustande befunden. – Jeder Schritt schien ihn dem Grabe näher zu führen, und doch fühlte er sich unaufhaltsam fortgezogen. Da er die kleine Stadt mit ihrem Thurm vor sich liegen sahe, so kam ihm alles so enge, so öde, so grabmäßig vor; der Himmel schloß sich so dicht an die Erde, und hinter diesem Horizont schien sich nun kein andrer weiter zu eröfnen; so daß er eine unbeschreibliche Angst und Bangigkeit beim Eintritt in den kleinen Ort empfand; aber sein Entschluß

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überwand die Beklemmung seines Herzens. – Er gab noch an demselben Morgen für drei Gulden Handgeld seine Freiheit hin, und fühlte sich nun die ersten Tage über wirklich glücklicher, als vorher, weil er nicht mehr hin und her schwanken durfte, sondern doch selbst in dem elendesten Zustande wenigstens fixirt war. – Allein diese Betäubung mehr als Ruhe dauerte nicht lange. – Die unheilbare Wunde seines Herzens, ü b e r s e i n z e r b r o c h e n e s G l ü c k , fing aufs neue wieder an zu bluten. – Der Gedanke an alles das, was er seyn könnte, und was er nun war, und bleiben mußte, erwachte bei der Einförmigkeit, in der er nun lebte, mit gedoppelter Stärke wieder in seiner Seele, und quälte und peinigte ihn unaufhörlich. In dieser Lage, die er sich aber gegen uns nur halb merken ließ, trafen wir ihn; und verließen ihn auch darin. Als wir auf der Straße schon von ihm Abschied genommen hatten, und schon einige Schritte fortgegangen waren, fand ich einen unwiderstehlichen Zug in mir, noch einmal umzukehren, um ihm noch einmal mit Thränen des Mitleids Lebe wohl! zu sagen: denn es war mir, als ob ich ihn nie wiedersehen würde. K. . . war nun in Wittenberg von seinen ehemaligen Freunden und Bekannten vergessen; man bekümmerte sich nicht mehr um sein Schicksal; man sprach nicht mehr von ihm. – Ich kam auch nicht eher wieder nach Koswig, als vier Monathe nachher, da ich nach Dessau hier durchreiste. Ich erkundigte mich sogleich im Gasthofe nach dem Soldaten K. . ., um ihn zu mir bitten zu lassen, und man sagte mir, es wäre nun gerade acht Tage, daß er begraben sey. Der Abschied auf der Straße vor vier Monathen; der Abend, wo wir vom Luthersbrunnen zusammen hereinfuhren, und sangen; traten auf einmal so lebhaft vor meine Seele, daß ich mich bei dieser Nachricht der Thränen nicht enthalten konnte. Ich erkundigte mich, wo er im Quartier gelegen hatte; es war bei einem Nadler, den ich besuchte, um noch einige Nachrichten von den Verstorbenen einzuziehen.

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Und die Frau des Nadlers wußte mir von der Gelassenheit und Geduld des guten K. . . in seiner lezten Krankheit nicht genug zu rühmen, und wie er in gesunden Tagen beständig so gut gewesen war, und ihren Sohn einen Knaben von acht Jahren im Schreiben unterrichtet hatte, aber die meiste Zeit für sich allein und in tiefen Gedanken gewesen war. Dann erzählte sie mir, gleichsam wie zum Troste, wie stattlich er begraben sey, und daß die ganze Schule ihm gefolgt, und bei der Leiche gesungen habe. Und den Tag darauf, nachdem er begraben war, sey ein reitender Bote von seinem Vater, dem Rittmeister K. . . in Schlesien angekommen, der Geld und Briefe mitgebracht habe, um ihn loßzukaufen, weil er sein Schicksal erfahren hatte, und sein Herz endlich wieder gegen seinen Sohn erweicht worden war. Der reitende Bote war ein alter Husar, der den jungen K. . . noch als ein Kind auf seinem Arme getragen hatte. Da man ihm versicherte, daß er todt sey, wollte er es nicht eher glauben, bis man ihm das noch frische Grab, und den Sarg eröfnete, in welchem er nun den Leichnam sahe, und die Züge des unglücklichen K. . . wieder erkannte, ob sie gleich durch die Narbe entstellt waren. Der alte Husar stand im stummen Schmerz da, und keiner der Umstehenden konnte sich bei diesem Auftritt der Thränen enthalten. – Der Nadler, welcher mir dies erzählte, hatte selbst auch dabei gestanden. Mit betrübtem Herzen ritt der alte Husar fort, um dem Vater die traurige Botschaft zu bringen. Wäre der Bote acht Tage eher gekommen, so wäre vielleicht noch alles gut gewesen; denn es war doch mehr innerer Verdruß und Kränkung, als eigentliche Krankheit, welche dem Unglücklichen unaufhörlich am Herzen nagte, und seine Lebenskräfte untergrub. – So verlassen von allen, so ein ganz in die Welt hingeworfener Mensch zu sein, um dessen Schicksal sich nun von allen seinen Freunden, und von allen denen, die ihm sonst nahe waren, kein einziger

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mehr bekümmerte – Ein Schimmer von Hoffnung würde gewiß heilender Balsam für seine Seele gewesen seyn. Und nun, die völlige Aussöhnung mit seinem Vater – wäre der schnelle Uebergang von Traurigkeit zur Freude für seine geschwächten Lebensgeister nicht auch tödtlich gewesen, so hätte ihn dies nothwendig herstellen müssen. Aber er zehrte an seinem stillen duldenden Gram, oder vielmehr der stille duldende Gram, welcher am tiefsten eingreift, zehrte so lange an ihm, bis die nur noch zuweilen einmal wieder aufdämmernde Lebensflamme gänzlich erlosch, und die noch immer entgegenstrebende Jugendkraft endlich unterlag. Der Nadler hatte noch einige Papiere von ihm liegen, eine Art von Tagebuch, das aber sehr häufig unterbrochen war. – Er hatte noch kurz vor seinem Tode manchmal etwas niedergeschrieben. – Aus diesen Papieren, die ich mir von den Nadlern ausbat, und die er mir auch gern zukommen ließ, weil sie ihm nichts nützten, werde ich vielleicht in der Folge noch verschiedenes mittheilen. Wenn ich diesen Papieren eine Ueberschrift geben sollte, so würde ich sie d i e l e t z t e n A n s t r e n g u n g e n e i n e r g e l ä h m t e n T h a t k r a f t nennen. Es waren auch noch einige Verse dabei; folgender schien eine Art von Grabschrift zu seyn, die er auf sich selbst gemacht hatte: Den des Schicksals Donner traf, Schlummert hier den sanften Schlaf, Wo ihn nicht der Krankheit Gift Noch des Schicksals Donner trift.

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Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts. Es drehen Welten sich in ihren Kreisen Es rollen Stern’ in ihren ewgen Gleisen Gedanken rollen fort in meiner Seele. Die Summe schwillt, eh ich sie zähle, Sie rollen fort und strömen über Und reißen meine ganze Seele mit hinüber – Hinüber in geheiligte Gesänge Die sich im üppigen Gedränge Aus meiner vollen Brust ergießen Und ganz in Harmonien überfließen – Wie wird es auf einmal so heiter, Vor meinem Blick! Wie zieht sich immer weiter Mein Horizont zurück? Was für ein Glanz entzücket mich Die dunkle Ferne nähert sich. u. s. w.

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Selbstgefühl. Wie kommt es, daß wir sagen können: m e i n e Seele, m e i n Körper? Sind wir denn noch etwas verschiedenes von Seele und Körper, daß wir beide nicht uns selbst, sondern nur die unsrigen nennen? Wer die meisten und sonderbarsten Situationen erlebt hat, muß auch das stärkste Selbstgefühl besitzen. Wohl zu merken, wenn sie fähig waren, einen starken Eindruck in ihm zu machen. Es kann einer

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ein herrliches Gemählde angaffen, und wenig mehr dabei empfinden, als das Gemählde, das von ihm angegaft wird. Der Mensch ist ein Bild Gottes. Er thut alle Augenblicke Wunder und weiß es nicht. Ein unkörperlicher Gedanke Gottes war fähig, eine körperliche Welt zu schaffen, und zu regieren: ein unkörperlicher Gedanke des Menschen kann den Mund zum Reden öffnen und den Fuß zum gehen emporheben. »Regieren meine Gedanken so den Körper, wie Gottes Gedanken die Welt regieren?« Unmittelbar sind die Gedanken von tausend Menschen nicht fähig einen Sandkorn aus der Stelle zu bringen; durch Hülfe des Körpers können sie Städte bauen. Wie nöthig ist ein Körper unsern Gedanken. Als der Ewige dachte, die Menschen glücklich zu machen, da mußte sein Gedanke einen Körper annehmen.

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Was ich gleich anfänglich, um die Aufsätze in K. . .s Papieren verständlich zu machen, etwa in einer Anmerkung hätte beifügen sollen, hohle ich hier nach. K. . . war, wie ich schon erwähnt habe, der Sohn eines Rittmeisters in Schlesien. Er hatte das Gymnasium in Breslau besucht, worauf er in Halle die Universität bezog, um da, nach dem Wunsch seines Vaters, die Rechte zu studiren, weil seine beiden jüngern Brüder, die er in seinen Aufsätzen Ernst und Ludwig nennt, zum Soldatenstande bestimmt waren, den er ihnen oft beneidete. Seiner Anlage nach mochte er freilich weniger zum Studiren gemacht seyn, wie seine beiden Brüder, die lange kein so tobendes Blut, aber auch kein so großmüthiges Herz hatten, wie er. Dieß ersieht man aus einigen seiner Aufsätze.

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Sein beleidigter Stolz, sein tobendes Blut, und die Heftigkeit seiner Gemüthsart verleiteten ihn in Halle zu einem Zweikampf mit einem Pohlen, welcher ihm durch einen hämischen Hieb, die ganze Backe aufschlizte, so daß ein Stück herunter hieng, und ihm die Zähne entblößt waren; wäre der Hieb nur noch um ein Haar weiter gegangen, so wäre die Speicheldrüse verlezt, und die Wunde unheilbar geworden. Die Umstehenden erschracken alle über den tückischen Hieb – er allein fühlte in der ersten Betäubung keinen Schmerz, und fragte, was denn wäre? bis er nach einigen Minuten in Ohnmacht sank. Ein Studentenorden, welcher unter dem Nahmen des Inviolabilistenordens in Halle existirte, und wovon er ein Mitglied war, war vorzüglich an seinem Unglück schuld. Die Gesetze dieses Ordens verbanden ihn unvermeidlich zu diesem Zweikampf, da die Sache zwischen ihm und seinen Gegner sonst noch wohl hätte friedlich beigelegt werden können. Die Sache ward ruchtbar, und er und sein Gegner wurden beide aus Halle religirt. K. . . ging nach Wittenberg. Der Inviolabilistenorden, für dessen angemaßte thörichte Rechte er eigentlich ein Opfer geworden war, brachte so viel für ihn zusammen, daß die Kosten der Kur seiner Wunde davon bestritten werden konnten. Die Wunde wurde geheilt; es blieb aber eine entsetzliche Narbe davon zurück, die sein ganzes Gesicht entstellte. Sein Vater, welcher von dem Unglück seines Sohnes Nachricht erhielt, und in Ansehung des Zweikampfs die strengsten Grundsätze hatte, wurde gegen seinen Sohn unversöhnlich erbittert, sagte sich in einem harten Schreiben gänzlich von ihm loß, und schickte ihm zwölf Dukaten mit seinem Fluche belegt, als das lezte und einzige, was sein Sohn von ihm je zu erwarten und zu hoffen habe. K. . . befürchtete wohl nicht ganz ohne Grund, daß seine Brüder, die immer Neid gegen ihn hatten blicken lassen, an diesen harten Entschluß seines Vaters mit Schuld gewesen waren. Diese zwölf Dukaten sind es nun, wovon er in seinen Aufsätzen so häufig spricht, an denen sein ganzes übriges Glück hieng, und die

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sobald nacheinander wegschmolzen. Denn er überließ sich freilich in Wittenberg allen möglichen Ausschweifungen, so weit seine zwölf Dukaten reichten. Die viehische Betäubung, wovon er in seinen Aufsätzen mehrmals spricht, fand besonders bei den Trinkgelagen statt, die in Wittenberg unter den Studenten noch mehr, als sonst irgendwo, üblich sind. Sie sitzen an langen Tischen, berauschen sich in Bier und Taback, und singen dabei die hergebrachten Studentenlieder, welche zum Theil höchst ausschweifend und schmutzig sind. Einer unter ihnen ist der Vorsitzer dieser Gesellschaft. Er hält einen entblößten Degen in der Hand, womit er auf den Tisch schlägt, um Ordnung zu gebieten, kurz, es wird hier nach Regeln getobt, und es ist einige Methode in dieser Tollheit. Auf diesen entblößten Degen werden nachher zum Zeichen der Ehrfurcht gegen den Landesherrn die Hüte gespießt, welche alsdann unter vollem Gesange regelmäßig wieder abgenommen, und einem jeden der seinige auf den Kopf gesezt wird. Wer bei einem solchen Trinkgelage wider die Regeln des Trinkens anstößt, der muß dafür zur Strafe wieder t r i n k e n , und trinken und berauscht seyn ist der lezte Zweck, worauf sich alles bei diesen wilden Bachanalien hinbezieht. – Am Ende erfolgt denn ein solcher Zustand der viehischen Betäubung, wovon K. . . so oft in seinen Aufsätzen redet, und worin er immer am Ende eines solchen Trinkgelages, wobei er gewöhnlich den Vorsiz führte, zu gerathen pflegte. Diese Trinkgelage dauerten bis nach Mitternacht: dann wurde bis tief in den Tag hinein geschlafen, und der Gedanke des Erwachens war stets bittere Reue über das Vergangene, deren Stachel durch nichts anders, als andre Betäubungen abgestumpft werden konnte, die man denn ängstlich suchte, um wo möglich, sich selbst zu entfliehen. So brachte nun K. . . seine Zeit in Wittenberg fast in einem beständig fortdauernden Wahnwiz zu, der nur zuweilen durch einige wenige gute Zwischenstunden unterbrochen wurde, in denen er auch das niederschrieb, was ich aus seinen Papieren mitgetheilt habe.

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Eine Stelle in diesen Aufsätzen deutet auf eine Liebe, woran er sich mit Wemuth zurückerinnert. Er hatte, da er noch das Gymnasium in Breslau besuchte, eine Bekanntschaft gemacht, die ihm auf keine Weise zum Nachtheil gereichte, sondern dazu diente, ihn von den gewöhnlichen Ausschweifungen der Jugend zu bewahren. Diß war ein junges geistvolles Frauenzimmer, die Tochter eines nahen Anverwandten, bei dem er Tisch und Wohnung hatte. Man bemerkte mit Wohlgefallen die Zuneigung dieser beiden jungen Personen gegen einander, und machte sich die angenehmsten Aussichten auf die Zu-kunft. K. . . war in Breslau glücklich: denn er liebte und wurde geliebt, und dies dazu von einem vortrefflichen Frauenzimmer. Die Zufriedenheit, welche diß in seinen Innern erweckte, machte ihn thätig, und spornte ihn zum Fleiß an. Er war einer der vorzüglichsten Schüler des Gymnasiums, und erhielt, da er dasselbe verließ, von allen seinen Lehrern einmüthig das rühmlichste Zeugniß. Die Liebe zwischen ihm und Friederiken, so hieß seine Anverwandtin, war von der ruhigen und edlen Art; er verließ sie mit Fassung, um ihrer noch würdiger zurückzukehren, und sie – sezte kein Mißtrauen in seine Vorsätze, und war auch ruhiger, da er von ihr Abschied nahm, als sie glaubte, daß sie seyn würde: sie wußte ja, er werde in keine andere, als in ihre Arme zurückkehren, wenn er zurückkehrte. – Aber ach! sie wußte, sie ahndete nicht, daß er nie zurückkehren, daß er fern von ihr, verlassen ohne Trost und Zuspruch bis zum niedrigsten Stande hinuntergedrückt, seine lezten Tage in Kummer und Kränklichkeit zubringen, und auf dem Kirchhofe eines kleinen unbedeutenden Städtchens, dessen Nahmen er damals vielleicht noch nicht einmal gehört hatte, sein Grab finden würde. Er war ein edler, glücklicher und zufriedner Jüngling, da er Breslau verließ – aber die Universität war die Klippe, an welcher er scheiterte. Hier wurden alle seine guten Vorsätze allmälig wankend gemacht. – Der Orden der Inviolabilisten, in den er erstlich bloß aus Gefälligkeit gegen einige seiner Landsleute, trat, erweckte bald schlummern-

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de Begierden wieder in seine Seele; den Wunsch des Soldatenlebens, oder vielmehr den Wunsch, Gelegenheit zu haben, Muth und Herzhaftigkeit zu zeigen, sey es auch wo es wolle; durch die sanften Empfindungen einer edlen gemäßigten Liebe, nahm dieser Trieb bei ihm einigermaßen ab, doch war es ihm stets, als ob derselbe ungenuzt bei ihm schlummerte; und dies erweckte ihm in manchen Stunden ein gewisses unbehägliches Gefühl, wovon er sich die Ursach oft selbst nicht zu erklären wußte. Wenn er sich gleich durch Kenntnisse, Ehre und Beifall zu erwerben strebte, so blieb – sein Muth, seine Herzhaftigkeit doch immer unerkannt und ungenuzt – und doch besaß er diese im höhern Grade, als Hang zum Nachdenken, und ausdauernden Trieb zu den Wissenschaften. Was Wunder also, daß der Inviolabilistenorden, dessen Losung war: E i n e r f ü r a l l e , u n d a l l e f ü r e i n e n ! plözlich den glimmenden Funken in seiner Seele wieder anfachte? da überdem der Gegenstand seiner Liebe entfernt, und sein Herz überdem von Natur mehr den heftigen, als den sanften Leidenschaften eröfnet war. – Was Wunder, daß er im Taumel dieser Leidenschaft seine Liebe zwar nicht vergaß, aber diese doch nicht mehr der herrschende Gedanke in seiner Seele blieb. Der hämische Pohle, mit welchem er sich schlug, (D. . . war sein Nahme, und er steht jezt in einer schlesischen Stadt in einer ansehnlichen Bedienung) hatte nicht sowohl ihn, als in ihm den Orden der Inviolabilisten beleidigt, und K. . . spielte hier zu seinem immerwährenden Verderben den Don Quixote, und diß bloß, aus dem unwiederstehlichen Drange, M u t h u n d H e r z h a f t i g k e i t , s e y e s auch wo es wolle, zu zeigen. – Weil er sein Leben auf keine edlere Art in Gefahr zu setzen Gelegenheit hatte, so sezte er es zur Vertheidigung eines kindischen Spielwerks unbärtiger Knaben auf die Spitze, und war ein Opfer seiner Thorheit, oder vielmehr der Umstände und Verhältnisse, die ihn aus seiner eigentlich für ihn bestimmten Sphäre gehoben, und in eine andre hingedrängt hatten, die für seinen emporstrebenden Geist zu enge war.

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Diß alles hätte freilich für ihn keine nachtheiligen Folgen haben können, wenn er von Natur weise gewesen wäre; aber das war er nun einmal nicht, und da ihn das Schicksal weise machen wollte, und zu dem Ende sein stolzes und großes Herz gar zu sehr demüthigte, so brach es. – – Nicht viele bestehen in der harten Probe des Schicksals. – Wen es faßt, den faßt es mit eiserner Hand, und wessen Kräfte dann zum Unglück gelähmt sind, der muß unwiderstehlich erliegen. Das eiserne Schicksal macht es, wie die rauhen Spartaner, die ihre neugebohrne Kinder in eiskaltes Wasser tauchten: hielten sie die Probe aus, so wurden sie stark und dauerhaft; hielten sie sie nicht aus, so war an ihnen nicht viel verlohren. – – Um ein interessantes Schauspiel darzubieten, werden die unglücklichen Schwimmer in diesem Ocean des Lebens den wilden Wogen überliefert, wer untersinkt, sinkt unter, wer sich rettet, der rettet sich. Um sie über Klippen und Felsen, und durch rauhe Gegenden zur Glückseligkeit zu führen, macht das Schicksal Ve r s u c h e mit den Menschen, wovon tausende mißlingen, indeß einer gelingt.

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Die Abenddämmerung. An *** Als gestern das rothe Gewölk, im Glanz der Abendsonne aufgethürmt über der Stadt ruhte, die mit ihren Mauern und Thürmen im wunderbaren Widerschein da stand, und ich draußen auf dem Felde umher ging, und in die Vergangenheit und in die Zukunft blickte, so wurde mir alles weit lebhafter und rührender, wie sonst. Eine stille Wehmuth bemächtigte sich meiner. Kann man denn auch durch den Anblick einer schönen Aussicht zu Thränen gerührt werden?

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Ja, durch den Anblick einer d ä m m e r n d e n Aussicht – – wenn man so weit, so weit, in die Ferne blickt, bis dahin, wo sich der Horizont in dünne Wölkchen und röthliche Streifen verliert; dann ist es, als ob nur noch etwas fehlte, um den Vorhang aufzuziehen, durch den wir gern in eine schönre Zukunft blickten. Wir fühlen uns hier so umgrenzt, durch diesen umschließenden Dunstkreis, der unsre Aussicht hemmt. – Wir möchten gern da, und dort, und allenthalben seyn, und sind doch immer nur auf d e m e i n z i g e n F l e c k , der unser Daseyn eingeschränkt. Nie ist ein Blick in die Ferne lebhafter, als des Abends bei Sonnenuntergang, – daher erwacht denn oft mit einmal das ganze Gefühl unserer Einschränkung, wodurch uns die Ferne allein zur Ferne wird, mit der heissen Sehnsucht, diese Ferne in N ä h e z u verwandeln. – Die Zukunft, so wie die Gegenwart an unsre Brust zu drücken, und auf e i n m a l das zu seyn, was wir sind und seyn sollen. Wenn irgend eine Zeit vorzüglich fähig ist, den Geist mit großen und erhabnen Empfindungen zu nähren, so sind es die Stunden der Abend- und Morgendämmerung, weit mehr, als die Stunden der Nacht. In diesem sanften unmerklichen Uebergange vom Lichte zur Dunkelheit, und von der Dunkelheit zum Lichte findet sich die von den Geschäften des Tages zerstreute, oder vom Schlummer der Nacht noch halb betäubte Seele in stille Selbstgefühle wieder, sie sammlet ihre Gedanken zum Gefühl der vorüberfliehenden Gegenwart – sie denkt drei große Begriffe zusammen: ist – war – und wird seyn. Die Dämmerung ist – die Klahrheit war – die Nacht wird seyn. Die Nacht war – die Dämmerung ist – der Tag wird seyn. Das Seyn eines Tages wird hier gleichsam in seinem Fluge aufgehalten, und in dem Punkt seines Uebergangs vor unsern Augen gebracht. Wir sehen nach und staunen, und staunen – Nun ist die Sonne untergesunken, das Blendwerk eines Tages ist entflohen, das täu-

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schende Phantom ist verschwunden, und wir blicken ihm voll Sehnsucht nach.

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Nach Hanns Sachs. Come what come may Time and the Hour runs through the roughest day.

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Shakespear. Still und einsam für sich wandeln, Immer nach Gewissen handeln, Die gerade Straße gehn; Niemand neben sich verachten, Noch nach hohen Dingen trachten, Das ist edel und ist schön. Dieses giebet innern Frieden, Macht allein uns froh hienieden In der Unvollkommenheit. – Was hilft alles unser Grämen? Ists nicht besser sich bequemen, Und sich schicken in die Zeit? Rechne nur, wie tausend Stunden, Dir im Hui sind verschwunden, Und doch ist die Zahl nicht klein. – Eh’ noch tausendmal so viele Dir entfliehn – bist du am Ziele, Darum laß das Sorgen seyn! Denn das Sorgen ist nichts nütze, Und du hemmst mit deinem Witze Doch nicht Klag’ und Ungemach – Laß nie allen Muth entschwinden

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Zeit und Stunde muß sich winden Durch den allerrauhsten Tag.

Von der Heilkunde der Seele.

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Laßt uns also untersuchen, welcher wichtigen Heilmittel denn die Philosophie gegen die Krankheiten der Seele sich bedient – denn es giebt gewiß eine Arznei für die Seele; und die Natur kann unmöglich gegen das menschliche Geschlecht so hämisch und feindselig gesinnt gewesen seyn, daß sie für den Körper so viel heilsame Dinge, und für die Seele nichts dergleichen besorgt hätte. Dem Körper kann nur von außen her zu Hülfe gekommen werden, was die Seele beglückt, ist in ihr selbst verschlossen. Je größer aber ihr Vorzug vor dem Körper, und je göttlicher ihr Ursprung ist, mit desto mehr Aufmerksamkeit verdient sie behandelt zu werden. Eine wohl geordnete Vernunft entdekt immer, was das beste sey: da sie hingegen, sobald sie vernachläßigt wird, sich in unzählige Irrthümer verwickelt. Die Heilungsarten der verschiedenen Krankheiten der Seele aber, sind eben so verschieden, als diese Krankheit selber. Jede Traurigkeit kann nicht durch einerlei Bewegungsgrund gestillt werden. Der Traurende, der Bemitleidende, der Beneidende, bedürfen jeder einer andern Arznei. Das aber ist immer die gewisseste und sicherste Kur, wenn man den Kranken belehrt, daß die Unordnung in seiner Seele, mag sie auch entstehen woher sie wolle, an und für sich selbst schon ein Fehler, und weder nothwendig noch natürlich sey. Oft scheint es, als ob wir die Traurigkeit selbst dadurch lindern können, wenn wir den Traurenden ihre weibische Schwachheit vorwerfen, und hingegen die Standhaftigkeit und Seelengröße dererjenigen loben, die gegen die Schicksale, denen der Mensch ausgesezt ist, nicht murren.

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– – Wir wollen, daß derjenige, den wir einen weisen und edlen Mann nennen sollen, standhaft, ruhig und gesezt sey. Ein solcher aber darf weder traurig, noch furchtsam seyn, er darf weder etwas zu heftig wünschen, noch sich zu heftig freuen, wenn er das Gewünschte erlangt hat: denn, das thun nur diejenigen, welche glauben, daß ihre Seelen nicht über die menschlichen Schicksale erhaben sind. Die sicherste Heilart der Seele ist die, daß man ohne darauf zu sehen, woher die Unordnung in ihr entstehe, von dieser Unordnung selbst, als von etwas Verwerflichem rede, und ihr einen Abscheu dagegen beizubringen suche.

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Zusatz. Woher kann aber der Seele ein Abscheu vor der Unordnung, welche in ihr herrscht, beigebracht werden, wenn das unangenehme Gefühl von dieser Unordnung selbst nicht fähig ist, ihr einen Abscheu dagegen beizubringen? Und, wenn diese Unordnung durch die Länge der Zeit gleichsam mit ihrem Wesen einstimmig geworden ist, und daher von ihr selbst gepflegt und genährt wird? –

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Einundzwanzigstes Stück.

Noch etwas aus K. . .s Papieren. Koswig, den – – Muß nicht der Mensch immer im Streit seyn auf Erden? Dieser Kampf mit mir selbst – wird er ewig dauren? Wird dieß Herz nie ruhig werden, als bis die Erd’ es deckt?

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Kampf mit mir selbst? – was ist das? – Denk’ ich mir was bei dem Worte? oder ists ein leerer Schall, den ich nachbete? – Kampf mit mir selbst! Gehören zu einem Kampf nicht zwei? – Zwei kann in Ewigkeit nicht eins, und eins kann nicht zwei werden – Bin ich denn zwei Wesen, oder bin ich eins? – Schrecklich! schrecklich! – Da steht das Gespenst vor meinen Augen – Ich sehe die Wirklichkeit bei der Unmöglichkeit – eine fürchterliche Erscheinung, die alle meine Gedanken zerrüttet, und mich dem Wahnwitz nahe bringt. Hab’ ich denn also nur eine halbe Ichheit? – Ist mein Ich in seinem Bau verunglückt, daß es immer drohet, sich wieder aufzulösen; daß es keine innere Haltung und Festigkeit hat. Ja es ist nur zu wahr: daß ich mir selber ein Phantom, ein leeres Blendwerk bin, das mir in jedem Augenblick entschlüpft, wo ich es mit aller Stärke meiner Gedanken festhalten will. Und wie soll das endlich werden? Soll dieser Streit immer dauren? Soll diese Qual niemals enden? Wer kann sie enden? Wer wird sie enden? Die Allmacht thut es nicht? Die Ohnmacht kann es nicht? Also wird sie immer dauren – – Weh mir! daß ich gebohren ward! Ha, dieser ewige Krieg aller Wesen gegen einander kehrt sich bis in ihr innerstes Eingeweide. Der Nordwind kämpft mit dem Südwinde, der West mit dem Ost, unter ihrem schrecklichen Flügelschlag wird die Eiche zersplittert, und das Haupt der Blume zerknickt. Aber wenn auch alle Winde ruhen, so muß doch der Eichbaum endlich in seinem innersten Stamme faulen, und die Blume muß in ihren Stengeln und Blättern welken –

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Die zusammenhaltenden Kräfte lassen allmälig nach; das Harmonische geräth in Streit miteinander und die Auflösung ist da. – Schwerdt und Kugel zerstört die Körper der Menschen von außen; das Gift der Krankheit zerstört sie von innen – So wie die Körper der Menschen von außen her miteinander in Streit gerathen, so gerathen wieder die ursprünglichen Bestandtheile jedes einzelnen Körpers miteinander in Streit, und reiben sich einander auf. Wie die Gedanken mancher Menschen untereinander kämpfen, und Unheil und Verderben über die Welt bringen; eben so kämpfen die Gedanken eines jeden Einzelnen wieder selbst gegeneinander, und bringen Unglück und Verderben über sein Haupt; da ist nichts, als allgemeiner Krieg, allgemeine Zerstörung, welcher endlich eine allgemeine Auflösung der Dinge, und der schreckliche nahmenlose Ueberrest einer zerstörten Welt folgen muß. Die Sünde lockt, in Miltons verlohrnem Paradiese, den Tod auf die Oberwelt, und das hagre Gespenst antwortet ihr: Geh nur voran! ich werde sicher nicht Dir nachzufolgen zaudern, noch des Weges Verfehlen, welchen du mich führst – so lieblich Duftet der Geruch vom Aas, und von der Beute Die meiner wartet, mir schon jezt entgegen. –

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So sprach er, und mit innigem Wohlbehagen Schlürft’ er von allen Dingen, die auf Erden lebten, Den reizenden Geruch des Todes ein, Dem sie von nun an unterworfen waren. So wie ein Heer von Raben und von Geiern, Obgleich noch viele Meilen weit entfernt, Durch den Geruch noch lebender zum Tode Bestimmter Leichname angelockt, in ein Gefilde, Wo Kriegesheere sich gelagert haben, Den Tag vorher, eh noch die Schlacht beginnt, Geflogen kömmt – so roch die scheußliche Gestalt Und kehrte seine Nasenlöcher weit empor

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In die mit schwarzen Dampf erfüllte Luft, Und spürt’ in solcher Ferne seine Beute auf. – – Da nun Im Paradieß das höllische Paar anlangte, Die Sünd’, und hinter ihr der Tod, der Schritt Vor Schritt’ ihr folgte, obgleich er dann noch nicht, Sein falbes Roß bestiegen hatte, sprach Die Sünde so zu ihm: Du zweiter Sprößling Aus Satans Stamm, du allerverschlingender Tod, Was dünkt dich nun zu unserm Reiche, welches Mit schwerer Arbeit wir errungen haben, Ists nicht weit besser als dort auf der Schwelle Des Höllenthors stets Wache sitzen, weder Gefürchtet, noch berühmt, und du stets halb verschmachtet. Und zu der Mutter sprach das grinsende Ungeheuer, Mir, welchen ew’ger Hunger quält, ist Hölle Und Paradieß und Himmel gleich, am Besten Find ich mich, wo’s viel zu verschlingen giebt, Hier ist wohl Ueberfluß – doch ists zu wenig Um diesen Magen, diesen ungeheuren, Hautlosen Körper vollzustopfen. – Zehre, Gab die blutschänderische Mutter ihm zur Antwort, Nur erst an diesen Kräutern, diesen Früchten, Und Blumen, dann an Thieren, Fisch und Vögeln, Auch Bissen, die nicht zu verachten sind! Und alles, was die Zeit mit ihrer Sense Darnieder mäht, das schone nicht, verschling’ es – Bis ich im Menschen wohnend, durch Geschlechte All’ seine Blicke, Worte, und Gedanken Verpeste, und ihn dir zum lezten, süßen, Und angenehmsten Bissen zubereite. So sprachen sie, und gingen auseinander Verschiednes Weges beides zu zerstören,

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Und zur Zerstörung früher oder später Die Wesen alle reif zu machen. –

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Und diese Sünde wohnt in mir – und dieser Tod folgt ihr auf dem Fuße nach – die herannahende Zerstörung meines Körpers, den dieß endlose Toben der Leidenschaft in meinem Innern zu Grunde richtet. O, das Gedicht ist zur Wahrheit geworden, und die Wahrheit zum Gedichte. Alles Gute, Schöne, Zusammenhängende reißt, fliegt auseinander vor meinen Blicken – das scheußliche Gerippe, das hagre Gespenst bleibt übrig – es steht da vor mir, und grinset mich an – es ist allein wirklich – alles übrige war Blendwerk und Täuschung. den – – Welche Qual ist es, zu leben, und ein Bein oder einen Arm, oder gar den Gebrauch eines Sinnes verlohren zu haben. Welche Qual würde das Denken für den seyn, der Mahlerei, Musik und Beredsamkeit in sich vereinigt hätte, und nun plözlich blind, taub und stumm geworden wäre, indes der Sinn für die Schönheiten des Gesichts, des Gehörs, und der Rede nichts von seiner Lebhaftigkeit bei ihm verlohren hätte, und sein Bedürfniß noch immer dasselbe wäre. Gesezt noch dazu, daß seine Seele nie im abstrakten, metaphysischen Denken geübt worden ist, sondern den Hang hatte, alles auf sinnliche, anschauende Erkenntniß, und auf den Moment des wirklichen Genusses zurückzuführen. Würde für einen solchen, das ihm übriggebliebene Denken noch wohl eine Wohlthat seyn. Raubt uns nicht die Natur selbst zu der Zeit unser Bewußtseyn, wenn wir wegen der uns umgebenden Dunkelheit und Stille der wenigsten sinnlichen Eindrücke fähig sind, und unser Denken selbst uns die unausstehlichste Langeweile machen würde; und wir sollten unser Bewußtseyn unsre Denkkraft behalten, wenn wir gar keinen sinnlichen Eindruck mehr haben? Wir sollten ewig ohne Abwechselung, ohne Neuheit, immer nur an dem Vergangenen wiederkäuen?

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Wir sollten nicht nur eine Hand, einen Fuß ein Auge, dessen Entbehrung so manchen das Leben schon schwer macht, sondern den ganzen Körper entbehren – und leben – sollten sehen wollen, ohne Augen, hören wollen, ohne Ohren, reden wollen, ohne Mund, uns fortbewegen wollen, ohne Gliedmaßen? – – Ewige, schreckliche Langeweile müßte ja unser Looß seyn, wenn nichts, als Denken uns übrig bliebe – aber bleibt uns auch das nicht, o dann sind wir ja auf immer geborgen – dann ist das Fieber des Lebens vorüber, und wir sind von der giftigen Krankheit unsrer Existenz auf einmal geheilt. Eine Pest, eine Krankheit ist dieß Daseyn für den, der mit sich selbst nicht einig ist, ob er ein Bösewicht oder ein Heiliger seyn will. Glücklich ist der Bösewicht, glücklich der Heilige, der Märtyrer auf der Säule. Nur der Unentschlossene, nur der Wankende ist unglücklich. In seiner Brust ist die Hölle – bei ihm ist das Elend eingekehrt, und hat seine Behausung bei ihm aufgeschlagen. O Wankelmuth, Wankelmuth! du ärgster boshaftester Feind der schwachen Sterblichen, wie manche Opfer sind dir schon gefallen, und wie viele werden dir noch fallen, bis das Ende der Tage kömmt! Das Ende der Tage! was ist das? Wenn kein Sonnen Auf- und Untergang, kein Monden- und Jahreswechsel, wenn keine Zeit mehr seyn wird. – Wird das einmal nicht mehr seyn, oder wird dieser Lauf der Dinge ewig dauren? auch wenn ich schon wieder Staub bin? Und wenn ich Staub bin, was bin ich dann? was ist der Staub, auf den ich trete? Ist er etwas oder ist er nichts? Oder ist er der Uebergang zum Nichts? Zu Staub werden – zu Nichts werden – Zu Staub, zu Asche werden, die in alle vier Winde verstreut wird – was ist dieß anders als Vernichtung? giebt es noch ein andres Nichts? Ist hier noch etwas festes und bleibendes? Was vorher ineinander war, ist auseinander. Die angenehme Täuschung von Verschiedenheit und Mannichfaltigkeit ist verschwunden – die Theile sind sich wieder alle gleich. – Das was ehemals Stengel, Blatt, Hand, Fuß, oder Finger war, ist nun nicht mehr voneinander zu unterscheidender

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S t a u b – Ve r w e s u n g – N i c h t s . Wie fließen die Begriffe ineinander! Wo die wenigsten Unterschiede sind, da ist die Grenze des Nichts, wo aller Unterschied aufhört, da beginnet das Nichts Das schreckliche Unbekannte, Nahmenlose – die fürchterlichen Geheimnisse, welche eine ewige Nacht verdeckt – den – – Ha – ich will den Schleier hinwegreissen; ich will mich nicht länger durch dieß Blendwerk täuschen lassen – Ich will in die grauenvolle Werkstatt blicken, wo Krankheit, Pest, und Theurung, Krieg und Unheil, Tod und Verderben geschmiedet werden. Da ist das enge Gewölbe, da glüht der Vulkan – da stehen die drei schrecklichen Unbekannten, und heben Schlag auf Schlag die schweren Hämmer – Hätt’ ich doch nie geglaubt, daß die Werkstatt so enge, der Ofen so klein, und der Ambos so niedrig wäre, an welchem diese drei schrecklichen Meister des Schicksals stehen, und schmieden in alle Ewigkeit. – Also von hieraus wird diese ungeheure Weltmasse regiert? – Das ist die allmächtige, einzig unzerstörbare Werkstatt? – Was hebt denn diese drei schrecklichen Hämmer stets empor, und läßt sie wieder niedersinken? Sind das Arme, sind das Hände? wie meine Arme, und meine Hände? Es sind Arme, wie meine Arme; und Hände, wie meine Hände; wer hat denn diese Arme, und diese Hände zu Herren des Schicksals gemacht? Warum soll ich denn Knecht seyn, wenn jene herrschen? Warum soll ich nicht auch mit einem Schlage auf den Ambos Welten

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Dieser Aufsatz ist wenige Wochen vor seinem Tode nach oder während einem heftigen Fieberparoxismus geschrieben. – Man könnte sagen, es sey Methode in dem Wahnwitz.

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entstehen, und Welten zertrümmern lassen? Ist denn mein Arm gelähmt, und hat er nicht Sehnen und Fleisch, wie jene? Euch spreche ich Hohn, ihr drei Meister des Schicksals, die ihr Haut und Fleisch habt, wie ich, und in ewiger Einförmigkeit da steht, und Hämmer auf und niederhebt. Ihr seid die erste Ursach, der erste zureichende Grund von allem, was da ist, wie der Mist von Blumenbetten. – Des faulenden Mists, und der unzusammenhängenden Erdmasse muß v i e l seyn, um eine Blume hervorzubringen – Sehet da eure Welt! – Aus einem ungeheuren Zusammenfluß von Neid, Zwietracht, Krieg, Pest, und Verderben, erwächst einmal eine zweideutige edle That. Freilich ein Wunder, wenn unter dem ungeheuren vielen, sich nicht ein einzigesmal so etwas bildete – Aber da aus der ungeheuren Menge des Schlechten so wenig Edles quillt, so bedarf es keiner lenkenden Vernunft – es kann von selbst aus diesem Schlamme sich entwickeln. – Unter Millionen mißrathenen Zusammenhängungen und Mißgeburten, konnte doch wohl endlich einmal ein Wesen, wie der Mensch entstehen, der nun jede Zusammensetzung, die sich der seinigen nähert, für schön, das heißt, mit sich übereinstimmend hält. Und ihr drei schrecklichen Unbekannten, was ist euch denn schön? Was mit eurem ewigen Auf- und Niedersenken eurer Hämmer, was mit eurer schwarzen grauenvollen Werkstatt, mit eurem engen Gewölbe am meisten übereinstimmt. Ist der gebietende Mensch, und diese schöne Welt etwa ein Fleck in eurem Werke, den ihr wieder austilgen müßt, um das Ganze einförmig zu machen? Arbeitet ihr deswegen mit euren unwiderruflichen Hammerschlägen immer so auf Zerstörung des Lebens, der Mannichfaltigkeit, der Verschiedenheit der Theile hin; weil Einförmigkeit und Gleichartigkeit aller Theile, mit eurer ewigen traurigen Beschäftigung übereinstimmender ist? Tödtet ihr deswegen, wenn ihr könnt, das Leben in seinem ersten Keime, und laßt es nur eine kurze Zeit, den Tod aber immer dauren?

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O, ihr Ohnmächtigen, seyd ihr denn mit eurer immerwährenden Austilgung noch nicht bald fertig – Oder laßt ihr immer wieder wachsen, weil euch das Austilgen Vergnügen macht? Schön!

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Ist euch das schön? – Schön ist mir, was mit meinem Wesen übereinstimmt; Schön ist euch, was mit eurem Wesen übereinstimmt. Mir ist Mannichfaltigkeit, Leben, Bewegung schön. – Warum? – Weil mein Wesen Mannichfaltigkeit, Leben, Bewegung ist. Ist euer Wesen Einförmigkeit, Trägheit, Unthätigkeit; so kann euch ja Leben, Bewegung, und Mannichfaltigkeit nicht schön seyn. Nun ist aber im ganzen Weltall weit mehr Tod, als Leben; weit mehr Einförmigkeit als Mannichfaltigkeit; weit mehr dürrer Sand und Erde, als Blumen und Kräuter; unendlich mehr begrabene Menschen, und verweßte Thiere, als lebende, und athmende Geschöpfe. – Ein wenig Leben muß sich aus einer Masse von umgebenden Tode mit Mühe emporarbeiten; es erhält sich eine Weile mit Mühe, und wird wieder von dem umgebenden Tode verschlungen. – Arme betrogene Sterbliche, die ihr weinend auf die Welt kommt, aus welcher ihr sobald wieder herausgedrängt werdet; ihr wollt noch wähnen, daß Leben Zweck sey? Ihr zwingt euch noch zu Danksagungen für etwas, das euch bei seiner ersten Entstehung schon mißgegönnt wird, und das ihr nur erhieltet, um es sobald wie möglich wieder zu verlieren.

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den – – Sie sind entflohn, Die Stunden, ach! die bangen trüben Stunden – Wohl mir, daß sie entflohen sind. Wünscht’ ich denn wohl, noch einmal diese Stunden Zu durchtrauren? – O nein, sie mögen sinken In jenes Meer, wo Millionen schon begraben sind,

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Ach ließen sie doch auf der Oberfläche Auch nicht die kleinste Spur zurück! – Denn was soll dieses kummervolle Angedenken Mir wohl für Trost gewähren, wenn es öde Und traurig um mich ist; und auch kein Schimmer Von Hoffnung meine trübe Seel’ erhellt. Sie sind ja durchseufzt die bangen Nächte, Wo ich vor Fieberhitze schmachtend lag Vergebens nach Erquickung, und nach Lindrung lechzte, Und nie der Schlaf auf meine Augenlieder sank. Sie sind durchkämpft, die mühevollen Tage, wo am Morgen Ich rechnete, wenn’s Abend wollte werden.

Zweiundzwanzigstes Stück.

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Als nun das heilige Licht in Eden auf den feuchten Blumen zu dämmern anfing; auf den Blumen, welche ihren Morgenweihrauch dufteten; den Weihrauch, welchen alle Wesen die nur duften, vom großen Altar der Natur hinauf zum Schöpfer senden, den sie schweigend loben; trat auch das erste Menschenpaar hervor, und mischte seinen redenden Gesang, anbetend, in die Stimme der Geschöpfe, die nicht reden konnten. Und als sie das gethan, genossen sie der frühen Morgenluft, der ersten süßesten Gerüche, und der sanften Kühlung. Dann besprachen sie sich über die Geschäfte des Tages, und wie sie nun den Tag am besten nützen könnten, um die zunehmende Arbeit zu bestreiten; denn lange war ihr Werk, solch einen weiten Garten zu be-

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bauen, den Händen zweier schon entwachsen. Und Eva fing zuerst zu ihrem Gatten also an: Adam, wohl mühen wir uns immer, diesen Garten zu bestellen, alle die Pflanzen und die Blumen abzuwarten, indem wir diese unsre reizende Mühe stets vereinen; aber bis einst mehrere Händ’ uns helfen, nimmt das Werk selbst unter unsrer Arbeit zu, und schießt nur üppiger auf, jemehr wir es beschränken. Den Auswuchs, welchen wir bei Tage mühsam wegzuräumen suchen, und was wir pfropfen oder binden, diesen Fleiß verderben ein paar Nächt’ uns wieder, wo das was wir so sorgsam pflegten, mit üppigem Wuchs aufs neue wild emporschießt. So rathe denn nun, oder höre lieber, was zuerst für ein Gedanke meiner Seele vorschwebt. Laß uns lieber unsere Arbeit theilen, du, wohin dich deine Neigung führt, oder wo’s am meisten nöthig thut, entweder das Geisblatt dort um jenen Baum zu flechten, oder den umschlingenden Epheuranken zu zeigen, wo hinauf sie klimmen sollen; indeß, daß ich in jenem Beet von Rosen untermischt mit Myrthen, sehe, was ich bis Mittag etwa ordnen kann. Denn weil wir Tag für Tag so nah einander unsre Arbeit suchen, was Wunder, wenn, so nah’, zu oft sich unser Lächeln und unsre Blicke sich begegnen, zu oft ein neuer Gegenstand uns zum Gespräch verleitet, als daß wir merklich unsre Arbeit fördern könnten; so daß uns stets zu früh die Abendstunde schlägt, wenn wir auch noch so früh gleich unser Tagewerk beginnen. Und Adam gab die milde Antwort ihr zurück: Eva, du einzige Gesellin meiner Tage, mir über alles werth, was lebt auf Erden. Sehr wohl hast du gesprochen, und nicht unweis’ ausgedacht, wie wir am besten das Werk vollenden mögen, das Gott uns aufgegeben hat; auch soll dein Rath von mir nicht ungepriesen seyn: denn nichts ist liebenswürdiger an einem Weibe, als wenn sie ihrem Haushalt gut vorsteht, darüber nachdenkt, und bei ihrem Mann’ auch gutes Werk hervorzubringen strebt. Allein mit solcher Strenge hat Gott die Arbeit uns nicht vorgeschrieben, daß sie uns hindern sollte, der Erholung zu genießen; sey es nun durch den Genuß der Speisen, oder durch ein freundliches Gespräch, das Nahrungsmittel für die Seele, oder sey es

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dieser süße Wechsel unsrer Blicke, unsers Lächelns; denn das Lächeln ist die Tochter der Vernunft, den Thieren nicht gewährt, es ist die Nahrung selbst der Liebe, und Lieb’ ist doch der lezte Zweck des Menschenlebens nicht. Denn nicht zu ängstlicher, mühsamer Arbeit, sondern zum Vergnügen schuf er uns, und das Vergnügen knüpft’ er selbst an die Vernunft. Diese Weg’ und diese Lauben, zweifle nicht, daß unsre Hände sie vereinigt, ohne Mühe, vor wildem Auswuchs schon bewahren werden, so weit wir für uns selbst der Gänge nöthig haben, bis jüngere Händ’ einst über lang uns unterstützen: Doch sollte zu viel Umgang vielleicht dir Ueberdruß erwecken, so will ich gern in eine kurze Trennung willigen; ist doch zuweilen unser bester Freund die Einsamkeit, und die Entfernung drängt zur süßen Wiederkehr. Aber andre Zweifel machen mich besorgt, daß nicht ein Unfall etwa dir begegnen möchte, wenn du von mir getrennt bist. Wofür wir einst gewarnt sind, weißt du wohl; welch ein boshafter Feind, der unser Glück beneidet, weil er an seinem eigenen verzweifelt, uns Schand’ und Unglück zu bereiten sucht, durch seinen listigen Angriff – und ohne Zweifel lauert er irgendwo hier in der Näh’ uns auf mit gieriger Hoffnung, einst nach seinem Wunsch und Vortheil uns getrennt zu finden, verzweifelnd, daß er uns vereint berücken werde, weil einer dann dem andern schleunig im Nothfall Hülfe leisten könnte. Sein erster Anschlag mag nun seyn, zum Ungehorsam gegen Gott uns zu verleiten, oder unsre eheliche Liebe zu zerstören, die vielleicht von allen, dessen wir uns freuen, am meisten seinen Neid erweckt. Dieß oder gar noch etwas schlimmeres mag sein Anschlag seyn, so weiche nie von dieser treuen Seite, die dir das Daseyn gab, und dir noch immer Schutz und Schatten giebt. Wo Schaden und Gefahr im Finstern schleicht, da steht das Weib am sichersten und besten an ihres Mannes Seite, der sie schützet, oder auch das Schlimmste mit ihr duldet. Ihm gab Eva’s jungfräuliche Majestät, gleich einer, welche liebt, und sich nicht zärtlich gnug behandelt glaubt, mit süßem Ernst, darauf zur Antwort:

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O du, dem Himmel und der Erd’ entsproßner, und Herr der ganzen Erde! daß solchen Feind wir haben, der unser Unglück sucht, erfahr’ ich jezt von dir, und hab’ es auch von dem Engel, da er von dir schied, halb überhin gehört, als ich in einem schattigten Winkel hinter euch lauschend stand; beim Schluß der Abendblume war ich gerade noch zurückgekehrt. Doch daß du deshalb meine feste Treue gegen Gott und dich bezweifeln solltest, bloß weil ein Feind sie auf die Probe stellen kann, das glaubt’ ich nicht von dir zu hören. Gewalt kannst du von ihm nicht fürchten, weil wir des Todes und der Schmerzen nicht fähig sind, und wenn wir die Gewalt gleich nicht vertreiben, sie uns doch nimmer schaden kann. Du fürchtest also seine List, und dieß beweißt ja deutlich deine Furcht, daß meine feste Treu und Liebe durch seine List erschüttert, und ich von ihm verleitet werden könnte. Das sind Gedanken, – ach wie konnten sie in deine Seele kommen! So von der zu denken, die dir so lieb ist. – Worauf mit sanften heilenden Worten Adam sprach: Du, Gott und deinem Mann’ entsproßne, Eva, unsterbliche, das bist du, ganz von Sünd’ und Flecken leer; nicht Mißtrauen ist es, daß ich dir mißrathe, aus meiner Gegenwart dich zu entfernen; es ist, um die Versuchung selber zu vermeiden, die unser Feind erdacht hat. Wer zu verführen sucht, ist gleich sein Anschlag fruchtloß, befleckt doch immer dessen Ehre, den er zum Gegenstande der Verführung macht, indem er doch vorauszusetzen scheint, daß seine Treue nicht ganz unbestechlich sey, und gegen die Versuchung nicht die Probe halten werde. – Du würdest mit Verachtung und mit Zorn, selbst den Versuch dich zu verleiten, tief empfinden, wenn der Versuch gleich nicht gelänge. Mißbill’ge darum meine Sorgfalt nicht, wodurch ich dich vor solcher sträflichen Versu-chung, allein, zu schützen suche, die gegen uns, wenn wir vereint sind, unser Feind, sey er auch noch so dreist, wohl schwerlich wagen wird; oder wagt er sie, so soll sein Angriff denn doch mich erst treffen. – Verachte du auch seine Bosheit nicht, und seine falsche List. Fein mußte der betrügen können, dem es selbst Engel zu verführen einst gelungen ist; auch halte fremden Beistand nicht für überflüßig. Wird mir doch durch den Einfluß deiner Blicke jede Tu-

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gend leichter? Fühl’ ich mich doch in deiner Gegenwart stets weiser, wachsamer, und s t ä r k e r , wenn äußere Stärk’ einst nöthig wäre; weil Scham, wenn du es ansähst, Scham überwunden oder übertroffen mich zu sehen, alle meine schlummernde Kraft erwecken, und sie auf einen Punkt zusammenhalten würde. Warum solltest du in meiner Gegenwart nicht auch das gleiche fühlen, und deine Probe nicht mit mir bestehen wollen, mit mir, dem besten Zeugen deiner wohlbewährten Tugend? (Die Fortsetzung folgt.)

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F. . .s Geschichte. Vielleicht wünschen einige meiner Leser etwas mehr von dem Schicksale des F. . . zu erfahren, an welchen der unglückliche K. . . in seinem lezten Briefe schrieb: er habe, wie Lear sagt, nur noch eine Faser von seinem Herzen übrig, und die blute für ihn, weil er ihn mit schnellen Schritten seinem Verderben entgegen eilen sähe. F. . . war damals dem äußern nach in sehr guten Umständen. Allein das übereinstimmende Verhältniß seiner innern Seelenkräfte zu einer zweckmäßigen Thätigkeit hatte schon damals einen gewaltigen Stoß erhalten, und war so zerrüttet worden, daß schwerlich eine vollkommene Wiederherstellung je zu hoffen war. Das war die innere Krankheit, die unheilbare Seelenlähmung, welche K. . . aus eigner Erfahrung kannte, und deren Daseyn bei seinem Freunde ihm nur zu sehr einleuchtete. Darum wurde er an ihm zu einem Unglückspropheten, der leider nur allzuwahr sagte. Denn ach, schon lange ist F . . in den Abgrund gestürzt, vor welchem ihn K. . . damals warnte: schon lange ist er, wie jener ein Opfer seiner Unentschlossenheit, und seiner wankenden Thatkraft geworden.

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Er hatte damals Mitleiden mit dem unglücklichen K. . ., und bedauerte ihn, weil er sich vor jenem glücklich hielt, und auch nicht einmal dunkel ahndete, daß ihn einst ein ähnliches Schicksal treffen würde. – Denn er besaß auf allen Fall ein nicht ganz unbeträchtliches Vermögen, das ihn auch bei gänzlicher Unthätigkeit wenigstens vor dem Mangel sichern konnte, und worüber er bis dahin noch nicht Herr gewesen war. Aber dieß beruhigte ihn nicht. Er fing schon damals an, sich oft ganze Tage in dem schrecklichen Zustande zu befinden, der allein das w i r k l i c h e E l e n d in der Welt hervorbringt; in dem Zustande eines unbestimmten, auf keinen festen Gegenstand hingerichteten Thätigkeitstriebes, der seine Kraft gegen sich selbst kehrt, weil sie nicht nach außen zu wirken kann, und der den Wankenden und Unentschlossenen in jedem Moment seines Lebens mit sich selbst unzufrieden macht. F. . . konnte ganze Tage über ausschweifend lustig und aufgeräumt, und doch dabei im Grunde keinen Augenblick vergnügt seyn. Seine ausgelassene Lustigkeit war nichts, als übertünchter Verdruß und Unzufriedenheit mit sich selber. Kein Vergnügen, das er genoß, e r f ü l l t e jemals seine Seele; es blieb immer eine Lücke, eine Leere in seinem Herzen übrig, die ihn verdrüßlich und mißmuthig machte, und ihn keine reine unvermischte Freude mehr genießen ließ. Das macht, es ging ihm, wie K. . ., seine süßeste Hoffnung, die Blume seines Lebens war zerbrochen. Er liebte in B. . . ein Mädchen, von vortreflichem Geist und Herzen. Nachdem er kaum ein Jahr von der Universität zurück war, eröfnete sich ihm eine Aussicht zu einem Amte, welches ihm zu dem baldigen Besitz dieses Mädchens die gegründetste Hoffnung machte. Izt kam alles darauf an, daß er dieß Amt erhielt, und sein Glück war auf Lebenslang gemacht; durch eine auf wahres Verdienst und Vorzüge gegründete Liebe, fühlte er seine Brust zu einer edlen Thätigkeit belebt. Er dachte eine rühmliche Laufbahn zu betreten, und weidete sich im voraus mit dem süßen Gedanken, den Lohn seiner Mühe und seiner edlen Bestrebungen, mit dem Gegenstande aller seiner Wünsche und Hoffnungen dereinst theilen zu können.

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Kurz er fühlte damals seine Brust v o l l ; es war keine Leere in seinem Herzen mehr. Ihm gnügte sein Daseyn und sein Leben ganz, so wie es war. Darum hatte seine Thätigkeit, und jede seiner Bestrebungen einen festen Grund. Er handelte im G r o ß e n u n d i m K l e i nen stets so, wie er glaubte, handeln zu müssen. Seine Aussicht zu dem Amte wurde immer wahrscheinlicher und sichrer – die Erwartung seines Glücks stieg aufs höchste; der entscheidende Zeitpunkt war da, wo alle seine Wünsche erfüllt werden sollten – und der schöne Traum war verschwunden; sein ganzes Glück war durch einen Donnerschlag zerschmettert. – Durch ein unerwartetes königliches Kabinetsschreiben, erhielt ein andrer das Amt, wozu ihm die gegründetste Hoffnung gemacht war, und seine Geliebte – heirathete diesen andern. F. . . war großmüthig genug, sie selbst zu diesem Schritt bewegen zu helfen, da alle Umstände sich vereinigten, um ihr jenen Antrag annehmenswerth zu machen. Da es nun aber wirklich geschehen war, was F. . . selbst mit hatte befördern helfen, so gereuete ihn zwar seine Großmuth nicht eigentlich, aber die Freude und Selbstberuhigung darüber war doch auch nicht so groß, daß sie ihm seinen erlittenen Verlust ganz hätte ersetzen können. Wenigstens suchte er sich nun von dem Orte zu entfernen, wo ihn alles an den verflogenen Traum seines Glücks erinnerte, und wo die schönste Blume seiner Hoffnung einmal zerknickt war. Vielleicht blüht mein Glück anderswo! suchte er sich selber zuzurufen; aber es wollte ihm mit diesem Zuruf nie recht gelingen. Es mochte blühen, wo es wollte, so war es doch d a s , d a s nicht, was nun einmal sein g a n z e s H e r z erfüllt hatte; es war d a s s e l b e nicht. – F. . . bemühete sich um eine Stelle auswärts, und es währte auch nicht lange, so wurde er durch Vermittelung eines seiner Anverwandten dem Bruder des Fürsten von *** empfohlen, dessen Privatsekretär er ward. Hier hatte er nun hinlängliche Zerstreuung und Gelegenheit, die große Welt kennen zu lernen.

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Allein da er selbst seine eigne Launen mit sich herum trug, so konnte er sich nicht lange in die Launen seines Prinzen schicken, und gab also binnen kurzer Zeit diesen sonst einträglichen Posten wieder auf. Er fand nun nichts bessers für sich, als noch einmal die Universität zu beziehen, und auf die Weise einen Theil seines Lebenslaufs, der ihn so sehr getäuscht hatte, und in welchem ihm seine Aussichten so sehr mißlungen waren, gleichsam von vorn wieder anzufangen. Er sezte sich gleichsam in seiner Laufbahn freiwillig zurück, um noch einmal, mit besserm Glück wieder vorwärts laufen zu können; oder er wollte, dem Schicksal zum Trotz, gleichsam wieder einen neuen Anlauf nehmen, da er das erstemal von der Anhöhe, die er zu ersteigen suchte, zurückgetaumelt war. Er ging also nach Leipzig; aber seine innere Unruhe, und die Leere in seinem Herzen fing schon an, ihn allenthalben, wo er ging und stand, zu verfolgen; da er überdem nun den Zerstreuungen, die ihm das Schauspiel der großen Welt eine Zeitlang dargeboten hatte, wieder entrissen war. Er ging gleich den ersten Abend in Leipzig in einer ziemlich menschenfeindlichen Laune in die Komödie. Man spielte Minna von Barnhelm. Das Andenken an seine mißlungenen Aussichten, und fehlgeschlagenen Hoffnungen wachte mit seiner ganzen Stärke in seiner Seele auf, und erfüllte sein Herz mit Bitterkeit gegen das Schicksal, gegen die Menschen, gegen alles. Ein Student, der neben ihm stand, drängte auf ihn, er stieß ihn mit dem Ellbogen zurück; der Student beklagte sich laut über seine Grobheit, und F. . . gab ihm eine Ohrfeige. – Man kam dem beleidigten Studenten zu Hülfe. F. . . zog sein Couteau, um sich zu vertheidigen; es entstand ein allgemeiner Aufruhr. Schon kam die Wache, um F. . . zu arretiren, als ihn einige seiner Freunde mit Gewalt fortrissen, und ihm Gelegenheit verschaften, aus der Stadt zu entkommen. So verließ er Leipzig, und kam nach Wittenberg. (Die Fortsetzung künftig.)

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Kannst du dem Stengel Der zerknickten Blume Wieder Lebenskraft Und neue Stärke geben, Daß er sich wie zuvor Unter seiner Last emporhalte, Und sein schweres Haupt Nicht niedersenke? Kannst du das? – O so kannst du auch dem Lebensmüden, Dem Hoffnungslosen, Dessen Stütze zerbrochen, Dessen Stab gewichen, Dessen Thatkraft gelähmt ist, Neuen Muth in die Seele gießen; Kannst die erloschne Flamm’ in seinem Busen Noch wieder anfachen – Kannst den versiegten Quell seiner Freuden Noch wieder herstellen – Kannst – o was kannst du nicht, wunderthät’ger Mann Den ich Trostloser suche, Und nicht finde. –

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Dreiundzwanzigstes Stück.

Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.)

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Soll das denn unser Looß seyn, so zu wohnen: von einem Feinde, sey er listig oder mächtig, in einen engen Zirkel stets beschränkt, und sind wir jeder nicht mit gleicher Kraft begabt, ihm einzeln, sey es wo es wolle, Widerstand zu leisten; wie können wir uns denn noch glücklich preisen, wenn wir von diesem Feinde beleidigt zu werden unaufhörlich fürchten müssen? – Aber nein, Beleidigung geht nie vor der Sünde her: Versucht uns unser Feind, so zeigt er zwar, daß er in unsre Tugend Mißtraun setze; allein dieß Mißtraun selbst kann unsre Tugend nie beflecken, sondern alle Schande davon fällt auf ihn selbst zurück. Weswegen sollen wir ihn also meiden oder fürchten? Wir, denen es vielmehr noch doppelte Ehre bringt, wenn sein Angriff ihm mißlingt, die wir denn innern Frieden finden, und des Himmels Gnade gewiß sind, der selbst dann unser Zeuge ist. Und was ist Tugend, Lieb’, und Treue, die nie allein versucht, sich ohne fremden Beistand nicht aufrecht halten kann? Laß uns dann nicht vermuthen, daß von dem weisen Schöpfer unser Glück so unvollendet gelassen seyn sollte, daß es uns nicht stets gesichert bliebe, wir mögen einzeln oder mögen beieinander seyn. Wenn dieß so wäre, wie zerbrechlich wäre unser Glück? Und würde Eden selbst noch Eden für uns seyn? Mit wärmerem Eifer gab ihr Adam drauf zur Antwort: O Weib, am besten ist alles so, wie Gottes Wille es geordnet hat. Seine schaffende Hand ließ nichts mangelhaft oder unvollkommen, von allem, was sie schuf, am wenigsten den Menschen, noch das, wodurch sein Glück ihm kann gesichert werden, das vor Gewalt von aussen schon gesi-

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chert ist: In ihm, im Menschen selbst liegt die Gefahr verborgen, doch liegt sie innerhalb den Grenzen seiner Kraft auch da: und wider seinen Willen ist er des Bösen nie empfänglich. Allein den Willen ließ Gott frei; denn das, was der Vernunft gehorcht, ist frei, und die Vernunft schuf er gerecht, befahl ihr aber stets auf ihrer Hut zu seyn, und aufrecht sich zu halten, daß nicht durch irgend ein anscheinendes Gut geblendet, sie falsch Befehl austheile, und den Willen unrecht unterrichte, zu thun, was wider Gottes ausdrückliches Verbot ist. Nicht Mißtraun also, sondern zärtliche Liebe ist es, die mir eingiebt, daß ich auf dich, und du auf mich oft achten mögest. Denn stehen wir gleich noch, so ists doch nicht unmöglich abzuschweifen, da die Vernunft gar leicht auf irgend einen reizenden Vorwurf stoßen könnte, den der Feind zur Unterlage braucht, und wodurch sie unvermuthet in die Falle stürzte, weil sie, der Warnung ungetreu, nicht strenge Wache hielt. Such’ also die Versuchung nicht, die zu vermeiden besser wäre, und am besten, wenn du dich von mir nie trenntest: Unaufgesucht wird schon von selbst die Prüfung kommen. Willst du deine Standhaftigkeit erproben, so erprobe doch erst den Gehorsam, der dir näher liegt. Wer kann das andre wissen? wer dir dieß Zeugniß geben, da niemand die Versuchung siehet? – Denkst du aber, daß die ungesuchte Prüfung uns beide sichrer finden möchte, als du nach dieser Warnung doch zu seyn scheinst; geh! denn dein Hierverweilen, sobald es nicht mehr frei ist, entfernt dich nur noch mehr. Geh dann in deiner angebohrnen Unschuld, stütze dich auf das, was du an Tugend hast, versammle alles! Gott hat an dir das seinige gethan, thu’ du das deine! So sprach der Menschen Vater; aber Eva bestand auf ihrem Entschluß, doch mit Unterwürfigkeit, und sprach zu Adam: Da du es also mir verstattest, und so von dir gewarnt, vorzüglich durch die lezten bedeutungsvollen Worte, die du sagtest, daß unsre Prüfung, wenn wir gerad’ am wenigsten sie suchten, uns beide noch vielwen’ger vorbereitet finden möchte, durch diese Worte vorzüglich angefeuert, geh’ ich um desto williger. Auch fürcht’ ich eben nicht, daß ein so stolzer Feind, zuerst den schwächern suchen werde. Doch wenn er’s thut, so wird sein Rückzug ihn so mehr beschämen.

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So sagte sie und zog aus ihres Mannes Hand, sanft ihre Hand zurück. Und leicht und schnell, wie Nymphen des Waldes, gleich der Dryade oder Oreade, oder einer aus Delias Gefolge, entschlüpft sie ins Gebüsch. – –

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Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder.

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Herr Schröder schildert in diesem Stück eine Art von l ü d e r l i c h e m L e l i o , und es hat in dieser Rücksicht mit dem S c h a t z v o n L e s s i n g , und S c h e r i d a n s L ä s t e r s c h u l e fast einerlei Grundlage. Es ist nicht zu leugnen, daß ein zweideutiger Charakter sowohl in den Roman, als in das Schauspiel um destomehr Interesse bringt, je weniger man vorher weiß, wie er bei gewissen Anlässen handeln wird, und je mehr man voller Erwartung auf den Zeitpunkt ist, wo es sich entscheiden muß, ob er im G r u n d e gut oder schlecht ist. Der Dichter hat uns hier ganz in seiner Gewalt, indem er seinen Charakter, für den er uns einmal interessirt hat, zuweilen bis dicht an den Rand der ausgemachten Niederträchtigkeit führt, und uns denn um desto mehr für ihn zittern läßt, jemehr wir wünschten, daß er i m G r u n d e gut seyn möchte. Diese G e f a h r v o n i n n e n kann uns noch weit besorgter machen, als die G e f a h r v o n a u ß e n , welche einer Person, für die wir uns interessirt haben, drohet. Es wird uns schwer, und kostet uns sogar Selbstverleugnung, jemanden, den wir einmal für gut gehalten haben, nun für schlecht zu halten. Dieß macht die Lektüre von S o p h i e n s R e i s e n manchen Lesern unangenehm, weil der V. zu sehr mit den Charakteren spielt, indem er sie erst zweideutig schildert, und dann am Ende so oft zum Mißvergnügen des Lesers ausschlagen läßt.

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Es kommt also, wenn wir interessirt werden sollen, darauf an, daß ein zweideutiger Charakter in solche Situationen gebracht wird, wo er sich nothwendig entscheiden muß; und wenn nun zugleich auf der Entscheidung dieses Charakters das Glück und die Wohlfahrt mehrerer Personen beruhet, die uns auch schon an sich nicht unwichtig geworden sind, so entsteht dadurch eine Verflechtung des Interesse, das uns unwiderstehlich anzieht. Der zweideutige Charakter, um den sich alles drehet, bleibt immer der Mittelpunkt, aber das, was sich um ihn dreht, macht ihn erst zum Mittelpunkt, macht ihn uns erst vollkommen wichtig. Weil wir begierig sind, die Entscheidung des zweideutigen Charakters zu erfahren, so sind uns die Situationen wichtig, wodurch derselbe entschieden wird, und weil wir wieder die Entscheidung der Situation selbst zu erfahren wünschen, so ist uns der Charakter wichtig, durch dessen Bestimmung sie entschieden werden müssen. Diese Ve r f l e c h t u n g d e s I n t e r e s s e ist dem Verfasser des Testaments meisterhaft gelungen, und dieß ist ohne Zweifel die Ursache, weswegen das Stück allenthalben so viel Beifall gefunden hat. Man sieht hier einen um seinen Sohn bekümmerten Vater, der sich bei seinem eigenen Sohn, die Rolle eines Bedienten zu spielen, erniedrigt, um sich nur von der Denkungsart desselben mit Gewißheit zu überzeugen. Man sieht eine rechtschaffene Familie, deren Frieden, und ein liebenswürdiges Mädchen, deren Ruhe und Glückseligkeit der zweideutige Charakter zu zerstören drohet, wenn seine G r u n d l a g e zum Unglück schlecht seyn sollte. Man sieht zwei Personen, den Vater und Onkel des leichtsinnigen jungen Menschen, d i e g l e i c h - s a m ü b e r i h n w e t t e n , ob er in der Probe bestehen wird, oder nicht. Der Leichtsinnige läßt bei den größten anscheinenden Niederträchtigkeiten doch immer noch eine Spur von Hoffnung schimmern, daß er n i c h t g a n z v e r d e r b t ist. Man wartet nur ängstlich auf eine Gelegenheit, wo sich sein im Grunde gutes Herz wird zeigen können. Er ist uns durch Aeußerun-

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gen, die wir keinem Bösewicht zutrauen, zu werth geworden, als daß wir ihn am Ende doch für einen Bösewicht halten sollten. Dieß erhält uns in beständiger ängstlicher Erwartung bis zum Schluß des Stücks, wo endlich doch die gute Seite des Charakters über die schlechte das Uebergewicht behält, und sich alles zur Zufriedenheit der interessirten Personen, unserm Wunsch gemäß, endigt.

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In Wittenberg spielte er unter den Studenten eine Zeitlang eine sehr glänzende Rolle, welches ihm um desto leichter war, weil dort der größte Theil der Studenten arm ist, und der Aufwand, den er machte, hier also auffallender war, als er es vielleicht an einem andern Orte gewesen wäre. In den Studentengesellschaften, wohin er kam, war er stets der erste; man drängte sich um ihn, man wünschte, daß er mit einem reden möchte, man bewarb sich um seine Freundschaft, und wenn man sie besaß, so rechnete man sich dieselbe zur Ehre. Ein junger Mann Nahmens B. . ., der damals in Wittenberg studirte, und sich schon als Dichter und dramatischer Schriftsteller auf eine nicht unrühmliche Art bekannt gemacht hatte, war auf F. . .s Freundschaft stolz, und schrieb in dessen Stammbuch damals aus der Fülle seines Herzens einige Zeilen, wovon folgendes ohngefähr der Schluß war: Ich kann nicht kriechen und mich bücken, kann nicht um der Großen Gnade heucheln, und bin deswegen arm und unbemerkt, aber doch zufrieden; denn: Lacht mir doch die Natur so schön wie deinem König; Ist doch mein Geist nur Gott im Himmel unterthänig; Bist Du doch – wie mein Aug’ bei dem Gedanken weint! Mein Bruder und mein Freund!

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F. . . besaß wirklich Geschmack und viel Lektüre, auch fehlte es ihm nicht an Witz und Laune, und sein äußrer Anstand, seine Bildung, seine Art sich zu kleiden, alles stimmte zusammen, um ihn unter der Menge auszuzeichnen, und ihn zu einem Gegenstande der Bewunderung und des Neides für diejenigen zu machen, die er um sich her verdunkelte. Allein bei dem allen war sein Zustand im Grunde stets unbehaglich, und selbst die ausgelassenste Lustigkeit war nichts als übertünchter Verdruß, der, wenn er unter seinen Freunden war, seinen Witz und seine Laune in ein gewisses k i n d i s c h e s We s e n ausarten ließ, welches bei einem sonst guten Kopfe, das sicherste Merkzeichen einer inneren tiefen Seelenver-stimmung ist, die macht, daß er kindische Tändeleien jeder ernsthaftern Beschäftigung vorzieht, nicht weil er etwa Vergnügen daran findet, sondern weil er sich und andere dadurch ä r g e r n will, daß er etwas thut, wovon er selbst und jeder andre überzeugt ist, daß er es bei gesunder Vernunft nicht thun würde. Dieß m i t F l e i ß i n t e n d i r t e k i n d i s c h e We s e n bei sonst vernünftigen Personen ist gleichsam der bitterste Trotz gegen ihr besseres Selbst, mit dem sie sich entzweit haben. Es äußerte sich bei F. . . in immer stärkerm Grade, jemehr sein Entschluß, wiederum ein thätiges Leben anzufangen, wankend wurde, und je tiefer er in das z w e c k l o s e H i n s c h l e u d e r n einer Stunde nach der andern, und eines Tages nach dem andern versank. In dieß z w e c k l o s e H i n s c h l e u d e r n i h r e r Z e i t würden weit mehr Menschen verfallen, wenn sie nicht durch Amt und Pflicht g e b u n d e n w ä r e n . – Denn der Hang dazu ist immer derselbe – und das Amt und die Pflicht wird am Ende etwas Mechanisches, wobei man sich nun nie die Erreichung irgend eines besondern Zwecks mehr denkt. Das Amt war selbst der Zweck, und nun hat es mit der Zweckerreichung ein Ende. Hätte F. . . damals ein Amt und Familie gehabt, so wäre sein natürlicher Hang zur Zeitverschleuderung vielleicht derselbe gewesen; allein dieser Hang hätte ihm nun nicht mehr schaden können. Seine

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Geschäfte lagen nun a u s s e r s e i n e r f r e i e n Wa h l , ausser dem B e z i r k e s e i n e r j e d e s m a l i g e n L a u n e ; denn das geringste vernünftige Nachdenken war fähig, ihn auch bei dem größten Widerwillen, dazu anzuhalten, wenn er nicht Ehre und Glück auf immer verscherzen wollte. Das Bestreben so vieler Menschen nach Aemtern und Ehrenstellen, ohne die sie doch weit freier und ungebundner leben könnten, läßt sich wohl mit aus diesem Bedürfniß erklären, s i c h g l e i c h s a m v o r sich selbst, und vor ihren eignen abwechselnden Laun e n i n S i c h e r h e i t z u s t e l l e n . Indem man das, was einem doch bei allen Abwechselungen immer gefällt, Ehre und gutes Auskommen, erst zu erreichen sucht, um alsdann durch die Furcht, diese uns immer theuer bleibenden Güter wieder zu verlieren, zur Ertragung aller der kleinen Unannehmlichkeiten, die mit jedem thätigen Leben verknüpft sind, gezwungen zu seyn. Kurz, m a n w ü n s c h t , w e n i g e r u n d n i c h t s o o f t w ä h l e n zu dürfen. Man will lieber m ü s s e n , als zu oft in dem Zustande der U n e n t s c h l o s s e n h e i t seyn. Man zieht den Zwang der unbestimmten Freiheit vor. F. . . war damals in einem Zustande der Unentschlossenheit, der denjenigen, welcher sich darin befindet, nothwendig unglücklich machen muß. Er hatte seine Laufbahn gleichsam von vorn wieder angefangen, oder vielmehr er hatte sich wieder in die Schranken gestellt, und wußte nicht, wohin er nun seinen Lauf aufs neue richten sollte. Und doch war ihm auch dieser Aufenthalt wieder unerträglich. – Gleich einem muthigen Roß stampfte er unwillig den Boden, weil er so da stehen mußte, und doch blieb er immer da stehen, weil sich ihm kein festes Ziel vorstreckte, weil er n a c h d e r e i n e n S e i t e , s o g u t a l s n a c h d e r a n d e r n auslaufen konnte; und weil ihn nichts mehr a u s s c h l i e ß e n d an sich zog, weil der einzige Preiß, den er sich für seine Bestrebungen gewünscht hatte, auf immer für ihn verlohren war, und ein eben so guter Preiß, doch nie d e r s e l b e war, an dem

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sein Herz nun ein-mal hing, wie an seiner Ichheit. – Hätte F. . . auch endlich einen sehr großen F o n d von Thatkraft in sich gehabt, so würde sich diese dennoch am Ende wohl durchgearbeitet, oder doch ihre zerstörende Kraft mit mehr Gewalt gegen ihn selbst gerichtet haben: allein der Fond war doch immer groß genug, um, sobald er ungenuzt blieb, Unheil und Verderben in ihm anzurichten.

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So sinke denn unter Leuchtende Sonne! Du hast sie vollendet, Die glänzende Laufbahn – Ewig kannst du nicht glänzen, Einmal mußt du verlöschen Alles verlischt einmal! – Deine lezten rothen Strahlen fallen Noch auf jenen Schädel, In welchem einst der Geist des Menschen Gedanken spann – – Und nun die Spinne Ihr Gewebe spinnt. – – Deine lezten rothen Strahlen fallen In die Höhlungen der Augen, Aus welchen einst des Menschen Geist dich angeblickt, Die nun der Spinne zu Fenstern dienen, Die in dem Schädel ihren Wohnsitz hat – Ist dieß das Schicksal Der lebenden und der denkenden Wesen: Was seyd ihr denn besser?

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Ihr Körper ohne Denkkraft, Ohne Sinne, Ohne Sprache – – Daß ihr der Zerstörung trotzen wollt? Wenn das in den Staub hinsinkt, Was eure Bahnen mißt, Was euren Lauf berechnet, Was euch mit einem einzigen Gedanken Allmächtig zusammenfaßt Und wieder schwinden läßt – – Wenn das in den Staub hinsinkt Und in Moder zerfällt, Was seyd denn ihr, Daß ihr der Zerstörung trotzen wollt?

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Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783.

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– – – Daß es eine schöne Natur, etwas Wohlgeordnetes und Zusammenhangendes um uns her giebt, was wir alle Tage mit Augen sehen, k a n n niemand leugnen; daß diese Natur durch einen allesumfassenden Verstand regiert, und als ein Ganzes überschauet werde, w i r d nicht leicht jemand leugnen; daß dieser allesumfassende Verstand sich insbesondre auch um den Menschen bekümmere, und daß die Seele des Menschen unsterblich sey, wird jeder wahrscheinlich finden, und sich desto leichter davon überzeugen, jemehr er sehnlich wünscht, daß es wahr seyn möge.

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Zu dem aber, was theils niemand leugnen kann, theils nicht leicht jemand leugnen wird, und was ein jeder sehnlich wünscht, daß es wahr seyn möge, wird ein jeder einzelner freiwillig seine Stimme geben, und dieß festgesetzt, wäre denn gleichsam das höchste Tribunal, woran von den einzelnen Gerichtshöfen der Wahrheit beständig appellirt werden könnte? Giebt es aber wirklich ein festes prophetisches Wort, oder eine Offenbarung von Gott an die Menschen durch die Schrift, und kann ich mich von deren Wahrheit eben so gewiß historisch überzeugen, als ich von dem gegenwärtigen Daseyn der Natur überzeugt bin, so ist dieses geschriebene Wort mein höchstes Tribunal der Wahrheit, und mein Glaube an Vorsehung und Unsterblichkeit gründet sich alsdann nicht mehr auf wahrscheinliche Schlußfolgerungen, sondern auf wichtige Dokumente und Urkunden. Wie viele Addisons giebt es aber, welche die historische Aechtheit der christlichen Offenbarung für sich selbst und andre zu einem solchen Grade der Gewißheit zu bringen gesucht haben, daß dieselbe beinahe der sinnlichen Erkenntniß bei ihnen das Gleichgewicht halten könnte? Die übrigen alle nehmen das von andern aufs Wort an, was diese wieder von andern auch aufs Wort angenommen haben. Wie viele Bücher, wie viele Auslegungen der Schrift, wie viele Gelehrsamkeit, w e l c h e i n A u f w a n d v o n Z e i t gehört dazu, die Aechtheit und den rechten Verstand der Urkunde ins Licht zu stellen, die der tausendste Mensch nicht aufwenden kann; da hingegen das Buch der Natur für einen jeden aufgeschlagen da liegt, und weder Arabisch noch Syrisch erfordert wird, um darin zu lesen. Allein, da dasjenige, was Offenbarung heißt, einmal von so vielen tausend Menschen geglaubt wird, so verdienet es gewiß die größte Aufmerksamkeit des redlichen Wahrheitsforschers, und wir dürfen nichtsweniger als gleichgültig bei der Frage seyn, ob wir das, worin wirklich so mancher seine Beruhigung und seinen Frieden bis an die lezte Stunde seines Lebens gefunden hat, mit glauben sollen oder nicht?

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Ich habe S p a n g e n b e r g in Barby gesprochen, und nie werde ich seine Worte vergessen. Es war in der Abenddämmerung, als ich ihn, in einem geraumigen Saal im Schlosse, an seinem Schreibtische sitzend fand. Ich hatte ihn vor sechs Jahren gesehen, und fand ihn noch unverändert, vielmehr verjüngt als verältert, da er doch nunmehro in sein achtzigstes Jahr getreten ist. Ich mußte verstummen, da ich ihn reden hörte, und ich wagte es nicht, eine Silbe zu antworten, da er mit dem innigsten Seelenfrieden, der aus seinen heitern Augen hervorblickte, und zugleich mit aller Würde der Wahrheit von seinen Ueberzeugungen sprach, die nun seit sechzig Jahren die Ruhe und das Glück seines Lebens ausgemacht hatten. Und ob er gleich schon mit einem Fuß im Grabe stehe, so sey er doch fest und wahrhaftig überzeugt, daß wenn in diesem Augenblick ihn sein himmlischer Vater zu sich riefe, er ein Kind Gottes und ein Erbe der Seligkeit sey. Kurz, in einem solchen ruhigen, und doch wahren kraftvollen und nachdrücklichen Tone, und dabei mit einer solchen himmlischen Zufriedenheit im Blicke und Mienen, kann ich wohl sagen, habe ich noch niemanden reden hören. Und so gewiß er von der Wahrheit seines Glaubens überzeugt ist, so gewiß fühlte ich mich, da ich mit ihm sprach, überzeugt, daß ihn dieser Glaube glücklich, zufrieden und selig mache. Aber hier war auch lauter kindliches Zutrauen, gänzliche Resignation auf alles Grübeln und Spekulieren in hohen Dingen; und doch, bei aller dieser Einfalt, dieser gänzlichen Resignation im Denken, welche Erhabenheit im Handeln, welche hohe moralische Würde, die mich ganz darnieder drückte, daß meine Vernunft es nicht wagte, sich gegen diese hohe Einfalt aufzulehnen. Und könnte uns denn ein solcher Glaube zu solchen Menschen machen, o wie gern wollten wir ihn ergreifen, da wir am Ende doch einmal auch die reinsten Vernunftwahrheiten nur g l a u b e n , oder uns als wahr zu denken gewöhnen müssen, wo wir denn auch immer am meisten auf fremdes Zeugniß und Uebereinstimmung mehrerer bauen.

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Denn diese bleiben immer im Grunde die festesten Stützen unsrer Wahrheiten. Wie hätte es sonst eine Zeit gegeben, in welcher es kaum dem Weisesten einfiel, an Dingen zu zweifeln, woran jezt jeder Knabe zweifelt. Jemehr ich jemanden liebe und schätze, und jemehr ich seinen moralischen Charakter verehren muß, desto geneigter werde ich auch seyn, seine Ueberzeugungen für wahr zu halten, und sie allmälig zu den meinigen zu machen. – –

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Ueber die Leiden des Lebens. Es wird uns weit leichter, andre, als uns selber zu trösten: auch pflegen wir alle unsern Trost gemeiniglich für andre aufzusparen, und für uns selber machen wir am wenigsten Gebrauch davon. Nun ist es aber ein sehr schlimmer Zustand für uns, wenn wir über eine Sache untröstlich sind, weil uns dieses alle Thätigkeit, und selbst allen Eifer zum Guten benimmt. Wir müssen also darauf bedacht seyn, uns aus einem solchen Zustande, sobald wie möglich wieder herauszureißen, und uns um die Mittel, wodurch wir dieses am besten thun können, sorgfältig bekümmern. Die meisten Leiden, welche wir erdulden, bestehen in unsern Vorstellungen. Ein jeder Mensch hat nehmlich eine Anzahl Wünsche und Hoffnungen, welche seine angenehmsten Gedanken ausmachen, mit denen er sich während seiner Arbeit, und bei seinem Aufstehen und Schlafengehen beschäftiget. Schlägt ihm nun eine Hoffnung fehl, so entsteht in seiner Seele gleichsam eine Lücke, indem einer seiner angenehmsten Gedanken verlohren gegangen ist. Nun ist er eine Zeitlang nicht vergnügt bei seinen Geschäften, nicht vergnügt in Gesellschaft, und genießt sein Leben nicht wie sonst; bis endlich die Zeit seinen Kummer lindert, indem die Lücke in seiner

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Seele, nach und nach wieder durch andre kleine Hoffnungen und Wünsche erfüllt wird, die ihn endlich sein fehlgeschlagenes Glück vergessen lassen. Diese Gemüthsveränderung erfolgt nun bei einigen Personen später, bei andern früher. Es giebt Leute, die sich bald etwas aus dem Sinne schlagen können, und andere, welche sich Jahrelang mit einem traurigen Gedanken ihr Leben verbittern. Die erstern pflegen sich den andern gemeiniglich zum Beispiel aufzustellen, und sagen, sie sollten es doch nur machen wie sie, ohne zu bedenken, daß sie ihnen dazu erst ihre ganze Gemüthsbeschaffenheit mittheilen müßten. Es ist eine schöne Sache um den Trost, den uns ein Freund ertheilet, nur muß derjenige nicht trösten wollen, der helfen kann; nur muß uns der nicht auf die Vorsehung verweisen, der jezt selber in der Hand der Vorsehung ein Werkzeug seyn könnte. Die zufriedene lächelnde Miene eines Freundes, der eben so unter dem Druck der Leiden seufzt, wie wir, kann uns Muth zu dulden geben, aber nicht so die freundlichen Worte dessen, der dem Glück im Schooße sizt, der kann nur durch Mitleid, aber nicht durch Zuspruch unsern Kummer lindern. – Da wir nun aber nicht immer einen Freund haben, der uns tröstet, so wollen wir darauf bedacht seyn, den Trost und die Beruhigung in uns selber zu finden, die wir vielleicht ausser uns vergeblich suchen würden. Wir wollen edle, stärkende Gedanken in unsrer Seele zu erwecken suchen, an denen wir uns festhalten können, wenn unser Muth an zu wanken fängt. – – Wir wollen also sagen: wenn ich leide, so werde ich gebessert, mein Stolz wird gedemüthiget, mein hartes Herz erweicht, und mein Muth strebt unter dem Druck empor. Wir wollen sagen: Gott sey gepriesen, daß seine Kraft in dem Schwachen mächtig ist! – Und werden wir denn wirklich durch die Leiden dieses Lebens gebessert? – Ewige Güte, würdest du uns schwache Menschen leiden und dulden lassen, wenn es nicht gut für uns wäre! – O laßt uns den Grundsatz fest in unsre Seele prägen – l e i d e n b e s s e r t . Jeder Augenblick, wo ich dulde, ist Gewinn für mich – Auch der Kummer, den ich mir durch eigne Thorheit zuzog, ist Ge-

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winn für mich, er macht mich weiser – Das Unrecht das ich leide, ist Gewinn für mich – es macht mich frömmer. Macht mich denn jedes Leiden, das ich trage, weiser und frömmer, so will ich nicht mehr murren gegen die Hand, die mir es auflegt, und wenn ich gleich nicht fröhlich seyn kann, so will ich doch zufrieden seyn! In einem wohlgeordneten Ganzen ist es nothwendig, daß einzelne Theile leiden – Ein Rad in einem Uhrwerk kann nicht immer so schnell laufen, wie es seinem ersten Antriebe nach thun würde, sondern es wird durch ein anderes Rad gehemmt, welches in seine Zakken eingreift und ihm einen langsamern Gang vorschreibt – So wird unsre Laufbahn nach Glückseeligkeit oft gehemmt, weil wir nicht die einzigen sind, die nach einem Ziele streben – oft werden wir aus dieser Bahn verdrängt, unsre Wünsche schlagen fehl, unser aufstrebender Geist wird unterdrückt, und wir werden am Ende eben so klein und demüthig, als wir vorher stolz und übermüthig gewesen waren. Nun ist es aber ein großer Vortheil für uns, wenn unser Stolz unterdrückt wird – dann erst eröfnen wir unser Herz den sanften Empfindungen des Mitleids, der Menschenliebe, der Theilnehmung an andrer Schicksalen. So lange unser Stolz noch nicht gedemüthiget ist, sehen wir immer nur uns selber, und vergessen, was um uns her ist, ja wir halten uns endlich für so wichtige Wesen, um derer Willen eine große Menge anderer im Schatten stehen soll, damit unser Licht desto besser hervorleuchte, und doch ist kein Mensch an sich so sehr viel wichtiger als andre; diese Wahrheit lernen wir einsehen, wenn unser Traum von Größe verschwindet, wenn unsre glänzenden Hoffnungen scheitern, wenn wir wirkliches Unrecht leiden müssen, dann fangen wir an, niemanden ausser uns mehr zu verachten, uns über niemanden mehr hinwegzusetzen, und wir erhohlen uns für den Verlust eines eingebildeten Glücks, durch das süße Gefühl einer allgemeinen unumschränkten Menschenliebe, die nun unsre Brust erweitert, und sie von weit reinern Wünschen emporschwellen läßt, als wir vorher in derselben nährten.

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Freilich sind fehlgeschlagene Wünsche und Hoffnungen solche Leiden, die sich der Mensch selber zugezogen hat, aber demohngeachtet bessern sie – sey in Zukunft weiser, ruft die Stimme der Vernunft dem Bekümmerten zu, der alle seine Hoffnungen scheitern sahe, wünsche wenig, so duldest du wenig – thue alles, was in deinen Kräften steht, und erwarte keine Belohnung, als nur den Beifall deinen eignen Herzens – Gewöhne dich früh dazu, einen großen Theil dessen, was hier Glück heißt, freiwillig zu verachten, und zweifle nicht, daß ein besseres Glück einst deiner harret. – – Damit wollen wir uns trösten, wenn wir vergeblich zu Gott beten, uns einen Wunsch zu gewähren, eine Hoffnung zu erfüllen – der Ewige hat unsern innern Stolz gegen die Demüthigungen, die wir erfahren müssen, aufgewogen, und gesagt, leide und dulde, denn meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig – Ein geringes Leiden drückt oft sehr darnieder, aber wenn sich alles auf einmal zusammenhäuft, um uns darniederzuschlagen, dann werden wir selber durch das Leiden stark gemacht, das Leiden zu ertragen – und wenn wir dann unschuldig leiden, – so erhebt sich unsre ganze Seele, so empfinden wir einen wahren edlen Stolz, indem wir selbst dann noch unerschüttert und unsrer Pflicht getreu bleiben. – Dieß giebt uns mehr wahre Größe, als wenn alle unsre höchsten Wünsche erfüllt worden wären. Das stählet unsern Muth, daß wir ohngeachtet aller Hindernisse, und aller Unterdrückung, dennoch das Gute auszuüben suchen, wozu wir Kraft in uns fühlen – denn das ist unsre Pflicht, auch bei den größten Widerwärtigkeiten, mit denen wir kämpfen müssen, und bei der Ueberwindung dieser Widerwärtigkeiten kann sich ja unsre ganze Kraft erst zeigen. – Der Baum, der im Sturme unerschüttert bleibt, kann erst die Dauer und Festigkeit seines Stammes zeigen. – So lange wir noch dem Glükke im Schooße sitzen, so lange noch die Sonne am heitern Himmel lächelt, schläft noch ein großer Theil unsrer Kraft ungenützt, aber wenn die rauhen Stürme kommen, dann fühlen wir erst unsre ganze Stärke. –

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Zu allem Guten, was man durchsetzen will, gehört Geduld, und nie läßt sich diese Geduld besser lernen, als durch Leiden. Wir können also sagen: daß die Leiden eine Saat und ein Keim künftiger guter Handlungen sind, in jedem Schmerz, den wir erdulden, keimt eine gute That, und jede Thräne die wir weinen, wäscht einen Flecken von unsrer Seele ab. – Darum ist das Trauren besser als das Lachen, denn durch das Trauren wird das Herz gebessert – Am Ende dieses Lebens werden uns die Leiden dieses Lebens heilig seyn, wenn seine Freuden schon längst wie Tand und Blendwerk verschwunden sind, sie werden uns ein sicheres Pfand zu einer größern Glückseeligkeit seyn, und wir werden sie denn wie einen kostbaren Schatz betrachten, der uns reichlichen Vortheil bringt. – –

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John Trusler, Regeln

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Zur Herausgabe von John Trusler, Regeln einer feinen

Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 17841 Kap. Wohlgezogenheit 1., S. 26f.

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Es ist seit langer Zeit eine Gewohnheit gewesen, die Damen, zu welchen man zum erstenmal eingeführt wird, zu küssen*); weil aber diese Freiheit manchmal viel Unheil angerichtet hat, so hat man in feiner Gesellschaft die Gewohnheit fahren lassen, und ein wohlgezogener Mensch wird sich dieser Freiheit nie bedienen. Er führt sich bloß mit einer entfernten Verbeugung ein.

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*) Es ist hier von England die Rede. 2., S. 27f. 15

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Kurz Wissenschaft und Gelehrsamkeit ohne Wohlgezogenheit ist langweilig und pedantisch. Ein ungezogener Mensch ist eben so wenig geschickt zu guter Gesellschaft, als er darin willkommen ist. Ja, er schickt sich eben so wenig zu Geschäften als zur Gesellschaft. Mache daher diese Wohlgezogenheit zu einem wichtigen Gegenstande deiner Gedanken und Handlungen. Insbesondre sey aufmerksam auf das Betragen und den Anstand derer, welche sich durch ihre feine Lebensart auszeichnen, und bemühe dich, ihnen nachzuahmen; zuletzt sey versichert, daß die Wohlgezogenheit bei jeder irdischen Geschicklichkeit, eben das ist, was die Menschenliebe bei den christlichen Tugenden: sie schmückt das Verdienst, und oft bedeckt sie den Mangel desselben*).

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Die Anmerkungen des Übersetzers Moritz stehen im folgenden als Fußnoten unter den betreffenden Textabsätzen Truslers.

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*) Das sollte sie eigentlich nicht, damit man das Verdienst darüber nicht verkenne. A. d. H.

Kap. Anständiges Betragen 3., S. 32f.

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Laß es daher immer auch einen Theil deiner Bemühung seyn, in verschiedenen Gesellschaften auf eine anständige Art sitzen zu lernen, selbst mit Annehmlichkeit dich überzulehnen und zu schaukeln, wo du befugt bist, dich dieser Freiheit zu bedienen, und in einer ehrfurchtsvollen Stellung gerade zu sitzen, wo diese Freiheit sich nicht geziemen würde.*) Kurz, man glaubt nicht, wie vortheilhaft ein angenehmes Betragen, und ein gefälliges Wesen, bei jeder Gelegenheit seyn kann: sie gewinnen uns die Zuneigung der Menschen, stehlen **) die Meinung anderer zu unserm Vortheil, und spielen so lange um ein Herz, bis sie es gewonnen haben. *) Sich a b s i c h t l i c h darauf zu üben, scheint wohl etwas zu viel verlangt zu seyn. A. d. U. **) Schlimm genung, wenn sie sie s t e h l e n ! A. d. U.

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Kap. Kleidung 4., S. 40f. 41

Es giebt wenige junge Leute, welche nicht irgend etwas charakteristisches in ihrer Kleidung su-chen. Einige wollen gern brav scheinen*): diese tragen ein schwarzes Halstuch, kurzen Rock und Weste, und einen ungewöhnlich langen Degen, der ihnen bis auf die Knie herabhängt, einen großen Hut auf eine trotzige Art gestutzt, und sind

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lauter Feuer und Flamme. Andre wollen Landjunker seyn: diese tragen bocklederne Hosen, einen braunen Frack, und großen Dornstock in der Hand, mit niedergeklaptem Hut, und unfrisirtem Haar, und einen ungeheuren Zopf: diese ahmen dem Fuchsjäger äußerlich so richtig nach, daß gar kein Zweifel an ihrer innern Aehnlichkeit mit demselben übrig bleibt. Andre hingegen pudern sich mit solcher Sorgfalt, und kleiden sich so stutzermäßig, daß man in Versuchung ist, sie für Weiber in Knabenkleidung zu halten. Ein vernünftiger Mensch wird nun dieß sowohl, als alle übrige Ziererei vermeiden. Er kleidet sich in so fern gut und nach der Mode, als sich gute Familien und Leute von Verstande kleiden: wenn er weiter geht, so ist er ein Geck; kleidet er sich schlechter, so wird man es ihm nicht verzeihen. *) Der Renommist auf den deutschen Universitäten, das häßlichste, was man sich denken kann. A. d. U.

Kap. Anrede, Wahl des Ausdrucks, kurzer Wortwechsel 5., S. 52f.

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Es giebt eine gewisse ausgezeichnete Sprache, die den Mann vom Stande bezeichnet; eine gewisse Umgangssprache, die jeder wohlerzogne Mensch in seiner Gewalt haben muß. Jemanden, der eben jetzt verheirathet ist, zu sagen, »ich wünsche Ihnen Glück«, oder einem der seine Frau verlohren hat, »ich bedaure Ihren Verlust«, und beides vielleicht mit einer nichtssagenden Mine, mag wohl höflich seyn, demohngeachtet ist es aber pöbelhaft. Ein Mann nach der Welt wird eben dieselbe Sache zierlicher, und mit einem Blick der Aufrichtigkeit sagen, welcher ihm die Achtung der Person verschaft, mit der er spricht. . . . Zu einem . . ., welcher betrübt ist, wird er . . . seine Beileidskomplimente ohngefähr damit anfangen, »Ich hoffe, mein Werthester, Sie lassen mir die Gerechtigkeit wiederfahren, überzeugt zu seyn, daß ich bei ihrem Unglücksfalle nicht fühlloß bin, ich nehme Theil an Ihrem Kummer, und werde beständig dadurch bewegt seyn,

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wenn Sie es sind.« Einige werden dir sagen, dieß wären doch nichts als bloße Komplimente, und als solche wären sie nichts wie Verstellung*). Aber wenn Verstellung in diesem Sinne ein Fehler ist, so ist es ein Fehler, wo er seyn soll: denn die Komplimente werden hier bloß betrachtet, als Worte, die einmal gäng und gäbe sind, und können daher zu keinem Irrthum mehr verleiten. Wir können von einem jeden, den wir treffen, keine Freundschaft, aber wohl Höflichkeit und ein feines Betragen erwarten. Eine gewisse Art also, seine Komplimente einzukleiden, unterscheidet den Mann vom Stande von dem Pöbel, und aus den Worten und Ausdrücken des Mannes schließen wir, zu was für Gesellschaft er sich gehalten habe. . . .

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*) Der Meinung dieser bin ich ohngeachtet der folgenden Wiederlegung auch. A. d. U.

Kap. Weltkenntniß

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6., S. 71f.

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Die Kälte der Seele, und Gleichgültigkeit der Miene, welche einer Entdeckung unserer Gesinnungen, durch Worte, Handlungen, oder Blicke vorbeugt, ist zu nothwendig, als daß wir dieselbe hier unberührt lassen sollten. Jemand, der unangenehme Dinge nicht ohne sichtbare Merkzeichen des Zorns oder der Unruhe, oder angenehme, nicht ohne einen plötzlichen Ausbruch der Freude, ein heiteres Auge, und sich erweiternde Stirn anhören kann, hängt von der List und Verstellung eines jeden Bösewichts ab; denn ein solcher wird ihn absichtlich zu erfreuen oder zum Zorn zu reitzen suchen, um seine unbewachten Blicke aufzufangen; oder er wird die Gelegenheit ergreifen, auf die Weise selbst im innersten des Herzens zu lesen. . . . . . . So wie einer, der beim Chartenspiel eine beständige Heiterkeit in seinen Blicken, er mag glücklich oder unglücklich spielen, behalten kann, sehr merklich den Vorzug vor einem andern hat, den jedes kleine Glück ausgelassen, und jedes Unglück niedergeschlagen

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macht, weil man seine Charten schon in seinem Gesichte lesen kann; so wird auch der Mann von Welt, der mit einem solchen kindischen Menschen, dessen Miene alles verräth, etwas zu thun hat, auch gewiß die Umstände zu nutzen suchen, die Folgen mögen nun für denjenigen, mit welchem er zu thun hat, so schädlich seyn wie sie wollen.*) *) Der Mann von Welt ist denn aber freilich hierinn nicht nachzuahmen! A. d. U.

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Kap. Besondere Feinheiten des Umgangs die sich in Kleinigkeiten zeigen 7., S. 104f.

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12) Ein Mann von Erziehung nimmt beständig auch einige Rücksicht auf die Wahl seiner Vergnügungen. Wenn er Charte spielt, so wird’s nicht b e s t e n B a u e r n , M a r i a g e , oder H a h n r e i seyn; macht er sich Leibesbewegungen, so wird’s nicht Ballspiel, Kegelspiel, seyn; sondern er wird beständig in seinem Betragen einen schicklichen Anstand beobachten, es sey bei welcher Gelegenheit es wolle; da er einmal weiß, daß jede Nachahmung der Sitten des Pöbels, ihm unvermeidlich das Gepräge der Pöbelhaftigkeit geben wird. Außerdem giebt es noch eine Art von Vergnügung, die ich mich unter die unanständigen zu zählen, nicht enthalten kann*), nehmlich irgend ein musikalisches Instrument zu spielen. Die Musik wird freilich unter die freien und edlen Künste gezählet, und ohne Zweifel gehört sie auch darunter; aber bei einem Concert zu blasen oder zu geigen, setzt einen Mann von Stande herab. . . . *) Ich kann sie unmöglich drunter zählen. A. d. U.

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8., S. 112–114

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19) Noch eins, das deiner Aufmerksamkeit nicht unwerth ist: wenn du mit einem Niedrigern in Gesellschaft bist, daß du ihn nicht fühlen lässest, er sey weniger, als du; wenn er es selbst, ohne dein Zuthun entdeckt, so ist es nicht dein Versehen, und er wird auch dich deswegen nicht tadeln; bemühest du dich aber ordentlich, ihn zu demüthigen, oder ihn fühlen zu machen, daß er an Range, Fähigkeit, oder Vermögen unter dir stehe, so ist das eine Beleidigung, die nicht leicht vergeben wird. . . . . . . Die wahre Höflichkeit besteht darinn, jedermann um dich her glücklich zu machen; und weil nun Demühtigungen Unglückliche machen, so können sie nichts, als die schlechteste Erziehung, verrathen. Mache es dir zur Regel, lieber der Eitelkeit einer Person als ihr selbst zu schmeicheln; mache, wo möglich, daß er sich selber lieben wird, und du wirst gewiß seyn, seine Achtung zu gewinnen; niemals sage ihm etwas, das er nicht gerne hört, noch Dinge, die ihn in Verlegenheit setzen könnten*); sondern laß es deine beständige Bemühung seyn, bei allen Gelegenheiten zu gefallen: das wird dir Freunde aus Feinden machen, und verursachen, daß sie dir am Ende selbst nützlich werden. *) Versteht sich wohl mit Ausnahmen!

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Zur Herausgabe von Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786

Vorwort

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Die innere Güte dieses Romans, der sich sowohl durch interessante Situationen, als treffende Charakterschilderungen auszeichnet, bewog mich, vor einiger Zeit, selbst die Verdeutschung desselben zu übernehmen. Da ich aber durch verschiedene Umstände verhindert worden bin, dieß Versprechen zu erfüllen, so habe ich diese Uebersetzung, welche von einer andern Hand ist, vor dem Druck d u r c h g e s e h e n , und mit dem Original verglichen, welches in dieser Uebersetzung nicht verlohren sondern g e w o n n e n hat, weil manches zu Weitschweifige und Ermüdende weggelassen, und das Interessante näher zusammengestellt ist. Moritz.

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Zur Herausgabe von James Beattie, Grundlinien der

Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790 Vorbericht. B e a t t i e bedarf in Deutschland keiner Empfehlung mehr. Dieß Werk ist im eigentlichen Sinne, a u c h s e l b s t i n A n s e h u n g d e s s p e k u l a t i v i s c h e n T h e i l s – M o r a l p h i l o s o p h i e , wie es auch der Verfasser, obgleich in einer andern Bedeutung des Worts, auf dem Englischen Titel genannt hat. Er verfolgt die Untersuchungen über methaphysische Gegenstände niemals weiter, a l s a u f e i n e n g e wissen Punkt hin, bis zu welchem sie, seiner Denkungsart nach, auf das Leben und die Handlungen der Menschen noch einen merklichen Einfluß haben könn e n . – Aus diesem Gesichtspunkte, scheint es, müsse dieß Werk betrachtet, und sein Werth oder Unwerth beurtheilt werden. 297

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Anmerkungen und Zusätze. Beattie, Von dem Sprachvermögen, §27 Die natürlichen Zeichen der Gedanken sind diejenigen äußern Veränderungen in Augen, Gesichtsfarbe, Gesichtszügen, Geberden, und Stimme, welche gewisse Bewegungen der Seele begleiten, und da sie allen Menschen gemein sind, auch allgemein verstanden werden. Zum Beispiel in die Höhe gerichtete Hände und Augen, mit gebogenen Knieen, sind in allen Theilen der Welt das Zeichen einer dringenden Bitte; feurige Augen, gerunzelte Stirn, lebhafte Bewegungen und laute Stimme zeigen Zorn an; blasse Farbe und Zittern sind Zeichen von Furcht, Thränen von Traurigkeit, Lachen von Freude, u. s. w. Mit der Menge unsrer Gedanken verglichen, sind dieser natürlichen Zeichen nur wenig, und sie sind daher zu den Bedürfnissen der Sprache nicht hinlänglich. Daher hat man künstliche Zeichen allgemein angenommen, deren Bedeutung sich von der menschlichen

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Erfindung herschreibt, und welche nur von denjenigen verstanden werden, die den Gebrauch derselben erlernet haben.*) Anmerkung 1.

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Der Verfasser scheint den Unterschied zwischen den künstlichen und natürlichen Zeichen der Gedanken zu scharf zu nehmen, weil sich doch auch die künstlichen Zeichen wiederum auf eine natürliche Entstehung müssen zurückführen lassen, von welcher Entstehung freilich die Spuren beinahe, verloschen, und schwer wieder zu entdecken sind. – Nachahmung des Tönenden in der Natur scheint zwar die erste Veranlassung zur Sprache gewesen zu seyn; aber wie wenig hörbare Gegenstände werden verhältnißmäßig durch die Sprache bezeichnet. Nach was für einem Gesetz mögen sich also wohl die einfachen Laute, z. B. in den Wörtern K o r b , K e s s e l , K a s t e n , K a n n e , K ö c h e r , K e l c h , K e l l e r , K a h n u. s. w., zu diesen Wörtern vereinigen, da dieses alles doch bloß sichtbare Gegenstände sind, die mit keinem Schalle in der Natur können verglichen werden? – Sie können freilich mit keinem Schalle verglichen werden, den wir außer uns in der Natur hören, allein zwischen dem Schalle, den wir selber hervorbringen, und zwischen den sichtbaren Gegenständen läßt sich demohngeachtet, wenigstens mittelbar eine gewisse Aehnlichkeit denken. Wir empfinden nehmlich in unserm Munde die jedesmalige Gestalt der Sprachwerkzeuge, wodurch wir irgend einen Schall hervorbringen. So dunkel nun diese Empfindung auch anfänglich seyn mochte, so konnte sie doch den Menschen veranlassen, die Gestalt eines sichtbaren Gegenstandes, vielleicht unwill-kürlich, in seine Sprachwerkzeuge überzutragen; und ihn alsdann mit dem Tone zu benennen, den dieselben in dieser Lage beinahe von selber hervorbringen mußten. Diese innere dunkle Empfindung von der jedesmaligen Gestalt, und von der leichtern oder schwerern, geschwindern oder langsamern Bewegung der Sprachwerkzeuge scheinet ein geheimes Band zwischen dem Sichtbaren und Hörbaren geknüpft zu

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haben. Daher kommt es auch, daß wir der ganzen Schöpfung um uns her, durch den Stempel der Sprache, ein unverkennbares Bild von uns selber aufgedrückt haben. Daher ist das k , wobei die Zunge die tiefste Wölbung des Gaumens bezeichnet, in den obigen Wörtern ein unverkennbarer Zustand des T i e f e n und A u s g e h ö h l t e n . Das Niedersächsische Wort K u h l e , welches so viel als eine G r u b e heißt, ist vielleicht eines der ältesten Wörter in unsrer Sprache. Denken wir uns, daß ein Mensch, dessen Sprachwerkzeuge bis jetzt nur noch die h ö r b a r e n Laute nachgeahmt hatten, zum erstenmal in eine fürchterliche Tiefe hinabblickte, wovor er sein Kind, oder seinen Nachbar warnen wollte: was war natürlicher, als daß seine Zunge auf die H ö h l u n g des Gaumens wies, wodurch er in seinem eignen Munde, das was er sahe, nachzubilden suchte; das tiefklingende u mußte das Zeichen, was er davon geben wollte, hörbar machen; die übrigen Töne aber, worin alsdann das Wort überging: können mehr zufällig gewesen seyn, je nachdem sie in den Sprachwerkzeugen den erstern am nächsten lagen. Das gewarnte Kind, so oft es diese Tiefe sahe, lallte es jene Töne wieder nach, indem es vielleicht etwas hinzusetzte, oder davon abnahm, welches denn wiederum die Eltern, bei denen das Wort noch nicht fest genug war, dem Kinde, mit dem sie zärtlich sprachen, nachzulallen suchten, bis das Wort endlich nach manchen Umänderungen, Dauer und Festigkeit erhielt. Diese nähere oder entferntere Aehnlichkeit der Gegenstände mit den Sprachwerkzeugen, vermittelst deren wir sie benennen, läßt sich nun in unsrer Deutschen Sprache, so wie wir dieselbe jetzt reden, und wie sie durch ihre zunehmende Verfeinerung sich immer weiter von ihrem ersten natürlichen Ursprunge entfernt hat, nicht durchgängig mehr entdecken. Allein wir finden demohngeachtet, in den Ueberbleibseln aus dem Alterthume, und in den hin und her zerstreueten Mundarten, die noch am wenigsten von der Verfeinerung gelitten haben, die deutlichsten Spuren von dem wahren ersten Ursprunge der meisten Wörter unsrer Sprache. Und so wie bei den Wörtern, die aus mehrern Silben bestehen, eine Silbe immer die herrschende ist, welcher die übrigen untergeordnet sind, so ist auch bei den einsilbigten Wörtern ein ein-

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facher Laut der herrschende, welchem sich die übrigen nach ihrem Range, und nach ihren Nebenbedeutungen unterordnen müssen. Dieser herrschende Laut verändert nun mit seiner jedesmaligen Bekleidung auch seine z u f ä l l i g e Bedeutung, obgleich seine innere wesentliche Bedeutung beständig zum Grunde liegt, und unerschütterlich ist. – Das L. z. B. dieser biegsame Laut, welcher durch die Zunge, als das beweglichste und flüchtigste unter den Sprachwerkzeugen, hervorgebracht wird, bezeichnet vorzüglich auch das S c h n e l l e und F l ü c h t i g e sowohl außer uns in der Natur, als den schnellen und flüchtigen Uebergang der Zunge zur Bezeichnung des Angenehmen in unsrer eignen Seele. Was in der Natur aber ist wohl schneller und flüchtiger, als das fließende Wasser, die wallende Fluth, der fliegende Pfeil, das blendende Licht und der zuckende Blitz? Was ist leichter und daher auch zu jeder schnellen und flüchtigen Bewegung geschickter, als das zitternde Blatt am Baume, die leicht herniederfallende Flocke, und die weichgekräuselte Wolle? Was ist in unsrer eignen Seele, daß die Zunge leichter zum Ausdruck hinüber lockt, als die angenehmen Empfindungen des Glücks, der Liebe, des Lobes, Gefallens und Billigens? Welches Gefühl in unserm Körper ist lockender zum leichten und schnellen Ausdruck, als das Gefühl des Lebens, des Leibes und der Glieder? – Das k und die verwandten Gaumenlaute scheinen mehr die Gestalten der Dinge zu umfasssen; das l und die verwandten Zungenlaute aber scheinen mehr die verschiedenen Bewegungen der Dinge außer uns, und der Empfindungen in uns, nachzubilden. Beattie, Von dem Sprachvermögen, §35, S. 17f.

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35. Wenn die Stimme, indem sie die Richtung hat, ihren Ausweg entweder allein durch den Mund, oder durch den Mund und die Nase zugleich zu nehmen, auf ihrem Wege nicht gänzlich gehemmt, sondern nur s t a r k g e d r ü c k t wird, so entsteht eine andere Art von Konsonanten, welche an die stummen und halbstummen gleichsam angehaucht werden. So verändert sich p in f ; b in v : im Englischen t

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in den Laut t h , welcher in thing gehört wird; d in t h , wie man in this, that, thine hört. Die Halbvokale lassen in der englischen Sprache keine Anhauchung zu. Auch haben wir noch einige irreguläre Konsonanten, welche wir nach unsrer gegenwärtigen Eintheilungsart nicht mitrechnen können, als l und r , s und s h ; und in andern Sprachen kann es sowohl Konsonanten als Vokale geben, welche uns nicht bekannt sind.*) Anmerkung 3. S. 18. Das a , womit unser Alphabet anhebt, ist der einfachste sanfteste und leichteste Vokal, welchen die ungezwungenste Oefnung des Mundes, ohne alle Mühe hervorbringt. Sobald sich aber die Zunge nur ein wenig dem Gaumen nähert, so daß der Durchgang der Luft verenget wird, verwandelt sich das tiefere a in ä , und wird auf die Weise gleichsam einen halben Ton heraufgestimmet. Wenn sich nun die Zunge dem Gaumen noch mehr nähert, so entsteht aus dem ä das noch hellere und zartere e ; und aus diesem bildet sich endlich durch die stärkste Annäherung der Zunge an den Gaumen, das i , als der feinste und zarteste Vokal. Einen feinern, zartern und höhern Ton, als diesen, können die menschlichen Sprachwerkzeuge nicht mehr hervorbringen: die Stimme sinkt also wieder bis zum a herab, und giebt diesem Vokal durch die Ründung der Lippen eine andere Gestalt und Form; diese wird durch das o bezeichnet, welches ein Zeichen der Verwunderung ist, wobei sich die Lippen unwillkürlich in eine solche Ründung zusammenziehen, da sich hingegen beim Schreck der ganze Mund eröfnet. Wird nun bei einerlei Ründung der Lippen die Zunge dem Gaumen näher gebracht, so kann das o , eben so wie das a , um einen halben Ton heraufgestimmt werden, wodurch es sich denn in ö verwandelt. Der dunkelste und tiefste Vokal, der durch die stärkste Ründung und Verengung der Lippen gebildet wird, ist das u , welches ebenfalls durch Annäherung der Zunge an den Gaumen, bei fortdauernder Lippenründung, um einen halben Ton hinaufgestimmt, und in ü verwandelt werden kann. –

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Im Englischen sind der einfachen Elementarlaute zwei und dreißig oder drei und dreißig; nehmlich zehn Vokale, und zwei und zwanzig oder drei und zwanzig Konsonanten. Das englische Alphabet müßte daher, wenn es vollständig seyn sollte, auch zwei und dreißig oder drei und dreißig Buchstaben enthalten. Es ist aber, gleich andern Alphabeten, unvollkommen; indem es verschiedene unnöthige Buchstaben enthält, und hingegen an einigen nothwendigen Mangel leidet. Eben so ist auch das Buchstabiren im Englischen, oder die Zusammensetzung der Wörter aus den Buchstaben, unvollkommen; denn in vielen englischen Wörtern finden sich Buchstaben, die gar nicht ausgesprochen werden; und ein und derselbe Buchstabe hat auch nicht in jedem Worte einerlei Laut. Daher haben einige erfinderische Köpfe das englische Alphabet durch Einführung neuer Buchstaben, und die Zusammensetzung der Buchstaben zu Wörtern vermittelst Abschaffung alles Ueberflüssigen, und mittelst der Regel: man solle so schreiben wie man spricht, zu verbessern gedacht; beides aber sind unüberlegte Entwürfe, denn dieselben würden, wenn man sie ausführen könnte, in unsere Urkunden, Gesetze und Litteratur überhaupt Verwirrung bringen, und den Sinn derselben zweifelhaft machen. Sie sind aber auch selbst nicht ausführbar, weil die Aussprache der Veränderung zu sehr unterworfen, und so verschieden ist, daß auch nicht eine einzige Provinz des brittischen Reichs mit der andern völlig einerlei Aussprache hat.*) Anmerkung 4. S. 18.

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Was der Verfasser von den Mängeln des englischen Alphabets sagt, gilt gewissermaßen auch von unserm deutschen Al-phabet. Die einfachen Vokale ä , ö und ü fehlen gänzlich darin, weil man sie immer für zusammengesetzt aus a und e , o und e , und u und e , gehalten hat; die einfachen Laute, c h und s c h , werden durch zusammengesetzte Zeichen, und hingegen die zusammengesetzten Laute x und z , die

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eigentlich aus k s und t s bestehen, durch einfache Zeichen ausgedrückt. Einerlei Laut wird oft durch mehrere Zeichen, und dann wieder verschiedne Laute durch einerlei Zeichen angedeutet. So wird z. B. ein und eben derselbe Gaumenlaut, erstlich durch k , dann durch c , wenn dasselbe vor a , o und u oder einem Konsonant steht, und endlich auch durch q bezeichnet, als, C a r l , K e l l e , Q u e l l e . Eben so wird ein und eben derselbe Lippenlaut sowohl durch f , als durch v , ein und eben derselbe Zungenlaut, sowohl durch ein langes s , als durch ein kurzes s , und der durch t und s zusammengesetzte Laut nicht nur durch z , sondern auch durch das c , wenn es vor e , i oder y steht, bezeichnet, als i c h f i e l , und d a s i s t v i e l ; d a s G l a s , und d e s G l a s e s , C y r u s und Z a h l . So werden auch noch die verschiedenen Laute, ä und e , in manchen Fällen beide durch e bezeichnet, als l e b e n und g e h e n . Vielleicht haben alle die verschiedenen Zeichen, die jetzt einerlei Laut anzeigen, ehemals verschiedne Laute ausgedrückt, die aber nach und nach ineinandergeflossen sind. Und die verschiedenen Laute, welche jetzt durch einerlei Zeichen ausgedrückt werden, sind vielleicht ehemals nicht verschieden gewesen. Mit allen diesen Fehlern ist demohngeachtet unsre Schreibart der Töne für einen Ausländer noch lange so schwer nicht zu begreifen, als z. B. die Englische und Französische es für uns ist. Die Engländer und Franzosen haben nicht allein dem Wohllaut, sondern auch der Bequemlichkeit und Trägheit im Reden mehr geopfert, wie wir, allein sie haben demohngeachtet die Buchstabenschrift, diese ehrwürdige Urkunde der Sprache nicht entweihet, und sie der Ueppigkeit oder Trägheit im Sprechen mit aufgeopfert; und wir sollten allein unsre feste ehrwürdige Schrift, nach einem so schwankenden Dinge, als die Aussprache ist, von Jahr zu Jahre modeln? – Könnten wir uns eine Büchersprache, aus allen Dialekten Deutschlands bilden, wo die kraftvollsten, edelsten und bedeutendsten Wörter noch verborgen liegen, so wäre vielleicht kein Buchstab, kein einzelner Laut in unsrer Sprache unzweckmäßig und gedankenleer, und man würde mit wenigen Worten einen Strom von Gedanken erschöpfen können, da man jetzt den Gedanken oft erst in einem Strome von Worten ertränken

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muß, ehe er einigermaßen anschaulich werden kann. Dieses konnte nicht wohl anders seyn, da man die Sprache, dieses starke Gemählde der Gedanken, bis zu einer leeren Musik und einer Belustigung für die Ohren herabzuwürdigen anfing, gleichsam, als ob nicht das der edelste Wohlklang eines Worts wäre, wodurch es sich der bezeichneten Sache am meisten nähert, und woraus das Zweckmäßige eines jeden einfachen Lauts hervortönt. Da wir uns nun aber eine solche in ihren kleinsten Bestandtheilen zweckmäßige Sprache nicht mehr zu bilden, oder wenigstens sie nicht allgemein zu machen vermögen, in welcher sich die Aussprache gänzlich nach der Schreibart, und die Schreibart wiederum nach der Aussprache mit Bedeutung, Zweck und Absicht richten könnte; so müssen wir den übereinstimmigen Gebrauch, als einen Herrn anerkennen, der unsrer Schreibart und Aussprache Gesetze vorschreibet. Die kleinsten Bestandtheile der menschlichen Rede sind die einzelnen Töne, welche durch die Buchstaben im Alphabet bezeichnet werden. Ohne diese Buchstaben oder Schriftzeichen der einzelnen Töne wüßten wir nicht, daß es solche kleine Bestandtheile der Rede gäbe, denn sie fließen im Reden so unmerklich ineinander, und vermischen sich untereinander auf so mannigfaltige Weise, daß wir tausendmal das Zusammengesetzte für das Einfache nehmen würden. So wie das Wort also den unkörperlichen Gedanken dem Ohre hörbar machen muß, wenn wir ihn bemerken sollen; so müssen wiederum die geschriebenen oder gedruckten Buchstaben die einzelnen Bestandtheile der Wörter dem Auge sichtbar machen, wenn wir einen Begriff davon haben wollen. Und welch ein Schwung des menschlichen Geistes war es, solche Zeichen zu erfinden, vermöge deren wir nun durch das Auge einen weit vollkommneren Begriff von den Wörtern und ihrer Entstehung, als durch das Ohr, erhalten. Ohngeachtet der genauen Verbindung des Ganzen in der Natur, scheinet doch das Hörbare vom Sichtbaren so sehr unterschieden und abgesondert zu seyn, daß sich beinahe kein möglicher Uebergang von dem einen zum andern, kein gemeinschaftliches Band zwischen beiden denken läßt, und doch hat die Sprache dieses wunderbare Band geknüpft, indem sie sichtbare Ge-

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genstände durch Töne bezeichnet, und indem sie eben diese Töne wiederum durch sichtbare Zeichen dem Auge darstellt. Welch eine Ueppigkeit des menschlichen Verstandes war es, und was für Umstände mußten den dazu vorbereiten, der diese Zeichen zuerst erfand, die Wörter, die man so nöthig brauchte, um tausend Dinge damit zu bezeichnen, selber zum Gegenstande seiner Aufmerksamkeit zu machen, und sie in ihre kleinsten Bestandtheile zu zergliedern, da ein ganzes gebildetes Volk, die Chineser, nicht auf diesen Gedanken gefallen ist, sondern sich mühsam zu einem jeden Worte eines eigenen symbolischen Zeichens bedienen muß. Wie schwer mußte es seyn, die Vokale, welche sich mit den Konsonanten so genau und fest vereinigen, daß sie mit denselben in einen ganz einfachen Laut zusammen zu fließen scheinen, aus dieser Vermischung herauszuheben, und sie neben einander zu stellen, und wiederum die Konsonanten, diese beinahe ganz unhörbaren Bewegungen der Sprachwerkzeuge, von den Vokalen abzusondern, wodurch sie erst hörbar werden. Welche oft wiederholte Vergleichungen, welche ununterbrochene Aufmerksamkeit auf jedes Wort setzt dieses voraus! Die Noten in der Musik dürfen nur die Höhe und Tiefe der Töne bezeichnen, allein die Buchstaben sollen ihre auf so mancherlei Weise verschiedene Herauspressung, Herausstoßung, Heraushauchung u. s. w. bezeichnen. Und wodurch konnte dies nun wohl leichter geschehen, als durch einfache, ungekünstelte Abbildungen der menschlichen Sprachwerkzeuge, indem vermittelst derselben ein Ton entweder herausgepresset, herausgestoßen, oder herausgehaucht wird; und worauf konnte der menschliche Verstand wol eher fallen, als eben hierauf, da doch die ersten Zeichen der Töne nothwendig auch eine gewisse innere Bedeutsamkeit müssen gehabt haben, um nicht gleich anfangs gar zu sehr ein müßiges Spielwerk eines bloß aufs Gerathewohl hin spekulirenden Kopfes gewesen zu seyn. Nachher sind diese Zeichen freilich auf mancherlei Weise verändert worden, aber einige höchst wahrscheinliche Spuren ihres ersten Ursprungs tragen sie demohngeachtet jetzt noch in ihrer Veränderung an sich. Ist nicht das o , so wie es im Lateinischen geschrieben wird (o), die treffendste Abbildung der geründeten Lip-

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pen, wodurch dasselbe gebildet wird? Ist nicht das große lateinische B eine sehr natürliche Darstellung der sanften auf einander gedrückten Lippen? Und bildet nicht das große lateinische A die weiteste Eröffnung des Mundes bei der Aussprache desselben ab? – Die kleinsten Bestandtheile der Sprache neigen sich schon vermöge ihrer Natur zur zusammenhängenden Rede, indem sie auf mancherlei Weise ineinander überfließen, und sich gleichsam von selbst durch die unmerklichsten Uebergänge ineinander fügen. – Alle Töne, welche die Werkzeuge der menschlichen Sprache hervorbringen können, haben ein gemeinschaftliches Band, welches sie zusammenknüpft, und sie zugleich dem menschlichen Ohr hörbar macht, das sind die Vokale, a , ä , e , i , o , ö , u , ü , welche man zu sehr zu erniedrigen scheint, wenn man sie bloß Hülfslaute nennen will, da sie doch eigentlich die einzigen wahren Laute in der Sprache, und der Grundstoff derselben sind. Denn so, wie die Verba erst Leben und Bewegung, oder Wirklichkeit und Darstellung in die Rede bringen, eben so bringen die Vokale erst Hörbarkeit und Leben in das Wort, die Vokale tönen fort, indeß die Konsonante schon wieder erstorben sind: der merkbare Laut der letztern dauert nur einen Augenblick, so wie der Schall, welcher vom Schlage eines Hammers entsteht; so oft man ihn wieder hören will, muß man auch den Schlag wiederholen, indeß die Flöte so lange forttönet, als der Athem des Blasenden zureicht. Beattie, Von dem Sprachvermögen, §43, S. 21

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43. Unter Accent versteht man den jedesmaligen To n oder Klang der Stimme, mit welchem man spricht. . . . Manche Leute merken nicht auf den Ton, mit welchem sie und ihre Nachbarn sprechen; aber alle bemerken den Ton eines Fremden, welcher aus einer beträchtlichen Ferne kömmt, und wenn ihnen der Ton desselben in einigem Grade widrig oder unangenehm klingt, so findet wahrscheinlich dasselbe auch bei ihm in Ansehung ihres Tones statt. Dies ist zum wenigsten von verschiedenen Provinzen wahr. In jeder Landschaft wird derjenige Accent für den besten Accent und diejenige Aussprache für

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die beste Aussprache gehalten, deren sich in der Hauptstadt die am meisten verfeinerten und gelehrtesten Personen bedienen.*) 305

Anmerkung 5. S. 21. Weil Deutschland keine eigentliche Hauptstadt besitzt, so ist die Aussprache, welche im Englischen ziemlich genau bestimmt ist, im Deutschen noch sehr schwankend. Die nahe Verwandschaft der Gaumenlaute z. B. macht, daß sie sehr oft in der Aussprache verwechselt werden. Besonders ist das g ein schwebender Laut, welcher sich bei den Obersachsen zum k , bei den Märkern zum j , und bei den Niedersachsen, insbesondere um Göttingen, zum c h neigt. In und um Hannover aber hört man diesen sanftern, gemilderten Gaumen- und Gurgellaut am allerreinsten, und man sagt weder K o t t , J o t t , noch C h o t t , sonder G o t t . Das g , besonders wenn es in einen weichen Konsonant übergeht, als in G l o c k e , G n a d e , bringt einen außerordentlichen Wohlklang in unsre Sprache, so daß wir dasselbe auf alle Weise nach seiner ächten sanften Aussprache müssen beizubehalten suchen. – Aber das g sowohl, als das c h verlieren nach e , i , ä , ö und ü , ihren eigenthümlichen Laut, und werden wie ein j gelesen. Dies ist sehr natürlich, weil die vorhergehenden Vokale schon an sich durch eine Annäherung der Zunge an den Gaumen gebildet werden, und also der Uebergang von ihnen zu dem j sich schon von selber darbietet; da man hingegen, um das g und c h unmittelbar nach diesen Vokalen auszusprechen, gleichsam mit der Zunge einen Sprung thun müßte, um diesen Laut hervorzubringen. Daß sich aber das c h und g nach a , o und u mit Bequemlichkeit richtig ausspricht, hat darin seinen Grund, daß sich die Zunge bei der Aussprache dieser drei Vokale lange nicht so sehr, als bei den übrigen, dem Gaumen nähert, und sich also auch leichter zu der Aussprache des g und c h wieder herabsenken kann. B a c h , Ta g , Wo c h e , B u c h , Z u g , sprechen wir daher so aus, wie wir es schreiben; aber B l e c h , We g , S t r i c h , m i c h , lesen wir eigentlich wie B l e j , We j , S t r i j , m i j , nur daß das j geschärfter

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ausgesprochen wird, als wenn es im Anfange eines Worts steht. Wollten wir aber in dem Worte m i c h z. B. dem c h seinen eigentlichen Laut geben, so müßten wir es nach der rauhen Aussprache der Schweizer m i a c h lesen, indem wir erst durch das a den Uebergang vom i zum c h machten: allein wir opfern hier, so wie in mehrern Fällen, die strengste Richtigkeit in der Aussprache dem Wohlklange auf. – Im Anfange einiger fremden Wörter, als C h a r a k t e r , C h o r , C h r i s t u s , spricht man gewöhnlich das c h wie k aus, allein es würde der Abstammung dieser Wörter und dem Wohllaute weit mehr gemäß seyn, wenn man in denselben dem c h seinen eigenthümlichen Laut liesse, so wie man es in dem Worte C h a o s thut, welches auch nicht K a o s gelesen wird. Wollte man aber in den Wörtern F l a c h s , Wa c h s , und ähnlichen, dem c h seinen eigenthümlichen Laut geben, so würde dieses lächerlich klingen, weil jedermann Wa k s , F l a k s u. s. w. lieset, und das c h in diesen Wörtern, wegen des unmittelbar darauf folgenden s , allgemein wie k ausgesprochen wird. In den Wörtern F l u g s und We g pflegt man auch das g wie k auszusprechen; allein es scheint doch immer wohlklingender zu seyn, We j , als We k zu lesen; eben so scheint es auch dem Wohllaut und der Abstammung des Wortes gemäßer zu seyn, wenn man f l u g s so lieset, daß man die Zusammenziehung dieses Worts aus F l u g e s bemerken kann, als wenn man es f l u k s ausspricht. – Noch eine besondere Aussprache hat das g , wenn unmittelbar vor demselben ein n vorhergeht. Weil nehmlich n und g zugleich vermittelst der Nase gebildet werden, so schmelzen sie beinahe in einen eignen einfachen Laut zusammen, der ein Lieblingslaut der Franzosen ist, und der auch wirklich nicht unangenehm klingt, indem er sich uns gleichsam von selber aufzudringen scheint. Daher ist es sehr falsch, wenn einige, um das g in diesem Falle von dem n ja recht zu unterscheiden, dasselbe wie ein j aussprechen, und D i n j e anstatt D i n g e , s i n j e n anstatt s i n g e n lesen. Dieses g nach n , wird am Ende der Wörter, wie k ausgesprochen. Wollte man das b , d und n g , am Ende der Wörter weich aussprechen, so müßte man dieses durch Hinzufügung eines fast unmerklichen dunklen e bewerkstelligen, welches im Schreiben mit einem Apostroph bezeichnet werden könnte, als:

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Der Stab’ ist gebrochen. D e r To d ’ i s t b e s i e g e t . Der Klang’ ist entflohen. Spricht man nun aber S t a b , To d und K l a n g so aus, daß anstatt p , t und n k das weiche b , d und n g am Ende dieser Wörter deutlich gehört wird, so wird man das Unangenehme, Träge und Widrige dieser Aussprache sehr auffallend bemerken können. – Im Anfange der Wörter aber muß das g seine eigentliche Aussprache, als ein Mittellaut zwischen c h , j und k , nothwendig behalten, so häufig es auch mit den verwandten Lauten, insbesondere mit dem j , verwechselt wird, wie in folgenden Beispielen, wo diese Verwechselung des g mit dem j sehr sonderbare Mißverständnisse verursachen kann: Ich weiß das gar nicht. Ich weiß das Jahr nicht. Er sieht wie ein Gott aus. Er sieht wie ein Jod aus. Der erste Gönner. Der erste Jänner. Sonderbar ist es, daß in Obersachsen das lange s vor p und t zu Anfange der Wörter, immer wie s c h ausgesprochen wird, gleichsam als ob es ohne dieses Zischen nicht zu dem p oder t übergehen könnte. Unsre Vorfahren müssen doch irgend einen Grund gehabt haben, warum sie z. B. s c h l a g e n , s c h w e i g e n , s c h r e i b e n , s c h m e r z e n , mit einem s c h , und hingegen gerade die Wörter, wo das s im Anfange vor p oder t zu stehen kömmt, ohne das c h schrieben. Und sind denn nicht p und t gerade die beiden härtesten Laute ihrer Art, vor welchen man vielleicht nicht ohne Grund das Gezisch des s c h zu vermeiden suchte, um sie nicht noch härter und rauher zu machen? Warum sollen wir nun diese Ausnahme nicht auch in der Aussprache beobachten, welche nicht ohne Grund im Schreiben gemacht ist? Der Niedersachse thut dieses beständig; aber freilich fällt er wieder in den ge-genseitigen Fehler, macht die Ausnahme zur Regel und spricht s l a g e n , s w e i g e n , s w a r z u. s. w. anstatt s c h l a g e n , s c h w e i g e n und s c h w a r z , welches aber doch niemand thun wird, der seine Aus-

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sprache gebildet hat. Da es nun im Deutschen ein Grundgesetz der Aussprache zu seyn scheint, dieselbe der einmal angenommenen Schreibart so nahe wie möglich zu bringen, so sollte man auch in diesem Falle nach eben dem Grundgesetze verfahren. Allein es ist freilich niemanden zuzumuthen, seinen Sprachwerkzeugen Gewalt anzuthun, wegen eines einzigen Lautes, worauf weder Glück noch Wohlfahrt beruht, ob derselbe mehr gezischt oder gelispelt wird. Aber wenn eine allgemein richtige Aussprache festgesetzt werden soll, so darf in diesem Falle der Niedersachse dem Obersachsen gewiß nichts nachgeben, und der letztere darf es bei dem erstern für kein fehlerhaftes Gelispel halten, wenn derselbe s t e h e n und s p r e c h e n , anstatt s c h t e h e n und s c h p r e c h e n sagt. Am Ende der Wörter aber ist die Aussprache des s t wie s c h t völlig unerträglich. Wie rauh klingen die Konsonante r , s c h und t unmittelbar nacheinander, in F ü r s t , B ü r s t e , b e r s t e n , wenn es F ü r s c h t , B ü r s c h t e , b e r s c h t e n , gelesen wird! – Bei dem r wird die schwächere, lallende, zwischen e und l schwankende Aussprache desselben, welche man Schnarren nennt, von einigen für schön und wohlklingend gehalten. Daß aber demohngeachtet das Schnarren ein Naturfehler sey, siehet man daraus, weil diejenigen, die es thun, es größtentheils thun müssen, und das r gar nicht ohne Schnarren aussprechen können, dahingegen diejenigen, die es nicht thun, es doch thun können, sobald sie es wollen. Freilich klingt die allzurauhe und nachdrückliche Aussprache des r dem Ohre auch nicht angenehm, und man muß daher das Zittern der Zunge beim r nicht zu lange fortdauern lassen, damit es nicht gleichsam noch nachklinge, wenn das r schon ausgesprochen ist. – Hiebei wollen wir noch zuletzt bemerken, daß es auch eine Dehnung der Konsonanten giebt, welche ebenfalls im Reden länger oder kürzer ausgesprochen werden, je nachdem der Nachdruck verschieden ist, den man mit der Stimme darauf legen will, indem man gleichsam durch den Konsonant auf den Vokal einen Zulauf macht. Wenn man z. B. mit Nachdruck n e i n , oder j a d o c h ! sagt, so verweilt man länger auf dem n und j , um dadurch die Idee, die man ausdrücken will, gleichsam desto fester zu fassen. Manchmal läßt man

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die Stimme in der Mitte eines Worts auf dem Konsonant ruhen, um dadurch in dem Worte selber eine Art von Unterbrechung oder Pause zu machen, indem man z. B. sagt, s o f a l l – e n s i e d o c h n i c h t ! und in der Mitte des Worts f a l l e n auf dem l die Stimme ruhen läßt, als ob man gleichsam mit dem Worte den Fallenden zurückhalten wollte. Wie lange ruhet nicht die Stimme auf dem s , indem man mit Nachdruck sagen will, s t i l l d o c h ! Wie gern dehnt man das l in der Aussprache sanftklingender Wörter, indem man die Zunge zurückhält, daß sie nicht zu schnell zu dem folgenden Vokal hinüber schlüpfen soll! Diese Dehnung der Konsonanten aber läßt sich freilich nicht nach Regeln, sondern bloß nach dem Gefühl des Redenden bestimmen.

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Beattie, Von dem Sprachvermögen, §45, S. 22f. 45. Wir lernen gerade in dem Theile unsrer Lebenszeit sprechen, wo unsre Organe am biegsamsten und unsre Nachahmungskräfte am thätigsten sind, das ist, in der Kindheit; und selbst dann ist diese Erlernung nicht leicht, weil sie nur der Erfolg einer die ersten Jahre hindurch, alle Tage, von Morgen bis an den Abend fortgesetzten Uebung ist. Wir haben Ursach zu glauben, daß wenn wir niemals eher versuchen wollten zu sprechen, als bis wir erwachsen wären, wir alsdann überhaupt niemals würden sprechen lernen. Und wenn es daher jemals eine Zeit gegeben hätte, in welcher alle Menschen ohne Sprache gewesen wären, mutum et turpe pecus, wie Epikur lehrte, so würden sie auch bis jetzt so verblieben seyn. Denn die Sprache kann ja denjenigen Geschöpfen kein B e d ü r f n i ß seyn, von welchen man voraussetzt, daß sie schon sehr lange ohne dieselbe existirt haben; und von solchen Geschöpfen war die Erfindung solcher Künste, die ihnen unnöthig und dazu beschwerlich werden mußten, wovon sie überdies in der sie umgebenden Welt kein Beispiel hatten, nicht zu erwarten. Und wenn die Sprache durch sie erfunden seyn sollte, so müßte dieselbe entweder durch sprachlose Kinder erfunden seyn, welche zwar biegsame Organe aber keine Erfindungsfähigkeit haben, oder durch

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sprachlose Erwachsene, denen man zwar die Erfindungsfähigkeit nicht absprechen kann, welchen aber hingegen die Biegsamkeit der Organe mangelte. Die Sprache muß folglich von jeher den Menschen eigen gewesen seyn, da denn beständig die Kinder von den Eltern durch Nachahmung sprechen gelernt haben. Und wenn sich dies so verhält, so muß unsern ersten Eltern diese Kunst sowohl als einige andere durch göttliche Eingebung zu Theil worden seyn.*)

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Da der Verfasser die Verschiedenheit der Sprachen, von der Verwirrung derselben bei dem Babilonischen Thurmbau, herleitet, so sey es uns auch erlaubt, die Entstehung der Sprache auf die Schöpfungsgeschichte Mosis selbst zurückzuführen. Es scheint, nach dieser Erzählung, als ob der Schöpfer selbst die Sprache als ein so nothwendiges Bedürfniß des Menschen schon von Anfang an, in die Schöpfung mit eingewebt habe; indem er einen so auffallenden Unterschied in die Dinge legte, welche sich zuerst dem Menschen darstellten, daß gleichsam das Wort aus seinem Munde gepreßt wurde, womit er diesen Unterschied bezeichnen sollte. Die Schöpfungsgeschichte selbst enthält hievon sichtbare Spuren, und scheint uns auch einen Aufschluß über die Entstehung der menschlichen Sprache zu geben. In dieser ganzen Erzählung finden wir die Begriffe von U n t e r s c h e i d u n g und B e n e n n u n g , allemal unmittelbar aufeinander folgend, eingewebt. Wir sehn, wie in der schönsten Stuffenfolge, erstlich die größten und auffallendsten, und dann allmälig die kleinern Unterschiede durch die Sprache bezeichnet werden. Was für einen auffallendern Unterschied giebt es in der ganzen Natur, als zwischen Licht und Finsterniß! Dieser wird zuerst bezeichnet, indem es heißt: Gott s c h e i d e t e oder u n t e r s c h i e d das Licht von der Finsterniß, und n a n n t e das Licht Tag, und die Finsterniß Nacht. Wie natürlich erklärt sich dieses, wenn wir sagen: Gott legte durch den auffallenden U n t e r s c h i e d zwischen Licht und Finsterniß dem Menschen

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gleichsam die Sprache in den Mund, daß er für jedes einen N a h m e n fand. Auf den Unterschied zwischen Licht und Finsterniß folgte der zweite große Unterschied zwischen Himmel und Erde; und dann der dritte zwischen Erde und Wasser. Es ist gleichsam, als ob der betrachtende Mensch diese großen Unterschiede erst hätte bemerken müssen, ehe noch seine Aufmerksamkeit auf die kleinern fallen konnte. Nachdem er sich oft über die größte Erscheinung in der Natur, über den aufgehenden Tag und über die dämmernde Nacht gewundert hatte, so fiel seine Aufmerksamkeit auf einen neuen Unterschied, indem er erst über sich, und dann vor sich nieder blickte, oben das glänzende Blau des Himmels, und zu seinen Füßen die dunklere feste Erde sahe. Nachdem dieser Unterschied seine Sinne genug beschäftigt hatte, so fing er nun an, auf der Erde selbst, worauf sonst noch alles ohne Figur und Gestalt vor seinen Blicken schwankte, den auffallendsten Unterschied zwischen der undurchsichtigen Erde und dem spiegelhellen Wasser zu bemerken. Und nun entdeckte er allmälig die kleinern Unterschiede, zwischen den Gegenständen, die ihm sonst noch alle in eins zu fließen schienen; zuerst hielt sich seine Aufmerksamkeit an den leblosen Gegenständen fest, weil diese seiner Vorstellung nicht so schnell entwischen konnten. Aufmerksamer betrachtete er die Fläche der Erde, und prägte sich ein Bild von den Bäumen und Pflanzen ein, die auf ihr wachsen; er blickte gen Himmel, und lernte nach und nach die Sonne, den Mond und die Sterne, von dem Himmel, an dem sie glänzen, unterscheiden. Endlich gelang es ihm auch, sich ein festes Bild von den lebenden und webenden Geschöpfen, von den Vögeln unter dem Himmel, von den Fischen im Wasser, und von den Thieren auf Erden, einzuprägen. Nachdem er auf die Weise die ganze Natur außer sich unterscheiden gelernt hatte, so gelangte er zu dem völligen süßen Bewußtseyn seiner selbst, wodurch er sich von allem, was ihn umgab, unterschied. – Wie natürlich sind dieser Erzählung zugleich die simpelsten Begriffe von Zeit und Zahl mit eingewebt, welche durch die beständige Wiederkehr einer und eben derselben Naturerscheinung, Morgen und Abend, nothwendig erweckt werden mußten; daher die öftere Wiederholung: so ward aus Abend und Morgen der

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erste, zweite Tag, u. s. w. – Da die Sprache mit ihren ersten Tönen die schlummernde Vorstellungskraft erweckte, da fing es an zu tagen, und die Morgendämmerung brach hervor. – Die Schöpfung, welche der Mensch im thierischen Zustande als eine unförmliche und ungebildete Masse würde betrachtet haben, bekam nun allmälig in seiner Vorstellung, Bildung und Form, das blaue Gewölbe des Himmels zog sich über ihm in die Höhe, und vor ihm sank die Fläche der Erde. – Die Wasser sammelten sich in Meere und Flüsse, und vor seinen Blicken ragte das Land empor – Die Ceder und der Grashalm gewannen in seiner Vorstellung Umfang und Gestalt – die Sonne am Himmel ründete sich in seinem Auge – jedes Thier erhielt seine Form, und stand in seiner eigenthümlichen Bildung vor ihm da. So lernte der Mensch allmälig das Einzelne im Ganzen unterscheiden. – Wie ein Schiffer in trüber Dämmrung erst nichts als Himmel und Wasser siehet, dann in dunkler Ferne ein Land entdeckt, das sich erst unförmlich aus dem Meere emporhebt, bis es dem Auge immer näher kömmt, und immer mehr Gestalt und Form gewinnt, daß der spähende Blick nach und nach Berge, Thäler und Flüsse, und endlich gar Bäume, Hütten, und wandelnde Menschen, darauf unterscheiden kann, und nun die ganze schöne Landschaft, geschmückt mit Wäldern und Wiesen, und von Bächen und Flüssen durchschnitten, im Glanz der Morgensonne, vor ihm da liegt. Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §55, S. 28

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55. Ein anderes den Nennwörtern wesentliches Ding ist das G e n u s oder Geschlecht der Wörter. Es sind nehmlich alle Dinge entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts, oder beides zugleich, oder keines von beiden. Für die Zwiefältigkeit des Geschlechts hat die Sprache in der Einrichtung der Nennwörter keinen Ausdruck, indem dies etwas Ungewöhnliches und auch Zweifelhaftes ist; sondern sie betrachtet alle Dinge und alle Nahmen von Dingen entweder als männlichen oder weiblichen Geschlechts, oder als Neutra, welches letztere Wort nehmlich w e d e r m ä n n l i c h n o c h w e i b l i c h , be-

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deutet. Die Nahmen aller d e r j e n i g e n Dinge, welche man sich weder als männlichen noch als weiblichen Geschlechts denken kann, sind in einigen Sprachen, besonders in der Englischen, N e u t r a , oder sollten es wenigstens seyn. Im Lateinischen, Griechischen und manchen andern Sprachen ist das Genus derjenigen Nennwörter, welche Dinge ohne Geschlecht anzeigen, entweder durch die Endung des Nennworts oder dessen Deklination, oder einige andere Umstände festgesetzt, wobei wir, um sie hier besonders anzuführen, zu sehr ins Detail gehen müßten.*)

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S. 28. Indem man von einem Baume sagt, e r i s t g r ü n , so redet man von ihm, als von einer Person männlichen Geschlechts, und indem man von der Rose sagt, s i e b l ü h e t , so redet man von ihr, als von einer Person weiblichen Geschlechts. So drückt der Mensch auch in dieser Absicht der leblosen Natur sein Gepräge auf. Das Leblose, was man sich als s t a r k , g r o ß , w i r k s a m , oder auch wohl als s c h r e c k l i c h denkt, wird, wenn man ihm eine Persönlichkeit beilegt, mit dem männlichen Geschlechte verglichen; dasjenige aber, was man sich als s a n f t , l e i d e n d oder a n g e n e h m denkt, vergleicht man, in dem Falle, daß man ihm Persönlichkeit zuschreibt, mit dem weiblichen Geschlecht, daher kömmt es nun, daß wir z. B. sagen: der der der der

Baum, Wa l d , Zorn, Haß,

die die die die

Blume, Wiese, Sanftmuth, Liebe.

Wo denn auch der härtere, männlichere Artikel d e r in das sanftere d i e hinüberschmilzt. So scheint die Sprache auch alles Leblose in der Welt zu paaren, indem sie zu etwas Größern oder Stärkern immer etwas Aehnliches aufzufinden weiß, das nur kleiner oder schwächer,

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aber schöner und angenehmer ist. Was man aber in der Natur nicht so wichtig oder nicht schicklich fand, ihm das menschliche Gepräge aufzudrücken, bezeichnete man, wenn man davon sprach, weder durch e r noch s i e, sondern durch e s , und schloß es auf die Art gewissermaßen von der Persönlichkeit aus, indem man es unter die S a c h e n rechnete. Ja sogar, wenn man von Menschen mit dem Begriffe von ihrer Kleinheit redet, zählet man sie eine Zeitlang unter die S a c h e n , als wenn man z. B. sagt, das K i n d , das M ä n n c h e n . Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §69, S. 35f.

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. . . Und solchergestalt ist nun unsere Idee vom Verbum vollständig geworden; so, daß wir folgende Erklärung davon geben können: »Es ist ein in jedem Urtheil oder verständlichen Satze der Rede nothwendiges Wort, welches in Ansehung irgend eines Attributs eine Behauptung, mit der Bestimmung von Z e i t , Z a h l und P e r s o n bezeichnet.«*) . . . Anmerkung 8. S. 36.

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Zu der Erklärung des V. vom Verbum wird vielleicht die folgende Entwickelung von der Kraft des Wortes i s t kein unschicklicher Zusatz seyn. Wenn wir nur ein Paar Worte reden wollen, und dasjenige, was wir sagen, einem andern verständlich seyn soll, so sind drei Dinge nöthig: erstlich müssen wir etwas b e n e n n e n , w o v o n wir reden wollen, oder wo man sich dasjenige, was wir nun noch sagen wollen, hinandenken kann, wir sagen z. B. d e r B a u m : nun haben wir noch nicht wirklich geredet, sondern erstlich etwas b e n a n n t , w o v o n wir reden wollen, und wenn wir hiermit aufhörten, so würde man noch immer horchen, w a s wir nun von dem Baume sagen wollten: denn wenn man reden hört, so erwartet man allemal etwas Z u s a m m e n h ä n g e n d e s , bei einer einzigen Sache aber kann ich mir ja keinen Zusammenhang denken. Es ist also zweitens nöthig, daß wir noch

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etwas b e n e n n e n , w a s man sich nun an die zuerst benannte S a c h e hinandenken kann, damit der Verstand beschäftiget wird; denn das Einzelne und Abgesonderte interessirt uns nicht, und setzt unsre Denkkraft nicht in Thätigkeit: wir sagen also z. B. d e r B a u m – g r ü n ; aber nun haben wir noch nicht g e r e d e t , sondern bloß zweierlei b e n a n n t , und dasjenige, was wir gesagt haben, ist u n v e r s t ä n d l i c h , weil kein Z u s a m m e n h a n g darinn ist: die Beschaffenheit g r ü n k a n n man sich wohl an den Baum hinan denken, allein man weiß doch nicht, ob man sie sich an denselben hinandenken s o l l . Es ist also drittens nöthig, daß wir die nothwendige H i n a n d e n k u n g des einen an das andre durch einen eignen Laut bezeichnen, und dieser ist nun das Wort i s t , wodurch wir dasjenige, was vorher bloße B e n e n n u n g e n waren, erst zur wirklichen z u s a m m e n h ä n g e n d e n R e d e erheben. B a u m war also der Nahme dessen, w o v o n wir reden wollten, g r ü n war die Benennung dessen, w a s wir von dem Baume reden wollten, und i s t war keine Benennung irgend eines Dinges in der Welt, sondern das Wo r t , w o d u r c h wir redeten. Indem man nun von einer Sache etwas redet, so bekömmt dieselbe eben dadurch in unsrer Vorstellung erst Wa h r h e i t , weil wir die Vorstellung davon in den Zusammenhang unsrer übrigen Vorstellungen hineinpassen, damit sie Festigkeit erhält. Wenn wir sagen, der Baum i s t grün, so denken wir uns denselben in die Reihe aller derjenigen Dinge hinein, welche auch grün sind, und bringen dadurch die Vorstellung von ihm in einen gewissen Zusammenhang mit andern Vorstellungen, woran sie sich festhalten kann. Darum muß auch immer dasjenige, w a s man von einer Sache redet, eine viel umfassendere, oder allgemeinere Vorstellung seyn, als dasjenige, w o v o n man redet. So sagt man z. B. e i n e E i c h e i s t e i n B a u m : der Nahme B a u m ist viel umfassender, als der Nahme E i c h e , und muß es seyn; denn die Vorstellung von einer Eiche muß dadurch erst ihre Wa h r h e i t bekommen, daß wir ihr in dem Zusammenhange einer größern Anzahl von Vorstellungen ihren gehörigen Platz anweisen. So muß die Vorstellung vom B a u m e wiederum durch eine noch viel umfassendere Vorstellung ihre Wahrheit erhalten, indem ich sage,

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e i n B a u m i s t e i n G e w ä c h s : und dieses geht immer weiter, bis endlich die erste Vorstellung schon an sich so viel umfassend ist, daß sie nur durch die allesumfassende Vorstellung vom D a s e y n , oder den ganzen Z u s a m m e n h a n g d e r D i n g e selber ihre Wahrheit erhalten kann, so sagen wir z. B. e i n K ö r p e r i s t e i n We s e n : denn weil alles, was wir vor uns sehen, Körper ist, so können wir diese Vorstellung in keinen andern Zusammenhang mehr bringen, als in den Zusammenhang der Vorstellungen von den möglichen Dingen, die außer den Körpern noch da seyn können: und We s e n ist nun an sich schon die allumfassendste Vorstellung, also kann ich sie in keinen Zusammenhang anderer Vorstellungen mehr hineinpassen, sondern bei ihr steht mein Denken stille. – Hieraus scheinet deutlich zu erhellen, daß Grammatik und Logik eins sey. Auch wird der Begriff von dem Worte i s t hiedurch in sein gehöriges Licht ge-setzt. Alle andern Wörter der Sprache erwecken Vorstellungen in uns, wobei wir uns bloß l e i d e n d verhalten; dieses einzige Wort aber setzt unsre Denkkraft in T h ä t i g k e i t . Es ist eigentlich das einzige wahre Wo r t in der Sprache, weil wir durch dasselbe erst wirklich r e d e n , da wir durch alle andern Wörter bloß b e n e n n e n . Wollten wir also in dem Ausdrucke, d e r B a u m i s t g r ü n , das i s t weglassen, so würden die beiden Vorstellungen sogleich wieder auseinander fallen, welche vorher so gut zusammenhingen, und wollten wir sagen, d e r g r ü n e B a u m , so hätten wir wiederum bloß b e n a n n t , ohne zu r e d e n . Allein wenn wir nun sagen, d e r B a u m g r ü n e t , so r e d e n wir doch von dem Baume, und doch fehlet das Wort i s t , w o d u r c h man erst wirklich r e d e t . – Allein man siehet leicht, daß dieses Wort hier mit g r ü n zusammengeschmolzen ist, indem man noch die Spur desselben in dem angehängten t entdeckt: g r ü n e t ist bloß eine Zusammenziehung aus g r ü n i s t . Auf diese Weise schmilzt nun das Wort i s t insbesondere mit den Wörtern zusammen, die einen Z u s t a n d , eine B e w e g u n g , oder H a n d l u n g anzeigen, weil diese Wörter an sich schon den Z u s a m m e n h a n g zwischen mehrern Dingen bezeichnen, und also dem Worte i s t schon näher kommen, als die Benennungen der Dinge selbst und ihrer Eigenschaften. Sagen wir also,

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d e r M a n n k ö m m t , so scheinet sich das Wort k ö m m t schon von selber an M a n n hinanzufügen, ohne daß es noch eines Zeichens der Hinanfügung oder Hinandenkung bedürfte, und doch ist k o m m e n eben sowohl eine bloße Benennung als M a n n . Es muß also doch etwas seyn, was diese beiden Benennungen zur wirklichen Rede erhebt, und was ist dieses anders, als wiederum das Wort i s t , wovon wir ebenfalls die Spur in dem angehängten t erblicken. Diejenigen Wörter nun, welchen das Wort i s t seine ideenverbindende Kraft mittheilet, so wie dem Worte k o m m e n , nannten die Lateiner, im eigentlichen Verstande, W ö r t e r , oder Ve r b a , und die übrigen, als d e r B a u m , d e r M a n n , d e r s t a r k e , nannten sie N a h m e n , oder N o m i n a . Wir mögen noch so oft sagen, d a s K o m - m e n , d a s G e h e n , d a s S p r e c h e n , so nennen wir zwar die Nahmen von gewissen Handlungen, aber wir können doch durch dieses bloße Nennen niemals anzeigen, daß diese Handlungen wirklich g e s c h e h e n : dazu ist uns das Wort i s t unentbehrlich, welches in diese Nahmen von Handlungen eindringen, und sie gleichsam in sich überformen, oder ihnen seine Natur mittheilen muß; wenigstens müssen wir es doch immer da hineindenken, wo wir es auch nicht ausgedrückt finden. Dieses Wort ist also die Seele der ganzen Sprache. Es dringt in die Fugen aller übrigen Wörter, und indem es sie durch seine wunderbare Kraft zusammenhält, bildet es dieselben zu dem schönen Ganzen eines Urtheils oder einer Rede: man entdeckt es selbst da, wo man es nicht siehet, es verhüllt sich in alle Gestalten, und herrscht durch die ganze Sprache, wie die Seele des Menschen durch den Körper.

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Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §72, S. 37f. Die durch das Verbum auszudrückenden Attribute können wir auf folgende vier zurückführen, erstens: d a s S e y n an sich selbst, als sum, i c h b i n ; zweitens, die H a n d l u n g o d e r T h a t , als: vulnero, i c h v e r w u n d e ; drittens, ein S e y n , w o r a u f i r g e n d e i n e H a n d l u n g o d e r T h a t E i n f l u ß o d e r B e z u g h a t , als vulneror, i c h w e r d e v e r w u n d e t ; und viertens, ein S e y n , w o b e i g a r k e i n e

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Handlung statt findet, oder ein Zustand ohne Thun u n d o h n e L e i d e n , d a s i s t , d e r R u h e ; als sedeo i c h s i t z e , habito, i c h w o h n e *). . . . Anmerkung 9. 5

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S. 37. Die Fugen des Verbums, wodurch es sich i m D e u t s c h e n nach dem Hauptworte richtet, sind in der einfachen Zahl die Buchstaben e , s t und t , und in der mehrfachen n und t ; indem wir z. B. sagen, i c h liebe, du liebest, er liebet, wir lieben, ihr liebet, sie lieb e n . Sage ich, du l i e b e s t , so verstärkt das s t gleichsam meine Vorstellung von der Handlung des Liebens durch die Bezeichnung ihrer W i r k l i c h k e i t , indem ich mir eine Person dabei vorstelle, die ich anrede, und die wirklich der Urheber dieser Handlung ist, wovon ich rede, so daß ich die Person und die Handlung nicht voneinander trennen kann. Sobald ich mir aber in der Anrede die W i r k l i c h k e i t von der Handlung hinweg denke, fällt auch das s t weg, und ich sage, im befehlenden Tone, l i e b e d u , und nicht, l i e b e s t d u , weil die Handlung des Liebens durch meinen Befehl erst w i r k l i c h werden soll, aber es noch nicht ist; so sage ich, d u g i e b s t , aber im befehlenden Tone, wo das Geben noch nicht wirklich geschieht, sage ich, g i e b . Sage ich nun, e r l i e b e t , so bezeichnet das t ebenfalls eine Wirklichkeit der H a n d l u n g , aber nicht mit solchem Nachdruck, wie das s t , weil ich hier keine Person a n r e d e , sondern nur v o n einer Person rede, die der Grund desjenigen ist, was ich rede, und die ich gleichsam in einem schwächern Lichte betrachte, als die Person, welche ich anrede. Denke ich mir aber die W i r k l i c h k e i t von der Handlung hinweg, und wünsche ich z. B. bloß, daß dieselbe geschehen möchte, so fällt auch hier das nachdrucksvolle t weg, und ich sage anstatt, e r g e h t , oder e r k ö m m t , bloß e r g e h e ! oder, e r k o m m e ! Daß aber s t und t die W i r k l i c h k e i t bezeichnen, scheinet daher zu kommen, weil sie verursachen, daß die Stimme länger auf dem Worte ruhet, und am Ende gleichsam noch einen gewissen Stoß

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oder einen Nachdruck darauf setzt. Wenn wir aber von uns selber reden, so scheinet es, als ob wir es für überflüssig halten, die W i r k l i c h k e i t desjenigen, was wir von uns s e l b e r reden, oder dessen wir uns selbst schon hinlänglich b e w u ß t sind, noch besonders zu bezeichnen; daher sagen wir, i c h l i e b e , indem wir bloß ein e hinzusetzen, oder von l i e b e n das n wegwerfen, wodurch sonst eigentlich die Wirklichkeit aufgehoben wird: denn wenn ich sage, d a s L i e b e n , oder z u l i e b e n , so nenne ich beinahe bloß den Nahmen einer Handlung, ohne mir dabei vorzustellen, daß sie w i r k l i c h g e s c h i e h e t . Demohngeachtet aber heißt es nun in der mehrfachen Zahl w i r l i e b e n , i h r l i e b e t , und s i e l i e b e n : eigentlich sollte es heißen, w i r l i e b e n t , und s i e l i e b e n t , wie man es auch in alten deutschen Schriftstellern findet, allein wir müssen bemerken, daß der Begriff von der M e h r h e i t gern die übrigen Begriffe zu verdrängen pflegt, und das ist hier der Fall; weil die Handlung nicht einer einzelnen Person, sondern mehrern zugeschrieben wird, so denkt man sich auch ihre W i r k l i c h k e i t nicht so genau und bestimmt, als ob sie nur einer einzigen Person wirklich zugeschrieben würde. Allein bei der Anrede wird auch in der mehrfachen, eben so wie in der einfachen Zahl, der stärkste Nachdruck auf das Verbum gesetzt, und es heißt, i h r l i e b e t . Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Hauptworte richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer übrigen Vorstellungen fügt. – Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §76, S. 39 76. Tempora indefinita, Aoristen oder n i c h t b e s t i m m e n d e Zeitausdrücke sind: . . . 3) Das Indefinitum futuri oder der nicht bestimmende Ausdruck der z u k ü n f t i g e n Zeit; als, gracv, scribam, ich w e r d e s c h r e i b e n ; welches gleicher Weise wohl auf die zukünftige Zeit aber auf keinen b e s t i m m t e n T h e i l derselben Bezug hat*).

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Da sich alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der Z e i t fest halten müssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fügen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein t zwischen das b und e einschiebt, so daß es heißt, i c h l i e b t e , d u l i e b t e s t u. s. w. Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem b , als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehängten e , s t u. s. w. hinüber gehen, als wenn die gegenwärtige Zeit ausgedrückt werden soll: denn der Begriff von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich j e t z t nicht mehr wirklich ist; darum fällt auch, wenn ich nur v o n einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht e r l i e b t e t , sondern e r l i e b t e . Allein unsre Sprache bezeichnet die Vergangenheit auch auf eine andre Art, die zwar nicht so künstlich und so regelmäßig als die vorhergehende ist, aber weit natürlicher und ausdrucksvoller zu seyn scheinet. Sie verwandelt nehmlich um die Vergangenheit zu bezeichnen, den höhern Vokal gewöhnlich in den tiefern, als, i c h s i n g e , i c h s a n g ; i c h f l i e ß e , i c h f l o ß ; i c h g r a b e , i c h g r u b , u. s. w. Die Vergangenheit verhält sich, in unsrer Vorstellung, zu der Gegenwart, wie die entferntere, gedämpfte Musik zu der tönenden und rauschenden, wie die Dämmerung zu dem Lichte – und wie bedeutungsvoll wird dieses durch die Verwandlung des höhern Vokals in den tiefern ausgedrückt! Freilich wird auch zuweilen der tiefere Vokal in einen höhern verwandelt, indem unsre Sprache die Vergangenheit bezeichnet, als i c h b l a s e , i c h b l i e ß ; i c h g e h e , i c h g i n g : allein hieran mag wohl eine übertriebene Verfeinerung der Sprache Schuld seyn; und daß die Verwandlung des höhern Vokals in den tiefern natürlicher ist, sieht man auch daraus, weil die Sprache des gemeinen Volks sich wieder dahin neigt, indem man unter demselben weit öfter hört, i c h b l u ß

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und i c h g u n g , als i c h b l i e ß und i c h g i n g . Diese übertriebene Verfeinerung der Sprache macht, daß sie immer mehr und mehr von ihrer bedeutenden Kraft verliert; so vertauscht man z. B. schon das nachdrucksvolle e r s c h o l l mit dem matten und regelmäßigen e r s c h a l l t e , und eben so macht man es in mehrern Fällen. Nun ist es merkwürdig, daß man dasjenige, was nicht wirklich ist, ebenfalls beinahe so wie die Vergangenheit bezeichnet, indem man z. B. sagt, i c h l i e b t e d i c h , w e n n d u e s v e r d i e n t e s t . Weil nehmlich die Vergangenheit j e t z t auch nicht mehr wirklich i s t , so hat man sich das g a r n i c h t W i r k l i c h e , und das j e t z t n i c h t W i r k l i c h e beinahe auf einerlei Art gedacht und bezeichnet. Bei den Verbis aber, wo der höhere Vokal zu einem tiefern herabgestimmt wird, um die Vergangenheit zu bezeichnen, als i c h t r a g e , i c h t r u g , unterscheidet man das g a r n i c h t W i r k l i c h e von dem n i c h t m e h r W i r k l i c h e n , indem man den tiefern Vokal wiederum gleichsam zu einem halben, schwankenden Tone stimmt, und sagt z. B. i c h t r ü g e d e i n e B ü r d e , w e n n s i e m i r n i c h t z u s c h w e r w ä r e . Denn ä , ö und ü sind gleichsam unter den Vokalen das, was in der Musik die halben Töne sind, darum sind sie am schicklichsten, das Schwankende, Ungewisse und nicht Wirkliche bei den Verbis zu bezeichnen. Wir sagen daher, i c h s a n g , i c h f l o g , i c h t r u g , um etwas anzuzeigen, das n i c h t m e h r w i r k l i c h i s t ; und i c h s ä n g e , i c h f l ö g e , i c h t r ü g e , um etwas anzuzeigen, das g a r n i c h t w i r k l i c h , sondern nur m ö g l i c h i s t . – Allein wenn ich z. B. sage, i c h s a n g , so denke ich mir die Handlung meines Singens als vergangen, und doch als u n v o l l e n d e t ; ich stelle mir vor, daß sie noch f o r t d a u e r t e , indeß etwas an-ders anging, als, i c h s a n g e i n t r ö s t e n d L i e d , d a v e r s c h w a n d m e i n K u m m e r , u. s. w. Es wird uns schwer, wenn wir uns irgend etwas als g a n z v o l l e n d e t , oder als g a n z v e r g a n g e n denken wollen, weil die Folge der Dinge in der Welt einen so festen Zusammenhang hat, wie die Glieder einer Kette, wo sich immer eins in das andere schließt, und wo man sich also nicht gut eins ohne das andre denken kann. So müssen sich unsre Vorstellungen von dem Entferntern auch an den Vorstellungen von dem Nähern und Gegen-

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wärtigen festhalten, wenn die Kette unsrer Gedanken nicht zerreißen soll. In unsrer Seele verdrängt ein Bild nicht plötzlich das andre, sondern schiebt sich ihm allmälig vor, und fügt sich zugleich an dasselbe hinan. Weil es nun, wegen des genauern Zusammenhanges der aufeinanderfolgenden Dinge, am allernatürlichsten ist, sich das Vergangne n i c h t a l s v o l l e n d e t , sondern in Ansehung desjenigen, was darauf folgt, noch als f o r t d a u e r n d zu denken, so bezeichnet unsre Sprache die Vergangenheit auch bloß auf diese Art u n m i t t e l b a r . Wollen wir uns aber demohngeachtet das Vergangne als g a n z v o l l e n d e t denken, so müssen wir dieses m i t t e l b a r thun, indem wir zu den Begrifffen von s e y n oder h a b e n unsre Zuflucht nehmen, das wir uns vorher als g e g e n w ä r t i g gedacht haben müssen, um zu dem Begriffe von der g ä n z l i c h e n Ve r g a n g e n h e i t zu gelangen. – Um uns also die gänzliche Vergangenheit z. B. der Handlungen des Liebens und des Gehens zu denken, sagen wir, i c h h a b e g e l i e b t , und i c h b i n g e g a n g e n . Durch h a b e n bezeichnen wir sonst dasjenige, was a u ß e r uns ist, und was wir nur mit in den Kreis unsers Daseyns ziehn; durch s e y n aber was i n uns ist, und was mit zu unserm Wesen gehört, indem wir z. B. sagen, i c h h a b e e i n K l e i n o d , und i c h b i n e i n M e n s c h : eben so sagen wir auch, i c h h a b e g e l i e b t , und i c h b i n g e g a n g e n , indem wir uns l i e b e n als eine Handlung vorstellen, die von uns a u s g e h t , g e h e n aber als eine Handlung, die sich gleichsam i n uns selber zurückwälzt, und auf die Weise schon mehr in unser Daseyn verwebt ist. So-lange aber eine Handlung noch nicht v o l l s t ä n d i g oder g a n z v o l l e n d e t ist, kann ich sie noch nicht zu dem zählen, was ich h a b e oder was ich b i n : diese Vo l l s t ä n d i g k e i t der Handlung nun, welche nothwendig ist, wenn ich mir dieselbe, als g a n z v e r g a n g e n , denken will, wird durch die Silbe g e ausgedrückt, die gemeiniglich eine Zusammenfassung desjenigen bezeichnet, was aufeinander folgt, so wie z. B. in dem Worte G e m u r m e l , wo ich ein oft wiederhohltes Geräusch, das ich m u r m e l n nenne, zusammenfasse, und mir es wie ein Ganzes denke. Eben so fasse ich nun unter der Silbe g e in g e l i e b t , die Vollständigkeit der Handlung meines Liebens zusammen, wie diesel-

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be nicht nur von mir a u s g e g a n g e n , sondern auch schon auf einen andern Gegenstand ü b e r g e g a n g e n ist, und also ihre Endschaft erreicht hat; und in g e g a n g e n fasse ich eine wiederhohlte Bewegung, die ich g e h e n nenne, zusammen, und denke sie mir nun als etwas Vo l l s t ä n d i g e s , oder als etwas, das seine E n d s c h a f t erreicht hat. Wollen wir uns nun das völlig Vergangene nicht einzeln und gleichsam abgeschnitten, sondern im Zusammenhange mit etwas darauf folgendem denken, das auch schon vergangen ist, so müssen wir sogar die Mittelbegriffe von s e y n und h a b e n in die Vergangenheit zurückschieben, und sagen, i c h h a t t e g e l i e b t , und i c h w a r g e g a n g e n . Auf diese Art machen wir die dunkelste Perspective in unsrer Seele, indem wir die völlige Vergangenheit selbst noch hinter eine andre Vergangenheit zurückschieben.

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Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §79, S. 41f.

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79. Z u s a m m e n g e s e t z t e Te m p o r a , welche zwei oder mehr Zeiten in einem Tempus vereinigen, sind . . . 4) D a s P a u l o p o s t F u t u r u m ; welches eine g e g e n w ä r t i g e Zeit mit einer z u k ü n f t i g e n verbindet, wie sich deutlich in dem lateinischen Ausdrucke desselben zeigt: scripturus sum; in welchem scripturus das Participium in der zukünftigen, und sum das Hülfswort in der gegenwärtigen Zeit ist.*)

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Anmerkung 11. S. 42.

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Die Zukunft können wir uns ebenfalls nicht unmittelbar denken, sondern müssen sie uns erst m i t t e l b a r , durch den Begriff des We r d e n s , oder allmäligen Entstehens, vorstellen, indem wir z. B. sagen, i c h w e r d e r u f e n , i c h w e r d e g e h e n . Das We r d e n oder E n t s t e h e n dieser Handlungen, indem sich meine Gedanken jetzt dazu entschließen, denke ich mir als w i r k l i c h und g e g e n w ä r t i g , die Handlungen selbst aber kann ich mir unmöglich als wirklich denken, daher drücke ich ihnen auch nicht das Gepräge der Wirklichkeit auf,

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und sage nicht, d u w i r s t r u f e s t , sondern, d u w i r s t r u f e n , u. s. w. Ist aber auch dieß Entstehen der Handlung noch nicht einmal wirklich, so bezeichne ich diese Ungewißheit durch einen halben, schwankenden Ton, und sage anstatt i c h w e r d e r u f e n , i c h w ü r d e r u f e n , u. s. w. – Wenn wir nur bloß sagen, i c h w e r d e r u f e n , so rufen oder handeln wir noch nicht wirklich, sondern so lange die Handlung noch in uns entsteht, verhalten wir uns gleichsam u n t h ä t i g . Daher kömmt es nun, daß wir uns durch den Mittelbegriff von w e r d e n , auch das u n t h ä t i g e Verhältniß denken, worinn wir uns befinden, wenn wir nicht selbst handeln, sondern die Handlung eines andern auf uns ü b e r g e h t , und daß wir also z. B. sagen, i c h w e r d e g e l i e b t , i c h w e r d e g e r u f e n . Daß aber in diesem Falle die ü b e r g e g a n g e n e Handlung durch die Silbe g e bezeichnet wird, erklärt sich sehr natürlich daraus, daß man sich die Handlung schon wie v o l l s t ä n d i g , oder gewissermaßen wie v o l l e n d e t denken kann, sobald sie auf ihren Gegenstand schon wirklich ü b e r g e g a n g e n ist. Weil aber das We r d e n etwas ist, das nicht von mir a u s g e h t , sondern gleichsam in mir selber bleibt, so kann ich auch nicht sagen, i c h h a b e g e w o r d e n , sondern, i c h b i n g e w o r d e n : allein man sagt demohngeachtet, vielleicht des Wohlklangs wegen, nicht, i c h b i n g e l i e b t g e w o r d e n , sondern, i c h b i n g e l i e b t w o r d e n . Bei alle den Verbis, die auf die Art etwas anzeigen, das mehr i n uns bleibt, als von uns a u s g e h e t , so daß wir uns mehr l e i d e n d als t h ä t i g verhalten, wird das v ö l l i g Ve r g a n g e n e nicht durch h a b e n , sondern durch s e y n bezeichnet; daher sagen wir, i c h b i n b e g e g n e t , i c h b i n g e f a l l e n , i c h b i n g e s t ü r z t , weil alle diese Verba etwas bezeichnen, das von uns unabhängig ist, und wobei wir uns mehr l e i d e n d als t h ä t i g verhalten. Demohngeachtet aber sagen wir, e s h a t m i c h g e f r e u e t , e s h a t m i r g e a h n d e t , u. s. w. weil wir uns bei den unpersönlichen Verbis zwar selbst wie l e i d e n d verhalten, aber dasjenige, was auf uns wirkt, sich gewissermaßen t h ä t i g gegen uns verhält. Wir sagen sogar, i c h h a b e g e l i t t e n , i c h h a b e g e r u h e t , i c h h a b e g e s c h l a f e n , obgleich alles dieses keine Handlungen sind, die von uns ausgehen, allein wir denken sie

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uns doch einmal, als von uns abhängig, so daß es auf uns ankömmt, ob wir leiden, ruhen, oder schlafen w o l l e n , oder nicht, kurz, wir denken uns gewissermassen t h ä t i g . Bei den Ve r ä n d r u n g e n d e s O r t s aber, als g e h e n , l a u f e n , k o m m e n , scheinen wir uns am wenigsten t h ä t i g zu denken, weil die Bewegung gleichsam unsern Körper fortzieht, und derselbe sich also nur l e i d e n d verhält, darum sagen wir, i c h b i n g e g a n g e n , g e l a u f e n , g e k o m m e n , u . s . w . : deswegen ist auch nur ein kleiner Unterschied dazwischen, wenn wir sagen, i c h b i n g e f a h r e n , und i c h b i n g e f a h r e n w o r d e n . We r d e n läßt sich beinahe durch alle Vokale abändern, nachdem man Gegenwart, Vergangenheit, und Wirklichkeit oder Möglichkeit darinn bezeichnen will, als w i r d , w e r d e , w a r d , w o r d e n , w u r d e , würde.

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Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §89, S. 46f. 89. Von den I n t e r j e k t i o n e n . Diese Wörter findet man in allen Sprachen, obgleich man wohl nicht sagen kann, daß sie nothwendig sind. Sie heißen Interjekta, weil sie mit der Rede nicht zusammenhängen, sondern, um ein plötzlich entstandenes Gefühl oder eine plötzliche Bewegung der Seele anzuzeigen, gleichsam nur darunter geworfen werden. . . . Und was die Interjektiones der Ve r w ü n s c h u n g oder Ve r f l u c h u n g anbetrift, so kann ich nicht zugeben, daß dieselben in der Sprache entweder nothwendig oder nützlich seyn sollten.*) . . . Unsere Gefühle durch Interjektionen auszudrücken ist oftmals natürlich; aber ein überflüssiger Gebrauch der Interjektionen macht sowohl im Reden als im Schreiben einen üblen Effekt.

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Anmerkung 12. S. 47. Der Verfasser geht wohl zu weit, wenn er, wie es scheint, behaupten will, daß die Interjektionen der Verwünschung oder Verfluchung, weil sie gegen die Moralität verstoßen, a u c h s o g a r a u s d e r Grammatik verbannt seyn müssen.

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Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §92, S. 48

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Jedermann hat wohl ein Verzeichniß von Präpositionen gesehen, und weiß, wie dieselben in der Wortfügung gebraucht werden. Sie drükken alle irgend einen Umstand aus, der sich auf den Begrif O r t bezieht, als z u , b e i , v o n , v o r , h i n t e r , j e n s e i t s , ü b e r , u n t e r , u. s. w. Im figürlichen Sinne dienen die meisten derselben aber auch, um noch andere als Ortsverhältnisse auszudrücken. So sagen wir z. B. e r r e g i e r t ü b e r d a s Vo l k , e r d i e n t u n t e r s o l c h e i n e m O b e r h e r r n . Sie werden zuweilen auf solche Art einem Worte vorgesetzt, daß sie einen Theil desselben ausmachen: in welchem Falle sie oftmals, aber nicht immer*), dem Worte etwas von ihrer eigenen Bedeutung geben. . . . Anmerkung 13. S. 48.

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Die Wörter genau gegeneinander gehalten, ist es wohl ohne Zweifel, daß die Präpositionen dem Worte, welchem sie vorgesetzt werden, i m m e r etwas von ihrer eigenen Bedeutung geben. Die Begriffe zu den Präpositionen sind zuerst aus der Körperwelt hergenommen, und alsdann auch auf unkörperliche Dinge angewandt worden; denn man sagt z. B. i c h g e h e ü b e r d i e B r ü c k e , und man sagt auch, i c h d e n k e ü b e r d i e S p r a c h e n a c h . Besonders sind die Begriffe von a u f , a n , u n t e r u. s. w. zuerst vom menschlichen Körper selbst hergenommen: a u f brauche ich, wenn etwas meinen Kopf, a n , wenn etwas meine Seite, und u n t e r , wenn etwas meinen Fuß b e r ü h r t ; ü b e r brauche ich, wenn sich etwas meinem Kopfe, b e i , wenn sich etwas meiner Seite n ä h e r t ; v o n brauche ich, wenn etwas meinen Kopf, Seite oder Fuß v e r l ä ß t . Nun gründet sich aber auf B e r ü h r u n g , A n n ä h e r u n g und Ve r l a s s u n g der ganze Zustand und alle Veränderungen in der Körperwelt; denn ohne diese würde alles ohne Zusammenhang, und ohne Beziehung aufeinander seyn. Man siehet also leicht, wie wichtig diese kleinen Wörter sind, wodurch diese drei Hauptbegriffe ausgedrückt, und auf mannigfaltige Weise abgeändert

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werden. Folgende figürliche Darstellung wird das obige deutlicher machen. Der Spitze eines Dinges Der Seite eines Dinges Des Fußes eines Dinges Aller auswendigen Seiten eines Dinges Aller inwendigen Seiten eines Dinges

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Berührung, auf an unter um an

Annäherung, über bei unter um in

Verlassung. von von von –

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aus

U m zeigt schon einen weit stärkern Grad der Berührung oder Annäherung an, als a u f , a n , u n t e r u. s. w. indem man sich dabei denkt, wie etwas alle auswendigen Seiten eines Dinges berührt, oder sich denselben nähert. Nun läßt sich aber kein höherer Grad der Berührung oder Annäherung denken, als wenn etwas alle die Seiten eines Dinges zugleich berührt, von welchem es wieder von allen Seiten berührt wird, oder wenn etwas sich allen Seiten eines Dinges zugleich nähert, dessen Seiten sich ihm alle zu gleicher Zeit wieder nähern; und dieser Grad der Berührung oder Annäherung ist es eben, welcher durch i n ausgedrückt wird. Daher scheint es auch kommen, daß die Verlassung in diesem Falle durch ein eignes dazu bestimmtes Wort, nemlich durch a u s bezeichnet wird, da sie in allen übrigen Fällen nur durch v o n oder durch Umschreibungen ausgedrückt werden kann. Unter den Präpositionen, welche eine B e r ü h r u n g oder A n n ä h e r u n g bezeichnen, kann man sich größtentheils, sowohl einen Aufenthalt, oder ein Bleiben a n e i n e m O r t e , als eine Richtung a n e i n e n O r t h i n , denken. Selbst bei der Bewegung kann man sich ein Bleiben oder einen Aufenthalt a n e i n e m O r t e denken, w o sie vorgeht, wenn man sich vorstellt, daß die Bewegung die Grenzen dieses Orts nicht überschreitet, man sagt z. B. d e r F i s c h s c h w i m m t i m Wa s s e r , s c h w i m m e n ist eine Bewegung, aber bei dieser Bewegung denken wir uns doch ein Bleiben, oder einen Aufenthalt in dem Wasser, w o sie vorgeht; denn in Ansehung des Wassers bleibt sie immer da, wo sie ist, und rückt nicht weiter fort: das

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ganze Wasser ist also nicht das Z i e l des Schwimmens, w o h i n dasselbe g e r i c h t e t ist, sondern bloß der O r t , w o es geschiehet; sollte es das Z i e l des Schwimmens seyn, so müßte der Fisch vom Lande ins Wasser schwimmen können; ein Theil oder eine Gegend im Wasser aber kann wohl das Z i e l des Schwimmens seyn. Einige Präpositionen, welche eine Annäherung oder Berührung anzeigen, lassen sich gar nicht ohne den Begriff einer Bewegung an einen Ort h i n denken, als u m , d u r c h , g e g e n , w i d e r , welche daher auch das Wort, welches sie nach sich haben, beständig zum Z i e l w o r t e machen. – Ich sage, d i e B ä u m e s t e h e n u m d a s H a u s , und nicht, u m d e m H a u s e , w e i l ich mir die Reihe von Bäumen, die um das Haus stehen, nicht auf einmal denken kann, sondern sie i n m e i n e n G e d a n k e n gleichsam muß f o r t r ü c k e n lassen, bis sie das ganze Haus umgeben haben. Denn u m ist ein zusammengesetzter Begriff, welcher aus h i n t e r , v o r und n e b e n , besteht: ehe ich mir also denken kann, daß die Bäume u m das Haus stehen, muß ich mir vorher erst nacheinander gedacht haben, daß sie theils v o r dem Hause, theils h i n t e r dem Hause, und theils n e b e n dem Hause stehen. Ein Cirkel mag nun gehend oder stehend beschrieben werden, so kann ich ihn mir doch nicht auf einmal denken: denn wenn er an sich noch so stille steht, so muß er sich doch immer durch meine Vorstellung b e w e g e n , oder er muß vielmehr erst in derselben durch eine Folge mehrerer Begriffe entstehen. Eine Reihe von Personen, die um mich her s t e h t , beschreibt eben sowohl einen Cirkel, als eine einzelne Person, die um mich her g e h t , indem die Reihe die B e w e g u n g der einzelnen Person, durch ihre A u s d e h n u n g ersetzt: ob nun gleich diese Reihe von Personen zugleich v o r mir, h i n t e r mir, und n e b e n mir schon wirklich befindlich ist, so beschleunigt doch dieses meine Vorstellung von dem Cirkel, den sie beschreibt, eben so wenig, als ob sie erst nach und nach dahin kämen, weil ich mir nicht eher denken kann, daß eine Reihe von Personen u m mich her steht, bis ich mir erst, nicht auf einmal, sondern eins nach dem andern, gedacht habe, daß sie v o r mir, h i n t e r mir, und n e b e n mir, befindlich sey, und diese Reihe also wenigstens in mei-

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nen Gedanken f o r t r ü c k e n lasse, ob sie gleich an sich nicht fortrückt. Eben so sage ich auch, e i n M e n s c h g e h t d e n B e r g h i n a u f , und e i n e R e i h e v o n M e n s c h e n s t e h t d e n B e r g h i n a u f , indem auch hier die B e w e g u n g der einzelnen Person durch die A u s d e h n u n g der ganzen Reihe ersetzt wird, und ich diese Reihe nun in meinen Gedanken eben so wie die einzelne Person fortrükken lasse. Denn so wie sich der S t a n d o r t einer einzelnen Person, die den Berg hinauf g e h t , alle Augenblicke v e r ä n d e r t , so v e r ä n d e r t sich ja auch der S t a n d o r t der ganzen Reihe in jedem Augenblick, indem ich sie mir denke; das macht, die ganze Reihe findet eigentlich nirgends, als in meiner Vorstellung statt: nun kann ich aber den Begriff von der Reihe auf einmal umfassen und festhalten, weil sie aus demjenigen besteht, was die Menschen, die ich sehe, Aehnliches untereinander haben, aber den Begriff von dem S t a n d o r t e der Reihe kann ich nicht so mit einemmale umfassen und festhalten, weil er aus demjenigen besteht, wodurch sich alle die Menschen, die ich vor mir sehe, sie mögen sich sonst so ähnlich seyn, wie sie wollen, voneinander unterscheiden, und dieses ist eben der Ort, den ein jeglicher einnimmt: darum muß sich der Begriff von dem Standorte der Reihe durch den Begriff von der Reihe selber gleichsam hindurch b e w e g e n , und muß durch diese Bewegung demselben nachgeholfen werden. Wir sehen also hieraus, in wie fern auch sogar das Wort s t e h e n ein Z i e l der B e w e g u n g nach sich haben kann. – Mit der Präposition d u r c h ist der Begriff von der B e w e g u n g ebenfalls unzertrennlich verknüpft: d u r c h heißt nehmlich so viel, als s i c h den inwendigen Seiten eines Dinges allmälig nähernd, oder sie berührend, und dieselben zu gleicher Zeit verl a s s e n d . Eine Sache, welche irgendwo durchgehet, ist immer noch nicht da, wo sie seyn soll, und dasjenige, wodurch sie gehet, bleibt also auch immer das Z i e l ihrer B e w e g u n g : ich kann daher wohl sagen, e r g i n g i n d e m Wa l d e h e r u m , aber nicht, e r g i n g d u r c h d e m Wa l d e , s o n d e r n e r g i n g d u r c h d e n Wa l d . Ja ich sage sogar, d e r B a l k e n s t e h t d u r c h d i e M a u e r , indem ich ihn, ob er gleich still steht, dennoch i n m e i n e n G e d a n k e n muß f o r t r ü k -

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k e n lassen, sobald ich mir vorstellen will, daß er wirklich d u r c h die Mauer steht. – Die Präpositionen g e g e n und w i d e r bezeichnen eine R i c h t u n g überhaupt, ohne zu bestimmen, ob sich dieselbe i n , a n oder a u f einen Gegenstand lenkt. R i c h t u n g ist aber ein allgemeiner Begriff, der die Aehnlichkeiten in sich faßt, welche alle Bewegungen untereinander ha-ben; denn das haben alle Bewegungen miteinander gemein, daß sie auf irgend etwas g e r i c h t e t sind. Will ich mir nun auch bei einem bloßen Zustande eine R i c h t u n g denken, so muß ich zugleich den Begriff von Bewegung in denselben hinein tragen: wenn ich z. B. sage, daß ein Land gegen Morgen oder gegen Abend l i e g t , so lasse ich dasselbe in meinen Gedanken gleichsam f o r t r ü c k e n , bis es gerade auf den Fleck trift, wohin ich ihm eine bestimmte Richtung zuschrieb, und trage also in den Zustand des Liegens den Begriff von Bewegung hinein. Die Präpositionen g e g e n und w i d e r machen sogar ein Hauptwort zum Z i e l e des andern, ohne daß ein Verbum dazwischen zu stehen braucht, indem man sagt, m e i n e L i e b e g e g e n d i c h , d e i n H a ß w i d e r m i c h , weil man sich in g e g e n und w i d e r schon eine Richtung nach einem Z i e l e nothwendig denkt, welche sonst mit in dem Verbum liegt. Das Wort G e g e n s t a n d selber, welches dasjenige anzeigt, worauf etwas gerichtet ist, hat man nicht anders, als mit der Präposition g e g e n zusammensetzen können. – Die Verlassung ist in unserer Sprache durch die Präpositionen am mangelhaftesten bezeichnet, dieser Mangel mußte also durch Umschreibungen und Zusammensetzungen mit w e g , a b u. s. w. so gut wie möglich ersetzt werden.

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Beattie, Die wesentlichen Bestandtheile der Sprache, §94, S. 48f.

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94. In den neuern europäischen Sprachen ersetzen die Präpositionen vor den Nennwörtern den Mangel der K a - s u s ; so ist im Englischen of man, to man, with man, dasselbe, was im Lateinischen hominis, homini, homine ist. – Der englische und deutsche Genitiv wird zuweilen durch Hinzufügung eines s, s zu dem Nennworte bezeichnet; als im Englischen: mans life, hominis vita, d e s M a n n e s L e b e n ; im

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Deutschen: d i e E i n b i l d u n g s k r a f t , welches eins ist mit d i e K r a f t d e r E i n b i l d u n g . Ferner haben einige der englischen so wie auch der deutschen Pronominum einen Casum obliquum; als im Englischen I, welches me; thou, welches thee; und she, welches her, und im Deutschen i c h , welches m i c h und m i r ; d u , welches d i c h und d i r ; e r , welches i h n und i h m ; und s i e , welches im Dativ i h r hat, u. s. w. Nach diesen und wenigen andern Ausnahmen können wir behaupten, daß es in der englischen Sprache keine Kasus giebt; welche Behauptung auch in Ansehung einiger andern Sprachen statt findet; woraus wir dann schließen, daß die Kasus, ob sie gleich im Griechischen und Lateinischen sehr wichtig und eine Quelle vieler Sprachschönheiten sind, dennoch zu dem Wesentlichen der Sprache überhaupt nicht mit gehören.*)

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Anmerkung 14. S. 49. Da die Wort- und Ideenverhältnisse, welche durch die K a s u s bezeichnet werden, so innig in die Sprache verwebt sind, daß ohne dieselben das ganze Gebäude der Rede zerfallen würde, so behauptet der V. wohl mit Unrecht, daß sie nicht zum Wesentlichen der Sprache gehörten. – Der Mangel derselben fällt vielmehr in jeder Sprache als eine Unvollkommenheit auf, welche man durch nicht ganz zureichende Hülfsmittel auf irgend eine Weise zu ersetzen sucht.

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Beattie, Von der äußern Sensation oder dem Wahrnehmungsvermögen, §106, S. 56 106. . . . Wir nehmen die äussern Dinge an sich selbst wahr, und glauben, daß sie existiren, und dasjenige sind, was sie zu seyn scheinen. Dies ist die Sprache der gesunden Vernunft, und der Glaube aller Menschen. Dies müssen wir glauben, wir mögen wollen oder nicht. Ja, selbst diejenigen, welche es leugnen, müssen es für ausgemacht annehmen, weil sie sonst bei keinen unvermutheten Vorfalle im Leben wissen könnten, was sie zu thun oder zu lassen hätten*). Und daß die

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Seele entfernte Gegenstände wahrzunehmen vermag, ist uns eben so gedenkbar, als daß sie ihre eignen Ideen wahrnehmen kann. Anmerkung 15. S. 56. 5

Diese Stelle des Verfassers giebt vorzüglich den Gesichtspunkt an, woraus man dies Werk und die philosophische Denkungsart des Verfassers beurtheilen muß, um ihm Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Beattie, Von der Einbildungskraft, §146, S. 80

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146. Von feierlichen und heiligen Dingen sollte daher niemals in lächerlichen oder leichtsinnigen Ausdrücken gesprochen werden; so wie auch solche Plätze, die religiösen Verrichtungen gewidmet sind, niemals zu Scenen von irgend etwas Lustigem, Lächerlichem oder Unschicklichem gemacht werden sollten.*) Wo diese Regeln nicht befolgt werden, können ernsthafte und lächerliche Gedanken, so in der Seele mit einander vermischt werden, daß die erstern die letztern zuweilen sehr zu ungelegener Zeit herbeiführen. Man lasse heilige Dinge immer mit einer ernsthaften Sprache und feierlichen Umständen begleitet seyn; und derjenige, welcher wünschet, die Herrschaft über seine Leidenschaften und Gedanken zu behalten, hemme sorgfältig gleich im Anfange jede Hinneigung zu verkehrten und unreinen Ideenverbindungen. Anmerkung 16. S. 80.

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Wenn man erwägt, wie wenig Scherz und Laune durch das Heilige und Ehrwürdige bei den Festen der Alten ausgeschlossen wurden, so scheint es, als ob sie gewußt hätten, das Ernsthafte und Komische gleichsam an seinen beiden Enden zu fassen, und es in einem glücklichen Vereinigungspunkte zusammenzuknüpfen, der uns vielleicht

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entschlüpft seyn mag, weil wir bei dem Heiligen und Ehrwürdigen das Komische immer nur auf eine solche Art dulden, als ob es nicht recht mit gutem Gewissen geschehen könne.

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Beattie, Von einigen dem Menschen eigenthümlichen Sensationen, §163, S. 90f. 163. Vermittelst des Auges nehmen wir Farben und Gestalten wahr; wir nehmen aber auch wahr, daß einige derselben s c h ö n sind, und andere hingegen nicht. Dies Vermögen, die Schönheit wahrzunehmen, welches die unvernünftigen Thiere nicht besitzen, ob sie gleich eben sowohl s e h e n können als wir, nenne ich einen mittelbaren Sinn, der nehmlich den unmittelbaren oder ursprünglichen Sinn des Sehens voraussetzt. Durch das Ohr nehmen wir Laute wahr; wir nehmen aber auch wahr, daß gewisse Verbindungen von Lauten oder Tönen h a r m o n i s c h , und andre Verbindungen derselben hingegen übelklingend sind. Dies Vermögen, die Harmonie wahrzunehmen, welches nach dem gemeinen Sprachgebrauche ein musikalisch Gehör heißt, ist ein andrer mittelbarer Sinn, womit die unvernünftigen Thiere nicht begabt sind, und der auch vielen Menschen, die sonst sehr wohl hören können, gänzlich mangelt*). Dieser Art Sinne giebt es nun in der menschlichen Natur ohne Zweifel viel. . . . Anmerkung 17. S. 91. Daß das Gefühl für Harmonie, oder das Ve r m ö g e n Harmonie wahrzunehmen, v i e l e n Menschen g ä n z l i c h mangeln sollte, scheinet wohl eine zu gewagte Behauptung des Verfassers zu seyn; weil ein innerer Sinn, der zu schlummern scheint, oft nach langer Uebung erst erwacht, und erst zu viele Proben mit jedem einzelnen gemacht werden müßten, ehe man entschieden behaupten kann, daß der Sinn für Harmonie ihm gänzlich mangle. Wenigstens verdiente diese Frage genauer erörtert zu werden, da der Sinn für Harmonie bei dem menschlichen Geiste ein so wesentliches und unterscheidendes Merkmal zu seyn scheint.

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Beattie, Von einigen dem Menschen eigenthümlichen Sensationen, §209, S. 115f.

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209. In der scherzhaften Schreibart sind zweierlei Arten des Styls gebräuchlich, die beide eine Vermischung von Würde und Niedrigkeit enthalten; nehmlich, was man im Englischen mock-heroick nennt, oder der das Niedrigere erhöhende, und das Burlesque, oder der das Höhere erniedrigende Spott. Ersterer betrachtet kleine Dinge als groß, und beschreibt sie mit einer gewissen Pracht der Sprache und Har-monie. Die D u n c i a d e , der S p l e n d i d - S c h i l l i n g , der K r i e g d e r F r ö s c h e und M ä u s e , welches Werk gewöhnlich, obgleich irriger Weise, dem Homer zugeschrieben werden, sind Meisterstücke in dieser Schreibart; so wie auch der L u t r i n von B o i l e a u , und der R a u b d e r H a a r l o c k e von Pope. Der burlesque Schriftsteller nimmt gleichsam den Charakter eines Gauklers an, und betrachtet große Dinge als klein, kleine Dinge kleiner als wie sie wirklich sind, bedient sich dabei einer gemeinen Sprache, und, wenn er in Versen schreibt, einer besondern Leichtigkeit oder Nachlässigkeit im Silbenmaß. H u d i b r a s und die G e s c h i c h t e d e s J o h n B u l l sind in diesem Styl geschrieben, ersterer in Versen, letztere in ungebundener Rede, und beide in ihrer Art vortreflich.*) Anmerkung 18. S. 116.

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In der Art von Poesie, welche der Verfasser unter dem Nahmen einer launigten Schreibart begreift, und klassifizirt, und wovon er einige englische und französische Muster anführt, besitzen wir im Deutschen im achten Bande von Göthe’s Schriften ein paar Meisterwerke, welche zugleich ein wahrer Lebensspiegel und Darstellung unsrer Zeiten sind.

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Beattie, Vom Geschmack, §236, S. 131f. 236. Der Geschmack wird ferner, wie wir bereits bemerkt haben, durch das Studium der Natur und der besten Werke der Kunst, vervollkommnet. . . . – Wir haben vorhin schon bemerkt, daß man keine andere, als bewährte gute Autoren lesen, und selbige nicht eher verlassen müsse, bis man jeden Punkt ihrer Lehre und Meinungen, und jedes Wort ihrer Sprache verstehe*). . . .

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Anmerkung 19. S. 131. Die Behauptung des V., daß man die guten Autoren, die man lieset, nicht eher verlassen müsse, als bis man j e d e n Punkt ihrer Lehre und Meinungen, und j e d e s Wort ihrer Sprache verstanden habe, verdient wohl Einschränkung, weil gleichzeitige Schriftsteller zum öftern aus einander erklärt und beurtheilt werden müssen, und zuweilen durch einander erst ihr eigentliches Interesse erhalten. Ja es ist oft nicht einmal möglich, jeden Punkt der Lehre, Meinungen u. s. w. in einem Autor zu verstehen, bis man erst nach der Lektüre von einem oder mehrern Schriftstellern zu seinem ersten Autor wieder zurückkehrt, und einem dann erst über manches ein Licht aufgeht, worüber man vorher lange und vergeblich nachgedacht, und Mühe und Zeit verschwendet hätte.

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Beattie, Von den freien Handlungen, §254, S. 143f. 254. In Rücksicht auf die christliche Religion, welche nehmlich in dieser Materie mit betroffen wird, kann man hier bemerken, daß der eine verwegene Fatalist die Lehre von der Nothwendigkeit als einen Beweiß zu verbreiten sucht, der entweder den Atheismus begünstigt, oder die Schändlichkeit des Lasters aufhebt; und daß hingegen irgend ein anderer eifriger Anhänger der Lehre von der Nothwendigkeit, welcher seinen Glauben an Gott und Christum öffentlich bekennt, zuzugeben scheint, daß das Zeugnis der heiligen Männer, welche die

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Bibel verfasset haben, vielmehr wider als für die Lehre von der Nothwendigkeit ist. . . . Bei verschiedenen Gemüthsarten können ohne Zweifel in Ansehung der Lehre von der Nothwendigkeit auch verschiedene Begriffe und Meinungen statt finden. Jedoch ist es merkwürdig, daß einige der ausgezeichnetsten Vertheidiger dieser Lehre, von welchen ich nur des Spinoza, Hobbes, Collins, Hume, und Voltaire erwähnen will, Feinde unsrer Religion waren; dahingegen ich mich unter denjenigen, welche die Lehre von der Freiheit des menschlichen Willens vertheidigen, auf keinen besinne, der kein Christ wäre. Der Glaube an die Nothwendigkeit, sagt der Bischof Butler, scheint der wahre Grund zu seyn, worauf der Unglaube sich stützet.*) Anmerkung 20. S. 144.

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Der Glaube an die Nothwendigkeit, in dem höhern Sinne des Worts, macht freilich wohl in so fern jeden andern Glauben entbehrlich, weil er uns auf alles gefaßt macht, und uns in den Stand setzt, daß wir nicht b l o ß deswegen, etwas als wahr zu finden, uns Mühe geben dürfen, weil wir wünschen, daß es wahr seyn möchte.

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Zur Herausgabe von Adam Walker, Bemerkungen auf einer

Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791 III

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Vorbericht. Der Verfasser dieser Bemerkungen gesteht selbst, daß er sie so, wie er sie jedesmal an Ort und Stelle niedergeschrieben, gelassen, und nachher nichts weiter daran geändert habe. Er will sie als eine getreue Uebertragung seiner Gefühle, in dem Moment der Betrachtung ange-sehen, und in dieser Rücksicht ihren Werth oder Unwerth beurtheilt wissen. Freilich sind seine Gefühle dem Leser nicht immer so interessant, wie sie es ihm selber, in dem Augenblick, da er sie niederschrieb, seyn mochten; und die zu getreue Darstellung a l l e r seiner Ideen und Vorstellungsarten macht ihn oft geschwätzig. Dies ist denn auch die Ursach, weswegen sein Buch in dieser Uebersetzung, besonders in der letztern Hälfte, welche unausstehlich langweilige und oberflächliche Räsonnements über Kunstwercke enthält, um ein Beträchtliches abgekürzt ist, um es lesbar zu machen. Uebrigens ist die Darstellungsart des Verfassers oft naiv und drolligt gnug, und diese Reisebeschreibung erhält dadurch, daß alles, was der Verfasser erzählt, immer als g e g e n w ä r t i g von ihm dargestellt wird, einen Grad von Lebhaftigkeit mehr, wodurch man beim Lesen unwillkürlich angezogen, und für die Ereignisse und Schicksale der Reisenden selbst interessiert wird. Wenigstens wird man die Lektüre dieses Buchs, so wie es jetzt ist, nicht lang-weilig finden. Für viele wird es eine angenehme Unterhaltung, und für manchen auch belehrend seyn. Nur versteht es sich, daß man die Urtheile des Verfassers immer bloß als Resultate von den ersten Eindrücken betrachten muß, welche die Gegenstände auf ihn machten. M.

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Anmerkungen1

1., S. 1f.

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Wir gingen am 21sten August 1787 zu einer Reise durch Deutschland, Italien und Frankreich, von London ab. Indem wir die Stadt verließen, mußten wir uns mit einiger Beschwerde gleichsam durch einen Wall von Staub hinarbeiten, welcher durch Karren, Wagen, Kutschen, u. s. w. verursacht wurde, mit denen eine unermeßliche Anzahl Menschen aus den glücklichen niedern Volksklassen nach einem benachbarten Markte fuhr. Dies ließ uns an nichts anders als an die Aebtissin von Quedlinburg und den Zulauf denken, welcher derselben von Straßburg aus folgte, um den Fremden zu sehen, der auf dem Vorgebirge der Nasen gewesen*) war.

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*) S. Tristram Shandy. 2., S. 32f. 15

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Auf unserm Wege nach Löwen kamen wir durch verschiedene kleine Städte, und langten Vormittags den 26sten August zu Löwen an, wo uns der äußre Anschein der Universität in Verwundrung setzte. Wir kehrten in einem Gasthofe nahe bei dem Hauptkollegium ein, und erhielten Erlaubniß, den philosophischen Apparatus dieses Generalseminariums zu sehen, obgleich Lehrer und Schüler abwesend waren, um der Hundstagesferien zu genießen. Die Instrumente waren zahlreich und ziemlich gut; aber nicht eine Idee von den neuern Entdeckungen in der Philosophie und Chymie konnte dadurch erklärt werden, ob sie gleich sehr wohl eingerichtet waren, um alles dasjenige zu erklären, was man schon vor vierzig Jahren wußte. Eine Luftpumpe, und (Orrery)*) von Adams, und einige andre Englische Instrumente befanden sich unter den besten dieser Sammlung; und das Naturalienkabinet war geräumig und vollständig. Hier waren 1

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Die Anmerkungen des Übersetzers Moritz stehen im folgenden als Fußnoten unter den betreffenden Textabsätzen Walkers.

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auch alle Fenster die nach vorn heraus giengen, mit den gelben, schwarzen und rothen Zeichen der Empörung geziert; auch war es hier, wo man den ersten Aufstand gegen die Eingriffe des Kaisers machte. *) Ein Instrument, welches die Bewegungen der himmlischen Körper vorstellt.

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3., S. 74f.

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Die nächstfolgende Sehenswürdigkeit in Mannheim, die man uns hier zeigte, war die Bibliotheck, welche eine der ansehnlichsten ihrer Art ist; sie enthält achtzig tausend Bände, in einem Saale von achtzig Fuß Länge und angemessener Breite; zwei schöne Gallerien gehen in demselben ganz herum, so daß die Bücher die ganzen Seiten dieses Saales bis an die Decke hinauf anfüllen, und man denselben vermöge der Gallerien gut beikommen kann; die Decke ist gut mit Mahlerei verziert, welche sich auf den vorigen Kuhrfürsten als einen Beschützer der Künste und Wissenschaften bezieht. Zwei große Globen und eine (Orrery)*) von Adams, zieren einen Boden von der schönsten eingelegten Arbeit; und innere Zimmer enthalten ganze Behältnisse voller Manuskripte von großer Seltenheit und vielem Werthe; welche wir aber nicht untersuchen konnten.

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*) Ein Instrument welches die Bewegungen der himmlischen Körper vorstellt. 4., S. 127–133 Die Form des Amphitheaters in Verona ist ein Oval; ich umgieng die öbersten Sitze desselben, und fand daß der Umfang vierhundert und neun und vierzig Schritt war*). *) Da unser Reisender bei dem Anblicke dieses wirklich bewundernswürdigen Gebäudes sich Zeit genommen hat, den innern weitesten

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Umfang desselben mit seinen Schritten abzumessen, vielleicht, um von diesem Umfange durch das wirkliche Umgehen desselben, sich einen desto anschaulichern und vollständigern Begriff zu machen; so wollen wir auch das übrige Maaß hinzufügen. Dieses ovale Gebäude ist nehmlich, die Dicke der Mauer mit gerechnet, vierhundert und vier und sechzig Fuß lang, und dreihundert und sieben und sechzig Fuß breit. Der äußere Umfang der Mauer hat tausend dreihundert ein und dreißig Fuß. Es sind in demselben fünf und vierzig Sitze, einer innerhalb dem andern; und durch breite Treppen auf allen Seiten des Theaters hat man zu jedem den geräumigsten und bequemsten Zugang. Ueberdieß war um das Ganze eine Fassade (wovon noch ein Theil übrig ist), von Dorischer und Korinthischer Bauart, welche der äußern Gestalt das reitzendste und erhabenste Ansehen gegeben haben muß; und über welche wahrscheinlich eine Decke ausgebreitet war, um die Zuschauer vor Hitze und Regen zu schützen. Da die Sitze ganz bis auf die Ebene der Arena niedergehen, so ist es nicht wahrscheinlich, daß dies Theater zum Kampfe wilder Thiere, sondern vielleicht für Fechter und andere Schauspieler angelegt worden. Jeder Stein in diesem ungeheuren Gebäude ist von einer solchen Größe und Schwere, daß man wohl siehet, wie die Alten den Neuern mit allen ihren Gerüsten wohl Trotz bieten können; ob es gleich zu beklagen ist, daß sie von der Fassade soviel wieder abgetragen haben.*) *) Die untersten Sitze waren sonst ganz in Schutt vergraben; seitdem man diesen weggeschaft und die Arena oder den Kampfplatz geebnet hat, sind auch wieder Thierhetzen hier gehalten worden, welche freilich mit den Schauspielen dieser Art bei den Alten wohl nicht zu vergleichen sind. Unser Führer sagte, daß vor einigen Jahren, als der Kaiser durch Verona nach Rom gereiset sey, in diesem Theater vierzig tausend Menschen gewesen wären**).

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**) Auf die Person anderthalb Fuß gerechnet, haben hier, wie man herausgebracht hat, zwei und zwanzig tausend, hundert und vier und achtzig Menschen Platz gehabt; die vierzig tausend müssen also sehr gedrängt gesessen oder gestanden haben. Als ich im Jahre 1786 durch Verona reißte, war auf der Arena des Amphitheaters ein kleines Theater mit Kulissen und Vorhang errichtet, auf welchem, wie man sagte, zuweilen Komödie gespielt wurde. Wie man also sonst Sitze zum Theater errichtet, so war hier ein Theater zu den Sitzen gebaut, welches sich mit seinen armseeligen Kulissen zu diesem prächtigen Umfange von Sitzen auf Marmorstufen, sonderbar genug ausnahm.

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Das von Vitruvius erbauete Thor ist ziemlich vollkommen; obgleich die Säulenfüße eingesunken sind. Die Verzierungen an demselben kann man leicht wieder entdecken, und es ist nicht wenig auffallend, wenn man findet, daß es gerade die nehmlichen sind, deren sich heutiges Tages unsre besten Architekten bedienen*).

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*) Wenn sich unsre besten Architekten der Zierrathen an diesen Säulen und Bogen als Muster bedienen wollten, so würden sie eine schlechte Wahl treffen, weil nichts weniger als ein guter Geschmack darin herrscht; weswegen man dieß Werk auch mit Unrecht dem Vitruvius zuschreibt, wozu man weiter keinen Grund hat, als daß Vitruvius aus Verona gebürtig war. Die Architektur ist aus den Zeiten, wo der verdorbene Geschmack schon einriß.

Auch der Triumphbogen des Flaminius ist noch vollständig; er besteht aus zwei Grundbogen (wahrscheinlich wegen der Prozession und deren Rückkehr), und verschiedenen kleinen Bogen über denselben; seine Dorischen Säulen sind ohne Fußgestelle.**) **) Was der Verfasser hier den Triumphbogen des Flaminius nennt, soll wohl die Ruine seyn, welche man hier für den Triumphbogen des

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Kaiser Gallienus hält, zu dessen Zeiten der verderbte Geschmack schon eingerissen war, wovon die Architektur an diesem Triumphbogen ein Beweis ist. Die Säulen sind hier aber nicht Dorisch, sondern Korinthisch. 5

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. . . . . . Die alte Brücke welche von dem Gefängnisse über die Etsch führt, wird, ob man sie gleich nicht braucht, doch in vollkommnem Stande erhalten; sie besteht aus drei Bogen; der, nächst der Stadt, ist auffallend groß, zirkelförmig, von Stein, und die andern von dünnen römischen Backsteinen.*)

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*) Von den drei Bogen dieser Brücke, welche eine Länge von drei hundert und ein und funfzig Fuß hat, ist der erste zwei und siebzig, der andre fünf und achtzig, und der dritte hundert und fünf und vierzig Fuß weit, da die Weite des Bogens von Ponte Rialto zu Venedig nur neun und achtzig Fuß beträgt.

. . . . . . Wir erstiegen nun den Hügel, worauf das Kastell oder die Citadelle steht; dieß ist eine schöne Erhöhung, und gewährt eine weite Aussicht über die Stadt und die umliegende Gegend*). *) Von den Anhöhen bei Verona macht die alte Stadt mit ihren Brükken über die Etsch, wovon sie durchströmt wird, einen schönen Prospekt. Kömmt man aber hinein, so findet man größtentheils enge und krumme Straßen, in denen aber doch eine ziemliche Lebhaftigkeit herrrscht, welche freilich vorzüglich mit dadurch bewirkt wird, daß die Werkstätten der Handwerksleute nicht in verschlossenen Zimmern, sondern in offenen Boutiquen, im Freien sind, und einige sogar ihre Arbeitstische vor die Hausthür auf die Straße hinausgerückt haben.

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5., S. 144f.

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Wir konnten uns nicht anders als auf klassischem Boden denken; demohngeachtet reiseten wir wie Gothen durch Mantua, und unterließen, dem Geburtsorte Virgils unsern schuldigen Besuch zu machen; welches wir auch mit unsrer eingeschränkten Zeit entschuldigen müssen.*) *) Der Geburtsort Virgils war ein Dorf bei Mantua, welches ehemals Andes, jetzt P i e t o l a heißt. Ich machte denn auch, weil ich doch einmal auf klassischem Boden war, und meine Zeit es erlaubte, einen Spatziergang nach diesem Dorfe, dessen Einwohner in Ansehung ihres berühmten Landsmannes nicht so unwissend waren, wie man ihnen Schuld giebt; sie wußten vielmehr von seinen Lebensumständen mancherlei zu erzählen, und sogar auch von seinem großen poetischen Genie zu reden. Nicht weit von diesem Dorfe ist die herzogliche Menagerie; hier zeigt man noch den Fleck, wo ehemals eine Grotte war, in welcher Virgil zum öftern sich seiner poetischen Begeisterung überließ. Jetzt standen hier alte Waschfässer und alles rund umher hatte ein zerstörtes und wildes Ansehen. M .

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6., S. 189f.  Als wir wieder in diese mit bedeckten Gängen versehene Stadt Bologna zurückkehrten, war unser Erstes, die heilige Cäcilia von Raphael in der St. Johanniskirche, zu sehen. Ich muß bekennen, daß ich erwartete, ich würde, indem man den Vorhang aufzöge, für Bewunderung auf meine Kniee niederfallen! – Ich finde aber, daß man, um Gemählde recht zu betrachten, einige Zeit dazu widmen, und sich darin üben muß. Ich stand eine Viertelstunde lang in Zweifel, ob ich meinem eigenen Geschmacke oder dem Geschmacke anderer Leute trauen sollte. Der meinige ist gewiß mangelhaft: denn ich muß aufrichtig gestehen, daß am Ende jener Viertelstunde meine widerspenstige Meinung noch eben so hartnäckig war, als am Anfange derselben. Ist es möglich daß dasjenige, was von der ganzen Welt bewundert

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wird, und schon zwei hundert und funfzig Jahr lang von derselben bewundert ist, nicht vortreflich sey? Künftig werde ich in dem was ich von Gemählden sage, mißtrauisch gegen mich selbst seyn, da ich in d i e s e m *) nichts als ein gemeines Mensch finden kann, welche scheint, als ob sie im Begriff sey die Orgel, die sie in der Hand hält, an drei daneben stehende geschmacklose Leute zu verhandeln, und auf dieselben schmähe, daß sie ihr nicht genug dafür bieten. St. Petrus hat das Ansehen, als wenn er überlegte, ob das Instrument so viel Geld werth sey. St. Johannes sieht einem unwissenden Knaben gleich, der zwar an einem auf der Orgel gespielten Stücke Gefallen findet, von dem Werth des Instruments aber keinen Begriff hat. St. Maria und ihr Gesellschafter scheinen noch ein Stück darauf abwarten zu wollen, ehe sie den Kaufplatz verlassen, u. s. w. Man muß indessen nicht nach Italien kommen, ohne Gemählde zu sehen, und besonders da, wo beide Caracci’s**) ihre vortreflichsten Stücke verfertigten. In dem Pallaste Sampieri befinden sich auf dem Getäfel verschiedener Zimmer kolossalische Figuren in Fresko, welche zeigen, wie sehr diese Künstler, der menschlichen Gestalt in allen möglichen Stellungen Meister waren. Guido’s Gemählde aber, welches St. Petrum und St. Paulum vorstellt, gefiel mir mehr, als irgend ein Gemählde, das mir, seitdem ich die Marter des heiligen Petrus von Rubens gesehen habe, zu Gesicht kam. Die Menge von dem aber, was man in dieser Sammlung vortrefliche Gemählde der Caracci’s u. s. w. nennt, würde einen eigenen Band erfordern. Als Philosophen und Naturforscher mußten wir natürlicherweise das Institut oder die Akademie der Künste und Wissenschaften besuchen. Wir hatten, ehe ein Macaroni***) erschien, um uns zu führen, Zeit, in einem der innern Höfe eines schönen Pallastes, welcher im Jahre 1714 für dies Institut angekauft wurde, eine schöne Statüe des Herkules zu untersuchen. . . . *) Da ich dies Gemälde selbst nicht gesehen habe, so führe ich wenigstens noch ein Urtheil über dasselbe an, dessen Vergleichung mit

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den Worten des Verfassers dem Leser vielleicht interessant seyn wird. »Die berühmte heilige Cäcilia von R a p h a e l hat große Schönheiten; die Köpfe sind in der Zeichnung und im Ausdruck meisterhaft, die Gewänder wohl gefaltet und natürlich; die Behandlung ist vortreflich, wenn gleich das Kolorit etwas ins Gelbe fällt. Mit einem Worte, es ist eins der größten Meisterstücke Raphaels. Man muß die Cäcilia lange betrachten, um alle ihre Schönheiten zu bemerken; jemehr man sie ansieht, desto besser gefällt sie. Die Figuren stehen da, um eine Musik der Engel im Himmel anzuhören. Zu den Füßen der Cäcilia liegen ihre Noten und Instrumente, als ob sie durch die himmlische Musik den Geschmack an der irrdischen verlohren habe. Durch diesen sinnreichen Einfall hat Raphael seinem Gemählde Ausdruck zu geben gewußt.« M . **) Es hat drei Caracci’s gegeben; Nahmens, H a n n i b a l ; L u d w i g ; und A u g u s t i n .

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***) Soll wohl Cicerone heißen, denn unter den Macaroni’s versteht man eine andere Art Leute. 7., S. 198 . . . Noch ohngefähr drei Meilen weiter kamen wir über den Rubiko, welcher, wie alle Flüsse dieser Gegend, ganz ausgetrocknet war; so daß die Wichtigkeit der so sehr zum Sprichworte gewordenen Begebenheit, daß Cäsar über den Rubiko ging, vielmehr in dem wichtigen Entschlusse bestanden haben muß, den er faßte, und durch diesen Uebergang verrieth, als in irgend einer Schwierigkeit, die ihm der Uebergang über einen so unbedeutenden Fluß hätte verursachen können.*)

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*) Auf einem alten gothischen Kastell in Rimini steht noch die drohende Innschrift, daß diese Ve-stung errichtet sey, damit niemand ungestraft den Rubiko überschreite.

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8., S. 200 Ohngefähr zwei englische Meilen von Fano kamen wir über den Fluß Macra*), wo Asdrubal besiegt und erschlagen wurde. *) Soll wohl M e t a u r u s heissen. 5

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Ich bin in St. Peter gewesen – ich betrachte es wie ein HonigkuchenGebäude, in Vergleich mit den Diokletianischen Bädern oder dem Pantheon*) – seine größte Zierde und Schönheit hat es von den alten Tempeln, mit deren Raube es prangt; ein Kirchenraub, beim Himmel!

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*) Die Beschreibungen des Verfassers fallen hier etwas ins Uebertriebene welches nicht zu vermeiden war, da er seine Bemerkungen, wie er selber gesteht, jedesmal auf dem Fleck beim ersten Anblick niederschrieb. 15

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10., S. 226f. . . . Die Nachbarschaft des Kolossäums in Rom ist mit großen Ruinen bedeckt; der Triumphbogen des Konstantin ist demselben sehr nahe und ein schönes Werk. Die Basreliefs enthalten demohngeachtet mehr von der Geschichte des Trajan als des Constantin;*) und ohngeachtet ihrer Verstümmelung herrscht doch ein solcher Geist in diesen Werken, welcher zeigt wie sehr der Künstler durch die Größe seines Gegenstandes muß erwärmt und beseelt gewesen seyn. Wir kamen vor dem tarpejischen Felsen vorbei, von welchem in der Zeit der alten Römer die Missethäter herabgestürzet wurden; dieser Felsen ist aber so zerbröckelt, und der Boden am Fuße desselben so erhöhet, daß man ohne Gefahr, und ohne den Hals zu brechen, von demselben hinunterspringen könnte**).

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*) Dies kömmt daher, weil man den Triumphbogen des Konstantin mit aus den Stücken von dem Triumphbogen des Trajan zusammensetzte.

**) Der Felsen mag freilich ehemals ein furchtbareres Ansehen gehabt haben; dennoch aber ist er auch jezt nicht so ganz unbedeutend, wie ihn der Verfasser beschreibt, und ein Sprung von demselben möchte wohl immer noch ein wenig gefährlich seyn.

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11., S. 235 235

Nahe bei dieser Mühle war die Kloaka Maxima, welche Tarquinius von einem Ende der Stadt zu dem andern führte; und welche, wie man sagt, so weit war, daß ein Boot darin fahren konnte. Jetzt scheinet sie nur einigermaßen dazu zu dienen, um die den Geruch beleidigende Materie hinweg zu führen, woran diese sowohl wie jede andere römisch katholische Stadt einen Ueberfluß hat.*) *) Man sollte kaum glauben, daß die römisch katholische Religion, auf dasjenige was der Verfasser hier bemerkt, einen Einfluß haben könnte! M .

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. . . Die Leute, welche gewohnt sind, zwei oder drei Stunden lang den besten Theil des Tages in einer Kirche zuzubringen, und welche den dritten Theil des Jahres als Festtage zählen, bekommen eine bleibende Neigung zum Müssiggange, und werden nur auf eine kurze Zeit durch irgend einen starken Anstoß, zum Handeln aufgeregt. Daher kömmt es, daß hier die Bettelei ein ehrliches Gewerbe ist, und daß müssige Männer und Weiber nicht nur Allmosen von einem for-dern, sondern sich auch für beleidigt halten, wenn man sie ihnen abschlägt. Indem sie an den Kirchthüren einige Gebete hersagen, und jedermann der herein geht anzupfen, glauben sie ihre eigne Seelig-

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keit zu befördern. Selbst ziemlich wohlgekleidete Personen darf man kaum ansehen, ohne daß sie sich einem sogleich nähern, und um eine Gabe bitten. Kinder kommen und küssen einem die Füße – Männer küssen den Boden, ergreifen einem den Fuß, und setzen ihn sich auf ihren Nacken*), um Mitleid zu erwecken. Kurz, die menschliche Natur ist hier so erniedrigt, und unter der geringern Volksklasse so herabgewürdigt, daß man sich schämt von derselben Gattung zu seyn. Genug hievon! – Wir wollen auf diejenigen zurück blicken welche M e n s c h e n w a r e n . Das Mausoleum des Hadrian, ja eigentlich nur ein Stück davon, war hinlänglich um das Kastell St. Angelo daraus zu machen, es ist nur wenig zu dem Mausoleum hinzugefügt, und einige wenige Außenwerke von regelmäßiger Fortifikation umgeben es. Ein bedeckter Gang führt von dem Vatikan zu dieser Festung, im Fall daß der Pabst einmal durch einen Feind von seiner starken Stütze, der Kirche, verjagt werden sollte. Auf dem Gipfel dieses Kastells steht der Erzengel Michael in kolossalischer Majestät, und in derselben Stellung wie man ihn in den Wolken sah, als er hernieder stieg um eine Pest zu hemmen, welche einstmals die Stadt verwüstete**).

*) Hiervon habe ich kein Beispiel gesehen. 20

M.

**) Die Gestalt dieses Engels auf dem Kastell St. Angelo stellt sich in der Luft ganz schwarz dar, so daß er eher einem Engel der Finsterniß ähnlich siehet, und an Klopstocks Ode erinnert, worin er die Engelsburg eine Teufelsburg nennt. M . 13., S. 245f.

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Das Campo Vaccino ist mit Ruinen bedeckt; der Triumphbogen des Septimius Severus ist durch den Schutt der umher liegenden Gebäude halb in die Erde vergraben – was aber noch über den Boden hervorragt ist eine schöne Probe von dem, was das ganze gewesen seyn muß, als es noch unbeschädigt war. Das Werk besteht aus einem großen

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Bogen, und einem kleinern an jeder Seite; jeder ist durch eine kannellirte korinthische Säule und Pilaster abgesondert, welche ein reich verziertes Gebälke tragen. Die Seiten und Enden dieses Durchgangs sind mit schönen Basreliefs bedeckt*), welche die großen Thaten des Helden darstellen. – . . . *) Diese Basreliefs sind nicht schön.

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M.

13., S. 252 Diese Gallerie im Vatikan führte uns zu den Museum, oder Belvedere; einer Sammlung von Büsten, Statüen, u. s. w. in einer so erstaunlichen Menge, und von solcher Vortreflichkeit, daß eine Beschreibung davon mehr Kenntnisse, und zwanzig mal so viel Zeit und Geschicklichkeit als ich besitze, erfordern würde*). *) Der Katalog von Kunstwerken, welcher hier im Original folget, ist mit den wenigen Raisonnements, welche er enthält, zu unvollständig und unbedeutend, um irgend einen Leser interessiren zu können, und daher in dieser Uebersetzung weggelassen worden. M .

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Heute den 3ten October sahen wir Raphaels Gemählde im Vatikan*). – Die Schule von Athen – Dies Gemählde ist in England sowohl bekannt, und macht selbst im Kupferstich so viel mehr Effekt, als hier, wo es so sehr gelitten hat – daß ein Nichtkenner wie ich, es eine Woche lang anstaunen muß, ehe er seine Vollkommenheiten entdekken kann. Ohne Zweifel ist dies Gemählde so wie die übrigen in den Stanzen des Raphael sehr schön – aber ich muß aufrichtig gestehn, daß diese Schönheit mir nicht einleuchtet. Das Unübereinstimmende in der Zusammensetzung der Charaktere, welche in ganz verschiedener Zeitperioden lebten, scheinet mir zwar nicht so sehr eine Verletzung der Einheit zu seyn, wie es einem dramatischen Dichter in einem Schauspiele vorkommen möchte – denn wer bekümmert sich

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darum, wenn auch Alexander und der heilige Paulus auf dem Theater zusammen gebracht würden, wenn sie sonst nur schicklich, charakterisirt und gruppirt sind. Alles dies mag also recht und schön seyn – ich aber schreibe während daß ich sehe, und was ich beim Sehen empfinde**). – . . .

*) Hier folgt im Original, wiederum ein bloßer Katalog, welcher den Leser wenig interessiren kann, einige Raisonnements des Verfassers ausgenommen, welche in dieser Uebersetzung nicht übergangen sind. M . 10

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**) Dies unmittelbare Niederschreiben während des Sehens muß man freilich bei den Urtheilen des Verfassers immer in Anschlag bringen. M . 15., S. 261f. Wir sahen heute das Museum des Kapitols, wo sich eine vorzügliche Sammlung von antiken Statuen befindet. Hier erblickten wir den sterbenden Fechter, von welchem ich so oft Abgüsse und Abbildungen in England gesehen habe. Dies ist gewiß die natürlichste Figur welche je in Stein gebildet wurde. Sie ist etwas mehr als Lebensgröße von Marmor, welcher vollkommen das Fleisch ausdrückt, und die Stellung ist die, eines Menschen, der sich bestrebt vom Boden aufzustehen, indem die eine Hälfte des Körpers auf den Arm sich stützt, und die andre mit dem gebogenen Knie am Boden ruht. Mit dem verzweifelnden Bewußtseyn daß er den tödlichen Streich empfangen habe, läßt er das Haupt hinsinken, und zugleich mit solch einer Scham daß er überwunden ist, daß der Bildhauer gewiß einen Fechter in diesem Zustande muß gesehen haben, um eine so treffende Darstellung in Stein davon zu bilden. Ich meiner Seits urtheile nach dem Ausdruck, den ich oft bei meinen Landsleuten gesehen habe, wenn sie in einem Wettkampf im Boxen besiegt waren, wo sie mir in einer ähnlicher Gemüthslage wie dieser Fechter schienen*).

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*) Was hier im Original von den antiken Statüen im Capitol, von dem Cirkus des Karakalla und von den Catakomben folgt, ist zu unbedeutend, als daß es eine Uebersetzung verdiente. M . 16., S. 267–269

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Als wir nach der Villa Borghese giengen, kamen wir durch das Thor und vor dem Stein vorbei wo Belisarius saß, mit der Inschrift: date obolum! Ein demüthigender Fleck zum immerwährenden Denkmal menschlicher Undankbarkeit. Wir beseufzten hier nur, was die Menschheit fühlt, und begaben uns zu dem fürstlichen Sitze der Familie Borghese – Dies ist eine prächtige Villa, mit allem geschmückt, was Na-tur und Kunst nur zusammen stellen kann, um einen Landsitz angenehm und reitzend zu machen. Die Gärten sind in dem gewöhnlichen Styl, gerade Alleen, Springbrunnen, Immergrün, Wasserbehältnisse, und weder Gras noch Blumen! Der Pallast steht auf einer Erhöhung, und ist auswendig mit Statüen und Basreliefs bedeckt; der Eingang in denselben ist zuerst eine Art von Halle oder Portikus, welcher sehr reich gemahlt, und mit Büsten und Statüen verziert ist*). Diese schöne Villa ist eine Vereinigung von allem, was man prächtig, kostbar, und glänzend nennen kann! Der Eigenthümer scheint sie mehr zu einem Orte bestimmt zu haben, den Fremde anstaunen und bewundern sollen, als zu einem angenehmen Aufenthalte für sich und seine Familie. Es ist ein Museum von Merkwürdigkeiten, und das Kind der Ostentation!**) Vielleicht ist es meine gemeine Vorstellungsart von den Dingen, welche macht daß ich ein nettes englisches Bauerhaus, dieser beneideten Villa, darin zu wohnen, vorziehe. Ich glaube, ich bin zu alt geworden, um an irgend etwas besonders Vergnügen zu finden, als woran ich einmal gewöhnt, und bekannt damit bin.

*) Jetzt folgt wiederum ein sehr uninteressanter Katalog von Kunstsachen, die sich in der Villa Borghese befinden. M .

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**) Hier thut der Verfasser dem vortreflichen Fürsten Borghese gewiß sehr Unrecht, und man kann diese undankbare Aeußerung eines Fremden, der wie er selbst gesteht, in diesem Garten viel Vergnügen genossen hat, nicht ohne Unwillen lesen! M . 5

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17., S. 273–275 Die Weiber dieser Klasse der feinen Klasse, vgl. S. 270 sind noch affektirter, noch unwissender, und ihr Ideenkreiß noch beschränkter, als bei den Männern! Ihre Kleidung ist ein Bild ihrer Seele; fantastisch, flüchtig, schmutzig, und ohne Geschmack. Ich habe noch bei keinem Mann oder Frauenzimmer ein Stück weiße Wäsche gesehen, so lange ich in Italien bin*). . . . . . . Ein andrer Umstand ist noch der, daß sie alle über die Küche und Haushaltungssachen erhaben in ihren Putzzimmern leben; denn diese Sachen halten sie so weit unter sich, daß man glauben sollte, eine römische Dame sei ihrer eigenen Meinung nach, bloß darum in der Welt, um zu schwatzen, ihre Toilette zu machen, und geschmeichelt zu werden. Daher besteht die Konversation, wenn Weiber dabei sind, aus nichts als ekelhaften Complimenten, leerem Witz, und solchen Freimüthigkeiten, welche ein ehrbares englisches Frauenzimmer aus der Gesellschaft vertreiben würden; demohngeachtet haben die hiesigen Frauenzimmer hievon nicht das mindeste Bewußtseyn, sie schlagen die Männer mit ihren Fächern, und schielen nach ihnen, als ob sie sie zu noch etwas mehr als wechselseitiger Zärtlichkeit einladen wollten**).

*) Die Vergleichung mit dem hohen Grade von Reinlichkeit, welche in England in diesem Punkte herrscht, hat den Verfasser wohl zu dieser gewiß falschen Bemerkung verleitet. M .

**) Diese Probe mag genug seyn von dem faden und oberflächigen Geschwäz des Verfassers über den Charakter der Italiänerinnen; es

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folgt noch eine Menge, welche wirklich des Uebersetzens nicht werth ist. M . 18., S. 275 276

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Dies Monument die Pyramide des Cajus Cestius ist über eine englische Meile von dem neuen Rom entfernt*), ob es gleich dichte an der Stadtmauer steht. *) Dies ist eine falsche Vorstellungsart: Es giebt kein altes und neues Rom innerhalb der Ring-mauern, sondern es giebt nur mehr und weniger bewohnte Gegenden Roms. Das neue Rom steht auf keiner andern Stelle, als das alte Rom, sondern dieses hat nur einen immer weitern Umfang erhalten. Das Marsfeld wurde schon zu Neros Zeiten bewohnt. M .

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Ich fange an, des Anblicks der vielen Palläste, Gemählde und Statüen überdrüßig zu werden – die große Anzahl der letztern, welche wir in einigen hundert schönen Kirchen gesehen haben*) macht, daß man die verschiedenen Stuffen von Vollkommenheit an denselben gar nicht mehr unterscheiden kann. *) In den Kirchen befinden sich, einige wenige ausgenommen, gerade die schlechtesten Statüen. M .

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20., S. 282 . . . Florenz selber liegt im Grunde, und die Hügel nähern sich ihr von allen Seiten; der Arno theilet sie in zwei ziemlich gleiche Theile, und die Brücke über denselben bestehet aus drei der flachsten Bogen, die ich je gesehen habe*). *) Der Verfasser besiehet nun die Gallerie, und erzählet was er dort von antiken Bildsäulen gesehen hat, die er zum Theil bloß nahment-

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lich anführt, zum Theil, wie z. B. über die midiceeische Venus, die Gruppe der Niobe u. s. w. auf eine ziemlich abgeschmackte Weise darüber urtheilet. M .

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Zur Herausgabe von Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin 1792–94 III

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Vorrede. Das Publikum ist bereits durch eine mit Geschmack und kritischem Geiste abgefaßte Rezension des Originals von dem Werthe dieses Romans unterrichtet worden. Es bliebe mir beinahe nichts übrig, als eine Entwickelung einzelner Schönheiten, die aber eines Theils zu weitläuftig wäre, und überdies den Leser von Geschmack ermüden würde. Nur auf den eigenthümlichen Gesichtspunkt, aus welchem der Uebersetzer dieses Werk und die einzelnen Karaktere betrachtete, muß ich aufmerksam machen; er könnte zur Beurtheilung der Uebersetzung selbst, vielleicht nicht unwichtig seyn. Das ganze Gedicht hat nicht wie so mancher andre minder vortrefliche Roman, den Endzweck, die vollkommne Tugend in ihrem glänzenden Lichte, und die Schwärze des Lasters in seiner ganzen Abscheulichkeit zu zeigen; oder die Absicht, den neugierigen Leser durch eine Menge verwickelter Begebenheiten hindurch zu führen, und ihn durch unerwartete überraschende Aufschlüsse zu vergnügen; denn jener Endzweck ist für unsre Zeiten, in welchen mehr Schwäche als Laster, und mehr Feinheit als wahre Tugend herrscht, gar nicht mehr passend; und diese Absicht kann einem Werke wohl flüchtige Dauer vergön-nen; aber wenn ein Gedicht zu wiederholten malen gelesen wird, und doch gefällt, und neu bleibt, so enthält es ohne Zweifel eine Reihe interessanter, origineller, wohl durchgeführter Karaktere, die auf eine seltsame, doch natürliche Art, an einander gerathen, und durch dieses gegenseitige Abschleifen, durch gemeinschaftliche Leidenschaften, die jeder auf seine eigene Weise zu befriedigen sucht, vor den Augen des Lesers, die geheimsten Regungen ihres Herzens und ganz eigenthümliche Wendungen des Verstandes, blicken lassen. Diese Behandlungsart erfordert Menschenkenntniß, Dichtergenie und Sprache; und unser Verfasser hat sie gewählt, weil er diese Talente und die zur Menschenkenntniß nöthigen Erfahrungen in einem hohen Grade besitzt.

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Die Karaktere selbst sind sehr mannigfaltig, und merkwürdig. Die Heldinn des Stücks, so wie ihre Freundin Louise, überlasse ich der Beurtheilung der Leserinnen. Im Punkt der Liebe weiß vielleicht nur ein Frauenzimmer ein anderes Frauenzimmer zu beurtheilen, und den Dichter, ob er den weiblichen Karakter getroffen hat? Ich behalte es mir vor, über diesen Punkt bey einer andern Gelegenheit ausführlich zu sprechen. Franz Henley ist ein junger Mann voll Geist, ein Selbstdenker, für die Wissenschaften und für die Menschheit geschaffen; aber es fehlt ihm noch an Welt. Die viele Delikatesse, so er zeigt, ist eher eine Tochter seiner feinen Redlichkeit, und ungeheuchelten Empfindungen, als die Wirkung der Lebensart. Auch sieht man dieses wohl ein. Das Mistrauen in seine Kräfte, das überhaupt einen Menschen bezeichnet, der sich noch wenig mit andern gemessen hat, ist von dem Verfasser sehr wohl benutzt worden. In dem Coke Clifton dürfte sich so mancher junge Mann wiederzufinden glauben; aber es ist ein Irrthum. Unsre junge Herren sind wohl, wenn sie ihre Reisen beendigt haben, eben so anmaaßend, eben so epikurisch gesinnt, eben so dreist in ihren Urtheilen über das Frauenzimmer, eben so eingebildet bei jeder erhaltenen Gunst, und alle solche schnöde Verächter der ernsten Wissenschaften; aber jene Anmaßung entsteht nicht, wie bei diesem, aus Gefühl der Kraft, zu welchem sich ein unschädlicher Ahnenstolz gesellt hat; und alle diese Fehler sind nicht, wie hier, die Folge ver-wandter Tugenden, sondern der kalten, Gefühle tödtenden Affektazion. Die Karaktere des Sir Arthur und Abimelech sind nicht zu verfehlen. In der Uebersetzung war ich bemüht, den Sinn des Originals aufzufassen, und den Karaktern getreue Worte für die Darstellung zu wählen. Wenn das Original in Deutschland häufiger zu haben wäre, so zweifle ich nicht, daß sich die Leser selbst davon überzeugen würden. Der Uebersetzer.

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Anmerkung des Übersetzers Holcroft, Anna St. Ives, Bd. 1, S. 19 . . . Wäre es auf mehr angekommen, als auf die wenigen Bücher, die ich kaufte, und die vielen, die ich mir zusammenborgte, und hätte mich nicht die Gelehrsamkeit und die Menschenliebe deines vortreflichen Vaters belehrt und erzogen, so wäre ich gewiß so unwissend geblieben, als er nur hätte wünschen können; ein Sohn nach seinem eignen Herzen! am häufigsten und mit der größten Hitze machte er mir Vorwürfe über »die schöne Zeit, die ich mit dem Lesen so v e r w ü s t e .«*) . . . *) Der Ausdruck: » d i e Z e i t v e r w ü s t e n « , ein schlesischer Provinzialismus, bezeichnet, wie mich dünkt, ganz eigentlich die Worte des Originals: »wast the time«; und könnte in die Büchersprache aufgenommen werden, sobald man, wie das hier der Fall ist, den kraftvollen Styl gemeiner Leute nachahmen will. Der Uebers.

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Zur Herausgabe von Kabinet der neuesten englischen Romane Ankündigung von Mary Robinson, Vancenza, oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit, Berlin 1793

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Ich bin mit der Uebersetzung eines so eben erschienenen Englischen Romans beschäftigt, welcher bei dem Buchhändler W i l h e m O e h m i g k e d e m J ü n g e r n allhier noch vor Ende dieses Jahres unter folgendem Titel erscheinen wird: Vancenza, oder d i e G e f a h r e n d e r L e i c h t g l ä u b i g k e i t , v o n M i s t r e s . R o b i n s o n . Die Scene der Begebenheiten dieses kleinen Romans ist auf dem Schlosse Vancenza in Spanien. Ueber das Ganze der Erzählung ist ein melancholischer Ernst verbreitet, der das Gemüth in eine Stimmung versetzt, wo es, bei der Täuschung und Ungewißheit menschlicher Hofnungen und Erwartungen, sich bewogen findet, den wahren Frieden in sich selbst zu suchen, den äußerer Glanz und Vorzüge nicht gewähren. Berlin, d. 8. Sept. 1792. M o r i t z .

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Cabinet der neuesten englischen Romane, herausgeg e b e n v o n C . P . M o r i t z , 1s Bändchen, enthält: Ve n c e n z a , oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit, von Mistris R o b i n s o n , mit Kupf. 8. Berlin 1793. bey Wilh. Oehmigke, dem jüngern. Preiß 14 gr. Da die Romanenlektüre in unsern Zeiten für die lesende Welt ein eben so nothwendiges als gefährliches Bedürfniß geworden ist, so scheint es, daß dem schädlichen Einfluß dieser Lektüre noch am ersten durch eine sorgfältige und strenge Auswahl vorgebeugt werden könne; wenn nehmlich dahin gesehen wird, daß eine Folge von Romanen ein belehrender Sitten und Lebensspiegel sey, und die Sammlung welche aus dieser Folge erwächst, gewissermaßen ein Ganzes

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ausmache, worin die nöthigen Regeln und Vorschriften zur Tugend und Glückseligkeit enthalten, und sowohl für das Herz mit Wärme als für die Einbildungskraft mit Reiz und für den Verstand mit überzeugender Klarheit vorgetragen sind. Eine solche Sammlung bin ich gesonnen unter dem obigen Titul aus den neuesten englischen Romanen auszuwählen, und die Uebersetzung unter meiner Aufsicht zu veranstalten. Dies erste Bändchen enthält eine Geschichte welche vorzüglich durch die Schilderungen der Nichtigkeit und Unzuverlässigkeit menschlicher Hoffnungen und Erwartungen lehrreich ist. Die Scene der Begebenheit dieses kleinen vortreflichen Romans ist auf dem Schlosse Vencenza in Spanien. Ueber das Ganze der Erzählung ist ein melancholischer Ernst verbreitet, der das Gemüth in eine Stimmung versezt wo es bey Ungewißheit menschlicher Hoffnungen sich bewogen findet, den wahren Frieden in sich selbst zu suchen den äußerer Glanz und Vorzüge nicht gewähren. Das zweyte und dritte Bändchen dieses englischen RomanenKabinets sollen die L e i d e n d e r F a m i l i e d’Elborough in sich fassen und auch zur Leipziger Jubilate-Messe 1793 erscheinen. C. P. Moritz in Berlin.

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Zur Herausgabe von Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93

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Diese Lebensbeschreibung bedarf keiner Anpreisung, um gelesen zu werden. Sie wird für einen jeden anziehend seyn, dem es nicht gleichgültig ist, wie die Denkkraft, auch unter den drückendsten Umständen, sich in einem menschlichen Geiste entwickeln kann, und wie der ächte Trieb nach Wissenschaft sich durch Hindernisse nicht abschrecken läßt, die unübersteiglich scheinen. Was aber diesem Buche noch in andrer Rücksicht einen besondern Werth giebt, ist eine unpartheiische und vorurtheilsfreye Darstellung des Judenthums, von der man wohl mit Grunde behaupten kann, daß sie die erste in ihrer Art ist, und deswegen, besonders zu den jetzigen Zeiten, wo die Bildung und Aufklärung der jüdischen Nation ein eigner Gegenstand des Nachdenkens geworden ist, vorzügliche Aufmerksamkeit verdient. Die Folgen der Unwissenheit in einem Lande, das jetzt grade in einer so wichtigen Krise zu dem ersten Schritte der Kultur begriffen ist, sind in einem wahren und schrecklichen Lichte dargestellt; und die Thatsachen, welche man hier lieset, können mehr fruchten, als weitläuftige Abhandlungen über diesen Gegenstand. Man wird durch die Erzählung des Verfassers selbst in die Gegend und unter die Menschen versetzt, wo der Zufall ihn geboren werden, und die Vernunft seinen Geist zu einer Bildung reifen ließ, die auf diesem Boden keine Nahrung fand, und deswegen unter einem fremden Himmelsstrich suchen mußte, was ihr einmal zum Bedürfniß geworden war. Und es ist gewiß merkwürdig, wie das geistige Bedürfniß bis zu dem Grade steigen kann, daß Noth und Mangel, und das äußerste Elend, welches der Körper erdulden kann, erträglich wird, wenn nur jenes Bedürfniß nicht unbefriedigt bleibt.

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Herausgegebene Schriften

Dergleichen Beyspiele aber sind lehrreich und wichtig, nicht nur wegen der besondern Schicksale eines einzigen Menschen, sondern weil sie die Würde der menschlichen Natur an’s Licht stellen, und der sich emporarbeitenden Vernunft ein Zutrauen zu ihrer Kraft einflößen. Moritz.

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Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit

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Vorrede zu Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit

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der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. Berlin, 1793 Vorrede des Herausgebers.

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Diese ägyptische Maurerey ist zu unschuldig, als daß irgend ein Inquisitionsgericht sie verbrennen dürfte. – Eine wohlgeordnete Nebeneinanderstellung von Erklärungen der vornehmsten Symbole oder Hieroglyphen der Aegypter ist der Inhalt dieses Werkchens, das zur Vermehrung nützlicher und schöner Begriffe seines Zwecks gewiß nicht verfehlen wird; da es auf eine eben so an-genehme als lehrreiche Weise durch die Einbildungskraft zu dem Verstande spricht. – Um so mehr hoffe ich, bey der Herausgabe dieser Blätter, mir die Zufriedenheit und den unbekannten Verfasser den Dank des Publikums versprechen zu dürfen. Berlin, den 2ten April 1793. K. P. Moritz.

III

IV

Kommentar

Benutzungshinweise 1. Zu diesem Band Band 11 der Kritischen Moritz-Ausgabe enthält Moritz’ größere publizistische Unternehmungen, sofern diese nicht seine journalistische Tätigkeit für die »Vossische Zeitung« oder für das von ihm herausgegebene Magazin zur Erfahrungsseelenkunde betreffen. 1786 hat Moritz, wohl als Reaktion auf das Scheitern seines Projekts einer vollkommnen Zeitung, eine moralphilosophisch orientierte Zeitschrift gegründet, deren Beiträge er im ersten halben Jahr des Erscheinens nahezu alle selbst verfaßte. Die Zeitschrift wurde von Karl Friedrich Pockels 1787/88 weiter fortgeführt, ohne daß darin noch ein einziger Artikel Moritz zugeordnet werden könnte. Da das erste Halbjahr der Denkwürdigkeiten ausschließlich von Moritz geprägt wurde und da er das Konvolut auch in der Auswahl der Beiträge als sinnvolles Ganzes komponiert hat, werden im vorliegenden Band die betreffenden 24 Stücke der Zeitschrift in der ursprünglichen Reihenfolge des Erscheinens im Druck ediert. Die wenigen Texte, die nicht von Moritz stammen, die er aber herausgegeben hat, werden ebenfalls in diesem Kontext wiedergegeben. Die Fortsetzungsstruktur einiger der von Moritz auf mehrere Stücke der Denkwürdigkeiten verteilten Beiträge blieb gewahrt, um das ursprüngliche Konzept der auf einzelne Stücke berechneten Zeitschrift zu verdeutlichen. Die in den ersten beiden Quartalen 1786 veröffentlichten Beiträge sind in enger Zusammenarbeit mit Moritz’ Freund und Schüler Karl Friedrich Klischnig entstanden; dabei griff Moritz auch auf einige bereits fertige – noch ungedruckte oder bereits veröffentlichte – Texte zurück. In der Vielfalt der behandelten Themen und literarischen Gattungen orientiert sich die Zeitschrift am Programm der ›Moralischen Wochenschriften‹; sie ist explizit als ein Forum für zeitgenössisch virulente Debatten konzipiert, die auch in anderen Organen ausgetragen wurden und Gegenstände der Popularphilosophie oder Pädagogik, der Literatur- oder Theaterkritik, der Ethik oder Geschichtsphilosophie betrafen. Bei allen Themen stand dabei stets das Interesse an der Vervollkommnung des gemeinschaftlichen Zusam-

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Benutzungshinweise

menlebens und an der Verbesserung der bestehenden Gesellschaftsordnung im Mittelpunkt. Als kulturhistorisch vielfältig interessierter Aufklärer hat Moritz zeit seines Lebens das Geschäft der Aufklärung auch durch die Herausgabe von Schriften anderer betrieben. Dieser wesentliche Teil seines Schaffens wurde auch wegen der schweren Zugänglichkeit der seltenen Texte bis zur internationalen Moritz-Tagung von 1993 (vgl. Fontius/Klingenberg 1995) kaum beachtet. Der vorliegende Band gibt zum ersten Mal einen Überblick über die von Moritz veranstalteten Übersetzungen und Herausgaben und versammelt zumindest die Vorworte und Anmerkungen zu den acht unter Moritz’ Namen übersetzten und/oder herausgegebenen selbständigen Werken anderer Autoren. Sechs von diesen Schriften sind Übersetzungen aus dem Englischen: Drei Romane, eine Reisebeschreibung und zwei moralphilosophische Schriften dokumentieren Moritz’ Interesse an England als an einem für die Zeit in vielem vorbildlichen Gemeinwesen. Aus Platzgründen war der komplette Abdruck dieser Schriften innerhalb der Ausgabe nicht möglich. Um den Sinn von Moritz’ Anmerkungen zu den bearbeiteten Texten nachvollziehbar zu machen, wird in vorliegendem Band der unmittelbare Kontext der Originalschriften abgedruckt. Moritz’ Anmerkungen zu der von ihm herausgegebenen Schrift James Beatties über Moralphilosophie enthalten v. a. etliche Wiederverwendungen von Passagen aus seiner 1782 erschienenen Deutschen Sprachlehre für die Damen; in diesem Fall wird auf die Erläuterung von Moritz’ sprachwissenschaftlichen Grundsätzen verzichtet, die detailliert in Band 7 der Kritischen Moritz-Ausgabe dokumentiert werden. **** Für ihre hilfreiche Unterstützung und wertvollen Hinweise danke ich den (aktuellen und ehemaligen) Mitgliedern und Mitarbeitern der Arbeitsstelle »Kritische Karl-Philipp-Moritz-Ausgabe« bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, allen voran Christof Wingertszahn sowie Martin Disselkamp, Stefan Goldmann und Yvonne Pauly; außerdem Sabine Gruber, Reinhard Buchbinder und Albert Meier. Ohne die Bestände zahlreicher Bibliotheken wäre diese Ausgabe nicht zustande gekommen; für ihr freundliches Engagement möchte ich v. a. den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Badischen Staatsbibliothek Karlsruhe, der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, der Universität Regensburg und der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz danken. Für Auskünfte zu einzelnen Sachfragen bin ich Manfred Flieger (München), Bernhard Klöckener

Zu diesem Band

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(Berlin) und Jutta Mannes (München) zu Dank verpflichtet; für Recherchen, Anregungen, Korrekturen und das Register danke ich Sascha Ternedde, Lea Fricke und insbesondere Mareike Timm sowie Philipp Böttcher (alle Göttingen) sehr herzlich. Die Redaktion des Bands wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, seine Drucklegung durch einen Druckkostenzuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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Benutzungshinweise

2. Editorische Abkürzungen und Zeichen Schriftarten

Texte von Moritz und seinen Zeitgenossen sowie Moritz’ Quellen stehen in einer Serifenschrift. Hervorhebungen im Text sind durch Sperrung, Antiquapassagen (zur Markierung von Fremdwörtern) in einer Groteskschrift gekennzeichnet. Editorkommentare stehen in der serifenlosen Editorschrift.

Autortext Grundschrift: Walbaum Hervorhebung: g e s p e r r t e Wa l b a u m Antiqua: OfficinaSerif-Book Editortext:

ÇHinzufügungÈ D J

Grundschrift: GILL light Absatz- bzw. Zeilenwechsel Hinzufügung des Editors in Winkelklammern selbständiger Druck unselbständiger Druck

Allgemeine Abkürzungen

3. Allgemeine Abkürzungen Abt. Anm. Art. Aufl. Ausg. Bd./Bde. bearb. bes. Bibliogr. Bl. bzw. ca. d. ders. d. h. d. i. dt. durchges. ebd. Einl. engl. Erl. etc. f. frz. geb. gen. Gen gest. ggf. Gr. griech. H. Hos

Abteilung Anmerkung Artikel Auflage Ausgabe Band/Bände bearbeitet besonders Bibliographie Blatt/Blätter beziehungsweise circa der/die/das derselbe das heißt das ist deutsch durchgesehen ebenda Einleitung englisch Erläuterung et cetera folgende [Seite] französisch geboren genannt Genesis (1. Buch Mose) gestorben gegebenenfalls Groschen griechisch Heft Buch des Propheten Hosea

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310 hrsg. Hs. i. e. ital. Jak Jes Jg. Jh./Jhs. Joh Kap. Kor lat. Lk Micha Mk mlat. Mt n. Chr. Nr. pag. Ps Repr. resp. Rez. röm. s. S. Sp. Sig. sog. Sp. St. u. u. a. u. ö. u. U.

Benutzungshinweise herausgegeben Handschrift id est italienisch Jakobus Buch des Propheten Jesaja Jahrgang Jahrhundert/Jahrhunderts Evangelium nach Johannes Kapitel Korinther lateinisch Evangelium nach Lukas Buch des Propheten Micha Evangelium nach Markus mittellateinisch Evangelium nach Matthäus nach Christus Nummer paginiert Buch der Psalmen Reprint respektive Rezension römisch siehe Seite Spalte Signatur sogenannt Spalte Stück und unter anderem/und andere(s) und öfter unter Umständen

Allgemeine Abkürzungen unpag. übers./Übers. v. V. v. a. v. Chr. verb. vgl. vmtl. Z. z. B. zit. Zs. zus.

unpaginiert übersetzt/Übersetzung von Vers vor allem vor Christus verbessert vergleiche vermutlich Zeile zum Beispiel zitiert Zeitschrift zusammen

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Benutzungshinweise

4. Abgekürzt zitierte Werke von Moritz AdBs Allgemeiner deutscher Briefsteller, welcher eine kleine deutsche Sprachlehre, die Hauptregeln des Styls und eine vollständige Beispielsammlung aller Gattungen von Briefen enthält. Von Karl Philipp Moritz, Königlich Preußischem Hofrath und Professor, ordentlichem Mitgliede der Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste in Berlin, Berlin: Friedrich Maurer, 1793. AH Andreas Hartknopf. Eine Allegorie. Non fumum ex fulgore / Sed ex fumo dare lucem, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1786. Anhang zu den Briefen vom Akkusativ Anhang zu den Briefen vom Unterschiede des Akkusativ’s und Dativ’s worinn der Unterschied zwischen für und vor erklärt, und die Ursach gezeigt wird, warum durch und für immer den Akkusativ, und von, mit, aus, nach und zu, beständig den Dativ nach sich haben. Nebst einer Erklärung von der wahren Beschaffenheit des Genitiv’s, und einem Vorschlage, die alten Benennungen Nominativ, Genitiv, u. s. w. mit zweckmäßigern zu vertauschen. Von M. Carl Philipp Moritz, Conrektor am grauen Kloster zu Berlin, Berlin: Arnold Wever, 1781. Anleitung Anleitung zum Briefschreiben. Von Carl Philipp Moritz, Berlin: Arnold Wever, 1783. Anmerkungen zu Beattie James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen begleitet von Karl Philipp Moritz Professor bei der Akademie der bildenden Künste in Berlin. Erster Band, Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn, 1793. Anthusa ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer. Von Karl Philipp Moritz. Mit achtzehn in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums, Berlin: Friedrich Maurer, 1791.

Abgekürzt zitierte Werke von Moritz

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AR Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. 4 Bde., Berlin: Friedrich Maurer, 1785–1790. BNS Ueber die bildende Nachahmung des Schönen. von Karl Philipp Moritz, Braunschweig: Schulbuchhandlung, 1788. BPL Beiträge zur Philosophie des Lebens aus dem Tagebuche eines Freimäurers, Berlin: Arnold Wever, 1780. DR Von der deutschen Rechtschreibung. Nebst vier Tabellen die deutsche Rechtschreibung, Interpunktion, Deklination, und insbesondere den Unterschied des Akkusativs und Dativs betreffend. Zum Gebrauch der Schulen und für solche die keine gelehrte Sprachkenntniß besitzen. Von M. Carl Philipp Moritz, Professor am vereinigten Berlinischen und Köllnischen Gymnasium, Berlin: Arnold Wever, 1784. DS Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Moritz, Berlin: Arnold Wever, 1782. DW Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1786 ÇDW I: Erstes Vierteljahr; DW II: Zweites VierteljahrÈ. FTG Fragmente aus dem Tagebuche eines Geistersehers. Von dem Verfasser Anton Reisers, Berlin: Christian Friedrich Himburg, 1787. Gedichte Karl Philipp Moritz, Gedichte. Mit einem Nachwort hrsg. von Christof Wingertszahn, St. Ingbert 1999 (Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts; 36). GL Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin: Ernst Felisch, 1793. Götterlehre Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Zusammengestellt von Karl Philipp Moritz, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1791.

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Benutzungshinweise

GWb I Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache von Karl Philipp Moritz. Erster Band, Berlin: Ernst Felisch, 1793. IS Italiänische Sprachlehre für die Deutschen. Nebst einer Tabelle, die italiänische Aussprache und die Etymologie betreffend. Von Karl Philipp Moritz, Professor bei der Akademie der Künste zu Berlin, Berlin: Arnold Wever, 1791. KL Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz, Berlin: August Mylius, 1786. KMA Kritische Moritz-Ausgabe. Hrsg. v. Anneliese Klingenberg, Albert Meier, Conrad Wiedemann und Christof Wingertszahn, Berlin/New York: De Gruyter, 2005– (vorher Max Niemeyer Verlag Tübingen). LP Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz. Herausgegeben von Carl Friedrich Klischnig. Our Life itself can nothing more supply Tan just to plan our projects and to die, Berlin: Ernst Felisch, 1796. Lesebuch für Kinder Lesebuch für Kinder von K. P. Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit. Berlin, 1792. Bey Christian Gottfried Schöne. MzE ÇI–XÈ GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Carl Philipp Moritz. ÇBd. V–VI hrsg. v. Moritz und C. F. Pockels; Bd. IX–X hrsg. v. Moritz und Salomon MaimonÈ ÇJg. abgekürzt durch röm. Ziffer, Stück abgekürzt durch arabische Ziffer: MzE I.3 1783 = 1. Jg. 1783, 1. St.È

RDE Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782. In Briefen an Herrn Oberkonsistorialrath Gedike von Carl Philip Moriz, Berlin: Friedrich Maurer, 1783.

Abgekürzt zitierte Werke von Moritz

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RDI ÇI–IIIÈ Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788. In Briefen von Karl Philipp Moritz. 3 Bde., Berlin: Friedrich Maurer, 1792–93. TdInt Tabelle von der deutschen Interpunktion Çenthalten in DRÈ. TdR Tabelle von der deutschen Rechtschreibung Çenthalten in DRÈ. TUAuD Tabelle vom Unterschiede des Akkusativs und Dativs Çenthalten in DRÈ. Unterhaltungen Unterhaltungen mit meinen Schülern. Von M. Carl Philipp Moritz, Conrector am grauen Kloster zu Berlin, Berlin: Christ. Sigism. Spener, 1780. Vom Unterschiede Vom Unterschiede des Akkusativ’s und Dativ’s oder des mich und mir, sie und ihnen, u. s. w. für solche, die keine gelehrte Sprachkenntniß besitzen. In Briefen von M. Carl Philipp Moritz, Conrektor am grauen Kloster zu Berlin, Berlin: Arnold Wever, 1781. VP Versuch einer deutschen Prosodie. Dem Könige von Preussen gewidmet von Karl Philipp Moriz, Berlin: Arnold Wever, 1786. VrdA Vom richtigen deutschen Ausdruck oder Anleitung die gewöhnlichen Fehler im Reden zu vermeiden, für solche die keine gelehrte Sprachkenntniß besitzen von Karl Philipp Moritz, Königl. Preuß. Hofrath und Professor, ordentl. Mitgliede der königl. Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste zu Berlin, Berlin: Königl. preuß. akademische Kunst- und Buchhandlung, 1792. VS ÇI, IIÈ Vorlesungen über den Styl oder praktische Anweisung zu einer guten Schreibart in Beispielen aus den vorzüglichsten Schriftstellern von Karl Philipp Moritz. 2 Bde., Berlin: Friedrich Vieweg d. Ä., 1793–1794. VTO Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente von Karl Philipp Moritz, Berlin: Karl Matzdorff, 1793.

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Benutzungshinweise

VZ »Vossische Zeitung«; 1779–1784 unter dem Titel: Berlinische privilegirte Staatsund gelehrte Zeitung, ab 1785: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen. Zusätze Zusätze zu den Briefen vom Unterschiede des Akkusativ’s und Dativ’s von M. Carl Philipp Moritz, Conrektor am grauen Kloster zu Berlin, Berlin: Arnold Wever, 1781.

Abgekürzt zitierte Literatur

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5. Abgekürzt zitierte Literatur ADB Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, 45 Bde., 10 Nachtragsbde. u. 1 Registerbd., Leipzig 1875–1912, Bd. 1–56. Neudruck Berlin 1967–1971 (Neudruck der 1. Aufl. von 1875–1912). Adelung Johann Christoph Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. 2., vermehrte u. verb. Ausg., Leipzig, 4 Teile. Nachdruck Hildesheim/Zürich/New York 1990 (2. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1793–1801). Albrecht 1986 Michael Albrecht, Moses Mendelssohn (1729–1786). Das Lebenswerk eines jüdischen Denkers der deutschen Aufklärung. Ausstellung im Meißnerhaus der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 24. September 1986, Weinheim 1986. Allgemeine deutsche Bibliothek Allgemeine deutsche Bibliothek, Çhrsg. v. Friedrich Nicolai (ab Bd. 107, 1792: Carl Ernst Bohn),È Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1765–1791; Çab Bd. 107, 1792:È Kiel Çtatsächlich HamburgÈ: Carl Ernst Bohn 1792–1793. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. (Conversations-Lexikon.) In zwölf Bänden. Siebente Originalauflage (Zweiter durchgesehener Abdruck.), Leipzig: F. A. Brockhaus 1830. Altmann 1967 Alexander Altmann, Moses Mendelssohns Kindheit in Dessau, in: Bulletin des Leo Baeck Instituts 10 (Tel Aviv 1967), S. 237–275. Bahrdt, Ueber den Zwek der Erziehung ÇCarl FriedrichÈ BahrÇdÈt, Ueber den Zwek der Erziehung, in: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. 1. T., hrsg. v. JÇoachimÈ HÇeinrichÈ Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. Ç1È–124.

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Benutzungshinweise

Baine 1965 Rodney M. Baine, Thomas Holcroft and the Revolutionary Novel, Athens 1965 (University of Georgia monographs; 13). Beaumarchais, Der lustige Tag Der lustige Tag, oder Figaro’s Hochzeit. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Aus dem Französischen des Herrn Caron von Beaumarchais übers. Aechte, vom Herrn Verfasser einzig und allein genehmigte, vollständige Ausg., Kehl: J. G. Müller 1785. Beaumarchais, La folle journe´e ÇPierre-AugustinÈ Caron de Beaumarchais, La folle journe´e ou Le mariage de Figaro. Come´die en cinq actes et en prose, Amsterdam 1785. Bellmann/Harksen/Werner 1979 Die Denkmale der Lutherstadt Wittenberg bearbeitet von Fritz Bellmann, Marie-Luise Harksen u. Roland Werner. Mit Beiträgen von Peter Findeisen, Weimar 1979 (Die Denkmale im Bezirk Halle). Bezold 1984 Raimund Bezold, Popularphilosophie und Erfahrungsseelenkunde im Werk von Karl Philipp Moritz, Würzburg 1984 (Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft; 14). Bibliothek der Romane Bibliothek der Romane, Çhrsg. v. Heinrich August Ottokar Reichard u. a.È; 1. Bd. 2. Aufl. Riga: Johann Friedrich Hartknoch 1782; 2. Bd. Riga: Johann Friedrich Hartknoch 1783; 3. Bd. 2. Aufl. Riga und Leipzig: Johann Friedrich Hartknoch 1785; 4. Bd. Berlin: Christian Friedrich Himburg 1779; 5. und 6. Bd. Riga: Johann Friedrich Hartknoch 1780; 7. Bd. Berlin: Christian Friedrich Himburg 1781; 8., 9. und 10. Bd. Riga: Johann Friedrich Hartknoch 1782–1783. BM Berlinische Monatsschrift, hrsg. v. Friedrich Gedike u. Johann Erich Biester, 28 Bände, Berlin 1783–1796. Böning/Siegert 2 Holger Böning u. Reinhart Siegert, Volksaufklärung. Biobibliographisches Handbuch zur Popularisierung aufklärerischen Denkens im deutschen Sprachraum von den Anfängen bis 1850, Bd. 2, Stuttgart/Bad Cannstatt 2001.

Abgekürzt zitierte Literatur

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Bohnen 1982 Lessing. Nachruf auf einen Aufklärer. Sein Bild in der Presse der Jahre 1781, 1881 und 1981, hrsg. v. Klaus Bohnen, München 1982. Brandes 1999 Helga Brandes, Moralische Wochenschriften, in: Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, hrsg. v. Ernst Fischer, Wilhelm Haefs u. York-Gothart Mix, München 1999, S. 225–232. Bratring 1968 Friedrich Wilhelm August Bratring, Statistisch-topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. Mit einer biographisch-bibliographischen Einführung. Kritisch durchges. u. verb. Neuausg. v. Otto Büsch, Berlin 1968 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin; 22: Neudrucke; 2). Brown 2005 Hilary Brown, Benedikte Naubert (1756–1819) and her Relations to English Culture, London 2005. Brück 1998 Brück – Beiträge zur Geschichte der Stadt, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert. Von Kurt Zoglowek erarbeitet 1952–1962, hrsg. v. der Stadt Brück, Wittenberg 1998. Brühl, Der Bürgermeister ÇAlois Friedrich Graf von Brühl,È Der Bürgermeister. Ein Original-Lustspiel in fünf Aufzügen, in: AÇloisÈ FÇriedrichÈ GrÇafÈ v. BÇrühlÈ, Theatralische Belustigungen. 3. Teil, Dresden: Waltherische Hofbuchhandlung 1786, S. 1–160. Busch Alexander Busch, Die Geschichte des Privatdozenten. Eine soziologische Studie zur großbetrieblichen Entwicklung der deutschen Universitäten, Stuttgart 1959. Campe, Allgemeine Revision Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. 15 Teile, hrsg. v. JÇoachimÈ HÇeinrichÈ Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785–1792. Campe, Ueber die früheste Bildung ÇJoachim HeinrichÈ Campe, Ueber die früheste Bildung junger Kinderseelen im ersten und zweiten Jahre der Kindheit, in: Allgemeine Revision des gesammten

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Benutzungshinweise

Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. 2. T., hrsg. v. JÇoachimÈ HÇeinrichÈ Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. Ç3È– 296. Campe, Von der nöthigen Sorge ÇJoachim HeinrichÈ Campe, Von der nöthigen Sorge für die Erhaltung des Gleichgewichts unter den menschlichen Kräften. Besondere Warnung vor dem Modefehler die Empfindsamkeit zu überspannen, in: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. 3. T., hrsg. v. JÇoachimÈ HÇeinrichÈ Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. Ç291È–434. Campe, Wörterbuch ÇI–VIÈ Joachim Heinrich Campe, Wörterbuch der Deutschen Sprache, 6 Bde., Braunschweig 1807–1813 (Repr. Nachdruck Hildesheim/New York 1969–1970). Cicero, Tusculanae disputationes Marcus Tullius Cicero, Tusculanae disputationes/Gespräche in Tusculum. Lateinisch/Deutsch, übers. u. hrsg. v. Ernst Alfred Kirfel, Stuttgart 1997. Cicero, Von der Vorhersehung Cicero’s zwei Bücher von der Vorhersehung in einer teutschen Uebersetzung, Leipzig: Schwickert 1784. D’Aprile 2006 Iwan-Michelangelo D’Aprile, Die schöne Republik. Ästhetische Moderne in Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert, Tübingen 2006 (Studien zur deutschen Literatur; 181). Diderot, Das Theater des Herrn Diderot Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen übers. v. Gotthold Ephraim Lessing. Anmerkungen und Nachwort v. Klaus-Detlef Müller, Stuttgart 1986. DWb Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 33 Bde., München 1984 (Fotomechanischer Nachdruck der Erstausg. 1854–1971). Eberhard, Allgemeine Theorie Johann August Eberhard, Allgemeine Theorie des Denkens und Empfindens. Eine Abhandlung, welche den von der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin auf das Jahr 1776 ausgesetzten Preis erhalten hat, Berlin: Christian Friedrich Voß 1776.

Abgekürzt zitierte Literatur

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Emde 1996 Bärbel Emde, Karl Philipp Moritz und Mary Robinson, in: Moritz zu ehren. Beiträge zum Eutiner Symposium im Juni 1993, hrsg. v. Wolfgang Griep, Eutin 1996, S. 105–127. Ersch/Gruber Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearb. u. hrsg. v. J. S. Ersch u. J. G. Gruber, Sektionen I–III (bis Phyxios), Graz 1969–1992 (unveränderter Nachdruck der 1818–89 in Leipzig erschienenen Ausg.). Eybisch 1909 Hugo Eybisch, Anton Reiser. Untersuchungen zur Lebensgeschichte von K. Ph. Moritz und zur Kritik seiner Autobiographie, Leipzig 1909 (Probefahrten. Erstlingsarbeiten aus dem Deutschen Seminar in Leipzig; 14). Fauser 1991 Markus Fauser, Das Gespräch im 18. Jahrhundert. Rhetorik und Geselligkeit in Deutschland, Stuttgart 1991. Fischer/Haefs/Mix 1999 Ernst Fischer/Wilhelm Haefs/York-Gothart Mix, Einleitung: Aufklärung, Öffentlichkeit und Medienkultur in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, hrsg. v. Ernst Fischer, Wilhelm Haefs u. York-Gothart Mix, München 1999, S. 9–23. Geiger 1895 Ludwig Geiger, Unger, Friedr. Gottl., in: Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 39 (1895), S. 291–293. Geitner 1994 Ursula Geitner, Zur Poetik des Tagebuchs. Beobachtungen am Text eines Selbstbeobachters, in: Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. DFG-Symposion 1992, hrsg. v. Hans-Jürgen Schings, Stuttgart/Weimar 1994, S. 629–659. GG Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. v. Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck, 8 Bde., Stuttgart 1972–1997.

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Benutzungshinweise

Goethe, HA 1 Johann Wolfgang von Goethe, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Bd. 1: Gedichte und Epen I. Textkritisch durchgesehen u. kommentiert v. Erich Trunz, München 1981. Goldmann 2005 Stefan Goldmann, Erfahrungsseelenkunde und Haskala. Jüdische Autoren in dem psychologischen Magazin von Karl Philipp Moritz, in: Karl Philipp Moritz in Berlin 1789–1793, hrsg. v. Ute Tintemann u. Christof Wingertszahn, Hannover 2005, S. 293–315. Goldmann 2008 Stefan Goldmann, Rijklof Michael van Goens (1748–1810) und die Internationalität des »Magazins zur Erfahrungsseelenkunde«, in: Niederländisch-deutsche Kulturbeziehungen 1600–1830, hrsg. v. Jan Konst, Inger Leemans u. Bettina Noak, Göttingen 2008, S. 287–304. Goldsmith, Der Dorfprediger von Wakefield ÇOliver Goldsmith,È Der Dorfprediger von Wakefield. Eine Geschichte, die er selbst geschrieben haben soll. Von neuem verdeutscht. ÇVon Johann Joachim Christoph BodeÈ, Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1776. Goldsmith, The Vicar of Wakefield Oliver Goldsmith, The Vicar of Wakefield. A Tale. Supposed to be written by himself. Edited with an Introduction by Arthur Friedman, London/New York/Toronto 1974. Gottsched, Erste Gründe der gesammten Weltweisheit Johann Christoph Gottsched, Erste Gründe der gesammten Weltweisheit (Theoretischer Teil), in: Ausgewählte Werke, hrsg. v. P. M. Mitchell, 5. Bd., 1. Teil), Berlin/New York 1983. Gottschlik 1997 Mark Gottschlik, »Man glaubt in einem andern Planeten versetzt zu seyn«. England in Berichten deutscher Reisender des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in: Reisen im Georgian Empire. Untersuchungen zu Reisenden und Reisen im britischen Weltreich der Neuzeit, hrsg. v. Otfried Dankelmann, Egelsbach u. a. 1997, S. 168–225. Grabes 1973 Herbert Grabes, Speculum, Mirror und Looking-Glass. Kontinuität und Originalität der Spiegelmetapher in den Buchtiteln des Mittelalters und der englischen Literatur des 13. bis 17. Jahrhunderts, Tübingen 1973.

Abgekürzt zitierte Literatur

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Grimm 1983 Gunter E. Grimm, Literatur und Gelehrtentum in Deutschland. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung, Tübingen 1983. Grimminger 1984 Rolf Grimminger, Aufklärung, Absolutismus und bürgerliche Individuen. Über den notwendigen Zusammenhang von Literatur, Gesellschaft und Staat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts, in: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680–1789, hrsg. v. Rolf Grimminger, 2., durchges. Aufl. München 1984 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur; 3.1), S. 15–99. Griswold 1996 Charles L. Griswold, Nature and Philosophy. Adam Smith on stoicism, aesthetic reconciliation, and imagination, in: Man and World. An international Philosophical Review 29 (1996), S. 187–213. Groß 1914 Edgar Groß, Johann Friedrich Ferdinand Fleck. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des deutschen Theaters, Berlin 1914 (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte; 22). GWb ÇII–IVÈ Des H. Hofr. Moritz grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, fortgesetzt vom Prediger Johann Ernst Stutz, 2. Bd. Berlin 1794. Des H. Hofr. Moritz grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, fortgesetzt von Balthasar Stenzel, 3. Bd. Berlin 1797. Des H. Hofr. Moritz grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache, fortgesetzt von Johann Christoph Vollbeding, 4. Bd. Berlin 1800. Haller, Die Alpen und andere Gedichte Albrecht von Haller, Die Alpen und andere Gedichte. Auswahl und Nachwort v. Adalbert Elschenbroich, Stuttgart 1994. Hederich Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon. Reprografischer Nachdruck der Ausg. Leipzig 1770, Darmstadt 1996. Heinsius, Allgemeines Bücher-Lexikon Wilhelm Heinsius, Allgemeines Bücher-Lexikon oder vollständiges alphabetisches Verzeichnis aller von 1700 bis zu Ende 1892 erschienenen Bücher, welche in Deutschland und in den durch Sprache und Literatur damit verwandten

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Benutzungshinweise

Ländern gedruckt worden sind: nebst Angabe der Druckorte, der Verleger und der Preise. Repr. der Ausg. Leipzig 1812–1894, Graz 1962–1963. Herbst 1872 Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, Leipzig 1872. Herders Sämmtliche Werke Herders Sämmtliche Werke, hrsg. v. Bernhard Suphan, 33 Bde., Berlin 1877– 1913. Heyse 1873 JohÇannÈ ChristÇianÈ AugÇustÈ Heyse, Fremdwörterbuch. Durchaus neu bearb. und bis auf ca. 90.000 Worterklärungen erweitert von Carl Böttger, Leipzig 1873. Hinske 1990 Norbert Hinske, Die tragenden Grundideen der deutschen Aufklärung. Versuch einer Typologie, in: Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht, hrsg. v. Karlfried Gründer u. Nathan Rotenstreich, Heidelberg 1990 (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung; 14), S. 67–100. Histoire militaire Histoire militaire de la France, 2: De 1715 a` 1871, sous la direction de Jean Delmas, Paris 1992. Historisches Portefeuille Historisches Portefeuille. Auf das Jahr 1785, 11. St., Monat November (Historisches Portefeuille. Zur Kenntniß der gegenwärtigen und vergangenen Zeit. 4. Jahrgangs 2. Bd., Wien-Breslau-Leipzig-Berlin-Hamburg u. a. 1785). Hist. Wb. d. Philos. Ç1–13È Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. Joachim Ritter, Karlfried Gründer u. Gottfried Gabriel, 13 Bde., Darmstadt 1971–2007. Hist. Wb. d. Rhetorik Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. v. Gert Ueding, Bd. 2., Tübingen 1994. Horaz, Ars Poetica Quintus Horatius Flaccus, Ars Poetica. Die Dichtkunst. Lateinisch/Deutsch, übers. u. mit einem Nachwort hrsg. v. Eckart Schäfer, Stuttgart 1972. Horaz, Werke Des Quintus Horatius Flaccus Werke von Johann Heinrich Voss. In 2 Bdn., 1.

Abgekürzt zitierte Literatur

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Bd.: Oden und Epoden. 2. verb. Ausg., Braunschweig: Friedrich Vieweg 1820; 2. Bd.: Satiren und Episteln. 2. verb. Ausg., Braunschweig: Friedrich Vieweg 1820. Hornung 1999 Erik Hornung, Das esoterische Ägypten. Das geheime Wissen der Ägypter und sein Einfluß auf das Abendland, München 1999. Janik 1987 Detlev Janik, Adel und Bürgertum im englischen Roman des 18. Jahrhunderts, Heidelberg 1987. Jöcher 3 Christian Gottlieb Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexikon worin die Schriftsteller aller Stände nach ihren vornehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden. Fortsetzungen und Ergänzungen, 3. Bd., Hildesheim 1961 (Unveränderter Nachdruck der Ausg. Delmenhorst 1810). Kiesel 1979 Helmuth Kiesel, »Bei Hof, bei Höll«. Untersuchungen zur literarischen Hofkritik von Sebastian Brant bis Friedrich Schiller, Tübingen 1979. Kirchner Die Zeitschriften des deutschen Sprachgebietes von den Anfängen bis 1830. Bearb. von Joachim Kirchner, Stuttgart 1969. Klingenberg 1995 Anneliese Klingenberg, Editionsprobleme des Moritzschen Gesamtwerks: Grammatiken, Übersetzungen, Journalistisches, Amtliches, in: Karl Philipp Moritz und das 18. Jahrhundert: Bestandsaufnahmen – Korrekturen – Neuansätze, hrsg. v. Martin Fontius u. Anneliese Klingenberg, Tübingen 1995, S. 31–46. Klischnig, Blumen und Blüthen Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794. Klischnig, Erinnerungen Karl Friedrich Klischnig, Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ, Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg. Knoche 1999 Susanne Knoche, Der Publizist Karl Philipp Moritz. Eine intertextuelle Studie über die Vossische Zeitung und die Denkwürdigkeiten, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/u. a. 1999 (Bochumer Schriften zur deutschen Literatur; 52).

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Abgekürzt zitierte Literatur

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Leibniz, Philosophische Schriften Gottfried Wilhelm Leibniz, Die philosophischen Schriften, hrsg. v. Carl Immanuel Gerhardt, 6. Bd., Hildesheim 1961 (unveränderter Nachdruck der Ausg. Berlin 1885). Leibniz, Theodizee Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosophische Schriften, Bd. II. Erste Hälfte: Essais de The´odice´e. Sur la bonte´ de Dieu, la liberte´ de l’homme et l’origine du mal / Die Theodizee. Von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels, hrsg. u. übers. von Herbert Herring, Frankfurt a. M. 1965. Lennhoff/Posner 1932 Eugen Lennhoff u. Oskar Posner, Internationales Freimaurerlexikon. Unveränderter Nachdruck der Ausg. 1932, Graz 1965. Lessing, Sämtliche Schriften Gotthold Ephraim Lessings sämtliche Schriften, hrsg. v. Karl Lachmann. 3., auf’s neue durchgesehene u. vermehrte Aufl., besorgt durch Franz Muncker, 23 Bde., Stuttgart 1886–1924. Lessing, Werke Gotthold Ephraim Lessing, Werke, hrsg. v. Herbert G. Göpfert, 8 Bde., München 1970–1979. Lexikon der Aufklärung Lexikon der Aufklärung. Deutschland und Europa, hrsg. v. Werner Schneiders, München 1995. Linne´, Systema naturae Carl von Linne´, Systema naturae, sive Regna tria naturae systematice proposita per classes, ordines, genera et species / Natur-Systema, Oder Die in ordentlichem Zusammenhange vorgetragene Drey Reiche der Natur, nach ihren Classen, Ordnungen, Geschlechtern und Arten, in die Deutsche Sprache übers., u. mit einer Vorrede hrsg. v. Johann Joachim Langen, Halle: Johann Justinus Gebauer 1740. Lücke 1999 Hans-Karl Lücke u. Susanne Lücke, Antike Mythologie. Ein Handbuch. Der Mythos und seine Überlieferung in Literatur und bildender Kunst, Reinbek bei Hamburg 1999.

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Benutzungshinweise

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Abgekürzt zitierte Literatur

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Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 2: Schriften zur Philosophie und Ästhetik II, bearb. von Fritz Bamberger und Leo Strauss. Faksimile-Neudruck der Ausg. Berlin 1931, Stuttgart/Bad Cannstatt 1972. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 3,1: Schriften zur Philosophie und Ästhetik III,1, bearb. von Fritz Bamberger und Leo Strauss. Faksimile-Neudruck der Ausg. Berlin 1932, Stuttgart/Bad Cannstatt 1972. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 3,2: Schriften zur Philosophie und Ästhetik III,2, bearb. von Leo Strauss, Stuttgart/Bad Cannstatt 1974. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 7: Schriften zum Judentum I, bearb. von Simon Rawidowicz, Stuttgart/Bad Cannstatt 1974. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 22: Dokumente I. Entlegene zeitgenössische Texte zu Moses Mendelssohns Leben und Wirken, bearb. von Michael Albrecht, Stuttgart/Bad Cannstatt 1995. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 23: Dokumente II. Die frühen Mendelssohn-Biographien, bearb. von Michael Albrecht, Stuttgart/Bad Cannstatt 1998. Moses Mendelssohn, Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 24: Porträts und Bilddokumente, [dargestellt von] Gisbert Porstmann, Stuttgart/Bad Cannstatt 1997. Meßkatalog ÇOstern bzw. MichaelisÈ Allgemeines Verzeichniß der Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger Oster-ÇMichaelis-Èmesse des 1780Ç–1793È. Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert wieder aufgeleget worden sind, auch inskünftige noch herauskommen sollen, Leipzig 1780–1793. Meusel IX Johann Georg Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. IX, Hildesheim 1967 (Reprografischer Nachdruck der Ausg. Leipzig 1809). Meyer 1965 Herrmann M. Z. Meyer, Moses Mendelssohn Bibliographie. Mit einigen Ergänzungen zur Geistesgeschichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Mit einer Einführung von Hans Herzfeld, Berlin 1965. Milton, Paradise lost John Milton, Paradise lost. A poem in twelve books. 2 Vols, Gotha: Steudel and Keil 1805.

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Milton, von dem Verlohrnen Paradiese Johann Miltons Episches Gedichte von dem Verlohrnen Paradiese. Uebersetzet und durchgehends mit Anmerckungen über die Kunst des Poeten begleitet von Johann Jacob Bodmer, Zürich: Conrad Orell und Comp 1742/Leipzig: Joh. Friederich Gleditsch (Repr. Stuttgart 1965). Mittenzwei 1980 Ingrid Mittenzwei, Friedrich II. von Preußen. Eine Biographie, Köln 1980. Montaigne, Essais Michel de Montaigne, Essais [Versuche] nebst des Verfassers Leben nach der Ausgabe von Pierre Coste ins Deutsche übersetzt von Johann Daniel Tietz. Theil 1–3, Zürich 1992/1996 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1753/1754). Neuestes gelehrtes Berlin Neuestes gelehrtes Berlin; oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berlinischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen. Gesammlet und hrsg. v. Valentin Heinrich Schmidt und Daniel Gottlieb Gebhard Mehring, 2 Bde., Berlin 1795. Nicolai, Beschreibung Friedrich Nicolai, Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten und der umliegenden Gegend. Dritte, völlig umgearbeitete Auflage Ç. . .È. 3 Bde., Berlin 1968 (Repr. der 3. Aufl. 1786). Nicolai, Gesammelte Werke Friedrich Nicolai, Gesammelte Werke, hrsg. v. Bernhard Fabian u. Marie-Luise Spieckermann, Bd. 6: Nachricht von den Baumeistern, Bildhauern, Kupferstechern, Malern, Stukkaturern, und andern Künstlern (1786). Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam (1793), Hildesheim/Zürich/New York 1987; Bd. 14: Opera Minora III, Hildesheim/Zürich/New York 1995. Nübel 1994 Birgit Nübel, Autobiographische Kommunikationsmedien um 1800. Studien zu Rousseau, Wieland, Herder und Moritz, Tübingen 1994. Oberholzer 1974 Otto Oberholzer, Das Schicksal der Komödien Holbergs in den deutschsprachigen Ländern, in: Germanistische Streifzüge. Festschrift für Gustav Korle´n, hrsg. v. Gert Mellbourn u. a., Stockholm 1974, S. 168–183.

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Abgekürzt zitierte Literatur

333

tiker in Erfahrungsseelenkunde und Literatur des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1977. Schings 1980 Hans-Jürgen Schings, Consolatio Tragoediae. Zur Theorie des barocken Trauerspiels, in: Deutsche Dramentheorien I. Beiträge zu einer historischen Poetik des Dramas in Deutschland, hrsg. v. Reinhold Grimm, 3. verb. Aufl. Wiesbaden 1980, S. 19–55. Schlichtegroll 1795 ÇKarl Gotthold Lenz,È Den 26. Junius. Karl Philipp Moritz, in: Nekrolog auf das Jahr 1793. Enthaltend Nachrichten von dem Leben merkwürdiger in diesem Jahre verstorbener Personen. Gesammelt von Friedrich Schlichtegroll, 4. Jg., 2. Bd. Gotha: Justus Perthes 1795 (Repr. Hildesheim/Zürich/New York 1984), S. 169–276. Schmölders 1986 Die Kunst des Gesprächs. Texte zur Geschichte der europäischen Konversationstheorie, hrsg. v. Claudia Schmölders, München 21986. Schneider 1998 Sabine M. Schneider, Die schwierige Sprache des Schönen. Moritz’ und Schillers Semiotik der Sinnlichkeit, Würzburg 1998. Schneiders 1974 Werner Schneiders, Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung, Freiburg/München 1974. Schneiders 1983 Werner Schneiders, Aufklärung und Vorurteilskritik. Studien zur Geschichte der Vorurteilstheorie, Stuttgart/Bad Cannstatt 1983. Schön 1993 Erich Schön, Der Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlungen des Lesers. Mentalitätswandel um 1800, Stuttgart 21993. Schrader 1894 Wilhelm Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle. 1. Teil, Berlin 1894. Schreiner 1992 Sabine Schreiner, Sprachenlernen in Lebensgeschichten der Goethezeit, München 1992.

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Shakespeare, The Complete Works William Shakespeare, The Complete Works. Compact Edition. General Editors: Stanley Wells and Gary Taylor, Oxford 1988. Soemmerring, Briefwechsel Samuel Thomas Soemmerring, Briefwechsel 1761/65-Oktober 1784, hrsg. u. erl. v. Franz Dumont, Stuttgart/Jena/New York 1996 (Soemmerring, Werke; 18). Sørensen 1963 Bengt Algot Sørensen, Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts und der deutschen Romantik, Kopenhagen 1963. Spieker 1839 Christian Wilhelm Spieker, Lebensbeschreibung des Herzogs Maxim. Julius Leopold von Braunschweig, 2. verb. Aufl., Frankfurt/Oder 1839. Stockinger 2003 Claudia Stockinger, Johann Christoph Adelung, in: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950, hrsg. u. eingeleitet v. Christoph König, Bd. 1., Berlin/New York 2003, S. 4–6. Stockinger 2005 Claudia Stockinger, Zwischen Mendelssohn und Maimon. Moritz und die jüdische Aufklärung in Berlin, in: Karl Philipp Moritz in Berlin. 1789–1793, hrsg. v. Ute Tintemann u. Christof Wingertszahn, Hannover-Laatzen 2005, S. 249–271. Stockinger 2011 Claudia Stockinger, Die Ermordung Mendelssohns. Die »Morgue berlinoise« in der Debatte um Lessings Spinozismus, in: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken. Typologie und Geschichte, hrsg. v. Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser, Heidelberg 2011, S. 141–173. Sulzer Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste in einzelnen, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter aufeinanderfolgenden Artikeln abgehandelt, 4 Bde., Hildesheim/Zürich/New York 1994 (2., unveränderter Nachdruck der Ausg. Leipzig 1792–1794). Theatrum Tragicum Theatrum Tragicum, Wahrhaftige/traurig/kläglich/ und wunderliche Oder Geschichten/ Die/ wegen allerhand Lastern/ und andern selzamen Zufällen; sonderlich aber unzeitig: und unordenlicherÇ!È Lieb halben/ sich zugetragen haben/

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Und Anfangs vom Herrn Francisco von Rosset, in Frantzösischer Sprach / weitläuffig beschriben; hernach aber in die Teutsche etwas enger gebracht / mit andern denckwürdigen alten / und neuen Historien / nützlichen Lehren / und Erinnerungen / vermehrt; noch einmal durchgangen/ und von den Fehlern corrigirt worden/ Durch Martin Zeillern, Ulm: Joh. Görlins Seel. Wittib 1672. Tiedemann, System der stoischen Philosophie Dieterich Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3 Tle., Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1776. Ty 1998 Eleanor Ty, Empowering the Feminine. The Narratives of Mary Robinson, Jane West, and Amelia Opie, 1796–1812, Toronto 1998. Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten JÇohannÈ JÇacobÈ Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten von Italien, welche eine genaue Beschreibung dieses Landes, der Sitten und Gebräuche, der Regierungsform, Handlung, Oekonomie, des Zustandes der Wissenschaften, und insonderheit der Werke der Kunst nebst einer Beurtheilung derselben enthalten. Aus den neuesten französischen und englischen Reisebeschreibungen und aus eignen Anmerkungen zusammengetragen, 3 Bde., Leipzig: Caspar Fritsch 1770–71. Vowinckel 1992 Gerhard Vowinckel, Weltklugheit und Bürgertugend. Chesterfield und das bürgerliche Publikum, in: Philip Dormer Stanhope Earl of Chesterfield: Die Kunst zu gefallen. Briefe an den Patensohn. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Gerhard Vowinckel, Mainz 1992. VZ Königlich-privilegirte Berlinische Zeitung von Staats= und gelehrten Sachen, Berlin: Voss. Erben 1785–1911. WA Goethes Werke, hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimarer Ausgabe, 143 Bde. in 4 Abteilungen, München 1987 (Reprint der Ausgabe Weimar 1887–1919). Walch, Philosophisches Lexicon Johann Georg Walch, Philosophisches Lexicon. Darinnen Die in allen Theilen der Philosophie, als Logic, Metaphysic, Physic, Pneumatic, Ethic, natürlichen Theologie und Rechts-Gelehrsamkeit, wie auch Politic fürkommenden Mate-

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rien und Kunst-Wörter erkläret und aus der Historie erläutert; die Streitigkeiten der ältern und neuern Philosophen erzehlet, die dahin gehörigen Bücher und Schrifften angeführet, und alles nach Alphabetischer Ordnung vorgestellet werden, Leipzig: Joh. Friedrich Gleditschens Sohn 1726. Walker, Ideas, suggested on the Spot Adam Walker, Ideas, Suggested on the Spot in a Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy, London: J. Robson and J. Johnson, 1790. Watkins/Shoberl 1816 John Watkins/Frederic Shoberl, A Biographical Dictionary of the Living Authors of Great Britain and Ireland; Comprising Literary Memoirs and Anecdotes of Their Lives; and a Chronological Register of Their Publications, With the Number of Editions Printed; Including Notices of Some Foreign Writers Whose Works Have Been Occasionally Published in England, London 1816. Weissberg 1994 Liliane Weissberg, Erfahrungsseelenkunde als Akkulturation. Philosophie, Wissenschaft und Lebensgeschichte bei Salomon Maimon, in: Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. DFG-Symposium 1992, hrsg. v. Hans-Jürgen Schings, Stuttgart/Weimar 1994, S. 298–328. Willenberg 2008 Jennifer Willenberg, Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts, München 2008. Wingertszahn 1999 Christof Wingertszahn, »zu einer vorläufigen Ankündigung ist es immer genug«. Unbekannte Mitteilungen von Karl Philipp Moritz an seinen Verleger Johann Friedrich Vieweg, in: Berliner Aufklärung. Kulturwissenschaftliche Studien, Bd. 1, hrsg. v. Ursula Goldenbaum u. Alexander Kosˇenina, Hannover 1999, S. 220–230. Winkler 2006 Willi Winkler, Karl Philipp Moritz, Reinbek 2006. Wolff, Gesammelte Werke Christian Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt. Deutsche Schriften. Bd. 2.1 und 2.2: Vernünftige Gedanken (2) (Deutsche Metaphysik), hrsg. v. Charles A. Corr, Hildesheim-Zürich-New York 1997 (Nachdruck der Ausg. Halle 1751). Christian Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt. Deutsche Schriften. Bd. 19: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, hrsg. u. mit einem Vorwort versehen v.

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Benutzungshinweise

Marcel Thomann, Hildesheim-New York 1980 (Nachdruck der Ausg. Halle 1754). Christian Wolff, Gesammelte Werke. II. Abt. Lateinische Schriften. Bd. 3: Psychologia rationalis, hrsg. u. bearb. v. Jean Ecole, Hildesheim/New York 1977 (Nachdruck der Ausg. Frankfurt und Leipzig 1736). Zedler Grosses, vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden Ç. . .È, 64 Bde., Halle und Leipzig 1732–1750. Zeuch 1999 Ulrike Zeuch, ›Kraft‹ als Inbegriff menschlicher Seelentätigkeit in der Anthropologie der Spätaufklärung (Herder und Moritz), in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 43 (1999), S. 99–122.

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Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen Überlieferung 1. Textgrundlage Für die einzelnen Beiträge der Denkwürdigkeiten sind keine Handschriften überliefert. Textgrundlage ist daher der Erstdruck. D Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und

Schönen. Herausgegeben von C. P. Moritz und C. F. Pockels. Berlin, 1788. Bey Johann Friedrich Unger. S. ÇIÈ kartoniertes Umschlagsblatt. S. ÇIIIÈ Titelseite auf Normalpapier: Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet

zur Beförderung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz. Erstes Vierteljahr. Berlin, 1786. Bey Johann Friedrich Unger. S. ÇV–VIIIÈ Vorrede. S. 1–206 Haupttext Erstes Vierteljahr. S. Ç206aÈ Titelseite: Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförde-

rung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz. Zweites Vierteljahr. Berlin, 1786. Bey Johann Friedrich Unger. S. 207–380 Haupttext Zweites Vierteljahr Format: 8° 26 Zeilen pro voller Seite. Vorrede mit größerem Schriftgrad. Druckvorlagen: 1.) Stadtbibliothek Braunschweig, Sig. Zs I 27/965; 2.) Universitätsbibliothek Rostock, Sig. Ab–3398; 3.) Universitätsbibliothek Augsburg, Sig. I.5.8°311–1786, ½.

340

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte 1.1 Äußerer Rahmen der Entstehung Im Zusammenhang mit den Denkwürdigkeiten sind keine handschriftlichen Entwürfe oder Korrespondenzen überliefert, die über Moritz’ Arbeit an seiner Zeitschrift Auskunft geben. Die Darstellung der Entstehungsgeschichte dieser Texte stützt sich v. a. auf die kargen druckgeschichtlichen Daten sowie auf Karl Friedrich Klischnigs (1766–1811) postum veröffentlichte Biographie seines Freundes Moritz. Die Zeitschrift wurde wohl spätestens im Herbst 1785 projektiert. Im Sommer 1785 legte Moritz die Redaktion der Königl. privilegirten Berlinischen Staatsund gelehrten Zeitung (»Vossische Zeitung«) nieder, die er seit September 1784 innegehabt hatte. Er zog sich mit seinem Freund und Schüler Karl Friedrich Klischnig, mit dem er seit 1783 in Berlin zusammenlebte, in ein Gartenhaus in der Neuen Grünstraße in Neukölln zurück. Neben bereits veröffentlichten Beiträgen und Texten, deren Entstehung bis in die Jugend- und Studienzeit von Moritz zurückgeht, bilden u. a. die intensiven gemeinsamen Lektüren, Gespräche und Übersetzungen eine Grundlage der seit Januar 1786 veröffentlichten Zeitschrift Denk-

würdigkeiten.1 Das erste überlieferte Dokument zu den Denkwürdigkeiten stellt die Ankündigung der Zeitschrift durch den Verleger Johann Friedrich Unger (1753–1804) vom Dezember 1785 dar.2 Unger zählte zu den wichtigsten Verlegern der Zeit in

1 2

Vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 99–101 (s. S. 361,3–362,6 in diesem Bd.). Sie erschien in der Zeitschrift Historisches Portefeuille. Auf das Jahr 1785, eilftes Stück; Monat November (unpag.). In der »Vossischen Zeitung« veröffentlichte Unger sie nochmals mit geringfügigen Abweichungen am 20. Dezember 1785 (152. St., unpag.; vgl. S. 362,7–363,10 in diesem Bd.).

Überblickskommentar

341

Berlin; seinen Verlag führte er seit 1780. Wann Moritz ihn kennengelernt hat, ist nicht überliefert; vmtl. datiert seine Bekanntschaft mit Unger aber spätestens seit 1782. Ende 1785 publizierte Moritz den Roman Andreas Hartknopf bei Unger und 1786 ein Vorwort zu dem von Ungers Ehefrau Friederike Helene übersetzten Roman Maria der englischen Autorin Elizabeth Blower. An Periodika erschien in Ungers Verlag zu dieser Zeit das Berlinische Magazin der Wissenschaften und Künste (1782–84), zu dem Moritz zwei Beiträge beisteuerte, und auch die von Moritz’ Bekannten Johann Erich Biester und Friedrich Gedike herausgegebene Berlinische Monatsschrift, in der Moritz in den Jahren 1783–85 fünf Beiträge veröffentlichte, wurde anfänglich von Unger verlegt (nach wenigen Monaten dann im Verlag Haude & Spener), außerdem der zweite Teil der Historischen poli-

tisch-geographisch-statistisch- und militärischen Beyträge die KöniglichPreußische und benachbarten Staaten betreffend (1781–1785) sowie die Militärische Monatsschrift (1785–1787). Moritz’ Verlagswahl für das eigene Zeitschriftenvorhaben war also nicht ungewöhnlich. Möglicherweise trug zur Auswahl des Verlegers auch dessen Versuch bei, 1784 ein Zeitungsprivileg neben den althergebrachten beiden Berliner Zeitungen, der »Vossischen« und der »HaudeSpenerschen«, zu erhalten; die Genehmigung dafür blieb allerdings aus. Jedenfalls wurde Ungers Antrag in einer Zeit abgelehnt,3 als Moritz sich im Vorfeld seiner redaktionellen Tätigkeit für die »Vossische Zeitung« mit dem Ideal einer vollkommnen Zeitung (1784; s. KMA 10) beschäftigte. Die Ankündigung der Zeitschrift Denkwürdigkeiten ist mit Unger unterschrieben, greift aber auf Formulierungen von Moritz zurück. Darauf weisen die Textübereinstimmungen mit Moritz’ Programmschrift Ideal einer vollkommnen Zeitung (KMA 10) und mit seinem Vorwort zu den Denkwürdigkeiten hin. In der Ankündigung des Verlegers ist von mehreren Verfassern des Periodikums die Rede (vgl. S. 362,31–33 in diesem Bd.); diese Angabe läuft ins Leere, denn von einem potentiellen Mitherausgeber aus dem Umkreis von Moritz ist nichts bekannt. Klischnig, dem ein gewisser Anteil an der Zeitschrift zugesprochen werden kann, war bis dahin selbst noch nicht als Autor hervorgetreten. Die Überschneidungen mit dem Ideal zeigen, daß in das Zeitschriftenvorhaben einging, was bei Moritz’ Neukonzeption der »Vossischen Zeitung« gescheitert war. Allerdings waren auch die Denkwürdigkeiten nicht langlebiger als Moritz’ Neufassung der »Vossischen Zeitung«. Das erste Vierteljahr der Zeitschrift von 1786

3

Vgl. Geiger 1895, S. 293.

342

Denkwürdigkeiten

umfaßt die Stücke 1–13, das zweite Vierteljahr die Stücke 14–24. Die Stücke der ersten beiden Quartale sind je wöchentlich zu 16 Seiten erschienen, und zwar jeweils dienstags. Die genauen Erscheinungsdaten ergeben sich aus der am Erscheinungstag veröffentlichten Anzeige der einzelnen Stücke in der »Vossischen Zeitung« bzw. lassen sich – sofern eine Anzeige ausgeblieben ist – aus diesen Angaben errechnen. Das erste Quartal ist demzufolge am Dienstag, den 3. Januar 1786, erschienen (1. St.; s. VZ, 1. St., 3. Januar 1786), den 10. Januar 1786 (2. St.; s. VZ, 4. St., 10. Januar 1786), den 17. Januar 1786 (3. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 24. Januar 1786 (4. St.; s. VZ, 10. St., 24. Januar 1786), den 31. Januar 1786 (5. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 7. Februar 1786 (6. St.; s. VZ, 16. St., 7. Februar 1786), den 14. Februar 1786 (7. St.; s. VZ, 19. St., 14. Februar 1786), den 21. Februar 1786 (8. St.; s. VZ, 22. St., 21. Februar 1786), den 28. Februar 1786 (9. St.; s. VZ, 25. St., 28. Februar 1786), den 7. März 1786 (10. St.; s. VZ, 28. St., 7. März 1786), den 14. März 1786 (11. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 21. März 1786 (12. St.; s. VZ, 34. St., 21. März 1786), den 28. März 1786 (13. St.; nicht in der VZ angekündigt); das zweite Quartal am Dienstag, den 4. April 1786 (14. St.; s. VZ, 40. St., 4. April 1786), den 11. April 1786 (15. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 18. April 1786 (16. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 25. April 1786 (17. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 2. Mai 1786 (18. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 9. Mai 1786 (19. St.; s. VZ, 55. St., 9. Mai 1786), den 16. Mai 1786 (20. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 23. Mai 1786 (21. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 30. Mai 1786 (22. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 6. Juni 1786 (23. St.; nicht in der VZ angekündigt), den 13. Juni 1786 (24. St.; nicht in der VZ angekündigt). Der Preis der Zeitschrift betrug 1 Groschen pro Stück4 bzw. 12 Groschen pro Quartal5 und 2 Reichstaler pro Jahrgang.6 Danach wurde, so der Verlagshinweis in einer Nachricht des zweiten Quartals (23. St., S. 366), die wöchentliche Erscheinungsweise aufgegeben:

Da der Herr Verfasser der Denkwürdigkeiten entschlossen ist, diese wöchentliche Schrift von jezt an in eine Q u a r t a l s c h r i f t zu verwandeln, so zeige ich dieß den Lesern derselben an: Statt daß also die ersten beiden

4

Böning/Siegert 2, S. 447. Heinsius, Allgemeines Bücher-Lexikon, Sp. 1066. 6 Böning/Siegert 2, S. 447. 5

Überblickskommentar

343

Quartale von dieser Schrift wöchentlich Bogenweise herausgekommen sind, wird nunmehro das dritte Quartal derselben zu Michaelis, in einem grünen Umschlag geheftet, a u f e i n m a l erscheinen, und mit der Herausgabe v i e r t e l j ä h r i g fortgefahren werden. Auch werde ich zu einem jeden Heft für ein gutes Titelkupfer sorgen, welches irgend eine merkwürdige Person darstellt, deren Biographie zugleich soll mitgetheilt werden. Auf diese Quartalschrift wird also nicht ferner vorausbezahlt. Unger. Diese angekündigte Quartalschrift hat Moritz nicht mehr ernsthaft in Angriff genommen. Im Meßkatalog der Michaelisbuchmesse 1786 findet sich weder unter der Rubrik Fertig gewordene Schriften in teutscher und lateinischer Sprache, aus allen Fakultäten, Künsten und Wissenschaften noch unter Schriften, welche künftig herauskommen sollen, ein Eintrag.7 Eine Buchausgabe der ersten 18 Stücke der Denkwürdigkeiten von 1786 ist dagegen schon im Katalog der Ostermesse 1786 in der Rubrik Fertig gewordene Schriften in teutscher

und lateinischer Sprache, aus allen Fakultäten, Künsten und Wissenschaften wie folgt angekündigt: Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen, von C. Ph. Moriz. 1.–18. Stück. 8. Berlin, bei J. Fr. Unger.8 Die schon erschienenen 24 Stücke veröffentlichte Unger in Buchform im Lauf des Jahres 1786.9

7

Allgemeines Verzeichniß derer Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger Michaelismesse des 1786 Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert, wieder aufgeleget worden sind, auch inskünftige noch herauskommen sollen, Leip-

8

Allgemeines Verzeichniß derer Bücher, welche in der Frankfurter und Leipziger Ostermesse des 1786 Jahres entweder ganz neu gedruckt, oder sonst verbessert, wieder aufgeleget worden sind, auch inskünftige noch herauskommen sollen, Leip-

zig, bei M. G. Weidmanns Erben und Reich.

9

zig, bei M. G. Weidmanns Erben und Reich, S. 273. Meusel verweist in seinem Schriftstellerlexikon auf eine holländische Ausgabe der Denkwürdigkeiten. Diese Angabe bezieht sich vmtl. auf eine 1789 in Amsterdam erschienene Übersetzung von Moritz’ Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik (1786; vgl. KMA 6, S. 143–231 sowie S. 601), die Einzelstücke der Denkwürdigkeiten enthält: Karel

Philip Moritz, Proeve eener korte beöffenende redeneerkunde voor de jeugd, Amsterdam: M. Schalekamp 1789 (Johann Georg Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 9, Hildesheim 1967 [Repr. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1809], S. 263).

344

Denkwürdigkeiten

Der Abbruch der Zeitschrift ist vmtl. in erster Linie biographisch zu begründen, weniger verlegerisch oder konzeptionell: Klischnig hatte sich am 21. April 1786 an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt an der Oder immatrikuliert, der gemeinsame Gesprächszusammenhang war damit aufgehoben. Moritz brach im Sommer 1786 nach Italien auf. In Braunschweig verhandelte er mit Karl Friedrich Pockels (1757–1814), dem Erzieher der Söhne des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand zu Braunschweig und Lüneburg und seit 1787 als Sekretär des Prinzen August in Northeim tätig, über dessen Beteiligung an der Herausgabe sowohl des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde als auch der Denkwürdigkeiten.10 Zu diesem Zeitpunkt war Moritz schon aus pekuniären Gründen an der Fortsetzung beider Projekte interessiert, allerdings ging seine eigene Produktivität insgesamt in Italien merklich zurück.11 Wiederholt erinnerte Moritz Pockels an die finanziellen Vereinbarungen, eigene Beiträge lieferte er jedoch nicht. An seinen Verleger Joachim Heinrich Campe (1746–1818) schrieb Moritz am 3. Februar 1787 aus Rom:

Herrn Pockels bitte ich von mir zu grüßen. Mein Unfall ist Schuld gewesen, daß ich ihm noch keine Beiträge habe schicken können. Ich hoffe aber doch, daß er auf eben diesen Unfall Rücksicht nehmen, und mir die Hälfte von dem Honorarium für die period. Schriften, daß er nun gewiß erhalten haben muß, so bald wie möglich zuschicken wird.12 An Campe schrieb Moritz am 1. September 1787:

H. Pockels bitte ich zu grüßen, und ihm zu sagen, daß ich ihm diesen Winter zu den Stücken von der Seelenkunde und Denkwürdigkeiten, welche künftige Ostermesse herauskommen, zwar einiges, aber nicht viel werde zuschicken können, und daß ich es daher auch in seinen freien Willen stelle, was er mir vom Honorar für dise Stücke abgeben will, bis ich nach meiner Zurückkunft im künftigen Frühjahr wieder ordentlich werde daran Theil genommen haben.13 Tatsächlich ist Moritz die Beiträge für die von Pockels veranstalteten Denkwürdigkeiten bis zuletzt schuldig geblieben. In seine Polemik gegen Campe,

10

Vgl. die Anzeige von Pockels in der Allgemeinen Literatur-Zeitung (Nr. 208a, 31. Januar 1786); s. auch S. 363 in diesem Bd. 11 Vgl. Eybisch 1909, S. 135 u. 138. 12 KMA 13. Vgl. auch Moritz an Campe, 20. Januar 1787: Wenn Pockels ihm itzt Geld schicken könnte, so würde er zugleich ein Werk der Liebe thun (KMA 13). 13 KMA 13; vgl. Eybisch 1909, S. 218–221 (Nr. 34).

Überblickskommentar

345

Ueber eine Schrift des Herrn Schulrath Campe, und über die Rechte des Schriftstellers und Buchhändlers von 1789, rückte er eine ausführliche Rechtfertigung dafür ein; offensichtlich hatte ihm Pockels nicht einmal die fertiggestellten Exemplare vorgelegt:

Was nun den Mann von Ehre anbetrift, welcher Herrn Campe hundert Thaler für mich auszahlen sollte, und Ç. . .È unter bittern Klagen über meine Unzuverläßigkeit ihm versichert hat, daß er nur fünf und dreißig Thaler und auch diese mehr aus Güte als Verbindlichkeit zahlen könne, weil ich meinem Versprechen zuwider, von dem, wodurch diese Summe erst verdient werden sollte, nicht das mindeste geleistet habe; was diesen Mann von Ehre anbetrift, so ist dies niemand anders als Herr Pokels, der während meiner Abwesenheit die Denkwürdigkeiten und das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde herausgab; welcher, da er doch den Erwerb für diese Journale durch mich hatte, schon aus Menschlichkeit verpflichtet war, mir die Hälfte des Honorars wenigstens für die ersten Stücke der Journale zu bezahlen, wozu ich deswegen keine Beiträge liefern konnte, weil ich mir den Arm zerbrochen hatte, und über zwei Monathe krank lag. Daß ich nachher keine Beiträge lieferte, kam daher, weil mir Herr Pokels kein einzigmal, wie doch abgeredet war, diese Schriften zuschickte, und ich unmöglich an einer Schrift zweckmäßig arbeiten konnte, die ich gar nicht zu Gesichte bekam. Demohngeachtet kamen ihm die Beiträge, die sonst an mich geschickt wurden, zu statten, und er hätte mir wenigstens einen Theil des Honorars, daß er beinahe drei Jahr über gezogen, und welches jährlich über dreihundert Thaler betrug, der Billigkeit nach auszahlen müssen, welches er aber nicht gethan hat, sondern bloß die obigen fünf und dreißig Thaler an Herrn Campe entrichtet, und demohngeachtet den Verleger der Denkwürdigkeiten, immer um das Honorarium gedrängt hat, mit dem ausdrücklichen Zusatz, wie die Briefe des H e r r n P o k e l s b e w e i s e n , w e i l s e i n Ve r h ä l t n i ß m i t m i r i h n d a z u n ö t h i g e .14 Weil Moritz auch seinen Verpflichtungen gegen Campe kaum bzw. nur sehr zögerlich nachgekommen war,15 konnte dieser an Fremdprojekten wie den Denk-

14

Ueber eine Schrift des Herrn Schulrath Campe, und über die Rechte des Schriftstellers und Buchhändlers, Berlin: Friedrich Maurer 1789, S. 12f. (KMA 3). 15 Vgl. Marx/Sauder 1993, S. 77–80.

346

Denkwürdigkeiten

würdigkeiten gar nicht interessiert sein: Ich sollte glauben, es wäre f ü r S i e jetzt wohl sehr rathsam, auf die Mitherausgabe s o l c h e r Journale Verzicht zu thun, und sie dem Pokels allein zu überlassen. Der Ertrag an Ehre und Geld ist doch in der That zu unbedeutend.16 Der zweite Band der Denkwürdigkeiten erschien in den Jahren 1787 (Zweiten Bandes erstes Stück: 146 S.)17 und 1788 (Zweiten Bandes zweites Stück: 192 S.).18 Moritz wurde als Herausgeber geführt, Pockels verantwortete die Bände aber allein.

1.2 Umrisse des Zeitschriftenprojekts Die Funktion periodischer Schriften für die Aufklärung der Gesellschaft hatte Moritz allgemein in seinem Ideal einer vollkommnen Zeitung (1784; KMA 10) benannt. Die Zielsetzungen, die Moritz seit dem 1. September 1784 zunächst seiner redaktionellen Arbeit an der »Vossischen Zeitung« zugrunde gelegt hatte, übertrug er nach dem Scheitern des Zeitungsprojekts auf die Denkwürdigkeiten. Die zentralen Punkte tauchen im Vorwort zur Zeitschrift wieder auf, die damit das Experiment des Ideals einer vollkommnen Zeitung fortsetzt.19 Im Mittelpunkt dieser konzeptionellen Überlegungen steht die aus Literatur und Poetologie übernommene ›Interessantheit‹ der Darstellung in der Tradition Lessings. Weil ÇaÈbstrackte Begriffe Ç. . .È die Seele nicht erwärmen können,20 ist der thematische Fokus nicht auf Ereignisse aus Geschichte und Politik gerichtet, sondern auf individuelle Lebensverhältnisse von allgemeiner Relevanz, auf dasjenige, was die Menschheit interessirt, und damit auf den e i n z e l n e n M e n s c h e n .21 Die behandelten Begebenheiten müssen – insofern sie sich auf Fakta22 beziehen – alltäglich, wahrscheinlich und natürlich sein. Im Mittelpunkt einer auf gesell-

16

Campe an Moritz, am 17. Juni 1788 (KMA 13). Im Katalog der Ostermesse 1787 als erschienen aufgeführt mit dem Hinweis Wird fortgesetzt (Meßkatalog Ostern 1787, S. 533). 18 Im Katalog der Ostermesse 1788 als erschienen aufgeführt (Meßkatalog Ostern 1788, S. 32). 19 Vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 258; Martens 1974, S. 88; Knoche 1999, S. 96, S. 125–140. 20 Ideal, S. 10 (KMA 10); vgl. Lessing, Hamburgische Dramaturgie, 14. St.: Ç. . .È unsere 17

Sympathie erfodert einen einzeln Gegenstand, und ein Staat ist ein viel zu abstrakter Begriff für unsere Empfindungen (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 9, S. 239). 21 22

Ideal, S. 8 (KMA 10). Ebd., S. 11.

Überblickskommentar

347

schaftliche Aufklärung zielenden ›Beobachtung‹ steht die Darstellung ihrer kausalen Zusammenhänge, die nachvollziehbare Analyse der geheimen Triebfedern menschlichen Handelns also, die im Rahmen der Zeitschrift offengelegt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.23 Dem Interesse am Einzelschicksal entspricht dabei die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die unteren gesellschaftlichen Schichten. Wie das Theater sei das publizistische Medium ein ›unbestechliches‹ Tribunal, der Mund, wodurch zu dem Volke gepredigt, und

die Stimme der Wahrheit, so wohl in die Palläste der Großen, als in die Hütten der Niedrigen dringen kann.24 Auch mit den Denkwürdigkeiten möchte Moritz ein Diskussionsforum errichten, auf dem sich Eltern, Erzieher, Menschen die in einer Stadt zusammen, oder entfernt leben Ç. . .È über die angelegentlichsten Dinge besprechen können.25 Wichtig ist dafür, daß alles Vielfache unter irgend e i n e n großen und wichtigen Gesichtspunkt gebracht wird.26 Dieser Gesichtspunkt einer g e h ö rige〈n〉 Würdigung des Denkbaren, in Rücksicht auf die Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s (vgl. S. 9), der die einzelnen Sachverhalte zu beurteilen und auf ein allgemeines Interesse hin zu perspektivieren erlaubt, besteht dem Programm der Denkwürdigkeiten zufolge in der permanenten ›Übung der Denkkraft‹ durch jede Art der ›moralischen‹ (d. h. gesellschaftspolitisch opportunen) Tätigkeit, vgl. z. B. Moritz’ Essay ÇWas

giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ.27 In Konzeption, Anlage, Intention und Durchführung sind die Denkwürdigkeiten den ›Moralischen Wochenschriften‹ der Früh- und Hochaufklärung verpflichtet,28 die Moritz – seinem biographisch inspirierten Roman Anton Reiser zufolge29 – schon als Schüler studiert hatte. Dafür sprechen Merkmale wie die volksaufklärerische Zielsetzung, die eine sowohl verständliche als auch unterhaltsame Darstellung fordert und in der Wahl ihrer Themen dem Aktualitätsgebot der Zeitung

23

Ebd. Ebd., S. 4; vgl. Schillers Schrift Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?: Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Geseze sich endigt (Schiller, NA 20, S. 92). 25 Ideal, S. 6 (KMA 10); vgl. dazu Böning/Siegert 2, S. 448. 26 Ideal, S. 14 (KMA 10). 27 S. 13,6–19,28 in diesem Bd. 28 Vgl. Martens 1968b, Brandes 1999. 29 KMA 1, S. 194,2–3. 24

348

Denkwürdigkeiten

nicht unterworfen ist; dafür spricht die Vielfalt der literarischen Gattungen (moralphilosophische Abhandlungen, Exempelerzählungen, Reisebeschreibungen, Tagebuchfragmente, Nachrufe, Theaterkritiken, Übersetzungen, Dramenfragmente, Gedichte etc.); dafür spricht der Entwurf als Debattenorgan, der eine enge Bindung an den Leser behauptet, dessen (echte oder fingierte) Reaktionen ein wichtiger Bestandteil des Textes sind (hierzu gehören beispielsweise die von einem Freunde mitgeteilten Beiträge Niemand wird leugnen Ç. . .È und Die Unterordnung der Vergnügungen (vgl. S. 101,2–104,31 und S. 112,23–118,3); dafür spricht die regelmäßige (wöchentliche) Erscheinungsform, also die relative Kurzlebigkeit der Zeitschrift, deren epistemologischer Mehrwert in erster Linie darin besteht, daß sich der Genius eines Zeitalters weit mehr in periodischen, als in andern Schriften offenbart;30 und dafür spricht auch das Format (Oktav). Folgerichtig vergleicht eine Rezension der ersten vier Stücke im Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten die in Berlin erscheinenden Denkwürdigkeiten mit dem Londoner Prototyp der Gattung, dem Spectator: Man siehet aus

den ersten Stücken dieser Wochenschrift, welche seit dem Anfange dieses Jahrs zu Berlin bey Unger herauskömmt, daß M ä n n e r daran arbeiten. Und wenn der Ton sich so erhält, so wird Berlin abermals eine Wochenschrift aufzuweisen haben, die dem Englischen Zuschauer an die Seite gesetzt zu werden verdient (vgl. S. 364,10). Daß die Einheit des Einzelstücks aufgegeben und die unterschiedlichen Themenbereiche bzw. Genres durch eigene Überschriften voneinander abgesetzt sind, entspricht der Auflösung der ›Moralischen Wochenschriften‹ in ›unterhaltendbelehrende Magazine‹ seit den 1770er Jahren ebenso wie der Verzicht auf fiktive Herausgeberschaft.31 Als maßgebliche Vorbilder nennt Moritz in seinem Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungsseelenkunde: Georg Christoph Lichtenbergs und Georg Forsters Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur (Göttingen 1780–85), die von Heinrich Christian Boie und Christian Konrad Wilhelm von Dohm herausgegebene Monatsschrift Deutsches Museum (Leipzig 1776–88), Christoph Martin Wielands Zeitschrift Der Teutsche Merkur (Weimar 1773–89), Isaac Iselins, ab 1782 dann Wilhelm Gottlieb Beckers Monatszeitschrift Ephemeriden der Menschheit oder Bibliothek der Sittenlehre und

30

31

J. A. Bergk, Warum liest man periodische Schriften, und wie muß man sie lesen? [1799]; zit. nach Raabe 1974, S. 134. Martens 1968b, S. 91–95, Raabe 1974, S. 106.

Überblickskommentar

349

der Politik (Basel 1776–1778, Leipzig 1780–1784, 1786) sowie das von Johann Friedrich Zöllner herausgegebene Lesebuch für alle Stände. Zur Beförderung edler Grundsätze, ächten Geschmacks und nützlicher Kenntnisse (Berlin 1781–1804).32 Zudem beziehen sich die Beiträge der Denkwürdigkeiten explizit auf die maßgeblichen Periodika der (Berliner) Spätaufklärung, auf die politischen und gelehrten Artikel der »Vossischen Zeitung« von 1785 und 1786, auf die literarischen Rezensionszeitschriften Allgemeine deutsche Bibliothek (1765–1793) und Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (1757–1765) sowie auf die Bibliothek der Romane und die Kleine Kinderbibliothek (vgl. S. 93,11–13) . Gemeinsam ist all diesen Organen in Programm und Umsetzung eine anthropozentrische Ausrichtung. In der Vorrede zur von Friedrich Gedike und Johann Erich Biester herausgegebenen Berlinischen Monatsschrift, dem maßgeblichen publizistischen Forum der Berliner Spätaufklärung, heißt es etwa zu den erwünschten Beiträgen: Beobachtungen über alles, was den Menschen betrift.33 Ermöglicht wurden diese publizistischen Beobachtungen durch die liberale Debattenkultur im friderizianischen Berlin. Das ›aufgeklärte‹ Staatsoberhaupt (Friedrich II.) billigte das öffentliche Räsonnement ausdrücklich, solange die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung unangetastet blieb – in der Version Kants: (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: r ä s o n n i r t , so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; a b e r g e h o r c h t ! ).34 Die ›periodische Sittenschrift‹ Denkwürdigkeiten35 orientiert sich an den zentralen spätaufklärerischen Diskursen und Themenstellungen aus den Bereichen ›Literatur-, Theater- und Kunstkritik‹, ›Wissenschaften und Erfindungen‹, ›Pädagogik‹ oder ›Justiz‹ (im Sinne einer Geschichte des Verbrechens). Dazu gehören zum einen Beiträge zu konkreten Ereignissen, die zeitgleich auch in anderen Organen wie etwa der »Vossischen Zeitung« verhandelt wurden, z. B. die Besprechung von Theateraufführungen (vgl. S. 129,2–132,28), die durch Reformen Katharinas der Großen inspirierten Überlegungen zur Titulatur (vgl. S. 134,25–136,6), die Beiträge zu Geburtstag und Tod Friedrichs II. (vgl. S. 45,1–46,2), der Nachruf

32

In: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503, hier S. 490 (KMA 12). 1. Bd., 1. St., Berlin 1783, S. ÇIIÈ. 34 [Immanuel] Kant, Beantwortung der Frage: Wa s i s t A u f k l ä r u n g ? , in: Berlinische Monatsschrift, Dezember 1784, 12. St., S. 481–494, hier S. 484. 35 Vgl. Kirchner, S. 283, Nr. 5129. 33

350

Denkwürdigkeiten

auf Holzendorf (vgl. S. 46,4–50,11), die exemplarische Qualität der Menschenfreundlichkeit Leopolds von Braunschweig (vgl. S. 136,7–138,8), der Beitrag zu Mendelssohn im Zusammenhang mit dem nach dessen Tod fortgesetzten Streit um Lessings Verhältnis zum Spinozismus (vgl. S. 20,2–24,22). Dazu gehören zum anderen die Frage nach der Stellung des Menschen in der Schöpfungsgeschichte und Weltordnung,36 die Auseinandersetzung mit den Problemen der Schwärmerei, des Vorurteils und des Aberglaubens37 oder etwa die Konzeption des seiner selbst bewußten Individuums, dessen neue Autonomie sich den Genielehren des Sturm und Drang verdankt.38 An die Stelle frühaufklärerischer Gewißheiten tritt eine keinesfalls widerspruchsfreie Skepsis, die sich radikal materialistischen Positionen (Julien Offray de La Mettrie, Paul-Henri Thiry d’Holbach, Claude Adrien Helve´tius) annähert, ohne diese endgültig zu adaptieren. Sobald die Grenzen natürlicher oder vernünftiger Erklärbarkeit von Sachverhalten erreicht sind, muß die Behauptung das Argument ersetzen, so z. B. in der kurzen Skizze Warum? und wozu?: Wenn nicht Ordnung, Plan, Zweck, in diesem Weltall ist, so hört mein Denken auf (S. 98,23–99,24, hier S. 98,24f.). Da aber, wie der Text weiter ausführt, das Ganze letztlich nur existiert, u m g e d a c h t z u w e r d e n (ebd., S. 99,20f.) , wird somit auch die Prämisse einer sinnvollen Einrichtung der Welt an sich bestätigt. Die Beweisführung läuft in einen Zirkelschluß aus. Allerdings beziehen sich die Denkwürdigkeiten in der Hauptsache gerade nicht auf die französisch-materialistische Spielart der Aufklärung; vielmehr stehen sie in der Tradition der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie der Frühaufklärung und spiegeln deren Rezeption im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts. Mit Johann Christoph Gottsched, Gotthold Ephraim Lessing oder Moses Mendelssohn beschäftigte sich Moritz schon während seiner Gymnasialzeit,39 und auch die Beiträge in den Denkwürdigkeiten referieren wiederholt explizit auf diese und andere Autoren des Zeitalters der Aufklärung in Deutschland: maßgeblich auf Gottsched und Moses Mendelssohn (u. a. auf Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele, 1767; auf die Übersetzung Die Psalmen, 1783; auf Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum, 1783; und auf Morgenstunden oder Vorle-

36

Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt; vgl. S. 86,4–87,30.

37

Die Bücherwelt; vgl. S. 26,1–27,22. 38 An die künftigen Zeiten; vgl. S. 27,23–28,20. 39

Meier 2000, S. 22.

Überblickskommentar

351

sungen über das Daseyn Gottes, 1785), auf Johann Georg Sulzer und Johann August Eberhard (auf dessen Allgemeine Theorie des Denkens und Empfindens, 1776) sowie auf Johann Gottfried Herder (u. a. auf die Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; auf die Älteste Urkunde des Menschengeschlechts, 1774–76; und auf die Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1784–1791). Moritz gewinnt hier Einsichten, die sein Denken von religiös (genauer: quietistisch) begründeten Ängsten befreiten und seinen Blick auf die gemeinschaftliche Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Diesseits richteten. Gemäß dem optimistischen Konzept der deutschen Aufklärung hielt auch er die publizistische Arbeit an der allgemeinen Glückseligkeit für ein grundsätzlich machbares Projekt, in dessen Fokus der Mensch sowohl als Gattungswesen als auch als einzelner sowie ›ganzer‹ (als geistig-seelische wie körperlich-sinnliche Entität) rückt. Bei diesem Ansatz macht sich zudem der Einfluß der englischen Moralphilosophie geltend, deren Neuausrichtung an der auf ›sinnliche Beobachtung‹ angewiesenen »Kategorie der ›Erfahrung‹«40 für die spätaufklärerische Aufwertung der Sinnlichkeit gegenüber einer einseitigen Fixierung auf die ratio bestimmend wird.41 Wichtige Referenzautoren für die Denkwürdigkeiten sind u. a. Alexander Pope, Shaftesbury und Francis Hutcheson. Von der Anthropologie des ›ganzen Menschen‹ motiviert ist auch Moritz’ von seinen Zeitgenossen viel beachteter Nachruf auf Mendelssohn in insgesamt vier Stücken der Denkwürdigkeiten.42 Der Text bezieht sich auf die im Rahmen der Berliner Spinozismusdebatte von 1786 publizierten Stellungnahmen, u. a. auf Johann Jakob Engels Vorwort zu Moses Mendelssohn an die Freunde Lessings. Ein Anhang zu Herrn Jacobi Briefwechsel über die Lehre des Spinoza (Berlin 1786). Moritz zufolge holte sich Mendelssohn über Jacobis Behauptung, Lessing sei gegen Ende seines Lebens ein Spinozist und damit nach herkömmlicher Meinung der Zeit ein Atheist gewesen, buchstäblich den Tod; Jacobi wäre danach für Mendelssohns Tod im Januar 1786 verantwortlich. Mit dieser Anschuldigung machte sich Moritz zwar keine Freunde – selbst die Mitglieder der Berliner Partei zogen sich daraufhin von ihm zurück. Allerdings wird an der von Moritz ausgelösten Debatte der symptomatische Stellenwert von Identifikationsfiguren wie Mendelssohn oder Lessing für die Berliner Spätaufklärung deutlich, die sich im Streit um die Deutungshoheit über

40

Grimminger 1984, S. 49. Vgl. dazu Kondylis 1986. 42 In: DW 1786 I, 2. St., S. 17–24; 4. St., S. 49–53; 7. St., S. 97–101; 9. St., S. 129–133. 41

352

Denkwürdigkeiten

Mendelssohns oder Lessings Weltanschauung als Gruppierung allererst profilierte und sich dabei genauer über sich selbst verständigte.43 Mehr noch als die Kinderlogik (1786; KMA 6, S. 143–231), die eine pädagogische Perspektivierung vornimmt, geben die Denkwürdigkeiten den Stand von Moritz’ voritalienischer »Ideenwelt«44 in nuce wieder. Gemeint sind damit die Überlegungen zu Fragen der Anthropologie, Moralphilosophie, Ästhetik, Poetik, Poesie, Pädagogik oder Gesellschaftstheorie. Im Bereich der Pädagogik ist die Zeitschrift etwa den Zielen der zeitgenössischen Reformpädagogik verpflichtet, die Moritz 1778 bei einem Aufenthalt an Johann Bernhard Basedows ›Philanthropin‹ in Dessau genauer kennenlernte. Zu den grundlegenden Merkmalen dieses auf einem positiven Menschenbild beruhenden pädagogischen Konzepts gehörte eine kindgerechte Wissensvermittlung, die das sture Auswendiglernen ablehnte und durch einen spielerischen Umgang mit den Lerninhalten ersetzte; auch Spaziergänge in der Natur oder handwerkliche Tätigkeiten waren Teil des Ausbildungsprogramms. Entsprechend bezieht sich Moritz in den Denkwürdigkeiten explizit etwa auf Jean-Jacques Rousseaus 1762 erschienenen Erziehungsroman E´mile ou De l’e´ducation, der für die genannten Konzepte vorbildhaft ist, oder auch auf die von Joachim Heinrich Campe herausgegebene Allgemeine Revision

des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher (1785–1792), der Moritz selbst assoziiert war. Im ›schöngeistigen‹ Bereich spiegeln die Denkwürdigkeiten das literarische Leben ihrer Zeit wider, in das sie zugleich einen umfassenden Einblick geben. In Fragen von Lyrik und Lyriktheorie beziehen sie sich dabei v. a. auf Autoren der ›Empfindsamkeit‹ wie Friedrich von Hagedorn und Friedrich Gottlieb Klopstock; in Fragen des Dramas, des Theaters und der Dramaturgie gehören Gotthold Ephraim Lessing (genauer dessen Hamburgische Dramaturgie, 1767–1769; sowie Minna von Barnhelm, 1767; Emilia Galotti, 1772; Nathan der Weise, 1779) und Friedrich Schiller (Ueber das gegenwärtige teutsche Theater, 1782; Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?, 1784; Die Räuber, 1781) zu den maßgeblichen Referenzautoren. Aber auch die empfindsamen ›Familiengemälde‹ und Rührstücke zeitgenössischer Erfolgsautoren wie Johann Anton Leisewitz (Julius von Tarent, 1776), Johann Jakob Engel (Der Edelknabe, 1774; Der dankbare Sohn, 1771), Gustav Friedrich Wilhelm Großmann

43 44

Vgl. dazu Stockinger 2011. Saine 1971, S. 40.

Überblickskommentar

353

(Nicht mehr als sechs Schüsseln, 1780), August Wilhelm Iffland (Die Jäger, 1785; Verbrechen aus Ehrsucht, 1784), Friedrich Aloysius Reichsgraf von Brühl (Der Bürgermeister, 1786) oder Friedrich Ulrich Ludwig Schröder (Der Ring, 1786) spielen eine Rolle. Explizit beziehen sich die Denkwürdigkeiten außerdem auf George Colmans d. Ä. Texte (The English Merchant oder Puf van Vlieten) und auf William Shakespeare (u. a. Henry IV, The Merry Wives of Windsor, As You Like It, Macbeth, King Lear, Hamlet). Genannt werden zudem – um einen Eindruck von der Bandbreite der Bezüge zu geben –: Richard Brinsley Sheridans Prosakomödie The School for Scandal (1777), Beaumarchais’ Lustspiel La folle journe´e ou Le mariage de Figaro (1785), Ludvig Holbergs Der politische Kannengießer (1723), sein Lustspiel Der Elfte Junius, sein komisches Epos Peder Paars (1719/20) und seine Staatsutopie Nicolai Klims Unterirdische Reise (1741), Jonathan Swifts utopisch-satirischer Reiseroman Gullivers Reisen (1726), Oliver Goldsmiths The Vicar of Wakefield (1766), Johann Timotheus Hermes’ Sophiens Reise von Memel nach Sachsen (1769–1773), John Miltons Paradise lost (1667/1674), Karl Wilhelm Ramlers Kantate Der Tod Jesu (1756), Christoph Martin Wielands Verserzählung Musarion (1768) sowie Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) und dessen 1785 erstmals veröffentlichte Prometheus-Hymne. Bei allen in den Beiträgen der Denkwürdigkeiten behandelten Themen ergibt sich die eigentliche, v. a. epistemologische Qualität der Zeitschrift aus dem ihrer Anlage eigenen Verfahren der Wiederholung und Variation einer Fragestellung in unterschiedlichen Darstellungsformen. Die Problembereiche werden so, entsprechend der programmatischen Forderung der Zeitschrift nach Multiperspektivität, von verschiedenen Seiten aus beleuchtet. Eine (notwendig vereinseitigende) Festlegung würde der zugrundgelegten Auffassung von ›Wahrheit‹ als einer regulativen Idee widersprechen.45 Auf diese Weise korrespondiert das Verfahren dem erkenntnisleitenden Interesse an einer Erziehung zum ›Selbstdenken‹. Ausgehend von der Überzeugung, ›Wahrheit‹ oder ›Erkenntnis‹ sei nicht lehrbar, vollzieht sich die stets propagierte ›Übung der Denkkraft‹46 bereits in der Lektüre des Textes, dessen Lehrinhalte dadurch unmittelbar bestätigt werden. Der Leser setzt sich dem Ideenspiel47 der Beiträge aus und führt es selbst durch. Beispielsweise wird 45

Vgl. z. B. Lessing, Eine Duplik, in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 13, S. 21–90; v. a. S. 23f. Z. B. S. 121,18–124,35: Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns. 47 Vgl. Das Eisen, S. 41,23–43,27 in diesem Bd. 46

354

Denkwürdigkeiten

die Theodizee-Frage, also die Frage nach einer Rechtfertigung Gottes bzw. seiner wohlgeordneten Schöpfung vor dem in der Welt vorhandenen Bösen, unterschiedlich verhandelt und gelöst: Die Macht des Unglücks etwa lehnt es ab, Krankheit oder Armut als leidvolle Lebensumstände zu akzeptieren (vgl. S. 44,1–29); vielmehr immunisiere die Ruhe des denkenden und ganz auf sich verwiesenen Weisen gegen jede Art äußerlichen Mißstands.48 Dagegen setzt Das menschliche Elend (S. 56,14–61,13) nicht auf resignative Ergebung in die besten aller möglichen Verhältnisse, sondern auf die Tatkraft des Menschen, der damit die Option erhält, das Bestehende zu verändern. Den thematischen Fokus der beiden Quartale bildet die Forderung nach der ›Vervollkommnung des Menschengeschlechts‹; dabei gelten die menschlichen Defizite in Wahrnehmungs-, Urteils- und Denkfähigkeit als Voraussetzung von Perfektibilität. Aus diesem Gesichtspunkt leiten sich die hauptsächlich in den ersten vier Stücken entwickelten grundlegenden Fragestellungen der Zeitschrift her (vgl. Vorwort, S. 9,1–5: Der Verfasser hat in den ersten Stücken dieser Denkwürdig-

keiten nur vorzüglich den Gesichtspunkt festzusetzen gesucht, worauf inskünftige bei dieser Schrift hingearbeitet werden soll; dieser ist: d i e g e hörige Würdigung des Denkbaren, in Rücksicht auf die Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s ). Im einzelnen: – die anthropozentrische Anlage (Alexander Pope), deren geschichtsphilosophische Ausrichtung die Aufwertung des Individuums zugunsten der Unsterblichkeit der Gattung ›Mensch‹ betreibt (Johann Gottfried Herder) und aus dieser Perspektive zudem das zentrale Problem der Theodizee löst (Gottfried Wilhelm Leibniz), indem mit allen Gegebenheiten auch das menschliche Leid funktional auf die universale Ausbildung der menschlichen Ratio zugeordnet wird (z. B. Das menschliche Elend, S. 56,14–61,13); – das Verhältnis von Körper und Geist, das ein den zeitgenössischen Überlegungen zum psychophysischen Parallelismus folgendes, grundsätzlich monistisches Konzept zugunsten einer ›Rehabilitation des Verstandes‹ auslegt (z. B. Vorwort, ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ, S. 13,6–19,28); – die Kritik an der zeitgenössischen Wissenskultur (Lesewut-Problematik), die eine Neuordnung der unüberschaubar angewachsenen und noch anwachsenden Kenntnisse im Sinne der Selektion und Qualifikation erforderlich macht

48

Vgl. auch Ueber die Leiden des Lebens, S. 219,9–223,13 in diesem Bd.

Überblickskommentar

355

(Almansor, Das Buch, Die Bücherwelt, Die Bibliotheken; S. 11,2–13,5, S. 24,24–25,34, S. 26,1–27,22 u. S. 92,4–94,19) – Ordnung stiftet beispielsweise die Analogsetzung von physikalischer und moralischer Welt bzw. die Angleichung des ›moralischen‹ Chaos an die ›physikalische‹ Harmonie (z. B. ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ, S. 28,22–36,19); – die Frage nach dem Verhältnis von Kunst/Kultur und Natur, die Fragen sowohl nach dem menschlichen Bildungsvermögen, nach der menschlichen Willensfreiheit und nach dem Verhältnis von Zufall und Notwendigkeit als auch nach dem zugrunde gelegten Gottesbild aufwirft (z. B. ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ, S. 13,6–19,28, ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ, S. 28,22–36,19, Das Eisen. Ein Ideenspiel, S. 41,23–43,27). Diese Themenkomplexe legen eine grundsätzlich gesellschaftskritische Tendenz der Zeitschrift nahe, die sich zum einen gegen die ›Ökonomisierung‹ der Lebensverhältnisse im allgemeinen richtet, indem sie die eigene Gegenwart als ›kameralistisches Zeitalter‹ kritisiert. Zum anderen bekämpft sie v. a. die Auswüchse einer ›Zweiklassen‹-Gesellschaft, deren dichotomische Struktur der Anthropologie des ganzen Menschen widerspricht. Grundsätzlich werden gesellschaftliche Mißstände angeprangert, die einer gerechten Verteilung und damit dem aufklärerischen Ideal einer Beförderung ›allgemeiner Glückseligkeit‹ im Wege stehen (ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ, Die Pädagogen, Das Kriegsheer, Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft).49 An dieser Grundausrichtung auf das ›ut bonum publicum promovet‹ ist auch die didaktische Anlage der Stücke orientiert: Wie in den frühen pädagogischen Schriften setzt die Alltäglichkeit der gewählten Beispiele auf Anschaulichkeit in der Darstellung. Das gilt v. a. für diejenigen Teile der Zeitschrift, die sich hauptsächlich pädagogischen Themen widmen (z. B. Die Pädagogen). Zentrale Forderung ist dabei die Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte auf das gemeinsame Ziel einer allgemeinen Aufklärung (die Verbesserung der Verstandesfähigkeiten soll eine Verbesserung der Verhältnisse herbeiführen, z. B. Das Kriegsheer, Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft). Das erste Quartal entwickelt eine anthropologisch-moralphilosophische Programmatik, deren leitende Erklärungsmuster und Darstellungsformen neben den Ausführungen zum Begriff des in sich selbst Vollendeten (1785) die nachitalie-

49

Vgl. S. 28,22–33,22, 33,23–36,19, 73,18–74,13 u. 80,1–83,16.

356

Denkwürdigkeiten

nische Ästhetik Karl Philipp Moritz’ (vgl. Ueber die bildende Nachahmung des Schönen; KMA 3) vorbereiten. Hierzu gehören die Überlegungen zur Fortsetzung und Vollendung der Schöpfung bzw. der Natur durch den Einzelmenschen im Gattungszusammenhang oder die Aufwertung des Individuums zu einem ›in sich selbst vollendeten Ganzen‹ (z. B. ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ, S. 13,6–19,28); die Absage an eine bloß nützliche, einem Sachverhalt oder Interesse selbst äußerliche Zwecksetzung (Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland, S. 68,6–73,17) oder die Aufwertung des Edlen und Schönen (Titelgebung der Denkwürdigkeiten, Vorwort); die Kritik und Aufhebung einer Zweiklassengesellschaft in der intellektualen Annäherung der Stände (ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ, S. 28,22–36,19) oder das assoziative, mehrstimmige Verfahren der Texte, das die Vielgestalt der Formen und die Heterogenität der Positionen als Ideenspiel rechtfertigt (z. B. Das Eisen, S. 41,23–43,27). Im zweiten Quartal wird dieses Programm fortgesetzt. Verstärkt verfolgen die Beiträge jetzt in fingierten oder echten Fallbeispielen wie Aus K. . .s Papieren (S. 146,14–149,24), Ersatz für das Schrecklichste (S. 153,1–154,24), F. . .s Geschichte (S. 203,10–206,34) oder in Passagen aus Ciceros Tusculanae disputationes (Von den Krankheiten der Seele, Von der Heilkunde der Seele; S. 166,1–168,14 u. 189,3–190,18), die auch in das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde eingerückt sind – eine erfahrungsseelenkundliche Absicht, die das erste Quartal bereits in der Behandlung der Taubstummenproblematik (Zeichen und

Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns; S. 121,18–124,35) angedeutet hatte. 1.3 Zur Entstehung der einzelnen Beiträge Um das erste und zweite Quartal 1786 seiner neuen Zeitschrift zu füllen, hat Moritz offenbar auf schon vorhandene oder gerade in anderem Kontext entstandene eigene Beiträge zurückgegriffen. Der Beitrag Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum (S. 216,16–219,8) geht einem paratextuellen Hinweis zufolge (Untertitel) auf das Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783 zurück. Für die dramatischen Skizzen Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto (S. 40,9–41,22) und Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto (S. 61,14–64,5) ist eine Entstehung um 1780 wahrscheinlich, das Predigt-Fragment Ueber die Leiden des Lebens (S. 219,9–223,11) ist zwischen 1780 und 1784 entstanden (vgl. Einzelstel-

Überblickskommentar

357

lenkommentar). Der Erstabdruck von Die Pädagogen (S. 33,23–36,19) erfolgte in der »Vossischen Zeitung«, 3. St., 6. Januar 1785, S. 2f. Mehrere Beiträge finden sich parallel auch in der auf 1786 datierten Kinderlogik. Während aber die Kinderlogik im Katalog der Michaelismesse 1785, S. 233 (unter der Rubrik Schriften, welche künftig herauskommen sollen), angekündigt ist, sind die Denkwürdigkeiten dort noch nicht eingetragen. Zudem ist auffällig, daß in den Parallelbeiträgen der Zeitschrift der Hinweis auf Daniel Nikolaus Chodowieckis (1726–1801) Kupfertafeln eliminiert ist, zu denen die Texte der Kinderlogik ursprünglich verfaßt worden waren.50 Daraus ergibt sich, daß die Kinderlogik vor den Denkwürdigkeiten entstanden ist; auch ist nicht auszuschließen, daß sie bereits zur Michaelismesse im September 1785 auf den Markt kam.51 Folgende Beiträge der Denkwürdigkeiten sind demnach bereits 1785 veröffentlicht worden: – Das Buch (KL, S. 37–43, in den DW stark gekürzt), – Die Schöpfung der Götterwelt (KL, S. 82f.), – Das Eisen. Ein Ideenspiel (KL, S. 57–60), – Das Skelet (KL, S. 102–109), – Das Kriegsheer (KL, S. 136f.), – Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft (KL, S. 134, 135f., 138–143), – Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur (KL, S. 152–156). Insgesamt sind nur fünf in den ersten beiden Vierteljahren der Denkwürdigkeiten enthaltene Texte mit einem Autornamen bzw. einer Autorsigle versehen (inklusive der mit M. unterschriebenen Vorrede). In die Zeitschrift hat Moritz nur wenige Beiträge anderer Autoren aufgenommen. Zur Verfasserfrage heißt es in Klischnigs Erinnerungen: Die v i e r u n d z w a n z i g ersten Stücke sind, einige Kleinigkeiten von mir abgerechnet, ganz von Reisern.52 Das Fragment Aus einem Reisejournal (S. 144,1–146,12) überliefert den Beginn und die ersten Stationen der Deutschlandreise von Moritz und Klischnig im Juni 1785. Nicht (zumindest nicht explizit) von Moritz und/oder Klischnig stammen folgende Beiträge: Kurze Lebensbeschreibung, des [. . .] von Holzendorf (S. 47,3–50,11;

50

KL, Vorrede (KMA 6, S. 144); Klischnig, Erinnerungen, S. 259f.; vgl. z. B. den Hinweis auf die Illustration mit dem Buch des Horaz für den Beitrag Das Buch S. 25,24–26 (und Erl.). 51 Saine 1971, S. 15f.; Klischnig, Erinnerungen, S. 259. 52 Klischnig, Erinnerungen, S. 258f.

358

Denkwürdigkeiten

Verfasser ist ein Officier), Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und

Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden und Die Unterordnung der Vergnügungen (S. 101,2–104,31 u. 112,23–118,3; mitgeteilt von einem Freunde), Edle Herablassung eines Fürstensohns (S. 136,7–138,8; unterzeichnet S. . .tz), Ersatz für das Schrecklichste (S. 153,1–154,24; unterzeichnet V. G.). Fingierte Verfasserschaften sind in den meisten Fällen allerdings nicht auszuschließen (so bei S. . .tz); V. G. verweist auf die Vorlage des Textes, auf Rijklof Michael van Goens’ Auszug aus einem Briefe Ç,È Haag den 15. December 1785 im vierten Band des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde (MzE IV.2 1786, S. 87–96; vgl. KMA 12). Die Gegenstände unsers Nachdenkens,53 der gemeinsamen Studien von Moritz und Klischnig also, entsprechen den zentralen Themen der Zeitschrift:

Leben und Wirksamkeit – Glück und Unglück – Schön und Edel – Daseyn – Vernichtung – Fortdauer – Resignation, das höchste Ziel der Philosophie. Klischnigs zumindest implizite Teilhabe an den meisten Beiträgen ist damit hoch zu veranschlagen, zumal auch ein Großteil der Übersetzungen in der zweiten Hälfte des Jahres 1785 entstanden ist – sei es als Gemeinschaftsproduktion (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt; S. 163,2–165,26), sei es als eigenständige Leistung Moritz’, die für die Beiträge aus Ciceros De divinatione und den Tusculanae disputationes sowie aus Franc¸ois de Rossets Histoires Tragiques angenommen werden muß (Volks-Aberglauben; Von den Krankheiten der Seele/Von der Heilkunde der Seele; Jean Vaumorin und sein Sohn; S. 133,1–134,24, 166,1–168,14, 189,3–190,18 u. 74,15–79,26). Daneben ist Klischnig die alleinige Verfasserschaft an den in der Sammlung Blumen und Blüthen abgedruckten Gedichten zuzusprechen (An die künftigen Zeiten, Am 24sten Januar, Morgenphantasie, Nach Hanns Sachs, 〈So sinke denn unter〉), zumindest legt die Aufnahme der Gedichte in diese Sammlung Klischnigs Verfasserschaft nahe; vgl. dazu Ein Paar Worte zur Vorrede:

Einige dieser Kleinigkeiten haben schon in verschiednen Zeitschriften und Musenallmanachen eine Aufnahme gefunden. Da mehrere derselben ohne meinen Namen an’s Licht getreten sind, so hielt ich es, ohne eben sehr großen Werth darauf zu setzen, für rathsam, sie in diese Sammlung aufzunehmen. Sie mögen denn ihr Weilchen auf der ungeheuren Bücherfluth

53

Klischnig, Erinnerungen, S. 100.

Überblickskommentar

359

mit fortschwimmen, bis der Strom der Zeit auch sie in seinen Strudel begräbt. Mein Freund, der Hofrath M o r i t z , der, vielleicht von Freundschaft bestochen, auf diese Kleinigkeiten mehr Werth setzte, als sie meiner Ueberzeugung nach haben, wollte sie mit einer Vorrede vom d e u t s c h e n S y l b e n m a a ß begleiten, und bei dieser Gelegenheit noch manches zu ihrem Besten sagen, ward aber durch den Tod daran verhindert. Ich muß sie also ihrem Schicksale überlassen!54

2. Rezeptionsgeschichte Von einer Wirkungsgeschichte im eigentlichen Sinn läßt sich bei der bereits 1794 leider fast schon vergeßnen Zeitschrift55 nicht sprechen. Daß man sich des Organs nicht mehr erinnerte, nutzte Moritz zur Wiederaufnahme einiger Stücke in seine Sammlung Die große Loge (vgl. KMA 6, S. 287–410); Klischnig ergänzte diese Reihe in seinen Launen und Phantasien. Die unmittelbare Rezeption erfolgte in Rezensionen, die das Erscheinen einzelner Stücke oder der Teilbände insgesamt recht wohlwollend begleiteten. Dabei hoben sie nahezu einhellig die Beiträge zu Mendelssohn und Holzendorf hervor und beschränkten sich ansonsten auf Hinweise zur Zielsetzung und auf Paraphrasen des Inhalts. Ausdrücklich bemerkt wurde zudem die Anekdote über Jean Vaumorin56 sowie der correcte,57 wenngleich bisweilen allzu ›kostbare‹ und ›übertriebene‹ sprachliche Ausdruck.58 Kaum Gefallen fanden Moritz’ ›resignative‹ Philosophie, deren Allgemeinheit ein Unglück für das menschliche Geschlecht seyn würde und die man hauptsächlich auf die unstete Natur des Verfassers zurückführte,59 und auch die Gedichte 54 55

Klischnig, Blumen und Blüthen, S. ÇVIIÈf. Klischnig, Erinnerungen, S. 30, Anm.

56

Anton Friedrich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften, 10. April

57

Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 192, 12. August 1786, Sp. 296 (vgl. S. 366,18 in diesem

58

Gothaische gelehrte Zeitungen, Jahrgang 1786. II. Band. Beilage zum 52. Stück, 1. Juli 1786,

59

Anton Friedrich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten Ç. . .È, 2. Oktober 1786, S. 320 (vgl. S. 368 in diesem Bd.).

1786 (S. 367 in diesem Bd.). Bd.). S. 440 (vgl. S. 366f. in diesem Bd.).

360

Denkwürdigkeiten

stießen auf wenig positive Resonanz. Die an Rousseaus pädagogische Überlegungen angelehnte Forderung nach einer ganzheitlichen Ausbildung des Kindes wurde als einigermaßen naiv beurteilt.60 Die Rezensionen zur von Pockels weitergeführten Zeitschrift halten sich mit Wertungen noch stärker zurück; zumeist beschränken sie sich auf inhaltliche Paraphrasen einzelner Beiträge. Rezensionen des von Pockels verantworteten zweiten Bandes (erstes Stück) erschienen in: Allgemeine deutsche Bibliothek 82 (1788), 1. St., S. 620; (Neue) Leipziger Gelehrte Zeitungen, Jahrgang 1787, 2. Quartal, S. 675–677 (43. St., den 12. April, 1787); Nürnbergische gelehrte Zeitung, Jahrgang 1787, S. 181–183; des zweiten Bandes (zweites Stück) in Allgemeine deutsche Bibliothek 88 (1789), 2. St., S. 265f. (als Verfasser wird hier genannt: Herr P.).

60

Allgemeine deutsche Bibliothek 76 (1787), 1. St., S. 139f. (vgl. S. 368–372, hier S. 372).

361

Dokumente 1. Zur Entstehung 1.1 Klischnig, Erinnerungen, S. 99–101

Kurz vorher ehe Reiser Professor wurde, war ich mit ihm zusammen gezogen und dies Beieinanderwohnen dauerte so lange bis ich im Jahre 1786 auf die Universität gieng, also beinah drei Jahr. Während dieser Zeit waren wir unzertrennlich. Arbeiten und Vergnügen theilten wir mit einander. Alles war uns gemeinschaftlich. So lange er die Zeitung schrieb, wohnten wir in der Stadt, dann aber zogen wir in einen Garten, um die Natur besser zu genießen. In dem Gartenhause des Matthieuschen Garten verflossen uns die seeligsten Stunden des Lebens in den freundschaftlichen Ergießungen unsrer in so vielen Punkten gleichdenkenden Seelen. Hier lasen wir H o m e r , H o r a z , O s s i a n , S h a k e s p e a r und M i l t o n – hier studierten wir Philosophie und vertieften uns oft so sehr in unsren Spekulationen, daß wir Alles um uns her vergaßen. Manche schöne mondhelle Sommernacht brachten wir im Garten zu, spatzierengehend oder im hohen Grase am Ufer des kleinen Flüßchens gelagert, das denselben begränzte. Leben und Wirksamkeit – Glück und Unglück – Schön und Edel – Daseyn – Vernichtung – Fortdauer – Resignation, das höchste Ziel der Philosophie – dies waren die Gegenstände unsers Nachdenkens. Ganz darinn versunken, überraschte uns oft der Morgen und nur der feuchte Thau trieb uns in unser Zimmer. Bei der I l i a d e und O d y s s e e war ich Führer. Meine Kenntniß der griechischen Sprache war zwar nur gering, aber doch größer als Reisers, der anfänglich fast keinen Vers ohne lateinische Version verstand. Im Englischen aber war ich sein Schüler und verdanke dieser Periode alles was ich davon weiß. K u r s o r i s c h lasen wir nach und nach die besten

100

362

101

Denkwürdigkeiten

Schriftsteller der Britten, A d d i s o n , P o p e , Yo u n g , M i l t o n , D r y d e n u. a. S h a k e s p e a r der Menschenkenner war unser Liebling. Mit dem O s s i a n hatten wir angefangen. Von den Römischen Klassikern blieb uns H o r a z der Erste. Eine jedesmalige neue Lesung desselben gewährte uns den schwelgerischen Genuß vorher noch nie bemerkter Schönheiten. 1.2 Verlagsankündigung, in: Königl. privilegirte Berlinische Staats- und gelehrte Zeitung, 152. St., 20. Dezember 1785, unpag.

Ankündigung. In meinem Verlage wird mit dem Anfange des Jahres 1786 eine Zeitschrift unter dem Titel: Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen erscheinen. Die Materien sollen in den einzelnen Blättern unter folgende Rubriken geordnet werden: Edle Beispiele; öffentliche und Privaterziehung; schöne Künste; Theater; Kenntnisse, die zum Umlauf reif sind; nützliche Erfindungen, Handhabung der Gerechtigkeit; Predigtwesen; religiöse Schwärmerei; Volksvorurtheile; Volksirrthümer; menschliches Elend im Verborgenen; merkwürdige Missethäter; Industrie; unerkanntes Verdienst. Es versteht sich von selbst, daß nicht immer alle diese Rubriken in jedem der einzelnen Blätter vorkommen, sondern bald diese bald jene mehr Platz für sich einnehmen und andere verdrängen werden. Im Ganzen genommen aber soll die Reihe alle treffen. – Die periodische Schrift soll dahin streben, aus der immerwährenden Ebbe und Fluth von Begebenheiten dasjenige herauszuheben, was die Menschheit interessiret; es soll suchen, den Blick auf das wirklich Große und Bewundernswürdige zu heften, das Gefühl für alles Edle und Gute zu schärfen, und den Schein von der Wahrheit unterscheiden zu lehren. – Auch mögen sich Eltern, Erzieher, und überhaupt Personen aus allen Ständen, die, ohne einander zu kennen, in einer Stadt zusammen oder entfernt leben, durch dieß Blatt ihre wichtigsten Vorschläge und Entdeckungen, das Wohl der Menschheit betreffend, mittheilen, und über die angelegentlichsten Dinge, die nur zu selten zu Sprache kommen, ihre Gedanken eröffnen. – Den Verfassern, deren Namen dem Publikum, schon aus andern Schriften, von einer vortheilhaften Seite bekannt sind, werden Beiträge in jener Rücksicht willkommen seyn, so wie überhaupt Winke und Zurechtweisungen von Per-

Dokumente

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sonen aus allen Ständen, denen diese Sache nicht unwichtig scheint, und deren Belehrungen sie ihrem Zwecke näher führen. Sie haben die Idee zu diesem Unternehmen lange bei sich reifen lassen, und hoffen, daß die Ausführung derselben nicht ohne Nutzen seyn werde. Jeden Dienstag erscheint von dieser Schrift ein Bogen. Das hiesige königl. Hofpostamt hat hiervon die Versendung übernommen, und können Auswärtige, die dieses Blatt gern wöchentlich lesen möchten, sich an ihr nächstgelegenes Postamt wenden. Der Preiß jedes Stücks ist 1 Gr. Wer auf jedes Vierteljahr 12 Gr. vorausbezahlt, erhält sein Exemplar auf Schreibpapier. J. F. Unger. 1.3 Kurze Nachrichten, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 208a, 31. August 1786

Vermischte Anzeige. Hr. Prof. M o r i t z in Berlin hat seine Stelle freywillig niedergelegt, und ist itzt auf einer Reise nach Italien.

Anzeigen. Da der Herr Professor M o r i t z nach Italien gereist ist, und ich mit ihm die gemeinschaftliche Herausgabe seines Magazins zur Erfahrungsseelenkunde, und seiner Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Edeln und Schönen übernommen habe; so werden die Freunde der Wahrheit, welche allgemeine und besondere Menschenkenntniss auszubreiten wünschen, ergebenst gebeten, ihre Beyträge zu oben genannten Büchern, bis der Herr Professor M o r i t z von seiner Reise zurückkommt, an mich gütigst zu überschicken. C. F. Pockels. Lehrer der Herzoglichen Prinzen zu Braunschweig.

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Denkwürdigkeiten

2. Zur Rezeptionsgeschichte 2.1 Rezensionen 1. Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 20, 2. September 1786

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung d e s E d l e n u n d S c h ö n e n . Erstes bis viertes Stück, 1786. Man siehet aus den ersten Stücken dieser Wochenschrift, welche seit dem Anfange dieses Jahrs zu Berlin bey Unger herauskömmt, daß M ä n n e r daran arbeiten. Und wenn der Ton sich so erhält, so wird Berlin abermals eine Wochenschrift aufzuweisen haben, die dem Englischen Zuschauer an die Seite gesetzt zu werden verdient. In die morgenländische Erzählung A l m a n s o r , womit das erste Stück anhebt, sind sehr wichtige Gedanken über den Verfall unserer Litteratur, und den eigentlichen Beruf und die Bildung des Schriftstellers eingewebt, worauf, als eine Einleitung in den künftigen Plan dieser Schrift, eine sehr gedachte Entwickelung des Begriffs vom Edlen und Schönen folgt, die hier verschwendet seyn würde, wenn diese Wochenschrift nicht einmal zu einem Buche werden sollte, das einen bleibenden Werth hat. Eben dies ist auch der Fall bey dem Aufsatze über M o s e s M e n d e l s s o h n , im zweyten Stück, worinn wiederum unter der Ueberschrift, d i e B ü c h e r w e l t , Gedanken enthalten sind, die die allgemeine Aufmerksamkeit des lesenden Publicums fordern, weil das lesende Publicum selbst der Hauptgegenstand derselben ist, der hier aus einem gewiß nicht unwürdigen Gesichtspunkt beobachtet wird. – Das dritte Stück enthält drey sehr gedachte Aufsätze, nämlich: die fernere Entwikkelung des Begriffs vom Edlen und Schönen, worinn man unter andern über Schriftsteller und Lektüre vortreffliche Gedanken antrifft. Einen Aufsatz, d i e P ä d a g o g e n , welcher in der Erziehungskunst einen neuen bisher fast gänzlich vernachläßigten Gesichtspunkt eröffnet, – und d i e S c h ö p f u n g d e r G ö t t e r w e l t – Das vierte Stück enthält die Fortsetzung des Aufsatzes über M o s e s M e n d e l s s o h n ; einen Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele, d a s L o t t o – d a s E i s e n , ein Ideenspiel. Die Macht des Unglücks. – Jeder dieser einzelnen Aufsätze ist in seiner Art neu und originell, und verdiente eine detaillirte Anzeige, wenn es der

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Raum hier verstattete. Dies ist also wiederum ein Journal, von welchem sich zur Verbesserung unserer Litteratur, und zur Verbreitung eines ächten Geschmacks in Deutschland viel erwarten läßt.

2. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 192, 12. August 1786, Sp. 294–296

B e r l i n , bey Unger: D e n k w ü r d i g k e i t e n a u f g e z e i c h n e t z u r B e f ö r d e r u n g d e s E d l e n u n d S c h ö n e n . Herausgegeben von C a r l P h i l i p p M o r i t z . Erstes Vierteljahr 1786. 206 S. 8. (12 gr.) Was von dem, was ist und gewesen ist, auf den eigentlichen Punkt der Vervollkommnung unsers Wesens am meisten abzweckt, oder abgezweckt hat, und was diesen Zweck am meisten zu verhindern scheint, oder zu verhindern geschienen hat, soll der Gegenstand dieser Blätter seyn, und also will sich Hr. M. über alle Beyspiele, öffentliche und Pri-vaterziehung, schöne Künste, Theater, Kenntnisse, die zum Umlauf reif sind, nützliche Erfindungen, Handhabung der Gerechtigkeit, Predigtwesen, religiöse Schwärmerey, Volksvorurtheile, Volksirrthümer, menschliches Elend im Verborgenen, merkwürdige Missethäter, Industrie, unerkanntes Verdienst u. d. g. m. verbreiten. Der Anfang erregt gegründete Erwartung und läßt eine gleiche Fortsetzung wünschen, die jedoch schwer werden dürfte, wenn diese Denkwürdigkeiten, wie es scheint, als Wochenschrift in einzelnen Blättern herauskommen sollen. Von biographischen Stücken waren uns hier vorzüglich die Nachrichten aus Mendelssohns Leben, und von dem General von Holzendorf angenehm. Neu war uns folgende Anekdote, die dem Vf. einmal der sel. Mendelssohn von sich erzehlte. Er war nemlich einmal auf einer Reise begriffen. Eines Abends wurde er durch einen Umstand genöthigt in einem kleinen Dorfe zu übernachten, wo kein ordentlicher Gasthof war. Das Wetter war sehr unfreundlich. Hr. M. erfuhr, daß ein Prediger im Dorfe wohne, er schickte also zu diesem, und ließ sich bey ihm als einen Gelehrten aus Berlin anmelden, und um ein Nachtlager bitten. Der Prediger ließ sich willig finden, mochte aber doch sich einige Bedenklichkeiten machen, da er hörte, daß der Gelehrte aus Berlin ein Jude sey. Da also Hr. M. auf das Haus zukam, sah er den Prediger, der ihn erwartete, einen ehrwürdigen Greis, schon vor der Thüre stehn. Ehe nun aber dieser alte Mann Herrn M. unter sein Dach nöthigte, wollte er erst

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einige genauere Erkundigung einziehn, und fragte mit gegen ihn hingestreckten Arm, und auf ihn hingerichteten Zeigefinger: Quid est Ontologia? Hr. M. sagte ihm die Wolfische Definition in lateinischer Sprache und jener fragte weiter bis auf den Begriff von Gott als dem höchsten Wesen, und da nun Hr. M. seine Beantwortung und Erklärung des Begriffs von Gott, mit den Worten ens summum, optimum, maximum schloß, so fiel der Greis gleichsam wie in eine ihm bekannte Melodie mit Entzückung ein: ens summum, optimum, maximum – und nun erst bot er Hn. Mendelssohn die Hand, und sagte: seyn Sie mir herzlich willkommen. – Eben dieser Prediger hatte, da ihm sein Haus abbrannte, eines pohlnischen Juden ihm anvertrautes Vermögen zuerst gerettet und darüber das seinige verloren. Es traf sich, daß Hr. M. grade mit diesem den Prediger noch einmal besuchte, und von ihm sehr freundschaftlich aufgenommen wurde. Die philosophischen Aufsätze, z. B. über das menschliche Elend, die Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt, sind nicht minder lesenswürdig, und was sonst noch diese Schrift vor so vielen andern, die zur Unterhaltung des lesenden Publikums geschrieben werden, rühmlich auszeichnet, ist – correcte Sprache. 3. Gothaische gelehrte Zeitungen, Jahrgang 1786, II. Band, Beilage zum 52. Stück, 1. Juli 1786, S. 439f.

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Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Edlen und Schön e n , von C. P. M o r i t z . Erstes Vierteljahr 206 Seiten 8. Die Absicht dieser Zeitschrift ist den Meisten unstreitig schon aus der Anzeige hinlänglich bekannt. In den vor uns liegenden Blättern hat der Verf. zuvörderst den Gesichtspunkt, worauf er künftig hinzuarbeiten denkt, d. i. die gehörige Würdigung des Denkbaren in Rücksicht auf die Veredlung und Bildung des menschlichen Geistes festzusetzen bemüht, und daher erst einige allgemeine Begriffe vom Edlen und Schönen größtentheils aus Erzählungen und Beyspielen entwickelt. Viele Aufsätze, insbesondre den über Mendelssohn, auch die Nachrichten von Holzendorf, haben wir zur Bestimmung dieser Begriffe sehr zweckmäßig gefunden, von andern hingegen, z. B. dem mit der Aufschrift »die Schöpfung der Götterwelt,« können wir nicht eben dieß sagen. Zuweilen dünkt uns der Ausdruck zu kostbar und zu übertrieben. So sagt man wohl schwerlich, »der menschliche Geist verschwimmt sich in den Dingen, die ihn umgeben.« Auch gehören Wendungen, wie

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folgende, unter die gesuchten: »Nun könnte man sich die Götter als höhere Wesen denken, weil man dem, was durch seinen Umfang und Größe den Menschen schon so klein macht, noch menschliche Vernunft und Gedanken gab.« Wir zweifeln indeß nicht, da der Ton dieser Schrift im Ganzen genommen gut ist, daß sie sich vor vielen ihrer Schwestern erhalten werde, und wünschen das um des interessanten Plans willen, den sich der Herausgeber zu vollführen vorgesetzt hat. 4. Anton Friedrich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften, 14. Jg., 15. St., 10. April 1786, Berlin, bey Haude und Spener. 1787, S. 117

Bey Unger: D e n k w ü r d i g k e i t e n , a u f g e z e i c h n e t z u r B e f ö r d e rung des edlen und schönen. Herausgegeben von Carl Phili p p M o r i t z . E r s t e s V i e r t e l j a h r . 1786 in Octav. Das wissenswürdigste und denkwürdigste ist dem Verfasser das denkbare, was den Menschen vollkommener machet, oder seinen Geist bildet und veredelt. Ohne den größten Theil dessen, was er dazu rechnet, abzuschreiben, will ich, dem Zwecke meines Wochenblatts gemäß, nur anführen, daß er auch edle Beyspiele und merkwürdige Missethäter dazu rechnet. Unter jener Rubrik, kommet hier Moses Mendelssohn vor, von welchem manches merkwürdige erzählet wird; und unter dieser, Jean Veaumorin, ein Schneider, der 1613 zu Paris lebete, und das stehlen nicht lassen konnte, von welchem aber sein tugendhafter Sohn Michel sehr abstach. Durch des Vaters Beyspiel beweiset der Herr Professor, wie wenig die Strafen zur Verbesserung der Verbrecher beytragen. Uebrigens findet derjenige seine Nahrung in diesem Wochenblatt, der nicht bloß zum Vergnügen der Sinne, sondern auch zum Nutzen des Geistes, etwas lesen will. 5. Anton Friedrich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften, 14. Jg., 40. St., 2. Oktober 1786, Berlin, bey Haude und Spener. 1787, S. 319f.

Bey Unger: D e n k w ü r d i g k e i t e n , a u f g e z e i c h n e t z u r B e f ö r d e rung des Edlen und Schönen, ausgegeben von Carl Philipp

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M o r i t z , E r s t e s u n d z w e y t e s V i e r t e l j a h r . 1786 in Octav. Von den meisten Stücken des ersten Vierteljahrs, habe ich schon geredet. Das letzte unter denselben, kann die Leser in Ansehung des Herrn Verfassers bange machen, wenn sie die Artikel Unmuth und Fassung, Blick auf das alltägliche Leben, Zeit und Ewigkeit, lesen, von welchen der letzte so anfängt: »wenn man sich das Leben oft noch so reitzend vorstellet, so scheinet es doch mit zu vielem Zwange, mit zu vieler Anstrengung verbunden zu seyn, als daß man es immer ertragen könnte. In dem Wunsch nach Ruhe, nach gänzlicher Auflösung, scheinen sich doch am Ende einmal alle Wünsche zu verlieren. Und wenn man sich selbst eine Ewigkeit noch so reitzend denket, so scheinet es doch wieder, als ob sie nicht immer zu ertragen wäre.« Es herschetÇ!È in dieser und andern Stellen der Denkwürdigkeiten, und der Lebensbeschreibung des Anton Reiser, eine ganz persönliche Philosophie, ich will sagen, eine solche, die in der besondern Natur des Herrn M. gegründet ist, und deren Allgemeinheit ein Unglück für das menschliche Geschlecht seyn würde. Wie sehr sticht dieser persönliche Character von dem S. 370 des zweyten Vierteljahres beschriebenem Character eines ehrwürdigen Mannes zu Barby ab! Die Eigenheiten des Verfassers ausgenommen, ist sehr viel schönes in beyden Vierteljahren. Weil der Herr Verfasser, vermöge seiner Natur, das feste, beständige und beharrliche, nicht ertragen kann, so hat er diese Wochenschrift in eine Vierteljahres-Schrift verwandelt. Das Amt eines außerordentlichen Professors bey dem vereinigten berlinischen und cölnischen Gymnasium, hat er auch aufgegeben, und eine weite Reise, wies es heißet, nach Italien, angetreten. 6. Allgemeine deutsche Bibliothek, 76. Bd., 1. St., Berlin u. Stettin 1787, S. 136–140

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von C a r l P h i l i p p M o r i t z . E r s t e s u n d z w e y t e s V i e r t e l j a h r . Berlin, bey Unger. 1786. I Alphab. und I Bog. 8. »Was von dem, was ist und gewesen ist, auf den eigentlichen Punkt der Vervollkommnung unsers Wesens am meisten abzweckt, oder abgezweckt hat, und was diesen Zweck am meisten zu verhindern scheint, oder zu

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verhindern geschienen hat , das soll der vorzüglichste Gegenstand dieser Blätter seyn, und in dieser beständigen Rücksicht sollen die einzelnen R u b r i k e n , als: Edle Beyspiele; öffentliche und Privaterziehung; Schöne Künste; Theater; nützliche Erfindungen; Handhabung der Gerechtigkeit; Predigtwesen; Schwärmerey; Industrie; u. s. f. bearbeitet werden.« Die Ausführung dieses Plans wird, wenn sie mit dem gehörigen Fleiße geschieht, allerdings nützlich seyn, und die vor uns liegenden zwey ersten Stücke geben dazu die angenehmste Hoffnung. Die ersten Aufsätze entwickeln einige allgemeine Begriffe, welche die Grundlage alles Folgenden seyn sollen, indem sie das Edle und Schöne in Ansehung der Bildung des menschlichen Geistes auseinander setzen. Dann folgen Aufsätze vermischten Inhalts, welche man sowohl ihres innern Gehalts, als des schönen und richtigen Vortrags wegen, gewiß mit Vergnügen und Nutzen lesen wird. Wir können hier unmöglich alle anführen, und müssen uns daher begnügen, nur von einigen etwas zu sagen, um unsere Leser nach dem Ganzen begierig zu machen. Die Abhandlung über M o s e s M e n d e l s s o h n ist vortrefflich, und wird Jedem, welcher diesen S o c r a t e s unsers Zeitalters nicht näher gekannt hat, denselben noch liebenswürdiger machen. Nur einiges daraus zur Probe. Der Verfasser besuchte ihn einst mit einem lutherischen Prediger, welcher in seiner noch finstern Gegend Aufklärung zu verbreiten suchte, und sich darüber M e n d e l s s o h n s Rath erbat. »Es war rührend anzuhören, wie ein Jude hier mit einem lutherischen Prediger über die beste Art und Weise sprach, wie eine christliche Gemeine zu unterrichten sey, und wie M. den Prediger ermahnte, ja nicht auf einmal zu viel Neuerung zu machen, und bey dem Aufklärungsgeschäffte mit Behutsamkeit und Sanftmuth zu verfahren, wie C h r i s t u s auch zu thun gelehrt habe.« Er schien ordentlich eine Art von Vergnügen darin zu finden, auch seinen offenbaren Feinden Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, und sprach fast nie mit Bitterkeit von ihnen. Gutmüthigkeit mit Verstand verknüpft, schätzte er über alles, und war immer im Lobe derjenigen Personen unerschöpflich, bey denen er diese beyden Eigenschaften vereint antraf. Er gieng mit Absicht lieber im Zutrauen, als im Mißtrauen, gegen menschliche Tugend und Güte des Herzens zu weit. Obgleich sein Verlust für die Welt immer noch zu früh erfolgt seyn würde, so ist es doch zu verwundern, daß es ihm möglich war, durch die strengste und ununterbrochenste Geistes- und körperliche Diät, seine Jahre bis dahin zu bringen. Selbst die Dauer seines Lebens, wodurch er der Welt noch so nützlich ward, ist ihm in

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dieser Rücksicht mit als ein Verdienst anzurechnen. – Die L e b e n s b e s c h r e i b u n g des am 10ten Decbr. 1785. verstorbenen G e n e r a l m a j o r s v o n H o l z e n d o r f wird man mit Vergnügen lesen. Er ist für die Preußische Artillerie das gewesen, was Va l i e r e einst für die Französische war, das heißt: er schuf sie um. Er starb im 72sten Jahre seines Alters, und im 56sten seiner Dienste. D i e U e b e r s i c h t d e r n e u e s t e n d r a m a t i s c h e n L i t t e r a t u r i n D e u t s c h l a n d wird wohl Vielen nicht gefallen. Wir können indessen nicht umhin, ihr Beyfall zu geben. L e s s i n g s Minna und Emilia, L e i s e w i t z e n s Julius von Tarent, und E n g e l s Edelknabe und dankbarer Sohn sind, nach des Verf. Urtheile fast immer noch die einzigen Stücke, welche wir den Ausländern, als völlig correcte und ausgefeilte Werke in dieser Art, aufzuweisen haben. Daß ein Stück, wie Figaros’s Hochzeit, ein so erstaunliches Glück macht, ist doch wahrlich wohl kein Beweis gegen die Frivolität unsers Zeitalters? Es besteht blos aus Theatercoups, es ist gar keine Charakterzeichnung darin, und der Spaß ist von allen Seiten herbeygezwungen. Zum Verfall unserer dramatischen Litteratur tragen selbst die gutgerathenen Familiengemälde von I f f l a n d und G r o ß m a n n bey. Je laxer die Gesetze werden, welche man sich vorschreibt, desto nachläßiger wird man auch in der Kunst. Zwar sind jene Stücke fast noch immer das Beste unter den neuern dramatischen Producten, sie sind wenigstens eine getreue Copie der Natur; aber ohne hinlängliche geschmackvolle Auswahl. Die Idee des Nützlichen, welche schlechterdings bey den Werken der schönen Künste nicht die herrschende seyn muß, fängt hier auch an, das Edle und bis zum höchsten Grade Vervollkommte allmählig zu verdrängen. Der Verf. spricht daher jenen Stücken ihren Werth gar nicht ab; er hält es für nützlich, daß sie oft wiederholt werden, aber er will nur nicht, daß sie das Ziel seyn sollen, wohin unsere dramatischen Dichter arbeiten, sondern man soll suchen, Fortschritte in der Kunst zu thun. – U e b e r d e u t s c h e T i t u l a t u r e n . Der Verf. wünscht (und wer wird ihm nicht gern beystimmen?) eine allgemeine Reform derselben. Wenigstens sollte das höchst abgeschmackte g e b o h r e n , welches fast allen unsern Titulaturen angehängt wird, abgeschafft werden. Sie scheinen aus einer niedrigen sklavischen Gesinnung ihren Ursprung genommen zu haben, wo der Pöbel den allerzufäl-ligsten Umstand d e r G e b u r t zu den Verdiensten eines Mannes rechnete, welcher sogar seinen eigentlichen Werth bestimmte. Das E d l e r , Wo h l e d l e r , und H o c h e d l e r , würde also doch besser seyn, als die Titel, an welche der

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zufällige Umstand der Geburt, welcher zwar reich und mächtig, aber nicht edel, macht, auf eine höchst abgeschmackte Weise angehängt ist. E d l e H e r a b l a s s u n g e i n e s F ü r s t e n s o h n e s . Wem diese schöne Anecdote aus dem Leben L e o p o l d ’ s des Menschenfreundes noch nicht sonst bekannt ist, der wird sie hier mit Vergügen lesen. E r s a t z f ü r d a s S c h r e c k l i c h s t e . Ein Mädchen, welches sieben oder acht Jahre in dem Zustande der schrecklichsten Raserey zugebracht hat, versicherte den Verf. dieses Aufsatzes, daß sie sich dieser Zeit wie im Traume, aber doch im ganzen mit mehr angenehmen, als unangenehmen Empfindungen, erinnere. Und der Verf. zieht daraus die trostreiche Folge, daß es, sowohl von Seiten der physikalischen Empfindlichkeit, als von Seiten der Moral selbst, in den Situationen, die uns oft am schrecklichsten vorkommen, Schadloshaltungen giebt, welche bewundernswürdig sind. Folgende Stelle, welche auch in diesem Aufsatze vorkömmt, verstehen wir nicht. »Ich befriedigte meine Neugierde, dieser Person eine Menge Fragen über ihren vorhergegangenen Zustand zu thun, und hörte verschiedene Dinge von ihr, welche von der Art sind, daß ich sie nie offenbaren werde. Es gehen mit rasenden Menschen so außerordentliche Sachen vor, daß wenn man mehrere bestätigte Erfahrungen von der Art hätte, die sonderbarsten Folgen daraus gezogen werden könnten.« – Ausser diesen Aufsätzen, welche uns vorzüglich der Bemerkung werth schienen, finden sich auch noch andere Lesenswerthe hier. Dahin rechnen wir: Fragment einer Predigt über die Leiden des Lebens; häusliche Glückseligkeit; die letzte Freystadt des Weisen; die Unterordnung der Vergnügungen; Jean Vaumorin und sein Sohn; Volksaberglauben; Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande; die Beurtheilungen von Schauspielen; die Aufsätze aus K – s Papieren; und F – s Geschichte, welche in den vor uns liegenden Stücken noch nicht geendigt ist. Die beyden letztern empfehlen wir besonders Jünglingen zur Warnung. Die manchmal vorkommenden Gedichte haben uns weniger gefallen; und bey dem Aufsatze d i e P ä d a g o g e n S. 41. ff. möchte es wohl mehreren Lesern, wie uns gehen. Der Verf. behauptet, ein Mittel gefunden zu haben, welches bewirken würde, daß die verhaßte Scheidewand zwischen den Ständen weggerückt werde; daß die niedern Stände mehr wahre Ehrfurcht gegen die höhern, und die höhern mehr Liebe und Ehrfurcht gegen die niedern hegten; daß bessere Richter, bessere Aerzte, bessere Lehrer des Volks, bessere Obrigkeiten, ja bessere Fürsten entständen; daß der Menschheit ihr erkranktes Selbstgefühl wiedergegeben würde; daß die Weichlich-

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keit der Sitten abnähme; daß die menschlichen Dinge sich nach und nach wieder in ihr ordentliches Gleis fügten, die allgemeine Aufklärung mit gleichen Schritten fortgienge, die Stände einander allmählig immer näher rückten, und allmählig jeder Vorzug der Menschheit sich, wie der Thau des Himmels, über alle ergösse. Und dieses Mittel ist? – Man lasse seine Söhne Handwerke lernen. – Freylich sehr einfach; aber wer kann sich dabey des Lächelns enthalten? 7. Johann Heinrich Christoph Beutler/Johann Christoph Friedrich GutsMuths, Allgemeines Sachregister über die wichtigsten deutschen Zeit- und Wochenschriften, I, Leipzig 1790, S. 342f.

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen, herausgegeben von K. Ph. Moriz. 1. Bd. 1786. Berlin b. Unger. 8. (der Band 1 Rthlr. bis 2ten Bandes 2tes Stück.) Sowohl alles, was zur Bildung und Veredlung des menschlichen Geistes, folglich zur Vervollkommnung unsers Wesens beyträgt, als auch was derselben im Wege steht, ist ein Gegenstand dieser per.ÇiodischenÈ Schr.ÇiftÈ die mit so vielem Beyfall aufgenommen worden ist, und die auch würklich eine nützliche und unterhaltende Lektüre gewährt. Man findet in derselben Beyspiele edler Handlungen, Lebensläufe verdienstvoller Menschen, Bemerkungen über öffentliche und Privaterziehung, schöne Künste, Predigtwesen, religiöse Schwärmerey, Volksvorurtheile etc. Vom 2ten Bande an nannte sich Herr Pokels als Mitherausgeber. 8. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 158. St., 4. Oktober 1788, S. 1583f.

Bey J. F. Unger: Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen. Herausgegeben von C a r l P h i l i p p M o r i t z . Erster Band. S. 380. 1786. Zweyter Band. Herausgegeben von C . P . M o r i t z und C . F . P o c k e l s . S. 338. 1778. Octav. Wir holen die Anzeige dieser Zeitschrift noch nach, um wenigstens bey der günstigen Aufnahme, die sie bereits gefunden hat, den Vorwurf nicht zu verdienen, als ob wir unerkenntlich gegen ihren Werth wären, oder sie mit einigen ihrer Schwestern

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in eine Classe setzten, die so gern auch eine Rolle in der Welt spielen möchten, und die man für ihre ungebührliche Eitelkeit dadurch am besten bestraft, daß man sie gar nicht bemerkt. Der Gegenstand ist auf der einen Seite alles, was zur Veredlung und Bildung des menschlichen Geistes, mithin zur Vervollkommung unsers Wesens, beyträgt, so wie auf der andern, was derselben im Wege steht, oder zu stehen scheint. Daher findet man hier Beyspiele edler Handlungen, Lebensläufe verdienstvoller Menschen, Bemerkungen über öffentliche und Privaterziehung, schöne Künste, Predigtwesen, religiöse Schwärmerey, Volksvorurtheile u. s. w. gesammelt, die eine unterhaltende und nützliche Lecture gewähren. Die Aufsätze, welchen den ersten Band einnehmen, und Hrn. M o r i t z vermuthlich allein zum Verfasser haben, bestehen oft nur aus flüchtig hingeworfenen Gedanken, die sich aber weiter verfolgen lassen, und bald durch den Schein des Paradoxen, bald durch andere Eigenheiten, die ihnen seine bekannte wunderbar abwechselnde Laune mittheilte, die Aufmerksamkeit an sich ziehen. Am merkwürdigsten war für uns die Charakteristik des sel. Mendelssohn, die ihn in verschiedenen Lagen des häuslichen Lebens schildert. Bey dem zweyten Bande hat sich Hr. Secretär P o c k e l s , der gegenwärtig in unserer Nähe (zu Nordheim) lebt, mit Hrn. M. vereinigt, und von ihm sind fast alle Stücke geliefert, welche den Inhalt desselben ausmachen. Zuerst Briefe über verschiedene Gegenstände der Moral, in einer sehr edlen Sprache abgefaßt. Der Hr. Verf. bestätigt darin die bekannte Erfahrung, daß moralisch gute Handlungen oft bloße Folgen von sehr verschiedenen Umständen sind, welche auf die Bestimmung unsers Willens wirken, daß also die menschliche Tugend oft der momentanen Constitution unsers Körpers, dem Temperamente und einzelnen vorübergehenden Leidenschaften und Gemüthserschütterungen ihren Ursprung verdanke. Er verspricht nach diesen Voraussetzungen eine Untersuchung, ob es wirklich eine wahre menschliche Tugend gebe, was sie sey, und auf welchen Principien der Natur unsers Geistes sie beruhe. Unter den übrigen Aufsätzen zeichnen sich besonders die Geschichte des Fürsten Menzikof, und des Don Carlos nach dem St. Real vorzüglich aus. Auch die Bemerkungen über das schöne Geschlecht sollen nach dem Urtheile einiger Kennerinnen, die Rec. darüber vernommen hat, sehr viel Wahres und Treffendes enthalten.

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9. Klischnig, Erinnerungen, S. 258f.

Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Edlen und Schönen 1785.

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Die v i e r u n d z w a n z i g ersten Stücke sind, einige Kleinigkeiten von mir abgerechnet, ganz von Reisern. Hernach veränderte er diese bisherige Wochenschrift in eine Quartalschrift, und da er nach Italien gieng, nahm er Herrn P o c k e l s zum Mitarbeiter an. Sie schlief aber bald ein. Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s war der Zweck, den er sich dabei vorgesetzt hatte. Er glaubte durch diese Wochenschrift das auszurichten, was er durch eine ö f f e n t l i c h e Z e i t u n g vergebens versucht hatte. Er wollte aus der immerwährenden Ebbe und Fluth der menschlichen Dinge dasjenige herausheben und besonders vors Auge stellen, was vorzüglich den Menschen interessirt, und zur Veredlung seines eigentlichen Wesens mittelbar oder unmittelbar beiträgt. Aus der großen Menge des Wissenswürdigen und Denk-würdigen, das zu umfassen kein Menschenleben mehr zureicht, sollte in dieser Schrift der Blick stets auf das Wissenswürdigste und Denkwürdigste gehalten werden. Wenn er diesen Zweck nun auch nicht erreichte, so sind doch diese Denkwürdigkeiten als ein treuer Abdruck seines Gemüths und als ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens in der damaligen Periode, für den, der ihn zu enträthseln weiß, sehr schätzbar.

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Die Texte im einzelnen ÇVorwortÈ Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È ÇVorwortÈ. In: DW 1786 I, 1. St., S. ÇIÈ–ÇIVÈ.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 10,34 u. s. w.] u. u. s. J

Stellenerläuterungen 3,1 Denkwürdigkeiten] In Hinsicht auf die Konzeption der Zeitschrift und deren thematische Durchführung ist mit Denkwürdigkeit sowohl »eine des andenkens und der betrachtung würdige sache« gemeint als auch die »aufzeichnung merkwürdiger ereignisse« (DWb 2, Sp. 944). Als Zeitschriftentitel war Denkwürdigkeiten durchaus gebräuchlich (z. B. Denkwürdigkeiten aus der philosophischen Welt, hrsg. v. Carl Adolph Cäsar, Bd. 1–6. Leipzig: Müller 1785–1788; Denkwürdigkeiten Breisgaus, eine Monatsschrift, H. 1–9. Freiburg: Wagner 1782; Denkwürdigkeiten der Welt, hrsg. v. Eberh. W. Happel, Bd. 1–2. Hamburg/Leipzig: Neumann 1707–1709). V. a. die Reminiszenz an Xenophons Memorabilia / Denkwürdigkeiten des Sokrates stellt eine enge Verbindung zur Leitfigur Moses Mendelssohn her, vgl. Erl. zu S. 39,11–12. 3,4 Edlen und Schönen] Zur ›moralischen‹ Zusammengehörigkeit des Edlen und Schönen vgl. Moritz’ Hauptschrift zur Ästhetik Ueber die bildende Nachahmung des Schönen: Durch den Mittelbegriff des Edeln also wird der Begriff

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des Schönen wieder zum Moralischen hinübergezogen und gleichsam daran festgekettet (BNS, S. 10; KMA 3). Dabei gilt, daß das Schöne und Edle sich eben dadurch vom Guten unterscheidet, daß es nicht nützlich seyn darf, um schön zu seyn (ebd., S. 12). In diesem Sinne richtet sich die pragmatische Ausrichtung der Zeitschrift auf d i e g e h ö r i g e W ü r d i g u n g d e s D e n k b a r e n , i n R ü c k s i c h t a u f d i e Ve r e d l u n g u n d B i l d u n g d e s m e n s c h l i c h e n G e i s t e s dezidiert gegen das Nützlichkeitsdenken des ›kameralistischen Zeitalters‹, das den Eigenwert des Einzelmenschen leugnet (ÇVorwortÈ, S. 9,3–5). Eine im Meßkatalog zur Michaelismesse 1786 angekündigte Schrift Moritz’ über

das Edele und Schöne mit Anmerk. von Moses Mendelssohn, in Briefen. 8. Berlin: F. Vieweg wurde nicht veröffentlicht, das Manuskript ist verschollen (vgl. dazu Wingertszahn 1999, S. 223). 9,2 Gesichtspunkt] Bezeichnung für das erkenntnisleitende Prinzip der popularphilosophischen Publizistik von Moritz, das u. a. dem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde zugrunde liegt (vgl. den Essay Gesichtspunkt in: MzE IV.2 1786, S. 16–19; KMA 12) und auch in der Ästhetik gilt: Reiser glaubte in einem

jeden Meisterwerke, der Wissenschaft sowohl als der Kunst, müsse sich ein gewisser Punkt auffinden lassen, von welchem aus man die Zweckmäßigkeit des Ganzen allein zu beurtheilen im Stande sey. In diesem Punkt müßten alle Theile, wie die Radien eines Zirkels in dem Mittelpunkt desselben, zusammentreffen, und aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, sich uns als n o t h w e n d i g , ihrem Wesen und ihren Stellungen nach, darstellen (Klischnig, Erinnerungen, S. 212). Gesichtspunkt meint wörtlich denjenigen Ort, aus welchem man eine Landschaft oder jede andre Scene sichtbarer Dinge übersieht; man nennt ihn auch die L a g e d e s A u g e s (Sulzer 2, S. 404); vgl. auch GL, S. 276–278; LP, S. 278–282. Ziel aufgeklärter Philosophie war es, unter den Bedingungen individueller Wahrnehmungsbeschränkung allgemeingültige Maßstäbe für die Beurteilung von Sachverhalten zu gewinnen (im Sinne des p o i n t d e v e u e , vgl. Leibniz, Philosophische Schriften, S. 603, oder des Sehepunkts, vgl. Johann Martin Chladenius, Allgemeine Geschichtswissenschaft, mit einer Einleitung von Christoph Friederich und einem Vorwort von Reinhart Koselleck, Wien/Köln/Graz 1985 [Neudruck der Ausg. Leipzig 1752], S. 151, 93f.). 9,6–9 mußte nothwendig 〈. . .〉 geschritten werden konnte] Die ordnungsstiftende Ausbildung von Allgemeinbegriffen gehörte zu den Gemeinplätzen im Programm der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie. Vgl. auch Moritz’ Deutsche Sprachlehre für die Damen: Aus eben dem Grunde setzte ich an die Stelle

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der Vorstellung von einem jungen Eichbaume, gleichsam wie einen Merkstab, die allgemeine Vorstellung von einem Baume, weil es mir nun leichter ward, auf dasjenige aufmerksam zu seyn, was von dem jungen Eichbaume gesagt wurde, indem sich die Vorstellung von ihm selbst verdunkelte, und gleichsam nur schwankend blieb (DS, S. 95–97, hier S. 96f.; KMA 7). 9,10–14 A n k ü n d i g u n g 〈. . .〉 verdrängt worden sind] Die von Moritz stammende Ankündigung des Periodikums Denkwürdigkeiten durch den Verleger J. F. Unger in der ›Vossischen Zeitung‹, 152. St., 20. Dezember 1785 (S. 362f. in diesem Bd.; vgl. auch Überblickskommentar, S. 341) machte es zum Ziel der Zeitschrift, über Selektion (aus der immerwährenden Ebbe und Fluth von Begebenheiten dasjenige herauszuheben, was die Menschheit interessiret) und Qualifikation (den Blick auf das wirklich Große und Bewundernswürdige zu heften) das Gefühl für alles Edle und Gute zu schärfen, und den Schein von der Wahrheit unterscheiden zu lehren (S. 362). 10,1 k a m e r a l i s t i s c h e n ] cameralistisch: die Verwaltung der StaatsEinkünfte betreffend (Schweizer 1811, 1. Bd., S. 120) – hier verwendet im Sinne von ›auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgerichtet‹. Die Kameralwissenschaften, ursprünglich die »Bezeichnung für die Gesammtheit derjenigen wissenschaftlichen Kenntnisse, welche die Beamten der ehemaligen fürstlichen Kammer 〈. . .〉 besitzen mußten«, etablierten sich unter Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1688–1740, König seit 1713) als auf die politische, v. a. aber ökonomische Ausbildung zukünftiger Staatsbeamten bezogene wissenschaftliche Disziplin an den Universitäten; im Verlauf des 18. Jhs. traten die Wirtschaftswissenschaften zunehmend in den Vordergrund der hauptsächlich durch Adam Smith angeregten Überlegungen zur Förderung des »Volkswohlstandes« (Wirtschaftslehre und -politik, Finanzwissenschaft); Ersch/Gruber II 32, S. 212f., vgl. grundlegend Adam Smith (1723–1790), An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, 41786; dt. Übersetzung: Untersuchung über die Natur und die Ursachen des Nationalreichthums. Aus dem Englischen der 4. Ausg. neu übers. 〈von Christian Garve〉, 1.–4. Bd., Breslau 1794–1796. 10,3–4 der Mensch 〈. . .〉 l e b e n ] Auf diesen neutestamentarischen Gemeinplatz (Mt 6,25; Lk 12,22) hat sich bereits Karl Friedrich Bahrdt (1741–1792) in seiner Abhandlung Ueber den Zwek der Erziehung berufen, die in der von Joachim Heinrich Campe (1746–1818) herausgegebenen Allgemeinen Revision

des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, 1. T., Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. 〈1〉–124 (hier S. 36, Anm.), erschienen und von Moritz in der ›Vossischen Zeitung‹ (VZ, 77. St., 28. Juni

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1785; KMA 10) angezeigt worden ist. In die Programmatik von Moritz’ Denkwürdigkeiten gehen damit implizit die Ziele der zeitgenössischen Reformpädagogik ein (Beförderung der allgemeinen Glückseligkeit gemäß der ›Bestimmung‹ des Menschen), deren Hauptvertreter – wie Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811), Campe oder Bahrdt – eine ›natürliche‹, d. h. ›kindgerechte‹ und den ›ganzen Menschen‹ betreffende Erziehung propagierten. 10,8–19 Das kann aber dadurch geschehen 〈. . .〉 Bezug haben] Der Volksaufklärer übernimmt die Aufgabe eines Vermittlers, der die unüberschaubare Wissensfülle durch Auswahl sowie Bewertung kanalisiert und durch Vergegenständlichung begreiflich macht. 10,8–11 wenn aus der immerwährenden Ebbe 〈. . .〉 interessirt] Ähnliche Formulierung im Ideal einer vollkommnen Zeitung (S. 8; KMA 10) und in der Ankündigung der Denkwürdigkeiten (vgl. S. 362). 10,10–11 was vorzüglich den Menschen interessirt] Dieser Grundsatz der aufklärerischen Philosophie wird allgemein auf Alexander Pope (1688–1744) zurückgeführt: Know then thyself, presume not God to scan; / The proper study

of mankind is Man. – Erkenn Dich selbst, erforsch nicht Gottes Kraft! / Der Mensch ist erstes Ziel der Wissenschaft (Vom Menschen. Essay on Man. Übers. von Eberhard Breidert, mit einer Einleitung hrsg. v. Wolfgang Breidert. Englisch/deutsch, Hamburg 1993, S. 38f.; II, 1f.); entsprechend formuliert von Moritz’ Lehrer Moses Mendelssohn (1729–1786; zu Mendelssohn vgl. Erl. zu S. 20,2):

Die vernünftigen Naturen und Geister nehmen in dem großen Weltall, so wie insbesondere der Mensch auf diesem Erdboden, die vornehmste Stelle ein. Diesem Unterherrn der Schöpfung schmückt sich die Natur in ihrer jungfräulichen Schönheit (Mendelssohn, JubA 3,1, S. 110), vgl. auch Moritz’ Einleitung zum Magazin zur Erfahrungsseelenkunde: Und was ist dem Menschen wichtiger, als der Mensch? (MzE I.1 1783, S. 1–3, hier S. 2; KMA 12). 10,12–14 wenn 〈. . .〉 kein Menschenleben mehr zureicht] Die Kritik an der zeitgenössischen Wissenskultur läuft deren Ausbildung im 18. Jh. parallel. Kritisiert wird zum einen der Anstieg der Produktion (vgl. S. 11,28 oder auch Karl Moors Ekel vor dem Tintengleksenden Sekulum: Schiller, Die Räuber, vgl. Schiller, NA 3, S. 20), zum anderen die allgemein verbreitete ›Lesesucht‹ (vgl. dazu Schön 1993, v. a. S. 46–49 und S. 317–322). Vgl. auch Moritz’ Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungsseelenkunde: Anstatt Menschen, o Wunder! hört man

jetzt Bücher reden, und siehet Bücher handeln. Leute, die wenig Romane gelesen haben sind noch immer der leichteste Gegenstand für den Menschenbeobachter. Man lebt und webt jezt in der Bücherwelt, und nur so

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wenige Bücher führen uns noch auf unsere wirkliche Welt zurück (in: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503, hier S. 497; KMA 12). In bezug auf das Medium ›Zeitschrift‹ vgl. Von der Journalensucht in Deutschland, in: Hanauisches Magazin 6 (1783), S. 432–436 (zit. nach Raabe 1974, S. 112–115). Diese Debatte ist Teil der selbstbezüglichen Reflexion auf die Möglichkeiten und Grenzen einer im Medium ›Zeitschrift‹ vollzogenen Aufklärung (vgl. dazu Fischer/Haefs/Mix 1999, S. 15; Martens 1968b, S. 56). – Allerdings betrachten (und bewerten) die Denkwürdigkeiten diesen Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven; so erfährt die (Schrift-)Gelehrsamkeit gerade in Die Bücherwelt (vgl. S. 26,1–27,22) eine positive Deutung. 10,26–34 in der ersten Ankündigung 〈. . .〉 Rubriken 〈. . .〉 Ve r d i e n s t ] Die Rubriken sind textidentisch aufgelistet in der von Unger unterzeichneten Ankündigung der Zeitschrift, vgl. in diesem Band S. 362. Ähnlich auch im Ideal einer vollkommnen Zeitung; vgl. Überblickskommentar, S. 341. 10,33 m e r k w ü r d i g e ] Das ›Merkwürdige‹ bezieht sich nicht nur auf das des Aufschreibens und Erinnerns Würdige (»notatu dignum«) und stellt somit eine Verstärkung des Denkwürdigen (DWb 2, Sp. 944) dar, sondern ist sprachlich zudem mit dem »abgeschwächteren sinn des auffallenden, verwunderlichen« (DWb 12, Sp. 2107) verbunden. 11,1 Erstes Stück] Das 1. Stück erschien am Dienstag, dem 3. Januar 1786. Vgl. VZ, 1. St., 3. Januar 1786: Heute wird das erste Stück der D e n k w ü r d i g -

k e i t e n , aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen, bey Joh. Fr. Unger ausgegeben, welches als eine E i n l e i t u n g zu dieser Zeitschrift eine vorläufige Entwickelung des Begriffs vom E d l e n und S c h ö n e n ist 〈!〉, enthält.

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Almansor Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Almansor. In: DW 1786 I, 1. St., S. 5–16.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 11,2 Almansor] Arab. al-Mansu: ›der (dank Allahs Gunst) Siegreiche‹. Auf eine konkrete historische Persönlichkeit wird nicht angespielt, der Text verzichtet völlig auf Lokalkolorit; angeregt wurde die Namensgebung u. U. durch die Figur des Sultans Almansor aus Christoph Martin Wielands (1733–1813) Verserzählung Oberon (1780), die 1784 in einer gekürzten Fassung (Berlin: Spener 1784, in frz. Übersetzung, veranstaltet durch Pierre Boaton) erschienen war. Moritz kannte das Werk (vgl. VP, S. 112; KMA 3). 11,3 geheimen] geheim: »eine jüngere schwesterbildung« zu »›heimlich‹« (DWb 5, Sp. 2351). 11,6–10 Von seiner frühesten Kindheit an 〈. . .〉 Wesen höherer Art zu halten] Vmtl. autobiographisch unterfüttert; vgl. Anton Reisers Verehrung des Dichters Ludwig Christoph Heinrich Hölty als Wesen höherer Art (KMA 1, S. 252,24–25) und die nachfolgende Charakteristik Reisers durch den Erzähler:

Diese ausschweifende Ehrfurcht gegen Dichter und Schriftsteller nahm nachher mehr zu als ab; er konnte sich kein größeres Glück denken, als dereinst einmal in diesem Zirkel Zutritt zu haben (ebd., S. 252,27–29). 11,17 anpassendste] anpassend: für etwas das einer Sache anpasset, 〈. . .〉 von einigen neuern Schriftstellern, obgleich nicht mit dem besten Geschmacke, für das edlere angemessen gebraucht (Adelung 1, Sp. 345). 11,28–30 Wuth zu schreiben 〈. . .〉 befand] Vgl. Erl. zu S. 10,12–14. 12,14 Die große Natur 〈. . .〉 ist immer gut und schön] Die Entdeckung der ›Lehrerin Natur‹ geht auf Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) zurück, dessen sozial-, zivilisations- und geschichtskritischer Ansatz die Pädagogik einer ›natürlichen Erziehung‹ ausbildete. Zentral für die zeitgenössische Reformpädagogik (Basedow, Pestalozzi) und auch für Moritz (vgl. FTG, S. 23 u. AH, S. 140; KMA 2) war Rous-

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´ mile ou De l’e´ducation; vgl. Emil seaus 1762 erschienener Erziehungsroman E oder über die Erziehung. 〈Von J. J. Rousseau〉 〈Aus dem Französischen übers. von C. F. Cramer. Mit erläuternden, bestimmenden und berichtigenden Anmerkungen der Gesellschaft der Revisoren aus dem Revisionswerke besonders abgedruckt und hrsg. v. Joachim Heinrich Campe〉, in: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft practischer Erzieher, 12. bis 15. T., hrsg. v. J.〈oachim〉 H.〈einrich〉 Campe, Wien und Braunschweig: Rudolph Grässer und Compagnie und in der Schulbuchhandlung 1789–1791. 12,17–19 A l m a n s o r 〈. . .〉 spiegelten] Der Morgenspaziergang (auch ›Morgenandacht‹ genannt) ist, angeregt durch Johann Gottfried Herders Älteste Urkunde des Menschengeschlechts (1774/76), zentraler Bestandteil der pädagogischen Praxis des frühen Moritz: vgl. Die Schöpfungsfeier bei einem Spatziergange des Morgens (in: Unterhaltungen, S. 149–160; KMA 6, S. 90,27–96,22), ferner Moritz’ Brief an Herder vom 17. Juni 1780 (KMA 13). Im Roman Andreas Hartknopf (1785) distanziert sich Moritz davon (AH, S. 72–76, KMA 2). – Die Spiegelmetaphorik bezeichnet weder eine Art ›subjektivistischer Selbstschau‹ »bis zur Ich-Spaltung und zum Doppelgängertum« (so die pietistische Konnotation; Langen 1954, S. 318, vgl. den Gebrauch S. 162,6 u. S. 191,5–6 in vorliegendem Bd.), noch zielt sie auf eine »Selbsterkenntnis der eigenen Mängel und Schwächen« (so die freimaurerische Konnotation; Lennhoff/Posner 1932, Sp. 1489). Der Mensch gilt vielmehr als ein Abbild der Natur, vgl. Moritz’ Aufsatz In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können?: Eben darum rührt uns die Schönheit

der menschlichen Gestalt am meisten, weil sie die inwohnende Vollkommenheit der Natur am deutlichsten durch ihre zarte Oberfläche schimmern, und uns, wie in einem hellen Spiegel, auf den Grund unsres eignen Wesens, durch sich schauen läßt (in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin, 1. Jg. 1788, 2. Bd., 4. St., S. 159–168 u. 204–210; 2. Jg. 1789, 3. Bd., S. 3–5, hier S. 164; KMA 3). 12,18 Morgensonne] Zur Sonnenaufgangs-Symbolik vgl. Moritz’ freimaurerische Rede Die Feier der Geburt des Lichts: Darum freuen wir uns der

anbrechenden Morgenröthe, und feiern im innersten Heiligthum die Geburt des Lichts aus der alten chaotischen Nacht. – Den Ursprung alles Gebildeten aus der unförmlichen Masse. – Die Entwickelung, alles Vollkommenen aus dem Unvollkommenen. – Die Entstehung reiner Gedanken aus der Hülle der Vorurtheile. – Den Anfang des Erwachens alles Lebens und aller Würksamkeit aus dem Schlummer des Todes und der Trägheit (in: GL, S. 1–6, hier S. 5; KMA 6, S. 291,30–292,3).

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Denkwürdigkeiten

12,23–25 Hypochondrie 〈. . .〉 Adern] Hypochondrie galt in der Aufklärung als eine Form der Melancholie (vgl. Schings 1977, S. 70f.). Sowohl der Roman Anton Reiser (KMA 1, S. 79,22 und Erl.) als auch das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (MzE I.3 1783, S. 102–107 sowie MzE III.1 1785, S. 125–127) nehmen auf die Hypochondrie Bezug. Physiologisch wurde die Krankheit im Unterleibe lokalisiert, besonders in der Gegend unter den kurzen Rippen (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 5, S. 462). Als Ursachen wurden, mit kulturkritischen Akzenten, vorzüglich übermäßige Anstrengung des Geistes durch zu vieles

Studiren, sitzende Lebensart, schwelgerisches Leben, Übermaß in reizenden Getränken, besonders in Caffee, und im Genusse der physischen Liebe; aber auch Mangel an Übung der körperlichen und geistigen Kräfte, Müßiggang und Langeweile (ebd., S. 463) identifiziert; daraus erklärt sich auch das Krankheitsbild der Studenten K. . . und F. . ., vgl. S. 146,14–21 u. S. 174,30 in vorliegendem Bd. 13,4–5 auch veredelten 〈. . .〉 bessern] In der zeitgenössischen Debatte um das Verhältnis von ›Eigennutz‹ und ›Wohlwollen‹ nimmt der Text Stellung gegen Claude Adrien Helve´tius’ (1715–1771) Rückführung der geselligen auf die egoistische Triebnatur des Menschen, indem die uneigennützige Beförderung des Allgemeinwohls zur Grundlage der eigenen (moralischen) Vervollkommnung gemacht wird. Er steht damit gegen den französischen Materialismus in der Tradition der englischen Moralphilosophie (u. a. Anthony Ashley Cooper, 3rd Earl of Shaftesbury [1671–1713], Francis Hutcheson [1694–1746]) und läßt sich der Position Lessings, Mendelssohns oder Johann Joachim Spaldings (1714–1804) zuordnen (vgl. dazu Riedel 1985, S. 176–182).

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ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ. In: DW 1786 I, 1. St., S. 1–4. D1 Das Edelste in der Natur. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 74–88 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 74–88).

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 13,9 unablässig] unabläßig D1 13,13 gnügt] genügt D1 13,13 zulezt] zuletzt D1 13,13 ihn] ihm D1 13,17 seinem] einem D1 13,17 krümmen] krümmen, D1 13,19 seinem Auge] seinen Augen D1 13,21 plözlich] plötzlich D1 13,22 Tanz –] Tanz. – D1 13,23–24 Zauberwerk? – Die] Zauberwerk? Die D1 13,27 wohl gefallen] wohlgefallen D1 13,29 umschuf –] umschuf. – D1 14,10–11 begraben –] begraben. – D1 14,21–24 Gemählde 〈. . .〉 Geist] Gemählde durch den menschlichen Geist hervor zu bringen D1 14,25 vollkommner] vollkommener D1 14,26 wollte? –] wollte? D1 14,30 Silber,] Silber D1

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Denkwürdigkeiten

15,1–4 Schön ist Mutter Natur 〈. . .〉 denkt!] Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht, aber schöner ein froh Gesicht, das den großen Gedanken deiner Schöpfung noch einmal denkt! D1 15,10 Metall, von ächtem innerem] Metall von ächtem inneren D1 15,16 Endzweck] Endzwecke D1 15,27 nur einst] nur D1 15,28 gewezt] gewetzt D1 15,29 außer] ausser D1 16,1 bei] bey D1 16,5 bei] bey D1 16,9 Alles,] Alles D1 16,19 Punkte] Punkt D1 16,20 einmal] einmahl D1 16,20–21 her zerstreute] herzerstreute D1 16,22 zusammenfaßt] zusammen fasse D1 16,23 lernt] lernte D1 16,31 n ü z l i c h e s ] nützliches D1 16,31 e d l e s ] edles D1 16,32 selbst] selber D1 17,2 untergeordnetes] unter geordnetes D1 17,8 das] daß D1 17,12 Plaz] Platz D1 17,12 g e s i t t e t e n T h e i l ] gesitteten Theil D1 17,15 nach] auf D1 17,15 fordre] fodre D1 17,17 Mensch,] Mensch D1 17,19 zwei] zwey D1 17,20 welchen] welchem D1 17,21 g e s i t t e t e n T h e i l ] gesitteten Theil D1 17,30 den] dem D1 17,30 nüzliche] nützliche D1 17,32 dieß] dies D1 17,32 Unendliche] unendliche D1 17,33 zulezt] zuletzt D1 18,2–3 N ü z l i c h e n ] nützlichen D1 18,6 überrechnet –] überrechnet. – D1

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18,7 Bei] Bey D1 18,8–12 a u f d i e M e n s c h e n 〈. . .〉 h i l f t ] in D1 nicht hervorgehoben 18,9 z u r ü c k w i r k t ] zurück wirkt D1 18,12 h i l f t – sondern] hilft, sondern D1 18,21 gezogen –] gezogen. – D1 18,22 veredeln] veredlen D1 18,22–23 erst selbst] selber erst D1 18,24 Methoden,] Methoden D1 18,29 Erziehungsgeschäft] Erziehungs-Geschäft D1 18,30 Z w e c k ] Zweck D1 18,31 leztere] letztere D1 19,2 eignen] eigenen D1 19,7 zugleich] zu gleich D1 19,8 nüzliches] nützliches D1 19,12 darin] darinn D1 19,12–13 w a h r e A u f k l ä r u n g ] wahre Aufklärung D1 19,13 a l l g e m e i n ] allgemein D1 19,19 Zuschnitt] Zuschnitte D1

Stellenerläuterungen 13,6–7 〈Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur〉] Weitere Drucke: Das Edelste in der Natur, in: GL, S. 74–88 (KMA 6, S. 321,10–327,20); LP, S. 74–88. 13,8–11 Was giebt es Edleres 〈. . .〉 strebt] Vgl. S. 10,10–11. 13,21 Statüen] Statüe: E i n e S t a t ü e v o n H o l z , M a r m o r , G y p s ,

M e t a l l u. s. f. Es ist zunächst aus dem Französ. Statue, dessen Aussprache auch im Hochdeutschen beybehalten wird. Im Oberdeutschen hingegen folgt man dem Lateinischen Statua, und spricht und schreibt daselbst Statua, Statue 〈. . .〉 (Adelung 4, Sp. 307). 13,24–26 Die gütige Natur 〈. . .〉 hervorgebracht haben] Vgl. BNS, S. 19 (KMA 3): Jedes schöne Ganze aus der Hand des bildenden Künstlers, ist daher im Kleinen ein Abdruck des höchsten Schönen im großen Ganzen der Natur; welche das noch m i t t e l b a r durch die bildendende 〈!〉 Hand des Künstlers nacherschafft, was unmittelbar nicht in ihren großen Plan gehörte.

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Denkwürdigkeiten

14,3–4 ahmt die große Natur im Kleinen nach] Vgl. S. 10,8–19. 14,15–19 In ihrem mütterlichen Schooße 〈. . .〉 hervorruft] Ähnlich begründet Johann Gottfried Herder (1744–1803) in seiner Geschichtsphilosophie die Unsterblichkeit des einzelnen mit der Vervollkommnung seiner Gattung: Gehet

ein Mensch von hinnen, so nimmt er nichts als das Bewußtseyn mit sich, seiner Pflicht, Mensch zu seyn, mehr oder minder ein Gnüge gethan zu haben. 〈. . .〉 Der Gebrauch seiner Fähigkeiten 〈. . .〉, die das ihm geliehene Stammgut oft hoch übersteigen, fallen s e i n e m G e s c h l e c h t anheim (Briefe zu Beförderung der Humanität; Herders Sämmtliche Werke, Bd. 17, S. 116). Vgl. dazu auch BNS, S. 43 (KMA 3): Und das Individuum muss dulden, wenn die Gattung sich erheben soll. 14,27 bürgerlichen Welt] Hier im Sinne von Kant: »›die bürgerliche gesellschaft‹, der staat« (DWb 2, Sp. 540). 15,1–4 Schön 〈. . .〉 denkt!] Ungenaues und unvollständiges Zitat der ersten Verse von Friedrich Gottlieb Klopstocks (1724–1803) Ode Der Zürchersee: Schön

ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht, / Auf die Fluren verstreut; schöner ein froh Gesicht, / Das den grossen Gedanken / Deiner Schöpfung noch einmal denkt (Oden von Klopstock. Zürch im August 1750, S. 5); vgl. auch VP, S. 21, 142 u. 237 (KMA 3). Vgl. auch Die Schöpfungsfeier bei einem Spatziergange des Morgens: in euch steht diese ganze schöne Schöpfung mit lebendigen Farben abgemahlt. Und dieses Bild ist innig schöner und lebender, als die ganze Natur an sich selbst (in: Unterhaltungen, S. 149–160, hier S. 159; KMA 6, S. 95,28–31). 15,12–14 und über die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse 〈. . .〉 sein geistiges Wesen ganz vergißt] Vgl. S. 10,3–4. 16,4–7 Der Mensch muß es wieder empfinden lernen 〈. . .〉 um des Ganzen willen da ist] Zum Verhältnis von Egoismus und Altruismus vgl. Erl. zu S. 13,4–5. 16,9–12 Alles 〈. . .〉 begreifen] Der Blick des Menschen bringt die Natur hervor, vgl. Die Schöpfungsfeier bei einem Spatziergange des Morgens: Die Natur kann sich selbst nicht beschauen, aber wir können sie betrachten, und können sie mit einem großen Blick umfassen. Der Mensch ist das Auge der Natur, womit sie sich selbst betrachtet (in: Unterhaltungen, S. 149–160, hier S. 159; KMA 6, S. 95,32–96,1), vgl. S. 15,1–4 und Erl. 16,24–26 ein gemeinschaftlicher Faden 〈. . .〉 durchlaufen] Vollkommenheit (perfectio) definierte die Leibniz-Wolffsche Schulphilosophie als consensus in varietate, dessen Ordnung (perfectionis gradus) sich dem Vorstellungsvermögen der Seele (vis repraesentatiua) erschließe. Vgl. Christian Wolffs Vernünff-

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tige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt: Die Zusammenstimmung des mannigfaltigen machet die Vo l l k o m m e n h e i t der Dinge aus (in: Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 und 2.2, z. B. § 152, S. 78). Ähnlich in Johann Christoph Gottscheds Ersten Gründen der gesammten Weltweisheit: Die Vo l l k o m m e n h e i t ist also die Uebereinstimmung des Mannichfaltigen (S. 239, § 256); und ebd., S. 580, § 1061: 〈. . .〉 d a ß d a s We s e n d e r S e e l e i n d e r v o r s t e l l e n d e n K r a f t d e r We l t b e s t e h e . 16,30–32 Der einzelne Mensch 〈. . .〉 betrachtet werden] Dieser moralphilosophisch-anthropologischen Grundfigur entspricht in der Ästhetik das Autonomiepostulat (der Gedanke vom ›in sich selbst vollendeten Schönen‹ wird von dort aus wirkmächtig): Der edle Mensch aber, zieht, für sich ganz allein, unsre

ganze Aufmerksamkeit und Bewundrung auf sich; ohne alle Rücksicht auf irgend etwas ausser ihm, oder auf irgend einen Vortheil, der uns für unsre eigne Person aus seinem Daseyn erwachsen könnte (BNS, S. 7; KMA 3); als ein leitender ›Gesichtspunkt‹ aller schönen Künste und Wissenschaften bereits 1785 formuliert im Aufsatz Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten (in: BM, Bd. 5, 1785, S. 225–236; KMA 3). 17,3–4 er ist ein in sich selbst vollendetes Ganze] Der ›edle‹ Mensch ist ›schön‹, weil er, wie es in Moritz’ Schrift Ueber die bildende Nachahmung des Schönen für das ›Schöne‹ heißt, seinen ganzen Werth, und den Endzweck seines Daseyns in sich selber hat (BNS, S. 13; KMA 3), so daß also mit dem Begriff des Schönen der Begriff von einem für sich bestehenden Ganzen unzertrennlich verknüpft ist (ebd., S. 16; KMA 3), vgl. Versuch einer Vereinigung (KMA 3). 17,7 Gran] Kleine Gewichtseinheit; ursprünglich das Gewicht eines Gerstenkorns (lat. granum); vgl. DWb 8, Sp. 1820–1825. 17,11 Zufall] In der seit dem 17. Jh. gängigen Bedeutung: »das unberechenbare geschehen, das sich unserer vernunft und unserer absicht entzieht« (DWb 32, Sp. 345). Das Motiv vom ›Zufall der Geburt‹, demzufolge der einzelne nicht nach seiner Herkunft, sondern nach seinen Verdiensten zu beurteilen ist, gehört zu den zentralen, die heterogenen Teile der Zeitschrift verknüpfenden Leitgedanken. 17,12 g e s i t t e t e n ] gesittet hier im Sinne von »gute Sitten an sich habend 〈. . .〉 vertieft von moralischer und geistiger bildung« (DWb 5, Sp. 4125); in 〈Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere〉 (vgl. S. 28,22–36,19 in diesem Bd.) durch denkend ersetzt.

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Denkwürdigkeiten

17,18–20 Eins 〈. . .〉 zerfällt] Dieser Gedanke findet sich beinahe wörtlich in 〈Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere〉, S. 28,22–36,19 in diesem Bd. 18,5 kameralistischen] Vgl. Erl. zu S. 10,1. 18,24–25 Methoden 〈. . .〉 Erzieher] Die Erziehung der Erzieher gehörte zu den zentralen Fragestellungen der zeitgenössischen Reformpädagogik, vgl. prominent Christian Gotthilf Salzmann, Ameisenbüchlein, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher. Schnepfenthal: Buchhandlung der Erziehungsanstalt 1806 (vgl. Erl. zu S. 56,17–25); vgl. entsprechend Moritz’ Vorwort zum dritten Teil des Anton Reiser (KMA 1, S. 202,6–10). In den pädagogischen Teilen der Denkwürdigkeiten werden die Grundsätze von Salzmanns Pädagogik verhandelt (Ausbildung der körperlichen und handwerklichen Fähigkeiten, Naturkunde bzw. Kenntnis der Natur, Erziehung zum selbständigen Gebrauch der Verstandeskräfte etc., vgl. dazu wiederum Salzmann, Noch etwas über die Erziehung nebst Ankündigung einer Erziehungsanstalt, Leipzig: Siegfried Lebrecht Crusius 〈1784〉. 19,7–8 jeden einzelnen Menschen immer zugleich als Zweck und Mittel] Ein ähnlicher Gedankengang findet sich in Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785): Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes

vernünftige Wesen, e x i s t i e r t als Zweck an sich selbst, n i c h t b l o ß a l s M i t t e l zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit z u g l e i c h a l s Z w e c k betrachtet werden (Immanuel Kant, Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie, 1. T. [Werke in 10 Bdn., hrsg. v. Wilhelm Weischedel; 6], Darmstadt 1975, S. 59f.). 19,9–14 Daß nun jeder einzelne Mensch 〈. . .〉 betrachtet werden soll] Moritz’ Beitrag zur u. a. in der Berlinischen Monatsschrift geführten Debatte um die Frage ›Was ist Aufklärung?‹, an der sich auch Johann Friedrich Zöllner (1753–1804; BM, Bd. 2, 1783, v. a. S. 516), Moses Mendelssohn (1729–1786; BM, Bd. 4, 1784, S. 193–200) und Immanuel Kant (1724–1804; BM, Bd. 4, 1784, S. 481–494) beteiligt haben. 20,1 Zweites Stück] Das 2. Stück erschien am Dienstag, dem 10. Januar 1786 (vgl. VZ, 4. St., 10. Januar 1786: Heute wird das zweite Stück der D e n k w ü r -

d i g k e i t e n bei J. F. Unger für I Gr. ausgegeben, welches einen Aufsatz über M o s e s M e n d e l s s o h n v o n e i n e m s e i n e r F r e u n d e enthält).

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Ueber Moses Mendelssohn Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Ueber Moses Mendelssohn. In: DW 1786 I, 2. St., S. 17–24. Fortgesetzt in: 4. St., S. 49–53; 7. St., S. 97–101; 9. St., S. 129–133.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 20,2 Ueber Moses Mendelssohn] Moses Mendelssohn (1729–1786), jüdischer Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer; gehörte zu den wichtigsten Lehrern Moritz’ seit 1779 (über das Verhältnis Moritz-Mendelssohn vgl. Meier 2000, S. 36). – Die in mehreren Fortsetzungen (vgl. S. 37,12–40,7, 65,14–68,4 u. 83,18–86,3 in diesem Bd.) publizierte Hommage an den am 4. Januar 1786 verstorbenen Gelehrten entstand in unmittelbarem Zusammenhang mit der nach Mendelssohns Tod erbittert geführten Auseinandersetzung um Lessings Spinozismus, die Mendelssohns Streit mit Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) fortsetzte und sich schnell zu einer grundlegenden Debatte über das Selbstverständnis der Berliner Spätaufklärung im Spannungsverhältnis von Glaube und Vernunft auswuchs (vgl. dazu Stockinger 2011). Moritz hatte sich daran bereits mehrfach beteiligt, in: VZ, 10. St., 24. Januar 1786 (Wiederabdruck in: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 15, 27. Januar 1786); in: VZ, 16. St., 7. Februar 1786; und in: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 30, 22. Februar 1786, vgl. KMA 10. – Klischnig wies in seinen 1794 publizierten Erinnerungen ausdrücklich auf Moritz’ Mendelssohn-Hommage hin: Einige kleine Züge von

dem Gemählde dieses wahren Weisen, die als Materialien zu einer künftigen Lebensbeschreibung dienen sollten, hat Reiser in den Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Edlen und Schönen entworfen. Die Lebensbeschreibung eines solchen Mannes, gut bearbeitet, müßte ein belehrendes Werk, der edelste Beitrag zur Beförderung der Humanität werden. Einen solchen Kopf sich unter dem Druck körperlicher Bedürfnisse hervorarbeiten sehn, sehn wie er in Verbindung mit einigen edlen Freunden, auf die

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Bildung seines Jahrhunderts würkte – kein Anblick kann wohl herzerhebender und stärkender seyn! (Erinnerungen, S. 83f.). 20,3 Denkwürdigen] Vgl. Erl. zu S. 3,1. 20,12 Geisterwelt] Vgl. Gottsched, Erste Gründe der gesammten Weltweisheit, S. 626–633, §§ 1167–1183: Geister sind die vernünftigen Einwohner der Welt (§ 1167), sie sind sich darinn ähnlich, daß sie Verstand, Vernunft und einen freyen Willen haben (§ 1168), sie stimmen in ihren Absichten mit denjenigen Gottes überein (§ 1169) und befinden sich also mit diesem i n e i n e r G e s e l l s c h a f t : F o l g l i c h g i e b t e s d e n n i n d e r We l t e i n e R e p u b l i k d e r G e i s t e r , d a r i n n G o t t d e r M o n a r c h i s t (§ 1170). 20,13–17 Um den Verstand 〈. . .〉 emporarbeiten] Die Anthropologie des ›Mängelwesens‹ (Herder), derzufolge die Defizite der menschlichen Konstitution (Instinktschwäche) die Voraussetzung für deren Vervollkommnung und damit für ›Aufklärung‹ überhaupt sind – ein Leitgedanke der Denkwürdigkeiten –, wird hier auf Mendelssohns biographische Verhältnisse übertragen (zur Vorbildhaftigkeit der mit Mendelssohns Biographie verbundenen ›Aufklärung durch Widerstand‹ für Moritz vgl. Stockinger 2005). – Analog dazu (und in Anlehnung an die Selbstdarstellung in Anton Reiser) heißt es in Klischnig, Erinnerungen, S. 〈V〉, über Reiser/Moritz: 〈. . .〉 der Druck, unter dem er sich erst mit vieler Anstrengung hervorarbeiten mußte 〈. . .〉, vgl. Anton Reiser: Unter diesen Umständen

wurde Anton gebohren, und von ihm kann man mit Wahrheit sagen, daß er von der Wiege an unterdrückt ward (KMA 1, S. 15,4–6), u. a.; RDI I, S. 191 (KMA 5/2). 20,28 Vater] Mendel (Menachem) Heymann (ca. 1682–1766), zunächst Küster und ›Schulklopfer‹ (der die Gemeindemitglieder morgens zum Gebet in der Synagoge ›herausklopft‹) der Dessauer Synagoge, später Elementarlehrer und Sofer (Schreiber) der Gemeinde (vgl. Altmann 1967, S. 237–275). 20,29 Nation] Die Zugehörigkeit zu einer ›Nation‹ bestimmte sich nicht territorial-, sondern geburtsrechtlich: N a t i o n 〈. . .〉 heisset seiner eigentlichen und

ersten Bedeutung nach, so viel, als eine vereinigte Anzahl Bürger, die einerley Gewohnheiten, Sitten und Gesetze haben. Aus dieser Beschreibung folget von selbst, daß ein gewisser, grosser oder kleiner Bezirck des bewohnten Erd-Kreises, eigentlich nicht den Unterschied der Nationen ausmache; daraus folgt auch, daß die Geburth selbst, und der Vater, nicht aber der Ort der Geburth den Ausschlag machen, zu welcher Nation jemand gehöret (Zedler 23, Sp. 901f.).

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21,3 Zufall der Geburt] Vgl. Erl. zu S. 17,11. 21,3–6 Theilnahme 〈. . .〉 gebohren wird] Stellungnahme zur zeitgenössischen Debatte um die ›Emanzipation der jüdischen Nation‹, zu deren publizistisch wirksamstem Befürworter Christian Wilhelm (von) Dohm (1751–1820) wurde (Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1781). Mendelssohn beteiligte sich daran u. a. mit der Herausgabe einer von Marcus Herz (1747–1803) übersetzten Schrift Samuel Manasse ben Israels (Manasseh Ben Israel, Rettung der Juden. Aus dem Englischen übers. Nebst einer Vor-

rede von Moses Mendelssohn. Als ein Anhang zu des Hrn. Kriegsraths Dohm Abhandlung: Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1782). Die jüdische Aufklärungsbewegung (Haskala) orientierte sich weitgehend an Dohms Forderungskatalog (vgl. Schulte 2002, S. 38). 21,22 Nationaldialekt] Mendelssohns Muttersprache war das späte West-Jiddisch. 21,22 verwöhnt] ›verbildet‹ (vgl. DWb 25, Sp. 2333). 21,24 Reinigkeit und Eleganz] Das Stilideal der ›elegantia‹ (›Auserlesenheit‹) zielt auf die Koppelung von Rhythmus, Klang und Präzision (claritas) im Ausdruck (vgl. Hist. Wb. d. Rhetorik 2, Sp. 1002). 21,29 Perioden] Periode: sprachwissenschaftl. »geschlossener Redesatz; Gliedersatz« (Schulz/Basler 2, S. 457); in der Lehre vom Styl, eine Reihe logisch

zusammenhängender und zu einem einzigen Satze verbundener Sätze, oder besser: ein in mehre〈!〉 Glieder ausgebildeter Satz (Allgemeine deutsche RealEncyklopädie 8, S. 366). 21,29 körnichten] körnicht, körnig: übertragen im Sinne von »gediegen, gehaltvoll« (DWb 11, Sp. 1826f.). 22,2–3 mechanischer 〈. . .〉 Arbeiten] In Berlin war Mendelssohn seit 1754 Buchhalter in einer Seidenmanufaktur (Besitzer: Isaak Bernhard); 1764 gründete er eine eigene Seidenweberei und führte nach Bernhards Tod (1768) dessen Unternehmen weiter. 22,5–7 Gelehrter von Profession 〈. . .〉 genießen kann] Möglicherweise Anspielung auf den zeitlebens unverheirateten Sprachforscher, Lexikographen und Übersetzer Johann Christoph Adelung (1732–1806), dem die biographische Überlieferung eine eheähnliche Liaison mit seinem Schreibtisch nachsagte und der somit als eine Art Prototyp des ›Gelehrten von Profession‹ galt (vgl. Stockinger 2003).

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Denkwürdigkeiten

22,12–24 Sein unersättlicher Durst 〈. . .〉 viele Jahre büßte] Die Darstellung orientiert sich hier eng am Vorbericht von Mendelssohns Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes von 1785 (vgl. Erl. zu S. 23,2); vgl. Mendelssohn, JubA 3,2, S. 〈3〉–5. 22,15 Wo l f und L e i b n i z ] Christian Wolff (1679–1754), Zentralfigur der frühaufklärerischen Schulphilosophie, die das rationalistische System Rene´ Descartes’ (1596–1650) in Verbindung mit der optimistischen Metaphysik Gottfried Wilhelm Leibniz’ (1646–1716) im Deutschland des frühen 18. Jhs. etablierte und popularisierte. Wichtige Grundsätze sind u. a.: die Gleichsetzung der Existenz einer Sache mit deren Denkmöglichkeit, das finalgenetische Prinzip (der Satz vom zureichenden Grunde, vgl. Erl. zu S. 31,21–22), das Prinzip der Willensfreiheit als Bestimmungsmerkmal des menschlichen Wesens (vgl. Erl. zu S. 39,15–16), der Nachweis einer vernünftigen Weltordnung (vgl. Erl. zu S. 44,1) sowie die Ausrichtung auf menschliche Glückseligkeit und Perfektibilität. 22,16 Wollust] Hier die ›moralische‹, ›vernünftige‹ Begierde (im Unterschied zur rein ›animalischen‹), vgl. Walch, Philosophisches Lexicon, Sp. 2938f. 22,24 Standhaftigkeit] Stoisches Ideal der constantia, vgl. z. B. Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 58, 60f., 135f.; zentrale Handlungsvorgabe in Moritz’ Schriften zur Freimaurerei, vgl. z. B. Des Maurergesellen Wanderschaft in GL, S. 29f. (KMA 6, S. 302f.). 22,29–30 Z i e g e l 〈. . .〉 z ä h l e n ] Überliefert auch von Marcus Elieser Bloch (1723–1799) in: Medicinische Bemerkungen. Nebst einer Abhandlung vom Pyrmonter-Augenbrunnen, Berlin 1774, S. 66–69 (zu Mendelssohns Krankheitsgeschichte; zit. nach Mendelssohn, JubA 22, S. 115–117 hier S. 116): Was ich mir

bey ihm am schwersten vorstellte, war die Unterlaßung alles Lesens, Schreibens, aller gelehrten Gespräche, und des Nachdenkens. 〈. . .〉 Ich wunderte mich daher nicht wenig, als ich einmal, da ich ihn besuchte, auf die Frage, wie er sich die Langeweile vertriebe? zur Antwort erhielt: Ich zähle meines Nachbars Dachziegeln. 23,1 P s a l m e n ü b e r s e t z u n g ] Die Psalmen. Uebers. von Moses Mendelssohn, Berlin: Friedrich Maurer 1783. – Es handelt sich dabei um eine versifizierte Übertragung. 23,1 J e r u s a l e m ] Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum, Berlin: Friedrich Maurer 1783. – Das Plädoyer für die Trennung von Staat (Landesverordnung) und Religion (Religionsmeinung) wandte sich gegen zeitgenössische Forderungen nach einer Assimilation oder Akkulturation der Juden: Wer die öffentliche Glückseligkeit nicht stöhret 〈. . .〉, den lasset sprechen, wie er

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denkt, Gott anrufen nach seiner Väter Weise, und sein ewiges Heil suchen, wo er es zu finden glaubt (S. 203f.). Dieser Aufruf zu Toleranz enthält zugleich eine (letzte) Antwort auf Lavaters Bekehrungsversuch (vgl. Moses Mendelssohn,

Schreiben an den Herrn Diaconus Lavater zu Zürich, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1770; Johann Caspar Lavater, Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin. Nebst einer Nacherinnerung von Moses Mendelssohn, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1770) und kennzeichnet Mendelssohns Glauben an die Vereinbarkeit von Aufklärung und jüdischer Religion (vgl. Schulte 2002, S. 56f.). Gegen die einseitige Aufklärung der Juden als Menschen (die Lavaters Konversionsforderung beispielhaft zum Ausdruck gebracht hatte) etablierte sich die jüdische Aufklärungsbewegung (Haskala) mit dem Ziel einer Aufklärung der Juden als Juden (vgl. Schulte 2002, z. B. S. 28f.). 23,2 M o r g e n s t u n d e n ] Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes, 1. T., Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn 1785, vgl. Mendelssohn, JubA 3,2, S. 〈1〉–175. Gegenstand ist ein spekulativer Gottesbeweis, der aus der Tatsache der begrenzten menschlichen Erkenntnisfähigkeit die Existenz eines unendlichen Verstandes ableitet (S. 146f.). Die Schrift wurde von Kant als das letzte Vermächtniß einer dogmatisirenden Metaphysik bezeichnet (〈Christian Gottfried Schütz〉, Rezension von Moses Mendelssohns Morgenstunden, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 1, Jena, 2. Januar 1786, Sp. 1–6; Nr. 7, Jena, 9. Januar 1786, Sp. 49–56, hier Sp. 56). – Vor dem Hintergrund der zeitgleichen Auseinandersetzung mit Jacobi stellen die Morgenstunden den Versuch Mendelssohns dar, Lessings Position im Rahmen einer allgemein verträglichen Konzeption eines ›geläuterten Spinozismus‹ zu rechtfertigen (vgl. Stockinger 2011). 23,3–6 Diese M o r g e n s t u n d e n 〈. . .〉 aufgelegt war] Angelehnt an die Darstellung Mendelssohns im Vorbericht zu den Morgenstunden (vgl. Mendelssohn, JubA 3,2, hier S. 4). 23,8 k ö r p e r l i c h e D i ä t ] Vgl. dazu 〈Johann Jacob〉 Engel, 〈Vorwort〉, in: Mo-

ses Mendelssohn an die Freunde Lessings. Ein Anhang zu Herrn Jacobi Briefwechsel über die Lehre des Spinoza, Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn 1786, vgl. Mendelssohn, JubA 3,2, S. 〈177〉–184, hier S. 179f. 23,24 Handlungskomtoir] ›Handlung‹ hier synonym zu ›Handel‹ (DWb 10, Sp. 406; Adelung 2); Comtoir, Comptoir, Comtor (franz.), eine Schreibstube bey Kaufleuten (Schweizer 1811, 1. Bd., S. 161). 23,32 Desseins] Dessein: Plan, Muster (Schweizer 1811, 1. Bd., S. 219); ›Entwurf‹, Skizze, die der eigentlichen Ausführung eines Projekts vorausgeht (Zedler 1, Sp. 168). 24,8–9 zufällige Lenkung 〈. . .〉 Kräfte] Vgl. Erl. zu S. 17,11.

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Das Buch Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇCarl Philipp Moritz,È ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen prakti-

schen Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 36–43. J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Das Buch. In: DW 1786 I, 2. St., S. 25–30. D2 ÇK. P. Moritz,È Das Buch. In: Lesebuch für Kinder von K. P. Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit. Berlin, 1792. Bey Christian Gottfried Schöne, S. 16–19 (Teildruck). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 24,25–28 Daß die Geschichte der Vorwelt 〈. . .〉 besitzen;] fehlt in D2 24,26 Künsten] Künsten, D1 24,26 ist;] ist. D1 24,27 Gestorbenen] Gestorbnen D1 25,1 Das] das D2 25,1 alles den] fehlt in D2 25,1 v i e r u n d z w a n z i g ] v i e r u n d z w a n z i g D1 25,3 zusammengesezt] zusammengesetzt D1 D2 25,4–26,1 Dergleichen 〈. . .〉 Bücherwelt.] Die Zusammensetzung der

Schrift aus Buchstaben ist an sich eine große und wundervolle Sache, die uns nur wegen des öftern Gebrauchs so alltäglich und gewöhnlich vorkommt. Durch die Schrift reden die Todten, deren Mund schon lange geschlossen ist, noch immer zu den Lebendigen. Künste und Wissenschaften und nützliche Erfindungen sind durch die Schrift aus den ältesten Zeiten bis auf uns gekommen. Wenn man dies recht bedenkt, so ist ein nützliches Buch eine heilige Sache, welcher man durch den besten Ge-

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brauch, den man davon macht, gleichsam Ehre erweisen muß. Vermittelst der einmal erfundnen vier und zwanzig Buchstaben können tausend menschliche Begebenheiten und Erzählungen, Dinge, die im Himmel und auf Erden sind, in dem kleinen Umfange einer Sammlung von Büchern dargestellt werden. Die Buchstaben können in Metall gegossen, und alsdann nach Gefallen zusammengesetzt und wieder auseinander genommen werden. Statt daß man sonst mit der Feder jeden einzelnen Buchstaben schreiben muß, kann durch die Zusammensetzung der metallnen Buchstaben, eine ganze Seite voller Schrift auf einmal auf dem Papiere abgedruckt, und in der größten Reinigkeit und Schönheit dem Auge dargestellt werden. Ein solcher Abdruck kann zu tausendmalen wiederholt, und auf die Weise kann die Schrift, welche die Gedanken des Menschen ausdrückt, in kurzer Zeit unzähligemal vervielfältigt werden. So kann ein einziger Mensch in sehr kurzer Zeit seine Gedanken unter eine erstaunliche Anzahl von Menschen verbreiten, die sich nie auf einen Haufen versammlen würden, um ihn reden zu hören. Was hier von dem Buche gesagt wird, ist sehr wahr; Denn ich kenne auch den Mann nicht, der dieses Buch geschrieben hat; Ich habe ihn nie gesehn, und lese doch seine Worte, wodurch er seine Gedanken ausdrückt. Dies Buch ist gedruckt und nicht geschrieben. Wie also das eine von diesen Büchern ist, so sind sie alle; Denn die metallnen Buchstaben, wovon es abgedruckt ist, verändern, während dem Druck, ihre Züge nicht, sondern bleiben sich immer gleich. Um mir hiervon einen recht deutlichen Begriff zu machen, muß ich selbst eine Druckerei sehen. D2 25,6 dabei] dabey D1 25,8 wir sollten –] wir es sollten. D1 25,9–10 also 〈. . .〉 Figuren] der nicht, der zuerst diese vierundzwanzig kleinen Figuren erfand D1 25,11 menschliche] menschlichen D1 25,11 Dinge,] Dinge D1 25,12–13 einer Sammlung von Büchern dargestellt werden können!] eines Buches dergestalt reden D1 25,14 hat] hat nicht D1 25,15–20 kleinen Figuren 〈. . .〉 verbreitet werden können.] Buchstaben, die von den b u c h e n e n S t ä b e n , worin sie zuerst geschnitten wurden, ihren Nahmen führen, in Metall zu gießen, wo man sie nun, wenn von jedem Buchstaben eine hinlängliche Anzahl gegossen ist, die in besondern

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Kästchen liegen, nach Gefallen nebeneinandersetzen und Wörter daraus bilden kann, die nun, wenn die Fläche der zusammengesetzten Buchstaben mit schwarzer Farbe bestrichen ist, zu unzähligenmalen auf weißes Papier abgedruckt, und vervielfältigt werden können! Eine ganze Seite also, die sonst jedesmal Wort für Wort mußte abgeschrieben werden, steht nun, wenn die kleinen metallnen Figuren einmal zu Worten zusammengesetzt sind, in weniger als einer Minute, auf dem Papier da – und zwar mit weit mehr Schönheit und Ordnung, als wenn die Worte geschrieben wären – denn wenn man etwas, daß sehr schön geschrieben ist, bezeichnen will, so sagt man: es ist geschrieben, als ob es gedruckt wäre. Hierdurch wird es nun möglich gemacht, daß die Gedanken eines einzigen Menschen in kurzer Zeit und mit leichter Mühe, unter vielen tausend Menschen verbreitet werden können – Die Erlernung aller Wissenschaften wird dadurch erleichtert und allgemeiner gemacht – D1. 25,21–22 Durch diese vier und zwanzig kleinen Figuren 〈. . .〉 wirkt] Und die Seelen der Menschen können sich nun, in jeder Entfernung durch die Bücher miteinander unterreden, und sich untereinander belehren; ja durch die Bücher können sogar die Todten um ihre Meinung befragt werden – Wie denn der Verfasser des Buchs, das in einer der Kupferplatten steht, mit Namen H o r a t i u s F l a c c u s , schon vor mehr als tausend Jahren gestorben ist, und dennoch jetzt den Menschen, die ihn lesen, die Weisheit des Lebens lehrt; so daß einer unsrer Dichter, der erst vor Kurzem gestorben ist, ihn seinen Freund, seinen Lehrer und seinen Begleiter nannte, weil er die Schriften desselben, die in lateinischer Sprache verfaßt sind, zu seiner Lieblingslektüre gemacht hatte. Zu der Zeit, da Horaz in Rom lebte, war die B u c h d r u c k e r e i noch nicht erfunden, sondern die Bücher mußten mühsam auf Pergament geschrieben werden; waren also viel kostbarer und seltener, als zu unsern Zeiten. Dasselbe Buch also, welches lange vorher geschrieben wurde, ehe man noch an Buchdruckereien dachte, ist jetzt durch die Buchdruckerei, die erst seit ein paar hundert Jahren erfunden ist, weit mehr vervielfältigt und verbreitet, als es bei seiner Entstehung war. Fast in allen Schulen von ganz Europa werden die Schriften des Horaz gelesen und erklärt, und aus der lateinischen in jede Landessprache übersetzt. Jeder Mensch, der es zu seinem Geschäft macht, seinen Geist zu bilden, sucht auch den Horaz verstehen zu lernen. So wirkt also durch diese vierundzwanzig kleinen Figuren, die entweder geschrieben oder gedruckt sind, D1

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25,27 B u c h ] B u c h , D1 25,28 Geistes] Geistes, D1 25,28 erhabener] erhabner D1 25,30–31 Allein die Bücher 〈. . .〉 Zahl] Der Weg, der jetzt einem Buche

bei seiner Entstehung vorgeschrieben wird, ist folgender: Aus den Händen des S c h r i f t s t e l l e r s , der es schreibt, wandert es in die Werkstätte des B u c h d r u c k e r s , der es druckt; von da in den Laden des B u c h h ä n d l e r s , der es verkauft; alsdenn wieder in die Werkstätte des B u c h b i n d e r s , der für seinen äußern Schmuck sorgt, und von da in die Studierstube des G e l e h r t e n , der sich daraus neue Kenntnisse sammlet, oder in die Bibliothek des Mannes von Geschäften, bei dem das Lesen nur Nebensache ist. Durch die Hervorbringung, den Vertrieb und die äußere Verzierung des Buches werden also schon eine große Anzahl von Menschen in Bewegung gesetzt. Wie weit mehr aber durch das Lesen der Bücher – der ganze gelehrte S t a n d lebt und webt zum Theil in der Bücherwelt – Der Arzt, der Rechtsgelehrte, der Religionslehrer, der Philosoph, ziehen alle ihre ersten Kenntnisse aus Büchern; hernach nehmen sie die E r f a h r u n g zu Hülfe. Die Bücher machen D1 25,32 nicht mehr] nicht, als D1 25,33–26,1 kann; 〈. . .〉 D i e B ü c h e r w e l t . ] kann, sondern sich außer der großen Natur- und Kunstwelt, noch eine B ü c h e r w e l t denken muß. D1 26,2–3 In den unzähligen Büchern 〈. . .〉 zusammenfassen kann –] weil kein menschlicher Kopf, das mehr zusammenfassen kann, was die Bücher, die in der Welt sind, enthalten. D1 26,18–19 Die Bücher 〈. . .〉 in ihr] Denn die Bücher sind gleichsam eine Welt außer den Menschen geworden, die nicht in ihm, sondern worin er D1 26,20–27,22 Er umfaßt 〈. . .〉 enthüllt.] fehlt in D1 Stellenerläuterungen 24,24 Das Buch] Die Vorlage für den Beitrag bildet wohl Moritz’ Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik, die zwischen Herbst 1785 und März 1786 erschien (s. KMA 6, S. 143–231, hier S. 164–169). 24,25–30 Daß die Geschichte 〈. . .〉 gethan haben] Die seit der Antike mit der Dichtung verbundene Topik der Unsterblichkeit (vgl. Horaz: Exegi monumentum aere perennius / Denkmal steht, was ich schuf, ewiger als Metall; in: Horaz, Werke, 1, S. 239; Oden III, 30) wird hier aus der Perspektive der Nachwelt betrachtet, die den avisierten Nachruhm allererst ermöglicht.

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25,14–15 derjenige 〈. . .〉 gießen] Johannes Gutenberg (ca. 1397–1468) gilt als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern. 25,24–26 Horaz 〈. . .〉 Begleiter] Die Erwähnung von Horaz wurde vmtl. inspiriert durch die dritte Kupfertafel in Moritz’ Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik (vgl. KMA 6, Abb. 11). Sie zeigt ein Buch mit dem Namen des Autors QVINTI HORATII FLACCI auf dem Titel und erläutert: Wie denn der Ver-

fasser des Buchs, das in einer der Kupferplatten steht, mit Namen H o r a t i u s F l a c c u s , schon vor mehr als tausend Jahren gestorben ist, und dennoch jetzt den Menschen, die ihn lesen, die Weisheit des Lebens lehrt; so daß einer unsrer Dichter, der erst vor Kurzem gestorben ist, ihn seinen Freund, seinen Lehrer und seinen Begleiter nannte, weil er die Schriften desselben, die in lateinischer Sprache verfaßt sind, zu seiner Lieblingslektüre gemacht hatte (KL, S. 40; KMA 6, S. 166,21–29). – Quintus Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.) und Friedrich von Hagedorn (1708–1754) gehören zu Moritz’ wichtigsten Referenzautoren (v. a. in Hinsicht auf das ›empfindsame‹, bevorzugt ›gesellige‹ Naturerlebnis); angespielt wird auf den ersten Vers von Hagedorns ›moralischem Gedicht‹ Horaz (1751): Horaz, mein Freund, mein Lehrer, mein

Begleiter (Herrn Friedrichs von Hagedorn sämmtliche Poetische Werke. In 3 T. Hamburg: Johann Carl Bohn 1757, 1. T., S. 68–82, hier S. 68). – Zur HorazLektüre vgl. Anton Reiser (KMA 1, S. 240,32 und Erl.); AH, S. 136 (KMA 2). 25,33–26,1 man denkt sich 〈. . .〉 Bücherwelt] Zur positiven Deutung der mit der Bücherwelt verbundenen (Schrift-)Gelehrsamkeit vgl. die Aufwertung des Worts in Andreas Hartknopfs Vierfaltigkeitslehre, die dieses in die Trinität von Vater, Sohn und Heiligem Geist hineinnimmt (AH, S. 38f.; KMA 2). 26,2 unzähligen Büchern 〈. . .〉 da sind] Vgl. Erl. zu S. 10,12–14. 26,26 unterscheiden] Zentrale epistemologische Kategorie für die Ausbildung der Denkkraft: U n t e r s c h e i d e n und benennen scheint also unzertrennlich mit einander verknüpft zu sein, und zwar in Hinsicht darauf, sich allmälig einen immer deutlichern Begriff von der Welt zu bilden (Moritz, Auch eine H y p o t h e s e ü b e r d i e S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e M o s i s , in: BM, Bd. 3, 4. St., April 1784, S. 335–346, hier S. 338 u. 341; KMA 7); vgl. auch Erl. zu S. 86,6–8. Zum Kontext s. auch Christian Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 u. 2.2, § 136, S. 71). Zur Anwendung auf die Ästhetik vgl. Moritz’ Beitrag Vom Isolieren, in Rücksicht auf die schönen Künste überhaupt (in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin, 2, 1789, 3. Bd., 2. St., S. 66–69; KMA 3).

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26,33–27,1 Vorurtheile 〈. . .〉 Aberglaubens] Der Kampf gegen Vorurteil und Aberglaube gehörte zu den Leitthemen in der Debattenkultur der Spätaufklärung, vgl. Schneiders 1983 u. Lexikon der Aufklärung, S. 25–27 u. 438–440. – Moritz plädierte für einen ›vernünftigen‹ Umgang mit dem ›verbreiteten Aberglauben‹:

Dieß Magazin soll keine Strafpredigten gegen Aberglauben und Schwärmerei enthalten, sondern beide als Gegenstände der ruhigen Beobachtung aufstellen, damit ihr Grund und Ungrund sich von selbst aufdecke (Ueber den Endzweck des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde, in: MzE VIII.1 1791, S. 1–5, hier S. 4; KMA 12). Er wandte sich damit gegen Karl Friedrich Pockels (1757–1814), der in der Zeit von Moritz’ Italien-Aufenthalt (August 1786 bis Januar 1789) nicht nur den zweiten Band der Denkwürdigkeiten, sondern auch fast drei Bände des Magazins zur Erfahrungsselenkunde (MzE V, VI und de facto VII.1/VII.2) verantwortet und aus dem Magazin ein »Kampforgan der Spätaufklärung« (Schrimpf 1980, S. 45) gemacht hatte. Moritz’ gemäßigte Haltung mag mit einem von Karl Friedrich Klischnig (1766–1811) geschilderten sonderbaren Besuch im Gartenhaus – in der Neuen Grünstraße in Neukölln – in Verbindung stehen, das Moritz und Klischnig von 1785 (Sommer) bis 1786 (Frühjahr) gemeinsam bewohnten: Ein fremder Graf irritierte durch seine augenscheinliche Gabe der Prophezeihung (er sagte die Italien-Reise voraus) den u. a. mit dem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde aufgenommenen (eindimensionalen) Kampf gegen Aberglaube und Schwärmerei (vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 106–114). 27,14 N a t h a n d e m We i s e n ] Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen, Berlin: C. F. Voß 1779; Lessings letztes Drama plädiert in der Frage nach der wahren Religion für vorurteilsfreie Humanität und Toleranz. Moritz bezieht sich mehrfach in seinem Werk auf dieses Stück und rühmt dessen alle Nebel des Vorurtheils durchdringende Klarheit (Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift, 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier S. 75). Von Klischnig ist überliefert, daß bei gemeinsamen Leseabenden im Hause Mendelssohns der Hausherr den Part Nathans vorgetragen habe und Moritz die Rolle Saladins oder des Tempelherrn (Klischnig, Erinnerungen, S. 83). 27,15 P h ä d o n ] Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drey Gesprächen, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1767; philosophische Lehrdialoge in platonischer Tradition. Vgl. S. 39,9. 27,15 M u s a r i o n ] 〈Christoph Martin Wieland,〉 Musarion, oder die Philosophie der Grazien. Ein Gedicht, in drey Büchern, Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1768; Verserzählung, Lehrgedicht gegen Schwärmerei und Fanatismus. Die höchste Feinheit und Grazie von Wielands Versen lobte Moritz an anderer

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Denkwürdigkeiten

Stelle (Der Dichter im Tempel der Natur, in: Deutsche Monatsschrift, 1793, 1. Bd., S. 72–78, hier S. 74); die Erzählung erscheint im Roman Andreas Hartknopf als Lieblingsbuch des Titelhelden unter den neueren Dichtern (AH, S. 136; KMA 2). 27,15 E m i l ] Vgl. Erl. zu S. 12,14. 27,16 G e s p r ä c h e n d e s S o k r a t e s ] Die Dialoge Platons (427–347 v. Chr.); in der zeitgenössisch einzigen Gesamtausg.: Werke des Plato. Aus dem Griechischen übers. von J. F. Kleuker, Bd. 1–6, Lemgo: Meyersche Buchhandlung 1778–1797. Für Moritz einschlägig ist die Teil-Übers. Friedrich Gedikes (Vier

Dialogen des Platon. Menon, Kriton und beide Alkibiades. Uebersetzt von Friedrich Gedike, Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn 1780), der die Kleukersche Übers. ablehnte (ebd., S. XIIf.) und stattdessen auf Einzelübers. verweist (ebd., S. X). 27,16 H o r a z e n s B r i e f e n ] Quintus Horatius Flaccus, Epistulae; C〈hristoph〉 M〈artin〉 Wieland, Horazens Briefe aus dem Lateinischen übersezt und

mit historischen Einleitungen und andern nöthigen Erläuterungen versehen, 1. und 2. T., Dessau: auf Kosten der Verlags-Kasse und zu finden in der Buchhandlung der Gelehrten 1782. 27,19–22 Ich kann es nun ruhiger abwarten 〈. . .〉 enthüllt] ›Resignation‹ wird zur Voraussetzung von Erkenntnis, vgl. dazu Erl. zu S. 60,17–19.

Die Texte im einzelnen

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An die künftigen Zeiten Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È An die künftigen Zeiten. In: DW 1786 I, 2. St.,

S. 31f. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È An die künftigen Zeiten. Im Jahre 1786. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch, S. 11f. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 27,23 An die künftigen Zeiten.] An die künftigen Zeiten. Im Jahre 1786. D2 28,2 zerknikt] zerknickt D1 28,5 von] vom D1 28,6 O, welcher Talismann] O welcher Talisman D1 28,7 Flamme,] Flamme D1 28,13 dieß] dies D1 28,14 edle] bessre D1 28,16 feil –] feil. D1 28,20 Jupiter –] Jupiter. D1

Stellenerläuterungen 27,23 An die künftigen Zeiten] Der Verfasser des Gedichts ist vmtl. Moritz’ Freund Karl Friedrich Klischnig; er publizierte den Text 1794 in seiner Gedichtsammlung Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 11f. Vgl. Überblickskommentar, S. 358f. 27,26 Aeonen] ›Ewigkeiten‹ (vgl. Heyse 1873, S. 20; Schweizer 1811, 1. Bd., S. 28). 28,6 Talismann] Talisman: »ein geheimes Zaubermittel« (DWb 21, Sp. 99). 28,9–10 Wer stielt 〈. . .〉 Götter] Anspielung auf Prometheus, eine Gestalt aus der antiken Mythologie, die als Verkörperung des alter-deus-Gedankens in der

402

Denkwürdigkeiten

Tradition der Idee von Scaliger zu Shaftesbury zu einer Leitfigur des ›Sturm und Drang‹ wurde (prominent in Johann Wolfgang von Goethes Prometheus-Hymne, 1785 erstmals veröffentlicht; Goethe, HA 1, S. 44–46); vgl. auch Moritz’ Götterlehre, S. 31–43 (KMA 4/2). 28,13 Mag dieß Geschlecht im Staube kriechen] Anspielung auf die Staub fressende Schlange (Gen 3,14; Jes 65,25; Micha 7,17), übertragen auf die Existenz des Menschen vor der Emanzipation von seiner Abhängigkeit von Gott bzw. göttlichen Mächten, vgl. dazu auch DWb 17, Sp. 1085f. 28,21 Drittes Stück] Das 3. Stück erschien am Dienstag, dem 17. Januar 1786.

Die Texte im einzelnen

403

ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ. In:

DW 1786 I, 3. St., S. 33–46. D1 Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die

große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 197–199 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 197–199). Teildruck. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 29,5 lezte] letztere D1 29,8 zarter gebildeten] zartergebildeten D1 29,11 gefährlichsten,] gefährlichsten D1 29,11 welchen] welcher D1 29,13 sie] jene D1 29,14 willen] Willen D1 29,15 großer] grosser D1 29,17 ob] Ob D1 29,19 denken?] denken. D1 29,23–24 aber er d e n k t ] a b e r e r d e n k t D1 29,26–33,22 Hier ist 〈. . .〉 Ueberschrift heißt:] fehlt in D1 32,23 suchten] suchte J1

Stellenerläuterungen 28,22 〈Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere〉] Weitere Drucke: GL, S. 197–199 (gekürzt); LP, S. 197–199 (gekürzt); s. KMA 6, S. 372,23–373,22.

404

Denkwürdigkeiten

29,15–17 großer Rangstreit 〈. . .〉 da sey?] Anspielung auf die vielfach weitertradierte antike Fabel vom Aufstand der Glieder gegen den Magen, der zur Einsicht in die nützliche Tätigkeit des Verdauungsorgans für den gesamten Körper führte (wichtige Überlieferungszeugen in der Tradition Äsops: Titus Livius, Ab urbe condita II, 32f.; 1 Kor 12,12–31; zu den Verarbeitungen, die im 18. Jh. entstanden, vgl. Peil 1985, S. 106–115. 29,17–19 ob der Mensch 〈. . .〉 denken] Vgl. Erl. zu S. 10,3–4. 29,26–30 Absonderung 〈. . .〉 nennt] Beinahe wörtliche Übernahme aus 〈Was giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen Natur〉, vgl. S. 17,18–20. – Zur

d u r c h b ü r g e r l i c h e Ve r h ä l t n i s s e u n t e r d r ü c k t e n M e n s c h h e i t s. auch Anton Reiser, KMA 1, S. 312,18–19. – Vgl. Erl. zu S. 17,12. 30,23–27 So trieb 〈. . .〉 bedurfte] Zur Anthropologie des ›Mängelwesens‹ vgl. S. 20,13–17 und Erl. 30,31 Geisterwelt] Vgl. Erl. zu S. 20,12. 31,20–23 durch die Anatomie 〈. . .〉 entgegengearbeitet] Die Überlegung entstammt wohl dem psychologischen Denkzusammenhang des Magazins für Erfahrungsseelenkunde; Moritz dachte darin 1786 in ähnlicher Weise über die Möglichkeit nach, Seelenkrankheiten – worunter er auch charakterliche Defekte wie Habsucht, Wollust und Eitelkeit verstand – durch eine Neuorganisation des Verhaltens zu heilen. Der Wollust sollte durch die Aufmerksamkeit für den wunderbaren Bau und Zusammensetzung des Körpers, der Eitelkeit am besten

durch ein zweckmäßiges Studium der Geschichte und Astronomie entgegengearbeitet werden (Revision der drei ersten Bände dieses Magazins, in: MzE IV.1 1786, S. 1–56, hier S. 7f.; KMA 12). 31,21–22 Lehre von Ursach und Wirkung] Das Kausalitätsprinzip war ein Grundsatz der (früh-)aufklärerischen Philosophie; in Leibniz’ ›Satz vom zureichenden Grunde‹ lautet es: c’est que jamais rien n’arrive, sans qu’il y ait une cause

ou du moins une raison determinante, c’est a` dire quelque chose qui puisse servir a` rendre raison a p r i o r i , pourquoy cela est existant plustost que non existant, et pourquoy cela est ainsi plustost que de toute autre fac¸on (Leibniz, Philosophische Schriften, S. 127); übers.: Nichts geschieht, ohne daß es eine Ursache oder zumindest einen zureichenden Grund gäbe, d. h. etwas, das dazu dienen könnte, einen Grund a priori abzugeben, warum dieses existiert und nicht vielmehr nicht existiert und warum es so ist und nicht vielmehr irgendwie anders (Hist. Wb. d. Philos. 4, Sp. 803). 31,26 eigentliche Geist] Hier synonym zu dem in diesem Aufsatz häufig gebrauchten Begriff Quintessenz (vgl. S. 30,32, 31,6). Quintessenz (nach DWb 13,

Die Texte im einzelnen

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Sp. 2375, »die fünfte essenz« nach mlat. quinta essentia; die übertragene Bedeutung etwa ›wichtigster Inhalt‹, ›Ergebnis‹) avancierte in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. in übertragener Bedeutung zu einem Modewort, vgl. Schulz/Basler 3, S. 94. 32,5 R e v i s i o n d e s g e s a m m t e n E r z i e h u n g s w e s e n s ] Anspielung auf Campes Unternehmen einer Allgemeinen Revision des gesammten Schulund Erziehungswesens, vgl. Erl. zu S. 10,3–4. Moritz, der zu den elf ordentlichen Mitgliedern des Revisionswerks gehörte, allerdings keine eigenen Beiträge publizierte, besprach die ersten Teile in der VZ (77. St., 28. Juni 1785; 130. St., 29. Oktober 1785; 79. St., 4. Juli 1786; vgl. KMA 10). 32,16–20 im englischen Parlamente 〈. . .〉 zur Sache] Vgl. dazu Moritz’ Beschreibung des englischen Parlaments in den Reisen eines Deutschen in England (RDE, S. 41–65, hier bes. S. 47–59; KMA 5/1). 32,25–26 h ö r t i h n ! h ö r t i h n ! ] Vgl. Moritz’ Bericht über das englische Parlament: Sobald hingegen einer gut und zweckmäßig redet, so herrscht die

äußerste Stille, und einer nach dem andern giebt seinen Beifall dadurch zu erkennen, daß er hear him! hört ihn! ruft, welches denn freilich oft vom ganzen Hause auf einmal geschiehet, und auf die Weise ein solches Geräusch verursacht, daß der Redende wiederum durch eben dieses hear him! oft unterbrochen wird. Demohngeachtet ist dieser Zuruf immer eine große Aufmunterung 〈. . .〉 (RDE, S. 52; KMA 5/1). 32,29–31 Die Aufmerksamkeit 〈. . .〉 zertheilt seyn] D a ß d e r G e d a n k e d e u t l i c h u n d l i c h t v o l l d u r c h d i e Wo r t e b e z e i c h n e t w e r d e , und daß man zu dem Ende das Licht auf den Hauptgedanken konzentriren müsse, damit die Aufmerksamkeit nicht z e r s t r e u t , s o n d e r n g e h ö r i g v e r t h e i l t w e r d e – aus diesen einfachen Grundsätzen leitete er alle Regeln des guten Styls her (Klischnig, Erinnerungen, S. 205). Die Passage kompiliert Teile des 2. und 3. Artikels der Grundlinien zu meinen Vorlesungen über den Styl, S. 3f.: 2) Das Karakteristische und Unterscheidende des Styls läßt sich natürlicher Weise nicht lehren sondern nur beobachten. Dasjenige aber, worinn eine jede gute Schreibart mit der andern, sie mag übrigens von derselben noch so verschieden seyn, übereinstimmen muß, ist, daß der Gedanke deutlich und lichtvoll durch die Worte bezeichnet werde. 3) Zu dem Ende kommt alles darauf an, das Licht auf den Hauptgedanken zu konzentriren, damit die Aufmerksamkeit nicht zerstreut, sondern gehörig vertheilt werde. Aus diesen einfachen Grundsätzen leiten sich alle Regeln des guten Styls natürlich von selber ab (KMA 3).

406

Denkwürdigkeiten

33,3 nicht Worte sondern Sachen] Vgl. dazu John Locke, Essay concerning human understanding (1690), drittes Buch, übs.: Versuch über den menschlichen Verstand, 2. Bd. (Buch III und IV), übers. von Carl Winckler, Leipzig 1911, S. 1–163. Vgl. auch Jean-Jacques Rousseau, Emile oder Von der Erziehung, S. 195:

Kein anderes Buch als die Welt, kein anderer Unterricht als die Fakten! Das Kind, welches liest, denkt nicht, es liest nur; es unterrichtet sich nicht, es lernt nur Wörter. 33,16 an einem andern Orte] Vgl. Erl. zu S. 33,23.

Die Texte im einzelnen

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Die Pädagogen Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Die Pädagogen. In: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen Ç= »Vossische Zeitung«È, 3tes Stück, Donnerstag, den 6ten Januar 1785, S. Ç2È–Ç3È. J2 ÇKarl Philipp Moritz,È Die Pädagogen. In: ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ, DW 1786 I, 3. St., hier S. 41–46. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Die Pädagogen, in: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große

Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 200–207 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 200–207). Grundlage für den edierten Text: J2.

2. Varianten 33,24 man,] man J1 33,25 Dinge,] Dinge J1 34,3 man denjenigen] sich der eine J1 34,4 den] d e n J1 34,5 mehr,] mehr J1 34,6 jenem] jenen J1 34,9 allein] allein, J1 34,10 übrigen Menschen] übrigen J1 34,13 wider] wieder J1 D1 34,21–22 vervollkommen] vervollkommnen J1 34,22 wollte:] wollte, D1 34,23 verschaften] verschafften J1 34,24 dafür] fehlt in D1 34,25 entblödete] entblödete, J1 D1

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Denkwürdigkeiten

34,26 oder] und in der J1 34,29–30 verfeinert,] verfeinert J1 34,30 noch gesitteter] gesitteter J1 34,30 blieb,] blieb J1 34,31 war –] war: J1 34,34 voneinander] von einander J1 D1 35,2 Pöbels gerade da] Pöbels, da, J1 35,5 viele] viel J1 35,6 voneinander] von einander J1 D1 35,7–8 Widersprüche] Wiedersprüche D1 35,11 warmen] wahren J1 35,11 wahren] warmen J1 35,12 Gesichtspunkt] Gesichtspunkte J1 35,13 Hirngespinnsten mancher eingebildeter] Hirngespinsten eingebildeten J1 35,14 gäben.] geben, J1 35,17 höhern] Höhern J1 35,17 niedern] Niedern J1 35,18 Stufen wieder] Stuffen wieder J1 Stufen D1 35,21 Niedern] niedern D1 35,21 Höhern] höhern D1 35,23 andre] andere J1 35,33 bedurften] brauchten J1 35,34 allmälig] allmählig J1 35,35 wurde;] wurde. D1 36,1 mehr wahre] mehr J1 D1 36,2 sich diese] diese sich J1 36,2 dasjenige] alles J1 36,7 Obrigkeiten,] Obrigkeiten J1 36,8 entstanden;] entstanden. J1 36,9 wiedergegeben] wieder gegeben D1 36,13 allgemeine Aufklärung] Aufklärung J1 36,15 allmälig] allmählich J1 36,15 Menschheit,] Menschheit J1 36,15 sich,] sich J1 S3 36,15–16 Himmels,] Himmels J1

Die Texte im einzelnen

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36,17 großen Endzwecke] Endzwecke S3 36,19 S i e l i e ß e n i h r e S ö h n e H a n d w e r k e l e r n e n . ] Sie ließen ihre Söhne H a n d w e r k e r lehren J1 36,19 l i e ß e n ] l i e s s e n S3

Stellenerläuterungen 33,23 Die Pädagogen] Erstdruck in der Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (VZ, 3. St., Donnerstag, den 6. Januar 1785, S. 2f.). – Zu den folgenden Überlegungen, die auf einen Ausgleich körperlicher und geistiger Kräfte (und damit auf eine Pädagogik des ›ganzen‹ Menschen‹) zielen, vgl. Joachim Heinrich Campe, Von der nöthigen Sorge für die

Erhaltung des Gleichgewichts unter den menschlichen Kräften. Besondere Warnung vor dem Modefehler die Empfindsamkeit zu überspannen, in: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, 3. T., hrsg. v. J〈oachim〉 H〈einrich〉 Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. 〈291〉–434, v. a. S. 349–368. 34,26–27 ob man das Volk in der Täuschung 〈. . .〉 erhalten müsse oder nicht] Die Debatte um die Problematik des Volksbetrugs für die allgemeine Aufklärung wurde initiiert durch die von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1777 gestellte Preisfrage für das Jahr 1780: Est-il utile au peuple d’eˆtre

trompe´, soit qu’on l’induise dans de nouvelles erreurs, ou qu’on l’entretienne dans celles ou` il est? (vgl. Schneiders 1974, S. 28). Ein entsprechender Beitrag in der Allgemeinen Revision Campes befürwortete nach langen Erörterungen die ›Täuschung‹ des gemeinen Mannes, den man andernfalls nur zu seinem Geschäft untauglich, und ihn selbst unglüklich machen würde (Peter Villaume, Ob und in wie fern bei der Erziehung die Vollkommenheit des einzelnen Menschen seiner Brauchbarkeit aufzuopfern sey?, in: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, 3. T., hrsg. v. J〈oachim〉 H〈einrich〉 Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. 〈435〉–616, hier S. 527; vgl. Erl. zu S. 10,3–4 u. zu S. 32,5). Gegen diesen Schluß votierte Moritz zunächst vehement, ohne sich letztendlich festzulegen: Den Beschluß dieses Theils macht eine Abhandlung von dem

Hrn. Prediger Villaume, die den äußerst wichtigen und schweren Punkt berührt, in wie fern bei der Erziehung die Vollkommenheit des einzelnen Menschen, seiner Brauchbarkeit aufzuopfern sey? – Die Stimme des Menschengefühls läßt uns beim ersten Anblick ausrufen: gar nicht! auf keine

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Denkwürdigkeiten

Weise! – Aber die verwickelten Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft hüllen auch die klarste Sache in Dunkel, und machen ihre Auflösung schwer. Man sehe, wie Hr. V. sich herausgewickelt hat (VZ, 130. St., 29. Oktober 1785; KMA 10). 35,9–14 Da dachten 〈. . .〉 Gehör gäben] In nahezu identischem Wortlaut findet sich diese Passage in der Rubrik Verbesserungen der VZ, 4. St., 8. Januar 1785 (KMA 10): In der vorigen Zeitung auf der dritten Seite ist in dem Aufsatze

die Pädagogen folgende Stelle durch mehrere Druckfehler entstellt und so zu lesen: Da dachten die weisesten unter den Vätern von dem gesitteten Theile der Menschen, daß es besser sey, wenn sich ihre gesunde Vernunft mit der warmen väterlichen Liebe vereinbarte, um den wahren Gesichtspunkt der Erziehungskunst selbst zu treffen, alswenn sie den leeren Hirngespinsten eingebildeter Weisen Gehör geben. Auch muß ganz am Ende des Aufsatzes anstatt Handwerker, Handwerke gelesen werden. 35,26 verhältnißmäßig] Der Begriff der ›Verhältnismäßigkeit‹ war für die spätaufklärerische Anthropologie, Moralphilosophie und Psychologie zentral: verhältnißmäßig ist laut DWb 25, Sp. 518 ein »junges wort«, weder das DWb noch Adelung 4 verzeichnen ein danach gebildetes Substantiv. Es bezeichnete die Unbrauchbarkeit verallgemeinernder Aussagen über einen Sachverhalt. So, wie im vorliegenden Beispiel die ›verhältnismäßige‹ Aufklärung der unteren Stände deren je eigene Fähigkeiten und Voraussetzungen berücksichtigt, orientierte sich im Bereich der Erfahrungsseelenkunde die Beurteilung der seelischen Disposition eines Menschen an dem je eignen Maß seiner Seelenfähigkeiten (um zu einer Einschätzung der v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n Ü b e r e i n s t i m m u n g aller Seelenfähigkeiten zu gelangen, deren ›Mangel‹ Seelenkrankheit bedeutete), vgl.

Grundlinien zu einem ohngefähren Entwurf in Rücksicht auf die Seelenkrankheitskunde, in: MzE I.1 1783, S. 31–38, hier S. 33 (KMA 12). 36,19 S i e l i e ß e n i h r e S ö h n e H a n d w e r k e l e r n e n ] Ein zentraler Grundsatz der zeitgenössischen Reformpädagogik, vgl. Rousseau, Emile oder Von der Erziehung, S. 237: Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. Es kommt hier weniger darauf an, daß man ein Handwerk lernt, damit man ein Handwerk beherrscht, als darauf, daß man die Vorurteile überwindet, die es verachten. 〈. . .〉 arbeiten Sie nicht aus Not, arbeiten Sie um der Ehre willen. Lassen Sie sich zu dem Stande des Handwerkers hinab, damit Sie über den Ihrigen erhaben sind; daran orientierte sich auch der Emeritus in AH (Hartknopf soll das Handwerk eines Grobschmieds erlernen), vgl. AH, S. 108 (KMA 2). Klischnig zufolge war Moritz selbst anfänglich zu einem

Die Texte im einzelnen

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Handwerk bestimmt 〈. . .〉 (Erinnerungen, S. 〈XI〉): Er begann im Herbst 1768 eine Hutmacher-Ausbildung in Braunschweig (bei Johann Simon Lobenstein), brach diese nach einem Selbstmordversuch im Frühjahr 1770 dann aber ab. Eine vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen gewonnene ambivalente Haltung diesem Erziehungsgrundsatz gegenüber läßt sich dem Text Die Pädagogen allerdings nicht entnehmen.

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Denkwürdigkeiten

Die Schöpfung der Götterwelt Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇCarl Philipp Moritz,È ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen

J1

Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 82f. ÇKarl Philipp Moritz,È Die Schöpfung der Götterwelt. In: DW 1786 I, 3. St., S. 47f.

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 36,21–22 Schon 〈. . .〉 bevölkert worden] durch welche die Welt schon seit den ältesten Zeiten mit unzähligen neuen Wesen bevölkert worden ist D1 36,22 ausser] außer D1 36,23 waren –] waren. D1 36,24 gehörten 〈. . .〉 Satyrs;] gehörte, Apollo, Mars, Minerva, Jupiter, und D1 36,27 mehr g l e i c h ] gleich D1 36,29 Luft] die Luft D1 36,29 Himmel;] den Himmel – D1 36,30 Meer;] Meer – D1 36,30 Erde.] Erde – D1 37,1 ungeheuern] ungeheure D1 37,1 Massen] Massen, D1 37,1 Meer] Meer, D1 37,1–2 s p i e l e n d e E i n b i l d u n g s k r a f t des Menschen] spielende Einbildungskraft D1 37,7 und] und seine D1 37,8 gab] verlieh D1 37,10 Einbildungskraft der Menschen] Einbildungskraft D1

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 36,20 Die Schöpfung der Götterwelt] Weiterer Druck: KL, S. 82f. (KMA 6, S. 189–190). In der späteren Götterlehre (KMA 4/2) wird die antike Götterwelt als Ergebnis menschlicher Phantasietätigkeit beschrieben. Hingegen vollzieht der vorliegende Text noch nicht den Bruch mit der allegorischen Mythendeutung. 36,26–28 Diese Wesen 〈. . .〉 wollte] Vgl. Moritz’ Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen in der Götterlehre, S. 8 (KMA 4/2): Weil aber die

Phantasie die allgemeinen Begriffe fliehet und ihre Bildungen soviel wie möglich individuell zu machen sucht, so überträgt sie den Begriff der höhern obwaltenden Macht auf Wesen, die sie als wirklich darstellt, denen sie Geschlechtsregister, Geburt und Namen und menschliche Gestalt beilegt. 36,29 So dachte man sich unter Jupiter Luft und Himmel] Vgl. dagegen Götterlehre, S. 4 (KMA 4/2): Der Begriff Jupiter b e d e u t e t i n d e m G e biete der Phantasie zuerst sich selbst 〈. . .〉. 37,10 So schuf sich die Einbildungskraft der Menschen Götter] Vgl. Götterlehre, S. 1 (KMA 4/2): Die mythologischen Dichtungen müssen als eine Sprache der Phantasie betrachtet werden. 37,11 Viertes Stück] Das 4. Stück erschien am Dienstag, dem 24. Januar 1786 (vgl. VZ, 10. St., 24. Januar 1786: Heute ist das vierte Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n bei J. F. Unger für I Gr. zu haben, welches die Fortsetzung von dem Aufsatze über M o s e s M e n d e l s s o h n enthält).

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Denkwürdigkeiten

Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.). In: DW 1786 I, 4. St., S. 49–53. Fortgesetzt in: 7. St., S. 97–101; 9. St., S. 129–133.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 37,12 Ueber Moses Mendelssohn] Vgl. Erl. zu S. 20,2. 37,16 seinen Sopha] Das »morgenländische« Wort trat im 18. Jh. noch als Maskulinum auf, vgl. DWb 16, Sp. 1400. 37,22 Witzes] Bezieht sich an dieser Stelle auf die intellektuelle Fähigkeit, »versteckte zusammenhänge vermöge einer besonders lebhaften und vielseitigen combinationsgabe aufzudecken und durch eine treffende und überraschende formulierung zum ausdruck zu bringen« (DWb 30, Sp. 874), so die seit Beginn des 18. Jhs. gängige Wortbedeutung. 38,5–11 aber wenn er dann sprach 〈. . .〉 verstummen] Der Entstehungskontext macht eine implizite Stellungnahme im Mendelssohn-Jacobi-Streit wahrscheinlich (vgl. Erl. zu S. 20,2): Mendelssohns Überlegenheit in Worten und Taten wird dabei polemisch gegen die Haltlosigkeit der ›geschwätzigen‹ Argumente Jacobis ausgespielt. 38,23 Diät] die Ordnung in dem Gebrauche solcher Dinge, welche zur

Erhaltung des natürlichen Lebens gereichen; mit einem fremden Kunstworte die Diät (Adelung 2, Sp. 1957). 38,31–33 Das Porträt 〈. . .〉 F r i s c h ] Johann Christoph Frisch (1738–1815); bei dem genannten Porträt handelt es sich entweder um den sog. ›großen Frisch‹ (zwischen 1778 und 1780; Öl auf Leinwand) oder um dessen Replik, den sog. ›kleinen Frisch‹ von 1784 (Öl auf Holz); s. Mendelssohn, JubA 24, S. 31–36. 39,4–5 in einen Moment seines Daseyns zusammengedrängt] In Andreas Hartknopf entwickeltes philosophisches Modell, das darauf abzielt, den ganzen

Nutzen von dem, was er gelernt, gethan, gedacht, gelebt hat, in einen Moment zusammen 〈zu〉 ziehen (AH, S. 130; KMA 2) und die Fülle des Da-

Die Texte im einzelnen

415

seyns in sich selber zu finden (〈. . .〉 und ich schauderte nicht mehr zurück vor der Verwesung, denn ich fühlte mich in mich selbst zurückgedrängt, fest und unerschütterlich, mein Körper war ausser mir; AH, S. 156f.; KMA 2). 39,8 h i n t e r l a s s e n e r ] hinterlassen im Sinne von ›zurücklassen‹ (Adelung 2, Sp. 1197). 39,9 P h ä d o n ] Vgl. Erl. zu S. 27,15. 39,11–12 S o k r a t i s c h e n D e n k w ü r d i g k e i t e n ] Xenophon von Athen (zwischen 430 und 425 v. Chr.–nach 355 v. Chr.), ›Erinnerungen an Sokrates‹ / ›Memorabilien‹, vgl. auch Erl. zu S. 3,1. Durch diesen Verweis wird die Parallelisierung von Sokrates und Mendelssohn, den Moritz den Sokrates seines Zeitalters (S. 39,6) nennt, wiederholt und verstärkt, vgl. auch Mendelssohn, JubA 23, S. 41; zuvor hatte bereits Lavater Mendelssohn mit Sokrates in Verbindung gebracht, vgl. Mendelssohn, JubA 7, S. 3. Zur Bedeutung Mendelssohns für die Entwicklung des Sokrates-Bildes im 18. Jh. (aufklärerisch, gegenaufklärerisch, heidnisch, patriotisch) vgl. Krochmalnik 1999. 39,15–16 Freiheit des menschlichen Willens] In den Gedanken von der Wahrscheinlichkeit (Mendelssohn, JubA 1, S. 163f.) beantwortete Mendelssohn die Frage nach dem Verhältnis von Determination und Willensfreiheit mit Gottfried Wilhelm Leibniz’ (1646–1716) ›Theodicee‹ (Leibniz, Essais de The´odice´e. Sur la bonte´ de dieu, la liberte´ de l’homme et l’origine du mal, Erstdruck Amsterdam 1710; vgl. Leibniz, Philosophische Schriften). Diesem Ansatz zufolge liegt der Welt als der Schöpfung Gottes ein einziger Plan zugrunde, der als die beste und vollkommenste von allen Möglichkeiten der Weltplanung definiert ist. Der Mensch wird innerhalb dieser (vernünftigen) Konstruktion als ebenfalls vernünftig organisiertes Wesen legitimiert, dem mit der Freiheit der autonomen Entscheidung auch die Möglichkeit, das Böse zu wählen, zukommt (S. 170). Das Schlechte ist damit Ausdruck eines nachfolgenden, nicht etwa eines vorangegangenen Willens (S. 242), so daß die Schuld der Sünde nicht bei Gott, sondern beim (frei agierenden) Menschen liegt. Auch für Moritz standen Determination und Freiheit zueinander nicht in Widerspruch: Die Möglichkeit der Wahlfreiheit eröffnet dem Menschen nicht nur Wege zum Bösen, sondern ist als Chance autonomer Selbstbestimmung im Rahmen der göttlichen Werteordnung zu begreifen (vgl. dazu die Kritik an F. . . S. 214,18ff.). Zum Determinismus der Freiheit (etwa bei Rousseau und Herder) vgl. Kondylis 1986, S. 352f. u. S. 631. 39,17 junger Schriftsteller] Nicht ermittelt. 40,5–7 Miltons kleine Teufel 〈. . .〉 zanken] John Miltons (1608–1674) Blankvers-Epos Paradise lost, Erstausgabe 1667, endgültige Fassung 1674; die vorlie-

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Denkwürdigkeiten

gende Stelle bezieht sich auf das zweite Buch: »Doch feiner noch gesittet saßen welche / 〈. . .〉 Abseits auf einem Berge unter sich / In höheren Gedanken und ergingen / Sich in erhebenden Erörterungen, / Was Vorsehung und was Vorausbestimmung, / Was Wille, Schicksal, freier Wille, was / Bestimmtes Schicksal, was die absolute / Vorausbestimmung wäre, und kein Ende; / In Irrgehegen so verloren wandelnd, / Vernünftelten sie viel von Gut und Böse, / Vom Glück, vom Elend, worin alles endet, / Von Leidenschaft und tatenlosem Dulden, / Von Ruhm und Schande, alles eitles Wissen / Und falsche Schulweisheit; die doch berückend / Die Sorge bannen für geraume Zeit, / Die Herzensangst und Pein vergessen machen, / Illusionen nähren, harte Herzen / Mit sturer Dulderkraft wie dreifach Stahl / Umpanzern konnte« (John Milton: Das verlorene Paradies. Aus dem Engl. übertr. und hrsg. v. Hans Heinrich Meier, durchges. und verb. Ausgabe, Stuttgart 1978, S. 54f., V. 727–747). – Eine vergleichbare Anekdote, die auch den Verweis auf Milton enthält, findet sich in J〈ohann〉 G〈eorg〉 H〈einrich〉 Feder’s Leben, Natur und

Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus aufzunehmen geneigt sind (Leipzig: Schwickert. Hannover: Hahnsche Hofbuchh. Darmstadt: Leske 1825, S. 95). Darin berichtet Feder von einer Begegnung mit Mendelssohn in Pyrmont: Schon damals durfte er, wegen schwächlicher Gesundheit 〈. . .〉, in tiefe Untersuchungen

sich nicht einlassen. Z i m m e r m a n n , wenn er uns beisammen sah, und dergleichen besorgte, kam auch gleich mit seinem archiatrischen Veto dazwischen. Nicht so bedenklich war ein dortiger wackerer Rector. Erfreut 〈. . .〉 legte er uns die F r a g e v o n d e r ( m e t a p h y s i s c h e n ) F r e i h e i t vor. Schnell, und zu meinem großen Vergnügen, fertigte Mendelssohn ihn mit den Worten ab: » A c h , l a s s e n S i e u n s d a v o n n i c h t s p r e c h e n ; M i l t o n l ä ß t s e i n e Te u f e l i n d e r H ö l l e d a r ü b e r d i s p u t i r e n « .

Die Texte im einzelnen

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Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto. In: DW 1786 I, 4. St., S. 54–56. Fortgesetzt als Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto in: 6. St., S. 90–94.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 40,9–10 Monolog 〈. . .〉 Lotto] Trauerspiel-Fragment, an dieser Stelle zum ersten Mal veröffentlicht, wahrscheinlich um 1780 entstanden. Klischnig weist darauf hin, Moritz habe neben Blunt oder der Gast 1781 zwei weitere Skizzen zu

Trauerspielen entworfen, wovon das eine der Meineid und das andre das Lotto heißen sollte. Er hatte auch schon mehrere Szenen ausgearbeitet, war aber am Ende mit seiner Arbeit selbst nicht zufrieden (Klischnig, Erinnerungen, S. 252); der Meineid erscheint in Anton Reiser als dramatischer Versuch des Schülers Reiser in H. . . (KMA 1, S. 403,1–3). Vgl. die Fortsetzung Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto S. 61,14–64,5 in diesem Bd. Zu Moritz’ Produktion im Bereich des Dramas gehört auch das Fragment Aus einem ungedruckten Singspiele (vgl. S. 168,15–170,21). 40,10 Lotto] Hier sowohl in wörtlicher Bedeutung verwendet, bezogen auf die Institution: »ein im 17. jahrh. zuerst in Genua eingerichtetes glückspiel« (demnach ist der Protagonist Opfer seiner Spielsucht), als auch im übertragenen Sinne, bezogen auf den Zufall, auf das »›bunte lotto des lebens‹« und damit auf dessen Unberechenbarkeit (DWb 12, Sp. 1214f.). 40,14 Ohngefähr] Für das Präfix ›un‹ war im Oberdeutschen ›ohn‹ gebräuchlich; in der Bedeutung synonym mit ›Zufall‹ (Adelung 4, Sp. 854f.). 40,19 Der Zufall ist mein Gott geworden] Vgl. dazu Erl. zu S. 17,11. 40,29–30 alle meine Seelenkräfte sind gelähmt] Die Seelenlähmung ist eine Ausprägung der Seelenkrankheit, vgl. Moritz’ Grundlinien zu einem ohngefäh-

ren Entwurf in Rücksicht auf die Seelenkrankheitskunde: Die thätigen Kräfte müssen mit den vorstellenden Kräften in einem gewissen Verhält-

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Denkwürdigkeiten

niß stehen; 〈. . .〉 sind sie gegen dieselben zu schwach, so ist dieses ebenfalls Krankheit 〈. . .〉 gleichsam eine Seelenlähmung (MzE I.1 1783, S. 31–38, hier S. 34f.; KMA 12). 41,1 Ursach und Würkung] Vgl. Erl. zu S. 31,21–22. 41,22 Wiederkehr] Wörtlich im Sinne von ›Wiedergutmachung‹, übertragen im Sinne von ›Rückkehr ins Leben‹ (DWb 29, Sp. 1068 u. 1070).

Die Texte im einzelnen

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Das Eisen. Ein Ideenspiel Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇCarl Philipp Moritz,È ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen

J1

Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 57–60. ÇKarl Philipp Moritz,È Das Eisen. Ein Ideenspiel. In: DW 1786 I, 4. St.,

S. 57–60. D2 Das EisenÇ.È Ein Ideenspiel. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder

der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 190–194 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 190–194). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 41,23 Eisen.] Eisen D2 41,28 Sicherheit,] Sicherheits- D2 41,28 Vertheidigungsmittel.] Vertheidigungsmittel – D1 42,2 dem] welchem D1 42,2 keine eigentliche] keine D1 42,3 zerstört] gestört D1 42,3 aber] sondern D1 42,8 schüzt] schützt D1 D2 42,12 der] der kleinsten D1 42,12 die] welche D1 42,13 wird.] wird D1 42,15 zurück,] zurück; D1 42,15–16 Last des Kriegers] Last D1 42,19–20 Erhöhung der beschützenden Kraft] Beschützung D1

420

Denkwürdigkeiten

42,20 gehalten.] gehalten D1 42,21 Bogen] Der Bogen D1 42,21 hinweggeworfen] hingeworfen D2 42,21 Feuerrohr] Feuergewehr D1 42,22 getreten.] getreten D1 42,25–26 Pflanzenwelt] Pflanzenwelt. D2 42,27 Schafes] Schafs D1 42,27 ihn] ihn. D2 42,28–29 ihm, 〈. . .〉 schützen] ihm Wohnung und beschützen D1 42,29 Regen.] Regen D1 42,30 das] daß D1 42,31 ihn] ihn. D1 42,32 nüzlichste] nützlichste D1 D2 42,33 Z e r s t ö r u n g ] Zerstörung D1 D2 42,33 Zweck.] Zweck D1 43,1–2 Baum – Durch] Baum, durch D1 43,3 innerste] ganze D1 43,3 Baumes] Brunnens D1 43,4 zerstört.] zerstört – D1 43,5 Messer] Messer wird D1 D2 43,5 Thiers] Thieres D1 D2 43,6 aufgelößt] aufgelöst D1 43,7 Aehren] Aehren. D2 43,8 andre] neue D1 43,9 lassen.] lassen D1 43,10 b e n e i d e n sich die Menschen] beneidet er sich D1 beneiden sich die Menschen D2 43,10 untereinander] unter einander D2 43,11 ihnen] ihm D1 43,11 Schöpfung.] Schöpfung – D1 43,12 Streit] Streit. D2 43,12 das gefährliche Werkzeug] das D1 43,16 zerstörte –] zerstörte, D2 43,18–27 Der Mensch 〈. . .〉 e i n I d e e n s p i e l . ] fehlt in D1 43,18 Mensch,] Mensch D2 43,21 ziehen] ziehen. D2

Die Texte im einzelnen

421

43,21 mancherlei] mancherley D2 43,24 sint] sinnt D2 43,27 e i n I d e e n s p i e l ] ein Ideenspiel D2

Stellenerläuterungen 41,23–24 Das Eisen. Ein Ideenspiel] Weitere Drucke: KL, S. 57–60; GL, S. 190–194; LP, S. 190–194 (KMA 6, S. 176,7–177,24; S. 369,20–371,18). – Das Ideenspiel war Ausdruck einer Krise, in die – vorbereitet durch die Kritik George Louis Leclerc de Buffons (1707–1788), im deutschsprachigen Bereich durch die Kritik Alexander Gottlieb Baumgartens (1714–1762) und Georg Friedrich Meiers (1718–1777) an der abstrahierenden Methode der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie (vgl. Erl. zu S. 22,15) – die physikotheologische (Selbst-)Gewißheit der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. geriet (vgl. auch Anton Reiser, KMA 1, S. 333,15); BPL (KMA 2); BNS, S. 14 (KMA 3); vgl. dazu Bezold 1984, v. a. S. 65–69. – Eine diesem Ideenspiel verpflichtete Kulturgeschichte des Eisens findet sich im Lesebuch für Kinder (vgl. KMA 6, S. 277,24–278,6). 41,25–28 Das Pflanzenreich 〈. . .〉 Vertheidigungsmittel] Die alte Lehre von den drei Reichen der Natur gehörte zu den Standards der zeitgenössischen Naturwissenschaft, vgl. Carl von Linne´ (1707–1778), Systema naturae, sive Regna

tria naturae systematice proposita per classes, ordines, genera et species / Natur-Systema, Oder Die in ordentlichem Zusammenhange vorgetragene Drey Reiche der Natur, nach ihren Classen, Ordnungen, Geschlechtern und Arten, in die Deutsche Sprache übers., und mit einer Vorrede hrsg. v. Johann Joachim Langen, Halle: Johann Justinus Gebauer 1740, S. 3f.: L a p i d e s crescunt. Ve g e t a b i l i a crescunt & vivunt. A n i m a l i a crescunt, vivunt & sentiunt. Hinc limites inter hæcce Regna constituta sunt (Die S t e i n e wachsen; die P f l a n z e n wachsen und leben; die T h i e r e wachsen leben und empfinden. Und aus diesem Grund hat man die Grenzen zwischen diesen Reichen bestimmet). Vgl. ferner Christlob Mylius (1722–1754), in: Der Naturforscher, eine physikalische Wochenschrift auf die Jahre 1747 und 1748, Leipzig: Johann Gottlieb Crull 〈1749〉, 4. St., Leipzig. Sonnabends, den 22. des Heumonats, 1747, S. 27: Unter den natürlichen Körpern nun, welche das natürliche Reich ausmachen, bemerken wir einige, welche wachsen, leben, empfinden, und es wissen, wenn sie etwas empfinden; diese nennet man T h i e r e 〈. . .〉 Ferner bemerket man einige, welche wachsen, leben, empfinden, es aber nicht wissen, daß sie empfinden; diese werden P f l a n z e n

422

Denkwürdigkeiten

genennet 〈. . .〉 Endlich bemerket man natürliche Körper, welche weder empfinden, noch leben, sondern nur wachsen, welches die S t e i n e sind. Im 9. Stück dieser Wochenschrift (Leipzig. Sonnabends, den 26. des Augustmonats, 1747, S. 71f.) ist ein Gedicht Gotthold Ephraim Lessings zu diesem Problemzusammenhang abgedruckt: Die drey Reiche der Natur; die überarbeitete Fassung von 1751 (Die drey Reiche der Natur, in: 〈ders.,〉 Kleinigkeiten, Frankfurt und Leipzig 1751, S. 86f.) stellt eine Parodie auf Barthold Hinrich Brockes’ (1680–1747) Lehrgedicht Betrachtungen über die drey Reiche der Natur dar (Herrn B. H. Brockes 〈. . .〉 Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche

der Natur, Nebst seinen übrigen nachgelassenen Gedichten, als des Irdischen Vergnügens in GOTT Neunter und letzter Theil, Bern 1970 [Nachdruck der Ausg. des Verlages Georg Christian Grund und Adam Heinrich Holle, 1748], S. 1–310). 42,2–5 keine eigentliche Bildung 〈. . .〉 gebildet wird] Aus freimaurerischer Perspektive positiv formuliert in AH, S. 106 (KMA 2). 42,6–7 Helm, Schild – Schwerdt, Kugel, Pfeil] In der Kinderlogik lautet diese Passage: Wir wollen aus der vorigen Kupfertafel Schwerdt, Kugel, und

Spitze eines Pfeils hieher ziehen, um diese Begriffe gegen Bogen, Köcher, Helm und Schild zu halten (S. 58; KMA 6, S. 176,16–19). Neben der stärker strukturierenden und damit didaktisierenden Darstellung in der Kinderlogik ist der Bezug zu Daniel Nikolaus Chodowieckis (1726–1801) Kupfertafeln auffällig, denen sich die Entstehung des Werks verdankte (KL, Vorrede, KMA 6, S. 144; Klischnig, Erinnerungen, S. 259f.). 43,14–27 Die glühende Kugel 〈. . .〉 I d e e n s p i e l ] Diese Passage fehlt in der Kinderlogik; die fatalistischen Konsequenzen seiner Überlegungen sparte Moritz darin aus. 43,18–20 wunderbare Verkettung 〈. . .〉 Vernichtetwerden] Pope, Vom Menschen (Erl. zu S. 10,10–11), S. 56f.; III, 15–20. 43,25 Fiebern] D i e F i b e r , 〈. . .〉 in den thierischen Körpern, die zarten

organischen Fäden, welche aus Zellgewebe entstehen und sich darin auflösen lassen; zum Unterschiede von den unorganischen F a s e r n (Adelung 2, Sp. 142).

Die Texte im einzelnen

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Die Macht des Unglücks Überlieferung 1. Textgrundlage J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Die Macht des Unglücks. In: DW 1786 I, 4. St., S. 61f. D1 Die Macht des Unglücks. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der

Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 72f. (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 72f.). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 44,2 frölich] fröhlich D1 44,3 Weißheit] Weisheit D1 44,4 frölich] fröhlich D1 44,5 wie] Wie D1 44,7–8 vorbeirauschenden] vorbeyrauschenden D1 44,11 irgend ein] ein D1 44,11 vorbeirauschender] vorbeyrauschender D1 44,12 m i r ] mir D1 44,13 b i n ] bin D1 44,13 h a b e ] habe D1 44,14 Kein andres] kein anderes D1 44,16 g a r n i c h t ] gar nicht D1 44,16 werden] werden. D1 44,17 b i n –] bin. – D1 44,18–19 nur 〈. . .〉 was ich b i n –] nie auf das erstrecken, was ich bin. D1 44,20 Augenblick] Augenblicke D1 44,21 Unglück] Unglücke D1 44,25 gesezt] gesetzt D1 44,25 bei] bey D1

424 44,25 44,27 44,28 44,29

Denkwürdigkeiten

Traurigkeit] Traurigkeit, D1 freiwillig] freywillig D1 Weißheit] Weisheit D1 erhohlen?] erhohlen. D1

Stellenerläuterungen 44,1 Die Macht des Unglücks] Weitere Drucke: GL, S. 72f.; LP, S. 72f.; s. KMA 6, S. 320,14–321,9. – Macht im Sinne von ›Vermögen‹ (positiv konnotiert, vgl. DWb 12, Sp. 1397–1399). – Die Ausführungen stehen im Kontext von Gottfried Wilhelm Leibniz’ optimistischer Bewältigung der Theodizee-Problematik, die mit der Hypothese von der ›besten aller möglichen Welten‹ die Einbindung und die Legitimation vermeintlicher Beeinträchtigungen der göttlichen Schöpfungsordnung (Leid, Krankheit, Tod) in ein sinnvoll gesetztes, rational nachvollziehbares Weltgebäude unternahm (Leibniz, Philosophische Schriften, S. 107f.). Demzufolge wird der Mensch gerade in dem Maße mit dem Bösen konfrontiert, wie es seiner Konstitution angemessen und seiner Entwicklung förderlich ist (ebd., S. 314). Vgl. Erl. zu S. 39,15–16. 44,17 b i n ] Zur Bedeutung von ›sein‹ bei Moritz vgl. Sprache in psychologischer Rücksicht, in: MzE IV.3 1786, S. 99–115, hier S. 100: Das Wort bin beschreibe in der deutschen Sprache unser eigentliches Selbstgefühl, unsre Ichheit 〈. . .〉 bin und bist 〈. . .〉 das unwillkürlich empfindsame, oder anschau-

lich erkannte Daseyn, ist hingegen das durch Anstrengung der Denkkraft erkannte Daseyn eines Wesens (KMA 12); entsprechend heißt es in AH: w i r s i n d ist das höchste, was wir sagen können (AH, S. 40; KMA 2). Ihre höchste Qualifikation erreicht die Denkkraft dann, wenn sie das Schöne als solches erkennt und benennen kann. Dadurch erhält die Aussage über das Schöne selbst ihre größtmögliche Objektivität: Und von sterblichen Lippen, lässt sich kein erhabneres Wort vom Schönen sagen, als: e s i s t ! (BNS, S. 52; KMA 3) 44,20–21 Mittelpunkt 〈. . .〉 zurückziehen] Vgl. dazu Erl. zu S. 39,4–5. 44,24–26 weil ihnen 〈. . .〉 Weisen] Das ›Sich-unglücklich – Fühlen‹ als Akt des freien Willens setzt das beschriebene ›Sein, wie ich bin‹ voraus; auf diese Weise wird ein Gemeinplatz der Stoizismus-Polemik (die unerschütterliche Ruhe des Weisen sei ein unerträglicher Zustand und darum keinesfalls erstrebenswert) mit der (gerade auch von Moritz) vieldiskutierten Hypochondrie-Problematik enggeführt: Der eingebildete Kranke hat dem tatsächlich Kranken die Freiheit der

Die Texte im einzelnen

425

Wahl zwischen den Zuständen ›krank‹ und ›gesund‹ voraus; vgl. Erl. zu S. 12,23–25. 44,26 behäglicher] Die umgelautete Form von »behaglich« war nach Adelung in einigen gemeinen Mundarten gebräuchlich (Adelung 1, Sp. 810).

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Denkwürdigkeiten

Am 24sten Januar Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Am 24sten Januar. In: DW 1786 I, 4. St., S. 63f. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Am 24sten Januar 1786. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 22f. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 45,1 Am 24sten Januar.] Am 24sten Januar 1786.* 〈* Der Geburtstag Friedrichs des Großen.〉 D1 45,2 verloschen] erloschen D1 45,4 ausgebrannt] ausgebrannt – D1 45,5 gewichen –] gewichen! D1 45,11 Schooße] Schooß’ D1 45,17 Zerstreuten –] Zerstreuten. – D1 45,19 war,] war D1 45,20 gesezt] gesetzt D1 45,21 Daß] Das D1 45,22 Rathschluß –] Rathschluß. D1 45,24 e i n e s E i n z i g e n , ] eines Einzigen D1 45,25 Plane] Plan D1 45,26 sahe] sah D1 45,26 dieß] dies D1 45,27 Dieß] Dies D1 45,29 Eines g e l i e b t e n K ö n i g e s ] Seines geliebten Königs D1 46,1 dieß G e b e t ] dies Gebet D1 46,2 E r h ö r u n g ] Erhörung D1

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 45,1 Am 24sten Januar] Das Gedicht wurde unter dem Titel Am 24sten Januar 1786 in Karl Friedrich Klischnigs Sammlung Blumen und Blüthen (Berlin 1794, S. 22f.) gedruckt; der Titel des Gedichts ist an dieser Stelle versehen mit der erläuternden Fußnote: Der Geburtstag Friedrichs des Großen. Die Aufnahme dieses Gedichts in Klischnigs Sammlung spricht für dessen Autorschaft, zumal Moritz zu demselben Anlaß – der 24. Januar war der Geburtstag Friedrichs II. von Preußen (1712–1786, König seit 1740) – ein eigenes Gedicht in der VZ (10. St., 24. Januar 1786) veröffentlicht hatte (vgl. dazu Gedichte, S. 123); vgl. dazu auch Erl. zu S. 27,23. Übrigens hatte Moritz auf diesen Anlaß regelmäßig gedichtet (vgl. Gedichte, S. 63, 64, 69 u. 71; KMA 2). 45,2–5 Gestirne 〈. . .〉 gewichen] Gängiger Bildbereich der im 18. Jh. (u. a.) auf naturwissenschaftliche Gegenstandsbereiche ausgerichteten Lyrik: Vor Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) war es der Schweizer Mediziner und Biologe Albrecht von Haller (1708–1777), der die Folgen der Kopernikanischen Revolution (der Ablösung des geozentrischen durch das heliozentrische Weltbild) für den Menschen literarisierte. Zentrales Thema dieser Lyrik war die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Vernunft, der durch die Einsicht in die Pluralität der Welten unermeßliche Spielräume eröffnet wurden, die sich aber zugleich aus einer privilegierten Position verdrängt (der Mensch ist nicht länger Mittelpunkt der Schöpfung) und auf einen defizitären Kenntnisstand zurückgeworfen sah; vgl. dazu allgemein Richter 1972. 45,9 Weltgeist] One all-extending, all-preserving soul – Und e i n e Seel’ erhält das All genug (Pope, Vom Menschen [Erl. zu S. 10,10–11], S. 56f.; III, 22); vgl. auch Salomon Maimon, Gesammelte Werke, hrsg. v. Valerio Verra, 3. Bd., Hildesheim 1970, S. 203–232 (Philosophisches Wörterbuch oder Beleuchtung der wichtigsten Gegenstände der Philosophie in alphabetischer Ordnung. 1791, Art. Weltseele; Repr.). 45,22–46,2 Fest und unerschütterlich 〈. . .〉 abgewogen] Zum Verhältnis Determinismus-Willensfreiheit vgl. Erl. zu S. 39,15–16. Vgl. dazu Leibniz, Theodizee: Car il faut savoir que tout est lie´ dans chacun des Mondes possibles 〈. . .〉: de

sorte que Dieu y a tout regle´ par avance une fois pour toutes, ayant prevu les prieres, les bonnes et les mauvaises actions, et tout le reste (Die philosophischen Schriften, 6. Bd. [dazu Erl. zu S. 39,15–16, vgl. Erl. zu S. 44,1], S. 107f.). – Übers.: Denn man muß beachten, daß in jeder der möglichen Welten alles eng miteinander verknüpft ist 〈. . .〉, so daß Gott, da er die Gebete, die guten

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Denkwürdigkeiten

und schlechten Taten und alles übrige vorhersah, alles ein für allemal im voraus geordnet hat (Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosophische Schriften, 2. Bd. Erste Hälfte, hrsg. und übers. v. Herbert Herring, Frankfurt a. M. 1965, S. 221). 45,24 Um das Leben e i n e s E i n z i g e n ] Friedrich II. starb am 17. August 1786 nach schwerer Krankheit (Mittenzwei 1980, S. 204). 45,28 Verlängerung des Lebens] Thema eines zweiten Geburtstagsgedichts auf Friedrich II., das Moritz zeitgleich in der ›Vossischen Zeitung‹ veröffentlichte:

Am 24. Januar. A n d a s S c h i c k s a l / / Hast du die furchtbare Wag’ in der Hand, / Womit Du das Schicksal der Könige wägst, / Und stehen bei Dir die schwankenden Schalen / Vielleicht im schrecklichem Gleichgewicht. – / So lege alle die Seufzer, / Und alle die frommen Gebete / Für die Verlängrung des Lebens / Unsers geliebten Monarchen darauf: / Damit Seine Schale darnieder sinke, / So wie unser Dank gen Himmel steigt (VZ, 10. St., 24. Januar 1786 [KMA 10]; vgl. Moritz, Gedichte, S. 71 u. 123). 46,3 Fünftes Stück] Das 5. Stück erschien am Dienstag, dem 31. Januar 1786.

Die Texte im einzelnen

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Holzendorf Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Holzendorf. In: DW 1786 I, 5. St., S. 64–66.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 46,4 Holzendorf] Georg (auch: George) Ernst von Holtzendorf (auch: Holzendorf), geb. am 14. Februar 1714 in Calbe/Saale, geadelt am 21. Januar 1767, gest. am 10. Dezember 1785 in Berlin, preußischer Generalmajor und Generalinspekteur der Artillerie (ADB 13, S. 15; König, Biographisches Lexikon, S. 178–180). Einen Hinweis auf die am Donnerstag, den 15. Dezember 1785, ohne alles Gepränge, ganz in der Stille erfolgte Beerdigung verzeichnet die ›Vossische Zeitung‹ (VZ, 151. St., 17. Dezember 1785); in dieser Ausgabe wurde außerdem ein Nachrufgedicht auf Holtzendorf veröffentlicht (vgl. KMA 10): Am Grabe des Hrn. Gene-

ralmajors v. Holtzendorff. 46,10–11 Jeder D r u c k 〈. . .〉 v e r e d e l t sie] Durch diesen Leitgedanken wird Holtzendorf zu einem Moses Mendelssohn vergleichbaren ›Weltweisen‹ (mindestens die Redaktion des Textes durch Moritz ist von daher anzunehmen); vgl. Erl. zu S. 20,13–17. 46,14–18 Themistokles 〈. . .〉 v i e l m e h r )] Themistokles, athenischer Staatsmann (ca. 524–459 v. Chr.). Das Unheil, das ihn traf, war die Enterbung durch seinen Vater: 〈. . .〉 qui cum minus esset probatus parentibus, quod et liberius

vivebat et rem familiarem neglegebat, a patre exheredatus est. quae contumelia non fregit eum, sed erexit. nam cum iudicasset sine summa industria non posse eam exstingui, totum se dedidit rei publicae, diligentius amicis famaeque serviens. (»Da dieser durch sein allzu freizügiges Lotterleben und sein Desinteresse am Familienbesitz die Mißbilligung seiner Eltern erregte, wurde er vom Vater enterbt. Diese Schmach zerbrach ihn jedoch nicht, sondern stachelte ihn zu Höherem an. Weil er nämlich glaubte, sie nur mit größtem Einsatz tilgen zu können, verschrieb er sich ganz dem Staat und war nun ernsthafter als zuvor auf Freunde und guten Ruf bedacht« (Cornelius Nepos, De viris illustribus.

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Denkwürdigkeiten

Biographien berühmter Männer. Lateinisch/Deutsch. Übers. und hrsg. v. Peter Krafft und Felicitas Olef-Krafft, Stuttgart 1993, S. 22f.). 46,22–24 Lebensbeschreibung 〈. . .〉 O f f i c i e r ] Der folgende Artikel lehnt sich stark an einen im Journal von und für Deutschland, 2. Jg., 9. St., 1785, S. 287, auf Holtzendorf publizierten Nachruf an; eine auf die Fakten (Lebensdaten, Stationen der beruflichen Laufbahn, Leistungen) reduzierte Fassung findet sich als Nachruf in der VZ, 149. St., 13. Dezember 1785. Verfasserangaben fehlen.

Die Texte im einzelnen

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Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym,È Kurze Lebensbeschreibung Ç. . .È. In: DW 1786 I, 5. St., S. 67–72.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 48,26 war] was J

Stellenerläuterungen 47,8 Joachimsthalschen Gymnasio] Berliner Gymnasium (hier in latinisierter Form; ›ablativus locativus‹); vgl. dazu Nicolai, Wegweiser für Fremde und Ein-

heimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend (1793), in: Nicolai, Gesammelte Werke, 6, S. 133; 〈Friedrich Gedike,〉 Ueber Berlin. Von einem Fremden. Drei und zwanzigster Brief, in: BM, Bd. 4, 10. St., Oktober 1784, S. 346–351, hier S. 347–349. 47,9–10 Bombardier 〈. . .〉 Feuerwerker] Die Feuerwerker »beschäftigten sich mit der Verfertigung der Kunstfeuer, und mit dem Laden und Abfeuern der Mörser; sie bildeten eigentlich die oberste oder Erste Classe ihrer Zunft, gleichsam die Officiere und bekamen vierfachen Sold. Die Büchsenmeister bedienten das Belagerungsgeschütz (die Mauerbrecher), und mußten mit der Verfertigung desselben sowol, als der zugehörigen Munition, und des Pulvers bekannt seyn« (Ersch/Gruber I 5, S. 456); ›Büchsenmeister‹ ist die Eindeutschung von frz. Bombardier, lat. ›bombardarius‹ (DWb 2, Sp. 478). 47,10–11 Unglück 〈. . .〉 zu mißfallen] Holtzendorfs Vater, Ernst Konrad Holtzendorf (gest. 1751), war bei Friedrich Wilhelm in Ungnade gefallen; die Degradierung des Sohns geht darauf zurück (König, Biographisches Lexikon, S. 178f.). 47,11 Friedrich Wilhelm] Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1688–1740, König seit 1713).

432

Denkwürdigkeiten

47,16 Metiers] Metier: »Handwerk, Gewerbe«, im 18. Jh. aus dem Französischen übernommen (Schulz/Basler 2, S. 107). 47,22–25 Secondelieutenant 〈. . .〉 Premierlieutenant] Ausdifferenzierung des Leutnant-Dienstgrades in Preußen seit dem 18. Jh. (›Leutnant‹ war seit Mitte des 17. Jhs. eine Dienstgradbezeichnung für untere Offiziere). 47,22–23 nach erfolgtem Frieden] Der 1. Schlesische Krieg (1740–42) endete für Preußen mit dem am 11. Juni 1742 in Breslau mit Österreich geschlossenen Präliminarfrieden (bestätigt am 28. Juli 1742 in Berlin), in dem Preußen Schlesien mit der Grafschaft Glatz erhielt. 47,25 Stabscapitaine] Nach Aufkommen stehender Heere in Preußen bis 1842 Dienstgradbezeichnung für ›Hauptmann‹. 47,25–26 Feuerwerksmeister] Fachlicher Vorgesetzter der Feuerwerker (vgl. Erl. zu S. 47,9–10). 47,28 Compagnie] Bis zu Beginn des 19. Jhs. die kleinste administrative Einheit der Streitkräfte; sie bestand aus mehreren Zügen und gehörte in der Regel zu einem Bataillon. 47,29 Major] Unterster Dienstgrad der Stabsoffiziere. 47,29 König] Friedrich II. von Preußen. 47,30–48,1 Obristlieutenant] Stellvertreter des Regimentsinhabers. 48,1 Obrister] Inhaber eines Regiments. 48,1–3 Chef 〈. . .〉 Generalmajor] Oberbefehlshaber der Artillerie. 48,4–11 Schlachten bei Molwitz 〈. . .〉 Schweidnitz] Holtzendorf nahm also an folgenden Kriegen teil: 1. Schlesischer Krieg: Mollwitz/Malujowice, 10. April 1741, Bombardement resp. Belagerungen von Brieg/Brzeg, Neisse/Nysa, Prag. – 2. Schlesischer Krieg: Hohenfriedeberg/Dobromierz, 4. Juni 1745, Soor/Zd’a´r, 30. September 1745. – Siebenjähriger Krieg: Lobositz/Lovosice, 1. Oktober 1756, Prag, 6. Mai 1757, Breslau, Leuthen/Lutynia, 5. Dezember 1757, Zorndorf/Sarbinowo, 25. August 1758, Hochkirch, 14. Oktober 1758, Liegnitz/Legnica, 15. August 1760, Burkersdorf/Burkato´w, 21. Juli 1762, Belagerungen von Olmütz/Olomouc, Mai 1758–1. Juli 1758, Dresden 1760, Schweidnitz/Swidnica, Einnahme 9. Oktober 1762. – An den Feldzügen der französischen Armee unter dem Marschall von Sachsen nahm er als Freiwilliger auf Befehl Friedrichs II. teil: Bergen op Zoom 1747, Lawfeld in Brabant 1747. 48,6 Orden pour le merite´] Verschrieben für pour le me´rite. Preußischer Orden, 1740 gestiftet von Friedrich II., ursprünglich Auszeichnung sowohl für Militärals auch für Zivilpersonen (für besondere Leistungen in den Wissenschaften und Künsten); seit 1810 (in der militärischen Abt.) ausschließlich als Kriegsverdienstorden verliehen (bis 1918).

Die Texte im einzelnen

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48,13 7jährigen Kriege] 1756–1763, auch als 3. Schlesischer Krieg bezeichnet; militärische Auseinandersetzung zwischen Preußen (verbündet mit Großbritannien) und Österreich (u. a. verbündet mit Frankreich, zeitweilig mit Rußland) um Schlesien, zwischen Großbritannien und Frankreich um die Vorherrschaft zur See und in den Kolonien. 48,16 Dieskau] Karl Wilhelm von Dieskau, 1701–1777, preußischer Generalleutnant und Generalinspekteur der Artillerie (als solcher Vorgänger Holtzendorfs). 48,22–24 Zeugniß 〈. . .〉 g e d i e n t ] Belegt in: König, Biographisches Lexikon, S. 180. 48,26 Valiere] Jean-Florent de Vallie`re (1667–1759); zu seinen Reformen vgl. Histoire militaire, S. 63f. 48,27 Er schuf sie um] Zu Holtzendorfs Reformen heißt es in der ADB (13, S. 15): »H. hat großes Verdienst um die verbesserte Beweglichkeit und Brauchbarkeit des Geschützes. So z. B. verringerte er das Kaliber der alten schwerfälligen ›Brummer‹. Auch vereinfachte er die Munitionsanfertigung. Seine Artillerie-Mannschaftsschule theilte er in fünf Classen 〈. . .〉. Die ältesten Stabsofficiere besuchten ohne Scheu Holtzendorf’s winterliche Vorlesungen für Officiere. Das gesammte Artilleriecorps erhielt jetzt einen erhöheten Bildungsstand, und der invalide Unterofficier demgemäß eine bessere Civilversorgung. Beim ›Wedding‹, in der Nähe Berlins, erbaute H. eine bastionirte Front, gegen die er alljährlich den Angriff übte. Durch Versuchs-Schüsse und Würfe 〈. . .〉 erläuterte H. praktisch das im Winter Erlernte. Außerdem war H. der Schöpfer der artilleristischen ›Manövrirfähigkeit‹«. 48,33 Collegia] Plural zu lat. ›collegium‹, seit dem 17. Jh. meist verwendet für die ältere Bezeichnung ›lectio‹ in der Bedeutung ›Vorlesung an einer Universität‹ (Schulz/Basler 1, S. 351). 49,21 Zeughause] Gebäude zur Aufbewahrung von Waffen, sonstigem Kriegsmaterial, Kriegsbeute; im Auftrag von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (seit 1701 Friedrich I., König von Preußen) in der Nähe der Berliner Befestigungsanlagen (heute ›Unter den Linden‹) errichtet ab 1695 (offiziell bis 1706, tatsächlich aber ist von einer 35jährigen Bauzeit auszugehen). 50,1 Brustwassersucht] Pleuraerguß, Flüssigkeitsansammlung zwischen Brustund Rippenfell durch Austritt von Blutplasma, verursacht u. a. durch Tuberkulose oder Herzinsuffizienz. 50,6 Er ist nicht mehr] Nekrologformel; vgl. etwa die Nachrufe auf Gotthold Ephraim Lessing: Königl. privilegirte Berlinische Zeitung, Berlin, 1781, 28. Februar (aus einer Leichenrede, zit. nach Bohnen 1982, S. 28f.; hier S. 29), sowie

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Denkwürdigkeiten

Moritz’ eigenen poetischen Nachruf Auf Lessings Tod (Moritz, Gedichte, S. 41); vgl. auch Klischnig, Erinnerungen, S. 〈V〉: Er ist nicht mehr – der gute A n t o n

Reiser! 50,6 aber Sein Geist ruhet noch auf den Artilleristen] Anspielung auf Gen 1,2 (»Gottes Geist schwebte über dem Wasser«). 50,7–11 Er war zu sehr 〈. . .〉 gebahnet hat] An dieser Biographie exemplifiziert sich Johann Gottfried Herders (1744–1803) geschichtsphilosophischer Entwurf, der das für die spätaufklärerische Philosophie zentrale Todesproblem löst, indem er die generische Unsterblichkeit des einzelnen behauptet (Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit [1784–1791], vgl. Erl. zu S. 14,15–19); vgl. Erl. zu S. 53,13–19.

Die Texte im einzelnen

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Das Skelet Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇKarl Philipp Moritz,È ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen

Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 102–109. J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Das Skelet. In: DW 1786 I, 5. St., S. 73–78. D2 ÇKarl Philipp Moritz,È Das Skelet. In: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 287–295. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 50,13–14 Durch 〈. . .〉 dargestellt! –] An diese Schöpfung schließt sich d e r

To d , welcher durch das von Fleisch entblößte Knochengebäude des Menschen im Bilde dargestellt wird. D1 50,16 Knochenbaues,] Knochenbaues D2 50,18 indem] in dem D2 50,20 daß] das D2 50,21 kann] kann. D2 50,22–23 worin] worin sie D1 50,23 abbildete] abbildete. D2 50,24 worin] worinn D1 50,25 Oefnungen] Oeffnungen D1 Oefnungen. D2 50,26 Lippen,] Lippen D1 50,26 Freude] Freuden D1 50,27 verschwunden] verschwunden. D2 50,29 Sitze] Sitz D1 51,1 trotzt;] trotzt, D2 51,1 selbst] und selbst D1

436

Denkwürdigkeiten

51,2 zerfallenen] zerfallnen D1 51,3 einflößt] einflößt. D2 51,9 wollen?] wollen D1 51,13 lezte] letzte D1 D2 51,14 deren] die D1 51,15 anhäufte] anhäufe D1 51,15 gebohren] geboren D1 51,17 dauren] dauern D2 51,19 diese] die D1 51,20 allen unsern] alle diesen D1 51,20 Vorstellungen.] Vorstellungen – D1 51,21 L e b e n und To d ] Leben und Tod D2 51,24 Welt] Welt. D2 51,25 A n f a n g – E n d e d e s D a s e y n s ] A n f a n g und E n d e d e s D a s e y n s D1 Anfang – Ende des Daseyns D2 51,26 gehüllt] gehüllt. D2 51,27 S c h l u ß p u n k t ] Schlußpunkt D2 51,27 zwei] zwey D2 51,27 Seiten] Seiten. D2 51,29 gehemmt] gehemmet D1 gehemmt. D2 51,30 alles –] alles; D1 51,33 zurückgesunken] zurückgesunken. D2 52,1 uns,] uns – D1 52,2 sollen] sollen. D2 52,4 kann] kann. D2 52,5 scheinet] scheint D1 52,5–6 Widerspruch] Widerspruch. D2 52,8 ist] ist. D2 52,9 D e n k e n d e r M e n s c h – K n o c h e n g e r i p p e ] Denkender Mensch – Knochengerippe D2 52,10 denken] denken. D2 52,11 Das,] Das D2 52,11 d a c h t e ] dachte D2 52,11 s o ] so D2 52,11 werden] werden. D2 52,12 erzeugt] ergänzt D1

Die Texte im einzelnen 52,13 erhabenen] erhabnen D1 52,14 Begriff] Begrif D2 52,14 plözlich] plötzlich D1 D2 52,15 macht] macht. D2 52,17 darein] darinn D1 52,17–18 können] können. D2 52,19 steiffe] steife D1 D2 52,19 anfaßt,] anfaßt D2 52,20 diese] Dieses D1 52,21 steht] stehet D2 52,21–22 Betrachtung] Betrachtung. D2 52,26 beobachtet] beobachtet, D1 D2 52,28 geben] geben. D2 52,30 bezeichnet] bezeichnet. D2 52,33 K ö r p e r und G e i s t . ] K ö r p e r und G e i s t D1 Körper und Geist. D2 53,1 dunklen] dunkeln D2 53,3 d i e G e i s t e r w e l t ] die Geisterwelt D2 53,4 empor] empor. D2 53,7 verhüllt] verhüllt. D2 53,9 heitre] heitere D1 53,9 auf] auf. D2 53,11 bauen] bauen. D2 53,11 Das B a u e n , das B i l d e n ] Das Bauen, das Bilden D2 53,12 Mittel] Mittel. D2 53,13 andre] andere D1 53,15 wird] wird. D2 53,16 gebohren] geboren D1 D2 53,19 zu] zu. D2 53,20 Vervollkommung] Vervollkommnung D1 53,22 Dinge] Dinge, D2 53,22 Zweck] Zweck, D2 53,25 rollt] rollt. D2 53,26 diese] die D1 53,26 d o p p e l t e ] doppelte D2 53,27 f o r t s c h r e i t e t ] fortschreitet D2

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438

Denkwürdigkeiten

53,27 drehet] drehet? D2 53,29 Tod] Tod, D2 53,30 Alter] Alter, D2 53,31 Zerstörung] Zerstörung. D1 D2 53,32 D r e h e n u m i h r e A x e ] Drehen um ihre Axe D2 53,33 Ta g und N a c h t ] Tag und Nacht. D2 54,4 Kreislaufe] Kreislauf D1 54,5 welches] welcher D2 54,8 Vervollkommung] Vervollkommnung D1 54,9 zunimmt] zunimmt. D2 54,10 Feld] Feld. D2 54,13 e r m ü d e n ] ermüden D2

Stellenerläuterungen 50,12 Das Skelet] Weitere Drucke: KL, S. 102–109; LP, S. 287–295; s. KMA 6, S. 201,17–205,23. 50,13–14 Knochengebäude 〈. . .〉 Tod im Bilde] Der Erstdruck des Textes in Moritz’ Kinderlogik bezieht sich auf die Abbildung eines Skeletts mit der Unterschrift mors auf der vierten besprochenen Kupfertafel (vgl. KMA 6, Abb. 6). Zur zeitgenössischen Debatte um die Ikonographie des Todes vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Wie die Alten den Tod gebildet: eine Untersuchung (1769), in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 11, S. 1–55. In einer – durch eine Fußnote seiner Laokoon-Abhandlung ausgelösten – Kontroverse mit Christian Adolf Klotz besteht Lessing in dieser Schrift auf der These, in der Antike sei der Tod nicht abstoßend, sondern ›schön‹ dargestellt worden – nicht als Skelett, sondern als Jüngling mit umgedrehter erloschener Fackel. 50,22 Spiegel] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19. 50,28 Fiebern] Vgl. Erl. zu S. 43,25. 51,23 die furchtbare Trümmer] Neben ›das Trumm‹ und ›der Trumm‹ gebräuchliche Singular-Form, vgl. Campe, Wörterbuch IV, S. 901. 51,28–29 Hier senkt sich 〈. . .〉 gehemmt] Vgl. Erl. zu S. 126,10–11, ferner Erl. zu S. 9,2. 52,33 K ö r p e r und G e i s t ] Rehabilitation des auf Rene´ Descartes (1596–1650) zurückgehenden Dualismus von Körper (›res extensa‹) und Geist (›res cogitans‹), vgl. dazu Saine 1971, S. 47f.

Die Texte im einzelnen

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53,2–3 zerstörten Körperwelt 〈. . .〉 G e i s t e r w e l t ] Vgl. Erl. zu S. 20,12; der Gedankengang erinnert an Herder, vgl. Erl. zu S. 53,13–19. 53,8–9 Unser Gesichtskreis 〈. . .〉 Ferne auf] Vgl. Erl. zu S. 126,10–11, ferner Erl. zu S. 9,2. 53,13–19 In jedem Herbst 〈. . .〉 Menschenalter zu] Im steten Ablauf der Jahreszeiten, der den Zusammenhang von Vergänglichkeit und Fortbestand der Natur demonstrieren sollte, fand die Spätaufklärung ein treffendes Sinnbild unsrer Unsterblichkeit (Schiller, NA 20, S. 116: Philosophische Briefe) – wie im sog. ›Schmetterlings-Gleichnis‹ Herders in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit: Und so zeigt uns die Natur auch in diesen Analogieen w e r d e n d e r 〈. . .〉 Geschöpfe, warum sie den Todesschlummer in ihr Reich

der Gestalten einwebte. Er ist die wohlthätige Betäubung, die ein Wesen umhüllet, in dem jetzt die organischen Kräfte zur neuen Ausbildung streben (Herders Sämmtliche Werke, Bd. 13, S. 194); vgl. Erl. zu S. 14,15–19. 53,24 Axe] ›Achse‹; zur Schreibung vgl. Adelung 1, Sp. 148. 54,11–12 Mannichfaltigkeit und Einheit] Der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie zufolge definiert ›Einheit in der Mannigfaltigkeit‹ ›Vollkommenheit‹ und ›Schönheit‹; vgl. Erl. zu S. 16,24–26, ferner Sulzer 4, S. 307 u. 689.

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Denkwürdigkeiten

Die Schwärmerei Überlieferung 1. Textgrundlage J

1

J2

C. P. Moritz, Die Schwärmerei. In: Berlinsche Nachrichten von Staatsund Gelehrten Sachen Ç= Haude- und Spenersche ZeitungÈ, Nr. 22, Dienstags den 20. Februar 1781, S. 131f. ÇKarl Philipp Moritz,È Die Schwärmerei. In: DW 1786 I, 5. St., S. 79f.

Grundlage für den edierten Text: J2.

2. Varianten 54,23 54,24 55,11 55,18

1

Das] Daß J Dämon] Demon J1 reinem] reinen J1 Höllenschmerz;] Höllenschmerz! // Bewahre doch den Säugling, in der Wiege, / Der seines Nahmens Schall vergißt, / Daß nicht der süsse Wahn sein Herz besiege, / Noch eh es weiß, was Wahrheit ist! J1 55,19 Ach] Ach, J1 56,5 Gedanke] Gedanke, J1 56,5 geläutert] geläutert, J1 Stellenerläuterungen 54,14 Die Schwärmerei] Erstdruck: Berlinische Nachrichten von Staatsund Gelehrten Sachen Nr. 22, 20. Februar 1781, S. 131f. – Von Interesse ist dieser spätere Wiederabdruck für den nach Moses Mendelssohns Tod am 4. Januar 1786 publizistisch entfachten sog. ›Spinozismusstreit‹ (vgl. Erl. zu S. 20,2). Die lyrische Stellungnahme gegen Jacobi gehört zur zeitgenössischen Debatte über Aberglaube und Schwärmerei (vgl. Erl. zu S. 26,33–27,1), vgl. dazu allgemein Hinske 1990, v. a. S. 84. Für eine allgemeine Bestimmung von Schwärmerei auf der Grundlage der Erfahrungsseelenkunde vgl. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 10, S. 9: Schwärmerei ist ein krankhafter Zustand des Gemüths, in dem

man sich fortdauernd Verhältnisse, Erfahrungen und Erfolge als wirklich

Die Texte im einzelnen

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oder erreichbar vorstellt, die nur noch in der Idee bestehen oder überhaupt in das Gebiet solcher Einbildungen gehören, die niemals Wirklichkeit erhalten könen, und danach im Handeln verfährt. 〈. . .〉 Alle Schwärmerei hat ihren Grund in Mangel oder nicht gehöriger Übung der Urtheilskraft bei starker Phantasie und Empfindsamkeit; denn nur wo es an Urtheil und Umsicht fehlt, können unstatthafte Meinungen Eingang finden und dunkle Gefühle und Einbildungen eine Übermacht erhalten, die das Gemüth aus dem Gleichgewichte der Gesundheit bringt. 54,18 Flor] ein von zarter Seide, Nesselgarn oder Wolle sehr leicht und dünne gewebter Zeug von allerley Farben 〈. . .〉 Einem den Flor von den Augen ziehen, figürlich ihm seine Vorurtheile benehmen, ihm eine deutliche Erkenntniß von etwas verschaffen, ihn aus dem Stande der Unwissenheit reißen (Adelung 2, Sp. 217). 54,21 Unholdinnen] In engerer Bedeutung veraltet für ›Hexe‹, ›altes Weib‹ (abwertend), ›Betrügerin‹; hier allgemein Bezeichnung für den (weiblichen) ›Dämon‹ bzw. das ›Dämonische‹ (DWb 24, Sp. 1068f.). 54,27 blöde] Im Sinne von »scheu, unerfahren, furchtsam, feige, verzagt« (DWb 2, Sp. 139), hier negativ konnotiert. 55,3–10 Der, dessen Lied 〈. . .〉 Ausbruch kam] Anspielung auf Moritz’ eigene von religiöser Schwärmerei geprägte Jugendgeschichte. 55,25 Blödsinn] »schwäche des verstandes« (DWb 2, Sp. 142; vgl. Adelung 1, Sp. 1082). 55,26 verwöhnte] Vgl. Erl. zu S. 21,22. 56,5 Vernunft] Leitkategorie des Streits über Lessings ›Spinozismus‹, wobei die Parteien von diametralen Prämissen ausgingen: Setzte Jacobi Vernunft mit Gefühl, Sinn für das Übersinnliche (Werke, hrsg. v. Friedrich Roth und Friedrich Köppen, Bd. 4, 1. Abt., Darmstadt 1968 [Nachdruck der Ausg. Leipzig 1819], S. XXI) oder mit der unmittelbaren Gewißheit, welche 〈. . .〉 alle Beweise ausschließt (S. 210), gleich, so behauptete Mendelssohn die Unvereinbarkeit von Glaube und Vernunft: Ihr Salto mortale ist ein heilsamer Weg der Natur.

Wenn ich der Spekulation eine Zeitlang durch Dornen und Hecken nachgeklettert bin; so suche ich mich mit dem bon sens zu orientieren (Mendelssohn, JubA 3,2, S. 202), vgl. Erl. zu S. 20,2 u. zu S. 38,5–11. 56,13 Sechstes Stück] Das 6. Stück erschien am Dienstag, dem 7. Februar 1786 (vgl. VZ, 16. St., 7. Februar 1786: Das 6te Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n ist bei J. Fr. Unger zu haben).

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Denkwürdigkeiten

Das menschliche Elend Überlieferung 1. Textgrundlage J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Das menschliche Elend. In: DW 1786 I, 6. St., S. 81–89. D1 Das menschliche Elend. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der

Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 112–122 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 112–122). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 56,15–25 Ueber das Elend 〈. . .〉 gemacht worden ist.] fehlt in D1 56,27 manchmal] manchmahl D1 57,1 Rathsversammlungen und Kollegiis] Rathsversammlungen D1 57,3 zuerst] zu erst D1 57,4 Kleinen,] Kleinen D1 57,13–19 Die meisten Menschen 〈. . .〉 legen –] fehlt in D1 57,20 man nun] man D1 57,21 Elend] Elende D1 57,22–23 Augenblick] Augenblicke D1 57,23 plözlich] plötzlich D1 57,24 a u f e i n e n e i n z i g e n Ta g l a n g ] auf einen einzigen Tag lang D1 57,25 E i g e n n u t z ] Eigennuz D1 57,30 Gleis] Geleis D1 57,31 war] war. D1 57,32 werden] werden. D1 57,34 S t a c h e l ] Stachel D1 58,1 auf] auf. D1 58,3 der Thätigkeitstriebe] des Thätigkeitstriebs D1

Die Texte im einzelnen

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58,4 werden] werden. D1 58,5 neuem] neuen D1 58,6–7 niedergelegte] nieder gelegte D1 58,7 aufgesezt] aufgesetzt D1 58,8 zusammengeschmiedet] zusammen geschmiedet D1 58,9 heraufgewunden] herauf gewunden D1 58,9–10 seinen] seinem D1 58,10 Zustand] Zustande D1 58,13 U n t e r d r ü c k e r ] Unterdrücker D1 58,13–14 U n t e r d r ü c k t e ] Unterdrückte D1 58,14–15 f r e i e n S p i e l r a u m ] freien Spielraum D1 58,19 ungenuzten] ungenutzten D1 58,19–20 erwecken] erwecken. D1 58,21 S e l b s t t h ä t i g k e i t ] Selbstthätigkeit D1 58,30 e i n z e l n e n ] einzelnen D1 58,32 legen. – Da] legen. – Da D1 58,32 v e r e i n z e l t ] vereinzelt D1 58,34 Ve r e i n z e l u n g d e s s e l b e n d u r c h d i e Z e i t ] Vereinzelung desselben durch die Zeit D1 59,1 g e g e n w ä r t i g e A u g e n b l i c k ] gegenwärtige Augenblick D1 59,2 e i n z e l n e M e n s c h es w i r k l i c h ] einzelne Mensch es wirklich D1 59,2–3 k e i n e e i g e n t l i c h e S u m m e ] keine eigentliche Summe D1 59,7–8 bringt. – Das] bringt. – Das D1 59,11 schließen – Kurz, die große] schließen – Kurz die grosse D1 59,13 w i n z i g ] winzig D1 59,15 Leben. – Denen,] Leben. – Denen D1 59,16 denen,] denen D1 59,17 w i c h t i g ] wichtig D1 59,18 Trost. – Die] Trost. – Die D1 59,18 werden] würden D1 59,19 selbstgewähltes] selbst gewähltes D1 59,19 wolltest – daß] wolltest. – Daß D1 59,19 Sklaven] Sclaven D1 59,20–21 überhoben – daß] überhoben – Daß D1 59,22 selber. – Es] selber. – Es D1

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Denkwürdigkeiten

59,23–25 k e i n E l e n d 〈. . .〉 f ü h r t ] in D1 nicht hervorgehoben 59,25 welcher nur] nur D1 59,25 Umstehenden] umstehenden D1 59,27 was] Was D1 59,27 Mittelpunkt] Mittelpunkte D1 59,28–29 zusammenfaßt? Du] zusammenfaßt? Du D1 59,33 long.«] long D1 60,3 auflehnen – Ehe] auflehnen – Ehe D1 60,6 gewissermaßen] gewissermassen D1 60,6 seyn – ich] seyn. Ich D1 60,7 sogar] so gar D1 60,8 überwiegt –] überwiegt. D1 60,9 daß] das D1 60,11 n o t h w e n d i g ] nothwendig D1 60,11 wäre – denn] wäre. – Denn D1 60,12 widerstehen] wiederstehen D1 60,13 Z u f a l l d e r G e b u r t ] Zufall der Geburt D1 60,17 tröstenden,] tröstenden D1 60,17–26 d a ß e s i n d e r M a c h t d e s M e n s c h e n 〈. . .〉 P r e i s z u g e b e n ] in D1 nicht hervorgehoben 60,23 k a n n ] könne D1 60,23 j e d e m ] jeden D1 60,25 z u r ü c k z u z i e h e n ] zurück zu ziehen D1 60,27 vorausgesezt] voraus gesetzt D1 60,27–28 unbefangenem Muth] unbefangnem Muthe D1 60,29 anstellen – Aus] anstellen. Aus D1 60,29–30 her gezogen] hergezogen D1 60,30 trotz] Trotz D1 60,31 Und] und D1 61,1 lasse] laße D1 61,2 vorüber ziehen] vorüberziehen D1 61,4 emporkeimen] empor keimen D1 61,4 wird – wie] wird – Wie D1 61,5 Mönchsklöster] Mönchs-Klöster D1 61,8 entsprang] entspringt D1 61,8 Traum] ein Traum D1

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61,9 indes] indeß D1 61,10 bleibt] bleibt. D1 61,10 Sollten] Solten D1

Stellenerläuterungen 56,14 Das menschliche Elend] Weitere Drucke: GL, S. 112–122 (gekürzt); LP, S. 112–122 (gekürzt); s. KMA 6, S. 337–341. 56,17–25 Salzmann 〈. . .〉 gemacht worden ist] Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811), Pädagoge (Philanthrop), Gründer einer am Programm des Dessauer Philanthropins orientierten Erziehungsanstalt in Schnepfenthal bei Gotha. – Das folgende bezieht sich auf den Roman Carl von Carlsberg oder über das menschliche Elend, 6 Teile, Leipzig: Siegfried Lebrecht Crusius 1783–88, dessen grundlegende pädagogische Ideen Salzmann begleitend in Noch etwas über die Erziehung (vgl. Erl. zu S. 18,24–25) behandelte: Es sind wenigstens funfzehn

Jahre, daß in mir der Gedanke lebendig wurde: die vorzüglichste Ursache, von dem vielen Jammer und Elend in der Welt, sey in der fehlerhaften Erziehung der Menschen zu suchen (S. 67), eine Erziehung, die den Körper vernachlässige und so auch die Ausbildung der Verstandesfähigkeiten behindere. Entsprechend heißt es im Roman: Fast alles Elend, wenigstens alles, das in diesem Buche beschrieben wird, ist eine Wirkung des Unverstandes 〈. . .〉 Die Erziehung, die die mehresten von uns genossen, war eine beständige Bemühung, unsern Verstand und alle unsere Kräfte zu lähmen (Salzmann, Carl von Carlsberg, 2. T., Leipzig 1784, S. 12f.). 56,22 Flor] Vgl. Erl. zu S. 54,18. 57,1 Kollegiis] ›Ablativus locativus‹ (Plural) von lat. collegium, vgl. Erl. zu S. 48,33. 57,8 Conchylien] »Schalthiergehäuse, 〈. . .〉 sind jene harten, dem Mineralreich sich mehr nähernden Decken und Hüllen einer großen Anzahl von Mollusken oder Weichthieren« (Ersch/Gruber I 19, S. 5; dort auch zu Klassifikationsversuchen des 18. Jhs.; häufig metonymisch für die Schalentiere selbst verwendet ). Vgl. auch Moritz’ Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungsseelenkunde: Es ist fast

schändlich, daß man bis izt noch Schneckenhäuser und Spinnen beinahe mehr als den Menschen seiner Aufmerksamkeit wert gehalten hat! (in: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503, hier S. 491; KMA 12). 57,15–19 wodurch jemand 〈. . .〉 Schooß zu legen] Diese Stelle bezieht sich auf die Selbstrechtfertigung des Herausgebers zu Beginn des zweiten Romanteils:

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Gleich wie man aber den lobt, der die Bürgerschaft ermuntert, ihre Feuerspritzen in Bereitschaft zu halten, und ihre Dämme auszubessern 〈. . .〉 so bin ich auch wohl nicht zu tadeln, wenn ich meine Mitmenschen auf andere Arten des Elends aufmerksam mache, und sie ermuntere, dagegen auf ihrer Hut zu seyn (Salzmann, Carl von Carlsberg, 2. T., S. 6). 58,11–13 wie soll denn 〈. . .〉 verstopft werden?] Antwort auf Salzmanns Optimismus (mit wörtlichen Anleihen): Nimm lieber ein Elend, das dich am mehresten erschüttert, heraus, mache es zum Gegenstande deiner Aufmerksamkeit, suche die Quelle desselben auf, und, wenn du sie gefunden hast, so denke auf Mittel, sie zu verstopfen. Hast du sie entdeckt, und dein Verstand hat die gehörige Reife, so fange, im Vertrauen auf Gott, mit der nöthigen Weisheit, an zu handeln, und 〈. . .〉 deine Bemühung wird nicht umsonst seyn (Salzmann, Carl von Carlsberg, 2. T., S. 17). 58,23 bürgerlichen] Vgl. Erl. zu S. 14,27. 59,22–60,2 Es giebt wirklich 〈. . .〉 des Geistes ist] Anklingen der TheodizeeProblematik, die u. a. auch in Die Macht des Unglücks (vgl. S. 44,1–29 in diesem Bd.) thematisiert wird (vgl. Erl. zu S. 44,1). Die Reflexionen auf das menschliche Elend allerdings setzen nicht auf resignative Akzeptanz der (besten aller möglichen) Verhältnisse, sondern auf die Tatkraft des Menschen, der damit die Option erhält, das Bestehende zu verändern. Das Problem wird so, entsprechend dem Programm der Zeitschrift, von verschiedenen Seiten aus beleuchtet; eine (vereinseitigende) Festlegung würde der grundgelegten Auffassung von ›Wahrheit‹ als einer regulativen Idee widersprechen (vgl. z. B. Gotthold Ephraim Lessing, Eine Duplik, in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 13, S. 19–90, v. a. S. 23f.). 59,32–33 Man wants 〈. . .〉 long] Zitat aus Oliver Goldsmiths (1728–1774) humoristischem Roman The Vicar of Wakefield. A Tale. Supposed to Be Written by Himself (London 1766); vgl. Oliver Goldsmith, The Vicar of Wakefield. A Tale. Supposed to be written by himself. Edited with an Introduction by Arthur Friedman, London/New York/Toronto 1974, S. 40. Die dt. Übersetzung von Johann Joachim Bode (1730–1793) lautet: Der Mensch braucht wenig, und auch das / Nur eine kurze Zeit (〈Oliver Goldsmith〉, Der Dorfprediger von Wake-

field. Eine Geschichte, die er selbst geschrieben haben soll. Von neuem verdeutscht, Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1776, S. 81). 60,3–6 Ehe ich selbst 〈. . .〉 in Richtigkeit seyn] Zum Verhältnis von Egoismus und Altruismus vgl. Erl. zu S. 13,4–5. 60,13 Z u f a l l d e r G e b u r t ] Vgl. Erl. zu S. 17,11.

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60,17–19 d a ß e s i n d e r M a c h t d e s M e n s c h e n s t e h t 〈. . .〉 u n t e r w e r f e n ] In Andreas Hartknopf ähnlich ausgeführtes Modell der ›philosophischen Resignation‹ (AH, S. 7f.; KMA 2), das einen Lösungsansatz für die Frage nach dem Verhältnis von Determination und Willensfreiheit bot (vgl. dazu Erl. zu S. 39,15–16). In AH geht es dabei um die Einsicht in die Nothwendigkeit, sich der u n v e r n ü n f t i g e n S t ä r k e zu unterwerfen (AH, S. 103, KMA 2; vgl. auch Klischnig, Erinnerungen, S. 256f.); vgl. dazu Des Maurergesellen Wanderschaft, in: GL, S. 23–35 (KMA 6, S. 300–305). Wörtlich ist unter Resignation die Abdankung, Aufkündigung, Abtretung, Amts-Entsagung, übertragen die Selbstverläugnung, Aufopferung, Hingebung, Ergebung zu verstehen (GWb III, S. 348), wobei der damit verbundene Vorgang immer zugleich die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Resignation impliziert: R e s i g n i r e n 〈. . .〉 heißt überhaupt etwas freywillig und ungezwungen aufgeben (Zedler 31, Sp. 728). Zur mystisch-religiösen Tradition des Begriffs (Thomas von Kempen, Johannes Tauler, Martin Luther) vgl. Hist. Wb. d. Philos. 8, Sp. 910. 60,24–25 s i c h i n s i c h s e l b s t z u r ü c k z u z i e h e n ] Vgl. dazu Erl. zu S. 39,4–5. 60,29 Veste] Veraltete Schreibung für Feste, Festung (DWb 3, Sp. 1563 u. 1568; vgl. auch DWb 26, Sp. 18–20), vgl. auch Deutsche Sprachlehre für die Damen, S. 521 (KMA 7). 61,4 Vestung] Zur Schreibung vgl. Erl. zu S. 60,29.

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Denkwürdigkeiten

Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto. In: DW 1786 I, 6. St., S. 90–94. Fortsetzung von: Monolog aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto. In 4. St., S. 54–56.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 61,14–15 Noch eine Szene 〈. . .〉 Lotto] Fortsetzung von S. 40,9–41,22. 61,15 Lotto] Vgl. Erl. zu S. 40,10. 61,16 Kollekteur] »›Sammler von Abnehmern, Agent‹ in der Kaufmannssprache des 18. Jahrhs. 〈. . .〉 Es gilt bes. im Lotteriebetrieb« (Schulz/Basler 1, S. 353). 61,18 Gewinnst] » jüngere nebenform zu ›gewinn‹« (DWb 6, Sp. 6083). 61,25 Krösus Schätze] Sprichwörtlicher unermeßlicher Reichtum des letzten Königs von Lydien, griech. Kroisos (um 595 – nach 526 v. Chr.). 62,6–8 Was hatte denn der Stoff 〈. . .〉 Fürstensohne wurde] Vgl. Erl. zu S. 17,11. 62,12 Ursach und Wirkung] Vgl. Erl. zu S. 31,21–22. 62,21–22 unsre Seelen haben aufgehört miteinander zu stimmen] Von der Sympathielehre der englisch-schottischen Moralphilosophie inspiriertes zentrales Bild der zeitgenössischen Freundschaftstheorie (die Gleichheit des Naturels in Betrachtung der Seelen 〈ist〉 der Grund der S y m p a t h i e im m o r a l . Ve r -

s t a n d e , oder der besondern natürlichen Zuneigung zweyer Gemüther gegen einander; Zedler 41, Sp. 748); zu den ideengeschichtlichen Hintergründen vgl. Riedel 1985, S. 100–151.

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Phantasie Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Philipp Moritz,È Phantasie. In: DW 1786 I, 6. St., S. 95f. D1 Vernichtung. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der Freimaurer

mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 195f. (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 195f.). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 64,7 Goldumsäumte] Gold umsäumte D1 64,16 Schoße] Schooße D1 64,22 gießet] gießet, D1 64,25 Lichtstoff] Lichstof D1 65,1 ihrem] ihren D1 65,4–5 Aller Wolken 〈. . .〉 Und des Himmels] Und der Wolken D1 65,10 gebohren:] gebohren. D1 65,11–12 D i e G e b ä h r e r i n 〈 . . . 〉 N i c h t s . ] In D1 nicht hervorgehoben

Stellenerläuterungen 64,6 Phantasie] Weitere Drucke: Vernichtung, in: GL, S. 195f.; LP, S. 195f. (KMA 6, S. 371f.). 64,7 Goldumsäumte Wolke] Zeitgenössischen Sonnentheorien zufolge war die Sonne ein mit einer ungeheuern, beständig von leuchtenden Wolken

erfüllten Atmosphäre umgebener, für sich aber finsterer Körper, auf dessen Oberfläche sich, gleichwie auf unserer Erde, Berge und Thäler befinden (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 10, S. 371; vgl. auch Zedler 38, Sp. 786), und im Bereich der Meteorologie ging man davon aus, daß eine vor dem Sonnenaufgang erscheinende kleine dünne Wolcke auf ›schönes Wetter‹ schließen lasse

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Denkwürdigkeiten

(Zedler 38, Sp. 748); diese Vorstellungen mögen in die Metaphorik des Gedichts eingegangen sein. – Zum Bild der Himmelskönigin vgl. Zedler 38, Sp. 772f. 64,28 Küssen] Bis ins 18. Jh. geläufige Form für das heutige ›Kissen‹ (DWb 10, Sp. 617). Vgl. auch Adelung 2, Sp. 1849. 65,12 N i c h t s ] S o n n e n - L u f t , ist eine flüßige Materie um die Sonne,

welche seyn muß, indem ja aus der Sonne Ausdünstungen aufsteigen, und sich in die Wolcken zusammen ziehen, auch wieder zertheilen und in die Sonne herunter fallen (Zedler 38, Sp. 786); diese ›Wolken‹ existierten also nicht für sich, sondern nur in Hinsicht auf die Sonne, vgl. dazu auch Erl. zu S. 64,7. 65,13 Siebentes Stück] Das 7. Stück erschien am Dienstag, dem 14. Februar 1786 (vgl. VZ, 19. St., 14. Februar 1786: Das 7te Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n ist bei J. F. Unger für I Gr. zu haben).

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Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Ueber Moses Mendelssohn (Fortsetzung.). In: DW 1786 I, 7. St., S. 97–101. Fortgesetzt in: 9. St., S. 129–133.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 65,14 Ueber Moses Mendelssohn] Fortsetzung von S. 20,2–24,22 und 37,12–40,7; vgl. Erl. zu S. 20,2. 65,19 lutherischen Prediger] Nicht ermittelt. 66,5 König von Preussen] Friedrich II. (1712–1786, König seit 1740). 66,8–9 W i e l a n d , H e r d e r und G ö t h e ] Wichtige Referenzautoren auch für Moritz: Christoph Martin Wieland (vgl. Erl. zu S. 27,15); Johann Gottfried Herder (vgl. Erl. zu S. 14,15–19, 20,13–17 u. S. 53,13–19); Johann Wolfgang von Goethe. 66,21 r e s i g n i r t ] Zur ›Resignation‹ vgl. Erl. zu S. 60,17–19. 66,27 Stich] In übertragenem Sinn die Verletzung durch Worte (DWb 18, Sp. 2682f.). 66,32–33 wenn man 〈. . .〉 bediente] Vgl. dazu Vorlesungen über den Styl I, S. 43–45 (KMA 3). 66,33–67,2 tadelte 〈. . .〉 t h ä t i g in sich schließe] Gemeint ist Moritz’ Aufsatz Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungsseelenkunde (in: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503). Darin lautete die Widmung: An alle Verehrer

und Beförderer gemeinnüziger Kentnisse und Wissenschaften, und an alle Beobachter des menschlichen Herzens, welche in jedem Stande, und in jeglichem Verhältniß, Wahrheit und Glückseligkeit unter den Menschen thätig zu befördern wünschen (ebd., S. 485). In einer ähnlichen Formulierung hatte Moritz in einer leicht veränderten Ankündigung eines Magazins der Erfahrungsseelenkunde auch Mendelssohn als einen der thätigsten Beförderer seiner Psychologiezeitschrift tituliert (in: Allerneueste Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift, 1. Jg. 1782, S. 775–778 u. 785f., hier S. 786). Vgl. dazu KMA 12 und Goldmann 2005, S. 293f.

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Denkwürdigkeiten

67,21 K..] Michael Albrecht (Mendelssohn, JubA 23, S. 43) vermutet, es handle sich dabei um den Juristen Ernst Ferdinand Klein (1743–1810), den Mendelssohn im Winter 1781/82 kennengelernt habe (zur Person vgl. Jöcher 3, Sp. 457–460); möglicherweise ist auch Karl Friedrich (Christian Friedrich) Klischnig (1766–vor 1825) gemeint, mit dem Moritz von Sommer 1783 bis Frühjahr 1786 (und damit in den Jahren seiner Freundschaft mit Mendelssohn) zusammen wohnte. Jedenfalls scheint Moritz sehr daran interessiert gewesen zu sein, die eigenen Freunde in den Kreis um Mendelssohn einzuführen, vgl. Schlichtegroll 1795, S. 240f. 68,27–30 Das vortreffliche Porträt 〈. . .〉 vervielfältigt ist] Vgl. Erl. zu S. 38,31–33. – Ein 1786 von Daniel Berger (1744–1824) nach der Vorlage von Johann Christoph Frisch gefertigter Kupferstich wurde als Frontispiz in BM, Bd. 9, 1787 (unpag.) veröffentlicht; zu weiteren Kupferstichen vgl. Meyer 1965, S. 178f. (P 43–57).

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Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland. In: DW 1786 I, 7. St., S. 102–111.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 68,8–9 Unsre guten 〈. . .〉 z u v i e l ] Stellungnahme zur zeitgenössischen Debatte über die sog. ›Vielschreiberei‹, die literarische (Über-)Produktion, vgl. dazu Erl. zu S. 10,12–14. 68,10–12 Schaubühne 〈. . .〉 zurückbleibt] Das nationalpolitische Interesse der zeitgenössischen Theaterprojekte wandte sich, orientiert am ›englischen Geschmack‹ (Shakespeare), in der Hauptsache gegen den – in allen Lebensbereichen übermächtigen – französischen Klassizismus und trug so zur Ausbildung eines spezifisch deutschen Nationalbewußtseins bei (wichtige Vertreter sind Johann Elias Schlegel, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Gottfried Herder und der junge Goethe); die an dieser Stelle formulierte Kritik geht auf die Diagnose Lessings im 101.–104. Stück der Hamburgischen Dramaturgie zurück: Ueber den guther-

zigen Einfall den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen, da wir Deutsche noch keine Nation sind! Ich rede nicht von der politischen Verfassung, sondern blos von dem sittlichen Charakter. 〈. . .〉 Wir sind noch immer die geschwornen Nachahmer alles Ausländischen, besonders noch immer die unterthänigen Bewunderer der 〈. . .〉 Franzosen (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 10, S. 213). 68,13 L e s s i n g s M i n n a v o n B a r n h e l m ] Gotthold Ephraim Lessing, Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Verfertiget im Jahre 1763, in: Lustspiele von Gotthold Ephraim Lessing, 2. T., Berlin: Christian Friederich Voß 1767, S. 253–442. 68,13 E m i l i a G a l o t t i ] Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen, in: Trauerspiele von Gotthold Ephraim Lessing, Berlin: Christian Friedrich Voß 1772, S. 241–394. Aufführungen durch die Döbbelinsche Gesellschaft in Ber-

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Denkwürdigkeiten

lin: Dienstag, 28. Februar 1786 (vgl. VZ, 25. St., 28. Februar 1786); Donnerstag, 6. April 1786 (vgl.VZ, 41. St., 6. April 1786); Sonnabend, 27. Mai 1786 (vgl. VZ, 63. St., 27. Mai 1786). 68,14 L e i s e w i t z e n s J u l i u s v o n Ta r e n t ] Johann Anton Leisewitz (1752–1806), Julius von Tarent, Ein Trauerspiel, Leipzig: Weygandsche Buchhandlung 1776 (gehört zu den meistgespielten Stücken der 1770er und 80er Jahre). 68,14–15 Engels beide Nachspiele 〈. . .〉 d a n k b a r e S o h n ] Johann Jakob Engel (1741–1802), Der Edelknabe. Ein Lustspiel für Kinder in einem Aufzuge, Leipzig: Dyckische Buchhandlung 1774; Der dankbare Sohn. Ein ländliches Lustspiel in einem Aufzuge, Leipzig: Dyckische Buchhandlung 1771 (das Stück gehörte zum festen Repertoire der Döbbelinschen Gesellschaft, vgl. die Programmhinweise in der ›Vossischen Zeitung‹ der Jahre 1785/86). 68,17 ausgefeilte] Das Bild der Feile geht auf Horaz’ Ars Poetica zurück (Horaz, Ars poetica, V. 289–294) und bezeichnet dort die inhaltlich-stilistische Überarbeitung des Textes. 68,18–19 Genie, Fleiß, und Kunst ] Von der antiken Dichtungslehre inspirierte Forderung an das poetische Vermögen, das sich durch ›ingenium‹, ›studium‹ und ›ars‹ auszeichnen soll (vgl. Horaz, Ars Poetica, V. 408–411). 68,21–23 Shakespearschen Stücke 〈. . .〉 Form] In diesem Verständnis entsprach die Dramatik William Shakespeares (um 1564–1616), die keiner (äußeren) Regel folge – wie z. B. derjenigen der Einheit von Ort, Zeit, Handlung –, sondern (inneren) Zusammenhalt aufweise, der Wolffschen Definition von ›Vollkommenheit‹ oder ›Schönheit‹, vgl. Erl. zu S. 54,11–12 u. 16,24–26. S. etwa Goethe, Zum Schäkespears Tag: Seine Plane sind, nach dem gemeinen Styl zu reden,

keine Plane, aber seine Stücke, drehen sich alle um den geheimen Punckt, 〈. . .〉 in dem das Eigenthümliche unsres Ich’s, die prätendirte Freyheit uns-

res Willens, mit dem nothwendigen Gang des Ganzen zusammenstösst (WA I 37, S. 133). Zu Moritz’ Shakespeare-Rezeption vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 39; AR, KMA 1, S. 225–227 und Erl.; AH, S. 65f. (KMA 2). 69,7 Musterung passiren läßt] Zu Moritz’ theaterkritischen Arbeiten vgl. Knoche 1999, S. 95f. u. 283–323. 69,13–14 wahren Künstler 〈. . .〉 liegt] Vgl. Moritz’ Aufsatz Versuch einer Ver-

einigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten: Der wahre Künstler wird die höchste innere Zwekmäßigkeit oder Vollkommenheit in sein Werk zu bringen suchen; und wenn es dann Beifall findet, wird’s ihn freuen, aber seinen eigentlichen

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Zwek hat er schon mit der Vollendung des Werks erreicht (in: BM, Bd. 5, 1785, S. 225–236, hier S. 234; KMA 3). 69,15 F i g a r o ’ s H o c h z e i t ] Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais’ (1732–1799) außerordentlich erfolgreiches Lustspiel La folle journe´e ou Le mariage de Figaro (Erstaufführung in Paris am 27. April 1784; Buchausg. 1785), in deutscher Übers.: Der lustige Tag, oder Figaro’s Hochzeit. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Aus dem Französischen des Herrn Caron von Beaumarchais übersezt. Aechte, vom Herrn Verfasser einzig und allein genehmigte, vollständige Ausg., Kehl: J. G. Müller 1785. – Wolfgang Amadeus Mozarts bekannte Opern-Bearbeitung (Le nozze di Figaro, Libretto: Lorenzo Da Ponte, d. i. Emmanuele Conegliano) wurde am 1. Mai 1786 im Wiener Burgtheater uraufgeführt; in der Folge ist aber von Beaumarchais’ Lustspiel die Rede. – Das Stück gehörte zum festen Repertoire der Döbbelinschen Gesellschaft in Berlin, vgl. die Programmhinweise in der ›Vossischen Zeitung‹ der Jahre 1785/86; Aufführungen in zeitlicher Nähe zu diesem Stück der Denkwürdigkeiten: Sonntag, 8. Januar 1786 (VZ, 3. St., 7. Januar 1786), Sonnabend, 14. Januar 1786 (VZ, 6. St., 14. Januar 1786), Sonntag, 22. Januar 1786 (VZ, 9. St., 21. Januar 1786; auf Begehren zum sechszehntenmale), Donnerstag, 16. Februar 1786 (VZ, 20. St., 16. Februar 1786), Sonnabend, 25. Februar 1786 (VZ, 24. St., 25. Februar 1786; 21. Aufführung), Sonntag, 5. März 1786 (VZ, 27. St., 4. März 1786; 22. Aufführung). 69,17 Frivolität] ›Oberflächlichkeit‹, zu lat. frivolus (›wertlos‹, ›albern‹, ›nichtig‹). 69,18–23 herrschenden Geschmack 〈. . .〉 streben müsse] Arbeit am aufklärerischen Projekt der Verbesserung des Geschmacks, das der (Aus-)Bildung des Vermögen〈s〉 d a s S c h ö n e zu empfinden galt (vgl. dazu Sulzer 2, S. 371–385 u. 371). 69,26 Vaudeville] In der zeitgenössischen Gattungstheorie eine Gattung französischer leichter Lieder, eine Art Volkslied, das aus mehren〈!〉 Stro-

phen (couplets) besteht, heitern, oft auch satyrischen Inhalts ist, und im letztern Falle irgend eine komische Begebenheit des Tages, eine lächerliche Sitte oder Thorheit des Zeitalters schildert. Ein Haupterforderniß des Vaudeville ist, daß es eine leichte, gefällige Melodie habe, und der Hauptgedanke am Ende jeder Strophe mit passenden Veränderungen wiederholt werde (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 11, S. 589f.). – Im französischen Original (Beaumarchais, La folle journe´e, S. 141–144) bildet ebenso wie in Beaumarchais, Der lustige Tag, S. 215f., ein Vaudeville überschriebener Wechselgesang das Finale.

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Denkwürdigkeiten

69,33–34 man will nicht mehr stark bewegt 〈. . .〉 a m ü s i r t seyn] Gängiger Vorbehalt gegen das zeitgenössische Publikum und den ›herrschenden Geschmack‹ (der Schiller zufolge nur angenehm gekitzelt nicht ergriffen, nicht kräftig gerührt, nicht erhoben seyn will; vgl. Ueber das Pathetische, in: Schiller, NA 20, S. 200). 70,7 Theatercoups] Coup de the´aˆtre (frz.) : ›Theaterschlag‹, ›Theaterstreich‹; unerwartete, nicht aus dem Gang der Ereignisse motivierte Wendung der Handlung: Ein unvermuteter Zufall, der sich durch Handlung äußert und die Umstände der Personen plötzlich verändert, ist ein Theaterstreich (Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen übers. von Gotthold Ephraim Lessing. Anmerkungen und Nachwort v. Klaus-Detlef Müller, Stuttgart 1986, S. 97). 70,10 J o h n F a l l s t a f f ] John Falstaff, komischer Held etwa im zweiten Teil von William Shakespeares Königsdrama ›Henry IV‹ (übers. von J. J. Eschenburg: Zweyter Theil Heinrichs des Vierten, in: Willhelm Shakespears Schauspiele. Neue verb. Aufl., 16. Bd., Mannheim, 1779, S. 193–397) sowie in The Merry Wives of Windsor (übers. von J. J. Eschenburg: Die lustigen Weiber zu Windsor, in: Willhelm Shakespears Schauspiele, neue verb. Aufl., 5. Bd., Straßburg: Franz Levrault 1778, S. 171–344), vgl. Erl. zu S. 68,21–23. 70,14 Mann von Geist 〈. . .〉 Nahrung] Zentrale Forderung der an Johann Elias Schlegel (Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters, in: ders.: Ästhetische und dramaturgische Schriften, hrsg. v. Johann von Antoniewicz, Darmstadt 1970 [unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausg. Stuttgart 1887], S. 191–226, hier S. 200f.) angelehnten frühen Lustspieltheorie Lessings: Noch ein-

mal also mit einem Worte: das P o s s e n s p i e l will nur zum Lachen bewegen; das w e i n e r l i c h e L u s t s p i e l will nur rühren; die wahre K o m ö d i e will beydes 〈. . .〉 Der Pöbel wird ewig der Beschützer der Possenspiele bleiben, und unter Leuten von Stande wird es immer gezwungne Zärtlinge geben 〈. . .〉 Die wahre Komödie allein ist für das Volk, und allein fähig einen allgemeinen Beyfall zu erlangen, und folglich auch einen allgemeinen Nutzen zu stiften (Abhandlungen von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele, in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 6, S. 6–53, hier S. 52). 70,23–24 Aufmerksamkeit 〈. . .〉 fesseln] Polemische Abwertung der in der zeitgenössischen Dramaturgie bedeutsamen Kategorie des Interessanten (vgl. Erl. zu S. 132,2–3). 70,26–27 kleine meisterhafte Skizze 〈. . .〉 Lebens] Umfangreicher Monolog des Figaro im 3. Auftritt des 5. Akts (Beaumarchais, Der lustige Tag, S. 180–184; La folle journe´e, S. 121–124), den die zeitgenössische Rezeption überwiegend als

Die Texte im einzelnen

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Anklage gegen das politische System, gegen Adelswillkür, Zensur oder Mißstände im Rechtswesen gelesen hat. Moritz’ verallgemeinernde Deutung läßt diese Tendenz unbeachtet; daß aber einzig Figaros umstrittener Monolog positiv erwähnt wird, ist signifikant. – Mit den kontemporären Vorbehalten gegen das ›leichte Stück‹ (die die vorliegende Besprechung bündelt) setzte sich ausführlich ein Vorwort zu Der lustige Tag auseinander (S. 5–54). 70,29 natürliche] Im Sinne von ›realistisch‹, ›der Wirklichkeit entsprechend‹, im Gegensatz also zu ›wunderbar‹, ›übernatürlich‹ (DWb 13, Sp. 460). 70,30 Ränkevollen] Adelung verzeichnet Ränkvoll, Adjektiv zu Rank in der Bedeutung Kunstgriff, zu Erreichung einer unerlaubten Absicht, oder zum Nachtheil anderer (Adelung 3, Sp. 933 u. 931). 70,32 Gesichtspunkte] Vgl. Erl. zu S. 9,2. 71,2 Krieg aller wider einen, und eines wider alle] Der Gedanke geht auf Thomas Hobbes zurück: Darauf zeige ich nun, daß der Zustand der Men-

schen außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft (den ich den Naturzustand zu nennen mir erlaube) nur der Krieg aller gegen alle ist, und daß in diesem Kriege alle ein Recht auf alles haben. Ferner, daß alle Menschen aus diesem elenden und peinlichen Zustande vermöge ihrer natürlichen Triebe herauskommen wollen, sobald sie dessen Elend einsehen; daß dies aber nur möglich ist, wenn sie durch Eingehung von Verträgen ihr Recht auf alles aufgeben (Thomas Hobbes, Grundzüge der Philosophie. 2. und 3. T.: Lehre vom Menschen und vom Bürger. Deutsch hrsg. v. Max Frischeisen-Köhler, Leipzig 1917, S. 74). 71,3 Spiegel] Gemeint ist die Satire als Spiegel – über die Darstellung von Negativexempeln soll eine Korrektur menschlichen Fehlverhaltens erreicht werden (vgl. Grabes 1973, S. 106–108); vgl. dazu auch Erl. zu S. 12,17–19. 71,12 ganze Welt] Die antike Vorstellung von der Welt als einem Theater (theatrum mundi) war ein bis ins 17. Jh. verbreiteter literarischer Topos, der auch in der neueren Dramengeschichte immer wieder zitiert wird; von Shakespeare explizit benannt in As You Like It: All the world’s a stage (William Shakespeare, The Complete Works. Compact Edition. General Editors: Stanley Wells and Gary Taylor, Oxford 1988, S. 638; II/7). Vgl. Moritz’ Shakespeare-Charakteristik in Anton Reiser (KMA 1, S. 225,30–227,23 und Erl.) und Andreas Hartknopf (AH, S. 65; KMA 2). 71,25 vaterländische] Zeitgenössisch bezog sich Vaterland bzw. vaterländisch auf eine nicht weiter spezifizierte regionale oder gesamtnationale Begrenzung, d. h. entweder auf die einzelnen deutschen Staaten oder auf die Idee eines deutschen Gesamtstaats, vgl. Reinhart Koselleck, in: GG 7, S. 309–314.

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Denkwürdigkeiten

71,29–72,2 Familiengemählde 〈. . .〉 E h r s u c h t ] In der Tradition der engl. sentimental comedy (Richard Steele, 1672–1729) und domestic tragedy (George Lillo, 1693–1739), der frz. come´die larmoyante (Pierre Claude Nivelle de La Chausse´e, 1692–1754) und der drames Denis Diderots (1713–1784) stehende ›bürgerliche‹ Rührstücke, die zu den meistgespielten der Zeit zählen: Gustav Friedrich Wilhelm Großmann (1746–1796), Nicht mehr als sechs Schüsseln. Ein Familiengemälde, 2. Ausg. Leipzig: Dykische Buchhandlung 1780 (Erstausg.: Bonn 1780); August Wilhelm Iffland (1759–1814), Die Jäger. Ein ländliches Sittengemälde in fünf Aufzügen, Berlin: George Jacob Decker 1785 (Besprechung in: VZ, 75. St., 23. Juni 1785, vgl. KMA 10), Verbrechen aus Ehrsucht. Ein ernsthaftes Familiengemählde in fünf Aufzügen, Mannheim: Schwanische Hofbuchhandlung 1784 (Besprechungen in: VZ, 110. St., 11. September 1784, 111. St., 14. September 1784, 114. St., 21. September 1784, vgl. KMA 10). – Alle drei Stücke gehörten zum festen Repertoire der Döbbelinschen Gesellschaft in Berlin, vgl. die Programmhinweise in der ›Vossischen Zeitung‹ der Jahre 1785/86. – Moritz war mit Großmann (vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 358,14 und Erl.) und Iffland (ebd., S. 138,8–12 und Erl.) persönlich bekannt. 72,4–5 h o l l ä n d i s c h e S c h u l e i n d e r M a h l e r e i ] Gemeint ist die niederländische ›Genremalerei‹ v. a. des 17. Jhs. (Adriaen Brouwer, ca. 1605–1638; David Teniers, 1610–1690; Rembrandt, 1606–1669). Der ›Realismus‹-Begriff bezieht sich in diesem Kontext auf die N a c h a h m u n g d e r N a t u r und setzt sich damit dezidiert von der idealisierenden N a c h a h m u n g d e r A l t e n ab (Johan Winckelmans sämtliche Werke. Einzige vollständige Ausg. 〈. . .〉. Von Joseph Eiselein. 1. Bd. Neudruck der Ausg. 1825, Osnabrück 1965, S. 23f.). – Zu Moritz’ Auseinandersetzung mit der niederländischen Genremalerei des 17. Jhs. vgl. RDI III, S. 137f. (KMA 5/2): D i e H o l l ä n d i s c h e S c h u l e h a t g e s u c h t , d i e g e m e i n e

Natur so vollkommen als möglich durch Zeichnung und F a r b e z u e r r e i c h e n . Ihre Kompositionen aber sind eigentlich nie ein Ganzes, so daß man oft mehrere ihrer Gemälde, unbeschadet des Eindrucks, in einen Rahmen zusammenfassen könnte. Sie stellen das Leben dar, wie es ist, in seinen frohen Aeußerungen, hüpfenden Bewegungen, und gröbern sinnlichen Genuß. 72,12 J ä g e r n ] Vgl. Erl. zu S. 71,29–72,2. 72,28 Spiegel] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19; zum ›Spiegel der Vollkommenheit‹ vgl.: Die Spiegel sind zu keinem andern Endzweck erfunden worden, als daß man die Würde des menschlichen Geschlechts, und des allmächtigen Schöpffers unaussprechliche Weißheit darinnen betrachten möge (Zedler 38, Sp. 1586).

Die Texte im einzelnen

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72,33 L e s s i n g s E m i l i a G a l o t t i und N a t h a n d e r We i s e ] Vgl. Erl. zu S. 68,13 und zu S. 27,14. 73,1–5 Aber in jenen getreu nach der Natur gezeichneten Familiengemählden 〈. . .〉 veredelt fühle] Der Ablehnung des rein Artifiziellen (so der Vorbehalt der Spätaufklärung gegen den französischen Klassizismus) korrespondierte die Kritik an der ›naturalistischen‹ Darstellung, vgl. etwa Friedrich Schiller in Ueber das gegenwärtige teutsche Theater (1782), Schiller, NA 20, v. a. S. 82: Das zwischen diesen beiden Polen anzusiedelnde ›bürgerliche‹ Rührstück verzichte zwar auf dergleichen Zuspitzungen in Stoff, Thema und Durchführung, langweile aber der darin vorgeführten Alltäglichkeiten wegen. 73,4 n a i v ] Im Sinne von ›natürlich‹, ›einfach‹ / ›einfältig‹, ›unverstellt offen‹; vgl. DWb 13, Sp. 321, und Sulzer 3, S. 499–507. 73,8 von der Bühne verbannet] Anspielung auf die spätestens seit Lessings Polemik im 17. Literaturbrief (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 8, S. 41–44) Johann Christoph Gottsched (1700–1766) zugeschriebene Vertreibung des Harlekins von deutschen Bühnen, vgl. wörtlich im 18. Stück der Hamburgischen Dramaturgie:

Seitdem die Neuberin, sub Auspiciis Sr. Magnifizenz, des Herrn Prof. Gottscheds, den Harlekin öffentlich von ihrem Theater verbannte 〈. . .〉 (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 9, S. 256f.).

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Denkwürdigkeiten

Das Kriegsheer Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik welche

J1

auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 136f. ÇKarl Philipp Moritz,È Das Kriegsheer. In: DW 1786 I, 5. St., S. 73–78.

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 73,20 Kriegsheer.] Kriegsheer – D1 73,21 Daß] Das D1 73,23 Mensch;] Mensch – D1 73,24 Daß] Das D1 73,24 gleichsam,] gleichsam D1 73,24 einem Draht] einen Drath D1 73,26 befindet;] befindet – D1 73,27 gesezten] gesetzten D1 73,28 fallen,] fallen D1 73,29 wird;] wird. – D1 74,4–5 entgegen gesezt] entgegensetzt D1 74,7 Kriegsheer] Kriegesheer D1 74,9 gegeneinander gestellten] gegeneinandergestellten D1 74,10 bis] zuweilen bis D1 74,10 höchste –] höchste. D1 74,13 zusammen ziehen] zusammenziehen D1

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 73,18 Das Kriegsheer] Weiterer Druck: KL, S. 136f. (KMA 6, S. 221,1–27). 73,19–20 vereinigte menschliche Kräfte] Diese Überlegungen beziehen sich möglicherweise auf die Gesellschaftstheorie Christian Wolffs (vgl. Erl. zu S. 22,15):

Wenn Menschen mit einander eines werden mit vereinigten Kräfften ihr Bestes worinnen zu befördern; so begeben sie sich miteinander in eine Gesellschaft. Und demnach ist die G e s e l l s c h a f t nichts anders als ein Vertrag einiger Personen mit vereinigten Kräften ihr Bestes worinnen zu befördern (Vernünfftige Gedancken Von dem Gesellschafftlichen Leben der Menschen Und insonderheit Dem gemeinen Wesen Zu Beförderung der Glückseeligkeit des menschlichen Geschlechtes, Halle: Rengerische Buchhandlung 1721 [Repr. Frankfurt a. M. 1971], § 2, S. 2f.). 73,26 der diese Maschine regiert] Der technisch-funktionalen Staatsauffassung des 18. Jhs. war die Maschinen-Metaphorik geläufig: Ein wohl eingerich-

teter Staat muß vollkommen einer Maschine ähnlich sein, wo alle Räder und Triebwerke auf das genaueste ineinanderpassen; und der Regent muß der Werkmeister, die erste Triebfeder oder die Seele sein, wenn man so sagen kann, die alles in Bewegung setzet (Johann Heinrich Gottlob von Justi, Die Chimären des Gleichgewichts von Europa, 1758, vgl. ders.: Gesammelte politische und Finanzschriften, Bd. 3, Kopenhagen/Leipzig 1764, S. 87). Auch die Koppelung von individueller und allgemeiner Glückseligkeit in der Vereinigung der Willen und der Kräfte jedes einzelnen zugunsten des gemeinschaftliche〈n〉 Beste〈n〉 geht darauf zurück (zit. nach Werner Conze u. a., in: GG 6, S. 21f.). 74,4–5 Vereinigte Kräfte 〈. . .〉 entgegen gesezt werden ] In der Kinderlogik schließt sich daran folgende Passage an (die sich auf eine beigefügte Kupfertafel Chodowieckis bezieht): Ein Soldat bewacht hier einen Gefangnen – aber drei

Soldaten bewachen drei Gefangne, deren gefährliche Unternehmungen man vielleicht schon kennt und fürchtet – (S. 137; KMA 6, S. 221,17–19). 74,11–13 Staatskörper 〈. . .〉 zusammen ziehen muß] Die Ausgaben für das preußische Militär (die Armee und deren Einrichtungen) betrugen 1764 76%, 1774 beinahe 80% und 1786 65% der Staatsausgaben (vgl. Papke 1979, S. 221). 74,14 Achtes Stück] Das 8. Stück erschien am Dienstag, dem 21. Februar 1786 (vgl. VZ, 22. St., 21. Februar 1786: Heute ist das 8te Stück der Denkwürdigkeiten bey J. Fr. Unger zu haben).

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Denkwürdigkeiten

Jean Vaumorin und sein Sohn Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym nach Franc¸ois de Rosset,È Jean Vaumorin und sein Sohn. In: DW 1786 I, 8. St., S. 113–122.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 79,19 Maubert] Manbert D

Stellenerläuterungen 74,15 Jean Vaumorin und sein Sohn] Bearbeitung einer Geschichte aus der im 17. Jh. beliebten und bis zur Mitte des 18. Jhs. mehrfach aufgelegten Sammlung Les Histoires tragiques de notre temps (vgl. S. 79,27–29) des frz. Schriftstellers Franc¸ois de Rosset (1570–1630). Die Erstausgabe der Histoires tragiques erschien 1614. Die Sammlung wurde von Martin Zeiller ins Deutsche übersetzt: Les

Histoires tragiques de Nostre Temps, Das ist, Newe / Warhafftige / trawrig, kläglich und wunderliche Geschichten / die wegen Zauberey / Diebstal und Rauberey / Ehrgeitz / und anderer seltzamen und denckwürdigen Zufälle 〈. . .〉 sich mehrentheils in Franckreich bey Regierung König Heinrichen deß IV. und deß jetzigen König Ludwigs XIII. zugetragen haben: Und erstlich vom Herrn Francisco von Rosset in Frantzösischer Sprach beschriben / 〈. . .〉 Newlich aber in die Teutsche Sprach kürtzlich / 〈. . .〉 transferirt; 〈. . .〉 jetzo aber in dieser andern Edition mit dem andern Theil vermehret und gebessert (Fürth 1624). 74,16 im Jahr 1613] In der von Moritz angeführten Ausgabe der Histoires tragiques (vgl. S. 79,27–29) ist kein Datum genannt. Die Zeitangabe, die dem Gang der Handlung widerspricht (s. zum Datum der Hochzeit Margarete von Frankreichs Erl. zu S. 75,5–6), hat Moritz entweder eigenmächtig eingefügt oder aus einer zusätzlichen Quelle übernommen.

Die Texte im einzelnen

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75,1 gerichtlich überzeugt] überzeugen: eigentlich, durch das Zeugniß an-

derer zum Geständnisse der Wahrheit oder auch zum Beyfalle bewegen (Adelung 4, Sp. 785). 75,5–6 Heinrich der zweite 〈. . .〉 vermählte] Heinrich II. (1519–1559), frz. König seit 1547, verheiratete seine Schwester Margarete von Frankreich (1523–1574) am 10. Juli 1559 mit Emmanuel-Philibert, Herzog von Savoyen (1528–1580). 75,12 Nice] Frz.: Nizza. 75,14 Neapolis] Griech.: Neapel, im 16. Jh. (seit 1529) spanisch verwaltet. 77,9 Herzog] Emmanuel-Philibert von Savoyen (vgl. Erl. zu S. 75,5–6). 77,18 Ranzion] Lösegeld (DWb 14, Sp. 113). 78,11 an einen gewissen Ort zu verzögern] ›Verziehen‹ wird durch die Bildung verzögern intensiviert (Adelung 4, Sp. 1189); in der Bedeutung von ›an einem unbestimmten Ort verharren‹ (ebd., Sp. 1188). 78,27 Parlament] Oberste Gerichtsbarkeit Frankreichs (vgl. Ersch/Gruber III 12, S. 195f.). 78,34 gehäutet] Gemeint ist: ›steif‹, ›abgearbeitet‹. Im frz. Original heißt es: Son aage 〈. . .〉 auoit 〈. . .〉 rendu ses mains engourdies au trauail (S. 458; vgl. Erl. zu S. 79,27–29). 79,1–2 daß er nichts vornehmen konnte, ohne zu stehlen] Zum Krankheitsbild vgl. die Beiträge Ein sonderbarer Hang zum Stehlen (MzE II.1 1784, S. 18f.; KMA 12) und Unwillkürlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen (MzE V.1 1787, S. 21–32; KMA 12). 79,20–26 Man sieht daraus 〈. . .〉 ausserordentlich] Nicht im frz. Original; Zusatz von Moritz im Sinne der zeitgenössischen Reformpädagogik. 79,20–21 wie wenig Strafen Verbesserungsmittel der Verbrecher sind] In der Vorlage ausführlich erörterte Lehre, die aus der ›Galeerengeschichte‹ einen exemplarischen Nachweis über die sprichwörtliche Überzeugung von der ›Unverbesserlichkeit‹ des Verbrechers macht: Wer einmal stihlt / wann er schon bey seinen Jahren ist / der lästs nicht leichtlich mehr (Theatrum Tragicum,

Wahrhaftige / traurig / kläglich / und wunderliche Oder Geschichten / Die / wegen allerhand Lastern / und andern selzamen Zufällen; sonderlich aber unzeitig: und unordenlicher〈!〉 Lieb halben / sich zugetragen haben / Und Anfangs vom Herrn Francisco von Rosset, in Frantzösischer Sprach / weitläuffig beschriben; hernach aber in die Teutsche etwas enger gebracht / mit andern denckwürdigen alten / und neuen Historien nützlichen Lehren / und Erinnerungen / vermehrt; noch einmal durchgangen / und von den Fehlern corrigirt worden / Durch Martin Zeillern, Ulm: Joh. Görlins Seel.

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Denkwürdigkeiten

Wittib 1672, S. 298f.). Verbrechensbekämpfung (im Sinne einer Bekämpfung krimineller Neigungen) mußte demnach in der frühen Jugend ansetzen: Dann ob

wohl ein Laster schwer ist zu vertreiben / gleichwol so kan die Natur durch fleissige Aufsicht der Eltern / und Praeceptorum, wol corrigirt werden (ebd., S. 295). 79,27–28 les histoires tragiques de notre tems 〈. . .〉 1639] Les Histoires Tragi-

qves De Nostre Temps. Ou` sont contenue¨s les morts funestes & lamentables de plusieurs personnes, arrive´es par leurs ambitions, amours defreigle´es 〈!〉, sortileges, vols, rapines, & par autres accidents diuers & memorables. Compose´es par Franc¸ois de Rosset, & dedie´es a` Fev Monseignevr le Chevalier de Gvise. Derniere Edition reuenue¨, corrige´e & augmente´e de plusieurs Histoires dignes de remarque. A Lyon, Chez Nicolas Gay, demeurant en la rue¨ Merciere. M. DC. XXXIX., S. 444–461: D’vn homme qvi apres auoir demeure´ vingt ans aux Galeres est recogneu par son fils; de ce qui en aduint, & autres choses dignes de remarque; übers. von Martin Zeiller: Theatrum Tragicum, S. 285–315 (Von einer grossen Lieb / und Treu / So ein Sohn seinem gefangenen Vatter erwiesen).

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Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft – Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik welche

J1

auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 134, 135f. u. 138–143. ÇKarl Philipp Moritz,È Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –. In: DW

1786 I, 8. St., S. 123–128. D2 ÇKarl Philipp Moritz,È Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –. In: Lau-

nen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 295–302. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 80,2 die] diese D1 80,2–3 m e h r e r e r m e n s c h l i c h e n K r ä f t e z u e i n e m Z w e c k ] m e h r e r e r m e n s c h l i c h e r K r ä f t e z u e i n e m Z w e c k D1 mehrerer menschlicher Kräfte zu einem Zweck D2 80,3 sind] sind nun D1 80,4–7 S t ä d t e 〈. . .〉 F a b r i k e n – ] Städte – Kriegsheere – Staatsver-

fassungen – Dämme gegen das Meer – egyptische Pyramiden – unterirdische Kanäle – Kriegsschiffe – Schachten – Bergwerke – Manufakturen und Fabriken. – D2 80,8 nebeneinander stellen] nebeneinanderstellen D1 D2 80,9–10 d e n e i n z e l n e n M e n s c h e n und d e n M e n s c h e n i n G e s e l l s c h a f t –] d e r e i n z e l n e M e n s c h und d e r M e n s c h i n G e s e l l s c h a f t D1 den einzelnen Menschen und den Menschen in Gesellschaft D2 80,9–10 G e s e l l s c h a f t – ] G e s e l l s c h a f t D1 Gesellschaft. D2 80,11 Hütte] Hülle D1

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Denkwürdigkeiten

80,12 Kräuter] Kräuter, D1 80,13 Nahrung] Nahrung. – D2 80,14 G e s e l l s c h a f t ] Gesellschaft D2 80,15 Fabriken –] Fabriken. – D2 80,17 K ö r p e r ] Körper D2 80,17 wovon] worinn D1 80,18 seyn,] seyn; D1 80,18 indes] indeß D2 80,18 andre] andere D1 D2 80,19 gesezt] gesetzt D1 D2 80,19 werden –] werden. – D2 80,21 hervor –] hervor. – D2 80,22 darin] darinn D1 80,23 vernachlässigt] vernachlässiget D1 vernachläßigt D2 80,25 großen] größern D1 80,26 b l o ß ] bloß D2 80,27 gemäß] gemäß, D1 80,28 d e n k e n ] denken D2 80,29 menschlichen] menschlicher D1 80,30 Bewegungen] Bewegnungen D1 81,1 Menschen,] Menschen D2 81,1 einzigen] Einzigen D2 81,1–2 g e w i s s e R i c h t u n g ] gewisse Richtung D2 81,2 a b w e i c h e n ] abweichen D1 D2 81,4 soll. –] soll – D1 81,5 welche z. B.] welche D2 81,6 i m m e r ] immer D2 81,9 würde –] würde. – D2 81,10–11 s o l a n g e b i s d a s G e b ä u d e f e r t i g i s t ] s o l a n g e , b i s d a s G e b ä u d e f e r t i g i s t D1 so lange, bis das Gebäude fertig ist D2 81,11 freiwilligen] freywilligen D1 81,12 Ve r z i c h t thun –] Verzicht thun. – D2 81,13 Ve r z i c h t thun] Verzichtthun D2 81,13 zur] bei jener D1 81,14 menschlichen] menschlicher D1 81,15 Werken] Werke D1

Die Texte im einzelnen

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81,16 seyn –] seyn. – D2 81,18 e i g n e r G e d a n k e ] eigner Gedanke D2 81,19 treibt –] treibt. – D2 81,20–21 fortbewegen] fortbewegen; D1 81,22 nehmen –] nehmen. – D2 81,25 hat –] hat. – D2 81,26 z. B.] zum Beispiel D2 81,26 Gebäudes,] Gebäudes D1 81,27 die] den D1 81,27 hat –] hat. – D2 81,29–30 d e r n i c h t 〈. . .〉 e x i s t i r t – ] der nicht in seinem, sondern in dem Kopfe eines andern Menschen existirt. – D2 81,31 wird] bleibt D2 81,32 Fuß –] Fuß. – D2 81,34 w a r u m ] warum D2 81,34 bewegt –] bewegt. – D2 82,2 a u f g i e b t ; ] aufgiebt? D2 82,3 Bewegungen] Bewegungen, D2 82,4 Wa r u m ] Warum D2 82,4 Wa r u m ] Warum D2 82,5 drehen –] drehen? – D2 82,6 dem] den D1 82,7 Z w e c k ] Zweck D2 82,8 z e r r e i ß t ] zerreißt D2 82,9 seine eigenen] seinen eignen, D1 seine eignen D2 82,10 läßt –] läßt. – D2 82,11 l i s t i g e r We i s e ] listiger Weise D2 82,14 können –] können. – D2 82,15 verschlagnere] verschlagenere D2 82,15 nehmlich] nemlich D2 82,16 ehrlichern] ehrlicheren D2 82,16 gutmüthigern,] gutmüthigeren D2 82,17 entreissen] entreißen D2 82,20 Ve r z i c h t ] Verzicht D2 82,20 Maschine] Maschiene D2 82,22 Kommando] Kommandowort D1

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Denkwürdigkeiten

82,22 muß –] muß. – D2 82,23 z. B.] z. E. D2 82,24 einzelne] Einzelne D2 82,25 daß] das D2 82,26 können –] können. – D2 82,27 Diese] Die D2 82,27 w ä h l e n ] wählen D2 82,28 ihre Arme] ihren Arm D1 82,30 lassen –] lassen. – D2 82,31 a l l e n ] allen D2 82,31–32 a l l e n ist daran g e l e g e n ] allen ist daran gelegen D2 82,32 werde. –] werde – D1 82,32 d e n k t ] denkt D2 82,33 f ü r s i e ] für sie D2 82,34 selber –] selber. – D2 83,1 erst] etwa erst D1 83,1 hatte] hätte D2 83,1 war] wär D2 83,2 e t w a 〈. . .〉 z u h a l t e n ] in D2 nicht hervorgehoben 83,3 ihre K ö p f e ] die K ö p f e D1 ihre Köpfe D2 83,4 durfte] dürfte D2 83,5 machen –] machen. – D2 83,7 Zerreissen] Zerreißen D2 83,8 Maschine –] Maschiene. – D2 83,9 Wa r u m ] Warum D2 83,10 andern –] andern. – D2 83,11 w i e ] wie D2 83,11 Richtung] Richtung, D1 D2 83,12 Fuß, zur] Fuß zu D2 83,12 Endzwecks,] Endzwecks D2 83,13–14 vorschreiben –] vorschreiben. – D2 83,15–16 D e n n e r h a t 〈 . . . 〉 g e w ä h l t . – ] D e n n e r h a t d i e s e n

Gedanken eines andern gleichsam zu seinen eignen Gedank e n g e w ä h l t – D1 Denn er hat diese Gedanken eines andern gleichsam zu seinen eignen Gedanken gewählt. – D2

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 80,1 Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –] Erstdruck in der Kinderlogik, dort mit Bezug auf zwei Kupfertafeln Chodowieckis, auf denen die Begriffe Einheit und Mehrheit verbildlicht werden (KL, S. 134; KMA 6, Abb. 7 u. 8); vgl. Überblickskommentar, S. 357. Die auf die Kupfertafeln bezogenen Passagen sind im vorliegenden Beitrag gestrichen. – Fortsetzung von S. 73,18. 80,14 G e s e l l s c h a f t ] Vgl. Zedler 10, Sp. 1260: G e s e l l s c h a f t , ist eine

würckliche Vereinbarung der Kräffte vieler zu Erlangung eines gemeinschafftlichen Zweckes; zur Grundlegung in Wolffs Gesellschaftstheorie vgl. Erl. zu S. 73,19–20. 80,16–19 Eine Anzahl 〈. . .〉 gesezt werden] Auf der Grundlage von Christian Wolffs Grundsätzen des Natur- und Völckerrechts, vgl. Gesammelte Werke, 1. Abt., Bd. 19: Die Unterwerfung unter die (gemeinsam verabredeten) Regeln einer Gesellschaft geschieht freiwillig (§§ 835f., S. 613–615), die Ziele der Gesellschaft sollen mit zusammengesetzten Kräfften (§ 841, S. 618) erreicht werden. 80,22–28 Das Böse 〈. . .〉 Gelegenheit haben sollte] Diese Kritik richtete sich gegen eine Gesellschaft, die den Menschen zur Aufgabe seiner Autonomie zwingt – eine Folge der Ausdifferenzierung von Arbeits- und Produktionsprozessen (Arbeitsteiligkeit). Der Verzicht auf selbstbestimmtes Handeln sollte statt dessen freiwillig erfolgen; vgl. Kants Idee einer Verfassung von der g r ö ß t e n m e n s c h l i c h e n F r e i h e i t nach Gesetzen, welche machen, d a ß j e d e s F r e i h e i t m i t d e r a n d e r n i h r e r z u s a m m e n b e s t e h e n k a n n (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. 2. T. [= I. K., Werke in 10 Bdn., hrsg. v. Wilhelm Weischedel; 4], Darmstadt 1975, S. 323f.); zur Verbindung von Gesellschaftslehre und Geselligkeitstheorie in der Popularphilosophie (Christian Garve) vgl. GG 2, S. 819f. 82,31 gemeinschaftlich] gemeinschaftlich und gesellschaftlich werden synonym gebraucht, vgl. Zedler 10, Sp. 1260f. 83,17 Neuntes Stück] Das 9. Stück erschien am Dienstag, dem 28. Februar 1786 (vgl. VZ, 25. St., 28. Februar 1786: Heute ist das 9te Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n bey J. Fr. Unger zu haben).

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Denkwürdigkeiten

Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp MoritzÈ, Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.). In: DW 1786 I, 9. St., S. 129–133.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 83,18 Ueber Moses Mendelssohn] Vgl. Erl. zu S. 20,2. 83,24 M o r g e n s t u n d e n ] Anspielung auf Mendelssohns vorletztes Werk, vgl. Erl. zu S. 23,2. 84,4 Ontologie] Lehre vom Sein, andere Bezeichnung für Metaphysik, vgl. Walch, Philosophisches Lexicon, Sp. 1926; ferner Zedler 25, Sp. 1481: O n t o l o g i e , G r u n d - W i s s e n s c h a f t , G r u n d - L e h r e 〈. . .〉 derjenige Theil der

Welt-Weisheit, darinne die allgemeine Erkänntniß der Dinge abgehandelt wird. Diese Wissenschaft soll demnach diejenigen Lehren abhandeln, welche den Grund zu den übrigen legen. 84,6 ein gutes Nachtlager verschaft] Vgl. den Hinweis in einem Brief Mendelssohns (an Friedrich Nicolai?), Ende August 1777: Ich wünschte künftigen Sonntag unsern Freund Eberhard zu sprechen. Wollen Sie von der Partie seyn; so will ich den Wagen bestellen, und auch mit Hrn Engel morgen davon sprechen. Wenn doch auch Hr Ramler mitkommen wollte! Das wäre ein Nachmittag pour la bonne bouche, desgleichen ich in ganz Littauen, und selbst in Pröcals, wo mir die Ontologia zum Nachtquartier verholfen, nicht haben konte (zit. nach Albrecht 1986, S. 128). 84,15–16 im ***schen] Wohl: im Litauischen. Mendelssohn unternahm im Juli und August 1777 eine Reise durch Litauen. 84,17 Dorfe] Prökuls (Landkreis Memel). 84,32 Wolfische Definition in lateinischer Sprache] Die Definition des einflußreichen Aufklärungsphilosophen Christian Wolff (1679–1754) lautete: O N -

t o l o g i a seu P h i l o s o p h i a p r i m a est scientia entis in genere, seu quatenus ens est / »Die Ontologie oder Erste Philosophie ist die Wissenschaft vom

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Seienden im allgemeinen bzw. sofern es Seiendes ist« (Wolff, Gesammelte Werke. II. Abt., Bd. 3, § 1, S. 1; übers. Hist. Wb. d. Philos. 6, Sp. 1192), vgl. Erl. zu S. 84,4. 85,7 pohlnischen] Zur Schreibung vermerkt Adelung: Das Beywort P o l -

n i s c h , wie es gemeiniglich geschrieben und mit einem geschärften o gesprochen wird, lautet, der Analogie mit P o h l e n zu Folge, richtiger P o h l n i s c h , mit einem gedehnten o (Adelung 3, Sp. 800). 85,26 Schriften] Vmtl. die Philosophischen Schriften (2 Bde., Berlin 1761) und den Phaedon (vgl. Erl. zu S. 27,15).

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Denkwürdigkeiten

Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt. In: DW 1786 I, 9. St., S. 134–137. D1 ÇK. P. Moritz,È Die Naturwelt. In: Lesebuch für Kinder von K. P. Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit. Berlin, 1792. Bey Christian Gottfried Schöne, S. 58f. (Teildruck, entspricht S. 86,6–20 der Druckvorlage in diesem Bd.). D2 Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage

und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 61–65 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 61–65). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 86,6 mich] uns D1 86,6 Bäumen] Baumen J1 86,7 Thieren] Thieren, D2 86,8 planmäßig] schön D1 86,8–9 allesbelebende] alles belebende D2 86,10 r u h i g ] ruhig D2 86,11 in] in ihre D1 86,16 stürbe. –] stürbe – D2 86,19–20 Vollendung 〈. . .〉 Augenblick.] ganzes vollständiges Leben, und immerwährenden Genuß des gegenwärtigen Augenblickes D1 86,26 A b s i c h t ] Absicht D2

Die Texte im einzelnen

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86,26–27 Vo r s a t z ] Vorsatz D2 87,2 w a h r ] wahr D2 87,2 o f f e n ] offen D2 87,7 emporarbeitet] empor arbeitet D2 87,10 schönerleuchteten] schön erleuchteten D2 87,11 aller gegen einen, und eines gegen alle,] aller gegen einen, D2 87,16 hinwegschmelzen] hinweg schmelzen D2 87,17 kömmt? –] kömmt? D2 87,19 v i e l k ö p f i g t e s P r o d u k t ] vielköpfigtes Produkt D2 87,20 muß –] muß. – D2 87,22 miteinander] mit einander D2 87,24 ist] Ist D2 87,25 oder] Oder D2 87,30 Staaten? –] Staaten? D2

Stellenerläuterungen 86,4–5 Eine Vergleichung 〈. . .〉 Welt] Weitere Drucke: GL, S. 61–65; LP, S. 61–65. Vgl. auch Die Naturwelt, in: Lesebuch für Kinder, S. 58f. (gekürzt); s. KMA 6, S. 316f. 86,6–8 natürlichen Welt 〈. . .〉 Klarheit] Ordnungskonzeption der zeitgenössischen Naturwissenschaften (insbesondere der Botanik), vgl. Linne´, Systema naturae (vgl. Erl. zu S. 41,25–28). 86,23 moralische] Gebraucht im Gegensatz zu physisch (DWb 12, Sp. 2527), vgl. Erl. zu S. 154,8. 86,24 Vergleichung] Vgl. Rousseau, Emile oder Von der Erziehung, S. 353: Das

Bild der Natur zeigte mir nur Harmonie und Ebenmaß; das des menschlichen Geschlechtes zeigt mir nur Verwirrung, Unordnung; vgl. dazu auch Mendelssohn, JubA 3,1, S. 120: In dem physischen Theile des Menschen entdecken sie lauter Ordnung, Schönheit und Harmonie 〈. . .〉 lauter sichtbare Beweise der göttlichen Weisheit und Güte. Aber in dem gesellschaftlichen und sittlichen Leben der Menschen 〈. . .〉 sind die Spuren dieser göttlichen Eigenschaften ganz unkenntlich. Triumphirende Laster, gekrönte Uebelthaten, verfolgte Unschuld, unterdrückte Tugend sind wenigstens nicht selten 〈. . .〉. Wenn sich ein weises, gütiges und gerechtes Wesen um die Schicksale der Menschen bekümmerte, und sie nach seinem Wohlgefallen ordnete: würde nicht in der sittlichen Welt eben die weise Ordnung herrschen, die wir in der physischen bewundern?

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Denkwürdigkeiten

86,30–31 wohlgeordneten Ganzen] ›Schöpfung‹, ›Welt‹ (vgl. Erl. zu S. 221,5–6). 87,4–5 den Staub leckenden Insekten] Zur Staub leckenden Schlange vgl. Erl. zu S. 28,13; hier übertragen auf menschliche Verhältnisse, denn Insekt steht abfällig für einen »niedrigen menschen« (DWb 10, Sp. 2139). 87,10–11 Krieg aller gegen einen, und eines gegen alle] Vgl. Erl. zu S. 71,2. 87,12 burleske] burlesk: possierlich, etwas, das durch Ungereimtes Lachen erregt (vgl. Adelung 1, Sp. 1268), hier ironisch verwendet. 87,13 Hochgerichte] Bedeutungsnuancen: »1) die Obergerichte eines Staates 〈. . .〉; 2) das hochnothpeinliche halsgericht 〈. . .〉; 3) der Galgen, wenn er vermöge seines Unterbaues auch zur Vollstreckung anderer Todesstrafen sich eignet« (Ersch/Gruber II 9, S. 134). 87,24–25 ist der einzelne Mensch 〈. . .〉 ein Ganzes] Vgl. Erl. zu S. 17,3–4.

Die Texte im einzelnen

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Schlafen und Wachen Überlieferung 1. Textgrundlage J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Schlafen und Wachen. In: DW 1786 I, 9. St., S. 138–141. D1 ÇK. P. Moritz,È Schlafen und Wachen. In: Lesebuch für Kinder von K. P.

Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit. Berlin, 1792. Bey Christian Gottfried Schöne, S. 59–61 (Teildruck, entspricht S. 88,18–89,21 der Druckvorlage in diesem Bd.). D2 Schlafen und Wachen. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge oder der

Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 134–137 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 134–137). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 88,3 zusammengedrängt] zusammen gedrängt D2 88,6 reizende] reitzende D2 88,8 jezt] jetzt D2 88,9 jezt] jetzt D2 88,13 ruhet] ruht D2 88,14 festgeknüpften] fest geknüpften D2 88,18 rauschen – das] rauschen. – Das D1 D2 88,23 leblose] l e b l o s e D1 88,24 immerwiederkehrenden] immer wiederkehrenden D1 D2 88,25 unbeschadet der] da hingegen die D1 88,26 die] als der Umlauf des Bluts, das Schlagen des Herzens u. s. w. D1 88,28 bei Tag’] bey Tag D1 89,1 eine] einer D1 D2

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Denkwürdigkeiten

89,1 eine] einer D1 D2 89,4 dauert –] dauert. – D2 89,4–5 gränzt, das Organisirte und Wachsende,] gränzt, D1 grenzt, das Organisirte und Wachsende D2 89,5–6 Schlummers, nur eines nicht so oft wiederkehrenden Schlummers, als] Schlummers, so wie D2 89,8 gränzt] grenzt D2 89,9 Erquickung,] Erquickung; D1 89,10 nicht] uicht D2 89,10–11 Blutumlauf] Blutsumlauf D1 89,12–18 Was von den bewegenden Kräften 〈. . .〉 z u s a m m e n g e d r ä n g t werden sollen. –] fehlt in D1 89,14 Unorganisirte] Unorgainsirte D2 89,17–18 i n e i n e n B r e n p u n k t z u s a m m e n g e d r ä n g t ] in einen Brennpunkt zusammen gedrängt D2 89,19–20 etwas 〈. . .〉 Erhabneres] wunderbarer D1 89,26 hinwegzugeben] hinweg zu geben D2 89,28 Würd’] Würd D2 89,29 Jahrelange] Jahre lange D2

Stellenerläuterungen 88,1 Schlafen und Wachen] Weitere Drucke: GL, S. 134–137; LP, S. 134–137; Lesebuch für Kinder, S. 59–61 (gekürzt); s. KMA 6, S. 346f.; 283. 89,1 bedarf auch eine Art von Ruhe] bedürfen war auch mit dem Akkusativ gebräuchlich (vgl. Adelung 1, Sp. 783). 89,3 sammlet] ›Sammeln‹; die Schreibung sammlen nach Adelung etymologisch falsch (Adelung 3, Sp. 1269).

Die Texte im einzelnen

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Die lezte Klage des müden Wandrers Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Die lezte Klage des müden Wandrers. In: DW 1786 I,

9. St., S. 142–144. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Çdie lezte Klage des müden WanderersÈ. In: Karl Friedrich Klischnig, Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren

meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ. Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg, S. 27–30. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 90,1 Wandrers] Wanderers D1 90,2 Auf] – Auf D1 90,7 Wegen,] Wegen D1 90,8 Wandre] Wandr’ D1 90,9 Seh] Seh’ D1 90,10 Ruh] Ruh’ D1 90,14 Bette] Bette, D1 90,23 Dornenpfad?] Dornenpfad, D1 90,27 stellt] stellt’ D1 91,5 Ach] Ach, D1 91,5 wären!] wären, D1 91,6 geweint] geweint! D1 91,8 trübe] trübe, D1 91,11 Trübe] Düster D1 91,12 Gewimmel] Gewimmel, D1 91,13 Schein,] Schein! D1 91,15 O verzeiht mir meine Klagen!] Strophenanfang in D1 91,15 Klagen!] Klagen; D1

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Denkwürdigkeiten

91,17 Schmerz] Schmerz, D1 91,18 ins] in’s D1 91,24 dann] denn D1 91,26 Ach] Ach, D1 91,28 nicht glücklich] so elend D1 91,29 Ists] Ist’s D1 91,29 Looß] Loos D1 91,29 ichs] ich’s D1 91,31 lezte] letzte D1 92,2 zu] zu. D1

Stellenerläuterungen 90,1 Die lezte Klage des müden Wandrers] Weiterer Druck: Klischnig, Erinnerungen, S. 27–30 (die lezte Klage des müden Wanderers). – Moritz verfaßte das Gedicht im Frühjahr 1778 in einem Gasthof in Dessau, den er aus Krankheitsgründen nach einem ersten Besuch bei Johann Bernhard Basedow (1724–1790), dem Gründer des Dessauer Philanthropins, für einige Wochen nicht verlassen konnte: Da saß er nun, seinen Gedanken überlassen, und sein von Jugend an

ausgestandnes Elend wiederkäuend. Was Wunder, daß bey ihm in diesem Zustande alle die alten Ideen von gänzlicher Verlassenheit und dergl. erwachten, und daß er sich als einen Unglücklichen betrachtete, der, vom Schicksal ausgezeichnet, ein Brandmark ewigen Elends an der Stirn trug, das alle Menschen von ihm entfernte. Ein Fragment eines Gedichts, das er in diesem Zustand machte, und d i e l e z t e K l a g e d e s m ü d e n Wa n d e r e r s nannte, wird am besten seine damalige düstre Seelenstimmung bezeichnen. Nur in dieser Rücksicht theile ich es hier mit, denn sonst hat es freilich keinen großen Werth (Klischnig, Erinnerungen, S. 25–30, hier S. 26f.); zur Bedeutung des Wanderns für Moritz (als dichterische〈r〉 Idee – 〈. . .〉 Bild, Vergleichung, woran er tausend Dinge kettete) vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 290,9–10. 90,17 Wo ich wandre, scheint ein Fluch] Anspielung auf das Motiv des ›Ewigen Juden‹, das sich auf die Figur des in Joh 18, 4–10 genannten Kriegsknechts Malchus bezieht, der den kreuztragenden Christus angetrieben habe und nun bis zu dessen Wiederkehr zur irdischen Wanderung verdammt sei; die schriftliche Überlieferung geht bis ins 13. Jh. zurück.

Die Texte im einzelnen

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91,24–25 Trost 〈. . .〉 im Klagen] Vgl. Erl. zu S. 44,1. 92,3 Zehntes Stück] Das 10. Sück erschien am Dienstag, dem 7. März 1786 (vgl. VZ, 28. St., 7. März 1786: Das 10te Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n ist bei J. F. Unger zu haben).

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Denkwürdigkeiten

Die Bibliotheken Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Die Bibliotheken. In: DW 1786 I, 10. St., S. 145–149.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 92,5 seiner] seine J 92,14 Bibliotheken] Bibliothen J

Stellenerläuterungen 92,5–10 Schrift an Lessings Freunde 〈. . .〉 vortrüge] Moses Mendelssohn

an die Freunde Lessings. Ein Anhang zu Herrn Jacobi Briefwechsel über die Lehre des Spinoza, Berlin: Christian Friedrich Voß und Sohn 1786: Die Teutschen haben sich durch die Naturgeschichte gewöhnt, alles zu klassifiziren. Wenn sie mit den Gesinnungen und Schriften eines Mannes nicht recht fertig werden können; so ergreifen sie den ersten den besten Umstand, bringen den Mann in eine Klasse, und machen ihn zum – isten, als wenn damit alles übrige schon gethan wäre (zit. nach Mendelssohn, JubA 3,2, S. 189). 92,13 zu o r d n e n , und zu k l a s s i f i z i r e n ] Nach Moritz’ Kinderlogik beruht die ganze Glückseeligkeit des v e r n ü n f t i g e n Menschen auf der Kunst des E i n t h e i l e n s und O r d n e n s , des Ve r g l e i c h e n s und U n t e r s c h e i d e n s (S. 9; KMA 6, S. 148,1–3), vgl. Erl. zu S. 86,6–8. 92,14–15 unzähligen Bibliotheken und Bibliothekchen] Hier in der Bedeutung von Bücherverzeichnissen oder von Periodika, die Buchbesprechungen enthalten (vgl. Adelung 1, Sp. 1002). 92,20–22 D i e u n z ä h l i g e n 〈. . .〉 L i t t e r a t u r s e l b e r ] Gängige Klage der (früh-)neuzeitlichen Wissenskultur, es gebe zuviele Bücher über Bücher; vgl. etwa Montaigne, Essais. Dritter und letzter Theil, S. 343: Die Auslegungen

sind schwerer aus zu legen, als die Sachen: und es sind mehr Bücher über Bücher, als über einen andern Gegenstand, geschrieben. Speziell der Vorwurf

Die Texte im einzelnen

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des unnützen Registermachens gehört zur Topik der Gelehrtenkritik des 18. Jahrhunderts. Vgl. Martens 1978, S. 17f. 93,9–10 Vo l u m i n ö s e k o m p e n d i ö s e r ] Voluminös bezogen auf Bücher im Sinne von ›umfangreich‹, ›dickleibig‹, ›vielbändig‹ (vgl. Schulz/Basler 6, S. 273); kompendiös hergeleitet aus Kompendium (kurzgefaßtes Lehrbuch), vgl. Zedler 6, Sp. 868: c o m p e n d i ö s , k ü r t z l i c h , e n g e , b e h e n d o d e r b e quem in die Kürtze abgefaßt. deutsche Bibliothek] Allgemeine 93,11–12 A l l g e m e i n e d e u t s c h e B i b l i o t h e k , hrsg. v. Friedrich Nicolai, Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1765–1791; ab Bd. 107, 1792: Kiel (tatsächlich Hamburg): Carl Ernst Bohn 1792–1793. 93,12 B i b l i o t h e k d e r s c h ö n e n W i s s e n s c h a f t e n ] B i b l i o t h e k d e r s c h ö n e n W i s s e n s c h a f t e n u n d d e r f r e y e n K ü n s t e , hrsg. v. Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn (ab Bd. 5: Christian Felix Weiße), Leipzig: Johann Gottfried Dyck 1757–1765, kontrovers dazu D e u t s c h e B i b l i o t h e k d e r s c h ö n e n W i s s e n s c h a f t e n 〈hrsg. v. Christian Adolf Klotz〉, Halle: Johann Justinus Gebauer 1767–1771. 93,13 B i b l i o t h e k d e r R o m a n e ] Das von Heinrich August Ottokar Reichard u. a. herausgegebene Periodikum erschien ab 1778 in Berlin bei Himburg; 2. Aufl. in Riga bei Hartknoch. Es versammelte Skizzen in- und ausländischer Romane, gleichsam ihre M i n i a t u r G e m ä l d e , vgl. Bibliothek der Romane, 1. Bd., Riga 21782, S. 6. 93,13 B i b l i o t h e k f ü r K i n d e r ] K l e i n e K i n d e r b i b l i o t h e k , hrsg. von J〈oachim〉 H〈einrich〉 Campe, Bde 〈1〉–6, 〈9〉–12, Hamburg: Herold 1778–1784, an der auch Moritz mitgearbeitet hatte (Marx/Sauder 1993, S. 77). Denkwürdigkeiten 〈. . .〉 Musa93,16–18 S o k r a t i s c h e n r i o n ] Vgl. dazu die Erl. zu S. 39,11–12 und 27,15. 93,23–24 in so fern es wieder auf diese nächste Beziehung Bezug hat] Vgl. die Formulierung in der Vorrede, S. 〈III〉, vgl. Erl. zu S. 10,8–19. 94,1 N a t u r g e s c h i c h t e ] Zedler 23, Sp. 974, versteht darunter diejenigen Veränderungen, welche in dem Reiche der Natur vorgehen, und somit nicht willkürlich geschehen, sondern kausallogisch (motiviert) aufeinander folgen, in diesem Sinne also als ›notwendig‹ bezeichnet werden können (ebd., Sp. 974f.); nach Adelung das Verzeichniß und die Beschreibung der natürlichen oder zu den drey Naturreichen gehörigen Körper (Adelung 3, Sp. 445). 94,5 Ursach und Würkung] Vgl. Erl. zu S. 31,21–22.

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Denkwürdigkeiten

94,9 Einzelnheiten] Zur älteren Form von »Einzelheit« vgl. DWb 3, Sp. 352. 94,13 subjektivischen] subjektivisch: ›persönlich zugehörig (wörtlich: unterworfen)‹ (vgl. dazu Zedler 40, Sp. 1548f.). 94,14–15 objektivisch] Bezeichnet die Distanz zwischen der Person und dem Gegenstand der Betrachtung (vgl. dazu Zedler 25, Sp. 198). 94,16 Naturalienkabinet] Sammlung von allerlei Gegenständen aus den

drei Reichen der Natur, welche entweder öffentliche Anstalt ist oder von Privatpersonen angelegt wird (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 7, S. 717). 94,17 gesammlet] Zur Form vgl. Erl. zu S. 89,3.

Die Texte im einzelnen

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Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur Überlieferung 1. Textgrundlage D1 ÇOhne TitelÈ. In: Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik welche

J1

auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist. Herausgegeben von Carl Philipp Moritz Professor am Berlinischen Gymnasium. Ç. . .È Berlin, bei August Mylius 1786, S. 152–156. ÇKarl Philipp Moritz,È Häußliche Glückseeligkeit Ç. . .È. In: DW 1786 I, 10. St., S. 150–153.

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 94,24 offenen] offnen D1 94,25–26 angenehm – Denn] angenehm – denn D1 94,27 vors] ans D1 94,28 ausgesezt wird. –] ausgesetzt wird – D1 94,31 unabhängig. –] unabhängig – D1 95,3 Natur. –] Natur – D1 95,6 in] unter D1 95,7 wird. –] wird – D1 95,9 suchen. –] suchen – D1 95,11 h ä u ß l i c h e r ] h ä u s l i c h e r D1 95,12 entstanden. –] entstanden – D1 95,16 erfüllt] erfüllet D1 95,19 den] der D1 95,20 Verbindungen. –] Verbindung – D1 95,22 ausmachen. –] ausmachen – D1 95,25 werden. –] werden – D1 95,26 Königreichs] Königreiches D1 95,29 finden. –] finden – D1 95,30 den Schoß] dem Schooße D1

484

Denkwürdigkeiten

95,31 das] daß D1 95,32 zusammen. –] zusammen – D1 95,33 Menschen,] Menschen D1 96,3 liegt –] liegt, D1 96,3 worin] worinn D1 96,4 worin] worinn D1 96,10 allenthalben] allenthalben, D1 96,11 Wo h n u n g , ] Wo h n u n g D1 96,12–13 Glückseligkeit] Glückseeligkeit D1 96,14 Cirkeln] Zirkeln D1 96,15 zusammen zu drängen] zusammenzudrängen D1 96,17 wollten. –] wollten – D1 96,19 bleibt doch] bleibt D1 96,20 worin] worinn D1 96,22 Glückseeligkeit] Glückseligkeit D1 96,25 ist: H ä u ß l i c h e ] ist h ä u s l i c h e D1

Stellenerläuterungen 94,20–21 Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur] Erstdruck: KL, S. 152–156 (KMA 6, S. 229,28–231,28). 95,5 Scenen] Allgemein im Sinne von »schauplatz, schauspiel des lebens, verhältnis« (DWb 14, Sp. 1940). 95,14 dunkle] Bemerkenswert ist die positive Konnotation von ›dunkel‹, die sich aus dem Kontext ergibt (eine Bedeutungsnuance, die weder das DWb noch Adelung 1 verzeichnen). 95,31–32 drängt sich sein wirkliches Daseyn 〈. . .〉 zusammen] Vgl. Erl. zu S. 39,4–5. 96,6 g e g e n w ä r t i g e n A u g e n b l i c k ] Mendelssohn 〈. . .〉 lehrte 〈Reiser〉, s i c h a n d e n g e g e n w ä r t i g e n A u g e n b l i c k z u h a l t e n und in sich selbst den Quell der lautersten Freuden zu suchen (Klischnig, Erinnerungen, S. 82).

Die Texte im einzelnen

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Morgenphantasie Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Morgenphantasie. In: DW 1786 I, 10. St.,

S. 154–156. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Am 24sten Januar 1786. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 14–16. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 97,8 Wiederschein –] Wiederschein. D1 97,10 ruht,] ruht D1 97,11 Schoß] Schoos D1 97,19 saß] saß. D1 97,28 etwas] Etwas D1 97,29 Erinnerung] Erinn’rung D1 97,30 schwebt –] schwebet. –D1 98,7 verschwinden –] verschwinden. –D1 98,11 dünket] dünkt, D1 98,13 Beßres] Bessers D1 98,14 Wie? – oder] Oder D1 98,14 schon] einst D1 98,15 Such’] Such D1 98,17 Eh’,] Eh’ D1 98,19 Strahl] Stral D1 98,22 weckt?] weckt? – D1

Stellenerläuterungen 97,1 Morgenphantasie] Weiterer Druck: Klischnig, Blumen und Blüthen, S. 14–16. Die Aufnahme des Gedichts in diese Sammlung spricht für Klischnigs Verfasserschaft, vgl. Überblickskommentar, S. 358f.

486

Denkwürdigkeiten

Warum? und wozu? Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Philipp Moritz,È Warum? und wozu? In: DW 1786 I, 10. St., S. 157f. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Warum? und wozu? In: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 303–305. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 98,27–28 zusammenzufassen] zusammen zu fassen D1 98,30 darinn] darin D1 98,31 zerstören –] zerstören. – D1 99,1 P l a n , O r d n u n g , Z w e c k ] Plan, Odnung, Zweck D1 99,1 höchste] Höchste D1 99,2 w a r u m ] warum D1 99,3 hinausgehen –] hinausgehen. – D1 99,4–5 w a r u m ? und w o z u ? ] warum? und wozu? D1 99,5–6 w a r u m ? und w o z u ? ] warum? und wozu? D1 99,7 als] als: D1 99,7–8 w a r u m 〈. . .〉 M i t t e l p u n k t ? ] in D1 nicht hervorgehoben 99,9 Wa r u m ? und w o z u ? ] Warum? und wozu? D1 99,11 w a r u m ? und w o z u ? ] warum? und wozu? D1 99,14 Zwecks] Zwecks, D1 99,19 ich] Ich D1 99,19 eine] Eine D1 99,20 andern willen] Andern Willen D1 99,21 u m g e d a c h t z u w e r d e n ] um gedacht zu werden D1 99,22 lezte] letzte D1

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 98,23 98,26 98,26 99,21

Warum? und wozu?] Weiterer Druck: LP, S. 303–305. leidend] Im Sinne von ›passiv‹, ›nicht tätig‹. Spiegel] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19. als u m g e d a c h t z u w e r d e n ] Leitender ›Gesichtspunkt‹ der Denkwürdigkeiten (vgl. Überblickskommentar, S. 350); im monistischen System der deutschen Spätaufklärung (der psychophysische Parallelismus hatte den cartesianischen Dualismus im Verlauf des 18. Jhs. abgelöst) nimmt die ›res cogitans‹ dennoch eine dominierende Stellung ein (vgl. Erl. zu S. 52,33). Die Grundsätze von Ethik / Moralphilosophie, Ästhetik und Anthropologie zielen mit der Ausbildung der ›Denkkraft‹ in einer geschlossenen selbstreferentiellen Operation auf die Vervollkommnung des Edlen und Schönen (vgl. z. B. S. 305f.; 352).

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Denkwürdigkeiten

Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym,È Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder. In: DW 1786 I, 10. St., S. 159f.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 99,25 Käficht] Nach Adelung der Käfich; die der hochdeutschen Aussprache widersprechenden Endsilben ›ig‹ und ›icht‹ werden abgelehnt (Adelung 2, Sp. 1461). 99,26 Fabel für Kinder] Die in der Kinderlogik entwickelte Fabeltheorie erläutert ausführlich die Differenz zwischen idealischer Fabelwelt und wirklicher Welt (S. 74; KMA 6, S. 184f.); Moritz reagierte damit unmittelbar auf Rousseaus Vorbehalte gegen das Genre, vgl. dazu Bezold 1984, S. 15. Weitere Fabeln z. B. im Lesebuch für Kinder (vgl. KMA 6). 101,1 Eilftes Stück] Das 11. Stück erschien am Dienstag, dem 14. März 1786.

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Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym,È Niemand wird leugnen Ç. . .È. In: DW 1786 I, 11. St., S. 161–167.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 102,13 daß] daß daß J

Stellenerläuterungen 101,2–5 Niemand wird leugnen 〈. . .〉 zubereitet werden] Zitat aus Moritz’ Aufsatz 〈Vorbereitung des Edlern durch das Unedlere〉 im 3. Stück der vorliegenden Zs., vgl. S. 29,20–22. – Die Verfasserschaft dieses Textes ist nicht geklärt. Möglicherweise stammt er von Joachim Heinrich Campe (1746–1818), der die hier vorgelegten pädagogischen Grundsatzüberlegungen bereits 1785 erörtert hatte, vgl. 〈Joachim Heinrich〉 Campe, Ueber die früheste Bildung junger Kinderseelen im ersten und zweiten Jahre der Kindheit, in: Allgemeine Revision des

gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, 2. T., hrsg. v. J〈oachim〉 H〈einrich〉 Campe, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. 〈3〉–296 (vgl. Erl. zu S. 10,3–4 u. 32,5), und der auch in der Fortsetzung ausführlich zu Wort kommt (vgl. Erl. zu S. 117,25–31). – Die Publikation des Beitrags ist dem auf unmittelbare Leserreaktionen ausgerichteten dialogischen Programm der Zeitschrift geschuldet, die als Forum praktizierter Aufklärung konzipiert worden war: Auch mögen sich Eltern, Erzieher, und überhaupt Per-

sonen aus allen Ständen, die, ohne einander zu kennen, in einer Stadt zusammen oder entfernt leben, durch dieß Blatt ihre wichtigsten Vorschläge und Entdeckungen, das Wohl der Menschheit betreffend, mittheilen, und über die angelegentlichsten Dinge, die nur zu selten zu Sprache kommen, ihre Gedanken eröffnen. – Den Verfassern 〈. . .〉 werden Beiträge

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Denkwürdigkeiten

in jener Rücksicht willkommen seyn (Ankündigung, vgl. Überblickskommentar, S. 362). 101,6 Gleichniß] Im Sinne von ›Vergleich‹ (vgl. DWb 7, Sp. 8197f.). 101,12–14 die Vergleichung 〈. . .〉 bekannt] Topos seit der Antike (z. B. Hippokrates), auch biblisches Motiv, vgl. z. B. Ps 1,3; Hos 9,10 oder Joh 15,4. 101,21–23 daß der Erzieher 〈. . .〉 wirken müsse] Vgl. Campe, Ueber die früheste Bildung, S. 50. 101,27–28 nur Veranlassung, n i e U r s a c h ] Veranlassung meinte e i n e m Gelegenheit zu etwas geben, oder ihn zu etwas verleiten, w e l c h e s e r s o n s t n i c h t g e t h a n h a b e n w ü r d e (Zedler 47, Sp. 88); dagegen bedeutete Ursache im engeren Verständnis d a s A t t r i b u t u m e i nes Entis, nach welchem solches mit einer Kraft begabet ist, ein anderes Ding, das durch sich selbst nicht existiren kan, durch würckliche Anwendung dieser Kraft zur Exis t e n t z o d e r W ü r c k l i c h k e i t z u b r i n g e n (Zedler 5, Sp. 1699f.). 102,4 pfropfet] pfropfen: »ein fremdes reis 〈. . .〉 zur veredelung einem andern stamme (wildlinge) einfügen« (DWb 13, Sp. 1796). 102,32 seinen Wachsthum] Das männliche Geschlecht ist bey diesem

Worte im Hochdeutschen das gewöhnlichste, dagegen in andern Gegenden das sächliche üblich ist (Adelung 4, Sp. 1326). 103,22 Sulzer] Der gebürtige Schweizer Johann Georg Sulzer, geb. 1720, Philosoph und Ästhetiker in Berlin, 1747–1763 Mathematikprofessor am Joachimsthalschen Gymnasium, nach 1763 Visitator dieses Gymnasiums (Vorübungen zur

Erweckung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens; zum Gebrauch einiger Klassen des Joachimsthalischen Gymnasiums, 1768, 21771); seit 1750 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, seit 1763 Professor an der Ritterakademie, ab 1775 Direktor der philosophischen Klasse der Akademie der Wissenschaften. Der Verfasser des wichtigen spätaufklärerischen Kompendiums einer Allgemeinen Theorie der schönen Künste (2 Teile, Leipzig 1771 u. 1774; vermehrte Neuausgabe Leipzig 1786/87 u. 1796–1798) starb am 25. Februar 1779 in Berlin. Eine genauere Quelle für Sulzers gesprächsweise Äußerung konnte nicht ermittelt werden. 103,29 Eberhard 〈. . .〉 über das Denken und Empfinden] Der ab 1763 in Berlin wirkende, seit 1778 in Halle lehrende Popularphilosoph Johann August Eberhard (1739–1809) schrieb in seiner Allgemeine〈n〉 Theorie des Denkens

und Empfindens. Eine Abhandlung, welche den von der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin auf das Jahr 1776 ausgesetzten Preis erhalten

Die Texte im einzelnen

491

hat (Berlin: Christian Friedrich Voß 1776; 1786 ebd. neue verb. Aufl.): Diese Entwickelung des menschlichen Geistes, fängt sich von den Empfindungen an, und geht von da zu den Gedanken fort. 〈. . .〉 Da die Gedanken in den Empfindungen eingewickelt liegen; so müssen wir eine gewisse Art der Empfindung so oft erneuern, und die verschiedenen Gegenstände so oft vor die Sinne bringen, daß die Aufmerksamkeit von sich selbst ein Merkmal nach dem andern abtrennt, sie untereinander vergleicht, und so den abstrackten Satz, den es〈!〉 zuerst mittelbar〈!〉 in der Empfindung dachte, nun abgesondert und deutlich denkt (ebd., S. 230f.). 103,30–31 fängt von den Empfindungen an] Zur Verbindung von anfangen mit der Präposition von vgl. DWb 1, Sp. 326. 104,5–6 von der Erlernung des Lesens anfangen] Vgl. Erl. zu S. 103,30–31. 104,31 Fortsetzung] Der Aufsatz Die Unterordnung der Vergnügungen im 12. Stück der Zeitschrift, vgl. S. 112,23–118,3; es handelt sich dabei um keine Fortsetzung im eigentlichen Sinn, sondern um einen weiteren Beitrag desselben Verfassers, vgl. Erl. zu S. 112,23.

492

Denkwürdigkeiten

Der tragische Dichter Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Der tragische Dichter. In: DW 1786 I, 11. St., S. 168–170.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 105,2–6 Das fürchterlichste 〈. . .〉 tragischen Dichtkunst] Zeitgenössische Definitionen des Tragischen (z. B. Zedler 22, Sp. 1470; Sulzer 4, S. 554–557) werden hier zu einem neostoizistischen Modell erweitert, das die Tragödie in die Nähe des barocken Märtyrerdramas rückt, vgl. dazu Schings 1974 u. 1980. 105,10 Phantom] »Hirnbild, Hirngesicht, Luftgesicht, Hirngeburt« (nach Campe, Wörterbuch III, S. 167). 106,2 S h a k e s p e a r ] Vgl. Erl. zu S. 68,22–23. 106,5–6 S t r a t f o r d 〈. . .〉 entfernt] Um 1612/13 hatte sich Shakespeare endgültig aus London in seinen Heimatort zurückgezogen (Paris 1958, S. 61f.). Auf seiner Englandreise besuchte Moritz 1782 Stratford-upon-Avon, wo er das Haus des Dichters besichtigte, das unter allen Häusern in Stratford, eines der

schlechtesten, niedrigsten und unansehnlichsten ist, und unter dessen niedrigem Dache er demohngeachtet die vergnügtesten Tage zubrachte (RDE, S. 182f., hier S. 183; KMA 5/1). 106,7 Nachbaren] Geläufige Pluralform von Nachbar, vgl. Campe, Wörterbuch III, S. 390.

Die Texte im einzelnen

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Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen. In: DW 1786 I, 11. St., S. 171–173. D1 K. Ph. Moritz, Die Stimme drinnen und der Fremdling draußen. Aus dem Altenglischen. In: Berlinischer Musenalmanach für 1791. Herausgegeben von Karl Heinrich Jördens, Berlin: Karl Matzdorff, S. 25–27. D2 ÇKarl Philipp Moritz,È Freund Hains Errettung. In: Karl Friedrich Klischnig,

Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ. Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg, S. 31–33. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 106,9 Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen] Freund Hains Errettung D2 106,9 draussen] draußen D1 106,11 St.] Stimme D2 〈analog für den gesamten Text〉 106,11 Eile] Eil’ D2 106,11 – draussen] – Draussen D2 106,12 Fr.] Fremdling D2 〈analog für den gesamten Text〉 106,14 mich] mich, D1 106,14 durch] durch. D1 106,18 Fremdling] Fremdling, D1 D2 106,18 reich] reich’ D1 106,21 Du sollst der Ruhe] Der Ruhe sollst du D2 106,21 pflegen] pflegen. D1 106,23 darin] drinnen D1 D2

494 106,24 106,24 106,26 D2 106,26 106,26 106,27 106,27 106,28

Denkwürdigkeiten

du] Du D2 sollst] sollst es D2 ich will nicht länger hier verweilen] Nicht länger darf ich weilen

ich] Ich D1 verweilen] verweilen. D1 sind dir nicht deine Füße] Sind Deine Füße Dir nicht D2 sind] Sind D1 Die Füße sind mir schwer – und ich kann nicht gehen] Schwer sind die Füße mir, / Ich kann nicht fort D2 106,28 und ich] ich D1 107,1 deine] Deine D2 107,3 reiche mir dann] reich’ mir denn D2 107,4 dich, du] Dich, Du D2 107,5 du] Du D2 107,5 mein] mein. D1 107,7 seyn] seyn. D1 107,8 dich] Dich D2 107,9 Ungemach] Ungemach. D1 107,11 Es sey Nacht oder Tag] Tag sey es oder Nacht D1 107,12 empfinden,] empfinden D2 107,15 du] Du D2 107,16 ehe du] eh’ Du D2 107,17 dir] Dir D2 107,17 gewischt] gewischt. D1 107,20 du] Du D2 107,20 frei] frei! D1 107,24 dich wecken] Dich wecken, D2 107,24 wecken] wecken, D1 107,25 dich] Dich D2 107,25 schrecken] schrecken. D1 107,26 zanken] zanken, D1 D2 107,27 wanken] wanken, D1 D2 107,28 du] Du D2 107,28 Ruh] Ruh. D1 107,30 zu] zu. D1

Die Texte im einzelnen 107,31 107,32 107,33 107,34 107,35

495

du] Du D2 gesogen,] gesogen; D1 dich] Dich D2 dir] Dir D2 leztes] letztes D1 D2 Stellenerläuterungen

106,9–10 Die Stimme 〈. . .〉 Altenglischen] Weitere Drucke: Die Stimme drinnen und der Fremdling draußen. Aus dem Altenglischen, in: Berlinischer Musenalmanach für 1791, hrsg. v. Karl Heinrich Jördens, Berlin: Karl Matzdorff, S. 25–27; Freund Hains Errettung, in: Klischnig, Erinnerungen, S. 31–33; Die Stimme und der Fremdling, in: Lyrische Anthologie, hrsg. v. Friedrich Matthisson, 18. T., Zürich: Orell Füssli und Compagnie 1806, S. 189–192. – Klischnig legt nahe, daß diese lyrisch-dramatische Mischform während Moritz’ Aufenthalt am Dessauer Philanthropin entstanden ist (Frühjahr 1778; Klischnig, Erinnerungen, S. 30). Vgl. ferner ebd., S. 30, Anm.: Bei dem Untertitel aus dem Altenglischen handle es sich um einen erdichteten Zusatz. 107,4 Trauter] ›Liebling‹, ›Geliebter‹ (DWb 21, Sp. 1545). 107,32–33 Du hast an meiner Brust 〈. . .〉 aufgezogen] Euphemistisches Todesbild (vgl. dagegen Erl. zu S. 50,13–14), das der in Klischnigs Erinnerungen überlieferte, eine Errettung des Menschen durch den Tod ankündigende Titel des Gedichts verstärkt (vgl. Erl. zu S. 106,9–10).

496

Denkwürdigkeiten

Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters. In: DW 1786 I, 11. St., S. 174–176.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 108,1 Tagebuche eines Selbstbeobachters] Gängiges Genre für die ursprünglich der Mystik entstammende pietistische Übung ständiger Selbstbeobachtung, als täglicher, zumeist allabendlicher Rechenschaftsbericht angelegt; in den Unterhaltungen den Schülern empfohlen (Unterhaltungen, S. 105f.; KMA 6, S. 61f.). – Vgl. Moritz, Ueber Selbsttäuschung. Eine Parenthese zu dem Tagebuche eines Selbstbeobachters, in: MzE VII.3 1789, S. 45–47 (KMA 12); vgl. auch BPL (KMA 2). Zur Poetik des Tagebuchs vgl. Geitner 1994; allgemein Reallexikon der dt. Literaturgeschichte, 2. Aufl., Bd. 3, v. a. S. 810–813, Schneider 1998, S. 24. 108,9–10 der Nagel 〈. . .〉 oben] Gemeint sind die Radnägel: Nägel mit gro-

ßen starken Kuppen, womit die eisernen Schienen auf den Wagenrädern befestiget werden (Adelung 3, Sp. 915). 109,1–3 tausend Kleinigkeiten 〈. . .〉 ausmachen] Vgl. Moritz’ anthropologisches Erzählprogramm im Anton Reiser: daß dieß künstlich verflochtne Gewebe eines Menschenlebens aus einer unendlichen Menge von Kleinigkeiten besteht, die alle in dieser Verflechtung äußerst wichtig reden, so unbedeutend sie an sich scheinen (Vorrede zum 2. Teil; KMA 1, S. 106,10–13). 109,8–10 engen meinen Horizont ein 〈. . .〉 in mich selbst zurück] Aufwertung der begrenzten Erkenntnisfähigkeit des Menschen, vgl. dagegen Erl. zu S. 126,10–11; vgl. auch Erl. zu S. 39,4–5. 109,21 Zwölftes Stück] Das 12. Stück erschien am Dienstag, dem 21. März 1786 (vgl. VZ, 34. St., 21. März 1786: Das 12te Stück der D e n k w ü r d i g k e i t e n ist bey J. F. Unger für I Gr. zu haben).

Die Texte im einzelnen

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Frühlingsgedanken Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Philipp Moritz,È Frühlingsgedanken. In: DW 1786 I, 11. St., S. 171–173. D1 K. Ph. Moritz, Frühlingsgedanken. In: Berlinischer Musenalmanach für

1791. Herausgegeben von Karl Heinrich Jördens. Berlin, bei Karl Matzdorff, S. 148. D2 Moritz, Frühlingsgedanken. In: Cäcilia, von Johann Friederich Reichardt. Zweytes Stück, Berlin: im Verlage des Autors, und in Commission der Breitkopfischen Buchhandlung in Dressden. 1791, S. 7 Çmit Komposition ReichardtsÈ. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 109,27 hinaus, und] hinaus! – ich D1 D2 110,1 süßen] süssen D2 110,2 schönern] schönen D2 110,2 gehn.] gehn! D1

Stellenerläuterungen 109,22 Frühlingsgedanken] Weitere Drucke: Berlinischer Musenalmanach für 1791, hrsg. v. Karl Heinrich Jördens, Berlin: Karl Matzdorff, S. 148; Cäcilia, von Johann Friederich Reichardt, 2. Stück, Berlin: im Verlage des Autors, und in Commission der Breitkopfischen Buchhandlung in Dressden. 1791, S. 7 (mit Komposition Reichardts). 109,25–26 Das Korn in seiner Gruft 〈. . .〉 Pflanzenauferstehung] Sinnbild für die menschliche Unsterblichkeit, biblischer Herkunft (Joh 12,24: Wenn das

Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht); in Analogie zum Bild der Jahreszeiten oder zum Schmetterlingsvergleich vgl. Erl. zu S. 53,13–19; vgl. auch Anthusa, KMA 4/1, S. 533f.

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Denkwürdigkeiten

Die lezte Freistadt des Weisen Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Die lezte Freistadt des Weisen. In: DW 1786 I, 12. St.,

S. 178–182. D1 Die letzte Freistadt des Weisen. In: ÇKarl Philipp Moritz,È Die große Loge

oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei. Von dem Verfasser der Beiträge zur Philosophie des Lebens, Berlin 1793, S. 66–71 (satzidentisch wiederholt in: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 66–71). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 110,4 B e o b a c h t e n ] Beobachten D1 110,4 ü b e r ] über D1 110,13 Tode,] Tode D1 110,14 sezte] setzte D1 110,15 w i e i h m z u M u t h e s e y ?] wie ihm zu Muthe sey? D1 110,15–19 E r f a s s e j e z t 〈. . .〉 ü b e r g e h e n w ü r d e . – ] in D1 nicht hervorgehoben 110,16 f a s s e j e z t ] faße jetzt D1 110,20 entschlossene Sterbliche] entschloßene Sterbliche, D1 110,20 zwei] zwey D1 110,21 Seele] Seele, D1 110,22 lezten] letzten D1 110,23 erstlich, s i c h d e r N o t h w e n d i g k e i t u n t e r w e r f e n ] Erstlich, sich der Nothwendigkeit unterwerfen D1 110,25 zweitens] Zweytens D1 110,25–26 w e n n i h m s o n s t 〈. . .〉 z u s e y n – ] in D1 nicht hervorgehoben 110,26 s e y n – ] seyn. – D1 110,27 Nothwendigkeit] Nothwendigkeit, D1

Die Texte im einzelnen

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110,28 diese] Diese D1 110,29 Denkens –] Denkens. – D1 111,1 B e o b a c h t e n ] Beobachten, D1 111,1–2 Ermangelung] Ermanglung D1 111,2 lezten] letzten D1 111,4 bei] bey D1 111,7 großen] goßen D1 111,9 r u h i g e B e o b a c h t e n ] ruhige Beobachten D1 111,11 die] diese D1 111,12–13 unpartheiischer] unpartheyischer D1 111,15 Dieß r u h i g e B e o b a c h t e n ] Das ruhige Beobachten D1 111,16 bei] bey D1 111,17 veredeln wird –] veredlen wird. – D1 111,18 Bei] Bey D1 111,18–19 d i e w i r n i c h t ä n d e r n k ö n n e n ] di wir nicht ändern können D1 111,20 unsre] unsere D1 111,22 desjenigen,] desjenigen D1 111,23 e i g e n t l i c h g e g r ü n d e t ] eigentlich gegründet D1 111,24 Menschen,] Menschen D1 111,25 abhängt,] abhängt D1 111,25 f ü r s e r s t e ] fürs erste D1 111,26 uns] uns, D1 111,26 Sturmwinde] Sturmwinde, D1 111,28 Nachdem] Nach dem D1 111,30–32 w i e d o c h w o h l 〈. . .〉 m a g ? – ] in D1 nicht hervorgehoben 111,33 bei] bey D1 112,3 Bei] Bey D1 112,3 zieht] ziehet D1 112,8–9 o h n e r ä s o n n i r e n z u d ü r f e n ] ohne räsonniren zu dürfen D1 112,10–11 w o m i t 〈. . .〉 r ä s o n n i r e n l ä ß t ] in D1 nicht hervorgehoben 112,10 z a n k e n ] zancken D1 112,15 das] daß J1 das D1 112,15 s t ä r k e r ] stärker D1 112,16 muß. – Und] muß – und D1 112,20 ein] eine J1

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Denkwürdigkeiten

Stellenerläuterungen 110,3 Die lezte Freistadt des Weisen] Weitere Drucke: GL, S. 66–71 (Die letzte Freistadt des Weisen); LP, S. 66–71 (KMA 6, S. 318–320). – Die Auseinandersetzung mit dem Stoizismus wurde maßgeblich durch Friedrich Gedike (auch: Gedicke, 1754–1803) vorangetrieben, dem Moritz die Aussichten zu einer Experimentalseelenlehre gewidmet hatte (KMA 12), vgl. z. B. dessen Abgrenzung des Stoizismus von atheistischen und pantheistischen Konzepten in Des

Stoiker Kleanths Hymne, nebst Kommentar und zufälligem Räsonnement über stoische Theologie, in: Deutsches Museum, 1778, 2, S. 19–28; vgl. dazu allgemein Dieterich Tiedemann, System der stoischen Philosophie. 1.–3. Teil, Leipzig: Weidmanns Erben und Reich 1776; zum Zusammenhang von StoizismusRezeption und Empfindsamkeit vgl. Sauder 1974, S. 96–105. 110,3 Freistadt] Rückzugsort, Asyl, ›sicherer Zufluchtsort‹ (vgl. Adelung 2, Sp. 301). 110,4 B e o b a c h t e n ] Zur hier beschriebenen Methode des ›kalten‹, ›ruhigen‹, ›unparteiischen‹ Beobachtens vgl. Adam Smith, The Theory of Moral Sentiments, London 1759 / Theorie der ethischen Gefühle. Nach der Aufl. letzter Hand übers. und mit Einleitung, Anmerkungen und Registern hrsg. v. Walther Eckstein. Mit einer Bibliographie von Günter Gawlick, Hamburg 1994, S. 167: Nie-

mals können wir unsere Empfindungen und Beweggründe überblicken, niemals können wir irgendein Urteil über sie fällen, wofern wir uns nicht gleichsam von unserem natürlichen Standort entfernen, und sie gleichsam aus einem gewissen Abstand von uns selbst anzusehen trachten. 〈. . .〉 Wir bemühen uns, unser Verhalten so zu prüfen, wie es unserer Ansicht nach irgend ein anderer gerechter und unparteiischer Zuschauer prüfen würde, vgl. dazu auch ebd., S. 199f. u. 214. – Moritz setzte sich (wie in seiner Kritik am ›kameralistischen Zeitalter‹, vgl. Erl. zu S. 10,1) von Smiths Pragmatismus ab, der den unparteiischen Beobachter zwar ethisch aufwertet, ökonomisch aber disqualifiziert (vgl. dazu Griswold 1996), wenn er im folgenden das Beobachten zur Voraussetzung von (individueller oder gesellschaftlicher) Veränderung macht. Dieses Vorgehen gehörte zum Instrumentarium der zeitgenössischen Anthropologie, Moralphilosophie und Erfahrungsseelenkunde: For t o j u d g t h e S p i r i t s w h e t h e r t h e y a r e o f G o d , we must antecedently j u d g o u r o w n S p i r i t ; 〈. . .〉 whether it be fit to j u d g at all, by being sedate, cool, and

impartial; free of every byassing Passion, every giddy Vapour, or melancholy Fume / Denn um die Geister zu beurteilen, ob sie von Gott sind,

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müssen wir zuvörderst unseren eigenen Geist beurteilen, 〈. . .〉 ob er überhaupt fähig ist zu urteilen, und das heißt, ob er gelassen, kühl und unvoreingenommen ist, frei von jeder Leidenschaft, die zu Vorurteilen verführt, von jedem schwindelnden Wahn oder melancholischen Dunst (Anthony Ashley Cooper, Third Earl of Shaftesbury, Standard Edition. Sämtliche Werke, ausgewählte Briefe und nachgelassene Schriften. In englischer Sprache mit paralleler deutscher Übers. hrsg., übers. und kommentiert v. Gerd Hemmerich und Wolfram Benda, Bd. I, 1: Ästhetik, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981, S. 374f. [A Letter concerning Enthusiasm]); vgl. Vorschlag zu einem Magazin (KMA 12). Das Prinzip leitet sich u. a. aus der in der Tradition des Pietismus stehenden Methode der Introspektion her (vgl. Erl. zu S. 108,1). Vgl. dazu auch Nübel 1994, S. 199–205. 110,5 Seelenruhe] Stoisches Ideal der tranquillitas animi, vgl. Lucius Annaeus Seneca, De tranquillitate animi / Über die Seelenruhe, in: ders.: Philosophische Schriften. Lateinisch und Deutsch. Sonderausg. 2. Bd.: Dialoge VII–XII, hrsg. v. Manfred Rosenbach, Darmstadt 1995, S. 101–173; im zeitgenössischen Stoizismus auch ›Seelenstärke‹, vgl. Jacob Friedrich Abel, Eine Quellenedition zum Philosophieunterricht an der Stuttgarter Karlsschule (1773–1782), mit Einl., Übers., Kommentar und Bibliogr. hrsg. v. Wolfgang Riedel, Würzburg 1995, S. 221–236 ([Rede über die Seelenstärke]): Seelenstärke ist Herrschaft über sich Selbst (S. 223), und zwar über seine Idee (S. 226), über seine Empfindungen (S. 227), über seine Leidenschaften (S. 230) sowie über die Handlungen (S. 232); vgl. Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 206. Zur quietistischen Tradition dieses Ideals (Fe´nelon) vgl. Meier 2000, S. 14, vgl. auch Anton Reiser, KMA 1, S. 4,9. 110,9–19 Als jenem edlen Römer 〈. . .〉 ü b e r g e h e n w ü r d e ] Dieses Beispiel für einen (im stoischen Sinne) vorbildlichen Tod überliefert Seneca, De tranquillitate animi, S. 158–161 (XIV.4-XIV.9; gemeint ist mit dem edlen Römer Canus Iulius). Auf die Frage, was er denke oder wie seine Stimmung sei, läßt Seneca Canus antworten: Observare 〈. . .〉 proposui illo velocissimo momento an sensurus sit animus exire se / Zu beobachten 〈. . .〉 habe ich mir vorge-

nommen in jenem allerflüchtigsten Augenblick, ob empfinden wird die Seele, sie verlasse den Körper (ebd., S. 160f. [XIV.9]). 110,11 Tyrannen] Caligula (Gaius Iulius Caesar Germanicus; 12–41 n. Chr.), seit 37 n. Chr. römischer Kaiser. 110,21–23 Heiterkeit und Unbefangenheit 〈. . .〉 s i c h d e r N o t h w e n d i g k e i t u n t e r w e r f e n ] Zum Modell der ›philosophischen Resignation‹ vgl. Erl. zu S. 60,17–19.

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Denkwürdigkeiten

111,4 Wechsel der Dinge] Zur Zufalls-Problematik vgl. Erl. zu S. 17,11, ferner S. 40,9–41,22 und Erl. 111,7–8 Kunst 〈. . .〉 sterben lehrt] Male vivet quisquis nesciet bene mori / »Schlecht wird leben, wer immer nicht weiß, gut zu sterben« (Seneca, De tranquillitate animi, S. 146f. [XI.4]); in der Tradition Platons, später aufgegriffen von Michel de Montaigne: Die Vorbereitung zum Tode ist die Vorbereitung zur

Freyheit. [. . .] Derjenige, welcher recht eingesehen hat, daß der Verlust des Lebens kein Unglück ist, weiß in seinem Leben von keinem Unglücke. Die Kunst zu sterben befreyet uns von aller Unterwürfigkeit, und allem Zwange (Daß Philosophiren sterben lernen heisse, in: Montaigne, Essais. Erster Theil, S. 103–135, Zitat S. 115). 111,20–21 Denkkraft beschäftigen] Leitidee der Denkwürdigkeiten, vgl. Erl. zu S. 99,21. 111,21 kaltblütig] Stoisches Ideal der Affektkontrolle (vgl. Seneca, De tranquillitate animi; Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 252f.), das auch in die Methode der ›unparteiischen Beobachtung‹ eingegangen ist, vgl. dazu Erl. zu S. 110,4. 111,28 resignirt] Zur ›Resignation‹ vgl. Erl. zu S. 60,17–19. 112,9 r ä s o n n i r e n ] Abwertend im Sinne von ›vernünfteln‹ bis hin zu ›nörgeln‹, ›schimpfen‹ (dazu Schulz/Basler 3, S. 148). 112,9 d ü r f e n ] Vgl. Adelung 1, Sp. 1617f.: Nöthig haben; hier also im Sinne von ›ohne daß es nötig wäre zu räsonnieren‹. 112,21–22 Schlimmste 〈. . .〉 gefaßt war] Stoisches Ideal der praemeditatio futurorum malorum (das Vorausbedenken zukünftigen Unglücks), vgl. Seneca, De tranquillitate animi, S. 148f. (XI.6): Quicquid enim fieri potest quasi

futurum sit prospiciendo malorum omnium impetus molliet, qui ad praeparatos exspectantesque nihil afferunt novi / »Was immer nämlich geschehen kann – dadurch, daß er es als gleichsam bevorstehend betrachtet, schwächt er alles Unglücks Angriffe, die den darauf Gefaßten und Wartenden nichts Neues bringen können«; vgl. dazu Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 176.

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Die Unterordnung der Vergnügungen Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym,È Die Unterordnung der Vergnügungen. In: DW 1786 I, 12. St., S. 183–191.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 112,23 Die Unterordnung der Vergnügungen] Vom Autor des Beitrags Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden, im 11. Stück der Zeitschrift (vgl. S. 101,2–104,31) stammend, einem bisher nicht identifizierten Freunde (vgl. S. 101,19) von Moritz. 112,23 Unterordnung] Im Sinne von Einteilung, Klassifikation. 112,27–28 Vergnügungen der Sinne, des Verstandes, und des Herzens] Vergnügung meint im Sinne der Leibniz-Wolffschen Philosophie die ›Lust‹ an der Anschauung oder der Empfindung der Vollkommenheit, vgl. Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 u. 2.2, z. B. § 409; Gottsched, Erste Gründe der gesammten Weltweisheit, S. 538f., § 951. Die folgenden Überlegungen zur Klassifikation der Vergnügungen referieren Johann August Eberhards Modell einer Stufenleiter der Empfindungen aus seiner Allgemeinen Theorie des Denkens und Empfindens (vgl. Erl. zu S. 103,29): von den körperlichen Empfindungen bzw. den Empfindungen der Sinne / des Geschmacks (Essen und Trinken, die animalische Liebe; Geschmack, Geruch, Gefühl) über die intellektuellen Empfindungen bzw. Empfindungen des Verstandes (deren Gegenstand sei Ordnung, Harmonie, Schönheit) zu den moralischen Empfindungen bzw. Empfindungen des Herzens (die eigentlich das Gute oder Böse in den freyen Handlungen klar vorstellen). Dabei vereinigen sich die geselligen Anlagen oder die Affektionen des Herzens 〈. . .〉 mit den angeführten intellektuellen Empfindungen, um die moralischen zu verstärken, zugleich sind die Uebung und Bearbeitung des Geschmackes und des Herzens 〈. . .〉 der Tugend ungemein

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Denkwürdigkeiten

zuträglich (Allgemeine Theorie des Denkens und Empfindens, S. 240, 248, 241 u. 242). Diese Abstufung läßt sich auf jeder Ebene beobachten; im körperlichen, sinnlichen und moralischen Bereich sind die Empfindungen gemäß ihrer I n t e n s i t ä t 〈. . .〉 oder ihres höhern Grades von S t ä r k e unterschieden (ebd., S. 240 u. 248–254). 113,28 Pflichtwidrig] Pflicht ist jede Handlung (nach Christian Wolff), die zur Vervollkommnung des Menschen bzw. seines Zustandes beiträgt, vgl. Hist. Wb. d. Philos. 7, Sp. 412. 113,29 zu übernehmen] Im Sinne von ›auf sich zu nehmen‹. 114,1–2 Demasipp beim Horaz] Anspielung auf Horaz, Satiren II 3, V. 247–249; vgl. Horaz, Werke, 2, S. 147: Binsene Häuschen erbaun, Lastwägelchen fahren

mit Mäusen, / Spielen gerad’ ungrad’, auf rohrenem Gaule sich tummeln: / Liebt’ ein Bärtiger das, als aberwitzig erschien’ er. – Damasipp (so die in den Ausgaben überlieferte Namensform) ist in der Satire, die um das stoische Thema vom Wahnsinn aller Toren kreist, ein bankrotter, nun zur Stoa bekehrter ehemaliger Kunsthändler, der sich durch seine Tiraden selbst als Winkel-und Pseudophilosoph entlarvt. – Die in der Fußnote abgedruckte Lesart des lat. Zitats enthält fälschlich mures statt muris in V. 247. 115,15–17 Jede Erweckung 〈. . .〉 intellektuellen] Vgl. Erl. zu S. 112,27–28. 116,4–8 Maupertuis 〈. . .〉 als die andere wäre] Der frz. Mathematiker, Astronom und Philosoph Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698–1759), 1746–1753 Präsident der Königlich Preußischen Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften in Berlin, schrieb in seinem Essai de philosophie morale (Berlin 1749, S. 24): Ne craignons donc point de comparer les plaisirs des sens avec

les plaisirs les plus intellectuels; ne nous faisons pas illusion de croire qu’il y ait des plaisirs d’une nature moins noble les uns que les autres. Vgl. die dt. Übersetzung Versuch in der Moralischen Weltweisheit, übers. aus dem Französischen des Herrn von Maupertuis, Halle: Johann Justinus Gebauer 1750, S. 22: Wir mögen also ohne Gefahr das sinnliche Vergnügen mit dem Vergnügen der Seelen, wenn es auch noch so geistig wäre, in Vergleichung setzen; lasset uns nicht verführet werden, zu glauben, daß jenes unedler als dieses sey. 116,19 Anleitung der Natur] Stoisches Ideal (secundum naturam vivere; vgl. z. B. Lucius Annaeus Seneca, De otio IV 2, in: ders., Philosophische Schriften. Lateinisch und Deutsch. Sonderausg. 2. Bd.: Dialoge VII–XII, hrsg. v. Manfred Rosenbach, Darmstadt 1995, S. 79–99, hier S. 92f. (V. 8); Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 80f. u. S. 83: Das höchste Gut sei es, der Natur

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gemäß 〈zu〉 leben). An diesem Prinzip orientierte sich auch die zeitgenössische Reformpädagogik (vgl. Erl. zu S. 12,14), vgl. z. B. Campe, Ueber die früheste Bildung, S. 51: Denn die Natur ist eine gar gute und zuverläßige Führerin. 117,1 künstlichen] veredelten. 117,2 entnerven] der Kräfte berauben, schwächen, entkräften, in der höhern Schreibart (Adelung 1, Sp. 1830). 117,5 Uebergewicht] Die monistische Position der deutschen Spätaufklärung erhob den Ausgleich der Seelenkräfte zur regulativen Idee (vgl. Erl. zu S. 99,21 u. zu S. 35,26). 117,17 wenn] Niederdeutsch für ›wann‹ (vgl. Adelung 4, S. 1382). 117,21 Pöbel] In erster Linie moralisch, nicht ständisch, verwendet; im Sinne von »das gemeine, rohe Volk, rohe Leute überhaupt in bezug auf that, wort oder gesinnung« (DWb 13, Sp. 1950). 117,25–31 Sorge dafür 〈. . .〉 überzugehen] Zentraler Erziehungsgrundsatz der zeitgenössischen Reformpädagogik. Das Zitat stammt aus Joachim Heinrich Campes Beitrag Von der nöthigen Sorge für die Erhaltung des Gleichgewichts

unter den menschlichen Kräften. Besondere Warnung vor dem Modefehler die Empfindsamkeit zu überspannen, in der von ihm herausgegebenen Allgemeinen Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, 3. T., Hamburg: Carl Ernst Bohn 1785, S. 〈291〉–434, hier S. 317 (vgl. Erl. zu S. 10,3–4 u. 32,5). 117,25 ursprünglichen Kräfte] Im Sinne von ›natürlichen Anlagen‹, ›Fähigkeiten‹. 118,3 Fortsetzung] Eine Fortsetzung ist nicht überliefert.

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Denkwürdigkeiten

Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder Überlieferung 1. Textgrundlage 1

ÇKarl Philipp Moritz,È Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder. In: DW 1786 I, 12. St., S. 192. D1 ÇK. P. Moritz,È Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder. In: Lesebuch für J

Kinder von K. P. Moritz als ein Pendant zu dessen A B C Buch, welches zugleich eine natürliche Anleitung zum Denken für Kinder enthält. Mit Churfürstl. Sächsisch. gnädigster Freiheit. Berlin, 1792. Bey Christian Gottfried Schöne, S. 57f. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 118,10 118,10 118,11 118,12 118,12 118,13 118,15 118,16 118,16 118,17 118,18 118,18

trösten;] trösten, D1 bei] bey D1 sieh] sieh, D1 spazieren] spatzieren D1 gingen] giengen D1 vorbei] vorbey D1 dieß] dies D1 soll,] soll; D1 gingen] giengen D1 vorbei] vorbey D1 Das] das D1 angemahlt] angemalt D1 Stellenerläuterungen

118,4 Das Gerüste] Vmtl. von Moritz stammend, thematisch ähnlich zu den moralphilosophischen Ausführungen in den 1780 veröffentlichten Unterhaltungen mit meinen Schülern (KMA 6); 1792 wiederabgedruckt im Lesebuch für Kinder, S. 57f. (KMA 6, S. 282). Zum Gebrauch des Bildes vgl. Gotthold Ephraim

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Lessing, Eine Duplik, in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 13, S. 19–90, hier S. 31:

Die Wunder, die Christus und seine Jünger thaten, waren das Gerüste, und nicht der Bau. Das Gerüste wird abgerissen, sobald der Bau vollendet ist. 118,5 Fabel für Kinder] Zum Genre vgl. Erl. zu S. 99,26. 118,11 gut seyn] Zur Verbindung mit sein vgl. Adelung 2, Sp. 856. 118,21 seine Krankheit hatte ihn besser und frömmer gemacht] Vgl. dazu Erl. zu S. 44,1. 119,1 Dreizehntes Stück] Das 13. Stück erschien am Dienstag, dem 28. März 1786.

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Denkwürdigkeiten

Unmuth und Fassung Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Philipp Moritz,È Unmuth und Fassung. In: DW 1786 I, 13. St., S. 193. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Unmuth und Fassung. In: Karl Friedrich Klischnig, Er-

innerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ. Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg, S. 112. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 119,14 Denn in der Ferne seh ich Licht – –] D e n n i n d e r F e r n e s e h i c h L i c h t . – D1

Stellenerläuterungen 119,2 Unmuth und Fassung] Weiterer Druck: Klischnig, Erinnerungen, S. 112. – Entstanden zur Zeit der Wohngemeinschaft mit Klischnig (seit Sommer 1783), wahrscheinlich vor Beginn der gemeinsamen Deutschlandreise (Beginn: 30. Juni 1785); Klischnig, Erinnerungen, bringt die Entstehung des Gedichts mit den mysteriösen Prophezeiungen eines italienischen Grafen in Zusammenhang, der Moritz’ Italienreise und Rückkehr nach Berlin voraussagte (ebd., S. 109f.; vgl. Erl. zu S. 26,33–27,1). 119,2 Unmuth] 〈. . .〉 der Gegensatz von M u t h doch nur in der veralteten Bedeutung der Fröhligkeit, 〈. . .〉 d. i. lebhafte unangenehme Empfindung eines Übels, besonders einer fehlgeschlagenen Absicht (Adelung 4, Sp. 878). Im vorliegenden Fall bezeichnet Unmuth eine melancholische Verstimmung. 119,2 Fassung] Figürlich, der Zustand der Seele, da sie sich ihrer deutlich

bewußt ist, da sie ihre Gedanken und Worte in ihrer Gewalt hat, im Gegensatze der Zerstreuung oder einer starken Leidenschaft (Adelung 2, Sp. 54).

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Ein Blick auf das alltägliche Leben. An *** Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Ein Blick auf das alltägliche Leben. An ***. In: DW 1786 I, 13. St., S. 194–197.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 119,15 alltägliche] Im folgenden setzt sich Moritz mit der gängigen pejorativen Verwendung des Worts – im übertragenen Verständnis – auseinander (Figürlich,

gewöhnlich, gemein, niedrig, im Gegensatze dessen, was selten, ausgesucht, vortrefflich ist, Adelung 1, Sp. 218) und macht den Begriff des Alltäglichen für seine Philosophie des Augenblicks fruchtbar (vgl. S. 96,5–7 in diesem Band). 120,15 individualisiren] Zentraler Grundsatz der zeitgenössischen Reformpädagogik für die Erläuterung abstrakter Sachverhalte (so Friedrich Gedike, Gesammlete Schulschriften. Berlin: Johann Friedrich Unger 1789, 〈1〉, S. 122: Die Ideen des Kindes sind fast insgesammt mehr oder weniger individuell, und

daher ist eben Individualisirung die wichtigste Hauptregel beim Elementarunterricht). Die anthropomorphisierende Darstellung diente der Vergegenständlichung und setzte zugleich die menschliche Wahrnehmung absolut: Das veränderte Selbstbild des Menschen ermöglicht allererst einen veränderten Blick auf die eigenen Lebensumstände und damit auf Fragen des Alltäglichen und Außergewöhnlichen, Privaten und Öffentlichen etc. 120,19–21 einen jeden einzelnen Tag 〈. . .〉 lernen] Vgl. für den Gedanken (der bei Horaz freilich auch eine Vorgeschichte hat) etwa Horaz, Oden I 11, V. 8: carpe diem, quam minimum credula postero (»Raffe den Tag, nicht um ein Haar trauend dem folgenden!«; Horaz, Werke, 1, S. 36). 121,1 Stein der Weisen] Terminus aus der Alchemie (lat. lapis philosophorum); er bezeichnet »die angebliche Kunst, unedle oder rohe, unreife, unausgebildete Metalle zu reinigen, in reife und edlere, namentlich in Gold und Silber, umzuschaffen, und nebenbei noch eine Universal=Medicin nicht nur gegen alle Krankheiten, sondern selbst gegen den Tod zu bereiten« (Ersch/Gruber I 2, S. 414).

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Denkwürdigkeiten

121,4–6 Suchen 〈. . .〉 veredeln] Vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Eine Duplik, in: Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 13, S. 19–90, hier S. 23f.: Nicht die Wahrheit,

in deren Besitz irgend ein Mensch ist, oder zu seyn vermeynet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich seine Kräfte, worinn allein seine immer wachsende Vollkommenheit bestehet.

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Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns Überlieferung 1. Textgrundlage J1

J2

ÇCarl Philipp Moritz,È Çohne TitelÈ. In: Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins. In: GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Bd. 4 (1786), 2. St., S. 20–24. ÇKarl Philipp Moritz,È Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns. In: DW 1786 I, 13. St., S. 198–203.

Grundlage für den edierten Text: J2.

2. Varianten 121,20 Die Zeichensprache der Taubstummen] Diese Zeichensprache J1 121,22 des übrigen] das übrige J1 121,24 Blöken] Blöcken J1 121,26 Thiers] Thieres J1 122,8 den man in der Natur nicht fand] der an sich in der Natur statt fand J1 122,9 gezogen. –] gezogen. J1 122,12 zusammengenommen,] zusammengenommen J1 122,13 Sachbegriff] Sachbegriff, J1 122,13–14 Gehalts auf – Darum] Gehalts, auf – darum J1 122,16 kann –] kann. J1 122,19 werden. –] werden. J1 122,20–21 E i n S t e r n 〈. . .〉 bezeichnet,] Ein Stern auf der Brust eines Königes J1 122,21 ausser] außer J1 122,23 ausser] außer J1

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Denkwürdigkeiten

122,25 ausser] außer J1 122,25 Thierwelt, und alle Flüsse,] Thierwelt und alle Flüsse J1 122,26 Dieser] dieser J1 122,31 in und auseinander wickeln] in- und auseinanderwickeln J1 122,32 vier und zwanzig] vierundzwanzig J1 123,1 erhabene] erhabne J1 123,3 gesezt] gesetzt J1 123,5 simplen] simpeln J1 123,6 den] dem J1 123,7 Chineser,] Chineser J1 123,12 sich] s i c h J1 123,14 thätig –] thätig. – J1 123,14 sein Ich] sie J1 123,16 dem] den J1 123,19 Taubstumme] Taubstumme, J1 123,21 das] dieß J1 123,24 wird –] wird. – J1 123,25 Bedürfniß] Bedürfniß, J1 123,29–30 E i n z e l n e ] e i n z e l n e J1 123,32–33 betrachten – U n d ] betrachten. – U n d J1 123,33–34 v e r s c h i e d e n e n We g e n ] v e r s c h i e d e n e We i s e J1 123,34 s c h e i n t ] s c h e i n e t J1 123,35 u n s e r s ] u n s r e s J1 123,35 s e y n – ] s e y n . – J1 124,3 v e r n a c h l ä s s i g e t z u s e y n – ] v e r n a c h l ä ß i g e t z u s e y n . – J1 124,4 l e z t e n ] l e t z t e n J1 124,5 G e i s t e r ] G e i s t e r w e l t J1 124,7 O r d n u n g , ] O r d n u n g J1 124,8 s a h e – ] s a h e . J1 124,9 lezten] letzten J1 124,10–11 diesen verlieren –] dieser verlieren. – J1 124,12 a l l e r l e z t e n ] a l l e r l e t z t e n J1 124,14 e r w o r b e n e n ] e r w o r b n e n J1 124,15 an –] an. – J1 124,16 den Sachen] der Sache J1

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124,17 Z e i c h e n ] Zeichen J1 124,17 von dem] vom J1 124,18 machen] machen, J1 124,19 Kopf] Kopfe J1 124,19 das] daß J1 124,20 dasselbe –] dasselbe. – J1 124,23 höhern] höheren J1 124,24 soll –] soll. – J1 124,27 Entstellung,] Entstellung J1 124,28 gewordene] gewordne J1 124,28–29 wegfällt –] wegfällt. – J1 124,35 u n s e r s ] u n s e r e s J1

Stellenerläuterungen 121,18–19 Zeichen und Wortsprache 〈. . .〉 Daseyns] Wiederverwendet in Moritz’ Revision seines Magazins zur Erfahrungsseelenkunde in MzE IV.2 1786, S. 20–24 (KMA 12). Eine Fortsetzung des Beitrags war geplant nach dem Zusatz Die Fortsetzung künftig. (MzE IV.2 1786, S. 24). – Die Taubstummenproblematik beschäftigte Moritz hauptsächlich im Rahmen der Erfahrungsseelenkunde, vgl. u. a. MzE I.1 1783, S. 39–44; I.3, S. 76–101; III.2 1785, S. 89–92 (KMA 12). Das Verhältnis von Denkkraft und Sprache berührt aber ebenso die zentralen Fragestellungen von Anthropologie und Moralphilosophie, deren sozialpolitisch motiviertes Aufklärungsprojekt durch offensichtliche Defizite der ›Schöpfungsordnung‹ (wie körperliche oder geistige Behinderungen) gefährdet ist. Die Ausbildung des Denkens bzw. der moralischen Urteilskraft ist auf Sprache angewiesen; das eigentliche Problem stellt die Beurteilung von anderen als wortsprachlichen oder ›deutlich artikulierten‹ Zeichensystemen dar. Gegen die Herabsetzung von Tauben und Stummen zu »Tieren in Menschengestalt« (〈Julien Offray〉 De la Mettrie, Der Mensch eine Maschine. Übers., mit einer Vorrede und Anmerkungen versehen von Max Brahn, Leipzig 1909, S. 34 – vgl. dazu Bezold 1984, S. 51–53 u. 57–62) wertet Moritz die pantomimische Verständigung zu einer der Wortsprache annähernd adäquaten Zeichensprache auf (z. B. auch MzE IV.2 1786, S. 12f.; KMA 12). Vgl. auch GL, S. 265–276; LP, S. 265–277 (KMA 6, S. 401–407). 121,18–19 Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns] Leitidee der Denkwürdigkeiten, vgl. Erl. zu S. 99,21.

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Denkwürdigkeiten

121,21 Wortsprache in ihrer Kindheit] Johann Gottfried Herders Sprachursprungstheorie beschreibt die Entwicklung der Sprache von den historischen Anfängen bis zum gegenwärtigen Abstraktionsgrad analog der Entwicklung des einzelnen Menschen (Abhandlung über den Ursprung der Sprache, Berlin 1772). In Orientierung an Herders Merkworttheorie ging Moritz davon aus, daß unwillkürlich gebildete Merkzeichen, die es ermöglichen, den vollständigen Gegenstand über eine charakteristische Besonderheit zu rekonstruieren, am Beginn der Sprachentwicklung stehen (vgl. Deutsche Sprachlehre für die Damen, S. 169 [KMA 7]; Auch eine H y p o t h e s e ü b e r d i e S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e M o s i s , S. 337 [KMA 7]). Von dieser Form der Lautmalerei (nachahmende Töne, vgl. dazu Moses Mendelssohn, JubA 2, S. 106–109) differenziere sich die Sprache in ein arbiträres Zeichensystem aus; vgl. Moritz in Anmerkung I zu James Beatties Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik (1790), S. 235,3–237,25 in vorliegendem Bd. 121,25–26 Gesetz der Ideenvergesellschaftung] Ideen-Vergesellschafftung 〈. . .〉 bedeutet diejenige Bewandnis der Ideen unter einander, daß

dieselbigen mit einander in dem Verstand verknüpffet sind, und wo nur eine entstehet, selbige zu vielen andern Anlas giebt (Walch, Philosophisches Lexicon, Sp. 1509); vgl. dazu. Hist. Wb. d. Philos. 1, Sp. 549. 122,6–7 D a s Z e i c h e n h ö r t e a u f , S a c h e z u s e y n , u n d w u r d e b l o ß Z e i c h e n ] Zur Trennung von Zeichen und Dingen vgl. Moritz’ Revision der drei ersten Bände dieses Magazins in: MzE IV.1 1786, S. 1–56, hier S. 47 (KMA 12): Abstrakta seien ursprünglich eine B e n e n n u n g v o n e t w a s K ö r p e r l i c h e n 〈 ! 〉 g e w e s e n , jetzt aber werde n i c h t s k ö r p e r l i c h e s m e h r d a b e i gedacht; vgl. MzE IV.2 1786, S. 13: Das konventionalisierte Sprachzeichen sei n i c h t d a z u b e s t i m m t , u m S a c h e , s o n d e r n n u r u m

Zeichen zu seyn. 122,15–16 sichtbaren Zeichen] Die pantomimischen Zeichen der Taubstummen (vgl. MzE IV.2 1786, S. 13; KMA 12). 122,18 r e i n e Z e i c h e n ] Fixierte Zeichen, also arbiträre (vgl. MzE IV.1 1786, S. 54; KMA 12). 122,20 S t e r n a u f d e r B r u s t ] Vgl. Moritz’ Fortgesetzte Beobachtungen über einen Taub- und Stummgebohrnen (MzE I.3 1783, S. 76–82, hier S. 81 [KMA 12]): Gegen den König bezeigt er sehr viel Respekt. Wenn man ihm

allerlei Fragen thut, was er werden will, und ihn unter andern, durch einen großen Stern, den man auf die Brust zeichnet, frägt, ob er etwa König werden wolle, so macht er dabei eine Miene, wie bei einer delikaten und

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gefährlichen Sache, und bezeichnet, daß ihm alsdann der Kopf werde vor die Füße gelegt werden. 123,4–5 ungeheuren 〈. . .〉 Bilderschrift] Analogie zwischen chinesischer Bilderschrift und Taubstummensprache; die chinesische Schrift stand demzufolge am Beginn ihrer Geschichte, wobei diese Argumentation die neueren Tendenzen zur Vereinfachung des Zeichensystems ignorierte, vgl. Zedler 37, Sp. 1562: Vor allen

Dingen aber ist zu mercken, daß zwischen den alten und heutigen Sinesischen Buchstaben ein gar grosser Unterscheid sey. Denn vor Alters haben die Sineser ihre Buchstaben fast von allen Dingen zusammen gesetzt 〈. . .〉. Ihre Nachkommen aber, so durch die Erfahrung an Klugheit zugenommen, nachdem sie grosse Verwirrung in solcher Menge Thiere und Gewächse, befunden, haben sie viel alte Buchstaben 〈. . .〉 in bessere Ordnung und zur kleinen Anzahl gebracht, dergleichen diejenigen seyn, welche sie noch heutiges Tages gebrauchen. 123,7 Chineser] Vgl. Zedler 37, Sp. 1613 (›Sineser‹, ›Sinenser‹, ›Chineser‹). 123,14 leidend] Vgl. Erl. zu S. 98,26. 123,14–15 Druck 〈. . .〉 emporarbeiten] Vgl. Erl. zu S. 20,13–17. 123,18 S i m p l i f i z i r u n g ] Vereinfachung (lat.); Ziel war demnach die Ausbildung von ›reinen Zeichen‹ in der Taubstummensprache. 123,29–31 d a s E i n z e l n e m i t b e s t ä n d i g e r R ü c k s i c h t a u f d a s G a n z e , u n d d a s G a n z e 〈. . .〉 a u f d a s E i n z e l n e ] Vgl. FTG, S. 20f.: 〈B〉 eim Einzelnen das Ganze und in dem Ganzen stets das E i n z e l n e z u d e n k e n sei d i e e i n z i g e w a h r e Ve r v o l l k o m m u n g u n s r e r D e n k k r a f t (KMA 2). – S. dazu auch Erl. zu S. 9,2. 124,5 G e i s t e r ] Vgl. Erl. zu S. 20,12. 124,6 m o r a l i s c h e n ] Vgl. Erl. zu S. 86,23 u. zu S. 154,8. 124,6–8 P l a n 〈. . .〉 Ve r w i r r u n g ] Mit Blick auf die Ordnung, die trotz aller empirischen Irritationen als Bauplan der Schöpfung erkennbar werden soll, rechtfertigt Moritz in der Vorrede zum zweiten Teil des Anton Reiser die wahre und getreue Darstellung eines Menschenlebens: Wem nun an einer solchen

getreuen Darstellung etwas gelegen ist, der wird sich an das anfänglich unbedeutende und unwichtig scheinende nicht stoßen, sondern in Erwägung ziehen, daß dieß künstlich verflochtne Gewebe eines Menschenlebens aus einer unendlichen Menge von Kleinigkeiten besteht, die alle in dieser Verflechtung äußerst wichtig reden, so unbedeutend sie an sich scheinen (KMA 1, S. 106,9–13 und Erl. zu S. 106,15–20). 124,26 Gerüste um ein Gebäude] Vgl. Erl. zu S. 118,4.

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Denkwürdigkeiten

Zeit und Ewigkeit Überlieferung 1. Textgrundlage J1 ÇKarl Philipp Moritz,È Zeit und Ewigkeit. In: DW 1786 I, 13. St., S. 204–206. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Gegenwart und Vergangenheit. In: Fragmente aus

dem Tagebuche eines Geistersehers. Von dem Verfasser Anton Reisers. Berlin 1787. Bei Christian Friedrich Himburg, S. 73–75 (entspricht J2

S. 126,6–21 in diesem Band). ÇKarl Philipp Moritz,È Çohne TitelÈ. In: Sonderbare Zweifel und Trostgründe eines hypochondrischen Metaphysikers, in: GNVUI SAYTON oder Ma-

gazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Bd. 8 (1791), 2. St., S. 64–71, hier S. 64f. (entspricht etwa S. 125,20–126,21 in diesem Band). Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 125,21 Diese leztere] Denn dieses J2 125,22 Zeit; immer 〈. . .〉 was] Zeit. Immer nur eine Folge vom Denken, die J2 125,23 ganze Ewigkeit] Ewigkeit J2 125,23 einen] einem J2 125,24 zusammenfließt] zusammmenfließt J1 125,24 Folge.] Folge. – J2 125,25 Dieß] Dies J2 125,26–27 liegt denn wirklich kein Widerspruch darinn, ist] enthält er keinen Widerspruch? Ist J2 125,27–29 etwas aufeinander folgendes 〈. . .〉 kann?] man sich das, was aufeinander folgt, als nebeneinander denken könne? J2 126,1–3 Wen es wäre 〈. . .〉 zu folgen scheinen.] Daß uns die Dinge in der

Welt aufeinander zu folgen scheinen, ist das Resultat unsrer Unvollkommenheit. J2

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126,5 andere] andre J2 126,5 können.] können. Die Folge der Dinge wäre also bloß ein Verhältniß gegen uns, und eigentlich nichts Wirkliches. J2 126,6–7 der Erde] dem Ende J2 126,7 durchgehen] durchgehn J2 126,7 erst] es D1 J2 126,8–9 sich mir nach und nach 〈. . .〉 darbietet.] ich sie nach und nach kennen lerne. J2 126,9–11 Stehe ich aber 〈. . .〉 Uebersicht der ganzen Stadt habe] Wenn ich aber auf einem Thurme stehe J2 126,11 nun dasjenige auf einmal und nebeneinander] dasjenige nebeneinander J2 126,11 nebeneinander] neben einander D1 126,12 nacheinander] nach einander D1 126,12–15 Wir sagen 〈. . .〉 selbst verwechseln.] fehlt in J2 126,12 folgt] folget D1 126,13 andre,] andere; D1 126,16 vielleicht bloß] bloß J2 126,17 unsrer] unserer D1 J2 126,17–18 Aber die Folge in diesen Vorstellungen selber muß doch wohl wirklich seyn? – –] Aber hierin giebt es doch wohl eine wirkliche Folge? J2 126,18 muß] muß denn D1 126,18–21 Vielleicht auch nur 〈. . .〉 sieht.] Für einen eben so einge-

schränkten Verstand, der sie eines nach dem andern betrachten muß wohl, aber nicht für einen vollkommnen der sie nebeneinander siehet. J2 126,20 vielleicht] wohl D1 126,21 nebeneinander] neben einander D1 Stellenerläuterungen 125,1 Zeit und Ewigkeit] Weitere Drucke: Gegenwart und Vergangenheit, in: FTG, S. 73–75 (Teildruck; KMA 2); Sonderbare Zweifel und Trostgründe eines hypochondrischen Metaphysikers, in: MzE VIII.2 1791, S. 64–71 (Teilübernahmen in S. 64f.; KMA 12). – Opposition von ›irdischer‹, ›endlicher‹ Sukzession (das Maas der Währung der Dinge; Zedler 61, Sp. 725) und ›zeitloser‹, ›göttlicher‹ Simultaneität (eine solche Daurung, da etwas weder einen Anfang noch ein Ende hat, wie solche von GOtt kann gesagt werden, Zedler 8,

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Denkwürdigkeiten

Sp. 2256), und zwar im Sinne der epistemologischen Unterscheidung von symbolisch-sukzessiver (menschlicher) und intuitiv-simultaner (göttlicher) Erkenntnis (vgl. Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 und 2.2, § 956, S. 589f.: GOtt erkennet alles auf einmahl 〈. . .〉: der Mensch eines nach dem andern). 125,13–15 In jeder Zeit 〈. . .〉 Ewigkeit] Ungenaues Zitat der Schlußverse von Albrecht von Hallers (1708–1777) Unvollkommene〈m〉 Gedicht über die Ewigkeit (1736): Ich fühle meinen Geist in jeder Zeil ermatten / Und keinen Trieb, als nach der Ruh! (Albrecht von Haller, Unvollkommenes Gedicht über die Ewigkeit, in: ders., Die Alpen und andere Gedichte. Auswahl und Nachwort von Adalbert Elschenbroich, Stuttgart 1994, S. 75–79, hier S. 79 [V. 124f.]). 126,10–11 Thurme 〈. . .〉 habe] Der ›Turmblick‹ verweist auf die u. a. in Moritz’ Reisebeschreibungen ausgeführte Erweiterung menschlicher Erkenntnisgrenzen zum quasi-göttlichen Blick (vgl. etwa die Besteigung der Saint Paul’s Cathedral in London, in: RDE, S. 97–99 [KMA 5/1] – oder die Suche nach dem h ö h e r n S t a n d p u n k t in Rom, in: RDI I, S. 2 [KMA 5/2]). Zu diesem Komplex vgl. allgemein Koschorke 1990, v. a. S. 156–162. 129,1 Vierzehntes Stück] Das 14. Stück erschien am Dienstag, dem 4. April 1786 (vgl. VZ, 40. St., 4. April 1786: Von den D e n k w ü r d i g k e i t e n ist heute das 14te Stück für I Gr. 〈. . .〉 bei J. Fr. Unger zu haben).

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Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister. In: DW 1786 II, 14. St., S. 207–213.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 129,2 Theater] Die auf aktuelle Aufführungen rekurrierende Theater- und Schauspielerkritik (vgl. auch S. 141,1–143,34, 155,2 u. 210,5) steht in der Tradition von Gotthold Ephraim Lessings (1729–1781) Hamburgischer Dramaturgie (1767–1769). 129,3 Der politische Kannengießer] Den politiske Kandestøber, Lustspiel des dänisch-norwegischen Dichters und Historikers Ludvig Holberg (1684–1754), uraufgeführt in Kopenhagen am 26. September 1722 (dänische Erstausg. 1723); deutsche Erstübers. des Lustspiels: Der Politische Kanngießer, ein Lustspiel, in fünf Aufzügen, aus dem Dänischen des Herrn Professor Holbergs, übers. von M. George August Detharding, in: Johann Christoph Gottsched, Die Deutsche Schaubühne, Faksimiledruck nach der Ausg. von 1741–1745. Mit einem Nachwort von Horst Steinmetz. 1. Teil, Stuttgart 1972, S. 407–494. 129,3 Der Bürgermeister] Alois Friedrich Graf von Brühl (1739–1793), Der Bürgermeister. Ein Original-Lustspiel in fünf Aufzügen, in: A F〈riedrich〉 Gr〈af〉 v. B〈rühl〉, Theatralische Belustigungen, 3. Teil, Dresden: Waltherische Hofbuchhandlung 1786, S. 1–160. 129,7 zu wiederhohlten malen] Das Lustspiel wurde in Berlin von der Döbbelinschen Gesellschaft zumindest am 7. und 12. März 1786 aufgeführt (vgl. VZ, 28. St., 7. März u. 30. St., 11. März 1786); vmtl. wohnte Moritz einer dieser Vorstellungen bei. 129,9 Sensation] Aufsehen, Aufmerksamkeit, Gährung, Bewegung (GWb III, S. 437). 129,10–11 allgemeinen Sprichwort] Vgl. DWb 11, Sp. 167: »fortan 〈= nach Holbergs Lustspiel〉 hiesz ein bierbankpolitiker, ein beschränkter leidenschaftlicher

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zeitungsleser ein ›politischer kannengieszer‹«; das Wort wurde später »auch auf leeres oder gemütliches geschwätz in andern dingen« übertragen. 129,17 merkwürdig] ›bemerkenswert‹, zum Begriff vgl. Erl. zu S. 10,33. 129,23–24 Was damals Naivitäten waren 〈. . .〉 Abscheulichkeiten] Die Komödien Holbergs galten in der Frühaufklärung als vorbildlich; einige wurden von Johann Christoph Gottsched (1700–1766) in seine Mustersammlung Die Deut-

sche Schaubühne, nach den Regeln und Exempeln der Alten ans Licht gestellet (6 Tle. Leipzig 1741–45), aufgenommen. »Parallel mit der Entthronung Gottscheds« (Oberholzer 1974, S. 175) setzte die Kritik an Holbergs dramatischem Werk als grobkomisch und trivial ein; erst die Romantiker rehabilitierten den dänischen Lustspielautor wieder als ernstzunehmenden Komödienautor. 130,1 in einem seiner Stücke] Ludvig Holbergs Lustspiel Den ellefte Junii (1723); dt. Übers.: Der Elfte Junius, ein Lustspiel, in fünf Aufzügen, in: Drey Lustspiele, Aus dem Dänischen des Herrn Professor Holbergs übersetzt, Kopenhagen und Leipzig: Gabriel Christian Rothe 1745, S. 1–90. 130,6 P e t e r P a r s ] Ludvig Holbergs komisches Epos in vier Büchern P e d e r P a a r s , erschienen 1719/20 unter dem Pseudonym Hans Mickelsen; deutsche Übers.: P e t e r P a a r s . E i n c o m i s c h e s H e l d e n g e d i c h t 〈 . . . 〉 , übers. v. J. A. Scheibe, Leipzig 1750. 130,6 K l i m m s u n t e r i r r d i s c h e R e i s e n ] Ludvig Holbergs Staatsutopie in Reiseromanform N i c o l a i K l i m i i i t e r s u b t e r r a n e u m n o v a m t e l -

luris theoriam ac historiam quintae monarchiae adhuc nob i s i n c o g n i t a e e x h i b e n s e b i b l i o t h e c a B . A b e l i n i , erschienen 1741; deutsche Übers. u. a. (anonym): N i c o l a i K l i m s U n t e r i r d i s c h e Reise worinnen eine ganz Neue Erdbeschreibung wie auch eine umständliche Nachricht von der fünften Monarchie die uns bisher ganz und gar unbekannt gewesen, enthalten i s t , neue und vermehrte Aufl. Kopenhagen und Leipzig: Friedrich Christian Pelt 1765. 130,7 S c h w i f t s c h e n S c h r i f t e n ] Gemeint sind die satirischen Werke des irischen Schriftstellers Jonathan Swift (1667–1745), unter ihnen am bekanntesten der utopisch-satirische Reiseroman Tr a v e l s I n t o S e v e r a l R e m o t e N a t i o n s o f t h e Wo r l d . B y L e m u e l G u l l i v e r (1726); deutsche Übers. (anonym, aus dem Französischen): D e s C a p i t a i n s L e m u e l G u l -

liver Reisen in unterschiedliche entfernte und unbekandte L ä n d e r , 1. T., 2. Aufl. Hamburg: Thomas von Wierings Erben 1733; 2. T., 2. Aufl. Hamburg 1735; 3. und letzter T. Hamburg 1731.

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130,10 Teich] Gemeint ist: Teig. 130,15 F i g a r o ] Vgl. Erl. zu S. 69,15. 130,16 R ä u b e r n ] Friedrich Schillers dramatischer Erstling Die Räuber von 1781 (Uraufführung: Mannheim, 13. Januar 1782); Moritz nennt Schiller einen der wenigen theatralischen Genien 〈. . .〉, die wir Teutschen aufzuweisen haben (Rez. von Die Verschwörung des Fiesko. Ein republikanisches Trauerspiel in

fünf Aufzügen von F. Schiller. Für die Bühne bearbeitet von C. M. Plümicke, Berlin 1784, in: VZ, 30. St., 9. März 1784; KMA 10), wobei er sich hauptsächlich auf das Schauspiel Die Räuber bezieht; vgl. einschränkend die Vorbehalte gegenüber den wilden üppigen Auswüchsen des Fiesko (ebd.) und den Verriß von Kabale und Liebe (VZ, 87. St., 20. Juli 1784; Noch etwas über das Schillersche Trauerspiel: Kabale und Liebe, in: VZ, 107. St., 4. September 1784; KMA 10). 130,17 Eines der neuesten Produkte] Aufführungen durch die Döbbelinsche Gesellschaft: 21., 26. u. 30. März sowie 8., 20. u. 29. April 1786 (vgl. VZ, 34. St., 21. März; 36. St., 25. März; 38. St., 30. März; 42. St., 8. April; 47. St., 20. April u. 51. St., 29. April 1786). 130,20 Die Schauspiele des Herrn Grafen] Alois Friedrich Graf von Brühl, Onkel des späteren General-Intendanten der königlichen Schauspiele und IfflandNachfolgers in Berlin, Karl von Brühl (1772–1837), widmete sich nach einer Karriere als Offizier und Staatsmann seinem Privattheater zu Pförten, dem Majorat der Familie in der Niederlausitz. Zunächst für dieses Theater verfaßte er zahlreiche Singspiele und Lustspiele in der Tradition sowohl der aufgeklärten Typenkomödie als auch des empfindsamen bürgerlichen Rührstücks. Bald wurden die Theaterstücke zudem in Wien, Berlin, Kopenhagen und Warschau aufgeführt; Übersetzungen ins Holländische und Polnische sind nachweisbar. Einen Großteil der Texte Brühls versammelt die anonym erschienene Werkausgabe in fünf Bänden Theatralische Belustigungen, Dresden/Prag: Walther 1785–1790, darunter auch das im Untertitel Original-Lustspiel genannte Stück Der Bürgermeister (1786). 130,21 Moralität durch das Drama zu befördern] Stellungnahme in der zeitgenössischen Debatte über die sozialpolitische Funktion und Wirksamkeit des Theaters (vgl. z. B. Friedrich Schiller, Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?, Schiller, NA 20, S. 87–100). Der vorliegende Beitrag plädiert für den Eigenwert dramatischer Darstellungsformen, die demzufolge im bloß belehrenden Gestus philosophischer Abhandlungen oder Predigten nicht aufgehen. 130,31–32 Auf dem Theater muß eben so wenig gepredigt, als auf der Kanzel dramatisirt werden] Zur (zeitgenössisch gängigen) Metaphorik vgl. Les-

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Denkwürdigkeiten

sings Reaktion auf das 1778 (im Zusammenhang mit dem sog. Fragmentenstreit) erteilte Publikationsverbot: Ich muß versuchen, ob man mich auf meiner

alten Kanzel, auf dem Theater wenigstens, noch ungestört will predigen lassen (an Elise Reimarus, 6. September 1778; zit. nach Lessing, Werke 2, S. 719). 131,1–3 d a ß m a n 〈 . . . 〉 erreichen könne] Vgl. dazu Erl. zu S. 68,10–12. 132,2–3 Man kann höchstens noch gerührt, aber nicht mehr interessirt werden] Zentrale Forderung der zeitgenössischen Dramaturgie nach emotionaler und intellektueller Teilhabe des Zuschauers am Geschehen. Nur das in einem epischen oder dramatischen Gedicht sei interessant, das eine Angelegenheit für uns selbst wird, uns also vom bloßen Zuschauer zum Mitwirkenden mache; in diesem Sinne gilt das Interessante als die wichtigste Eigenschaft ästhetischer Gegenstände, weil der Künstler dadurch alle Absichten der Kunst auf einmal erreicht (zumindest wenn er selbst an den Gegenständen interessiert sei), Sulzer 2, S. 691–693. Das bloß Rührende dagegen hat zwar den Vortheil des allgemeinesten Beyfalles und ist am leichtesten zu erreichen (gerade durch mittelmäßige Künstler), eine gesellschaftspolitisch verträgliche Wirkungsstrategie läßt sich daraus aber gerade nicht ableiten, weil derjenige, den nichts angreift, als was sanft rühret 〈. . .〉 leicht in einen weichlichen Wol-

lüstling, in einen schwachen, zu jeder wichtigen That unfähigen Menschen ausarten 〈kann〉 (Sulzer 4, S. 122). 132,16–17 Das Interesse 〈. . .〉 Episode seyn soll] Gängiges Argumentationsschema der zeitgenössischen Literatur- und Theaterkritik, die den hier formulierten Vorwurf der Episodizität dann erhob, wenn die zentrale Forderung nach Einheit der Handlungsführung nicht gewahrt wurde. Fokus war das Interesse oder die Aufmerksamkeit des Zuschauers, vgl. Erl. zu S. 132,2–3: Es muß nur ein

solches Interesse zum Grunde liegen, das die Aufmerksamkeit beständig in der gehörigen Spannung unterhalte, und der Zuschauer nur mit einem einzigen Gegenstand, der ihn ganz beschäfftiget, zu thun habe. Es könnte nicht anders als schädlich seyn, wenn der Zuschauer zwey wichtige Handlungen zugleich überdenken, und jeder in ihrer Entwiklung folgen müßte. Eine einzige beschäfftiget ihn ganz, daher sind die Trauerspiele von doppelter Handlung als fehlerhaft in der Anlage zu verwerfen. Sie können große einzele Schönheiten haben, aber einzele Scenen machen kein Trauerspiel aus (Sulzer 4, S. 562). 132,19 ehr] ›eher‹. 132,21–22 G r o ß m a n n 〈. . .〉 Familiengemählde] Vgl. Erl. zu S. 71,29–72,2.

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Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben? Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben? In: DW 1786 II, 14. St., S. 214–216.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 133,1 Volks-Aberglauben] Die Rubrik Volks-Aberglauben, die Moritz wohl auch mit dem Etikett Volksvorurtheile (s. S. 10,31) aus seinem Vorwort zur Zeitschrift verband, ist insgesamt nur durch den hier vorliegenden Beitrag Was die Alten von Ahndungen gehalten haben? gefüllt worden. Der Argumentationshintergrund ist der Kampf der Berliner Aufklärung gegen Aberglauben und religiöse Vorurteile, wie er sich v. a. in der von Moritz’ Freunden Friedrich Gedike und Johann Erich Biester herausgegebenen Berlinischen Monatsschrift dokumentiert. Auf deren edle Freimüthigkeit 〈. . .〉, womit sie dem Aberglauben und eingerißenen Vorurtheilen entgegen arbeitet, hatte Moritz schon als Redakteur der ›Vossischen Zeitung‹ hingewiesen (6. St., 4. Dezember 1784, S. 1113; KMA 10). Im Bemühen um wahre Aufklärung setzte Moritz später in dem von ihm herausgegebenen Magazin zur Erfahrungsseelenkunde allerdings nicht auf Polemik, sondern auf eine gemäßigte Verfahrensweise. 1788 erschien im Magazin unter der zeitweiligen Herausgeberschaft von Carl Friedrich Pockels auch anonym ein aufgeklärter Beitrag über Volksaberglauben, der Verbindungen zur Antike zog (MzE VI.1 1788, S. 17–26); Moritz hielt dem militanten Aufklärer Pockels später entgegen, diese Zeitschrift solle keine Strafpredigten gegen Aberglauben und

Schwärmerei enthalten, sondern beide als Gegenstände der ruhigen Beobachtung aufstellen, damit ihr Grund und Ungrund sich von selbst aufdecke (Ueber den Endzweck des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde, in: MzE VIII.1 1791, S. 1–5, hier S. 4; KMA 12). Im Sinne einer solchen gemäßigten Position bezog sich Moritz 1786 in den Denkwürdigkeiten mehrfach auf Ciceros philosophische Schriften (vgl. auch S. 166,1–2 u. S. 189,3–4). Die Frage Hat die Seele ein Vorhersehungsvermögen? diskutierte Moritz mit einigen Beiträgern etwa

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Denkwürdigkeiten

gleichzeitig auch im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (s. G. E. S. Henning im MzE I.2 1783, S. 78–81; Zimmermann, Beobachtungen über Ahndungsvermögen, in: MzE II.2 1784, S. 100f.). 133,2 Ahndungen] Ahndung: Die dunkele Empfindung des Zukünftigen (Adelung 1, S. 187). 133,6–7 Staatsmannes 〈. . .〉 seiner Zeit] Der römische Redner, Politiker und Philosoph Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) untersuchte in seiner Schrift De divinatione (44 v. Chr.), inwiefern es eine echte Prophetie (divinatio) geben könne. Das Werk besteht aus zwei Büchern, in deren erstem Ciceros Bruder Quintus von stoischer Warte aus das Vorhandensein der Prophetie behauptet. Im zweiten Buch, aus dem Moritz im folgenden zitiert, vertritt Cicero dagegen eine skeptische Position. Eine zeitgenössische Übertragung des Werks ins Deutsche erschien anonym 1784: Cicero’s zwei Bücher von der Vorhersehung in einer teutschen Uebersetzung, Leipzig: Schwickert 1784. Die vorliegende Übersetzung stammt vmtl. von Moritz; zu dessen Cicero-Kenntnissen vgl. KMA 4/1, S. 465f. 133,9–27 Was kann die Gottheit 〈. . .〉 ertheilt werden] Cicero, De divinatione II 54–55 mit Auslassungen, vgl. Cicero, Von der Vorhersehung, S. 114–117 (Abschn. 25 u. 27). 134,1–16 Man berichtete 〈. . .〉 achtet] Cicero, De divinatione II 58; vgl. Cicero, Von der Vorhersehung, S. 116f. (Abschn. 27). Zum Kontext des römischen Prodigienwesens vgl. KMA 4/1, S. 209–211 u. Erl. 134,3 Thales] Der griechische Naturphilosoph und Astronom Thales von Milet (ca. 624 – ca. 547 v. Chr.), der als Begründer der Philosophie und Wissenschaft galt. Cicero kolportiert in seiner Schrift über die Divination an anderer Stelle (über die Möglichkeit von wissenschaftlichen Prognosen) eine Anekdote, die auch Thales’ praktische Klugheit zeigt (De divinatione I 111). 134,3 Anaxagoras] Der griechische Naturphilosoph Anaxagoras (ca. 500 v. Chr. – ca. 428 v. Chr.), demzufolge jede Bewegung auf eine rationale Ursache zurückgeführt werden kann. 134,3–4 Naturkündiger] »der kenner, erkunder der natur, der naturforscher« (DWb 13, Sp. 453). 134,12 Mauren schwitzen] ›Mauerschweiß‹ ist die bildliche Beschreibung von »mauerbeschlag, mauersalpeter« (DWb 12, Sp. 1780). 134,17–24 Ich stütze mich 〈. . .〉 hätte.«] Cicero, De divinatione II 61–62 (mit Auslassungen); vgl. Cicero, Von der Vorhersehung, S. 118f. (Abschn. 27).

Die Texte im einzelnen

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Ueber deutsche Titulaturen Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Ueber deutsche Titulaturen. In: DW 1786 II, 14. St.,

S. 217–219. D1 Allgemeiner deutscher Briefsteller, welcher eine kleine deutsche

Sprachlehre, die Hauptregeln des Styls und eine vollständige Beispielsammlung aller Gattungen von Briefen enthält. Von Karl Philipp Moritz, Königlich Preußischem Hofrath und Professor, ordentlichem Mitgliede der Akademie der Wissenschaften und des Senats der Akademie der bildenden Künste in Berlin, Berlin: Friedrich Maurer 1793, S. 134–136 〈Teildruck, entspricht S. 134,26–136,6 in diesem Bd.〉. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 134,26–30 Die Kaiserin 〈. . .〉 bedienen solle] die Kaiserin von Rußland

hat befehlen lassen, daß man sich in Bittschriften und Vorstellungen an die Monarchin immer des Wortes U n t e r t h a n oder g e t r e u s t e r U n t e r t h a n , anstatt K n e c h t oder a l l e r u n t e r t h ä n i g s t e r K n e c h t bedienen solle. D1 135,9–14 Die Titulaturen 〈. . .〉 bestimmt hat.] Die Titulaturen Hochedelgebohren, Wohlgebohren, Hochwohlgebohren, u. s. w. scheinen den Werth eines Mannes nach dem allerzufälligsten Umstande der Geburt zu bestimmen. D1 135,15–21 Daher 〈. . .〉 hochedlen Mann nenne.] Man macht einen Unterschied zwischen einem E d l e n , H o c h e d l e n und H o c h e d e l g e b o h r n e n Manne, wovon das letztre mehr bedeutet, als die beiden erstern Benennungen, weil es den Umstand der Geburt mit einschließt; so daß wir also einen Mann mehr zu ehren glauben, indem wir ihm zugestehen, daß er hochedel g e b o h r e n ist, als wenn wir ihn schlechtweg einen edlen oder hochedlen Mann nennen. D1

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Denkwürdigkeiten

135,22–32 Die niedrige kriechende Denkungsart 〈. . .〉 Wohl g e b o h r n e Leute nennen.] Es ist auffallend, daß die Deutschen bei ihrer zunehmenden Bildung ihre Titulaturen, statt sie zu vereinfachen, noch weitschweifiger gemacht haben; und daß sie selbst diejenigen, die an sich keine edle G e b u r t hatten, nicht höher zu ehren wußten, als wenn sie ihnen mißbrauchsweise eine e d l e G e b u r t beilegten, und sie H o c h e d e l g e b o h r n e oder Wo h l g e b o h r n e nannten. D1 135,33–136,6 Nur die M a g i s t r ä t e 〈. . .〉 angehängt ist!] Der zufällige Umstand der G e b u r t , die zwar reich und mächtig, aber nicht edel macht, sollte auf keine Weise zur Bestimmung der Würde dienen, und der Anhang g e b o h r e n , sollte in unsrer deutschen Titulatur, wenn sie einmal verbessert würde, ganz weggestrichen werden. D1 135,33 ehrenvollern] ehrenvoller J

Stellenerläuterungen 134,25 Ueber deutsche Titulaturen] Titulaturen: zeitgenössische Ehrenbezeugungen nach Stand, Amt, Würde, Alter, Geschlecht oder Höflichkeit; vgl. Zedler 44, Sp. 473–513 u. 516–519. Der Zusatz hochgeboren kann demnach beispielsweise nur in Ausnahmefällen (Heirat) an eine Person geringeren Stands vergeben werden (ebd., Sp. 497f.). – Moritz’ Beitrag schließt an die Titulaturenschelte in seiner 1782 veröffentlichten Anleitung zum Briefschreiben an; darin heißt es:

O der Deutschen, die ein eigenes Studium daraus machen, ihre kriechende Unterwürfigkeit gegen ihre Hochgebohrnen und Durchlauchtigen Tyrannen, in ihren Titulaturen an den Tag zu legen; die ihre Kinder schon in der frühesten Jugend lehren, wie sie sich in den Briefen, die sie einmal schreiben werden, den Mächtigen und Großen zu Füßen werfen sollen, und die anstatt edler Freimüthigkeit, den Ton der kriechendsten Demuth, durch mit Fleiß dazu verfertigte Bücher, einzuführen suchen! (KMA 9, S. 12,15–22). Die Formulierungen des vorliegenden Artikels gingen wiederum in das TitulaturKapitel des 1793 publizierten Allgemeinen deutschen Briefstellers ein (KMA 9, S. 201,29–203,24). 134,26 Kaiserin von Rußland] Katharina II. (1729–1796), seit 1762 russ. Kaiserin, stand der Aufklärung nahe und brachte einige gesamtgesellschaftliche Reformen auf den Weg. 134,26 hat befehlen lassen] Nachricht in der VZ, 38. St., 30. März 1786: St. Petersburg, den 3. März. Die Kaiserin hat befohlen, 〈. . .〉 daß man am Ende

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einer Bittschrift sich nicht mehr unterthänigster K n e c h t , sondern bloß u n t e r t h ä n i g s t e r , oder g e t r e u e r U n t e r t h a n unterzeichnen, auch in allen Patenten, Eidesformeln und andern schriftlichen Aufsätzen niemal mehr des Worts Knechts, sondern statt dessen U n t e r t h a n bedienen solle. – Auf diesen Erlaß bezieht sich Moritz erneut zustimmend im Titulaturen-Kapitel seines 1793 erschienenen Allgemeinen deutschen Briefstellers, worin er auch die geläufige Unterschrift unterthänigster Knecht reproduziert (KMA 9, S. 204,10 u. ö.): Nur gehört zur Abschaffung des Ueberflüssigen und Ge-

schmacklosen in den Titulaturen ein allgemeines Einverständniß, welches vorzüglich v o n o b e n n a c h u n t e n z u seinen Anfang nehmen muß. Denn niedere Personen, die an höhere schreiben, dürfen nicht wohl Neuerungen machen, und das Uebliche nicht hindansetzen, wenn sie nicht ausdrücklich dazu aufgefordert werden; wie denn z. B. die Kaiserin von Rußland hat befehlen lassen, daß man sich in Bittschriften und Vorstellungen an die Monarchin immer des Wortes U n t e r t h a n oder g e t r e u s t e r U n t e r t h a n , anstatt K n e c h t oder a l l e r u n t e r t h ä n i g s t e r K n e c h t bedienen solle (KMA 9, S. 202,3–12). 135,2–3 gesitteten] Vgl. Erl. zu S. 17,12. 135,9–136,6 Die Titulaturen 〈. . .〉 angehängt ist!] Von Moritz abgeschwächt wiederholt in seinem 1793 erschienenen Allgemeinen deutschen Briefsteller; vgl. KMA 9, S. 202,19–203,21. 135,11–12 Pöbel] Vgl. Erl. zu S. 117,21. 135,23 Z u f a l l s ] Vgl. dazu Erl. zu S. 17,11. 135,33 M a g i s t r ä t e d e r S t ä d t e ] In neuern Zeiten bezeichnet M a -

g i s t r a t in Deutschland die Gesammtheit städtischer Verwaltungsbehörden (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 7, S. 29). 136,6 e d e l ] Vgl. dazu Adelung 1, Sp. 1636: Das einfache edel hat dabey von seiner alten Würde so viel verloren, daß man es heut zu Tage sogar geringen Bürgern und kleinen Krämern beyleget, obgleich auch diese w o h l e d e l und h o c h e d e l genannt seyn wollen.

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Denkwürdigkeiten

Edle Herablassung eines Fürstensohns Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇS. . .tz,È Edle Herablassung eines Fürstensohns. In: DW 1786 II, 14. St., S. 220–222.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 138,1 Post] Poß J

Stellenerläuterungen 136,7 Edle Herablassung eines Fürstensohns] Der Verfasser der Anekdote (S. . .tz) ließ sich nicht ermitteln; eine fingierte Verfasserschaft ist nicht auszuschließen. Die Anekdote ist 1785 erstmals – und zwar anonym – im Oktoberheft der hebräischen Zeitschrift Der Sammler erschienen, in einem Beitrag unter dem Titel Schreiben eines jüdischen Kaufmanns aus Frankfurth an der Oder vom zweyten May dieses Jahres, an seinen Freund zu Königsberg. Der Beitrag beginnt mit einem direkten Bezug auf den verstorbenen Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel und präsentiert dann zwei Anekdoten aus dessen Leben, darunter auch jene, die unter dem Titel Edle Herablassung eines Fürstensohns in die DW aufgenommen wurde ([Anonym]: Schreiben eines jüdischen Kaufmanns aus Frankfurth an der Oder vom zweyten May dieses Jahres, an seinen Freund zu Königsberg, in: Hame’assef / Der Sammler II, 2, Oktober 1785, S. 35–40, hier S. 38; vgl. dazu auch Mo¯sˇe Pel´iˆ: Sˇa´ar la-has´ka¯la¯. Mafte¯ah muˆ´a¯r le-Ha-Me´asse¯f, ketav-ha¯-´e¯t ha¯-´ivriˆ ha¯-riˆsˇoˆn. Jerusalem 2000, S. 175, 182, 187, 198 [The gate to Haskalah. An annotated index to Hame´asef, the first Hebrew journal]); möglicherweise stammt die Anekdote von Naftali Herz Wessely, der in Der Sammler ein Gedicht über Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel veröffentlicht hat, einen Beleg dafür gibt es allerdings nicht. – Bei dem in der Anekdote genannten Kopenhagener Juden handelt es sich um Jakob Levin, den Sohn des Frankfurter Juden Samuel Levin (Spieker 1839, S. 39–41).

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136,15 Resignation] Von mlat. resignatio: ›Verzicht‹ (Schulz/Basler 3, S. 363). 136,17 Handelsjuden] Handelsjude: »handel treibender jude, besonders hausierer« (DWb 10, Sp. 382). 136,18 dürfen] Im Sinne von ›sich erkühnen‹, ›sich unterstehen‹ (Adelung 1, Sp. 1616). 136,29–30 Königin von Dännemark] Juliane Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel (1729–1796), seit 1752 die zweite Gemahlin Frederiks V. von Dänemark (1723–1766, König seit 1746). 136,30 Leopold von Braunschweig] Maximilian Julius Leopold, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1752–1785). Die Menschenfreundlichkeit Leopolds war sprichwörtlich (vgl. ADB 18, S. 376f.). Überliefert ist die zumeist finanzielle Unterstützung hilfsbedürftiger Soldaten, Studenten oder Juden, vgl. Kusch 1995, S. 25. Nach Leopolds Tod veranstaltete die jüdische Gemeinde von Frankfurt a. d. Oder öffentliche Gebete (VZ, 61. St., 21. Mai 1785), vgl. Carl Renatus Hausen,

Biographie Herzogs Maximilian Julius Leopold von Braunschweig und Lüneburg, Frankfurt/Oder: Strauß 1785 (besprochen in: VZ, 127. St., 22. Oktober 1785). – Die Person des Herzogs und sein Wirken waren von allgemeinem Interesse: U. a. veröffentlichte auch die Berlinische Monatsschrift Beiträge zum Leben des Herzogs (Bd. 5, 1785, S. 566–577, von Christian Gotthelf Krüger; Bd. 6, 1785, S. 1–10, von Karl Samuel Protzen). Die Herausgeber Friedrich Gedike und Johann Erich Biester initiierten die Stiftung einer jährlichen Gedächtnißfeier des Herzogs Leopold von Braunschweig, über deren Fortgang sie bis Ende 1786 regelmäßig berichteten (BM, 5. Bd. 1785, S. 489–492, 583–588; 6. Bd. 1785, S. 382–384, 479f., 576; 7. Bd. 1786, S. 96, 191f., 288, 384, 480, 572–576; 8. Bd. 1786, S. 370f.); in- und auswärtige Unterstützer wurden namentlich genannt (BM, 5. Bd. 1785, S. 588; 6. Bd. 1785, S. 285–288). In der noch von Moritz redigierten ›Vossischen Zeitung‹ nahm die Berichterstattung über Leopolds ›heroischen‹ Unfalltod am 27. April 1785 (der Herzog ertrank bei einem Rettungsversuch in der Oder) breiten Raum ein (vgl. VZ, 53. St., 3. Mai 1785; 54. St., 5. Mai 1785; 56. St., 10. Mai 1785; 58. St., 14. Mai 1785; 59. St., 17. Mai 1785; 61. St., 21. Mai 1785; 62. St., 24. Mai 1785; 63. St, 26. Mai 1785; 71. St., 14. Juni 1785 u. 5. St., 12. Januar 1786). Zum Erscheinungszeitpunkt der Anekdote in den Denkwürdigkeiten lag dieses Ereignis gerade ein Jahr zurück. Unter der Rubrik Handlungen der Menschenliebe gibt es auch in dem von Pockels herausgegebenen Band der Zeitschrift eine Herzog-Leopold-Episode (Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen, hrsg. v. C. P. Moritz und C. F. Pockels, 2. Bd., 1. St. Berlin 1787, S. 53–55).

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Denkwürdigkeiten

137,6 L e s s i n g ] Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), von Mai 1770 bis zu seinem Tod Leiter der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel, begleitete 1775 den genannten Leopold, den jüngsten Sohn Karls I., Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg (1713–1780), auf einer Italienreise. 137,8 Moralität] der Werth der Handlungen in Rücksicht auf die Moral oder Sittenlehre; die S i t t l i c h k e i t (Adelung 3, Sp. 280). Vgl. Erl. zu S. 17,12. 137,10–12 Rührung 〈. . .〉 verbürgte] Im Kontext der Empfindsamkeit galt Rührung (die innere Bewegtheit, vgl. DWb 14, Sp. 1473f.) als Authentizitätssignal. Mit Blick auf Schattierungen des Begriffs der Rührung vgl. aber auch S. 132,2–3 und Erl. in diesem Band. 137,18 Posttag] Auf einen bestimmten Turnus festgesetzter Tag, an dem die (Brief-)Post abgeht bzw. ankommt, vgl. dazu DWb 13, Sp. 2035. 138,6–7 Schwierigkeiten 〈. . .〉 Prinzenverhältnisse erzeugen] Motiv der traditionellen Hofkritik, vgl. dazu allgemein Kiesel 1979. 138,9 Funfzehntes Stück] Das 15. Stück erschien am Dienstag, dem 11. April 1786.

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Edle Beispiele. Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇAnonym,È Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande. In: DW 1786 II, 15. St., S. 223–227.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 138,11 Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande] Anonym; vermutlich entweder mündlich überliefert oder aus einer der zeitgenössischen Berliner Zeitschriften übernommen. 138,13 Königl. Servis-Commission] Die S e r v i s k o m m i s s i o n steht un-

ter dem achten Departement des Oberkriegskollegiums, und besorgt das Einquartierungswesen und den Geldbeytrag dazu, den man S e r v i s nennt (Friedrich Nicolai, Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend [1793], in: Nicolai, Gesammelte Werke 6, S. 74). Der Beitrag für jeden militärischen Rang war genau festgelegt. 138,14 Beurlaubten] Beurlaubter: zeitweilig vom aktiven Wehrdienst aus Kostengründen entpflichteter Söldner (vgl. dazu Papke 1979, S. 275f.). 138,16 Distrikts] Distrikt: Verwaltungseinheit (Adelung 1, Sp. 1504). 138,23 Alkoven] Derjenige Theil eines Zimmers, der vermittelst einer grö-

ßern Öffnung oder anderer Verzierungen zu einem Schlafgemache abgesondert worden (Adelung 1, Sp. 199). 138,27 Interessen] im gemeinen Leben häufig gebraucht, um die Zinsen eines Capitales, den Gewinn oder Überschuß auf ausgeliehenes bares Geld zu bezeichnen; d i e Z i n s e n (Adelung 2, S. 1389). 139,2 Creditor] Gläubiger (Schulz/Basler 1, S. 403). 139,3 Friederichsd’or 〈. . .〉 1 Thlr. 8 Gr.] Für diese Währungseinheiten im ausgehenden 18. Jh. gilt: 24 Groschen ergeben 1 Taler, 5 Taler ergeben 1 Friedrichsdor (zwischen 1741 und 1855 geprägte preußische Goldmünze, auch Pistole genannt).

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Denkwürdigkeiten

139,12 Profession] In engerer Bedeutung werden die Handwerke P r o f e s s i o n e n und die Handwerker P r o f e s s i o n i s t e n 〈. . .〉 genannt (Adelung 3, S. 845).

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Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder. In: DW 1786 II, 15. St., S. 228–233.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 142,27 ihre] ihrr J 143,16 unwichtig] unwicheig J

Stellenerläuterungen 141,2 Der Ring ein Lustspiel, von Schröder] Der von Moritz stammende Theaterartikel geht wohl auf den Besuch einer Aufführung des besprochenen Lustspiels durch die Döbbelinsche Gesellschaft in Berlin zurück; das Stück wurde dort am 4., 9., 18. und 27. April sowie am 18. Mai gespielt (vgl. VZ, 40. St., 4. April 1786; 42. St., 8. April 1786; 46. St., 18. April 1786; 50. St., 27. April 1786 und 59. St., 18. Mai 1786). – Friedrich Ulrich Ludwig Schröder (1744–1816) gehört zu den bekanntesten Schauspielern und Schauspielunternehmern des 18. Jhs. Moritz erlebte den Charakterdarsteller während seiner Schulzeit in Hannover in mehreren Aufführungen und verarbeitete diese Erfahrung in seinem Roman Anton Reiser (vgl. KMA 1, S. 187,33 und Erl.; S. 291,26). Schröders Lustspiel Der Ring. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen (in: F〈riedrich〉 L〈udwig〉 Schröder, Beytrag zur deutschen Schaubühne, 2. Teil, Berlin: G〈eorge〉 J〈acob〉 Decker 1786, S. 1–150) entstand 1783 und stellt eine Bearbeitung von George Farquhars (1678–1707) Komödie The Constant Couple or A Trip to the Jubilee (1699) dar. 141,3 Verwickelung] Eine Handlung ist 〈. . .〉 verwikelt 〈. . .〉, wenn man zu Erreichung des Zweks mancherley Anstalten zu machen hat. 〈. . .〉 Wir

haben bereits anderswo gezeiget, wie in den epischen und dramatischen Handlungen aus Verwiklung der Umstände Knoten entstehen, die unsre Aufmerksamkeit auf den Fortgang der Dinge kräftig reizen, und wie die

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Denkwürdigkeiten

allmählige Auflösung der Knoten durch die Befriedigung unsrer Erwartungen Vergnügen macht (Sulzer 4, S. 676; vgl. auch Sulzer 2, S. 77). 141,5 Entwickelung] A u f l ö s u n g 〈. . .〉, wodurch das ganze Stük sein Ende erreicht (Sulzer 1, S. 225). 141,5 kahl] In übertragener Wortbedeutung abwertend: 〈d〉er nöthigen Gründe beraubt (Adelung 2, S. 1462). 141,6–11 wenn die Entwickelung 〈. . .〉 zu bringen] Vgl. Sulzer 1, S. 225: Die Auflösung ist vollkommen, wenn sie natürlich und vollständig ist, auch zu rechter Zeit geschieht. Natürlich ist sie, wenn sie nicht nur aus der Handlung selbst entsteht, sondern so, daß nichts übertriebenes, nichts unwahrscheinliches in den Ursachen ist, wodurch sie bewürkt wird. 142,6–7 bei den größten Fehlern noch liebenswürdig] Aristotelischer IdealCharakter des ›mittleren Helden‹ (Aristoteles, Poetik. Griechisch/Deutsch, übers. und hrsg. v. Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1987, S. 36–41 [Abschn. 13]), an dem sich die zeitgenössische Dramaturgie orientierte, vgl. z. B. Lessing an Friedrich Nicolai, im November 1756 (Gotthold Ephraim Lessing/Moses Mendelssohn/Friedrich Nicolai, Briefwechsel über das Trauerspiel, hrsg. u. kommentiert v. Jochen Schulte-Sasse, München 1972, S. 52–57), Hamburgische Dramaturgie, 75. St. (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 10, S. 101–105). 142,16–17 Die Hauptverwickelung 〈. . .〉 verdrängt] Vgl. Erl. zu S. 132,16–17. 143,26 preziösen] preziös: »〈G〉eziert, geschraubt, gezwungen; unnatürlich« (Schulz/Basler 2, S. 657).

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Aus einem Reisejournal Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus einem Reisejournal. In: DW 1786 II, 15. St., S. 234–238. Fortgesetzt in: 16. St., S. 245–250; 17. St., S. 258–263.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 144,1 Aus einem Reisejournal] Dieses Reisejournal bezieht sich auf die gemeinsame Deutschlandreise von Moritz und Klischnig, die, beginnend am 20./22. Juni oder Juli 1785 (vgl. Erl. zu S. 144,2), ursprünglich bis in die Schweiz führen sollte; wichtige Stationen waren Potsdam, Wittenberg (die folgenden Auszüge des Reisejournals brechen hier bereits ab), Leipzig/Gohlis (hier traf Moritz u. a. mit Schiller zusammen und verständigte sich mit diesem über den im Vorjahr in der ›Vossischen Zeitung‹ publizierten Verriß von Kabale und Liebe), Weißenfels, Naumburg, Dornburg, Weimar (hier besuchten Moritz und Klischnig u. a. Christoph Martin Wieland; Goethe und Johann Gottfried Herder waren verreist), Erfurt, Gotha, Fulda, Frankfurt am Main, Höchst, Hochheim, Mainz, Mannheim. Aus finanziellen Gründen brachen sie die Reise vorzeitig ab und kehrten über Heidelberg, Nürnberg, Erlangen, Bamberg und Dresden nach Berlin zurück (vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 115–151). Zum Plan eines Reisejournals vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 117, Anm.: Die Reisebeschreibung sollte Stückweise in den Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Edlen und Schönen bekannt gemacht werden, aus den Auszügen sollte schließlich ein eignes Buch werden, unter dem Titel: Wa n d e r u n g e n z w e i e r F r e u n d e 〈. . .〉 Andre Arbei-

ten verhinderten ihn daran und seine Reise nach Italien brachte den ganzen Plan in Vergessenheit. Zur Fortsetzung des Reisejournals s. das 16. u. 17. Stück der Denkwürdigkeiten, S. 150,1–152,27 u. 156,17–159,16 in diesem Bd. – Die Einkleidung des Reisejournals in Briefform ist wohl ein technischer Kunstgriff; ein förmlicher Adressat ist nicht bekannt. Klischnig berichtet über den Anfang der Reise: 〈. . .〉 den 20. Juny wanderten wir aus Berlin. Dreihundert Thaler in

Golde, eine Charte von Deutschland und zwei Horaze in Taschenformat

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war unser ganzes Gepäck. Unsre Koffer mit einigen Kleidern und der benöthigten Wäsche schickten wir immer von einem Ort, wo wir uns eine Weile aufgehalten hatten, bis zu einem andern wo wir uns wieder zu verweilen gedachten, voraus. Zu Fuß wollten wir die ganze Reise machen und also war es um so nöthiger, daß wir uns nicht mit entbehrlichen Bequemlichkeiten – deren manche Reisende eine Legion bei sich führen – beschwerten. Schon der Anfang unsrer Reise war ominös, denn als wir in P o t s d a m ankamen, hatte Reiser seine Bestallung als Professor vergessen, die uns doch höchst nöthig war, um nicht für Landstreicher angesehn zu werden, und mußte wieder nach Berlin zurück, um sie zu holen. Bei der großen Ordnung, die unter seinen Papieren herrschte, hatte er fast einen ganzen Tag danach suchen müssen, kam also erst am zweiten Tage nach Potsdam zurück und nun setzten wir unsre Reise ungehindert fort. Wo wir ein schönes Plätzchen fanden, lagerten wir uns mit unserm Horaz, und schöpften aus ihm neuen Muth zur Lebenswanderung. 〈. . .〉 In dem traurigen, dem vierten Theil nach in Ruinen liegenden, Wittenberg weilten wir einige Tage, weil Reiser hier von seinen Universitätsjahren her noch Bekannte hatte. Wir besuchten die Herrn Professoren E b e r t und S c h r ö k h und brachten einen sehr angenehmen Abend bei dem alten Biedermann, dem Herrn Professor T i t i u s zu. Auch den L u t h e r s b r u n n e n besuchten wir, und Reiser erinnerte sich mit einem gewissen Herrn M a n g o l d – der schon zu seiner Zeit in Wittenberg studirt hatte – der hier genoßnen Vergnügungen, von denen er jedoch einige sehr gern ungeschehn gemacht hätte (Klischnig, Erinnerungen, S. 115–118). 144,2 Brück] Die kleine brandenburgische Stadt zwischen Belzig und Beelitz gehörte bis 1807 zu Kursachsen. 1777 umfaßte sie etwa 140 Häuser; 1790 hatte sie 862 Einwohner (Historisches Orts-Lexikon für Brandenburg, Teil 5: Zauch-Belzig. Bearbeitet von Peter P. Rohrlach, Weimar 1977 [Veröffentlichungen des Staatsarchivs Potsdam; 14], S. 56, 59 u. 60). 144,2 23sten Juli 17**] Klischnig datiert die Abreise abweichend von diesem Brief auf den 20. Juni 〈1785〉 (Klischnig, Erinnerungen, S. 115). 144,8–9 Brandenburger Thore 〈. . .〉 examiniret worden waren] Das Brandenburger Tor in Potsdam, 1770 im Auftrag von Friedrich II. erbaut von Carl Philipp von Gontard (1731–1791) und Georg Christian Unger (1743–1799). Moritz läßt an dieser Stelle die in Klischnigs Erinnerungen berichtete Verzögerung der Reise um beinahe zwei Tage unerwähnt. Vgl. dazu die Erl. zu S. 144,1.

Die Texte im einzelnen

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144,9–10 Baumgartenbrück] Vgl. Erl. zu S. 145,21–22. 144,11 neue Palais] Das Neue Palais, ein Schloß mit über 300 Zimmern, 1763–1769 im Park von Sanssouci erbaut durch die Architekten Johann Gottfried Büring (1723 – nach 1788), Heinrich Ludwig Manger (1728–1790) und Carl Philipp von Gontard (1731–1791). 144,12 Fronte] Die Fronte 〈. . .〉 aus dem Franz. Fronte, der Vordertheil verschiedener Körper. 〈. . .〉 F r o n t e g e g e n e t w a s m a c h e n , in dem Kriegeswesen, sich mit der Fronte gegen etwas wenden (Adelung 2, Sp. 322). 144,12 Sanssouci] Sommerresidenz Friedrichs II., 1745–1748 zum Teil nach Entwürfen des Königs von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699–1753) erbaut, ein Hauptwerk des dt. Rokoko. Das Schloß hatte Moritz schon 1779 in seinem Gedicht Gemählde von Sanssouci gewürdigt (Erstdruck: Berlinsche Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen, Nr. 33, 18. März 1779, S. 153; KMA 2). 144,13–14 drei schönen Thürmen] Die Türme der Nikolaikirche auf dem alten Markt, der spätbarocken Heilig-Geist-Kirche in der Burgstraße und der Garnisonkirche (vgl. Bratring 1986, S. 595f.). Zu den Türmen vgl. Nicolai, Beschreibung, Bd. 3, S. 1149f., 1155f. u. 1164. 144,18–19 weil wir 〈. . .〉 zu Fuße gingen] Der Vorzug des Wanderns besteht für Moritz demnach in einer genaueren Wahrnehmung von Landschaft und Leuten. Bereits die Englandreise erfolgte größtenteils zu Fuß, die gelegentliche Weiterfahrt im Wagen wird als Verlust beschrieben: Und nun flogen die herrlichsten Land-

schaften, worauf mein Auge so gern verweilt hätte, mit Pfeilschnelle vor uns vorbei 〈. . .〉 (RDE, S. 7; KMA 5/1). 144,24–26 Kolonistenhäuser 〈. . .〉 N e u G e l t e 〈 . . . 〉 G e l t e ] Die Kolonie Neu-Geltow, wie Alt-Geltow (= Gelte) zwischen Caputh und Werder gelegen, wurde zwischen 1776 und 1778 für 16 preußische Kriegsinvaliden angelegt, vgl. 〈A. H. Borgstede,〉 Statistisch-Topographische Beschreibung der Kurmark Brandenburg. 1. T., Berlin: Johann Friedrich Unger 1788, S. 325. 145,16 See] Der Schwielowsee. 145,19 We r d e r 〈. . .〉 mit seinem Thurme] Wohl die Heilig-Geist-Kirche in der Inselstadt Werder an der Havel, »ein 1734 erbauetes massives Gebäude, mit einem hohen Thurm auf einem Kirchhofe« (Bratring 1986, S. 908). 145,21–22 Baumgartenbrück 〈. . .〉 Gasthof 〈. . .〉 Brücke] Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620–1688) ließ 1676 eine 120 m lange Holzbrücke über die Havel bauen; später wurde neben einem Zollhaus ein Wachthaus an der Baumgartenbrücke errichtet, um die Desertion preußischer Soldaten in die nahe gelegenen Dörfer Klaistow, Busendorf und Kanin zu verhindern, die zum Kurfürsten-

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Denkwürdigkeiten

tum Sachsen gehörten. Die 1748 erbaute Gaststätte Baumgartenbrück ist noch heute erhalten. 145,27–30 Pezow 〈. . .〉 See] Petzow, zwischen dem Schwielow- und Glindowsee gelegen. 145,32 Klestow 〈. . .〉 erste sächsische Dorf] Klaistow gehörte mit den Dörfern Busendorf und Kanin zum Kurfürstentum Sachsen. Die sog. sächsischen Dörfer waren nahezu vollständig von preußischem Land umgeben und beliebtes Ziel für preußische Deserteure. 1777 bewohnten das Dorf Klaistow elf Hüfner, ein Kossäte und ein Häusler (Historisches Orts-Lexikon für Brandenburg, Teil 5: ZauchBelzig. Bearbeitet von Peter P. Rohrlach, Weimar 1977 [Veröffentlichungen des Staatsarchivs Potsdam; 14], S. 192). 146,6–7 The Wilds 〈. . .〉 as i go] Zitat aus Oliver Goldsmiths Roman The Vicar of Wakefield (vgl. Erl. zu S. 59,32–33). Das Zitat lautet korrekt: Where wilds immeasurably spread 〈. . .〉 (Goldsmith, The Vicar of Wakefield, S. 39). Die dt. Übertragung von Johann Joachim Bode lautet: Die weite Wüste dehnet schier / Sich unter jedem Schritt (Goldsmith, Der Dorfprediger von Wakefield, S. 79). 146,13 Sechszehntes Stück] Das 16. St. erschien am Dienstag, dem 18. April 1786.

Die Texte im einzelnen

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Aus K. . .s Papieren Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus K. . .s Papieren. In: DW 1786 II, 16. St., S. 239–244. Fortgesetzt in: 17. St., S. 264–270; 19. St., S. 287–299; 20. St., S. 303–311; 21. St., S. 319–334. Vgl. auch F. . .s Geschichte, in: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349 u. F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 147,25 diesen] diesem J

Stellenerläuterungen 146,14 Aus K. . .s Papieren] Paralleltext zur autobiographischen Fiktion Anton Reiser, der sich an dieser Stelle auf Erlebnisse und Begegnungen der Studienzeit in Wittenberg (27. Februar 1777 – Frühjahr 1778) bezieht: Bei K. . . mag es sich (wie bei Berger, vgl. Erl. zu S. 212,18–19, und F. . ., vgl. Erl. zu S. 174,30) um einen Kommilitonen von Moritz handeln (so Klischnig, Erinnerungen, S. 17, Anm.; vgl. auch Allgemeiner deutscher Briefsteller: in der Rubrik Glückwünschungsschreiben berichtet ein Wittenberger Freund von F*, K*, B*, vgl. KMA 9, S. 267f.); Nachlaßtexte sind nicht überliefert. Neben der Herausgeberfiktion legen die Parallelen zur Autorbiographie (das Studium in Wittenberg; die Reise nach Dessau, die Moritz im Frühjahr 1778 unternahm) sowie zur Kindheitsgeschichte Anton Reisers (die Vater-Problematik; der Konkurrenzkampf zwischen Geschwistern) eine Verbindung zu dem psychologischen Roman Anton Reiser nahe. Die Disposition der Ereignisse korrespondiert dem Muster des psychologischen Romans; die Verarbeitung gängiger ›Sturm und Drang‹-Motive (wie ›Vaterkonflikt‹ oder ›feindliche Brüder‹) und die schematisierte Darstellung (Schwarz-WeißMalerei, vgl. z. B. die blonden Locken der Brüder Ernst und Ludwig vs. K.s struppichtes schwarzbraunes Haar, S. 147,2–4) wecken Zweifel an dem in der Herausgeberfiktion formulierten Authentizitätsanspruch. Die didaktische Ausrichtung

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Denkwürdigkeiten

des Textes auf eine angemessene Nutzung der (Seelen-)Fähigkeiten entspricht den Zielsetzungen der Denkwürdigkeiten. 146,17 kenntbar] kenntlich. 147,3 struppichtes] struppicht: struppig (Adelung 4, Sp. 460). 147,20 Spiegel] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19. 147,24 Brandmark] Substantivbildung zu brandmarken im Sinne von brandmahlen, mit einem Brandmahle versehen, das ein durch Brennen verur-

sachtes Mahl oder Zeichen; besonders das Zeichen, welches Missethätern angebrennet wird, sein kann oder auch eine Brandnarbe (Adelung 1, Sp. 1153). 148,9–10 Ist denn die Kraft meines Willens gelähmt, daß ich will und zugleich nicht will] Zur Seelenlähmung vgl. Erl. zu S. 40,29–30, zum Problem der Willensfreiheit vgl. Erl. zu S. 39,15–16. 148,22 Zweikampf] Die Studentenduelle »unterscheiden sich von den Duellen anderer Stände durch eine Menge leerer und lächerlicher Formen, um so lächerlicher, da sie mit einem großen Ernste getrieben werden, als gelte es Leben und Tod 〈. . .〉. Zwar fehlt es auch nicht an ernsten, sehr unglücklichen Ausgängen dieser Kämpfe, doch ist dies in der Regel nur die Folge grober Unvorsichtigkeiten, oder unglücklicher zufälliger Ereignisse« (Ersch/Gruber I 28, S. 162; zum Ablauf vgl. S. 163–165). 148,27 H a l l e ] Zur damaligen studentischen Lebensweise an der Universität Halle vgl. die Darstellung bei Schrader 1894, S. 593–603. Sie wird (was den Verwirrungen K. . .s kontrastiert) als »anständig und ruhig« bezeichnet (S. 593); eine besondere »Neigung« zu Duellen sei im ausgehenden 18. Jh. nicht zu beobachten gewesen (S. 595), lediglich in Fragen der »Sittlichkeit« habe es Beanstandungen gegeben (S. 595f.). Ein weiteres Problem für die Behörden seien die »studentischen Verbindungen« gewesen (dazu S. 597–599). 148,31 beneidete ich sie ihm] beneiden: Zuweilen auch mit dem Dative der Person und dem Accusative der Sache (Adelung 1, Sp. 851). 149,6 gelähmter Seele] Vgl. Erl. zu S. 40,29–30. 149,23 Krümme] Krümmung; vgl. Adelung 2, Sp. 1806.

Die Texte im einzelnen

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Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus einem Reisejournal (Fortsetzung.). In: DW 1786 II, 16. St., S. 245–250. Fortgesetzt in: 17. St., S. 258–263.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 150,12 verschiedenen] verschiedene J

Stellenerläuterungen 150,4–5 Thor 〈. . .〉 Bollwerks] Das Heidetor, später ›Berliner Tor‹ genannt: »es enthielt Wache und Arrestlokal und wurde 1834 abgebrochen und durch das jetzige Tor ersetzt« (Brück 1998, S. 64). Das Bollwerk war ein Rest der 1441 urkundlich zum ersten Mal erwähnten Burg Brück (ebd.). 150,12 Leimen] Vgl. Adelung 2, Sp. 1979, zu Lehm: Es ist mit Leim 〈. . .〉

genau verwandt, daher es auch in den gröbern Mundarten beständig Leim und Leimen lautet, auch in der Deutschen Bibel in dieser Gestalt vorkommt. Indessen ist doch L e h m in den anständigern Sprecharten am üblichsten. 150,14 in der grünen Linde] Der 1766 erbaute Gasthof »stand gegenüber dem Diakonat oder der ›Kapellaney‹, Mittelreihe 3« und »entspricht dem späteren Gasthof ›Zum Hackepeter‹, Hauptstraße 113« (Brück 1998, S. 64). 150,16 Spaziergang um die Stadt] Im Magazin zur Erfahrungsseelenkunde empfohlene therapeutische Maßnahme (MzE I.1 1783, S. 44–47; KMA 12) sowie individuelle Vorliebe von Moritz. Zur »Ortsumgehung« vgl. Anton Reiser (KMA 1, S. 220,27 u. ö.) und Anthusa (KMA 4/1, S. 624f.). 151,8 Unser freundlicher Wirth] Der Bürgermeister, Gastwirt und Kaufmann Benjamin Hentze (Brück 1998, S. 64). 151,15 Mandat] Nach Adelung ein obrigkeitlicher Befehl oder eine verbind-

liche obrigkeitliche Bestimmung einer einzelnen Handlung, zum Unterschiede von einem G e s e t z e (Adelung 3, Sp. 45).

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Denkwürdigkeiten

151,16 Viehseuche] Wohl die in Europa heute ausgestorbene Rinderpest, der im 18. Jh. zahlreiche Tiere zum Opfer fielen (vgl. Krünitz, Encyklopädie, Bd. 223, Sp. 1–41, u. Bd. 123, Sp. 582). 151,20 Rodstock, Zitze und Lodke nach Niemeck] Rottstock, Ziezow, Locktow, Niemegk. 151,28 in gramine remoto] Horaz, Oden II 3, V. 6 (Horaz, Werke, 1, S. 104: »auf der geheimen Au«). Die Ode ist zitiert in Anton Reiser (KMA 1, S. 240,32–33 und Erl.); dieselbe Stelle zitiert in Klischnig, Erinnerungen, S. 141. 151,31 unser Freund, unser Lehrer, unser Begleiter] Vgl. Erl. zu S. 25,24–26. – Am Beginn der Freundschaft Klischnigs mit Moritz stand der freiwillige Besuch von Moritz’ Horazstunde am Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster, vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 76 u. 85f.

Die Texte im einzelnen

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Ersatz für das Schrecklichste Überlieferung 1. Textgrundlage J1

J2

ÇRijklof MichaelÈ Van Goens, Unempfindlichkeit gegen ihren Zustand bei Wahnwitzigen. In: GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte herausgegeben von Carl Philipp Moritz, Bd. 4 (1786), 2. St., S. 91–93. V. G., Ersatz für das Schrecklichste. In: DW 1786 II, 16. St., S. 251–254.

Grundlage für den edierten Text: J2.

2. Varianten 1

153,2 verrükten] verrückten J 153,4 sey] sei J1 153,7 U t r e c h t ] Utrecht J1 153,8 verschiedene Jahre lang,] verschiedne Jahre lang J1 153,9 34 bis 36] vierunddreißig bis sechsunddreißig J1 153,11 dies] dieß J1 153,11 welche] welches J1 153,12 hundertmal nakt] hundertmal, nackend J1 153,14 hineinfiel] hereinfiel J1 153,15 zerbrechliche] Zerbrechliche J1 153,16 bemerkte] bemerke J1 153,17 herein läßt] hereinläßt J1 153,21 den] dem J1 153,24–25 an die Unglückliche auf dem] der Unglücklichen auf den J1 153,26 Monathe«, sagte er, »daß] Monathe, sagte er, daß J1 153,28 Vernunft] Vernunft, J1 153,30 loßzulassen] loszulassen J1 154,1 befriedigte] befriedigt J2 befriedigte J1 154,5 außerordentlichen] außerordentliche J1 154,15 Kurz,] Kurz J1

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Denkwürdigkeiten

154,24 V. G.] Van Goens J1

Stellenerläuterungen 153,1 Ersatz für das Schrecklichste] Vorlage: Rijklof Michael van Goens’ Auszug aus einem Briefe〈,〉 Haag den 15. December 1785 im 2. Stück des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde (MzE IV.2 1786, S. 87–96), das im Katalog der Leipziger Ostermesse 1786 als fertig geworden gemeldet wurde (Meßkatalog Ostern 1786, S. 323). Rijklof Michael van Goens (1748–1810), in Utrecht geboren, wurde 1766 Prof. für Geschichte, Beredsamkeit und Griechisch in Utrecht. Van Goens korrespondierte mit Wieland, Gleim, Jacobi und Friedrich Just Riedel; er übersetzte Schriften von Moses Mendelssohn und auch Moritz’ Aufsatz Das Skelet (in: DW 1786 I, 5. St., S. 73–78; KMA 11) ins Niederländische. 1776 gab er seine Professur auf und übernahm Verwaltungsämter im Magistrat Utrecht, die auch die Aufsicht über die Gefängnisse betrafen. Als Parteigänger der Oranier verwickelte er sich in politische Polemiken, um deretwillen er 1786 sein Amt aufgeben mußte. Vgl. Goldmann 2008. 153,2–5 In We r t h e r s L e i d e n 〈. . .〉 F i s c h i m Wa s s e r ] Bezieht sich auf die Geschichte des wahnsinnigen Heinrich in Goethes Erfolgsroman Die Leiden des jungen Werthers (1774, 2. Teil, Am 30. November; WA I 19, S. 133–138). Heinrich behauptet von seiner Zeit im ›Tollhaus‹: Da war mir es so wohl, so lustig, so leicht wie ein Fisch im Wasser! (ebd., S. 135). Die Formulierung greift Werther im folgenden auf: Da du glücklich warst! rief ich aus, schnell vor

mich hin nach der Stadt zu gehend, da dir es wohl war wie einem Fisch im Wasser! – Gott im Himmel! hast du das zum Schicksale der Menschen gemacht, daß sie nicht glücklich sind, als ehe sie zu ihrem Verstande kommen, und wenn sie ihn wieder verlieren! 〈. . .〉 (ebd., S. 136). – Der Roman gehört zu den zentralen Lektüreerlebnissen des jungen Moritz, vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 248–251 u. Erl. zu S. 248,32. – Die frühe Werther-Begeisterung setzte sich in die nachitalienische Ästhetik fort, vgl. den Essay Ueber ein Gemählde von Göthe (in: Deutsche Monatsschrift, 1792, 1. Bd., S. 243–250; KMA 3). 153,6–7 Zuchthäuser] 〈E〉ine Anstalt, in welchem〈!〉 lasterhafte Glieder der Gesellschaft durch Arbeit und Schärfe zu einem pflichtmäßigen Verhalten gewöhnet werden, d a s B e s s e r u n g s h a u s (Adelung 4, Sp. 1742). Bis ins beginnende 19. Jh. wurden psychische Defekte mit Straftaten gleichgesetzt (bzw. psychisch Kranke wie Verbrecher behandelt): Was die Heilung psychischer Krankheiten anlangt, so ist sie 〈. . .〉 mehr das Werk der neuesten

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Zeiten als der ältern, und es ist selbst die Zeit noch nicht gar so lange vorüber, in welcher man den psychischen Kranken 〈. . .〉 mit Verbrechern der schlimmsten Art zugleich in Ketten und Banden schlug. 〈. . .〉 So werden Irrenhäuser nothwendig, deren jetzt immer mehre〈!〉 und immer zweckmäßigere errichtet werden. Die ehemals gewöhnliche Verbindung derselben mit öffentlichen Straf- und andern Anstalten 〈z. B. Zucht- und Waisenhäusern〉 wird als unzweckmäßig überall aufgelöst (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 10, S. 108f.). 153,7 U t r e c h t ] Niederländische Provinz sowie deren gleichnamige Hauptstadt. 153,8–9 Mädchen von 34 bis 36 Jahren] Mädchen: in der vertraulichen

Sprechart von allen jungen unverheiratheten Frauenspersonen, von der Geburt an bis gegen das dreyßigste Jahr ihres Alters (Adelung 3, Sp. 13) gebraucht. 153,17 Physiognomie] Hier: die Gesichtszüge (Adelung 3, Sp. 767). 153,30 loßzulassen] Zu entlassen. 154,6–7 wenn man mehrere bestätigte Erfahrungen 〈. . .〉 gezogen werden könnten] Vgl. Moritz’ Überlegungen im Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungs-Seelenkunde (in: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503; KMA 12). 154,8 physikalischen] Adelung zieht das Wort physisch dem minder gebräuchlichen und ohne Noth verlängerten p h y s i k a l i s c h vor; es hat die Bedeutung von n a t ü r l i c h ; im Gegensatze des m o r a l i s c h oder s i t t l i c h (Adelung 3, Sp. 767). 154,22–23 b e w u n d e r n s w ü r d i g ] Hier im Sinne von ›bemerkenswert‹, ›merkwürdig‹, vgl. Erl. zu S. 10,33. 155,1 Siebenzehntes Stück] Das 17. Stück erschien am Dienstag, dem 25. April 1786.

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Denkwürdigkeiten

Theater. Puf van Vlieten Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Theater. Puf van Vlieten. In: DW 1786 II, 17. St., S. 255–257.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 155,15 mir den] mit der J 155,29 Denn] Den J

Stellenerläuterungen 155,2–3 Theater. Puf van Vlieten] Verfaßt von Moritz. 155,3–5 Puf van Vlieten 〈 . . . 〉 K a u f m a n n ] Puf van Vlieten, deutsche Übertragung der Komödie The English Merchant von George Colman d. Ä. (1732–1794); vgl. George Colman, The Dramatick Works, Vol. 2. London, Printed for T. Becket, Adelphi, Strand. 1777 (Repr. Hildesheim/New York 1976), S. 1–105. Sie stammt von Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius (1754–1827): Puf van Vlieten, Komödie in fünf Aufzügen. Von W. C. S. M–s., Leipzig: Joh. Gottl. Imman. Breitkopf 1780. Dabei handelt es sich, laut Vorbericht, S. 〈I〉, um eine

Zusammenschmelzung der Vo l t ä r s c h e n Ecossaise, und deren e n g l i s c h e n Bearbeitung, the English Merchant, für deren Güte der Name C o l m a n schon hinlänglich Gewähr leistet, und deren Vorzüge vorm Original L e s s i n g bereits längst in seiner D r a m a t u r g i e namhaft gemacht hat. 155,6–7 Sophiens Reisen] Johann Timotheus Hermes, Sophiens Reise von Memel nach Sachsen, 5 Bde., Leipzig 1770–1772 (2., stark verm. Ausg. in 6 T., Worms: Heinrich Bender und Compagnie 1776); Briefroman in der Tradition der englischen Empfindsamkeit, v. a. Samuel Richardsons (1689–1761) und Henry Fieldings (1707–1754). Der Königsberger Kapitän Cornellis Puff van Vlieten gehört zum Verehrerkreis der Protagonistin Sophie.

Die Texte im einzelnen

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155,9 L i c e n t i a t ] Akademischer Grad; vgl. Johann Georg Krünitz, Oeconomische Encyklopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft in alphabetischer Ordnung, Bd. 77, Berlin 1799, Sp. 571: Licentiat, aus dem lateinischen Licentiatus, ist jemand, der in einer der obern Facultäten seine Gelehrsamkeit bewiesen, und davon durch eine öffentliche Disputation Probe abgeleget hat, worauf er feyerlich zu einem Licentiaten, oder zu einer solchen gelehrten Person, die die Erlaubniß hat, Doctor zu werden, und die Vorzüge und Vorrechte eines Doctors genießt, erkläret worden. 〈. . .〉 Sie genießen, wie schon gesagt, der Vorrechte und Freyheiten eines Doctors in vielen Stücken, außer daß, wo ausdrücklich ein Doctor erfordert wird, sie nicht zugelassen werden 〈. . .〉. 155,11–12 in London aufführen sehen] Moritz besuchte vmtl. am 15. Juni 1782 eine Aufführung des Stücks in London; vgl. die Kritik dieser Aufführung in RDE, S. 76f. (KMA 5/1): Den Englischen Kaufmann, oder die Schottländerinn,

habe ich bei uns in der Uebersetzung weit besser, als hier im Original aufführen sehen. Insbesondre spielte Herr F l e c k in Hamburg den Englischen Kaufmann mit weit mehr Interesse, Wahrheit und Biederheit, als hier ein gewisser A i c k i n , der wenig oder nichts von dem eigenthümlichen originellen Wesen des Freeports ausdrückte, sondern ihn beinahe mit seiner abgemeßnen Sprache und Gange in einen galanten Herrn verwandelt hätte. Der alte treue Bediente, welcher für seinen Herrn das Leben lassen will, hatte einen gravitätischen Gang, wie ein Minister. Den Zeitungsschreiber Spatter machte eben der Herr Palmer, welcher den Nabob gespielt hatte; jedermann sagte aber er mache ihn zu Gentlemanlike 〈. . .〉: auch war seine Person zu ansehnlich dazu. Die Amalia wurde von einer Schauspielerinn gemacht, die zum erstenmal hier auftrat, und daher aus Furchtsamkeit noch etwas leise sprach, so daß man sie nicht allenthalben hören konnte: speak louder, o speak louder! fing ein Kerl auf der Obergallerie an, und sie bequemte sich den Augenblick lauter zu sprechen. 155,12–13 vorher in Hamburg 〈. . .〉 Fleck vorstellen sehen] Wahrscheinlich im Sommer 1781, als Moritz auf einer Reise nach Hamburg mit Joachim Heinrich Campe, Johann Heinrich Voss, Matthias Claudius und Klopstock zusammentraf (vgl. Herbst 1872, S. 225). Während Moritz’ Kurzaufenthalt in Hamburg vor seiner Überfahrt nach England, im April/Mai 1782, ist Puf van Vlieten den TheaterAnkündigungen in den Hamburgischen Addreß-Comtoir Nachrichten zufolge nicht gespielt worden (vgl. KMA 5/1). – Fleck: Johann Friedrich Ferdinand Fleck (1757–1801), Schauspieler, seit 1779 in Hamburg (bis 1780 in der Ackermann-

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Denkwürdigkeiten

Schröderschen Truppe, dann unter Dreyer), seit 1783 in Berlin (bis 1787 unter der Leitung Carl Gottlieb Döbbelins). In Hamburg spielte Fleck am 7. Juni 1781 die Figur des Puf van Vlieten (Groß 1914, S. 156; vgl. KMA 5/1). 155,17 M i t t e l ] Im Sinne von ›Mitte‹, ›das richtige Maß‹. 155,18 itzt] Das Stück wurde in Berlin von der Döbbelinschen Gesellschaft mit Fleck in der Rolle des Puf van Vlieten am 11. u. 16. April sowie am 13. Mai 1786 gespielt (VZ, 43. St., 11. April 1786; 45. St., 15. April 1786; 57. St., 13. Mai 1786). 155,23 Gallerie] Schlechtester bzw. billigster Platz im Theater, Platz »für den pöbel« (DWb 4, Sp. 1163; vgl. Erl. zu S. 117,21). 155,25 P a l m e r ] John Palmer (1742?–1798), Schauspieler, zeitweise unter David Garrick (1716–1779) am Drury Lane Theatre in London. 155,27–28 R e i n w a l d ] Johann David Reinwald (1749–1813), Schauspieler, seit 1775 in Berlin (bis 1813). 156,4 B a r a n i u s ] Henriette Baranius (1768–1853), geb. Husen, Schauspielerin und Sängerin, seit 1784 in Berlin (bis 1797). 156,5–9 die englische Schauspielerin 〈. . .〉 sprach] Vgl. Erl. zu S. 155,11–12. 156,13 accentuirt] betont. Vgl. Moritz im GWb I, S. 12f. (KMA 7): Der Accent

ist der Nachdruck, welchen wir auf irgend eine Silbe im Reden zu setzen gewohnt sind, und wodurch wir sie vor den übrigen Silben herausheben, indem wir l ä n g e r mit der Stimme darauf verweilen. Der fremde Ausdruck A c c e n t muß im Deutschen wohl beibehalten werden, weil die Uebersetzung desselben durch To n viel zu allgemein und unbestimmt ist.

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Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus einem Reisejournal (Fortsetzung.). In: DW 1786 II, 17. St., S. 258–263.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 157,17 Höhle] höhle J 158,9 diesen] diesem J 159,8 meisten] meistens J 159,15 wovon] wovo J

Stellenerläuterungen 156,20 N i e m e c k ] Niemegk. Die früher kursächsische und ab 1815 preußische Stadt zählt heute zum Landkreis Potsdam-Mittelmark. 156,26–27 meines ehemaligen Aufenthalts an diesem Orte] Moritz war von 27. Februar 1777 bis Frühjahr 1778 Student in Wittenberg (vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 14–20); schon in Berlin legte er nachträglich die Magisterprüfung an der Universität Wittenberg ab (am 30. April 1779), vgl. Eybisch 1909, S. 71–75 u. 89. 156,28 alten Stadtkirche] Die Stadtkirche St. Marien zu Wittenberg (ab 1187 urkundlich erwähnt) ist die Predigtkirche der Reformatoren Martin Luther und Johannes Bugenhagen. In ihr wurde erstmals eine Messe in deutscher Sprache gefeiert und das Abendmahl unter ›beiderlei Gestalt‹ (Brot und Wein) ausgeteilt. 1811 im neugotischen Stil restauriert, jüngste Umgestaltungen 1980/83. 156,28 Luther] Martin Luther (1483–1546). 157,1 neugebaute Schloßthurm] Das Schloß mit der Schloßkirche wurde 1490 bis 1511 unter Friedrich dem Weisen erbaut und brannte im Verlauf des siebenjährigen Kriegs (vgl. Erl. zu S. 48,13) 1760 bis auf die Grundmauern aus; der Wiederaufbau erfolgte ab 1767. – An die Tür der Schloßkirche soll Martin Luther

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Denkwürdigkeiten

am 31. Oktober 1517 seine 95 lateinisch verfaßten Disputationsthesen angeschlagen haben. 157,5 zerstörte Schloß] Erbaut 1490–1511, 1760 zerstört (im siebenjährigen Krieg, vgl. Erl. zu S. 48,13), der Wiederaufbau erfolgte ab 1767. 157,6–7 Schloßkirche] Erbaut 1490–1511, 1760 zerstört (im siebenjährigen Krieg, vgl. Erl. zu S. 48,13), Wiederaufbau ab 1767. 157,12 Prospekt] Anblick (Adelung 3, Sp. 848f.). 157,15 altes, langes Thor] Nicht genau zu identifizieren: entweder das Schloßtor (früher Coswiger Tor genannt) oder das Elstertor. 157,20 demolirten] demolirt: zerstört. 157,22 Krieges] Gemeint ist der Siebenjährige Krieg; vgl. Erl. zu S. 48,13. 157,34 in gerader Linie] Zur ästhetischen Umsetzung dieser Erfahrung vgl. Moritz’ Aufsatz von 1793 Die metaphysische Schönheitslinie (in: GL, S. 169–184; KMA 3). 158,2 O r t 〈 . . . 〉 u m g e h t ] Vgl. Erl. zu S. 150,16. 158,14–159,15 sehr viele Arme 〈. . .〉 Bedürfnisse bestreitet] Über die universitas pauperum Wittenberg vgl. Eybisch 1909, S. 72–74; vgl. dazu auch Klischnig, Erinnerungen, S. 14f. 158,16 wohlfeilsten] wohlfeil: billig (vgl. Adelung 1, Sp. 1596). 158,18 Konviktorium] Schulz/Basler 1, S. 391: »›Stift, Pensionshaus für Theologen‹ im 18. Jahrh. noch Konviktorium«, in diesem Fall Teil des Wittenberger Augustiner-Klosters (Zedler 57, Sp. 1787). 158,21 Kollegia] Collegium: Im gegebenen Zusammenhang bezeichnet der Begriff Internate für Studenten und Dozenten. In die Universitäten integriert, waren Collegien auch Schauplatz von Lehrveranstaltungen (vgl. Rückbrod 1977, bes. S. 38–57). 158,21 Augustäum] Das Collegium Augusteum wurde 1564 im ehemaligen Augustinerkloster als Alumnat für Stipendiaten eingerichtet und erhielt 1567 seinen Namen nach dem sächsischen Kurfürsten August (1553–1586). Das Gebäude beherbergte neben dem großen Vorlesungssal im ersten Obergeschoß (Luthers Hörsaal) auch einige Burschenstuben im obersten Geschoß (Bellmann/Harksen/Werner 1979, S. 62). 158,21 Friderizianum] Das nach dem Stifter, dem Kurfürsten Friedrich III. (gen. »der Weise«) von Sachsen, benannte Collegium bestand aus einem alten, 1503 errichteten, und neuen, 1509/10 gegründeten, Institut; in den Obergeschossen beider Gebäude waren unter dem Dach Studentenstuben eingerichtet (Bellmann/Harksen/Werner 1979, S. 61 u. 224).

Die Texte im einzelnen

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158,25–26 Konviktorium] Hier: ›Speisesaal‹. 158,26 Famulantenstelle] famulus: »›Gehilfe eines Professors‹ 〈. . .〉, an deutschen Universitäten seit dem 16. Jahrh. üblich« (Schulz/Basler 1, S. 204). 158,34 Disputirübungen] Die Disputation ist ein von Zweien oder Mehren〈!〉 zugleich mündlich, insbesondere öffentlich angestellter, gelehrter

Streit, bei welchem die eine Partei (der Opponent) das Gegentheil von Dem zu behaupten sucht, was die andre (der Respondent oder Defendent) behauptet hat. Der Hauptzweck eines solchen Wettstreits sollte immer nur sein, durch methodische Aufstellung der Beweise und Gegenbeweise Wahrheit, und damit Einstimmigkeit der Meinungen herbeizuführen; der Nebenzweck, die Übung oder Bewährung der Denk- und Sprachfertigkeit. Die Regeln des Disputirens stellt die angewandte Logik auf (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 3, S. 308). 159,1 Benefizien] Wohltaten (finanzielle Zuwendungen, Unterkunft, Verpflegung). 159,6 Peruken] Nach Adelung 3, Sp. 691, die Perrücke, oder Perrucke. – Die künstliche Haartracht kam im letzten Drittel des 18. Jhs. (auch als Amtstracht) allmählich aus der Mode (vgl. dazu Ersch/Gruber III 18, S. 159f.; vgl. Friedrich Nicolai, Über den Gebrauch der falschen Haare und Perrucken in alten und neuern Zeiten. Eine historische Untersuchung, in: Nicolai, Gesammelte Werke, 14, S. 123). 159,6–7 pedantisches] Das Pedantische ist Gegenstand der Gelehrtenkritik des 18. Jahrhunderts. Es bezeichnet einerseits gelehrte Praktiken, die den Maßstäben des Vernünftigen und Nützlichen nicht standhielten, andererseits ein Defizit an Weltläufigkeit, fehlende soziale Integration und den Mangel des Geschmackes (Adelung 3, Sp. 681). Für einen Überblick vgl. Grimm 1983, S. 726–743. 159,7 Fürstenschulen] Diese wichtigen Lehr- und Erziehungsanstalten

Sachsens wurden 1543 von dem Kurfürsten Moritz gestiftet, welcher die Gebäude aufgehobener Klöster zu Pforte, Meißen und anfänglich zu Merseburg, nachher zu Grimma, für Schulen bestimmte, die er mit den Klostergütern so freigebig ausstattete, daß mehre〈!〉 hundert Knaben, größtentheils ganz unentgeltlich, zum Theil für ein sehr mäßiges Kostgeld, darin unterhalten und unterrichtet werden konnten (Allgemeine deutsche RealEncyklopädie 4, S. 472). Größere Veränderungen in den Bereichen Schulordnung oder Infrastruktur (wie beispielsweise der Umbau der Räumlichkeiten) wurden erst im ausgehenden 18. Jh. vorgenommen, vgl. ebd., S. 473f.

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Denkwürdigkeiten

159,12 Korps] Militärische Begrifflichkeit, auf studentische Verhältnisse übertragen, hier allgemein im Sinne von ›Gruppe, Abteilung‹. 159,12–13 Privatdozent 〈. . .〉 leben] Die »Bezeichnung Privatdozent« besaß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts »noch nicht die eingeschränkte Bedeutung 〈. . .〉, die sie nach der Einführung der Habilitation hatte, sondern 〈wurde〉 in einem weiteren Verständnis als Privatlehrer begriffen« (Busch, S. 14). Privatdozenten boten Vorlesungen gegen Honorar an. Erst im Verlauf der letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts wurden Privatdozenten »zu einer von den Fakultäten und vom Staat ausdrücklich anerkannten Kategorie der Universitätslehrer 〈. . .〉, um deren Heranbildung beide besorgt waren« (Busch, S. 17). 159,14 Magister legens] Im Unterschied zum gewöhnlichen Magister (akademische Würde, welche die philos. Facultät 〈. . .〉 ertheilt) hat sich der Magister legens (lat.: der ›(vor)lesende Magister‹) durch öffentliche Disputation das Recht 〈erworben〉, Vorlesungen zu halten (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 7, S. 28). 159,16 Künftig mehr] Der Bericht ist Fragment geblieben, es gibt keine Fortsetzung.

Die Texte im einzelnen

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Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.). In: DW 1786 II, 17. St., S. 264–270. Fortgesetzt in: 19. St., S. 287–299; 20. St., S. 303–311; 21. St., S. 319–334. Vgl. auch F. . .s Geschichte, in: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349 u. F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 162,1 im] in J

Stellenerläuterungen 160,2 Luthersbrunnen] Dieser liegt auf des Raths und der Bürgerschafft in Wittenberg so genannten grossen Lug, eine Viertel-Meile von der Stadt an der Elbe, vor dem Elster-Thore. Im Jahr 1521 legte D . L u t h e r diesen nach ihm genannten Brunnen an, damit er allda mit seinen Herren Collegen in wichtigen Fällen sich in Geheim unterreden könnte (Zedler 57, Sp. 1798f.); vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 19f. 160,15 thierische Hälfte meiner Menschheit] Vgl. dazu Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 4 (es handelt sich um die thierischen Triebe und Bedürfniße, denen die Seele durch den Körper unterworfen ist), vgl. auch ebd., S. 296f. 160,31–161,1 d u m p f e n h i r n l o s e n B e t r a c h t u n g d e r Z i e g e l a u f d e n D ä c h e r n ] Vgl. Erl. zu S. 22,29–30. 161,15–17 Und ich sehe 〈. . .〉 kaltblütig an?] Vgl. Erl. zu S. 110,4. 162,6 I c h g e d o p p e l t ] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19. – Zur Doppelung der Person infolge von Selbstbeobachtung (d. h. -distanzierung) vgl. Shaftesbury, Standard Edition. I, 1: Ästhetik (Soliloqui), S. 46f.: By virtue of this SOLILOQUY he becomes two distinct P e r s o n s / Kraft dieses Selbstgesprächs wird er 〈der Autor, C. S.〉 zu zwei deutlich voneinander unterscheidbaren Personen.

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Denkwürdigkeiten

162,15–16 anklebenden] ankleben: figürlich, auf sittliche Art genau mit etwas verbunden seyn (Adelung 1, Sp. 324). 162,17 hochmüthigen] Im Sinne von ›edelmütig‹ (vgl. Adelung 2, Sp. 1226f.), ›freigebig‹. 162,19 gegründeten] Im Sinne von ›grundiert‹, ›geprägt‹, vgl. dazu Adelung 2, Sp. 831. 162,28–32 Ich lasse ruhig 〈. . .〉 verschwunden] Vgl. MzE VII.3 1789, S. 45–47: Ueber Selbsttäuschung (KMA 12), vgl. dazu auch Seneca, De tranquillitate animi, I 17. 163,1 Achtzehntes Stück] Das 18. Stück erschien am Dienstag, dem 2. Mai 1786.

Die Texte im einzelnen

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Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.) Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Adams erstes Erwachen. Ç. . .È. In: DW 1786 II,

18. St., S. 271–276. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Adams erstes Erwachen. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 107–114. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 163,3 (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.)] Aus Milton. D1 163,4 Menschen] Menschen, D1 163,7 dir] Dir D1 163,7 ists] ist’s D1 163,7 bewog] bewegt D1 163,9 Grase] Rasen D1 163,9 das noch vom Thau befeuchtet war] noch vom Thau befeuchtet D1 163,10 wegsog] wegsog. D1 163,11 wandt] wandt’ D1 163,13 geweckt] angeregt D1 163,15 Rund] Rings D1 163,15 schattigte] schattige D1 163,15 Wälder,] Wälder D1 163,16 hiebei] an ihrem Ufer D1 163,17 einige und] einige, D1 163,18 Zweigen.] Zweigen D1 163,21 zuweilen ging, zuweilen] bald gieng, bald D1 163,21–22 Gelenken,] Gelenken; D1 163,23 Daseyn] Daseyns D1

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Denkwürdigkeiten

163,26 du von ihr] Du von ihrem Glanz D1 163,28 Wiesen] Auen D1 164,1 Schöpfer also] Schöpfer, D1 164,3 jezt] jetzt D1 164,4 weiß] zu fassen es vermag D1 164,5–6 und, 〈. . .〉 finden,] und schnellen Schritts mich von dem Ort entfernte, D1 164,7 erstenmal dieß] ersten Mal dies D1 164,8 sezt’] setzt’ D1 164,9 nieder: hier] nieder. Hier D1 164,9 erstenmale] ersten Male D1 164,10–11 Meister: doch] Meister. Doch D1 164,12 dann in mein] in’s erste D1 164,13 plözlich] plötzlich D1 164,13–16 dessen innere Erscheinung 〈. . .〉 sagte] ein Gebilde der Phan-

tasie, das mich von meines Daseyns Dauer überzeugte. Ein Wesen göttlicher Gestalt erschien – so däuchte mir, – und sprach D1 164,17–18 dich 〈. . .〉 und] Dich, Adam. Auf! Du der Menschen Erster und D1 164,18 dir] Dir D1 164,19 komm’ ich dein Führer] komm ich, Dein Führer, D1 164,19 edlen] edeln D1 164,19 deinem] Deinem D1 164,20 dir] Dir D1 164,21 hielt] hob D1 164,21 bei] bey D1 164,22 Luft] Luft, D1 164,23 Gebürg’] Gebirg’ D1 164,24 dessen] deß D1 164,24 Cirkel] Zirkel D1 164,26 daß,] so reizend, daß alles, D1 164,27–29 Jeder Baum 〈. . .〉 zu essen,] Mit den schönsten Früchten bela-

den, war jeder Baum, die lockend vor den Augen hiengen, und eine plötzliche Begier in mir erregten, zu pflücken und zu essen; D1 164,29 erwachte;] erwachte, D1 164,32 gegenwärtige] Gegenwart der D1

Die Texte im einzelnen

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164,32 Gottheit] Gottheit, D1 165,1 auf;] auf. D1 165,1–2 der, 〈. . .〉 Stimme,] »Der, den Du suchtest, bin ich« – sagt’ er mit milder Stimme –, D1 165,2 du] Du D1 165,2 dir] Dir D1 165,2 dir] Dir D1 165,3 dich] Dich D1 165,3 Paradieß] Paradies D1 165,3 dein] Dein D1 165,4 du] Du D1 165,5 dich] Dich D1 165,6 mit 〈. . .〉 Theurung] nach Herzenslust und fürchte keinen Mangel D1 165,9 bei] bey D1 165,9 dir] Dir D1 165,9 hingepflanzet] hingepflanzt D1 165,10–11 dem Baum 〈. . .〉 Folgen.] diesem hüthe Dich zu kosten, hüthe Dich vor bittern Folgen! D1 165,13 du] Du D1 165,13 dein] Dein D1 165,13 sein,] seyn; D1 165,13 du] Du D1 165,14 dein] Dein D1 165,14 verlieren] verliehren D1 165,14 wirst] fehlt in D1 165,15 hingetrieben] ausgestoßen D1 165,17 obs] ob’s D1 165,17 bei] bey D1 165,18–19 was er 〈. . .〉 nur,] mildverheissend fuhr er fort: Nicht bloß, D1 165,20 sondern jenen] den D1 165,20 Erdkreiß] Erdkreis D1 165,20–21 dir und deinen] Dir und Deinen D1 165,21–22 alles, was drauf lebt; und was in] alles was auf Erden, im D1 165,22 Fisch’,] Fisch’ D1 165,23 deiner] Deiner D1

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Denkwürdigkeiten

du] Du D1 izt] jetzt D1 dir] Dir D1 Nahmen jezt von dir empfangen und dir] Namen jetzt von Dir empfangen, und Dir D1 165,26 huldigen.] huldigen.« D1 165,23 165,23 165,24 165,25

Stellenerläuterungen 163,2–3 Adams erstes Erwachen 〈. . .〉 übersetzt] Die Übersetzung entstand im Zusammenhang mit der gemeinsamen Milton-Lektüre Moritz’ und Klischnigs; der Hauptanteil lag bei Klischnig – dafür spricht zumindest die Aufnahme in Blumen und Blüthen. Weiterer Druck: Adams erstes Erwachen. Aus Milton, in: Klischnig, Blumen und Blüthen, S. 107–114, vgl. Anm., ebd., S. 107: Als ich mit

meinem Freunde M o r i t z diesen Dichter las, entstand diese und die folgende Probe einer Uebersetzung desselben. Die, a c h t Jahr nach dieser Zeit erschienene, metrische Uebersetzung von B ü r d e , ist zwar im Ganzen vortrefflich; doch schienen mir diese Kleinigkeiten, die sich übrigens demüthig mit dem Namen von Ve r s u c h e n begnügen, nicht ganz dadurch verdrängt, und ich theile sie also hier, nochmals durchgesehen, mit. – Übersetzte Passage: vgl. Johann Miltons Episches Gedichte von dem Verlohrnen Paradiese. Uebersetzet und durchgehends mit Anmerckungen über die Kunst des Poeten begleitet von Johann Jacob Bodmer, Zürich: Conrad Orell und Comp 1742; Leipzig: Joh. Friederich Gleditsch (Repr. Stuttgart 1965), S. 346–352 (aus dem 8. Buch); vgl. Erl. zu S. 40,5–7. – Weitere Milton-Übersetzungen: Aus Miltons verlohrnem Paradiese, in: Fragmente aus dem Tagebuche eines Geistersehers, S. 60–62 (KMA 2); Milton über den Ursprung des Bösen, in: GL, S. 185–189; LP, S. 185–189 (KMA 6, S. 367–369); Passage in Aus K. . .s Papieren, vgl. Erl. zu S. 192,16–194,2; Milton über Weißheit und Schönheit (KMA 3); Milton über Weisheit und Schönheit, in: LP, S. 367–371. 163,24 Ich 〈. . .〉 sprach] Milton liefert hier ein wichtiges Stichwort für das im 18. Jh. vieldiskutierte Problem des Sprachursprungs, das von der biblischen Annahme einer gottgegebenen Sprechfähigkeit des Menschen ausgeht, die diesem von vornherein eigne; dagegen behaupteten zeitgenössische Ursprachentheorien die Ausdifferenzierung ›tierischer‹ Verständigungsformen im Rahmen gesellschaftlicher Übereinkunft (Herder, Rousseau); vgl. Meier 2000, S. 77.

Die Texte im einzelnen

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165,17–18 obs gleich bei mir steht, nie mich zu vergehen] Vgl. Erl. zu S. 39,15–16.

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Denkwürdigkeiten

Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

1

J2

ÇKarl Philipp Moritz?,È Von den Krankheiten der Seele Ç. . .È. In: DW 1786 II, 18. St., S. 277–280. ÇKarl Philipp Moritz?,È Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.). In: GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Bd. 7 (1789), 3. St., S. 120f. (Teildruck).

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 166,1 den Krankheiten] der Heilkunde J2 166,2 tuskulanischen Fragen] Tuskulanischen Quästionen J2 166,5 nüzliche] nützliche J2 166,13 dieß] dies J2 166,20 bedurfte] bedürfte J2 166,27 Izt] Itzt J2 166,27 gebohren] geboren J2 166,29 umgeben,] umgeben; J2 167,1 wir, denn] wir denn, J2 167,2 Eltern] Aeltern J2 167,3 unsrer] unserer J2 167,15–168,14 Diejenigen scheinen uns daher 〈. . .〉 giebt?] fehlt in J2

Stellenerläuterungen 166,1–2 Von den Krankheiten der Seele. 〈. . .〉 Fragen] Weiterer Druck: Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.), in: MzE VII.3 1789, S. 120f. (Teildruck). Vgl. dazu Zur Seelenheilkunde, in: MzE I.1 1783,

Die Texte im einzelnen

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S. 114f. ; Revision der drei ersten Bände des Magazins, in: MzE IV.1, S. 1–56, hier S. 33–42; LP, S. 254–261 (entspricht MzE IV.1, S. 3–8) [KMA 12]. – Marcus Tullius Cicero (vgl. Erl. zu S. 133,6–7) schrieb die Tusculanae disputationes (Gespräche in Tusculum) 45 v. Chr. in Tusculum; die fünf Bücher behandeln in Diskussionen zwischen Lehrer und Schüler Grundpositionen der stoischen Philosophie. Der vorliegende Text ist eine vmtl. von Moritz stammende Übersetzung von Buch III, 1–2 (vgl. Tusculanae disputationes / Gespräche in Tusculum. Lateinisch/Deutsch, übers. und hrsg. v. Ernst Alfred Kirfel, Stuttgart 1997, S. 216–221). Die einzige publizierte zeitgenössische Übersetzung von Heinrich Friedrich Diez beschränkt sich auf Buch I (1780) und Buch V (1782). 166,3–12 Woher, o Brutus 〈. . .〉 geworden ist] Vgl. Moritz’ Feststellung in der Ankündigung des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde: Blos weil das dringendste Bedürfniß der Krankheit ihn 〈den Menschen〉 dazu nöthigte, fing er

an, seinen Körper genauer kennen zu lernen. Weil er dieses Bedürfniß bei den Krankheiten der Seele nicht so lebhaft empfand, so vernachläßigte er auch die Kentniß dieses edelsten Teiles seiner selbst (Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungsseelenkunde, in: Deutsches Museum, 1782, 1, S. 485–503, hier S. 485f.; KMA 12). 166,3 Brutus] Cicero widmete die »Tuskulanischen Gespräche« dem römischen Politiker Marcus Iunius Brutus (85 – 42 v. Chr.), dem späteren Mörder Cäsars. 166,6–7 den unsterblichen Göttern 〈. . .〉 zugeeignet hat] Gemeint sind Apollon und Asklepios. 167,15 die Natur, als unsre beste Lehrerin] Stoischer Grundsatz, vgl. Erl. zu S. 116,19.

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Denkwürdigkeiten

Aus einem ungedruckten Singspiele Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz?,È Aus einem ungedruckten Singspiele. In: DW 1786 II, 18. St., S. 281–283.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 169,8 Adelstan] Namentliche Anlehnung an eine Figur aus Ludwig Christoph Heinrich Höltys (1748–1776) Ballade Adelstan und Röschen (1771; Gedichte

von Ludewig Heinrich Christoph Hölty. Besorgt durch seine Freunde Friederich Leopold Grafen zu Stolberg und Johann Heinrich Voss, Hamburg: Carl Ernst Bohn 1783, S. 1–7), die Moritz nachweislich kannte (vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 251,33–34; Vorlesungen über den Styl, T. 1, S. 116 [KMA 3]). 170,15 Trost und Stab] Lyrische Sprache der Psalmen, vgl. z. B. Ps 23,4.

Die Texte im einzelnen

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An *** Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È An ***. In: DW 1786 II, 18. St., S. 284–286.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 170,23 R a m l e r s To d J e s u ] Karl Wilhelm Ramlers (1725–1798) Kantate Der Tod Jesu von 1756. – Eine Aufführung in zeitlicher Nähe zu diesem Stück der Denkwürdigkeiten war für Freitag, 14. April 1786, angekündigt (vgl. VZ, 44. St., 13. April 1786). 170,27 Schon als Knabe] Vgl. KMA 1, S. 37. 171,1 Kantate] Gesangswerk (Chöre, Einzelgesänge) mit Instrumentalbegleitung, italienischen Ursprungs (17. Jh.). 171,19–21 Ihr weichgeschaffnen 〈. . .〉 Schmerz –] Ihr weich geschaff’nen

Seelen, / Ihr könnt nicht lange fehlen; / Bald höret euer Ohr / Das strafende Gewissen, / Bald weint aus euch der Schmerz (zit. nach der Ausg.: K〈arl〉 W〈ilhelm〉 Ramler, Der Tod Jesu. Passionsoratorium, in Musik gesetzt von K〈arl〉 H〈einrich〉 Graun, Karlsruhe 1854, S. 5); in Moritz’ Versuch einer deutschen Prosodie soll diese Stelle demonstrieren, daß unsre Sprache wirklich eigentliche Längen und Kürzen, und nicht bloß Höhen und Tiefen habe (S. 2; KMA 3). 171,23–24 als ob 〈. . .〉 geweckt wäre] Die musikalische Qualität der Sprache war zentraler Bestandteil der zeitgenössischen Singspieltheorie, vgl. C〈hristoph〉 M〈artin〉 Wieland, Versuch über das Deutsche Singspiel und einige dahin einschlagende Gegenstände. Geschrieben im Jahre 1775, in: ders., Sämmtliche Werke. 26. Bd. (Singspiele und Abhandlungen), Leipzig 1796 (Repr. Hamburg 1984), S. 229–267. 171,26–28 das darauf folgende 〈. . .〉 Sylbe] Ablösung des seit Martin Opitz (1597–1639) für den deutschen Vers gültigen Prinzips der strengen Alternation von betonten und unbetonten Silben durch das rein quantitierende Versprinzip der griechischen und lateinischen Metrik, das auf dem Wechsel von Längen und

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Denkwürdigkeiten

Kürzen beruht; die Angleichung der deutschen an die antike Metrik ist Gegenstand des Versuchs einer deutschen Prosodie (KMA 3). Vermittelt über Gespräche mit Goethe in Rom bildeten Moritz’ Überlegungen die Grundlage der ›klassischen‹ deutschen Verspraxis; vgl. Goethe, Italiänische Reise I; WA I 30, S. 248 (〈Rom.〉 Den 10. Januar 〈1787〉); vgl. dazu Schrimpf 1964. 172,1–2 U e b e r e i n s t i m m u n g des Ausdrucks mit dem Gedanken] Die ›natürliche‹ Kongruenz von Aussprache und Bedeutung gehörte zu den zentralen erkenntnisleitenden Fragestellungen der zeitgenössischen Prosodie-Debatte, vgl. etwa Versuch einer deutschen Prosodie, S. 19f. (KMA 3). 172,12 Neunzehntes Stück] Das 19. Stück erschien am Dienstag, den 9. Mai 1786 (vgl. VZ, 55. St., 9. Mai 1786: Bei J. F. Unger sind folgende Bücher zu haben: 〈. . .〉 Denkwürdigkeiten 19tes Stück I Gr.).

Die Texte im einzelnen

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Aus K. . .s Papieren. (Beschluß.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Aus K. . .s Papieren (Beschluß.). In: DW 1786 II, 19. St., S. 287–299. Fortgesetzt in: 20. St., S. 303–311; 21. St., S. 319–334. Vgl. auch F. . .s Geschichte, in: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349 u. F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 174,9 ihn] ihm J 176,2 ihm] ihn J 176,17 Sphäre] Spähre J 177,25 im] ich J 178,16 Arme] Armee J 179,23 des] das J

Stellenerläuterungen 173,3 Handgeld] Dasjenige Geld, welches man jemanden 〈!〉 auf die Hand, d. i. zur Sicherheit eines geschlossenen Vertrages, gibt, indem dadurch beyde Theile gebunden und verpflichtet werden 〈. . .〉. Ein Soldat, welcher angeworben wird, bekommt H a n d g e l d (Adelung 2, Sp. 951). 173,10–11 Krankheit 〈. . .〉 gelähmt] Zur Seelenlähmung vgl. Erl. zu S. 40,29–30. 173,14 betrauren] Betrauern; vgl. Adelung 4, Sp. 653: Die Schreibart t r a u r e n für trauern, ist nur harten Mund- und Sprecharten eigen, auch unrichtig, indem die intensive Endung ern und nicht ren lautet. 173,15 Erzählung des Herausgebers] Herausgeberfiktion, vgl. dazu Erl. zu S. 146,14. 173,16 Luthersbrunnen] Vgl. Erl. zu S. 160,2. 174,15–18 Gaudeamus 〈. . .〉 u. s. w.] Studentenlied, auf einen lat. Bußgesang des 13. Jhs. (1267) zurückgehend; die bekannteste zeitgenössische Fassung stammt von

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Denkwürdigkeiten

Christian Wilhelm Kindleben (1748–1785): Brüder! laßt uns lustig seyn, / Weil der Frühling währet (C.〈hristian〉 W.〈ilhelm〉 K.〈indleben〉, Studentenlieder.

Aus den hinterlassenen Papieren eines unglücklichen Philosophen Florido genannt. 1781, in: Studentensprache und Studentenlied in Halle vor hundert Jahren. Neudruck des ›Idiotikon der Burschensprache‹ von 1795 und der ›Studentenlieder‹ von 1781, Halle a. S. 1894, S. 22–24, hier S. 22; vgl. auch ebd., S. 52–54). 174,18 Weil] Hier in der Bedeutung von So lange als (Adelung 4, Sp. 1454). 174,27 zu Hause] Vgl. Adelung 2, Sp. 1022. 174,30 F. . .] Es handelt sich um einen Studienkollegen von Moritz aus dessen Wittenberger Zeit, vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 16f., vgl. auch Allgemeiner deutscher Briefsteller: Rubrik Freundschaftsversicherungen (Hinweis auf Veröffentlichungsabsicht des Manuskripts von F*; KMA 9, S. 307). Vgl. Erl. zu S. 146,14. 175,2–4 Ich habe 〈. . .〉 Lear zu seinem Narren sagt] Vgl. die Rede des ›wahnsinnigen‹ Lear an den Narren; William Shakespeare, King Lear (Shakespeare, The Complete Works, S. 959; III/2): Poor fool and knave, I have one part in my heart / That’s sorry yet for thee – Armer Tropf! Ich habe nur noch eine Faser von meinem Herzen übrig, und die ist izt für dich bekümmert (Das

Leben und der Tod des Königs Lear. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland 〈1762〉, Nördlingen 1986, S. 94; III/3). 175,8 folge mir nicht nach] Stilistische Umkehrung des Jüngeraufrufs im Neuen Testament (u. a. Mt 8,22; Mk 2,14; Lk 5,27; Joh 12,26). Zugleich Zitat aus dem Motto zum zweiten Teil der zweiten rechtmäßigen Ausgabe von Goethes Die Leiden des jungen Werthers (1775), das Goethe hier einmalig einrückte, um dem sog. ›Werther-Fieber‹ (insbesondere der Nachahmung von Werthers Selbstmord) entgegen zu wirken; in spätere Ausgaben nicht mehr aufgenommen: 〈Zum zweiten Teil〉 Du beweinst, du liebst ihn, liebe Seele, / Rettest sein Ge-

dächtnis von der Schmach; / Sieh, dir winkt sein Geist aus seiner Höhle: / Sei ein Mann, und folge mir nicht nach (Johann Wolfgang Goethe: Gedichte. 1756–1799, hrsg. v. Karl Eibl, Frankfurt a. M. 1987, S. 158). 175,23 Zerbstischen Truppen] Vmtl. Friedrich August von Anhalt-Zerbst (1734–1793, Regent seit 1751) zugehörig (ADB 4, S. 158f.). 176,13 Distinktion] Auszeichnung (Schulz/Basler 1, S. 151). 176,14 s i e nenneten] Aufwertung der Person durch die Anrede, vgl. Adelung 4, Sp. 82: Im Plural, da es in der Sprache des Wohlstandes erst in den

neuern Zeiten üblich geworden, solche Personen anzureden, für welche man zu viel Achtung hat, als daß man sie er und sie im Singular nennen sollte.

Die Texte im einzelnen

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176,19 gaudeamus igitur] Vgl. Erl. zu S. 174,15–18. 177,2 Handgeld] Vgl. Erl. zu S. 173,3. 177,4 durfte] ›mußte‹ (vgl. dazu Erl. zu S. 112,9). 177,23–24 da ich nach Dessau hier durchreiste] Herausgeberfiktion (vgl. Erl. zu S. 146,14), die als Verfasser Moritz nahelegt; dieser machte im Frühjahr 1778 Station in Dessau (am ›Philanthropin‹ Johann Bernhard Basedows), bevor er Informator am Militär-Waisenhaus in Potsdam wurde (23. Juli bis 9. Oktober 1778), vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 21–37. 177,33 Nadler] ein Handwerker, welcher Steck- und Nähnadeln verfertiget oder verfertigen lässet (Adelung 3, Sp. 409). 178,10–11 ein reitender Bote] Kunstgriff der epischen und dramatischen Dichtung, den die zeitgenössische Poetik als ›unnatürlich‹ ablehnt (〈. . .〉 dergleichen

Wunderwerke, Erscheinungen der Götter, völlig außerordentliche, aus Noth von dem Poeten erdichtete Vorfälle, und andre Dinge sind, wodurch der Knoten mehr zerschnitten, als aufgelöst wird; Sulzer 3, S. 365); daß dieser ›wunderbare‹ Ausgang hier nicht herbeigeführt wird, bürgt für die ›Wahrheit‹ der Erzählung. 178,15 Husar] Leichtbewaffneter Reiter. 179,13 Tagebuch] Vgl. Erl. zu S. 108,1.

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Denkwürdigkeiten

Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Die bewegenden Kräfte im All der Natur Ç. . .È. In: DW 1786 II, 19. St., S. 300.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 180,1 bewegenden Kräfte im All der Natur] Gängiger Gegenstandsbereich der (von Newtons Bewegungslehre inspirierten) zeitgenössischen Lyrik (vgl. Erl. zu S. 45,2–5; Zeuch 1999); ohne Verfasserangabe. 180,3 Es drehen Welten sich in ihren Kreisen] Kopernikanisches Weltdeutungsmodell in der Tradition Hallers und Klopstocks, vgl. Erl. zu S. 45,2–5; z. B.:

Den unermeßnen Raum, in dessen lichten Höhen / Sich tausend Welten drehn und tausend Sonnen stehen, / Erfüllt der Gottheit Glanz (Albrecht von Haller, Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Unglauben, in: Haller, Die Alpen und andere Gedichte, S. 23–37, hier S. 35 [V. 327–329]).

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Selbstgefühl Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Philipp Moritz,È Selbstgefühl. In: DW 1786 II, 19. St., S. 301f. D1 ÇCarl Philipp Moritz,È Selbstgefühl. In: Launen und Phantasien von Carl Philipp Moritz herausgegeben von Karl Friedrich Klischnig, Berlin: Ernst Felisch 1796, S. 305f. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 1

180,20 m e i n e ] meine D 180,20 m e i n ] mein D1 180,23–24 muß auch] muß man auch J1 muß auch D1 181,1 Gemählde] Gemälde D1 181,2 Gemählde] Gemälde D1 181,2 angegaft] angegafft D1 181,3 Wunder] Wunder, D1 181,6 Reden öffnen] reden öfnen D1

Stellenerläuterungen 180,19 Selbstgefühl] Weiterer Druck: LP, S. 305f. 180,20 m e i n e ] Vgl. Moritz’ Überlegungen zum Possessivpronomen in dem Aufsatz Sprache in psychologischer Hinsicht (MzE I.2 1783, S. 101–109, hier S. 101: Die Vorstellungen von dem, was wir das U n s r i g e nennen, drehen

sich beständig um die Vorstellung von unsrem eignen I c h . Die Kreise aber, in welchen sie sich um diese Vorstellung bewegen, sind so mannichfaltig und verschieden, als die Dinge, welche uns umgeben. Und der engste Kreis verliert sich sogar in dem Mittelpunkte selber, denn wir sagen m e i n i c h , und fühlen keinen Widerspruch dabei, wenn wir u n s s e l b s t , als e t w a s a u ß e r u n s selber, denken; vgl. auch MzE II.2 1783, S. 121f., hier S. 121: So kann ich durch das m , vor den unbestimmten Artikel e i n gesetzt, alles was ich

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Denkwürdigkeiten

will, obgleich nur in meiner Vorstellung, in den Kreis meines Daseyns hineinziehen, indem ich z. B. sage, m e i n H a u s , m e i n G a r t e n , u. s. w. schließe ich nun aber alles andre aus, und sage bloß m e i n I c h , so bekomme ich dadurch den deutlichsten Begriff von mir selber 〈. . .〉 (KMA 12). 181,12 Wie nöthig ist ein Körper unsern Gedanken] Zur Aufhebung des cartesianischen Dualismus von res cogitans und res extensa im monistischen System der Spätaufklärung vgl. Kondylis 1986 (dagegen bzw. darüber hinausgehend vgl. Erl. zu S. 52,33). 181,15 Zwanzigstes Stück] Das 20. Stück erschien am Dienstag, dem 16. Mai 1786.

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Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren. In: DW 1786 II, 20. St., S. 302–311. Fortgesetzt in: 21. St., S. 319–334. Vgl. auch F. . .s Geschichte, in: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349 u. F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 182,21 konnten] konnte J 183,13 diesen] diesem J 185,20 seiner] seine J

Stellenerläuterungen 182,3 hämischen] boshaften (DWb 10, Sp. 308). 182,11 Studentenorden] Nach dem Verbot studentischer Zusammenschlüsse in ›Landsmannschaften‹ (oder ›Nationen‹) zu Beginn des 18. Jhs. bildeten sich geheime Verbindungen u. d. N. ›Orden‹ (Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie 10, S. 777). 182,11–12 Inviolabilistenordens] Der Orden der Inviolabiles (lat.: der ›Unverletzlichen‹) gehört zu den ältesten studentischen Verbindungen: »Ihr Wahlspruch war die ›virtus inviolata‹; 1768 zählten sie vierzig Mitglieder«; die Aufnahme folgte freimaurerischen Ritualen; die Gesetze betrafen »Treue in der Freundschaft, Verträglichkeit, selbst Warnung gegen Trunkenheit, allenfalls auch daß der Beleidigte sich im Zweikampf Genugtuung holen müsse und daß der Ausscheidende keiner anderen Verbindung beitreten dürfe« (Schrader 1894, S. 597f.). Zur Entstehung und Verbreitung der Verbindungen vgl. ausführlich Schulze/Ssymank 1910, S. 125–146. 182,17 ruchtbar] ruchbar, ›bekannt‹; vgl. DWb 14, Sp. 1343, 1341f. u. Adelung 3, Sp. 1186.

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Denkwürdigkeiten

182,18 religirt] verwiesen (›relegiert‹, vgl. DWb 14, Sp. 801). 183,5–6 die in Wittenberg 〈. . .〉 irgendwo] Vgl. den Bericht in Klischnig, Erinnerungen, S. 19f. 183,12–13 es ist einige Methode in dieser Tollheit] Frei nach William Shakespeare, Hamlet: Though this be madness, yet there is method in’t (Shakespeare, The Complete Works, S. 666; II/2); vgl. allgemein Erl. zu S. 68,22–23. 183,19–20 Bachanalien] Bacchanalien: Sauf-, Zechgelage (Heyse 1873, S. 99). 184,34 Landsleute] In diesem Fall bezogen auf schlesische Landsleute (Breslau). 185,14 E i n e r f ü r a l l e , u n d a l l e f ü r e i n e n ! ] Als Wahlspruch des Ordens nicht überliefert. 185,25 Don Quixote] Anspielung auf den Helden von Miguel de Cervantes Saavedras El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha (T. 1, 1605; T. 2, 1615); in deutscher Übers.: Leben und Thaten des weisen Junkers Don Quixote von Mancha. Neue Ausg. 〈. . .〉. In 6 Bdn., von Friedr. Just. Bertuch, Carlsruhe: Schmiederische Buchhandlung 1776–1778. 185,29–30 sezte 〈. . .〉 auf die Spitze] auf die Spitze setzen: ›in höchste Gefahr bringen‹; vgl. DWb 16, Sp. 2591. 186,9–12 wie 〈. . .〉 verlohren] Vgl. Bahrdt, Ueber den Zwek der Erziehung, S. 87.

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Die Abenddämmerung. An *** Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Die Abenddämmerung. An ***. In: DW 1786 II, 20. St., S. 312–314.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 186,21 aufgethürmt] aufgetührmt J 186,22 der] die J

Stellenerläuterungen 187,24 sammlet] Zur Form vgl. Erl. zu S. 89,3. 187,27 i s t – w a r – u n d w i r d s e y n ] Vgl. Erl. zu S. 125,1.

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Denkwürdigkeiten

Nach Hanns Sachs Überlieferung 1. Textgrundlage 1

J ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Nach Hanns Sachs. In: DW 1786 II, 20. St., S. 315. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Nach Hans Sachs. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 24f. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 1

188,4 may] may! D 188,5 Hour] hour D1 188,5 roughest] rougehst J1 188,6 Shakespear] Shakespear. D1 188,12 edel und ist] edel, weis’ und D1 188,13 Dieses giebet] Dies verleihet D1 188,19 nur, wie] wie viel D1 188,20 im Hui sind] als wie ein Traum D1 188,21 klein. –] klein – D1 188,23 du] Du D1 188,25 nütze,] nütze. D1 188,26 du] Du D1 188,26 deinem] Deinem D1 188,27 Doch nicht Klag’ und] Nicht das kleinste D1 188,28 entschwinden] entschwinden, D1 189,2 Tag.] Tag! – D1

Stellenerläuterungen 188,3 Nach Hanns Sachs] Weiterer Druck: Nach Hans Sachs, in: Klischnig, Blumen und Blüthen, S. 24f. Die Aufnahme des Gedichts in diese Sammlung spricht für Klischnigs Verfasserschaft, vgl. Überblickskommentar, S. 358f.). – Hans Sachs (1494–1576), Nürnberger Meistersinger, Verfasser zahlreicher Fastnachts-

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spiele, Fabeln, Schwänke, Komödien, Tragödien und Meisterlieder, verwendete hauptsächlich den im 18. Jh. wenig geachteten ›Knittelvers‹. – In Anton Reiser verspottet Philipp Reiser seinen in der Dichtkunst dilettierenden Freund Anton als s e i n e n l i e b e n H a n s S a c h s (KMA 1, S. 241,29). 188,4–6 Come 〈. . .〉 Shakespear] Zitat aus Shakespeares Macbeth (Shakespeare, The Complete Works, S. 979; I/3); zum Autor vgl. Erl. zu S. 68,22–23. In Klischnigs Erinnerungen als Wahlspruch des erkrankten Reiser bezeichnet: Komm auch, was da kommen mag, / Stund’ und Zeit läuft durch den rauhsten Tag! (Erinnerungen, S. 102, Anm.). 188,12 Das ist edel und ist schön] Leitthema der Denkwürdigkeiten (vgl. z. B. S. 13,5–19,28 u. Erl.), das in einer auf Einschränkung ausgerichteten Philosophie des Glücks ethische und ästhetische Fragestellungen zusammenschließt (vgl. Erl. zu S. 60,17–19); dieses Konzept erfuhr in Rom eine ›aktive Umdeutung‹, vgl. dazu Meier 1992, S. 157. 188,26 Witze] Vgl. Erl. zu S. 37,22.

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Denkwürdigkeiten

Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.) Überlieferung 1. Textgrundlage 1

ÇKarl Philipp Moritz?,È Von der Heilkunde der Seele Ç. . .È. In: DW 1786 II,

J2

20. St., S. 316–318. ÇKarl Philipp Moritz?,È Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.). In: GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfah-

J

rungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte. Mit Unterstützung mehrerer Wahrheitsfreunde herausgegeben von Karl Philipp Moritz, Bd. 7 (1789), 3. St., S. 121–124. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 189,9 viel heilsame] heilsamen J2 189,11 außen her] außenher J2 189,13–14 desto mehr] destomehr J2 189,14–15 wohl geordnete] wohlgeordnete J2 189,15 entdekt] entdeckt J2 189,29 ausgesezt] ausgesetzt J2 190,1 – – Wir] Wir J2 190,1 edlen] edeln J2 190,2 gesezt] gesetzt J2 190,3 traurig,] traurig J2 190,5 hat: denn,] hat, denn J2 190,8 man] man, J2

Stellenerläuterungen 189,3–4 Von der Heilkunde der Seele. 〈. . .〉 Quästionen] Weiterer Druck: Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.), in: MzE VII.3 1789, S. 121–124 (KMA 12). – Übersetzt sind im folgenden Cicero, Tusculanae disputationes, IV 27–29 (in Auszügen). Vgl. Erl. zu S. 166,1–2.

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189,28 Standhaftigkeit und Seelengröße] Stoische Ideale, vgl. z. B. Tiedemann, System der stoischen Philosophie, 3. T., S. 58, 60f. u. 135f. 190,8–11 Die sicherste Heilart der Seele 〈. . .〉 suche] Zwar ging Moritz in seinem eigenen erfahrungsseelenkundlichen Entwurf davon aus, daß es gegen die verschiedenen Krankheitsformen der Seele kein Universalmittel gebe; im Mittelpunkt der Diagnose und der Therapie aber standen Ursachenforschung und -bekämpfung: 〈. . .〉 der moralische Arzt muß diese Krankheiten nach ihren

Erscheinungen, nach ihren Ursachen, und Folgen studieren, wenn er es unternehmen will, sie zu heilen (Grundlinien zu einem ohngefähren Entwurf, in: MzE I.1 1783, S. 31–38, hier S. 37; KMA 12). 190,12 Zusatz] Dieser Zusatz stammt wohl von Moritz (im Nachdruck dieses Textes in MzE VII.3 1789, S. 123f., ist der Text mit M. unterzeichnet), der damit auch als Übersetzer nahe liegt. 190,19 Einundzwanzigstes Stück] Das 21. Stück erschien am Dienstag, dem 23. Mai 1786.

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Denkwürdigkeiten

Noch etwas aus K. . .s Papieren Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Noch etwas aus K. . .s Papieren. In: DW 1786 II, 21. St., S. 319–334. Vgl. auch F. . .s Geschichte, in: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349 u. F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.), in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 197,1 zertrümmern] zertümmern J

Stellenerläuterungen 190,20 Noch etwas aus K. . .s Papieren] Fortsetzung von S. 146,14–149,23. 190,22 M u ß n i c h t d e r M e n s c h i m m e r i m S t r e i t s e y n a u f E r d e n ? ] Vgl. Erl. zu S. 71,2. 191,5–6 Bin ich denn zwei Wesen, oder bin ich eins?] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19. 191,25 dieser ewige Krieg aller Wesen gegen einander] Vgl. Erl. zu S. 71,2. 192,10–13 da ist nichts 〈. . .〉 folgen muß] Zur (späteren) »ästhetischen Lösung« universaler Vernichtungsphantasien vgl. BNS, S. 45 (KMA 3): Hat dann die

Zeit über die Zerstöhrung ihre Furche hingezogen; so nimmt die Nachwelt den Jammer der Vorwelt in ihren Busen auf, und macht ihn, wie ein köstliches Kleinod, sich zu eigen, durch welches der Menschheit ihr dauernder Werth gesichert, und ihre edelste und zarteste Bildung vollendet wird. 192,16–194,2 Die Sünde 〈. . .〉 zu machen. –] Vgl. Erl. zu S. 40,5–7; Textauszug (aus dem 10. Buch): John Milton, Paradise lost. A poem in twelve books, Bd. 2, Gotha: Steudel and Keil 1805, V. 235–613. 192,15–20 und das hagre 〈. . .〉 entgegen] Milton, Paradise lost, 10. Buch, V. 264–269. 192,21–193,2 So sprach 〈. . .〉 Beute auf] Milton, Paradise lost, 10. Buch, V. 272–281.

Die Texte im einzelnen

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193,3–194,2 Da nun 〈. . .〉 reif zu machen] Milton, Paradise lost, 10. Buch, V. 585–613. 193,7 falbes] falb: ›bleichgelb‹, ›blaßgelb‹ (Adelung 2, Sp. 22). 193,16 Mutter] Die Sünde ist die Tochter Satans und zeugt mit diesem den Tod (vgl. Milton, Paradise lost, Bd. 1, 2. Buch, V. 975–1063); diese Darstellung von Sünde und Tod geht möglicherweise auf Jak 1,15 zurück: Wenn die Begierde dann

schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; ist die Sünde reif geworden, bringt sie den Tod hervor. 193,22 Zehre] zehren: ›essen und trinken‹, im Sinne von ›verbrauchen‹, ›aufbrauchen‹, ›aufsaugen‹ (vgl. dazu DWb 31, Sp. 466–471). 194,6 Gedicht] (Im engeren Verständnis) poetisches Produkt in Versen (vgl. dazu DWb 4, Sp. 2018f.), bezieht sich an dieser Stelle auf Miltons Paradise Lost. 194,20–22 im abstrakten, metaphysischen Denken 〈. . .〉 Erkenntniß] Vgl. Erl. zu S. 112,27–28. 195,6–7 Langeweile 〈. . .〉 bliebe] Der Ausgleich von körperlichen (sinnlichen) und geistigen Kräften war für das auf die Denkkraft fokussierte monistische System der Spätaufklärung (vgl. Erl. zu S. 99,21) zentral. 195,14 Säule] Anspielung auf eine Askeseform, in der Mönche ihr Leben auf einer Säule verbrachten (sog. Säulenheilige / Styliten). 196,13–19 Vulkan 〈. . .〉 Ewigkeit] Anspielung auf Vulcanus (griech.: Hephaistos), Gott des Feuers und des Schmiedehandwerks, der in der römischen Überlieferung allerdings ausschließlich als Gott des (schadenbringenden) Feuers auftritt und nicht als Urheber von Krankheit, Pest etc. Die Darstellung in der Schmiede mit seinen (zumeist) drei, die groben Arbeiten erledigenden Gehilfen, den Kyklopen, ist seit römischer Zeit fester Bestandteil der Vulcanus-Ikonographie (vgl. Lücke 1999, S. 317–343 u. 338). 196,29–197,4 Warum 〈. . .〉 wie ich] ›Sturm und Drang‹-Gigantomanie, Anklänge etwa an Goethes 1785 erstmals veröffentlichte Prometheus-Hymne (Goethe, HA 1, S. 44–46). 196,30–32 Dieser Aufsatz 〈. . .〉 Wahnwitz] Die Herausgeberfiktion (vgl. dazu Erl. zu S. 146,14) soll die in den Papieren enthaltenen radikal materialistischen Tendenzen abschwächen, indem K. . .s Problem zur Seelenkrankheit und seine Geschichte zu einem erfahrungsseelenkundlichen Fallbeispiel erklärt werden. 196,31 Fieberparoxismus] Ein Paroxysmus ist »der verstärkte anfall einer krankheit, die höchste reizung eines krankhaften zustandes« (DWb 13, Sp. 1465), hier des Fiebers.

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Denkwürdigkeiten

196,31–32 Methode in dem Wahnwitz] Frei nach Shakespeare, Hamlet, II, 2; vgl. Erl. zu S. 183,12–13. 197,6–17 die erste Ursach 〈. . .〉 sich entwickeln] Blasphemische Absage an die zentrale Grundannahme der frühaufklärerischen Ontologie (vgl. Erl. zu S. 84,4), die Ursache aller Ursachen sei Gott, vgl. Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 und 2.2, § 945, S. 584: Es ist demnach GOtt ein selbständiges Wesen, darin-

nen der Grund von der Würcklichkeit der Welt und der Seelen zu finden 〈. . .〉. Vgl. dazu den sog. Satz vom zureichenden Grund (s. Erl. zu S. 31,21–22). 197,7 Blumenbetten] ›Blumenbeeten‹ (Adelung 1, Sp. 949). 198,15–17 Ein wenig 〈. . .〉 verschlungen] Materialistische Position, vgl. Franz Moor in Schillers Die Räuber (vgl. dazu Erl. zu S. 130,16): 〈. . .〉 der Mensch entstehet aus Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, und gährt wieder zusammen in Morast 〈. . .〉 (Schiller, NA 3, S. 95). 198,25–26 Sie sind entflohn, / Die Stunden] Implizite (thematische) Fortsetzung des Gedichts Nach Hanns Sachs (S. 188,3 und Erl.). 199,14 Zweiundzwanzigstes Stück] Das 22. Stück erschien am Dienstag, dem 30. Mai 1786.

Die Texte im einzelnen

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Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.). In: DW 1786 II, 22. St.,

S. 335–341. Fortgesetzt in: 23. St., S. 351–354. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Der Uebergang vom Guten zum Bösen. Aus Milton. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 115–128. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 1

199,18 anfing;] anfieng, D 199,18–19 dufteten,] dufteten; D1 199,21 loben;] loben: D1 199,22 redenden Gesang] lauten Dankgesang D1 199,22–23 die Stimme 〈. . .〉 konnten.] das Chor der stimmenlosen Geschöpfe. D1 199,23–26 Und als sie das gethan 〈. . .〉 könnten,] Dann genossen sie der

frühen Morgenluft, der ersten süßesten Gerüche, und der sanften Kühlung, besprachen sich über die Geschäfte des Tages, und wie sie nun den Tag am besten nutzen könnten, D1 199,27 weiten Garten] Garten D1 200,1 fing] fieng D1 200,3 Adam 〈. . .〉 immer,] Wir mögen uns noch so sehr mühen, Adam, D1 200,3–5 bestellen, 〈. . .〉 vereinen;] bestellen und das von Gott uns anbefohlene Geschäft, der Pflanzen und Blumen zu warten, noch so eifrig treiben; D1 200,5–7 aber 〈. . .〉 auf,] doch nimmt das Werk, bis einst mehrere Händ’ uns helfen, selbst unter unsrer Arbeit zu, und alles schießt nur um so üppiger auf D1

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Denkwürdigkeiten

200,8 bei] bey D1 200,9 paar] Paar D1 200,9 das] das, D1 200,10 aufs neue] auf’s Neue D1 200,11 So rathe denn 〈. . .〉 zuerst] So gieb denn nun für dieses Uebel Rath, oder höre, was D1 200,12–13 Laß uns lieber 〈. . .〉 du] Laß uns künftig uns bey der Arbeit trennen, Du D1 200,13 dich deine] Dich Deine D1 200,16–17 indeß, 〈. . .〉 kann.] indeß ich sehe, was ich in jener mit Myrthen untermischten Rosenhecke, bis Mittag etwa ordnen kann. D1 200,17 etwa] entwa J1 200,18 nah] nah an D1 200,18–19 wenn, so nah’, zu oft sich] wenn zu oft D1 200,24 du] Du D1 200,26 du] Du D1 200,28 dein] Dein D1 200,30–31 darüber 〈. . .〉 strebt.] und ihren Mann zu unterstützen sucht. D1 200,34–201,1 sey es dieser süße] durch den süßen D1 201,1 Lächelns;] Lächelns, D1 201,2 Vernunft 〈. . .〉 gewährt,] Vernunft und ward den Thieren nicht gewährt; D1 201,3 selbst der] der D1 201,3 doch] nicht D1 201,3 lezte] letzte D1 201,4 Menschenlebens nicht. Denn nicht] Menschenlebens. Nicht D1 201,5 er uns] uns Gott D1 201,7 Hände sie vereinigt] vereinten Hände sie D1 201,8–9 selbst 〈. . .〉 haben] selber Raum bedürfen D1 201,9 Händ’] Hände D1 201,9 einst über lang] einst D1 201,9 unterstützen:] unterstützen. D1 201,10 dir] Dir D1 201,12 die Entfernung drängt zur süßen Wiederkehr] Trennung drängt zum süßen Wiedersehn D1 201,13 Aber andre Zweifel machen mich besorgt] Andre Zweifel aber steigen mir auf D1

Die Texte im einzelnen

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201,14 dir begegnen möchte] Dir begegne D1 201,14 du] Du D1 201,14–15 Wofür 〈. . .〉 wohl] Du weißt wohl, wofür wir gewarnt sind D1 201,15 welch] welch’ D1 201,16 eigenen] eignen D1 201,17–18 Angriff – und ohne Zweifel] Angriff. Gewiß D1 201,18 auf] auf, D1 201,22 erster Anschlag] Anschlag D1 201,24 allen] allem D1 201,24–25 erweckt. Dieß 〈. . .〉 seyn,] erweckt; es sey nun dieses oder gar noch etwas Schlimmeres, D1 201,26 dir] Dir D1 201,26 dir] Dir D1 201,27 Schatten giebt] Schirm verleiht D1 201,31–32 einer, welche liebt, und] einer Liebenden D1 201,32 gnug] genug D1 201,32 Ernst,] Ernst D1 202,1 du] Du D1 202,1 entsproßner,] Entsproßner D1 202,3 jezt von dir] jetzt von Dir D1 202,3 dir] Dir D1 202,4 in einem schattigten Winkel hinter euch] hinter euch in einem schattigten Gebüsch D1 202,6 du] Du D1 202,7 dich] Dich D1 202,7 solltest] würdest D1 202,8 dir] Dir D1 202,8 du] Du D1 202,9–11 fürchten, 〈. . .〉 kann.] fürchten; sie trift uns nicht, weil wir des

Todes und der Schmerzen nicht fähig sind, oder wir treiben die Gewalt zurück. D1 202,11 dieß] dies D1 202,12 deine] Deine D1 202,13 seine List] Betrug D1 202,13 verleitet] verführt D1 202,14 Das sind Gedanken 〈. . .〉 kommen!] Ach wie konntest Du solche Gedanken in Deiner Seele nähren! D1

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Denkwürdigkeiten

202,15 dir] Dir D1 202,15 ist.] ist! D1 202,16 Du,] Du D1 202,17 deinem Mann’ entsproßne] Deinem Mann Entsproßne D1 202,17–18 unsterbliche 〈. . .〉 leer] Unsterbliche, aller Sünd’ und Flecken bar D1 202,18 Mißtrauen 〈. . .〉 mißrathe] Mistraun war es, wenn ich Dir widerrieth D1 202,19 dich] Dich D1 202,19 ist] war D1 202,21 fruchtloß] fruchtlos D1 202,25 dich] Dich D1 202,26 der Versuch] er D1 202,27–28 dich vor solcher sträflichen Versuchung] Dich vor einem solchen Schimpf D1 202,28 die] denn D1 202,29 unser] wird sich unser D1 202,30 wagen wird] wagen D1 202,30 sie] sich D1 202,30–31 denn doch mich erst] doch zuerst D1 202,31 du] Du D1 202,32 dem es selbst] dem D1 202,33 gelungen ist] gelang D1 202,34 überflüßig] überflüssig D1 202,34 deiner] Deiner D1 203,1 leichter? Fühl’] leichter, fühl’ D1 203,1 deiner] Deiner D1 203,2 s t ä r k e r ] stärker D1 203,2 äußere] äussere D1 203,3–4 wenn 〈. . .〉 sehen] in Deiner Gegenwart mich überwunden oder überlistet zu sehn D1 203,5 zusammenhalten] zusammendrängen D1 203,5 Warum solltest du] Wie? Solltest Du D1 203,6 das gleiche] dies D1 203,6 und deine Probe nicht] nicht Deine Prüfung gern D1 203,7 deiner] Deiner D1

Die Texte im einzelnen

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Stellenerläuterungen 199,15–16 Der Uebergang vom Guten zum Bösen. 〈. . .〉 übersetzt.)] Weiterer Druck: Der Uebergang vom Guten zum Bösen. Aus Milton, in: Klischnig, Blumen und Blüthen, S. 115–123. – Vgl. Bodmers Prosaübersetzung der vorliegenden Passage in: Milton, von dem Verlohrnen Paradiese, S. 382–390 (aus dem 9. Buch). S. Erl. zu S. 40,5–7, S. 163,2–3. – In Lessings dem 17. Literaturbrief beigefügtem Faust-Fragment ist der schnelleste Geist der Hölle so schnell wie der Uebergang vom Guten zum Bösen (Lessing, Sämtliche Schriften, Bd. 3, S. 382–384). 200,8 pfropfen] Vgl. Erl. zu S. 102,4. 200,28–31 nichts ist 〈. . .〉 strebt] Beitrag zur in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. geführten Debatte über die Verbesserung der rechtlichen Stellung der Frauen; vgl. prominent T〈heodor〉 G〈ottlieb〉 von Hippel: Ueber die bürgerliche Verbesse-

rung der Weiber, Berlin: Voß 1792. 201,1–2 Lächeln 〈. . .〉 gewährt] Grundlage dieser Überlegung ist die aristotelische Annahme, durch das Lachen bzw. die Fähigkeit dazu unterscheide sich der Mensch vom Tier (vgl. z. B. Fauser 1991, S. 385); vgl. zusammenfassend Christian Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 und 2.2, § 892, S. 553f. 201,14 Wofür] DWb 30, Sp. 975: ›wozu‹ (final), aber auch ›warum‹, ›weshalb‹ (kausal). In indirekten Fragesätzen (wie hier) oft anstelle von wovor; vgl. DWb 30, Sp. 1663. 201,15 welch ein boshafter Feind] Vorbereitet durch die Paradise-lost-Passage in Noch etwas aus K. . .s Papieren, vgl. S. 192,14–194,2 und Erl. 201,31 Majestät] ›Hoheit‹, ›Würde‹; vgl. dazu DWb 12, Sp. 1486f. 202,18 leer] ›Rein‹, ›frei‹; vgl. DWb 12, Sp. 507–512; Adelung 2, Sp. 1967f.

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Denkwürdigkeiten

F. . .s Geschichte Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È F. . .s Geschichte. In: DW 1786 II, 22. St., S. 342–349. Fortgesetzt in: 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 203,23–24 ihm zu einem] ihn zu einen J

Stellenerläuterungen 203,10 F. . .s Geschichte] Vgl. S. 174,30 und Erl. 203,13–14 er habe 〈. . .〉 übrig] Vgl. S. 175,2–4 und Erl. 203,17 das übereinstimmende Verhältniß seiner innern Seelenkräfte] Definition seelischer Gesundheit, vgl. entsprechend Moritz in den Grundli-

nien zu einem ohngefähren Entwurf in Rücksicht auf die Seelenkrankheitskunde, MzE I.1 1783, S. 31–38, hier S. 33 (KMA 12): Mangel der verhältnismäßigen Uebereinstimmung aller Seelenfähigkeiten ist Seelenkrankheit. 203,21 Seelenlähmung] Vgl. Erl. zu S. 40,29–30. 204,8 w i r k l i c h e E l e n d ] Diese Wendung greift Klischnig wörtlich in den Erinnerungen wieder auf (S. 18) und führt dadurch Anton Reisers bzw. Moritz’ Lebensgeschichte denjenigen K. . .s und F. . .s parallel. – Zu diesem Komplex vgl. auch Erl. zu S. 56,17–25, vgl. auch Stockinger 2005. 204,21 Das macht] ›Das ist der Grund‹ (vgl. dazu DWb 12, Sp. 1394), hier im Sinne von ›das heißt‹, ›mit anderen Worten‹, ›will sagen‹. 205,30 Privatsekretär] Klischnig erwähnt, F. . . sei schon bei dem Fürsten von A.. Sekretär gewesen (Klischnig, Erinnerungen, S. 16); hierbei mag es sich um Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) handeln. 206,20 Komödie] Verwendet für ›Theater‹ im allgemeinen (zur Wendung in die Komödie gehen vgl. DWb 11, Sp. 1684).

Die Texte im einzelnen 206,20–21 Minna von Barnhelm] Vgl. Erl. zu S. 68,13. 206,28 Couteau] Weid-Messer, Hirschfänger (Zedler 6, Sp. 1505).

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588

Denkwürdigkeiten

ÇKannst du dem StengelÈ Überlieferung 1. Textgrundlage J

1

ÇKarl Philipp Moritz,È ÇKannst du dem StengelÈ. In: DW 1786 II, 22. St.,

S. 350. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Çohne TitelÈ. In: Karl Friedrich Klischnig, Erinnerungen

aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ. Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg, S. 164. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 207,2 dem] den D1 207,7 emporhalte] empor halte D1

Stellenerläuterungen 207,1 〈Kannst du dem Stengel〉] Weiterer Druck: Klischnig, Erinnerungen, S. 164. – Entstanden in der Zeit von Klischnigs Weggang nach Frankfurt/Oder (er schrieb sich am 21. April 1786 an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt/Oder ein), vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 162f. 207,14 Stab] Vgl. S. 170,15 und Erl. 207,15 Thatkraft gelähmt] Zur Seelenlähmung vgl. Erl. zu S. 40,29–30. 208,1 Dreiundzwanzigstes Stück] Das 23. Stück erschien am Dienstag, dem 6. Juni 1786.

Die Texte im einzelnen

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Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Der Uebergang vom Guten zum Bösen (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.) (Fortsetzung.). In: DW

1786 II, 23. St., S. 351–354. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Der Uebergang vom Guten zum Bösen. Aus Milton In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch, S. 115–128. Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 1

208,5 Looß] Loos D 208,5–8 wohnen: 〈. . .〉 wie] wohnen; in einem engen Raum von einem

Feind beschränkt, der so listig oder mächtig ist, daß wir ihm nicht Widerstand zu leisten vermögen, wenn er einen von uns Beyden allein trift? D1 208,8 denn] dann D1 208,9 beleidigt] beleidiget D1 208,11 her:] her. D1 208,12 dieß] dies D1 208,14 Weswegen] Weßwegen D1 208,16 die wir denn] wir, die wir D1 208,16 und des] des D1 208,17 der selbst dann unser Zeuge ist.] und im Erfolge selbst das beste Zeugniß haben. D1 208,18 Lieb’,] Lieb’ D1 208,19 halten] erhalten D1 208,19 dann] doch D1 208,21–22 mögen beieinander] bey einander D1 208,22 beieinander] beineiander J1

590

Denkwürdigkeiten

208,22 dieß] dies D1 208,24 drauf] darauf D1 208,26 allem,] allem D1 208,28–209,1 ihm kann gesichert werden 〈. . .〉 gesichert ist:] befestiget und vor Gewalt von aussen gesichert wird. D1 209,2 liegt 〈. . .〉 da:] hat er Kraft genug, ihr zu entgehn; D1 209,8 Gottes] sein D1 209,10 dich, und du] Dich, und Du D1 209,11 ists] ist’s D1 209,11 abzuschweifen] einst zu wanken D1 209,14 stürzte] stürzt D1 209,15–16 die zu vermeiden 〈. . .〉 trenntest:] vermeide sie; am besten ist’s, Du trennst Dich nie von mir. D1 209,17 du deine] Du Deine D1 209,18 dir] Dir D1 209,19 das andre 〈. . .〉 dieß] es wissen, ob Du standhaft bist? Wer Dir D1 209,20 du] Du D1 209,21 du] Du D1 209,22 doch zu seyn] zu gehn D1 209,22 geh!] so geh! D1 209,22 dein] Dein D1 209,23 dich] Dich D1 209,23 deiner] Deiner D1 209,24–25 dich 〈. . .〉 alles!] Dich auf Deine Tugend, biet’ alle Kräfte auf! D1 209,25 dir] Dir D1 209,25 du] Du D1 209,28 du] Du D1 209,28 dir] Dir D2 209,29 lezten] letzten D1 209,29 du] Du D1 209,30 gerad’] grad’ D1 209,31 vielwen’ger vorbereitet] viel sicherer D1 209,32 desto williger] so entschlossener D1 209,33 Feind,] Feind D1 209,33 schwächern] Schwächern D1

Die Texte im einzelnen 210,1 210,1 210,3 210,3

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sie] sie, D1 Hand,] Hand D1 Dryade] Dryade, D1 entschlüpft] entschlüpft’ D1 Stellenerläuterungen

208,2–4 Der Uebergang 〈. . .〉 (Fortsetzung)] Fortsetzung von S. 199,15–203,8; Eva antwortet Adam (das Zwischenstück mit den ›Redeeinleitungen‹ fehlt). Übersetzung der Passage (Prosa): vgl. Milton, von dem Verlohrnen Paradiese, S. 390–393 (aus dem 9. Buch) (vgl. Erl. zu S. 40,5–7, S. 163,2–3). Weiterer Druck: Der Uebergang vom Guten zum Bösen. Aus Milton, in: Klischnig, Blumen und Blüthen, S. 123–128 (Zwischenstück, ebd., S. 123: So sprach bekümmert der

liebevolle Gatte. Eva aber glaubt’, er sey nicht ganz von der Festigkeit ihrer Treue überzeugt, und erwiederte mit süßem Ton: 〈. . .〉). – Im Kontext der Denkwürdigkeiten gehört diese Paradise-lost-Passage zur Problematik der Willensfreiheit (vgl. Erl. zu S. 39,15–16). 209,2 innerhalb den] Der »abhängige casus ist theils der dativ, theils der genitiv« (DWb 10, Sp. 2132). 210,2–3 Nymphen des Waldes, gleich der Dryade oder Oreade] Nymphen, weibliche Naturgeister der griech.-röm. Mythologie, die u. a. Hederichs Gründliches mythologisches Lexikon nach ihrem Aufenthaltsort in himmlische und irdische Wesen einteilt; zu den Irdischen wiederum gehörten etwa die O r e a d e n , die sich auf den Bergen (Bergnymphen), und die D r y a d e n , die sich in den Wäldern aufhielten (Baumnymphen) (Hederich, Sp. 1750f.). 210,3 Delias] Delia: anderer Name für Diana, antike Göttin der Jagd und der Tiere, vgl. Hederich, Sp. 885: 〈. . .〉 ein gemeiner Beynamen〈!〉 der Diana, wel-

chen sie von der Insel Delus hat, in welcher sie nicht allein gebohren war, sondern auch insonderheit verehret wurde.

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Denkwürdigkeiten

Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder. In: DW 1786 II, 23. St., S. 355–358.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 211,2 solche] soche J 211,34 Grunde] Grnnde J

Stellenerläuterungen 210,6 Das Testament 〈. . .〉 von Schröder] Friedrich Ulrich Ludwig Schröders (1744–1816), vgl. Erl. zu S. 141,2; Theaterstück Kinderzucht, oder das Testament. Ein Lustspiel in vier Aufzügen, eine Bearbeitung des vermeintlich Shakespeareschen Stücks The London Prodigal von 1781, in: F. L. Schröder, Beytrag zur deutschen Schaubühne, 1. Teil, Berlin: G. J. Decker 1786, S. 1–128; besprochen in: VZ, 129. St., 27. Oktober 1785. – Aufführungen durch die Döbbelinsche Gesellschaft: 1. u. 3. Januar 1786 (VZ, 157. St., 31. Dezember 1785; 1. St., 3. Januar 1786) sowie am 23. April u. 11. Mai (VZ, 48. St., 22. April 1786; 56. St., 11. Mai 1786). Eine am 15. April vorgesehene Aufführung fiel wegen Krankheit aus (VZ, 45. St., 15. April 1786). 210,7–9 l ü d e r l i c h e m L e l i o 〈. . .〉 S c h a t z v o n L e s s i n g ] Lelio: Liebhaber-Figur im ›the´aˆtre italien‹, u. a. übernommen in Gotthold Ephraim Lessings Der Schatz. Ein Lustspiel in einem Aufzuge. Verfertiget im Jahre 1750, in: G. E. Leßings Schrifften, 5. T., Berlin: C. F. Voß 1755, S. 189–296. In Lessings Stück ist wörtlich vom lüderlichen Lelio die Rede, vgl. ebd., I/1, S. 199. Mit Lelio ist die männliche Hauptfigur Franz Florbach in Schröders Testament gemeint. 210,9 S c h e r i d a n s L ä s t e r s c h u l e ] Richard Brinsley Sheridans (1751– 1816) 1777 uraufgeführte Prosakomödie in fünf Akten The School for Scandal (Erstausg.: London 1777); ins Deutsche übers. von J. Leonhardi: Die Lästerschule,

Die Texte im einzelnen

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Berlin 1782. Aufführungen durch die Döbbelinsche Gesellschaft in Berlin: 17. Juli 1785 (vgl. VZ, 85. St., 16. Juli 1785), 3. Juni, 29. Juni und 27. Juli 1786 (vgl. VZ, 66. St., 3. Juni 1786; 77. St., 29. Juni 1786 u. 89. St., 27. Juli 1786). 210,11 Interesse] Dramaturgische Kategorie, vgl. Erl. zu S. 132,2–3. 210,11–12 je weniger man vorher weiß, wie er bei gewissen Anlässen handeln wird] Gegenposition zu einer zentralen Forderung Denis Diderots: Für

den Zuschauer muß alles klar sein. Er ist der Vertraute einer jeden Person; er weiß alles was vorgeht, alles was vorgegangen ist; und es gibt hundert Augenblicke, wo man nichts Bessers tun kann, als daß man es ihm gerade voraussagt, was noch vorgehen soll (Diderot, Das Theater des Herrn Diderot, S. 334). 210,25 S o p h i e n s R e i s e n ] Vgl. Erl. zu S. 155,6–7. 210,26 V.] Abkürzung für Verfasser (Johann Timotheus Hermes, vgl. Erl. zu S. 155,6–7).

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Denkwürdigkeiten

F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.) Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È F. . .s Geschichte (Fortsetzung.). In: DW 1786 II, 23. St., S. 359–364.

Grundlage für den edierten Text: J.

2. Varianten 212,27 Natur] Natnr J

Stellenerläuterungen 212,7–8 F. . .s 〈. . .〉 (Fortsetzung.)] Vgl. S. 174,30 und Erl., S. 203,10. 212,10–11 weil dort 〈. . .〉 arm ist] Vgl. S. 158,14–159,15 und Erl. 212,16–17 man bewarb sich 〈. . .〉 Ehre] So auch Klischnig über Reisers (d. h. Moritz’) Verhältnis zu F. . . (Klischnig, Erinnerungen, S. 16): Reiser fand sich durch seine zuvorkommende Freundschaft sehr geehrt 〈. . .〉. 212,18–19 Mann Nahmens B. . . 〈. . .〉 Schriftsteller] Es handelt sich um Traugott Benjamin Berger (1754–1810); vgl. dazu Klischnig, Erinnerungen, S. 15f. – Von den dramatischen Arbeiten Bergers erwähnt Klischnig, Erinnerungen (S. 15), das Trauerspiel Galora von Venedig (1778 veröffentlicht); weitere Werke Bergers sind: Liederchen und Gedichte (1777), Die beschleunigte Hochzeit (OpernLibretto, 1777), Achills zürnender Schatten (Schauspiel, 1777), Der Landtag (Lustspiel, 1777), Lykon und Ayle (Scene aus der alten Welt, 1778). 213,19 entzweit] Vgl. Erl. zu S. 12,17–19 und zu S. 162,6. 213,34–214,1 Seine Geschäfte 〈. . .〉 Wa h l ] Die im göttlichen Schöpfungsplan installierte menschliche Willensfreiheit gefährdet demnach das allseits avisierte Ziel eines ›glücklichen‹ (›zufriedenen‹ und ›ruhigen‹) Lebens (vgl. Erl. zu S. 39,15–16 und S. 110,5). 214,17 d ü r f e n ] Hier im Sinne von ›nötig haben‹, vgl. dazu Erl. zu S. 112,9. 214,18–20 Man will lieber m ü s s e n 〈. . .〉 Freiheit vor] Vgl. Erl. zu S. 39,15– 16.

Die Texte im einzelnen

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214,25 Schranken] Schranken zum Auslaufen (i. e. carceres); vgl. in der Folge: Lauf, Roß (DWb 15, Sp. 1634). 215,2 F o n d ] Grund(lage), vgl. Heyse 1873, S. 346 u. Schweizer 1811, 1. Bd., S. 211. 215,7 Fortsetzung] Der Text blieb Fragment.

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Denkwürdigkeiten

ÇSo sinke denn unterÈ Überlieferung 1. Textgrundlage 1

ÇKarl Friedrich Klischnig?,È ÇSo sinke denn unterÈ. In: DW 1786 II, 23. St., S. 365f. D1 ÇKarl Friedrich Klischnig?,È Abendphantasie. In: Karl Friedrich Klischnig, Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 26f. J

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten

du] Du D1 du] Du D1 lezten] letzten D1 lezten] letzten D1 Geist dich angeblickt,] Geist / Dich angeblickt, D1 Die nun der Spinne zu Fenstern dienen,] Und die zu Fenstern nun der Spinne dienen, D1 215,26 hat] hat. D1 215,28 und der denkenden Wesen:] der denkenden Wesen; D1 216,2 Sinne] Sinn D1 215,13 215,14 215,16 215,22 215,24 215,25

Stellenerläuterungen 215,8 〈So sinke denn unter〉] Der Verfasser des Gedichts ist vmtl. Moritz’ Freund Karl Friedrich Klischnig; er publizierte 1794 den Text unter dem Titel Abendphantasie in seiner Gedichtsammlung Blumen und Blüthen, Berlin: Ernst Felisch 1794, S. 11f. Vgl. dazu Überblickskommentar, S. 358f. 216,15 Vierundzwanzigstes Stück] Das 24. Stück erschien am Dienstag, dem 13. Juni 1786.

Die Texte im einzelnen

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Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783 Überlieferung 1. Textgrundlage J

ÇKarl Philipp Moritz,È Dessau und Barby Ç. . .È. In: DW 1786 II, 24. St., S. 367–372.

Grundlage für den edierten Text: J.

Stellenerläuterungen 216,16–18 Dessau und Barby 〈. . .〉 1783] Die Annahme, Moritz sei der Autor dieses Aufsatzes, wird durch die Reminiszenz an die Begegnung mit August Gottlieb Spangenberg im Jahr 1777 (s. S. 218,5 und Erl.) gestützt. Weiteres zur Entstehung des Textes ist nicht überliefert. In zeitlicher Nähe zu dem im Untertitel angegebenen Entstehungsjahr 1783 ist Moritz’ kritische Beschäftigung mit dem Thema ›Offenbarung‹ in seinem Aufsatz Auch eine Hypothese über die Schöpfungsgeschichte Mosis (in: BM, Bd. 3, 1784, S. 335–346; KMA 7) dokumentiert. Möglicherweise war die Lektüre der Rezension einer dt. Übersetzung von Joseph Addisons Schrift The Evidences of The Christian Religion (s. S. 217,15 und Erl.) ein Anreiz zur Abfassung dieses Fragments; vgl. Erl. zu S. 217,32–33. 216,16 Dessau] Hauptstadt und Residenz des Fürstentums Anhalt-Dessau; Sitz des von Johann Bernhard Basedow (1724–1790) gegründeten Philanthropins; Moritz hielt sich im Frühjahr 1778 für einige Zeit dort auf (vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 35–37) und pflegte auch später durch Reisen nach Dessau seine dortigen Kontakte (ebd., S. 42). 216,16 Barby] Ort bei Magdeburg, Sitz der Herrnhuter Brüdergemeine. 216,16–17 praktischen Naturalismus] Die neuzeitliche Wandlung des Naturbegriffs hin zu einer auch metaphysische Funktionen übernehmenden Kategorie ermöglichte die Ableitung der ›moralischen‹ Verhältnisse aus den biologischen. Der an dieser Stelle formulierte Praxisbezug richtet sich auf eine daraus abgeleitete ›vernünftige‹ Regelung des sozialen Lebens ohne Berufung auf eine göttliche Offenbarung (in diesem Sinne nähert sich der praktische Naturalismus dem frühaufklärerischen Deismus), vgl. Hist. Wb. d. Philos. 6, S. 518. Der Begriff Natu-

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Denkwürdigkeiten

ralismus bezeichnet hier demnach die Meynung derienigen, welche dafür halten, daß die Vernunfft einem Menschen alles lehre, was ihm zu seiner Seeligkeit nöthig, daß er also der Offenbahrung der Heiligen Schrifft nicht nöthig habe; die zeitgenössisch ebenfalls diskutierte Gleichsetzung von Naturalismus, Pantheismus und Atheismus ist nicht gemeint (Walch, Philosophisches Lexicon, Sp. 1859f.). 216,17 praktisches Christenthum] An der Anwendung christlicher Glaubensprinzipien auf die alltäglichen Lebensverhältnisse orientierte aufgeklärte Theologie, die auf dieser Grundlage eine allgemeinverbindliche überkonfessionelle Ethik formuliert; sie setzt auf die ›natürliche‹, d. h. ›vernunftgemäße‹ Herleitung der positiven oder Offenbarungsreligion; vgl. dazu RGG 4, Sp. 1322–1326. 216,19–20 Zusammenhangendes] Neben der Wortform hängen war noch zu Moritz’ Zeit die nicht umgelautete Form hangen üblich; vgl. Adelung 2, Sp. 965. 217,15 Addisons] Der britische Schriftsteller und Politiker Joseph Addison (1672–1719), u. a. zeitweiliger Mitherausgeber der wirkmächtigen Moralischen Wochenschrift The Spectator (1711). Klischnig bezeugt für die Jahre 1783–86 im Rahmen des Studiums der besten Schriftsteller der Britten auch die gemeinsame Lektüre Addisons (Erinnerungen, S. 100). Vmtl. bezieht sich der Text auf Addisons postum erschienene Schrift The Evidences of the Christian Religion (in: The Works of the Right Honourable Joseph Addison, London 1721, Bd. 4, S. 559–594: Of the Christian Religion, hrsg. v. Thomas Tickell; separate Ausgabe London 1730). Nach älteren Übertragungen des Werks ins Deutsche von Johann Jakob Spreng (Zürich 1745) und Theodor Arnold (Lemgo 1749) gab es im Entstehungszeitraum von Moritz’ Aufsatz zwei neue dt. Übersetzungen: Des

Herrn Addisons Entwurf von der Wahrheit der christlichen Religion nebst des Herrn Gabriel Seigneux von Correvon darüber im Französischen herausgegebenen Anmerkungen und weitläuftigen Abhandlungen, übersetzt und zum Theil in einen Auszug gebracht 〈von Anton Heinrich von Walterstern〉, mit einer Vorrede Sr. Hochwürden, des Herrn Abts und Vicepräsidenten Jerusalem, Hamburg und Leipzig: Hoffmann 1782; Addison von der Wahrheit der christlichen Religion nach der neuesten Ausgabe der mit vielen vortrefflichen Anmerkungen und Abhandlungen begleiteten französischen Uebersetzung des Herrn von Correvon ins Deutsche übersetzt von Heinrich Johann von Hahn, 3 Bde., Frankfurt a. Main: Andreä 1782–1784. 217,25 der tausendste Mensch] Gemeint ist: unter tausend nicht einer (vgl. Adelung 4, S. 549).

Die Texte im einzelnen

599

217,32–33 seine Beruhigung 〈. . .〉 gefunden hat] Möglicherweise Anspielung auf eine Anekdote über Addisons (s. Erl. zu S. 217,15) Sterbestunde, zu der er einen Zeugen gerufen hatte, um zu demonstrieren, wie ruhig der Christ sterben könne (Bm., Rez. von Des Herrn Addisons Entwurf von der Wahrheit der christlichen Religion, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 53. Bd., 2. St., 1783, S. 372f., hier S. 372). 218,1 S p a n g e n b e r g ] August Gottlieb Spangenberg (1704–1792); seit 1744 Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine; nach Amerika-Aufenthalten seit 1762 Nachfolger des Gemeindegründers Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf (1700–1760), seit 1769 dauerhaft am theologischen Seminar in Barby. 218,3 geraumigen] Bei Adelung ist geraumig als oberdeutsche Form von geräumig nachgewiesen (Adelung 2, Sp. 579). 218,3 Schlosse] 1687–1715 von Herzog Heinrich von Barby errichtet. 1748–1808 Sitz des Predigerseminars der Herrnhuter Brüdergemeine, 1711–1784 auch Sitz der Unitäts-Ältesten-Konferenz. 218,5 vor sechs Jahren] (Auto-)biographischer Bezug: Nach dem Abbruch des Studiums in Erfurt und dem vergeblichen Versuch, sich Ende Januar / Anfang Februar 1777 in Leipzig der Speichschen Theatergruppe anzuschließen (vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 425 u. Erl. zu S. 423,17), blieb Reiser / Moritz bis 17. Februar bei den Herrnhutern in Barby; dort fand auch die erste Begegnung mit Spangenberg statt (Klischnig, Erinnerungen, S. 9–12). 218,6 verältert] veraltern im Sinne von ›alt werden‹ (DWb 25, Sp. 71). 218,23–24 gänzliche Resignation 〈. . .〉 Spekulieren in hohen Dingen] Vgl. dazu die Gegenüberstellung von Herzenswärme und Spekulationssucht in den von einem anonymen Beiträger M. stammenden Fragmenten aus dem Tagebuche eines Beobachters Seinselbst: An dem Mangel an Wärme und Enthusias-

mus für’s Gute, besonders für’s Moralische, ist mein Hang zum Speculiren, zum Auflösen und Zergliedern, zum allgemeinen, abgezognen Denken, vornehmlich schuld. Gespaltne Strahlen wärmen minder als vereinte, und gespaltne Gedanken können das Herz nicht erwärmen, und ein kühles Herz kann nur aus Eitelkeit Eifer heuchlen (MzE VI.2 1788, S. 55–61, hier S. 60; KMA 12). – Zur ›Resignation‹ vgl. Erl. zu S. 60,17–19. 218,25 Einfalt] ›Einfachheit‹, ›Schlichtheit‹ (DWb 3, Sp. 173). 219,6 moralischen] Im Sinne von ›integren‹.

600

Denkwürdigkeiten

Fragment einer Predigt Ueber die Leiden des Lebens Überlieferung 1. Textgrundlage J1

ÇKarl Philipp Moritz,È Fragment einer Predigt. Ueber die Leiden des Lebens. In: DW 1786 II, 24. St., S. 373–380. D1 ÇKarl Philipp Moritz,È Ueber die Leiden des Lebens. Fragment einer Predigt. In: Karl Friedrich Klischnig, Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz Ç= Anton Reiser. Ein psychologischer Roman. Fünfter und letzter TheilÈ. Berlin 1794 bei Wilhelm Vieweg, S. 55–63.

Grundlage für den edierten Text: J1.

2. Varianten 219,11 leichter,] leichter D1 219,12 gemeiniglich] gemeniglich J1 219,17 Zustande,] Zustande D1 219,20 nehmlich] nemlich D1 219,22 bei] bey D1 219,26 bei] bey D1 219,29 Seele,] Seele D1 220,3 bei] bey D1 220,4 bei] bey D1 220,5 andere] andre D1 220,7 den andern gemeiniglich] gemeiniglich den andern D1 220,9 müßten. Es] müßten. Es D1 220,12 jezt] jetzt D1 220,16 sizt,] sitzt; D1 220,20 ausser] außer D1 220,25 erweicht,] erweicht D1 220,27 mächtig ist! – Und] mächtig ist! – Und D1

Die Texte im einzelnen 220,31 Grundsatz] Grundsatz, D1 220,32 mich –] mich. – D1 220,33 eigne] eigene D1 220,34 weiser –] weiser. – D1 221,6 leiden –] leiden. – D1 221,9 vorschreibt –] vorschreibt. – D1 221,11 einem] diesem D1 221,19 gedemüthiget] gedemüthigt D1 221,20 vergessen,] vergessen D1 221,22 anderer] andrer D1 221,26 müssen, dann] müssen. Dann D1 221,27 niemanden] Niemanden D1 221,27–28 niemanden] Niemanden D1 221,28 erhohlen] erholen D1 221,31–32 vorher in derselben] vorher D1 221,33 fehlgeschlagene] fehlgeschlagne D1 222,1 sie – sey in Zukunft weiser] sie. – »Sey in Zukunft weiser« D1 222,3 wünsche] »wünsche D1 222,7 harret.] harret.« D1 222,10 der] Der D1 222,11 gesagt,] gesagt: D1 222,12 mächtig] mächtig. D1 222,12 Leiden] Leiden, D1 222,14 darniederzuschlagen] darnieder zu schlagen D1 222,16 leiden,] leiden D1 222,17 edlen] edeln D1 222,17 wir selbst] wir D1 222,18 Dieß] Dies D1 222,21 Hindernisse,] Hindernisse D1 222,23 bei] bey D1 222,28 Stammes zeigen] Stamms beweisen D1 222,28–29 Glücke] Glück D1 222,30 unsrer] unser D1 222,30 ungenützt,] ungenutzt; D1 222,31 wenn] wann D1 222,33 nie] wie D1

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Denkwürdigkeiten

223,1 eine] ein J1 eine D1 223,2 sind, in] sind. In D1 223,5 besser] besser, D1 223,6 gebessert] gebessert. D1 223,8 sind,] sind; D1 223,10 denn] dann D1

Stellenerläuterungen 219,9–10 Fragment einer Predigt 〈. . .〉 Lebens] Vmtl. zwischen 1776 und Juni 1786 entstanden. Klischnig berichtet über dieses von ihm 1794 wiederveröffentlichte Predigtfragment: Selten schrieb er von seinen Predigten mehr als den

Hauptinnhalt auf, der oft nicht einmal eine Oktavseite füllte. Es existirt also davon auch nichts mehr, und nur das folgende Fragment ist der Vergessenheit dadurch entrissen worden, daß er einst den Einfall hatte, eine Sammlung seiner Predigten herauszugeben und mit dieser den Anfang des Aufschreibens machte. (Klischnig, Erinnerungen, S. 54). Er hielt es für mitteilenswert, weil es sich so vortheilhaft von dem gewöhnlichen Predigtentroß auszeichnet (ebd., S. 55). Von dem studierten Theologen Moritz sind die Begeisterung für die Predigten des Pastors Paulmann in Braunschweig (vgl. Anton Reiser, KMA 1, S. 67–73 und Erl. zu S. 67,20–21) und die Predigtübungen zur Zeit seines Erfurter Studiums (1776/77) überliefert. Noch für die Jahre in Berlin vor der Italienreise bezeugt Klischnig Moritz’ große Neigung am Predigen sowie den dafür geernteten Zulauf und großen Beifall (Klischnig, Erinnerungen, S. 53). Predigten von Moritz in Braunschweig (27. August 1780), London (1782; vgl. RDE, S. 90; KMA 5/1) und Göttingen (6. Juni 1784; vgl. Therese Heyne an Samuel Thomas Soemmerring, in: Soemmerring, Briefwechsel 1761/65 – Oktober 1784, S. 503) sind dokumentiert. Der theologische Standpunkt ist dabei ein von Moritz’ Förderer, dem Berliner Probst Johann Joachim Spalding (1714–1804), beeinflußter aufgeklärter Zugang zur Religion als einer Tugendlehre (vgl. dazu Jürgen Jahnkes Kommentar zu Moritz’ Predigt Die Dankbarkeit gegen Gott erhöhet unsre Freuden auf Erden; KMA 6, S. 870–881). 219,19–20 Die meisten Leiden 〈. . .〉 Vorstellungen] Vgl. dazu das Kapitel Die Leiden der Poesie in Anton Reiser (KMA 1, S. 404–407). Klischnig greift Moritz’ Beurteilung seines Helden Reiser auf und charakterisiert Moritz dementsprechend: Die L e i d e n d e r E i n b i l d u n g s k r a f t griffen ihn eben so stark an, als wenn er sie in der Wirklichkeit erduldet hätte (Klischnig, Erinnerungen, S. 39);

Die Texte im einzelnen

603

Stets quälten ihn L e i d e n d e r E i n b i l d u n g s k r a f t 〈. . .〉. Aus seinem L e b e n i n d e r P h a n t a s i e n w e l t floß auch in reifern Jahren seine U n b e s t ä n d i g k e i t (ebd., S. 238). 220,4–17 Es giebt Leute 〈. . .〉 Kummer lindern] Im Tenor ähnlich berichtete Moritz 1785 in einer anonym erschienenen Rezension von einer erlebten Krankenhauspredigt: Man sahe hier, daß es ganz etwas anders ist, den Leuten zu

sagen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie einmal krank werden, und den Kranken selbst, die man vor sich liegen sieht, Trost und Beruhigung in die Seele zu sprechen (Rez. von Heinrich Philipp Sextroh, Ueber praktische Vorbereitungsanstalten zum Predigtamt. Nebst einer Nachricht von dem königl. Pastoralinstitut in Göttingen, Göttingen 1783, in: VZ, 18. September 1784, S. 877f., hier S. 878; KMA 10). 220,16 der dem Glück im Schooße sizt] Zeitgenössische Redewendung, vgl. Adelung 3, Sp. 1626: Dem Glücke im Schooße sitzen, ein anhaltendes Glück,

eine fortdauernde Glückseligkeit genießen. 220,17 durch Mitleid] Gemeint ist: durch tatkräftige Unterstützung (nicht allein durch Worte), vgl. Zedler 21, Sp. 550f. 220,26–27 Gott sey gepriesen, daß seine Kraft in dem Schwachen mächtig ist!] Vgl. 2 Kor 12,9 und 13,3f. (aus der sog. ›Narrenrede‹ des Paulus); vgl. auch Jak 4,9. 221,2–3 so will ich nicht mehr murren 〈. . .〉 auflegt] Nur der ›Frevler‹ erhebt sich gegen Gott (vgl. Ijob 15,25). 221,5–6 In einem wohlgeordneten Ganzen ist es nothwendig, daß einzelne Theile leiden] Vgl. Leibniz’ Theodizee (s. Erl. zu S. 39,15–16 u. S. 44,1): Ainsi, si

le moindre mal qui arrive dans le monde y manquoit, ce ne seroit plus ce monde, qui tout compte´, tout rabattu, a e´te´ trouve´ le meilleur par le Createur qui l’a choisi (Leibniz, Philosophische Schriften, S. 108). Übs.: Wenn also das geringste Übel, das in der Welt geschieht, in ihr fehlte, so würde sie nicht mehr diese Welt sein, die, alles in Rechnung gestellt, von dem Schöpfer, der sie erwählt hat, als die beste befunden worden ist (Leibniz, Theodizee, S. 221). 221,6 Rad in einem Uhrwerk] Zum rationalistischen Uhrwerksgleichnis vgl. Gottsched, Erste Gründe der gesammten Weltweisheit, 1. T., S. 269f., §§ 345–349, hier § 345: Die Räder der Uhr stellen die Theile der Welt vor; die Bewegung

des Zeigers aber, die Begebenheiten und Veränderungen in der Welt. Wie nun in der Uhr alle Stellungen der Räder und des Zeigers von der innern Einrichtung, Figur, Größe und Zusammensetzung aller ihrer Theile, doch aber nach den Gesetzen der Bewegung, erfolgen: so tragen sich auch in der

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Denkwürdigkeiten

Welt alle Begebenheiten zu; vgl. Wolff, Gesammelte Werke. I. Abt., Bd. 2.1 u. 2.2, § 556, S. 335f.; § 638, S. 388f. 222,11–12 leide und dulde 〈. . .〉 mächtig] Vgl. Erl. zu S. 220,26–27. 222,28–29 dem Glücke im Schooße sitzen] Vgl. Erl. zu S. 220,16.

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Zu Moritz’ Herausgaben Moritz’ herausgeberisches Engagement spiegelt erstens seine eigene Bildungsgeschichte wider: 1792/93 gab er die Autobiographie des jüdischen Kantianers Salomon Maimon heraus (Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93), den er vmtl. nach seiner Italienreise in Berlin kennenlernte und der seit 1791 maßgeblich am Magazin zur Erfahrungsseelenkunde mitwirkte. Maimons Lebensgeschichte gilt Moritz (wie seine eigene oder diejenige Moses Mendelssohns) als Musterbeispiel für eine auch unter widrigen Lebensbedingungen gelingende Aufklärung. Zweitens bezeugen die Herausgaben Moritz’ vielfältiges kulturhistorisches Interesse, etwa an den geschichtlichen Kontexten der (Frei-)Maurerei, das sich in der Herausgabe von Johann Gottfried Bremers Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums (Berlin 1793) niederschlägt. Moritz war selbst Freimaurer und deshalb an den Ausführungen auch aus persönlichen Gründen interessiert (er gehörte seit 1779 der Berliner Johannisloge Zur Beständigkeit an; zeitgleich mit der Herausgabe Bremers veröffentlichte er den Band Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei). Allerdings beschränkte sich seine Herausgebertätigkeit für Bremers Arbeit auf ein Minimum: Er gab dafür wohl lediglich seinen ›guten‹ Namen her. Drittens wird an den Herausgaben und Übersetzungen Moritz’ eigenes Engagement für die Belange einer möglichst umfassenden Volksaufklärung deutlich: Die Übersetzung von John Truslers Umgangslehre, Regeln einer feinen Lebensart

und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene (Berlin 1784), gehört in diesen Kontext. Zugleich läßt sich an diesem Band viertens Moritz’ Interesse daran ablesen, die englische Kultur, Lebensart und Literatur, der er zum einen als Leser, Sprachlehrer, Sprachforscher und Übersetzer, zum anderen seit seiner Englandreise 1782 sehr verbunden war, im spätaufklärerischen Deutschland bekannt zu machen. Bei Unger gab er Elizabeth Blowers bürgerlichen Liebesroman Maria heraus (Berlin 1786); der erste Teil des Romans wurde vom Verleger Unger selbst, der zweite Teil von Ungers Ehefrau Friederike Helene Unger übersetzt. In eigener Übersetzung veröffentlichte Moritz den ersten Band der Elements of Moral

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Herausgegebene Schriften

Science (unter dem Titel Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790), deren Verfasser, James Beattie, u. a. die Moralphilosophie der Berliner Spätaufklärung insbesondere mit dem ›common sense‹-Gedanken entscheidend prägte. Zeitgleich zu seinem mehrteiligen Buch Reisen eines Deutschen in Italien (1790–1793; vgl. KMA 5/2) arbeitete Moritz an der Übertragung von Adam Walkers Ideas, Suggested on the Spot in a Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy aus dem Englischen (Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791), so daß sich sein Interesse an Walkers Bemerkungen wohl auch darauf zurückführen läßt; ggf. mag hierfür (wie in vielen anderen Fällen, etwa im Fall Maimons) zudem das Interesse an der Person Walkers und an dessen Lebensgeschichte, die der seinen ähnlich ist, eine Rolle gespielt haben. Thomas Holcrofts Anna St. Ives. A Novel, der in der poetischen Form eines empfindsamen Briefromans die Ideen der Französischen Revolution popularisierte, wurde zu weiten Teilen wohl nicht von Moritz selbst, sondern von seinem Freund Karl Friedrich Klischnig ins Deutsche übertragen; das fünfbändige Werk erschien bei Unger zwischen 1792 und 1794. Ob Moritz Mary Robinsons – in der Tradition der ›gothic novels‹ stehenden – Roman Vancenza übersetzt hat, den er als ersten Titel seiner Reihe Kabinet der neuesten englischen Romane Ende 1792 veröffentlichte, ist ebenfalls mehr als fraglich; als zweiter Titel der Reihe (die danach allerdings nicht weiter geführt wurde) erschien Mitte 1792 Susannah Gunnings Roman Anecdotes of the Delborough Family (unter dem Titel Leiden der Familie Delborough). Mit der englischen Sprache soll Moritz erstmals im Alter von zehn Jahren in Berührung gekommen sein: Während eines dreimonatigen Aufenthalts in Bad Pyrmont lernte er einen Engländer kennen, der ihm erste Grundkenntnisse vermittelte,1 die Moritz dann in seiner Schulzeit auf der Hohen Schule in Hannover im Rahmen von Privatstunden vertiefte.2 Darüber hinaus setzte er sich bereits in der Schulzeit intensiv mit englischer Literatur auseinander – neben Shakespeare spielten u. a. Autoren wie Pope, Sterne, Fielding oder Richardson eine Rolle3 – und trug im Jahr 1776 ein eigens für diesen Anlaß verfaßtes Geburtstagsgedicht auf Königin

1

Vgl. Schrimpf 1980, S. 13. Vgl. Winkler 2006, S. 33, 65. 3 Vgl. Meier 2000, S. 22f., S. 120; Schreiner 1992, S. 192. 2

Herausgegebene Schriften

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Sophie Charlotte vor.4 Sein Studium in Wittenberg hat Moritz dann vorwiegend durch Englischunterricht und durch Übersetzungen finanziert. Eine offizielle Bekanntmachung dieser Dienste findet sich im Vorlesungsverzeichnis des Sommers 1777: Auch giebt Hr. Moritz im Englischen Unterricht, und in Lesung der besten englischen Schriftsteller.5 Seiner vielfältigen Unterrichtspraxis wegen hat sich Moritz schon früh mit den Problemen einer angemessenen Vermittlung der englischen Sprache beschäftigt; insbesondere hat er sich darum bemüht, lautschriftartige Erläuterungen zur Aussprache zu erstellen, die in den zeitgenössischen Sprachlehren fehlten (Tabelle von der englischen Aussprache, 1779; zu Moritz’ Arbeiten auf diesem Gebiet vgl. außerdem Tabelle von der Englischen Ethymologie, 1779, und Anweisung

zur englischen Accentuation nebst vermischten Aufsätzen die englische Sprache betreffend, 1781; alle Beiträge fanden Eingang in die Englische Sprachlehre für die Deutschen, 1784; s. KMA 8). Moritz’ besondere Neigung zur englischen Sprache und Kultur verwundert nicht: Als gebürtiger Hannoveraner war er Untertan der britischen Krone, da das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg seit 1714 durch Personalunion mit dem britischen Königreich verbunden war; eine enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit beider Regionen konnte dabei nicht ausbleiben. Diese Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kurfürstentum und englischer Krone begünstigte es sicherlich noch, daß sich die deutschsprachigen Territorien ab Mitte des 18. Jahrhunderts insgesamt zunehmend an England orientierten (Anglophilie).6 Frankreichs kulturelle Oberhoheit ging allmählich verloren, und immer öfter wurde ein idealisiert aufgeklärtes England gegen die höfische Kultur Frankreichs in Stellung gebracht.7 Im Mittelpunkt standen dabei mit der konstitutionellen Monarchie verbundene Vorstellungen von ›britischer Freiheit‹, die einer kritischen bürgerlichen Öffentlichkeit uneingeschränkte aufgeklärt-freiheitliche Denkräume ermöglichen sollte. Von der Übernahme zentraler Elemente britischer Kultur (Verfassung, Parlament, Bürgerrechte) erhoffte man sich demnach eine katalytische Wirkung für deren Umsetzung auch in der deutschen Politik. Ihren Höhepunkt

4

Vgl. Klingenberg 1995, S. 37. In: Wittenbergsches Wochenblatt zum Aufnehmen der Naturkunde und des ökonomischen Gewerbes, 16. St., 25. April 1777, S. 128 (KMA 13); vgl. Eybisch 1909, S. 74. 6 Vgl. dazu grundsätzlich Maurer 1987. 7 Vgl. Gottschlik 1997, S. 216. 5

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Herausgegebene Schriften

erreichte die Englandbegeisterung in den 1780er Jahren; sie bezog sich längst nicht mehr allein auf politische Fragen, sondern umfaßte mit der verbreiteten Vorliebe für englische Waren, für englische Mode oder für englische Gebräuche schon bald weite Teile des alltäglichen Lebens. Entsprechend wurde England als Ziel adliger und bürgerlicher Bildungsreisen immer beliebter. Die dabei entstehenden Reiseberichte vermehrten wiederum das Wissen über England, förderten den Kulturtransfer und machten die deutschen Leser mit völlig neuen Phänomenen der einsetzenden Modernisierung bekannt, z. B. mit dem Leben in der Großstadt. Bemerkenswerterweise lag der Anteil der Reiseberichte an den englischen Übersetzungen zur Zeit der Leipziger Ostermesse 1780 bereits bei 16 Prozent;8 der Reisebericht hat sich somit in der zweiten Jahrhunderthälfte zu einem ›Modegenre‹ entwickelt. Für Moritz als Herausgeber aufschlußreich sind Passagen der Englandreise, in denen er seine Beobachtungen zum dortigen Buchmarkt notiert. Er beschreibt darin die englische Nation als eine Nation von Lesern; Literatur werde breit und günstig vertrieben; Buchreihen mit Übersetzungen ausländischer, darunter auch deutscher Werke, seien keine Seltenheit.9 Moritz’ Idee zu thematisch vielfältigen Übersetzungen aus dem Englischen mag hier ebenso ihren Ursprung haben wie der Plan zum Aufbau einer englischen Romanbibliothek. Für den deutschen Buchmarkt insgesamt wird angenommen, daß »der Anteil der Übersetzungen aus dem Englischen an der Gesamtbuchproduktion zwischen 1700 und 1800« bei »in etwa sechs Prozent« lag, wobei der bei weitem größte Teil »im letzten Jahrhundertdrittel« publiziert wurde;10 aus dem Englischen übersetzte Romane hatten dabei »einen Anteil von 36 Prozent an der Romanproduktion dieses Zeitraumes«.11 Genaue Anleitungen zur Übertragung oder gar eine ausgefeilte Übersetzungstheorie standen dabei nicht zur Verfügung.12 Moritz selbst war daran interessiert, dem Original so nahe wie möglich zu kommen, und er ging davon aus, daß dies gerade nicht durch Erweiterungen und Zusätze, sondern durch Kürzung und Konzentration der Vorlage gelingen werde. Entsprechend hob Moritz im Vorwort zu Ungers Übersetzung von Elizabeth Blowers Roman Maria deren besondere

8

Vgl. Willenberg 2008, S. 185. RDE, Eintrag vom 9. Juni 1782, S. 37–41 (KMA 5/1). 10 Vgl. Willenberg 2008, S. 175. 11 Ebd., S. 177. 12 Ebd., S. 258. 9

Herausgegebene Schriften

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Leistung hervor, die darin bestehe, manches zu Weitschweifige und Ermüdende wegzulassen und das Interessante näher zusammenzubringen (vgl. S. 233,10–12); die Übersetzung von Thomas Holcrofts Anna St. Ives zielte v. a. darauf ab, den Sinn des Originals aufzufassen (vgl. S. 295,28–29). Folgt man den Rezensionen zu den Moritz zweifelsfrei zuzuordnenden Übersetzungen, läßt sich sagen, daß seine Übertragungsleistung grundsätzlich positiv bewertet wurde – bis auf kleinere Schnitzer etwa in der Walker-Übersetzung (vgl. S. 669 in vorliegendem Bd.). Ein Rezensent des von Moritz herausgegebenen Romans Vancenza oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit (Berlin 1793) geht jedenfalls davon aus, der Roman sei sicherlich nicht von Moritz übertragen worden, weil die vorliegende Übersetzung den Schmuck noch mehr geschmückt, die Schnörkel noch mehr verschnörkelt hat (vgl. S. 697 in diesem Bd.).

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Zur Herausgabe von John Trusler, Regeln einer

feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene, Berlin 1784 Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht

für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene von D. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt mit einer Zugabe von Carl Philipp Moritz. Berlin, bei August Mylius 1784. 3 Bl., 240 S. D2 Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht

für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene von D. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt mit einer Zugabe von Carl Philipp Moritz. Frankfurt und Leipzig 1786. 3 Bl., 244 S. D3 Anfangsgründe der feinen Lebensart und Weltkenntniß, zum Un-

terricht für die Jugend beiderlei Geschlechts, auch zur Beherzigung für Erwachsene, von Dr. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Philipp Moritz. Zweite Auflage, umgearbeitet, auch mit Zusätzen und einer Nachlese aus Chesterfield und anderen, inngleichen hin und wieder mit einigen Abänderungen versehen durch August Rode. Berlin, bei August Mylius, 1799. XXII u. 280 S. Grundlage für den edierten Text: D1.

John Trusler, Regeln

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Druckvorlagen: 1.) Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Sig. N 48773; 2.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Yl 6794 MF–2.

2. Varianten 227,6 seit langer] lange D3 227,6 eine Gewohnheit] Sitte D3 227,6 die] den D3 227,6 zu] bei D3 227,7 zu] die Hände zu D3 227,7–11 weil aber diese Freiheit 〈. . .〉 mit einer entfernten Verbeugung

ein] allein jetzt scheint es abgekommen zu seyn. Leute von feiner Lebensart pflegen sich bloß mit einer entfernten Verbeugung darzustellen D3 227,8 Freiheit] Freyheit D2 227,10 Freiheit] Freyheit D2 227,14 Kurz] Kurz, D2 D3 227,14 Wohlgezogenheit] feine Lebensart D3 227,16 darin] darinn D2 227,16 ist.] ist: D3 227,17 Geschäften] Geschäften, D3 227,18 diese Wohlgezogenheit] die feine Lebensart D3 227,19 Insbesondre sey] Sey besonders D3 227,20 den Anstand] die Manieren D3 227,21 ihnen] sie D3 227,21 zuletzt] endlich D3 227,22–23 die Wohlgezogenheit bei jeder irdischen Geschicklichkeit,] feine Lebensart allen weltlichen Eigenschaften D3 227,22 bei] bey D2 227,23 die Menschenliebe bei] die Menschenliebe bey D2 Menschenliebe den D3 227,24 Verdienst,] Verdienst D3 227,24–25 oft bedeckt sie den Mangel desselben] verbirgt oftmals dessen Mangel D3 228,7–8 lernen, selbst] lernen; D3 228,8 überzulehnen und zu schaukeln] zurückzulehnen D3 228,9 Freiheit] Freyheit D2

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Herausgegebene Schriften

228,10 diese] jene D3 228,10 Freiheit] Freyheit D2 228,12–13 angenehmes Betragen, und ein gefälliges Wesen] artiges Wesen, und eine gefällige Anrede D3 228,13 bei] bey D2 228,13 seyn kann] sind D3 228,13–14 gewinnen uns] bestricken D3 228,14–15 die Meinung anderer zu unserm Vortheil, und] für uns ein günstiges Vorurtheil, D3 228,14 Meinung] Meynung D2 228,15 ein] das D3 228,26 kurzen Rock und Weste] eine Reitjacke mit einer Chemisette D3 228,27 einen] einem D3 228,27–28 der ihnen bis auf die Knie herabhängt] vor dem sie kaum gehen können D3 228,28 gestutzt] gesetzt D3 229,1–2 tragen bocklederne] gehen in bockledernen D3 229,2 einen] und D3 229,2 Frack] Fracks D3 229,2 und großen Dornstock] führen große eichene Prügel D3 229,3 mit niedergeklaptem Hut] haben runde Hüte D3 229,3 und unfrisirtem Haar,] das Haar unfrisirt D3 229,4 einen ungeheuren Zopf:] nur eingeflochten, D3 229,4–5 diese ahmen dem Fuchsjäger äußerlich so richtig nach] und thun

es den Stallknechten und Bauerbengeln in ihrem Aeußerlichen so gut nach D3 229,6 229,6 229,9 229,9

demselben] denselben D3 pudern] malen und pudern D3 dieß] dies D3 alle übrige Ziererei] alle übrige Ziererey D2 überhaupt alle Affek-

tation D3

229,10–12 in so fern gut und nach der Mode 〈. . .〉 verzeihen] nicht unter,

nicht über seinen Stand; nicht unter und nicht über sein Vermögen; nicht phantastisch, nicht bunt, nicht ohne Noth prächtig, glänzend noch kostbar; aber reinlich und geschmackvoll D3 229,18 giebt] gibt D3

John Trusler, Regeln

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229,18–19 Mann vom Stande] artigen Mann D3 229,19–20 wohlerzogne] wohlerzogene D3 229,20 muß] sollte D3 229,21 Glück«,] Glück,« D3 229,22 Verlust«,] Verlust,« D3 229,23 Mine] Miene D2 229,24 demohngeachtet ist es aber] demungeachtet aber ist es D2 nichtsdestoweniger aber ist es D3 229,24 Mann nach der Welt] Weltmann D3 229,26 verschaft] verschafft D2 D3 229,27 Zu einem 〈. . .〉] Zu einem anderen D2 Dem andern D3 229,28 Beileidskomplimente] Beyleidskomplimente D2 229,28 ohngefähr] ungefähr D3 229,28 damit] so D3 229,28–29 hoffe, mein Werthester,] hoffe, D3 229,29 lassen] werden D3 229,29 wiederfahren] widerfahren lassen D3 229,30 bei] bey D2 229,30 ihrem] Ihrem D2 D3 229,30 fühlloß bin,] unempfindlich bin. D3 229,30–31 ich nehme Theil] Ich nehme den aufrichtigsten Antheil D3 229,31–230,1 und werde beständig dadurch bewegt seyn, wenn Sie es sind.«] da gewiß nichts was Sie angeht, mir gleichgültig seyn kann.« D3 230,1 dieß] dies D3 230,4 wo es seyn soll:] am rechten Orte, D3 230,4 die] solche D3 230,4–5 hier bloß betrachtet, als Worte, die einmal gäng und gäbe sind] bloß als hergebrachte Worte betrachtet D3 230,6 zu keinem Irrthum mehr] in keinen Irrthum D3 230,6 können] können nicht D3 230,7 keine Freundschaft, aber wohl] Freundschaft, wohl aber D3 230,9 Mann vom Stande] feinen Mann D3 230,12 Meinung] Meynung D2 230,12 ohngeachtet] ungeachtet D2 230,12–13 Wiederlegung] Widerlegung D2 230,17 Die Kälte der Seele, und Gleichgültigkeit der Miene] Jene Kaltblütigkeit, jene unbefangene Gelassenheit D3

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230,17 einer] die D3 230,18 Handlungen,] Handlungen D3 230,19 vorbeugt] verhütet D3 230,20 Jemand, der unangenehme] Wer mißfällige D3 230,21 Zorns oder der Unruhe] Unwillens und Verdrusses D3 230,23 und] und eine D3 230,23 erweiternde] ausglättende D3 230,23–24 hängt von der List und Verstellung] der steht in der Gewalt D3 230,24 Bösewichts ab] arglistigen Schalks D3 230,25 reitzen] reizen D3 230,28 beim] beym D2 230,28 Chartenspiel] Kartenspiel D3 230,30 Vorzug vor einem andern] Vortheil über denjenigen D3 231,1 weil man seine Charten] indem er dessen Karten D3 231,1–2 kann; so] kann: eben so D3 231,2 wird] nutzt D3 231,2–4 kindischen Menschen 〈. . .〉 die Umstände zu nutzen suchen] schwazhaften Gesichte zu thun hat, die Umstände D3 231,4 die Folgen mögen nun] mögen die Folgen D3 231,5 schädlich] nachtheilig D3 231,6 freilich] freylich D2 231,6–7 nachzuahmen!] nachzuahmen. D2 231,12 12)] 11) D3 231,12 Mann von Erziehung] Mann vom Erziehung D1 gebildeter Mann D3 231,12 von] vom D1 231,13 Wenn er Charte spielt] Spielt er Karten D3 231,13 wird’s] wirds D2 ists D3 231,14 M a r i a g e , ] M a r i a g e D3 231,14 H a h n r e i ] Hahnrey D2 231,14–15 seyn; macht er sich Leibesbewegungen] spielt er andre Spiele zur Bewegung D3 231,15 wird’s] wirds D2 ists D3 231,15 nicht Ballspiel, Kegelspiel, seyn;] weder Schlageball, noch Kegel, noch Cricket, noch Kutschieren, D3 231,16–17 wird beständig in seinem Betragen 〈. . .〉 wolle] beobachtet auch bei dieser Gelegenheit die Schicklichkeit D3

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231,19 geben] aufdrücken D3 231,19–25 Außerdem giebt es noch eine Art von Vergnügung 〈. . .〉 herab.] fehlt in D3 231,22 freilich] freylich D2 231,23 freien] freyen D2 231,24 bei] bey D2 232,2 ist:] ist: Gegen Leute von niederm Stande zeige mehr ein herzliches

Wohlwollen, als eine zu gesuchte Höflichkeit; denn dadurch würdest du den Verdacht erregen, als spottetest du ihrer. Z. B. Gegen einen Mann vom Lande muß deine Höflichkeit gar sehr verschieden von derjenigen seyn, die du gegen einen Mann aus der großen Welt beobachtest. Wenn du ersteren empfängst, thue es auf eine herzliche und lieber ein wenig bäurische Weise, damit seine Schüchternheit ihn nicht verlegen mache. D3 232,2 wenn] Bist D3 232,3 in] in in D1 232,3–4 bist, daß du ihn nicht fühlen lässest] so laß ihn ja nicht fühlen D3 232,4 Zuthun] Zuthun, D2 232,5 Versehen] Fehler D3 232,7 Range, Fähigkeit,] Fähigkeit, Range, D3 232,10–11 und weil nun Demühtigungen Unglückliche machen] da nun die Leute demüthigen, sie unglücklich machen heißt D3 232,11 Demühtigungen] Demüthigungen D2 232,11 können sie nichts] kann es auch nichts anders D3 232,12 schlechteste Erziehung, verrathen] ärgste Grobheit seyn D3 232,13 als ihr selbst zu schmeicheln;] zu schmeicheln, als das Gegentheil zu thun. D3 232,13–14 mache, wo möglich, daß er sich selber lieben wird] Mache, jeden, wo möglich, noch mehr verliebt in sich D3 232,14–15 wirst gewiß seyn, seine Achtung zu gewinnen;] bist dessen Achtung um so sicherer. D3 232,15 niemals sage ihm] Sage niemand D3 232,15 nicht gerne] ungern D3 232,16 Dinge, die] irgend etwas das D3 232,16 setzen könnten] setzt D3 232,17 laß] lasse D3 232,17 deine beständige Bemühung] dein emsiges Bemühen D3

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232,17 bei] bey D2 232,17 Gelegenheiten] Gelegenheiten, D3 232,18 gefallen: das wird] gefallen. Hiedurch wirst du D3 232,18 aus Feinden] anstatt Feinde D3 232,18–19 verursachen, daß sie dir am Ende selbst nützlich werden] so am Ende deinen eigenen Vortheil befördern D3

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Moritz’ Trusler-Übersetzung ist zur Ostermesse 1784 vorgelegt worden.1 Sie erschien gleichzeitig mit der englischen Originalfassung, die ebenfalls August Mylius in seinem Verlag veröffentlichte: Principles of Politeness, and of Knowing the

world, In Two Parts. Containing Every Instruction necessary to complete the Gentleman and Man of Fashion, to teach him a Knowledge of Life, and make him well received in all Companies. For the Improvement of Youth yet not beneath the Attention of any. By the Reverend Dr. John Trusler. Part II. is particularly addressed to Young Ladies. Berlin Printed for August Mylius in Brother-Street 1784 (162 S., 6 Bl.).2 Ankündigungen der TruslerÜbertragung sind in den Meßkatalogen nicht überliefert, so daß die Vermutung naheliegt, Moritz habe diese Arbeit kurzfristig im Zusammenhang mit der englischen Ausgabe bei Mylius begonnen. Quellen zu Moritz’ Beschäftigung mit Truslers Werk sind nicht überliefert. Spätestens seit 1781 hat Moritz sich mit zeitgenössischer Anstandsliteratur beschäftigt und auch an seinem Briefsteller gearbeitet, der im September 1782 herauskam.3 Vmtl. erfolgte die Übertragung im Zeitraum zwischen 1782 und Anfang 1784. Daß Moritz die Übersetzung von Truslers Principles of Politeness selbst angefertigt hat, überliefert Klischnig.4

1

Vgl. Meßkatalog Ostern 1784, S. 881. Exemplar Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Sig. Np 16336. Vgl. die verkürzte Anzeige im Meßkatalog der Frankfurter und Leipziger Ostermesse 1784, S. 906. 3 Vgl. Überblickskommentar zu KMA 9, S. 442f. 4 S. Klischnig, Erinnerungen, S. 267: Außer diesen Werken hat er noch folgende Schriften 2

aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben. 1. Truslers Regeln einer feinen Lebensart, 1784. Vgl. dazu Klingenberg 1995, S. 38f.

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Der betriebsame Kompilator John Trusler hatte die Erstausgabe seiner Principles of Politeness, extracted from Chesterfield’s Letters 1775 in London veröffentlicht. Das Werk erlebte zahlreiche Auflagen; 1782 kam die Twelfth Edition heraus. Der als »very camaleon of literature«5 geltende Trusler wurde 1735 in London geboren und starb 1820 in Bathwick. 1759 erhielt er die priesterliche Weihe und arbeitete dann als Geistlicher in verschiedenen Gemeinden, später war er als erfolgreicher Verleger und Buchhändler tätig. Truslers Principles of Politeness kompilieren die Verhaltensmaximen Philip Dormer Stanhopes, des vierten Earl of Chesterfield (1694–1773), die dieser seinem natürlichen Sohn Philip Stanhope in Briefen mitgeteilt hatte und die, postum in mehreren Auflagen veröffentlicht, große Publikumswirkung erzielten: Letters

written by the late Right Honourable Philip Dormer Stanhope, Earl of Chesterfield, to his son, Philip Stanhope, Esq. Ç. . .È together with several other pieces on various subjects. Published by Mrs. Eugenia Stanhope, from the originals now in her possession, 2 Bde., Dublin 1774. Im Vorwort zu den Principles schrieb Trusler: The late Lord Chesterfield having been universally allowed to be one of the best bred men of the age, and most intimately acquainted with the principles and manners of mankind; the Editor of the following pages humbly apprehends he could not do the rising generation a greater service, than by collecting those valuable precepts that are contained in his celebrated Letters to his Son, digesting them under distinct heads, and thereby forming a system of the most useful instruction. To that end, he has diligently selected every observation and remark that can possibly improve or inform the mind within the rules of morality: and where there seemed a deficiency in any part of the system, from the occasional chasms in Lord Chesterfield’s correspondence, he has endeavoured to supply it. Much might have been said on the subject of indelicacy; but as instructions on that head, to persons possessed of a liberal education, must be unnecessary, they are here purposely omitted. Some may be apt to think, that many things on this work are too frivolous to be mentioned; but when it is remembered, they are calculated for the multitude, it is presumed they will be received as respectable admonitions. In short, it has been the Editor’s study to make Lord Chesterfield useful to every class of youth; to lay

5

Watkins/Shoberl 1816, S. 355.

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that instruction before them, which they with difficulty must have found amidst a heap of other matter; in a word, to give the very essence of his letters and at a tenth part of the p r i c e those letters sell for.6 Die Arbeit Truslers stellt eine Auswahl, Neuordnung und Verkürzung der Ratschläge Chesterfields dar. Eine Synopse zweier exemplarischer Textpassagen veranschaulicht Truslers kompilatorische Vorgehensweise: 22 B e n o t d a r k n o r m y s t e r i o u s . 61 20. Be careful not to appear dark and TAKE care never to seem dark and my- mysterious, lest you should be thought susterious; which is not only a very un- spicious; than which there cannot be a amiable character, but a very suspicious more unamiable character. If you appear one too: if you seem mysterious with ot- mysterious and reserved, others will be truhers, they will be really so with you, and ly so with you; and in this case, there is an you will know nothing. The height of end to improvement, for you will gather no abilities is, to have a frank, open, and in- information. Be reserved, but never seem genuous exterior, with a prudent and re- so. (John Trusler, Principles of Politeness, served inte- 23 rior; to be upon your own and of Knowing the World. In two parts. guard, and yet, by a seeming natural The twelfth edition, with additions. London openness, to put people off of theirs. The 1782, S. 61).7 majority of every company will avail themselves of every indiscreet and unguarded expression of yours, if they can turn it to their own advantage. (Lord Chesterfield’s advice to his son, on men and manners: or, a new system of education, in which the principles of politeness, the art of acquiring a knowledge of the world, with every instruction necessary to form a man of honour, virtue, taste, and fashion, are laid down in a plain, easy, & familiar manner. The third edition, London 1777, S. 22f.)

6

John Trusler, Principles of Politeness, and of Knowing the World. In two parts. Ç. . .È The twelfth edition, with additions, London 1782, unpag.; fast textgleich mit der 1784 bei August Mylius erschienenen englischen Ausgabe. 7 Vgl. Moritz’ Übersetzung: Hüte dich nicht finster und geheimnißvoll zu scheinen,

damit man dich nicht für argwöhnisch halte; welches der allerungefälligste Charakter ist. Wenn du beständig geheimnisvoll und zurückhaltend scheinest, so werden es andere gegen dich wirklich seyn; und in diesem Fall hat dein Lernen ein

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Die erste deutsche Übersetzung von Chesterfields Letters to his Son erschien 1774 bis 1777. Die kritische Rezeption der Chesterfieldschen Verhaltenslehre im deutschsprachigen Raum verbindet sich hauptsächlich mit dem Namen Joachim Heinrich Campes, dessen Schrift Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend (2 Teile, Hamburg 1783; 2. Aufl. Wolfenbüttel 1786) einen Abschnitt mit Merkwürdigen Lebensregeln aus des Grafen von Chesterfield Briefen an seinen Sohn enthält. Campes Bearbeitung der Vorlage folgt den gängigen bürgerlich-aufklärerischen Forderungen an das gesellschaftliche Verhalten des einzelnen, das sich durch Tugendhaftigkeit und Natürlichkeit auszeichne. Dagegen zielten Chesterfields höfisch-aristokratische Verhaltensmaximen in der Tradition u. a. von Balthasar Gracia´ns Handorakel und Kunst der Weltklugheit (1653) auf den Scharfsinn und die Weltgewandtheit des homo politicus ab, der eben jene Schliche, Kniffe, Winkelzüge und Maskierungen zu erlernen hatte,8 die Campe und auch Moritz als Täuschung, genauer als Verstellung ablehnten (vgl. Moritz’ Anmerkung zu Truslers Regeln S. 230,3 in diesem Bd.).9 Die Tendenz von Moritz’ Trusler-Kritik entspricht der seiner rousseauistisch gefärbten Ablehnung des Faden und Abgeschmackten herkömmlicher Formeln des Anstands, wie er sie in der etwa gleichzeitig entstandenen Anleitung zum Briefschreiben umsetzte (vgl. KMA 9, S. 9,8). Moritz hat der Trusler-Übersetzung nicht die auf dem Titelblatt angekündigte Zugabe, die eine ausführliche Kritik an Chesterfields Maximen enthalten sollte, beigefügt; vgl. dazu die Verlegernotiz auf S. 240 der Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß:

Die auf dem Titel von dem Herrn Uebersetzer versprochene Zugabe bleibt weg, weil sie ihm unter der Hand zu sehr angewachsen ist, und soll als ein besonderes Buch erscheinen. Der Herr Uebersetzer will darinn aus-

Ende; weil man dich nicht mehr belehren wird. Sey zurückhaltend, aber scheine es nie zu seyn (Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene von D. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt mit einer Zugabe von Carl Philipp Moritz. Berlin, bei August Mylius 1784, S. 155). 8 9

Vgl. u. a. Baltasar Gracia´n, Über die kluge Konversation, in: Schmölders 1986, S. 154–161. Vgl. u. a. George Washington, Regeln der Höflichkeit in der Konversation, in: Schmölders 1986, S. 208–212; zur bürgerlich-aufklärerischen Kritik an Chesterfield vgl. Vowinckel 1992, S. 89–117.

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führlich seine Meinung über die C h e s t e r f i e l d s c h e n Grundsätze, worauf der Herr D. Trusler gebauet hat, und womit er nicht ganz zufrieden ist, sagen, und daraus sind auch die hie und da dem Buche beygefügte Anmerkungen zu erklären. Die angekündigte Zugabe ist nicht mehr als eigenständige Publikation erschienen, vmtl. weil Moritz mit anderen umfangreichen Projekten (Anton Reiser, Magazin zur Erfahrungsseelenkunde etc.) ausgelastet war.

2. Rezeptionsgeschichte Moritz’ Übersetzung von Truslers Leitfaden zur Lebensart wurde in der Presse relativ gut besprochen und fand offenbar auch guten Absatz; die Qualität der Übersetzung wurde sehr unterschiedlich bewertet. Ende der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts war das Buch vergriffen. Auf Anraten des Verlegers Mylius bearbeitete daher der Dessauer Pädagoge und Staatsmann August Rode (1751–1837) die Übersetzung neu und fügte dem Truslerschen Auszug noch andere Beigaben hinzu. Rode kritisierte die Qualität von Moritz’ Übertragung scharf, wobei er sich auf die fälschliche Vermutung stützte, Moritz habe das Buch vor seiner Englandreise bearbeitet; er nannte aber auch Gründe für den Erfolg der Truslerschen Schrift:

Als der verstorbene Hofrath und Professor M o r i t z im Jahre 1784 seine Uebersetzung dieses Buchs unter dem Titel: G r u n d s ä t z e e i n e r f e i n e n L e b e n s a r t u n d We l t k e n n t n i ß , lieferte, war er noch nicht in England gewesen, und seine Kenntniß der Englischen Sprache, so wie der Sitten der Welt, war noch höchst mangelhaft. Beweise hievon finden sich nur zu viel in seiner Uebersetzung, wie jeder sich leicht davon ueberzeugen kann, der sich die Mühe nehmen will, etwas davon mit dem Originale zu vergleichen, oder auch nur die Einleitung mit Aufmerksamkeit zu lesen. Gleichwohl hat, beim gänzlichen Mangel eines Leitfadens für die Jugend beiderlei Geschlechts beim Eintritte in das Labyrinth der Welt, die Auflage der M o r i t z i s c h e n Uebersetzung sich völlig vergriffen.10

10

2. Aufl., August Rode, Vorrede zur neuesten Ausgabe der Uebersetzung, S. IX–X.

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Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Anton Friedrich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften, 12. Jg., 19. St., 10. Mai 1784, S. 148.

Man kann dieses Buch auch für deutsche Jugend nützlich gebrauchen, ungeachtet Trusler auf die Chesterfieldschen Grundsätze gebauet hat, die nicht alle Beyfall verdienen. H e r r M . hat schon hin und wieder in kurzen Anmerkungen etwas verbessert, aber die Zugabe, welche der Titul verspricht, und in welcher die Chesterfieldschen Grundsätze ausführlich geprüfet werden sollten, nicht geliefert. 2. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 117. St., 22. Juli 1784, S. 1174f. Principles of Politeneß and of Knowing the world in two Parts – by the Revd Dr. J. Tr u s l e r. Bey Mylius 1784. Octav. Der Gedanke ist sehr gut, jungen Leuten

einige Vorschriften von guter Lebensart in die Hände zu liefern. Der V. hat hierzu eine sehr gute Quelle gewählt, indem er aus den Briefen Lord’s Chesterfield die schicklichsten Anmerkungen ausgewählt hat. Der zweyte Theil ist mehr für das andre Geschlecht eingerichtet. Bey dem Verleger dieses Abdrucks des Englischen ist auch eine deutsche Uebersetzung erschienen. R e g e l n e i n e r f e i n e n L e b e n s a r t u n d We l t k e n n t n i ß , – von D . J . Tr u s l e r : – m i t e i n e r Z u g a b e v o n C a r l P h i l . M o r i t z . 1784. Octav. Die Zugabe ist aber weggeblieben, und soll einmal als ein besonderes Buch erscheinen. Der Uebersetzer selbst mag wohl nicht lange an seiner Arbeit gefeilt haben. Gleich S. 1. »so glaube ich d e r w e r d e n d e n M e n s c h h e i t keinen größern Dienst leisten zu können etc. the rising generation.Ç«È »Suche dich zu guter Gesellschaft, und vorzüglich zu die, die höher als du sind, zu halten.«

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3. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 38, 15. Februar 1785, S. 162

B e r l i n , bey Mylius: P r i n c i p l e s o f P o l i t e n e ß , and of K n o w i n g t h e Wo r l d i n t w o P a r t s ; Containing every Instruction necessary to complete the Gentleman and Man of fashion, to teach him a Knowledge of Life, and make him well received in all Companies; for the improvement of Youth, yet not beneath the attention of any. By the reverend Dr. J o h n Tr u s l e r . Part II. is particularly addressed to young Ladies. 162 S. 8. Ebendas. R e g e l n e i n e r f e i n e n L e b e n s a r t u n d We l t k e n n t n i ß z u m U n t e r r i c h t f ü r die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene von D . J o h n Tr u s l e r . Aus dem Engl. übersetzt mit einer Zugabe von C a r l P h i l i p p M o r i t z . 240 S. Truslers Büchlein ist eigentlich ein Auszug aus C h e s t e r f i e l d ’ s Briefen, welches sowohl im Original als der Uebersetzung gleich auf dem Titel anzuführen billig gewesen wäre. Sonst ist es ein sehr nützliches Lesebuch für die erwachsene Jugend in den gesittetern Ständen. Die auf dem Titel versprochene Zugabe des Hrn. P. M o r i t z ist weggeblieben, soll aber als ein eignes Buch erscheinen. Mit der Uebersetzung hat man alle Ursach zufrieden zu seyn. 4. Allgemeine deutsche Bibliothek, 65. Bd., 1. St., Berlin und Stettin 1786, S. 298–300 (Zf. = Leske) Principles of Politeneß and of Knowing the world in two Parts, containing every Instruction necessary to complete the Gentleman and Mann〈!〉 of Fashion, to teach him a Knowledge of Life, and make him well received in all Companies. For the improvement of Youth yet not beneath the Attention of any. By the reverend Dr. J o h n Tr u s l e r . Berlin. Mylius, 1784. 11 Bogen in 8vo. 299

Regeln der feinen Lebensart und Weltkenntniß. Zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene von D . J o h n Tr u s l e r . Aus dem Englischen übersetzt mit einer Zugabe von C a r l P h i l i p p M o r i t z . Berlin, bey Mylius, 1784. 15 ½ Bogen, in 8vo. Wenn gleich feine Lebensart von denen, die sie besitzen, nicht leicht aus blossen Bücherregeln erlernt worden ist, so wenig als der Dichter und Redner dieses durch Poetik und Rhetorik geworden ist: so haben dennoch

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Anweisungen zur feinen Lebensart, eben so wie Poetiken und Rhetoriken den Nutzen, daß sie das Talent geschwinder entwickeln, den Weg der Nachahmung sicherer führen, vor Fehlern der Unwissenheit schützen, und die Bildung des guten Geschmacks von dieser Seite befördern. Die gegenwärtigen sind auf Chesterfields Grundsätze gebaut, und zum Theil aus seinen Briefen gezogen, dessen Bildniß daher dem Buche in beyden Ausgaben vorgesetzt ist, und sind, außer den gewöhnlichen Lebensregeln, so voll feiner Bemerkungen über Wohlstand und Schicklichkeit, daß nicht ein Leser sie ohne Belehrungen für sich wird lesen können. Wir wollen die Rubriken, unter die der Verfasser seine Regeln gebracht hat, kurz hersetzen. Bescheidenheit, Lügen, Wohlgezogenheit – oder äußere Höflichkeit im Umgang. Anständiges Betragen (in Gesellschaft, bey Tisch, im Reden, Sitzen etc.) Reinlichkeit des Körpers. Kleidung – Eine Regel heißt: wenn du einmal angekleidet bist, so denke nicht mehr daran. Feinheit im Ausdruck, Anrede, Wahl des Ausdrucks, kurzer Wortwechsel (d. i. kleine Unterredungen über unwichtige Gegenstände, z. E. Speisen, Wetter u. s. f. Beobachtung (anderer, um die Kunst zu gefallen zu erlernen.) Abwesenheit der Gedanken, Zerstreuung. Weltkenntniß – zumal in Ansehung der Freundschaften. Wahl der Gesellschaften. Lachen – es sey weiter nichts: »als ein plötzlicher Ausbruch, der aus einer schnellen Vorstellung irgend eines Vorzugs, die wir bey uns selbst bemerken, verglichen mit unsern vorigen Schwachheiten, oder den Schwachheiten anderer, entsteht.« Diese zu eingeschränkte Definition wird von dem Uebers. durch keine Anmerkung geprüft. Besondere Feinheiten des Umgangs, die sich in Kleinigkeiten zeigen, – 35 an der Zahl. Einige sind wichtig und hätten besondere Rubriken verdienet. Ueberhaupt vermißt man an dem Verfasser das Talent der Anordnung und Uebersicht des Ganzen, und Vertheilung seiner Gedanken in die schicklichsten Fächer. Wir empfehlen besonders seine Erinnerung gegen das Kartenspiel, und den Gebrauch des Tabacks. Es heißt: gemeiniglich sind diejenigen, welche alle Augenblicke eine Prise Taback nehmen, schale Köpfe, die sich dieses Hülfsmittels bedienen, um ihrem Gehirne gleichsam einen Nasenstüber zu geben. Anwendung der Zeit. Würde im Betragen – »Ein wohlerzogener Mensch sey bescheiden, ohne Blödigkeit; frey und offen, ohne Grobheit; höflich und verbindlich, ohne zu kriechen; frölich und bey guter Laune, ohne wildes Geräusch und Lärm.« Regeln für die gesellschaftliche Unterhaltung – sehr schön! Vom Betragen gegen Vornehmere. Ueber das Schuldenmachen. Der andere Theil von

300

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S. 181. ist besonders jungen Damen gewidmet, und hat folgende Ueberschriften: Sittsamkeit. Von dem artigen Betragen eines Frauenzimmers im Allgemeinen – Gemälde eines eiteln Frauenzimmers. Liebe und Heyrath. Die Uebersetzung liest sich, einige kleine Nachläßigkeiten ausgenommen, sehr gut. Die einzige Redensart S. 107. in G 〈 H 〉 a s t seyn, halten wir nicht für rein. Die auf dem Titel versprochene Zugabe des Uebersetzers ist weggeblieben, und soll in einem besondern Buche nachfolgen. Darin wird doch auch die Stelle, wo der Engländer S. 74. den Zweykampf bey einem Angriff auf die Ehre zu billigen und zu rathen scheint, ihre Abfertigung erhalten. 5. Neue Allgemeine deutsche Bibliothek, 52. Bd., 1. St., Kiel 1800, S. 126f. (Vz.)

Anfangsgründe der feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterrichte für die Jugend beyderley Geschlechts, auch zur Beherzigung für Erwachsene von D. John Trusler. Aus dem Englischen übersetzt von K a r l P h i l i p p M o r i t z . Zweyte Auflage, umgearbeitet, auch mit Zusätzen und einer Nachlese aus Chesterfield und andern, imgleichen hin und wieder mit einigen Abänderungen versehen durch A u g u s t R o d e . Berlin, bey Mylius 1799. Die Briefe des berühmten Lord Chesterfield an seinen Sohn sind so vortheilhaft und so allgemein bekannt, daß ein Zusatz zu ihrem Lobe etwas Ueberflüsssges seyn würde. Der gelehrte Doktor Trusler sammelte zum Unterrichte der Jugend die in jenen Briefen enthaltenen Sitten- und Klugheitsregeln, brachte sie unter besondre Kapitel, und bildete daraus das vor uns liegende System des nützlichsten Unterrichts. Bekanntlich wurde dasselbe im Jahr 1784 vom Professor Moritz ins Deutsche übersetzt. Moritz war aber damals noch nicht ganz in den Geist der englischen Sprache eingedrungen, und seine Uebersetzung ward daher etwas fehlerhaft in die Welt geschickt. Dessen ungeachtet gieng das Buch reissend ab, und war endlich völlig vergriffen. Auf Ersuchen des Verlegers übernahm daher Hr. Rode in Dessau diese wirklich schätzbare und lesenswerthe Umarbeitung des Truslerschen Werks. Er hat sich nicht bloß damit begnügt, die Urschrift richtig zu übertragen: sondern auch zugleich durch Hinwegschneidung der selbstischen Grundsätze und der vornehmen Vorurtheile des Lords dem Buch das heimliche Gift zu benehmen, das darin verborgen lag. Auch hat er

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sich, nach seiner eigenen Versicherung, bemühet, durch eigene und fremde Mittel manche Lücke auszufüllen; besonders aber mehr Gutmüthigkeit und Humanität, auch Würde und Adel in den Gesinnungen hineinzuflößen. Der Inhalt des Ganzen ist in zwey Theile: in Anweisungen für Jünglinge, und in Anweisungen für junge Frauenzimmer eingetheilt, und wir wünschen, daß auch diese Umarbeitung des so viel gelesenen Werks von neuem recht viele Leser und Leserinnen finden möge. Stellenerläuterungen 228,20 genung] Vgl. Adelung 2, Sp. 570: G e n u n g für g e n u g ist ein bloßer Mißbrauch nieselnder 〈näselnder, vgl. nieseln nach Adelung 3, Sp. 506: durch die Nase reden〉 Mundarten, welche vor den Hauchlauten so gern ein n vorher schleichen lassen. 229,13 Renommist] Renomisten, werden zu Jena und auf einigen andern Universitäten die alten versuchten und im Fechten geübten Bursche und Studenten genennet, die sich bey entstehenden Dispüten, Actionen und Händeln derer Studenten, mehrenteils als Secundanten 〈. . .〉 gebrauchen lassen (Zedler 31, Sp. 612). 231,6 Mann von Welt] We l t k l u g e r , We l t k l u g e r M a n n , Lat. Politicus, wird zwar fürnehmlich ein Staatskluger, aber auch ein solcher genennet, der, er sey am Hofe, oder habe mit Staats-Sachen nichts zu schaffen, wohl und geschicklich zu leben, und sich wohl aufzuführen weiß. Die fürnehmsten und allgemeinesten Qualitäten und Tugenden eines Weltklugen Mannes sind: 1) Eine wachsame Aufmercksamkeit, nemlich so wohl auf seinem eigenen, als anderer Menschen gantzen Zustand 〈. . .〉; 2) Ein aufgeweckter Kopff, und eine wohlgeübte Geschicklichkeit in gründlichem Nachdencken 〈. . .〉; 3) Unermüdete Arbeitsamkeit und Application, seine Kräffte, seine Geschicklichkeit sie zu gebrauchen, seine Erfahrenheit, zu gehöriger Vollkommenheit zu bringen; 4) gnugsames Feuer, alles zu unternehmen, und standhafft auszuführen, was kluge Ueberlegung zu Beförderung seines Glücks an die Hand geben möchte 〈. . .〉 (Zedler 54, Sp. 1828f.); We l t - K l u g h e i t sei eine Klugheit, mit Menschen geschicklich umzugehen (ebd., Sp. 1829). – Moritz lehnt wie Joachim Heinrich Campe die von Chesterfield und Trusler in Anlehnung an Gracia´n geforderte arte de prudencia (Balthasar Gracia´n, Ora´culo manual y arte de prudencia [1648]. Deutsche Übersetzung: Handorakel und Kunst der Weltklugheit. Aus dessen

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Werken gezogen von D. Vincencio Juan de Lastanosa und aus dem spanischen Original treu und sorgfältig übersetzt von Arthur Schopenhauer. Mit einem Nachwort hrsg. v. Arthur Hübscher. Stuttgart 1954) als ›Kunst der Verstellung‹ ab, als eine Kunst also, die mit der Absicht, andere zu seinem Vortheil

und zu ihrem eigenen Nachtheil zu blenden, zu hintergehen, verbunden ist; 〈. . .〉 die da macht, daß der verfeinerte Weltmensch vom Scheitel bis zur Fußsohle in allen seinen Mienen, Geberden, Worten und Handlungen eine einzige lügenhafte Larve ist, welche Freundlichkeit, Wohlwollen, Sanftmuth, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit und eine uneigennützige Rechtschaffenheit aushängt, indes das Herz, welches darunter verborgen liegt, von heimlichem Grolle, von giftigem Neide, von verbissener Wuth, von verstecktem Hochmuthe, von wollüstigen Begierden und von der eigennützigsten Selbstsucht bis zum Überfließen voll ist (Campe, Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend, 3., gänzlich umgearbeitete Aufl. Braunschweig 1790, S. 169).

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Zur Herausgabe von Elizabeth Blower, Maria, Berlin 1786 Überlieferung 1. Textgrundlage D Maria. Eine Geschichte in zwei Bänden. Erster Band. Aus dem

Englischen übersetzt. Berlin, 1786. bei Johann Friedrich Unger. 2 Bl., 283 S. Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlagen: 1.) Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität, Sig. Ze 12308; 2.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. 8° Zd 3850.

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Elizabeth Blowers Roman Maria: A Novel. In two Volumes. By the Author of George Bateman erschien 1785 anonym in zwei Bänden im Londoner Verlag Cadell. Die mit E. B. unterzeichnete Widmung ist auf den 10. Mai 1785 datiert (To the Honourable Mrs. Ward, ebd., S. III). Moritz muß das Werk im Sommer, spätestens im Oktober desselben Jahres, zur Kenntnis genommen haben, denn die von Moritz und dem Verleger Unger verfaßte Ankündigung der deutschen Übertragung stammt vom 20. Oktober 1785. Sie erschien am 4. November 1785 in der Beilage des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten (vgl. S. 630 in diesem Bd.), am 17. Dezember auch in den Gothaischen gelehrten Zeitungen, 101. St., S. 824. Die deutsche Übersetzung kam zur Ostermesse 1786 heraus.1 1

Maria. Eine Geschichte in zwei Bänden. Erster Band. Aus dem Englischen

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Da über Moritz’ Beschäftigung mit dem Roman keinerlei nähere Angaben überliefert sind, läßt sich nicht entscheiden, ob er das Buch eigenständig zur Übertragung vorgeschlagen hat oder ob der befreundete Berliner Verleger Johann Friedrich Unger (1753–1804) Moritz mit der Übersetzung beauftragte. Als Verfasser einer Anweisung zur Englischen Accentuation nebst vermischten Aufsätzen die Englische Sprache betreffend (1781; vgl. KMA 8), einer Englischen Sprachlehre für die Deutschen (1784; 2. Aufl. 1786; ebd.) und einer Reisebeschreibung durch England (1783; 2. Aufl. 1785; vgl. KMA 5/1) war Moritz als Kenner Englands ausgewiesen. Seine Vorrede zur deutschen Ausgabe des Romans rechtfertigt die Übertragung nicht durch den Hinweis auf die Notwendigkeit des kulturellen Austauschs, sondern mit Blick auf die ästhetische Qualität des Werks und seiner treffenden Charakterschilderungen (vgl. S. 233,4 in vorliegendem Bd.). Finanzielle Motive zur Übernahme der Übersetzung sind nicht auszuschließen; Klischnig überliefert, daß Moritz ein Jahr vor dem Aufbruch nach Italien im Sommer 1786 bemüht war, das Reisegeld anzusparen: Bei jedem Bogen eines Werks, den

er in die Druckerey schickte, berechnete er, wie viel er noch zu schreiben brauche, um von dem verdienten Gelde die große Reise nach Italien antreten zu können.2 Die eigenhändige Übersetzung, wenn sie denn überhaupt beabsichtigt war, kam vmtl. nicht zustande, weil Moritz durch andere Arbeiten überlastet war: die Arbeit an Anton Reiser (3 Bde. 1785–1786), an Andreas Hartknopf (KMA 2), am Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (KMA 12), an der Zeitschrift Denkwürdigkeiten und an anderem mehr. Vielleicht hatte Moritz das Übersetzungsprojekt auch von vornherein für seinen Freund Klischnig angelegt, denn dieser berichtet in seinen Erinnerungen, daß er selbst das Werk erst über-

setzen sollte, nachher aber durch mehrere Umstände daran verhindert wurde.3 Den ersten Band von Blowers Roman übertrug daraufhin der Verleger Unger;4 den zweiten, ebenfalls 1786 erscheinenden Teil übersetzte Ungers Ehefrau

übersetzt. Berlin, 1786. bei Johann Friedrich Unger. 2 Bl., 283 S.; Maria. Eine Geschichte in zwei Bänden. Zweiter Band. Aus dem Englischen übersetzt. Berlin, 1786. bei Johann Friedrich Unger. 356 S. – Vgl. die Verlagsanzeige von Johann Friedrich Unger am 9. Mai 1786: Bei J. F. Unger sind folgende Bücher zu haben: Maria. Eine Geschichte in 2 Bänden, aus dem Engl. übersetzt. 16 Gr. (in: VZ, 55. St.). Vgl. den Katalog der Frankfurter und Leipziger Ostermesse 1786, wo das Buch als fertig verzeichnet ist (Meßkatalog Ostern 1786, S. 318). Klischnig, Erinnerungen, S. 151. 3 Ebd., S. 268. 2

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Friederike Helene Unger (geb. von Rothenburg; 1751–1813),5 die schon vor der Heirat im Jahr 1785 als Übersetzerin von Rousseaus Confessions (Geständnisse; Berlin 1782) und als Autorin des erfolgreichen Romans Julchen Grünthal. Eine Pensionsgeschichte (1784) hervorgetreten war. Eliza bzw. Elizabeth Blower, geb. 1763 in Worcester, gilt als Vielschreiberin in der Tradition Samuel Richardsons und Henry Fieldings (The parsonage-house, dreibändig, 1780; George Bateman, dreibändig, 1782; Maria, zweibändig, 1785; Features from life, zweibändig, 1788). Sie begann schon vor ihrem 17. Lebensjahr damit, Romane zu schreiben, um ihre Familie finanziell zu unterstützen.6 Blowers Roman Maria enthält eine im konventionellen Geschmack für ein bürgerliches Publikum geschriebene Liebesgeschichte, die in die Heirat der tugendhaften bürgerlichen Heldin Maria Mordaunt mit einem aufgeklärten und leicht melancholischen Lord Aubrey mündet; ein adliger Nebenbuhler mit Verführungsabsichten kommt nicht zum Zuge. In das Buch integriert ist die Kritik an übersteigerter Empfindsamkeit, etwa am Beispiel der Madam Tonto oder anhand der Schilderung einiger skurriler Charaktere. Moritz’ Hochschätzung des Werks als sehr nützliche Lektüre (vgl. S. 630) ist vmtl. moralpragmatisch motiviert. Wie seine Beiträge zur »Vossischen Zeitung« (KMA 10) oder seine literaturkritischen Aufsätze in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Denkwürdigkeiten (vgl. S. 3,1–223,11 in diesem Bd.) zeigen, versteht Moritz vor seiner Italienreise Literatur im weitesten Sinn als Mittel der Volksbildung. Die unaufgeregte und untragische Lösung des gesellschaftlichen Standesproblems in Blowers Roman mag Moritz angesprochen haben, der in einigen etwa gleichzeitig erschienenen Beiträgen gegen das ›Abgeschmackte‹ und ›Verdorbene‹ drastischer Schilderungen von Konflikten polemisiert hatte.7

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Vgl. die Zuweisung in: Neuestes gelehrtes Berlin, 2. Teil, S. 246; Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden Teutschen Schriftsteller Angefangen von Georg Christoph Hamberger Ç. . .È Fortgesetzt von Johann Georg Meusel, 5. verm.

Aufl., Bd. 8. Lemgo 1800, S. 167. Vgl. Neuestes gelehrtes Berlin, 2. Teil, S. 247; Das gelehrte Teutschland, Bd. 8, S. 166. 6 Vgl. dazu A New Catalogue of Living English Authors: with complete lists of their publications, and biographical and critical memoirs, Vol. 1, London 1799, S. 274f. 7 Vgl. Klingenberg 1995, S. 40f. 5

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2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Karl Philipp Moritz und Johann Friedrich Unger, Ankündigung der Übersetzung. In: Hamburgischer unpartheyischer Correspondent, Beilage zu Nr. 176, 4. November 1785

Ankündigung Ein Roman, welcher mit lebhaften Farben menschliche Thorheiten und Schwachheiten, so wie sie täglich im Leben vorkommen, schildert; das Edle und Große, auf eine treffende Weise, gegen das Niedrige und Gemeine in den Bestrebungen der Menschen abstechen, und, ohne idealische Uebertreibung, uns die Tugend in ihrem reinsten Glanze sehen läßt, ist, ohngeachtet des Mißbrauchs, welcher in unsern Tagen von diesem Zweige der Litteratur gemacht wird, immer eine sehr nützliche Lektüre, zu deren Verbreitung man mit gutem Gewissen die Hand bieten kann. In dieser Rücksicht habe ich die Uebersetzung eines Englischen Romans übernommen, der eben itzt unter dem Titel, M a r i a , in London erschienen ist, und besonders wegen der treffenden Schilderungen aus der wirklichen Welt, und weil er den Modethorheiten einer überspannten Empfindsamkeit, und der einreißenden Affectation von Witz und Laune entgegen arbeitet, Aufmerksamkeit verdienet. M o r i t z , Prof. Dieser Roman wird in meinem Verlage noch in diesem Jahre erscheinen, und der Druck soll auf gutes Papier geschehen. Berlin, den 20sten October 1785. J. F. Unger. Zeitgenössische Rezensionen 1. Gothaische gelehrte Zeitungen, 52. St., 1. Juli 1786, S. 440

Was Herr Moritz, unter dessen Aufsicht dieser Roman übersetzt worden ist, in der Vorrede von ihm rühmet, Reichthum an intereßanten Situationen und treffende Charakterschilderungen, möchten wir ihm zwar nicht so

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unbedingt beylegen, aber gestehen müssen wir demungeachtet, daß er, wenn er auch nicht feßelt und mit sich fortreißt, doch unterhält, und Personen, die in einem Roman etwas mehr, als ein bloßes zeitverkürzendes Mährchen erwarten, etliche angenehme Stunden gewähren kann. Die Frauenzimmer sprechen, wie in den meisten englischen Romanen, zwar etwas gelehrt, aber doch nie übertrieben, und selbst der kunstrichterliche Ton, den sie zuweilen annehmen, ist so gemildert, daß er selten beleidigt. 2. Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, 81. St., 8. Juli 1786

Maria. Eine Geschichte in zwei Bänden. Erster Band, aus d e n E n g l . ü b e r s e t z t . 8 . B e r l i n 1 7 8 6 . Man siehet aus diesem sehr interessanten Roman, welcher sehr getreue u. natürliche Darstellungen aus dem wirklichen Leben enthält, daß die affektirte Empfindsamkeit, welche bei uns schon durch so manche treffende Satyre gezüchtigt ist, auch auf englischem Boden ihr Fortkommen gefunden, und sich dort ähnliche Züchtigungen zugezogen hat. In so fern die Gemählde in diesem Buche lokal sind, findet man hier aufs neue die Wahrheit bestätigt, daß auch da, wo man es oft nicht denkt, im Grunde alles w i e b e i u n s ist. Die Schilderungen der Karaktere, welche man hier findet, sind gewiß nicht oben abgeschöpft; sie werden aber immer i n d i v i d u e l l e r und folglich auch interessanter je weiter man liest; und sein vorzüglichstes Interesse erhält dieser Roman erst im zweiten Theile, der dem V. dieser Anzeige nach dem Original bekannt ist. Das Original hat in der Uebersetzung dieses ersten Theils mehr gewonnen, als verlohren, weil manches im Anfang zu Ermüdende und Weitschweifige weggelassen, und das Interessante näher zusammen gestellt ist. Die Leser des ersten Theils werden gewiß auf den zweiten begierig seyn, der über die bisher noch schwankenden Situationen, und noch nicht völlig bestimmten Karaktere den Aufschluß giebt. (Kostet in der Vossischen Buchhandlung allhier 16 Gr.)

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3. D. Anton Friderich Büschings Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften, 14. Jg., 41. St., 9. Oktober 1786. Berlin 1787, S. 342f. 343

Das letzte Ungersche Verlagsbuch, welches ich heute anzeige, ist, M a r i a , eine Geschichte in 2 Bänden; aus dem Englischen übers e t z t . 1 7 8 6 klein Octav. Ich zweifle nicht, daß den meisten Leserinnen alles leicht und verständlich seyn werde, gestehe aber, daß es mir unbegreiflich sey, wie S. 144 des zweyten Theils der Doctor, dem nur eine Keule von den gestooften 〈!〉 Lerchen gewünschet wird, weil er beym Genuß derselben im Himmel zu seyn glauben würde, ein großer Philosoph genennet werden könne! 1 Thaler 8 Gr. 4. Nürnbergische gelehrte Zeitung, 5. St., 16. Januar 1787, S. 38f.

So zahlreich die Menge der teutschen Romane ist, so gering ist doch die Anzahl der Guten. Ueber die Hälfte ist elendes Fingerwerk; ein anderer großer Theil ist zwar erträglich, aber ohne Kentniß der Welt, geschrieben. Bey englischen Romanen, die aber auch nicht so häufig des lieben Brods wegen geschrieben werden, ist die Zahl der schlechten und mittelmäßigen, so gar groß nicht, ob es gleich eine bekannte Sache ist, daß von geschmacklosen Dollmetschern auch sehr mittelmäßige Geschichten aus dem englischen übersetzt worden sind. Dieß ist aber der Fall bey der vorliegenden gewiß nicht. Der V. kennt die Menschen und die Welt: er weiß interessante Scenen anzulegen und zu benützen; seine Charakterzeichnungen sind nicht gemein, abwechslend und von einer guten Haltung, und im Ganzen lebt ein feines sittliches Gefühl. Herr Prof. Moriz wollte ihn übersetzen; durch verschiedene Umstände gehindert, konnte er seinen Vorsatz nicht ausführen. Seine Stelle hat aber ein Mann übernommen, der ihrer werth war; denn man merkt kaum, daß man eine Uebersetzung liest. Der Druck ist sehr nett, und ein schönes Titelkupfer von Meil trägt nicht wenig zur Verschönerung bey.

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5. Allgemeine deutsche Bibliothek, 82. Bd., 2. St. Berlin-Stettin 1788, S. 422–424 (Ag. = Albrecht Georg Walch)

H e r r M o r i t z empfiehlt in der kurzen Vorrede die Verdeutschung dieses Romans, und versichert, daß er seiner innern Güte wegen dieselbe selbst zu übernehmen Willens gewesen sey. Unserm Gefühle nach können wir aber eben nicht sagen, diese Vorzüglichkeit und Uebersetzenswürdigkeit gefunden zu haben. Die Geschichte ist etwas gemein und langweilig, und hat zu wenig Anziehendes. Man muß sich durch eine Menge alltäglicher Scenen, ermüdender Visitengespräche und uninteressanter Ausschweifungen, durch unangenehme, obgleich gut gezeichnete, vielleicht in London leidlichere; wenigstens gewöhnlichere Charaktere, durch Auskramungen unzeitiger, weiblicher Gelehrsamkeit, durch manche unnatürliche Verwikkelungen und Auflösungen, durch unwahrscheinliche und unvorbereitete Begebenheiten, durch wunderliche Einfälle der handelnden Personen, durch Verirrungen und Wiederfindungen, unvermuthete Zusammenkünfte, wie durch die Luft zusammengeführter Personen, und durch zu weit getriebene und dadurch dem Leser ärgerliche Mißverständnisse, hindurcharbeiten, ehe man sich auf den letzten Seiten mit dem Verfasser des Romans wieder etwas aussöhnt. Miß M a r i e M o r d a u n t , ein Frauenzimmer, so schön und ädel, als nur je eine Romanheldin seyn kann, ist die Tochter eines englischen Arztes. Ein gewisser A u b r y , ein Mann von vortrefflichem Charakter, lernt sie bey Gelegenheit einer Kur ihres Vaters kennen, sie macht auf ihn, so, wie er auf sie, den innigsten Eindruck, ohne daß es unter ihnen zu einer Erklärung kommt, weil A u b r y durch eine höchst unglückliche Ehe gebunden ist, zu der er sich aus politischen Absichten verstanden hat; nun aber durch freywillige Entfernung dem Verdruß einer ungleichen Verbindung ausweicht. Kurz darauf findet A u b r y M a r i e n in der Komödie, wo diese in Gefahr ist, bey einem entstandenen Tumult ertreten zu werden. Er rettet sie, und trägt sie halb todt auf seinen Armen in den Wagen, (wie einst B u n k e l seine Miß Melmoth bey einbrechender Welle auf seinen Armen aus ihrem Bette auf das Verdeck trug,) und nimmt nach ihrer Genesung Abschied, um nach Frankreich zu gehen. Nach dem Tode ihres Vaters geht Maria als Erzieherin in die Dienste einer adelichen Dame. Ein Universitätsfreund ihres Vaters, D . E d g e w a r e , gleichfalls ein ädler Mann, macht sie davon los, und nimmt sie zu sich. Hier hat sie von dem Charakter seiner Schwester, der aus Empfindeley, Schmähsucht und

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Lieblosigkeit zusammengesetzt ist, vieles auszustehen. Er führt sie bey Lady M e l m o t h ein, die M a r i e n mit sich aufs Land nimmt. In dem Garten eines alten Gothischen Schlosses stößt sie auf A u b r y , der ein Bruder dieser Lady ist, und hier unbekannt verweilen wollte. Ein Gast auf diesem Schlosse, Lord N e w r y , verursacht ihr durch seine zudringlichen Anträge verschiedene wunderbare Abentheuer. Sie kann ihn nicht ausstehen, und läßt sich doch einigemal von seinen Armen halten, als wenn Unwille nicht Stärke gäbe, sich loszureißen, und erregt die Eifersucht des A u b r y . In einem Irrgarten verirrt, wird sie aufs neue von N e w r y überfallen, und auf ihr Schreyen vom A u b r y errettet, der darauf in einem Duell vom erstern verwundet wird. Nach seiner Genesung kommt die Nachricht, daß Mad. A u b r y gestorben sey. Frey nunmehr, erklärt ihr A u b r y mit der geradesten Offenheit eines ehrlichen Mannes seine Absichten. M a r i e aber macht auf eine unbegreifliche Art gegen ihre eignen Empfindungen die Spröde. Sie wird von einer Unbekannten auf eine benachbarte Mühle gefordert, die sie beschwört, ihr den A u b r y nicht zu entziehen, der unter dem Versprechen künftiger Heyrath bereits ein Kind mit ihr gezeugt habe. Sie beschließt nunmehr, dem A. völlig zu entsagen, und weicht, ohne ihm die Ursache zu sagen, mit grausamer Härte seinen Fragen, ja sogar Blicken aus. Sie geht nach London in eine andre Familie zurück. Da findet sie A. wieder in der Komödie. Er hat die Verläumdung, freylich auf eine etwas unwahrscheinliche Art erfahren, er will sich rechtfertigen; M a r i e schlägt ihm mündliche und schriftliche Erklärungen ab. Durch die Dame endlich, in deren Hause sie lebt, hat er Gelegenheit, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Jene Person nämlich war vom Lord N e w r y geschwächt, und von ihm, aus Rache gegen A u b r y und M a r i e n zu diesem boshaften Vorgeben erkauft worden. Hier nun, wo der Roman durch interessantere Scenen der Wiedererkennung eines verkannten ädlen Herzens, der gegenseitigen Zunäherung zwoer tugendhafter Seelen, der Verstärkung zurückgehaltener Zärtlichkeit durch die Reue über einen unseeligen Irrthum und gegenseitiger Vergütungen einer wärmern Liebe, unterhaltender werden konnte, bricht der Verf. durch die kahle Nachricht ab, daß A u b r y und M a r i e ein Paar wurden. Von verschiedenen eingeflochtenen Nebencharakteren und Nebengeschichten, worunter die der Miß C a m i d e die interessanteste ist, können wir, um der Kürze wegen, nichts erwähnen.

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6. Allgemeine Literatur-Zeitung vom Jahre 1786, 5. Bd. Die Supplemente enthaltend: Jena-Wien 1788, Nr. 4, S. 31f.

Herr Prof. Moriz der sich Anfangs der Uebersetzung dieses Romans unterziehn wollte, sie aber nachher einer andern geschickten Feder überließ, und vor dem Druck durchsah, hat vollkommen Recht, wenn er sagt, daß sich dieser Roman durch innere Güte, durch interessante Situationen und treffende Charakter-Schilderungen auszeichnet. Der Gang der Geschichte ist so simpel und doch anziehend, und die eingeschobenen, kleinen NebenGemählde, und Karrikatur-Zeichnungen, sind so treu und mannichfaltig, daß dieser Roman Vorzüge vor vielen seiner Landsleute hat, und daß eine Dollmetschung desselben, allerdings ein verdienstliches Werk war. M a r i a M o r d a u n t ist ein liebes Mädchen, und A u b r y des lieben Mädchens werth. Einen treffenden Zug an der empfindsamen Frau To n t o , kann man ihren deutschen Mitschwestern von z a r t e m G e f ü h l zur Beherzigung empfehlen. Als Maria sie das erstemal besuchte, war Madam To n t o mit Thieren mancherley Art umgeben. In der einen Ecke des Zimmers stand ein Keficht, worinn ein paar Turteltauben waren; neben ihr lag ein Hund auf einem Kissen, und über ihrem Kopf hieng ein Vorhang; zu ihren Füßen lag ein großer Kater, und im Fenster hiengen hellschwirrende Kanarienvögel. »O liebe Mamsell Mordaunt, rief Madam Tonto, ich habe eine so besondre Zärtlichkeit für alle Gattungen von Thieren, daß Sie sich nicht vorstellen können, wie viel ich zuweilen dabey leide! Vergangenen Michaelis begegnete mir etwas, das mein Innerstes erschütterte! Ich wollte einen unsrer Hünerhändler auf dem Markt rufen. Nun war da ein Junge, der eine Gans schlachten wollte. Er peitschte und preßte die arme Kreatur auf die allermartervollste Art, ich versichre Ihnen, Mamsell, die Gans stieß so ängstliche Seufzer aus, und ächzte so jammervoll, als der grausame Mensch ihr das Messer an die Gurgel setzte, daß, wie mein geliebter Staar sagt, s i e m e i n H e r z d u r c h b o h r t e n . Meinen Schmerz zu vermehren, waren verschiedene Gänse in einen engen Korb eingesperrt, und schrien so kläglich – recht als ob sie das Schicksal ihrer unglücklichen Mitschwester beweinten, so daß ich diese Jammerscene nicht länger ertragen konnte. Ich drückte dem Jungen einen Schilling in die Hand, und bat ihn, so lange von seinem grausamen Verhalten abzustehn, bis ich weggegangen wäre. Er that es; aber in dem Augenblicke, daß ich den Rücken wandte, setzte er so gleich das Messer der armen Kreatur an die Gurgel, und die Gänse in dem Korbe

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erfüllten die Luft mit ihrem Jammergeschrey. Ich hielt mir beide Ohren zu, und gieng so geschwind wie möglich wieder vom Markt. Aber mein Bruder weiß es, als ich kaum zu Hause war, bekam ich hysterische Zufälle, und schrie, ich kann es wohl sagen, ein paar Stunden so laut, wie die armen beklagenswerthen Gänse.« Eben diese Madam Tonto stand auch in keinem geringen Ruf von Gelehrsamkeit, denn e s g i e n g e i n k l e i n e s G e dicht, das für ihre Arbeit ausgegeben ward, in Mspt. herum. Auch von Herrn H a r d w i k , der die berühmte Abhandlung über das Haar schrieb, und sich nach dem Beyspiel so vieler andern Männer, davor in Kupfer stechen ließ, giebt es Copieen in unserm Vaterland. Einer macht ihm den Einwurf, daß so ein w i c h t i g e s We r k ihm ohne Zweifel viel neidische Kritiken zuziehen werde: »das ist gewiß, ich vermuth es sicher, daß die Kritiker stark darüber herfallen werden! Aber, lieber Gott, ich werde über ihr unwissendes Geschwätz lachen! Was Teufel! können die vom Pommademachen verstehn!Ç«È S. 101 den 1. B. steht eine große Wahrheit. »Daß das Glück oder Unglück eines jungen Frauenzimmers, bey ihrem ersten Eintritt in die Welt, lediglich von der Beschaffenheit ihrer Freundinnen abhängt.Ç«È Stellenerläuterungen 233,3–4 interessante Situationen] Dem Ausdruck Interesse und der ästhetischen Kategorie des ›Interessanten‹ widmete Moritz ein eigenes kleines Kapitel in seinen Vorlesungen über den Styl; darin heißt es: Das Wort I n t e r e s s e be-

zeichnet eine so nahe Te i l n e h m u n g an etwas, daß man darüber gewissermaßen sich selbst v e r g i ß t , und sich in den Gegenstand selbst v e r w e b t fühlt (VS I, 12. Vorlesung, S. 178f.; KMA 3). 233,5 selbst die Verdeutschung desselben] Vgl. Moritz’ Ankündigung des Romans S. 630 in vorliegendem Bd. 233,10–12 weil manches 〈. . .〉 zusammengestellt ist] Vgl. die ähnliche Formulierung in der möglicherweise von Moritz selbst stammenden Besprechung des Werks in der »Vossischen Zeitung«, 81. St., 8. Juli 1786: Das Original hat in der

Uebersetzung dieses ersten Theils mehr gewonnen, als verlohren, weil manches im Anfang zu Ermüdende und Weitschweifige weggelassen, und das Interessante näher zusammen gestellt ist (S. 631 in vorliegendem Bd.). Vgl. dazu auch die Nürnbergische gelehrte Zeitung, 5. St., 16. Januar 1787, S. 39: Herr Prof. Moriz wollte ihn übersetzen; durch verschiedene Umstände ge-

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hindert, konnte er seinen Vorsatz nicht ausführen. Seine Stelle hat aber ein Mann übernommen, der ihrer werth war; denn man merkt kaum, daß man eine Uebersetzung liest (S. 632 in vorliegendem Bd.); kritisch dazu die Allgemeine deutsche Bibliothek: H e r r M o r i t z empfiehlt in der kurzen Vorrede die Verdeutschung dieses Romans, und versichert, daß er seiner innern Güte wegen dieselbe selbst zu übernehmen Willens gewesen sey. Unserm Gefühle nach können wir aber eben nicht sagen, diese Vorzüglichkeit und Uebersetzenswürdigkeit gefunden zu haben (S. 633 in vorliegendem Bd.).

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Zur Herausgabe von James Beattie, Grundlinien der

Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik, Berlin 1790 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie,

Moralphilosophie und Logik. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen begleitet von Karl Philipp Moritz Professor bei der Akademie der bildenden Künste in Berlin. Erster Band. Berlin, 1790. Bei Christian Friedrich Voß und Sohn. 3 Bl., 330 S. Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlage: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Ni 7890.

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Der schottische Schriftsteller und Philosoph James Beattie (1735–1803) gehörte zu den Vertretern der schottischen Schule des ›common sense‹, die auch die deutsche Popularphilosophie beeinflußten. 1749 begann er sein Studium im Marischal College in Aberdeen; nach einigen Jahren als Schullehrer wurde er 1760 Professor für Moralphilosophie und Logik im selben College. Frühen Ruhm erlangte er durch seinen Essay on the Nature and Immutability of Truth in Opposition to Sophistry and Scepticism (1770), der sich vehement gegen David Humes (1711–1776) Skeptizismus wandte; das Buch wurde auch ins Deutsche

James Beattie, Grundlinien

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übersetzt (Versuch über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit; im Gegensatze der Klügeley und der Zweifelsucht, Kopenhagen/Leipzig 1772, übers. v. Andreas Christopher Rüdinger). In der Folgezeit veröffentlichte Beattie etliche Schriften über Philosophie, Moral, Religion und Ästhetik; er trat auch mit dem Verspos The Minstrel, or, The Progress of Genius (1. Bd. 1771 anonym; 2. Bd. 1774) als Poet und Vorläufer romantischer Dichtung hervor. James Beatties Arbeiten wurden insbesondere in Moritz’ Umfeld intensiv gelesen: Marcus Herz etwa hat die zweite Auflage von Beatties Versuch über den Geschmack und die Ursachen seiner Verschiedenheit (1790) u. a. um Anmerkungen zu Beattie erweitert.1 Auch Mendelssohn hat sich eingehend mit Beattie beschäftigt und stimmte mit ihm in der Annahme eines vernünftig-gesunden Menschenverstandes überein; zugleich schätzte er den Gemeinsinn-Gedanken, der die Wissenschaft vor wilder Spekulation bewahre, als normatives Fundament der Philosophie.2 Zudem wurden Beatties ästhetische Theorien in Deutschland vergleichsweise breit rezipiert, das gilt etwa für Teile aus Beatties Dissertations

Moral and Critical (1783).3 Sein letztes philosophisches Buch, die Elements of Moral Science, veröffentlichte Beattie 1790 und 1793 in zwei Bänden. Es ging aus seinen Vorlesungen am Marischal College hervor,4 in denen er den zeitgenössischen Wissensstand zu den Themen Erkenntnistheorie, Metaphysik, natürliche Theologie, Logik, Ethik, Sprache und Ästhetik vom Standpunkt des ›gesunden Menschenverstands‹ aus leichtverständlich darstellte. In seinem von Moritz nicht übersetzten Advertisement faßte Beattie den Inhalt seines Werks folgendermaßen zusammen:

No body, he presumes will be offended, if in these papers there be found, as there certainly will, numberless thoughts and arguments which may be found elsewhere. It will be considered, that, as a professor’s province is generally assigned him by public authority, his business is rather to collect and arrange his materials, than to invent or make them. Ç. . .È in preparing a s u m m a r y of his principles, he will be more solicitous to make a collection of useful truths, hoewever old, than to amuse his readers with paradox, and

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Vgl. D’Aprile 2006, S. 120. Vgl. Kuehn 1987 sowie Kuehn 1983. 3 Zu Beatties ästhetischen Theorien vgl. Ostwald 2005, S. 259–272. 4 Vgl. Beatties Advertisement im ersten Band der Elements of Moral Science. Edinburgh 1790, S. III–VI. 2

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theories of his own contrivance. – And let it be considered further, that, as all the practical, and most of the speculative, parts of Moral Science, have been frequently and fully explained by the ablest writers, he would, if he should affect novelty in these matters, neither do justice to his subject, nor easily clear himself from the charge of ostentation.5 Zeugnisse über Moritz’ Arbeit an dem Text sind nicht überliefert; diese muß gleich nach Erscheinen des englischen Originals im Lauf des Jahres 1790 stattgefunden haben, denn der erste Band von Beatties Werk erschien 1790 in Edinburgh unter dem vollständigen Titel Elements of Moral Science. By James Beattie,

LL. D. Professor of Moral Philosophy and Logick in Marischal College, Aberdeen. The First Volume. Edinburgh: Printed for T. Cadell, London; and William Creech, Edinburgh. MDCCXC. Die deutsche Übersetzung von Moritz kam zur Herbstmesse 1790 heraus.6 Klischnig bestätigt in seiner MoritzBiographie, daß dieser Beatties Grundlinien Ç. . .È aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben habe.7 Vmtl. wurde Moritz zur Übertragung aus pekuniären Motiven bewogen. Der schottische Moralphilosoph findet sich sonst nirgends in Moritz’ Werk erwähnt. Das Interesse an Beattie scheint sich an dessen Ausführungen zur Sprache entzündet zu haben, nicht an seiner Anwendung der Common-sense-Philosophie auf ästhetische Fragestellungen, die für Moritz nach seiner Italienreise verstärkt in den Vordergrund rückten. Der von Moritz zur Übertragung beigesteuerte Anhang mit Anmerkungen und Zusätzen besteht nahezu ausschließlich aus (im wesentlichen unverändert übernommenen) Passagen der Deutschen Sprachlehre für die Damen (1782).8 Eine deutsche Übersetzung des zweiten Bands von Beatties Elements of Moral Science (1793) ist im Verlag von Christian Friedrich Voß nicht erschienen; Moritz starb im Juni 1793.

5

Ebd., S. IV–V. Vgl. Meßkatalog Michaelis 1791, S. 208. 7 Klischnig, Erinnerungen, S. 267. 8 Vgl. Bezold 1984, S. 53, bzw. Anm. 203, S. 203. 6

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2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Zeitgenössische Rezensionen Allgemeine deutsche Bibliothek, 104. Bd., 1. St., Berlin und Stettin 1791, S. 220–222 (Pk. = Schatz)

Das Original erschien 1790. zu Edinburg unter dem Titel Elements of moral science und war nichts mehr und nichts weniger, als ein Heft zu akademischen Vorlesungen über die Anfangsgründe der philosophischen Wissenschaften, den der Vf. auf Bitte seiner bequemen Zuhörer, die der Mühe des Nachschreibens überhoben seyn wollten, dem Druck übergab. B e a t t i e ist in Deutschland bekannt, nur nicht (so viel wir wissen) von einer ganz so vortheilhaften Seite, als H r M o r i t z glaubt. Als Geschmacksphilosoph, als Kunstrichter verdient er viel Achtung, und man hat seine Verdienste anerkannt: als spekulativer Philosoph aber hat er mit seinen Schriften bey den Deutschen wenig Beyfall gefunden. Auch in diesem Buche, das sich durch nichts von einem ganz gewöhnlichen philos. Kompendium unterscheidet, zeigt sich an mehrern Orten das Seichte und Inconsequente des Systems der neuen schottischen philosophischen Schule, zu der Beattie gehört. Wie wenig die Entschuldigung des Uebersetzers bedeute, daß B. metaphysische Gegenstände niemals weiter als auf einen gewissen Punkt hin verfolge, bis zu welchem sie seiner Denkungsart (Meinung) nach auf das Leben und die Handlungen der Menschen noch einen merklichen Einfluß haben könnten, sehen die Leser ohne unsere Erinnerung. Der wahre Philosoph läßt von seinen Forschungen nicht eher ab, bis das, was ihn alleine zu denselben bewog, seine Vernunft auf ihre Fragen befriedigende Antwort, oder doch einen Grund gefunden hat, der sie belehrt, daß das, was sie sucht, jenseits der Grenzen ihres Erkenntnißvermögens liege. Immer hätte dieses Buch unübersetzt bleiben können, denn was sollen wir Deutschen mit einem flüchtigen Entwurf machen, in welchem auf die wichtigsten Entdeckungen und Untersuchungen, die in unsern Tagen im Schoos unsers Vaterlands über die Hauptgegenstände der menschlichen Denkkraft und unser Erkenntnißvermögen selbst gemacht und angestellt worden, nicht die mindeste Rücksicht genommen worden? – Dieser erste Theil enthält die An-

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fangsgründe der Psychologie und natürlichen Religion und zwey Anhänge von der unkörperlichen Natur und Unsterblichkeit der Seele. Ein einziger kurzer § aus dem ersten Anhang wird zur Ueberzeugung genug seyn, was für ein seichtes Geschwätz B. für Philosophie verkauft. »Der Mensch besteht aus Leib und Seele, welche genau mit einander v e r k n ü p f t sind, ohne, daß wir wissen, wie oder wann. Es ist eine F o l g e d i e s e r Ve r b i n d u n g , daß der K ö r p e r lebt, sich bewegt, durch Speise und Trank ernährt, und durch den Schlaf erquickt wird, und eine gewisse Zeit über wächst. Wenn diese Verbindung aufgelöst wird, so wird der Körper unempfindlich und bewegungslos, er wird nach und nach kalt, und zerfällt nach und nach in Staub. Daß die Seele und der Körper von einander verschie-dene Substanzen sind, haben wir vorhin schon aus der a l l g e m e i n e n U e b e r e i n s t i m m u n g a l l e r M e n s c h e n in Ansehung dieser Materie geschlossen. Es scheint uns natürlich, zu glauben, (Nicht ganz richtig der Sinn des Originals: It seems, to be natural for us to believe – ) daß die Seele ohne den Körper existiren, und glücklich oder unglücklich seyn kann. Dieß erhellet aus denjenigen Begriffen, welche, was einen künftigen Zustand betrift, in jedem Zeitalter und in jedem Lande geherrscht haben.« Wenn solche Beweise etwas gelten, so muß B. auch die Volkssagen von Zauberern, Hexen, Beschwörern, Gespenstern, Ahndungen, Wahrsagerkünsten etc. als untrügliche Wahrheiten gelten lassen. In solchen Unsinn verwickeln sich die Apostel des gesunden Menschenverstandes! Die Uebersetzung ist nicht übel gerathen, nur mit unter etwas steif: dem Styl fehlt es oft zu sehr an der Leichtigkeit und Geschmeidigkeit des Originals, wie man schon in etwas aus der angeführten Probe sehen kann. Auch scheint uns manche kleine Nuance nicht richtig genug ausgedrükt. Z. B. »Poesie oder Dichtung ist eine Nachahmung der Geschichte, in so fern sie nach Wahrscheinligkeit streben muß (die Geschichte müßte nach Wa h r s c h e i n l i g k e i t streben?) und die Dinge darstellt, nicht wie sie sind, sondern wie wir uns ihr Daseyn bilden.« Sollte heißen: wie wir sie a n n e h m e n dürfen. Das Original: Ç»ÈPoetry or fable is an imitation of history, a c c o r d i n g to probability, and exhibits things, not as they are, but as we m i g h t suppose them to be.« Der Anmerkungen und Zusätze sind nur wenige und sie beziehen sich fast alle auf den Abschnitt von der Sprache. Sie enthalten verschiedene feine grammatische Bemerkungen und Untersuchungen, die uns nur hier, für den Zweck dieser Schrift, unverhältnißmäßig weit verfolgt scheinen.

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Die Texte im einzelnen Vorbericht Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie,

Moralphilosophie und Logik. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen begleitet von Karl Philipp Moritz Professor bei der Akademie der bildenden Künste in Berlin. Erster Band. Berlin, 1790. Bei Christian Friedrich Voß und Sohn. S. 〈III-IV〉. Grundlage für den edierten Text: D.

2. Varianten 234,7 Moralphilosophie] Moralphilopsohie D

Stellenerläuterungen 234,5 Beattie bedarf 〈. . .〉 keiner Empfehlung mehr] Die Vertreter der schottischen Common-Sense-Philosophie (neben James Beattie v. a. Thomas Reid und James Oswald) wurden im deutschen Sprachraum zwischen 1768 und 1800 (Kuehn 1987, S. 6) mit großem Interesse – wenngleich nicht immer unkritisch – als Gegner einer idealistischen wie skeptizistischen Philosophie wahrgenommen (Kuehn 1983, S. 482; 1987, S. 64, 238). In erster Linie übernahmen sie die Funktion, zwischen der deutschen und der britischen Ideenwelt zu vermitteln. Dies gilt insbesondere für die Rezeption von David Humes Werk in Deutschland, das in einigen Teilen erst durch Arbeiten Beatties bekannt wurde, v. a. durch An Essay

on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and

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Herausgegebene Schriften

Scepticism (1770), der bereits 1772 von Andreas Christopher Rüdinger ins Deutsche übertragen wurde (James Beattie, Versuch über die Natur und die Unveränderlichkeit der Wahrheit; im Gegensatze der Klügeley und der Zweifelsucht, Kopenhagen/Leipzig 1772). 234,10 methaphysische] Verschrieben für: metaphysische. zu Anmerkung 1 Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 15. Brief, S. 537–545. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 297–299. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 1

235,10 scheint] scheinet D 235,11 wenig] wenige D1 235,12–13 bezeichnet.] bezeichnet? D1 235,14 Laute] Leute D Laute D1 235,14 z. B.] Z. B. D1 235,21 mittelbar] mittelbar, D1 235,25 so konnte sie doch den Menschen veranlassen] veranlaßte sie doch den Menschen D1 235,26 unwillkürlich] unwillkührlich D1 235,27 überzutragen;] überzutragen, D1 235,29 innere] innre D1 235,31–32 scheinet ein geheimes Band] ist es also höchst wahrscheinlich, welche das geheime Band D1 235,32–236,1 zu haben] hat D1

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236,1 kommt] kömmt D1 236,2 den] dem D1 236,4 den] allen den D1 236,4–5 unverkennbarer Zustand] Ausdruck D1 236,7–10 Sprache. Denken wir uns 〈. . .〉 hinabblickte] Sprache: lassen Sie

uns die wahrscheinliche Entstehungsart desselben zu errathen suchen. Ein Mensch blickte vielleicht zum erstenmal in eine Tiefe herab, D1 236,10 sein] ein D1 236,11 wollte:] wollte, D1 236,12 wies] wieß D1 236,15 worin] worinn D1 236,15 überging: können] überging, mögen vielleicht D1 236,18 hinzusetzte,] hinzusetzte D1 236,21 nach] noch D1 236,29 zerstreueten] zerstreuten D1 236,31 Spuren] Spuren, D1 236,32 Sprache] Sprache, woraus immer klärer wird, daß sich nach dem Hauptgesetze, die Sprachwerkzeuge den Gegenständen ähnlich zu bilden, die einfachsten Laute zu Wörtern vereiniget haben D1 236,34 Wörtern] Wörtern, D1 237,4 innere] innre D1 237,6 z. B.] Z. B. D1 237,7 Sprachwerkzeugen,] Sprachwerkzeugen D1 237,9–10 schnellen und flüchtigen] s c h n e l l e n und f l ü c h t i g e n D1 237,13 Licht] Licht, D1 237,13 zuckende] zückende D1 237,13 leichter] leichter, D1 237,15–16 leicht herniederfallende] leichtherniederfallende D1 237,16 weichgekräuselte] weiche gekräuselte D1 237,21 Glieder? –] Glieder? – So wie aber beim Genuß einer übelschmeckenden Arznei die Zunge aus Eckel und Ueberdruß im Munde wallt, so bezeichnet auch das l zuweilen gerade das Gegentheil vom Angenehmen, als das Leere, das Kleine, das Leiden, und das dem Anscheine nach traurige, und dem Tode ähnlichen Liegen und Schlafen. D1 237,22 l] l D1 237,23 verschiedenen] verschiednen D1

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Herausgegebene Schriften

zu Anmerkung 3 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 13. Brief, S. 467–470. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 300. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 238,10 238,12 238,15 238,22 238,22 238,24 238,28 238,33

einfachste sanfteste] einfachste, sanfteste D1 Mühe] Mühe, D1 heraufgestimmet] heraufgestimmt D1 Vokal] Vokale D1 andere] andre D1 Verwunderung] Verwundrung D1 heraufgestimmt] heraufgestimmet D1 ü ] ä D1 Stellenerläuterungen

238,8 Anmerkung 3] Falsche Zählung; die Anmerkung Nr. 2 existiert nicht.

zu Anmerkung 4 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer aller-

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gnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 13. Brief, S. 471–475 (entspricht S. 239,27–241,14 in vorliegendem Bd.); ebd., S. 459–466 (entspricht S. 241,14–243,22). D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 300–304. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 239,29 Vokale] Vokale, D1 239,29 darin] darinn D1 240,4 z. B.] Z. B. D1 240,4 Gaumenlaut,] Gaumenlaut D1 240,11 f i e l ] fiel D1 240,12–13 verschiedenen] verschiednen D1 240,14 verschiedenen] verschiednen D1 240,16 ineinandergeflossen] ineinander geflossen D1 240,17 verschiedenen] verschiednen D1 240,19 allen] alle D1 240,21 z. B.] Z. B. D1 240,31 Buchstab] Buchstabe D1 240,32 unzweckmäßig] unzweckmäßig, D1 240,34 ertränken] ersäufen D1 241,9 machen] machen, D1 241,11 Zweck] Zweck, D1 241,14 vorschreibet] vorschreibt D1 241,16 Buchstaben] Buchstaben, D1 241,20 mannigfaltige] mannichfaltige D1 241,22 Gedanken] Gedanken, D1 241,23–24 gedruckten] gedrukten D1 241,28 vollkommneren] vollkommnern D1 241,30 Natur,] Natur D1 242,5 brauchte] braucht D1 242,8 Gedanken] erhabnen Gedanken D1 242,9 eigenen] eignen D1

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242,14 neben einander] nebeneinander D1 242,13–14 stellen,] stellen; D1 242,17 wiederholte] wiederhohlte D1 242,17 ununterbrochene] ununterbrochne D1 242,20 verschiedene] verschiedne D1 242,21 Herausstoßung] Herausstossung D1 242,21 Heraushauchung] Heraushauchung, D1 242,22 dies] dieß D1 242,24–25 herausgepresset] herausgepreßt D1 242,25 herausgestoßen] herausgestossen D1 242,26 wol] wohl D1 242,27 innere] innre D1 242,32–33 noch in ihrer Veränderung] noch D1 243,1 große lateinische] grosse Lateinische D1 243,2 sanften auf einander gedrückten] sanftaufeinandergedrückten D1 243,3 1ateinische] Lateinische D1 243,3–4 Eröffnung] Eröfnung D1 243,11 Ohr] Ohre D1 243,15 Verba] Redewörter D1 243,17 Wort, Die] Wort; die D1 243,18–19 letztern] erstern D1 243,21 wiederholen] wiederhohlen D1

zu Anmerkung 5 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 14. Brief, S. 511–518 (entspricht S. 244,7–246,18 in vorliegendem Bd.); ebd., S. 524–527 (entspricht S. 246,19–247,16); ebd., S. 534–537 (entspricht S. 247,16–248,12). D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 305–309. Grundlage für den edierten Text: D2.

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2. Varianten 244,7–8 der Gaumenlaute z. B.] dieser Laute D1 244,8 oft in der Aussprache] oft, vorzüglich im Reden, D1 244,11 insbesondere] insbesondre D1 244,18 sowohl,] sowohl D1 244,18 ö ] ö , D1 244,19 Dies] Dieß D1 244,25 Daß] Das D1 244,26 darin] darinn D1 245,2 z. B.] Z. B. D1 245,8 gewöhnlich] gemeiniglich D1 245,11 liesse] ließe D1 245,12–13 F l a c h s , Wa c h s ] Wa c h s , F l a c h s D1 245,14 F l a k s ] F l a k s , D1 245,15 und] und also D1 245,17 F l u g s ] f l u g s , D1 245,18 scheint] scheinet D1 245,19 We k] We k , D1 245,19 scheint] scheinet D1 245,22 besondere] besondre D1 245,28 scheint] scheinet D1 245,31 s i n g e n ] s i n g e n , D1 245,31–32 Dieses g 〈. . .〉 ausgesprochen] Daß nun dieses g nach n , am Ende der Wörter, wie k ausgesprochen wird, haben wir schon bemerkt D1 246,4 Spricht man] Sprechen Sie D1 246,4 To d ] To d , D1 246,5 d ] d , D1 246,6 wird man] werden Sie D1 246,6 Träge] Träge, D1 246,9 j ] j , D1 246,10 insbesondere] insbesondre D1 246,10 j ,] j D1 246,13 n i c h t . ] n i c h t , D1 246,15 a u s . ] a u s , D1 246,17 G ö n n e r . ] G ö n n e r , D1

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Herausgegebene Schriften

246,23 z. B.] Z. B. D1 246,32 Regel] Regel, D1 246,33 s w a r z ] s w a r z , D1 246,33 s c h w e i g e n ] s c h w e i g e n , D1 247,3 man] man, D1 247,4 Falle] Falle, D1 247,7 beruht] beruhet D1 247,10 letztere] letztre D1 247,12 s c h r p r e c h e n ] s c h p r e c h e n , D1 247,14 s c h ] s c h , D1 247,21–22 dahingegen] da hingegen D1 247,22 sie es] sie D1 247,25 fortdauern] fortdauren D1 247,32 z. B.] Z. B. D1 247,32 Nachdruck] Nachdruck, D1 248,3 z. B.] Z. B. D1 248,3 s i e ] S i e D1 248,4 und] und nun D1 248,7 dehnt] dehnet D1 248,11 dem Gefühl] der jedesmaligen Empfindung D1 248,11 Redenden] Redenden, D1

zu Anmerkung 6 Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 7. Brief, S. 173–180. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 309–311. Grundlage für den edierten Text: D2.

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2. Varianten 249,13–14 scheint, nach dieser Erzählung] scheinet D1 249,14 Sprache] Sprache, D1 249,15 Menschen schon] Menschen, schon, D1 249,22 Erzählung] ehrwürdigen Erzählung D1 249,24 sehn] sehen D1 250,3 große] grosse D1 250,5 großen] grossen D1 250,11 dunklere] dunklere, D1 250,12 beschäftigt] beschäftiget D1 250,15 spiegelhellen] Spiegelhellen D1 250,23 Mond] Mond, D1 250,24 glänzen] glänzten D1 250,28 gelernt] gelernet D1 250,32 eben derselben] ebenderselben D1 250,34 Wiederholung] Wiederhohlung D1 251,1 u. s. w.] u. s. w. So lange der Mensch noch ohne Sprache war, muß

die Welt gleichsam ein Chaos für ihn gewesen seyn, worinn er nichts unterscheiden konnte, wo alles wüste und leer war, und Dunkel und Finsterniß herrschte – D1 251,1 Da] Da aber D1 251,3 hervor.] hervor D1 251,4 im thierischen Zustande] vorher D1 251,5 würde betrachtet haben] betrachtet hatte D1 251,6 Vorstellung,] Vorstellung D1 251,7 Erde. –] Erde – D1 251,8 Flüsse] Flüße D1 251,9 Die] die D1 251,13–14 unterscheiden. –] unterscheiden – D1 251,18 Flüsse] Flüße D1 251,21 Flüssen] Flüßen D1

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Herausgegebene Schriften

zu Anmerkung 7 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 9. Brief, S. 230–232. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 312. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 252,12 man] man also D1 252,12 einem] dem D1 252,16 Das Leblose] Alles leblose D1 252,19 dasjenige] alles D1 252,22 Geschlecht] Geschlechte D1 252,22 z. B. sagen:] Z. B. sagen. D1 252,23–26 d e r B a u m 〈. . .〉 d i e L i e b e . ] in D1 nicht hervorgehoben 252,28 scheint] scheinet D1 252,28 Leblose] leblose D1 253,1 ist. Was] ist. Sehen Sie dieses als einen kleinen Kommentar über die

Worte unsres K l a u d i u s an: und in der großen Gotteswelt ist alles Mann und Weib – Was D1 253,8 z. B.] Z. B. D1 253,8 das K i n d , das M ä n n c h e n ] d a s K i n d , d a s M ä n n c h e n D1

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zu Anmerkung 8 Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 10. Brief, S. 269–278. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 313–316. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 1

253,21 wir] Sie D 253,21–22 wir sagen, einem] Sie sagen, soll D1 253,22 seyn soll] seyn D1 253,23 wir] Sie D1 253,23 wir] Sie D1 253,24 wir] Sie D1 253,25 wir] Sie D1 253,25 z. B.] Z. B. D1 253,25 wir] Sie D1 253,26 wir] Sie D1 253,27 wir] Sie D1 253,28 wie] Sie D1 253,31 wir] Sie D1 254,3 interessirt] interressirt D1 254,4 wir] Sie D1 254,4 z. B.] Z. B. D1 254,5 wir] Sie D1 254,6 wir] Sie D1 254,8 hinan denken] hinandenken D1 254,9 sie sich] sie D1 254,10 wir] Sie D1

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Herausgegebene Schriften

254,12 wir] Sie D1 254,15 wir] Sie D1 254,15 g r ü n ] g u t D1 254,16 wir] Sie D1 254,18 wir] Sie D1 254,21 Wenn wir] wenn Sie D1 254,22 wir uns] Sie sich D1 254,26–27 viel umfassendere] vielumfassendere D1 254,28 z. B.] Z. B. D1 254,29 viel umfassender] vielumfassender D1 254,30 Eiche] Eiche, D1 254,33–34 viel umfassendere] vielumfassendere D1 255,2 viel umfassend] vielumfassend D1 255,5 z. B.] Z. B. D1 255,12–13 Hieraus 〈. . .〉 eins sey] Hieraus können Sie sich einen Begriff

machen von demjenigen, was man L o g i k nennet: denn diese gebört eigentlich in die Sprachlehre, und ist mit ihr auf das genaueste verwebt. D1 255,13–14 Auch wird der Begriff 〈. . .〉 gesetzt] Ferner werden Sie sich nun einen wahren Begriff von dem Worte i s t machen können D1 255,19 wir also] Sie also, D1 255,21 auseinander fallen] auseinanderfallen D1 255,22 wir] Sie D1 255,23 wir] Sie D1 255,24 wir] Sie D1 255,24 wir] Sie D1 255,25 i s t ] ist D i s t D1 255,26 redet.] redet? D1 255,29 diese] die D1 255,30 insbesondere] insbesondre D1 256,4 bloße] blosse D1 256,12 N o m i n a .] N o m i n a D1 256,12 Wir] Sie D1 256,12 K o m m e n ,] K o m m e n D1 256,13 wir] Sie D1 256,14 wir] Sie D1 256,16 uns] Ihnen D1 256,18 wir es] Sie es sich D1

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zu Anmerkung 9 Überlieferung 1. Textgrundlage D1 Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

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ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 12. Brief, S. 427–432. Sprache in psychologischer Rücksicht. In: MzE II.1 1784, S. 118–126, hier

S. 118–121. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 316–318. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 257,6 Verbums] Redeworts D1 Verbums J1 257,6 sich i m D e u t s c h e n ] sich D1 J1 257,7 Hauptworte] Grundworte D1 Substantivum J1 257,7 sind] sind im Deutschen J1 257,7 s t ] s t , D1 257,8 t ;] t , D1 257,8 z. B.] Z. B. D1 257,9–10 l i e b e n . Sage] l i e b e n . Sage J1 257,15 kann. Sobald] kann. Sobald J1 257,16 hinweg denke] hinwegdenke D1 J1 257,16 sage,] sage J1 257,19 g i e b s t ,] g i e b s t ; J1 257,21 g i e b . ] g i e b ! D1 J1 257,21 g i e b . Sage] g i e b ! Sage J1 257,26 anrede. Denke] anrede. Denke J1 257,27 z. B.] Z. B. D1 257,28 möchte] möge J1 257,28 nachdrucksvolle] nachdruckvolle D1 J1

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Herausgegebene Schriften

257,29 oder] oder, D1 257,29–30 k o m m e ! Daß] k o m m e ! Daß J1 258,1 setzt. Wenn] setzt. Wenn J1 258,2 überflüssig] überflüßig D1 J1 258,9–10 g e s c h i e h e t . Demohngeachtet] g e s c h i e h e t . Demohngeachtet J1 258,10 Zahl] Zahl, J1 258,11 l i e b e n ] l i e b e n J1 258,11 l i e b e t ] l i e b e t J1 258,11 l i e b e n ] l i e b e n J1 258,12 l i e b e n t ] l i e b e n t J1 258,12 l i e b e n t ] l i e b e n t J1 258,13 findet,] findet; J1 258,13 allein wir müssen bemerken, daß der] allein wir haben schon bemerkt, daß der D1 allein J1 258,14–15 verdrängen pflegt] verdrängen J1 258,15 hier] auch hier J1 258,15 Fall;] Fall, D1 258,15–16 einzelnen] einzigen D1 J1 258,18 würde. Allein] würde. Allein J1 258,20 Verbum] Redewort D1 258,21 l i e b e t . Auf] l i e b e t . Auf J1 258,22 Verbum] Redewort D1 258,22 Hauptworte] Grundworte D1 Substantivum J1

zu Anmerkung 10 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

J1

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 12. Brief, S. 433–442. Sprache in psychologischer Rücksicht. In: MzE II.1 1784, S. 118–126, hier S. 121–126.

James Beattie, Grundlinien

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D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 318–321. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 259,3 sich] sich aber D1 J1 259,4 Verbum] Redewort D1 259,7 u. s. w. Um] u. s. w. Um J1 259,10 s t ] s t , D1 J1 259,10 hinüber gehen] hinübergehen J1 259,14 ist; darum] ist. Darum J1 259,16 nicht] nicht, J1 259,16 l i e b t e t ] l i e b e t J1 259,16 l i e b t e . Allein] l i e b t e . Allein J1 259,19 ausdrucksvoller] ausdruckvoller J1 259,19 scheinet. Sie] scheinet. Sie J1 259,20 nehmlich] nehmlich, D1 J1 259,22–23 u. s. w. Die Vergangenheit verhält sich, in unsrer Vorstellung,]

Hiebei werden Sie sich an das zurückerinnern, was ich schon in einem meiner vorigen Briefe über unsre Vorstellung von der Vergangenheit gesagt habe: sie verhält sich nehmlich, in unsrer Vorstellung, D1 u. s. w. So verhält sich nemlich die Vergangenheit in unserer Vorstellung J1 259,25 Dämmerung] Dämmrung D1 259,25 bedeutungsvoll] Bedeutungsvoll J1 259,26 Verwandlung] Verwandelung J1 259,26–27 ausgedrückt! Freilich] ausgedrückt! Freilich J1 259,30 übertriebene] übertriebne D1 259,30 Schuld] schuld D1 J1 259,33 weit öfter] öfter J1 259,33 b l u ß ] b l u ß , D1 J1 260,1 b l i e ß ] b l i e ß , D1 260,1 g i n g . Diese] g i n g . Diese J1 260,1 übertriebene] übertriebne D1 260,3 verliert;] verliet: D1 verliert: J1

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Herausgegebene Schriften

260,3 z. B.] Z. B. D1 260,4 e r s c h o l l ] e r s c h o l l , D1 J1 260,5 Fällen. Nun] Fällen. Nun J1 260,7 z. B.] Z. B. D1 260,9 i s t ] ist J1 260,10 das] d a s D1 J1 260,11 bezeichnet. Bei] bezeichnet. Bei J1 260,11 den Verbis] den Redewörtern D1 dem Verbum J1 260,13 als] als, D1 260,14 das] d a s J1 260,14 W i r k l i c h e ] W i r k l i c h e , J1 260,16 z. B.] Z. B. D1 260,17 w ä r e . Denn] w ä r e . Denn J1 260,17 ö ] ö , D1 J1 260,19–20 Ungewisse] Ungewisse, D1 J1 260,20 den Verbis] den Redewörtern D1 dem Verbum J1 260,20 bezeichnen. Wir] bezeichnen. Wir J1 260,22–24 n i c h t m e h r w i r k l i c h 〈. . .〉 i s t . – Allein] g a r n i c h t w i r k l i c h , sondern nur m ö g l i c h ist – Allein J1 260,24 i s t . ] i s t – D1 260,24 z. B.] Z. B. D1 260,25 Singens] Singens, J1 260,28 u. s. w. Es] u. s. w. Es J1 260,32 andere] andre D1 J1 260,33 kann. So] kann. So J1 261,1–2 zerreißen soll. In] zerreissen soll. In J1 261,2 andre] andere J1 261,4 hinan. Weil] hinan, wie Sie dieß selbst bemerken können, wenn Sie unsre Idylle noch einmal in dieser Rücksicht durchlesen. Weil D1 hinan. Weil J1 261,4 nun,] nun J1 261,4 genauern] nähern J1 261,5 aufeinanderfolgenden Dinge] aufeinander folgenden Dinge, J1 261,7 f o r t d a u e r n d ] f o r t d a u r e n d D1 fortdaurend J1 261,8–9 u n m i t t e l b a r . Wollen] u n m i t t e l b a r . Wollen J1 261,9 demohngeachtet] dem ohngeachtet J1

James Beattie, Grundlinien

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261,14 gelangen. – Um] gelangen. Sie werden sich hierbei an das zurückerinnern, was ich Ihnen schon in einem meiner vorigen Briefe hierüber gesagt habe; allein ich werde Sie jetzt demohngeachtet nicht von P e r f e k t u m und P l u s q u a m p e r f e k t u m unterhalten, wie ich Ihnen damals drohete, eben so wenig, wie Sie von A k k u s a t i v und D a t i v weiter etwas von mir gehört haben, womit ich Ihnen doch auch einmal gedrohet habe. – Um D1 gelangen. – Um J1 261,14 z. B.] Z. B. D1 261,16 g e g a n g e n . Durch] g e g a n g e n . Durch J1 261,17 a u ß e r ] a u s s e r J1 261,18 i n ] in J1 261,19 z. B.] Z. B. D1 261,20 und] und, D1 261,21 und] und, D1 261,23 i n ] in J1 261,24 Solange] So lange D1 J1 261,25 v o l l s t ä n d i g ] v o l l s t ä n d i g , J1 261,30 aufeinander] auf einander J1 261,30 z. B.] Z. B. D1 261,31 oft wiederhohltes] oftwiederhohltes D1 J1 261,33 denke. Eben] denke. Eben J1 262,5 Vo l l s t ä n d i g e s ] v o l l s t ä n d i g e s D1 vollständiges J1 262,6–13 Wollen wir 〈. . .〉 zurückschieben.] fehlt in J1 262,6 Vergangene] Vergangne D1 262,11 diese] die D1 262,11–12 Perspective] Perspektive D1

zu Anmerkung 11 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 12. Brief, S. 441–447.

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Herausgegebene Schriften

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Sprache in psychologischer Rücksicht (Fortsetzung von p. 126. des 2ten B. 1tes St.). In: MzE II.2 1784, S. 111–123, hier S. 111–114. D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 321–323.

Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 262,24 denken] Denken J1 262,25 m i t t e l b a r ,] m i t t e l b a r J1 262,25–26 We r d e n s ,] We r d e n s J1 262,26 z. B.] Z. B. D1 262,27 g e h e n . Das] g e h e n . Das J1 263,2 u. s. w. Ist] u. s. w. Ist J1 263,4 anstatt] anstatt, D1 J1 263,5 u. s. w. – Wenn] u. s. w. Wenn J1 263,5 nur bloß] nun blos D1 J1 263,6 rufen] rufen wir D1 J1 263,8 u n t h ä t i g . Daher] u n t h ä t i g . Daher J1 263,9 w e r d e n ,] w e r d e n D1 J1 263,11 ü b e r g e h t ] übergeht J1 263,11 z. B.] Z. B. D1 263,12 g e r u f e n . Daß] g e r u f e n . Daß J1 263,12 diesem] diesen J1 263,13 ü b e r g e g a n g e n e ] ü b e r g e g a n g n e D1 J1 263,14 sich] sich, so wie bei der vergangnen Zeit, J1 263,15 v o l l s t ä n d i g ,] v o l l s t ä n d i g J1 263,17 ist. Weil] ist. Weil J1 263,21–22 w o r d e n . Bei] w o r d e n . Bei J1 263,22 Verbis] Redewörtern D1 263,23 a u s g e h e t ] a u s g e h t J1 263,24 Ve r g a n g e n e ] Ve r g a n g n e D1 J1 263,24–25 h a b e n ,] h a b e n J1 263,25 bezeichnet;] bezeichnet, D1 J1 263,25 wir,] wir D1 J1

James Beattie, Grundlinien

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263,27 Verba] Redewörter D1 263,27 bezeichnen,] bezeichnen D1 J1 263,28 verhalten. Demohngeachtet] verhalten. Demohngeachtet J1 263,30 Verbis] Redewörtern D1 263,32 verhält. Wir] verhält. Wir J1 263,34 keine] eigentlich keine D1 J1 264,1 abhängig, 〈. . .〉 ankömmt,] abhängig, J1 264,2 w o l l e n ,] w o l l e n J1 264,3 t h ä t i g . Bei] t h ä t i g . Bei J1 264,5 gleichsam unsern Körper] unsern Körper gleichsam D1 J1 264,7 u . s . w . :] u, s. w. J1 264,9 und] und, D1 J1 264,9–13 w o r d e n . 〈. . .〉 w ü r d e . ] w o r d e n . J1 264,11 Möglichkeit] Möglichkeit, D1

zu Anmerkung 12 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 323. Grundlage für den edierten Text: D.

zu Anmerkung 13 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D Deutsche Sprachlehre für die Damen. In Briefen von Carl Philipp Mo-

ritz. Mit Königlich Preußischer und Churfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit. Berlin, bei Arnold Wever. 1782, 3. Brief, S. 61–63 (entspricht S. 265,17–266,2 in vorliegendem Bd.); ebd., 4. Brief, S. 67f. (ent-

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Herausgegebene Schriften spricht S. 266,3–21); ebd., 12. Brief, S. 397–406 (entspricht S. 266,22–269,22); ebd., 12. Brief, S. 426 (entspricht S. 269,22–25).

D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 323–328. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 265,15–17 Die Wörter 〈. . .〉 Begriffe] Die Begriffe D1 265,18 den Präpositionen] diesen Wörtern D1 265,20 z. B.] Z. B. D1 265,28 A n n ä h e r u n g ] A n n ä h e r u n g , D1 265,32 ausgedrückt,] ausgedrückt D1 265,32 mannigfaltige] mannichfaltige D1 266,1–2 Folgende figürliche Darstellung 〈. . .〉 machen.] Doch, wir wollen

sie gelegentlich kennen lernen, und für jetzt will ich nur noch eine figürliche Darstellung von einigen dieser wichtigen Wörter voranschicken, die ich Ihrer eignen Erklärung überlasse. D1 266,8 an] in D1 266,10 u n t e r ] u n t e r , D1 266,15 wird,] wird; D1 266,15 zugleich] zu gleicher Zeit D1 266,18 scheint] scheinet D1 266,20 nemlich] nehmlich D1 266,22 Präpositionen] Fügewörtern D1 266,28 überschreitet,] überschreitet; D1 266,28 z. B.] Z. B. D1 267,3 Z i e l ] Ziel D1 267,5 seyn.] seyn. Die Fügewörter nun, in welche man sich sowohl die Begriffe von O r t als Z i e l hineindenken kann, sind folgende, die wir nach unsern vorausgesetzten Begriffen untereinander stellen wollen: Annäherung Berührung des Kopfes über auf der Seite neben an des Fußes unter unter

James Beattie, Grundlinien

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des Gesichtes vor vor des Rückens hinter hinter zweier Seiten zwischen zwischen a l l e r i n w e n d i g e n S e i t e n in in In meiner größern Tabelle von den deutschen Präpositionen oder Fügewörtern, die ich diesem Briefe beilege, werden Sie unter einem jeden der jetzt angeführten Fügewörter erläuternde Beispiele finden, wo man sich entweder den Begriff von O r t , oder den Begriff von Z i e l , in dieselben hineindenkt. D1 267,6 Präpositionen] Fügewörter D1 267,8 Ort h i n denken] O r t h i n d e n k e n D1 267,8 w i d e r ] w i e d e r , f ü r , D1 267,11 w e i l ] weil D1 267,15 v o r ] v o r , D1 267,20 denken:] denken; D1 267,26 Person,] Person D1 268,17 seyn,] seyn D1 268,22 Wir] Sie D1 268,23 der] d e r D1 268,23–24 der Präposition] dem Fügeworte D1 268,25 d u r c h ] D u r c h D1 268,25 viel, als] viel als, D1 268,28 irgendwo] irgend wo D1 268,32 s o n d e r n] sondern D1 268,34 i n m e i n e n ] in meinen D1 269,2 Präpositionen] Fügewörter D1 269,2 w i d e r ] w i e d e r D1 269,10 z. B.] Z. B. D1 269,14 Präpositionen] Fügewörter D1 269,16 Verbum] Redewort D1 269,19 Verbum] Redeworte D1 269,21 anders,] anders D1 269,21 der Präposition] dem Fügeworte D1 269,22 unserer] unsrer D1 269,23 Präpositionen] Fügewörter D1

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Herausgegebene Schriften

zu Anmerkung 14 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 328. Grundlage für den edierten Text: D.

zu Anmerkung 15 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 329. Grundlage für den edierten Text: D.

2. Varianten 270,26 glauben,] glauben. D

zu Anmerkung 16 Überlieferung 1. Textgrundlage 1

D

ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer. Von Karl Philipp Moritz. Mit achtzehn in Kupfer gestochenen Abbildungen nach antiken geschnittenen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums. Berlin, bei Friedrich Maurer, 1791, S. 77 (schon Ende 1790 erschienen).

James Beattie, Grundlinien

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D2 James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 329. Grundlage für den edierten Text: D2.

2. Varianten 271,25 man] man nun D1 271,26 den] diesen sowohl als andern D1 271,26 Alten] Alten, D1 271,26 wurden] wurde D1 271,29 zusammenzuknüpfen] zusammen zu knüpfen D1 272,3 könne.] könne; so wie man denn auch das jetzige Karneval in Rom als eine Sache betrachtet, die gleichsam wieder abgebüßt werden muß. D1

zu Anmerkung 17 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 329. Grundlage für den edierten Text: D.

zu Anmerkung 18 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 330. Grundlage für den edierten Text: D.

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Herausgegebene Schriften

2. Varianten 273,11 worden] werden D

Stellenerläuterungen 273,26 achten Bande von Göthe’s Schriften] Der achte Band der ersten rechtmäßigen Gesamtausgabe von Goethe’s Schriften (Leipzig 1787–1790, erschienen bei Göschen; Bd. 8: 1789) enthält u. a. folgende Schwänke: Neueröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel; Das Jahrmarkts-Fest zu Plundersweilern. Ein Schönbartspiel; Ein Fastnachtsspiel auch wohl zu tragieren nach Ostern, vom Pater Brey, dem falschen Propheten; Prolog zu den neuesten

Offenbarungen Gottes, verdeutscht durch Dr. Carl Friedrich Bahrdt. Gießen 1774. zu Anmerkung 19 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 330. Grundlage für den edierten Text: D.

zu Anmerkung 20 Überlieferung 1. Textgrundlage D James Beattie’s Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik Ç. . .È, 1790, S. 330. Grundlage für den edierten Text: D.

James Beattie, Grundlinien

2. Varianten 275,11 stützet.] stützet D

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Zur Herausgabe von Adam Walker, Bemerkungen auf

einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich, Berlin 1791 Überlieferung 1. Textgrundlage D Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien

und Frankreich. von A. Walker. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von K. P. Moritz. Mores hominum multorum vidit et urbes. Berlin, 1791. In der Vossischen Buchhandlung. 6 Bl., 298 S. Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlage: Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, Sig. H 1917 8.

2. Varianten 285,6 Peter] Poter D 286,14 hat.] hat D 288,22 Vollkommenheiten] Vokommenheiten D 289,29 boxen] baxen D

Adam Walker, Bemerkungen

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Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Die deutsche Übersetzung von Adam Walkers Reisebeschreibung Ideas, Suggested on the Spot in a Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy erschien zur Ostermesse 1791.1 Laut Katalog-Eintrag wurde das Buch aus dem Engl. übers. und mit vÇielenÈ AnmerkÇungenÈ begleitet von Karl Ph. Moritz. Auf Moritz als Übersetzer deutet auch die eigenhändige Quittung, die Moritz dem Verleger Christian Friedrich Voß (1722 o. 1724–1795) am 9. Juni 1791 ausstellte: Sechs und zwanzig Thaler neunzehn Groschen, als den Rest des

Honorariums für die Uebersetzung von Walkers Reisebeschreibung, habe von dem Buchhändler H. Voß richtig empfangen Ç. . .È (KMA 13). Ein zeitgenössischer Rezensent hielt Moritz’ Autorschaft für die Übertragung fraglich, weil diese so schlecht ausgefallen sei.2 Die Übersetzung scheint aber tatsächlich von Moritz zu stammen; sein Freund Klischnig verzeichnet diese Arbeit ausdrücklich als

von Moritz aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben,3 während er bei anderen, namentlich mit Moritz gezeichneten Übertragungen aus dem Englischen durchaus differenziert. In einem Brief an Johann Wilhelm Ludwig Gleim vom 17. September 1791 bemerkte Moritz nur, er habe die Übersetzung herausgegeben (vgl. KMA 13). Die Herausgabe fand wohl ziemlich flüchtig statt. Die Anmerkungen zu Walkers Text stammen alle von Moritz, wobei die ersten ohne Verfasserangabe gedruckt wurden, die folgenden aber durch das Kürzel M. gekennzeichnet sind. Zeugnisse über die Arbeit am Text sind nicht überliefert; sie muß im Verlauf des Jahres 1790 und Anfang 1791 stattgefunden haben, denn Walkers Ideas erschienen 1790 in London unter dem vollständigen Titel Ideas, Suggested on the Spot in a

Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy, By A. Walker, Lecturer on Experimental Philosophy. Mores hominum multorum vidit, et urbes. London: Printed for J. Robson, Bookseller, New Bond-Street; and J. Johnson, St. Paul’s Church-Yard. M, DCC, XC. Der britische Verfasser Adam Walker (1730 o. 1731–1821) stammte aus Patterdale in Westmorland; er

1

Vgl. Katalog der Frankfurter und Leipziger Ostermesse 1791, S. 148. Vgl. S. 673f. in vorliegendem Bd. 3 Klischnig, Erinnerungen, S. 267f. 2

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Herausgegebene Schriften

war Naturforscher, Erfinder und Dozent für experimental philosophy. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend, eignete sich Walker, ein self taught genius,4 in unermüdlichem Fleiß autodidaktisch breite Kenntnisse an, v. a. auf naturwissenschaftlichem und technisch-ingenieurswissenschaftlichem Gebiet. Mit fünfzehn Jahren wurde er Hilfslehrer an der Ledsham School in Yorkshire, drei Jahre später studierte er Mathematik an der free school von Macclesfield, wo er als Schreiblehrer und Buchhalter beschäftigt war; außerdem dozierte er über Astronomie in Manchester. Der mit Joseph Priestley bekannte Walker hielt später Vorlesungen in Haymarket, am Eton College, in Westminster, Winchester und anderen Orten. Walker reiste mit seinem Sohn William (1766–1816) und einem Freund vom 21. August 1787 bis zum 9. November auf den Kontinent, wo er Flandern, Deutschland, Frankreich und Italien besuchte; sein Interesse galt Land und Leuten, der Architektur, Kunst und besonders auch naturwissenschaftlichen Sammlungen und Objekten. Zur gleichen Zeit wie an der Übertragung von Walkers Reisebericht arbeitete Moritz an seinem mehrteiligen Buch Reisen eines Deutschen in Italien (1790–1793; vgl. KMA 5/2), so daß sich sein Interesse an Walkers Bemerkungen wohl auch auf die Kunst- und Italien-Thematik zurückführen läßt. Die meisten Zusätze gelten Monumenten oder Kunstobjekten, die Moritz selbst in Italien 1786–1788 gesehen hatte; als Referenz stützte er sich bei vielen Objekten auf das Standardwerk von Johann Jakob Volkmann, das er auch für seine Reisen eines Deutschen in Italien auswertete, nämlich auf die Historisch-kritischen

Nachrichten von Italien, welche eine genaue Beschreibung dieses Landes, der Sitten und Gebräuche, der Regierungsform, Handlung, Oekonomie, des Zustandes der Wissenschaften, und insonderheit der Werke der Kunst nebst einer Beurtheilung derselben enthalten. Aus den neuesten französischen und englischen Reisebeschreibungen und aus eignen Anmerkungen zusammengetragen (Leipzig 1770–1771). V. a. hinsichtlich der Qualität von Walkers Kunstbeschreibungen setzt sich Moritz dezidiert von dem britischen Autor ab; in den kritischen Anmerkungen zu den abgeschmackten (vgl. S. 293,2) Urteilen Walkers kündigt sich der Autor des dritten Bands der Reisen eines Deutschen in Italien an, der darin zunehmend theoretische Exkurse über Ästhetik einstreuen wird. Auch zu Walkers einseitigen Urteilen (etwa über die italienischen Frauen), die entgegen dem Motto5 des Buchtitels von einer die britische

4 5

Vgl. Watkins/Shoberl 1816, S. 367f., hier S. 367. Mores hominum multorum vidit et urbes: Zitat aus der ars poetica von Horaz, worin

Adam Walker, Bemerkungen

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Herkunft verabsolutierenden Perspektive zeugen, meldet Moritz Distanz an. Eine eingehende herausgeberische Bearbeitung von Walkers Text scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben; die von den Rezensenten bemängelten sachlichen Fehler des Reisebeschreibers (vgl. S. 671f.) hat Moritz stehen lassen. Inwieweit Moritz’ Interesse an Walkers Beobachtungen auf dessen in vielem parallelen Lebenslauf zurückgeht, kann angesichts der Quellenlage nicht entschieden werden. In den Bemerkungen geht Walker nicht näher auf seine Lebensgeschichte ein. Wie Moritz kam der Brite aus ärmlichen Verhältnissen und wurde von seinem Vater von der Schule genommen, noch bevor er lesen gelernt hatte. Vergleichbar zu Moritz’ Gartenhüttenexistenz zog er sich zu seinen Studien in die Einsamkeit einer kleinen selbstgebauten Hütte zurück; seine Mußestunden vertrieb er sich mit der Konstruktion etwa von Korn- und Papiermühlen-Modellen; im weiteren Verlauf seines Lebens gelang ihm wie Moritz der Aufstieg zur Dozentenlaufbahn.

2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Ç= HaudeSpenersche ZeitungÈ, Nr. 118, 1. Oktober 1791, S. 4È

Der Verfasser hat öfters eine naive und drollichte Darstellungsart; und da der Uebersetzer ihm die Geschwätzigkeit, in die er bisweilen fällt, mit Einsicht und Geschmack genommen hat, so wird diese Lektüre nicht nur für jedermann unterhaltend, sondern auch für viele belehrend sein.

auf die erste Zeile von Homers Odyssee angespielt ist: dic mihi, Musa, virum, captae post tempora Troiae / qui mores hominum multorum vidit et urbes / Nenne mir, Muse, den Mann, der nach der Erobrung von Troja zahlreicher Menschen Bräuche gesehn hat und ihre Städte (Quintus Horatius Flaccus, Ars Poetica. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort hrsg. v. Eckart Schäfer, Stuttgart 2008, S. 12f.; V. 141f.). Von Henry Fielding als Motto unter seinen Roman The history of Tom Jones, a Foundling (1749) gesetzt.

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Herausgegebene Schriften

2. Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 306, 17. November 1791, Sp. 329–332 (Georg Forster)

330

Wir können uns nicht überzeugen, daß die Krise, wohin es mit unserer Literatur gekommen ist, eine strenge Bezeichnung oder Absteckung der Gränzen erlaubt, außerhalb welchen keine Begnadigung vor dem Kunstrichter statt findet. Unter den Tausenden von schlechten Büchern, die jährlich herauskommen und ohne alle vorherige Prüfung, ja wohl gar mit Begierde und Wohlgefallen verschlungen werden, bemerken wir so viele durchaus verwerfliche, schädliche, in Absicht auf Inhalt und Behandlung unter aller Kritik stehende und nur zur Verbreitung falscher Vorstellungen führende Schriften, daß wir geneigt sind, einer großen Menge anderer, die nichts neues enthalten und von Seiten des schriftstellerischen Verdienstes leer ausgegangen sind, wenigstens um ihrer Unschädlichkeit willen einen Laufpaß mitzugeben und diejenigen, die auch nur den entferntesten Anspruch auf Unterhaltung, Belehrung oder Originalität von irgend einer Art machen können, zur Ausfüllung der Langenweile zu empfehlen. Die Zwekke des Lesens haben sich überdies so sehr vervielfältigt, daß ein Buch, welches von den bekanntesten Gegenständen handelt und sich nicht einmal durch seinen Gesichtspunkt auszeichnet, dennoch ein gewisses Interesse haben kann, in so fern es uns den Charakter des Verfassers anschaulich macht. In der That bekennen wir, bey der Durchlesung des kleinen Werkchens, womit Herr Hofr. Moritz unserm Publicum hier ein Geschenk macht, genau so viel Vergnügen empfunden zu haben, als eine wohlgerathene Karrikatur in einem Possenspiel uns gewährt hätte. Herr Walker, der sich S. 76 für einen Sternkundigen ausgiebt, ist wirklich zuweilen mit den Dingen dieser Erde so unbekannt, als hätte er immer nur im Monde gelebt; was er also nicht etwa in den Stunden, die er der Betrachtung des Himmels raubte, in England gewahr worden ist, befremdet ihn wie eine Entdeckung Herschels oder Schröters an einem andern Planeten. Zwischen dem 21sten August und dem 8ten November 1787 hat er nach seiner eigenen Berechnung beinahe viertausend englische (also achthundert deutsche) Meilen zurückgelegt; mithin kommen über zehn deutsche Meilen auf jeden Tag seiner Reise, und noch weit mehr, wenn man den Aufenthalt von etlichen Tagen in Venedig und Rom in Anschlag bringt. Man wird also wissen, welcher Nachrichten man sich zu er-freuen hat, wenn man sich einen Engländer denkt, der ohne ein Wort deutsch oder italienisch zu verstehen,

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zwar mit offenen Augen und gesunden Sinnen, aber doch auch mit den gröbsten Nationalvorurtheilen und ohne alle Vorkenntniß, in drittehalb Monaten mit der Post durch Calais, Dünkirchen, Ostende, Brügge, Gent, Brüssel, Löwen, Lüttich, Spa, Aachen, Cölln, Bonn, Coblenz, Limburg, Frankfurt, Mannheim, Heidelberg, Strasburg, Inspruck, Brixen, Trient, Verona, Vicenza, Padua und Mantua nach Venedig; von da nach Ferrara, Bologna, Rimini, Fano, Sinigaglia, Ancona, Loretto, Spoleto, Narni, Civita` Castellana, Rom, Viterbo, Siena, Florenz, Modena, Parma, Piacenza, Mailand, Turin, Chambery, Lyon, Fontainebleau, Paris und hierauf über Chantilly, Amiens, Abbeville und Montreal wieder nach Calais zurückjagt, alles im Fluge sieht und daher auch oft entweder triviale oder schiefe Bemerkungen macht. Das Eigenthümliche in der Auffassungsart der Eindrücke hat bey unserm Verfasser, wie nicht zu läugnen ist, etwas unterhaltendes, zumal wo es Gegenstände betrifft, die nur der Zufall in seinen Gesichtskreis führte; man stößt zuweilen, wie der Uebersetzer in der Vorrede sehr wahr bemerkt, auf naive Einfälle und zuweilen auf jene richtigen Empfindungen, die nie genug verbreitet werden können; allein wo der Vf. sich im geringsten Zeit nimmt, die Merkwürdigkeiten eines Ort〈s〉 zu beschauen, verräth er alsbald einen so unüberwindlichen Geist der Plattheit und einen so gänzlichen Mangel des guten Geschmacks, daß ihm nur das Mitleiden vor dem Unwillen des verständigen Lesers schützt. Es ist daher wirklich charakteristisch, wie der gelehrte Uebersetzer ihn anfanglich durchschlüpfen läßt, sodann hie und da in Anmerkungen berichtigt und bestraft, endlich aber, wo es gar zu arg wird, und insbesondere das Kunstgefühl und der Sinn des Schönen sich empören, die absurden Urtheile des Verfassers nicht mehr niederschreiben mag, sondern ihn im gerechten Eifer castrirt. Die Schilderung der Tyroler Alpen gehört zu den wenigen, die dem Vf. vorzüglich gut gerathen sind; so konnte nur ein Augenzeuge darstellen. Seine Bemerkungen über die grellen Kontraste in der modernen Musik sind ebenfalls richtig empfunden, und seine Klage über die Wirkungen des kirchlichen und weltlichen Despotismus auf den Charakter und sogar das äußere Ansehen der Italiener, wenn sie gleich so oft wiederholt worden sind, findet man doch immer an ihrem Orte. Dagegen verdrießt es, wenn man Nachricht von merkwürdigen Gegenständen erwartet, die kleinen Angelegenheiten des Reisenden zu einer unverdienten Wichtigkeit erhoben zu sehen, und immer wieder von theuren oder billigen Wirthen, groben Postillionen, schlechten Betten, Wanzen- und Mückenstichen, und

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unschmackhafter Kost zu lesen. Noch ärgerlicher aber ist es, wenn der freye Britte mit Selbstgefälligkeit so oft als möglich erinnert, daß er hie oder dort das Zimmer bezogen habe, wo Joseph der II. oder der Herzog von Glocester oder sonst fürstliche Personen logirt haben. Nach Art der gemeinsten und unerfahrensten Klasse von Reisebeschreibern vergleicht er auch oft die Gegenstände in der Fremde mit denen, die ihm bekannter sind, die aber dem Leser eben so fremd seyn können, z. B. den Hafen von Ostende mit dem von Liverpool, S. 9. das Bibliothekszimmer in Gent mit dem von Tr y n i t y - C o l l e g e in Cambridge, S. 18. das Rathhaus zu Brüssel mit der Kirche St. Bride in London, S. 24. die Stadt Gent mit Dublin, S. 19. Kölln mit Bristol S. 51. den Pallast in Mannheim mit G o l d e n S q u a r e in London S. 72. Amiens mit Salisbury S. 296 und den Löwen im Arsenal zu Venedig mit der Höhe seines Stocks, S. 169. Zuweilen ist ein wahres B a t h o s , mit Pope zu reden, in seinen Vergleichen sichtbar, z. B. wenn er die herrlichen Berge um Heidelberg mit Mehlklössen vergleicht, S. 80. Er vergißt auch wohl die Entfernungen der Oerter und wundert sich, daß man in Schwaben Holz brennt, da er doch bey Kölln Steinkohlen gesehen hätte, S. 94. Ein Wilderschweinsschinken ekelt ihn an, als eine Speise der Wilden, S. 62. ob er sich gleich mit Wohlgefallen aufhalten kann, die scheuslichste Verwesung an einem Hochgericht auszumahlen, S. 32. Die Sitten des weiblichen Geschlechts aber sind der Gegenstand, worüber er am meisten deraisonnirt; was hier nicht Englisch ist, scheint ihm verwerflich zu seyn, und dieses Vorurtheil geht so weit, daß er den Venetianerinnen eine große Gnade zu erzeigen glaubt, indem er bemerkt, daß, obgleich ihr Halstuch nicht so dicht anschließe, als es die englischen Damen tragen, er das doch lieber der Mode als dem L a s t e r zuschreiben wolle, S. 160. Als er endlich die Weiber wie Männer reiten sieht, wird er doch ein wenig in seinen Grundsätzen irre und bekennt, daß die Schamhaftigkeit wohl etwas mechanisch erlerntes seyn könne S. 206. Seine Strenge über diesen Punct ist indessen desto löblicher, da er doch zuweilen ein Spötter wird und S. 35 die biblischen Geschichten unter die possirlichen Gegenstände rechnet. Unsere deutschen Weiber kommen am schlimsten weg, denn er spricht ihnen die Keuschheit ab, weil er unterwegs (in den Wirthshäusern) sehr bequeme Dirnen fand, S. 108. Ueberhaupt scheint er sich wenig darum zu bekümmern, wie er eine individuelle Beobachtung in einen allgemeinen Charakterzug verwandelt; es heißt daher von den gemeinen Weibern in Strasburg ohne Unterschied, daß sie ohne Schuhe und Strümpfe giengen, S. 84. und

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von den Damen vom Stande daselbst, daß sie (durchgehends) die gewirkte nürnbergische Kappe trügen. Diese Unrichtigkeiten hätten wir gern in der Uebersetzung verbessert gesehen; so hätte man es auch berichtigen sollen, daß die Frankfurter Messe nicht sechzehn Wochen dauert. S. 64. daß die Mannheimer Brücke nicht auf siebzig Bögen liegt, S. 72 u. s. f. für Vervea S. 40. hätte man Ve r v i e r s , für Skolkin S. 73 S c h a l k e n , für Wißlack S. 82. W i s l o c h setzen können. Aus der Uebersetzung selbst, die im Ganzen getreu ist, hätten wir einige Anglicismen weggewünscht, wie z. B. S. 103 Precipicen (Abgründe), und ebendas. Discourse über die Vision (Abhandlungen über das Sehen). S. 149. Die Frauenzimmer in Venedig scheinen fade (vermuthlich im Englischen f a d e d , welk.) S. 210. die Engel hätten sich in einem Körper ( i n a b o d y , in einer Schaar oder einem Haufen) herniedergelassen. S. 252 Pinienapfel (Ananas) S. 272 das Ohr wird geharkt ( h a r r o w e d u p , zerrissen, verwundet, beleidigt.) 3. Allgemeine deutsche Bibliothek, 107. Bd., 2. St. Kiel 1792, S. 526–528 (Omp. = Ernst Theodor Langer)

Daß dieses flüchtige Tagebuch eine getreue Darstellung des ersten Eindruckes seyn soll, ist alles was der Uebersetzer zur Empfehlung desselben zu sagen weiß. Wäre der Reisende nun ein vorzüglich organisirter Kopf, so möchte dieser e r s t e E i n d r u c k , der bey Beobachtungen aller Art doch selten der sicherste ist, immer noch einigen Werth haben. So aber erscheint Master Wa l k e r als der einseitigste, alltäglichste Bemerker der sich nur denken läßt, alles bloß im Vorbeylaufen begafft, und die geringsten Kleinigkeiten dadurch zu heben versucht, daß er bald diese Gegend und Kirche, bald jenen Hausrath und Gegenstand mit einem in Old England vergleicht, und das tertium comparationis also für jeden fremden Leser um keinen Strahl einleuchtender macht. Hr M . selber gestehet, daß um die letztere Hälfte des Buches nur einigermaßen lesbarer zu machen, solche beträchtlich abgekürzt werden mußte. Wenn dieses bey der erstern Hälfte doch auch geschehen, oder gerade herausgesagt! die leidige Uebersetzung ganz und gar unterblieben wäre! Hr. Moritz hat die Welt schon mit so manchen unnützen Schriften heimgesucht, darunter denn diese wirklich gehört. Der Engländer, dessen Stand oder Handwerk sich keinesweges errathen läßt, hat seine fliegende Wanderschaft am 21 August 1787. angefangen, und den 9ten November eben dieses Jahres schon wieder geendiget: ein

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Umstand, der allein hinreicht, schlechterdings nichts Befriedigendes erwarten zu lassen. Da der Plunder nicht werth ist, ihm den Platz zu bessern, oder wenigstens einheimische Geburten in unsrer A. D. B. aufzuopfern: so will Rec. sich mit der Anzeige begnügen, daß der Schwätzer aus Calais über Dünkirchen, Brüssel, Löwen, Lüttich, Aachen, Cölln, Frankfurth, Mannheim, Straßburg, Kempten, Inspruck nach Italien u. s. w. gefahren ist. Ueberall die oberflächlichsten Bemerkungen in Menge, brauchbare Beobachtungen nirgends! – Will man die Gegend unsers Vaterlandes wissen, wo alle Weibsleute fett sind? Im Jülichischen. – Wo eine Messe ganze sechzehn Wochen währt? Zu Frankfurt am Mayn. – – Welches das älteste Gebäude in Europa seyn soll? Das Rathhaus ebendaselbst. – Meistentheils kommt der Reisende in später Nacht an, und hört nicht auf sich zu verwundern, daß er Sperrgeld bezahlen muß. – Zwischen Lüttich und Aachen eine Stadt Ve r v e a , soll Verviers heißen, die seinem Geburtsorte Kendal in Westmoreland überaus ähnlich sieht. Wißlack statt Wisloch, Namur statt Nevers, u. dgl. – Die s c h ö n e Stadt, wo das Schloß des Marggrafen von Baden r o t h a n g e s t r i c h e n steht, hat er nicht einmal zu nennen gewußt. Allem Anschein nach, ist es R a s t a d t gewesen; denn nach C a r l s r u h scheint er gar nicht gekommen zu seyn. Mit einem Worte, alle die Abgeschmacktheiten und Unrichtigkeiten anzeigen zu wollen, wovon das Buch nur Deutschland betreffend wimmelt, würde mehr als ein Blatt noch erfordern. Und nun die Anmerkungen, womit Herr M . das feine Werkchen zu begleiten, auf dem Titel verspricht? In der ganzen ersten Hälfte schränken sich solche auf die Note ein: daß O r r e r y ein Instrument sey, welches die Bewegung der himmlischen Körper vorstellt, als ob dieß nicht in jedem Lexicon zu finden wäre. Und dennoch wird mehrerer Sicherheit wegen dieses Nötchen kurz darauf noch einmal abgedruckt; und zum dritten Mal steht O r r e r y eingeklammert, und ohne Note. In der z w e y t e n Hälfte laufen diese Anmerkungen auf ein Paar höchstunbedeutende Berichtigungen Rom und Verona betreffend hinaus. – Noch mehr! Die U e b e r s e t z u n g s e l b s t , wenn sie, wie wir nicht hoffen wollen aus Hrn M . Feder geflossen seyn sollte, würde ihm zu großer Unehre gereichen. Sie ist in hundert Stellen so unbehülflich, schielend, uneigentlich, daß Hr. Moritz höchstwahrscheinlich nur mit flüchtiger Durchsicht irgend einer Schülerarbeit sich abgegeben hat. Als ob sein eigner Kopf nicht reichhaltig genug wäre, zum Zeitvertreibe des Publici beyzutragen! Vom Leben Reisers an, bis zur Abhandlung über das Schöne ist er ja sonst original; warum will er denn nun auch noch sich mit

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Uebersetzungen zu thun machen? O des traurigen Berufs für Recensenten, der Lesewelt von dergleichen schriftstellerischen Uebereilungen Bericht erstatten zu müssen! – 4. Litterarische Denkwürdigkeiten; oder Nachrichten von neuen Büchern und kleinen Schriften vorzüglich der Chursächsischen Universitäten, Schulen und Lande, 1. Quartal, von No. I–XXVI. Nebst 6 Beylagen. Zweyte Beylage zu den Neuen Leipziger gelehrten Anzeigen vom Jahr 1792. Leipzig 1792, S. 15

Dieß Büchlein hätte immer unübersetzt bleiben können, und besonders hätte ein Mann, wie Hr. Prof. M o r i t z , seine Zeit ungleich nützlicher verwenden können, als auf die Uebersetz. dieser Reise-Nachrichten. Ein bloßes Tagebuch, worin der Verf. aufzeichnete, was er an jedem Orte flüchtig sah. Die Anmerk. des Uebersetzers berichtigen einige Urtheile über Italien; sie finden sich aber weder häufig, noch ersetzen sie die Mängel des Textes. 5. Gothaische gelehrte Zeitungen, 62. St., 4. August 1792, S. 573–575

Bey der großen Menge von Reisebeschreibungen, welche seit mehrern Jahren auf deutschem Grund und Boden erschienen sind, und täglich noch erscheinen, und worunter wir sehr gute aufzuweisen haben, sollte man billig bey der Verpflanzung ausländischer auf unsern Boden eine gute Auswahl treffen, und nur Schriften, welche sich durch innern Gehalt ganz vortheilhaft auszeichnen, dieses Vorzugs würdigen. Viele Reisebeschreiber würden denn freylich des Vergnügens, ihre Produkte in unsere Sprache übersetzt zu sehen, haben entbehren müssen, und auch vorliegendem Werke würde unter jener Voraussetzung, diese Ehre wohl nicht zu Theil worden seyn. Hierdurch sprechen wir aber demselben keinesweges allen Werth, sondern nur eine höhere Stufe unter den Schriften dieser Gattung ab, und gestehen vielmehr, daß der Verfasser, welcher nach seiner Behauptung die gemachten Bemerkungen jedesmal an Ort und Stelle niederschrieb, und nachher nichts weiter daran änderte, wo nicht durch die Wichtigkeit der vorgetragenen Sachen, doch wenigstens durch die oft sehr naive und drollichte Art der Darstellung, mitunter eine angenehme Unterhaltung ge-

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währe. Zur Probe heben wir einige Stellen aus. S. 80. heißt es von der Gegend um Heidelberg: Die Hügel sind sehr rund, und steigen auf eine abgebrochene Weise aus der Ebene empor, so daß, wenn man einige Mehlklöse in einander drückt, und in einer Reihe auf den Tisch stellt, man eine ziemlich richtige Idee von dem Anblicke dieser Hügel bekommt. Siehet man von der Terrasse dieses Kastells niederwärts, so hat die Stadt das Ansehen eines Gemäldes in einem Guckkasten; es kommt einem fast vor, als ob es angienge, von der Terrasse herunter zu treten, und daß, wenn man einen Fuß auf die Spitze des höchsten Thurms setzte, der sich in der Stadt befindet, man alsdenn mit dem andern glücklich die Seite des gegenüber stehenden Hügels erreichen würde. Bey der Erwähnung des Fasses zu Heidelberg, sagt der Verf. etwas ganz Falsches, das seine historischen Kenntnisse nicht in dem vortheilhaftesten Lichte darstellt. Dieses milde Denkmahl der alten Gastfreyheit, heißt es S. 81. entkam dem Feuer des Himmels und Ludwigs des XIV. »Gehet, sagte dieser, als er mitten in einem Tanze von der Empörung der Pfälzer benachrichtiget wurde, verwüstet und vernichtet die ganze Pfalz.« Einer Empörung konnten sich die Pfälzer, da sie Ludwigs Unterthanen nicht waren, gegen ihn in keinem Falle schuldig gemacht haben, überdieses weiß man auch, daß der König ohne die mindeste wichtige Ursache, blos durch Antrieb des Kriegsministers Louvois, zu diesem schrecklichen Befehl veranlaßt wurde. Von der Civita Castellana im Kirchenstaate, sagt der Verfasser: Sie ist die sonderbarste von allen sonderbaren Städten, die wir noch in diesem Lande gesehen haben. Eine Anzahl perpendikularer Felsen scheinen es sich in den Kopf gesetzt zu haben, einen Congreß zu halten, der sehr geheim seyn sollte, und weßwegen sie sich von allen benachbarten abgesondert und einen großen Riß zwischen sich gelassen haben, so daß wir genöthiget waren, über eine Brücke von fürchterlicher Höhe in die Stadt zu gehen, welche auf der Spitze dieser Felsen liegt. Die Urtheile des Hrn. Walkers über die Einwohner der Stadt Rom, vorzüglich über die Frauenzimmer, sind übertrieben und zum Theil falsch. Von der feinen Klasse heißt es, in so fern ich sie kennen gelernt habe, muß ich sagen, daß es eine weichliche, weibische und üppige Menschenrace ist, indolent im höchsten Grade, unwissend mit Affectation von Gelehrsamkeit, und mit dem Anschein von Freymüthigkeit im Denken, im Grunde höchst bigott. Die Weiber sind noch affectirter, noch unwissender, und ihr Ideenkreiß noch beschränkter wie bey den Männern. Ihre Kleidung ist ein Bild der Seele, fantastisch, flüchtig, schmutzig

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und ohne Geschmack. Ich habe noch bey keinem Mann oder Frauenzimmer ein Stück weisse Wäsche gesehen, so lange ich in Italien bin. Ihre Erziehung unter den unwissenden Nonnen, welche nichts von der Welt kennen, als die Gebräuche ihres kleinen Convents, davon läßt sich leicht auf ihre Bildung schliessen. Sie kommen in die Welt, mit derjenigen affectirten Freymüthigkeit, welche gemeiniglich die Folge einer abgesonderten Erziehung ist. Ihre natürliche und erworbene Unverschämtheit wird noch durch die Schmeicheleyen der Männer und die Folgsamkeit der Bedientinnen vermehrt; und ein Mädchen weiß hier eben so wenig zu erröthen, oder zu denken, daß sie irgend etwas Unrechtes könne gesagt oder gethan haben, als ein Neger erwarten wird, daß man ihm Vorwürfe machen werde, daß er nicht weiß ist. So wächst sie auf, vollkommen überzeugt, daß, wenn sie zur Beichte geht, alle Tage zwey oder drey Stunden in der Kirche zubringt, und zu Hause ihre Gebete hersagt, daß sie alle Pflichten des Lebens erfüllt, bis sie sich verheyrathet und Mutter von Kindern wird. Wenn ihr das nicht glückt, so schließt sie sich entweder in ein Kloster ein, um sich da mit einem eingebildeten himmlischen, statt eines irrdischen Bräutigams, zu vermählen, oder sie stört die Freuden der Gesellschaft für den übrigen Theil ihres Lebens mit religiösen Schwärmereyen und Erscheinungen, die ihr die Jungfrau Marie gewährt. Dies ist keinesweges durchgängig der Fall, aber ich habe mir einige Mühe gegeben, mich in dieser Sache zu unterrichten, und glaube, daß es im Ganzen genommen so sey. Ein anderer Umstand ist noch der, daß sie alle, über die Küche und Haushaltungssachen erhaben, in ihrem Putzzimmer leben; denn diese Sachen halten sie da weit unter sich, daß man glauben sollte, eine römische Dame sey ihrer eigenen Meinung nach, blos darum in der Welt, um zu schwatzen, ihre Toilette zu machen, und geschmeichelt zu werden. Daher besteht die Conversation, wenn Weiber dabey sind, aus nichts als ekelhaften Complimenten, leerem Witz und solchen Freymüthigkeiten, welche ein ehrbares englisches Frauenzimmer aus der Gesellschaft vertreiben würden. Demohngeachtet haben die hiesigen Frauenzimmer hiervon nicht das mindeste Bewußtseyn, sie schlagen die Männer mit ihren Fächern, und schielen nach ihnen, als ob sie sie zu noch etwas mehr, als zu wechselseitiger Zärtlichkeit einladen wollten.

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Stellenerläuterungen 276,5–276,10 gesteht selbst 〈. . .〉 beurtheilt wissen] Bezieht sich auf das zweiseitige Advertisement in Walkers Buch, das Moritz nicht übersetzt hat: The best

Apology the Author can make for adding another Journal to the many already published is, That the following Remarks were made on the Spot, with the described Objects before his Eyes, the Instant of writing them. He meant them as Nothing more than a Transcript of his Feelings for the Moment, having found a Retrospect of such Remarks on the various Incidents of his Life a pleasurable Amusement. Not a thought of Publication ever entered his Head, till the kind Partiality of a few Friends seduced his Vanity. He therefore ushers them into the World with all their Imperfections on their head, being advised not to injure their Spirit, if they have any, by the Alteration of a single Word. The same kind Indulgence which his Endeavours to instruct or entertain the Public have hitherto met with, he hopes will attend this imperfect Sketch. Critics he assures himself will not think it worth while to discharge Artillery upon such a Fly; – its Insignificance, and the gratefully acknowledged Partiality the Public have always shewn its Author, must be its Protection (Ideas, Suggested on the Spot in a Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy, London: J. Robson and J. Johnson, 1790, unpag.). 276,14–18 Dies ist denn auch 〈. . .〉 lesbar zu machen] In seinen Anmerkungen markiert Moritz die gekürzten Passagen: S. 288, 289, 290, 291f., 292f. 277,9–10 Aebtissin von Quedlinburg 〈. . .〉 Vorgebirge der Nasen] Bezieht sich auf eine anspielungsreiche Episode im 86. Kapitel von Laurence Sternes (1713–1768) humoristischem Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman (1759–1767), in der ein Fremder mit einer ungeheuer langen Nase, der vom »Vorgebirge der Nasen« stammt, in Straßburg die Neugier der ganzen Stadt und der gerade anwesenden Äbtissin von Quedlinburg auf sein gewaltiges Körperteil auf sich zieht. 277,26 (Orrery)*] Bezeichnung für eine Planetenmaschine, die vor dem Aufkommen der modernen Projektionsplanetarien auch als ›Planetarium‹ bezeichnet wurde. Die mechanische Apparatur bildet in Form einer Miniatur die Bewegungen der Himmelskörper ab, insbesondere das Verhalten von Erde und Mond. Zwei Modelle des Systems Erde-Mond-Sonne wurden 1704 von dem englischen Uhrmacher George Graham (1673–1751) angefertigt, der eines davon an den Londoner Instrumentenbauer John Rowley (1665–1728) weitergab. Seitdem Rowley

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1712 ein Modell für seinen interessierten Förderer Charles Boyle (1676–1731), den IV. Earl of Orrery, nachbaute, tragen die Orreries den Namen des Adligen. 278,27–28 dieses wirklich bewundernswürdigen Gebäudes] Die im 2. Viertel des 1. Jhs. n. Chr. erbaute sog. Arena in Verona hatte Moritz während seines Italienaufenthalts im Oktober 1786 selbst besucht; er widmete ihr eine Passage in seiner Reisebeschreibung (RDI I, S. 5f.; vgl. auch den ähnlich lautenden Aufsatz

Verona oder die Täuschung in den ersten Eindrücken von einem fremden Lande in der von Moritz mithrsg. Zeitschrift Italien und Deutschland〈.〉 In Rücksicht auf Sitten, Gebräuche, Litteratur und Kunst, 1790, 1. Bd., 1. St., S. 70–79; KMA 5/2). 279,5–8 Dieses ovale Gebäude 〈. . .〉 Fuß] Moritz übernimmt hier Angaben aus Johann Jakob Volkmanns Standardwerk Historisch-kritische Nachrichten von Italien: Dieses ovale Gebäude ist, die Dicke der Mauer mit gerechnet,

vierhundert und vier und sechzig Fuß lang und dreyhundert und sieben und sechzig breit 〈. . .〉. Der äußere Umfang der Mauer hat tausend dreyhundert ein und dreyßig Fuß 〈. . .〉 (3. Bd., Leipzig 1771, S. 691). Volkmanns Buch hatte Moritz auch ausführlich für seine eigene italienische Reisebeschreibung ausgewertet; vgl. KMA 5/2. 279,24–28 Die untersten Sitze 〈. . .〉 zu vergleichen sind] Zitat nach Volkmann; nur der abschließende Vergleich ist neu. Vgl. Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten, 3. Bd., S. 691: die untersten Sitze waren sonst ganz im Schutt

vergraben, man hat solchen aber vor ohngefähr zehn Jahren weggeschaft, und den Kampfplatz so geebnet, daß zuweilen Thierhetzen darinn gehalten werden können; man wendet das Amphitheater also noch zu eben dem Gebrauch an, wozu es bereits vor 1700 Jahren gedienet hat. 280,1–4 Auf die Person 〈. . .〉 gestanden haben] Moritz folgt hier vmtl. Volkmann: Wenn man auf die Person anderthalb Fuß rechnet, so haben hier zwey und zwanzigtausend hundert und vier und achtzig Menschen Platz gehabt (Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten, 3. Bd., S. 691). 280,4–10 Als ich im Jahre 1786 durch Verona reißte 〈. . .〉 ausnahm] Vgl. Erl. zu S. 278,27–28. In Moritz’ Reisen eines Deutschen in Italien heißt es zum Amphitheater: Ein kleines modernes Theater mit Vorhang und Kulissen, das unten auf der Arena erbaut ist, und worauf man von oben herab sieht, verursacht mit seiner großen Umgebung einen seltsamen Kontrast. Wie sonst die Sitze zum Theater, so hat man hier ein Theater zu den Sitzen erbaut (RDI I, S. 5f.; KMA 5/2).

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280,11 von Vitruvius erbauete Thor] Der im 1. Jh. n. Chr. erbaute Arco dei Gavi. Der zu Ehren des Geschlechts Gavi erbaute Triumphbogen wurde im Mittelalter zum Stadttor; dieses trägt die Inschrift des Architekten Lucius Vitruvius Cerdone, der mit dem von Walker und Moritz bemühten röm. Architekten und Achiturtheoretiker Vitruv nichts gemein hat. In der Zuschreibung und Beurteilung des Bauwerks folgt Moritz Volkmanns Historisch-kritischen Nachrichten, 3. Bd., S. 694f.: Der erste 〈Triumphbogen〉 wird Arco de’ Gavii oder Arco di Vitruvio

nach diesem berühmten Baumeister genennt, ohne daß man weiter eine Ursache davon angeben kann, als daß er aus der Stadt Verona gebürtig gewesen. Man thut ihm aber eine schlechte Ehre dadurch an, weil die noch übrigen zwey kannelirten Säulen und Bogen einen schlechten Geschmack, der zu seinen Zeiten noch nicht eingerissen war, verrathen. 280,23 Triumphbogen des Flaminius] Vmtl. meint Walker das im 1. Jh. n. Chr. erbaute dreigeschossige Stadttor, die Porta Borsari, aus zwei Bögen mit doppelter Fensterreihe bestehend. Moritz identifiziert das Bauwerk in seiner Anmerkung nach Volkmanns Beschreibung: Die Porta de’ Borsari soll ein Triumphbogen des Kaysers Gallienus 〈. . .〉 seyn. 〈. . .〉 Er besteht aus zwey Arkaden mit

Giebeln, die auf korinthischen Säulen ruhen, darüber sind zwey kleine Säulenordnungen jede mit sechs Fenstern. Die Architektur ist elend (Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten, 3. Bd., S. 695). 281,5 Brücke] Die 1335 erbaute Scaliger-Brücke (Ponte Scaligero), auch Ponte Castelvecchio genannt. In seiner Anmerkung zitiert Moritz aus Volkmanns Historisch-kritischen Nachrichten, 3. Bd., S. 690: Die Brücke hat eine Länge

von dreyhundert und neun und funfzig Fuß, und besteht aus drey Bogen, deren einer zwey und siebenzig, der andere fünf und achtzig, und der dritte hundert und fünf und vierzig Fuß weit gespannt ist. Man macht viel Wesens daraus, weil der Bogen viel weiter ist, als von dem Ponte Rialto zu Venedig, dessen Weite nur neun und achtzig Fuß beträgt. 281,18–26 Von den Anhöhen 〈. . .〉 hinausgerückt haben] Nur gering abweichendes Selbstzitat nach Moritz’ Reisen eines Deutschen in Italien, vgl. RDI I, S. 6 (KMA 5/2). 282,7–18 Der Geburtsort Virgils 〈. . .〉 Ansehen] Pietole gilt als der Geburtsort Vergils (Publius Vergilius Maro, 70–19 v. Chr.). Ausführlicher, aber mit thematischen und stilistischen Entsprechungen von Moritz im Kapitel Virgils Grotte in seiner italienischen Reisebeschreibung geschildert, vgl. RDI I, S. 9f. (KMA 5/2). 283,32 Da ich dies Gemälde selbst nicht gesehen habe] Moritz hielt sich 1786 zwei Tage in Bologna auf; sein Reisebericht verzeichnet dazu: Von Bologna

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kein Wort! weil ich nach einem Aufenthalte von zwei Tagen, nicht sagen kann, daß ich es gesehen habe, und die auswendig gelernten Sprüche eines Cicerone nicht niederschreiben will (RDI, S. 15; KMA 5/2). 283,33 Urtheil] Gekürztes Zitat aus Volkmann, Historisch-kritische Nachrichten, 1. Bd. Leipzig 1770, S. 414–416. 284,14 drei Caracci’s] Annibale Caracci (1560–1609) und Agostino Caracci (1557–1602) waren Neffen von Lodovico Caracci (1555–1619). 284,16 Macaroni’s] Von ital. »maccherone«: ›Narr‹. Im England des 18. Jhs. Bezeichnung für einen Dandy, der ausländische Moden auf affektierte Art zur Schau trug. 284,27–29 Auf einem alten gothischen Kastell 〈. . .〉 den Rubiko überschreite] Über die heute zerstörte Stadtbefestigung schrieb Moritz in seiner Reisebeschreibung: Sonderbar nimmt sich die Inschrift an einer alten Festung

der Stadt aus, welche von einem K a r d i n a l erbaut, oder wieder hergestellt ist: d a m i t d e r R u b i k o n n i c h t u n g e s t r a f t ü b e r s c h r i t t e n w e r d e (ne Rubico transeatur impune!). 〈. . .〉 Ueber den R u b i k o n selbst aber streiten sich bis jetzt die Antiquaren, welcher von den kleinen Flüssen in dieser Gegend es gewesen sey (RDI I, S. 37f.; KMA 5/2). Die Redewendung ›den Rubikon überschreiten‹ bezog sich ursprünglich auf Cäsars Überqueren des Grenzflusses Rubikon Richtung Süden während des Bürgerkriegs gegen Gnaeus Pompeius Magnus, eine Kriegserklärung gegen Rom. 285,4 M e t a u r u s ] 1786 besuchte Moritz die Gegend um Fano, wo die Armee des Feldherrn Hasdrubal, des Bruders Hannibals, 207 v. Chr. von den Römern geschlagen wurde; vgl. RDI I, S. 53 (KMA 5/2): Der Fluß Metauro, bei welchem

das Heer des Asdrubal von den Römern geschlagen wurde, bildet dicht vor der Stadt einen kleinen Wasserfall. 285,11–14 Die Beschreibungen 〈. . .〉 niederschrieb] Vom Petersdom hat Moritz selbst eine eindrucksvolle Beschreibung in seinen Reisen eines Deutschen in Italien gegeben; vgl. RDI I, S. 176–181 (KMA 5/2). 285,16–22 Die Nachbarschaft des Kolossäums 〈. . .〉 seyn] Vgl. Moritz’ eigene Reisebeschreibung: Bei dem nahen Anblick des Kolossäums oder Kolisäums, wie man hier zu sagen pflegt, fühlet man sich am lebhaftesten in das alte Rom versetzt; denn man sieht hier rund um sich her mehr Ruinen, Triumphbogen, u. s. w. als moderne Gebäude. Das Amphitheater liegt in der Mitte zwischen dem Palatinischen, Cölischen und Esquilinischen Hügel. In der Ebene steht der Triumphbogen des Konstantinus; auf dem Palatinischen Hügel ragen die Ruinen von dem Pallaste des Nero, auf dem Esqui-

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linischen die Bäder des Titus empor, und in der Ferne am Fuße des Aventinischen Berges sieht man die ungeheuern Ruinen von den Bädern des Karakalla (RDI I, S. 200; KMA 5/2). 286,4–7 Der Felsen 〈. . .〉 seyn] Vgl. RDI III, S. 100 (KMA 5/2): Von dem Tarpejischen Felsen ist der Anblick auf die Stadt Rom vorzüglich schön. – Man sieht nehmlich gerade auf das Theater des Marcellus herunter, dessen Außenwände, ob es gleich inwendig verbauet ist, dennoch zum Theil ihre ehemalige Gestalt beibehalten haben. 287,22–23 Klopstocks Ode 〈. . .〉 Teufelsburg nennt] Gemeint ist Friedrich Gottlieb Klopstocks (1724–1803) Joseph II. gewidmete Ode An den Kaiser (entstanden 1781); darin heißt es: Wir weinten Unmut, daß uns der Römer Rom / Zwar nicht beherschte, aber doch peinigte; / Und blutig ist die andre Thräne, / Daß uns der Römlinge Rom beherschet! / Daß Deutschlands Kaiser Bügel des Zelters hielt! / Daß Deutschlands Kaiser nackt um die Teufelsburg / Herging, erfror, wenn nicht Matildis – 〈. . .〉 (An den Kaiser. 1781, in: Musen Almanach für 1783, hrsg. v. J. H. Voß und L. F. G. Goekkingk, Hamburg 1782, S. 60–62, hier S. 61f.). 288,6 Diese Basreliefs sind nicht schön] Den Triumphbogen des Septimius Severus hat Moritz in seinen Reisen eines Deutschen in Italien näher charakterisiert, ohne auf die Relieftafeln zur Verherrlichung der Feldzüge des Septimius Severus (im ›Landkartenstil‹) näher einzugehen: Wenn man das Kapitolium von

hier wieder hinuntersteigt, so stößt man gerade auf den Triumphbogen des Kaisers Septimius Severus, an welchem man schon die Spuren des Verfalls der Kunst bemerkt; er hat drei Durchgänge, und besteht aus weißem Marmor, welcher aber durch die Länge der Zeit ein schwärzliches Ansehen erhalten hat. Die Verzierungen an diesem Triumphbogen haben schon ihre Auswüchse, welche vorzüglich in den Verkröpfungen und überflüssigen Vorsprüngen bestehen, die den Eindruck des Ganzen viel zu sehr unterbrechen, und dadurch diesem prachtvollen Werke einen Theil seiner Würde benehmen. Man darf nur zwischen diesem und dem Triumphbogen des Titus, zu welchem man hier mit wenigen Schritten kömmt, eine Vergleichung anstellen, um den auffallenden Unterschied in den Basreliefs und übrigen Verzierungen zu bemerken, und zu beurtheilen, was für ein Geist in den Künsten zu den Zeiten des Titus, und zu den Zeiten des Septimius Severus herrschte. Demohngeachtet hat man bei modernen Gebäuden den Triumphbogen des Septimius Severus häufig zum Muster der Verzierungen genommen; vielleicht gerade deswegen, weil man selbst von der edlen

Adam Walker, Bemerkungen

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Einfalt der Alten zu weit abgewichen war, um von dem gothischen Geschmack auf einmal wieder zu derselben zurückzukehren (RDI I, S. 217f.; KMA 5/2). 288,13–16 Der Katalog von Kunstwerken 〈. . .〉 weggelassen worden] Vgl. Walkers Beschreibung der Kunstschätze des Vatikan in den Ideas, suggested on the Spot, S. 253–258. Moritz hatte im ersten Band seiner Reisen eines Deutschen in Italien eine eingehendere Beschreibung der Kunstwerke des Vatikan aus Respekt vor den Monumenten verweigert: Ich bin denn auch auf dem Vatikan

gewesen, habe den Apollo von Belvedere, den Laokoon und den Torso gesehen; den Fechter in der Villa Borghese, und so viel andre herrliche Monumente, dennoch aber wage ich es jetzt nicht, über dieß alles eine Silbe zu schreiben. Ich finde, daß es den neuangekommenen Künstlern hier eben so geht, wie mir; sie verlieren sich in dem Anschauen des Mannichfaltigen, ihre Einbildungskraft verschwimmt sich, und kann sich auf nichts einzelnes heften; jedes Neue ist zu anziehend und zu reizend, als daß man nicht eine Zeitlang mit Muße darauf verweilen sollte; eine bestimmte Auswahl aus diesem allen würde im Anfange sogar eine Art von Ve〈r〉wegenheit seyn; und nur einer, der die Kunst wie ein Handwerk treibt, oder durch die dringendsten Bedürfnisse dazu genöthigt ist, kann hier sogleich beim Eintritt in dieß Heiligtum, ohne sich erst darin umgesehn zu haben, mit bestimmter Arbeit und täglichem Fleiß den Anfang machen. Auch ist die Seele noch zu voll von den Gegenständen; alles, was sie darüber sagen oder davon wieder ausdrücken soll, kömmt ihr viel zu klein und geringfügig gegen die Sachen selber vor (RDI I, S. 146f.; KMA 5/2). Im dritten Teil der Reisebeschreibung liefert Moritz dann die Beschreibung im Kapitel Apollo in Belvedere, vgl. RDI III, S. 155–158 (KMA 5/2). 289,6–9 Hier folgt im Original 〈. . .〉 übergangen sind] In der Übersetzung läßt Moritz zwei kleine Absätze weg sowie nach der Beschreibung der Schule von Athen die Schilderung anderer Kunstwerke (Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 266f.). 289,16 sterbenden Fechter] Die griechische Skulptur des ›sterbenden Fechters‹ (bzw. des ›sterbenden Galliers‹) im Kapitolinischen Museum hat Moritz näher in seinen Reisen eines Deutschen in Italien charakterisiert (RDI II, S. 193f.; KMA 5/2). 289,29 Baxen] Verschrieben für: Boxen. Vgl. Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 277.

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290,1–3 Was hier im Original 〈. . .〉 verdiente] Vgl. Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 278–281. 290,29–30 Jetzt folgt 〈. . .〉 befinden] Vgl. Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 293–299. Moritz hat im Kapitel Die Villa Borghese seiner italienischen Reisebeschreibung eine einläßlichere Charakteristik des 1613–1616 von Kardinal Scipione Caffarelli Borghese angelegten Parks und der Villa geliefert (RDI II; S. 222–232, hier S. 222; KMA 5/2). 291,27–292,2 Diese Probe 〈. . .〉 nicht werth ist] Moritz läßt im folgenden aus Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 306–309, eine Passage über die italienischen Frauen und längere Ausführungen über den schlechten Charakter der lower class of people (ebd., S. 306) weg. 291,27 oberflächigen] Die bei Moritz des öfteren vorkommende Form für »oberflächlich« ist nicht bei Adelung oder im DWb nachgewiesen. 292,4 Monument] Von Moritz charakterisiert in den Reisen eines Deutschen in Italien (RDI I, S. 198–200; KMA 5/2). 292,26–293,3 Der Verfasser besiehet 〈. . .〉 urtheilet] Walker schildert im folgenden (Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 342–344) den Florentiner Dom (Santa Maria del Fiore) und das Baptisterium, erst dann folgt die von Moritz erwähnte Beschreibung der Bildkunstwerke in der Medici-Sammlung; vgl. Walker, Ideas, suggested on the Spot, S. 345–349. Moritz selbst hat die Florentiner Kunstschätze zwar gesehen, aber nicht beschrieben; in seiner Reisebeschreibung heißt es: Von den Kunstsachen im Pallast Pitti und in der herzoglichen Gallerie

behalte ich mir meine Bemerkungen zu einem besondern Briefe, oder vielmehr zu einem Aufsatze vor, den ich Ihnen selbst nach Deutschland mitbringen werde (RDI III, S. 292; KMA 5/2). Dieser angekündigte Aufsatz ist nie erschienen. 293,1 midiceeische] Verschrieben für: mediceische.

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Zur Herausgabe von Thomas Holcroft, Anna St. Ives, Berlin 1792–94 Überlieferung 1. Textgrundlage D Anna St. Ives. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Philipp Moritz.

Erster Theil. Mit Churfürstl. Sächs. Privilegium. Berlin. Bei Johann Friedrich Unger. 1792. VIII u. 240 S. Fortsetzungen: Zweiter Theil: 1792 (250 S.); Dritter Theil 1792 (238 S.); Vierter Theil 1793 (1 Bl. 234 S.); Fünfter und letzter Theil 1794 (184 S.). Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlagen: 1.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Zd 4284–1/2; 2.) Bayerische Staatsbibliothek München, Sig. P.o.angl. 350.

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Thomas Holcrofts (1745–1809) Briefroman Anna St. Ives. A Novel erschien 1792 in sieben Bänden im Londoner Verlag Shepperson & Reynolds. Schon im April desselben Jahres wies ein deutscher Rezensent des Buchs in der Allgemeinen Literatur-Zeitung auf das Gepräge des Genie’s1 in diesem Werk hin und empfahl eine Uebersetzung dieses schönen Kunstwerks.2 Diese kam umge1 2

Vgl. S. 688 in diesem Bd. Vgl. ebd.

688

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hend im Verlag von Johann Friedrich Unger heraus, zu dem Moritz in naher Verbindung stand und für den er schon als Übersetzer von Elizabeth Blowers Roman Maria hatte firmieren sollen (vgl. S. 628f. in vorliegendem Bd.). Die deutsche Übersetzung wurde mit dem Zusatz übersetzt von Karl Philipp Moritz publiziert; Bd. 1 und 2 erschienen zur Michaelismesse 1792,3 der dritte Band Ostern 1793,4 der vierte, zunächst als letzter Teil deklariert, zu Michaelis 1793.5 Der fünfte und letzte Band kam zur Ostermesse 1794 heraus.6 Die Übersetzung stammt vmtl. nur zu einem geringen Teil von Moritz. Dessen Freund Klischnig führte 1794 in seinem Werkverzeichnis auf, daß Moritz sich als Herausgeber des Werks genannt habe, dieses aber größtentheils von mir übersetzt sei.7 Die Autorschaft für die Übersetzung hat Klischnig auch andernorts bezeugt. Die Selbstauskunft nahmen 1795 Valentin Heinrich Schmidt und Daniel Gottlieb Gebhard Mehring in ihr Autorenlexikon Neuestes gelehrtes Berlin;

oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berlinischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen auf; darin heißt es, daß Klischnig Ç. . .È nach der uns mitgetheilten Anzeige, die unter Moritz Namen herausgekommenen Romane: Anna St. Ives. 5 Theile. Berlin. Unger. 1793 und 1794. Ç. . .È und Vancenza. 2 Theile. Berlin. Oehmigke. 1793. größtentheils aus dem Englischen übersetzt habe.8 Auf eine nicht von Moritz stammende Übersetzungsleistung deutet auch hin, daß die Vorrede zur deutschen Ausgabe von Anna St. Ives nicht namentlich von Moritz gezeichnet, sondern mit Der Uebersetzer unterschrieben ist. Einige Gedanken in diesem Text tragen aber deutlich Moritz’ Gepräge an sich: etwa der Hinweis auf den hermeneutisch wichtigen Gesichtspunkt (vgl. S. 294,9 und Erl.), auf die Notwendigkeit interessanter und origineller Charaktere in der Literatur (vgl. S. 294,24–25) oder auf die Frontstellung gegen falsche Affektazion (vgl. S. 295,25 und Erl.).

3

Meßkatalog Michaelis 1792, S. 202. Meßkatalog Ostern 1793, S. 7. 5 Meßkatalog Michaelis 1793, S. 208. 6 Meßkatalog Ostern 1794, S. 8. 7 Vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 267f. 8 1. Teil: A – L, Berlin 1795, S. 243. In einem Brief an einen namentlich nicht genannten Verleger führte Klischnig am 15. Juni 1797 dementsprechend auf, daß er die Romane Anna St. Ives und Vancenza (vgl. dazu S. 692–698 in diesem Bd.) als Übersetzungen unter des verstorbenen Hofraths Moritz Namen verfaßt habe; vgl. die Hs. im Goethe-Museum Düsseldorf, Sig. 0. 4

Thomas Holcroft, Anna St. Ives

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Der englische Schriftsteller und Übersetzer Thomas Holcroft wurde am 10. Dezember 1745 in London geboren, wo er am 23. März 1809 auch starb. Der Sohn eines Schuhmachers arbeitete als Stalljunge, ging auf Wanderschaft, wurde Schauspieler (u. a. am ›Drury Lane Theatre‹ in London) und machte sich schließlich als Autor, Journalist, Dichter, Kritiker und Übersetzer (v. a. aus dem Französischen und Deutschen) einen Namen. Holcroft war mit William Godwin und Thomas Paine befreundet; er setzte sich für die Ziele der Französischen Revolution ein und wurde deshalb 1794 wegen Hochverrats angeklagt, ohne aber verurteilt zu werden. In der Forschung wird Holcroft (ähnlich wie William Godwin) gelegentlich sogar als ein früher Anarchist bezeichnet; demnach habe der Autor Holcroft bevorzugt populäre literarische Formen verwendet, um seine gesellschaftlichen und politischen Ziele zu befördern.9 Der Briefroman Anna St. Ives, der in der Tradition von Samuel Richardsons Clarissa (1747–48) und Jean-Jacques Rousseaus Julie (1761) steht, gilt als politisch-aufklärerischer Roman, der die Gleichheitsideen der Französischen Revolution in einen utopischen Gesellschaftsentwurf übersetzt;10 er wird unter die »jacobin novels«11 eingeordnet. In den positiven Figuren der adligen Anna St. Ives, der Tochter des Barons Sir Arthur St. Ives, und eines Bürgers, des Gutsverwaltersohns Frank Henley, zeichnet Holcroft standesübergreifende ideale Charaktere, die allen Widerständen der Umwelt zum Trotz ein Paar werden. Henleys Widersacher Coke Clifton vertritt die Rolle des adligen Schurken. Während Clifton entschieden die Überlegenheit seines Standes betont, weisen Anna und Frank mit ihren Vorstellungen von der natürlichen Gleichheit aller Menschen bereits über das System der als korrumpiert dargestellten Ständegesellschaft hinaus. Beide stellen Privilegien, die sich allein aus der Herkunft ableiten, radikal in Frage und bevorzugen die Bewertung der Menschen nach Bildung, Rechtschaffenheit oder individuellen Fähigkeiten gegenüber derjenigen nach sozialen Rangunterschieden. In seinem Roman schlägt Holcroft nicht etwa die bürgerliche Gesellschaft als Gegenmodell zur zeitgenössischen Wirklichkeit vor (auch Frank Henleys Vater handelt ähnlich egoistisch und geldgierig wie der kritisierte Adel), vielmehr skizziert er Visionen einer besseren Zukunft,12 die auch das Privateigentum als Widerspruch 9

Vgl. Schäffner 1997, S. 47, 79; vgl. auch Rodney M. Baine, Book Review: Anna St. Ives, in: The Georgia Review 25 (1971), S. 115f. 10 Vgl. u. a. Baine 1965 (zu Anna St. Ives vgl. S. 20–42). 11 Vgl. Janik 1987, S. 204. 12 Vgl. ebd., S. 211f.

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zu einem gelingenden menschlichen Zusammenleben ablehnen13 – durch die ›Bekehrung‹ von Coke Clifton am Ende wird der utopische Entwurf noch einmal bestätigt. Auf diese politischen Ideen Holcrofts geht Moritz in seiner Vorrede nicht ein; die Auswahl von Holcrofts Werk zur Übersetzung läßt sich jedoch als Beleg dafür lesen, daß Moritz den Ideen der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit –, als den grundlegenden Werten der Aufklärung sehr aufgeschlossen gegenüber stand.14

2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Rezension des englischen Originals, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 100, 18. April 1792, S. 119f.

L o n d o n : A n n a S t . I v e s , a Novel by T h o m a s H o l c r o f t . VII. Volumes. 1792. 8. 120

Es würde hier zu weitläuftig seyn, eine so ausführliche Zergliederung dieses Romans zu geben, als er es um der Kunst willen verdiente; Rec. wird sich daher begnügen, ihn durch die gegenwärtige Anzeige für die Aufmerksamkeit seiner künftigen Leser, deren er gewiß auch in der deutschen Uebersetzung genug finden wird, im Voraus auszuzeichnen. Es giebt unter den Werken der Phantasie keine, in welchen das Genie seltner, und vielleicht, wenn man für jede Gattung eine Linie der Vollkommenheit zu ziehen hätte, entbehrlicher ist, als die Romane. Dem Romanschreiber stehen so viele leichter zu befriedigende Triebe in seinem Publikum zu Gebot, er wird so sehr aufgefodert, für diese zunächst zu sorgen, daß seine Phantasie sich schwerlich bis zur Begeisterung, seine Darstellung bis zum Ideal hinaufschwingen kann. Sehr merkwürdig ist daher ein Werk, das, ohne sich wie die N o u v e l l e H e l o ¨ı s e oder We r t h e r aus den Gränzen der

13 14

Vgl. Klingenberg 1995, S. 41–43. Vgl. ebd.

Thomas Holcroft, Anna St. Ives

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Gattung zu entfernen, das Gepräge des Genie’s so hell an der Stirne trägt wie diese A n n a S t . I v e s . Drey eben so wahre und consequente als idealische Charakter Ç!È laufen hier in gerader Richtung mit einander fort, ihr wechselseitiges Verhältniß, so hoch hinaufgespannt als die für den ächten Künstler unendliche und unerschöpfliche Natur es gewährt, bringt bey einer bewundernswürdigen Einheit und Simplicität, das erschütterndste Interesse hervor. Was A n n a S t . I v e s , F r a n k H e n l e y , und C l i f t o n von der unzähligen Familie der von R i c h a r d s o n abstammenden Helden und Heldinnen ausnimmt, ist wiederum Begeisterung; und auch diese ist es, welche die Ueberspannung von Tugend und Laster in diesen Charakteren, von der kalten schulgerechten Abstraction in jenen fälschlich sogenannten Idealen, zur wahren Moralität der Dichtkunst erhebt, die nicht mit dem Stabe auf das Gemälde hinweist, wie man zum Himmel oder zur Hölle fahre, sondern in der ehrwürdigsten Schwärmerey und in dem unvermeidlichsten Verbrechen Wahrheit und Sittlichkeit zu f ü h l e n giebt. Ob sich gleich Hr. H. in diesem Werk des eigentlich r o m a n h a f t e n Zufalls sehr häufig bedient hat, so läßt sich die Empfindung des Lesers doch leicht überreden, für diese außerordentlichen Charaktere eine eigne Constellation anzunehmen, durch welche sie unaufhörlich so zusammengestellt werden, wie es die Phantasie des Dichters wollte; und es ist also wenigstens immer d i g n u s v i n d i c e n o d u s . Eine eigne und zarte Schönheit, die einzige, welche diese Composition krönen konnte, war es, die bis an’s Ende immer gewaltsamere Situation, so leise und leicht verhallen zu lassen, wie es der Dichter gethan hat. Die größte Sorgfalt wünschen wir an die Uebersetzung dieses schönen Kunstwerks gewandt zu sehen; und wir hoffen, dass sie mit dem prüfenden Geschmack veranstaltet werden wird, welcher fremde Produkte dem Vaterlande eigen zu machen weiß. Diesem Geschmack empfehlen wir besonders C l i f t o n ’ s Briefe, deren Eigenheit und zuweilen fast Shakspearischer Schwung sie zum würdigsten wie zum schwersten Gegenstande desselben macht.

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2. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 31. St., 12. März 1794, S. 503 (a.b.c.)

Anna St. Ives. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Philipp Moritz. Vierter Theil. Berlin, bey Unger. 1793. S. 234 in 8. Auch dieser Band ist seines Originals würdig übersetzt, wie es sich denn auch nicht anders von einem Manne erwarten ließ, der beyde Sprachen so ganz in seiner Gewalt hatte, wie nur selten ein Uebersetzer. Es würde uns Leid thun, wenn der inzwischen erfolgte Tod des verdienstvollen Hofraths Moritz der schönen Vollendung dieses Werkes ein Hinderniß werden sollte. Unsers Wissens schließt der fünfte Band das ganze Werk, und sonach wäre noch einer zurück. Möchte er in keine schlimmen Hände fallen! a.b.c

3. Gothaische gelehrte Zeitungen, 55. St., 9. Juli 1794, S. 481

Bey Joh. Friedrich Unger ist erschienen: A n n a S t . I v e s , aus dem Englischen übersetzt von K a r l P h i l i p p M o r i t z . Dritter Theil. 1792. 238 Seiten. Vierter Theil. 1793. 234 Seiten in 8. Dieses Meisterstück der Uebersetzungskunst, die letzte Frucht des rastlos thätigen Geistes des verstorbenen M o r i t z , ist mit dem vierten Theile noch nicht vollendet; ob man gleich jetzt ganz deutlich den Gang der Intrigue, und die gut gestellte Gegeneinanderwirkung der Charaktere übersehen kann. Coke Clifton, Annas Verehrer, hat mit allen seinen Fehlern, seiner unbegrenzten Anmaßlichkeit, Selbstsucht, Ungestüm, Tollkühnheit, brausender Leidenschaftlichkeit und Immoralität viel innere Wahrheit, und gleicht auf ein Haar einem großen Theile der englischen Pflanzschule für die künftige Generation, welche Recens. zu beobachten Gelegenheit gehabt hat. Henley, ein junger Mann voll umfassenden Verstand, Wohlwollen, Menschenliebe und Selbstverleugnung, ist gegen den erstern zu sehr idealisirt, ohne daß man ganz sieht, wie er unter so ungünstigen Umständen der fehlerfreye, edel und gesetzt denkende Mann geworden seyn kann. In der Wahl zwischen diesen beyden schwankt unsere Heldin, ein sanft fühlendes und richtig denkendes Mädchen. Ein feiner Zug, den der englische Verfasser, ein gewisser Holkroft, nur durch Menschenstudium erlauscht haben kann, daß oft das reellste Mädchen einen sogenannten aimable debauche´ zum Ziel ihrer ehlichen Wünsche wählt!

Thomas Holcroft, Anna St. Ives

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Zur Wirkung 1. Ludwig Tieck an August Ferdinand Bernhardi, Ende Juli / Anfang August 1793 In: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. Briefe von Chamisso, Gneisenau, Haugwitz, W. von Humboldt, Prinz Louis Ferdinand, Rahel, Rückert, L. Tieck u. a. Nebst Briefen, Anmerkungen und Notizen. Leipzig 1867, Bd. 1, S. 210.

N. B. Haben Sie schon die Anna St. Ives gelesen? – Moritz hat es übersetzt, o das ist ein vortreffliches Buch, ich bitte Sie recht sehr, verschaffen Sie es doch meiner Schwester, denn sie wird itzt recht großen Mangel an Büchern leiden. 2. Ludwig Tieck an seine Schwester Sophie, 12. Oktober 1793 In: Letters to and from Ludwig Tieck and his Circle. Unpublished Letters from the Period of German Romanticism. Including the unpublished Correspondence of Sophie and Ludwig Tieck, hrsg. v. Percy Matenko, Edwin H. Zeydel u. Bertha Masche. Chapel Hill 1967, S. 338–340, hier S. 339.

Bernhardi leistet dir zuweilen Gesellschaft, danck’ ihm doch dafür in meinem Nahmen recht sehr, vielleicht ist er auch so gut dir einige Bücher zu schaffen, bitt’ ihn doch um die Anna St. Ives; von Moritz aus dem Englischen übersetzt, lies das Buch recht aufmerksam und schreibe mir dann dein Urtheil, es ist vielleicht der beste Roman, der besonders in unserem Zeitalter viel würken kann. Stellenerläuterungen 294,5 Rezension des Originals] Am 18. April 1792 erschien eine überaus positive Rezension des englischen Originals in der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 100, S. 119f.; vgl. S. 687f. in vorliegendem Bd. 294,9 Gesichtspunkt] Vgl. Erl. zu S. 9,2. 294,9–10 der Uebersetzer] Holcrofts Roman wurde wahrscheinlich zum größten Teil von Moritz’ Freund Klischnig übersetzt; vgl. Überblickskommentar, S. 685. 294,24 interessanter] Vgl. Erl. zu S. 132,2–3 u. 132,16–17.

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295,8 Franz Henley] Der Sohn des (bürgerlichen) Gutsverwalters; der sowohl in moralischer als auch in geistiger wie körperlicher Hinsicht überlegene Held des Romans, der sich schließlich mit der adligen Anna St. Ives verbindet. 295,10 Delikatesse] Zartgefühl (GWb II, Sp. 915). 295,16 Coke Clifton] Adliger Libertin und Gegenfigur zu Frank Henley, dessen Nebenbuhler bei Anna St. Ives. 295,19 epikurisch] Auf die (mißverstandene) Lehre des griechischen Philosophen Epikur (341–271 o. 270 v. Chr.) bezogen, vgl. Zedler 8, Sp. 1389: Das höch-

ste Gut setzte er in der Wollust, das ist, in einer Gemüths-Vergnügung, nicht aber in einer viehischen Begierde, denen Lüsten des Leibes Genüge zu leisten, welches sich hernach viel seiner Discipeln gefallen lassen, und dadurch ihrer Secte einen gar heßlichen Schandfleck zugezogen. 295,25 Affektazion] Vgl. Moritz’ Erklärung: A f f e k t a t i o n . Z w a n g , Z i e r e r e i – a f f e k t i r e n , irgend eine Miene affektiren, statt, eine Miene e r k ü n s t e l n . Den fremden Ausdruck a f f e k t i r t wird man entweder durch g e s u c h t , g e z i e r t , oder e r k ü n s t e l t , jedesmal, nachdem es der Zusammenhang erfordert, übertragen können (GWb I, S. 94). 295,26 Arthur] Baron Sir Arthur St. Ives, der auf die modische Verschönerung seines Parks bedachte Gutsbesitzer, Annas Vater. 295,26 Abimelech] Abimelech Henley, der habgierige und heuchlerische Gutsverwalter Sir Arthurs, Vater Frank Henleys. 295,26–27 nicht zu verfehlen] verfehlen: »das erstrebte nicht erreichen« (DWb 25, Sp. 323); hier im übertragenen Sinn: ›nicht mißzuverstehen‹.

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Zur Herausgabe von Kabinet der neuesten englischen Romane, Berlin 1793 Überlieferung Textgrundlage D Kabinet der neuesten englischen Romane. Herausgegeben von K. P.

Moritz. Erstes Bändchen. Berlin, 1793. bey Wilhelm Oehmigke dem Jüngern. Vancenza oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit, von Mißtrs Robinson. 2 Bl., 176 S. Standorte: 1.) Anhaltische Landesbücherei Dessau, Sig. HB 7895; 2.) Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Bibliothek; 3.) Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Sig. Lit. angl. B 310.

Kabinet der neuesten englischen Romane. Herausgegeben von K. P. Moritz. Zweites Bändchen. Berlin, 1793. bey Wilhelm Oehmigke dem Jüngern. Leiden der Familie Delborough. Frey nach dem Englischen. Herausgegeben von K. P. Moritz. Erstes Bändchen. Berlin, 1793. bey Wilhelm Oehmigke dem Jüngern. 104 S. Standort: Anhaltische Landesbücherei Dessau, Sig. HB 7895. Nichtautorisierte Auflagen von Vancenza sind mit den Ortsangaben Brünn, bei Joseph Georg Traßler 1793 sowie Hohenzollern Ç= WienÈ 1797 nachweisbar (Wienerische Landbibliothek; 4, 28).

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Ankündigung von Mary Robinson, Vancenza, oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit, Berlin 1793 1. Textgrundlage D Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Ç= HaudeSpenersche ZeitungÈ, No. 108. Sonnabends, den 8. September 1792, S. Ç5È.

ÇAnzeigeÈ 1. Textgrundlage D Intelligenz-Blatt des Journals des Luxus und der Moden, 8. Jg. 1793, Nr. 1, Januar 1793, S. VI.

2. Varianten 298,3 Einbildungskraft] Enbildungskraft D

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Im September 1792 war Moritz mit der Übersetzung von Mary Robinsons Roman Vancenza; or, The Dangers of Credulity, beschäftigt (vgl. S. 297,7). Das Original kam im Frühjahr 1792 in zwei Bänden bei Bell in London heraus.1 Es wurde schon früh in den brit. Zeitschriften European Magazine, Gentleman’s Magazine und in der Monthly Review angezeigt. Über Moritz’ Lektüre des Werks gibt es keine Quellen; er scheint sehr zeitnah zum Erscheinen des Originals eine Übersetzung projektiert zu haben. Für das Buch wählte er den Berliner Verleger Wilhelm Oehmigke, mit dem er bisher noch nicht zusammengearbeitet hatte. Schon während der Übersetzung wurde aus dem Einzelvorhaben das Projekt

1

Das englische Originalwerk wurde im März 1792 rezensiert; vgl. The Monthly Review; or, Literary Journal. F r o m J a n u a r y t o A p r i l , Vol. 7., London 1792, S. 298–303.

Kabinet der neuesten englischen Romane

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einer Reihe, betitelt Kabinet der neuesten englischen Romane, als deren erstes Bändchen Ende 1792 Vancenza erschien; als zweites Bändchen kam im Frühjahr bzw. Sommer 1792 die deutsche Übertragung von Susannah Gunnings Roman Anecdotes of the Delborough Family; a Novel heraus. Moritz’ Tod im Juni 1793 verhinderte vmtl. die Weiterführung der Reihe. Moritz’ Ziele bei diesem Projekt gehen lediglich durch seine Anzeige vom Januar 1793 im Intelligenz-Blatt des Journals des Luxus und der Moden hervor. Demnach beabsichtigte er eine Hebung des Lesegeschmacks durch eine sorgfältige Auswahl neuester Romane; ähnliche pädagogische Vorstellungen leiteten ihn auch bei dem Projekt eines periodischen Blattes, worin das Gute und

Vortrefliche, was unsere Litteratur hervorbringt, herausgehoben, und zu einer leichtern Uebersicht zusammengestellt werden soll, das er Anfang 1793 auf den Weg bringen wollte.2 Das Projekt einer englischen Romanbibliothek stammt nicht originär von Moritz; ähnliche Unternehmungen der Zeit heißen etwa Geist der neuesten ausländischen Romane3 oder Romanen-Magazin.4 Vancenza, oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit ist ohne namentlichen Hinweis auf einen Übersetzer erschienen. Die Übertragung unterläuft die von Moritz aufgestellten zentralen Übersetzungskriterien der Kürzung und der Konzentration, die jeweils dem Prinzip der Originaltreue zu entsprechen haben. Im Vorwort zu Ungers Übersetzung von Elizabeth Blowers Roman Maria lobte Moritz, daß manches zu Weitschweifige und Ermüdende weggelassen, und das Interessante näher zusammengestellt worden sei (vgl. S. 233,10–12); die Übersetzung von Thomas Holcrofts Anna St. Ives folgte dem Grundsatz, den Sinn des Originals aufzufassen (vgl. S. 295,28–29). Daß Moritz also selbst die deutsche Fassung von Robinsons Vancenza erstellt habe, ist nicht anzunehmen; nach einem ausführlichen Textvergleich resümiert eine Rezension des Romans in der Allgemeinen Literatur-Zeitung entsprechend: Der Uebersetzer (gewiß mit

2

Vgl. die Anzeige in der Beilage zum 117. Stück der Haude-Spenerschen Zeitung, 29. September 1792. 3 1. Bd. Weißenfels und Leipzig: Severin 1791, vgl. Rez. in der Allgemeinen LitteraturZeitung, Nr. 298, 8. Nov. 1791, Sp. 265f.; 2. Bd. Weißenfels und Leipzig: Severin 1792, vgl. Rez. in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek 1793, 2. Bd., 2. St., S. 381. 4 Hrsg. v. Friedrich Schulz. Erster Band: William, oder Geschichte jugendlicher Unvorsichtigkeiten, Berlin: Unger 1791, vgl. Rez. in der Allgemeinen Litteratur-Zeitung, Nr. 298, 8. Nov. 1791, Sp. 272, und in der Allgemeinen deutschen Bibliothek 1792, 108. Bd., 2. St., S. 482f.

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dem sel. M . n i c h t Eine Person) hätte daher sehr wohl gethan, wenn er die überflüßigen und lästigen Zierrathen und Blümchen weggeworfen hätte; das aber war so wenig seine Absicht, daß er vielmehr noch hier und da aus seinem eignen Genie den Schmuck noch mehr geschmückt, die Schnörkel noch mehr verschnörkelt hat (vgl. S. 697 in diesem Bd.). Ohnehin beansprucht Karl Friedrich Klischnig zumindest teilweise die Verfasserschaft der Übersetzung für sich, auch wenn er dabei unterschiedliche Angaben macht. In seinen Erinnerungen verzeichnet er für Vancenza: Der zweite Theil von mir übersetzt.5 Die Selbstanzeige für ein zeitgenössisches Lexikon fällt vorsichtiger aus; ihr zufolge hat Klischnig den Roman größtentheils (vgl. S. 685) übersetzt. In einem Brief an einen Verleger vom 15. Juni 1797 bezeichnet sich Moritz’ Freund noch allgemeiner als Übersetzer von Vancenza (vgl. S. 685). Klischnig verantwortet also wahrscheinlich zumindest die Übertragung des zweiten Teils von Robinsons Roman; für die Übersetzung des ersten Teils kommt auch der mit Moritz bekannte Medizinstudent David Veit (1770–1814) in Frage, den Moritz am 15. März 1793 an Goethe mit dem Hinweis empfahl, er habe für ihn aus dem Englischen g u t übersetzt (vgl. KMA 13). Mary Robinson, geb. Darby, wurde am 27. November 1758 in College Green, Bristol, geboren und starb am 26. Dezember 1800 in Englefield Cottage, Surrey. Wie Moritz entstammte sie armen Verhältnissen und begeisterte sich für das Theater; zeitweilig arbeitete sie als gefeierte Schauspielerin am ›Drury Lane Theatre‹ in London. Den Zeitgenossen v. a. als Lyrikerin bekannt, veröffentlichte sie 1792 mit Vancenza, or the Dangers of credulity, a romance ihren ersten Roman, der bis 1800 fünf Auflagen erlebte.6 Robinsons späteres publizistisches Engagement für Menschenrechte und gegen die Unterdrückung der Frau (vgl. dazu die 1798 pseudonym veröffentlichte Kampfschrift A Letter to the Women of England, on the Injustice of Mental Subordination)7 hat in die ›gothic novel‹ Vancenza noch keinen Eingang gefunden. Der Roman spielt im Spanien des 15. Jahrhunderts. Er handelt von der fünfzehnjährigen Waise Elvira, die unter der Obhut des Grafen Vancenza aufwächst; die Herkunft des Mädchens bleibt zunächst ungeklärt. Elviras durch allerlei episodische Verwicklungen, Verwechslungen

5

Klischnig, Erinnerungen, S. 268. Zur Biographie vgl. Dictionary of National Biography, Vol. XLIX, hrsg. v. Sidney Lee, London 1897, S. 30–33; zum Verhältnis Moritz-Robinson vgl. Emde 1996. 7 Vgl. Ty 1998. 6

Kabinet der neuesten englischen Romane

699

und Intrigen bis zuletzt gefährdetes Liebesverhältnis zu einem Prinzen mit Namen Almanza scheitert kurz vor dem erwartbaren happy ending des Romans: Während ihrer Hochzeitsvorbereitungen entdeckt Elvira, daß sie Almanzas Schwester ist; sie erleidet einen Schock und stirbt. Als zweiter Band des Kabinets der neuesten englischen Romane wurde zur Ostermesse 17938 das erste Bändchen der deutschen Übertragung von Susannah Gunnings Roman Anecdotes of the Delborough Family. A Novel. In Five

Volumes. By Mrs. Gunning. London: Printed for William Lane, at the Minerva Press, Leadenhall-Street. MDCCXCII veröffentlicht. Das zweite Bändchen folgte im Herbst des Jahres zur Michaelismesse.9 Über den Übersetzer dieses Werks ist nichts überliefert. Klischnig übergeht in seinem Verzeichnis der von Moritz herausgegebenen Schriften das Buch10 und nennt sich selbst auch andernorts nicht als Beteiligten. Möglicherweise stammt die Übertragung von David Veit. Die Verfasserin des Originals, Susannah Gunning (1740?–1800; geb. Minifie), veröffentlichte einige empfindsame Familien- und Gesellschaftsromane (u. a. gemeinsam mit ihrer Schwester Margaret: The History of Lady Frances S. and Lady Caroline S., 1763; The Picture, 1766). 1794 erschien bei Weygand in Leipzig eine weder namentlich gekennzeichnete noch als Übersetzung ausgewiesene Übertragung des Werks von Benedikte Naubert unter dem Titel Sitten und Launen der Großen. Ein Kabinet von Familienbildern.11 Sowohl der anonyme Veröffentlichungsmodus als auch der Umstand, daß die lediglich von ihren Brüdern unterstützte Autodidaktin selbst zeitlebens nie in England gewesen war, machen Benedikte Naubert zu einer prototypischen weiblichen Übersetzerin im ausgehenden 18. Jh.12 Mit Gunnings Roman widmet sie sich einem zeitgemäßen empfindsamen Sujet, in dem sich ein verwaistes Geschwisterpaar (Charles und Emily) nach mannigfaltigen Verwicklungen schließlich durch – aus der Perspektive des Erzählers – wohlverdiente (Liebes-)Heiraten gesellschaftlich etabliert.

8

Meßkatalog Ostern 1793, S. 77. Meßkatalog Michaelis 1793, S. 249. 10 Vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 267f. 11 Vgl. die Rezensionen in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek 1795, 19. Bd., 2. St., S. 403f., sowie in der Allgemeinen Litteratur-Zeitung , Nr. 283, 21. Okt. 1795, Sp. 151f. 12 Vgl. dazu Willenberg 2008, S. 237; Brown 2005, S. 28. 9

700

Herausgegebene Schriften

2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Rezensionen Allgemeine Literatur-Zeitung, 1793, Bd. 3, Nr. 225, Sp. 275f.

B e r l i n , b. Oehmigke d. Jüngern: K a b i n e t d e r n e u e s t e n e n g l i s c h e n R o m a n e , herausgegeben von K . P . M o r i t z. Erstes Bändchen. Auch unter dem Titel: Va n c e n z a o d e r d i e G e f a h r e n d e r L e i c h t g l ä u b i g k e i t , von Mißtrs. (Mrs.) R o b i n s o n . Herausgegeben von K . P . M o r i t z . 1793. 176 S. 8.

276

Ob diese neue Fabrik von Uebersetzungen ausländischer Romane mehr Glück machen wird, als andre ähnliche Unternehmungen, die nach einer kurzen Dauer bald aufgegeben werden mußten (das S c h u l z i s c h e Romanenmagazin, der Geist der Romane, der Ausbund neuer Romane d. A. u. a. m.) steht zu erwarten. Schwerlich aber dürfte das der Fall seyn; denn wenn gleich einzelne Verdeutschungen der mittelmäßigsten ausländischen Produkte noch ihre Liebhaber finden, so scheint das Publikum doch nicht Geschmack an ganzen Sammlungen zu haben, die gewöhnlich noch schlechtere Arbeit liefern, und die Geduld und den Beutel der Käufer zu arg misbrauchen. Der hier gelieferte kleine Roman der Mrs. R . ist überdieß nicht gemacht, große Erwartung von der in diesem K a b i n e t zu hoffenden Unterhaltung zu erregen. Er besteht aus einer Reihe rhapsodischer Gemälde ohne Verbindung und Interesse. Die Vf. ist in ihren Poesien oft meist sehr schwülstig und blumenreich, und von diesem Fehler ist auch ihre Prosa nicht frey. Der Uebersetzer (gewiß mit dem sel. M . n i c h t Eine Person) hätte daher sehr wohl gethan, wenn er die überflüßigen und lästigen Zierrathen und Blümchen weggeworfen hätte; das aber war so wenig seine Absicht, daß er vielmehr noch hier und da aus seinem eignen Genie den Schmuck noch mehr geschmückt, die Schnörkel noch mehr verschnörkelt hat:

Kabinet der neuesten englischen Romane Zur Seite eines e h r w ü r d i g e n Waldes, den eine Gebirgskette vor dem Wehen des u n g e s t ü m m e n Nordwinds schützte, und Bäume und Gesträuche rings umkränzten, welche i m S c h o o ß e mehrerer Jahrhunderte erzeugt worden, daß ihr üppiges Laubwerk einen v i e l u m f a s senden Raum ausfüllte, majestätisch, wie das Gewölbe des Himm e l s – erblickte der ferne Wanderer einen Schimmer, den Vancenza’s übergoldete Fahnen verbreiteten, indeß die erhabenen Thürme ihre langen Schatten über einen breiten See warfen, welcher das benachbarte Thal zum Theil noch ü b e r s t r ö m t . Der jähe Abgrund, von dessen schwindlichter Höhe der erschrockene Schäfer mit Angst und Erstaunen hinunter sah, hing fürchterlich erhaben über die waldigte Einfassung, und ein rauschender Strom warf schäumende Wellen den gewundenen Pfad hinab, verlor sich bald in s a n f t e Kanäle, die das Auge kaum verfolgen k o n n t e , oder zertheilte sich in e n g e r e F l ü s s e , welche sich in den unterhalb gelegenen See ergossen u. s. w.

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Upon the side of a beautiful forest, shelterd from the northern blasts by a chain of mountains, bordered with trees and shrubs, the growth of many centuries, rising above a canopy of luxuriant f o l i a g e , t h e g i l d e d r a n e s o f Va n cenza glistened to the eye of the far-distant traveller – while the lofty turrets cast their long shadows across an extensive lake, that partly overspread the neighbouring valley. The towering precipice, from whose dizzy height the fearful shepherd gazed with terror and astonishment, hung over its woody skirts tremendously sublime: while down its winding paths the rushing torrents scattered their white foam, sometimes lost in unseen channels, at others dividing in small currents towards the lake beneath! etc. etc.

An allen möglichen Zierereyen des Styls scheint der Uebers. seine herzliche Freude gefunden zu haben. So spricht er von einem Grafen, der seine größte F r e u d e am F r e u d v e r b r e i t e n gefunden, von l i l i e n b u s i g e n Circasserinnen, von einem To s c a n i e n (für Toskana), von r u h i g - f r e u d i g e n Gesellschaften, runzlichen P a r a p h e r n a l i e n der A h n f r a u e n , a n g s t z e r k n i r s c h t e n H e r z e n s P e i n e n , und was der Süssigkeiten mehr sind, die einem gesunden Gaumen aneckeln.

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Zur Herausgabe von Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, Berlin 1792–93 Überlieferung 1. Textgrundlage D Salomon Maimon’s Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und

herausgegeben von K. P. Moritz. In zwei Theilen. Berlin, 1792. bei Friedrich Vieweg dem ältern, Erster Teil, S. ÇIÈ–ÇIIIÈ. Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlagen: 1.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Bibl. Varnhagen 403; 2.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Av 96.

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Salomon ben Josua, der um 1753 im litauischen Sukowiburg als Sohn eines Rabbiners geboren wurde und am 22. November 1800 in der Nähe von Glogau starb, nannte sich selbst Salomon Maimon, in einer Hommage an den jüdischen Philosophen Moses Maimonides (1135–1204).1 Seine von Moritz herausgegebene Lebensgeschichte bildet noch heute die Hauptquelle für Maimons Biographie; sie verweigert sich allerdings einer historisch genauen Überlieferung und Datierung; etwa werden auch Maimons Geburtsdatum und -name nicht genannt.2 1 2

Zu Maimons Maimonides-Rezeption vgl. Maimon, Lebensgeschichte, 2. T., S. 1–150. Die unterschiedlichen Forschungspositionen zu Maimons Geburtsdatum verzeichnet Weissberg 1994, S. 306, Anm. 25; vgl. zudem Weissbergs Überlegungen zur Namensgebung zwischen jüdischer Tradition und christlich-philosophischer Akkulturation ebd., S. 303–307.

Salomon Maimon’s Lebensgeschichte

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Moritz lernte den bedeutenden jüdischen Philosophen und ›wilden‹ Kantianer vmtl. nach seiner Italienreise in Berlin kennen. Maimon hielt sich seit 1780 in Berlin auf, unterbrach aber seinen Aufenthalt dort durch mehrere lange Reisen. Von 1787 bis 1795 lebte Maimon beständig in der preußischen Hauptstadt. Nach Klischnigs Zeugnis schätzte Moritz den unangepaßten Philosophen wegen seines großen Scharfsinns außerordentlich;3 er gehörte zu seinem engeren Freundeskreis. 1791 lieferte Maimon für den achten Band des von Moritz herausgegebenen Magazins zur Erfahrungsseelenkunde Beiträge4 und steuerte fortan etliche theoretische und philosophisch orientierte Aufsätze zu dieser Zeitschrift bei. Moritz nahm ihn daraufhin als Mitherausgeber seines Periodikums auf; die beiden letzten Jahrgänge des Magazins (MzE IX 1792 und X 1793) bestritt Maimon vornehmlich selbst. Über Moritz’ Anteil an der Überlieferung von Maimons Lebensgeschichte sind keine Quellen bekannt. Der erste Teil der Buchausgabe erschien zur Ostermesse 1792,5 der zweite Teil6 war laut einer Anzeige des Verlegers schon im Dezember 1792 zu haben.7 Moritz’ Vorbericht ist vmtl. im Zeitraum von Ende 1791 bis kurz vor Ostern 1792 entstanden. Zum zweiten Teil von Maimons Autobiographie lieferte Maimon selbst die Vorrede, worin er zur Publikation seiner Lebensgeschichte anmerkte:

Da ich bloß in psychologischer Rücksicht einige F r a g m e n t e davon in dem M a g a z i n z u r E r f a h r u n g s s e e l e n k u n d e lieferte, so fanden die-

3 4

Klischnig, Erinnerungen, S. 207. Vgl. den Titel des ersten Aufsatzes Ueber den Plan des Magazins zur Erfahrungssee-

lenkunde. Auszug aus einem Briefe an den Herausgeber, von Herrn Salomon Maimon, in: MzE VIII.3 1791, S. 1–7. 5 Vgl. Meßkatalog Ostern 1792, S. 81: Maimons, Sal. Leben, von ihm selbst geschrieben. Herausgeb. und mit einer Einleit. begleitet von K. P. Moritz. mit Kpf. 8. Berlin, bei F. Vieweg dem ältern. Das Buch wurde vom Verleger Vieweg im Maiheft der von ihm auch verlegten Deutschen Monatsschrift als erhältlich angezeigt (Deutsche Monatsschrift. 1792. May. Berlin, bey Friedrich Vieweg dem älteren, S. Ç2È). 6 Salomon Maimon’s Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und herausgegeben von K. P. Moritz. Zweiter und letzter Theil. Berlin, 1793. bei Friedrich Vieweg dem ältern. 7 Vgl. Neue Verlagsbücher von Friedrich Vieweg dem ältern, welche im Jahr 1792 herausgekommen, und in allen Buchhandlungen zu haben sind, in: Deutsche Monatsschrift. 1792. December. Berlin, bey Friedrich Vieweg, dem älteren, S. Ç2È.

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Herausgegebene Schriften

se, über meine Erwartung, so vielen Beifall, daß ich länger den Wunsch meiner Freunde und besonders (welches in meiner Lage das wichtigste ist) des Herrn Verlegers, der selbst Kenner ist, diese Lebensgeschichte so unvollkommen sie auch gerathen möchte, ganz zu liefern, nicht widerstehen konnte. (Maimon, Lebensgeschichte, 2. T., unpag.) Es ist wahrscheinlich, daß Moritz nicht nur als einer der Freunde zur Buchpublikation drängte, sondern daß er schon 1790/91 mäeutisch bei der Entstehung der Autobiographie mitwirkte, auch wenn sich Maimon an keiner Stelle über seine Beziehung zu Moritz geäußert hat. Auf Moritz ist wohl die Veröffentlichung der oben erwähnten Fragmente aus Maimons Leben im 1. und 2. Stück des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde 1792 unter der Rubrik Seelennaturkunde8 zurückzuführen. Diese Magazinstücke sind als fertig geworden in den Katalogen der Oster- bzw. der Michaelismesse 1791 angezeigt.9 In den Fragmenten aus Ben Josua’s Lebensgeschichte erscheint Maimon unter seinem Geburtsnamen Ben Josua; seine Lebensumstände werden vom Herausgeber Moritz in der Er-Form berichtet, während Maimon in der späteren Buchausgabe als Ich-Erzähler auftritt. Moritz merkte zu den Magazin-Fragmenten an:

Der Herausgeber dieser Fragmente darf wohl nicht erst versichern, daß sie eine buchstäblich getreue Darstellung wirklich erlebter Schicksale enthalte; die ganze Erzählung an sich selber trägt zu sehr das ächte Gepräge der Wahrheit, als daß irgend ein theilnehmendes Herz sie darin verkennen sollte. Auch hofft der Herausgeber bald mehr von dieser Geschichte, welche von Herzen zu Herzen redet, dem Publikum mittheilen zu können (MzE IX.1 1792, S. 24, Anm.). Die Fragmente kreisen um eine für Moritz typische Problematik. Moritz las Maimons Autobiographie als erfahrungsseelenkundlichen Fall, der seiner eigenen, im psychologischen Roman Anton Reiser gespiegelten Geschichte oder derjenigen Moses Mendelssohns vergleichbar war;10 schon 1784 hatte Moritz die Fragmente aus Anton Reisers Lebensgeschichte im Magazin veröffentlicht.11 Die Konstruktion von Maimons Bildungsgang erfolgt analog zu demjenigen Anton Reisers, der

8

Fragmente aus Ben Josua’s Lebensgeschichte. Herausgegeben von K. P. Moritz, in:

MzE IX.1 1792, S. 24–69; MzE IX.2 1792, S. 41–88. 9 Meßkatalog Ostern 1791, S. 94; Michaelis 1791, S. 249. 10 Vgl. dazu Stockinger 2005. 11 In: MzE II.1 1784, S. 76–95 u. II.2 1784, S. 22–36; vgl. KMA 1; KMA 12.

Salomon Maimon’s Lebensgeschichte

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ebenfalls unter widrigen Umständen gebohren und demnach von der Wiege an unterdrückt worden war.12 Moritz’ zeitweilige bohemienhafte Gartenhaus-Existenz in der Neuköllner Neuen Grünstraße imitierte die antibürgerliche Lebensweise eines radikalen ›chassid‹13; wie Maimon hielt sich Moritz von gesellschaftlichen Ereignissen fern, vernachlässigte Kleidung sowie Umgangsformen, pflegte seine hypochondrischen Leiden und konzentrierte sich ansonsten ganz auf seine gelehrten Studien.14 Über den Anteil von Moritz’ herausgeberischer Redaktion kann nur gemutmaßt werden. Im Magazin erscheinen die Auszüge aus Maimons späterer Lebensgeschichte in inhaltlicher und stilistischer Hinsicht um die satirischen Elemente verkürzt; etwa fehlt die Heirat des Knaben. Maimon ist nicht der Schelm, sondern Exempel für eine gelungene Aufklärung aus widrigen Umständen; die Ausklammerung der literarischen Überformung gibt den Charakter frei, dessen ethischmoralische Integrität nicht in Frage steht. Eine Bemerkung des Herausgebers Moritz deutet darauf hin, daß ihm hinsichtlich des veröffentlichten Lebensberichts eine umfangreichere, der späteren Buchveröffentlichung näher stehende Fassung vorlag.15 Aus Maimons Vorrede zum zweiten Teil seiner Autobiographie läßt sich entnehmen, daß Moritz ihn wohl ermutigt hat, den Lebensbericht abzufassen. Maimon schreibt:

Es geschieht nicht meinetwegen, sondern bloß deinetwegen, liebster Leser, wenn ich zum zweiten Theil meiner Lebensgeschichte noch eine

12

Anton Reiser, in: KMA 1, S. 15,4–5; vgl. auch Klischnig über Moritz’ Kampf gegen den Druck, unter dem er sich erst mit vieler Anstrengung hervorarbeiten mußte, in: Klischnig,

Erinnerungen, S. V. Gershom Scholem, Drei Typen jüdischer Frömmigkeit, in: ders., Judaica 4, hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1984, S. 262–286, hier S. 276f. 14 Vgl. Klischnig, Erinnerungen, S. 207–209; zu Maimon vgl. Sabattia Joseph Wolff, Maimoniana. Oder Rhapsodien zur Charakteristik Salomon Maimon’s, Berlin 1813, S. 90, 107f. u. ö. 15 Vgl. Moritz’ Bemerkung in Fragmente aus Ben Josua’s Lebensgeschichte , MzE IX.1 1792, S. 30: Ich übergehe hier seine Lebensepoche nach seiner Verheirathung, die wegen 13

der übeln Umstände seines Vaters, und nach dem Gebrauch dieser Nation in diesen Gegenden, überhaupt sehr frühzeitig (in seinem eilften Jahre) vor sich gieng, und bemerke hier blos diejenigen Umstände, die hauptsächlich zur Bildung seines Geistes und Karakters etwas beigetragen haben.

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Vorrede schreibe; um dir den gehörigen Gesichtspunkt aus welchem du sie beurtheilen und die Art wie du dir dieselbe zu Nutze machen kannst, genau anzugeben. Es ist nicht bloß eine A u t o r g r i m a s s e , wenn ich dir sage, wie sehr ich abgeneigt war, diese Lebensgeschichte zu schreiben, nicht eben deßwegen weil ich glaubte, daß es nur g r o s s e n M ä n n e r n von Titel und Range zukömmt, von den Staatsaffairen worinn sie in ihrem Leben verwickelt waren, von den Hofkabalen mit denen sie beständig zu kämpfen hatten, kurz von ihren politischen oder militärischen Expedizionen zu Wasser und zu Lande der Welt Rechenschaft zu geben; weil es manche Rücksichten geben kann worinn geringfügig scheinende Vorfälle des menschlichen Lebens weit interessanter und lehrreicher seyn können, als die vorerwähnte glänzende Thaten, die sich überall ziemlich gleich bleiben, so daß man, vorausgesetzt, daß die Lage der Person die sie betreffen bekannt ist, diese Vorfälle schon a priori ahnden und mit ziemlicher Genauigkeit vorhersagen kann. Die Natur ist unerschöpflich, dahingegen Beschreibungen dieser Art schon längst erschöpft worden sind. Die wahre Ursache also die mich davon abhielt, ist keine andere als das Bewußtseyn meines Unvermögens, die Vorfälle meines Lebens die an sich in psychologischer, pädagogischer und moralischer Rücksicht interessant und lehrreich genug seyn möchten, so darzustellen als es diesen Zwecken gemäß ist. (Maimon, Lebensgeschichte, 2. T., unpag.) Wie genau Moritz die Redaktion der Lebensgeschichte genommen hat, inwiefern er stilistisch eingegriffen hat, läßt sich anhand der Quellen nicht belegen. Karl Friedrich Pockels, der mit Moritz zerstrittene frühere Mitherausgeber des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde, wies in einer Rezension des Bands darauf hin, daß im Unterschied zum ersten Teil von Maimons Autobiographie im zweiten Teil des Buchs erheblich mehr grammatikalische Fehler zu verzeichnen seien: Der

durch seine Abhandlung über den Unterschied des Accusativs und Dativs bekannte Herausgeber dieser Biographie hätte billig die vielen darin vorkommenden Sünden gegen den Dativ und Accusativ verhindern sollen (s. S. 718). Diese Behauptung hält einer Überprüfung beider Bände allerdings nicht stand. Vielmehr enthalten sowohl Band 1 als auch Band 2 der Autobiographie sprachliche Eigentümlichkeiten, Fehler, ungebräuchliche Wendungen sowie eine teilweise befremdliche Diktion, und es liegt nahe, daß solche Eigentümlichkeiten auch vom Herausgeber Moritz gewollt sind. In seinem Nachwort zur Lebensgeschichte von Salomon Maimon schreibt Zwi Batscha: »Um diese bizarre Fremd-

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artigkeit noch mehr hervorzuheben, könnte Moritz, dem Maimon seit 1791 als ›Koredaktor‹ zur Seite stand, beschlossen haben, dessen ersten größeren ›literarischen‹ Versuch ohne Änderung der mangelhaften Sprache, der orthographischen und grammatischen Fehler und der unbeholfenen Wortwahl herauszugeben«.16 Weshalb Moritz nicht auch die Vorrede zum zweiten Teil von Maimons Lebensgeschichte schrieb, ist unbekannt. Vmtl. wollte Maimon, der in seinen Publikationen stets äußerst selbstbewußt auftrat, in seinem wesentlich ausführlicheren Vorwort sein Licht nicht unter das von Moritz stellen.17 Maimon selbst erwähnt Moritz in seinem Vorbericht nicht, obwohl sich dieser im Berlin der 1790er Jahre selbst einen Namen gemacht hatte, und zwar als Philosoph und Kant-Kritiker, etwa mit der 1790 erschienenen Schrift Versuch über

die Transcendentalphilosophie mit einem Anhang über die symbolische Erkenntnis. Moritz kam es in erster Linie auf den authentischen Text der Lebensgeschichte an, die er durch seine herausgeberische Leistung als einen »Modellfall von Aufklärung«18 in der Öffentlichkeit zu verankern versuchte. Maimons Lebensgeschichte bildet die »erste umfassende Darstellung des osteuropäischen Judentums in deutscher Sprache« und ist damit »für die jüdische wie für die europäische Kulturgeschichte ein biographisches Dokument ersten Ranges«.19 Sie wurde in der Folgezeit etliche Male aufgelegt und in viele Sprachen übersetzt. Für Moritz’ intellektuelle Bildungsgeschichte ist der Umgang mit den jüdischen Gelehrten seiner Zeit entscheidend. Mit Moses Mendelssohn soll Moritz bereits seit 1779 in Kontakt gestanden haben, ansonsten läßt sich in den meisten Fällen nicht mehr rekonstruieren, wann und auf welche Weise die Begegnungen jeweils zustande kamen.20 Die jüdische Salonkultur spielte hierfür sicherlich eine entscheidende Rolle, jedenfalls in Moritz’ Berliner Jahren. Dabei lag das geistige Zentrum der jüdischen Gelehrtenkreise Berlins gleichsam unmittelbar zwischen den zwei Gesellschaftszimmern von Henriette und Marcus Herz. Karl Philipp Moritz verkehrte als enger Freund der Familie in beiden Gesellschaften, die zum Teil 16

Salomon Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und herausgegeben von Karl Philipp Moritz, neu hrsg. v. Zwi Batscha, Frankfurt a. M. 1995, S. 338. 17 Daß Moritz dem zweiten Teil der Lebensgeschichte kein Vorwort beifügte, weil dieser seinem »Aufklärungs-Optimismus« widersprochen habe (Schulte 2002, S. 141), leuchtet nicht ein. 18 Schulte 1998, S. 136. 19 Ebd. 20 Vgl. Meier 2000, S. 36.

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miteinander konkurrierten, und gehörte so zu den verbindenden Figuren des Doppelsalons. Obwohl bei den Gästen vielfältige Überschneidungen zu verzeichnen sind, unterschieden sich die zwei Salons aufgrund der Altersdifferenz zwischen Henriette (1764–1847) und Marcus Herz (1747–1803) sowie aufgrund der verschiedenen Interessenschwerpunkte beider Gastgeber doch deutlich voneinander: auf der einen Seite Marcus Herz – der Briefpartner Lessings, der Kant-Schüler, der Hausarzt Mendelssohns und Moritz’, der Beiträger von Moritz’ Magazin zur Erfahrungsseelenkunde –, der in seinem Kreis v. a. den Themen Medizin, Psychologie und Philosophie den Vorzug gab und in diesen Punkten seine Interessen gerade auch mit Moritz teilte; auf der anderen Seite Henriette Herz, deren Salon bereits auf neue Formen romantischer Geselligkeit verwies, indem dort die Lektüre und das Gespräch über Literatur (zunächst v. a. Goethe, später Autoren der Romantik) ins Zentrum rückten. Beide Gesellschaften stehen exemplarisch für die Wertschätzung der Bildung in den jüdischen Salons, für deren Weltoffenheit und die dort verwirklichte Emanzipation der Juden im spätaufklärerischen Berlin. In Henriettes Salon soll mindestens einmal im Jahr Lessings Nathan zum Vortrag gebracht worden sein; die Rolle des Tempelherrn habe u. a. auch Moritz gelesen.21

2. Rezeptionsgeschichte Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 1. Bd., 1. St., Kiel 1793, S. 135–141 (QK = Karl Friedrich Pockels).

S a l o m o n M a i m o n ’ s Lebensgeschichte, von ihm selbst geschrieben, und herausgegeben von K . P . M o r i t z . In zwey Theilen. Berlin, 1792. bey Vieweg dem ältern. E r s t e r T h e i l . 292 Seiten in 8. 20 Gr. Die Lebensgeschichte eines denkenden Kopfs, eines Gelehrten von anerkanntem Werthe, wird und muß allemal dem Publikum in sehr vieler Rücksicht ein willkommenes und interessantes Geschenk seyn, vornehm-

21

Vgl. Winkler 2006, S. 84.

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lich wenn er sich selbst als den Verfasser derselben angiebt, und den Gang seiner Geistesentwickelung, die Methode, sich neue Kenntnisse zu verschaffen, die nach und nach angenommene Richtung seines Charakters, das Eigenthümliche seiner Schicksale, und die Resultate seines eigenen fortgesetzten Nachdenkens auf eine anschauliche Art darzustellen weiß. Die Geschichte der Menschheit, die Psychologie und Moralität, so wie die reinere Achtung für die Stärke der Vernunft, und die für jeden Wahrheitsforscher und Men-schenfreund so nöthige Characterkunde muß bey solchen Arbeiten, wie die gegenwärtige, unausbleiblich gewinnen, und das Gute, welches dergleichen Schriften stiften können, wird seine heilsame Wirkungen zur Aufklärung des Geistes und Veredelung des Herzens bey gutgesinnten Menschen nie verfehlen, gesetzt auch, daß der Biograph auf einzelne Begebenheiten seines Lebens, und auf gewisse einzelne Handlungen einen Werth setzen sollte, der dem unbefangenen Leser nicht in die Augen fallen will. Wenn auch in gegenwärtiger gewiß sehr lehrreicher und unterhaltender Schrift dem Recensenten manche Stellen und Sachen aufgefallen sind, die füglich hätten wegbleiben können, weil sie den Leser wenig oder gar nicht interessiren, und mit dem Ganzen selbst in keiner nothwendigen Verbindung stehen; so soll doch eigentlich hiemit weder dem Buche noch seinem Verfasser ein Vorwurf gemacht werden. Ein jeder Schriftsteller schreibt doch eigentlich um sein selbst willen, indem er sich bey Ausarbeitung seiner Schriften eine gewisse Summe von Vergnügungen des Verstandes und Herzens zu verschaffen sucht, die bey dieser Art von Ausarbeitungen für ihre Verfasser natürlicher Weise dadurch einen größern Reitz bekommen, weil sie unmittelbar aus einer Beschäftigung mit sich selbst entspringen, und sich bald auf eine nähere, bald auf eine entferntere Art mit dem schmeichelhaften Gefühl von Selbstkraft und Selbstthätigkeit und folglich auch mit unsrer Eitelkeit vereinigen, die uns nicht selten auch Kleinigkeiten, die wir von uns erzählen, als wichtige Erscheinungen der menschlichen Natur darstellt, – ein Grund, warum mehrern Selbstbiographen das Detail ihrer jugendlichen Empfindungen und Handlungen aus den ersten Jahren ihrer Kindheit verziehen werden kann. Zu den Sachen, die aus dieser Lebensgeschichte hätten wegbleiben können, rechnet der Rec. vornehmlich eine Menge Kleinigkeiten, die der Verf. aus seiner frühern Kindheit erzählt, und die für andre weiter kein Interesse haben, weil sie sich zum Theil blos auf gewisse sehr gewöhnliche Spiele einer jugendlichen Einbildungskraft beziehen, und mit dem übrigen sehr

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ernsthaften, oft philosophischen Inhalte des Buchs einen großen Contrast machen. Z. B. der unter dem Namen a` la Rousseau angeführte Diebstahl eines Medicinkästchens (wobei der Zusatz a` la Rousseau doch nicht einmal paßt, indem Rousseau weit älter, als unser Verfasser war, da er den bekannten Jugenddiebstahl begieng, auch waren die Antriebe zum Stehlen in beyden Fällen sehr verschieden.) ferner das, was Seite 77 und 78 auch S. 102 und überhaupt von den Strei-tigkeiten und Faustkämpfen mit seiner Schwiegermutter weitläuftig erzählt wird. Eben so scheint manches etwas übertrieben zu seyn, z. B. daß sein Vater als ein Knabe von acht Jahren von einem polnischen durchreisenden Herrn mit Peitschenschlägen gezwungen worden sey, einen ganzen Eimer voll Wasser auszutrinken, S. 11; daß der erste Schulmeister des Verfassers seinen Schülern nicht selten, und zwar wie es scheint ganz ungestraft, Ohren abgerissen, und Augen ausgeschlagen habe, u. s. w. Dahingegen ist alles das sehr lesenswerth und vortrefflich, was der Verfasser, – obgleich mit einem hie und da hervorleuchtenden, aber wahrlich sehr verzeihlichen Egoismus, – von seinem unersättlichen Durst zu den Wissenschaften, und zum Forschen nach Wahrheit sagt. Diesen gesammten Theil des gegenwärtigen Werks, der unstreitig für den Psychologen der wichtigste ist, hat Recensent mit größtem Vergnügen, und mehr als einmal gelesen. Von früher Kindheit an bemerkt man an dem Verfasser einen emporstrebenden Geist, der zum Selbstdenken geschaffen ist, und sich durch eigene Kraft und Anstrengung den Weg dazu bahnt, ob sich ihm gleich unzählige Schwierigkeiten hiebey entgegenstellen. Eigentlich ist ihm bey seinem Streben nach neuen Kenntnissen alles hinderlich. – Sein Aufenthalt mitten unter einem höchst stupiden Volke, – sein Mangel an guten Büchern und allem Geistaufklärenden, zweckmässigen Unterrichte, – seine Armuth und das äussere Elend seiner Familie, – seine schreckliche häußliche Lage, in welcher er vom eilften Jahre an von seinem Weibe, und seiner teuflischen Schwiegermutter tyrannisirt wird, – und mehrere andere traurige Umstände kamen zusammen, um seinen Trieb zu wissenschaftlichen Kenntnissen zu ersticken, und die Schnellkraft seines Geistes auf immer zu hemmen; allein mit dem Anwachs aller dieser Schwierigkeiten vermehrte sich sein Muth, sie zu überwinden. Der Funke des Denkens war einmal in ihm durch einen hohen Grad von Wißbegierde angefacht, und er konnte nun durch nichts mehr ausgelöscht werden. Der Vater des jungen Maimon, ein orthodoxer Rabbiner, hat zwar seinem Sohn, blos

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den Talmud zu lesen, befohlen; allein der Knabe von sieben Jahren steht des Nachts auf, und liest bey einem Stück Kühnholz heimlich D. Gans astronomisches Werk, welches seine ganze Aufmerksamkeit fesselt, ob ihn gleich über dessen Inhalt keiner näher belehren kann. Endlich gelangt er durch wiederhohltes Lesen zur Vor-stellung vom Himmelsglobus, und verfertigt sich selbst ausgeflochtenen 〈!〉 Ruthen eine Sphaeram armillarem, muß aber sein geliebtes Instrument ängstlich vor seinem strengen Vater verbergen, weil ihm dieser bloß den Talmud zu studiren befohlen hat. – Das Studium dieses Buchs macht auch lange Zeit hindurch seine Hauptbeschäftigung aus. – Ein Talmudist hat auf alle Aemter und Ehrenstellen der jüdischen Gemeinde den ersten Anspruch, er wird beynahe von seiner Nation angebetet; diese glänzenden Ehrenbezeugungen scheinen wohl am meisten den jungen Maimon zu jenem Studium verführt zu haben, und er bringt es darin so weit, daß er schon in seinem eilften Jahre einen vollkommenen Rabbiner abgeben konnte. Allein dieses Werk sättigt seinen Trieb nach Erkenntniß der Wahrheit nicht, der viele Unsinn, den es enthält, macht seinen Durst nach reinern Kenntnissen rege; aber leider! fehlt es ihm an allen nöthigen Hülfmitteln hiezu, besonders an Kenntniß mehrerer, und zwar fremder Sprachen. Durch eine bewundernswürdige Anstrengung, und durch einen eisernen Fleiß, der bey einem so jungen Knaben äusserst ungewöhnlich ist, lernt er endlich deutsche Buchstaben zusammen setzen, die er unter den Alphabeten corpulenter hebräischer Bücher entdeckt hat, – einige Blätter aus einem alten deutschen Buche fallen ihm zufälliger Weise in die Hände, und er fängt nun durch eigenes mühsam erworbenes Geschick deutsch zu lesen an. Aber noch ist immer seine Begierde nach Wissenschaften und Kenntnissen nicht vollkommen befriedigt. Er sucht diese Befriedigung in der heiligen Wissenschaft der Juden, in der Kabbala, und läßt sich in die Synagoge heimlich einschließen, um ein kabbalistisches Buch zu lesen, welches der Unterrabbiner des Orts nach dem Gebete in der Synagoge zu lesen, und dann daselbst zu verwahren pflegte. Maimon vergißt darüber Essen und Trinken, und seine Freude ist unbeschreiblich, als ihn nachher der Unterrabbiner mehrere kabbalistische Bücher giebt. Die hiebey angeführten Umstände sind sehr naiv erzählt. Der nehmliche Unterrabbiner glaubt die Kunst, sich unsichtbar zu machen, zu besitzen. Der junge Kabbalist wünscht ein Adept in dieser Kunst zu werden, und sein schwärmerischer Lehrer läßt ihm sehr harte Proben deshalb ausstehen, bis den jungen Maimon eine derbe Ohrfeige von einem

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seiner Cameraden von der Nichtigkeit der ganzen Kunst überzeugt. Unterdessen fährt er unermüdet in dem Studium der Kabbala fort, sucht ihre Geheimnisse aufzuklären, sie nach Principien der Vernunft aufzulösen, und schreibt darüber ein ganzes Werk. – Allein er wünscht die Wissenschaft nicht in Fabeln eingehüllt, sondern in ihrem natürlichen Lichte zu sehen, und macht daher eine weite Reise zu Fuß mitten im Winter zu einem Oberrabbiner in S.., um dessen deutschen Büchervorrath zu nützen, und erhält von ihm zu seiner unbeschreiblichen Freude eine alte Optik und Sturms Physik, aus welcher er die Grundsätze der cartesianischen Philosophie kennen lernt. Die Meynung, daß die Thiere nichts, als Maschinen sind, zieht ihm den Namen eines Verrückten zu, indem er behauptet haben sollte, daß eine Ziege eine Trommel sey. Bey diesem unersättlichen Durst zu den Wissenschaften, (der junge Maimon gieng einst nach einem gewissen Orte dreyßig Meilen zu Fuß, um ein hebräisch-peripatetisch-philosophisches Buch aus dem zehnten Jahrhundert zu sehen,) bleiben seine äußern Umstände immer noch die traurigsten und dürftigsten von der Welt. Um Frau und Kinder zu ernähren, muß er eine höchst erbärmliche Hofmeisterstelle bey einem unwissenden und plumpen Pächter in Litthauen annehmen, vor deren Beschreibung man zurückschaudert. – Endlich entschließt sich der Verfasser durch seine äussere fürchterliche Lage gezwungen, und zugleich von seiner immer noch glühenden Begierde zu neuen Kenntnissen angetrieben, nach Deutschland zu gehen, und in diesem Wohnsitze der Wissenschaften Medicin zu studiren. Ein jüdischer Kaufmann nimmt ihn mit nach Königsberg, wo er ein lesenswerthes Entretien mit einigen Studenten über Mendelssohns Phädon hat. Von Königsberg geht er auf Anrathen jener Studenten zu Schiffe nach Stettin, und muß in einer schrecklichen Lage, vom Hunger und Durst geplagt, fünf Wochen lang darauf verweilen. Von Stettin setzt er seine Reise nach Frankfurt an der Oder zu Fuße fort, er hat keinen Pfennig Zehrgeld bey sich, um seinen Hunger und Durst noch einmal vor dem bevorstehenden jüdischen Fasttage zu stillen, seine Kleider sind zerrissen, seine Sprache kann keiner verstehen, seine Lage ist die traurigste die man sich denken kann. Um ein elendes Glas voll saures Bier zu trinken, muß er sein letztes bey sich habendes Kleinod – einen eisernen Löffel, den er mit zu Schiffe genommen, im Wirthshause verhandeln; findet aber doch bey Fortsetzung seiner Reise bey einem Juden eine bessere Aufnahme und Nahrung für seinen abgematteten Körper, und reist endlich nach Berlin, – dem höchsten Ziele aller

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seiner Wünsche und Hofnungen. Aber auch hier zertrümmert das schöne Gebäude seiner erträumten Glückseligkeit mit einemmale. Ein boshafter orthodoxer Rabbiner, der von Maimons tiefer rabbinischer Gelehrsamkeit Kunde eingezogen hat, weiß die Aeltesten der dortigen Judengemeine so zu stimmen, daß dem unglücklichen Wanderer, als einem Betteljuden, der Eingang in die Stadt schlechterdings versagt wird, – man dringt sogar auf seine schleunige Abreise, – der arme Wurm wirft sich vor dem Thore auf die Erde nieder, und weint bitterlich. Er geräth in ein hitziges Fieber, die Soldaten am Thore melden dies dem Armenhause, er wird dahin abgeholt, und wünscht nun nichts mehr, als recht krank zu werden, um auf diese Art einen längern Aufenthalt in Berlin zu erzwingen. Allein auch in dieser Hoffnung wird er getäuscht. Das Fieber geht vorüber, er muß ohne Barmherzigkeit fort, und sein tiefes Elend nöthigt ihn, sich an einen Betteljuden anzuschließen, und mit ihm in der Welt herumzustreichen. Er bemühet sich unterwegs, seinem rohen Mitbruder Begriffe von Religion und wahren Moralität beyzubringen, und dieser unterrichtet ihn in der Kunst – zu betteln. Beyde setzen endlich ihre Wanderungen nach Polen fort – in Polen entschließt sich aber der unglückliche Maimon den Bettelstab wegzuwerfen. Sein Schicksal nimmt auf einmal eine unerwartete glückliche Wendung an; er steigt aus dem tiefsten Abgrunde des Elends zum höchsten äußern Glanz bey seiner Nation – zu dem Ehrenrange eines Oberrabbiners empor; – aber auch hier zieht sich ein neues Ungewitter über seinem Haupte zusammen, – neue Verfolgungen nöthigen ihn zu einer zweyten Reise nach Berlin, die man selbst nachlesen mag. So weit der erste Theil dieser interessanten Lebensgeschichte, auf deren Fortsetzung das Publikum sehr begierig seyn muß, da sie wahrscheinlich die Geschichte des philosophischen Studiums des Verfassers, und die Resultate seines eigenen Nachdenkens über die wichtigsten Gegenstände der Religion und Moral enthalten wird. Einzelne Spuren hievon kommen schon in mehrern Stellen dieses Buchs vor, die für den denkenden Leser ohnstreitig ein größeres Interesse, als der bloße Geschichtstheil dieser Schrift haben werden. Auch werden die speciellen litterarischen Nachrichten über die Kabbala, ihre Systeme und deren Studium vielen Lesern gewiß sehr will-kommen seyn. Ohnstreitig übte sich der Scharfsinn des Verfassers vorzüglich durch das Lesen dieses mystisch-philosophischen Werks, da es eine lange Anstrengung des Geistes erfodert, und der Einbildungskraft so viele große Bilder vorhält. Man lese nur z. B. dasjenige nach, was der Verf.

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S. 139–141 von seiner damaligen auf die Kabbala gegründeten Erklärungsart von Entstehung der Welt sagt. Eben so lesenswerth für den denkenden Kopf ist das ganze funfzehnte Capitel, welches eine kurze Darstellung der jüdischen Religion von ihrem Ursprunge bis auf die neuesten Zeiten enthält, wobey der Verfasser zugleich einen Theil seiner Vorstellungen über die Religion überhaupt mit dem ihm eigenen Scharfsinn aufstellt, und S. 243. fortsetzt. Dieses zusammenhängende Raisonnement leidet wegen Enge des Raumes keinen Auszug; zeigt aber deutlich, wie bestimmt und hell der Verf. über solche Gegenstände denkt, ohnerachtet er die Sprache nicht so wie sein großer Vorgänger Mendelssohn in seiner Gewalt hat. Das neunzehnte Capitel enthält eine sehr interessante Beschreibung einer geheimen jüdischen Gesellschaft, die sich göttlicher Eingebungen rühmte, und den Verfasser in ihren heiligen Schoos aufnimmt. Es war ganz natürlich, daß ein so aufgeklärter Kopf nicht lange an solchen Leuten und ihren Grundsätzen Geschmack finden konnte, die so roh waren, daß sie einen ihrer Mitgenossen in der Gesellschaft darum auspeitschten, weil seine Frau mit – einer Tochter, und nicht mit einem Knaben niedergekommen war. Uebrigens enthält dieses Buch, das ohnstreitig allgemein gelesen werden wird, eine Menge merkwürdiger Nachrichten, die man hier nicht grade erwartet, wovon ich nur die Beschreibung des Fürsten R- anführen will. Gottlob! Solche moralische Carricaturen sind doch unsere Fürsten nicht. Aber die schändlichen Handlungen eines solchen Wollüstlings hätte der Verfasser nicht blos Temperaments- und Erziehungsfehler nennen sollen. 2. Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 6. Bd., 1. St.,Kiel 1793, S. 108–114 (QK = Karl Friedrich Pockels).

S a l o m o n M a i m o n ’ s Lebensgeschichte; von ihm selbst geschrieben, und herausgegeben von K . P . M o r i t z . Z w e y t e r und l e t z t e r T h e i l . Berlin, 1793. bey Vieweg dem ältern. 284 Seiten in 8. 20 Gr. Ohnstreitig hat der Verf. dasjenige, was man von einem so scharfsinnigen Denker bey Fortsetzung seiner Lebensbeschreibung mit Recht erwarten konnte, im zweyten Theile seines Werks fast durchgängig geleistet, ob wir gleich an dem hie und da nichts weniger als – bescheidenen Tone des Hrn. M a i m o n s ohnmöglich Behagen finden konnten, indem wir immer ge-

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glaubt haben, daß kein g r o ß e r Kopf sich selbst Weihrauch streuen müsse, wenn er nicht in den Verdacht einer ihn bisweilen anwandelnden Geistesschwäche gerathen will! Diejenigen Leser, welche in diesem zweyten Theile eine mit Abentheuern und sonderbaren verwickelten Schicksalen angefüllte Biographie eines berühmten Mannes zu finden glauben, werden freylich darin wenig Nahrung für ihre Phantasie und zur Erschütterung ihrer Gefühle finden; – desto mehr Geistesnahrung aber der aufmerksame Beobachter der menschlichen Natur und ihrer psychologischen Entwickelungen, die zwar im Ganzen genommen bey allen Menschen, vermöge der ewigen Gesetze unserer Vorstellungskraft einerley, aber bey einzelnen Individuen nach den verschiedenen Graden ihrer Denkfähigkeiten, nach den mancherley innern Antrieben zur Geistesthätigkeit, und vornehmlich auch nach so tausendfachen abwechselnden Lebenssituationen sehr verschieden und höchst bemerkenswerth seyn können. In der Vorrede, welche schon dem ersten Theile dieser Lebensbeschreibung hätte einverleibet werden sollen, sucht der Verf. den Gesichtspunkt anzugeben, aus welchem sein Werk beurtheilt werden müsse – Die angegebenen Bewegungsgründe zur Herausgabe dieses Buchs sind die höchstgewöhnlichen; – nämlich die Wünsche guter Freunde, und, wie der Verf. sehr nachdrücklich und bedeutungsvoll hinzusetzt, – des Hrn. Verlegers. Wichtiger für den Leser sind die Versicherungen des Verf., daß er in seinen Erzählungen und Beschreibungen der Wahrheit, sie mag zum Vortheil oder Nachtheil seiner Person, Familie, Nation oder sonstigen Verhältnisse ausfallen, getreu geblieben sey. – (Mithin kein Zwittergeschöpf von wahrer Geschichte und Erdichtung – psychologischer Roman genannt – habe ediren wollen.) Zugleich sehen wir aus der Vorrede, die bisweilen ohne Noth witzig wird, daß der V. vornehmlich den unsterblichen Werken des Rabbi Maimon seine Geistesbildung und die Cultur seines Charakters zuschreibt. »Nicht eben dessen besondere Lehrmeinungen, sagt er, sondern die edle Kühnheit im Denken, die keine andern Gränzen kennt, als die Gränzen der Vernunft selbst; die Liebe zur Wahrheit, die über alles geht; die Festigkeit der Principien und die strenge Methode in der Ableitung der darauf gegründeten Wahrheiten; der Eifer wider alle Erziehungsvorurtheile, Schwärmerey und Aberglauben von der einen Seite, wie auch die Biegsamkeit im Denken und die einem Philosophen unentbehrliche Kunst, Gedanken mit Gedanken umzutauschen, wo der Unterschied blos den Ausdruck betrifft, sind es, die auf meine Bildung den meisten Einfluß hatten.« Die Hochachtung des Verf.

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gegen seinen großen Lehrer gieng so weit, daß, da sich seine Begierden und Leidenschaften zu entwickeln anfiengen, und er zuweilen befürchten mußte, daß sie sich seiner bemächtigen, und ihn zu Handlungen verleiten möchten, die diesen Lehren zuwider waren, er alsdann als ein probates Mittel sich dieses Schwurs zu bedienen pflegte: I c h s c h w ö r e b e y d e r schuldigen Ehrerbietung gegen meinen großen Lehrer Rabbi Moses Ben Maimon, diese oder jene Handlung nicht z u b e g e h e n ! Nun folgt in dem Werke eine kurze Biographie des großen Mannes selbst, und dann eine genaue Aufzählung seiner scharfsinnigen Schriften, aus welchen besonders aus dem bekannten M o r e N e w o c h i m ein genauer, zum Theil raison-nirender Auszug geliefert wird, der jedem denkenden Litterator, der mit dem Inhalte des More Newochim noch nicht bekannt genug ist, sehr willkommen seyn muß, und ein redender Beweis von dem philosophischen Tiefsinn des unsterblichen Maimonides ist. »Hier, sagt unser Verf. mit Recht, zeigt sich die reine Wahrheitsliebe, die ungeheuchelte, religiöse und moralische Gesinnung des Mannes, seine tiefe Einsicht in allen Zweigen der menschlichen Erkenntniß, und sein philosophischer, alles durchdringender Geist auf eine ganz eigene musterhafte Art.« – Ein Zeugniß, das sein neuerer scharfsinniger Commentator gewiß mit der lebhaftesten Ueberzeugung der Wahrheit ablegen konnte. Erst im eilften Kapitel hebt der Verf. den Faden seiner eigentlichen Lebensgeschichte wieder auf, – ohne daß wir doch eigentlich en detail erfahren, w i e und w e n n die Schriften des Maimonides auf die Geistesbildung seines Schülers einen so großen Einfluß zu äussern angefangen, und seiner Denkungsart die eigenthümlichere Richtung gegeben haben. – Denn der bloße Auszug aus Maymonides Schriften zeigt blos, daß er sie studirt; aber nicht, w i e er sie studirt, und in welchen Graden seine philosophische Einsicht zugenommen habe, – das heißt, wir vermissen in diesem Werk die p s y c h o l o g i s c h e genaue Darstellung seiner Geistesentwickelung, die einem solchen Kopfe nicht schwer werden konnte. Der Verf. kommt endlich wieder in Berlin an, seine Leiden, die freylich wohl bisweilen übertrieben geschildert werden, haben noch kein Ende. Er geräth in Gefahr, von einem unbarmherzigen jüdischen Polizeibedienten wieder aus der Stadt gejagt zu werden. Ein pohlnischer Jude, der sich des Studirens wegen in Berlin aufhält, und noch einige junge Leute aus einer vornehmen jüdischen Familie daselbst werden seine Schutzengel. In einem Butterladen findet er zufälligerweise Wolfs Metaphysik, die der Krämer eben als

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Maculatur verbrauchen will. Maimon kauft ihm das Buch für zwey Groschen ab, und fängt dieses Werk eifrigst zu studiren an. Schon damals, versichert er, die ganze Schwäche des Wolfischen Beweises vom Daseyn Gottes aus dem Satze des zureichenden Grundes gefühlt zu haben. Er setzt seine Zweifel in hebräischer Sprache auf, (der einzigen, worin er sich richtig ausdrücken konnte,) theilt sie Mendelssohn mit, und wird von diesem zum fernern Studiren der Philosophie sehr aufgemuntert. Nun schreibt er eine metaphysische Disputation in hebräischer Sprache, worin er die Gründe der sowohl geoffenbarten, als natürlichen Religion in Zweifel zieht. Mendelssohn findet bald an ihm einen scharfsinnigen Denker, unterstützt ihn, und verschafft ihm bald die Bekanntschaft mehrerer aufgeklärter Juden, wodurch sich Berlin vor allen Städten Deutschlands so sehr auszeichnet. Sehr naiv sind die Beschreibungen, wie sich M a i m o n bey seinem völlig rauhen und ungebildeten Jargon der deutschen Sprache seinen gelehrten Freunden verständlich zu machen suchte. Einstmals bemühte er sich, seinem Freunde H- Spinoza’s System begreiflich zu machen, daß nämlich alle Gegenstände bloße Accidenzen einer einzigen Substanz sind. Sein Freund unterbrach ihn, und sagte: aber, mein Gott! hat nicht jeder von uns eine eigene Existenz? Macht die Fenster zu! rief Maimon auf seinen Einwurf. Dieser seltsame Ausruf setzte H- in Erstaunen; er wußte nicht, was Maimon damit sagen wollte. Endlich erklärte er sich ihm. »Sehet, sagte er, die Sonne scheint durch die Fenster. Dieses viereckige Fenster giebt einen viereckigen, und dieses runde einen runden Wiederschein, sind es deshalb schon verschiedene Dinge, und nicht vielmehr ein und derselbe Sonnenschein? Macht die Fensterladen zu, so werden diese verschiedenen Wiederscheine gänzlich verschwinden.« Ein andermal vertheidigte sein Freund Helvetius System der Eigenliebe. Er machte ihm den Einwurf, daß wir doch auch andere Menschen liebten, ich, sagte jener, liebe z. B. meine Frau, und um dieses zu bestätigen, gab er ihr einen Kuß. – »Das beweist nichts gegen mich, erwiederte Maimon, denn warum küßt ihr eure Frau? Weil ihr Vergnügen daran habt.« Spinoza wird endlich sein Lieblingsschriftsteller, und Maimon von der Wahrheit dieses Systems so überzeugt, daß alle Bemühungen Mendelssohns, ihn davon abzubringen, fruchtlos waren. Sehr interessant werden die Leser das zwölfte Kapitel – Mendelssohn – überschrieben, finden, wo dieser große Mann als Mensch, als Schriftsteller und Denker geschildert wird, – ob es uns gleich nicht gefallen will, daß der Verf. es bey seinem Uebermaaß von Egoismus nicht verbergen

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kann, wie sehr er auf Mendelssohn von der Höhe der jetzigen Philosophie als auf einen Wolfianer herabsieht. Mendelssohn bleibt immer einer der ersten Denker unsers Jahrhunderts, ob er gleich der neuern, sich so hoch geschwungenen philosophischen Kritik nicht ergeben war; er würde ihr Freund geworden seyn, wenn er länger gelebt hätte. Maimon war anfangs ein Feind der Dichter – (wie konnte auch ein in den Sprachen völlig unkundiger Mensch, der das Deutsche so schlecht verstand, einen Geschmack an den Meisterstücken unsrer Dichter finden!) wird aber in diesem Stück von Mendelssohn bekehrt. Ossian gefällt ihm vornehmlich. Um in der Welt fortzukommen, lernt Maimon, aber nur auf kurze Zeit, – die Apothekerkunst in Berlin; kommt aber bald bey seinen Freunden in einen sehr übeln Geruch, weil er auf keinen Lebensplan bedacht sey, und die Bemühungen seiner Freunde selbst fruchtlos gemacht habe; weil er schändliche Meinungen und Systeme auszubreiten suche, und weil er eine sehr freye Lebensart führe, und den sinnlichen Vergnügungen sehr ergeben sey. Mendelssohn eröffnet ihm dieses offenherzig. Maimon entrüstet sich darüber, und verläßt trotzig das undankbare Berlin. Er geht nach Hamburg, weil er aber dort kein Unterkommen findet, nach Amsterdam. Sehr bald wird er auch hier als ein Ketzer verschrieen und verachtet, sein Elend wird groß, und er will sich – ins Wasser stürzen. Eine Begebenheit, die Rec. weder in Absicht der Psychologie, noch der Moral so sehr merkwürdig, als der Verf. findet, und einen neuen Beweis abgiebt, daß er sich oft durch ein Vergrößerungsglas zu beschauen gewohnt ist. Viel vortreflicher ist die bey dieser Gelegenheit von dem V. gemachte Anmerkung, die wir ganz hierher setzen wollen. »Die Liebe zum Leben, oder der Trieb, das Leben zu erhalten, sagt er, scheint mit der Abnahme und Ungewißheit der Mittel dazu vielmehr zu- als abzunehmen, indem der Mensch dadurch zu einer desto größern T h ä t i g k e i t angespornt wird, die ein desto größeres L e b e n s g e f ü h l zur Folge hat. Nur muß dieser Mangel nicht sein Maximum erreicht haben, weil alsdann Ve r z w e i f l u n g , d. h. die Vorstellung von der Unmöglichkeit, das Leben zu erhalten, und folglich auch das Verlangen, demselben ein Ende zu machen, eine nothwendige Folge davon ist. So wird auch jede Leidenschaft durch die Hindernisse, die sich ihrer Befriedigung in den Weg stellen, und dadurch auch der Lebenstrieb vermehrt; nur müssen diese Hindernisse nicht die Befriedigung derselben u n m ö g l i c h machen, weil alsdann Ve r z w e i f l u n g darauf folgen muß.« S. 208 kommt eine drollige Liebesgeschichte unsers Philosophen vor, wo-

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bey er aber eine ziemlich ungalante Rolle spielt. In Holland dauert auch sein Aufenthalt nicht lange, er geht nach Hannover und von da wieder nach Hamburg, wo er seines Fortkommens wegen sich entschließt, – ein Christ zu werden. Er setzt deshalb seine Meinungen über die christliche Religion mit aller Frey-müthigkeit auf, und fragt bey einem dortigen Geistlichen an, ob er nach diesem Bekenntniß wohl getauft werden könne? Sein Bekenntniß wird natürlicherweise verworfen. – Uns scheint die Sache eine bloße Gaukeley gewesen zu seyn. Wie konnte ein so gescheiter Mann glauben, daß sein völlig unsymbolisches Bekenntniß von einem völlig symbolischen Geistlichen gebilligt werden würde? Um neuere Sprachen zu lernen, wird er in Hamburg Gymnasiast, und macht eine sehr drollige Beschreibung von den damaligen Herren Professoren – Endlich verläßt er Hamburg aufs neue, und bekommt ein höchst schmeichelhaftes Testimonium von seinen Lehrern. Ekelhaft und kleinlich ist die Ruhmredigkeit, mit welcher dieses Testimonium S. 231 ganz abgedruckt wird, und es thut uns weh, daß wir s o l c h e Stellen in einem s o l c h e n vortreflichen Buche angetroffen haben, die zu laute Beweise von einer elenden Erziehung des Verf. sind. Maimon kommt endlich wieder nach Berlin, und soll auf Anrathen seiner Freunde eine hebräische Schriftstellerey anlegen, – nämlich für seine Nation die besten Werke aus andern Sprachen übersetzen; allein, aus mancherley Ursachen zerscheitert auch dieses Projekt; er zerfällt deshalb mit seinen Freunden, und geht nach Breslau, wo er mit dem berühmten jüdischen Dichter, Ephraim Kuh, eine enge Bekanntschaft errichtet, und sich nach langem planlosen Studiren endlich die Medicin zu seinem Brodstudium wählt. Neue Leiden verfolgen ihn, auch läßt er sich von seiner aus Pohlen angekommenen Frau gerichtlich scheiden, und reist zum viertenmal nach Berlin, wo er anfangs von Almosen leben muß. Er hat sich in ein Dachstübchen eingemiethet, und fängt nun an, Kants Kritik an der reinen Vernunft zu studiren. »Die Art, sagt er, wie ich dieses Werk studirte, ist ganz sonderbar. Bey der ersten Durchlesung bekam ich von jeder Abtheilung eine dunkle Vorstellung, nachher suchte ich diese durch eigenes Nachdenken deutlich zu machen, und also in den Sinn des Verfassers einzudringen, welches das eigentlichste ist, was man, sich in ein System hineindenken, nennt. Da ich mir aber auf eben diese Art schon vorher Spinoza’s, Hume’s und Leibnitzens Systeme zu eigen gemacht hatte: so war es natürlich, daß ich auf ein Coalitionssystem bedacht seyn mußte; dieses fand ich würklich, und setzte es auch in Form von Anmerkungen und Erläute-

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rungen über die Kritik der reinen Vernunft nach und nach auf, so wie dieses System sich bey mir entwickelte, woraus zuletzt meine Transcendentalphilosophie entstand. Hier wird ein jedes der vorerwähnten Systeme so entwickelt, daß daraus der Vereinigungspunkt aller sich leicht ergiebt. Daher muß dieses Buch demjenigen zu verstehen schwer fallen, der aus einer Steifigkeit im Denken sich blos das eine dieser Systeme geläufig gemacht hat, ohne auf alle andere Rücksicht zu nehmen.« Maimon zeigte das Manuscript einem seiner philosophischen Feunde, und dieser rieth ihm, es Kant selbst zur Beurtheilung zu übersenden; es geschah, und der Verf. wird von ihm auf die vortheilhafteste Art beurtheilt. Der Brief Kants an Maimons Freund ist hier ganz dieser Sache wegen abgedruckt. – Kants Zeugniß, daß ihn Maimon v e r s t a n d e n habe, mußte für letztern unendlich schmeichelhaft seyn, so wie die von Jena aus kommende Antwort, daß drey der speculativsten Denker die Anzeige seines Werks in der Litteraturzeitung abgelehnt hätten, weil sie nicht vermögend wären, mit ihm in die Tiefen seiner Untersuchung einzudringen. Nun folgt noch ein kritisches Verzeichniß der übrigen kleinern Abhandlungen des Verf. in verschiedenen deutschen Journalen, die den philosophischen Lesern ohne meine Anzeige bekannt genug sind, und sich, wie fast alle Arbeiten Maimons im philosophischen Fach, durch das Gepräge der Dunkelheit auszeichnen. Den Beschluß des ganzen Werks macht eine Erzählung aus dem Tagebuche eines Freundes, der lustige Ball genannt, welche eine allegorische Vorstellung von der Geschichte der Philosophie ist, und zu deren Auslegung der Verf. einige Anmerkungen hinzugefügt hat. – Der durch seine Abhandlung über den Unterschied des Accusativs und Dativs bekannte Herausgeber dieser Biographie hätte billig die vielen darin vorkommenden Sünden gegen den Dativ und Accusativ verhindern sollen. S. 176 auf der letzten Zeile darf nicht Vereinigung, sondern Verneinung, und S. 177 Z. 16 statt Dankbarkeit Denkbarkeit gelesen werden. Uebrigens sehen wir nicht ein, warum der Verf. diesen zweyten Theil seiner so inhaltsreichen und höchst interessanten Lebensbeschreibung schon den letzten genannt hat, da das gelehrte Publikum nun einmal auf die Geschichte des philosophirenden Denkens dieses Mannes so aufmerksam gemacht worden ist, und von seinem wissenschaftlichen Fleiß gewiß noch eine Menge reifer Früchte erwarten kann.

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3. Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 127. St., 11. August 1792, S. 1271f..

Bey Friedr. Vieweg dem ältern: Salomon Maimon’s Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben, und herausgegeben von K. P. Moriz. In 2 Theilen. 1792. 292 Seiten in Octav. Dieser in Polen geborne und nun in Berlin lebende Philosoph jüdischer Nation ist schon durch das M a g a z i n z u r E r f a h r u n g s s e e l e n k u n d e bekannt geworden; indem er seit vorigem Jahre an selbigem Mitarbeiter ist; auch des 9ten Bnds erstes Stück seine Lebensgeschichte unter dem Namen B e n J o s u a , in einem starken Auszuge mittheilet. Diese nun mit dem Bildniß des Mannes vollständiger erscheinende Geschichte ist schon an sich sehr merkwürdig; als Geschichte eines durch allerley Schwierigkeiten, und bisweilen im äußersten Elende sich durcharbeitenden, Aufklärung suchenden Denkers. Sie wird aber auch lehrreich durch mehrere eingewebte Nachrichten und Betrachtungen, die jüdische Religion überhaupt, und deren Zustand in Polen betreffend. Ueber die ganze bisherige Verfassung dieses großen Reichs, und dessen Verhältnisse zu seinen Nachbarn, geht auch bey dieser Privatgeschichte dann und wann solch ein Licht auf, daß Lesern von menschlichem Sinn und Gefühl es schwer werden wird, den Wunsch zu unterdrücken, daß die Barbarey des Mittelalters doch einmal da aufhören, was die Vernunft so lange schon gefordert hat, doch endlich einmal zur Wirklichkeit kommen, daß – doch braucht wohl gesagt zu werden, worüber es unter Unpartheyischen nur eine Stimme giebt? – Auch über geheime Ge-sellschaften überhaupt und unter den Juden kommen interessante Nachrichten und Betrachtungen vor. Aber es wird nicht nöthig seyn, durch eine weitere Anzeige die Neugierde für diese Schrift zu erwecken.

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4. Allgemeines Repertorium für empirische Psychologie und verwandte Wissenschaften. Mit Unterstützung mehrerer Gelehrten herausgegeben von J. D. Mauchart, 3. Bd., Nürnberg 1793, S. 314f.

Salomon Maimon’s Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und herausgegeben von K. P. Moritz. Zween Theile 8. Berlin, bey Vieweg dem ältern 1792. 93.

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Diese Lebensgeschichte, wovon der erste Theil auch in dem Magazin zur Erfahrungs-Seelenkunde, IX. Bands 1. und 2. Stück unter dem Titel: F r a g m e n t e a u s B e n J o s u a ’ s Lebensgeschichte abgedruckt ist, ist in manchfacher Rücksicht eine höchst merkwürdige Geschichte. Sie ist es in p s y c h o l o g i s c h e r Rücksicht, in so fern sie ein Beweis ist, wie weit es ein Mensch, der Kopf hat, durch eigenen Fleiß ohne dazu gekommenen mündlichen Unterricht bringen kann, und in so fern Hr. M. darinn den Gang der Entwickelung seiner Fähigkeiten ausführlich und schön darlegt, und damit auf eine befriedigende Weise zeigt, wie er das geworden ist; – in p ä d a g o g i s c h e r , in so fern darinnen gezeigt wird, wie wenig einem Genie, das Anlage zu einer gewissen Art von Kenntnissen hat, in der Ausbildung dieser Anlage durch Verbote, Strafen und dergleichen Hindernisse in den Weg gelegt werden können; – in h i s t o r i s c h e r endlich, in so fern sie theils von dem p o l i t i s c h e n und h ä u ß l i c h e n Zustande der Polnischen und Litthauischen Juden und den geheimen Gesellschaften der n e u e n C h a s i d i m unter denselben, theils von der L i t e r a r - G e s c h i c h t e der Juden durch die Auszüge aus M a i m o n i d e s Schriften ausführliche Nachricht giebt, wiewohl uns eben diese Auszüge für eine L e b e n s g e s c h i c h t e etwas zu weitläufig ausgefallen zu seyn dünken. Stellenerläuterungen 299,6–7 Denkkraft 〈. . .〉 entwickeln kann] Leitgedanke in Moritz’ Zeitschrift

Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen (vgl. S. 3,1–223,11 in diesem Bd.), auf der Grundlage von Herders Anthropologie des ›Mängelwesens‹; vgl. Erl. zu S. 20,13–17. Analog dazu sind die Lebensgeschichten Anton Reisers (KMA 1), Moses Mendelssohns (vgl. S. 20,2–24,22, 37,12–40,7, 65,14–68,4 u. 83,18–86,3 in diesem Bd.) oder des preußischen Generalmajors Georg Ernst von Holtzendorf (vgl. 46,4–50,11 in diesem Bd., bes.

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S. 46,10–13) disponiert. – Maimons Familie lebte zunächst im Wohlstand (der Großvater hatte es als Pächter zu einigem Reichtum gebracht); nach Fehlkalkulationen endete diese Phase in einem wirtschaftlichen Desaster, als Maimon etwa neun Jahre alt war; es folgten Jahre des Elends und der Not (Maimon, Lebensgeschichte, 1. T., S. 51–65). Maimons Sozialisation entspricht dem Muster der (defizitären) ostjüdischen Ausbildung: Seine Muttersprache ist das Ostjiddische, von seinem Vater wurde er in die jüdische Gelehrsamkeit eingeführt (Talmud-Studien), zusätzlich lernte er Hebräisch (ebd., S. 43–50) und studierte die Kabbala (ebd., S. 126–149); im Selbststudium (ebd., S. 122) eignete er sich Grundkenntnisse der deutschen Sprache an (ebd., S. 120–125). – Vgl. dazu Stockinger 2005. 299,8 Trieb nach Wissenschaft] Entspricht Maimons Selbstdarstellung: Ich brannte vor Begierde mir noch mehr Kenntnisse zu erwerben (Maimon, Lebensgeschichte, 1. T., S. 120 u. ö.). Zur stufenweisen philosophischen Ausbildung Maimons (Talmud-Studium, Maimonides-Studien, Studium der Philosophie der Aufklärung, Kant-Studien) vgl. Salomon Maimon’s Geschichte seiner philosophischen Autorschaft, in Dialogen. Aus seinen hinterlassenen Papieren, in: Maimon, Gesammelte Werke, Bd. 7, S. 627–648. 299,11–12 unpartheiische 〈. . .〉 Judenthums] Zur Geschichte des Judentums liefert die Lebensgeschichte mehrere Beiträge: In der Einleitung zum ersten Teil gibt Maimon einen Überblick über die Stellung der Juden in der Ständegesellschaft Polens des 17. und 18. Jhs.; er ordnet diese einer eigenen ›Klasse‹ zu: H o -

her Adel, Niedrer Adel, Halbadliche, Bürger, Bauern und J u d e n (Maimon, Lebensgeschichte, 1. T., S. 〈1〉), der Bauernstand und die Juden gelten ihm dabei als die nützlichsten im Lande (ebd., S. 2); allerdings beschreibt Maimon die Lage der polnischen Juden als höchst prekär: Da nehmlich die Juden bey allen ihren Mängeln, dennoch in diesem Lande beynahe die einzigen brauchbaren Menschen sind, so sahe sich zwar die Polnische Nation gezwungen, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse ihnen alle mögliche Freyheiten zu bewilligen, doch mußte auch ihre moralische Unwissenheit und Trägheit auf der andern Seite nothwendig Religionshaß und Verfolgung hervorbringen (ebd., S. 6). Darüber hinaus führt Maimon in das Talmud-Studium (ebd., S. 59–65) und in die Kabbala ein (ebd., S. 126–149), gibt eine kurze Darstellung der jüdischen Religion von ihrem Ursprung bis auf die neuesten Zeiten (ebd., S. 150–180), berichtet von den Geheimnissen des Chassidismus (ebd., S. 207–258), setzt sich ausführlich mit Maimonides’ Religionsphilosophie auseinander (Maimon, Lebensgeschichte, 2. T, S. 〈1〉–150) und beschreibt die orthodoxen jüdischen Rituale und die privilegierte Stellung des Ge-

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lehrten im Judentum (Maimon, Lebensgeschichte, 1. T., S. 59). – Unpartheiisch, wie Moritz behauptet, ist diese Darstellung aber keineswegs; im Sinne der aufklärerischen Kritik am Aberglauben werden etwa jüdische Bußübungen oder religiöse Gebräuche (ebd., S. 181–188 u. S. 291f.) lächerlich gemacht. 299,14–15 wo die Bildung und Aufklärung der jüdischen Nation 〈. . .〉 geworden ist] Beitrag zur zeitgenössischen Debatte um die Judenemanzipation; zu deren publizistisch wirksamsten Befürwortern gehörte Christian Wilhelm von Dohm (1751–1820) mit seiner Schrift Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden (Berlin und Stettin: Friedrich Nicolai 1781). Die jüdische Aufklärungsbewegung (Haskala) orientierte sich weitgehend an Dohms Forderungskatalog (vgl. Schulte 2002, S. 38). 299,14 Bildung und Aufklärung] In einem Beitrag zur in der Berlinischen Monatsschrift geführten Debatte ›Was ist Aufklärung?‹, die der Berliner Pfarrer Johann Friedrich Zöllner (1753–1804) im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Zivilehe initiiert hatte, unterscheidet Moritz’ Lehrer und Mentor Moses Mendelssohn die Begriffe Bildung, Kultur und Aufklärung (Ueber die Frage: was heißt aufklären, in: ebd., Bd. 4, 1784, S. 193–200). Er erklärt sie zu Modifikationen des geselligen Lebens, zu Wirkungen des Fleißes und der Bemühungen der Menschen, ihren geselligen Zustand zu verbessern (ebd., S. 444f.). ›Bildung‹ ist nach Mendelssohn als ein Oberbegriff zu verstehen, der ›Aufklärung‹ und ›Kultur‹ umfasst. Während sich Aufklärung auf das T h e o r e t i s c h e beziehe, also auf vernünftige Erkenntnis (objekt.) und Fertigkeit (subj.) zum vernünftigen Nachdenken über wichtige Dinge des menschlichen Lebens, bezeichne Kultur das P r a k t i s c h e , also Güte, Feinheit und Schönheit in Handwerken, Künsten und Geselligkeitssitten (objektive) sowie Fertigkeit,

Fleiß und Geschicklichkeit in jenen, Neigungen, Triebe und Gewohnheit in diesen (subjektive) (ebd., S. 445). 299,17–18 Lande 〈. . .〉 in einer so wichtigen Krise] Zweite Teilung Polens (1793): Rußland annektierte die restlichen Gebiete von Weiß- und Rotreußen, Preußen Wielkopolska, Gebiete in den Masuren und Thorn sowie Danzig. 299,22 in die Gegend] Maimon wurde um 1753 im damaligen Königreich Polen (im litauischen Sukowiburg) geboren, besuchte die Schule in Mir sowie Iwenez und zog dann nach Neswisch im Gouvernement Minsk um, wo er bis zu seiner Abreise nach Königsberg im Sommer 1776 lebte; vgl. Yitzhak Melamed/Florian Ehrensperger: Lebensdaten zu Salomon Maimon, http://www.maimon.de/Leben/leben.htm, S. 〈1〉.

Salomon Maimon’s Lebensgeschichte

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299,23 Zufall] Vgl. Erl. zu S. 17,11. 299,24 die Vernunft 〈. . .〉 reifen ließ] In der Überblicksdarstellung über die Geschichte seiner philosophischen Autorschaft behandelt Maimon die Grundsätze und das Niveau seiner ersten Ausbildung in Polen: Was aber die E r z i e h u n g des Verfassers anbetrifft, so war diese – 〈. . .〉 mehr gut als schlecht (in: Maimon, Gesammelte Werke, Bd. 7, S. 627–648, hier S. 631f.). Unterschieden wird dabei die allgemeine von der besondern Erziehung: Unter der a l l g e -

m e i n e n Erziehung verstehe ich die Erziehung eines jeden besondern Menschen zum Menschen überhaupt, die theils in Wegräumung der Hindernisse, theils auch in Anwendung der Beförderungsmittel zur Entwikkelung aller menschlichen Fähigkeiten und natürlichen Anlagen besteht; ohne auf den Unterschied der Subjecte Rücksicht zu nehmen. 〈. . .〉 Unter der b e s o n d e r n Erziehung aber verstehe ich die Erziehung eines jeden besondern Menschen zu dem, wozu er nach seinen besondern natürlichen Anlagen von der Natur bestimmt zu seyn scheint (ebd., S. 632). Allerdings sei Maimons p h y s i s c h e E r z i e h u n g (die auf Erlangung gewisser körperlicher Geschicklichkeiten abzielt) 〈. . .〉 gänzlich vernachlässigt worden. Hauptsächlich habe er eine sogenannte g e l e h r t e Erziehung erhalten; diese habe sich aber bloß auf die, seiner Nation eigenthümliche Gelehrsamkeit beschränkt; wodurch, ob zwar auf eine sehr unvollkommene Art, seine höhere Erkenntnißvermögen in Ausübung gesetzt wurden. Von Wissenschaften hatte er durch besondere Zufälle manche dunkle Vorstellungen; so erhielt er z. B. von den m a t h e m a t i s c h e n Wissenschaften einige verworrene und unzusammenhängende Erkenntniß (ebd., S. 636f.). Zu ›wissenschaftlicher Erkenntnis‹ sei er erst gelangt, nachdem er in seinem acht und zwanzigsten Jahre nach Deutschland gekommen war (ebd., S. 638); dort nahm er das Studium der Philosophie zunächst Wolffs, später dann Kants auf (ebd., S. 639f.). 299,25–26 unter einem fremden Himmelsstrich] Im Sommer 1776 reiste Maimon nach Königsberg; er traf im August 1776 in Stettin ein und gelangte im Frühjahr 1777 zu Fuß nach Berlin, wo er am Rosentaler Tor abgewiesen wurde; daran schloß sich eine halbjährige ziellose Wanderschaft an. Vom Herbst 1777 bis 1780 hielt sich Maimon als Hofmeister in Posen auf. 1780 reiste er wieder nach Berlin, wobei er seinen Aufenthalt in Berlin verschiedentlich unterbrach (Aufenthalte in Amsterdam, Hamburg, Dessau und Breslau). Von 1787 bis 1795 lebte Maimon dauerhaft in Berlin, die Jahre nach 1795 bis zu seinem Tod am 22. November 1800 verbrachte er auf dem Gut des Grafen von Kalckreuth in der Nähe

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Herausgegebene Schriften

von Glogau (Nieder-Siegersdorf, Schlesien). Vgl. Yitzhak Melamed/Florian Ehrensperger: Lebensdaten zu Salomon Maimon, http://www.maimon.de/Leben/leben.htm, S. 〈2f.〉. 299,28 merkwürdig] ›bedenkenswert‹; vgl. Erl. zu S. 10,33. 299,28–30 wie das geistige Bedürfniß 〈. . .〉 erträglich wird] Zum Verhältnis von Körper und Geist in der Anthropologie der Spätaufklärung vgl. Erl. zu S. 52,33 u. zu S. 99,21; vgl. dazu exemplarisch das 13. Kapitel von Maimons Lebensgeschichte (Streben nach Geistesausbildung im ewigen Kampf mit Elend aller Art, in: Maimon, Lebensgeschichte, 1. T., S. 120–125).

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Vorrede zu Johann Gottfried Bremer, Die symbolische

Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, Berlin 1793 Überlieferung 1. Textgrundlage D Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denk-

mälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. Berlin, 1793. in Karl Matzdorff’s Buchhandlung, S. ÇIIIÈ–ÇIVÈ. Grundlage für den edierten Text: D. Druckvorlagen: 1.) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Sig. Ny 9061; 2.) Ludwig-Geiger-Bibliothek, Moses Mendelssohn-Zentrum Potsdam, Sig. 3079 G.

Überblickskommentar 1. Entstehungsgeschichte Das von Moritz herausgegebene Buch Johann Gottfried Bremers erschien zur Jubilate-Messe 1793, also Ende April1 des Jahres, zusammen mit den Vorbegriffen

1

Laut Verlagsanzeige von Matzdorff in der Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung

728

Herausgegebene Schriften

zu einer Theorie der Ornamente (vgl. KMA 3); die kleine Vorrede hat Moritz zweieinhalb Monate vor seinem Tod verfaßt. Über seine Lektüre der Schrift oder seine Beschäftigung mit dem Inhalt ist nichts überliefert. Lediglich Klischnig bemerkt 1794, daß Moritz sich als Herausgeber dieser Schrift genannt habe.2 Die Formulierung des Freunds deutet darauf hin, daß Moritz lediglich seinen absatzfördernden Namen für das Werk hergegeben und eine eigentlich herausgeberische Funktion wohl nicht ausgeübt hat. Laut Vorrede hat Moritz den unbekannten Verfasser (vgl. S. 301,15) nicht persönlich gekannt; den Namen des Autors, der den auf Moritz folgenden Vorbericht des Verfassers mit C. G. B. unterzeichnete, dürfte Moritz aber wohl von seinem Schwager Karl Matzdorff, in dessen Verlag Bremers Buch erschien, erfahren haben. Der 1744 in Altona geborene Johann Gottfried Bremer war ein produktiver Autor, der grundsätzlich anonym publizierte, etliches aus dem Französischen übersetzte, mehrere Schriften zur Moralphilosophie verfaßte und 1776 auch den Versuch einer Apologie des Epikurs, von einem Anti-Batteusianer vorlegte; er starb vmtl. nach 1810 in Berlin. Bremer näherte sich dem Phänomen der ägyptischen Maurerei vom Standpunkt der Berliner Aufklärung aus (bezeichnenderweise hatte er 1780 Predigten publiziert, die der Berliner Oberkonsistorialrat Abraham Wilhelm Teller mit einem zustimmenden Vorwort begleitete3). Im späten 18. Jh. orientierten sich etliche freimaurerische Geheimgesellschaften in ihren Ritualen an dem, was man für altägyptische Mysterien hielt. Die bekanntesten ›ägyptischen‹ Maurerlogen der Zeit waren die 1766 in Berlin von dem Kriegsrat Carl Friedrich Köppen (1734–1797) gegründete Loge der Africanischen Bauherren und die Loge La Sagesse Triomphante von Cagliostro. Köppen verfaßte zusammen mit Johann Wilhelm Bernhard von Hymmen die einflußreiche Schrift Crata Repoa. Oder Einweihungen in der alten geheimen Gesellschaft der Egyptischen Priester, die 1770 anonym erschien und beispielhaft eine Initiation nach ›ägyptischem‹ Muster schilderte.4 Der »eigentliche Begründer der von Staats- und gelehrten Sachen (»Vossische Zeitung«), 65. St., 30. Mai 1793, S. Ç2È; am 21. April, dem Sonntag Jubilate, begann die Ostermesse 1793 in Leipzig. Vgl. Meßkatalog Ostern 1793, S. 150. 2 Klischnig, Erinnerungen, S. 268. 3

Die letzten Reden eines protestantischen Gottesgelehrten, mit einer Vorrede des Oberkonsistorialrath Teller, Berlin: Mylius 1780; vgl. die positive Rezension von F. G. Lüdke in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, 1780, 44. Bd., S. 52f. 4 Vgl. Hornung 1999, S. 121–132, hier S. 124.

Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit

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ägyptischen Maurerei« wurde Giuseppe Balsamo, bekannt unter dem Namen des Grafen Cagliostro (1743–1795), der 1784 in Lyon seinen Rite de la Haute Mac¸onnerie Egyptienne, ein Jahr später in Paris diese Form der Maurerei einführte, wegen der Halsbandaffäre aber in der Bastille inhaftiert wurde.5 Cagliostro wurde 1789 von der Inquisition als Wiederhersteller der ägyptischen Maurerei verhaftet, in der Engelsburg eingekerkert und zum Tode verurteilt; die Strafe wurde 1791 von Papst Pius VI. in lebenslange Haft verwandelt.6 Die symbolische Weisheit der Aegypter beschreibt zum allergrößten Teil die Bildsymbole der ägyptischen Hieroglyphen und außerdem auch etliche aus der griechisch-römischen Antike sowie Symbole einiger Götter und Altäre der Alten (S. 152–161). Bremer gibt ferner Bemerkungen über die ägyptischen Priester (S. 137–142), erwähnt einige Riten der ägyptischen Religion (Einbalsamierung, Totengebet; vgl. S 148–150) und druckt einige Aussprüche der Sphinx mit Auflösung (Der Sphinx, oder einige ägyptische Räthsel, S. 162–167). Das eigentliche Kernstück der äygptischen Maurerei ist lediglich im Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die ägyptischen Mysterien berührt (S. 169–186), das Bremer nach einer Handschrift eines Ungenannten (S. 171, Anm.) beschreibt; der Unbekannte ist möglicherweise der bereits erwähnte Carl Friedrich Köppen, der Begründer der sogenannten Loge der Africanischen Bauherren, die er in Berlin von der Loge Zu den drei Weltkugeln abspaltete.7 Von ihm stammt zumindest die mit C. F. K. unterschriebene Erklärung der Hieroglyphen des Obelisks vor dem Lateran in Rom, die den Abschluß des Bands bildet (S. 187–190).8 Bremers aufgeklärten Umgang mit dem Phänomen der ägyptischen Maurerei zeigt deutlich sein Vorspann zur Darstellung des Einweihungsrituals in die ägyptischen Mysterien, der wahrscheinlich auch implizit die von Johann Rudolph von Bischoffwerder (1741–1803) und Johann Christoph von Wöllner (1732–1800) betriebene rosenkreuzerische Beeinflussung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. im Blick hat: 5

Vgl. Hornung 1999, S. 125–129, hier S. 125f. Zu den weiteren Formen ägyptischer Maurerei etwa in Mozarts Zauberflöte vgl. Hornung 1999, S. 129f. 7 Vgl. Hornung 1999, S. 124. 8 Köppen hatte schon 1768 eine Deutung veröffentlicht: Erklärung einer Egyptischen 6

Spitz-Säule, welche vor dem Lateran in Rom zu finden ist, und die Säule des Heiligen Johannis genannt wird, zum besseren Verstande des ersten Theils der Hieroglyph. des Warburton, Pariser Edit. 1764, pag. 122. Aus dem Italienischen übersetzt, Berlin 1768; vgl. dazu Hornung 1999, S. 125.

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Herausgegebene Schriften

Die Alten machten, wie viele Neuere, Geheimnisse aus Gegenständen, die es weiter nicht sind, als in so fern die ersten Grundursachen der Dinge überhaupt Geheimnisse sind und bleiben werden. Dabey machten sie nur unnöthiges Aufhebens und Vorbereitungen, die mehr auf die Einbildungskraft als den Verstand wirkten, und größtentheils nur ins Abgeschmackte und Lächerliche fielen. Sie beförderten bey schmutzigen lukrativen Absichten mehr den Stolz und Eigendünkel, den abentheuerlichen Hang zum Wundersamen, oft gar zum Aberglauben, als den ächten Grad einer hellen unbefangenen Vernunft, ohne welche ein Sterblicher bey allen Kenntnissen und Fähigkeiten nie wahre Einsicht besitzt. Ç. . .È Man suche nur Wahrheit, sollte sie auch die unangenehmste seyn. Was hilft aller Schimmer, der uns nur einwiegt, und am Ende täuscht? Wahre Vernunft allein ist wahre Weisheit, die bey allem eitlen Reitz menschlicher Systeme und Dogmen, die sich auch von den traurigsten Wahrheiten nicht abschrecken läßt, stets bey heller Vernunft zu bleiben und überall so lange zu nützen, als ihr Kräfte und Bewustseyn verliehen werden. D a ß e s s o l c h e h e l l e K ö p f e , selbst im grauesten Alterthum gegeben, ist wohl gewiß; aber auch eben so gewiß ist es, daß sie dem Strohm abentheuerlicher Gebräuche folgten. (S. 169f.) Seiner Vorrede zufolge wollte Moritz diese Schrift im ästhetischen Sinne aufgefaßt wissen. Sie leistet nicht eine Beschreibung der Volksriten, wie sie Moritz 1791 auf noch heute modern anmutende, fast strukturalistische Weise in seinem Werk

oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer (vgl. KMA 4/1) geliefert hatte, sondern erklärt das

ANUOYSA

Symbolinventar in den bildenden Künsten. Damit gehört sie in den Interessenkontext des Professors für Theorie der bildenden Künste in der Akademie der Künste.

2. Rezeptionsgeschichte Die zeitgenössische Rezeption von Bremers Die symbolische Weisheit der Aegypter ist ambivalent; kritische Stimmen sind sich v. a. darüber einig, daß das von Moritz herausgegebene Werk keinerlei neue Informationen enthalte und über den wissenschaftlichen Status quo deshalb auch nicht hinausgehe.9 Auch ein na-

9

Das gilt bis heute. Bremers Werk wird so gut wie nicht wahrgenommen, und wenn doch, dann wird es als wenig innovativ beurteilt. Vgl. etwa Hans-Joachim Zimmermann, Der akademische Affe. Die Geschichte einer Allegorie aus Cesare Ripas »Iconologia«, Wiesbaden

Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit

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mentlich nicht gekennzeichneter Sammelbeitrag von 1806 Ueber die neuern

Versuche die Bedeutung der alten, besonders ägyptischen, Hieroglyphen zu erforschen bemerkt zu Bremers Arbeit im Fließtext lapidar: Noch einige spätere zum Theil kühne Versuche haben uns nicht eben weiter gebracht,10 und in der den bibliographischen Nachweis führenden Fußnote heißt es dann: Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums – herausgegeben von K. Phil. Moritz, Berl. 1793. enthält zu Anfang die nicht genug begründete Erklärung einiger der vornehmsten Symbole oder Hieroglyphen der Aegypter.11 Sicherlich hat Bremer etwa, ohne dies selbst im Einzelnen zu belegen, für die Erklärung der Obelisken auf Standardwerke wie Athanasius Kirchers Oedipus Aegyptiacus; hoc est universalis hieroglyphicae veterum doctrinae temporum iniuria abolitae instauratio (3 Bde., Rom 1652–1654) zurückgegriffen; daß er diese aber bloß kompiliert habe, wie die unten aufgeführte Besprechung in der Allgemeinen Literatur-Zeitung) insinuiert (vgl. S. 729–731), läßt sich so nicht belegen. Entsprechendes gilt für Bremers Umgang mit Nicolas Caussins De symbolica Aegyptiorum Sapientia (Köln 1654).

Dokumente Zeitgenössische Rezensionen 1. Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Berlin 1793, 77. St., 27. Juni, S. 4.

Die symbolische Weisheit der Aegypter, aus den verborgendsten Denkmälern des Alterthums; ein Theil der ägyptischen Maurerei, der zu Rom 1991, S. 78: »Ein verschrobener Spätling in der Schar der hieroglyphenbesessenen Bildausleger ist J. G. B. (Johann Gottfried Bremer), Die symbolische Weisheit der Ägypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums: Ein Theil der Ägyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden, ed. K. Ph. Moritz (Berlin, 1793). Das geistige Umfeld dieses Werks geht hinreichend deutlich aus seinem Titel hervor. Von den zahlreichen symbolischen Tieren wird p. 36f. der (negative) Affe, jedoch nicht der Pavian behandelt«. 10 In: Neue Leipziger Literaturzeitung, 1. St., 1. Januar 1806, Sp. 1–16; 2. St., 3. Januar 1806, Sp. 17–30, hier 1. St., Sp. 3. 11 Ebd., Anm. 6.

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nicht verbrannt worden. Herausgegeben von Karl Philipp Moritz. 8. Berlin, 1793. In Karl Matzdorff’s Buchhandlung. (14 Gr.) Die Blätter enthalten eine kleine Sammlung ägyptischer Hyrogliphen, nebst einer kurzen Erklärung derselben mit einigen angeführten sich darauf beziehenden übersetzten Stellen aus griechischen und römischen Schriftstellern, und werden gewiß sowohl von Liebhabern dieser Art Alterthümer, als von Künstlern mit Nutzen und Vergnügen gelesen werden.

2. Allgemeine Literatur-Zeitung, Bd. 4, Nr. 284, 8. Oktober 1793, S. 55f.

B e r l i n , b. Matzdorf: D i e s y m b o l i s c h e We i s h e i t d e r A e g y p t e r a u s d e n v e r b o r g e n s t e n D e n k m ä l e r n d e s A l t e r t h u m s . Ein Theil der ägyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden. Herausgegeben von K . P . M o r i t z . 190 S. 8. (14 gr.)

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Unter diesem blendenden Titel erhalten wir weiter nichts als: 1) Erklärungen der vornehmsten symbolischen Figuren oder Hieroglyphen der Aegypter. Es ist wahre Charlatanerie, daß weder der Herausgeber noch der Vf. in ihren Vorreden die Quellen, aus welchen diese Erklärungen geflossen sind, angezeigt haben, und durch den Zusatz auf dem Titel: a u s d e n v e r b o r g e n s t e n D e n k m ä l e r n d e s A l t e r t h u m s , den Gedanken veranlassen, als ob sie aus bisher ganz unbekannten Monumenten geschöpft wären. Vielleicht sind sie bloß übersetzte Extracte aus C a u s s i n s Werk d e s y m b o l i c a A e g y p t i o r u m s a p i e n t i a , das wir aber gerade jetzt nicht zur Hand haben, um dies mit Gewißheit sagen zu können? 2) Einige Bemerkungen über die ägyptischen Priester. 3) Ueber die heiligen Räder in den Tempeln der Aegypter. 4) Ueber die Zweige und Blätter in den ägyptischen Tempeln. 5) Die Himmelskugel. 6) Ein Gebet der Aegypter nach ihrem Tode, (das im Namen der Verstorbenen gehalten wurde). 7) Die Erinnerung des Todes (bey den Gastmalen der Aeg.). 8) Symbole einiger Götter und Altäre. 9) Der Sphinx oder einige ägyptische Räthsel. 10) Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die ägypt. Mysterien; ein Auszug aus einer Handschrift eines Ungenannten. (Dieser muß ganz besondere Nachrichten von jenen Mysterien besitzen, denn so viel Rec. bekannt ist, steht von den meisten Aufnahmeceremonien, und von den angeblichen 7 Graden, die hier vorkommen, in den alten Autoren, die der ägypt. Myst. gedenken, nicht ein Wort. 11) Erklärung der Hieroglyphen

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des Obelisks vor dem Lateran in Rom, von C. F. K. (Wahrscheinlich aus K i r c h e r s O e d . ä g y p t . ausgezogen.) Den Erklärungen sind hin und wieder aus griechischen und lateinischen Dichtern Stellen mit metrischen Uebersetzungen beygefügt, die oft geschmacklos, übel versificirt und unrichtig sind, z. B.: Porra necat morsu spatiosum vipera taurum, A cane non magno saepe tenetur aper. Die kleine Otter erlegt den w e i t u m s p a n n e n d e n Ochsen, W i e ein g e r i n g e r Hund den borstigen Eber e r t a p p t . oder: Sic fortuna beat cui virtus sola venustas. So sucht das Glück die Schönheit, n i c h t die Tugend. Der H e r a u s g . sagt: daß dies Buch zur Ve r m e h r u n g nützlicher und s c h ö n e r Begriffe seines Zwecks gewiß nicht verfehlen werde; – und der Ve r f a s s e r : daß es keine so ganz unangenehme und unnütze Lectüre allen denen seyn werde, die wenigstens einigen Trieb in sich fühlten, über den menschlichen Geist und über sich selbst nachzudenken; zu sehen, wie jener, von Jahrtausenden her, im Ganzen s i c h i m m e r g l e i c h und doch so mannichfaltig in seinen Modificationen sey. Es sey sogar ein praktisches Werk für Künstler, welche allegorische Gegenstände bearbeiteten. – Freylich, Dichter und Künstler mögen daraus Stoff zu Sinngedichten, Fabeln und allegorischen Vorstellungen hernehmen können; welches wahrscheinlich dasjenige ist, was Hr. M o r i t z nützliche und s c h ö n e B e g r i f f e nennt. Ve r m e h r t möchten inzwischen solche Vorstellungen durch dieses Buch nicht werden, da die darin erklärten Symbole und Allegorien nebst ihren Erklärungen schon längst bekannt und in mehrern Büchern vorhanden sind. Die psychologische Bemerkung, daß sich der menschliche Geist von jeher g l e i c h geblieben und doch so mannichfaltig in seinen Modificationen sey, die sich übrigens bey jedem andern, sogar elenden, Buche, auch machen läßt, ist bloß zufällig und eine Nebensache, die den Werth eines Buchs, es mag nun gut oder schlecht seyn, an sich gar nicht bestimmen kann.

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Herausgegebene Schriften

3. Litterarische Denkwuerdigkeiten oder Nachrichten von neuen Buechern und kleinen Schriften besonders der chursaechsischen Universitaeten, Schulen und Lande, 3. Jg. 1794, Bd. 2, S. 302f.

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B e r l i n . Im vorigen Jahre sind in K. Matzdorfs Buchh. zwey Schriften unter dem Namen und Ansehen des verstorbenen Hofr. M o r i t z verlegt worden, in denen man, so wenig ausgeführt auch die Materien scheinen mögen, doch den Geist der Verff. eben so wenig als den mehrern oder mindern Nutzen verkennen wird, den der Kunstfreund und der Künstler aus den angegebnen Ideen schöpfen kann. Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmählern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden. Herausgegeben von K a r l P h i l i p p M o r i t z . 190. XIV Seiten in 8. (Pr. 14 Gr.) Der Zusatz auf dem Titel sollte wohl nur mehr Aufmerksamkeit erwecken, nach der Mode unserer Zeit. Denn der Verf., der sich J . G . B . unterzeichnet, sagt ausdrücklich: »Worin das Uebrige der ägypt. Maurerey bestehe, erhellet so wenig aus diesen Blättern, als uns das Geheimniß der Mauerery selbst bekannt ist.« Bis S. 136 enthält das Werkchen eine kurze Erklärung der Bedeutung ägypt. Hieroglyphen, mit Einmischung anderer, die nicht ägypt. Ursprungs oder Geistes sind, ohne Angabe der Quellen und der Denkmähler, ohne Unterscheidung der Zeiten, ohne Beweis (ausser etwa ein paar Dichterstellen,) lesbar vorgetragen. Darauf folgen Bemerkungen über die ägyptischen Priester, über einige Symbole in den ägypt. Tempeln u. Symbole einiger Götter und Altäre der Alten; einige ägypt. Räthsel; Erklärung der Hieroglyphen des Obeliskus vor dem Lateran in Rom von C. F. K., und ein Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die ägypt. Mysterien, macht den Beschluß. Er kann viele unkundige Leser täuschen. Moritz empfiehlt die Schrift in einer kurzen Vorrede. ÇDie weiteren Ausführungen betreffen Moritz’ Schrift Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente.È 4. Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 13. Bd., Berlin/Stettin 1794, 2. St., S. 383f. (Dr. = Paul Jakob Bruns)

Die ägyptische Maurerey zu Rom und Cagliostro haben mit diesem Buche nichts zu thun, und dienen ihm nur zum Aushängeschilde. Hr Moritz ver-

Johann Gottfried Bremer, Die symbolische Weisheit

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sichert, den Vf. nicht zu kennen, und glaubt, das Buch als eine wohlgeordnete Nebeneinanderstellung von Erklärungen der vornehmsten Symbole oder Hieroglyphen der Aegypter empfehlen zu können. Der Verfasser hat offenbar den Horapollo zum Grunde gelegt, ihn an vielen Stellen blos verdeutscht, an andern mit eigenen Anmerkungen erweitert. In diese ist S. 19 eine große Unrichtigkeit eingeschlichen, wo behauptet wird, daß der jüdische OÇpÈferaltar das Bild des Löwen enthielt. Der Verf. kann dies aus keiner Schriftstelle erweislich machen, und wenn er daran gedacht hätte, daß der Löwe ein unreines, und von dem jüdischen Tempel ausgeschloßenes Thier sey, so würde er die Unmöglichkeit eingesehen haben, daß das Bild des Löwen bey dem Opferaltar befindlich gewesen sey. Die Beschreibung des Nilpferdes S. 29, daß es einen ungeheuren Pferdekopf, die Gestalt eines Ochsen habe, grösser als ein Kameel sey, und oft 6000 Pfund wäge, ist den Nachrichten der neuern Naturforscher nicht angemessen. Nirgends hat der Vf. die zu seinen Erklärungen erforderlichen Belege angeführt, oder die Denkmäler, wo die Hieroglyphen noch jetzt zu sehen sind, nachgewiesen. Ausser den Hieroglyphen werden noch einige andere Ueberreste ägyptischer Bilder in Vorstellungen, selbst bey andern Völkern erklärt, z. E. das Universum, der Himmel, die Sonne, der Mond u. s. Darauf Bemerkungen über die ägyptischen Priester, Symbole einiger Götter und Altäre, ägyptische Räthsel, mit deren Erklärung, ein Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die ägyptischen Mysterien, und endlich eine Erklärung der Hieroglyphen des Obelisks vor dem Lateran von C. F. K. gegeben. Das Buch verdient die Aufmerksamkeit der Liebhaber der ägyptischen Alter-thumskunde, wenn sie gleich nicht viele neue, noch tief durchdachte Aufschlüsse darin finden sollten. Stellenerläuterungen 301,7 ägyptische Maurerey] Vgl. Überblickskommentar, S. 725f. 301,7–8 zu unschuldig, als daß irgend ein Inquisitionsgericht sie verbrennen dürfte] Nimmt eine Formulierung in Bremers Vorbericht zu seiner Schrift im Kontext einer ironischen Legitimation seines Buchs als Monument einer ägyptischen Maurerei auf: Hat man den Plunder bey der Verhaftnehmung des

J o s e p h B a l s a m o nicht bemerkt – lag er etwa von den übrigen Papieren glücklicherweise in einem Winkel oder sonst auf der untersten Stufe getrennt, oder war er verliehen, oder ist es irgend eine Abschrift von meh-

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Herausgegebene Schriften

reren Abschriften? Alle diese Umstände mögen so oder anders seyn; so ist darum die Schrift im geringsten nicht anders da, als sie da ist; und sie wäre gewiß zu unschuldig, um verbrannt zu werden. Doch was ist zu Rom nicht von jeher alles verbrannt worden? (Bremer, Symbolische Weisheit, S. XII–XIII). Mit dem Inquisitionsgericht ist auf die Verhaftung Cagliostros angespielt, vgl. Überblickskommentar, S. 725f. 301,9 wohlgeordnete] Bremers Abhandlung ist in folgende Abschnitte gegliedert: Erklärung einiger der vornehmsten Symbole oder Hieroglyphen der Aegypter (Gottheit, Ewigkeit, Beispiele aus der belebten und unbelebten Natur);

Einige andere Ueberreste Aegyptischer Bilder und Vorstellungen, selbst bey andern Völkern (Das Universum, Der Himmel, Die Sonne, Der Mond, Der Stern, Das Feuer, Der Blitz u. a.); Einige Bemerkungen über die ägyptischen Priester; Symbole einiger Götter und Altäre der Alten; Der Sphinx, oder einige ägyptische Räthsel; Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die ägyptischen Mysterien; Erklärung der Hieroglyphen des Obelisks vor dem Lateran in Rom von C. F. K. 301,10 Symbole oder Hieroglyphen] Hieroglyphe ist im Sinne des 18. Jhs. ein Zeichen, in dem Körper und Inhalt willkürlich getrennt sind; ähnlich ist auch der Terminus Symbol hier gebraucht (vgl. Sørensen 1963, S. 15–18). Vgl. Moritz’ Erklärung der Hieroglyphe in seinem Aufsatz Ueber die Allegorie: Ein Obelisk

bedeutet – die Hieroglyphen daran bedeuten, etwas nach außen zu, das sie nicht selber sind, und erhalten bloß durch diese Bedeutung ihren Werth – weil sie sonst an sich selber ein müßiges Spielwerk wären (in: MonatsSchrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin, 2, 1789, 3. Bd., 2. St., S. 49–54, hier S. 50; KMA 3). Vgl. KMA 4/1, Erl. zu S. 48,28.

Personenregister Die unzähligen Register über unsre Litteratur machen vielleicht ein stärkeres Volumen aus, als unsre ganze Litteratur selber. (Karl Philipp Moritz: Die Bibliotheken)

Das Register verzeichnet historische Personen und ihre Werke. Recte gedruckte Seitenzahlen verweisen auf den Text-, kursive auf den Kommentarteil. Ist das registrierte Stichwort im edierten Text nicht direkt genannt, so ist der entsprechenden Seitenzahl ein Teil der Textstelle beigegeben, in der das Lemma verborgen ist, z. B. »289 (Verfasser)«. Handelt es sich bei der Textstelle um ein Zitat, das auf ein Werk verweist, wurde dieses Zitat zusammen mit der entsprechenden Seitenzahl unter dem Werk registriert – bis zu einer Länge von drei Wörtern vollständig, ansonsten unter Angabe des ersten und des letzten Wortes, z. B. »15 (Schön Ç. . .È denkt!)«. Verzeichnet wurden nur literarische und philosophische Texte. Andere künstlerische Werke (etwa aus der bildenden Kunst oder Musik) wurden indirekt, durch die Registrierung ihres jeweiligen Urhebers, aufgenommen – auch dann, wenn dieser nicht explizit im Text genannt ist. Nicht deutschsprachige Werke sind in der Regel unter dem jeweiligen Originaltitel registriert, davon ausgenommen sind etwa die herausgegebenen Schriften Moritz’ in diesem Band. Diese führt das Register unter Moritz – gekennzeichnet auch durch entsprechende Querverweise bei den registrierten Originaltiteln – gesondert auf. Periodika sind – bis auf einzelne Ausnahmen (z. B. Wieland, Christoph Martin »Der Teutsche Merkur«) – alphabetisch nach dem Titelanfang verzeichnet. Bibelstellen wurden summarisch unter dem Eintrag »Bibel« angegeben. Abgekürzte Personennamen (z. B. »B. . .«) wurden alphabetisch aufgelistet und ggf. mit Verweisen auf den vollständigen Namen versehen. Kann eine Person nicht eindeutig zugeordnet werden, wurde dies durch ein Fragezeichen markiert. Römische Namen sind alphabetisch unter den Gentilnomina aufgeführt, also: »Marcus Tullius Cicero« unter »Tullius Cicero«; unter den Cognomina (hier »Cicero«) finden sich entsprechende Verweise. Angehörige europäischer Herrscherhäuser der Neuzeit sind unter dem jeweiligen Ländernamen aufgeführt, z. B. »Preußen, Friedrich II. von«.

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Nicht aufgenommen wurden die zahlreichen Nennungen von Verlegern und Herausgebern in bibliographischen Angaben. Im Titel von Werken genannte Personen wurden nicht verzeichnet. Werke, die keinem Autor namentlich zugeordnet werden können, sind alphabetisch nach dem Titelanfang erfasst. Konnten einzelne Texte einem Autor nur vermutlich zugewiesen werden – etwa Karl Philipp Moritz oder Karl Friedrich Klischnig –, wurden diese unter dem angenommenen Verfasser mit einem Zusatz (z. B. »ÇKlischnig?, vgl. S. 581È«) registriert. Ungekennzeichnet veröffentlichte oder überlieferte Beiträge sowie Texte, deren Autor nicht ermittelbar ist, wurden unter dem Eintrag ÇAnonymÈ versammelt und dort ggf. mit zusätzlichen Erläuterungen versehen.

Ackermann, Konrad Ernst 547 Adams, George 277f. Addison, Joseph 217, 362, 598f. – »The Evidences of the Christian Religion« 597–599 Adelung, Johann Christoph 391, 545 Aelius Hadrianus, Publius (Hadrian) 287 Alexander der Große s. Makedonien »Allerneueste Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige Wochenschrift« 451 »Allgemeine deutsche Bibliothek« 93, 349, 360, 368–372, 481, 599, 622–624, 633f., 637, 641f., 675–677, 697, 728 »Allgemeine Literatur-Zeitung« 344, 359, 363, 365f., 393, 622, 635f., 672–675, 687, 690f., 693, 697–701, 731–733 »Allgemeines Repertorium für empirische Psychologie und verwandte Wissenschaften« 722 Anaxagoras 134, 524 Anhalt-Dessau, Leopold Friedrich Franz von 586 Anhalt-Zerbst, Friedrich August von 566 ÇAnonymÈ – »Dankbarkeit und Großmuth im niedrigen Stande« 138–140, 371, 531f. – »Der Vogel im Käficht. Eine Fabel für Kinder« 99f., 488

– »Die Unterordnung der Vergnügungen« ÇFreund von Moritz?, vgl. S. 503È 112–118, 358, 371, 491, 503–505 – »Edle Herablassung eines Fürstensohns« ÇS. . .tz, vgl. S. 528È (s. »Schreiben eines jüdischen Kaufmanns«) 136–138, 358, 371, 528–530 – »Gaudeamus igitur« (Studentenlied) 174, 176, 565, 567 – »Jean Vaumorin und sein Sohn« Çanonym nach Franc¸ois de Rosset, vgl. S. 462È 74–79, 358f., 371, 462–464 – »Krieg der Frösche und Mäuse« (Froschmäusekrieg bzw. Batrachomyomachia) 273 – »Kurze Lebensbeschreibung, des den 10ten December 1785 verstorbenen Herrn Generalmajors von Holzendorf« 47–50, 349f. (Nachruf), 357f., 359 (Beiträge), 365f. (Nachrichten), 370, 431–434, 722 – »Niemand wird leugnen, daß die Gesinnungen und Handlungen des Menschen die Blüthen und Früchte am Baume sind, die durch den gröbern Nahrungsstoff allmälig zubereitet werden« ÇFreund von Moritz, vgl. S. 503È 101–104, 358, 489–491, 503 – ÇRezension zuÈ »Des Herrn Addisons Entwurf von der Wahrheit der christlichen Religion« 599

Register – »Schreiben eines jüdischen Kaufmanns aus Frankfurth an der Oder vom zweyten May dieses Jahres, an seinen Freund zu Königsberg« ÇNaftali Herz Wessely?È (s. »Edle Herablassung eines Fürstensohns«) 528 – »Ueber die neuern Versuche die Bedeutung der alten, besonders ägyptischen, Hieroglyphen zu erforschen« 731 – »Von der Journalensucht in Deutschland« 379 Arbuthnot, John – »The History of John Bull« 273 Aristoteles 534, 585 – »Poetik« 534 Arnold, Theodor 598 Arouet, Franc¸ois-Marie s. Voltaire Äsop 404 Aurelius Severus Antoninus, Marcus (Karakalla) 289f., 684 »Ausbund neuer Romane des Auslands« 700 B. . . (Student) s. Berger, Traugott Benjamin Bahrdt, Carl Friedrich 377f. – »Ueber den Zwek der Erziehung« 377f., 571 Balsamo, Giuseppe (Graf Cagliostro) 728f., 734–736 – »Rite de la Haute Mac¸onnerie Egyptienne« 729 Baranius, Henriette, geb. Husen 156, 548 Basedow, Johann Bernhard 352, 380, 478, 567, 597 Baumgarten, Alexander Gottlieb 421 Beattie, James 234, 235 (Verfasser), 239 (Verfasser), 249 (Verfasser), 264 (Verfasser), 270 (V.), 271 (Verfassers), 272 (Verfassers), 273 (Verfasser), 274 (V.), 606, 638–641, 643 – »An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticsm« 638, 643f.

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– »Dissertations Moral and Critical« 639 – »Elements of moral science« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 234–275, 605f., 638–667 – »The Ministrel, or, The Progress of Genius« Ç1. Bd. 1771 anonymÈ 639 – »Versuch über den Geschmack und die Ursachen seiner Verschiedenheit« Çhrsg. von M. HerzÈ 639 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de 69 – »La folle journe´e ou Le mariage de Figaro« 69f., 71 (Stück), 130, 353, 370, 455–457, 521 Becker, Wilhelm Gottlieb 348 Belisarius, Flavius 290 Bell, John 696 Berger, Daniel 452 Berger, Traugott Benjamin (B. . .) 212, 539, 594 – »Achills zürnender Schatten« 594 – »Der Landtag« 594 – »Die beschleunigte Hochzeit« 594 – »Galora von Venedig« 594 – »Liederchen und Gedichte« 594 – »Lykon und Ayle (Scene aus der alten Welt)« 594 Bergk, Johann Adam – »Warum liest man periodische Schriften, und wie muß man sie lesen?« 348 »Berlinische Monatsschrift« 341, 349, 387f., 398, 431, 452, 454f., 523, 529, 597, 724 »Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen« (»Haude-Spenersche Zeitung«) 341, 440, 537, 671, 696f. »Berlinische privilegirte Staats- und gelehrte Zeitung« s. »Vossische Zeitung« »Berlinischer Musenalmanach für 1791« s. Jördens »Berlinisches Magazin der Wissenschaften und Künste« 341 Bernhard, Isaak 391

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Bernhardi, August Ferdinand 693 Bernhardi, Sophie, geb. Tieck 693 Beutler, Johann Heinrich Christoph 372 Bibel 217, 249f., 275, 377, 402, 404, 434, 478, 490, 497, 541, 558, 562, 566, 579, 603, 674 »Bibliothek der Romane« 93, 349, 481 »Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste« 93, 349, 481 Biester, Johann Erich 341, 349, 523, 529 Bischoffwerder, Johann Rudolph von 729 Bloch, Marcus Elieser – »Medicinische Bemerkungen. Nebst einer Abhandlung vom Pyrmonter-Augenbrunnen« 392 Blower, Elizabeth 629, 632 (V.), 633 (Verfasser), 634 (Verf.) – »Features from life« 629 – »George Bateman« 629 – »Maria« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 233, 341, 627–637, 688 – »The parsonage-house« 629 Bode, Johann Joachim 446, 538 Bodmer, Johann Jakob 585 Boie, Heinrich Christian 348 Boileau-Despre´aux, Nicolas – »Le Lutrin« 273 Borghese, Scipione Caffarelli 290f., 686 Borgstede, August Heinrich von – »Statistisch-Topographische Beschreibung der Kurmark Brandenburg« 537 Boyle, Charles (4th Earl of Orrery) 681 Braunschweig-Wolfenbüttel, August von 344, 363 (Prinzen) Braunschweig-Wolfenbüttel, Friedrich Wilhelm von 363 (Prinzen) Braunschweig-Wolfenbüttel, Juliane Marie von (Königin von Dänemark und Norwegen) 136, 137 (Königin), 529

Braunschweig-Wolfenbüttel, Karl I. von 530 Braunschweig-Wolfenbüttel, Karl Wilhelm Ferdinand von 344 Braunschweig-Wolfenbüttel, Maximilian Julius Leopold von 136, 137 (Herzogs), 138 (Herzog), 350, 371, 528–530 Bremer, Johann Gottfried 301 (Verfasser), 728f., 731, 732 (Vf.), 733 (Verfasser), 734 (Verf.), 735 – »Die letzten Reden eines protestantischen Gottesgelehrten, mit einer Vorrede des Oberkonsistorialrath Teller« 728 – »Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Alterthums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 301, 727–736 – »Versuch einer Apologie des Epikurs, von einem Anti-Batteusianer« 728 Brockes, Barthold Hinrich 422 – »Betrachtungen über die drey Reiche der Natur« 422 Brouwer, Adriaen 458 Brühl, Alois Friedrich von 130f., 132 (Verfasser), 353, 521 – »Der Bürgermeister« 129–132, 353, 519–522 – »Theatralische Belustigungen« 519, 521 Brühl, Karl von 521 Bruns, Paul Jakob 734f. Brutus s. Iunius Brutus Bugenhagen, Johannes 549 Bürde, Samuel Gottlieb 558 Büring, Johann Gottfried 537 Büsching, Anton Friedrich – »Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Schriften« 359, 367f., 621, 632

Register Butler, Joseph 275 Butler, Samuel – »Hudibras« 273 Caligula s. Iulius Caesar Germanicus Campe, Joachim Heinrich 344–346, 481, 489, 547, 619, 624 – »Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher« 117, 352, 377, 381, 405, 409, 489, 505 – »Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend« 619, 626 – »Von der nöthigen Sorge für die Erhaltung des Gleichgewichts unter den menschlichen Kräften. Besondere Warnung vor dem Modefehler die Empfindsamkeit zu überspannen« 117 (Sorge Ç. . .È überzugehen.), 409, 489 (Fortsetzung), 505 – »Ueber die früheste Bildung junger Kinderseelen im ersten und zweiten Jahre der Kindheit« 489f., 505 Caracalla s. Aurelius Severus Antoninus Caracci, Agostino 283f., 683 Caracci, Annibale 283f., 683 Caracci, Lodovico 283f., 683 Caesar s. Iulius Caesar Caussin, Nicolas – »De symbolica Aegyptiorum Sapientia« 731f. Cervantes Saavedras, Miguel de – »El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha« 185, 571 Cestius Epulo, Caius 292 Chesterfield s. Stanhope Chladenius, Johann Martin – »Allgemeine Geschichtswissenschaft« 376 Chodowiecki, Daniel Nikolaus 357, 422, 461, 469

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Cicero s. Tullius Cicero Claudius, Matthias 547 Claudius Caesar Augustus Germanicus, Nero (Nero) 292, 683 Claudius Marcellus, Marcus (Marcellus) 684 Collins, Anthony 275 Colman, George d. Ä. 353, 546 – »The English Merchant« 155, 353, 546f. Conegliano, Emmanuele (Lorenzo Da Ponte) – »Le nozze di Figaro« 455 Da Ponte, Lorenzo s. Conegliano Dänemark, Frederik V. von 529 »Denkwürdigkeiten aus der philosophischen Welt« 375 »Denkwürdigkeiten Breisgaus, eine Monatsschrift« 375 »Denkwürdigkeiten der Welt« 375 »Der Naturforscher, eine physikalische Wochenschrift auf die Jahre 1747 und 1748« 421f. »Der Sammler« s. »Hame’assef« Descartes, Rene´ 392, 438, 487, 570, 712 »Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften« 481 »Deutsche Monatsschrift« 399f., 544, 703 »Deutsches Museum« 348f., 378, 445, 451, 500, 545, 561 Diderot, Denis 458, 593 – »Das Theater des Herrn Diderot« (s. Lessing) 593 Dieskau, Karl Wilhelm von 48, 433 Diez, Heinrich Friedrich 561 Döbbelin, Carl Gottlieb 453–455, 458, 519, 521, 533, 548, 592f. Dohm, Christian Wilhelm von 348, 391, 724 – »Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden« 391, 724 Dreyer, Hans Andreas 548 Dryden, John 362

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Eberhard, Johann August 103, 351, 503 – »Allgemeine Theorie des Denkens und Empfindens« 103, 351, 490f., 503f. Ebert, Johann Jakob 536 Engel, Johann Jakob 68, 351f., 393, 470 – »Der dankbare Sohn« 68, 352, 370, 454 – »Der Edelknabe« 68, 352, 370, 454 »Ephemeriden der Menschheit oder Bibliothek der Sittenlehre und der Politik« 348f. Epikur 248, 295, 694 F. . . (Student) 174f., 203–206, 212–215, 382, 415, 539, 566, 586, 594 Farquhar, George – »The Constant Couple or A Trip to the Jubilee« 533 Feder, Johann Georg Heinrich – »Leben, Natur und Grundsätze. Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus aufzunehmen geneigt sind« 416 Fe´nelon, Franc¸ois 501 Fielding, Henry 546, 606, 629, 671 – »The history of Tom Jones, a Foundling« 671 Flaminius s. Quinctius Flamininus (?) Flavius Vespasianus, Titus (Titus) 684 Fleck, Johann Friedrich Ferdinand 155, 547f. Forster, Georg 348, 672–675 Frankreich, Heinrich II. von 75, 463 Frankreich, Ludwig XIV. von 678 Frankreich, Margarete von 75, 77 (Herzogin), 462f. Frankreich und Navarra, Heinrich IV. von 462 Frankreich und Navarra, Ludwig XIII. von 462 Friedrich der Große s. Preußen Friedrich der Weise s. Sachsen Frisch, Johann Christoph 38, 68, 414, 452

Gallienus s. Licinius Egnatius Gallienus Gans, David (ben Salomon) 711 Garrick, David 548 Garve, Christian 469 Gedike, Friedrich 341, 349, 400, 500, 523, 529 – »Des Stoiker Kleanths Hymne, nebst Kommentar und zufälligem Räsonnement über stoische Theologie« 500 – »Gesammlete Schulschriften« 509 – »Ueber Berlin. Von einem Fremden« 431 – »Vier Dialogen des Platon. Menon, Kriton und beide Alkibiades. Uebersetzt von Friedrich Gedike« ÇÜbers.È 400 »Geist der neuesten ausländischen Romane« 697, 700 (?) »Geist der Romane im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts« 700 (?) Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 544, 669 Godwin, William 689 Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von 684 Goens, Rijklof Michael van 544 – »Auszug aus einem BriefeÇ,È Haag den 15. December 1785« 358, 544 – »Ersatz für das Schrecklichste« 153f., 356, 358, 371, 543–545 Goethe, Johann Wolfgang von 66, 273, 282, 451, 453, 535, 544, 564, 566, 666, 698, 708 – »Die Leiden des jungen Werthers« 153, 353, 544, 566, 690 – »Goethe’s Schriften« (Bd. 8) 273, 666 – »Italiänische Reise« 564 – »Prometheus« 353, 402, 579 – »Zum Schäkespears Tag« 454 Goldsmith, Oliver – »The Vicar of Wakefield« 59 (Man Ç. . .È long), 146 (The Ç. . .È go.), 353, 446, 538 Gontard, Carl Philipp von 536f. »Gothaische gelehrte Zeitungen« 359, 366f., 627, 630f., 677–679, 692

Register »Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen« 372f., 621, 721 »Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur« 348 Gottsched, Johann Christoph 350, 459, 520 – »Die Deutsche Schaubühne, nach den Regeln und Exempeln der Alten ans Licht gestellet« 519f. – »Erste Gründe der gesammten Weltweisheit« 387, 390, 503, 603f. Gracia´n, Balthasar 625 – »Ora´culo manual y arte de prudencia« 619, 625f. Graham, George 680 Großmann, Gustav Friedrich Wilhelm 71, 132, 352f., 370, 522 – »Nicht mehr als sechs Schüsseln« 71–73 (Familiengemählden), 132, 353, 458, 522 Gunning, Susannah, geb. Minifie 699 – »Anecdotes of the Delborough Family« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 298, 606, 697, 699 – »The History of Lady Frances S. und Lady Caroline S.« Çzus. mit M. MinifieÈ 699 – »The Picture« Çzus. mit M. MinifieÈ 699 Gutenberg, Johannes 398 GutsMuths, Johann Christoph Friedrich 372 Hadrian s. Aelius Hadrianus Hagedorn, Friedrich von 25, 352, 398 – »Horaz« 398 Haller, Albrecht von 125, 518, 568 – »Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Unglauben« 568 – »Unvollkommenes Gedicht über die Ewigkeit« 125, 518 »Hamburger Musenalmanach« s. Voss, Johann Heinrich »Hamburgische Addreß-Comtoir Nachrichten« 547

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»Hame’assef« (dt.: »Der Sammler«) 528 »Hanauisches Magazin« 379 Hannibal 683 Hasdrubal 284f., 683 »Haude-Spenersche Zeitung« s. »Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen« Hausen, Carl Renatus – »Biographie Herzogs Maximilian Julius Leopold von Braunschweig und Lüneburg« 529 Helve´tius, Claude Adrien 350, 382, 717 Henning, G. E. S. (Georg Ernst Sigismund) 524 Hentze, Benjamin 151 (Wirth), 541 Herbst, Wilhelm – »Johann Heinrich Voss« 547 Herder, Johann Gottfried 66, 351, 354, 381, 386, 390, 415, 434, 439, 451, 453, 514, 535, 558, 722 – »Abhandlung über den Ursprung der Sprache« 351, 514 – »Älteste Urkunde des Menschengeschlechts« 351, 381 – »Briefe zu Beförderung der Humanität« 386 – »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« 351, 434, 439 Hermes, Johann Timotheus 210 (V.), 593 – »Sophiens Reise von Memel nach Sachsen« 155, 210, 353, 546, 593 Herschel, Friedrich Wilhelm 672 Herz, Henriette 707f. Herz, Marcus 391, 639, 707f. Heymann, Mendel (Menachem) 20 (Vater), 21 (Eltern), 390 Heyne, Therese 602 Hippel, Theodor Gottlieb von – »Ueber die bürgerliche Verbesserung der Weiber« 585

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Register

Hippokrates von Kos 490 »Historische politisch-geographisch-statistisch- und militärische Beyträge die Königlich-Preußische und benachbarten Staaten betreffend« 341 »Historisches Portefeuille. Zur Kenntnis der gegenwärtigen und vergangenen Zeit« 340 Hobbes, Thomas 275, 457 – »Elementorum philosophiae Ç. . .È« (Übers.: »Grundzüge der Philosophie«) 457 Holbach, Paul-Henri Thiry d’ 350 Holberg, Ludvig 129f., 519f. – »Den ellefte Junii« 130 (Stücke), 353, 520 – »Den politiske Kandestøber« 129–132, 353, 519–522 – »Nicolai Klimii iter subterraneum novam telluris theoriam ac historiam quintae monarchiae adhuc nobis incognitae exhibens e bibliotheca B. Abelini« 130, 353, 520 – »Peder Paars« (unter dem Pseudonym: Hans Mickelsen) 130, 353, 520 Holcroft, Thomas 294 (Verfasser), 295 (Dichter), 687, 689f., 691 (Herr H.), 692 – »Anna St. Ives« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 294–296, 606, 609, 687–694 Hölty, Ludwig Christoph Heinrich 380, 562 – »Adelstan und Röschen« 562 Holtzendorf, Georg Ernst von 46f., 349, 359, 365f., 370, 429–433, 722 Homer 273, 361 – »Ilias« 361 – »Odyssee« 361, 671 Horapollo 735 Horatius Flaccus, Quintus (Horaz) 25, 27, 114, 151, 357, 361f., 396–398, 504, 509, 535f., 542 – »Ad Q. Dellium« (Ode) 542 (auf Ç. . .È Au)

– »Ars Poetica« 454, 670f. – »Epistulae« 27, 93, 400 Horaz s. Horatius Flaccus Hume, David 275, 638, 643, 719 Hutcheson, Francis 351, 382 Hymmen, Johann Wilhelm Bernhard 728 – »Crata Repoa. Oder Einweihungen in der alten geheimen Gesellschaft der Egyptischen Priester« Çzus. mit C. F. KöppenÈ 728 Iffland, August Wilhelm 71, 353, 370, 521 – »Die Jäger« 71–73, 353, 458 – »Verbrechen aus Ehrsucht« 71–73, 353, 458 »Intelligenz-Blatt des Journals des Luxus und der Moden« 696f. Iselin, Isaac 348 Iulius Caesar, Gaius (Caesar) 284, 561, 683 Iulius Caesar Germanicus, Gaius (Caligula) 110 (Tyrannen), 501 Iulius, Canus 110 (Römer), 501 Iunius Brutus, Marcus (Brutus) 166, 561 Jacobi, Friedrich Heinrich 351, 389, 393, 414, 440f., 544 Jördens, Karl Heinrich – »Berlinischer Musenalmanach für 1791« ÇHrsg.È 493, 495, 497 »Journal von und für Deutschland« 430 Justi, Johann Heinrich Gottlob von – »Die Chimären des Gleichgewichts von Europa« 461 K. . . (Student) s. Klein (?) 67, 146 (Verfassers), 173–175, 177f., 181–185, 203f., 382, 452, 539f., 579, 586 Kalckreuth, Heinrich Wilhelm Adolf von 725 Kant, Immanuel 349, 386, 388, 393, 469, 605, 703, 707f., 720, 723, 725

Register – »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« 349 – »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« 388 – »Kritik der reinen Vernunft« 469, 719f. Karakalla s. Aurelius Severus Antoninus Katharina die Große s. Russland Kempen, Thomas von 447 Kindleben, Christian Wilhelm 566 – »Studentenlieder. Aus den hinterlassenen Papieren eines unglücklichen Philosophen Florido genannt« 566 Kircher, Athanasius – »Oedipus Aegyptiacus; hoc est universalis hieroglyphicae veterum doctrinae temporum iniuria abolitae instauratio« 731, 733 Klein, Ernst Ferdinand s. K. . . (?) 452 »Kleine Kinderbibliothek« 93, 349, 481 Kleuker, Johann Friedrich 400 Klischnig, Karl Friedrich 294f. (Uebersetzer), 296 (Uebers.), 305, 341, 344, 357–359, 399, 401, 410, 417, 452, 495, 508, 535f., 542, 558, 574, 586, 588, 594, 596, 598, 602, 606, 616, 628, 640, 669, 688, 693, 698f., 703, 705, 728 – »Adams erstes Erwachen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese, neu übersetzt.)« ÇKlischnig?, vgl. S. 555È 163–165, 358, 555–559 – »Am 24sten Januar« ÇKlischnig?, vgl. S. 426È 45f., 349 (Beiträge), 358, 426–428 – »An die künftigen Zeiten« ÇKlischnig?, vgl. S. 401È 27f., 350, 358, 401f. – »Blumen und Blüthen« 358f., 401, 426f., 485, 555, 558, 574, 581, 585, 589, 591, 596 – »Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu übersetzt.)« ÇKlischnig?, vgl. S. 581È 199–203, 581–585, 591 – »Der Uebergang vom Guten zum Bösen. (Aus Miltons verlohrnem Paradiese neu

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übersetzt.) (Fortsetzung.)« ÇKlischnig?, vgl. S. 589È 208–210, 589–591 – »Erinnerungen aus den zehn letzten Lebensjahren meines Freundes Anton Reiser. Als ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Herrn Hofrat Moritz« 340, 346, 357–359, 361f., 374, 376, 389f., 399, 405, 410f., 417, 422, 434, 447, 454, 477f., 484, 493, 495, 508, 535f., 539, 542, 549f., 553, 566f., 572, 575, 586, 588, 594, 597–600, 602f., 616, 628, 640, 669, 688, 698f., 703, 705, 728 – »Morgenphantasie« ÇKlischnig?, vgl. S. 485È 97f., 358, 485 – »Nach Hanns Sachs« ÇKlischnig?, vgl. S. 574È 188f., 358, 574f., 580 – »ÇSo sinke denn unterÈ« ÇKlischnig?, vgl. S. 596È 215f., 358, 596 Klopstock, Friedrich Gottlieb 352, 427, 547, 568, 684 – »An den Kaiser« 287 (Ode), 684 – »Der Zürchersee« 15 (Schön Ç. . .È denkt!), 386 Klotz, Christian Adolf 438, 481 Knobelsdorff, Georg Wenzeslaus von 537 »Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen« s. »Vossische Zeitung« Konstantin s. Valerius Constantinus Kopernikus, Nikolaus 427, 568 Köppen, Carl Friedrich 728f. – »Crata Repoa. Oder Einweihungen in der alten geheimen Gesellschaft der Egyptischen Priester« Çzus. mit J. W. B. HymmenÈ 728 – »Erklärung der Hieroglyphen des Obelisks vor dem Lateran in Rom« 729, 732–736 – »Erklärung einer Egyptischen Spitz-Säule, welche vor dem Lateran in Rom zu finden ist« 729

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Register

Krösus von Lydien 448 Krüger, Christian Gotthelf 529 Kuh, Ephraim Moses 719 La Chausse´e, Pierre Claude Nivelle de 458 La Mettrie, Julien Offray de 350 – »L’homme machine« 513 Langer, Ernst Theodor 675–677 Lavater, Johann Caspar 393, 415 – »Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin. Nebst einer Nacherinnerung von Moses Mendelssohn« 393 Leclerc de Buffon, George Louis 421 Leibniz, Gottfried Wilhelm 22, 350, 354, 376, 386, 392, 404, 415, 424, 439, 503, 719 – »Essais de The´odice´e. Sur la bonte´ de dieu, la liberte´ de l’homme et l’origine du mal« 392 (Satz vom zureichenden Grunde), 404 (Satz vom zureichenden Grunde), 415, 427f., 603 Leisewitz, Johann Anton 68, 352, 480 – »Julius von Tarent« 68, 352, 370, 454 Lessing, Gotthold Ephraim 27, 68, 72, 137, 210, 346, 350–352, 382, 389, 393, 399, 422, 433, 441, 453, 456, 521f., 530, 534, 546, 708 – »Abhandlungen von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele« 456 – »Briefe, die Neueste Litteratur betreffend« 459 (17. Literaturbrief), 585 (17. Literaturbrief) – »Das Theater des Herrn Diderot« ÇÜbers.È 456 – »Der Schatz« 210, 592 – »Die drey Reiche der Natur« 422 – »Eine Duplik« 353, 446, 506f., 510 – »Emilia Galotti« 68, 72, 352, 370, 453, 459 – ÇFaust-FragmentÈ 585 – »Hamburgische Dramaturgie« 346, 352, 453, 459, 519, 534, 546

– »Kleinigkeiten« 422 – »Laokoon« 438 – »Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück« 68, 206, 352, 370, 453, 587 – »Nathan der Weise« 27, 72, 93, 352, 459, 708 – »Wie die Alten den Tod gebildet« 438 Levin, Jakob 136f. (Sohn), 528 Levin, Samuel 136 (Juden), 137 (Vater), 138 (Alte), 528 Lichtenberg, Georg Christoph 348 Licinius Egnatius Gallienus, Publius (Gallienus) 280f., 682 Lillo, George 458 Linne´, Carl von – »Systema naturae, sive Regna tria naturae systematice proposita per classes, ordines, genera et species« 421, 473 »Litterarische Denkwürdigkeiten; oder Nachrichten von neuen Büchern und kleinen Schriften der Chursächsischen Universitäten, Schulen und Lande« (Beilage zu den »Neuen Leipziger gelehrten Anzeigen«) 677, 734 Livius, Titus – »Ab urbe condita« 404 Lobenstein, Johann Simon 411 Locke, John – »An essay concerning human understanding« 406 Lüdke, Friedrich Germanus 728 Luther, Martin 156, 447, 549f., 553 »Lyrische Anthologie« s. Matthisson Macpherson, James – »The Poems of Ossian« 361f., 718 Maimon, Salomon (Salomon ben Josua) 299, 427, 605f., 702–705, 707, 708 (Gelehrten), 709 (Verfasser), 710–714, 715 (Verf.), 716 (Verf.), 717–721, 722 (Hr. M.), 723–725

Register – »Fragmente aus Ben Josua’s Lebensgeschichte. Herausgegeben von K. P. Moritz« 704f., 722 – »Salomon Maimon’s Geschichte seiner philosophischen Autorschaft, in Dialogen. Aus seinen hinterlassenen Papieren« 723, 725 – »Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, von ihm selbst geschrieben, und herausgegeben von K. P. Moritz« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 299f., 702–726 – »Ueber den Plan des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde. Auszug aus einem Briefe an den Herausgeber« 703 Maimonides, Moses (Moses ben Maimon) 702, 715f., 722f. – »More nevuchim« (»More Newochim«) 716 Makedonien, Alexander III. von (Alexander der Große) 289 Manasse ben Israel (Manasseh Ben Israel), Samuel 391 – »Rettung der Juden« 391 Manger, Heinrich Ludwig 537 Mangold, Friedrich Wilhelm (?) 536 Marcellus s. Claudius Marcellus Matthieu, Carl 361 Matthisson, Friedrich – »Lyrische Anthologie« ÇHrsg.È 495 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 116, 504 – »Essai de philosophie morale« 116, 504 Matzdorff, Karl 727f., 734 Mecklenburg-Strelitz, Sophie Charlotte von 606f. Mehring, Daniel Gottlieb Gebhard – »Neuestes gelehrtes Berlin; oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berlinischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen« Çzus. mit V. H. SchmidtÈ 688

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Meier, Georg Friedrich 421 Mendelssohn, Moses 20, 27, 38, 39 (M. . .), 65, 68, 84–86, 92, 350, 352, 359, 365–367, 369, 373, 375f., 378, 382, 388–393, 399, 413–416, 429, 440f., 451f., 470, 473, 480f., 484, 514, 534, 544, 605, 639, 704, 707f., 714, 717f., 722, 724 – »Die Psalmen« ÇÜbers.È 23, 350, 392 – »Gedanken von der Wahrscheinlichkeit« 415 – »Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum« 23, 350, 392 – »Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes« 23, 350f., 392f., 470 – »Moses Mendelssohn an die Freunde Lessings. Ein Anhang zu Herrn Jacobi Briefwechsel über die Lehre des Spinoza« 92, 393, 480 – »Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drey Gesprächen« 27, 39, 93, 350, 399, 471, 712 – »Philosophische Schriften« 471 – »Schreiben an den Herrn Diaconus Lavater zu Zürich« 393 – »Ueber die Frage: was heißt aufklären« 724 »Militärische Monatsschrift« 339 Milton, John 40, 192, 361f., 415f., 558 – »Paradise lost« 163–165, 192–194, 199–203, 208–210, 353, 415f., 555–559, 578f., 581–585, 589–591 Minifie, Margaret 699 – »The History of Lady Frances S. und Lady Caroline S.« Çzus. mit S. GunningÈ 699 – »The Picture« Çzus. mit S. GunningÈ 699 »Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin« 381, 398, 736 Montaigne, Michel de 502 – »Essais« 480f., 502

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Moritz, Karl Philipp – »Allgemeiner deutscher Briefsteller« 525–527, 539, 566, 616 – »Almansor« 11–13, 355, 364, 380–382 – »Am Grabe des Hrn. Generalmajors v. Holtzendorff« 429 – »An ***« 170–172, 563f. – »An das Schicksal« 427 (Gedicht), 428 – »Andreas Hartknopf. Eine Allegorie. Non fumum ex fulgore / Sed ex fumo dare lucem« 341, 380, 398, 400, 410, 414f., 422, 424, 447, 454, 457, 628 – »Anhang zu den Briefen vom Unterschiede des Akkusativ’s und Dativ’s« 720 – »Ankündigung der Übersetzung Çvon Elizabeth Blower, MariaÈ« Çzus. mit J. F. UngerÈ 630, 636 – »Ankündigung eines Magazins der Erfahrungsseelenkunde« 451 – ÇAnkündigung von Mary Robinson,È »Vancenza oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit« s. »Kabinet der neuesten englischen Romane« – »Anleitung zum Briefschreiben« 526, 619 – »Anton Reiser. Ein psychologischer Roman« 347, 368, 380, 382, 388, 390, 398, 404, 417, 421, 454, 457f., 478, 496, 501, 515, 533, 539, 541f., 544, 562, 575, 586, 599, 602, 620, 628, 676, 704f., 722 – »ANUOYSA oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer« 497, 541, 664, 730 – »Anweisung zur Englischen Accentuation nebst vermischten Aufsätzen die Englische Sprache betreffend« 607, 628 – ÇAnzeige zum Kabinet der neuesten englischen RomaneÈ 697 – »Auch eine Hypothese über die Schöpfungsgeschichte Mosis« 398, 514, 597 – »Auf Lessings Tod« 434

– »Aus dem Tagebuche eines Selbstbeobachters« 108f., 496 – »Aus einem Reisejournal« 144–146, 357, 535–538 – »Aus einem Reisejournal. (Fortsetzung.)« 150–152, 156–159, 535, 541f., 549–552 – »Aus einem ungedruckten Singspiele« ÇMoritz?, vgl. S. 562È 168–170, 417, 562 – »Aus K. . .s Papieren« 146–149, 356, 371, 382, 539f., 558, 578 – »Aus K. . .s Papieren. (Beschluß.)« 172–179, 371, 382, 539, 553, 565–567 – »Aus K. . .s Papieren. (Fortsetzung.)« 159–162, 371, 539, 553f. – »Aus Miltons verlohrnem Paradiese« 558 – »Aussichten zu einer Experimentalseelenlehre« 500 – »Beiträge zur Philosophie des Lebens aus dem Tagebuche eines Freimäurers« 421, 496 – »Blunt oder der Gast« 417 – »Das Buch«/»Die Bücherwelt« 24–27, 350, 355, 357, 379, 394–400 – »Das Eisen. Ein Ideenspiel« 41–43, 353, 355–357, 364, 419–422 – »Das Gerüste. Eine Fabel für Kinder« 118, 506f. – »Das Kriegsheer« 73f., 355, 357, 460f., 469 – »Das menschliche Elend« 56–61, 354, 366, 442–447 – »Das Skelet« 50–54, 357, 435–439, 544 – »Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen« 10 (Erstes Stück), 20 (Zweites Stück), 28 (Drittes Stück), 37 (Viertes Stück), 46 (Fünftes Stück), 56 (Sechstes Stück), 65 (Siebentes Stück), 74 (Achtes Stück), 83 (Neuntes Stück), 92 (Zehntes Stück), 101 (Eilftes Stück), 109 (Zwölftes Stück), 119 (Dreizehntes Stück), 129 (Vierzehntes

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– – – –



– –

Stück), 138 (Funfzehntes Stück), 146 (Sechszehntes Stück), 155 (Siebzehntes Stück), 163 (Achtzehntes Stück), 172 (Neunzehntes Stück), 181 (Zwanzigstes Stück), 190 (Einundzwanzigstes Stück), 199 (Zweiundzwanzigstes Stück), 208 (Dreiundzwanzigstes Stück), 216 (Vierundzwanzigstes Stück), 305, 340–374, 375–380, 383, 388–390, 394, 399, 401, 402 (Drittes Stück), 403, 407, 412–414, 417, 419, 423, 426, 428 (Fünftes Stück), 429, 431, 435, 440–442, 446 (Zeitschrift), 448–451, 453, 455, 460–462, 465, 469f., 472f., 475, 477, 479f., 483, 485–487, 488 (Eilftes Stück), 489, 491 (Zeitschrift), 492f., 496–498, 502f., 506, 507 (Dreizehntes Stück), 508f., 511, 513, 516, 518f., 523, 525, 528f., 530 (Funfzehntes Stück), 531, 533, 535, 538 (Sechszehntes Stück), 539–541, 543f., 545 (Siebzehntes Stück), 546, 549, 553, 554 (Achtzehntes Stück), 555, 560, 562–565, 568f., 570 (Zwanzigstes Stück), 571, 573–576, 577 (Einundzwanzigstes Stück), 578, 580 (Zweiundzwanzigstes Stück), 581, 586, 588f., 591f., 594, 596f., 600, 628f., 722 »Der Dichter im Tempel der Natur« 399f. »Der tragische Dichter« 105f., 492 »Des Maurergesellen Wanderschaft« 392, 447 »Dessau und Barby oder über praktischen Naturalismus und praktisches Christenthum. Fragment eines Aufsatzes vom Jahre 1783« 216–219, 356, 597–599 »Deutsche Sprachlehre für die Damen« 306, 376f., 447, 514, 640, 644, 646, 648, 650, 652f., 655f., 659, 661 »Die Abenddämmerung. An ***« 186–188, 573 »Die bewegenden Kräfte im All der Natur. Fragment eines Gedichts« 180, 568

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– »Die Bibliotheken« 92–94, 355, 480–482 – »Die Dankbarkeit gegen Gott erhöhet unsere Freuden auf Erden« 602 – »Die Feier der Geburt des Lichts« 381 – »Die große Loge oder der Freimaurer mit Wage und Senkblei« 359, 376, 381, 383, 392, 403, 407, 419, 421, 423f., 442, 445, 447, 449, 472f., 475f., 498, 500, 513, 550, 558, 605 – »Die lezte Freistadt des Weisen« 110–112, 371, 498–502 – »Die lezte Klage des müden Wandrers« 90–92, 477–479 – »Die Macht des Unglücks« 44, 354, 364, 423–425, 446 – »DiemetaphysischeSchönheitslinie« 550 – »Die Pädagogen« 33–36, 355, 357, 364, 371, 407–411 – »Die Schöpfung der Götterwelt« 36f., 357, 364, 366, 412f. – »Die Schöpfungsfeier bei einem Spatziergange des Morgens« 381 – »Die Schwärmerei« 54–56, 440f. – »Die Stimme drinnen und der Fremdling draussen. Aus dem Altenglischen« 106f., 493–495 – »Ein Blick auf das alltägliche Leben. An ***« 119–121, 509f. – »Eine Vergleichung zwischen der physikalischen und moralischen Welt« 86f., 350, 366, 472–474 – »Einheit – Mehrheit – menschliche Kraft –« 80–83, 355, 357, 465–469 – »Englische Sprachlehre für die Deutschen« 607, 628 – »F. . .s Geschichte« 203–206, 356, 371, 539, 553, 565, 571, 578, 586f., 594 – »F. . .s Geschichte. (Fortsetzung.)« 212–215, 371, 415 (Kritik), 539, 553, 565, 571, 578, 586, 594f.

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– »Fortgesetzte Beobachtungen über einen Taub- und Stummgebohrnen« 514f. – »Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins« (s. »Revision der drei ersten Bände dieses Magazins«) 511 – »Fragment einer Predigt. Ueber die Leiden des Lebens« 219–223, 354, 356, 371, 600–604 – »Fragmente aus Anton Reisers Lebensgeschichte« 704, 722 – »Fragmente aus Ben Josua’s Lebensgeschichte. Herausgegeben von K. P. Moritz« 704f. – »Fragmente aus dem Tagebuche eines Geistersehers« 380, 515–517, 558, 599 – »Frühlingsgedanken« 109f., 497 – »Gegenwart und Vergangenheit« s. »Sonderbare Zweifel und Trostgründe eines hypochondrischen Metaphysikers« – »Gemählde von Sanssouci« 537 – »Gesichtspunkt« 376 – »GNVUI SAYTON oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte« 305, 344–346 (Journale), 356, 358, 363, 376, 378, 382, 399, 404, 410, 418, 424, 496, 511, 513f., 516f., 523f., 541, 543f., 554, 560f., 569f., 576f., 586, 599, 605, 620, 628, 655f., 660, 703–706, 708, 721f. – »Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten« 402, 413 – »Grundlinien zu einem ohngefähren Entwurf in Rücksicht auf die Seelenkrankheitskunde« 410, 417f., 577, 586 – »Grundlinien zu meinen Vorlesungen über den Styl« 405 – »Hat die Seele ein Vorhersehungsvermögen?« 523 – »Häußliche Glückseeligkeit – Genuß der schönen Natur« 94–96, 357, 371, 483f.

– »Holzendorf« 46f., 349, 359 (Beiträge), 365f. (Nachrichten), 429f. – »Ideal einer vollkommnen Zeitung« 305, 341, 346f., 374 (Zeitung), 377, 379 – »In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können?« 381 – »Italien und DeutschlandÇ.È In Rücksicht auf Sitten, Gebräuche, Litteratur und Kunst« ÇMithrsg.È 681 – »ÇKannst du dem StengelÈ« 207, 588 – »Launen und Phantasien« 359, 376, 383, 403, 407, 419, 421, 423f., 435, 438, 442, 445, 449, 465, 472f., 475f., 486f., 498, 500, 513, 558, 561, 569 – »Lesebuch für Kinder« 394, 421, 472f., 475f., 488, 506 – »Milton über den Ursprung des Bösen« 558 – »Milton über Weisheit und Schönheit« 558 – »Milton über Weißheit und Schönheit« 558 – »Monolog aus einem ungedruckten Trauerspiele: das Lotto« 40f., 356, 364, 417f., 448 – »Noch eine Scene aus einem ungedrukten Trauerspiele: das Lotto« 61–64, 356, 417, 448 – »Noch etwas aus K. . .s Papieren« 190–199, 371, 539, 553, 565, 571, 578–580, 585 – »Noch etwas über das Schillersche Trauerspiel: Kabale und Liebe« 521, 535 (Verriß) – »Phantasie« 64f., 449f. – »Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782« 405, 492, 518, 537, 547, 602, 608, 628 – »Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788« 390, 458, 518, 606, 670, 681–686

Register – »Revision der drei ersten Bände dieses Magazins« (s. »Fortsetzung der Revision der drei ersten Bände dieses Magazins«) 404, 513f., 561 – ÇRezension zuÈ »Die Verschwörung des Fiesko. Ein republikanisches Trauerspiel in fünf Aufzügen von F. Schiller. Für die Bühne bearbeitet von C. M. Plümicke« 521 – ÇRezension zu Heinrich Philipp Sextro,È »Ueber praktische Vorbereitungsanstalten zum Predigtamt« 603 – »Schlafen und Wachen« 88, 475f. – »Selbstgefühl« 180f., 569f. – »Sonderbare Zweifel und Trostgründe eines hypochondrischen Metaphysikers« 516 – »Sprache in psychologischer Rücksicht« 424, 569, 655f., 660 – »Tabelle von der englischen Aussprache« 607 – »Tabelle von der Englischen Ethymologie« 607 – »Theater. Das Testament, ein Lustspiel in fünf Aufzügen von Schröder« 210–212, 592f. – »Theater. Der politische Kannengießer – Der Bürgermeister« 129–132, 349 (Besprechung), 519–522 – »Theater. Der Ring ein Lustspiel, von Schröder« 141–143, 533f. – »Theater. Puf van Vlieten« 155f., 546–548 – »Ueber den Begriff des in sich selbst Vollendeten« s. »Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten« – »Ueber den Endzweck des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde« 399, 523 – »Ueber deutsche Titulaturen« 134–136, 349 (Überlegungen), 370, 525–527

751

– »Ueber die Allegorie« 736 – »Ueber die bildende Nachahmung des Schönen« 356, 375f., 385–387, 421, 424, 578, 676 (Abhandlung) – »Ueber ein Gemählde von Göthe« 544 – »Ueber eine Schrift des Herrn Schulrath Campe, und über die Rechte des Schriftstellers und Buchhändlers« 344 (Polemik), 345 – »Ueber Moses Mendelssohn« 20–24, 351 (Nachruf), 359 (Beiträge), 364, 365 (Nachrichten), 366, 369 (Abhandlung), 389–393, 413 (Aufsatze), 722 – »Ueber Moses Mendelssohn. (Fortsetzung.)« 37–40, 65–68, 83–86, 351 (Nachruf), 359 (Beiträge), 364, 365 (Nachrichten), 366 (Aufsätze), 369 (Abhandlung), 389, 413 (Fortsetzung), 414–416, 451f., 470f., 722 – »Ueber Selbsttäuschung. Eine Parenthese zu dem Tagebuche eines Selbstbeobachters« 496, 554 – »Uebersicht der neuesten dramatischen Litteratur in Deutschland« 68–73, 356, 370, 453–459 – »Unmuth und Fassung« 119, 508 – »Unterhaltungen mit meinen Schülern« 381, 386, 496, 506 – »Verona oder die Täuschung in den ersten Eindrücken von einem fremden Lande« 681 – »Versuch einer deutschen Prosodie« 380, 386, 563f. – »Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik welche auch zum Theil für Lehrer und Denker geschrieben ist« 343, 352, 357, 394, 397f., 412f., 419, 421f., 435, 438, 460f., 465, 469, 480, 483f., 488 – »Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten« (»Ue-

752





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Register

ber den Begriff des in sich selbst Vollendeten«) 355, 387, 454f. »Versuch über die Transcendentalphilosophie mit einem Anhang über die symbolische Erkenntnis« 707 »Volks-Aberglauben. Was die Alten von Ahndungen gehalten haben?« 133f., 358, 371, 523f. »Vom Isolieren, in Rücksicht auf die schönen Künste überhaupt« 398 »Von den Krankheiten der Seele. (Aus Cicero’s tuskulanischen Fragen.)« ÇMoritz?, vgl. S. 560È 166–168, 356, 358, 560f. »Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.)« Çaus den DW; Moritz?, vgl. S. 576È 189f., 356, 358, 576f. »Von der Heilkunde der Seele. (Aus Cicero’s Tuskulanischen Quästionen.)« Çaus dem MzEÈ 560, 576 »Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente« 727f., 734 »ÇVorbereitung des Edlern durch das UnedlereÈ« 28–33, 355f., 364, 387f., 403–407, 489 »Vorlesungen über den Styl« 451, 562, 636 »Vorschlag zu einem Magazin einer Erfarungs-Seelenkunde« 348, 378f., 445, 451, 501, 545, 561 »ÇVorwortÈ« 9f., 375–379 »Warum? und wozu?« 98f., 350, 486f. »ÇWas giebt es Edleres und Schöneres in der ganzen NaturÈ« 13–19, 347, 354–356, 364, 383–388, 404 »Zeichen und Wortsprache – Erhöhung der Denkkraft, als der lezte Zweck unsers Daseyns« 121–124, 353, 356, 511–515 »Zeit und Ewigkeit« 125f., 516–518 »Zusatz zu den Aufsätzen aus K. . .s Papieren« 181–186, 539, 553, 565, 571f.

Herausgegebene Schriften: – ÇAdam Walker,È »Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich« 276–293, 606, 609, 668–685 – ÇElizabeth Blower,È »Maria« 233, 341, 605, 608 (Vorwort), 609, 627–637, 697 – ÇJames Beattie,È »Grundlinien der Psychologie, natürlichen Theologie, Moralphilosophie und Logik« 234–275, 306, 514, 606, 638–667 – ÇJohn Trusler,È »Regeln einer feinen Lebensart und Weltkenntniß zum Unterricht für die Jugend und zur Beherzigung für Erwachsene« 227–232, 605, 610–626 – »Kabinet der neuesten englischen Romane« (Band 1 enthält: ÇAnkündigung von Mary Robinson,È »Vancenza, oder die Gefahren der Leichtgläubigkeit«) 297f., 606, 608f., 688, 695–701 – »Salomon Maimon’s Lebensgeschichte, von ihm selbst geschrieben, und herausgegeben von K. P. Moritz« 299f., 605, 702–726 – ÇSusannah Gunning,È »Leiden der Familie Delborough. Frey nach dem Englischen. Herausgegeben von K. P. Moritz« 298, 606 – ÇThomas Holcroft,È »Anna St. Ives« 294–296, 609, 687–694, 697 – ÇVorrede zu Johann Gottfried Bremer,È »Die symbolische Weisheit der Aegypter aus den verborgensten Denkmälern des Altertums. Ein Theil der Aegyptischen Maurerey, der zu Rom nicht verbrannt worden« 301, 605, 727–736 Mozart, Wolfgang Amadeus 455, 729 »Musen Almanach für 1783« s. Voss, Johann Heinrich Mylius, August 616, 618, 619 (Verlegernotiz), 620, 621 (Verleger), 624 (Verlegers)

Register Mylius, Christlob 421f. Mylius, Wilhelm Christhelf Siegmund 546 – »Puf van Vlieten« 155f., 546–548 Naubert, Benedikte 699 Nencke, Karl Christoph – »Ein sonderbarer Hang zum Stehlen« 463 Neokles (Vater von Themistokles) 429 (Vater) Nepos, Cornelius – »De viris illustribus« 429f. Neuber, Friederike Caroline (Neuberin) 459 »Neue allgemeine deutsche Bibliothek« 624f., 697, 699, 706 (Rezension), 708–720, 734f. »Neue Leipziger Gelehrte Zeitungen« 360 »Neue Leipziger Literaturzeitung« 731 »Neuestes gelehrtes Berlin« 629 Newton, Isaac 568 Nicolai, Friedrich 470, 481, 534 – »Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten und der umliegenden Gegend« 537 – »Über den Gebrauch der falschen Haare und Perrucken in alten und neuern Zeiten. Eine historische Untersuchung« 551 – »Wegweiser für Fremde und Einheimische durch die Königl. Residenzstädte Berlin und Potsdam und die umliegende Gegend« 431, 531 »Nürnbergische gelehrte Zeitung« 360, 632, 636f. »Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung« 692 Oehmigke, Wilhelm d. J. 297, 696 Opitz, Martin 563

Orrery s. Boyle Österreich, Joseph II. von 674, 684 Oswald, James 643

753 278f. (Kaisers),

Paine, Thomas 689 Palmer, John 155, 547f. Paulmann, Johann Ludwig 602 Perrot, Jeanne 74, 75 (Frau), 76 (Frau), 78f. Pestalozzi, Johann Heinrich 380 Pfalz, Karl Theodor von der 278 (Kuhrfürsten) Philips, John – »The Splendid Shilling« 273 Pius VI. (Papst) 729 Platon 399f., 502 Pockels, Karl Friedrich 305, 344–346, 360, 363, 372–374, 399, 523, 529, 706, 708–720 – »Unwillkürlicher Hang zum Stehlen und Geldleihen« 463 Pompeius Magnus, Gnaeus 683 Pope, Alexander 273, 351, 354, 362, 378, 606, 674 – »Essay on Man« 378, 422, 427 – »The Dunciad« 273 – »The Rape of the Lock« 273 Preußen, Friedrich I. von 433 Preußen, Friedrich II. von (Friedrich der Große) 66, 349, 426–428, 432, 451, 536f. Preußen, Friedrich Wilhelm I. von 47, 48 (Monarch), 377, 431, 537 Preußen, Friedrich Wilhelm II. von 729 Priestley, Joseph 670 Protzen, Karl Samuel 529 Quinctius Flamininus, Titus (?) (Flaminius) 280, 682 Raffael 282, 283 (Gemälde), 284, 288 Ramler, Karl Wilhelm 170, 470

754

Register

– »Der Tod Jesu« 170, 171 (Kantate), 353, 563 Reichard, Heinrich August Ottokar 481 Reichardt, Johann Friedrich 497 – »Cäcilia« 497 Reid, Thomas 643 Reimarus, Elise 522 Reinwald, Johann David 155, 548 Rembrandt van Rijn 458 Reni, Guido 283 Richardson, Samuel 546, 606, 629, 691 – »Clarissa; or The History of a Young Lady« 689 Riedel, Friedrich Just 544 Robinson, Mary, geb. Darby 297, 698, 700 (Mrs. R.) – »A Letter to the Women of England, on the Injustice of Mental Subordination« 698 – »Vancenza; or, The Dangers of Credulity« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 297f., 606, 695–701 Rode, August 620, 624 – »Vorrede zur neuesten Ausgabe der Uebersetzung« 620 »Romanen-Magazin« s. Schulz Rosset, Franc¸ois de – »Les Histoires tragiques de notre temps«/»Theatrum Tragicum« 79, 358, 462–464 Rousseau, Jean-Jacques 27, 360, 380f., 415, 488, 558, 619, 710 – »Julie ou la Nouvelle He´loı¨se« 689f. – »Les Confessions« 629 – »E´mile ou De l’e´ducation« 27, 352, 381, 405, 410, 473 Rowley, John 680 Rubens, Peter Paul 283 Rüdinger, Andreas Christopher 644 Russland, Katharina II. von (Katharina die Große) 134, 349, 526, 527 (Kaiserin)

Sachs, Hans 574f. Sachsen, August von 550 Sachsen, Friedrich III. von (Friedrich der Weise) 549f. Sachsen, Moritz, Graf von 432 (Marschall von Sachsen) Sachsen, Moritz, Herzog von 551 (Kurfürsten) Sachsen-Weißenfels-Barby, Heinrich von 599 Salzmann, Christian Gotthilf 56f., 378, 445f. – »Ameisenbüchlein, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher« 388 – »Carl von Carlsberg oder über das menschliche Elend« 445f. – »Noch etwas über die Erziehung nebst Ankündigung einer Erziehungsanstalt« 388, 445 Savoyen, Emmanuel-Philibert von 75, 77 (Herzog), 463 Scaliger, Julius Caesar 402 Schatz, Georg Gottlieb 641f. Schiller, Friedrich 352, 456, 521, 535 – »Die Räuber« 130, 352, 378 (Karl Moor), 521, 580 – »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« 521 – »Kabale und Liebe« 521, 535 – »Philosophische Briefe« 439 – »Ueber das gegenwärtige teutsche Theater« 352, 459 – »Ueber das Pathetische« 456 – »Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?« 347, 352, 521 Schlegel, Johann Elias 453, 456 – »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters« 456 Schmidt, Valentin Heinrich 688 – »Neuestes gelehrtes Berlin; oder literarische Nachrichten von jetztlebenden Berli-

Register nischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen« Çzus. mit D. G. G. MehringÈ 688 Schopenhauer, Arthur 626 Schröckh, Johann Matthias 536 Schröder, Friedrich Ulrich Ludwig 141 (Dichter), 210, 211 (Verfasser), 353, 533, 548, 592 – »Beytrag zur deutschen Schaubühne« 533, 592 – »Der Ring« 141–143, 353, 533f. – »Kinderzucht, oder das Testament« 210–212, 592f. Schröder, Sophie Charlotte 548 Schroeter, Johann Hieronymus 672 Schulz, (Joachim Christoph) Friedrich – »Romanen-Magazin« ÇHrsg.È 697, 700 – »William, oder Geschichte jugendlicher Unvorsichtigkeiten« 697 Schütz, Christian Gottfried – ÇRezension zu Moses MendelssohnsÈ »Morgenstunden« 393 Seneca, Lucius Annaeus – »De otio« 504 – »De tranquilitate animi« 501f., 554 Septimius Severus Pertinax, Lucius 287, 288 (Helden), 684 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper (3rd Earl of Shaftesbury) 351, 382, 402, 500f., 553 – »A Letter concerning Enthusiasm« 501 Shakespeare, William 68, 70f., 106, 188, 353, 361f., 453f., 457, 492, 574f., 606, 691 – »As You Like It« 353, 457 – »Hamlet« 353, 571, 580 – »Henry IV« 353, 456 – »King Lear« 175, 203, 353, 566 – »Macbeth« 188 (Come Ç. . .È day.), 353, 575 – »The London Prodigal« ÇShakespeare?È 592 – »The Merry Wives of Windsor« 353, 456

755

Sheridan, Richard Brinsley – »The School for Scandal« 210, 353, 592f. Smith, Adam 377, 500 – »An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations« 377 – »The Theory of Moral Sentiments« 500 Soemmerring, Samuel Thomas 602 Sokrates 27, 39, 93, 400, 415 Spalding, Johann Joachim 382, 602 Spangenberg, August Gottlieb 218, 368 (ehrwürdigen Mannes), 597, 599 Spinoza, Baruch de 275, 350f., 389, 393, 440f., 717, 719 Spreng, Johann Jakob 598 »Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten« 348, 364f., 389, 627, 630 Stanhope, Philip 617 Stanhope, Philip Dormer (4th Earl of Chesterfield) 617–621, 623, 624 (Lords), 625 – »Letters to his Son« 617–619, 621–624 Steele, Richard 458 Sterne, Laurence 606 – »The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman« 277, 680 Sturm, Johann Christoph 712 Sulzer, Johann Georg 103, 351, 490 – »Allgemeine Theorie der schönen Künste« 376, 439, 455, 459, 490, 492, 522, 533f., 567 – »Vorübungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens« 490 Swift, Jonathan 130, 520 – »Travels Into Several Remote Nations of the World. By Lemuel Gulliver« 130, 353, 520 Talmud 711, 723 Tarquinius Superbus, Lucius Tauler, Johannes 447

286

756

Register

Teller, Abraham Wilhelm 728 Tellier, Franc¸ois-Michel Le (Marquis de Louvois) 678 Teniers, David 458 Thales von Milet 134, 524 »The European Magazine, and London Review« 696 »The Gentleman’s Magazine« 696 »The Monthly Review« 696 »The Spectator« 598 Themistokles 46, 429 Tieck, Ludwig 693 Tiedemann, Dieterich – »System der stoischen Philosophie« 392, 500–502, 504f., 553, 577 Titius, Johann Daniel 536 Titus s. Flavius Vespasianus Tullius Cicero, Marcus (Cicero) 133, 523f., 561 – »De divinatione« 133f. (Was Ç. . .È achtet.), 358, 524 – »Tusculanae disputationes« 166–168, 189f., 356, 358, 523, 560f., 576f. Tullius Cicero, Quintus 524 Trajan s. Ulpius Traianus Trusler, John 227, 617f., 620f., 623 (Verfasser), 624f. – »Principles of Politeness, and of Knowing the world« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 227–232, 610–626 Ulpius Traianus, Marcus (Trajan) 285f. Unger, Friederike Helene 341, 605, 629 – »Julchen Grünthal. Eine Pensionsgeschichte« 629 Unger, Georg Christian 536 Unger, Johann Friedrich 233 (andern Hand), 340f., 343, 345 (Verleger), 348, 363f., 367, 377, 379, 388, 413, 441, 450, 461, 469, 479, 496, 518, 564, 605f., 608, 627–630, 632, 688, 692, 697

– »Ankündigung Çder DenkwürdigkeitenÈ« 362f., 490 – »Ankündigung der Übersetzung Çvon Elizabeth Blower, MariaÈ« Çzus. mit K. P. MoritzÈ 630, 636 Valerius Constantinus, Flavius (Konstantin) 285f., 683 Vallie`re, Jean-Florent de 48, 370, 433 Vaumorin, Jean 74f., 76 (Greis), 77 (Vater), 78 (Vater), 79, 359, 367 Vaumorin, Michel 74–76, 77 (Sohn), 78, 79 (Sohn), 367 Veit, David 698f. Vergil s. Vergilius Maro Vergilius Maro, Publius (Vergil) 282, 682 Vieweg, Friedrich (d. Ä.) 703, 704 (Verlegers), 715 (Verlegers) – »Neue Verlagsbücher von Friedrich Vieweg dem ältern, welche im Jahr 1792 herausgekommen, und in allen Buchhandlungen zu haben sind« 703 Villaume, Peter 409, 410 (Hr. V.) – »Ob und in wie fern bei der Erziehung die Vollkommenheit des einzelnen Menschen seiner Brauchbarkeit aufzuopfern sey?« 409 Vitruv s. Vitruvius Pollio Vitruvius Cerdone, Lucius 280, 682 Vitruvius Pollio, Marcus (Vitruv) 682 Volkmann, Johann Jakob 670, 681f. – »Historisch-kritische Nachrichten von Italien« 670, 681–683 Voltaire (Franc¸ois-Marie Arouet) 275, 546 – »L’Ecossaise« 546, 547 (die Schottländerinn) Voß, Christian Friedrich 640, 669 Voss, Johann Heinrich 547 – »Hamburger Musenalmanach«/»Musen Almanach für 1783« Çhrsg. zus. mit GoekkingkÈ 684

Register »Vossische Zeitung« 305, 340–342, 346, 349, 357, 362f., 377f., 379, 388f., 404, 407, 409f., 413, 427–430, 433, 441, 450, 454f., 458, 461, 469, 479, 490 (Ankündigung), 496, 518f., 521, 523, 526, 529, 533, 535, 548, 563f., 592f., 603, 629, 631, 636, 727f., 731f. Walker, Adam 276 (Verfassers), 277, 278 (Reisender), 280 (Verfasser), 283–285 (Verfassers), 286 (Verfasser), 288f. (Verfassers), 290–292 (Verfasser), 606, 670, 671 (Verfasser), 672, 673 (Verfasser), 674 (Britte), 675, 677 (Verf.), 678, 682, 685f. – »Ideas, Suggested on the Spot in a Late Excursion Through Flanders, Germany, France, and Italy« (s. Herausgegebene Schriften von Moritz) 276–293, 606, 668–686 Walker, William 670 Washington, George – »Rules of Civility and Decent Behavior in Company and Conversations« 619 Wessely, Naftali Herz 528 Weygand, Johann Friedrich 699 Wieland, Christoph Martin 27, 66, 399, 451, 535, 544 – »Der Teutsche Merkur« ÇHrsg.È 348 – »Horazens Briefe aus dem Lateinischen übersezt und mit historischen Einleitungen und andern nöthigen Erläuterungen versehen« 400 – »Musarion, oder die Philosophie der Grazien« 27, 93, 353, 399, 400 (Erzählung), 481 – »Oberon« 380 – »Versuch über das Deutsche Singspiel und einige dahin einschlagende Gegenstände« 563

757

Winckelmann, Johann Joachim 458 »Wittenbergsches Wochenblatt zum Aufnehmen der Naturkunde und des ökonomischen Gewerbes« 607 Wolff, Christian 22, 84, 350, 366, 376, 386, 392, 398, 439, 454, 461, 469–471, 503f., 518, 580, 585, 604, 717f., 725 – »Grundsätze des Natur- und Völckerrechts« 469 – »Vernünfftige Gedancken Von dem Gesellschafftlichen Leben der Menschen Und insonderheit Dem gemeinen Wesen Zu Beförderung der Glückseeligkeit des menschlichen Geschlechtes« 461 – »Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt« 386f., 716 (Metaphysik), 717 (Buch) Wolff, Sabattia Joseph – »Maimoniana. Oder Rhapsodien zur Charakteristik Salomon Maimon’s« 705 Wöllner, Johann Christoph von 729 Xenophon – »Memorabilien«/»Erinnerung an Sokrates« 39, 93, 375, 415, 481 (Sokratischen Denkwürdigkeiten) Young, Edward

362

Zeiller, Martin 462f. Zimmermann, Friedrich Albert – »Beobachtungen über Ahndungsvermögen« 524 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 599 Zöllner, Johann Friedrich 349, 388, 724 – »Lesebuch für alle Stände. Zur Beförderung edler Grundsätze, ächten Geschmacks und nützlicher Kenntnisse« 349