Den Helden geschaffen. Fritz Bauers Rückkehr ins kollektive Gedächtnis [1. ed.] 9783835353190, 9783835349506


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German Pages 176 [177] Year 2022

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Table of contents :
Umschlag
Titel
Impressum
Inhalt
1. Einleitung
2. 1968–2010: Vom Reformer zum Initiator
Wer ist Fritz Bauer? Ein biografischer Abriss
Die Erinnerung kurz nach Fritz Bauers Tod
Erste Erinnerungsimpulse
Institutionalisierung und Festigung der ersten Erinnerungsimpulse
Zwei Diskurse für zwei Zeiten
3. 2010–2020: Vom Gestalter und Nazi-Jäger zum Helden
Deutungsmuster medial erfahrener Aufarbeitung: Die Nazi-Jagd
Erinnerungskulturelle Perspektivenvariationen
Perspektivenvertiefung zum Zweck der politischen Bildung
Die diskursive Metamorphose zum Helden
4. Erinnerungskollektive und historische Sinnbildungen im Wandel
Anerkennungsgesten: Straßen, Plätze, Denkmäler
Historische Sinnbildung im Wandel: Straßennamenkämpfe
Gesellschaftliche Tiefenveränderungen: Polemiken im Feuilleton
5. Fazit: Erfolgreiche Anpassung oder Schwanengesang?
Die Rückkehr als arbeitsteiliger Erinnerungsprozess
Veränderte kulturelle Orientierung bei gleichem Vergangenheitsbezug
Anhang
Quellen
Forschungsliteratur
Dank
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Den Helden geschaffen. Fritz Bauers Rückkehr ins kollektive Gedächtnis [1. ed.]
 9783835353190, 9783835349506

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Désirée Hilscher Den Helden geschaffen Fritz Bauers Rückkehr ins kollektive Gedächtnis

kleine reihe zur geschichte und wirkung des holocaust Herausgegeben von Sybille Steinbacher im Auftrag des Fritz Bauer Instituts Band 3

Désirée Hilscher

Den Helden geschaffen Fritz Bauers Rückkehr ins kollektive Gedächtnis

WALLSTEIN V ERLAG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen  www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond und der Meta pro Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf © Coverfotografie: Werner Lott, Fritz Bauer Institut Lektorat im Fritz Bauer Institut: Andrea Kirchner ISBN (Print) ---- ISBN (E-Book, pdf ) ----

INHALT

1

EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

2

1968–2010: VOM REFORMER ZUM INITIATOR . . . . 29 Wer ist Fritz Bauer? Ein biografischer Abriss (29) Die Erinnerung kurz nach Fritz Bauers Tod (30) Erste Erinnerungsimpulse (35) Institutionalisierung und Festigung der ersten Erinnerungsimpulse (51) Zwei Diskurse für zwei Zeiten (60)

3

2010–2020: VOM GESTALTER UND NAZI-JÄGER ZUM HELDEN . . . . . . . . . . . . . . . 67 Deutungsmuster medial erfahrener Aufarbeitung: Die NaziJagd (68) Erinnerungskulturelle Perspektivenvariationen (74) Perspektivenvertiefung zum Zweck der politischen Bildung (102) Die diskursive Metamorphose zum Helden (109)

4

ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN IM WANDEL . . . . . 117 Anerkennungsgesten: Straßen, Plätze, Denkmäler (117) Historische Sinnbildung im Wandel: Straßennamenkämpfe (126) Gesellschaftliche Tiefenveränderungen: Polemiken im Feuilleton (137)

5

FAZIT: ERFOLGREICHE ANPASSUNG ODER SCHWANENGESANG? . . . . . . . . . . . . . . 141 Die Rückkehr als arbeitsteiliger Erinnerungsprozess (141) Veränderte kulturelle Orientierung bei gleichem Vergangenheitsbezug (143) ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Quellen (153) Forschungsliteratur (167) Dank (176)

1

EINLEITUNG

Die Aufarbeitung, Deutung und Darstellung der NS -Zeit hat in Deutschland über Jahrzehnte hinweg immer wieder zu Kontroversen und Debatten geführt. Jemand, der an dieser Aufarbeitung beteiligt gewesen ist, war Fritz Bauer. Er hat in den 1960er Jahren als Generalstaatsanwalt den Prozess gegen Angehörige der Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz mitinitiiert. Während der Prozess, der von 1963 bis 1965 vor dem Landgericht Frankfurt am Main geführt wurde, als wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung der deutschen Gesellschaft mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und ihrer Verbrechen gilt, ist Fritz Bauer nach seinem Tod 1968 relativ bald in Vergessenheit geraten. Nachdem es jahrzehntelang still um ihn gewesen war, gab es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Erinnerungsinitiativen und -produktionen zu ihm. Die Presse schreibt bereits von einem »Fritz-Bauer-Kult«1 und von Bauer als einem »Helden«.2 Einige dieser Erinnerungsinitiativen haben Widerspruch erfahren. Das ist angesichts der Thematik wenig überraschend, aber an Heldenpotenzial scheint die Periode der Aufarbeitung eigentlich wenig herzugeben. Warum also erinnert sich die Öffentlichkeit plötzlich an Fritz Bauer, und dann auch noch als einen Helden?

 Alexander Haneke: Blüten des Fritz-Bauer-Kultes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . .  Norbert Frei: Fritz Bauer oder: Wann wird ein Held zum Helden?, in: Stefan Gerber u. a. (Hrsg.): Zwischen Stadt, Staat und Nation. Bürgertum in Deutschland,  Bde., Bd. , Göttingen , S. , hier: S. .



EINLEITUNG

Forschungsfrage

Die Frage ist relevant, da es nicht zufällig ist, was oder wen eine Gesellschaft erinnert. Fritz Bauers historische Bedeutung fällt in die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland – eine Zeit, die viele Personen der Gegenwart selbst erlebt haben oder aus Erzählungen ihres Umfelds kennen. Projekte und Darstellungen, die an Fritz Bauer erinnern, sind Diskussionsbeiträge zu »gesellschaftliche[n] Erinnerungsdiskurse[n]«:3 Sie schlagen vor, warum er erinnernswert ist und zu einer gemeinschaftlich bedeutsamen Vergangenheit gehört. Die öffentliche Resonanz, die einige dieser Erinnerungsinitiativen auslösen, macht die Erinnerung an Bauer zum Forschungsgegenstand der Public History. Public History umfasst »jede Form von öffentlicher Geschichtsdarstellung, die außerhalb von wissenschaftlichen Institutionen, Versammlungen oder Publikationen aufgebracht wird«.4 Diesen Umgang mit Geschichte gestaltet die Öffentlichkeit auf allen Ebenen mit: »Die kommunizierten Themen sind von allgemeinem Interesse, der Kommunikationsraum ist allgemein zugänglich und alle können sich aktiv oder passiv beteiligen« und damit Forschungsimpulse auslösen.5 Die Öffentlichkeit besteht dabei nicht nur aus fachlich gebildeten oder thematisch involvierten Personen, sondern auch aus jenen, die sich nur gelegentlich für die historischen Sachverhalte interessieren oder per Zufall damit in Berührung kommen, kurz: allen

 Thomas Fischer, Thomas Schuhbauer: Geschichte in Film und Fernsehen, Tübingen , S. .  Frank Bösch, Constantin Goschler: Der Nationalsozialismus und die deutsche Public History, in: Dies. (Hrsg.): Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main , S. -, hier: S. .  Martin Lücke, Irmgard Zündorf: Einführung in die Public History, Göttingen , S.  f., ; vgl. David Dean: Introduction, in: Ders. (Hrsg.): A Companion to Public History, Hoboken / New Jersey , S. -, hier: S.  f.

FORSCHUNGSFRAGE



Menschen mit ihren verschiedenen Kenntnissen und Zugängen zum Thema.6 Daher geht es bei öffentlichen Geschichtsdarstellungen nicht nur darum, ob sie einen Sachverhalt aus Sicht der Geschichtswissenschaft intersubjektiv gültig und korrekt darstellen, sondern auch, was all jene, aus denen sich diese Öffentlichkeit zusammensetzt, für intersubjektiv gültig halten und über den öffentlichen erinnerungskulturellen Austausch ins kollektive Gedächtnis aufnehmen oder daraus streichen möchten. Da es – zumindest in einer demokratischen Gesellschaft – kein einheitliches Werte- und Erinnerungskollektiv gibt, drehen sich öffentliche Diskussionen um Geschichte und Erinnerung auch um die Frage, wessen Vergangenheitsdeutung und Erinnerungsversion sich gesellschaftlich durchsetzt. Im Folgenden wird also geprüft, wie die Öffentlichkeit mit Fritz Bauer erinnerungskulturell und geschichtspolitisch umgeht, um zu verstehen, warum sie sich plötzlich auf ihn besinnt. Dabei wird »Erinnerungskultur« als »Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse […], seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur«,7 definiert. »Geschichtspolitik« wird als eine Teilmenge davon verstanden,8 wenn sich Darstellungen der Vergangenheit an ein Kollektiv in einem Herrschafts- und Deutungshoheitszusammenhang wenden, wie zum Beispiel an eine Stadtgesellschaft oder eine Schulklasse. Daraus ergibt sich die Forschungsfrage: Wie vollzieht sich die Rückkehr Bauers in das kollektive Gedächtnis?

 Lücke, Zündorf: Einführung, S. .  Edgar Wolfrum: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik als Forschungsfelder, in: Jan Scheunemann (Hrsg.): Reformation und Bauernkrieg. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland, Leipzig , S. -, hier: S. .  Vgl. Stefan Troebst: Geschichtspolitik, in: Docupedia-Zeitgeschichte, . . , http://docupedia.de/zg/Geschichtspolitik (. . ).



EINLEITUNG

Stand der Forschung

Es gibt eine Fülle an wissenschaftlichen Publikationen, die untersuchen, wie der Holocaust, die NS -Diktatur und ihre Nachwirkungen in den verschiedenen Ländern Europas erinnert und aufgearbeitet werden sowie, wie sich die Erinnerung daran verändert, wie sie präsentiert wird oder wie sich Erinnerungsdebatten darüber vollziehen.9 Auch zu Fritz Bauer, seiner Arbeit und seiner Einordnung in die Zeitgeschichte gibt

 Beispielhafte Auswahl: Einen disziplinübergreifenden Überblick zum kollektiven Gedächtnis mit einem Kapitel zum erinnernden Umgang mit dem Holocaust liefert Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart ; zu Public History und Nationalsozialismus s. Bösch, Goschler (Hrsg.): Public History; zu lokalen Debatten rund um öffentliche Ehrungen und Erinnerungen s. Matthias Frese (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster  sowie ders., Marcus Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen. Der Umgang mit Ehrungen, Denkmälern und Gedenkorten nach , Paderborn ; zum Wandel der Erinnerungskultur s. Ulrike Jureit, Christian Schneider, Margrit Frölich (Hrsg.): Das Unbehagen an der Erinnerung – Wandlungsprozesse im Gedenken an den Holocaust, Frankfurt am Main ; zur Erinnerung an den Nationalsozialismus in verschiedenen PublicHistory-Bereichen s. Peter Reichel, Harald Schmid, Peter Steinbach (Hrsg.): Der Nationalsozialismus – die zweite Geschichte. Überwindung – Deutung – Erinnerung, München ; zur HolocaustErinnerungskultur und -Geschichtspolitik im europäischen Kontext s. Richard Ned Lebow, Wulf Kansteiner, Claudio Fogu (Hrsg.): The Politics of Memory in Postwar Europe, Durham, London ; zu populären Formaten der Erinnerungskultur s. Barbara Korte, Sylvia Paletschek (Hrsg.): History Goes Pop, Bielefeld ; für filmspezifische Arbeiten s. Astrid Erll, Stephanie Wodianka (Hrsg.): Film und kulturelle Erinnerung. Plurimediale Konstellationen, Berlin  sowie Thomas Fischer, Thomas Schuhbauer: Geschichte in Film und Fernsehen, Tübingen ; zu deutschen Erinnerungsfilmen ab  über die NS -Zeit und die beiden deutschen Staaten s. Gerhard Lüdeker: Kollektive Erinnerung und nationale Identität. Nationalsozialismus, DDR und Wiedervereinigung im deutschen Spielfilm nach , München .

STAND DER FORSCHUNG



es mittlerweile einige Titel rechts- und geschichtswissenschaftlicher Forschung.10 Wissenschaftliche Untersuchungen zur Frage, warum sich die Öffentlichkeit wieder an Fritz Bauer erinnert, also zu Veränderungsprozessen der kollektiven Erinnerung an ihn, lassen sich hingegen nur vereinzelt finden: Nicolas Berg und Norbert Frei diskutieren, warum sich die Gegenwart für Fritz Bauer interessiert. Berg zeichnet die Zeit vor dem Erinnerungsboom nach. Ihm fällt auf, dass gedenkende Zeitgenossen und -genossinnen Bauer mit »rhetorische[n] Wendungen« beschreiben und sich die Erinnerung lange darin erschöpft, ihm einen »formelle[n] Rang« zuzuschreiben: Erinnernde beziehen sich mit allgemeinen Formulierungen auf Bauer, die ihm Respekt zollen und die Bedeutsamkeit seiner Person hervorheben, aber darüber hinaus werden keine Anstrengungen unternommen, inhaltlich zu konkretisieren, worin diese Bedeutung für die Gegenwart besteht.11 Berg erklärt die neue Attraktivität Bauers medientheoretisch. Aus seiner Sicht machen etwa Filme Bauer populär, weil sie  Vgl. Hanno Loewy, Bettina Winter: NS -»Euthanasie« vor Gericht: Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung, Frankfurt am Main, New York ; Matthias Meusch: Von der Diktatur zur Demokratie. Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS -Verbrechen in Hessen (-), Wiesbaden ; Claudia Fröhlich: »Wider die Tabuisierung des Ungehorsams«. Fritz Bauers Widerstandsbegriff und die Aufarbeitung von NS -Verfahren, Frankfurt am Main ; Irmtrud Wojak: Fritz Bauer -. Eine Biographie, München ; Katharina Rauschenberger (Hrsg.): Rückkehr in Feindesland? Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte, Frankfurt am Main, New York ; Werner Renz: Fritz Bauer und das Versagen der Justiz. Nazi-Prozesse und ihre »Tragödie«, Hamburg ; ders.: Auschwitz vor Gericht. Fritz Bauers Vermächtnis und seine Missachtung, Hamburg ; Christoph Schneider: Diener des Rechts und der Vernichtung. Das Verfahren gegen die Teilnehmer der Konferenz von  oder: Die Justiz gegen Fritz Bauer, Frankfurt am Main .  Vgl. Nicolas Berg: Selbstansprachen der Gegenwart. Die Spielfilme über Fritz Bauer im Kontext seiner Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, in: Einsicht. Bulletin des Fritz Bauer Instituts,  (), H. , S. -, hier: S.  f.



EINLEITUNG

vergangene gesellschaftliche Prozesse gegenwartsbezogen aufgreifen und emotional berührend inszenieren. Berg hält daher »ständische Schutzwälle« der Geschichtswissenschaft gegen solchen Vermittlungsformen nicht für hilfreich.12 Frei befasst sich anhand eines generationellen Ansatzes mit den Bedingungen des Fritz-Bauer-Booms. Aus seiner Sicht tragen »Aktivisten [der] Zivilgesellschaft« die Erinnerung an Fritz Bauer. Deren Erfolg beruht laut Frei auf der machtpolitischen Stabübergabe ab den 1990er Jahren an die erste Generation, die nach der NS -Diktatur geboren wurde. Mit dem Entschwinden ihrer Vorgängergenerationen, den »Funktionseliten der NS -Zeit« und »Flakhelfer[n]« und ihren Erinnerungsinteressen enden auch die gesellschaftlichen Debatten um eine »selbstkritische Auseinandersetzung mit der NS -Vergangenheit«.13 Sie werden durch eine breit akzeptierte Sicht abgelöst, wie diese Zeit zu erinnern sei, die sich kulturell festigt. Erst dies ermöglicht es, Personen, die sich in der Zeit der sich widerstreitenden Erinnerungsinteressen für die Aufarbeitung der eigenen Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen eingesetzt haben, als Helden und Heldinnen anzuerkennen.14 Auch Forschungen zu Erinnerungsdiskursen oder Debatten über Fritz Bauer sind rar. Es gibt im wissenschaftlichen Kommunikationsraum durchaus einige Beiträge zur »richtigen« Erinnerung an ihn, entweder als Rezension oder als übergreifende Analyse von Erinnerungsdarstellungen.15 Diese Artikel    

Vgl. ebd., S.  f. Frei: Fritz Bauer, S. . Vgl. ebd. Z. B. Nora Bierich: Zur väterlichen Nebenrolle degradiert – »Im Labyrinth des Schweigens«. Ein Film über und ohne Fritz Bauer, in: Zeitgeschichte-online, . . , https://zeitgeschichte-online. de/film/zur-vaeterlichen-nebenrolle-degradiert-im-labyrinth-desschweigens (. . ); Irmtrud Wojak: Fritz Bauer als Antiheld, in: Forschungsjournal Soziale Medien,  (), H. , S.  f.; Silke Kettelhake: »Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden«. Auschwitz, Fritz Bauer und die filmische Aufarbeitung, in: Ebd., S. -.

STAND DER FORSCHUNG



sind jedoch Debattenbeiträge und keine Untersuchungen zu den Erinnerungsdiskursen über Bauer. Am ehesten entsprechen dem zwei Artikel von Jan Thiessen und Boris Burghardt. Beide diskutieren Kritik, die an Produktionen zu Bauer aufgekommen ist; Thiessen als Forschungsfrage eines Artikels, Burghardt im Rahmen einer übergreifenden Rezension. Die Autoren interessiert jedoch, ob die Kritik an den bemängelten Darstellungen inhaltlich berechtigt ist, also aus wissenschaftlicher Sicht intersubjektive Gültigkeit besitzt. Die Natur der Debatten steht nicht im Vordergrund, auch wenn Thiessens Überlegungen zur Motivation der Kritik in diese Richtung zielen.16 Von einem Forschungsstand zu Veränderungsprozessen der kollektiven Erinnerung an Bauer oder zu Erinnerungsdebatten über ihn lässt sich also nicht wirklich sprechen. Die Beitragenden beanspruchen auch nicht, mehr als »Beobachtungen«17 zur Diskussion zu stellen, wiewohl sie das Erklärungsbedürfnis erkennen. Das Anliegen dieser Arbeit ist daher, einen Analyseansatz für diese Beobachtungen bereitzustellen und nachzuvollziehen, wie sich die Rückkehr Bauers in das kollektive Gedächtnis gestaltet, um schließlich eine Erklärung für den Fritz-Bauer-Boom und die Debatten über ihn zu liefern.

 Thiessen vergleicht Produktionen, die Kritik hervorgerufen haben, inhaltlich mit gelobten Darstellungen und interpretiert die Vorwürfe vor dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Erfahrungen der Kritiker. Burghardt rezensiert drei (populäre und wissenschaftliche) Publikationen. Er geht bei seiner Besprechung von Ronen Steinkes Biografie Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht ausführlich auf die Debatte ein, die der Titel ausgelöst hat, und prüft ebenfalls, ob die Kritik daran sachlich begründet ist. Vgl. Jan Thiessen: Fritz Bauer – zur schwierigen Rezeption eines Lebenswerks, in: Juristenzeitung,  (), H. , S. -; Boris Burghardt: Wiederentdeckung, Verklärung und Vereinnahmung – Bemerkungen zum Umgang mit Fritz Bauer, in: Journal der Juristischen Zeitgeschichte,  (), H. , S. -.  Sowohl Berg (Selbstansprachen, S. ) als auch Thiessen (Fritz Bauer – Rezeption, S. ) nutzen den Begriff.



EINLEITUNG

Theorien und Konzepte

Geht man vom Fritz-Bauer-Boom als einem Phänomen der Public History aus, so ist anzunehmen, dass Bauer, so wie er aktuell erinnert wird, ein öffentliches Erinnerungsbedürfnis anspricht und stillt. Für die erinnernde Gemeinschaft scheint es sinnvoll oder nützlich zu sein, Bauer als wichtige Person der eigenen, kollektiven Vergangenheit immer wieder aufzurufen; sie scheint die Erinnerung an ihn zu »brauchen«. Die Art und Weise, wie Bauer erinnert wird, weist offenbar für viele, die sich dieser Gruppe zurechnen, einen Bezug zur eigenen Vergangenheit auf – sonst würden sie Bauer nicht als Teil einer gemeinsamen Erinnerung annehmen. Die Erinnerung ist also »anschlussfähig«. Da sich der Fritz-Bauer-Boom in wenigen Jahren vollzogen hat, scheinen die Mitglieder dieses Kollektivs die Erinnerung an Bauer auch gerne öffentlich ausgedrückt und geteilt zu haben. Es handelt sich somit um eine »verbreitungsattraktive« Erinnerung. Doch was heißt das konkret? Brauchbarkeit und Sinnhaftigkeit: Personen oder Ereignisse werden bedeutsam und erinnernswert, wenn sie sich stimmig in eine sinnhafte Vorstellung der Vergangenheit einfügen und ihnen ein Einfluss auf historische Prozesse zugesprochen wird.18 Die Einschätzung, welche Ereignisse und Personen kollektiv wichtig, bedeutsam und erinnernswert sind, ergibt sich aus der »kulturelle[n] Orientierung der menschlichen Lebenspraxis« der jeweiligen Gruppe.19 Sie ist »eine Orientierung auf das Gute«20 oder Erstrebenswerte in einem »unspezifischen« Sinn und bietet dem Kollektiv einen Maßstab für »qualitative Unterscheidungen«21

 Vgl. Jörn Rüsen: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft, Köln, Weimar, Wien , S.  f., .  Ebd., S. .  Charles Taylor: Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt am Main  (amerikanische Erstveröffentlichung ), S. .  Ebd., S. ,  f.

THEORIEN UND KONZEPTE



von vergangenen Erfahrungen. In diesem Sinn ist dieses Kollektiv eine Wertegemeinschaft. Historische Sinnbildung wird in der spezifischen Form der historiografischen Erzählung organisiert. Man erklärt darüber einen bedeutsamen Wandel, indem man ausgewählte, vergangene Ereignisse aus einer bestimmten gegenwärtigen Deutungssicht in chronologischer Ordnung darstellt.22 Diese Erzählform folgt dabei einem bestimmten »ästhetischen dramaturgischen Modell« (»aesthetic dramaturgical model«): Die Personen, die in der Erzählung auftreten, repräsentieren Personenverbände oder abstrakte Größen. Die ästhetische Leistung besteht darin, die einzelnen, individuellen Interaktionen zwischen diesen Beteiligten als Ausdruck überindividueller, abstrakter Prozesse und Zusammenhänge zu präsentieren.23 Diese Rückkoppelung des Individuums als »relativ zu« ermöglicht es, die spezifischen Lebensgestaltungs- und Herrschaftszusammenhänge und -strukturen der Gesellschaft, in der sich ein solches Individuum bewegt, zu erklären.24 Der Verlauf der Interaktionen zwischen den Beteiligten – die »Handlung« der Erzählung – erläutert quasi stellvertretend die Dynamiken und Wechselwirkungen zwischen den interpersonalen Prozessen und dem dadurch erfolgenden Wandel der größeren, übergreifenden Zusammenhänge und Strukturen. In der identitätsstiftenden Erzählung eines Kollektivs sind die einzelnen Ereignisse untereinander nicht nur kausal verknüpft, woraus ein bestimmtes Resultat folgt, sondern auch normativ: Das erzählerische Format ermöglicht es, die Vergangenheit als  Vgl. Lücke, Zündorf: Einführung, S. ; Michele Barricelli: Narrativität, in: Ders., Martin Lücke (Hrsg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts,  Bde., Bd. , Schwalbach / Taunus , S. -, hier: S. -; Rüsen: Historik, S.  f.  Daniel Fulda: Historiographic Narration, in: Peter Hühn u. a. (Hrsg.): Handbook of Narratology,  Bde., Bd. , Berlin, Boston / Massachusetts , S. -, hier: S. . Übersetzung der Autorin.  Vgl. Paul Veyne: Geschichtsschreibung und was sie nicht ist, Frankfurt am Main  (französische Erstveröffentlichung ), S. .



EINLEITUNG

einen Zeitverlauf zu verstehen, in dem sich die kulturelle Orientierung der Gruppe »durch die Ereignisse entfaltet«.25 Die historische Erzählung zeigt auf, wann es dem Kollektiv gelungen ist, die Orientierung auf das Gute zu verwirklichen, und wann es daran gescheitert ist. So drückt die Rede vom »Zivilisationsbruch« ein kollektives Scheitern in katastrophalem Ausmaß aus. Die Orientierung auf das Gute, die sich in der historischen Erzählung eines Kollektivs beispielhaft entfaltet, bietet nur befürwortbare Bezugspunkte. Niemand richtet sich nach etwas, das er oder sie für schlecht oder trivial hält – das schließt nicht aus, dass man sich irrt, worin das Gute besteht. Damit stiftet die Erzählung Identität und Rat. Sie erklärt nicht nur, woran sich das Kollektiv orientiert und wie es gehandelt hat, sondern übermittelt auch eine Botschaft für die Zukunft: So muss ein Kollektiv agieren, um das Gute zu erhalten oder zu erreichen. Hierfür bindet die Erzählung Personen wie Fritz Bauer als ideelle Vorfahren und Vorfahrinnen ein: An ihnen wird beispielhaft erzählend erklärt, wie sich das Gute verwirklicht, wenn eine Person richtig – also gemäß den vertretenen Orientierungen – handelt. Jenen, die sich mit dem Wertekollektiv und seiner Vergangenheitserzählung identifizieren, obliegt es, die gemeinsame Geschichte weiterzuschreiben, indem sie die Arbeit der ideellen Vorfahrinnen und Vorfahren fortsetzen. Damit entfalten historische Sinnbildungen politische Mobilisationskraft. Eine so verstandene kollektiv identitätsstiftende Vergangenheitserzählung erfüllt einen Zweck und ist »brauchbar«.26 Indem nun die breite Öffentlichkeit Fritz Bauer in den Kreis erinnerungswürdiger Persönlichkeiten aufnimmt, signalisiert sie, dass sie die kulturellen Orientierungen anerkennt, die an Taylor: Quellen des Selbst, S.  (Hervorhebung der Autorin).  »[Die] Bedeutung [der Gebrauchsgeschichte] hängt nicht davon ab, dass sie ›richtig‹ wäre oder ihr ›Historizität‹ zukommen würde oder eben nicht, sondern allein davon, dass sie […] kontinuierlich gebraucht wird.« Guy Marchal: Schweizer Gebrauchsgeschichte. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identität, Basel , S. .

THEORIEN UND KONZEPTE



hand seiner Person vermittelt werden, und somit sowohl die Vergangenheitsdeutung als auch die gegenwarts- und zukunftsgestaltenden Handlungsanleitungen, die sich daraus ableiten.27 Diskursive und lebensweltliche Anschlussfähigkeit: Jedoch setzt sich nicht jede Vergangenheitserzählung als kollektiv identitätsstiftend durch. Hierfür bedarf es der diskursiven Deckungsgleichheit von Öffentlichkeit und Erzählung. Der Diskurs bildet das »Gesamtsystem alles Sagbaren« und legt als »Referenzstruktur« fest, wie die Diskursteilnehmenden die Welt verstehen und sich darüber mit anderen verständigen.28 Erfolgreich sind »Meistererzählungen«, die die »diskursive Grundstruktur« und »kulturelle Sinnordnung« beziehungsweise die kulturelle Orientierung der Gegenwart spiegeln und mit dieser »stofflich«, »semantisch« und »theoretisch-methodisch« übereinstimmen. Eine solche Erzählung dreht sich um Ereignisse, die aus gegenwärtiger Sicht bedeutungsvoll erscheinen, und bietet eine zeitgemäße, »plausible Argumentationsstruktur«. Zudem ist ihr »Sprachinventar« »organisiert« und setzt aktuell verbreitete Begriffe und Erzählmuster des geltenden Diskursuniversums ein.29 Am Erfolg solcher Meistererzählungen arbeiten die Erinnernden aktiv mit. Um eigene und fremde Erfahrungen verstandesmäßig zu begreifen und anschließend zu erzählen, wenden Menschen kulturspezifische Deutungs- und Strukturierungsmuster an, die medialer und sozialer Praxis ent Es sei bemerkt, dass man nicht davon ausgehen kann, dass alle menschlichen Gemeinschaften kollektive Identität über Selbsterzählungen bilden. Vgl. Ulrike Jureit: Geschichte als Identitätsressource. Wandlungsprozesse im Gedenken an den Holocaust, in: Totalitarismus und Demokratie,  (), H. , S. -, hier: S. .  Peter Haslinger: Diskurs, Sprache, Zeit, Identität. Plädoyer für eine erweiterte Diskursgeschichte, in: Franz X. Eder (Hrsg.): Historische Diskursanalysen. Genealogie, Theorie, Anwendungen, Wiesbaden , S. -, hier: S. , .  Konrad Jarausch, Martin Sabrow: »Meistererzählung« – Zur Karriere eines Begriffs, in: Dies. (Hrsg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach , Göttingen , S. -, hier: S. .



EINLEITUNG

springen.30 Sie erlernen diese Muster, indem sie mit anderen Personen über Erfahrungen sprechen und mediale Produkte konsumieren, die ähnliche Erfahrungen und frühere Medienproduktionen darüber verarbeitet haben. Über das gemeinsame Nacherzählen unter Nutzung etablierter Deutungsmuster verankern Menschen die Erfahrungen in ihrem individuellen Gedächtnis als eine Erinnerung, die sie mit anderen teilen, stabilisieren ein Wir-Gefühl und bekräftigen die Identitätseigenschaften der Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen.31 Letzteres erklärt, warum man bereits Bekanntes immer wieder gemeinsam aufruft.32 Der Erfolg ergibt sich durch die Praxis: Je öfter eine Gruppe etwas gemeinsam erinnert und je stärker eine solcherart erzählte kollektive Erinnerung dem durch mediale Produktionen geprägten »gesellschaftlich standardisierten […] Assoziationsraum«33 zum erinnerten Thema entspricht, desto plausibler wirkt sie. Insofern weisen kollektive Erinnerungen einen spezifisch kommunikativen Charakter auf, und der Raum, in dem sich dieses Erinnern vollzieht, ist ein Kommunikationsraum.34 Geschichtsdarstellungen, die viele Menschen ansprechen oder Diskussionen auslösen, gelten landläufig als populär oder kontrovers. Populäre Geschichtsdarstellungen bieten »Wissen über die historische Vergangenheit in einer verständlichen, attraktiven Weise«. Sie nutzen »Präsentationsformen, Medien und Genres, die den Zugang zum Thema erleichtern«, und sprechen neben dem Bedürfnis nach Bildung auch Wünsche nach »Unterhaltung, nach Entspannung und Zerstreuung, nach Identität und Orientierung, nach Abenteuer und Exotismus,

 Harald Welzer: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München , S. .  Vgl. ebd., S. -, ,  f., ,  f., -.  Vgl. ebd., S. .  Ebd., S. .  Vgl. ebd., S.  f., -.

THEORIEN UND KONZEPTE



nach neuen Erfahrungen und Erlebniswelten oder auch nach einer Flucht aus dem Alltag« an.35 »Populär« gilt manchmal als intellektuell anspruchslos. Konkret attraktiv, zugänglich und verständlich ist jedoch, was auf vielfache Weise an die Lebenswelt der Rezipierenden anknüpft und sich ohne größeren Aufwand in das Sinnbildungsgerüst ihrer Welt einfügt. Populär ist somit zunächst, was diskursiv hochkohärent daherkommt. Das Publikum muss wenig oder keine historischen Vorkenntnisse mitbringen, um die Thematik oder die Geschichte zu verstehen. Nur so ist die Darstellung einer breiten oder nur manchmal interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Um einzuschätzen, ob dargestellte Interaktionen und Problematiken plausibel erscheinen, ob man den präsentierten Orientierungen und Werten zustimmt oder ob die Ausgestaltung authentisch wirkt,36 greifen Rezipierende neben der diskursiven Referenzstruktur auf eigene Erfahrungen zurück: mediale, universell menschliche, gruppen-, zeit- oder generationenspezifische. Populäre Darstellungen wirken plausibel und authentisch, weil sie die individuellen Interaktionen zwischen Personen, die für überindividuelle, abstrakte Prozesse und Zusammenhänge stehen, in Situationen übersetzen, die viele im Diskursuniversum tatsächlich kennen:37 nicht nur aus aktuellen gesellschaftlichen Debatten, sondern aus ihrem gegenwärtigen Lebensalltag und den dafür typischen Interaktionsbereichen wie Partnerschaft, Familie, Freundschaft, Arbeit, Freizeit usw. Die Rezipierenden können sich nicht nur vorstellen, sondern wissen auch aus eigener Erfahrung, wie sich diese Situationen

 Barbara Korte, Sylvia Paletschek: Geschichte in populären Medien und Genres: Vom Historischen Roman zum Computerspiel, in: Dies. (Hrsg.): History Goes Pop, S. -, hier: S. , .  Vgl. ebd., S. .  »Oft werden explizit ›Brücken‹ zwischen Gegenwart und Vergangenheit gebaut. Identifikationsangebote werden durch personalisierte und affektive Elemente unterstrichen.« Ebd., S. .



EINLEITUNG

anfühlen, und vollziehen sie kognitiv und affektiv aktiv nach.38 Es geht hier also um empathische Praxis aus lebensweltlicher Perspektive, kurz: um Lebensweltbezug. Bei Erinnerungsproduktionen liegt das zeitgenössische Bedürfnis zudem nicht vorrangig in der historischen Bildung oder dem Eintauchen in fremde Welten. Die Vergangenheit, die innerhalb des eigenen Zeithorizonts liegt, ist bekannt. Das Wiedererkennen dient somit nicht dem Erklären, sondern der Repräsentation: Die Beteiligten finden sich selbst, die eigene Lebenswelt, die eigenen Werte und die eigene Vergangenheit in einen größeren historischen Zusammenhang eingebettet wieder.39 Ein Lerneffekt liegt insofern darin, dass solche Darstellungen »Möglichkeiten politischen und sozialen Verhaltens sichtbar machen, an denen das Publikum die eigenen, tatsächlichen (oder manchmal auch nur imaginierten) Verhaltensweisen abgleichen kann«.40 Es erfährt neue Aspekte zum bisher Erinnerten anhand alternativer Handlungen oder Sichtweisen in der fraglichen Zeit. Die Darstellungen erweitern somit die Erinnerung, schaffen neue Verknüpfungen, verdichten bestehende oder stellen sie infrage. Rezipierende arbeiten deutend aktiv mit,41 bauen ihr Wissen über die Vergangenheit um und erschließen sich damit neue Orientierungs- und Handlungsmöglichkeiten für die Lebenspraxis.42  Vgl. Juliane Brauers Definition von Empathie als »emotionale Praktik, durch die der Betrachter zu erkennen und zu deuten versucht, was er im Anderen an Gedanken und Gefühlslagen wahrzunehmen glaubt«. Juliane Brauer: Empathie und historische Alteritätserfahrungen, in: Dies., Martin Lücke (Hrsg.): Emotionen, Geschichte und historisches Lernen. Geschichtsdidaktische und geschichtskulturelle Perspektiven, Göttingen , S. -, hier: S. .  Astrid Erll, Stephanie Wodianka: Einleitung: Phänomenologie und Methodologie des ›Erinnerungsfilms‹, in: Dies. (Hrsg.): Film und kulturelle Erinnerung, S. -, hier: S. .  Fischer, Schuhbauer: Film und Fernsehen, S. .  Vgl. Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. .  Vgl. Jörn Rüsen: Historisches Lernen, Köln, Weimar, Wien , S. -.

THEORIEN UND KONZEPTE



Empfinden sich die Adressatinnen und Adressaten repräsentiert und erkennen in der Darstellung die genannten eigenen Verhaltensweisen wieder, wirken solche Darstellungen kollektiv identitätsstiftend, und die empathische Praxis überschneidet sich mit der sozialen: Das Publikum vollzieht den oben beschriebenen gemeinschaftlichen, Wir-Gefühl-erzeugenden Erinnerungsakt in medialer Form. Es sieht sich in den dargestellten Personen repräsentiert und mit ihnen als Teil einer imaginierten Gemeinschaft verbunden. Diese empathische und soziale Praxis ermöglicht es erst, sich zu den erinnerten Personen in Beziehung zu setzen, und zwar nicht nur, um sich mit ihnen zu identifizieren, sondern auch, um sich von ihnen zu distanzieren.43 Indem wir Positionen oder Handlungen der beteiligten Akteure gutheißen oder ablehnen, verorten wir uns selbst in der fraglichen Situation. Kontroverse Darstellungen bieten somit negative Repräsentation: Sie zeichnen das eigene Kollektiv glaubwürdig, hinterfragen aber sein positives Selbstbild sowie seine Erinnerungen an sein damaliges Verhalten und fordern somit Widerspruch heraus. Erinnerungsproduktionen lösen Debatten aus, gerade weil die Rezipierenden die dargestellte Vergangenheit kennen, die eigene Erinnerung für wahr halten und sich somit als kompetent und berechtigt empfinden, etwas darüber auszusagen.44 Eine Erinnerungsdarstellung, die einen hohen diskursiven und affektiven Deckungsgrad mit der eigenen Lebenswelt aufweist, können die einzelnen Rezipienten und Rezipientinnen als eigene (oder allenfalls durch Kontroversen aktualisierte) Erinnerung in ihr Gedächtnis aufnehmen und über die soziale Praxis als Erinnerung weitergeben. Dies findet vor allem dann statt, wenn bereits bestehende Erinnerungen – wie etwa bei familialen Erzählungen – nur vage vorliegen und Raum lassen, um durch mediale Darstellungen ergänzt oder konkretisiert zu werden.45  Vgl. Brauer: Empathie, S.  f.  Vgl. Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. .  Vgl. ebd., S. -.



EINLEITUNG

Erinnerungsproduktionen ohne diskursive oder lebensweltliche Anschlussangebote für das zeitgenössische Publikum scheitern hingegen.46 Sie mögen irritieren,47 laden jedoch weder zu einem Gefühl der Verbundenheit noch zu Widerspruch ein und finden daher keinen nennenswerten Anklang. Verbreitungsattraktivität: Wenn man nun zu erklären versucht, wie und warum Vergessenes plötzlich erinnert wird, sieht man sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass kollektive Erinnerung nach einem zirkulären Prinzip zu funktionieren scheint: Eine Darstellung, Initiative oder Produktion kann nicht aus sich selbst heraus beanspruchen, eine kollektive Erinnerung auszudrücken. Diese Zuschreibung vollzieht sich erst, wenn viele Personen, die sich als Mitglieder eine Gruppe mit gemeinsamer Vergangenheit begreifen, die vorliegende Manifestation als einen solchen Ausdruck auffassen. Damit dies gelingt, müssen sie überhaupt Zugang zu solchen Beiträgen haben, sich aktiv oder passiv an einem öffentlichen erinnerungskulturellen Diskurs darüber beteiligen und einander signalisieren können, dass es sich beim vorliegenden Fall um eine gemeinsame Erinnerung handelt.48 Hierfür greifen sie auf soziale und Informationsmedien zurück. Informationsmedien sind daher wesentlich am Erinnerungsdiskurs beteiligt: Sie machen dem Kollektiv Debattenbeiträge zugänglich und moderieren diese, indem sie die darin vorgebrachten Thesen, Argumente und Gegenargumente wiedergeben, in Deutungsmuster einbinden oder kommentieren. Mit Artikeln, TV -Dokumentationen oder -Serien, Radiofeatures und Ähnlichem setzen sie zudem proaktiv Erinnerungsthemen und liefern eigene Debattenbeiträge.49  Vgl. Andreas Langenohl, Kerstin Schmidt-Beck: Wenn Erinnerungsfilme scheitern – filmische Erinnerungen an den . September, in: Erll, Wodianka (Hrsg.): Film und kulturelle Erinnerung, S. -, hier: S. .  Vgl. Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. .  Vgl. Erll, Wodianka: Einleitung, S. -.  Vgl. Frank Bösch: Journalisten als Historiker: Die Medialisierung der Zeitgeschichte nach , in: Vadim Oswalt, Hans-Jürgen Pandel

THEORIEN UND KONZEPTE

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Für erinnerungskulturelle Akteure und Akteurinnen sind soziale und Informationsmedien notwendige Verbündete: In einer Informationsgesellschaft erfüllt sich die Forderung nach öffentlichem Zugang konkret nur durch mediale Verstärkung. Ohne sie erfahren die Mitglieder eines Erinnerungskollektivs nichts von einer Initiative, die somit ohne die Zuschreibung »Erinnerungs-« auskommen muss, sei ihr »Bezug auf Vergangenheit und kulturelles Gedächtnis noch so stark«.50 Vor allem größere und kostenintensivere mediale Erinnerungsproduktionen wie TV - oder Kinofilme arbeiten daher mit Informationsmedien planvoll zusammen und liefern diesen auch das Berichterstattungsmaterial.51 Die Motivation ist dabei eine ökonomische: Die Kooperation dient der Vermarktung. Je mehr Personen erreicht werden und sich entscheiden, die fragliche Produktion zu konsumieren, umso höher fallen Einnahmen wie Eintrittsgelder oder Verkaufserlöse aus, die die Produktionsbeteiligten benötigen, um ihren Aufwand zu decken. Um der Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass es sich bei einer Darstellung um die Repräsentation einer kollektiv bedeutsamen Erinnerung handelt, nutzen Informationsmedien beglaubigende Authentizitätsversicherungen wie etwa Hintergrundberichte, Interviews mit Zeitzeugen und -zeuginnen, Preisverleihungen oder Sondersendungen.52 Damit Informationsmedien eine Darstellung als Erinnerungsproduktion verbreiten und beglaubigen können, müssen die daran beteiligten Medienschaffenden bereits verstehen, dass die Produktion eine kollektive Erinnerung thematisiert und die dort vorkommenden Hinweisreize zur Vergangenheit – sogenannte cues – als solche erkennen.53 Diese cues »›fallen auf einen Boden‹, der bereitet

   

(Hrsg.): Geschichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart, Schwalbach / Taunus , S. -, hier: S. -, . Erll, Wodianka: Einleitung, S. . Fischer, Schuhbauer: Film und Fernsehen, S. -. Vgl. Erll, Wodianka: Einleitung, S.  f., -. Vgl. ebd. S. .



EINLEITUNG

wurde etwa durch aktuelle politische Diskussionen, durch anstehende Jahrestage und deren mediale Präsenz im öffentlichen Diskurs oder durch vorgängige mediale Repräsentationen wie etwa einen Roman, der einem Thema zu erinnerungskultureller Brisanz verholfen hat.«54 Erst dann kann eine Darstellung als kollektive Erinnerung über die mediale Verbreitung gedeihen.55 Was die Medienlandschaft als erinnerungskulturell »fruchtbar« oder »brisant« bewertet und als attraktiv zur Verbreitung erachtet, orientiert sich also daran, ob sie damit bekannte vergangene Ereignisse, kollektive Erfahrungen oder aktuelle Debatten aufrufen kann. Alles andere bleibt ein Nischenthema oder verschwindet im Orkus der Bedeutungslosigkeit. Wie kommt es dann also dazu, dass die Erinnerung an eine bereits vergessene Person für Informationsmedien wieder verbreitungsattraktiv wird? Wenn kollektive Erinnerungen an vergangene bedeutsame Erfahrungen und Erlebnisse oder an gegenwärtige Diskurse gekoppelt sind, dann lauten die Arbeitshypothesen auf die Frage, wie sich die Rückkehr Bauers ins kollektive Gedächtnis vollzieht, wie folgt: Erstens, vergangene Erfahrungen oder Ereignisse werden in der Gegenwart erstmals oder erneut bedeutsam, und zweitens, die Öffentlichkeit kann Bauer nunmehr in veränderte Diskurse einbinden, wie sie es vorher nicht konnte.

 Ebd., S. ; vgl. auch Erll: Kollektives Gedächtnis, S. , .  »[N]ur kollektiv über die Massenmedien wahrgenommene Ereignisse und Erlebnisse haben letztlich eine Chance, Teil der kollektiven Erinnerung zu werden. Deshalb kommen in Erinnerungsfilmen in der Regel auch nur solche Ereignisse vergangener Zeiträume zur Sprache, die viele Menschen selbst unmittelbar erlebt oder, mittelbar und medial aufbereitet, über die Massenmedien wahrgenommen haben.« Fischer, Schuhbauer: Film und Fernsehen, S. .

METHODIK UND QUELLEN



Methodik und Quellen

Die Analyse soll Rückschlüsse geben, wie der Veränderungsprozess von Vergessen zu Erinnern im Falle Fritz Bauers abläuft. Dazu werden im Folgenden die einzelnen Erinnerungsinitiativen anhand dreier Dimensionen diskutiert: Brauchbarkeit und Sinnhaftigkeit: In welche kollektiv identitätsstiftenden Vergangenheitserzählungen bindet eine Initiative Fritz Bauer ein? Mit welchen Erfahrungen, Themen und Ereignissen verbindet sie seine Person? Diskursive und lebensweltliche Anschlussfähigkeit: In welchem Diskursuniversum vollzieht sich die Erinnerung? Wie begreift eine Initiative Fritz Bauer? Welche Anknüpfungspunkte bietet sie? Können sich Menschen im dargestellten Bauer über Orientierungen, Werte und Ideale, lebensweltlich nachvollziehbare Situationen oder medial vermittelte Erfahrungen wiedererkennen und empathische oder soziale Praxis ausüben? Verbreitungsattraktivität: Ruft die Initiative ein mediales Echo hervor? Greifen erinnerungskulturelle Akteure und Akteurinnen (Medienhäuser, geschichtspolitische Institutionen usw.) dabei auf Beglaubigungsmechanismen zurück? Die Analyse gliedert sich dabei in vier Teile: Der erste Teil widmet sich den präformativen Jahren der Erinnerung an Fritz Bauer und geht gesammelt auf Initiativen ein. Der zweite Teil schildert, wie sich die aktuelle Erinnerung in der öffentlichen Erinnerungsarena entfaltet, und diskutiert dabei einzelne prominente Darstellungen ausführlicher. Der dritte Teil skizziert Initiativen, mit denen Erinnerungskollektive auf kommunaler Ebene Bauer anerkennen, sowie die Debatten, die sie über Bauer führen oder eben nicht führen. Der Abschlussteil fasst zusammen, wie sich der Prozess von Vergessen zu Erinnern vollzogen hat, in welchem Aspekt Veränderungen stattgefunden haben, welche Erinnerungsbedürfnisse des Kollektivs die jetzige Erscheinungsform Bauers stillt und warum die Öffentlichkeit Bauer als Held erinnert.



EINLEITUNG

Da in dieser Arbeit die Erinnerung an Fritz Bauer im Zentrum des Interesses steht, wird hier nicht darauf eingegangen, ob die verschiedenen Darstellungen die Persönlichkeit Bauers, seine Haltungen oder sein Leben intersubjektiv gültig gemäß Quellenlage oder Forschungsstand wiedergeben, und auch keine Stellung zu Thesen, die Erinnerungsinitiativen diesbezüglich vertreten, bezogen. Als Ausdruck öffentlicher Erinnerung werden Würdigungen von oder Reflexionen über Fritz Bauer nach seinem Tod in der öffentlichen Erinnerungsarena in kultureller Gedächtnisform verstanden:56 soziale und kalendarische Anlässe (Gedenktage, Jubiläen, Gedenkfeiern, Vorträge usw.), Manifestationen im Raum (Gebäude, Denkmäler, Straßen, Plätze, Tafeln, Ausstellungen usw.) und Kunst- und Informationsmedienproduktionen (Bücher, Filme, Theaterstücke, Briefmarken, Presseartikel, TV - und Radiosendungen usw.). Im Folgenden wird von »Darstellungen«, »Produktionen« oder »Initiativen« gesprochen. Inhaltlich berücksichtigt werden Initiativen, die hauptsächlich an Fritz Bauer erinnern oder die würdigend auf Bauer hinweisen, wenn ein anderes Thema im Mittelpunkt steht, zum Beispiel auf Tafeln oder in Dokumentationen. Produktionen, in denen Bauer nur als veranschaulichendes Text-, Ton- oder Bildmaterial auftritt, werden hingegen nicht berücksichtigt. Bei der Berichterstattung verwischt die Grenze zwischen genuinen Erinnerungsinitiativen und Vermarktungsmaßnahmen für ebendiese. Diese Unterscheidung ist jedoch nicht entscheidend: Die mediale Partnerschaft macht die Darstellung der Vergangenheit erst zum Erinnerungs- beziehungsweise Medienereignis. Daher gilt auch hier: Berücksichtigt werden Berichte, die Bauer würdigen und damit einen Erinnerungsbeitrag leisten, wie etwa Fernsehbeiträge oder Interviews, die anhand einer Darstellung das damalige Zeitgeschehen und Bauers Rolle darin  Vgl. Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Ders., Tonio Hölscher (Hrsg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main , S. -, hier: S. -.

METHODIK UND QUELLEN

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behandeln. Zudem treten bei Promotionsanlässen für Produktionen, die sich wesentlich an die Öffentlichkeit richten, daran beteiligte Personen oft als erinnerungskulturelle Akteure und Akteurinnen auf, indem sie sich über Bauer und den historischen Zusammenhang äußern. Da die Arbeit Darstellungen, Produktionen und Initiativen untersucht, die sich wesentlich außerhalb des Wissenschaftsbetriebs entfalten, berücksichtigt die Analyse wissenschaftliche Publikationen oder Veranstaltungen nur, wenn es sinnvoll ist, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen dem akademischen, teilöffentlichen Kommunikationsraum und der öffentlichen Erinnerungsarena herauszuarbeiten. Daher fehlen in der Analyse auch Initiativen akademischer Institutionen, das Werk Bauers zu verbreiten, wenn man annehmen muss, dass sie sich an Beteiligte des Wissenschaftsbetriebs oder an ein fachlich sehr interessiertes Publikum richten und nicht an die breite Öffentlichkeit. Das betrifft etwa wissenschaftliche Editionen der Schriften, Briefe, Reden oder Medienauftritte Bauers. Mediale Produktionen und soziale Würdigungen seit der Jahrtausendwende sowie dauerhafte räumliche Manifestationen sind in der Regel gut dokumentiert. Anders sieht es bei jenen aus, die länger zurückliegen oder nur für eine kurze Zeit Bestand hatten. Temporäre räumliche Produktionen wie Ausstellungen und Theateraufführungen sind nur noch mittelbar und lückenhaft über Kataloge, Pressebeiträge oder Videoausschnitte zugänglich. Eine Rekonstruktion ihres Umfelds und ihrer Themen liefert jedoch oft eine gute Grundlage für informierte Vermutungen. Vereinzelt sind jedoch nur noch der Titel oder auch nur ein Hinweis auf eine Würdigung bekannt. Gleichwohl zeichnen sich anhand der vorhandenen oder eben fehlenden Quellen der untersuchten Erinnerungslandschaft die Entwicklungen und Schwerpunkte der öffentlichen Erinnerung an Fritz Bauer ab.

2

1968–2010: VOM REFORMER ZUM INITIATOR

Wer ist Fritz Bauer? Ein biografischer Abriss

Fritz Bauer kommt 1903 in Stuttgart zur Welt und wächst dort auf. Er studiert von 1921 bis 1924 Recht und Staatswissenschaften in Heidelberg, Tübingen und München und tritt 1925 in den Staatsdienst ein. In den Folgejahren promoviert er, arbeitet als Amtsrichter am Landgericht Stuttgart und engagiert sich aktiv in der Sozialdemokratischen Partei (SPD ). Im Jahr 1933 wird er wie viele andere SPD -Funktionäre verhaftet und verbringt mehrere Monate in Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Heuberg und Oberer Kuhberg. Ende 1935 verlässt er Deutschland Richtung Dänemark, wohin bereits seine Schwester mit ihrem Ehemann emigriert ist. Die Eltern folgen wenige Jahre später. Im Herbst 1943, als die deutsche Besatzungsmacht in Dänemark die Deportation der jüdischen Bevölkerung in Vernichtungslager anordnet, flieht die ganze Familie weiter nach Schweden. Bauers dänische Ehefrau, die er wenige Monate zuvor geheiratet hat, bleibt zurück. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur kehrt Bauer 1949 über Dänemark nach Deutschland zurück und arbeitet in Braunschweig als Landgerichtsdirektor und ab 1950 als Generalstaatsanwalt. Erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird Bauer, als er 1952 als Vertreter der Anklage im Prozess gegen Otto Ernst Remer die Unrechtmäßigkeit der Verurteilung der Umsturzbeteiligten vom 20. Juli 1944 als Landesverräter gerichtlich feststellen lässt. Im Jahr 1956 wechselt Bauer als Generalstaatsanwalt nach Frankfurt am Main. Seine öffentlichen Auftritte und Stellungnahmen zu Fragen des Strafrechts und des Strafvollzugs sowie zu gesellschaftspolitischen Themen seiner Zeit



VOM REFORMER ZUM INITIATOR

machen ihn in den Folgejahren zu einer Person des bundesrepublikanischen öffentlichen Lebens. Auch ist das Zustandekommen des Frankfurter Auschwitz-Prozesses wesentlich auf die Initiative Bauers zurückzuführen: Er beantragt beim Bundesgerichtshof erfolgreich die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main für strafrechtliche Untersuchungen gegen Angehörige der Kommandantur in Auschwitz und weist seine Mitarbeitenden an, ein entsprechendes Verfahren zu eröffnen. Geleitet wird es jedoch von den Staatsanwälten Joachim Kügler und Georg Friedrich Vogel, die im Gerichtssaal zusammen mit Gerhard Wiese auch die Anklage vertreten. Im Jahr 1968 stirbt Fritz Bauer in Frankfurt.1

Die Erinnerung kurz nach Fritz Bauers Tod

Anfang Juli 1968 melden Zeitungen in Ost- und Westdeutschland Fritz Bauers Tod.2 Es folgen Nachrufe in überregionalen Zeitungen,3 die hessische Landesregierung richtet am 6. Juli eine Trauerfeier aus.4 Noch im selben Jahr folgen einige posthume Ehrungen und Erinnerungsgesten: Die Stadt München verleiht ihm die Ludwig-Thoma-Medaille für »moderne Tendenzen im

 Zu Bauers Biografie siehe Wojak: Fritz Bauer; Ronen Steinke: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, München .  Vgl. o. A.: Fritz Bauer gestorben, in: Neues Deutschland, . . ; o. A.: Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gestorben, in: Nordwest-Zeitung, . . ; o. A.: Tot aufgefunden, in: Berliner Zeitung, . . ; o. A.: Tot aufgefunden, in: Neue Zeit, . . .  Vgl. o. A.: Ein engagierter, unbequemer Jurist, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . ; Dolf Sternberger: Fritz Bauer, in: Die Zeit, . . ; Horst Krüger: Fremdling in der Stadt, in: Die Zeit, . . ; Ernst Müller-Meiningen: Wenn einer nicht im Dutzend mitläuft, in: Süddeutsche Zeitung, . . .  Vgl. Ilse Staff: Überlegungen zum Staat als »Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen«. In memoriam Fritz Bauer, in: Hessisches Ministerium der Justiz (Hrsg.): Fritz Bauer. Eine Denkschrift, Wiesbaden , S. -, hier: S. .

DIE ERINNERUNG KURZ NACH FRITZ BAUERS TOD



Recht«.5 Die Humanistische Union, von Bauer mitgegründet, lobt den Fritz-Bauer-Preis für »Verdienste um die Humanisierung, Liberalisierung und Demokratisierung des Rechtswesen[s]« aus.6 Der Verein Die Freizeit e. V., eine weitere Initiative Bauers, ändert den Namen in Gefangenenbildungswerk Dr. Fritz Bauer e. V.7 Der Neubau der Justizvollzugsanstalt Darmstadt wird 1970 als Fritz-Bauer-Haus eingeweiht.8 Die nordrheinwestfälische Stadt Heinsberg benennt 1975 eine Straße nach Fritz Bauer.9 Möglicherweise hängt dies mit der neuen Justizvollzugsanstalt für Jugendliche zusammen, die das Land 1978 eröffnet und die an die Fritz-Bauer-Straße grenzt;10 es scheint zumindest keine sonstigen, etwa lokalen Bezüge zu geben. Die Preise und räumlichen Ehrungen entstammen, abgesehen von der Ludwig-Thoma-Medaille, Fritz Bauers unmittelbarem Wirkungskreis und beruflichem Umfeld. Dieses bildet somit das ursprüngliche Erinnerungskollektiv. Es ist fachlich orientiert und ehrt Bauer im theoretischen oder praktischen Kontext rechtlicher Reform wie etwa des Strafvollzugs. Offenbar spricht dieses Erinnerungskollektiv Bauer eine nachhaltige  Franz Orthner: Aus dem kulturellen Leben, in: Nordwest-Zeitung, . . ; vgl. Sternberger: Fritz Bauer.  Humanistische Union: Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union, o. D., http://www.humanistische-union.de/veranstaltungen/ buergerrechtspreise/fritz_bauer_preis/ (. . ).  Im Jahr  benennt es sich in Berufsbildungswerk Dr. Fritz Bauer um. Vgl. Berufsbildungswerk Dr. Fritz Bauer: Über uns, o. D., http://www.bwb-berufsbildung.de/ueber-uns (. . ).  Vgl. Justizvollzugsanstalt Darmstadt: Geschichte, o. D., https://jus tizvollzug.hessen.de/justizvollzug/jva-darmstadt/geschichte (. . ).  Auskunft des Kreisarchivs Heinsberg in einer E-Mail vom . April  an die Autorin.  Die Benennung der Straße nach Fritz Bauer wird am . April  durch den Haupt- und Finanzausschuss Heinsberg beschlossen. Ob dies aufgrund der neuen JVA erfolgte, ist aus den Archivunterlagen nicht ersichtlich. Auskunft der Stadtverwaltung Heinsberg in einer E-Mail vom . August  an die Autorin; Justizvollzugsanstalt Heinsberg: Behördenvorstellung, o. D., https://www.jva-heinsberg. nrw.de/behoerde/behoerdenvorstellung/index.php (. . ).

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VOM REFORMER ZUM INITIATOR

Bedeutung für diesen Bereich zu, sonst hätte es so bald nach seinem Tod keine dauerhaften Erinnerungsformen gewählt. Die Nachrufe in den Zeitungen zielen in dieselbe thematische Richtung. Zudem ordnen sie Bauers Wirken in die gesellschaftlichen Verhältnisse der Bunderepublik ein – und diese stehen offenbar im Gegensatz zu Bauers Denken und Handeln: Fritz Bauer, der »Radikale«,11 der »unerschrockene Kämpfer für Fortschritt und Aufklärung«12 und »unbequeme Jurist«13 polarisiert. Als Strafrechtsreformer wird er »missverstanden, oft angegriffen«14 und in »unserer Gesellschaft, die sich zu ihrer Vergangenheit nicht bekennen will« oder geistig dieser noch verpflichtet ist, »von vielen respektiert, von einigen geachtet, von sehr vielen aber auch gehaßt […], natürlich. Faschismus stirbt nicht so rasch«.15 »Faschismus« geht hier über konkrete NS -Tatbeteiligte hinaus: Die Feindschaft stammt aus verschiedensten Ecken der Gesellschaft, die eine Veränderung zu mehr Freiheitlichkeit und Demokratie ablehnen.16 Die jüngste Vergangenheit ist in allen Artikeln präsent. Sie weisen auf die fehlende gesellschaftliche Bereitschaft hin, Rechenschaft über die Diktatur abzulegen, auf die Kontinuität von NS -Personal in einflussreichen Positionen und auf Bauers Bemühungen, die Verbrechen juristisch zu ahnden. Bauers diesbezügliches Engagement oder daraus erfolgende Strafverfahren stehen jedoch nicht im Vordergrund der Nachrufe. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ ) und die Süddeutsche Zeitung (SZ ) erwähnen den Frankfurter Prozess nicht einmal. Die FAZ weist zwar auf das Verfahren gegen Remer hin und bemerkt: »[D]er Widerstand war immer eines seiner Hauptthemen gewesen, auch zuletzt noch«.17 In den Mittelpunkt stellt sie jedoch       

Müller-Meiningen: Wenn einer nicht im Dutzend mitläuft. Krüger: Fremdling in der Stadt. O. A.: Ein engagierter, unbequemer Jurist. Ebd. Krüger: Fremdling in der Stadt. Vgl. Müller-Meiningen: Wenn einer nicht im Dutzend mitläuft. O. A.: Ein engagierter, unbequemer Jurist.

DIE ERINNERUNG KURZ NACH FRITZ BAUERS TOD

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Fritz Bauers Einsatz »für ein humaneres Strafrecht«,18 wie auch die SZ , die sein Vermächtnis vor allem in Impulsen zur Strafgesetzreform sieht.19 Vielmehr betten die Nachrufe die rechtliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und die gelegentlichen Verweise auf die Prozesse in Fritz Bauers übergreifendes menschenrechts- und demokratieorientiertes Denken ein. Der Ankläger ist eine Facette des Reformers, und es ist Letzterer, den die Autoren in den Mittelpunkt stellen. Aus ihrer Sicht ergibt sich Bauers Bedeutung nicht aus spezifischen Aufarbeitungserfolgen, sondern aus seinem grundsätzlichen Streben nach Erneuerung von Strafrecht und Strafvollzug, das sich in verschiedenen Aspekten seiner Arbeit ausdrückt: Er »hat auf seine eigene Weise deutsche Rechtsgeschichte nach den Jahren des Unrechts gemacht: im Gerichtssaal, wenn es um die Mörder von Auschwitz ging, am Vortragspult, wenn er für einen Strafvollzug aus Menschlichkeit plädierte, hinter seinem Schreibtisch, wenn er über ein zeitgerechtes Strafrecht nachsann.«20 Es ist sind Gegenwarts- und Zukunftsthemen, die die Nachrufe, Preise und Ehrungen der Nachwelt mitgeben wollen. Sie ordnen Bauer in einen Diskurs des gesamtjuristischen und gesellschaftlichen Fortschritts ein. Bauers Rolle darin ist die des Vorkämpfers für den demokratischen Menschenrechtsstaat, der noch nicht erreicht ist. Die reformaversen Kräfte und Denkschulen, die sich auch, aber nicht nur in der Integration von NS -Tätern und -Täterinnen ausdrücken, sind eben noch nicht überwunden und die Gesellschaft harrt noch der Veränderung. Bauer in eine Erzählung der Aufarbeitung einzuordnen, ergäbe aus Sicht seiner gedenkenden Zeitgenossen keinen Sinn. Oder doch? Es findet sich noch ein Nachruf in der US amerikanischen New York Times. Bauers Reformimpulse sind dem Artikel nur wenige Zeilen wert. Er widmet sich seiner  Ebd.  Vgl. Müller-Meiningen: Wenn einer nicht im Dutzend mitläuft.  Sternberger: Fritz Bauer.

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VOM REFORMER ZUM INITIATOR

aus internationaler Sicht wichtigeren Leistung, als »one of West Germany’s top Nazi hunters« NS -Täter wie »Martin Bormann, Adolf Eichmann and a number of concentration camp doctors« juristisch verfolgt zu haben. Der Artikel konstatiert: »Dr. Bauer’s probably most significant contribution to the prosecution of Nazi killers was the arranging of the marathon Auschwitz trial of former camp officials in Frankfurt.«21 Aber New York ist 1968 weit weg. Die fachlichen Bezugspunkte der Preise und räumlichen Andenken sowie die Ritualität, die Nachrufe ausmacht, bieten wenig Stoff für Kontroversen. Die Öffentlichkeit wird die Ehrungen zur Kenntnis genommen haben, aber mehr wohl nicht. In den Folgejahren jedenfalls legt sich in der BRD Schweigen über den Juristen, der zu seinen Lebzeiten so polarisiert hat. Lediglich zwei Tage vor Bauers 70. Geburtstag 1973 ist auf WDR 1 ein Essay über den Staatsanwalt zu hören.22 Auch die DDR , die in den 1960er Jahren regelmäßig über das »Kesseltreiben«23 gegen Fritz Bauer berichtet und sich auf ihn als Kronzeugen für den Arbeiter- und Bauernstaat als das bessere Deutschland beruft,24 vergisst ihn trotz des Versprechens, dass »die Widerstandskämpfer der DDR […] Fritz Bauer ein ehrendes Gedenken« wahren werden,25 bemerkenswert schnell. Für die Zeit nach seinem Tod bis zur politischen Wende 1989/1990  O. A.: Dr. Fritz Bauer Prosecuted Nazis. German Hunter of War Criminals Is Dead at , in: The New York Times, . . .  Vgl. WDR , Dokumentation und Archive, . . , Walter Fabian: Fritz Bauer – Der Generalstaatsanwalt, . . ; vgl. den gleichnamigen Artikel in der Hauszeitschrift der Humanistischen Union: Walter Fabian: Fritz Bauer – Der Generalstaatsanwalt, in: Vorgänge,  (), H. , S. -.  O. A.: Bonner Kesseltreiben gegen Dr. Bauer, in: Neues Deutschland, . . .  Vgl. o. A.: Faschisten drohen Dr. Bauer, in: Berliner Zeitung, . . ; o. A.: Angriff gegen Dr. Bauer, in: Neue Zeit, . . ; o. A.: Hätte Bonn wie DDR gehandelt, in: Neues Deutschland, . . .  O. A.: Ehrendes Gedenken für Dr. Fritz Bauer, in: Berliner Zeitung, . . .

ERSTE ERINNERUNGSIMPULSE

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finden sich weder im DDR -Zeitungsarchiv noch im Deutschen Rundfunkarchiv Artikel, Radio- oder Fernsehsendungen ostdeutscher Medien über Bauer oder Hinweise auf dortige Gedenkveranstaltungen oder sonstige Erinnerungsanlässe.

Erste Erinnerungsimpulse

Die ersten, potenziell breitenwirksamen Erinnerungs- und Würdigungsinitiativen in Deutschland lösen Politik und Medien aus, genauer: ein Bürgermeister und der Hessische Rundfunk (HR ). Volker Hauff, Oberbürgermeister Frankfurt am Mains und SPD -Mitglied, besucht 1989 die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israel. Nach seiner Rückkehr schlägt er der Stadt ein Lern- und Dokumentationszentrum des Holocaust vor.26 Welchen Namen das Zentrum tragen soll, ist zunächst offen. Zeitweise kursieren Hannah Arendt und Raul Hilberg als potenzielle Namensgeber.27 Schließlich einigen sich die Projektbeteiligten auf Fritz Bauer. Den Verantwortlichen geht »es darum, eine Person zu ehren, die eine entscheidende Rolle in der Nachkriegs-Auseinandersetzung mit dem Holocaust gespielt hat«.28 Während die Planung für die Gründung des Fritz Bauer Instituts (zunächst in Form einer Arbeitsstelle)29 fortschreitet, formiert sich erstmals seit Bauers Tod und unter tatkräftiger Beteiligung des Hessischen Rundfunks wieder ein Erinnerungs Ulli Haussmann: Über die Schwierigkeiten des Erinnerns, in: Die Tageszeitung, . . ; Wolfgang Wischmeyer: »Damit der Bunker nicht zu einer unendlichen Geschichte wird«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . .  Vgl. Otto Köhler: Fritz Bauer zu Ehren, in: Die Zeit, . . ; Franziska Schubert: Fritz Bauer Institut feiert Jubiläum, in: Frankfurter Neue Presse, . . .  Mariam Niroumand: »Das Zentrum wird keine Obergedenkstätte sein«, in: Die Tageszeitung, . . .  O. A.: Förderverein gegründet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . .

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VOM REFORMER ZUM INITIATOR

kollektiv. Anlässlich der Namensfindung für das Institut strahlt das HR -Fernsehen 1993 in der Sendung City den Beitrag »Fritz Bauer« zum Staatsanwalt und den Auschwitz-Prozessen aus.30 An seinem Todestag am 1. Juli folgt auf HR 2 das würdigende Radiofeature »Gerichtstag halten über uns selbst«. Drei Wochen später legt HR 1 mit dem Kurzbeitrag »Vorbild für eine Generation – Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wäre heute 90 geworden« nach.31 Am selben Tag feiern der Förderverein Fritz Bauer Institut e. V. und das Institut für Stadtgeschichte den Geburtstag im Foyer des Sendesaals des Hessischen Rundfunks. Helga Einsele, Bauers Kollegin und ehemalige Leiterin einer Straf- und Untersuchungshaftanstalt, spricht über Bauers Leben, zwei Mitarbeitende des HR zeigen Archivaufnahmen.32 Sie sind nicht die Einzigen: Am 15. November 1993 begehen Bauers ehemalige Kolleginnen und Kollegen aus Justizvollzug und Staatsanwaltschaft im Oberlandesgericht mit Bekannten Bauers sowie Gästen aus Politik, Verwaltung, Bildung, Wissenschaft und Rechtspraxis den 90. Geburtstag und 25. Todestag.33 Diese Gruppe rekrutiert ihre Mitglieder aus einer Fachöffentlichkeit und entspricht wohl am ehesten dem ursprünglichen Erinnerungskollektiv, das die Ehrungen kurz nach Bauers Tod initiiert hat. Die Anwesenden ehren Bauer als einen der ihren, es handelt sich daher nicht um ein Public-History-Ereignis.  Vgl. Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Ruth Fühner, Rolf Bickel: Fritz Bauer, in: City, . . .  Vgl. Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Manfred Köhler: Gerichtstag halten über uns selbst, . . ; Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, hrhfdb.KONF . , Ulrike Holler: Vorbild für eine Generation – Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wäre heute  geworden, . . .  Vgl. Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, Frankfurt am Main , S. , https://kultur-frankfurt.de/download/ /_Fritz-BauerBiografischeAngaben.pdf.aspx (. . ).  Vgl. Christine Hohmann-Dennhardt: Vorwort, in: Hessisches Ministerium der Justiz (Hrsg.): Fritz Bauer, o. S.; Hans Christoph Schaefer: Begrüßung, in: Ebd., S. -, hier: S.  f.; Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .

ERSTE ERINNERUNGSIMPULSE

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An diesem Anlass wird eine thematische Verschiebung sichtbar, die sich bereits in der Begründung der Namensfindung des Fritz Bauer Instituts gezeigt hat: Gegenwärtige Vertreter und Vertreterinnen der Justiz heben Bauers Verdienste für die juristische Aufarbeitung der NS -Zeit für die Gegenwart hervor34 oder die Relevanz seiner Analysen des der NS -Diktatur zugrunde liegenden Denkens angesichts »des wiedererstarkten Rechtsradikalismus unserer Tage«.35 Die Zeitgenossen und -genossinnen Bauers würdigen nach wie vor dessen humanistische Motivation zur juristischen Liberalisierung, schätzen jedoch »die Vorbereitung der ersten Holocaustprozesse« als »sein bedeutendstes Werk«36 ein oder legen den Erinnerungsschwerpunkt auf die Prozesse selbst.37 Bauers Gegner und Gegnerinnen werden eher im Lichte ihres Widerstands gegen das Offenlegen und Verfolgen der NS -Verbrechen skizziert.38 Ihre Ablehnung der Bemühungen Bauers um eine gesamtjuristische und gesellschaftliche Liberalisierung, die die Nachrufe 1968 betonten, leuchtet weniger auf.39 Derweil arbeitet der HR an einer Dokumentation, die sich ausdrücklich an die Öffentlichkeit richtet und den ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main von 1963 bis 1965 thematisiert. Die Autoren nutzen nicht nur Senderarchivmaterial, sondern recherchieren selbst und interviewen Zeitzeugen und Zeitzeuginnen.40 Aus dem Film- und Tonmaterial produzie Vgl. Schaefer: Begrüßung, S. -.  Christine Hohmann-Dennhardt: Ansprache, in: Hessisches Ministerium der Justiz (Hrsg.): Fritz Bauer, S. -, hier: S. .  Helga Einsele: [ohne Titel], in: Ebd., S. -, hier: S. .  Vgl. Heinz Meyer-Velde: [ohne Titel], in: Ebd., S. -, hier: S.  f.  Vgl. ebd., S. ; Schaefer: Begrüßung, S. ; Hohmann-Dennhardt: Ansprache, S.  f.  Helga Einsele ist die Einzige, die darauf den Schwerpunkt legt. Vgl. Einsele: [ohne Titel], S. -.  Vgl. Dieter Deul: Strafsache  Ks /. Vierteilige Doku über den Auschwitz-Prozess ab Montag, . Uhr in Hessen , in: Die Tageszeitung, . . .

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ren sie die dreiteilige Fernsehdokumentation Strafsache 4 Ks 2/63. Die Serie schildert die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen diverse NS -Tatbeteiligte, im Fokus steht jedoch der Prozess. Fritz Bauer wird als jene Person vorgestellt, die ihn erst ermöglicht hat. Er tritt in Episode eins »Die Ermittlung« und Episode drei »Das Urteil« auf.41 Die Dokumentation ist Teil eines Geschichtsevents: Die Erinnerung an den Beginn des Auschwitz-Prozesses 30 Jahre zuvor. Am 20. Dezember 1993 strahlt Hessen 3 die erste der drei Folgen aus, am gleichen Tag, an dem der Prozess 1963 begann.42 Zeitgleich organisieren die Arbeitsstelle Fritz Bauer Institut und das Institut für Stadtgeschichte den Kongress »betr. Fritz Bauer und der Auschwitz-Prozess« im Rathaus und dem Bürgerhaus Gallus.43 Mit einem vierten Teil, einer Diskussionssendung im Rahmen des Kongresses, schließt der HR die Dokumentation ab und verbreitet die Verknüpfung Bauers mit dem Prozess noch einmal wissenschaftlich beglaubigt über den Äther.44 Die Dokumentation läuft in den nächsten zwei Jahren auf verschiedenen dritten Programmen, tendenziell leicht außerhalb der Primetime kurz vor oder nach 21 Uhr.45 Auch andere Sender greifen das Jubiläum auf und legen den Schwerpunkt entweder auf das Verfahren oder auf Fritz Bauer:  Vgl. Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Dietrich Wagner, Rolf Bickel: Strafsache  Ks /: Die Ermittlung, . . ; Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Dietrich Wagner, Rolf Bickel: Strafsache  Ks /: Das Urteil, . . .  Vgl. Deul: Strafsache  Ks /.  Vgl. Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .  Vgl. Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Redaktion HA FS -Bildung und Kultur: Strafsache  Ks /: Die Diskussion, . . .  Vgl. Deul: Strafsache  Ks /; siehe beispielhaft das TV -Programm, in: Nordwest-Zeitung, Ausgabe Oldenburger Nachrichten vom . . , . . , . . , . . , . . , . . ; TV -Programm, in: Nordwest-Zeitung, Ausgabe Oldenburger Kreiszeitung, . . ; TV -Programm, in: Nordwest-Zeitung, Ausgabe Der Gemeinnützige, . . , . . , . . .

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Radio Bremen sendet am 18. Dezember 1993 ein Portrait Bauers mit dem Titel »Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken«, das am Rande auch das neue Institut erwähnt.46 Der SWR und der Deutschlandfunk strahlen zwei Tage später eine Radiodokumentation über den Prozess aus.47 Diese erwähnt Bauer würdigend, aber mehr nicht. Zur Gründung des Fritz Bauer Instituts im Januar 1995 zeigt das ZDF ein kurzes Feature über ihn und den Auschwitz-Prozess,48 im selben Monat findet sich ein Radioprogrammhinweis auf Prozess und Bauer auf NDR 4.49 Ein Jahr später folgt die WDR -Radiodokumentation »Habt ein besseres Gedächtnis – Fritz Bauer und der Auschwitz-Prozeß«.50 Gemeinsam ist den Sendungen, was sie in Szene setzen: Die mediale Erinnerung an Fritz Bauer konzentriert sich auf seine Rolle bei der juristischen Aufarbeitung von NS -Verbrechen und speziell den Auschwitz-Prozess. Im Gegensatz dazu flackert die reformorientierte Erinnerung nur in der WDR -Fernsehdokumentation Die Würde eines jeden Menschen. Erinnern an Fritz Bauer von 1995 auf, in der sich Weggefährten und -gefährtinnen vielfältig zu Bauer äußern.51 Weder sie noch die  Vgl. Radio Bremen, Programmvermögen und Informationsservice, , Conrad Taler: Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken, . . .  Es handelt sich zweimal um dieselbe Produktion, wenn auch mit anderen Titeln und unterschiedlicher Länge. Vgl. Deutschlandradio, Dokumentation und Archive, DZ (D), Michael Marek: Der Frankfurter Auschwitz-Prozeß – Wie sagt man, Auschwitz hat stattgefunden, . . ; Südwestrundfunk, Information, Dokumentation und Archive, W(AMS ), Michael Marek, Eberhard Ruth: Auschwitz-Prozeß:  Jahre danach, . . .  Vgl. ZDF , Unternehmensarchiv, , Karl Heinz Meier: Fritz Bauer Institut, in: Aspekte, . . .  O. A.: »Logo«, in: Hör-bar, Nordwest-Zeitung, . . .  Vgl. WDR , Dokumentation und Archive, .., Malte Linde: Habt ein besseres Gedächtnis – Fritz Bauer und der AuschwitzProzeß, . . .  Vgl. WDR , Dokumentation und Archive, , David Wittenberg: Die Würde eines jeden Menschen. Erinnern an Fritz Bauer, . . .

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Radioproduktion des WDR werden an Jahrestagen des Prozesses ausgestrahlt.52 Die Produktionen von 1993 bis 1996 zeigen beispielhaft, wie Rundfunkanstalten über breitenwirksame Medien die Bahnen im kollektiven Gedächtnis legen, denen zukünftige Erinnerungs-cues zu Fritz Bauer folgen: In diesen Jahren bauen die Medienhäuser ihre Geschichtsredaktionen auf und senden vermehrt Beiträge, die dem Bedürfnis nach verstärkter Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit entsprechen.53 Dies gebietet die ökonomische Vernunft: Die Leistungen von Informationsmedien vollziehen sich innerhalb eines marktwirtschaftlich orientierten Produktions- und Distributionssystems. Diesem sind auch öffentlich-rechtliche Medienanstalten unterworfen. Ein Programm, das Gegenwartsthemen aufnimmt, erreicht ein breites Publikum.54 Daher senden die Medienhäuser Strafsache 4 Ks 2/63 und die meisten weiteren Produktionen bevorzugt an passenden Jahrestagen und inszenieren sie medial als Teil eines Erinnerungsereignisses mit weiteren Sendungen, um ihnen möglichst viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.55 Über solche »Erzählanlässe« bringen und halten Rundfunkanstalten »den Erinnerungsprozess in Gang«,56 in diesem Fall jenen an den Auschwitz-Prozess in Frankfurt, über den sie Bauer bevorzugt aufrufen. Die anlass- und gegenwartsorientierte Programmgestaltung steuert nicht nur, was Redaktionen aus dem Archiv hervorholen, sondern auch, was sie dort belassen. So hat sich Fritz Bauer  Die TV -Dokumentation läuft am . November um : auf Sat und am . November um : auf West . Vgl. das TV -Programm, in: Nordwest-Zeitung, Ausgabe Oldenburger Nachrichten, . . , . . .  Vgl. Bösch, Goschler: Nationalsozialismus und deutsche Public History, S.  f.  Vgl. Fischer, Schuhbauer: Film und Fernsehen, S.  f.; Tobias Ebbrecht: History, Public Memory and Media Event, in: Media History,  (), H. -, S. -, hier: S. .  Vgl. ebd., S. ; Fischer, Schuhbauer: Film und Fernsehen, S. .  Ebd., S. , .

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in Radio und Fernsehen auch zu anderen Themen geäußert.57 Dieses Material scheint jedoch in den TV - und Radioproduktionen der 1990er Jahre keine Verwendung zu finden. Wie sich bereits beim Kern-Erinnerungskollektiv abzeichnete, betrachten auch die Medienproduktionsleitungen Bauers Anliegen, eine unfreiheitliche Rechtsordnung und Gesellschaft zu reformieren, nicht als das entscheidende Erinnerungsmotiv, da sich damit kein Bezug zur Gegenwart herstellen lässt. Die Dominanz der illiberalen Gesellschaft ist verloren gegangen, ihre Strukturen haben sich im Alltag aufgelöst, ihre Vertreter und Vertreterinnen in Justiz, Politik und Verwaltung sind zum Zeitpunkt des ersten größeren Erinnerns ebenfalls Geschichte. Ohne gesellschaftlichen Leidensdruck und somit Bedarf an grundlegender struktureller Veränderung verlieren Bauers Reformbemühungen ihren Nutzen als leuchtende Beispiele aus der Vergangenheit, um in der Gegenwart entsprechend zu handeln und die Zukunft zu gestalten, und damit auch ihren Erinnerungswert. Diese »Fundamentalliberalisierung des Alltagslebens«58 wird oft der 68er-Bewegung zugeschrieben. Sie sei der »beschleunigende Faktor in einem dynamischen Modernisierungs- und Reformprozess […], der die ›langen 1960er Jahre‹ kennzeichne«.59 Wiewohl unterschiedliche Positionen dazu bestehen, wie stark die Bewegung Gesellschaft und Politik tatsächlich verändert hat und ob es berechtigt ist, sie zur prägenden Erfahrung einer Generation zu erklären,60 wird die Deutung als generationelle  Vgl. Hans-Ulrich Wagner: Fritz Bauer und das Radio, in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History,  (), H. , S. -; Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden,  DVD s, Berlin .  Hubert Kleinert: Mythos , in: Aus Politik und Zeitgeschichte,  (), H. -, S. -, hier: S. .  Ingrid Gilcher-Holtey: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): »« – Eine Wahrnehmungsrevolution? Horizont-Verschiebungen des Politischen in den er und er Jahren, München , S. -, hier: S. .  Vgl. Udo Wengst: »« als Gegenstand der Kommunikations- und Bewegungsforschung. Erkenntnisfortschritt oder Begriffsakrobatik?, in: Ebd., S. -, hier: S.  f.; Bernd Weisbrod: Generation

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Bewegung mit gesellschaftsverändernder Wirkung von Medien durchaus vertreten.61 Wenn die heutige deutsche Gesellschaft sich als wesentlich demokratisch und freiheitlich betrachtet, dann müsste sie sich also auf diese Zeit als identitätsstiftende Periode und auf die 68er-Bewegung als Vorläuferin des heutigen Wertekollektivs berufen. Gemäß der Fortschrittserzählung zum Zeitpunkt von Bauers Tod könnte sie die Aufarbeitung der NS -Zeit in eine Selbsterzählung der gesamtgesellschaftlichen Liberalisierung und Demokratisierung Westdeutschlands integrieren, den Verdienst dafür der 68er-Bewegung zuschreiben und Bauer darin einordnen.62 Dies ist aber nicht der Fall. Deutet man die 68er als Generationenbewegung, findet Fritz Bauer darin allein schon vom Jahrgang her keinen Platz.63 Was die Aufarbeitung der NS -Verbrechen in der Bundesrepublik betrifft, so hat die 68er-Bewegung zwar die Beteiligung von Honoratioren am NS -Regime öffentlichkeitswirksam thematisiert,64 ihre konkrete Aufarbeitungsbilanz fällt rückblickend jedoch durchwachsen aus: Die Bewegung interessierte sich mehr für gegenwärtige Systemkritik und zog sich bald in theoretische Diskussionen zurück.65 Mit der erfolgreichen Überwindung

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und Generationalität in der Neueren Geschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,  (), H. , S. -, hier: S.  f. Beispielhaft die Sendedossiers zur er-Bewegung: Deutschlandfunk Kultur:  Jahre er, o. D., https://web.archive.org/ web//http ://www.deutschlandf unkkultur. de:/-jahre-er..de.html (. . ); SWR : Die er, . . , https://www.swr.de/swr/leben-und-gesellschaft/swrdie-er-uebersicht-.html (. . ). Vgl. zum Thema auch die Beiträge in Katharina Rauschenberger, Sybille Steinbacher (Hrsg.): Fritz Bauer und »Achtundsechzig«. Positionen zu den Umbrüchen in Justiz, Politik und Gesellschaft, Göttingen . Vgl. Frei: Fritz Bauer, S.  f. Vgl. Jens Kastner:  und die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen,  (), H. , S. -, hier: S.  f. Vgl. Wulf Kansteiner: Losing the War, Winning the Memory Battle. The Legacy of Nazism, World War II , and the Holocaust in the

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der gesamthaft illiberalen longue-durée-Strukturen kommt der identitätsstiftenden Fortschrittserzählung auf dem Weg zur freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnung zudem nicht nur eine Vorzeigeperson wie Bauer abhanden, sondern das ganze Ziel- und Erzählobjekt. Es wurde erreicht und wird nicht mehr als Mobilisationsimpuls gebraucht. Dass Fritz Bauer mit dem Wandel hin zur liberalen Gesellschaft in Vergessenheit gerät, verwundert daher nicht. Erklärungsbedürftig ist vielmehr, warum ausgerechnet er als prägende Figur der Vergangenheitsaufarbeitung und mehrheitlich im Kontext des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses wieder auftaucht. Denn es ist die Zivilgesellschaft der 1970er und 1980er Jahre, die nachholt, was die 68er-Bewegung versäumt hat: Nicht nur Radio- und TV -Redaktionen, auch Geschichtswerkstätten, Alltagsgeschichtsprojekte oder pädagogische Initiativen befassen sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und stellen dabei erstmals die Opfer ins Zentrum. Sie inszenieren Diktatur- und Leidenserfahrungen, dokumentieren Aussagen von Zeugen und Zeuginnen, erschließen Ausgrenzung und Verbrechen vor Ort und verankern sie als Schulstoff in Lehrbüchern und Bildungsplänen.66 Seitens der Justiz gehen in dieser Zeit jedoch keine breitenwirksamen Aufarbeitungsimpulse aus, und die Bundesregierung fördert tendenziell entkonkretiFederal Republic of Germany, in: Lebow, Kansteiner, Fogu (Hrsg.): The Politics of Memory in Postwar Europe, S. -, hier: S. ; Bösch, Goschler: Nationalsozialismus und deutsche Public History, S. ; Dirk van Laak: Der Platz des Holocaust im deutschen Geschichtsbild, in: Konrad Jarausch, Martin Sabrow (Hrsg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach , Göttingen , S. -, hier: S. .  Vgl. Simone Lässig: History, Memory, and Symbolic Boundaries in the Federal Republic of Germany. Migrants and Migration in School History Textbooks, in: Cornelia Wilhelm (Hrsg.): Migration, Memory, and Diversity. Germany from  to the Present, New York, Oxford , S. -, hier: S. ; Habbo Knoch: Spurensuche: NS -Gedenkstätten als Orte der Zeitgeschichte, in: Bösch, Goschler (Hrsg.): Public History, S. -, hier: S. -; Kansteiner: Losing the War, S. -.

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sierende Darstellungen der NS -Vergangenheit.67 Warum steigt ausgerechnet ein höherer Beamter, der diese Institutionen repräsentiert, zur Symbolfigur der kritischen Auseinandersetzung mit den NS -Verbrechen auf, und nicht etwa eine Person aus dem zivilgesellschaftlichen Spektrum? Der Grund für das Wiedererinnern an Bauer im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS -Verbrechen liegt an einer Neuausrichtung der identitätsstiftenden Vergangenheitserzählung als Fortschrittsgeschichte, genauer: an der Kreation einer neuen Meistererzählung durch geschichtspolitische Akteure und Informationsmedien. Das Zusammenspiel zwischen wachsender zivilgesellschaftlicher Auseinandersetzung und medialer Aufmerksamkeit führt in der Bundesrepublik ab den 1990er Jahren zu Ermüdungserscheinungen in der Vermittlung und politischen Forderungen nach einem Vergessen. Dadurch aufgeschreckt, mahnen geschichtspolitische Akteure und Akteurinnen das Erinnern an: »Als deutsche ›Schuld‹«, so Dirk van Laak, »wurde nun zunehmend das Schweigen über die Vergangenheit, immer weniger die Tat als solche bezeichnet, und zunehmend wurde es als undemokratisch und einer offenen Gesellschaft schädlich gewertet.«68 Begünstigt wird dieses »neue Paradigma des fortgesetzten Erinnerns«69 durch die Deutung des Holocaust als  Es gibt in den Jahren nach den Auschwitz-Prozessen durchaus weitere Gerichtsprozesse; diese lösen jedoch nicht mehr die gleiche öffentliche Resonanz aus. Zudem versäumt die Politik, die Gesetzgebung für eine angemessene Verfolgung der Taten anzupassen. Vgl. Kansteiner, Losing the War, S.  f.; Peter Reichel: Der Nationalsozialismus vor Gericht und die Rückkehr zum Rechtsstaat, in: Ders., Schmid, Steinbach (Hrsg.): Der Nationalsozialismus, S. -, hier: S. -; Annette Weinke: Die Justiz als zeithistorische Forschungsstelle, in: Bösch, Goschler (Hrsg.): Public History, S. -, hier: S.  f.; Claudia Fröhlich: Rückkehr zur Demokratie – Wandel der politischen Kultur in der Bundesrepublik, in: Reichel, Schmid, Steinbach (Hrsg.): Der Nationalsozialismus, S. -, hier: S. .  Van Laak: Der Platz des Holocaust, S. .  Ebd., S. .

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»globalen Erinnerungsort«.70 Er ist zur erinnerungskulturellen Chiffre für verschiedenste kollektive Leidenserfahrungen und Menschenrechtsverbrechen in Europa und der Welt geworden. Den Holocaust zu erinnern heißt, sich zu Menschenrechten zu bekennen.71 Über diesen »Wertebezug«,72 der über den konkreten historischen Sachverhalt hinausgeht, kann sich die deutsche Gesellschaft als Wertekollektiv in eine europäische Erinnerungsgemeinschaft einreihen und von einer primär nationalstaatlich definierten Identität lösen, die sie in direkte Nachfolge von NS Täterinnen und -Tätern stellt. Das identitätsstiftende Moment als normativ definierte Gemeinschaft ergibt sich durch den Erinnerungsakt selbst: Man beweist moralische Reife, indem man der vergangenen Verbrechen und der Opfer des Holocaust gedenkt. Über die Selbstkonfrontation mit dieser ungeliebten Vergangenheit demonstriert die neue Wertegemeinschaft, dass sie sich sowohl vom Unrechtsstaat wie auch von einem moralisch unreifen Kollektiv distanziert, das die Verantwortung für die Verbrechen von sich gewiesen hat,73 und nun der Achtung der Menschenrechte verpflichtet ist. Das Paradigma des fortgesetzten Erinnerns entwickelt sich über die Jahre zur kulturellen Praxis, die die Mitglieder der deutschen Gesellschaft mittlerweile bereits in ihrer Kindheit einüben.74 Allerdings bedarf es einer Begründung, warum sie dies auch in Zukunft tun sollten. Denn zum einen bieten die Verbrechen keinerlei positiven Bezugspunkte für eine identitätsstiftende Selbsterzählung, zum anderen ist die selbstkritische    

Erll: Kollektives Gedächtnis, S. . Vgl. ebd.; van Laak: Der Platz des Holocaust, S.  f. Ebd., S. . Vgl. zu Opferidentifikation und Distanzierungsgeste Astrid Messerschmidt: Besetzen – Distanzieren – Globalisieren. Ambivalente pädagogische Erinnerungspraktiken in der Migrationsgesellschaft, in: Jureit, Schneider, Frölich (Hrsg.): Das Unbehagen an der Erinnerung, S. -, hier: S.  f.  Vgl. Norbert Frei:  und wir. Das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen, München , S. .

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Auseinandersetzung mit der NS -Vergangenheit mit dem Tod der Beteiligten faktisch beendet. Zudem ergibt die ausdrücklich erinnernde Distanzierungsgeste in einer sich als pluralistisch verstehenden deutschen Gesellschaft gar keinen Sinn: Warum sollte eine Gesellschaft, deren Angehörige wenig bis nichts mit jener der NS -Diktatur gemeinsam haben,75 immer wieder darauf hinweisen, dass dem so ist? Reicht nicht der Bezug auf universale Menschenrechte, um sich als Wertegemeinschaft zu bestätigen? Das Problem ist, dass die Mitglieder der heutigen deutschen Gesellschaft, auch wenn sie sich nicht mehr auf eine nationalkulturelle Identität berufen können oder wollen und nicht an der katastrophalen Vergangenheit beteiligt waren,76 immer wieder damit konfrontiert werden. Die Erinnerung an die Verbrechen und ihre Opfer wird weltweit von Erinnerungskollektiven und über global distribuierte Medienproduktionen lebendig gehalten und regelmäßig aktualisiert.77 Allein die 1990er Jahre sehen mehrere international erfolgreiche Erinnerungsfilme wie Schindlers Liste oder La Vita è bella. Aus diesem Grund setzen sich Forderungen nach einem »Schlussstrich« nicht durch: In einer globalisierten Medien- und Informationsgesellschaft entscheiden politische Gemeinwesen nicht souverän, was historisch bedeutsam ist. Daher binden deutsche geschichtspolitische Akteure und Akteurinnen die katastrophale Vergangenheit konstruktiv in eine kollektiv identitätsstiftende Vergangenheitserzählung ein, indem sie sich verändernde und einander widerstreitende  Vgl. zum ausgrenzenden Aspekt einer »abstammungsbezogenen« Erinnerungsarbeit Messerschmidt: Besetzen – Distanzieren – Globalisieren, S. -.  Vgl. Jureit: Geschichte als Identitätsressource, S.  f.  Vgl. zur internationalen TV - und Filmproduktion ab  zum Thema Frank Bösch: Entgrenzte Geschichtsbilder? Fernsehen, Film und Holocaust in Europa und den USA -, in: Ute Daniel, Axel Schildt (Hrsg.): Massenmedien im Europa des . Jahrhunderts, Köln , S. -.

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Formen des Umgangs damit ins Zentrum stellen: Die Erzählung beschreibt den Weg vom »Ringen um eine selbstkritische Auseinandersetzung«78 hin zum heutigen Wertekollektiv und erklärt damit, wie es zur gegenwärtigen kulturellen Praxis des fortgesetzten Erinnerns gekommen ist. Der Verlauf dieses Ringens entfaltet sich in der Erzählung als wachsende Bereitschaft der deutschen Gesellschaft, sich mit den Verbrechen und ihren Opfern zu beschäftigen, womit sich das demokratische, menschenrechtsorientierte Kollektiv der »Guten« gegen das erinnerungs- und aufarbeitungsaverse durchsetzt. Als entscheidende Zeitmarke dieses Gesinnungswandels dient der Frankfurter Auschwitz-Prozess. Medienartikel rufen ihn ab den 1990er Jahren öfter als »Wendepunkt«79 auf: Vor dem Prozess herrscht in der deutschen Gesellschaft Schweigen über die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Opfer. Zudem bestehen personelle Kontinuitäten von Funktionseliten des NS -Staates in Politik und Verwaltung. Mit den ersten Strafprozessen, so die Erzählung, wird das Schweigen gebrochen und die Komplizenschaft von Eliten und Bevölkerung beendet. Die Geschichte vom Wendepunkt schildert die Entwicklung der deutschen Gesellschaft als eine Coming-of-Age-Story des heutigen Wertekollektivs und als »Fortschrittserzählung […] für ein demokratisches Selbstbild auf der Grundlage erfolgreicher Aufarbeitungsprozesse«,80 die die heutigen Mitglieder dieser Gesellschaft selbst nicht mehr leisten müssen, aber auf die sie immer wieder mithilfe der kulturellen Praxis des fortgesetzten Erinnerns verweisen und sich selbst als den »Guten« zugehörig ausweisen können. Die Fortschrittserzählung findet somit eine neue Richtung und Fritz Bauer einen Platz darin: Seine Rolle besteht darin, als treibende Kraft hinter den Prozessen den entscheidenden  Frei: Fritz Bauer, S. .  In Bezug auf Prozess und Erzählung nutzt man den Begriff spätestens seit , vgl. Joerg Wojahn: Nicht nur Halstuchträger und Sprayer, in: Der Tagesspiegel, . . .  Messerschmidt: Besetzen – Distanzieren – Globalisieren, S. .

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Impuls für den Wandel in der Gesellschaft geliefert zu haben.81 Bauer passt gut in diese identitätsstiftende Vergangenheitserzählung hinein: Er hat Ermittlungen zu Menschenrechtsverbrechen des nationalsozialistischen Regimes eingeleitet, während weder Regierungs- noch Justizbehörden Interesse daran zeigten.82 Zudem vertrat er Haltungen, die heute als wichtig und richtig angesehen werden, etwa das Recht des Einzelnen auf Widerstand gegenüber Anordnungen oder Gesetzen, die man als Unrecht auffasst.83 Damit wird Bauer ideell dem heutigen Wertekollektiv zugerechnet und nicht jenem seiner Zeit – eine Deutung, welche die dichotome Schilderung als Einzelkämpfer in feindlicher Umgebung begünstigt. Die Wendepunkt-Erzählung geht über Medienproduktionen wie Strafsache 4 Ks 2/63 ins kulturelle Gedächtnis ein und steigt zur »Vergangenheitsversion als allein gültige« auf, das heißt, sie beansprucht »Hegemonie« darüber,84 wie sich die deutsche Gesellschaft seit den 1960er Jahren mit der  Weitere wichtige Stationen dieser Veränderung sind Willy Brandts Kniefall  am Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto oder Richard von Weizsäckers Rede  im Bundestag anlässlich des Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus am . Mai. Vgl. Harald Schmid: Deutungsmacht und kalendarisches Gedächtnis – die politischen Gedenktage, in: Reichel, Schmid, Steinbach (Hrsg.): Der Nationalsozialismus, S. -, hier: S. ; Kansteiner: Losing the War, S. .  Vgl. z. B. bezüglich Ermittlungen zu »Euthanasie«-Verbrechen Helmut Kramer: Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als Gehilfen der NS -»Euthanasie«. Selbstentlastung der Justiz für die Teilnahme am Anstaltsmord, in: Kritische Justiz,  (), H. , S. -, bes. S.  f.  Vgl. Boris Burghardt: Vor  Jahren: Fritz Bauer und der Braunschweiger Remer-Prozess, in: Journal der Juristischen Zeitgeschichte,  (), H. , S. -, hier: S.  f.  Erll: Kollektives Gedächtnis, S. . Erll weist ebenda darauf hin, dass in einer mediatisierten Gesellschaft auch kommunikatives Gedächtnis kulturelle Formen einsetzt. Sie sieht den Unterschied zum kommunikativen Gedächtnis im hegemonialen Anspruch des kulturellen Gedächtnisses. Vgl. zu den Begriffen Assmann: Kollektives Gedächtnis, S. -.

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NS -Vergangenheit befasst hat. Es fällt auf, dass die genannten

Produktionen Bauer dabei prozessorientiert beschreiben: Das Publikum erfährt, was er zum Wandel beigetragen hat. Das bekannte Archivmaterial zeigt ihn in seiner Funktion als Staatsanwalt oder als Figur des öffentlichen Lebens, die sich zu gesellschaftlichen Themen äußert. Wer er darüber hinaus als Mensch ist, bleibt jedoch unbekannt und es stellt sich die Frage, warum. Die Rundfunksender dokumentierten die Privatperson Fritz Bauer offenbar nicht weiter. Es ist möglich, dass sie Bauer in einer privaten Situation (zum Beispiel im Rahmen einer Homestory) aufgenommen und die Sendebänder tatsächlich archiviert haben. Falls dem so ist, wurde das Material wohl nicht als geeignet empfunden, um es für Erinnerungsproduktionen wiederzuverwenden. Wahrscheinlicher ist, dass solche Aufnahmen bei Sendeanstalten nicht bestehen oder nicht erschlossen sind. Generell scheint das erschlossene Archivmaterial zu Bauer, zumindest für das Medium Fernsehen, überschaubar zu sein.85 Ebenso fehlen geschichtswissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Fritz Bauers privater Lebenswelt, die man in Szene setzen könnte. Falls die Redaktionen der Rundfunkanstalten versucht haben sollten, privates Quellenmaterial zu finden, werden sie wahrscheinlich zur selben Erkenntnis gelangt sein wie seine spätere Biografin Irmtrud Wojak: Es gibt schlichtweg keins.86 Die einzigen Quellen, die über Bauer Auskunft geben  Die DVD -Edition der Fernsehauftritte Bauers umfasst nicht einmal fünf Stunden. Diesen relativ geringen Umfang erklärt die Redaktion mit der fehlenden Archivierung und Erschließung sowie den hohen Kosten für die Lizenzierung. Das bekannte Radiomaterial beläuft sich auf immerhin  Stunden. Vgl. Bettina Schulte Strathaus: Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven -, Berlin , S.  f. [Booklet der DVD -Edition]; Wagner: Fritz Bauer und das Radio, S. .  Wojak konstatiert: »Es gibt keine unveröffentlichten Manuskripte, nur wenige Vorarbeiten und Notizen, keine persönlichen Dokumente, keine Fotoalben und vor allem: keine privaten oder halbdienstlichen Korrespondenzen. […] Die wenigen […] persönlichen Schriftstücke, die etwas vom privaten Leben Fritz Bauers aufscheinen

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können, sind seine mehrheitlich beruflichen Bekannten und das Archivmaterial der Medienanstalten selbst, die ihn als öffentliche Person wahrnehmen und präsentieren. Zudem handelt die Wendepunkt-Erzählung von einem Wertekonflikt, einem Kräftemessen normativ definierter Gesellschaftsteile. Sie beschreibt keine politische Auseinandersetzung, die sich zwischen den Mitgliedern verschiedener Gruppen ergibt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit ungleichen Zugang zu Ressourcen und Macht erhalten (zum Beispiel, weil sie männlich oder weiblich, jung oder alt, jüdisch oder christlich sind). Würde die Erzählung vom Wendepunkt einen solchen politischen Konflikt beschreiben, würde es sich tatsächlich empfehlen, die konkrete Lebenssituation von Menschen darzustellen, die in politischen Auseinandersetzungen für solche Gruppen stehen, weil sich sozial ungleiche Macht- und Ressourcenverteilungen in verschiedensten Lebensbereichen wie Partnerschaft, Familie, Freundschaft, Arbeit oder Freizeit auswirken und die fraglichen Konflikte darüber anschaulich geschildert werden können. Fritz Bauers persönliche Erfahrungen und Belastungen im Rahmen seiner Arbeit, wie antisemitische Drohbriefe und Anfeindungen, zeigen zwar, dass seine Mitmenschen ihn als Vertreter einer bestimmten Gruppe – nämlich der jüdischen – wahrgenommen haben. Aber das Wendepunkt-Narrativ erklärt Bauers Aktivitäten gerade nicht aus den Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven, die im Herrschafts- und Lebensgestaltungszusammenhang seiner Zeit nur Mitgliedern einer bestimmten Personengruppe offenstanden. Es erklärt sie aus einer normativen Sichtweise der Gegenwart. Aus diesem Betrachtungswinkel gehört Bauer der zeit- und gruppenübergreifenden Partei der »Guten« an. Zu dieser Gruppe zählen sowohl lassen, bewahren einige seiner Freunde auf; es sind (abgesehen von den Briefen an Thomas Harlan) nicht einmal ein Dutzend. Umso wichtiger waren die persönlichen Interviews mit denjenigen, die Fritz Bauer noch gekannt haben«. Wojak: Fritz Bauer, S.  f.

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die Zeitgenossen Bauers, die diese normative Perspektive teilen, als auch all jene Personen, die sich im gegenwärtigen Diskursuniversum und in der kulturellen Praxis des fortgesetzten Erinnerns bewegen. Ebenso sozial unbestimmt ist die Partei der »Schlechten«, die der Aufarbeitung ablehnend gegenübersteht und mit der es zum Wertekonflikt kommt. Daher trägt es nicht zur Erklärung des Konflikts bei, wenn die Wendepunkt-Erzählung die privaten Lebensumstände Bauers schildert. Es ist auch nicht nötig: Wer die normativen Orientierungen bejaht, die das Narrativ vermittelt, braucht keinen Lebensweltbezug, weil er oder sie bereits aus dieser Orientierung heraus versteht, warum Bauer so und nicht anders handelt. Zusammengefasst bedeutet all dies jedoch, dass ein so geschilderter Bauer wenig lebensweltliche Anknüpfungs- und Identifikationsmöglichkeiten bietet.

Institutionalisierung und Festigung der ersten Erinnerungsimpulse

Nach dem ersten medialen Erinnern Mitte der 1990er Jahre zieht sich die Auseinandersetzung mit Fritz Bauer in Fachkreise zurück. Im Jahr 1995 wird das Fritz Bauer Institut für »das Studium, die Erforschung und die Dokumentation der Geschichte und Wirkung der nationalsozialistischen Massenverbrechen, insbesondere des Holocaust« eröffnet.87 Die Einrichtung tritt in den Folgejahren als aktives Mitglied des Kern-Erinnerungskollektivs auf und bringt diverse Forschungsprojekte, Veranstaltungen und Publikationen über Bauer auf den Weg.88 Zur Jahr Fritz Bauer Institut: Verfassung der Stiftung Fritz Bauer Institut, Darmstadt , S. , https://www.fritz-bauer-institut.de/filead min/ editorial/download/institut/profil/Stiftungsverfassung.pdf (. . ); vgl. o. A.: Holocaust-Dokumentationszentrum eröffnet, in: Der Tagesspiegel, . . .  Vgl. beispielhaft: Fritz Bauer Institut: Forschungsprojekte, o. D., https://www.fritz-bauer-institut.de/forschungsprojekte (. . ).

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tausendwende bindet die Stadt das Institut an die Universität an.89 Seitdem sind die Initiativen des Instituts als Beiträge einer akademischen Einrichtung innerhalb des wissenschaftlichen Kommunikationsraums zu betrachten – sofern sie sich nicht ausdrücklich an die Öffentlichkeit richten – und nicht mehr der Public History zuzurechnen. Das Fritz Bauer Institut steht somit beispielhaft für die Akademisierung von Geschichtsimpulsen, die aus der Öffentlichkeit hervorgegangen sind.90 Umgekehrt funktioniert der Transfer nur bedingt. Die nächste öffentlich zugängliche Veranstaltung aus dem Kreis des Kern-Erinnerungskollektivs findet 1998 an Fritz Bauers 30. Todestag statt, diesmal im Sendesaal des Hessischen Rundfunks. Wer will, kann Karten kaufen und dem Vortrag des aktuellen Generalstaatsanwalts Hans Christoph Schaefer und der Lesung des hessischen Ministers für Justiz und Europaangelegenheiten Rupert von Plottnitz zuhören.91 Größer fällt jene Veranstaltung anlässlich Bauers 100. Geburtstag fünf Jahre später aus: Das Fritz Bauer Institut organisiert mit dem Oberlandesgericht Frankfurt eine mehrtägige Veranstaltung. Sie umfasst eine internationale Tagung, Vorträge aus Politik und Wissenschaft sowie die vorgezogene Vergabe des Fritz-Bauer-Preises der Humanistischen Union, begleitet von einem musikalischen Rahmenprogramm.92 Die nächsten Gedenkfeiern erfolgen wieder  Vgl. o. A.: Micha Brumlik leitet Holocaust-Institut Frankfurt, in: Frankfurter Neue Presse, . . .  Auch die  gegründete Buxus-Stiftung bzw. das Fritz-Bauer-Forum muss man zum Kreis akademischer, wenn auch außeruniversitärer Einrichtungen rechnen, die sich an ein fachliches oder thematisch sehr interessiertes Publikum richten. Vgl. Buxus Stiftung / FritzBauer-Forum: Über uns, o. D., https://www.fritz-bauer-forum.de/ ueber-uns/ (. . ).  Vgl. o. A.: [ohne Titel – Veranstaltungskalender], in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .  Vgl. o. A.: Gedenken an Fritz Bauer, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S.  f.

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in kleinerem Rahmen: Im Jahr 2004 können Interessierte zwischen Bauers Geburts- und Todestag einem Gedächtniskonzert in der Alten Oper Frankfurt zuhören; Micha Brumlik, der Leiter des Fritz Bauer Instituts, und Rupert von Plottnitz lesen aus Bauers Schriften.93 Der nächste Anlass zu Bauers 40. Todestag 2008 ist fachlich ausgerichtet: Das Fritz Bauer Institut lädt zu Vortrag und Podiumsgespräch mit Vertretern und einer Vertreterin aus der Justizverwaltung ein.94 Dieses Kern-Erinnerungskollektiv zeigt also den Willen, die Erinnerung an Fritz Bauer wachzuhalten, nur tut es dies in politisch, gesellschaftlich und kulturell spezifischer Form: Es bevorzugt die persönlichen Jahrestage (Geburts- und Sterbedatum), die als solche weder gesellschaftlich bedeutsam sind noch im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen, zeremonielle und wissenschaftliche Austragungsformate wie Tagungen, Vorträge, Gedächtniskonzerte, Verleihungen, Gedenkfeiern und hochkulturelle Orte wie den Sendesaal oder die Oper. Die Formate legen nahe, dass der Zugang selbst in öffentlicher Form nicht ganz hürdenfrei ist: Es bedarf der Kartenreservierung oder vermutlich der Anmeldung und bei Preisverleihungen und Gedenkfeiern wahrscheinlich sogar der Einladung. Zur inhaltlichen Ausrichtung lässt sich nichts aussagen, aber aus den Programmen und den Formaten der jeweiligen Veranstaltung folgt, dass sich Sachkenner erinnernd an ein gebildetes und Fachpublikum wenden, nicht an die breite oder gelegentlich interessierte Öffentlichkeit. Die Zielgruppenansprache ist somit spezifisch und wenig breitenwirksam, das Kern-Erinnerungskollektiv bleibt unter sich. Es handelt sich erneut nicht um Phänomene der Public History. Auch die Literatur zu Fritz Bauer verlässt den fachlichen Wirkungskreis in dieser Zeit nicht.95 Irmtrud Wojaks Fritz  Vgl. o. A.: Gerichtstag halten über uns selbst, in: Frankfurter Neue Presse, . . .  Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .  Vgl. Anm. . der Einleitung.

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Bauer 1903-1968. Eine Biographie von 2009 wird durchaus im Feuilleton besprochen,96 als Habilitation ist sie jedoch dem akademischen Wissensproduktions- und Rezeptionssystem zuzurechnen. Erinnerungsinitiativen außerhalb dieses Kreises ordnen Fritz Bauer nach 1995 analog den medialen Produktionen thematisch in »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« ein. Sie erinnern ihn bevorzugt an Daten, die damit zusammenhängen.97 Es sind wenige: Öffentliche Vorträge zu Fritz Bauer finden fast immer um den 27. Januar herum statt, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, den der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1996 eingeführt hat.98 Diese sind lokal organisiert und  Bei Sachverhalten mit umfangreicherer Quellenlage werden nachfolgend jeweils nur drei bis vier stellvertretende Nachweise aufgeführt. Für die vollständige Quellendokumentation siehe die in der Kantons- und Universitätsbibliothek der Universität Fribourg hinterlegte Masterarbeit: Désirée Hilscher: Den Helden geschaffen. Fritz Bauers Rückkehr ins kollektive Gedächtnis als Antwort auf gewandelte kulturelle Orientierungen bei unverändertem Vergangenheitsbezug, Fribourg . Vgl. beispielhaft Marcus Sander: Die Tragödie des Stuttgarter Juristen Fritz Bauer, in: Stuttgarter Zeitung, . . ; Claudia Kühner: Ein einsamer Jurist, der gegen das Vergessen kämpfte, in: Tagesanzeiger, . . ; Manfred Kittel: Gegen die braune Flut, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).  Anlässlich seines Todestages  war nur ein Vortrag nachweisbar. Auch dieser richtet sich an ein Fachpublikum: BHF -Bank, Vortrag über Fritz Bauer (-) und seine Biographie, es spricht: Irmtrud Wojak,  Uhr, Sitzungssaal der Bank, Bockenheimer Landstraße . Veranstalter: Juristische Gesellschaft«. O. A.: Heute, in: Frankfurter Neue Presse, . . .  Vgl. Schmid: Deutungsmacht und kalendarisches Gedächtnis, S. . Vgl. beispielhaft Veranstaltungshinweise zu Vorträgen oder Erinnerungen an Fritz Bauer zum Gedenktag am . Januar in den Jahren von  bis : O. A.: Gedenken an Auschwitz-Befreiung, in: Allgemeine Zeitung, . . ; o. A.: Tag des Gedenkens an Nazi-Opfer. Zum . Januar: Veranstaltungen im Rathaus und Stadtrundgang, in: Allgemeine Zeitung, . . ; Manuel Debus: Fritz Bauer kämpfte gegen das Vergessen. Herbert Schneider

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erzeugen kaum Medienecho. Der Arbeitskreis andere Geschichte e. V., eine 1985 gegründete Braunschweiger Geschichtswerkstatt,99 führt 2001 das Theaterstück Jasager, Neinsager, Ansager als Geschichtsvermittlungsprojekt und »dokumentarische Aufführung über den 20. Juli, den Remer-Prozess und das Fernsehen der Fünfziger Jahre«100 auf. Die Aufführung rekonstruiert zum Teil den Verhandlungsverlauf, die »historische[n] Zusammenhänge um die Person […] Dr. Fritz Bauer« und setzt dokumentarisches Schrift-, Ton- und Filmmaterial aus den 1950er Jahren szenisch ein.101 Die Aufführungsorte beschränken sich auf das Braunschweig-Kolleg, eine Erwachsenenbildungsstätte, und die Niedersächsische Landesvertretung in Berlin; die Reichweite war daher wahrscheinlich nicht sehr groß.102 Alles was Recht ist von Gerold Theobald scheint auf mehr, wenn auch lokale Resonanz gestoßen zu sein.103 Das Alte Schauspielhaus in Stuttgart führt das Stück, in dem Bauer verbal gegen Hans Globke antritt, von Juni bis Juli 2010 auf.104

    



digt Frankfurter Juristen, in: Allgemeine Zeitung, . . ; o. A.: Kämpfer für die Wahrheit – Holocaust – Vortrag über Fritz Bauer, in: Allgemeine Zeitung, . .  (sieben Nachweise gefunden). Nur ein Vortragshinweis ließ sich zum Jahrestag der AuschwitzProzesse finden: Dirk Janowitz: »Aufarbeitung der Vergangenheit«. Synagogenverein erinnert an ersten Auschwitz-Prozess, in: Darmstädter Echo, . . . Vgl. Arbeitskreis andere Geschichte e. V.: Über uns, o. D., http:// www.andere-geschichte.de/uber-uns/ (. . ). Theater Zeitraum: Jasager, Neinsager, Ansager, o. D., http://www. theater-zeitraum.de/jasager.php (. . ). Gilbert Holzgang: Jasager Neinsager Ansager, in: Mitteilungen. Zeitschrift für Aufklärung und Bürgerrechte, (), H. , S. . Vgl. Theater Zeitraum: Jasager, Neinsager, Ansager. Rezensionen ließen sich nicht finden. Vgl. Horst Lohr: Gegen den Mief des Ewiggestrigen, in: Stuttgarter Nachrichten, . . ; Cord Beintmann: Dialog mit Schreibtischtäter, in: Stuttgarter Zeitung, . . ; o. A.: »Alles was Recht ist« im Alten Schauspielhaus, in: Heilbronner Stimme, . . . Vgl. Schauspielbühnen in Stuttgart: Alles was Recht ist, o. D., https:// schauspielbuehnen.de/programm//alles-was-recht-ist (. . ).

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Die Ausstellung »Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main« findet hingegen bundesweiten Beifall. Das Fritz Bauer Institut eröffnet sie 2004 im Frankfurter Rathaus und zeigt sie anschließend im Martin-Gropius-Bau in Berlin, 2007 im Justizpalast München und 2009 im Niedersächsischen Landtag in Hannover.105 Auch wenn nicht mehr rekonstruierbar ist, in welcher Form Bauer darin vorkommt,106 sind die Presseartikel zahlreich, die ihn in der Berichterstattung zur Ausstellung würdigend aufrufen, wenn auch oft nur am Rand.107 Man kann davon ausgehen, dass diese öffentlichen Erinnerungsinitiativen, abgesehen von der Ausstellung »AuschwitzProzess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main«, keine breite erinnerungskulturelle Wirkung entfaltet haben. Sie sind lokal, wenden sich ebenfalls an ein Publikum, das hochkulturelle Formate schätzt, bieten kaum Potenzial für Kontroversen und sind somit wenig attraktiv für die mediale Verbreitung. Über eine Notiz in den Veranstaltungshinweisen der örtlichen Zeitungen kommen sie meist nicht hinaus. Es ist möglich, dass das Fehlen populärer Vermittlungs- und Public-History-Formate zu Fritz Bauer Ende der 1990er bis Ende der 2000er Jahre eine verpasste Chance darstellt. Die Erwäh Vgl. Fritz Bauer Institut: Auschwitz-Prozess  Ks / Frankfurt am Main, o. D., https://www.fritz-bauer-institut.de/ausstellungen/ auschwitz-prozess--ks--frankfurt-am-main (. . ); Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .  Aus dem Ausstellungskatalog lässt sich ableiten, dass Bauer Teil davon war und auf ihn zumindest künstlerisch Bezug genommen wurde. Vgl. Silvia Schreiber: Porträt von Fritz Bauer (Annäherung), in: Irmtrud Wojak, Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Auschwitz-Prozess  Ks / Frankfurt am Main, Köln , S.  f.; Hermann Maier Neustadt: Caro / Fritz Bauer Lounge in: Ebd., S. -.  Vgl. beispielhaft: Heide Platen: Der Chor der Grausamkeiten, in: Die Tageszeitung, . . ; Uwe Wittstock: Der heilsame Schock, in: Die Welt, . . ; Klaus Dermutz: Im Mittelpunkt: Zeugen, in: Die Presse, . . ; Christian Esch: Ein Dröhnen, in: Berliner Zeitung, . . ; Jörg Plath: Täter wie du und ich, in: Der Tagesspiegel, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).

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nungen Bauers im Presseecho zur Ausstellung legen nahe, dass die Medien sich durchaus für ihn interessieren – jedoch nicht genug, um wie Mitte der 1990er Jahre selbst etwas über ihn zu produzieren. Bauer für sich genommen besitzt für die Medien nach wie vor keinen Erinnerungswert: Es finden sich bis ins neue Jahrtausend nur eine Handvoll ausdrücklich den Juristen würdigende Artikel oder Radiosendungen (und offenbar keine TV -Beiträge):108 Zum 30. Todestag 1998 widmet ihm die FAZ einen Beitrag;109 Conrad Lay produziert 2000 das Radiofeature »Ankläger im Auschwitz-Prozess – Der Jurist Fritz Bauer«.110 Im Jahr 2003 – immerhin das Jahr seines 100. Geburtstags und des 40. Jahrestages des Auschwitz-Prozesses – senden Deutschlandradio und WDR zwei Kalendertag-Features und die Hessenschau einen dreiminütigen Beitrag.111 Zum 40. Todestag 2008 lassen sich ein weiterer Artikel und zwei Radiosendungen (vermutlich Wiederholungen von Lays Produktion) nachweisen112  Es ist nicht ausgeschlossen, dass es TV -Beiträge gibt. Die fehlenden Hinweise darauf in der Tagespresse legen jedoch den Schluss nahe, dass dem nicht der Fall ist.  Vgl. Anke Schipp: Wider die Gesetzestechnokraten – Vor  Jahren starb Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . .  Deutschlandradio, Dokumentation und Archive, X(D), Conrad Lay: Ankläger im Auschwitz-Prozess – Der Jurist Fritz Bauer, . . .  Vgl. Deutschlandradio, Dokumentation und Archive, DZ  (D), Annette Wilmes: Kalenderblatt .. ( – Fritz Bauer), . . ; WDR , Dokumentation und Archive, .., Hans-Detlev von Kirchbach: . Juli  – Geburtstag des Juristen Fritz Bauer, . . ; Hessischer Rundfunk, Dokumentation und Archive, , Kristin Gesang: Fritz Bauer . Geburtstag, in: Hessenschau, . . .  Vgl. Hans Christoph Schaefer: Strafrecht: Von Fritz Bauer lernen, in: Nassauische Neue Presse, . . . Für  finden sich zwei Radio-Programmhinweise: Einmal für einen österreichischen Sender (der Sendername ist nicht aufgeführt): ». Diskurs: ›Der Ankläger im Auschwitz-Prozess‹. Erinnerungen an Fritz Bauer. Von Conrad Lay.«. O. A.: Radioprogramm, in: Wiener Zeitung, . . . Ein weiteres Mal im MDR : »›Fritz Bauer – der

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und 2009 ein würdigender Artikel in der Zeit vom 12. November.113 Paradoxerweise fällt der Name Fritz Bauer gleichwohl recht häufig in der Presse. Dies erfolgt stets im Zusammenhang mit dem Themenbereich »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« und über zwei Deutungsmuster beziehungsweise Erzählanlässe: Zum einen wird Bauer regelmäßig in Berichten zum ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt als Teil des Wendepunkt-Narrativs erwähnt.114 Diese Artikel erscheinen fast ausnahmslos rund um kläger im Auschwitz-Prozess‹ um . Uhr auf MDR «. O. A.: Ohrzeit, in: Sächsische Zeitung, . . .  Vgl. Heinrich Wefing: Fritz Bauer, in: Die Zeit, . . .  Vgl. Carsten Lilge: Die Handlanger des Todes und ihre Mitschuld, in: Mitteldeutsche Zeitung, . . ; Christian Ebner: Wendepunkt der Erinnerung, in: Bonner General-Anzeiger, . . . S. für die Berichterstattung im Dezember  anlässlich des Jahrestages des Prozessbeginns am . Dezember Richard Herzinger: Am Anfang der Wahrheit, in: Die Zeit, . . ; Christian Ebner: Wendepunkt der deutschen Erinnerung, in: Wiener Zeitung, . . ; Philipp Gessler: Die Zeit des Aufwachens, in: Die Tageszeitung, . . ; Alexander Jungkunz: Erstmals mit dem Grauen konfrontiert, in: Nürnberger Nachrichten, . . ; o. A.: Ein Wendepunkt der Erinnerung, in: Salzburger Nachrichten, . . ; o. A.: Vor  Jahren begann der AuschwitzProzess, in: Main-Taunus-Kurier, . . ; Jürgen Walburg: Vor  Jahren: Sühne für Auschwitz. Im Dezember  begann der Prozess, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Eckhard Fuhr: Geschichte und Schuld, in: Die Welt, . . . S. für die Berichterstattung im August  anlässlich des Jahrestages der Urteilsverkündung: Markus Schwering: Der Prozess, in: Kölner Stadtanzeiger, . . ; Christian Ebner: Im Haus Gallus bekam die »Endlösung« erstmals ein Gesicht, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Christian Ebner: »Ein Wendepunkt der Erinnerung«, in: Nürnberger Nachrichten, . . ; Christian Ebner: Mehrzahl der Deutschen verschloss die Augen, in: Main-TaunusKurier, . . . S. für die Berichterstattung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: Ulrich Renz: Der Prozess in Frankfurt, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Ronald Escher: Versuch, der Hölle »gerecht« zu werden, in: Salzburger Nachrichten, . . ; o. A.: Gedenken an Auschwitz – die Opfer, das Grauen, die Mörder, in: Hamburger Abendblatt,

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die Jahrestage des Prozesses oder den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Ausnahme bildet ein Beitrag, der in zeitlicher Nähe zum thematisch verwandten Prozess von John Demjanjuk veröffentlicht wird.115 Dass einige Journalistinnen und Journalisten über die Jahre hinweg den immer gleichen Text rezyklieren, liegt in der Natur der Sache. Zum anderen weben Medienschaffende Fritz Bauer in Berichte über die internationale – erfolgreiche wie erfolglose – Verfolgung flüchtiger NS -Täter wie Adolf Eichmann, Josef Mengele oder Martin Bormann ein.116 Die Erinnerungsproduktionen Anfang bis Mitte der 1990er Jahre schilderten zwar durchaus, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft nach ihnen sucht. Die ausdrückliche Bezeichnung und Deutung Bauers als »Nazi-Jäger« scheint aber in der deutschsprachigen Berichterstattung, soweit ersichtlich, erst ab 1998 aufzutauchen.117 All diese Artikel würdigen Fritz Bauers Bedeutung für den historischen Sachverhalt und sprechen ihm den von Nicolas Berg beobachteten formellen Rang zu.118 An manchen Stellen gehen sie näher auf ihn ein, der thematische Schwerpunkt der Berichterstattung liegt jedoch deutlich nicht auf ihm. Die be-

 

 

. . ; Joachim Perels: Der Mythos von der Vergangenheitsbewältigung, in: Die Zeit, . . . Vermutlich in Zusammenhang mit dem . Mai erschienen: Oliver Reinhard, Stefan Schirmer: »Diese Vergangenheit hört nicht auf«, in: Sächsische Zeitung, . . . Vgl. Angelika Bruder: Als die Stille ein Ende hatte, in: Neue Westfälische, . . . Vgl. beispielhaft o. A.: Feindliches Ausland, in: Der Spiegel, (), H. , S.  f.; o. A.: Bormanns Skelett eindeutig identifiziert, in: Der Spiegel, (), H. , S. -, hier: S. ; Balz Spörri: Wie Dr. Mengele entkam: Protokoll einer Flucht, in: Sonntagszeitung, . . ; Christian Semler: Bundesrepublik ließ Eichmann unbehelligt, in: Die Tageszeitung, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden). Vgl. o. A.: Bormanns Skelett eindeutig identifiziert, S. ; o. A.: Stich ins Wespennest, in: Der Spiegel, (), H. , S. -, hier: S. . Berg: Selbstansprachen, S. .

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achtliche Menge der Berichte, die ihn zum Frankfurter Prozess oder zur Suche nach hochbelasteten NS -Tätern erwähnen, weist jedoch darauf hin, dass sich die Erinnerungsbahnen festigen, die die Medienhäuser in den 1990er Jahren gelegt haben. Was man in den 1990er und 2000er Jahren hingegen nicht oder kaum findet, sind Beiträge, die Fritz Bauers Reformanstrengungen thematisieren oder ihn mit Ermittlungen zu »Euthanasie«-Morden verbinden.119 Hier gibt es kein Medienereignis, keinen öffentlich wahrgenommenen Anlass mit gutem Ende, an die Informationsmedien immer wieder anknüpfen könnten.

Zwei Diskurse für zwei Zeiten

Die magere Bilanz öffentlicher Erinnerungsinitiativen oder -produktionen eigens für Bauer zwischen 1995 und 2010 erscheint umso rätselhafter, als die Artikel, die Bauer so häufig seit den 1990er Jahren erwähnen, den Eindruck vermitteln, dass sie der Aufarbeitung der NS -Vergangenheit und insbesondere dem Auschwitz-Prozess eine hohe Bedeutung für die Bundesrepublik beimessen – und Bauer dabei eine zentrale Rolle zusprechen: »Schwer vorstellbar, was für ein Land die Bundesrepublik heute wäre ohne diesen Prozess. Man übertreibt nicht, wenn man den Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der das Verfahren wie kein anderer vorbereitet und vorangetrieben hat, als einen der geistigen Väter der heutigen Republik bezeichnet.«120 Fehlendes Archivmaterial oder die nachvollziehbare Motivation Fritz Bauers erklären diesen Mangel nicht hinreichend, vor allem nicht angesichts einer opferorientierten Erinnerungskultur, die sich in Europa spätestens ab den 2000er Jahren ent Zu den Ermittlungen zu »Euthanasie«-Verbrechen ließ sich nur ein Artikel finden (o. A.: Euthanasie, in: taz Magazin, . . ) und keiner über seine Reformanstrengungen.  Wittstock: Der heilsame Schock.

ZWEI DISKURSE FÜR ZWEI ZEITEN

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faltet.121 In diese passt Bauer mit seiner Verfolgungserfahrung eigentlich gut hinein. Der Opferdiskurs hat sich in Europa als erinnerungskultureller und geschichtspolitischer Weg herauskristallisiert, den mit dem verstärkten Holocaust-Gedenken konkurrierenden nationalen kollektiven Gedächtnissen gerecht zu werden und Anknüpfungspunkte für eine gemeinsame europäische Erinnerung zu schaffen,122 indem die diversen geschichtspolitischen Akteure und Akteurinnen die verschiedenen Diktatur- und Leidenserfahrungen als unterschiedliche, aber geteilte Erfahrungen ins Zentrum stellen und damit als gleichwertig anerkennen.123

 Vgl. Jens Kroh: Das erweiterte Europa auf dem Weg zu einem gemeinsamen Gedächtnis? Die Stockholmer »Holocaust-Konferenz« und ihre Bedeutung für die europäische Erinnerung, in: Jureit, Schneider, Frölich (Hrsg.): Das Unbehagen an der Erinnerung, S. -, hier: S. -.  Für diverse osteuropäische Staaten mit nationalsozialistischer sowie kommunistischer Diktaturerfahrung, die sich über den patriotischen Widerstand und dem eigenen Opfer unter sowjetischer Herrschaft definieren, ist es geschichtspolitisch schwierig zu akzeptieren, dass Widerstandsgruppen oder Teile der Bevölkerung mit der NS Besatzung kollaboriert haben und an Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung beteiligt waren. Vgl. Annamaria Orla-Bukowska: New Threads on an Old Loom: National Memory and Social Identity in Postwar and Post-Communist Poland, in: Lebow, Kansteiner, Fogu (Hrsg.): The Politics of Memory in Postwar Europe, S. ; Peter Reichel, Harald Schmid, Peter Steinbach: Nach dem Ende nationaler Nachkriegsmythen – eine neue europäische Erinnerungskultur?, in: Dies. (Hrsg.): Der Nationalsozialismus, S. , hier: S. ; Eva-Clarita Pettai: Erinnerungsdiskurse und Geschichtspolitik in den baltischen Staaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,  (), H. , S. -; Grzegorz RossolińskiLiebe: Erinnerungslücke Holocaust. Die ukrainische Diaspora und der Genozid an den Juden, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte,  (), H. , S. -; Kroh: Das erweiterte Europa, S.  f.  Vgl. ebd., S.  f. sowie Europäische Kommission: Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Maßnahmen zum Gedenken an die Verbrechen totalitärer Regime in Europa (KOM ()  endgültig), Brüssel , S. ,  f., .

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Wie man zum Opferdiskurs steht, hängt davon ab, was man sich vom Erinnern einer leidensgeprägten Vergangenheit verspricht. Für Kollektive, deren Mitglieder in der Vergangenheit Verbrechen begangen haben, liegt die Attraktivität in seiner »Entlastungskraft […] als Kern der Aufarbeitungskultur«:124 Liegt der Fokus auf den Opfern, rücken Fragen nach Verbrechensbeteiligung der Kollektivmitglieder und deren Formen, wie zum Beispiel tatfördernde Handlungspraktiken oder strukturelle Teilhabe, in den Hintergrund. Stattdessen ermöglicht es der Opferdiskurs zu demonstrieren, dass man zur »guten« Seite gehört, indem man sich mit dem Opfer anderer identifiziert oder die Beteiligung des eigenen Kollektivs an totalitären Regimes als Leidenserfahrung umdeutet.125 In diesem Sinn bleibt Aufarbeitung ein Copingmechanismus, auch wenn »Vergangenheitsbewältigung« als den Prozess nur unzureichend beschreibender Begriff weitestgehend aus dem Sprachinventar für den Umgang mit der NS -Vergangenheit gestrichen wurde. Das Deuten der Leidenserfahrungen als verschieden, aber gleichwertig eignet sich jedoch für eine pluralistisch geprägte Generation, die nach 1990 politisch sozialisiert wurde und über ihre jeweils unterschiedlichen Erfahrungen ebenso vielfältige Bezüge zur Vergangenheit herstellt.126 Diese postnationalkulturelle Generation rückt nun der 1968er Generation als gestaltende Akteurin in der Erinnerungsarena nach und benötigt Erinnerungsangebote, die dieser Vielfalt entsprechen. Der Opferdiskurs lenkt zudem den Blick auf bisher vernachlässigte Unterdrückungsausprägungen und -praktiken, womit bisher unverdächtige Personen und Personengruppen in den Kreis der

 Martin Sabrow: Zeitgeschichte schreiben. Von der Verständigung über die Vergangenheit in der Gegenwart, Göttingen , S. .  Vgl. ebd, S.  f.; Messerschmidt: Besetzen – Distanzieren – Globalisieren, S. .  Ebd., S. ; vgl. auch Jureit: Geschichte als Identitätsressource, S.  f.

ZWEI DISKURSE FÜR ZWEI ZEITEN

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Täter und Täterinnen rücken und neue Beteiligungsdiskussionen möglich werden.127 Liest man die Medienberichte zu Fritz Bauer, die zwischen Ende der 1990er und Ende der 2000er Jahre erscheinen, genauer, fallen zwei Dinge auf: Wenn sie die Wendepunkt-Erzählung aufnehmen, dann berichten sie erstens über zwei Phasen, die sie diskursiv unterschiedlich referenzieren. Die erste Phase umfasst ursprünglich die Zeit der NS -Diktatur und des Holocaust von 1933 bis 1945. Sie wird in den Artikeln über den Opferdiskurs aufgerufen, um deutlich zu machen, dass es sich um eine Leidensperiode handelt. Die zweite Phase betrifft die Erinnerungsdebatten und Auseinandersetzungen, also das Ringen um den angemessenen Umgang mit dieser Leidenszeit. Diese Phase beginnt in den frühen 1960er Jahren und endet Mitte der 1990er Jahre. Medienschaffende erzählen sie über den Fortschrittsdiskurs erfolgreicher Aufarbeitung entlang bedeutsamer Ereignisse und Zeitmarken wie den Frankfurter AuschwitzProzess. Zweitens rufen diese Artikel Bauer nicht über einen Opferdiskurs auf. Natürlich erwähnen viele, dass Bauer während der Leidenszeit Widerstand leistete, als SPD -Mitglied und Jude von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und damit ebenfalls Opfer der Diktatur war. Aber die sprachlichen Referenzen, die zeitlichen Einordnungen und Erinnerungsanlässe sowie die Erklärung seiner historischen Bedeutung beschreiben keine Leidenserfahrungen. Sie zeichnen vielmehr das gegenteilige Bild einer gestaltungsfähigen und wirkmächtigen Person. Bauer mag Widerständen begegnen, aber er »macht möglich«, »setzt durch« und ihm »gelingt« etwas: »Das Großverfahren möglich gemacht hatte der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, dem es 1959 beim Bundesgerichtshof gelungen war, mehrere Ermittlungsverfahren gegen einzelne Angehörige der SS -Wachmannschaften nach Frankfurt zu holen. Der frühere jüdische Emigrant Bauer wollte den Massenmord an rund einer Million Juden und Zigeunern in Auschwitz nicht in Dutzende  Sabrow: Zeitgeschichte schreiben, S.  f.

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kleine Prozesse zerfasern lassen und setzte den Mammut-Prozeß gegen den Widerstand innerhalb der Justiz und der Verteidigung durch.«128 Die Medienberichte verorten Bauer also als jemanden, der sich erinnernd auf die erste Phase bezieht, die zweite in Gang setzt und gestaltet und damit erfolgreich die Aufarbeitung der ersten Phase durchsetzt. Sie zeichnen ihn diskursiv angemessen als handlungs- und gestaltungsfähig. Wenn Medienschaffende sich an der kulturellen Praxis des fortgesetzten Erinnerns an den Nationalsozialismus beteiligen, etwa mit Artikeln zum 27. Januar, behalten sie die diskursive und zeitliche Einordnung Bauers als gestaltende Person der zweiten Phase bei und nutzen seine Leidenserfahrung in den 1930er und 1940er Jahren allenfalls, um sie mit seiner nunmehr kontrollierenden und somit machtvollen Position in den 1960er Jahren zu kontrastieren: »Am 20. Dezember 1963 begann vor dem Landgericht Frankfurt / Main ein Prozeß, der das öffentliche Bewußtsein in der Bundesrepublik Deutschland verändern sollte. […] Auf der Anklagebank saßen 22 Mörder und Mordgehilfen, unter ihnen Robert Mulka, ehemaliger Adjutant des Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß. Ankläger war Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, selbst ein Verfolgter des NS -Regimes.«129 Als wirkmächtige Figur, die ihre Gegner und deren Widerstände überwindet, kann Fritz Bauer nicht in den Opferdiskurs integriert werden. Da sich sein Gestalten im aktiven Anstoß zu Erinnerung, Aufarbeitung und Strafverfolgung ausdrückt, nimmt Bauer in der Rolle als Pionier und handlungsanleitendes Vorbild für das heutige Wertekollektiv zudem notwendigerweise die Position des erinnernden Subjekts und nicht die des erinnerten Objekts ein: Über den Verweis auf Bauer und sein Handeln wird angemahnt, ebenfalls der Opfer und Verbrechen  Ebner: Wendepunkt der Erinnerung ().  O. A.: Gedenken an Auschwitz – die Opfer, das Grauen, die Mörder.

ZWEI DISKURSE FÜR ZWEI ZEITEN

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zu gedenken. Jedes Mal, wenn eine Initiative Bauer aufruft, geschieht dies, um den Blick weg von ihm und hin zu einer weiter zurückliegenden Vergangenheit zu lenken. Nun rufen andere identitätsstiftende Vergangenheitserzählungen, die einen Wandel erklären und gelungene oder gescheiterte Verwirklichungen der Orientierung auf das Gute schildern, ideelle Vorfahren und Vorfahrinnen durchaus als Erinnerungsobjekt auf und erzählen deren Geschichte und Taten; dafür müssen sich die historischen Personen nicht notwendig »für die Sache« geopfert haben. Bei der Wendepunkt-Erzählung in ihrer vorliegenden Form klappt das jedoch nicht: Bauer spielt in dieser Geschichte faktisch eine Nebenrolle, die funktional angelegt ist – unabhängig davon, ob Presseartikel ihn als »geistigen Vater« bezeichnen. Er ist der Impulsgeber, der den Wandel auslöst. Daher erfolgt Bauers »Auftritt« nur an einer Stelle in der Erzählhandlung – dem Wendepunkt. Am weiteren Verlauf der Handlung beziehungsweise des Wandels ist er nicht beteiligt. Zudem ist es nicht Bauer, der sich verändert. Er erinnert an die Opfer von Anfang an. Die WendepunktErzählung kann ihn gar nicht ins Zentrum stellen und den Wandel anhand seiner Person veranschaulichen. Es ist vielmehr die Gesellschaft der Bundesrepublik, die die Hauptrolle in dieser Geschichte spielt. Es geht um ihren Veränderungsprozess, den sie als Wertegemeinschaft über die Debatten um die Aufarbeitung ab den 1960er Jahren durchläuft. Denn auch wenn der Sachverhalt der Erzählung stofflich von der Erinnerung an andere Menschen handelt, erfüllt sich das Erzählanliegen der Wendepunkt-Geschichte letztlich in der Reflexion über das Verhalten des eigenen Wertekollektivs. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Fritz Bauer nur wenige Jahre nach seinem Tod als gesamtjuristischer Reformer erinnert wird. Ab den 1990er Jahren erfolgt eine stoffliche Umdeutung beziehungsweise Engführung und die erste Bildung der heutigen Erinnerungsform Bauers: Informationsmedien und geschichtspolitische Akteure etablieren in diesen Jahren die Geschichte des Wendepunkts, die erzählt, wie die deutsche

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sellschaft sich als demokratisch orientierte Wertegemeinschaft weiterentwickelt, indem sie erfolgreich ihre Vergangenheit aufarbeitet. Hierfür »brauchen« sie Bauer in der Rolle des Impulsgebers eines gesamtgesellschaftlichen normativen Wandels. Damit legen sie seine Erinnerungswürdigkeit auf einen bestimmten Aspekt seines Wirkungsspektrums fest, dem Thema »Aufarbeitung der NS -Verbrechen«, während andere Facetten seines Denkens, Lebens und Schaffens vergessen bleiben. Die Erinnerung an Bauer verharrt jedoch im Zustand der bloßen Referenz auf ihn. Sie wird nicht weiter ausgestaltet, da Bauers Nutzen nicht darin besteht, selbst erinnert zu werden, sondern zur Erinnerung an etwas anderes aufzurufen. Damit Fritz Bauer in dieser kollektiven, identitätsstiftenden Vergangenheitserzählung als Objekt und nicht Subjekt der Erinnerung Platz finden kann, müssen Erinnerungsinitiativen seine Funktion darin ändern. Im vorliegenden Fall hieße dies, Bauer entweder der früheren Leidenszeit zuzuordnen oder ihn in einen anderen historischen Zusammenhang einzubinden, über den ihn Diskursbeteiligte als Erinnerungsobjekt begreifen und aufrufen können.

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2010–2020: VOM GESTALTER UND NAZI-JÄGER ZUM HELDEN

Ab 2010 kommt es zum eigentlichen Fritz-Bauer-Boom. Die 2010er Jahre sehen bemerkenswert viele Erinnerungsinitiativen zu Bauer. Sie orientieren sich weiterhin am Themenbereich »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« und folgen den zwei Erzähltraditionen, die seit den 1990er Jahren bestehen: Sie porträtieren Bauer als Staatsanwalt und treibende Kraft hinter dem Frankfurter Auschwitz-Prozess im Rahmen des WendepunktNarrativs oder bevorzugen ihn als Jäger hochbelasteter NS -Täter und -Täterinnen. Hierbei teilt sich die Erinnerung an Bauer in einen allgemeinen, medial orientierten erinnerungskulturellen Kommunikationsraum und einen Kommunikationsraum politischer Bildung. Die beiden Räume überschneiden sich: Initiativen öffentlich-rechtlicher Rundfunksender erfüllen etwa einen Bildungsauftrag, diffundieren jedoch in den allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraum, der von marktwirtschaftlichen Produktionsbedingungen geprägt ist und konkurrierende Vergangenheitsvorstellungen zulässt. Umgekehrt gibt es Produktionen, die für die allgemeine Erinnerungsarena gedacht sind, ihre Wirkung jedoch vor allem im Kommunikationsraum der politischen Bildung entfalten. Das ist für Initiativen des allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraums nur möglich, wenn sie eine geschichtspolitisch bevorzugte Version der Vergangenheit transportieren.

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Deutungsmuster medial erfahrener Aufarbeitung: Die Nazi-Jagd

Die Botschaft des Wendepunkt-Narrativs dient nicht nur der Identitätsstiftung. Sie soll auch bilden und verdeutlichen, dass die Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas ein arbeitsteiliges Verbrechen Vieler und nicht Einzelner war.1 Publikationen heben daher die Bedeutung der US -amerikanischen TV -Serie Holocaust hervor, die ab 1979 den europäischen Zuschauern und Zuschauerinnen die eigene Beteiligung am Massenmord vor Augen führt und zu Selbstreflexion und Opferorientierung beiträgt.2 Unbeachtet von Geschichtspolitik und Geschichtswissenschaft hat sich jedoch unter dem Schlagwort »Nazi-Jagd« eine Parallelerzählung im kollektiven Gedächtnis festgesetzt. Der Begriff subsummiert eine medial moderierte kollektive Erfahrung rechtlich orientierter Aufarbeitung und bezieht sich auf die weltweite, Jahrzehnte dauernde Suche nach einzelnen hochbelasteten Tätern und Täterinnen ab den 1950er Jahren, die durch Defizite staatlicher Verbrechensverfolgung ausgelöst wurde: Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg führen zwar viele ehemals von der Wehrmacht besetzte Länder Kriegsverbrecherprozesse gegen Personen des eigenen Herrschaftsbereichs oder der eigenen Nationalität. Dies erfolgt jedoch unter der Anklage wegen Kollaboration mit dem Feind. Die Verfahren zielen nicht darauf, Menschenrechtsverbrechen oder den Holocaust aufzuarbeiten. Ähnlich wie in Deutschland gehen  Die deutschen Besatzer binden lokale, regionale und nationale Eliten ein, greifen auf bestehende Verwaltungsstrukturen und Ausführungsorgane zu – etwa auf Einwohnermeldeämter oder die Polizei – und werden von der Bevölkerung vor Ort unterstützt. Vgl. beispielhaft zu den Niederlanden und der Ukraine Christoph Kreutzmüller: Die Erfassung der Juden im Reichskommissariat der besetzten niederländischen Gebiete, in: Johannes Hürter, Jürgen Zarusky (Hrsg.): Besatzung, Kollaboration, Holocaust. Neue Studien zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, München , S. -; Rossoliński-Liebe: Erinnerungslücke Holocaust, S. -.  Vgl. beispielhaft Bösch: Entgrenzte Geschichtsbilder?, S. .

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in Westeuropa die Funktionseliten derjenigen Länder, die während der Besatzung mit dem NS -Staat kollaboriert haben, nach symbolischen »Säuberungen« in den Verwaltungsapparat ihrer jeweiligen neuen politischen Ordnung über. Es besteht von behördlicher Seite kein Interesse, sich weiter mit der eigenen Beteiligung an Menschenrechtsverbrechen auseinanderzusetzen.3 Weil die Justiz ihrer Aufgabe nicht nachkommt, diese Verbrechen zu ahnden, werden in diversen westeuropäischen Ländern Mitglieder der Zivilgesellschaft ermittelnd tätig: Journalisten, Rechtsanwälte, Historiker, Einzelpersonen und Angehörige von Opferorganisationen recherchieren nach belastendem Material, strengen Gerichtsprozesse an, spüren die Aufenthaltsorte von Tätern und Täterinnen auf oder versuchen, ihrer physisch habhaft zu werden.4 Es sind diese investigativ aktiven Personen, die den Ausdruck »Nazi-Jagd« einführen und sich aktiv als Jäger und Jägerinnen bezeichnen. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass sie die Ermittlungen proaktiv und ohne die Hilfe staatlicher oder suprastaatlicher Einrichtungen aufnehmen, die sich verweigern.5 Das mediale Echo, das die Entführung Adolf Eichmanns und sein Prozess in Israel zu Beginn der 1960er Jahre auslösen, verschafft den Verbrechen der NS -Zeit weltweit große  Siehe beispielhaft für Frankreich und Italien Richard Golsan: The Legacy of World War II in France: Mapping the Discourses of Memory, in: Lebow, Kansteiner, Fogu (Hrsg.): The Politics of Memory in Postwar Europe, S. -; Sergio Seminara: Die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit in Italien. Strafrechtliche Probleme, in: Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte,  (), H. , S. -; Claudio Fogu: Italiani brava gente: The Legacy of Fascist Historical Culture on Italian Politics of Memory, in: Lebow, Kansteiner, Fogu (Hrsg.): The Politics of Memory in Postwar Europe, S. -; Reichel, Schmid, Steinbach: Ende nationaler Nachkriegsmythen, S. .  Vgl. Daniel Stahl: Hunt for Nazis. South America’s Dictatorships and the Prosecution of Nazi Crimes, Amsterdam , S.  f.  Vgl. Stahl: Hunt for Nazis, S. - sowie das TV -Interview mit Beate Klarsfeld: INA histoire: : Klaus Altman est-il Klaus Barbie? (Archive INA ), . . , [YouTube], https://youtu.be/RnVSIJ _-s (. . ).

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Aufmerksamkeit.6 Davon profitieren Jagende wie etwa Beate und Serge Klarsfeld. Sie stehen beispielhaft für den Aktivismus der 1960er bis 1980er Jahre. Als nichtstaatliche Akteure setzen sie gezielt auf die Medien: Die Klarsfelds organisieren öffentlichkeitswirksame Protestaktionen und binden Medienhäuser ein, um ihre Anliegen zu verbreiten, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und Druck auf Behörden in den Herkunftsund Aufnahmestaaten aufzubauen. Denn diesen ist vielfach bekannt, wo Täter und Täterinnen leben.7 Es geht daher nicht nur darum, diese Personen zu finden. Die Aktivistinnen und Aktivisten bezwecken über öffentlichen Druck, Behörden in Zugzwang zu bringen, damit sie Tatbeteiligte ausliefern oder Gerichtsverfahren einleiten. Für die Medien wiederum bieten solche Aktionen nicht nur Nachrichtenwert, sondern sorgen auch für willkommene Werbung für eigene Recherchen. Viele Redaktionen schicken ebenfalls ihre Mitarbeitenden los, um weltweit flüchtigen NS -Größen nachzuspüren. Aber auch die Gegenseite bleibt nicht untätig. Täter und Täterinnen sind in den sie beherbergenden Ländern oft gut vernetzt: mit Personen aus Regierungskreisen sowie mit den Mitgliedern ihrer dortigen Diaspora. Sie lassen ihren politischen Einfluss spielen und sorgen für Gegendarstellungen in Exilpublikationen.8 Die Manöver aller Beteiligten in diesen Jahren vollziehen sich aus heutiger Sicht bemerkenswert öffentlich und ohne Berührungsängste voreinander. Behördenvertreter teilen Informationen mit Jagenden oder Medienschaffenden und umge-

 Bösch: Journalisten als Historiker, S. ; Stahl: Hunt for Nazis, S. .  Siehe beispielhaft Anders Rudling: »Not Quite Klaus Barbie, but in That Category«. Mykola Lebed, the CIA , and the Airbrushing of the Past, in: Norman Goda (Hrsg.): Rethinking Holocaust Justice. Essays across Disciplines, New York , S. -, hier: S.  f. sowie das erste Kapitel in Stahl: Hunt for Nazis, S. -.  Stahl: Hunt for Nazis, S. , , -; Rudling: »Not Quite Klaus Barbie, but in That Category«, S. -.

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kehrt.9 Mindestens bei Klaus Barbie erfolgt dies im Sinne einer Arbeitsteilung: So ist der für Barbie zuständige Staatsanwalt in München bereit, das Verfahren gegen ihn wiederaufzunehmen, wenn die Klarsfelds Beweise für Tatvorwürfe liefern.10 Lokale oppositionelle Gruppen sowie auswärtige Geheimdienste unterstützen Aktivisten und Journalisten, indem sie sich an der Planung von Entführungen beteiligen oder ihnen belastendes Material für die Presse liefern.11 Sie verfolgen ihre eigene Agenda: die Schädigung der politischen Gegner vor Ort oder des feindlichen politischen Systems. Das weltweite Medienecho auf den Eichmann-Prozess hat etwa der sowjetischen Führung gezeigt, dass es sich propagandistisch lohnt, NS -Verbrecher zu verfolgen.12 Sie kann beanspruchen, nicht am Holocaust beteiligt gewesen zu sein, hat aber während und nach dem Zweiten Weltkrieg ein machtpolitisches Interesse an der Ahndung der Taten: Im eigenen Einflussbereich dient die Strafverfolgung  Der deutsche Botschafter in Bolivien erzählt  einer TV -Equipe des Saarländischen Rundfunks, die zu Klaus Altmanns Identität recherchiert, von den eigenen Nachforschungen und den Problemen, die seine Vorgänger mit Altmann hatten. Auch der Münchner Generalstaatsanwalt, dessen Behörde das Verfahren gegen Klaus Barbie eingestellt hat, gibt Beate Klarsfeld Informationen zu Altmann bzw. Barbie. Vgl. Stahl: Hunt for Nazis, S. ,  f.,  f. Klarsfeld spricht  darüber in einem Interview mit dem französischen Fernsehen vor Ort in Bolivien und wie sie mit den Unterlagen die bolivianischen Behörden überzeugen will, Barbie auszuliefern. Vgl. INA histoire: : Klaus Altman est-il Klaus Barbie?, '''-'''.  Vgl. Stahl: Hunt for Nazis, S.  f.  Vgl. ebd., S.  f.,  f.; Peter Olsthoorn: Wat brak journalistieke loopbaan Hans Knoop?, in: Villamedia, . . , https://www. villamedia.nl/artikel/wat-brak-journalistieke-loopbaan-hans-knoop (. . ).  Vgl. Iryna Sklokina: Trials of Nazi Collaborators in the Context of Soviet Propaganda. Nationality Policy and the Cold War (), in: Peter Black, Béla Rásky, Marianne Windsperger (Hrsg.): Mittäterschaft in Osteuropa im Zweiten Weltkrieg und im Holocaust / Collaboration in Eastern Europe during the Second World War and the Holocaust, Wien, Hamburg , S. -, hier: S. .

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zunächst dazu, Herrschaft durchzusetzen und Widerstand zu brechen. Die Nachrichtendienste nehmen dabei eine führende und gefürchtete Rolle ein. Nach der Entstalinisierung Ende der 1950er Jahre inszeniert sich der sowjetische Geheimdienst KGB als Nazi-Jäger, um seinen schlechten Ruf zu verbessern.13 International zielt die Politik der sowjetischen Führung ab den 1960er Jahren darauf ab, bei zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West das außenpolitische Erstarken Westdeutschlands zu torpedieren und im Systemkonflikt die eigene moralische Überlegenheit als Schützerin universaler Werte zu demonstrieren.14 Daher unterstützt die Sowjetunion Strafprozesse im übrigen Europa gefragt und ungefragt mit Dokumenten aus Archiven und publiziert medienwirksam die NS -Vergangenheit westlicher Politiker und Beamter,15 sekundiert von der DDR , die bereits Ende der 1950er die »Blutrichter-Kampagne« gefahren hat und nicht müde wird, auf die Kontinuität von NS -Personal in Justiz und Verwaltung der BRD hinzuweisen.16 Der Wille aller Beteiligten, das Thema in den Medien zu halten, führt trotz politischer Instrumentalisierung zu einer  Vgl. Alexander Prusin: The »Second Wave« of Soviet Justice: The s War Crimes Trials, in: Norman Goda (Hrsg.): Rethinking Holocaust Justice: Essays across Disciplines, New York , S. -, hier: S.  f., -; Tetjana Pastuschenko: Sowjetische ›Justiz‹. Die Be- und Verurteilung der Kollaboration mit NS -Deutschland in der UdSSR , -, in: Black, Rásky, Windsperger (Hrsg.): Mittäterschaft in Osteuropa im Zweiten Weltkrieg und im Holocaust, S. -; Sklokina: Trials of Nazi Collaborators, S. , .  Vgl. Prusin: The »Second Wave«, S. -.  Vgl. ebd.; Sklokina: Trials of Nazi Collaborators, S. .  Vgl. Norbert Frei: NS -Vergangenheit unter Ulbricht und Adenauer. Gesichtspunkte einer vergleichenden Bewältigungsforschung, in: Jürgen Danyel (Hrsg.): Die geteilte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten, Berlin , S. -, hier: S.  f.; Reichel: Der Nationalsozialismus vor Gericht, S. ; Marcel Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten? Von der Entnazifizierung zur Stalinisierung in der SBZ / DDR (-), in: Historische Zeitschrift,  (), H. , S. -, hier: S. .

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systemübergreifenden journalistischen und juristischen Zusammenarbeit, der Aufdeckung von weiteren Verbrechen sowie Ermittlungen und Prozessen, die medial moderiert zur öffentlichen Diskussion und Aufarbeitung der NS -Zeit beitragen.17 Der breiten Öffentlichkeit präsentiert sich die juristische Ahndung ab den 1960er Jahren somit tatsächlich als spannungsvolle Jagd über die Kontinente, die von Geheimdiensten, Regierungen und Aktivisten und Aktivistinnen angefeuert wird und sich über die Nachrichten nachverfolgen lässt. Für die Medienlandschaft der Gegenwart ist die Aufarbeitung der NS -Verbrechen als Nazi-Jagd daher ein attraktives Geschichtsereignis: Menschen auf der ganzen Welt haben damals die solchermaßen gerahmten Aktivitäten, Enthüllungen und Gerichtsverfahren über TV , Radio und Zeitungen mitverfolgt und können sich daran erinnern. Auch Archivmaterial ist dank der damaligen Berichterstattung vorhanden. Zudem ist es möglich, etablierte Deutungsmuster einzusetzen: Die Ereignisse wurden in unzähligen fiktionalen und dokumentarischen Texten und Filmen festgehalten – oft durch die Beteiligten selbst –18 sowie in der Popkultur als Subgenre des Agententhril Mitte der er Jahre recherchieren zum Beispiel Medienschaffende aus den Niederlanden, der Sowjetunion sowie weiteren Ländern zur NS -Vergangenheit des niederländischen Kaufmanns und Kunstsammlers Pieter Menten, vgl. Sklokina: Trials of Nazi Collaborators, S. . Die Recherchen lösen in den Niederlanden eine politische Krise aus und stoßen den Kriegsverbrecherprozess gegen Menten an, bei dem die Behörden Beweismittel sowie Zeugen und Zeuginnen aus der Sowjetunion beiziehen, vgl. o. A.: Menten Sentenced for War Crimes, in: Facts on File World News Digest, . . ; o. A.: Dutch Court Upholds Conviction Of Menten for Wartime Murders, in: The New York Times, . . . Je nach Darstellung liegt der Rechercheverdienst mal eher bei den diversen Journalisten und Journalistinnen, mal bei den Geheimdiensten, die ihnen proaktiv Informationen geliefert haben, vgl. Paul Onkenhout: Hoe de zaak-Menten het land schokte, in: De Volkskrant, . . ; Olsthoorn: Wat brak journalistieke loopbaan Hans Knoop?.  Zu nennen wären Ich jagte Eichmann (Simon Wiesenthal, ), Das Haus an der Garibaldistraße (Isser Harel, , verfilmt ),

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lers und des Krimis in Stereotypen gefestigt. Darauf greifen Erinnernde als »lebendige diskursive Größen« zurück.19

Erinnerungskulturelle Perspektivenvariationen

Im Jahr 2010 steht ein mediales Gedenkereignis an: Die Entführung Adolf Eichmanns in Argentinien im Mai 1960 jährt sich zum 50. Mal. Entführung, Prozess und Verurteilung waren internationale Medienereignisse,20 die Informationsmedien regelmäßig aufgreifen.21 Die ARD produziert für den Anlass das Dokudrama Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod, das sich an ein breites Publikum richtet.22 Es informiert über die Suche nach Eichmann, bietet aber über die Inszenierung als Thriller und Liebesgeschichte Spannung und Unterhaltung für jene, die sich nicht nur für die historischen Zusammenhänge interessieren. Die Suche wird fiktional inszeniert, Interviews mit Zeitzeugen und Historikern sowie Archivmaterial und ak-

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The Boys from Brasil (Ira Levin, , verfilmt ), die Filme NaziHunter – The Beate Klarsfeld Story () und Murderers Among Us : The Simon Wiesenthal Story () sowie die Bücher Operation Eichmann (Zvi Aharoni, ), Eichmann in My Hands (Peter Zvi Malkin, Harry Stein, , verfilmt  als The Man Who Captured Eichmann) und der Film La traque (). Stereotype sind »Schemata, die sich funktional auf einen bestimmten kulturellen Kontext beziehen, von dem sie hervorgebracht werden und mit dem sie – zumindest in ihrer Qualität als lebendige diskursive Größen – wieder vergehen.« Jürg Schweinitz: Film und Stereotyp, Berlin , S. . Bösch: Journalisten als Historiker, S. . Vgl. beispielhaft Jan-Uwe Ronneburger: Vor  Jahren wurde Eichmann in Argentinien entführt, in: Wiener Zeitung, . . ; Caroline Fetscher: Vor  Jahren wurde Eichmann verurteilt, in: Der Tagesspiegel, . . ; Wolf Scheller: Vor  Jahren starb Adolf Eichmann, in: Saarbrücker Zeitung, . . . Raymond Ley: Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod, Deutschland .

ERINNERUNGSKULTURELLE PERSPEKTIVENVARIATIONEN

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tuelle Aufnahmen aus Buenos Aires im Stil von Reportagen beglaubigen das Gezeigte. In dieser Produktion wird Fritz Bauer erstmals selbst in Szene gesetzt. Zuschauer und Zuschauerinnen erfahren jedoch wenig über Bauer als Individuum. Die Dokufiction deutet ihn als Nazi-Jäger und inszeniert ihn als populär greifbare Persona in Film-Noir-Ambiente. Als kettenrauchender, aufrechter Ermittler hinter dem Schreibtisch fädelt er Eichmanns Ergreifung über konspirative Treffen und heimlich übermittelte Informationen ein. Der Film schneidet die Szenen als ein Fernduell, von dem nur einer der Kontrahenten weiß und Zug um Zug das Netz enger zieht. Was Bauer darüber hinaus als Staatsanwalt macht, davon erfährt das Publikum nichts, auch nicht in den dokumentarischen Sequenzen. Ebenso wenig wird klar, wie er denkt. Auch schlägt der Film keine erzählerische Brücke zum Abspann, der auf den Auschwitz-Prozess und Bauers Ermittlungen zu NS -Verbrechen hinweist. Obwohl die Dokufiction nicht im Monat der Entführung, sondern erst im Juli debütiert, vermarktet die ARD sie als kleines Geschichtsevent: Das Feuilleton bespricht den Film breit,23 Hintergrundartikel erscheinen,24 Schauspieler ordnen ihre historischen Charaktere ein.25 2,49 Millionen schauen am

 Vgl. beispielhaft Sven Felix Kellerhoff: Protokoll eines Massenmordes, in: Berliner Morgenpost, . . ; Klaudia Wick: Spannend wie ein Thriller, in: Berliner Zeitung, . . ; Matthias Wulff: Das Böse ist nie banal, in: Welt am Sonntag, . . ; Thilo Wydra: Der Menschenvernichter, in: Der Tagesspiegel, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).  Paradigmatisch die Themenseite der Nordwest-Zeitung mit Hintergrundbericht, biografischen Daten und Filmbesprechung: Karsten Krüger: Eichmann: Unerkannt im Heidedorf, in: Nordwest-Zeitung, . . ; o. A.: Dokumentation: Organisation des Massenmordes, in: Ebd.; o. A.: Eine Entscheidung zwischen Liebe und Loyalität, in: Ebd.  Vgl. Manfred Weber: »Wo ist da die Menschlichkeit?«, in: Märkische Allgemeine, . . ; Martin Weber: »Er besaß eine grausame Eiseskälte«, in: Leipziger Volkszeitung, . . .

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25. Juli zu, eine passable Einschaltquote von 11,2 Prozent.26 Die Produktion erhält diverse Nominierungen und Preise auf Filmfestivals.27 Inklusive der Erstausstrahlung wurde sie bis Mai 2020 61-mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt,28 allerdings haben in Deutschland und Österreich nur vier Streamingplattformen den Film im Angebot.29 Gemessen an den Rezensionen hinterlässt Fritz Bauer jedoch keinen bleibenden Eindruck. Die Besprechungen erwähnen den Staatsanwalt zwar durchaus, meist im Zusammenhang mit seiner Weitergabe von Informationen an die israelischen Behörden. Eingehend diskutiert wird er jedoch nirgends – warum auch? Bauer treibt im Film zwar die Ermittlung voran, ist aber stereotypisch gezeichnet und somit lebensweltlich kaum anschlussfähig. Auch hier zeigt sich der Mangel an Informationen zur Person Bauer, an die Erinnerungs-cues anknüpfen könnten. Es gibt nach wie vor keine Bilder oder Vorstellungen über Bauer, mit denen die Menschen vor dem Fernseher die vorliegende Darstellung abgleichen, erweitern oder ablehnen können. Es ist vorstellbar, dass Zuschauende, die von Bauer im Zusammenhang mit dem Auschwitz-Prozess wissen, gar keine  Vgl. Titelbach TV : Fernsehfilm »Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod«, o. D., http://www.tittelbach.tv/programm/fernsehfilm/artikel.html (. . ).  Vgl. IMD b: Eichmanns Ende – Awards, o. D., https://www.imdb. com/title/tt/awards?ref_=tt_ql_op_ (. . ); o. A.: Zweimal Gold, einmal Silber für NDR Dokumentationen beim New York Filmfestival, in: NDR .de, . . , https://www. ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/pressemeldungndr.html (. . ); Patricia Schlesinger, Alexander von Sallwitz: Fünf Auszeichnungen für NDR Produktionen beim . WorldFest in Houston, in: NDR .de, . . , https://www.ndr.de/der_ndr/ presse/mitteilungen/pressemeldungndr.html (. . ).  Fernsehserien.de: Eichmanns Ende, o. D., https://www.fernseh serien.de/filme/eichmanns-ende (. . ).  Dies ergab eine Suche in der Video-on-Demand-Datenbank Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière VOD (http://lu mierevod.obs.coe.int) am . . . Vgl. auch Werstreamt.es: Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod, o. D., https://www.werstreamt.es/ film/details//eichmanns-ende-liebe-verrat-tod/ (. . ).

ERINNERUNGSKULTURELLE PERSPEKTIVENVARIATIONEN

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Verbindung zum Ermittler im Film herstellen. Man kann daher davon ausgehen, dass Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod trotz guter Einschaltquoten keine Erinnerungen an Bauer gebildet hat oder wenn, dann allenfalls Vorstellungen von ihm als Nazi-Jäger. Der Film scheint bezüglich Bauer kein Nachleben im erinnerungskulturellen Kommunikationsraum zu entwickeln. Drei Jahre später folgt der nächste Gedenkanlass: Der Auschwitz-Prozess jährt sich zum 50. Mal. Passend dazu erscheint 2013 die Biografie Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht.30 Geschrieben hat sie kein Historiker, sondern der Journalist und Jurist Ronen Steinke, der als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung tätig ist. Das Sachbuch richtet sich an ein breites Publikum. Das Problem fehlender Quellen zu Bauers Person überbrückt der Autor, indem er Sachverhalte erzählerisch in lebensweltliche Situationen übersetzt, wie sie wohl viele kennen.31 Er schildert sie plastisch, bildhaft und detailliert und bietet damit Imaginationsbrücken für die Interpretation der Sachverhalte an. Wissenschaftlichkeit signalisiert das Buch anhand von Quellenangaben und einem Vorwort von berufener Stelle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle.  Ronen Steinke: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, München . Im Folgenden wird aus der fünften Auflage zitiert, die  in München erschienen ist.  Beispielhaft für einen lebensnahen, nachvollziehbaren Konflikt: »Im Gespräch erinnert [Kügler] daran, wie Fritz Bauer den beiden jungen Juristen einst versprochen habe, ihr Engagement werde nicht vergessen werden. Er werde sich für sie einsetzen. Joachim Kügler hat in den vergangenen zwei Jahren im Auschwitz-Prozess die Aufgabe eines Spitzenjuristen erfüllt – aber mit dem Gehalt eines Berufsanfängers. […] Er bittet Bauer nach seinem Schlussplädoyer, auf eine ruhigere Stelle in der Staatsanwaltschaft zurückwechseln zu dürfen, weg von NS -Verbrechen, und das heißt heraus aus der Schusslinie des missgestimmten Behörden-Vizes Ulrich Krüger und zurück auf die Karriereleiter. Doch Bauer lehnt ab. ›Unser Leben ist erfüllt, wenn wir die Dinge um eine Streichholzbreite vorwärtsgebracht haben‹, habe Bauer zu ihm gesagt, erinnert sich Kügler später.« Steinke: Fritz Bauer, S. .

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Steinke legt sein Hauptaugenmerk auf Lebensabschnitte, die er als biografisch prägend oder historisch bedeutsam identifiziert: Bauers Jugend- und Studienzeit sowie den Remer- und Auschwitz-Prozess. Die Suche nach Adolf Eichmann zählt er nicht dazu, er handelt sie auf wenigen Seiten gleich zu Beginn ab. Im Fokus stehen vielmehr der Staatsanwalt und Ankläger. Steinke füllt dabei nach eigener Aussage »weiße Flecken« früherer Biografien.32 Vordergründig ergänzt das Sachbuch bisheriges Wissen mit Informationen über die Person Bauer: Leser und Leserinnen erfahren über Bauers Treueerklärung zum NS -Regime im Konzentrationslager, seine nicht ausgelebte Homosexualität und sein bewusst distanziertes Verhältnis zum Judentum, dem er sich eigentlich verbunden gefühlt habe. Diese drei Elemente ziehen sich als rote Fäden durch die Biografie. Sie machen aus Bauer einen tragischen Helden und aus seinem Leben eine kohärente Geschichte mit einer inneren normativen Spannung und Dramatik: Der überzeugte Sozialdemokrat unterwirft sich dem NS -Regime, um freizukommen, und verzichtet auf menschliche Nähe und Gemeinschaft, um seine Mission, den Kampf für einen demokratischen Rechtsstaat, zu erfüllen. Die Erzählung schildert also, wie die Entfaltung von Idealen in einem Leben scheitert oder gelingt. Auch Steinke bettet Bauers Leben in die Geschichte des Wendepunkts ein. Die Biografie vollzieht jedoch zweierlei Perspektivenwechsel: Zum einen wechselt Steinke das Erzählobjekt. In der klassischen Wendepunkt-Erzählung stehen die Bundesrepublik und ihre Gesellschaft im Zentrum. Bauer wirkt auf sie ein und diese wirken in Form von Gegenwehr auf ihn zurück. Bei Steinke ist es umgekehrt: Er erzählt, wie sich die gesellschaftlichen Umstände in der Bundesrepublik auf Bauers Leben auswirken und wie Bauer darauf reagiert. Seine Handlungen werden aus seinen Hoffnungen, Ängsten, Bedürfnissen und Haltungen sinnhaft erklärt und nicht als Ursachen oder Folgen des Aufarbeitungsprozesses. Leser und Leserinnen  Ebd., S. .

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können empathisch praktisch tätig werden und sich normativ und lebensweltlich mit Bauer identifizieren, aber auch von ihm distanzieren. Der zweite Perspektivenwechsel vollzieht sich im Gegenwartsbezug der Biografie. Dass Steinke die »weißen Flecken« als übergreifende Bezugspunkte wählt, ist nicht zufällig. Sie bieten Anknüpfungspunkte aus der Vergangenheit für die heutige Zeit: Ausgrenzung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der kulturellen Identität sowie die universelle Erfahrung, in einer machtlosen Situation zwischen strategischem Handeln und moralischen Überzeugungen wählen zu müssen. Über Bauer bringt Steinke die Erfahrungen gegenwärtig diskriminierter Kollektive und ihren Kampf um gesellschaftliche und rechtliche Gleichbehandlung zur Sprache und repräsentiert sie historisch. Die Schilderung des Treuebekenntnisses bietet zudem Menschen, die sich nicht oder nicht mehr in der Nachfolge des verbrecherischen NS -Kollektivs sehen, Identifikationsmöglichkeiten, indem sie implizit die Frage »Was hättest Du getan?« aufwirft. Die »weißen Flecken« ergänzen somit nicht ein bestehendes Bild; sie tauchen überhaupt erst am Horizont auf, weil Steinke Bauer aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Das Buch ist ein Erfolg: Es wird breit besprochen,33 mehrfach in der Hardcover- und Taschenbuchversion aufgelegt und ins Englische, Polnische und Japanische übersetzt,34 obwohl sich größere Vermarktungsmaßnahmen oder Authentizitätsversiche Vgl. beispielhaft Thomas J. Schmidt: Auschwitz vor Gericht, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Sabine Fröhlich: Kein menschliches Wort, in: Neue Zürcher Zeitung, . . ; Hannes Schwenger: Weiße Flecken, in: Der Tagesspiegel, . . ; Silvester Lechner: Tragisch, triumphal, in: Die Südwestpresse, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden (ohne Mehrfachpublikationen in verschiedenen Medientiteln)).  Vgl. Ronen Steinke: Fritz Bauer: Auschwitz przed sądem, Poznań ; Ronen Steinke: Furittsu baua: Aihiman o oitsumeta kenjicho, Tokyo ; Ronen Steinke: Fritz Bauer: The Jewish Prosecutor Who Brought Eichmann and Auschwitz to Trial, Bloomington / Indiana .

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rungen nicht nachweisen lassen: Abgesehen von gelegentlichen Lesungen (vereinzelt begleitet von lokal- oder bundespolitischen Persönlichkeiten) sowie Interviews und Artikeln Steinkes zur Zeitgeschichte findet sich wenig.35 Die Biografie erweist sich gleichwohl als die wirkmächtigste Erinnerungsproduktion zu Fritz Bauer: Sie beeinflusst fast alle nachfolgenden medialen Darstellungen und damit, welche Deutung Bauers sich öffentlich durchsetzt und wie Menschen, die am Erinnerungsdiskurs über Bauer teilnehmen – seien es Medienschaffende, Politiker und Politikerinnen oder Rezipierende – Bauer begreifen und über ihn sprechen. Die Dokumentation Mörder unter uns – Fritz Bauers Kampf ist quasi der Film zum Buch.36 Sie folgt weitgehend dem Aufbau der Biografie und präsentiert in kondensierter Form dieselbe Erzählung. Darüber hinaus ordnet die Dokumentation Fritz Bauer in die 68er-Bewegung ein: Diese setze fort, was er angefangen habe. Produziert hat die Dokumentation das ZDF als Episode des Geschichtsformats ZDF History. Der Sender strahlt sie wenige Monate nach der Veröffentlichung des Buches am 26. Januar 2014 aus, also am Vorabend des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Einschaltquote ist unbekannt. Die Folge wurde im Anschluss bis Februar 2020 gerade 20-mal im deutschen Fernsehen gezeigt und ist zurzeit nicht verfügbar (Stand: Oktober 2021).37 TV -Kritiken oder Re Vgl. beispielhaft Ronen Steinke: Fritz Bauer – ein deutscher Held, in: Süddeutsche Zeitung . . ; Igal Avidan: Ronen Steinke über die NS -Verfolgung. Bloß nicht zu den Opfern stellen!, in: Chrismon, . . , https://chrismon.evangelisch.de/ artikel//bloss- nicht-zu-den-opfern-stellen- (. . ); o. A.: Podium, in: Frankfurter Rundschau, . . ; Katharina Schmidt-Hirschfelder: Geburtsfehler der jungen Bundesrepublik, in: Jüdische Allgemeine, . . .  Peter Hartl, Andrzej Klimt: Mörder unter uns – Fritz Bauers einsamer Kampf, Deutschland .  Vgl. Fernsehserien.de: Mörder unter uns – Fritz Bauers einsamer Kampf, o. D., https://www.fernsehserien.de/history-/folgen/ moerder-unter-uns-fritz-bauers-einsamer-kampf- (. . ).

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zensionen fehlen. Zur Rezeption und Verbreitung dieser Dokumentation lässt sich also nichts aussagen. Angesichts der geringen Distribution hat sie vermutlich wenig Wirkung entfaltet. Mörder unter uns – Fritz Bauers Kampf setzt neben Archivmaterial und Zeitzeugen- und Historikerinterviews Sequenzen des Films Im Labyrinth des Schweigens ein, der im November 2014 in den deutschen Kinos anläuft.38 Der szenische Spielfilm schildert, wie der erste Auschwitz-Prozess zustande kommt. Im Zentrum steht der fiktive junge Frankfurter Staatsanwalt Johann Radmann. Angeleitet von Fritz Bauer ermittelt er zu Menschenrechtsverbrechen im Konzentrationsund Vernichtungslager Auschwitz und fahndet nach Tätern und Täterinnen, unterstützt unter anderem vom Journalisten Thomas Gnielka und dem Maler und Auschwitzüberlebenden Simon Kirsch. Dabei stellt sich heraus, dass Radmanns Vater NSDAP -Mitglied war und Gnielka als Schüler dienstverpflichtet und als Teil des Wachpersonals in Auschwitz stationiert wurde. Der Film schildert den Weg zum Wendepunkt und den Umgang der bundesdeutschen Gesellschaft mit der jüngsten Vergangenheit, indem er diese konfliktreiche Entwicklung und die daran Beteiligten auf die persönliche Umgebung der Hauptfigur überträgt. Radmann steht für die junge Republik und sein persönlicher Reifungsprozess symbolisiert das moralische Coming-of-Age der BRD . Die Konflikte in Familie und Partnerschaft, unterwegs und am Arbeitsplatz zeigen die Bandbreite an Reaktionen der Nachkriegsgesellschaft, wenn sie mit der Vergangenheit konfrontiert wird: Nichtwissen, Komplizenschaft, Ignoranz und Verharmlosung aus Opportunismus, Selbstentschuldigung im Namen der Pflichterfüllung, emotionale Ablehnung aus familiärer Loyalität, Lernbereitschaft sowie Bruch mit dem Kollektiv. Wenn am Ende Tätersohn, Täter  Giulio Ricciarelli: Im Labyrinth des Schweigens, Deutschland ; Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière, Im Labyrinth des Schweigens, o. D., http://lumiere.obs.coe.int/web/ film_info/?id= (. . ).

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wider Willen und Opfer versöhnt als neues Wertekollektiv gemeinsam auf die Zukunft anstoßen, ist das Publikum eingeladen, sich in ihnen als den »Guten« wiederzuerkennen und sich ihnen aus dem Heute heraus anzuschließen. Der Film bietet also lebensweltliche Anknüpfungspunkte und positive Identifikation mit reuigen Tätern und Täternachkommen. Er zählt dabei auf ein historisch und medial geschultes Publikum, das bereits über mittelbare ikonische cues Erinnerungen aufrufen kann: Archivmaterial wird kaum eingesetzt. Stattdessen deutet der Film an, dass der Nationalsozialismus in der Gesellschaft fortwirkt, indem er die Filmgegenwart über audiovisuelle Vorstellungen zu NS -Verbrechen – zum Beispiel zu Selektionen von Menschen – inszeniert und filmimmanent mit Darstellungsformen beglaubigt, die üblicherweise in Dokumentarfilmen vorkommen. So setzt der Film Täter und Opfer über sogenannte mugshots (frontale Gesichts-Nahaufnahmen, die an Polizeifotos erinnern) oder talking heads (Kameraeinstellungen, die die erzählenden Personen von der Schulter aufwärts zeigen) in Szene. Zudem bindet die Darstellung Erzählmuster der Aufarbeitung – die Nazi-Jagd und das Wendepunkt-Narrativ – selbstreflexiv ein. Die Hauptfigur muss sich im Film zwischen atemloser Suche nach einzelnen berüchtigten Tätern und kleinteiligen Ermittlungen gegen viele Mitbeteiligte entscheiden. Im Szenendialog zwischen Fritz Bauer und Johann Radmann befragt sich die Gesellschaft selbst: Wie will sie ihre Vergangenheit ahnden und erinnern? Unbeteiligt in Form von »dramatischen« NaziJagden oder in mühsamer Erinnerungsarbeit an das eigene unspektakuläre Mitmachen als »ganz normale Menschen«?39 Es wurde bemängelt, dass Fritz Bauer im Film nur als Nebenfigur auftritt.40 Es ist gerade nicht Bauer, den der Film als Identifikationsfigur anbietet, sondern der junge Staatsanwalt  Ricciarelli: Im Labyrinth des Schweigens, '''-'''.  Bierich: Zur väterlichen Nebenrolle degradiert; Daniel Kothenschulte: Jenseits der Stille, in: Frankfurter Rundschau, . . .

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und dessen Umfeld, in denen sich die Zuschauer und Zuschauerinnen in verschiedensten Situationen wiedererkennen können. Der Film macht jedoch eben dadurch die Egozentrik der Geschichte vom Wendepunkt sichtbar. Die westdeutsche Gesellschaft erzählt darin über sich selbst. Sie nimmt daher die Hauptrolle ein, während Bauer als Mentor und moralischem Impulsgeber nur eine Nebenrolle zugestanden wird. Die Produktion gewinnt mehrere Preise, das Prädikat »besonders wertvoll« der Film- und Medienbewertungsstelle und einen Platz auf der Shortlist für den Oscar als bester ausländischer Film.41 Bundesjustizminister Heiko Maas lobt ihn als »absolutes Muss« und ist bei der Premiere dabei.42 Das Etikett »Erinnerungsfilm« ergibt sich jedoch durch den gezielten Einsatz von Authentizitätsversicherungen: Er debütiert in Frankfurt »am historischen Ort«, Zeitzeugen nehmen an der Premiere teil,43 es erscheinen Berichte über sie und Interviews mit ihnen,44 allein oder mit den Schauspielern, die ausführen,

 Vgl. IMD b, Im Labyrinth des Schweigens – Awards, o. D., https:// www.imdb.com/title/tt/awards?ref_=tt_ql_op_ (. . ); Björn Becher: Oscars : »Im Labyrinth des Schweigens« unter den neun Finalisten, in: filmstarts.de, . . , http:// www.filmstarts.de/nachrichten/.html (. . ); Deutsche Film- und Medienbewertung: Im Labyrinth des Schweigens, o. D., https://www.fbw-filmbewertung.com/film/im_labyrinth_des_ schweigens (. . ).  Anke Schäfer, Christopher Ricke: »Ein absolutes Muss«, in: Deutschlandfunk Kultur, . . , https://www.deutschlandfunkkultur. de/fritz-bauer-film-ein-absolutes-muss..de.html?dram:article_ id= (. . ); Hans Riebsamen: Viele Filmhelden und ein echter Held, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . .  O. A.: »Labyrinth des Schweigens« feiert in Deutschland Premiere, in: Focus, . . , https://www.focus.de/regional/frankfurt-ammain/film-labyrinth-des-schweigens-premiere-am-historischen-ort_ id_.html (. . ).  Vgl. Sylvia Menzdorf: Der Prozess seines Lebens, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Eckhard Fuhr: »Was dort geschah, davon hatte ich keine Vorstellung«, in: Die Welt, . . ; Riebsamen: Viele Filmhelden und ein echter Held.

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wie sie sich historisch informiert haben.45 Damit vermitteln Produktionsfirma und Informationsmedien der Öffentlichkeit, dass es sich beim szenischen Spielfilm um »echte« Geschichte handelt. Spätestens, wenn Medienschaffende die Schauspieler zur Vergangenheit befragen, das Premierenpublikum dem damaligen Staatsanwalt Gerhard Wiese stehend Applaus spendet und die Stadt Frankfurt die Filmcrew im Rathaus empfängt, wird klar, dass der Film als Ausdruck kollektiver Erinnerung angenommen wird und Affirmationsgesten bei Menschen und Institutionen auslöst, die sich als Mitglieder eines Erinnerungskollektivs begreifen.46 Die im deutschen und englischsprachigen Raum breit besprochene Produktion ist ein Achtungserfolg:47 915.946 Personen sehen den Film in Europa und den USA im Kino.48 Zudem entpuppt er sich als Longseller on demand und im Fernsehen: 13 Streaming-Dienste in 11 Ländern (46 insgesamt)49 bieten ihn an und allein im deutschen Fernsehen wurde er bis März  Vgl. Alexander Haneke: »Das waren Überzeugungstäter«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . ; Dieter Oßwald: »Helden des Auschwitz-Prozesses«, in: Taunus-Zeitung, . . .  Vgl. Riebsamen: Viele Filmhelden und ein echter Held; Pictures & Entertainment: Alexander Fehling – Im Labyrinth des Schweigens, . . , [YouTube], https://youtu.be/xCE pxTJ hAUM (. . ).  Vgl. beispielhaft Regina Urban: Wie Auschwitz dem Vergessen entrissen wurde, in: Nürnberger Nachrichten, . . ; Elisabeth von Thadden: Leidenschaft für die Wahrheit, in: Die Zeit, . . ; Jordan Hoffman: Labyrinth of Lies Review – Auschwitz Trial Drama Loses Its Way, in: The Guardian, . . , https://www.theguar dian.com/film//sep//labyrinth-of-lies-review-auschwitz-trialdrama-loses-its-way (. . ); Stephen Holden: Against a Wall of Resistance, Pursuing Nazi Criminals in the Blinkered ’, in: The New York Times, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).  Vgl. IMD b: Im Labyrinth des Schweigens, o. D., https://www.imdb. com/title/tt/ (. . ); Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière, Im Labyrinth des Schweigens.  Dies ergab eine Suche in der Video-on-Demand-Datenbank Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière VOD (http:// lumierevod.obs.coe.int) am . . .

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2020 beachtliche 91-mal ausgestrahlt.50 Diese Darstellung hat Fritz Bauer zweifellos zu großer Bekanntheit verholfen, und das gerade, weil der Film nicht ihn, sondern vor allem die junge bundesrepublikanische Gesellschaft als die Guten erinnert. Im Jahr 2015 folgt Der Staat gegen Fritz Bauer.51 Der »Nachkriegsthriller«52 schildert, wie Fritz Bauer gegen Adolf Eichmann ermittelt und im Stil eines Kommissars »im Feld« nach ihm sucht, behindert durch die Intrigen ehemaliger Nationalsozialisten in Staatsanwaltschaft und Geheimdienst. Parallel dazu erzählt der Film, wie sich Bauers fiktiver Mitarbeiter Karl Angermann im konservativen Klima der späten 1950er Jahre seiner sexuellen Identität bewusst wird. Die beiden Handlungsstränge finden zusammen, als das Bundeskriminalamt eine außereheliche Affäre Angermanns als Druckmittel einsetzt, um Bauer zu Fall zu bringen. Gleichgeschlechtliche Sexualkontakte sind zu jener Zeit verboten und eine entsprechende Strafanzeige würde, so macht der Film klar, Angermanns Karriere und Leben zerstören. Die Geschichte endet mit der Ergreifung Eichmanns und der Selbstanzeige Angermanns. Er opfert sich, damit Bauer seine Arbeit fortsetzen kann. In der Schlussszene bekräftigt Bauer gegenüber seinem ärgsten Gegner, der seine Suche nach Eichmann nach Kräften behindert hat, dass die Staatsanwaltschaft bei der strafrechtlichen Verfolgung Angermanns ihre Arbeit tun solle. Aber auch er, Bauer, werde das tun – solange er lebe.53 Aus der Verknüpfung der beiden Handlungsstränge ergibt sich eine mehrschichtige Erzählstruktur. Wer das WendepunktNarrativ kennt, kann Angermanns Opfer, den für sich genommen rätselhaften Enddialog und den ganzen Film entschlüsseln  Vgl. Fernsehserien.de: Im Labyrinth des Schweigens, o. D., https:// www.fernsehserien.de/filme/im-labyrinth-des-schweigens (. . ).  Lars Kraume: Der Staat gegen Fritz Bauer, Deutschland .  O. A.: Spannender Nachkriegsthriller, in: Neue Osnabrücker Zeitung, . . .  Kraume: Der Staat gegen Fritz Bauer, '''-'''.

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und historisch einordnen: Die Nazi-Jagd dient als Aufhänger für den übergreifenden, grundsätzlicheren Erzählbogen des Wandels und des Coming-of-Age Angermanns und Bauers und damit stellvertretend der Bundesrepublik. Um dies zu verdeutlichen, nimmt die Darstellung zwei der drei Motive Steinkes auf: Bauers Homosexualität und das Treuebekenntnis gegenüber den NS -Machthabern während der Diktatur. Laut Regisseur und Hauptdarsteller lassen sich anhand der Homosexualität Bauers und Angermanns das moralische und rechtliche Nachwirken der NS -Zeit und die verdrängten Verbrechen gut thematisieren.54 Auch diese Produktion setzt also auf ein informiertes Publikum, das mit Anspielungen arbeiten kann. Über die Sexualität führt das Drehbuch die Bewährungs- und Entscheidungssituationen herbei, an denen die Figuren reifen, und verdeutlicht darüber Bauers Opferbereitschaft,55 die im Film noch verstärkt wird durch seine Reue, sich 1933 gebeugt zu haben. Der Film veranschaulicht also den abstrakten historischen Prozess der gesellschaftlichen normativen Entwicklung über eine persönliche »Erlösungsgeschichte«:56 Bauer verzichtet auf das offene Ausleben seiner Sexualität, rettet Angermann nicht und unterwirft sich damit erneut dem Regime, das in Form von Gesetzen und einer repressiven Gesellschaft sublimiert fortbesteht und ihn wieder, diesmal in homophober Manier, diskriminiert. Aber er zieht aus seinem und Angermanns Opfer  Vgl. Ulrike Plewnia: Im Labyrinth der Intrigen, in: Focus, (), H. , S. -; Christoph Schneider: »Ich dachte, das schaffe ich nie«, in: Tagesanzeiger, . . ; Vierundzwanzig.de: Regisseur Lars Kraume über Der Staat gegen Fritz Bauer, in: Vierundzwanzig. de – Das Wissensportal der Deutschen Filmakademie, . . , [YouTube], https://youtu.be/UNQ wABYD gZg (. . ), ''''''.  Vgl. Martin Schwickert: Die Jagd nach den Gespenstern des Krieges, in: Saarbrücker Zeitung, . . ; Vierundzwanzig.de: Regisseur Lars Kraume über Der Staat gegen Fritz Bauer, '''-'''.  Vgl. Peter Degener: »Für mich ist er der Held Nr. «, in: Eichsfelder Tageblatt, . . ; Vierundzwanzig.de: Regisseur Lars Kraume über Der Staat gegen Fritz Bauer, '''-'''.

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die Entschlossenheit, es zur Rechenschaft zu ziehen. Wie Im Labyrinth des Schweigens erklärt der Film somit, wie der Auschwitz-Prozess zustande kommt. Im Gegensatz zum Film von 2013 legt Der Staat gegen Fritz Bauer jedoch nahe, dass das Verfahren und damit der Anstoß zur kollektiven Aufarbeitung letztlich durch die Selbstopferung der Protagonisten möglich wurden. Damit inszeniert er sie als heldenhafte, ideelle Vorfahren des heutigen Wertekollektivs. Wem die Geschichte der BRD und vom Wendepunkt unbekannt ist – und davon kann man bei einem internationalen Publikum ausgehen –, dem präsentiert sich der Film anders, nämlich als Ausschnitt aus der Geschichte der homosexuellen Ausgrenzung und Emanzipation. Bauer und Angermann vertreten die Gruppe der gleichgeschlechtlich orientierten Personen im Lebensgestaltungs- und Herrschaftszusammenhang der späten 1950er Jahre. Der Film schildert, wie es ihnen nicht möglich ist, unter diskriminierender Rechtslage ein sexuell selbstbestimmtes Leben zu führen, und wie sie um Entkriminalisierung kämpfen – etwa, wenn sich Angermann als Staatsanwalt für symbolische Strafmaße für gleichgeschlechtliche Sexualhandlungen einsetzt. Hatte Steinke Bauers Geschichte im Licht des WendepunktNarrativs aus neuen Blickwinkeln erzählt, so ordnet Der Staat gegen Fritz Bauer ihn neben seinen Verdiensten um die Aufarbeitung der NS-Verbrechen als Pionier und Märtyrer in die Emanzipationsgeschichte der Homosexuellen ein. Diesen Personenverband wiederum integriert der Film über die Schilderung einer Gesellschaft, in der Teile der NS-Gesetzgebung immer noch Gültigkeit besitzen und NS-Funktionsträger nach wie vor Einflusspositionen einnehmen, in die Großerzählung der Opfer des Nationalsozialismus. Der Staat gegen Fritz Bauer erzählt Bauer somit zusätzlich in einem anderen historischen Zusammenhang und bindet seine Geschichte in den Opferdiskurs ein. Allerdings wird erneut nicht klar, wie sich dies konkret in Bauers Alltag auswirkt. Im Gegensatz zu Angermann gestaltet das Drehbuch Bauers Leben jenseits seines Berufs nicht aus.

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Wie Im Labyrinth des Schweigens wird der Film stark medial beachtet.57 Auch er erhält das Prädikat »besonders wertvoll« und Premierenbesuch von Bundesjustizminister Heiko Maas.58 Außerfilmische Authentizitätsversicherungen vonseiten der Informationsmedien, der Produktionsbeteiligten oder weiterer erinnerungskultureller Akteure bleiben jedoch aus: Es erscheinen kaum Begleitberichte und in der Presse finden sich keine Hinweise darauf, dass prominente Zeitzeugen die Aufführungen besuchten oder sich zu den historischen Sachverhalten des Films äußerten. Auch geschichtspolitische Anerkennungsgesten lassen lange auf sich warten.59 Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen kritischer Bewertung und kommerziellem Erfolg: Der Film gewinnt eine Fülle nationaler und internationaler Preise und Nominierungen.60 An der Kinokasse überzeugt er weniger: Weltweit wollen ihn gerade einmal 515.302 Personen sehen.61 Ab 2016 läuft der Film auf Bezahlsendern, die Erstausstrahlung im öffentlichrechtlichen Fernsehen 2018 erreicht lediglich 6,6 Prozent Marktanteil beziehungsweise 1,74 Millionen Zuschauer und  Vgl. beispielhaft Johannes Breckner: Das eigene Amt als Feindesland, in: Darmstädter Echo, . . ; Adam Soboczynski: Der gute Staatsanwalt, in: Die Zeit, . . ; Stefan Stosch: Die Wahrheit über dieses Land, in: Neue Presse, . . ; Ken Jaworowski: Tracking Nazi Criminals, With an Eye on Eichmann, in: New York Times, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).  Vgl. Deutsche Film- und Medienbewertung: Der Staat gegen Fritz Bauer, o. D., https://www.fbw-filmbewertung.com/film/der_staat_ gegen_fritz_bauer (. . ); o. A.: Schauspieler feiern »Der Staat gegen Fritz Bauer« im Kino International, in: Berliner Morgenpost, . . .  Fünf Jahre nach der Lancierung spricht Frank-Walter Steinmeier in der Reihe »Mein Film« der Deutschen Filmakademie über Der Staat gegen Fritz Bauer. Vgl. Jérôme Lombard: Schlüsselfigur der frühen Bundesrepublik, in: Jüdische Allgemeine, . . .  Vgl. IMDb: Der Staat gegen Fritz Bauer – Awards, o. D., https://www. imdb.com/title/tt/awards?ref_=tt_ql_op_ (. . ).  Vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière, Der Staat gegen Fritz Bauer, o. D., http://lumiere.obs.coe.int/web/film_ info/?id= (. . ).

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Zuschauerinnen.62 Deutsche Fernsehsender zeigen ihn immerhin bis Ende 2019 insgesamt 69-mal,63 39 Streamingdienste in 11 Ländern (15 in Deutschland) bieten ihn an.64 Zunächst könnte das filmimmanente Gründe haben. Der Film schildert einen Kampf zwischen Funktionseliten; es mangelt an Alltagssituationen außerhalb des Gerichtssaals, die Konflikt- oder Repressionsszenen zeigen. Damit fehlt das Angebot an die Zuschauerinnen und Zuschauer, solche Situationen mit der eigenen Lebenswelt abzugleichen, gegebenenfalls eigenes Verhalten wiederzuerkennen und sich positiv oder negativ repräsentiert zu fühlen. Er ist somit gegenwartsdiskursiv anschlussfähig, ermuntert jedoch nicht zu empathischer oder sozialer Praxis mit dem Dargestellten. Medienökonomisch scheint es so zu sein, dass zwar jede Redaktion allzeit Berichte zu Adolf Eichmann parat hat, aber offenbar keine einen zeitgeschichtlichen Hintergrundartikel zu Homosexualität in den 1950er und 1960er Jahren bereithält, wenn ein Film zu diesem Thema in die Kinos kommt. Im Vergleich zu Eichmanns medial stark beachteter Entführung und Verurteilung gibt es im erinnerungskulturellen Kalender der Medienhäuser kein vergangenes, als Erinnerungsanlass etabliertes Ereignis der Verfolgungs- beziehungsweise Emanzipationsgeschichte von Homosexuellen, an das die Berichterstattung regelmäßig anknüpfen könnte. Das weist auf die im Film thematisierte Problematik hin: Da Homosexuelle auch nach dem Ende des Nationalsozialismus sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland strafrechtlich verfolgt und gesellschaftlich stigmatisiert werden, sind sie als Personenverband unsichtbar.  Vgl. Fabian Rieder: »Fritz Bauer« geht im Ersten völlig unter, in: Quotenmeter, . . , http://www.quotenmeter.de/n// fritz-bauer-geht-im-ersten-voellig-unter (. . ).  Vgl. Fernsehserien.de: Der Staat gegen Fritz Bauer, o. D., https:// www.fernsehserien.de/filme/der-staat-gegen-fritz-bauer (. . ).  Dies ergab eine Suche in der Video-on-Demand-Datenbank Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière VOD (http:// lumierevod.obs.coe.int) am . . .

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Sie können öffentlich weder vergangene Diskriminierungserfahrungen thematisieren noch politisch ihre Interessen artikulieren – das ist Teil der Ausgrenzung. Erst mit der schrittweisen gesetzlichen Liberalisierung ab den 1970er Jahren erhält dieses Kollektiv eine öffentlich als gleichberechtigt anerkannte Stimme und wird bei Gedenkaktivitäten zu NS -Verbrechen als Opfergruppe erinnert.65 Der Film wirkt also erinnerungskulturell gedächtnisbildend und die vielen Preise sind wohl eher als gegenwartsbezogene Gesten der Anerkennung denn als Beglaubigung einer Vergangenheit zu deuten. Die ARD produziert 2016 mit Die Akte General66 einen weiteren TV -Spielfilm über die Jagd nach Adolf Eichmann, in dem sie die Geschichte über die Ermittlungen Fritz Bauers gegen hochbelastete ehemalige Nationalsozialisten mit dem Systemkonflikt zwischen Ost und West und den außenpolitischen Winkelzügen Konrad Adenauers anreichert. Dadurch spitzt das Drehbuch die Auseinandersetzung zwischen Bauer und seinen Gegnern und Gegnerinnen als archetypischen Kampf zwischen Gut und Böse beziehungsweise David gegen Goliath zu: Der einfache, aufrechte Einzelkämpfer tritt gegen eine übermächtige, moralisch korrupte und interessengeleitete Politik an. Wie in Im Labyrinth des Schweigens und Der Staat gegen Fritz Bauer stellt der Film Bauer einen jungen Staatsanwalt, Joachim Hell, zur Seite, der bald ins Visier der Geheimdienste beider deutscher Staaten gerät. Auch er durchläuft in Bezug auf die NS -Vergangenheit einen Lernprozess, und auch diesmal bleibt Bauer auf seinem Weg zum Auschwitz-Prozess allein zurück: Der junge Staatsanwalt erweist sich als Spitzel, wenngleich er sich am Ende für die gute Seite entscheidet. Hells Lernprozess und die Hinweise auf den anstehenden Prozess sind jedoch nicht Teil der Handlung. Sie dienen wie viele weitere ikonische Repräsentationen – zum Beispiel des Holocaust, Adolf Eichmanns, der 1950er Jahre oder zwielichtiger  Vgl. Knoch: Spurensuche, S. .  Stephan Wagner: Die Akte General, Deutschland .

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Informanten – als Authentizitäts- und Genresignale und folgen einander lose als atmosphärisch dichte Vignetten des damaligen Zeitgeschehens. Dafür reichert Die Akte General die durch die Vorgängerproduktionen etablierte Persona des homosexuellen Nazi-Jägers mit persönlicher Tragik um Episoden aus Bauers Berufs- und Privatleben an, wie sie Steinkes Biografie schildert oder die davon inspiriert sind:67 Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben mit, wie ein Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes Mossad eines Nachts in Bauers Büro Akten fotografiert und wie der hessische Justizminister Bauers Personalkompetenzen als Generalstaatsanwalt beschneidet, um dessen Gegner zu besänftigen,68 aber auch, wie sich seine Freundschaften zu seiner dänischen Ehefrau oder zu Thomas Harlan gestalten.69 Die Produktion malt also die Persönlichkeit Bauers weiter aus. Diese Zeichnung dient zwar nicht dazu, Bauers Situation im Lebensgestaltungs- und Herrschaftszusammenhang seiner Zeit zu erklären und sie treibt die Handlung auch nicht wesentlich voran. Sie bietet jedoch insofern Lebensweltbezug, als sie Bauer als jemanden darstellt, der ein Leben hat, und gibt ihm ein Profil als Individuum. Die Akte General ist ein Erinnerungsfilm, weil die Zuschauer das universale Handlungsschema des Kampfes David gegen Goliath über die vielen Erinnerungs-cues als räumlich und zeitlich spezifische Variation in den eigenen Köpfen durchspielen und ohne konkrete Handlungsführung selbst entscheiden können, aus welcher Perspektive sie den Film deuten wollen:  Vgl. auch Daland Segler: Von der Pflicht, unbequem zu sein, in: Frankfurter Rundschau, . . .  Gemäß Steinke war es Bauer selbst, der Kompetenzen und Aufgaben der Personalführung wie Beförderungen, Mitarbeiterbeurteilungen usw. an seinen Stellvertreter Ulrich Krüger übertragen hat. Vgl. Steinke, Fritz Bauer, S. -.  Thomas Harlan, Sohn des Regisseurs Veit Harlan, war ein deutscher Autor und Regisseur, der eng mit Fritz Bauer befreundet war und während der er und er Jahre in europäischen Archiven zu NS -Verbrechen recherchierte. Vgl. Steinke, Fritz Bauer, S. -; Wojak, Fritz Bauer, S. -.

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als Darstellung bundesrepublikanischer Aufarbeitungsprozesse, als nostalgische Zeitreise oder als Nazi-Jagd im Gewand eines Politthrillers. Daraus ergibt sich das »Zeitbild mit Nazijäger«, die »Reise in eine finstere Zeit« oder das »besonders authentische Portrait der von Nazi-Seilschaften durchsetzten Ära Adenauer«.70 Als Film mit archetypischem Erzählmuster und vergleichsweise stereotypischen Figuren bietet er jedoch wenig Reibungs- oder Identifikationspotenzial. Zur Primetime am 24. Februar schalten 3,63 Millionen Personen ein, was einem Marktanteil von 11,3 Prozent entspricht.71 Der Film erreicht damit ein etwa ähnlich großes Publikum wie die Produktion der ARD sechs Jahre zuvor. Er wird in kleinem Rahmen über Interviews und zeitgeschichtliche Begleitartikel beworben72 und durchaus breit rezensiert.73 Von einem Geschichtsevent mag man gleichwohl nicht sprechen; die Erstausstrahlung von Die Akte General richtet sich nicht nach bestimmten Daten, die an historisch bedeutsame Ereignisse er Norbert Wehrstedt: Zeitbild mit Nazijäger, in: Dresdner Neueste Nachrichten, . . ; Emmanuel van Stein: Reise in eine finstere Zeit, in: Mitteldeutsche Zeitung, . . ; Ulrich Feld: »Die Akte General«: Der Frankfurter Kämpfer, in: Frankfurter Neue Presse, . . , https://www.fnp.de/kino-tv/akte-general-frankfurterkaempfer-.html (. . ).  Vgl. Tittelbach TV : Fernsehfilm »Die Akte General«, o. D., http:// www.tittelbach.tv/programm/fernsehfilm/artikel-.html (. . ).  Vgl. beispielhaft Bernward Klein: Ein Kämpfer für die Menschlichkeit, in: Bonner General-Anzeiger, . . ; Martin Weber: »Bauer ist für mich ein Held«, in: Badische Zeitung, . . ; Claudia Pless: »Es war wie eine Zeitreise«, in: Südkurier; . .  (insgesamt sieben Nachweise gefunden).  Vgl. beispielhalft Klaus Braeuer: »Die Akte General«: Spannender Film über den einsamen Kampf gegen Unrecht, in: Nordkurier, . . ; Eckhard Fuhr: Ein Jurist – und kein furchtbarer, in: Die Welt, . . ; Matthias Halbig: Kein Staub. Nirgends, in: Leipziger Volkszeitung, . . ; Sven Hauberg: Allein gegen alle, in: Münchner Abendzeitung, . . ; Joachim Käppner: Der Unbeirrbare, in: Süddeutsche Zeitung, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden).

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innern. Der Film erhält einen Preis und zwei Nominierungen.74 Die Produktion ist für den deutschsprachigen Fernsehmarkt gedacht. Er gastiert nur auf deutschsprachigen Festivals,75 und wiewohl es verschiedene Sprachversionen gibt, bieten ihn in Europa zehn ausschließlich deutsche und österreichische Streamingdienste an.76 Im deutschen Fernsehen wurde er bis Mai 2020 insgesamt 29-mal ausgestrahlt.77 Man kann wohl von einer begrenzten Reichweite der Produktion ausgehen. Da der Spielfilm das etablierte Bild Bauers nicht verändert oder infrage stellt, wird er eher dazu beigetragen haben, bereits bestehende Vorstellungen zu vertiefen. Die TV -Dokumentation Fritz Bauer – Generalstaatsanwalt. Nazi-Jäger / Fritz Bauer, un procureur contre le nazisme von 201678 folgt wieder klar dem klassischen Deutungsmuster vom Wendepunkt. Die Arte-Produktion erzählt nicht das Leben Bauers vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Veränderungsprozesses von der Verdrängung hin zur Thematisierung der NS -Verbrechen, vielmehr schildert sie diesen Wandel anhand von Bauers Lebensstationen: Herkunft,  Vgl. IMD b: Die Akte General – Awards, o. D., https://www.imdb. com/title/tt/awards?ref_=tt_ql_op_ (. . ); Willi Winkler: Ein Held von gestern für heute, in: Süddeutsche Zeitung, . . .  Vgl. Fernsehfilmfestival Baden-Baden: Die Akte General, o. D., https ://www.degeto.de/-f ernsehf ilmf estival-baden-baden/ (. . ); Filmfestival Max Ophüls-Preis: Die Akte General, o. D., https: //ffmop.de/film_detail/movie-beabe (. . ).  Dies ergab eine Suche in der Video-on-Demand-Datenbank Europäische Audiovisuelle Informationsstelle: Lumière VOD (http:// lumierevod.obs.coe.int) am . . .  Vgl. Fernsehserien.de: Die Akte General, o. D., https://www.fern sehserien.de/filme/die-akte-general (. . ).  Catherine Bernstein: Fritz Bauer – Nazi-Jäger. Staatsanwalt / Fritz Bauer, un procureur contre le nazisme, Frankreich . Es kursieren unterschiedliche Jahresangaben; Arte France gibt  an, vgl. Arte Boutique: Fritz Bauer, un procureur contre le nazisme, o. D., https:// boutique.arte.tv/detail/Fritz_Bauer_un_procureur_contre_le_nazisme (. . ).

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Verhaftung, Exil und Rückkehr, der Remer-Prozess, die Suche nach Eichmann, der Auschwitz-Prozess – das alles dient dazu, die Biografie der Bundesrepublik im Licht ihrer Vergangenheit und deren Aufarbeitung zu schildern. Damit legt die Dokumentation noch mehr als Im Labyrinth des Schweigens die Egozentrik des Wendepunkt-Narrativs und seinen funktionalen Umgang mit Bauer offen: Das Publikum erfährt alles über die Anstrengungen und Mühen Bauers, die juristische Aufarbeitung anzustoßen. Das dient dazu, die Position anderer, also der deutschen Gesellschaft, und deren Widerstreben, Rechenschaft zum Thema abzulegen, zu illustrieren. Die Zuschauer und Zuschauerinnen erfahren jedoch nichts über den Menschen Bauer, weil seine Freundschaften und Beziehungen, die Frage nach seinem Treuebekenntnis und sein persönliches Verhältnis zum Judentum nicht dazu beitragen, den gesellschaftlichen Wertekonflikt zu erklären, der im Zentrum der klassischen WendepunktErzählung steht. Aus demselben Grund bringt die Dokumentation vermutlich auch sein Schaffen als Strafrechts- und Strafvollzugsreformer in einer illiberalen Gesellschaft nicht zur Sprache. Damit fehlen Fritz Bauer – Generalstaatsanwalt. NaziJäger / Fritz Bauer, un procureur contre le nazisme die lebensweltlichen Anknüpfungspunkte, die über das Normative hinausgehen und die Möglichkeit, sich in ihm repräsentiert zu sehen (oder eben nicht). Zu dieser Distanz trägt die sachliche Inszenierung bei. Die Dokumentation setzt ausschließlich Archivmaterial und Aussagen von Zeitzeugen und -zeuginnen sowie Fachpersonen zu Bauer ein; auf szenische Darstellungen verzichtet sie. Wie verbreitet die Dokumentation ist, bleibt unklar, es lässt sich allerdings vermuten, dass ihre Reichweite nicht sehr groß war: Nennenswerte Kommunikationsmaßnahmen lassen sich nicht nachweisen, Besprechungen in französischen und deutschen Medien finden sich nur vereinzelt.79 Es gibt im deutsch Manfred Riepe: Auf den Helden gewartet, in: Der Tagesspiegel, . . ; Blaise de Chabalier: Fritz Bauer, la conscience de l’Allemagne d’après-guerre, in: Le Figaro, . . ; o. A.: Plädoyer für

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sprachigen Raum nur wenige Sendetermine – alle auf Arte. Daneben ist die Dokumentation offenbar ausschließlich über den Arte-Streamingdienst oder als DVD erhältlich.80 In der Zwischenzeit sind weitere Produktionsfirmen und Kulturschaffende außerhalb Deutschlands auf Fritz Bauer aufmerksam geworden. Der reinen Wendepunkt-Erzählung folgt am ehesten das französische Theaterstück Fritz Bauer von 2013, das den Staatsanwalt im Kontext der gesellschaftlichen Aufarbeitung der NS -Verbrechen darstellt. Es basiert auf Die Ermittlung, einem deutschen Theaterstück der 1960er Jahre über den Frankfurter Auschwitz-Prozess. Fritz Bauer stellt den Staatsanwalt ins Zentrum. Er vernimmt Opfer und Tatbeteiligte – kommentiert von Hannah Arendt – und erzählt dem Publikum mehr über den Hintergrund der Verbrechen.81 Das Schauspiel wird im November 2013 an fünf aufeinanderfolgenden Tagen in Colombes, einer Industriestadt im Großraum Paris, aufgeführt.82 Falls es eine mediale Resonanz auf das Theaterstück gegeben hat, wird sie wohl gering ausgefallen sein. Andere internationale Produktionen neigen eher dem NaziJäger-Topos zu. Im US -amerikanischen Agententhriller Operation Finale hat Fritz Bauer 2018 einen kurzen Gastauftritt.83 Die Produktion schildert szenisch die Entführung Adolf

 

 

die Menschlichkeit, in: Rheinische Post, . . ; Patricia Martin: Le justicier oublié, in: TV , (), H. , S. . Vgl. Fernsehserien.de: Fritz Bauer, o. D., https://www.fernsehserien. de/filme/fritz-bauer (. . ); Arte Boutique: Fritz Bauer. Théâtre contémporain: Fritz Bauer – l’objet, o. D., https://www. theatre-contemporain.net/spectacles/L-Instruction-Oratorio-en-chants/ensavoirplus/ (. . ); Théâtre DLR : Fritz Bauer/ Création , o. D., http://tdlr.fr/fritz-bauer-creation-/ (. . ). Das Theaterstück ist in voller Länge aufrufbar unter: Pierre-Marie Baudoin: Fritz Bauer/mise en scène Pierre-Marie Baudoin/Théâtre DLR /L’Avant-Seine Colombes/Le , . . , [YouTube], https://youtu.be/-bsAjSwNbys (. . ). Vgl. Théâtre contémporain: Fritz Bauer – calendrier, o. D., https:// www.theatre-contemporain.net/spectacles/L-Instruction-Oratorioen--chants/lesdates?viewold (. . ). Chris Weltz: Operation Finale, USA .

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Eichmanns. Im Film bringt Bauer die Suche ins Rollen, indem er unangekündigt im Büro des israelischen Geheimdienstes auftaucht, den Mitarbeitenden Informationen über Eichmann, dem »enemy of our people«, aufdrängt und sie zu überzeugen versucht, die Jagd aufzunehmen: »Think what it means: Jews finally, publicly, holding to account the man who organized our slaughter!«84 Obwohl Bauer in Duktus und Aussehen stereotypisch deutsch daherkommt, macht die kurze Sequenz klar, dass der Film ihn dem jüdischen – und angesichts des Prozesshinweises implizit dem israelischen – Kollektiv zurechnet. Seine Argumentation folgt dem Diskurs des handlungsfähigen Akteurs, zu dessen Gunsten sich nun das Blatt gewendet hat. Angesichts des sehr kurzen Auftritts Bauers ist es erstaunlich, dass ihn überhaupt ein Rezensent zur Kenntnis nimmt.85 Daher erübrigt sich eine Analyse der medialen Verbreitung. Radio France Culture strahlt im Sommer 2018 die 40-teilige Radiodokumentation »Les chasseurs de nazis« aus.86 Zur Verbreitung der Beiträge lässt sich nichts sagen. Falls es sich um eine Produktion anlässlich eines Geschichtsevents handelte, haben sich keine Hinweise darauf erhalten. Es finden sich nur wenige Besprechungen.87  Ebd., '''-'''.  Von allen englischsprachigen Rezensionen fand sich nur eine, die Fritz Bauer als Filmcharakter erwähnt. Vgl. Dominic Green: Review: Operation Finale, in: The Spectator, . . , https://www.spec tator.co.uk/article/review-operation-finale (. . ).  Michel Pomarède: Les chasseurs de nazis, in: France Culture, o. D., https://www.radiofrance.fr/franceculture/podcasts/les-chasseurs-denazis (. . ).  Vgl. Laurence Le Saux: France Culture sur la piste des chasseurs de nazis, in: Télérama, . . , https://www.telerama.fr/radio/ france-culture-sur-la-piste-des-chasseurs-de-nazis,n.php (. . ); Christine Rousseau: »Chasseurs de nazis«: une longue traque contre l’oubli, in: Le Monde, . . , https://www. lemonde.fr/televisions-radio/article////tv-chasseurs-denazis-une-longue-traque-contre-l-oubli__.html (. . ); o. A.: France Culture relate tout l’été les bravoures des chasseurs de nazis, in: The Times of Israel, . . , https://

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Die Serie widmet sich NS -Tätern sowie Personen aus verschiedenen Ländern, die sie gesucht haben, wie Geheimdienstmitarbeitende, selbstständig Jagende, Justizbeamte, Historiker, Senatorinnen, Journalistinnen, Rechtsanwälte oder Staatsanwälte wie Fritz Bauer. Ihm widmet die Serie zwei Episoden.88 Die erste stellt Bauer vor und schildert das aufarbeitungsfeindliche Klima in einer Gesellschaft, die sich selbst als Opfer sieht und jene Täter integriert hat, die nun Bauer in Justiz und Politik das Leben schwermachen. Die zweite Episode ist in sich zweigeteilt: Sie beschreibt zum einen den generationellen Wandel, das Ende des Schweigens sowie den Auschwitz-Prozess und erwähnt Bauer dabei nur am Rand. Zum anderen erklärt sie seine Rolle bei der Suche nach Adolf Eichmann. Erzählerisch versucht die Produktion damit, das Wendepunkt-Narrativ mit dem NaziJäger-Topos zu vermählen: Mit einer neuen Generation setzen das Nachfragen und Verfolgen von Tätern und Täterinnen ein. Damit fügt sich Bauer auch besser in eine Galerie von »Jägern«. Die Serie verweigert sich jedoch Stereotypisierungen und zielt eher auf die Vermittlung von Hintergrundinformationen ab. Sie stellt zwar berüchtigte NS -Unrechtspersonen und berühmte Nazi-Jäger und -Jägerinnen vor, schildert deren Suche aber als eine oft unspektakuläre Arbeit von Fachleuten und unterläuft damit mediale Erfahrungen oder Erwartungen der Zuhörerschaft. »Les chasseurs de nazis« wirkt daher wohl eher dokumentarisch gedächtnisbildend als erinnerungsaufrufend.

fr.timesofisrael.com/france-culture-relate-tout-lete-les-bravouresdes-chasseurs-de-nazis/ (. . ).  Vgl. Michel Pomarède: Les précurseurs: le procureur allemand Fritz Bauer (Chapitre , épisode ), in: France Culture, . . , https://www.franceculture.fr/emissions/les-chasseurs-de-nazis/lesprecurseurs-le-procureur-allemand-fritz-bauer-chapitre--episode- (. . ); Michel Pomarède: Les précurseurs: Fritz Bauer, le chasseur d’Eichmann (Chapitre , épisode ), in: France Culture, . . , https://www.franceculture.fr/emissions/les-chasseurs-denazis/les-precurseurs-fritz-bauer-le-chasseur-deichmann-chapitre-episode- (. . ).

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Archivmaterial kommt in den beiden Episoden kaum vor. Stattdessen setzt die Produktion zur Veranschaulichung Audiound Musikausschnitte aus früheren szenischen Erinnerungsproduktionen sowie Interviewsequenzen mit Fachpersonen ein. Jene, die zu Fritz Bauer am meisten zu Wort kommt, ist Olivier Guez. Der Journalist hat gemeinsam mit Lars Kraume das Drehbuch zu Der Staat gegen Fritz Bauer sowie populäre Titel zum Thema Aufarbeitung geschrieben und kann diesbezüglich als medialer Erinnerungsexperte gelten.89 Die Radiobeiträge stellen damit die zweite Generation medialer Erinnerung: Sie bauen auf vorangegangenen Darstellungen über Bauer und dem Wissen von Produzierenden aus dem allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraum auf. Die dabei gebildeten Gedächtnisinhalte entstehen also vollständig aus diesem Raum heraus. Ähnliches, wenngleich in anderer Form, gilt für das populäre Sachbuch Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History des prominenten US -Journalisten und Moderators Bill O’Reilly und seines Mitautors Martin Dugard.90 Das Buch erscheint im Oktober 2018 und porträtiert ebenfalls mehrere Nazi-Jäger und Gejagte. Im Gegensatz zur Serie von France Culture konzentrieren sich O’Reilly und Dugard auf die spektakulären Aspekte der Jagd und »Menschenjäger« im populären Sinn. Fritz Bauer wird ihnen semantisch zugeordnet: Er will NS -Täter zur Strecke bringen, einfach als »a man of the law, opposed to vigilante killing«.91 Die Beschreibung seiner Person erschöpft sich in der Verfolgung von Adolf Eichmann und weiterer SS -Prominenz. Das zugrunde liegende Motiv der kollektiven Auseinandersetzung mit den Verbrechen wie auch seine sonstige Arbeit als Staatsanwalt gehen (wie bei Eichmanns  Vgl. Olivier Guez: L’impossible retour. Une histoire des juifs en Allemagne depuis , Paris ; ders.: La disparition de Josef Mengele, Paris .  Bill O’Reilly, Martin Dugard: Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History, New York .  Ebd., S. .

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Ende – Liebe, Verrat, Tod) verloren. Dafür wird sein Charakter mit jenen Attributen eingeführt, die aus den anderen Produktionen bekannt sind: jüngster Amtsrichter, nach Treuebekenntnis geflohen, schweigt über sein Judentum, schwul.92 Die Darstellung kombiniert medial geformte Erinnerungen an das Zeitgeschehen der Nazi-Jagd und stereotype Vorstellungen von SS -Schergen und Mossad-Geheimagenten mit fiktiven, enorm anschaulich und aus Sicht des allwissenden Erzählers geschriebenen Schilderungen Bauers und Eichmanns, die nahelegen, dass die Autoren von früheren Erinnerungsproduktionen wie Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod ; Mörder unter uns – Fritz Bauers einsamer Kampf oder Operation Finale inspiriert wurden – auch wenn sie diese in den Quellenangaben nicht aufführen. Diese Erinnerungskomposition ist äußerst anschlussfähig, weil sie unterhaltsame Lektüre bietet und bildhaft Deutungsmuster und Vorstellungen aufruft, welche die Leserschaft aus Nachrichten und fiktionalen Produktionen kennt und als authentisch einschätzt.93 Lebensweltbezug oder Identifikationspotenzial bietet es kaum; die Figuren erscheinen holzschnittartig und ihre Handlungen vollziehen sich in einer konspirativen Welt. Das Buch ist ein Nonfiction-Bestseller, und von allen Erinnerungsdarstellungen, die bisher zu Bauer erschienen sind – seien es Bücher oder Filme –, ist diese am häufigsten in Bibliotheken verbreitet, mehrheitlich im englischen Sprachraum.94 Man muss annehmen, dass das Buch durch seine hohe Reichweite bestehende stereotype Vorstellungen von Nazi-Jägern  Vgl. ebd., S. .  Beispielhaft für diese Einschätzung der Leserschaft: »Because I lived some of this in real time in my everyday news, […] much of this was just more detailing to me. […] For those of you born much later and especially since  - you should read this book.« Jeannette: Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History, in: goodreads.com, . . , https://www.goodreads.com/review/ show/ (. . ).  Dies ergab eine Suche in der Datenbank worldcat.org vom . . .

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verstärkt, in welche Leser und Leserinnen Bauer als Neuzugang integrieren. Die Erinnerungsinitiativen des allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraums ergeben ein widersprüchliches Bild. Stofflich und narrativ kommen sie einheitlich daher: Es geht immer um die Aufarbeitung der NS -Verbrechen und die Handlungen referenzieren entweder das WendepunktDeutungsmuster und / oder den Nazi-Jäger-Topos. Trotzdem entstehen ganz unterschiedliche Darstellungen. Das liegt wohl daran, dass jeweils verschiedene Perspektiven- und Anschlussangebote zu Fritz Bauer und dem Thema gewählt werden. Aus diesen setzen Rezipierende die Handlung selbst zusammen: Steinkes Biografie Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht und Fritz Bauer – Generalstaatsanwalt. Nazi-Jäger / Fritz Bauer, un procureur contre le nazisme folgen demselben Deutungsmuster, aber sie erzählen die Handlung und die Dynamiken zwischen der deutschen Gesellschaft und Fritz Bauer aus entgegengesetzten Perspektiven und Interaktionsrichtungen. Daraus resultieren zwei verschiedene Biografien: Die eine Darstellung erzählt jene Bauers, die andere jene der Bundesrepublik. »Les chasseurs de nazis« und Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History sind ebenfalls inhaltlich deckungsgleich und nehmen den Nazi-Jäger-Topos zum Ausgangspunkt, gehen aber unterschiedlich damit um. Während die französische Produktion mit differenzierten Hintergrundinformationen Stereotype aufbricht, die sich aus der Berichterstattung und popkulturellen Verarbeitung des Themas entwickelt haben, und den Zuhörenden dadurch die Deutung des Sachverhalts über solche Schemata erschwert, bauen O’Reilly und Dugard Personen und Inhalte wesentlich darauf auf und machen es den medial erfahrenen unter ihren Leserinnen und Lesern leicht, Bauer quasi als Verkörperung solcher Stereotype in ihren Vorstellungsraum aufzunehmen. Auch Der Staat gegen Fritz Bauer und Die Akte General behandeln dieselben Sachverhalte mit einer sehr ähnlichen Figurenaufstellung. Diese beiden Filme bieten in sich mehrere

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lichkeiten und überlassen es dem Publikum, welche Geschichte es daraus entwickelt: Je nach historischer und medialer Vorbildung ergibt sich in den Köpfen der Zuschauenden aus der Handlung eine Wendepunkt-Erzählung, eine Emanzipationsgeschichte oder ein archetypischer Kampf mit Zeitkolorit. Die meisten Initiativen nutzen diskursive, normative oder mediale Anknüpfungspunkte. Darstellungen, die Sachverhalte und Interaktionen in Alltagssituationen übersetzen und das Publikum zu lebensweltlichem Nachvollzug einladen, finden sich erstaunlicherweise nur in Im Labyrinth des Schweigens, ansatzweise in Die Akte General sowie in Steinkes Biografie Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht. Allein bei Letzterem drehen sich die lebensweltlichen und handlungsrelevanten Situationen tatsächlich um Fritz Bauer. Dies mag mit den nach wie vor fehlenden Quellen zu Bauer als Privatperson zusammenhängen. Steinke ist der Einzige, der diesbezüglich neues Material präsentiert, also Zeitdokumente oder Schlussfolgerungen daraus, die in früheren Erinnerungsinitiativen nicht oder allenfalls kursorisch erwähnt wurden und somit der breiten Öffentlichkeit unbekannt sind. Eine andere Erklärung ist, dass die Produzenten es nicht für sinnvoll erachten, lebensweltliche Anschlussmöglichkeiten zu Bauer anzubieten, über die Rezipienten und Rezipientinnen dieser Darstellungen empathische Praxis ausüben können. Fritz Bauer bleibt damit unterbestimmt. Personen, die am Erinnerungsdiskurs teilnehmen, können ihn jedoch innerhalb der stets selben historischen Sachverhalte und Narrative aufgrund der verschiedenen Anknüpfungspunkte und Perspektiven mit unterschiedlichen Vorstellungen und Sinnbildungen »auffüllen«. Erinnerungskulturell kann die Figur dadurch durchaus gedeihen: Es bilden sich im kollektiven Gedächtnis in diversen Erinnerungsdimensionen des Themas »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« Verknüpfungen mit Bauer. Damit zusammenhängend sprechen die einzelnen Initiativen unterschiedliche kulturelle Vorlieben und mediale Prägungen an, womit die Erinnerung an Bauer potenziell mehr Personen erreicht und nicht nur einen Kreis mit bestimmten Präferenzen.

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Perspektivenvertiefung zum Zweck der politischen Bildung

Neben den genannten Produktionen gibt es Initiativen, die sich nur im Kommunikationsraum politischer Bildung verbreiten oder die nahelegen, dass die daran Beteiligten mit der Darstellung Fritz Bauers die Öffentlichkeit politisch bilden möchten: Die Dokumentation Fritz Bauer – Tod auf Raten95 von 2010 kann man als Pionierfilm der Erinnerung an Fritz Bauer in diesem Kommunikationsraum betrachten. Sie beleuchtet verschiedene Aspekte von Bauers Arbeit, porträtiert ihn als Person des damaligen Zeitgeschehens und schildert das aufarbeitungsfeindliche Klima der 1960er Jahre in der BRD sowie Bauers Kampf dagegen. Die Handlung folgt also dem Wendepunkt-Narrativ, indem sie Bauer in die Periode des Schweigens einordnet. Die karge Quellenlage zu Bauers Person gleicht die Dokumentation aus, indem sie neben zeitgeschichtlichem Archivmaterial vor allem Zeitzeugen und Zeitzeuginnen sprechen lässt. Der Film dokumentiert über Interviews Erinnerungen an Bauer und bildet somit Gedächtnis. Dabei bietet er wertebezogene Anknüpfungspunkte: Die Erinnerungen an Bauer als isolierte und angefeindete Person lösen Betroffenheit beim Publikum aus.96 Allerdings spiegeln sie keine Gegenwartserfahrung – in der Kultur des fortgesetzten Erinnerns wird man nicht sozial ausgeschlossen, sondern unterstützt, wenn man die NS -Verbrechen thematisiert. Das Publikum mag Bauer bewundern; wie sehr es sich mit ihm über die normativen Aspekte hinaus identifiziert, ist offen. Der Film debütiert im Februar 2010 bei der Berlinale und erhält das Prädikat »besonders wertvoll«97 der Film- und Medi Ilona Ziok: Fritz Bauer – Tod auf Raten, Deutschland .  Vgl. Claudia Michels: Das öffentliche Hinsehen, in: Frankfurter Rundschau, . . .  Vgl. Berlinale: Programm , Fritz Bauer – Tod auf Raten (Filmdatenblatt), o. D. https://www.berlinale.de/de/archiv/jahresarchive/ /_programm_/_filmdatenblatt__.

PERSPEKTIVENVERTIEFUNG

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enbewertungsstelle und durchaus wohlwollende Kritiken.98 Als Authentizitätsversicherungen begleiten Zeitzeugen gelegentlich Aufführungen der Dokumentation und Artikel ordnen sie zeitlich ein.99 Der Film läuft in Programmkinos, auf Filmfestivals sowie in größeren Kinos zu thematisch spezifischen Anlässen und wird in Schulen, Universitäten, Gedenkstätten und im Rahmenprogramm von Ausstellungen gezeigt. Auch Organisationen, die Fritz Bauer politisch nahestehen (etwa SPD -Ortsverbände), zeigen ihn.100 Bereits am 27. Januar des folgenden Jahres taucht die Produktion in Gedenkprogrammen auf.101 Sie ersetzt in den Folgejahren quasi die Vorträge, die bisher an Gedenktagen zu Fritz Bauer gehalten wurden. Der Film verbreitet sich somit in einem geschichtspolitisch interessierten

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htmltab=filmStills (. . ); Deutsche Film- und Medienbewertung: Fritz Bauer – Tod auf Raten, o. D., https://www.fbwfilmbewertung.com/film/fritz_bauer_tod_auf_raten (. . ). Vgl. Reinhard Lüke: Fritz Bauer – Tod auf Raten, in: Filmdienst, o. D., https://www.filmdienst.de/film/details//fritz-bauertod- auf-ratenkritik (. . ); Michels: Das öffentliche Hinsehen; Ulrich Gutmair: Nein sagen ist der Kern jeder Ethik, in: Die Tageszeitung, . . ; Eckhard Fuhr: Auf den Spuren des Auschwitz-Anklägers Fritz Bauer; in: Die Welt, . . ; Daniel Kothenschulte: Aufklärung im Kellerklub, in: Frankfurter Rundschau, . . . Vgl. Claudia Michels: »Gerichtstag halten über sich selbst«, in: Frankfurter Rundschau, . . ; Bianka Pscheidl: »Dem unsäglichen Zeitgeist getrotzt«, in: Badische Zeitung, . . ; AnnClaire Richter: Fritz Bauer – Sommer der Wiederentdeckung, in: Braunschweiger Zeitung, . . . Vgl. CV Films: Fritz Bauer – Tod auf Raten, Kinoauswertung, o. D., http://www.fritz-bauer-film.de/ge/index.htm (. . ); Elke Eckert: Die »Aktion Mensch« organisiert ein bemerkenswertes bundesweites Filmfestival, in: Die Tageszeitung, . . ; Pscheidl: »Dem unsäglichen Zeitgeist getrotzt«. Vgl. beispielhaft: Christina Oxfort: Gedenktag mit breitem Programm – Start am . Januar, in: Aar-Bote, . . ; o. A.: Gedenken im November, in: Höchster Kreisblatt, . . ; o. A.: Vorschau – Ein Ankläger von Nazi-Verbrechern, in: Freie PresseChemnitzer Zeitung, . . .

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Umfeld beziehungsweise über Orte, die politische Bildung fördern. Es ist unklar, wie stark sich Fritz Bauer – Tod auf Raten über diesen Kreis hinaus verbreitet. Der Film wurde auch international aufgeführt, die Eintrittszahlen ließen sich jedoch nicht eruieren. Deutsche Fernsehsender haben die Dokumentation bis Ende 2018 12-mal gezeigt, und nur wenige Streamingdienste haben den Film im Angebot.102 Neben dem Film stammen alle weiteren Erinnerungsinitiativen des Kommunikationsraums politischer Bildung von institutionellen oder staatsnahen Akteuren oder solchen, die einem Bildungsauftrag nachkommen. Dabei lässt sich eine thematische Perspektivenvertiefung feststellen: Die Initiativen unterstreichen die Einordnung Bauers entlang der rechtlichen Aufarbeitung von NS -Verbrechen infrastrukturell und referenziell. Die Produktionen finden an Orten statt, die fachlich oder thematisch passen, und Erinnerungsproduktionen benachbarter Themenbereiche weisen auf Darstellungen zu Bauer hin. Behörden beglaubigen diese Einordnung nicht nur personell durch die Teilnahme an Anlässen, sondern stellen auch Amtsgebäude als Vermittlungsorte zur Verfügung. Zudem beteiligen sich Justizbehörden aktiv an der Realisierung von Initiativen. Es handelt sich dabei ausnahmslos um Ausstellungen:  Vgl. CV Films: Fritz Bauer – Tod auf Raten, News [englische Version], o. D., http://fritz-bauer-film.de/en/index.htm (. . ); Fernsehserien.de: Fritz Bauer – Tod auf Raten, o. D., https://www. fernsehserien.de/filme/fritz-bauer-tod-auf-raten (. . ); Werstreamt.es: Fritz Bauer – Tod auf Raten, o. D., https://www. werstreamt.es/film/details//fritz-bauer-tod-auf-raten/ (. . ). Die Video-on-demand-Datenbank der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, Lumière VOD (http://lumierevod. obs.coe.int) listet zwei deutschsprachige Services; daneben ist der Film auf Amazon Prime Video UK verfügbar. Die allgemeine Datenbank der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle, Lumière (https://lumiere.obs.coe.int), die über Kinoeintritte Auskunft gibt, führt die Dokumentation nicht auf, ebenso wenig die nationalen Jahreshitlisten der deutschen Filmförderungsanstalt (https:// www.ffa.de) der Jahre ,  oder .

PERSPEKTIVENVERTIEFUNG

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Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums, das Fritz Bauer besucht hat, kuratieren 2012 die Ausstellung »Fritz Bauer – Jurist aus Leidenschaft« im baden-württembergischen Haus der Geschichte. Sie betrachtet sein Leben mehrheitlich aus der Perspektive seiner beruflichen und politischen Sozialisation sowie seines Engagements für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Ausstellungssektionen umfassen »Kindheit und Berufung«, »Politisches Engagement und KZ -Haft«, »Neuanfang in Braunschweig«, »Der Fall Eichmann und der Auschwitz-Prozess«, »Tod und Erinnerung«.103 Die Ausstellung erhält politisches Plazet: Bei der Eröffnung spricht die ehemalige Bundesministerin der Justiz, Herta DäublerGmelin. Nachdem das Museum die Ausstellung im hauseigenen Learning Center und im Gymnasium gezeigt hat, können Interessierte sie im Amtsgericht Stuttgart, in der StauffenbergErinnerungsstätte Stuttgart, in der Baden-Württembergischen Landesvertretung Berlin und in der Ebert-Gedenkstätte Heidelberg besuchen.104 Von 2012 bis 2017 tourt die vom Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und der Generalstaatsanwaltschaft kuratierte Ausstellung »Der Prozess um den 20. Juli 1944 – Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer und die Befreiung vom Stigma des Landesverrats« durch die Justizgebäude in Braunschweig, Hamburg, Karlsruhe, Berlin, Düsseldorf, Stade, Schleswig, Oldenburg und Bremen.105 Sie widmet sich Bauer im regionalen Kontext der juristischen Aufarbeitung der NS -Zeit und dreht sich um den Prozess gegen Otto Ernst Remer im Jahr  Vgl. Haus der Geschichte Baden-Württemberg: Schülerausstellung »Fritz Bauer – Jurist aus Leidenschaft«, o. D., https://www.hdgbw. de/das-museum/geschichtsvermittlung/projekte/schuelerausstellungfritz-bauer/ (. . ).  Ebd.  Vgl. beispielhaft o. A.: Fritz Bauer greift ein. Der berühmte Staatsanwalt und der Prozess um den . Juli, in: Die Zeit, . . ; o. A.: Hamburger Justiz: Ausstellung zum NS -Widerstand, in: Hamburger Abendblatt, . . ; o. A.: Widerstand: Justiz zeigt Ausstellung, in: Die Welt, . .  (neun Nachweise gefunden).

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1952. 50. 000 Personen besuchen die Ausstellung, ein guter Wert für die spezifische Thematik.106 Das Jüdische Museum Frankfurt zeigt 2014 mit dem Fritz Bauer Institut, dem Thüringer Justizministerium und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Joachim Gauck die Ausstellung »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht«. Nach Frankfurt sind der Thüringer Landtag, die Landgerichte in Heidelberg und Tübingen, das Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden, das NS -Dokumentationszentrum in Köln, das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden, das Jüdische Museum Westfalen und das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg weitere Stationen.107 Die Ausstellung strebt an, ein differenziertes Bild Bauers zu zeichnen. Sie berücksichtigt die Aspekte seiner Biografie, die bereits Ronen Steinke thematisiert hat: seine Homosexualität, das Treuebekenntnis zum NS -Staat und sein Verhältnis zum Judentum. Sie legt aber – was angesichts der Ausrichtung des Fritz Bauer Instituts naheliegt – den Fokus auf den politischen Menschen und Staatsanwalt, der sich für die juristische Aufarbeitung der NS -Zeit und die Demokratisierung Westdeutschlands einsetzte.108 Auch diese Ausstellung ist »ausgesprochen gut besucht«.109  Vgl. Ralph-Herbert Meyer: Das Erinnern an Fritz Bauer kehrt zurück, in: Der Löwe, . . , https://www.der-loewe.info/ das-erinnern-an-fritz-bauer-kehrt-zurueck (. . ); Joachim Göres: Als Braunschweig Geschichte schrieb, in: Die Tageszeitung, . . .  Jüdisches Museum Frankfurt: Dauerausstellung. Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht, o. D., https://www. juedischesmuseum.de/besuch/detail/fritz-bauer-der-staatsanwalt-/ (. . ); Fritz Bauer Institut: Fritz Bauer. Biografische Angaben, S. .  Vgl. Fritz Backhaus, Monika Boll, Raphael Gross: Vorwort, in: Dies. (Hrsg.): Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht, Frankfurt am Main, New York , S. -; Hans Riebsamen: Der Welt die Augen geöffnet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . ; Jan Schapira: Als die Mörder noch unter uns waren, in: Die Welt, . . ; Jüdisches Museum Frankfurt:

PERSPEKTIVENVERTIEFUNG

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Zu guter Letzt scheint Bauer Teil der Gedenkausstellung »Das Amtsgericht Stuttgart von 1933 bis 1945. Erinnerung an die vertriebenen und ermordeten jüdischen Richter und Referendare« zu sein, die das Amtsgericht Stuttgart 2015 in seinem Foyer zeigt.110 Wer sich für die verwandte Thematik »NS -Justiz« interessiert, hat ebenfalls die Chance, Fritz Bauer ab 2010 zu begegnen. Die sachsen-anhaltinische Wanderausstellung »Justiz im Nationalsozialismus« zeigt von 2008 bis 2015 bei einigen Stationen im Rahmenprogramm den Film Fritz Bauer – Tod auf Raten oder organisiert Vorträge über den Staatsanwalt.111 Rahmenprogramme vertiefen eine Thematik und sprechen ein involviertes Publikum an. So ist die Ausstellung in Merseburg ein Publikumserfolg,112 während zum Film über Bauer nur wenige den Weg finden.113 Mit der thematischen Vertiefung über Infrastruktur, Referenzen und institutionelle Beteiligte, vornehmlich aus der Justiz, zeigt sich auch die bereits festgestellte Engführung Bauers: Die Initiativen heben seine fachliche Funktion als Jurist und 109

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erausstellung; Helmut Kramer: Ein großes Vorbild, ein Mensch, in: Der Tagesspiegel, . . . Jüdisches Museum Frankfurt: Dauerausstellung. Vgl. o. A.: Schau erinnert an NS -Opfer in Justiz, in: Stuttgarter Zeitung, . . . Julia Reinhard: Über Massenmord aufklären, in: Mitteldeutsche Zeitung, . . ; o. A.: Film beleuchtet Schicksal im Nationalsozialismus, in: Mitteldeutsche Zeitung, . . . Auch diese Ausstellung gastiert bevorzugt in Justizgebäuden, geschichts- oder landespolitiknahen Institutionen oder Justiz-Gedenkstätten. Der Film wird in Halberstadt, Schönebeck, Bernburg, Weißenfels und Merseburg gezeigt. Vgl. Ministerium für Justiz und Gleichstellung Sachsen-Anhalt: Wanderausstellung »Justiz im Nationalsozialismus: Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes«, o. D., https://mj.sachsen-anhalt.de/themen/ausstellung-justiz-imnationalsozialismus/archiv/ (. . ). Vgl. o. A.: Ausstellung im Gericht läuft bis . Juni, in: Mitteldeutsche Zeitung, . . . Reinhard: Über Massenmord aufklären.

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Staatsanwalt hervor. Es fehlen sprachliche oder infrastrukturelle Hinweise, dass sie Bauer und sein Leben auch in einem anderen historischen Sinnbildungszusammenhang als jenem der rechtlichen Aufarbeitung betrachten. Es ist nachvollziehbar, dass der Topos des Nazi-Jägers auf wenig institutionelle Gegenliebe zu stoßen scheint. Es wäre jedoch nicht abwegig, auch auf andere Wirkungs- und Arbeitsschwerpunkte Bauers hinzuweisen und ihn damit in weitere historische Zusammenhänge zu setzen, indem man zum Beispiel ehemalige Sanatorien und medizinhistorische Museen (Stichwort: »Euthanasie«-Ermittlungen) oder Jugendeinrichtungen und einstige Strafvollzugsanstalten (Stichwort: Strafvollzugsreformen) als Ausstellungsorte wählt. Der Ausstellungskatalog zu »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht« listet einige Bereiche, mit denen sich Erinnerungsallianzen bilden ließen.114 Diese Möglichkeiten werden von den anderen institutionellen Beteiligten des Kommunikationsraums politischer Bildung offenbar nicht genutzt. Es ist zumindest bemerkenswert, dass der Reformaspekt wenig aufleuchtet, obwohl die Anpassung der Grundlagen behördlicher Tätigkeit wie Gesetze, Verordnungen oder Prozesse an veränderte gesellschaftliche Gegebenheiten ein institutionelles Schlüsselthema ist. Die Hinweise zu einzelnen Ausstellungen wie die in Stuttgart oder Braunschweig vermitteln zudem den Eindruck, dass die Initiativen weniger auf die Erinnerung an Bauer zielen als vielmehr auf die lokale Vertiefung der bundesrepublikanischen Aufarbeitung der NS -Verbrechen anhand seiner Person. Bauer wäre dann eine Facette der übergeordneten Selbsterzählung und nicht das genuine Erinnerungsobjekt. Welche Anschlussmöglichkeiten die Ausstellungen bieten, lässt sich nicht abschließend feststellen. Die Einheitlichkeit ergibt sich aus der Zielsetzung des Kommunikationsraums politischer Bildung. Institutionelle Erinnerungsakteure dieses Raums beabsichtigen nicht, einen Beitrag zu einer laufenden Erinnerungsdebatte über Fritz Bauer oder  Vgl. Backhaus, Boll, Gross: Vorwort, S.  f.

DIE DISKURSIVE METAMORPHOSE ZUM HELDEN

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die Aufarbeitung der NS -Verbrechen zu liefern, über den die Öffentlichkeit dann ergebnisoffen diskutiert. Sie beanspruchen oder sind beauftragt, eine wissenschaftlich abgesicherte Vergangenheitsversion als Geschichte zu vermitteln. Es handelt sich also um einen geschichtspolitischen Kommunikationsraum. Wahrscheinlich ermutigen einzelne Ausstellungen durchaus, verschiedene Perspektiven auf diese Vergangenheit einzunehmen, um die übergreifende Version auszudifferenzieren.115 Von der genannten Zielsetzung dürfen sich Initiativen jedoch nicht allzu weit entfernen, wenn sie einen Bildungsauftrag erfüllen möchten.

Die diskursive Metamorphose zum Helden

Es ist wenig überraschend, dass sich deutsche Produktionsfirmen mit Blick auf den internationalen Markt nicht auf die Vergangenheitsversion des Kommunikationsraums politischer Bildung beschränken, sondern Fritz Bauer auch in die globalisierte Aufarbeitungserinnerung der Nazi-Jagd integrieren, zumal der Nachruf in der New York Times darauf hinweist, dass Bauer jenseits des Atlantiks bereits zu Lebzeiten über den Nazi-JägerTopos gedeutet wurde.116 Kommen wie bei Die Akte General archetypische Erzählmuster wie »Gut gegen Böse« hinzu, löst sich jedoch selbst bei hoher normativer oder diskursiver Übereinstimmung das identitätsstiftende Distinktionsangebot als Erzählung über die Vergangenheit eines bestimmten Kollektivs auf. Eine solche Geschichte ist auf einer universellen Ebene angesiedelt.117

 Vgl. zu Multiperspektivität als Vermittlungsprinzip: Martin Lücke: Multiperspektivität, Kontroversität, Pluralität, in: Ders., Michele Barricelli (Hrsg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts,  Bde., Bd. , Schwalbach / Taunus , S. -, hier: S. .  Vgl. o. A.: Dr. Fritz Bauer Prosecuted Nazis.  Schweinitz: Film und Stereotyp, S. .

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Das entspricht durchaus der kollektiven Erinnerung an die Nazi-Jagd: Menschen erfahren weltweit aus den Nachrichten von Verbrechen unerhörten Ausmaßes, haben aber nicht notwendig etwas damit zu tun. Die Nazi-Jagd dient wie der normativ orientierte Fortschrittsdiskurs des Wendepunkts der retrospektiven Auseinandersetzung mit NS -Verbrechen und der sinnbildenden Deutung der zwei Zeitperioden des Leids und der Aufarbeitung, aber aus einer globalisierten und beistehenden Perspektive. Da es sich um die Erinnerung an eine medial vermittelte Erfahrung, genauer: an Berichte über die Verbrechen und Strafen Anderer handelt, fehlt dieser Vergangenheitserzählung der Aspekt der Beteiligung und Mobilisation. Zudem setzen die Erinnernden über den Nazi-Jagd-Topos nicht zur Aufarbeitung an, sondern schließen sie ab: Indem sie sich über die Erzählung erinnern, wie sie damals über die Nachrichten miterlebt haben, dass Täter und Täterinnen gejagt, vor Gericht gebracht und bestraft wurden, vergegenwärtigen sie die früheren Verbrechen, bringen sie imaginierend zu einem gerechten Ende und bestätigen sich als Teil eines universellen Wertekollektivs. Die erinnerungskulturelle »Brauchbarkeit« Bauers als Nazi-Jäger liegt dann nur noch darin, dass dem weltweiten Wertekollektiv eben auch Mitglieder der Unrechtsgesellschaft angehören, die um Gerechtigkeit gekämpft haben. Die Wendepunkt-Geschichte sieht sich ebenfalls Problemen gegenüber. Im Labyrinth des Schweigens hat zwar durchaus gezeigt, dass diese Vergangenheitsversion anschlussfähig vermittelt werden kann. Als kollektiv identitätsstiftende Vergangenheitserzählung kann sie jedoch nur von jenen Personen aufgefasst werden, die sich tatsächlich in Nachkommenschaft derer verstehen, die am Ringen um den richtigen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit beteiligt waren. Das ist bei der heutigen deutschen Gesellschaft, die als Wertekollektiv mit der Geschichte vom Wendepunkt primär angesprochen werden soll, nicht zwingend gegeben: Sie ist postnationalkulturell und pluralistisch geprägt und ihre Diskurse und medialen Erfahrungen vollziehen sich, wie oben beschrieben, vor dem

DIE DISKURSIVE METAMORPHOSE ZUM HELDEN

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Hintergrund vielfältiger Vergangenheitsbezüge und global distribuierter Nachrichten und Erinnerungsproduktionen. Die Lebenswelt, (medialen) Erfahrungen und Erinnerungsbedürfnisse einer solchen Gesellschaft spricht die geschichtspolitisch bevorzugte Vergangenheitsversion kaum an: Sie ist auf eine bestimmte gesellschaftliche Situation zugeschnitten und adressiert eine ebenso spezifische Gruppe als daran Beteiligte. Sie gibt zudem nicht unbedingt wieder, wie die Öffentlichkeit die Zeit der Aufarbeitung medial erfahren hat und erinnert, denn der durch diese Version erzählte historische Wandel ist letztlich ein längerer Prozess, der sich einer direkten oder medial vermittelten Erfahrung entzieht. Auch ist die Handlung normativ unbefriedigend: Die Mehrheit der Täterinnen und Täter kommt straflos davon. Gleichzeitig läuft die Wendepunkt-Geschichte als Erzählung eines kollektiven moralischen Fortschritts durch selbstkritische Auseinandersetzung mit der zunehmenden institutionellen und kulturellen Verankerung der Erinnerungspraxis Gefahr, objektlos zu werden und sich abzuschaffen – man muss nicht anmahnen, was sich geschichtspolitisch durchgesetzt hat. Somit besteht die Gefahr, dass sich die kulturelle Praxis des fortgesetzten Erinnerns in einer geschichtspolitisch etablierten, aber sinnentleerten Geste erschöpft und die Geschichte des Wendepunkts den Status als identitätsstiftende Meistererzählung verliert. Sowohl der Nazi-Jäger-Topos als auch das WendepunktNarrativ weisen also Defizite als »brauchbare« Deutungsmuster für Vergangenheitserzählungen auf und Initiativen, die Fritz Bauer darüber erinnern, geraten in Probleme: Entweder sie integrieren ihn in eine globalisierte Erinnerung der Aufarbeitung, dann ist er nicht mehr Teil einer spezifischen, kollektiv identitätsstiftenden Vergangenheitserzählung und verliert seine mobilisierende Kraft. Oder sie erzählen ihn über den Wendepunkt, dann kommen sie über das Aufrufen des »formelle[n] Rang[s]«118 Bauers nicht hinaus, weil er in dieser Story eine  Berg: Selbstansprachen, S. .

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VOM GESTALTER UND NAZI-JÄGER ZUM HELDEN

Nebenrolle spielt. Zudem stellt sich die Frage, wie sehr oder wie lange noch sich die breite Öffentlichkeit mit einer Erzählung und ihren Figuren identifiziert, die immer weniger ihre Gegenwart und medialen Erfahrungen spiegeln. Steinkes Biografie, die Ausstellung »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht«, der Film Der Staat gegen Fritz Bauer sowie – innerhalb des Nazi-Jäger-Topos – Die Akte General und die Radioreihe »Les chasseurs de nazis« bieten sowohl für die Erinnerung an Bauer wie auch für die Wendepunkt-Geschichte als kollektiv identitätsstiftende Erzählung eine Lösung. Sie weisen Bauer über seine jüdische Herkunft oder seine Homosexualität Gruppen zu, deren Mitglieder unter dem NS -Regime diskriminiert und ermordet wurden, in der Folgezeit weiterhin Ausgrenzungen erfahren haben und bis heute um gesellschaftliche Gleichbehandlung kämpfen. Diese Einordnung verstärken einige der genannten Initiativen durch die Deutung der Nachkriegszeit als sublimierte Diktatur, in der die NS -Ideologie in Gesellschaft und Recht weiterwirke und sich damit das Leiden dieser Gruppen – in den Darstellungen vor allem jene der Homosexuellen – fortsetze. Durch diese Einordnungen und Interpretationen integrieren die Produktionen Bauer in das Kollektiv der Opfer. Nun können ihn die Mitglieder des über die Erzählung angesprochenen Erinnerungskollektivs als solches begreifen und in die kulturelle Praxis des fortgesetzten Erinnerns aufnehmen, zu der das WendepunktNarrativ aufruft. Diese Integration ermöglicht weitere Sinnbildungen: Das ursprüngliche Wendepunkt-Narrativ erzählt einen normativen Konflikt, in dem die Sexualität und Religion der Beteiligten keine Rolle spielen. Die genannten Darstellungen zeigen jedoch auf, dass die Mehrheitsgesellschaft zu Fritz Bauers Lebzeiten bestimmte Personengruppen aufgrund dieser Aspekte diskriminiert und vom Zugang zu Ressourcen und Macht ausschließt. Mit der Darstellung als Homosexueller jüdischer Herkunft gehört Bauer nun nicht nur zur universellen Gruppe der »Guten«, sondern auch zu Teilkollektiven, deren

DIE DISKURSIVE METAMORPHOSE ZUM HELDEN

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lichkeiten durch solche Ausgrenzungen beschränkt werden und die dadurch benachteiligt sind. Der Konflikt zwischen Wertekollektiven wird damit um politische Auseinandersetzungen erweitert und die Wendepunkt-Erzählung nimmt eine emanzipatorische Ausprägung an. Anhand der so dargestellten Lebensgestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten Bauers wird es möglich, die historische Diskriminierung jüdischer und homosexueller Menschen beispielhaft abzubilden. Dadurch wird Bauer zum einen für die genannten Teilgruppen identitäts- und geschichtspolitisch »brauchbar«: Indem die Produktionen Bauer als Vertreter dieser marginalisierten Gruppen in die Geschichte ihres Kampfes um gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung einbinden, mahnen die Produktionen die Mehrheitsgesellschaft an, dass die emanzipatorischen Ziele dieser Einzelkollektive noch nicht erreicht sind. Daraus erklärt sich auch, warum die Erinnerungsproduktionen der 2010er Jahre Bauers politische Verfolgung als SPD -Mitglied kaum thematisieren: Sie spiegelt keine Gegenwartserfahrung. In dem Kommunikationsraum, in dem Bauer hauptsächlich erinnert wird, ist die freie Ausübung der politischen Rechte gewährleistet, und es gibt keine Gruppe, die sich auf Bauer als Vorläufer für ihre gegenwärtige politische Unterdrückung berufen könnte. Zum anderen lassen sich über Bauer die politischen Emanzipationsnarrative marginalisierter Gruppen mit dem normativen Fortschrittsnarrativ vermählen, mit dem seit den 1990er Jahren die deutsche Gesellschaft als demokratie- und menschenrechtsorientiertes Wertekollektiv angesprochen werden soll: Wenn geschichtspolitische oder erinnerungskulturelle Akteure aus Medien, Politik, Wissenschaft oder Kultur am Beispiel Bauers die Verfolgung von jüdischen und homosexuellen Menschen erinnern, signalisieren sie quasi stellvertretend für das gesamte Erinnerungskollektiv, dass sie die Teilgruppen nunmehr als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkennen. Sie bestätigen sich so als menschenrechtsorientierte und demokratische Wertegemeinschaft. Da Juden und Jüdinnen sowie

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elle nach wie vor unter Diskriminierung leiden, hat die Gesellschaft ihren Idealzustand jedoch noch nicht erreicht. Diese emanzipatorische Sinnbildungserweiterung liefert der Wendepunkt-Erzählung den ihr fehlenden Gegenwartsbezug und neue Mobilisationskraft: Erinnerungsinitiativen des normativen Wandels, die vergangene Ausgrenzungen während und nach der NS -Diktatur mit gegenwärtigen überblenden, liefern die Begründung, warum man weiterhin erinnern sollte: Über die aktuelle Diskriminierungserfahrung wird nachvollziehbar und plausibel, warum die NS -Vergangenheit und deren Aufarbeitung auch in Zukunft erinnernswert sind. An Fritz Bauers Rolle als Auslöser des Wandels ändert sich dabei nichts, sie macht wie bisher seine historische Bedeutung aus. Die zusätzliche Zuschreibung der Opferrolle adelt ihn jedoch zum Helden: Diskursteilnehmende fassen Bauers Opfer während der NS -Diktatur als erleidend (»victima«)119 auf. Dabei ist nicht maßgebend, ob oder wie sehr sich Bauer selbst etwa als jüdisch betrachtet hat; entscheidend ist, dass Bauer aufgrund der nationalsozialistischen Ideologie unweigerlich zur victima wurde – wie Millionen andere auch, von denen Unzählige wohl ebenfalls keinen nennenswerten Bezug zum Judentum besaßen. Da Diskursteilnehmende Bauer in Bezug auf sein Engagement für die Aufarbeitung der NS -Verbrechen jedoch als gestaltungsfähig begreifen, fassen sie seine Position als von Diskriminierung betroffene Person in der Bundesrepublik nicht als victima, sondern als »freiwillige[s] Selbstopfer des sacrificium«120 auf. Aus heutiger Sicht handelt es sich bei Bauers Schicksal in der Nachkriegszeit im Gegensatz zu seiner Verfolgung während der Diktatur um ein solches freiwilliges Selbstopfer, weil es nicht zwangsläufig erfolgt, sondern von Bauer gewählt wird: Er musste nicht nach Deutschland zurückkehren, er wollte; er musste weder die Anklage gegen Otto Ernst Remer in Braun Sabrow: Zeitgeschichte schreiben, S.  (Hervorhebung im Original).  Ebd. (Hervorhebung im Original).

DIE DISKURSIVE METAMORPHOSE ZUM HELDEN

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schweig übernehmen noch die Zuständigkeit für Ermittlungsverfahren zu Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz nach Frankfurt holen, aber er wollte. Er musste sich nicht als Jurist und Bürger in unzähligen Artikeln, Interviews und Vorträgen für Reformen mit der Mehrheitsmeinung anlegen, er wollte. Wie frei diese Entscheidungen in einem Leben getroffen werden, das sich konsistent in politischem und gesellschaftlichem Engagement entfaltet, ist eine andere Frage. Aus Bauers Sicht war es vielleicht keine Wahl, sondern existenzielles Bedürfnis. Ähnlich wie bei der Deutung des Opfers als victima ist bei der Interpretation als sacrificium jedoch nicht die individuelle Handlungsfähigkeit entscheidend, sondern die strukturelle im Lebensgestaltungs- und Herrschaftszusammenhang seiner Zeit. Worin besteht nun Bauers sacrificium? Sein Selbstopfer ist eng mit seinem Schicksal als victima verknüpft: Da Bauer sich für ein Leben in einer Gesellschaft der antisemitischen Handlungspraktiken und institutionellen Homophobie entschieden hat, wäre er auch ohne seinen Einsatz für die Aufarbeitung der NS -Verbrechen diskriminiert worden, sobald er sein Judentum oder seine Sexualität offen ausgelebt hätte. Gleichwohl entscheidet er sich für diese strukturelle Gefahr – und damit für den Verzicht auf wesentliche Lebensgestaltungsmöglichkeiten. Opfert eine Person sich oder etwas Wichtiges freiwillig für etwas, das intersubjektiv bedeutsam erscheint, so werten die Außenstehenden dies als heroische Tat. Der Wille, die Verbrechen der NS -Diktatur zu ahnden und darüber zu einer demokratischen, menschenrechtsorientierten Gesellschaft beizutragen, erkennt bereits das klassische Wendepunkt-Narrativ als ehrenwert und Ausdruck einer Orientierung auf das Gute an; heldenhaft ist es nicht: Da die klassische Erzählversion Bauer rein wertebezogen und ohne weitere Eigenschaften beschreibt, ist schlicht unbekannt, was er als Individuum oder als Vertreter eines bestimmten Personenverbands riskieren oder verlieren könnte. Bauer hat Drohbriefe erhalten und sicher darunter gelitten. Darüber hinaus kann die klassische

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Geschichte aber aus ihrer normativen Logik und Präsentation Bauers heraus nicht erklären, inwiefern er für seinen Einsatz für die Strafverfolgung von NS -Verbrechen einen (aus individueller oder struktureller Perspektive) existenziellen Verlust in Kauf genommen oder erlitten hat. Damit fehlt der Erzählung das sacrificium-Moment, das seine löblichen Handlungen zu heldenhaften adeln würde. Mit der Zuordnung Bauers zu diskriminierten Gruppen ändert sich das: In der WendepunktErzählung in emanzipatorischer Ausprägung ist auch er den strukturellen Risiken und Konsequenzen eines Lebens in einer diskriminierenden Gesellschaft ausgesetzt. Denn sobald erkenntlich wird, dass Menschen stigmatisierten Minderheiten angehören, werden sie von sozialer Teilhabe und Gestaltung oder dem Zugang zu Macht und Ressourcen ausgeschlossen. Da Bauer diese Risiken auf sich nimmt, um seine Anliegen zu verfolgen, zeigen sich seine Handlungen als die eines »Helden, dessen Größe sich aus seiner Opferbereitschaft ergibt«.121 Sein Engagement für die Aufarbeitung und Aufklärung der NS -Verbrechen ist heldenhaft, weil es Bauer so viel kostet: »Trotz seiner Erniedrigung, Verfolgung und Vertreibung durch Deutsche hat er seine Heimat und seinen Wirkungskreis wieder in Deutschland gesucht. Und er hat vermutlich seine intimen Sehnsüchte nicht gelebt, um sein Lebenswerk im Interesse eines ›neuen‹ Deutschlands nicht zu torpedieren.«122 In Bauers sacrificium vereinigen sich Fortschritts- und Opfernarrativ: Begreifen Erinnernde den wirkmächtigen Gestalter als Opfer, fallen Zeit- und Diskursebenen, Werte- und Opferidentifikation, Erinnerungssubjekt und -objekt ineinander: Einer von uns opfert sich für uns.

 Ebd., S. .  Kramer: Ein großes Vorbild.

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN IM WANDEL

Anerkennungsgesten: Straßen, Plätze, Denkmäler

Heinsberg bleibt mit seiner Fritz-Bauer-Straße lange allein. Nur Bauers Heimatstadt Stuttgart benennt zu seinem 100. Geburtstag 2003 eine Treppe »am Bobser« in Fritz-Bauer-Weg um.1 Ab 2010 kommt es jedoch vermehrt zu »demonstrativen Gesten der öffentlichen Anerkennung«,2 zunächst in Orten, die mit Fritz Bauer zusammenhängen: Braunschweig hat vor oder Anfang 2012 eine Tafel vor Fritz Bauers Wohnhaus an der Jasperallee angebracht. Im Jahr 2012 benennt die Stadt den Platz vor dem Landgericht in »FritzBauer-Platz« um. Initiiert hat dies der Braunschweiger FritzBauer-Freundeskreis, der auch einen Tafeltext für Bauer an der Außenwand der Gedenkstätte KZ Außenlager Braunschweig Schillstraße anregt, die 2018 installiert wird.3 Das Justizminis Vgl. o. A.: Eine Staffel am Bobser erinnert an Fritz Bauer, in: Stuttgarter Zeitung, . . ; Joe Bauer: Ein Deutscher, in: Stuttgarter Nachrichten, . . .  Frei: Fritz Bauer, S. .  Das genaue Datum der Installation in der Jasperallee konnte nicht eruiert werden. Eine kommunale Beschlussvorlage verweist im April  darauf. Vgl. Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig,  Fachbereich Stadtplanung und Umweltschutz: Beschlussvorlage, Betreff: Platzbenennung Fritz-Bauer-Platz, o. O., . . , S. . Zu den weiteren Ehrungen vgl. Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Bezirksgeschäftsstelle Mitte: Protokoll über die Sitzung des Stadtbezirksrates  – Innenstadt, Braunschweig . . , S.  f.; Udo Dittmann: Platzbenennung. Wie der Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig  in Fritz Bauer Platz umbenannt wird, in: Schriftenreihe des »Freundeskreises

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

terium Baden-Württemberg tauft 2012 den Veranstaltungssaal des Amtsgerichts Stuttgart auf den Namen Fritz-Bauer-Saal, um den gebürtigen Stuttgarter, der »eine zentrale Figur der bundesdeutschen Aufarbeitung der NS -Verbrechen« war, zu würdigen.4 Bauers Gymnasium zeichnet seit 2013 Schüler und Schülerinnen mit dem Fritz-Bauer-Preis für soziales Engagement aus.5 Besonders rege Anerkennungsaktivitäten legt Frankfurt am Main an den Tag: Die Stadt hatte bereits 1993 eine Tafel am Saalbau Gallus montiert, die an den ersten Auschwitz-Prozess und Fritz Bauer erinnert. Das gleiche tut sie 2013 im »Römer«, dem Rathaus der Stadt. Drei Jahre später versenkt die Stadt, angeregt vom Fritz Bauer Institut, vor dem Oberlandesgericht einen Bauer gewidmeten, 4,5 Tonnen schweren Metamorphit, von dem nur die Spitze als Mahnung an nicht aufgearbeitete NS -Verbrechen aus dem Boden ragt. Im März 2017 enthüllt die Stadt eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus in der Feldbergstraße. Zwei Monate später eröffnet sie sein renoviertes ehemaliges Arbeitszimmer im Landgericht als Fritz-Bauer-Saal. Die Stadt setzt diesen Reigen 2019 fort und tauft auf Initiative eines Architekten den großen Saal im Saalbau Gallus, in dem der erste Auschwitz-Prozess stattgefunden hat, ebenfalls FritzBauer-Saal.6 Diesem Beispiel folgt ein Jahr später Groß-Gerau Fritz Bauer«, o. J., H. ., o. S., http://fritz-bauer-freundeskreis.de/ wp-content/uploads///Schriftenreihe-FKFBBS -Heft-.pdf (. . ); o. A.: Neue Tafeltexte im Außengelände der Gedenkstätte Schillstraße, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung, . . .  Ministerium für Justiz und Europa: Großer Veranstaltungssaal des Amtsgerichts Stuttgart trägt Namen des gebürtigen Stuttgarters und früheren hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer – Justizminister enthüllt Erinnerungstafel, . . , https://web.archive.org/ web//https ://www.justiz-bw.de/,Lde/ (. . ).  Eberhard-Ludwigs-Gymnasium: Fritz-Bauer-Preis, o. D., https://www. ebelu.de/das-ebelu/geschichte/fritz-bauer-preis-/ (. . ).  Vgl. Gedenkorte für die Opfer der NS -Zeit in Frankfurt am Main: Haus Gallus: Gedenktafel zum ersten Auschwitzprozess, o. D., http ://www.gedenkorte-frankfurt-main.de/gom_orts_liste.php ?

ANERKENNUNGSGESTEN: STRASSEN, PLÄTZE, DENKMÄLER

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in Südhessen. Wie von Kreistagsabgeordneten vorgeschlagen, nennt die Stadt den bisher namenlosen Landratssaal seit Juli 2020 Fritz-Bauer-Foyer.7 Der Bund ist ebenfalls kommemorativ auf Fritz Bauer aufmerksam geworden: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz stiftet seit 2014 den Fritz Bauer Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte, benennt 2020 den Lichthof des Bundesministeriums nach Fritz Bauer und enthüllt in ebendiesem Hof wenige Monate später eine Bronzebüste des Juristen.8 Bauers 50. Todestag im Jahr 2018 markiert einen geschichtspolitischen Erinnerungshöhepunkt: Gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedenken geschichtspolitische Fachpersonen aus ganz Deutschland Bauer öffentlich in der Frankfurter Paulskirche.9 Im Folgejahr nimmt Heiko Maas, nunmehr Außenminister, den von der Organisation Fellowships at Auschwitz for the Professional Study of Ethics posthum an Bauer verliehenen Award for Ethical Leadership entgegen, und die Deutsche Post gibt eine Sonderbriefmarke zu Bauer heraus.10

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PHPSESSID =&dateiname=t_gom_gedenken_auschwitz_prozess (. . ); o. A.: Das Schweigen gebrochen, in: Taunus Zeitung, . . ; Oliver Teutsch: Ein Eisberg auf der Zeil, in: Frankfurter Rundschau, . . ; Johannes Vetter: Vor Mut und Entschlossenheit verneigen, in: Frankfurter Rundschau, . . ; o. A.: Raum erinnert an Fritz Bauer, in: Frankfurter Neue Presse, . . ; Danijel Majic: Großer Saal erinnert jetzt an Fritz Bauer, in: Frankfurter Neue Presse, . . . Vgl. Dirk Winter: Ein Foyer namens Fritz Bauer, in: Groß-Gerauer Echo, . . . Vgl. Bundesministerium der Justiz: Fritz Bauer Studienpreis, .., https://www.bmj.de/DE/Themen/ProjekteUndFoerderung/FritzBauer_Studienpreis/FritzBauer_node.html (. . ); Maria Ugoljew: Bronzener Charakterkopf, in: Jüdische Allgemeine, . . . Vgl. o. A.: Aufklärer und Verfassungspatriot, in: Jüdische Allgemeine, . . , https://www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/auf klaerer-und-verfassungspatriot/ (. . ). Vgl. Auswärtiges Amt: Ansprache von Außenminister Heiko Maas anlässlich der Verleihung des »FASPE Award for Ethical



ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

Ein guter Teil der kommunalen Initiativen stößt die Erinnerung an Fritz Bauer jedoch nicht wegen ihm an: Entweder kommt er ins Spiel, weil Verantwortliche für ein Projekt oder einen Ort einen Namen suchen, der zum Projektthema oder zu den Werten passt, die sie darüber ausdrücken wollen. Bereits die Benennung des Fritz Bauer Instituts ist nach dieser Logik erfolgt. Auch für die bis 2017 namenlose Fritz-Bauer-Gesamtschule in St. Augustin war die Person Fritz Bauer nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ergebnis eines Auswahlprozesses. Ausschlaggebend war, dass der oder die Namensgebende »den Ideen, Idealen und programmatischen Grundsätzen der Schule entspricht«. Es hätten auch Hilde Domin oder Marc Chagall sein können.11 Oder die Verantwortlichen ordnen Bauer einer Personengruppe zu, der sie ein öffentliches Andenken verschaffen möchten. Nach dieser normativen oder kollektiven Repräsentationslogik erfolgen die Um- oder Neubenennungen einiger Straßen und Plätze. Fritz Bauer ist oft Teil einer Gruppe oder ersetzt bestehende Namen: Frankfurt benennt 2011 eine Straße im Neubaugebiet Riedberg nach Fritz Bauer. Er gehört zu 16 Gegnern und Opfern der NS -Diktatur, die die Stadt seit 2004 auf diese Weise würdigt.12 In Stuttgart beschließt der zuständige Ausschuss 2010, dass Bauer vom Bobser in den Bezirk Sillenbuch umzieht. Er tritt dort an die Stelle von Heinrich von Treitschke: Diesem will die Stadt keine Straße mehr widmen und benennt die Treitsch-

ship« an Fritz Bauer, . . , https://www.auswaertiges-amt.de/ de/newsroom/maas-faspe-award-fritz-bauer/ (. . ); Bundesfinanzministerium: Serie »Aufrechte Demokraten« Fritz Bauer, . . , https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE / Bilderstrecken/Sondermarken/Programm_/Briefmarken_Pro gramm_/_Fritz_Bauer.html (. . ).  Fritz-Bauer-Gesamtschule: Wir über uns, o. D., https://fbges.de/wir. html (. . ); vgl. auch Hannah Schmitt: Ein Name für die Gesamtschule, in: Bonner General-Anzeiger, . . .  O. A.: Sie geben Straßen ihren Namen, in: Frankfurter Neue Presse, . . .

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kestraße in Fritz-Bauer-Straße um.13 Aus dem gleichen Grund heißt die Scheefstraße in Tübingen ab 2017 Fritz-Bauer-Straße. Der Gemeinderat der Stadt hat dem ehemaligen Oberbürgermeister Adolf Scheef – wie auch Theodor Haering und Paul von Hindenburg – posthum die von der Tübinger NSDAP verliehene Ehrenbürgerwürde aberkannt und möchte seinen Namen nicht mehr im öffentlichen Raum sehen.14 Ratingen beschließt 2019, den Blyth-Valley-Ring, benannt nach einer 2016 beendeten Städtepartnerschaft, in Fritz-Bauer-Straße umzubenennen. Auch hier entstammt Bauer einer Gruppe von Opfern und Gegnern der NS -Diktatur, an die über Straßennamen im öffentlichen Raum erinnert werden soll.15 Eine weitere, neu gebaute Fritz-Bauer-Straße liegt seit 2017 im 22. Bezirk Aubing-Lochhausen-Langwied der Stadt München. Bauer, der zwei Semester in München studiert hat,16 aber sonst wenig Verbindungen zur Stadt aufweist, setzt sich gegen einen Lokalpolitiker durch – wahrscheinlich aufgrund seiner Rolle bei der juristischen Aufarbeitung und Strafverfolgung von NS -Verbrechen; darauf verweist zumindest die Begründung.17 Melsungen tauft 2016 auf Antrag der Freien Wähler eine (vermutlich bisher namenlose) Fläche auf den Namen BauerStöhr-Platz und stellt mit der Nennung Friedrich Stöhrs den Lokalbezug her. Der Melsunger Metzgermeister hatte am  Vgl. Thomas Braun: Neuer Name für Treitschkestraße, in: Stuttgarter Zeitung, . . .  Vgl. o. A.: Ehrenbürgerwürde aberkannt, in: Schwäbisches Tagblatt, . . , https://web.archive.org/web//http:// www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Ehrenbuer gerwuerde-aberkannt-_arid,.html (. . ); o. A.: Die Prüfung weiterer Tübinger Ehrenbürger steht noch an, in: Stuttgarter Zeitung, . . .  Vgl. Joachim Preuß: Blyth-Valley-Ring wird umbenannt, in: Rheinische Post, . . ; Gabriele Hannen: Straßen sollen an NS Verfolgte erinnern, in: Rheinische Post, . . .  Wojak: Fritz Bauer, S. .  Kommunalreferat GeodatenService: Sitzungsvorlage Nr. - / V , Betreff: Straßenbenennung im . Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied, o. O., . . , S. .



ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

8. November 1938 eine jüdische Familie vor gewalttätigen Übergriffen geschützt. Zwei Jahre später installiert die Stadt – erneut auf Initiative der Freien Wähler sowie des städtischen Geschwister-Scholl-Gymnasiums – das Fritz Bauer-Friedrich Stöhr-Denkmal. Hierfür verwendet sie einen Gedenkstein, den sie einst zu Ehren Adolf Hitlers aufgestellt hatte. Flankiert von weißen Rosen symbolisiert der umgewidmete und entzweigehauene Stein nunmehr das zerschlagene NS -Regime.18 Auch anderswo setzen sich die Freien Wähler für Bauer ein: Im südhessischen Gustavsburg schlägt ihr Fraktionsvorsitzender Bauer für die Benennung eines Platzes im Ortszentrum vor, der bisher offiziell keinen Namen trug. Er ist bei einem Besuch im FritzBauer-Haus in Darmstadt auf den Staatsanwalt aufmerksam geworden. Die Stadt ehrt bei der Einweihung 2018 jedoch den Initiator des Auschwitz-Prozesses und nicht den Strafvollzugsreformer.19 Im Bonner Bezirk Hardtberg setzt sich Bauer 2018 gegen Hans Lukaschek als Namensgeber für eine Neubaustraße durch. Beide entstammen einer Namensliste, die von verschiedenen kommunalpolitisch aktiven Organisationen und Personen zusammengetragen wurde und aus der die Bezirke auswählen.20

 Vgl. [Stadtverordnetenversammlung]: Protokoll über die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am . Februar , Melsungen . . , S. ; Thomas Schattner: Neuer Name für Platz am Lindenberg, in: Hessische / Niedersächsische Allgemeine, . . , https ://www.hna.de/lokales/melsungen/neuer-name-fuer-platzam-lindenberg-.html (. . ); o. A.: Bauarbeiten zum Bauer-Stöhr-Platz haben begonnen – Hitler-Stein wurde gespalten, in: Hessische / Niedersächsische Allgemeine, . . , https:// www.hna.de/lokales/melsungen/melsungen-ort/bauarbeitenzum-bauer-stoehr-platz-haben-begonnen-hitler-stein-wurde-gespal ten-.html (. . ).  Vgl. Ralph Keim: Von Rudolf Diesel zu Fritz Bauer, in: Rüsselsheimer Echo, . . ; Norbert Fluhr: Anerkennung für einen Juristen mit Courage, in: Main-Spitze, . . .  Vgl. Der Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn, Amt : Beschlussvorlage , Betreff: Straßenbenennung zwischen

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Spätestens seit den Benennungen in Melsungen, Gustavsburg, Bonn und Groß-Gerau ergibt sich der Eindruck, dass Fritz Bauer in den Kreis national erinnerungswürdiger Persönlichkeiten aufgestiegen ist, die keinen Lokalbezug mehr benötigen. Egal, worin die Motivation der Ehrungen besteht, es scheint, als ob die vielen Erinnerungsinitiativen Früchte tragen und sich die Erinnerung an Bauer auch auf lokaler Ebene sehr schnell verbreitet. Seine Ehrwürdigkeit reicht aber offenbar nur bis zur Elbe: Fritz-Bauer-Schulen, -Straßen und -Denkmäler sind ein durchweg westdeutsches Phänomen. Es ließ sich bisher keine Fritz-Bauer-Straße in Ostdeutschland finden, die dem hessischen Staatsanwalt gewidmet ist, auch nicht in Österreich, der Schweiz oder anderswo in Europa. Das Fehlen der Straßennamen oder Denkmäler außerhalb der alten Bundesländer zeigt die zweite Egozentrik der Wendepunkt-Erzählung auf: Sie schließt die ostdeutsche Erinnerung aus.21 Wenige, die in der DDR aufgewachsen sind, werden den Vorwurf der Täterintegration, der strukturellen oder handlungspraktischen Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen sowie des Schweigens darüber auf ihre damalige Gesellschaft beziehen: Nach dem Krieg nutzt die Militärführung in der Sowjetischen Besatzungszone die Entnazifizierung, um »die traditionellen deutschen Führungsschichten aus ihren Ämtern zu verdrängen«22 und als die »wahren Initiatoren der blutigen Hitlerverbrechen«23 auch normativ aus dem sozialistischen Wertekollektiv auszuschließen.24 Die allgemeine

   

Leber-Straße und der Straße »Auf dem Kirchbüchel« im Stadtbezirk Hardtberg, Ortsteil Duisdorf, o. O., . . . Vgl. Gerhard Lüdeker: Kollektive Erinnerung und nationale Identität. Nationalsozialismus, DDR und Wiedervereinigung im deutschen Spielfilm nach , München , S. . Vgl. Hermann Wentker: Justiz in der SBZ / DDR , München , S. . O. A.: Gerechte Entnazifizierung. Die Ostzone bestraft die Schuldigen, in: Neues Deutschland, . . . Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten?, S. .

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Bevölkerung und die ehemaligen NSDAP -Mitglieder ohne Führungsfunktion hingegen werden von der Teilhabe an der nationalsozialistischen Diktatur freigesprochen.25 Damit werden die Verbrechen ideell ausgelagert: In der Ostzone gibt es nach der Entnazifizierung offiziell keine NS -Unrechtspersonen mehr, und die sozialistische Führung startet vergangenheitspolitisch unbelastet in die neu gegründete Deutsche Demokratische Republik.26 Das SED -Regime verschweigt zudem den Massenmord nicht, sondern integriert ihn in die »offizialideologische« Selbsterzählung des Antifaschismus.27 Bald nach Staatsgründung richtet sie Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus ein, erinnert rituell an die Verbrechen und führt immer mal wieder Prozesse gegen Personen mit nationalsozialistischer Vergangenheit.28 Auch wenn der DDR -Bevölkerung oder Teilen davon die propagandistische Natur dieser aufklärerischen Aktivitäten bewusst gewesen sein muss, erfährt sie grundsätzlich von den Verbrechen und rechnet es der SED -Führung noch heute positiv an.29 Der Erzählung, in der die kollektive Identität von Verdrängung hin zu Anerkennung und gelebter Demokratie reift, kann sich die ostdeutsche Bevölkerung daher nicht anschließen.

 Vgl. Wentker: Justiz in der SBZ / DDR , S. ; Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten?, S. -.  Vgl. o. A.: Entnazifizierung in der Ostzone beendet, in: Berliner Zeitung, . . ; Frei: NS -Vergangenheit, S. ; Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten?, S.  f.  Wolfgang Bialas: Antifaschismus als Sinnstiftung. Konturen eines ostdeutschen Konzepts, in: Wolfgang Bergem (Hrsg.): Die NS -Diktatur im deutschen Erinnerungsdiskurs, Wiesbaden , S. , hier: S. .  Vgl. Schmid: Deutungsmacht und kalendarisches Gedächtnis, S.  f., ; Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten?, S. .  Vgl. Dietmar Remy, Axel Salheiser: Integration or Exclusion: Former National Socialists in the GDR / Integration oder Ausgrenzung: Ehemalige Nationalsozialisten in der DDR , in: Historical Social Research / Historische Sozialforschung,  (), H. , S. -, hier: S.  f.

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Sie kann Fritz Bauer aber auch nicht in die eigene Vergangenheit ideell einbürgern. Dafür ist die Beziehung zur ehemaligen DDR -Justiz zu kompliziert. Für Menschen, die aus Sicht der DDR -Führung »Feinde des Aufbaus« sind, entfaltet sich die Rechtsprechung als Arm der Unterdrückung. Diese Erfahrung teilen jedoch nicht alle. Zudem bindet das SED -Regime die eigenen Bürger und Bürgerinnen in die Verwirklichung der Diktatur ein; ob jemand Opfer oder Täter ist, ist nicht immer klar zu unterscheiden.30 Die ostdeutsche Bevölkerung kann sich rückblickend nicht ohne Weiteres mit jemandem identifizieren, der offen zu strukturellen Veränderungen aufruft, und sich mit ihm gegen den Apparat stellen. Eine solche dichotome Sichtweise, wie man sie etwa über die Unrechtsstaat-Debatte an sie heranträgt, ist für ehemalige DDR -Bürgerinnen und -Bürger schwierig,31 auch wenn sich ostdeutsche Debattenbeteiligte begrifflich auf Bauer beziehen.32 Es gibt zudem keine Erfolgsgeschichte des Widerstands, der während der SED -Diktatur zur Systemreform führt. Er endet mit der friedlichen Revolution und dem Beitritt der DDR zur BRD . An eine transdeutsche Erzählung gelungener gesellschaftlicher, politischer oder juristischer Reform kann die ostdeutsche Erinnerung nicht anknüpfen, und es scheint keine weitere zu geben, für die sie Bauer »brauchen« kann.  Vgl. Boldorf: Brüche oder Kontinuitäten?, S.  f.; Ronald Gebauer: The Peaceful Revolution and its Aftermath: Collective Memory and the Victims of Communism in East Germany / Die friedliche Revolution und ihre Folgen: Die Opfer der SED -Diktatur in der kollektiven Erinnerung der Ostdeutschen, in: Historical Social Research / Historische Sozialforschung,  (), H. , S. -, hier: S. , ; Lüdeker: Kollektive Erinnerung und nationale Identität, S. -.  Vgl. Bialas: Antifaschismus als Sinnstiftung, S. .  Vgl. beispielhaft Veit Medick, Roland Nelles: »Mich trifft es in der Seele«, in: Der Spiegel, (), H. , S.  f., hier: S. ; Stefan Hantzschmann, Anne-Béatrice Clasmann: Ramelow sieht DDR nicht als Unrechtsstaat in: Osterländer Volkszeitung, . . ; o. A.: Schwesig löst heftige Debatte um DDR aus, in: Schweriner Volkszeitung, . . .

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

Historische Sinnbildung im Wandel: Straßennamenkämpfe

Im Osten Deutschlands mag kein Bedarf an Fritz-Bauer-Straßen bestehen, aber die dem Phänomen zugrunde liegenden Prozesse sind auch dort am Werk. Größere Schübe an Straßenumbenennungen erfolgen in der Regel bei Wechseln des politischen Systems. Typischerweise entfernen Kommunen dabei die Namen von Führungspersonen der überkommenen Ordnung sowie von Menschen, die erkennbar deren Kultur oder Ideologie repräsentieren, aus dem Straßenbild.33 Namen ohne offenkundige symbolische Ladung bleiben jedoch häufig bestehen. Die Fritz-Bauer-Straßen sind jedoch vor dem Hintergrund einer veränderten Sicht auf problematische Vergangenheiten zu verstehen. Die Veränderung zeigt sich einerseits in einem sozialgeschichtlichen turn im öffentlichen Diskurs: Das Schaffen historischer Personen wird nicht mehr isoliert bewertet, sondern vor dem Hintergrund der Lebensgestaltungs- und Herrschaftsstrukturen ihrer Zeit.34 Damit geraten Personen in verschiedensten gesellschaftlichen Positionen ins Blickfeld, wie etwa Adolf Scheef, der als Bürgermeister der Stadt Tübingen die nationalsozialistische Politik vor Ort umgesetzt hat.35 Zum  In Osteuropa geschehen in den er Jahren, in Deutschland nach , ,  und . Vgl. Carlos Closa Montero: Study on How the Memory of Crimes Committed by Totalitarian Regimes in Europe is Dealt with in the Member States (Contract No JLS // C /), Madrid , S. -; Matthias Frese: Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Fragestellungen und Diskussionspunkte, in: Ders. (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!?, S. -, hier: S.  f.; Rainer Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan. Kontroversen zu historisch-politischen Straßennamen, in: Ebd., S. -, hier: S. , ; Marcus Weidner: »Mördernamen sind keine Straßennamen«. Revision und Beharrung in der Straßenbenennungspraxis der Nachkriegszeit – Westfalen und Lippe -, in: Ebd., S. -, hier: S. -.  Frese: Straßennamen als Instrument, S. .  Vgl. o. A.: Historiker beleuchten NS -Nähe des früheren OB , in: Reutlinger General-Anzeiger, . . .

HISTORISCHE SINNBILDUNG IM WANDEL

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anderen hat sich die Einschätzung dessen gewandelt, was politisch-moralisch vertretbar ist, also worin die Orientierung auf das Gute besteht.36 Es lässt sich somit von veränderter historischer Sinnbildung in der Öffentlichkeit sprechen, und mit dem gewandelten Blick auf historische Personen erfolgt auch ihre normative Neubewertung: Hat die Person als Funktionsträgerin, beispielsweise in der Lokalpolitik, Kultur oder Wirtschaft, zu Ausgrenzung, Unterdrückung, Ausbeutung oder Vernichtung beigetragen oder nicht? Nun scheinen veränderte historische Sichtweisen und Fragen nach der politisch-moralischen Verortung einer namensgebenden Person für Straßennamen irrelevant. Straßenschilder dienen zunächst der räumlichen Orientierung, kommen kontextfrei daher und eignen sich somit nicht für die Erklärung eines vergangenen Sachverhalts.37 Der historische Sinnbildungsbezug ergibt sich jedoch nicht, weil historische Personennamen im öffentlichen Raum etwas erklären, sondern weil sie für etwas stehen – seien es Werte, Themen oder Personengruppen –, dem die lokale Bevölkerung, vertreten durch ihre jeweiligen Institutionen und deren Mitglieder, Bedeutung beimisst. Bei der Benennung einer Straße handelt es sich somit um einen absichtsvollen, öffentlichen Ausdruck des Anerkennens und Ehrens der Kommune als Erinnerungs- und Wertekollektiv gegenüber der historischen Person; die Geste verweist jedoch  Dies zeigt sich z. B. bei den Bewertungskategorien der Stadt Freiburg für die Überprüfung von Straßennamen. Sie empfiehlt eine Umbenennung bei »Aktive[r] Förderung des Nationalsozialismus bzw. des NS -Unrechtstaates von führender Position aus; Aggressive[m] Antisemitismus bei solchen Personen, die Multiplikatoren darstellten und über entsprechenden Einfluss verfügten; Extreme[m] Rassismus in Theorie und / oder Praxis; Militarismus in Form der Glorifizierung des Ersten Weltkrieges (Dolchstoßlegende); Extreme[r], unzeitgemäße[r] Frauenfeindlichkeit«. Vgl. [Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen]: Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen, Anlage  zur Drucksache G- /, Freiburg . . , S. .  Vgl. Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan, S. .

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

auf die kulturellen Orientierungen der Gesellschaft vor Ort zurück. Daher dienen Personennamen für Straßenbezeichnungen nicht nur der kollektiven Identitätsstiftung, sondern erfüllen auch eine selbstrepräsentative Funktion. Das heißt, die Anerkennungsgeste ist primär als ein Signal des Kollektivs nach außen zu verstehen und drückt nicht einen empathischen Bezug zur geehrten Person aus. Das zeigt sich vor allem am Tilgungsbedürfnis: Fällt die normative Neubewertung einer bisher namensgebenden Person negativ aus, folgt in der Regel der Vorschlag, dass ihr Name aus dem öffentlichen Raum zu entfernen sei, also nicht mehr ehrwürdig und erinnernswert ist. Mit dem Namen streicht eine Kommune daher nicht eine historische Sachlage aus dem kollektiven Gedächtnis, sondern den Status der Person als ideeller Vorfahre des lokalen Erinnerungs- und Wertekollektivs. An die Stelle der Erinnerungsunwerten treten Personen, die mit gegenwärtigen kollektiven Orientierungen übereinstimmen, bisher untervertreten waren oder denen durch das politische System, an dem die bisherigen namensgebenden Personen beteiligt waren, Unrecht widerfahren ist.38 Letzteres stellt somit eine späte »symbolische Wiedergutmachung« dar.39 Dies hat seit den 2000er Jahren zu Umbenennungen von Straßen und Plätzen in ganz Deutschland und damit einhergehend zu einer Vielzahl kommunaler Auseinandersetzungen um

 Aachen und Bielefeld ersetzen Agnes Miegel durch Nelly Sachs, in Oldenburg tritt an die Stelle eines NS -Arztes eine jüdische Ärztin. Vgl. o. A.: Mandela als Namensgeber, in: Westfalen-Blatt, . . ; Werner Czempas: Nelly Sachs rückt an die Stelle von Agnes Miegel, in: Aachener Nachrichten, . . ; Dietmar von Reeken: Heyl, Hindenburg, Hinrichs. Oldenburger Konflikte um Straßennamen zwischen Vergangenheitsdeutung, Wissenschaft und Politik, in: Frese, Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen, S. -, hier: S. .  Saskia Handro: Seltsame Wege. Straßennamen heute, in: Public History Weekly,  (), H. , https://public-history-weekly.degruyter. com/--/seltsame-wege-strassennamen-heute (. . ).

HISTORISCHE SINNBILDUNG IM WANDEL

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Straßennamen geführt.40 Die veränderten historischen Sinnbildungen stoßen also auf Widerstand und werden gleichzeitig mit Nachdruck vertreten. In Westdeutschland entfernen Kommunen meistens Personen mit nationalsozialistischer oder kolonialer Vergangenheit. Vergleichbare Initiativen finden sich für den Zeitraum auch in Ostdeutschland. Diskussionen um untervertretene Personengruppen oder Ereignisse drehen sich um die politische Wende 1989/1990, Namen von DDR -Dissidenten und -Dissidentinnen oder Frauen im Allgemeinen.41 Bei Kontroversen um belastete Namen stehen DDR -Funktionäre und -Funktionärinnen oder Symbole des Sozialismus wie »typische« sozialistische Themen, Ereignisse, Daten oder Persönlichkeiten deutlich im Vordergrund.42 Die NS -Zeit taucht nur bei Straßen auf, die im Zuge des Systemwechsels umgewidmet wurden und deren Namen sich im Nachhinein als belastet herausgestellt  Vgl. Saskia Handro: Historische Orientierung gesucht! Straßennamendebatten als Forschungsgegenstand und geschichtskulturelle Praxis, in: Frese, Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen, S. -, hier: S. , ; Frese: Straßennamen als Instrument, S. .  Vgl. beispielhaft o. A.: Ort des Erinnerns an den Herbst , in: Ostthüringer Zeitung, . . ; o. A.: Einigung über Straße der Friedlichen Revolution in Leipzig fraglich, in: Lausitzer Rundschau, . . ; Manfred Müller: Umbenennung als Signal gegen Rechtsextremismus, in: Sächsische Zeitung, . . ; o. A.: Frauennamen für Straßen, in: Sächsische Zeitung, . . ; o. A.: »Platz des . November« statt Luisenplatz?, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, . . .  Vgl. beispielhaft Jörg Niendorf: »Da könnte man gleich Mielke ehren«, in: Berliner Morgenpost, . . ; o. A.: Blönsdorfer wollen DSF -Straße behalten, in: Märkische Allgemeine, . . ; Jan Gloßmann: Namensänderung in Lübbenaus Straße der Einheit unwahrscheinlich, in: Lausitzer Rundschau, . . ; Frank Dörfelt: Zwickau hält an Thälmann fest, in: Freie Presse, Ausgabe Zwickauer Zeitung, . . . Insgesamt  Nachweise für den Zeitraum  bis  gefunden. Nur ein Artikel behandelte Straßennamen zu Personen der frühen Neuzeit, Kolonial- und Kaiserzeit, vgl. Andreas Tappert: Die Grünen wollen alle Straßennamen prüfen lassen, in: Leipziger Volkszeitung, . . .

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

haben.43 In der ehemaligen DDR zeigen sich somit die gleichen Veränderungsprozesse wie in den alten Bundesländern, sie entfalten sich jedoch über Vergangenheitsthemen, die für die Erinnerungs- und Wertekollektive vor Ort bedeutsam sind. Erinnerungsinitiativen und Diskussionen, die diese Veränderung ausdrücken, verlaufen durchaus – aber nicht immer – nach Parteilinien: Die Umbenennung der Treppe am Bobser in Stuttgart stößt ein Stadtrat mit grünem Parteibuch an.44 Auch in Ratingen fordert Bündnis 90 / Die Grünen die Umbenennung des Blyth-Valley-Rings, während CDU und BürgerUnion (BU ) »trotz Bauers Verdienst um die Aufarbeitung der Nazi-Gräuel keinen Zusammenhang zu Ratingen feststellen« mögen.45 Den Entzug der Ehrenbürgerwürde Hindenburgs und Haerings lehnen in Tübingen die bürgerlichen Parteien ab,46 gegen die Umbenennung der Treitschkestraße in Sillenbuch wehrt sich die FDP .47 Die Ehrungen in Melsungen und Gustavsburg hingegen haben die Freien Wähler angestoßen. Auch Anwohner und Anwohnerinnen, etwa der Scheefstraße in Tübingen, erheben Einspruch. Sie argumentieren mit der finanziellen und administrativen Belastung, stellen die geschichtswissenschaftlichen Einschätzungen infrage und ziehen bis vor das Verwaltungsgericht in Mannheim.48 Solche Widerstände  Vgl. o. A.: Schröter reagiert auf Vorwürfe gegen Petersen – Jenas OB will Historiker zu Rate ziehen, in: Ostthüringer Zeitung, . . ; o. A.: Heiße Diskussion um Straßennamen – Vorschlag abgelehnt, in: Leipziger Volkszeitung, . . ; Annerose Kirchner: Pädagoge und Denkmalschützer, in: Ostthüringer Zeitung, . . .  Vgl. Bauer: Ein Deutscher sowie Wojak: Fritz Bauer, S. .  Vgl. o. A.: Grüne wollen Straße zu Ehren von Fritz Bauer, in: Rheinische Post, . . .  Vgl. o. A.: Ehrenbürgerwürde aberkannt.  Vgl. Braun: Neuer Name für Treitschkestraße.  Vgl. o. A.: Scheefstraße: Gericht soll entscheiden, in: Reutlinger General-Anzeiger, . . ; Madeleine Wegner: Streit um historisch belastete Straßennamen, in: Schwäbisches Tagblatt, . . , https: //www.tagblatt.de/Nachrichten/-Streit-um-historisch-belastete-Stra ssennamen-.html (. . ); o. A.: Aus Scheef wurde

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sind nicht ungewöhnlich, sondern die Regel – zumindest, wenn Kommunen die Änderung ausschließlich erinnerungskulturell begründen. Die historisch-fachlichen Einwände sind typisch, ebenso, dass Gegner und Gegnerinnen von Umbenennungen zwar den unverhältnismäßigen Aufwand für eine Nebensächlichkeit bemängeln, aber einiges mehr an Energie, Geld und Zeit einsetzen, um eine Straßennamenänderung zu verhindern, als nötig wäre, um einen Adresswechsel zu melden.49 Auch in anderen Zusammenhängen streiten sich Bürgerinnen und Bürger um die Zumutung der Änderung oder Beibehaltung von Straßennamen.50 Es geht also um mehr als nur um Aufwände, und es kommt nicht auf das Thema an. Der Widerstand gegen Umbenennungen und die ihnen zugrundeliegenden Neubewertungen ist erklärungsbedürftig. Historische Fachleute empfinden es als »irritierend, in welchem Ausmaß sich überkommene Geschichtsbilder in der Öffentlichkeit halten«,51 etwa zum Nationalsozialismus. Personen, die sich gegen die Entfernung belasteter Namen sperren, greifen regelmäßig zu Argumenten aus den 1950er und 1960er Jahren, relativieren Beteiligungen, deuten Akteure des Unrechtssystems in Widerstandskämpfer und -kämpferinnen um oder legen die Diktatur als tödliches System aus, das keinerlei Widerstandsmöglichkeiten zulässt, und entlassen Täter und Täterinnen

Fritz Bauer, in: Schwäbisches Tagblatt, . . , https://www.tag blatt.de/Nachrichten/Aus-Scheef-wurde-Fritz-Bauer-.html (. . ). Zur Kolonialzeit vgl. Bernd Kastner: Ehre, wem keine gebührt, in: Süddeutsche Zeitung, . . .  Vgl. Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan, S. -; Handro: Historische Orientierung gesucht!, S. .  Vgl. Martin Bernstein: »Sorgfalt vor Schnelligkeit«, in: Süddeutsche Zeitung, . . ; Gloßmann: Namensänderung in Lübbenaus Straße der Einheit unwahrscheinlich; Kastner: Ehre, wem keine gebührt; Verena Mayer: Genervte Pioniere in einer korrekten Straße, in: Stuttgarter Zeitung, . . .  Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan, S. .

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damit aus der Verantwortung.52 Auch in der Berichterstattung über die Scheefstraße und den Argumenten der Umbenennungsgegner und -gegnerinnen zeigen sich Spuren davon. So sei Scheef »zwar parteilos, aber dem System so verbunden wie es ein Oberbürgermeister Ende der dreißiger Jahre nicht anders sein konnte«,53 oder »[m]an könne nicht einfach behaupten, Scheef sei in den Nationalsozialismus verstrickt gewesen.«54 Die Vermutungen, dass sich geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse und veränderte Perspektiven auf die NS -Vergangenheit zeitverzögert in der Öffentlichkeit verbreiten oder dass die Öffentlichkeit diese sehr wohl kennt, aber ablehnt,55 erscheinen nicht hinreichend, um den Widerstand gegen Umbenennungen zu erklären. Die deutsche Bevölkerung ist (oder fühlt sich) gut über die NS -Zeit informiert und erkennt sie als Teil der eigenen Vergangenheit an.56 Eine mögliche Erklärung wäre, dass lokales kollektives Gedächtnis wie familiales Gedächtnis funktioniert: Familien tradieren die NS -Vergangenheit nach wie vor verharmlosend, exkulpierend, als nicht-beteiligt und mit Blick auf das eigene Opfer.57 Familiale Vergangenheitserzählungen sind Teil des  Vgl. von Reeken: Heyl, Hindenburg, Hinrichs, S. ; Weidner: »Mördernamen sind keine Straßennamen«, S.  f.; am Beispiel der Kommune Lemgo: Marcel Oeben: Was tun mit unliebsamen Ehrungen? Das Bespiel Bürgermeister Wilhelm Gräfe in Lemgo, in: Frese, Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen, S. -.  O. A.: Aus Scheef wurde Fritz Bauer.  Wegner: Streit um historisch belastete Straßennamen.  Vgl. Kansteiner: Losing the War, S. ; Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan, S. .  Vgl. Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall: »Opa war kein Nazi«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt am Main , S. , ; Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (Hrsg.): MEMO – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor. Studie III , Bielefeld , S.  f.,  f.  Vgl. Welzer, Moller, Tschuggnall: »Opa war kein Nazi«, S. , , . Als kommunikatives Gedächtnis sollten solche Deutungen der familiären Vergangenheit mit zunehmender zeitlicher Distanz an

HISTORISCHE SINNBILDUNG IM WANDEL

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kommunikativen Gedächtnisses, »dessen Wahrheitskriterien an Wir-Gruppenloyalität und -identität orientiert sind.«58 Auch die Familienerinnerung erzählt von einer Identität, die von ihren Mitgliedern befürwortet wird. Akzeptieren ebendiese Mitglieder, dass die Bevölkerung systematisch in die praktische Umsetzung der NS -Diktatur und ihrer Menschenrechtsverbrechen eingebunden war, steht die Frage nach einer Beteiligung und Mitverantwortung jener Angehörigen im Raum, die während des Nationalsozialismus gelebt haben. Damit geraten die positive Selbstdeutung als Mitglied dieser Familie und die Loyalität zu ihr unter Druck, weil als gültig empfundene Aussagen über Kollektive, die Schnittmengen aufweisen, sich widersprechen.59 Entschuldigende Deutungen bieten hier einen Ausweg. Die Weigerung von Umbenennungsgegnern und -gegnerinnen, eine Person als belastet zu akzeptieren, ergibt ebenfalls nur Sinn, wenn sie die Belastung als Ausschlusskriterium für Ehrwürdigkeit anerkennen. Nun gehören auch Straßen zur identitätsstiftenden Lebenswelt. Die eigene Kommune hat die Namen vergeben und man hat sich bisher nicht an ihnen gestört. Einzugestehen, dass es sich um belastete Personen handelt, fällt auf das Kollektiv und somit auf einen selbst zurück: Die Bevölkerung vor Ort hat sich öffentlich mit UnKraft verlieren (vgl. Assmann: Kollektives Gedächtnis, S.  f.). Es scheint jedoch, dass sie immer noch fortbestehen: »Etwas mehr als ein Drittel aller Befragten (, ) berichtet von Opfern unter den eigenen Vorfahren während der NS -Zeit. Knapp ein Drittel (, ) bejaht die Frage nach Helferschaft, ungefähr ein Viertel (, ) die nach Täterschaft in der eigenen Familie. Am häufigsten berichten Befragte von der Gruppe von ›Mitläufern‹ unter den eigenen Vorfahren (, ). Die Begriffe ›Täter‹, ›Opfer‹ und ›Helfer‹ wurden dabei bewusst offengehalten, in der Befragung also nicht näher definiert.« Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (Hrsg.): MEMO , S. .  Welzer, Moller, Tschuggnall: »Opa war kein Nazi«, S. ; vgl. Assmann: Kollektives Gedächtnis, S.  f.  Vgl. Welzer, Moller, Tschuggnall: »Opa war kein Nazi«, S. , , ; Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. -.

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

rechtspersonen gemeingemacht. Handelt es sich um eine lokale Persönlichkeit, kommt der Holocaust ganz nah: Der Name legt offen, dass die Gemeinschaft die eigenen Nachbarn und Nachbarinnen alltäglich schikaniert, ausgegrenzt, beraubt und am Ende zu ihrer Ermordung beigetragen hat. Exkulpation ist auch hier eine Strategie, als Identitätsangriffe empfundene Aussagen über die Vergangenheit abzuwehren und Widersprüche aufzulösen. Hinzu kommt die politische Komponente: Debatten um Straßennamen sind lebendige kollektive Gedächtnisbildung. Die Lokalbevölkerung oder sie vertretende Gremien entscheiden, wen sie in den Kreis ideeller Vorfahren und Vorfahrinnen aufnehmen und wen sie ausschließen. Über Straßennamen können kommunalpolitisch aktive Personen konkret und angesichts der angenommenen Langfristigkeit vergleichsweise kostengünstig im öffentlichen Raum die eigene Vergangenheitsdeutung durchsetzen. Es geht somit um Macht. Als gesellschaftliche Auseinandersetzungen über den öffentlichen Raum werden Straßennamendebatten über politische Instrumente und nicht mittels wissenschaftlicher Erkenntnisbildung ausgefochten.60 Daher führt von 1945 – oder 1963 – zur heutigen Sicht auf die NS -Zeit keine gerade Linie zunehmend selbstreflexiver Vergangenheitsdeutung. Auch hier mag die Scheefstraße als Beispiel dienen: Sie wurde erst 1959 nach Adolf Scheef benannt und reiht sich in den Trend nationalistischer Straßennamen der 1950er und 1960er Jahre in der BRD ein.61 Dieser Trend wiederum  Vgl. Frese: Straßennamen als Instrument, S.  f.; Handro: Historische Orientierung gesucht!, S. , ; Pöppinghege: Geschichtspolitik per Stadtplan, S. ; Alfons Kenkmann: »Anstößige Krieger« unter dem »Diktat des Zeitgeistes«? Widmungsgetümmel in Münster, in: Frese, Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen, S. , hier: S. . Zu unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen in verschiedenen Kommunen zur selben belasteten Person vgl. Wegner: Streit um historisch belastete Straßennamen; zur Kolonialzeit vgl. Kastner: Ehre, wem keine gebührt.  Vgl. o. A.: Historiker beleuchten NS -Nähe des früheren OB ; Weidner: »Mördernamen sind keine Straßennamen«, S. .

HISTORISCHE SINNBILDUNG IM WANDEL

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blieb nicht unwidersprochen. Seit dem Ende der NS -Diktatur haben verschiedene Lokalinitiativen immer wieder versucht, über Straßennamen an Opfer und Widerstandleistende zu erinnern und Ehrungen für NS -Täter im öffentlichen Raum zu verhindern oder daraus zu entfernen. Dass dies oft fruchtlos blieb, lag in der Vergangenheit an örtlichen Machtverhältnissen und bis zur politischen Wende 1989/1990 an der Systemkonkurrenz, welche die Abwehr solcher als »sozialistische Anliegen« abgewerteten Initiativen begünstigte.62 Wenn historische Fachleute die »ernüchternde Erfahrung der doch großen Begrenztheit der Wirkung eigenen historischen Consultings«63 beklagen, dann unterschätzen sie die identitätsorientierte und politische Dimension von Straßennamendebatten und wie sie selbst in diesen wahrgenommen werden. Die Debattenbeteiligten verstehen die fachliche Expertise wie bei anderen politischen Sachfragen als Argument einer interessierten Partei und können sie somit befürworten oder mit einem Gegengutachten herausfordern, umso mehr, wenn sie aufgrund der im sozialen Umfeld tradierten Erinnerung »Gewissheit« zum Thema besitzen.64 Daraus leiten Debattenbeteiligte ebenfalls Deutungshoheit und die Kompetenz ab, von ihrer Perspektive abweichende geschichtswissenschaftliche

 Vgl. Steffen Stadthaus: Agnes Miegel – fragwürdige Ehrung einer nationalsozialistischen Dichterin. Eine Rekonstruktion ihres Wirkens im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit, in: Frese (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!?, S. -, hier: S. ; Weidner: »Mördernamen sind keine Straßennamen«, S. -.  Kenkmann: »Anstößige Krieger«, S. .  »[N]eben dem Schulwissen und den Informationen aus den Medien existiert ein Bild von der Vergangenheit, das aus der direkten, persönlichen Kommunikation resultiert, und dieses Bild ist vor dem Hintergrund seiner sozialen Entstehungsgeschichte ein emotionales Bild, nicht Wissen, sondern Gewissheit.« Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. .

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

Empfehlungen abzulehnen oder die Qualifikation historischer Fachpersonen anzuzweifeln.65 Die Vorstellung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse sich nur langsam verbreiten oder auf Widerstand stoßen, verrät zudem eine Top-down-Sicht. Es sind die Eingaben von Einzelpersonen, Aufarbeitungsinitiativen oder Geschichtswerkstätten vor Ort, die sich an der fortgesetzten Würdigung belasteter Personen stoßen, aus ihrer Sicht erinnerungswürdige Namen im Straßenbild vermissen und in der lokalen Erinnerungsarena für Bewegung sorgen. Diese Bemühungen hat die Geschichtswissenschaft erst ab Mitte der 1990er Jahre zur Kenntnis genommen.66 Historikerinnen und Historiker erhalten daraus nicht nur Forschungsimpulse, sondern ganz konkret den Auftrag, das Straßennamenregister systematisch auf belastete Personen hin zu prüfen und Alternativen vorzuschlagen.67 Der Anstieg von Anfragen zu solchen Gutachten weist darauf hin, dass Straßennamen die Kommunen schon länger beschäftigen.68 Mit den Gutachten möchten sie »vermeiden, ständig neu über einzelne Straßen diskutieren zu müssen«.69 Die Ergebnisse solcher Ex Vgl. Kenkmann: »Anstößige Krieger«, S.  f.; von Reeken: Heyl, Hindenburg, Hinrichs, S.  f.  Vgl. Weidner: »Mördernamen sind keine Straßennamen«, S. ; [Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen]: Abschlussbericht, S. ; Handro: Historische Orientierung gesucht!, S. , .  Vgl. beispielhaft Wegner: Streit um historisch belastete Straßennamen; o. A.: Historiker empfehlen Umbenennung von Porschestraße, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . . , https://www.faz. net/aktuell/politik/inland/duesseldorf-historiker-empfehlen-um benennung-von-porschestrasse-.html (. . ); Mirko Weber: Im Dickicht der Namen, in: Stuttgarter Zeitung, . . . Vgl. zur Kolonialzeit: Kai Biermann: Völkermordstraße, in: Die Zeit Online, . . , https://www.zeit.de/wissen/-/strassennamen-kolonialismus-rassismus-umbenennung-initiativen (. . ); Kastner: Ehre, wem keine gebührt; Mayer: Genervte Pioniere in einer korrekten Straße.  Vgl. Bernd Walter: Vorwort, in: Frese (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!?, S.  f., hier: S. .  Von Reeken: Heyl, Hindenburg, Hinrichs, S. .

GESELLSCHAFTLICHE TIEFENVERÄNDERUNGEN

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pertisen nimmt die Gesellschaft vor Ort wieder auf, um zu entscheiden, wer im kollektiven Gedächtnis neu dazukommt, wer bleiben darf und wer gehen muss. Straßennamendebatten sind somit ein beispielhaftes Public-History-Phänomen. Fritz Bauer trifft also auf eine günstige Großwetterlage veränderter historischer Sinnbildung, aus der sich überhaupt der Bedarf an Neu- oder Umbenennungen ergibt. Aufgrund seiner menschenrechtlichen Orientierung, seines Beitrags zum Wendepunkt, der Neueinordnung in den Opferdiskurs und der daraus folgenden Deutung als Held bietet er aus gegenwärtiger Sicht einen ganzen Strauß positiver Selbstrepräsentationsmöglichkeiten. Das macht ihn überregional attraktiv, vor allem, wenn sich eine Kommune von früheren problematischen Ehrungen absetzen möchte. Es ist sicher kein Zufall, dass Melsungen Bauer für ihre deutliche Distanzierungsgeste wählt und in Gustavsburg der Reformer vom tragischen Prozessinitiator überstrahlt wird. Nur bei Letzterem ist die gesamtgesellschaftliche Bedeutung ohne Lokalbezug plausibel erklärbar.

Gesellschaftliche Tiefenveränderungen: Polemiken im Feuilleton

Ronen Steinkes Biografie und Produktionen, die seine »weißen Flecken« aufnehmen, wie etwa die Ausstellung »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS -Verbrechen vor Gericht«, haben Kritik aus einem engeren Kreis von Akteuren und Akteurinnen hervorgerufen, die sich aktiv für die Erinnerung an Fritz Bauer einsetzen und Schnittmengen mit dem Kern-Erinnerungskollektiv aufweisen. Diese Personen vertreten gewissermaßen eine klassische Erinnerungsschule:70 Sie streiten ab, dass Fritz Bauer  Im Folgenden wird nur auf Debattenbeiträge des allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraums zurückgegriffen. Diverse kritische Beiträge sind im Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

seiner jüdischen Herkunft Bedeutung beimaß, homosexuell war und einen Treueeid auf die NS -Machthaber geleistet hat.71 Der neuen Erinnerungsschule werfen sie vor, über die Zuschreibung Bauers als jüdisch die »Tradierung des Rassenwahns der Nazis« fortzusetzen und mit der Thematisierung seiner Homosexualität und seines Treueeids Bauer etwas »anhängen«72 oder »Zweifel an seinem Lebenswerk [säen]« zu wollen, und unterstellen ihr aufarbeitungsfeindliche Motive.73 Boris Burghardt und Jan Thiessen haben die Kritikpunkte und Vorwürfe auf ihren Gehalt hin geprüft. Beide stellen fest, dass sie sachlich unbegründet sind: Die bemängelten Darstellungen unterscheiden sich zwar im Stil von gelobten, weichen aber inhaltlich nicht wesentlich davon ab. Zudem sind aus ihrer Sicht die Positionen der neuen Erinnerungsschule gemäß Quellenlage durchaus plausibel.74 Damit könnte man die Diskussion zu den Akten legen, zumal sie keinen nennenswerten medialen Widerhall findet.75 Die breite Öffentlichkeit fühlt sich offenbar nicht angesprochen.



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(), H.  erschienen. Da sich diese Publikationen jedoch an ein wissenschaftliches Publikum wenden, werden sie hier nicht weiter berücksichtigt (s. Einleitung). Vgl. Erardo Cristoforo Rautenberg: Zu Haus unter Feinden, in: Die Zeit, . . ; Knut Nelhiebel: Die Nestbeschützer, in: Der Tagesspiegel, . . , https://www.tagesspiegel.de/kultur/ deutungskampf-um-das-werk-von-fritz-bauer-die-nestbeschuetzer/ -all.html (. . ). Rautenberg: Zu Haus unter Feinden. Nelhiebel: Die Nestbeschützer. Nelhiebel stellt Personen, welche aus seiner Sicht die »Demontage« Bauers betreiben, in eine historische Linie mit jenen, die während der Nachkriegszeit der Aufarbeitung ablehnend gegenüberstanden. Vgl. Thiessen: Fritz Bauer – Rezeption, S. , -; Burghardt: Wiederentdeckung, S. -. Es fand sich nur ein Bericht nichtinvolvierter Dritter: Winfried Sträter: »Ich halte das für abwegig«, in: Deutschlandfunk Kultur, . . , https://www.deutschlandfunkkultur.de/streit-um-fritz-bauerich-halte-das-fuer-abwegig..de.html?dram:article_id= (. . ).

GESELLSCHAFTLICHE TIEFENVERÄNDERUNGEN

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Kritik und Position der klassischen Erinnerungsschule bieten jedoch einen guten Gradmesser für den Erfolg der identitätsstiftenden Vergangenheitserzählung als Fortschritt durch Aufarbeitung, vor allem in Form ihrer emanzipatorischen Weiterentwicklung: Die klassische Erinnerungsschule folgt der Zuordnung Bauers zum Opferkollektiv nicht und ordnet die neue Erinnerungsschule den aufarbeitungsaversen Kräften zu. Sie wähnt sich also noch in der Phase, in der um die selbstkritische Aufarbeitung der NS -Vergangenheit gerungen wurde und die seit den 1990er Jahren abgeschlossen ist.76 Sie argumentiert somit anachronistisch. Neben dem erinnerungskulturellen und opferorientierten turn der Gesamtgesellschaft scheint sie auch den emanzipatorischen nicht wahrzunehmen. Dass ein solcher stattgefunden hat, belegen nicht nur die befremdeten Reaktionen der Personen, die in dieser Debatte die neue Erinnerungsschule vertreten,77 sondern auch der Umgang der Gesamtgesellschaft mit der emanzipatorisch geprägten Erinnerung an Fritz Bauer: Mit der Aufnahme und öffentlichen Verbreitung der »weißen Flecken« durch die diversen Erinnerungsinitiativen erfolgt das Gegenteil eines Scherbengerichts. Die Produktionen sind erfolgreich und werden regelmäßig von politischer Seite beglaubigt. Es ließ sich kein Medienbericht finden, der die sexuelle Orientierung Bauers negativ konnotiert oder problematisiert. Dass manche Rezensenten und Rezensentinnen es nicht immer für sinnvoll halten, sie zu thematisieren, bedeutet nicht notwendig, dass sie »mentalitär in den fünfziger bis sechziger Jahren«78 hängen geblieben sind. Es zeigt allenfalls an, dass sie  Vgl. Frei: Fritz Bauer, S. .  Vgl. Kramer: Ein großes Vorbild; Mascha Drost: »Im Bereich der reinen Verschwörungsfantasien«, in: Deutschlandfunk, . . , https://www.deutschlandfunk.de/vorwuerfe-gegen-fritz-bauer-in stitut-im-bereich-der-reinen..de.html?dram:article_id= (. . ); Jan Feddersen: Die Denunziation, in: Die Tageszeitung, . . , https://taz.de/Diskussion-um-Film-ueber-FritzBauer/!/ (. . ).  Feddersen: Die Denunziation.

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ERINNERUNGSKOLLEKTIVE UND HISTORISCHE SINNBILDUNGEN

die ursprüngliche Wendepunkt-Erzählung ihrer emanzipatorischen Ausprägung vorziehen. Zudem nehmen die Ehrungen und lokalen Anerkennungsgesten mit zunehmender Verankerung der »weißen Flecken« in den Erinnerungsproduktionen nicht ab, sie nehmen zu. Dabei bieten Straßennamendebatten als politische Auseinandersetzungen ein ideales Feld, um Ressentiments zu entfalten. Wären homophobe und antisemitische Handlungspraktiken noch immer gesellschaftlich akzeptiert und weit verbreitet, hätte es Bauer auf kein Straßenschild geschafft. Die Feinde, vor denen die klassische Erinnerungsschule Bauer schützen möchte, haben die Erinnerungsarena verlassen. Kommunen haben zudem seit 2012 verstärkt begonnen, Fritz Bauer zu ehren, also noch bevor Steinkes Biografie oder Der Staat gegen Fritz Bauer erschienen sind. Buch- und Filmprojekte benötigen Monate bis Jahre von der Idee bis zur Veröffentlichung; die Produktionsverantwortlichen haben die Zuordnung Bauers zum Opferkollektiv als plausibel und attraktiv für populäre Formate empfunden. Es ist daher nicht abwegig anzunehmen, dass sie weniger für neue diskursive Impulse sorgen, sondern vielmehr in populäre mediale Form gießen, worüber bereits Konsens herrscht. Diskriminierte Gruppen und die veränderte historische Sinnbildung sind zu Beginn des FritzBauer-Booms bereits fester Bestandteil des erinnerungskulturellen Diskursuniversums. Alles, was gefehlt hat, ist eine Figur, in der sich die gegenwärtigen Strukturen, Sinnordnungen und Erinnerungsobjekte referenziell bündeln lassen und auf die die Mitglieder der lokalen Erinnerungskollektive für die eigenen Erinnerungsbedürfnisse zurückgreifen können.

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FAZIT: ERFOLGREICHE ANPASSUNG ODER SCHWANENGESANG?

Die Rückkehr als arbeitsteiliger Erinnerungsprozess

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Rückkehr Fritz Bauers ins kollektive Gedächtnis nicht über eine bestimmte Initiative oder einzelne, besonders aktive Erinnernde ergibt. Sie vollzieht sich innerhalb kurzer Zeit als arbeitsteiliger Erinnerungsprozess über das erfolgreiche Zusammenwirken von erinnerungskulturellen Akteuren und Akteurinnen verschiedener Kommunikationsräume mit ihren jeweiligen Interessen, Netzwerken und Verbreitungsmechanismen, die ein gemeinsames Erinnerungsobjekt verbindet. Bildungs- und geschichtspolitisch aktive Organisationen vermitteln in einem Kommunikationsraum politischer Bildung eine bevorzugte Vergangenheitsversion der Aufarbeitung der NS -Verbrechen. Auf diese Version greifen jene medialen Initiativen des allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraums zumindest im Ansatz zurück, die beabsichtigen, als intersubjektiv gültige und plausible Vergangenheitserzählung anerkannt zu werden. Aus denselben Gründen nehmen sie jedoch auch eine bestehende kollektive Erinnerung in ihre Erzählung auf, nämlich die der medialen Erfahrung der weltweiten Suche nach berüchtigten NS -Tatbeteiligten. Eine erfolgreiche Erinnerungsinitiative baut somit auf geschichtspolitisch dominanten Vergangenheitsdeutungen und kollektiven Erfahrungen als Anknüpfungspunkten für Erinnerungs-cues auf. Größere Initiativen für den allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraum sind auf eine gute Verbreitung angewiesen, um Kosten zumindest teilweise wieder zu decken. Die planvolle Zusammenarbeit zwischen Erinnerungsproduktionen

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FAZIT

und Informationsmedien scheint dann erinnerungskulturell erfolgreich zu sein, wenn die Produktionsbeteiligten über die Mittel verfügen, um Authentizitätsversicherungen breit einzusetzen, und dem Personenverband, den sie ansprechen wollen, positive Repräsentation bieten. Verstärkt wird dies, wenn institutionelle oder thematische erinnerungskulturelle Autoritäten über personelles oder sachliches Plazet signalisieren, dass sie eine solche Produktion als Ausdruck »echter« Erinnerung anerkennen. Die kurzen Abstände zwischen einzelnen medialen Erinnerungsproduktionen in den 2010er Jahren sorgen für eine hohe Kadenz solch planvoller Berichterstattung und zum Teil von Authentizitätsversicherungen: Informationsmedien müssen nicht Jahre warten, bis wieder ein Bericht zu einem historischen Ereignis fällig ist, die diversen Produktionen liefern sowohl das Material als auch den Anlass. Entsprechend häufig fallen in den Medien die Erinnerungs-cues zum stets gleichen Thema und rufen das Empfinden hervor, dass die Erinnerung »plötzlich« wieder da ist. Davon profitieren auch Initiativen, die ohne hohe Kommunikationsbudgets auskommen müssen oder sich als geschichtspolitische Anlässe außerhalb marktwirtschaftlicher Produktionsbedingungen vollziehen: Waren Ehrungen für Bauer zu Beginn des 21. Jahrhunderts allenfalls einen Hinweis in der lokalen Veranstaltungsspalte wert, überschlagen sich zu Bauers 50. Todestag 2018 und dem Gedenkanlass in der Paulskirche die Würdigungen in Zeitungen, TV - und Radiosendern, die ihn als nationales Ereignis feiern.1 Selbst die Bild berichtet über den »Ankläger der Nazi-Teufel«.2 Die geschichtspolitische, medial  Vgl. beispielhaft o. A.: Deutschland ehrt Nazi-Jäger Fritz Bauer, in: Münsterland Zeitung, . . ; o. A.: Späte Ehre für Nazi-Jäger Fritz Bauer, in: Berliner Kurier, . . ; o. A.: Steinmeier würdigt Ermittler der Auschwitz-Prozesse, in: Magdeburger Volksstimme, . .  (insgesamt  Nachweise gefunden, ohne Mehrfachpublikationen in verschiedenen Medientiteln).  Vgl. o. A.: Gedenken in der Paulskirche zum . Todestag von Fritz Bauer, in: Bild, . . , https://www.bild.de/regional/frankfurt/ holocaust/fritz-bauer--todestag-.bild.html (. . ).

VERÄNDERTE KULTURELLE ORIENTIERUNG

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verstärkte Adelung macht Fritz Bauer zum Haushaltsnamen und schafft den Boden für die breite Zustimmung lokaler Erinnerungsinitiativen. Diese gehen von thematisch interessierten Einzelpersonen aus, seien es Privatpersonen, Mitglieder einer Organisation oder politische Funktionsträger und Funktionsträgerinnen. Ihr Netzwerk ist das kultur- und geschichtspolitische, ihr Budget besteht in Engagement, und ihr Verbreitungsmechanismus ist die politische Eingabe. Das macht sie zu »Aktivisten [der] Zivilgesellschaft«,3 deren Erinnerungsanliegen über den demokratischen Prozess ausgehandelt werden – erst in Orten mit direktem biografischen Bezug, mit steigender Bekanntheit auch ohne nennenswerte kommunale Verbindung zu Bauer.

Veränderte kulturelle Orientierung bei gleichem Vergangenheitsbezug

Diese Arbeitsteilung ist dem vorliegenden Veränderungsprozess jedoch vermutlich nicht eigen und erklärt den Fritz-BauerBoom nicht hinreichend. Tatsächlich ergibt die Analyse der einzelnen Erinnerungsdimensionen zunächst Widersprüchliches: Brauchbarkeit und Sinnhaftigkeit: Fritz Bauer wird zum Zeitpunkt seines Todes als Vorkämpfer juristischer und gesamtgesellschaftlicher Reform erinnert. Dieses Thema hat in den 1990er Jahren an Relevanz verloren. Bauer wird als Akteur einer Fortschrittserzählung der Liberalisierung nicht mehr gebraucht. Stattdessen findet die kollektiv identitätsstiftende Vergangenheitserzählung als Fortschrittsgeschichte im fortgesetzten Erinnern der NS -Verbrechen ein neues Erzählobjekt. Die Geschichte vom Wendepunkt hat zum Ziel, eine kollektive Identität als demokratische Wertegemeinschaft auszudrücken. Sie will erklären, wie es aufgrund eines normativen Wandels der Gesellschaft zur Aufarbeitung der Verbrechen kam und warum  Frei: Fritz Bauer, S. .

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FAZIT

jene, die sich mit dieser Gesellschaft identifizieren, auch in Zukunft die NS -Zeit und ihre Verbrechen kritisch erinnern sollen. In dieser Geschichte erhält Bauer als gestaltendes und erinnerndes Subjekt eine handlungsanleitende Rolle: Ab den 1990er Jahren referenzieren Informationsmedien oder geschichtspolitische Akteure und Akteurinnen Bauer als Impulsgeber, der das Erinnern und den normativen Wandel auslöst, und brauchen ihn, um die Erinnerung an die Verbrechen und Opfer der NS -Zeit anzumahnen. Bauer kommt aber in dieser Vergangenheitserzählung über eine Nebenrolle nicht hinaus, und das Narrativ des Wendepunkts verliert zunehmend an Gegenwartsbezug und Mobilisierungskraft. Die Medienlandschaft erinnert Fritz Bauer zusätzlich als NaziJäger. Der Begriff fasst eine globalkollektive, mediale Erfahrung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammen, die ebenfalls das Erinnerungsthema »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« adressiert und die im Laufe der Jahre über Stereotype popkulturell gefestigt wird. Diese Schemata setzen populäre Darstellungen der Gegenwart ein, um das damalige Zeitgeschehen authentisch zu inszenieren. Der Nazi-Jäger-Topos erfährt jedoch keine geschichtspolitische Weihe, da er Bildungsabsichten zuwiderläuft und keine gruppenspezifischen Repräsentationsmöglichkeiten und Handlungsanleitungen bietet, auch wenn er universal normativ anschlussfähig ist. Bauer als Nazi-Jäger ist keine »brauchbare« identitätsstiftende Erinnerung. Die Engführung Bauers im Themenbereich »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« seit den 1990er Jahren und die darauf angewendeten Deutungsmuster als Wendepunkt-Erzählung oder Nazi-Jäger-Topos bleiben in der öffentlichen Erinnerungsarena bis in die Gegenwart konstant. Diskursive und lebensweltliche Anschlussfähigkeit: Fritz Bauer bleibt lange von der Kategorie der Erinnerten ausgeschlossen, weil die Diskursbeteiligten ihn als wirkmächtiges Subjekt verstehen, das zur Erinnerung an andere aufruft, und diese Auffassung untereinander verbreiten. Erst mit der Zuordnung zu diskriminierten Gruppen und den Opfern der

VERÄNDERTE KULTURELLE ORIENTIERUNG

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Vernichtungspolitik wird er ab 2013 als Objekt der Erinnerung begreiflich. Diese Neueinordnung vollzieht sich vor allem im allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraum. Daraus ergeben sich mehr Gründe, warum Bauer im Themenbereich »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« historisch bedeutsam ist, und mehr Möglichkeiten, wie Diskursteilnehmende in diesem Zusammenhang über Bauer sprechen können: nicht nur vom gestaltenden, moralischen Gründervater, sondern auch vom Angehörigen nach wie vor diskriminierter Gruppen, vom Opfer der NS -Vernichtungspolitik sowie vom Pionier homosexueller Emanzipation. Die Opferzuschreibung kombiniert mit dem bisherigen Verständnis als gestaltendem Akteur eines Fortschrittsprozesses ergibt die Deutung und Sprache von Bauers Opferbereitschaft und Heldentum. Über diese Diskursanreicherung und Heroisierung erhöhen Initiativen insgesamt die Deckungsgleichheit mit der diskursiven Grundstruktur und kulturellen Sinnordnung der deutschen Gesellschaft und steigern Bauers gesamtkollektive Erinnerungsattraktivität. Hingegen bieten nur wenige Erinnerungsinitiativen lebensweltliche Anschluss- und Identifikationsmöglichkeiten mit Fritz Bauer. Davon ausgenommen ist die Biografie Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht von Ronen Steinke. Es ist daher fraglich, ob Erinnernde gegenüber Bauer lebensweltlich bezogen empathisch praktisch tätig werden und sich in ihm wiedererkennen (oder eben nicht). Dieser Mangel ist bei medialen Produktionen umso bemerkenswerter, als die meisten von ihnen sich formal gerade für solche Anschlussangebote eignen würden und sie bei anderen Figuren durchaus einsetzen. So ist etwa der junge Staatsanwalt in Im Labyrinth des Schweigens, der zusammen mit seinen Verbündeten die »gute« Bundesrepublik repräsentiert, wohl diejenige Figur, die am meisten positive Identifikation und Selbstrepräsentation anbietet. Stattdessen wählen viele Medienproduktionen kollektive mediale Erfahrungen als Anschlussangebote, indem sie Stereotype oder ikonische Vorstellungen aufgreifen, die dem durch Nachrichten oder vorangegangene mediale Produktionen geprägten »

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lich standardisierten […] Assoziationsraum«4 entstammen und dem Publikum vertraut sind. Die meisten Initiativen appellieren über Fritz Bauer an Werte und Ideale und bieten damit an, eine gegenwärtige kulturelle Orientierung zu vergegenwärtigen. Das betrifft alle Erinnerungsinitiativen und drückt sich in besonderem Maß in lokalen Anerkennungsgesten wie etwa Straßennamen aus. Über diese Vergegenwärtigungen und Gesten können die Mitglieder des Erinnerungskollektivs, sei es als Medienkonsumierende oder als Bürgerinnen und Bürger einer Kommune, sich selbst bestätigen und nach außen signalisieren, dass sie Teil eines werteorientierten Personenverbandes sind. Verbreitungsattraktivität: Wie stark sich eine Initiative innerhalb eines Erinnerungskollektivs verbreitet, hängt sicher zu einem guten Teil mit den Mitteln zusammen, die für die Diffusion zur Verfügung stehen. Das Buch Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History verdankt seine Popularität neben der hoch anschlussfähigen Schilderung vermutlich schierer Distributionsmacht und der Bekanntheit des Autors. Das heißt aber noch lange nicht, dass erinnerungskulturelle Akteure und Diskursbeteiligte bereit sind anzuerkennen, dass ein Medienprodukt kollektive Erinnerung ausdrückt, etwa indem sie es öffentlich durch Gesten der Anerkennung oder Authentizitätsversicherungen beglaubigen oder scharenweise ins Kino, ins Museum oder in den Buchhandel strömen, um es als solches zu rezipieren. Dies gelingt, wenn Initiativen sowohl mit Informationsmedien als auch mit anerkannten Autoritäten wie Zeitzeugen oder politischen Amtsträgern zusammenarbeiten. Die meisten Authentizitätsversicherungen und Anerkennungsgesten erfolgen beim Film Im Labyrinth des Schweigens. Diese Beglaubigungen fehlen mehrheitlich bei Der Staat gegen Fritz Bauer, auch wenn der Film sehr viele Auszeichnungen erhält und breit besprochen wird. Er floppt – vielleicht auch, weil Informationsmedien nicht an Erinnerungsanlässe zum Emanzipa Welzer: Das kommunikative Gedächtnis, S. .

VERÄNDERTE KULTURELLE ORIENTIERUNG

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tionsthema anknüpfen und somit nicht vermitteln können, dass es sich bei der Produktion um einen Erinnerungsfilm handelt. Steinkes Bauer-Biografie erzeugt hingegen vergleichsweise wenig Presseecho und wird im Laufe der Jahre allenfalls sporadisch erinnerungskulturell beglaubigt. Sie erweist sich jedoch als die wirkmächtigste Erinnerungsproduktion von allen. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sie erstmals neues Quellenmaterial zur Privatperson Bauer in leicht zugänglicher Form präsentiert und ihn mit diesen inhaltlichen Erweiterungen auch diskursiv neu einordnet. Fast alle nachfolgenden medialen Erinnerungsinitiativen nehmen diese Neueinordnung auf, auch wenn sie der lebensweltlichen Darstellungsweise der Biografie kaum folgen. Da keine der nachfolgenden Initiativen weitere »weiße Flecken« entdeckt, sondern alle die Erkenntnisse Steinkes mit weiteren bekannten Sachverhalten sowie ikonischen und stereotypischen Vorstellungen repetieren, verfestigt sich diese erweiterte Zeichnung Bauers in der Öffentlichkeit. Zusammengefasst liegt hinsichtlich Brauchbarkeit und Sinnhaftigkeit, diskursiver und lebensweltlicher Anschlussfähigkeit und Verbreitungsattraktivität die Vermutung nahe, dass bei Fritz Bauer nicht lebensweltliche Identifikation im Sinne empathischer Praxis das erinnerungsbildende Erfolgskriterium darstellt, das zu seiner Rückkehr beiträgt, sondern die Möglichkeit zur positiven Selbstrepräsentation im Sinne eines Signals sozialer Praxis nach außen, sei sie wahrnehmend oder ausübend. Die erste Arbeitshypothese trifft also nicht oder nur teilweise zu: Tatsächlich ordnen erinnerungskulturelle und geschichtspolitische Akteure und Akteurinnen Fritz Bauer seit den 1990er Jahren zwar in ein anderes Großthema ein als zum Zeitpunkt seines Todes. Aber der Fritz-Bauer-Boom der letzten Jahre vollzieht sich gerade nicht angesichts vergangener Erfahrungen oder Ereignisse, die in der Gegenwart erstmals oder erneut bedeutsam werden, sondern vor der seit Ende des letzten Jahrhunderts etablierten thematischen Zuordnung zum Komplex »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« und den Deutungsmustern »Wendepunkt« und »Nazi-Jäger«.

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Hingegen erweist sich die zweite Arbeitshypothese, dass die Öffentlichkeit Bauer in veränderte Diskurse einbindet, wie sie es vorher nicht konnte, als korrekt. Im Unterschied zu früheren Erinnerungsinitiativen und den meisten Initiativen aus dem Bereich der politischen Bildung bereichern jene des allgemeinen erinnerungskulturellen Kommunikationsraums die Figur Bauer diskursiv, indem sie sie diskriminierten Gruppen zuordnen und in den Opferdiskurs einbinden, der sich ab den 2000er Jahren etabliert hat. Seine diskursive Umdeutung und Bereicherung entsprechen gegenwärtigen kulturellen Orientierungen und historischen Sinnbildungen, die nicht mehr die gleichen sind wie jene zu Bauers Lebzeiten. Im öffentlichen Raum führt dies bei Kommunen zum Bedarf, Straßen und Plätze umzubenennen und historisch belastete Personen durch normativ zeitgemäße ideelle Vorfahren wie Bauer zu ersetzen. Die Rückkehr Bauers ins kollektive Gedächtnis erklärt sich somit erst aus der Makroperspektive gewandelter Diskurse, Orientierungen und Sinnbildungen und dem Bedürfnis, diese zwecks kollektiver positiver Selbstrepräsentation über eine passende Person öffentlich auszudrücken. Wenn man die Art, wie Erinnerungsinitiativen ab den 2010er Jahren Fritz Bauer zeichnen, mit dem menschlichen Idealbild der NS -Zeit vergleicht, stellt man fest: Sie bieten als ideellen Vorfahren ein Gegenbild an. Denn einen größeren Gegensatz dazu als jüdisch, homosexuell, demokratie- und menschenrechtsorientiert gibt es fast nicht. Dieses Angebot nimmt eine Gruppe wohl eher an, wenn sie die vorliegende Erscheinungsform Fritz Bauers tatsächlich als Chance positiver Selbstaffirmation und -repräsentation ansieht. Auch die Deutung Bauers als tragischer Held ergibt erst Sinn, wenn die Öffentlichkeit die Unmöglichkeit, die genannten Identitätsaspekte auszuleben, als tiefen Verlust nachvollzieht. Dies bedingt, dass sich die deutsche Gesellschaft tatsächlich kulturell anders orientiert und Angehörige traditionell ausgegrenzter Gruppen als gleichwertig begreift. Eine Mehrheit stimmt offenbar zu, dass Fritz Bauer ihre eigenen Orientierungen auf das Gute ausdrückt. Andernfalls

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wäre der Siegeszug lokaler, selbstrepräsentativer Anerkennungsgesten nicht möglich: Als Ergebnis demokratischer Aushandlungsprozesse müssen sie für viele Personen plausibel und normativ akzeptabel sein. Daraus ergibt sich auch, warum Menschen, die sich mit Bauer identifizieren, nach wie vor keine lebensweltlichen Anschlussangebote benötigen. Wie in den 1990er Jahren ist das jetzige Erinnerungsbedürfnis ein normatives und wird entsprechend gestillt. Hierfür reicht es zu wissen, welchen diskriminierten Gruppen Bauer angehört, für welche Orientierungen er steht und wie er diskursiv aufzufassen ist. An der Situation, dass man nicht mehr über Bauer wissen muss, um seine Bedeutung oder die seiner Handlungen zu verstehen, hat sich also nichts geändert. Die Antwort auf die Eingangsfrage, warum sich die Öffentlichkeit plötzlich an Fritz Bauer erinnert, und dann auch noch als Held, lautet also: Weil die Gesellschaft, der global nach wie vor die nationalsozialistische Diktatur und deren Verbrechen zugeschrieben werden, noch deutlicher als früher anzeigen möchte, dass sie die vergangenen Taten verurteilt und sich ihre kulturellen Orientierungen geändert haben und damit noch mehr Ferne zur NS -Zeit besteht. Die gegenwärtige Erscheinungsform Bauers stillt ein relationales Bedürfnis nach positiver Selbstrepräsentation und dient den Erinnernden als deutliches Distanzierungssignal. Die deutsche Gesellschaft als Erinnerungskollektiv hat somit nicht »[a]uf den Helden gewartet«,5 sie hat ihn sich als Lösung für eine immer stärker werdende Spannung geschaffen: Die NS -Vergangenheit bleibt auch nach dem Tod der daran Beteiligten ein gesellschaftlich wichtiges Thema, sonst wäre sie wie die gesellschaftliche Liberalisierung als Objekt der Fortschrittserzählung durch etwas anderes ersetzt worden. Gleichzeitig orientiert sich die heutige Gesellschaft kulturell und politisch wesentlich anders als jene zur Zeit der NS -Diktatur und der jungen Bundesrepublik. Sie steht somit tatsächlich nicht mehr  Riepe: Auf den Helden gewartet.

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in deren Nachfolge. Diese Spannung drückt sich gerade im Helden aus: Er ist aufgrund des sacrificium ein Extrembeispiel moralischen Verhaltens und daher am äußersten Rand der guten Seite angesiedelt. Die absichtsvolle Ehrung Fritz Bauers mit all seinen neuen Zuschreibungen als Held erlaubt die maximale Distanzierungsgeste gegenüber einer Gesellschaft, die ihn deswegen ermordet hätte. Aus der Position größtmöglich angestrebter Distanz füllt sich auch die Deutung Bauers als Nazi-Jäger mit identitätsstiftendem Sinn: Die Zeit und veränderte Orientierungen haben die Erinnernden tatsächlich zu unbeteiligten Beistehenden gewandelt. Sie sind nicht mehr Teil des damaligen Unrechtskollektivs und erfahren nur noch mittelbar von diesem. Bei Teilen der Gesellschaft, die sich im Wesentlichen nicht auf die NS -Diktatur und ihre Verbrechen als Teil eigener Vergangenheit beziehen, etwa bei ehemaligen Bürgern und Bürgerinnen der DDR , erlangt Fritz Bauer jedoch keine herausragende erinnerungskulturelle Stellung. Das Aufgehen in einem Opfer- und Emanzipationsdiskurs allein ist als Repräsentationsangebot offenbar nicht attraktiv und nützlich genug. Es ist somit nicht gelungen, Bauer über die diskursive Umdeutung und Bereicherung vom Thema »Aufarbeitung der NS -Verbrechen« in andere historische Sinnbildungszusammenhänge als »brauchbare« Erinnerung zu transponieren, etwa als Pionier einer universal menschenrechtsorientierten Gesellschaft auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien Wirklichkeit. Sollte dies auch in Zukunft nicht gelingen, liegt Bauers Schicksal im Vergessen, sobald der Nationalsozialismus seine Kraft als negativer normativer Bezugspunkt verliert. Im Fritz-Bauer-Boom zeigen sich somit zwei Tendenzen: Zum einen ist er Ausdruck der erfolgreichen Anpassung einer Fortschrittserzählung, die die Mitglieder einer Gesellschaft nach wie vor brauchen können, weil sie stets mit einer Vergangenheit konfrontiert sind, mit der sie immer weniger zu tun haben. Zum anderen ist der Boom ein Indiz dafür, dass ebendiese Gesellschaft die kritische Auseinandersetzung mit der

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Vergangenheit, in deren Nachfolge sie sich nicht (mehr) sieht, abschließen möchte: Über die Interpretation Bauers als NaziJäger kann sie erzählen, wie Täter zur Rechenschaft gezogen werden und damit die Ereignisse imaginär zu einem »gerechten Ende« bringen. Das mag man bedauern oder kritisieren. Vielleicht ist es ein Trost, dass die bemerkenswert reibungslose Anerkennung Bauers quer durch die Kommunen bei zunehmender Tradierung als Angehöriger ausgegrenzter Gruppen einen besseren Gradmesser dafür bietet, ob sich seine Hoffnungen auf eine liberale und menschenrechtsorientierte Gesellschaft erfüllt haben, als jede identitätsstiftende Vergangenheitserzählung, die über das Erinnern das Selbstbild einer solchen Wertegemeinschaft postuliert.

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QUELLEN



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

ANHANG

O. A.: Dokumentation: Organisation des Massenmordes, in: NordwestZeitung, 23. 7. 2010. O. A.: Eine Entscheidung zwischen Liebe und Loyalität, in: NordwestZeitung, 23. 7. 2010. O. A.: Sie geben Straßen ihren Namen, in: Frankfurter Neue Presse, 16. 10. 2010. O. A.: Zweimal Gold, einmal Silber für NDR Dokumentationen beim New York Filmfestival, in: NDR .de, 13. 4. 2011, https://www.ndr.de/der_ndr/ presse/mitteilungen/pressemeldungndr 8045. html (22. 6. 2022). O. A.: Fritz Bauer greift ein. Der berühmte Staatsanwalt und der Prozess um den 20. Juli in: Die Zeit, 9. 8. 2012. O. A.: Hamburger Justiz: Ausstellung zum NS -Widerstand, in: Hamburger Abendblatt, 4. 4. 2013. O. A.: Widerstand: Justiz zeigt Ausstellung, in: Die Welt, 5. 4. 2013. O. A.: Ehrenbürgerwürde aberkannt, in: Schwäbisches Tagblatt, 17. 6. 2013, https://web.archive.org/web/20130620184704/http://www.tagblatt. de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Ehrenbuergerwuerdeaberkannt-_arid,218260.html (22. 6. 2022). O. A.: Das Schweigen gebrochen, in: Taunus Zeitung, 13. 12. 2013. O. A.: Mandela als Namensgeber, in: Westfalen-Blatt, 28. 1. 2014. O. A.: Historiker beleuchten NS -Nähe des früheren OB , in: Reutlinger General-Anzeiger, 25. 2. 2014. O. A.: »Labyrinth des Schweigens« feiert in Deutschland Premiere, in: Focus, 5. 11. 2014, https://www.focus.de/regional/frankfurt-am-main/ film-labyrinth-des-schweigens-premiere-am-historischen-ort_id_424 9146.html (22. 6. 2022). O. A.: Scheefstraße: Gericht soll entscheiden, in: Reutlinger GeneralAnzeiger, 20. 12. 2014. O. A.: Schau erinnert an NS -Opfer in Justiz, in: Stuttgarter Zeitung, 30. 4. 2015. O. A.: Grüne wollen Straße zu Ehren von Fritz Bauer, in: Rheinische Post, 28. 9. 2015. O. A.: Schauspieler feiern »Der Staat gegen Fritz Bauer« im Kino International, in: Berliner Morgenpost, 29. 9. 2015. O. A.: Spannender Nachkriegsthriller, in: Neue Osnabrücker Zeitung, 30. 9. 2015. O. A.: Frauennamen für Straßen, in: Sächsische Zeitung, 1. 4. 2016. O. A.: Aus Scheef wurde Fritz Bauer, in: Schwäbisches Tagblatt, 28. 3. 2017, https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Aus-Scheef-wurde-FritzBauer-325836.html (22. 6. 2022). O. A.: Raum erinnert an Fritz Bauer, in: Frankfurter Neue Presse, 22. 5. 2017. O. A.: Neue Tafeltexte im Außengelände der Gedenkstätte Schillstraße, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 31. 1. 2018.

QUELLEN



O. A.: Die Prüfung weiterer Tübinger Ehrenbürger steht noch an, in: Stuttgarter Zeitung, 21. 2. 2018. O. A.: Deutschland ehrt Nazi-Jäger Fritz Bauer, in: Münsterland Zeitung, 30. 6. 2018. O. A.: Gedenken in der Paulskirche zum 50. Todestag von Fritz Bauer, in: Bild, 1. 7. 2018, https://www.bild.de/regional/frankfurt/holocaust/ fritz-bauer-50-todestag-56176770.bild.html (22. 6. 2022). O. A.: Aufklärer und Verfassungspatriot, in: Jüdische Allgemeine, 2. 7. 2018, https://www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/aufklaererund-verfassungspatriot/ (22. 6. 2022). O. A.: Späte Ehre für Nazi-Jäger Fritz Bauer, in: Berliner Kurier, 2. 7. 2018. O. A.: Steinmeier würdigt Ermittler der Auschwitz-Prozesse, in: Magdeburger Volksstimme, 2. 7. 2018. O. A.: France Culture relate tout l’été les bravoures des chasseurs de nazis, in: The Times of Israel, 6. 8. 2018, https://fr.timesofisrael.com/ france-culture-relate-tout-lete-les-bravoures-des-chasseurs-de-nazis/ (22. 6. 2022). O. A.: Bauarbeiten zum Bauer-Stöhr-Platz haben begonnen – HitlerStein wurde gespalten, in: Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 3. 11. 2018, https://www.hna.de/lokales/melsungen/melsungen-ort45 520/bauarbeiten-zum-bauer-stoehr-platz-haben-begonnen-hitlerstein-wurde-gespalten-10437531.html (22. 6. 2022). O. A.: Plädoyer für die Menschlichkeit, in: Rheinische Post, 29. 5. 2019. O. A.: Schwesig löst heftige Debatte um DDR aus, in: Schweriner Volkszeitung, 8. 10. 2019. O. A.: »Platz des 4. November« statt Luisenplatz?, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 23. 10. 2019. O. A.: Historiker empfehlen Umbenennung von Porschestraße, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. 1. 2020, https://www.faz.net/ aktuell/politik/inland/duesseldorf-historiker-empfehlen-umbenen nung-von-porschestrasse-16597271.html (22. 6. 2022). Olsthoorn, Peter: Wat brak journalistieke loopbaan Hans Knoop?, in: Villamedia, 31. 1. 2017, https://www.villamedia.nl/artikel/wat-brakjournalistieke-loopbaan-hans-knoop (22. 6. 2022). Onkenhout, Paul: Hoe de zaak-Menten het land schokte, in: De Volkskrant, 23. 11. 2016. O’Reilly, Bill, Martin Dugard: Killing the SS : The Hunt for the Worst War Criminals in History, New York 2018. Orthner, Franz: Aus dem kulturellen Leben, in: Nordwest-Zeitung, 23. 7. 1968. Oßwald, Dieter: »Helden des Auschwitz-Prozesses«, in: Taunus-Zeitung, 3. 11. 2014. Perels, Joachim: Der Mythos von der Vergangenheitsbewältigung, in: Die Zeit, 26. 1. 2006.



ANHANG

Platen, Heide: Der Chor der Grausamkeiten, in: Die Tageszeitung, 31. 3. 2004. Plath, Jörg: Täter wie du und ich, in: Der Tagesspiegel, 27. 10. 2004. Pless, Claudia: »Es war wie eine Zeitreise«, in: Südkurier; 22. 2. 2016. Plewnia, Ulrike: Im Labyrinth der Intrigen, in: Focus, (2015), H. 41, S. 108-110. Pomarède, Michel: Les chasseurs de nazis, in: France Culture, o. D., https://www.radiofrance.fr/franceculture/podcasts/les-chasseurs-denazis (22. 6. 2022). Preuß, Joachim: Blyth-Valley-Ring wird umbenannt, in: Rheinische Post, 6. 11. 2019. Pscheidl, Bianka: »Dem unsäglichen Zeitgeist getrotzt«, in: Badische Zeitung, 19. 2. 2011. Rautenberg, Erardo Cristoforo: Zu Haus unter Feinden, in: Die Zeit, 13. 11. 2014. Reinhard, Julia: Über Massenmord aufklären, in: Mitteldeutsche Zeitung, 18. 1. 2013. Reinhard, Oliver, Stefan Schirmer: »Diese Vergangenheit hört nicht auf«, in: Sächsische Zeitung, 7. 5. 2005. Renz, Ulrich: Der Prozess in Frankfurt, in: Frankfurter Neue Presse, 25. 1. 2005. Richter, Ann-Claire: Fritz Bauer – Sommer der Wiederentdeckung, in: Braunschweiger Zeitung, 11. 7. 2012. Riebsamen, Hans: Der Welt die Augen für Auschwitz geöffnet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. 4. 2014. – Viele Filmhelden und ein echter Held, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. 11. 2014. Riepe, Manfred: Auf den Helden gewartet, in: Der Tagesspiegel, 27. 5. 2019. Ronneburger, Jan-Uwe: Vor 50 Jahren wurde Eichmann in Argentinien entführt, in: Wiener Zeitung, 11. 5. 2010. Rousseau, Christine: »Chasseurs de nazis«: une longue traque contre l’oubli, in: Le Monde, 12. 7. 2018, https://www.lemonde.fr/televi sions-radio/article/2018/07/12/tv-chasseurs-de-nazis-une-longuetraque-contre-l-oubli_5330598_1655027.html (22. 6. 2022). Sander, Marcus: Die Tragödie des Stuttgarter Juristen Fritz Bauer, in: Stuttgarter Zeitung 27. 2. 2009. Schaefer, Hans Christoph: Strafrecht: Von Fritz Bauer lernen, in: Nassauische Neue Presse, 22. 7. 2008. Schäfer, Anke, Christopher Ricke: »Ein absolutes Muss«, in: Deutschlandfunk Kultur, 5. 11. 2014, https://www.deutschlandfunkkultur.de/ fritz-bauer-film-ein-absolutes-muss.1008.de.html?dram:article_id= 302339 (22. 6. 2022). Schapira, Jan: Als die Mörder noch unter uns waren, in: Die Welt, 6. 5. 2014.

QUELLEN



Scheller, Wolf: Vor 50 Jahren starb Adolf Eichmann, in: Saarbrücker Zeitung, 31. 5. 2012. Schipp, Anke: Wider die Gesetzestechnokraten – Vor 30 Jahren starb Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. 7. 1998. Schmidt, Thomas J.: Auschwitz vor Gericht, in: Frankfurter Neue Presse, 2. 10. 2013. Schmidt-Hirschfelder, Katharina: Geburtsfehler der jungen Bundesrepublik, in: Jüdische Allgemeine, 5. 11. 2015. Schneider, Christoph: »Ich dachte, das schaffe ich nie«, in: Tagesanzeiger, 6. 10. 2015. Schulte Strathaus, Bettina: Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Berlin 2014 [Booklet der DVD -Edition]. Schwenger, Hannes: Weiße Flecken, in: Der Tagesspiegel, 18. 12. 2013. Schwering, Markus: Der Prozess, in: Kölner Stadtanzeiger, 6. 8. 2005. Schwickert, Martin: Die Jagd nach den Gespenstern des Krieges, in: Saarbrücker Zeitung, 30. 9. 2015. Segler, Daland: Von der Pflicht, unbequem zu sein, in: Frankfurter Rundschau, 24. 2. 2016, https://www.fr.de/kultur/tv-kino/pflichtunbequem-sein-11252790.html (22. 6. 2022). Semler, Christian: Bundesrepublik ließ Eichmann unbehelligt, in: Die Tageszeitung, 8. 6. 2006. Soboczynski, Adam: Der gute Staatsanwalt, in: Die Zeit, 1. 10. 2015. Spörri, Balz: Wie Dr. Mengele entkam: Protokoll einer Flucht, in: Sonntagszeitung, 7. 3. 1999. Steinke, Ronen: Fritz Bauer – ein deutscher Held, in: Süddeutsche Zeitung, 20. 12. 2013. – Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, 5. Auflage, München 2018 (zuerst 2013). Sternberger, Dolf: Fritz Bauer, in: Die Zeit, 5. 7. 1968. Stosch, Stefan: Die Wahrheit über dieses Land, in: Neue Presse, 1. 10. 2015. Sträter, Winfried: »Ich halte das für abwegig«, in: Deutschlandfunk Kultur, 10. 12. 2014, https://www.deutschlandfunkkultur.de/streit-umfritz-bauer-ich-halte-das-fuer-abwegig.976.de.html?dram:article_id= 305810 (22. 6. 2022). Suchsland, Rüdiger: Denkmal eines deutschen Heldens, in: Deutschlandfunk, 1. 10. 2015, https://www.deutschlandfunk.de/kinofilm-derstaat-gegen-fritz-bauer-denkmal-eines.691.de.html?dram:article_id= 332716 (22. 6. 2022). SWR 2: Die 68er, 29. 7. 2019, https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/swr2-die-68er-uebersicht-100.html (22. 6. 2022). Teutsch, Oliver: Ein Eisberg auf der Zeil, in: Frankfurter Rundschau, 13. 5. 2016.



ANHANG

Théâtre contémporain: Fritz Bauer – calendrier, o. D., https://www. theatre-contemporain.net/spectacles/L-Instruction-Oratorio-en11-chants/lesdates?viewold (22. 6. 2022). Théâtre contémporain: Fritz Bauer – l’objet, o. D., https://www.theatrecontemporain.net/spectacles/L-Instruction-Oratorio-en-11-chants/en savoirplus/ (22. 6. 2022). Théâtre DLR 2: Fritz Bauer / Création 2013, o. D., http://tdlr2.fr/fritzbauer-creation-2013/ (22. 6. 2022). Ugoljew, Maria: Bronzener Charakterkopf, in: Jüdische Allgemeine, 2. 7. 2020. Urban, Regina: Wie Auschwitz dem Vergessen entrissen wurde, in: Nürnberger Nachrichten, 6. 11. 2014. Van Stein, Emmanuel: Reise in eine finstere Zeit, in: Mitteldeutsche Zeitung, 25. 2. 2016. Vetter, Johannes: Vor Mut und Entschlossenheit verneigen, in: Frankfurter Rundschau, 11. 3. 2017. Von Thadden, Elisabeth: Leidenschaft für die Wahrheit, in: Die Zeit, 6. 11. 2014. Walburg, Jürgen: Vor 40 Jahren: Sühne für Auschwitz. Im Dezember 1963 begann der Prozess, in: Frankfurter Neue Presse, 20. 12. 2003. Weber, Manfred: »Wo ist da die Menschlichkeit?«, in: Märkische Allgemeine, 23. 7. 2010. Weber, Martin: »Er besaß eine grausame Eiseskälte«, in: Leipziger Volkszeitung, 24. 7. 2010. – »Bauer ist für mich ein Held«, in: Badische Zeitung, 23. 2. 2016 Weber, Mirko: Im Dickicht der Namen, in: Stuttgarter Zeitung, 20. 10. 2016. Wefing, Heinrich: Fritz Bauer, in: Die Zeit, 12. 11. 2009. Wegner, Madeleine: Streit um historisch belastete Straßennamen, in: Schwäbisches Tagblatt, 3. 3. 2017, https://www.tagblatt.de/Nachrich ten/-Streit-um-historisch-belastete-Strassennamen-322954.html (22. 6. 2022). Wehrstedt, Norbert: Zeitbild mit Nazijäger, in: Dresdner Neueste Nachrichten, 25. 2. 2016. Wick, Klaudia: Spannend wie ein Thriller, in: Berliner Zeitung, 24. 7. 2010. Winkler, Willi: Ein Held von gestern für heute, in: Süddeutsche Zeitung, 3. 6. 2015. Wischmeyer, Wolfgang: »Damit der Bunker nicht zu einer unendlichen Geschichte wird«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. 3. 1993. Wittstock, Uwe: Der heilsame Schock, in: Die Welt, 31. 3. 2004. Wojahn, Joerg: Nicht nur Halstuchträger und Sprayer, in: Der Tagesspiegel, 22. 2. 1996. Wulff, Matthias: Das Böse ist nie banal, in: Welt am Sonntag, 25. 7. 2010. Wydra, Thilo: Der Menschenvernichter, in: Der Tagesspiegel, 25. 7. 2010.

FORSCHUNGSLITERATUR



Webseiten

https://www.fritz-bauer-forum.de http://www.fritz-bauer-film.de https://www.fbw-filmbewertung.com https://www.fernsehserien.de https://www.fritz-bauer-institut.de http://www.humanistische-union.de https://www.imdb.com http://www.tittelbach.tv https://www.werstreamt.es

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

ANHANG

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FORSCHUNGSLITERATUR



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

ANHANG

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FORSCHUNGSLITERATUR

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

ANHANG

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FORSCHUNGSLITERATUR



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FORSCHUNGSLITERATUR



Veyne, Paul: Geschichtsschreibung und was sie nicht ist, Frankfurt am Main 1990 (französische Erstveröffentlichung 1971). Von Reeken, Dietmar: Heyl, Hindenburg, Hinrichs. Oldenburger Konflikte um Straßennamen zwischen Vergangenheitsdeutung, Wissenschaft und Politik, in: Matthias Frese, Marcus Weidner (Hrsg.): Verhandelte Erinnerungen. Der Umgang mit Ehrungen, Denkmälern und Gedenkorten nach 1945, Paderborn 2018, S. 291-317. Wagner, Hans-Ulrich: Fritz Bauer und das Radio, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 16 (2019), H. 1, S. 164-176. Walter, Bernd: Vorwort, in: Matthias Frese (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster 2012, S. 7-8. Weidner, Marcus: »Mördernamen sind keine Straßennamen«. Revision und Beharrung in der Straßenbenennungspraxis der Nachkriegszeit – Westfalen und Lippe 1945-1949, in: Matthias Frese (Hrsg.): Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster 2012, S. 99-120. Weinke, Annette: Die Justiz als zeithistorische Forschungsstelle, in: Frank Bösch, Constantin Goschler (Hrsg.): Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main 2009, S. 156-189. Weisbrod, Bernd: Generation und Generationalität in der Neueren Geschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 55 (2005), H. 8, S. 3-9. Welzer, Harald: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München 2017. –, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall: »Opa war kein Nazi«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt am Main 2002. Wengst, Udo: »1968« als Gegenstand der Kommunikations- und Bewegungsforschung. Erkenntnisfortschritt oder Begriffsakrobatik?, in: Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg.): »1968« – Eine Wahrnehmungsrevolution? Horizont-Verschiebungen des Politischen in den 1960er und 1970er Jahren, München 2013, S. 111-121. Wentker, Hermann: Justiz in der SBZ /DDR , München 2001. Wojak, Irmtrud: Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie, München 2009. – Fritz Bauer als Antiheld, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 28 (2015), H. 4, S. 377-378. –, Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main, Köln 2004. Wolfrum, Edgar: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik als Forschungsfelder, in: Jan Scheunemann (Hrsg.): Reformation und Bauernkrieg. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland, Leipzig 2010, S. 13-47.

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ANHANG

Dank

Diese Publikation ist die überarbeitete Fassung einer Masterabschlussarbeit, die im Rahmen des Joint-Masterstudiengangs Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung 2020 an der Universität Fribourg und der Pädagogischen Hochschule Luzern eingereicht wurde. An dieser Stelle danke ich Prof. Dr. Siegfried Weichlein von Herzen für die Unterstützung und Betreuung in kritischen Momenten und Prof. Dr. Peter Gautschi und Dr. Christine Szkiet für stete Ermutigungen und guten Rat. Vor allem geht mein Dank an die Mitarbeitenden des Fritz Bauer Instituts: Prof. Dr. Sybille Steinbacher, die Leiterin des Instituts, hat diese Veröffentlichung überhaupt erst möglich gemacht; Johannes Beermann-Schön hat im Archiv nach Dokumenten gesucht und Andrea Kirchner hat das Manuskript mit viel Einsatz, Umsicht und Kompetenz korrigiert und lektoriert. Fehler in dieser Arbeit sind allein mir zuzuschreiben. Désirée Hilscher Zürich, im Frühjahr 2022