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German Pages 383 Year 2013
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 245
Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen Von
Alexander Kredig
Duncker & Humblot · Berlin
ALEXANDER KREDIG
Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 245
Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen
Von
Alexander Kredig
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis April 2012 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Karl-Georg Loritz für die Betreuung und Unterstützung dieser Arbeit sowie für die unvergessliche Zeit an seinem Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Lutz Michalski danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Fulda, im April 2013
Alexander Kredig
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einführung
25
A. Problemstellung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Kapitel 2 Umstrukturierungen – Spannungsfeld zwischen ökonomischer Notwendigkeit, Gestaltungsfreiheit und Besteuerungsgleichheit
29
A. Ökonomische Notwendigkeit der Unternehmensumstrukturierung . . . . . . . . . . . .
29
B. Umstrukturierungsgegenstand aus ökonomischer und juristischer Sicht . . . . . . .
32
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . .
60
E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . .
76
Kapitel 3 Besteuerung nationaler Umwandlungen
82
A. Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft, §§ 3 bis 8 UmwStG . . . . . . . . . .
84
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft, § 9 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 D. Homogene Formwechsel von Personen- oder Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . 108 E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft, §§ 11 ff. UmwStG . . . . . . . . . . . . 110 F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft, § 15 UmwStG . . . . . . . . . . . 122 G. Auf- und Abspaltung auf eine Personengesellschaft, § 16 UmwStG . . . . . . . . . . 146
10
Inhaltsübersicht Kapitel 4 Besteuerung nationaler Einbringungen
148
A. Einbringung nach dem UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Zwischenergebnis zu nationalen Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Kapitel 5 Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
215
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften . . . . . . . . 216 B. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . 254 C. Grenzüberschreitende Spaltung auf EU-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 D. Grenzüberschreitende Einbringungen in EU-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 E. Formwechsel durch Sitzverlegung innerhalb der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften . . . . . . . 267
Kapitel 6 Systematische Referenzpunkte der Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
273
A. Einheits- und Ordnungsfunktion der Systembildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss . . . . . . . . . . . . . . 295 D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung
25
A. Problemstellung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Kapitel 2 Umstrukturierungen – Spannungsfeld zwischen ökonomischer Notwendigkeit, Gestaltungsfreiheit und Besteuerungsgleichheit
29
A. Ökonomische Notwendigkeit der Unternehmensumstrukturierung . . . . . . . I. Wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung von Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 30 31
B. Umstrukturierungsgegenstand aus ökonomischer und juristischer Sicht . . I. Betriebswirtschaftliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Präzisierung aus rechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Eingrenzung nach der Zielsetzung einer Umstrukturierung . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 33 34 35 35
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . I. Zivilrechtliche Instrumente zur Veränderung der Unternehmensstruktur . . 1. Umstrukturierungen nach dem UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Umstrukturierungsmaßnahmen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prägende Elemente und Systematik des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinsamkeiten von Verschmelzung und Spaltung . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten des Formwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umstrukturierungen nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen . . . a) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringung mittels Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exemplarische wirtschaftlich entsprechende Konstruktionen . . . . . . II. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grenzüberschreitende Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG . . . . . . . 2. Zulässigkeit weiterer Maßnahmen aufgrund der Niederlassungsfreiheit
36 37 37 38 40 40 41 42 43 44 46 47 48 49
12
Inhaltsverzeichnis a) Die Rechtssache Sevic Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Spaltung und Beteiligung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit von Heraus-Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit nach Sevic Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbegründete Zweifel nach Cartesio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzüberschreitender Formwechsel und Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . a) Wegzug unter Beibehaltung des Gesellschaftsstatuts . . . . . . . . . . . . . b) Formwechsel unter Änderung des anwendbaren nationalen Rechts . . 4. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen außerhalb des UmwG . . . . .
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen . . . . . . . . I. Grundproblem: Gefahr der Besteuerung stiller Reserven und Art. 3 GG . . 1. Die Entstehung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Erfassung stiller Reserven nur bei Realisierung . . . . . . . . . . a) Wertsteigerungen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit für Art. 3 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Realisation durch Umsatzakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Realisation ohne Umsatzakt und Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektive Bindung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Realisation stiller Reserven bei Umstrukturierungen? . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmen: Steuerneutralität durch Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsgrundlagen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts . . . . . a) Wichtigste Änderungen bis 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das SEStEG aus dem Jahr 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Technik der Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Das Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht . . . . . . . . . . II. Konkretisierung im Hinblick auf Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung nach Rechtsformen und teilweiser Akzessorietät zum UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Umstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppen in Orientierung an den Buchwertfortführungsvorschriften . . .
49 50 51 51 52 54 56 57 59 60 61 62 63 63 64 65 67 69 71 71 72 73 74 75 76 76 77 78 79 79
Kapitel 3 Besteuerung nationaler Umwandlungen
82
A. Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft, §§ 3 bis 8 UmwStG . . . . . . . .
84
Inhaltsverzeichnis Steuersystematische Einordnung der Verschmelzung auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger, § 3 UmwStG 1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Buchwertansatz nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG . . . . . . . . . . a) Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherstellung einkommens- oder körperschaftsteuerlicher Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Ausschluss oder keine Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Gegenleistung oder ausschließliche Gewährung von Gesellschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern, §§ 4 ff. UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewinnauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besteuerung offener Rücklagen, § 7 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übernahmegewinn, § 4 Abs. 4 und Abs. 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . 2. Buchwertverknüpfung und Übergang stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuordnung der stillen Reserven mittels Ergänzungsbilanzen . . . . . . . b) Überspringen stiller Reserven trotz Ergänzungsbilanz . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis zu den §§ 3 ff. UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
I.
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft, § 9 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuersystematische Einordnung des Formwechsels in eine Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Auswirkungen bei der formwechselnden Kapitalgesellschaft, §§ 9, 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Auswirkungen bei der Personengesellschaft und den Anteilseignern, §§ 9, 4 ff. UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 86 86 88 89 91 92 93 95 96 96 97 98 100 100 102 102 103 104 106 107
D. Homogene Formwechsel von Personen- oder Kapitalgesellschaften . . . . . . . 108 E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft, §§ 11 ff. UmwStG . . . . . . . . . I. Steuersystematische Einordnung der Verschmelzung von Körperschaften . . II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger, § 11 UmwStG 1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG . . . . . . . . . . a) Sicherstellung körperschaftsteuerlicher Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Ausschluss oder keine Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 110 111 112 114 114 115
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Inhaltsverzeichnis c) Keine Gegenleistung oder ausschließliche Gewährung von Gesellschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewinnauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übernahmeergebnis nach § 12 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilstausch gemäß § 13 UmwStG auf Ebene der Anteilseigner . . . 2. Buchwertverknüpfung und Übergang stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis zu den §§ 11 bis 13 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft, § 15 UmwStG . . . . . . . I. Steuersystematische Einordnung von Spaltungen auf Körperschaften . . . . . II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Buchwertansatz und doppeltes Teilbetriebserfordernis . . . . a) Übertragung eines Teilbetriebs nach nationalem Steuerrecht . . . . . . aa) Keine normative Definition des Teilbetriebs im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wandel zum funktionalen Verständnis des Teilbetriebs . . . . . . . . cc) Einräumung eines Nutzungsrechts als „Übertragung“? . . . . . . . . (1) Nutzungsrecht erlaubt funktionalen Einsatz der Betriebsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zurückbehaltung widerspricht aber Willen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zurückbehaltung widerspricht teleologischer Grundlage des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung eines Teilbetriebs im Sinne von Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts? . . . . . . bb) Keine Abweichung des Teilbetriebs in Bezug auf funktionales Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Abweichung der Fusionsrichtlinie bezüglich der „Übertragung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Missbrauchsklauseln, § 15 Abs. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auf- und Abspaltung kürzlich erworbener oder aufgestockter fiktiver Teilbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung oder Vorbereitung der Veräußerung an außenstehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachfolgende Umstrukturierung als Veräußerung . . . . . . . . . . . . bb) Außenstehende Personen und personelle Kontinuität . . . . . . . . .
116 117 118 118 120 120 121 122 122 124 125 125 127 127 128 130 130 131 132 133 134 136 137 139 139 140 141 141 142
Inhaltsverzeichnis
15
c) Trennung von Gesellschafterstämmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 IV. Zwischenergebnis zu § 15 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 G. Auf- und Abspaltung auf eine Personengesellschaft, § 16 UmwStG . . . . . . . . 146
Kapitel 4 Besteuerung nationaler Einbringungen A. Einbringung nach dem UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich des sechsten bis achten Teils des UmwStG . . . . . . . . . II. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG . . . . . . . . . . . . 1. Steuersystematische Einordnung der Einbringung in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkung beim Einbringenden – Steuerneutralität nur als Ausnahme a) Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neue Gesellschaftsanteile als Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbringung – auch „durch Anwachsung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherstellung körperschaftsteuerlicher Erfassung, keine Entstrickung und keine Unterbilanz, § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG . . . . . . 3. Auswirkungen bei den Anteilseignern – Verdoppelung stiller Reserven und Verhinderung von Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzept des § 22 UmwStG – nachträgliche Besteuerung der Einbringung bei missbräuchlicher Nutzung einer Statusverbesserung . . b) Tatbestand und Funktionsweise des §§ 22 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . c) Nachträgliche Besteuerung der Einbringung bei mehrstufigen Umstrukturierungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schädliche Folgeumstrukturierung der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unschädliche Folgeeinbringung trotz unklarer Normkonkurrenz cc) Schädliche Folgeumstrukturierung des Einbringenden durch Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Lösungsansätze für steuerneutrale mehrstufige Umstrukturierungen aa) Literatur: Normspezifisch enge Auslegung und teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Finanzverwaltung: Untaugliche Billigkeitslösung . . . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . III. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 21 UmwStG . . . . . . . . . . . . 1. Steuersystematische Einordnung des Anteilstauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Auswirkungen beim Einbringenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfacher Anteilstausch entspricht Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148 148 148 149 150 152 153 154 156 157 158 159 161 163 164 166 168 168 169 171 173 174 174 175 176
16
Inhaltsverzeichnis b) Wahl des Buchwerts nur beim qualifizierten Anteilstausch . . . . . . . . 3. Steuerliche Auswirkungen bei den Anteilseignern und der übernehmenden Gesellschaft, §§ 22 Abs. 2, 23 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG . . . . . . . . . . . 1. Steuersystematische Einordnung der Einbringung in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Auswirkungen beim Einbringenden und der übernehmenden Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Einbringungsgewinn bei Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . b) Rückwirkende Besteuerung bei Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachträgliche Besteuerung auch bei mehrstufigen Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweifel an Pauschalität der Missbrauchsvermutung . . . . . . . . . . V. Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, § 25 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuersystematische Einordnung des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundverweis auf die §§ 20 bis 23 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überführung einzelner Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 5 S. 1 und S. 2 EStG . . 1. Steuersystematische Einordnung der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwingende Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 5 S. 3 EStG . . . . . . . . . . 1. Steuersystematische Einordnung der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Auswirkungen beim Übertragenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG . . . . . . . . . . . b) Steuerneutrale Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften trotz fehlender gesetzlicher Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) 1. Senat: Ablehnung einer Analogie zu § 6 Abs. 5 EStG . . . . . . . bb) 4. Senat: Entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG . cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unklares methodisches Vorgehen des 4. Senats . . . . . . . . . . (2) Wortlautgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wirtschaftliche Betrachtung der Übertragung . . . . . . . . . . . . (4) Analogie zu § 6 Abs. 5 S. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbrauchsvermeidung nach § 6 Abs. 5 S. 4 bis S. 6 EStG . . . . . . aa) Schädliche Veräußerung oder Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 179 180 181 182 182 183 183 184 186 187 187 189 190 191 191 192 194 195 196 196
197 197 198 199 199 200 201 204 206 206
Inhaltsverzeichnis
17
bb) Schädliche Beteiligung von Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Steuerliche Auswirkungen bei der Mitunternehmerschaft und ihren Mitunternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . 210 C. Zwischenergebnis zu nationalen Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Kapitel 5 Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften . . . . . I. Internationaler Anwendungsbereich des § 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Auswirkungen auf die übertragende Körperschaft . . . . . . . . . . . 1. Entstrickungsklausel des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG . . . . . . . . . . . . . a) Vorbedingung: Ursprüngliches Bestehen eines Besteuerungsrechts . . b) Entstrickungsrelevante Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Entstrickung ausländischen Betriebsstättenvermögens bei Fortgeltung der Freistellungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anteilige subjektbezogene Entstrickung von Anrechnungsbetriebsstättenvermögen bei fehlender Steuerpflicht eines Mitunternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine objektbezogene Entstrickung inländischen Betriebsstättenvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Funktionale Zuordnung und „Zentralfunktion des Stammhauses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Änderung der funktionalen Zuordnung durch Umwandlung? (3) Spätere objektbezogene Entstrickung nach allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts als unklarer Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ursache der Unklarheit: Gewandeltes Methodenverständnis . . . (1) Sichtweise der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Finale Entnahmetheorie des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Aufgabe der finalen Entnahmetheorie . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sichtweise der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgerung für den Ausschlusstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgerung für den Beschränkungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme vor dem Hintergrund des JStG 2010 . . . . . . . . . . ee) Auswirkung auf umwandlungssteuerliche Entstrickungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis zur Entstrickung bei Umstrukturierungen . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen der Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 216 217 219 220 221 224 225
225 226 227 230 234 235 237 237 237 238 240 243 244 245 249 250 251
18
Inhaltsverzeichnis III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und den Anteilseignern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
B. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Kapitalgesellschaften . . . . . . 254 C. Grenzüberschreitende Spaltung auf EU-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 D. Grenzüberschreitende Einbringungen in EU-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . I. Einbringung nach §§ 20, 21, 24 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelne Einbringungssachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258 258 258 259 261
E. Formwechsel durch Sitzverlegung innerhalb der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Homogener Formwechsel einer Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Homogener Formwechsel einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kreuzende Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263 263 265 266
F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften . . I. Fehlender Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regeln . . . . . . . . . . III. Keine Formwechsel durch Sitzverlegung in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . .
267 267 269 270
Kapitel 6 Systematische Referenzpunkte der Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
273
A. Einheits- und Ordnungsfunktion der Systembildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konkreter Gewinnrealisierungstatbestand als Ausdruck einer gesetzmäßigen Besteuerung nach Art. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ablehnung der „Organisationsakttheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tauschähnliche Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Tatbestandsmerkmale einer Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten der Umstrukturierungen vor dem Hintergrund des Veräußerungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung durch Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dreiecksverhältnis zwischen den beteiligten Rechtsträgern und den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaftsrechte als Gegenleistung und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 276 277 279 280 282 284 286 288 291
Inhaltsverzeichnis
19
IV. Ersatzrealisation durch Betriebsaufgabe und Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss . . . . . . . . . . . I. Durchbrechung grundlegender Besteuerungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchbrechung des Realisationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchbrechung des Individualsteuerprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtfertigung der Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßstab zur Rechtfertigung der Buchwertfortführung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortführung unternehmerischen Engagements und Übermaßverbot . . . . 3. Normative Umsetzung der Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfassung im Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers und ertragsteuerliche Sicherstellung späterer Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenleistung in Gesellschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Qualität des übergehenden Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295 296 296 297 298 299 300 301
D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematisierung der Entstrickungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europarechtskonformität der allgemeinen Entstrickungstatbestände . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit . . . . 2. Rechtfertigung der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeit der Beschränkung nach National Grid Indus . . aa) Sofortige Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahlrecht zwischen sofortiger und späterer Einziehung als Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnismäßigkeit der nationalen Entstrickungstatbestände? . . III. Europarechtskonformität der Entstrickungsklauseln des UmwStG . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit . . . . 2. Keine Rechtfertigung der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311 312 314 314 317
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematisierung der Missbrauchstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontinuität unternehmerischen Engagements als gemeinsamer Zweck . . 2. Einheitliche teleologische Reduktion bei Folgeumstrukturierungen . . . . II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333 333 334 335 338
302 305 306 308 311
317 320 321 321 323 326 329 329 331 332
20
Inhaltsverzeichnis 1. Verfassungskonforme Interpretation trotz ungeeigneter Typisierung . . . 2. Verstoß gegen sekundäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 15 Abs. 1 lit. a) der Fusionsrichtlinie als Prüfungsmaßstab . . . . b) Keine europarechtskonforme Interpretation der Missbrauchstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338 341 341 343 345
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. EG Abs. AcP a. E. AEUV a. F. AG AktG Anh. Anm. AöR Art. AStG BayObLG BB betr. BewG BFH BFH/NV BFH-PR BGB BGBl. BGH BGHZ BMF BR-Drs. BStBl. BT-Drs. BV BVerfG BVerfGE bzw. DB
andere Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft, auch Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Außensteuergesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) betreffend Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Finanzen Bundesratsdrucksache Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksachen besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische Kapitalgesellschaftsform) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Der Betrieb (Zeitschrift)
22 DBA ders. dies. DStJG DStR DStRE DStZ DZWIR EG
Abkürzungsverzeichnis
Doppelbesteuerungsabkommen derselbe dieselbe Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäische Gemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einf., Einl. Einführung, Einleitung ESt Einkommensteuer, Einkommensteuerrecht EStDV Einkommensteuerdurchführungsverordnung EStG Einkommensteuergesetz EStR 2008 Einkommensteuer-Richtlinien 2008 mit Hinweisen 2010 EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) f., ff. folgend, folgende FG Finanzgericht Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) FS Festschrift GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften GG Grundgesetz Gl. A. Gleiche Ansicht GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH &. Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GS Gedächtnisschrift H Einkommensteuer-Hinweis HB Handbuch HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz
Abkürzungsverzeichnis INF IPRax IStR i.V. m. JA JbFfSt JStG KapErhG KG KGaA KÖSDI KStG LG Lit. MüKo m.w. N. NJW NJW-RR NVwZ-RR NWB NZG OECD OECD-MA OLG PartGG RFH RFHE RGBl. RIW RL Rn. RNotZ RStBl. S. S.à.r.l. SEStEG
Slg. sog.
23
Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahressteuergesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuergesetz Landgericht littera Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen Oberlandesgericht Gesetz über die Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Reichsfinanzhof Entscheidungen des Reichsfinanzhofes Reichsgesetzblatt Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Reichssteuerblatt Seite, Satz Société à responsabilité limitée Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften Sammlung sogenannte
24 Stbg StbJb StBp StuW Tz. u. a. Ubg UmwG UmwR UmwStG UntStFG VAG vgl. VO Vorb. WM z. B. ZfbF ZfO ZGR ZHR ZIP
Abkürzungsverzeichnis Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Teilziffer und andere, unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht Umwandlungssteuergesetz Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen vergleiche Verordnung Vorbemerkung Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Führung und Organisation Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Kapitel 1
Einführung A. Problemstellung und Ziel der Arbeit In einer freiheitlichen Marktwirtschaft steht jedes einzelne Unternehmen im ständigen Wettbewerb mit Konkurrenten. Dabei ist der Wettbewerb durch eine erhebliche Dynamik geprägt. Dies führt dazu, dass sich das Umfeld, in dem das jeweilige Unternehmen tätig wird, stetig verändert. Veränderungen des Unternehmensumfelds können aber auch aus neuen institutionellen Regelungen folgen. Im Lauf seiner Existenz ist jedes Unternehmen daher gezwungen, entweder durch Anpassung auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren oder Veränderungen durch strategische Entscheidungen zu antizipieren. Exemplarisch seien hier krisenbedingte Sanierungen der Unternehmung, die Vorbereitung der Unternehmensnachfolge, Rationalisierungen in Konzernen und die ständig zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft erwähnt. So wird nahezu zwangsläufig früher oder später die Frage aufgeworfen, ob eine Veränderung der Unternehmensstruktur angezeigt ist. Ein dauerhaftes Überleben in diesem Umfeld verlangt daher einen gezielten Wandel der Unternehmensorganisation, auch mittels Umstrukturierungen. Damit sich das Unternehmen den immer neuen Umständen des Wirtschaftslebens anpassen kann, sollte das Recht notwendigen Anpassungen keine Hindernisse bereiten. Solche Hindernisse können allerdings durch das Steuerrecht und dort namentlich durch die Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven entstehen, die in den von einer Umstrukturierung betroffenen Wirtschaftsgütern ruhen. Kommt es bei Umstrukturierungen zur Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven, so besteht die Gefahr, dass die unter Umständen überlebensnotwendigen oder strategischen Reorganisationen aus Kostengründen unterbleiben oder jedenfalls mit hohen Steuerbelastungen erkauft werden müssen. Die Ursache für die Gefahr der Besteuerung stiller Reserven liegt darin, dass das Steuerrecht nicht an die Unternehmung in ihrer Gesamtheit anknüpft, etwa in Form eines Konzerns, sondern an die jeweils rechtlich selbständigen Teileinheiten.1 Übertragungen von einzelnen Wirtschaftsgütern oder von Sachgesamtheiten auf einen anderen Rechtsträger werfen somit zwangsläufig Fragen der Gewinnrealisation auf.
1
Förster, Umstrukturierung, 1991, S. 4 f.
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Kap. 1: Einführung
Im Ertragsteuerrecht stellen das Einkommensteuergesetz und insbesondere das Umwandlungsteuergesetz Regeln bereit, die eine steuerneutrale Umstrukturierung des Unternehmens ermöglichen sollen, um so betriebswirtschaftlich angezeigte Anpassungen nicht zu verhindern. Solche Regeln bilden durch die Technik der Buchwertfortführung jedoch eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom verfassungsrechtlichen Individualsteuerprinzip. Die zunehmende Internationalisierung der Möglichkeiten unternehmerischer Betätigung und die hieraus folgende Mobilität stellen das Recht und speziell das Steuerrecht vor eine weitere besondere Herausforderung. Diese Herausforderung resultiert aus dem Wettbewerb der Staaten um die besten Standortbedingungen, wobei das Steuerrecht mehr und mehr als Instrument in diesem Wettbewerb eingesetzt wird.2 Daher stellt sich der Staatenwettbewerb als ein Konkurrieren der Staaten um Steuersubstrat dar.3 Es verwundert insofern nicht, dass Steuergesetze vielfach eine doppelte Zielrichtung verfolgen. Einerseits sollen gesetzgeberische Maßnahmen die Attraktivität des Standorts Deutschland stärken und so zusätzliche Investitionen im Inland anziehen. Andererseits soll gleichzeitig deutsches Besteuerungssubstrat an einer Abwanderung ins Ausland gehindert werden.4 Auch in Bezug auf das hier interessierende steuerliche Umstrukturierungsrecht des EStG und des UmwStG ist dieser Zusammenhang erkennbar. Klar formuliertes Ziel des steuerlichen Umstrukturierungsrechts ist es seit jeher, Umstrukturierungen zu erleichtern5 und jedenfalls in jüngerer Zeit auf diese Weise auch einen Beitrag für die Attraktivität des Standorts Deutschland zu leisten.6 Mit zunehmender Deutlichkeit wird aber andererseits ein „Schutzwall“ 7 errichtet, der beispielsweise durch Entstrickungsregelungen eine Verlagerung von Besteuerungssubstrat aus der Bundesrepublik Deutschland in andere Staaten verhindern und steuermindernde Gestaltungen ausschließen soll.8 In diesem Spannungsfeld widerstreitender gesetzgeberischer Zielsetzungen stehen die Verantwortlichen eines Unternehmens vor der Herausforderung, existen2 Schmehl, in: Schön, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 2009, S. 100 ff. Der Autor zieht zudem die festgestellte Wettbewerbsfunktion des Steuerrechts als Ausgangspunkt der Auslegung heran. 3 Hey, in: Reimer, Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht, 2007, S. 295 (296); Schmehl, in: Schön, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 2009, S. 100 (102). 4 BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25. Siehe beispielsweise auch die ähnliche Formulierung in der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 1, 30, 31. 5 Siehe schon BT-Drs. V/3186, S. 8. 6 BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25 zum SEStEG; BT-Drs. 14/6882, S. 1, 23 zum UntStFG. 7 Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, 2007, Rn. 4. 8 Siehe BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25 zum SEStEG, der ganz offen von der konsequenten Sicherung deutscher Besteuerungsrechte spricht, während BT-Drs. 14/6882, S. 23 noch vorsichtiger den Ausschluss von Gestaltungsmöglichkeiten und die Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung als Ziel formuliert.
B. Gang der Untersuchung
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ziell wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die Organisation eines Unternehmens treffen zu müssen. Die Fragen, ob eine Reorganisation finanzierbar und wie eine solche Maßnahme zu strukturieren ist, wenn gegebenenfalls der strategische Wunsch zur teilweisen Realisierung stiller Reserven besteht, entscheiden über Erfolg und Misserfolg der Reorganisation. Daher sind Planungssicherheit und Vorhersehbarkeit der steuerlichen Folgen einer beabsichtigten Umstrukturierung von entscheidender Bedeutung. Ein wesentlicher Aspekt der Planungs- und somit auch der Rechtssicherheit ist die Systematik eines Regelungskomplexes.9 Systematisch konsistente Regelungen erlauben viel eher einen Schluss auf die Behandlung zukünftiger Fragen als Regelungen ohne Zusammenhang und Orientierung an grundlegenden Prinzipien. Das SEStEG als jüngste Reform des steuerlichen Umstrukturierungsrechts verfolgt ausweislich der Gesetzesbegründung genau dieses Ziel. Der Gesetzgeber nimmt für sich in Anspruch ein „systematisch in sich geschlossenes zukunftsfähiges Umstrukturierungsrecht“ 10 geschaffen zu haben. Schon die gegensätzlichen Zielsetzungen des Gesetzgebers geben ersten Anlass für Zweifel, ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird. In sich geschlossen und vor allem zukunftsfähig wäre das bestehende steuerliche Umstrukturierungsrecht, wenn es sich in die allgemeine Systematik des Steuerrechts ohne gravierende Brüche einfügen würde und insbesondere nicht latent verfassungs- oder europarechtswidrig wäre. Nur dann wäre das steuerliche Umstrukturierungsrecht auch auf Dauerhaftigkeit und Stetigkeit ausgerichtet und könnte allen Beteiligten die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit bieten.11 Die vorliegende Arbeit setzt sich vor diesem Hintergrund das Ziel, zu untersuchen, ob das Ertragsteuerrecht im Hinblick auf die Besteuerung stiller Reserven im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen in rein nationalen und in grenzüberschreitenden Sachverhalten tatsächlich auf grundlegende Prinzipien zurückgeführt werden kann und insofern den Anspruch systematischer Konsistenz erfüllt.
B. Gang der Untersuchung Dazu werden im zweiten Kapitel, ausgehend von den ökonomischen Hintergründen, die zivilrechtlichen und die steuerrechtlichen Grundlagen von Unternehmensumstrukturierungen kurz dargestellt. Mit der grundsätzlichen Besteuerung zivilrechtlich gestalteter Vermögensübertragungen offenbart sich dabei im 9 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 17; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 438; Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 90 f. 10 BT-Drs. 16/2710, S. 25. 11 Kirchhof, in: Hüttemann, DStJG 33 (2010), 9 (16).
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Kap. 1: Einführung
Schnittpunkt beider Rechtsmaterien ein Zielkonflikt. Dieses Spannungsverhältnis ist der Anknüpfungspunkt für die Buchwertfortführungstatbestände des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Anhand dieser Tatbestände lassen sich Fallgruppen für das weitere Vorgehen strukturieren. Das dritte und vierte Kapitel untersuchen die Voraussetzungen der Buchwertfortführungstatbestände sowie die steuerlichen Auswirkungen einer Umstrukturierung auf die übertragenden und übernehmenden Rechtsträger anhand ausgewählter Beispiele. Dieses Vorgehen deckt parallele Voraussetzungen aber auch zahlreiche systematische Ungereimtheiten in der Behandlung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte auf. So entsteht eine breite Basis, auf der die spätere Systematisierung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts aufbaut. Im fünften Kapitel werden die untersuchten Fallgruppen um grenzüberschreitende Aspekte erweitert. Die Trennung zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Sachverhalten dient der Übersichtlichkeit, denn bei grenzüberschreitenden Sachverhalten treten zusätzlich besondere Fragestellungen des internationalen Steuerrechts auf. Zudem verkomplizieren die in diesem Zusammenhang zu beobachtenden Aktivitäten der Rechtsprechung, der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers die Behandlung von Umstrukturierungen erheblich. Das sechste Kapitel gibt ausgehend von der Analyse nationaler und internationaler Umstrukturierungen schließlich eine Antwort auf die Frage, ob der Gesetzgeber sein selbst gesetztes Ziel erreicht hat. Dazu werden, gleichsam aus der Vogelperspektive, aus den vorher erarbeiteten zahlreichen Detailfragen einige Problemschwerpunkte und parallele Tatbestandsmerkmale abgeleitet, die sich zu insgesamt vier Referenzpunkten für eine Strukturierung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts verdichten lassen. Diese Referenzpunkte werden anschließend in eine inhaltliche Beziehung zueinander gesetzt und außerdem auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. So kann trotz der Vielzahl schwieriger Einzelprobleme jedenfalls ein Mindestmaß an systematischer Orientierung für die Befassung mit dem steuerlichen Umstrukturierungsrecht erreicht werden.
Kapitel 2
Umstrukturierungen – Spannungsfeld zwischen ökonomischer Notwendigkeit, Gestaltungsfreiheit und Besteuerungsgleichheit Bei der Annäherung an die steuerliche Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen fällt in den Gesetzesmaterialien und in der Literatur eine häufig wiederkehrende Formulierung auf. Es ist regelmäßig von der „Beseitigung steuerlicher Hemmnisse für betriebswirtschaftlich sinnvolle (. . .) Umstrukturierungen“ 1 die Rede. Bereits dieser griffige Programmsatz des Gesetzgebers deutet auf erhebliche widerstreitende Interessen hin. Einige Fragestellungen drängen sich dabei förmlich auf. Als erstes muss geklärt werden, warum Umstrukturierungen überhaupt wirtschaftlich notwendig und erwünscht sind. Die Erörterung des Umstrukturierungsbegriffs schafft Klarheit darüber, was genau von einer Umstrukturierung betroffen ist. Eine Analyse der zivilrechtlichen Regeln erklärt anschließend, wie sich Umstrukturierungen vollziehen und welche Gestaltungen möglich sind. Vor dem so gelegten Hintergrund werden zuletzt die im zweiten Teil des Programmsatzes begründeten Fragen, warum und inwieweit Umstrukturierungen durch das Steuerrecht gehemmt werden können, in ihrer vollen Tragweite deutlich. Hierzu wird das ertragsteuerliche Grundproblem der Aufdeckung stiller Reserven bei Umstrukturierungen untersucht und die Buchwertfortführung als Technik zur Gewährleistung notwendiger Umstrukturierungen vorgestellt.
A. Ökonomische Notwendigkeit der Unternehmensumstrukturierung Schon der eingangs zitierte Programmsatz sowie die Relevanz steuerlicher Folgen für nahezu jede unternehmerische Entscheidung legen nahe, dass Unternehmensumstrukturierungen Probleme im Schnittstellenbereich ökonomischer und rechtlicher Fragestellungen aufwerfen. Insbesondere stehen die betriebswirtschaftliche Organisationsstruktur und der rechtliche Aufbau des Unternehmens in
1 BT-Drs. 16/2710, S. 25. Vgl. auch BT-Drs. 12/6885, S. 14; BT-Drs. 14/6882, S. 23; BT-Drs. 17/15, S. 10 sowie bereits BT-Drs. V/3186, S. 8; Sagasser, in: Sagasser/Bula/ Brünger, Umwandlungen, 2011, § 4, Rn. 1; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Einf. UmwStG, Rn. 21; Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, 219 (229).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
einer engen Verbindung.2 Oftmals wird aber nur sehr pauschal auf diese Zusammenhänge hingewiesen. Unklar bleibt dabei, worin genau der betriebswirtschaftliche Sinn aller Umstrukturierungen liegt. Insofern muss untersucht werden, warum ein Unternehmen zweckmäßigerweise überhaupt eine Struktur und eine Organisation aufweist. Ausgehend von diesen Erkenntnissen kann die Bedeutung von Veränderungen der Organisationsstruktur ermittelt werden. Das wiederum legt über die bloße Aufzählung von Umstrukturierungsmotiven den eigentlichen Grund für Unternehmensumstrukturierungen offen: Das Bemühen um die Fortexistenz eines effizienten Unternehmens.
I. Wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensstruktur Unabhängig von der Diskussion um die exakte Bedeutung des Unternehmensbegriffs3 kann man ein Unternehmen als Zusammenfassung sachlicher und personeller Mittel zur Verfolgung eines besonderen Zwecks4 beschreiben. Bei wirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen ist dieser besondere Zweck, oder mit anderen Worten das Ziel eines Unternehmens, basierend auf dem ökonomischen Rentabilitätsprinzip auf dauerhafte Gewinnerzielung gerichtet.5 Ein solches Unternehmensziel mag zwar klar formuliert sein, nur ist seine Verwirklichung mit Blick auf die Realität des Wirtschaftslebens umso komplizierter. Diese reale Komplexität findet ihre Ursache in der Güterknappheit. Das Unternehmen kann dem Problem der Güterknappheit einerseits durch eine rational ge-
2 Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 107; Bleicher, ZfO 1979, 243 (243); von Werder, ZfbF 1986, 586. 3 Nach überwiegender Ansicht gibt es keinen einheitlichen, für die gesamte Rechtsordnung geltenden Unternehmensbegriff. Vielmehr ist bei seiner Auslegung jeweils der Zweck der Norm heranzuziehen, in welcher der Begriff verwendet wird. Siehe hierzu etwa BGH vom 26.10.1959, KZR 2/59, BGHZ 31, 105 (109); BGH vom 13.10.1977, II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 (335 f.); Bayer, in: MüKo-AktG, 2008, § 15, Rn. 9, 10; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2010, Einleitung vor § 1, Rn. 31; Stuhrmann, in: Blümich, EStG, 2011, § 15, Rn. 201; K. Schmidt, Handelsrecht, 1999, § 4 I 1, S. 63. Zur Sichtweise der Betriebswirtschaftslehre siehe etwa Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 30. 4 Stresemann, in: MüKo-BGB, 2012, § 90, Rn. 45; Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 1. 5 Picot/Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf, 2004, Teil II, Rn. 1; Rose, in: FS für Meilicke, S. 111 (121); Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 15 ff., 114; Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 2008, § 8, Rn. 4; Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072. Neben der Gewinnerzielung können auch andere Aspekte in die Betrachtung der Unternehmensziele einfließen; siehe etwa Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 76 ff. Solche Abweichungen von der Modellannahme des Rentabilitätsprinzips lassen aber nicht generell an der Methode zweifeln, Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, § 7, Rn. 307a.
A. Ökonomische Notwendigkeit der Unternehmensumstrukturierung
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plante Arbeitsteilung und Spezialisierung begegnen.6 Andererseits stößt die Ausführung dieser Planung meistens aber an Unzulänglichkeiten und Grenzen, wenn etwa ein Mitarbeiter zu viele oder zu unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen muss und hierdurch Produktivitätsverluste eintreten, sodass die arbeitsteilig erlangten Vorteile wieder verloren gehen.7 An dieser Diskrepanz zwischen rationaler Planung und Mängeln bei der Ausführung der Tätigkeiten zur Erreichung des Unternehmensziels, setzt die ökonomische Bedeutung der Unternehmensorganisation an. Unter Organisation versteht man vor diesem Hintergrund die Gesamtheit der Regelungen, die ein möglichst effizientes Erreichen des Unternehmensziels sicherstellen sollen, indem sie dem gesamten unternehmerischen Leistungsprozess eine bestimmte Ordnung verleihen.8 Das Ergebnis des Organisierens ist ein dauerhaftes Regelsystem, nach welchem sich die Ausführung der einzelnen Teilaufgaben richtet. Ein solches Regelsystem wird als Organisationsstruktur des Unternehmens bezeichnet.9
II. Bedeutung von Umstrukturierungen Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass eine gut organisierte Unternehmensstruktur dem möglichst effizienten und dauerhaften Erreichen der unternehmerischen Gewinnerzielung dient. Versteht man die Organisation als dauerhaftes Regelsystem, dann ist die Unternehmensstruktur aber notwendigerweise statisch. Dies folgt vor allem aus dem Umstand, dass die konkret bestehende Unternehmensstruktur die Organisationsentscheidungen der verantwortlichen Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit widerspiegelt.10 Diese Statik steht aber oft im Konflikt zu einem dynamischen Wirtschaftsleben. Ein Unternehmen ist nämlich keine von der Außenwelt isolierte Einheit, sondern existiert vielmehr eingebettet in eine dynamische Umwelt.11 Der wichtigste Faktor in der dynamischen Umwelt ist der Einfluss des Wettbewerbs12, in dem sich jedes Unternehmen in einer Marktwirtschaft befindet. Wei-
6 Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 1; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 21. 7 Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 3, 4; Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 112. 8 Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 24; Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 113. 9 Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 2004, S. 2; Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 24; Schreyögg, Organisation, 2003, S. 11. 10 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 2. 11 Die Einbeziehung der Umwelt in die Betrachtung der Unternehmensorganisation geht vor allem auf den institutionellen Organisationsbegriff und die Systemtheorie zurück. Siehe hierzu Schreyögg, Organisation, 2003, S. 9 f., 13, 299 ff. 12 Schreyögg, Organisation, 2003, S. 318 f.; Picot, ZfbF, 1990, 119 (120).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
tere Faktoren sind die fortschreitende technologische Entwicklung, zunehmende internationale Verflechtungen13 und die Globalisierung der Märkte sowie die stetige Änderung der rechtlichen, vor allem der steuerrechtlichen, Rahmenbedingungen.14 Solche steten Veränderungen führen zu einem erheblichen Druck auf das Unternehmen. Einmal vorhandene Vorteile im Wettbewerb sind in einem veränderlichen Umfeld meist nicht von langem Bestand. Die grundsätzlich statische Organisationsstruktur des Unternehmens behindert notwendige schnelle Reaktionen auf das veränderte Umfeld und zwingt im äußersten Fall sogar zum vollständigen Marktaustritt.15 Die Existenz des Unternehmens findet dann ein Ende, wobei die Auswirkungen auf die Eigentümer oder Arbeitnehmer, beispielsweise durch den Verlust von Kapital oder des Arbeitsplatzes, offenkundig sind. Jedes Unternehmen ist daher zu großer Flexibilität gezwungen, möchte es sich dauerhaft in seinem jeweiligen Marktsegment behaupten und wirtschaftlich überleben. Vor diesem Hintergrund muss die ursprünglich gewählte Entscheidung über die Strukturierung des Unternehmens permanent überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Umstrukturierungen sind somit ein notwendiges Mittel, um regelmäßig die Unternehmensstruktur zu optimieren.16 Unternehmensumstrukturierungen dienen also dazu, der Organisation des Unternehmens die zur Optimierung und Anpassung notwendige Flexibilität zu verleihen, damit der Fortbestand der Unternehmung gesichert wird, indem das Unternehmen neue Chancen wahrnehmen und bestehende Risiken vermeiden kann.17
B. Umstrukturierungsgegenstand aus ökonomischer und juristischer Sicht Alle Vorgänge, die eine Anpassung des Unternehmens an sich stetig wandelnde Rahmenbedingungen verwirklichen sollen, sind bisher undifferenziert als „Umstrukturierung“ oder „Reorganisation“ bezeichnet worden. Diese Schlagworte verwendet auch die Literatur vielfach, ohne präzise darzustellen, welche Sachverhalte erfasst werden. Im Folgenden wird anhand des Umstrukturierungsbegriffs genau erörtert, was von einer Umstrukturierung betroffen ist.
13
Weller, ZGR 2010, 679 (685 f.). Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 25; Schreyögg, Organisation, 2003, S. 315 f.; Schwedhelm, Unternehmensumwandlung, 2008, S. 1. 15 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 2. 16 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 3. Zur Frage, wann eine Unternehmensstruktur optimal ist, insbesondere wann ein Unternehmen eine effiziente Größe erreicht hat, siehe mit weiteren Nachweisen Sagasser/Luke, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 3, Rn. 4 f. 17 Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 104 f. 14
B. Umstrukturierungsgegenstand aus ökonomischer/juristischer Sicht
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I. Betriebswirtschaftliche Perspektive Aus tatsächlicher Sicht kann eine erste Annäherung an den Umstrukturierungsbegriff aus der Perspektive der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre erfolgen. Als Umstrukturierung wird dort jede Neuordnung der Unternehmensorganisation verstanden, die dazu dienen soll, das Unternehmensziel weiterhin möglichst nachhaltig und effizient zu verfolgen.18 Solche Veränderungen der Organisationsstruktur können sich je nach Bezugspunkt der betroffenen Organisationsregeln auf verschiedene Ebenen der Unternehmensorganisation beziehen. Ein Unternehmen hat nämlich nicht nur eine isolierte Binnenstruktur von Organisationsregelungen, sondern es existiert seinerseits wiederum in einer durch Rechtsregeln vorgegebenen Umgebung.19 Zu unterscheiden sind insofern die sogenannte rechtliche oder auch statuarische und die operationale Organisationsstruktur.20 Die rechtliche Organisationsstruktur gibt zunächst Auskunft über die Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird. Mit zunehmender Größe des Unternehmens oder steigender Komplexität des Unternehmensgegenstandes besteht eine Gesamtunternehmung oftmals aus mehreren rechtlich selbständigen Teileinheiten. Der praktisch wichtigste Fall der Aufteilung eines Gesamtunternehmens in mehrere rechtlich selbständige Teileinheiten ist der Konzern.21 In solchen Fällen sind unter die rechtliche Organisationsstruktur auch die Wahl der Rechtsformen der jeweiligen Teileinheiten sowie die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Einheiten, beispielsweise durch Konzernstrukturen und gegenseitige Beteiligungen, zu fassen.22 Aus der Perspektive der operationalen Organisationsstruktur ist der Blick auf den Binnenbereich des Unternehmens zu richten und zwischen der sogenannten Aufbau- und der Ablauforganisation zu unterscheiden. Hierbei wird zunächst im Rahmen der Aufbauorganisation die Gesamtaufgabe der Unternehmung, etwa die Herstellung eines absatzfähigen Produkts, arbeitsteilig in mehrere Teilaufgaben zerlegt. Diese Teilaufgaben werden anschließend den jeweils ausführenden Stellen zugeordnet und koordiniert. Die Ablauforganisation nimmt dann eine weitere Konkretisierung der Arbeitsteilung vor. Sie stellt Regeln auf, in welcher Art und 18
Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2009, S. 259. Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 25; Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072 (1073). 20 Raupach, in: FS für Döllerer, 1988, S. 405 (501); Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 2004, S. 420; Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 25 f., 30; Albrecht, DB 1970, 2085. 21 Zum Konzernbegriff siehe etwa Kerssenbrock, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 2, Rn. 1; Bayer, in: MüKo-AktG, 2008, § 18, Rn. 1. 22 Förster, Umstrukturierung, 1991, S. 6; Herzig, Steuerorientierte Umstrukturierung, 1997, S. 3; Albrecht, DB 1970, 2085. 19
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Weise die einzelnen Teilaufgaben genau wahrzunehmen sind.23 Die operationale Organisationsstruktur gibt somit Auskunft, nach welchen Regeln die einzelnen Aufgabenkomplexe innerhalb des Unternehmens verteilt sind und wie die Zuordnung der notwendigen Ressourcen zu den jeweiligen Stellen gestaltet ist.
II. Präzisierung aus rechtlicher Sicht Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Umstrukturierungen also nichts anderes als die Veränderung der Organisationsregeln auf rechtlicher oder operationaler Ebene. Für das Steuerrecht sind Veränderungen der Unternehmensorganisation aber insbesondere relevant, wenn die Anpassungsmaßnahme die Zuordnung von Vermögensgegenständen betrifft und insofern geeignet ist, einen steuerpflichtigen Gewinn auszulösen.24 Unter diesem neuen Aspekt können die teilweise synonym verwendeten Termini „Umstrukturierung“ und „Umwandlung“ 25 anhand der unterschiedlichen Regelungsmaterien für die Übertragung von Vermögensgegenständen geordnet werden. Obwohl das UmwG keine ausdrückliche Definition enthält, erfasst der Begriff „Umwandlung“ nämlich nur die vier nach § 1 Abs. 1 UmwG möglichen Maßnahmen, also die Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und den Formwechsel.26 Vor diesem Hintergrund ist unter Umwandlung jeder Vorgang zu verstehen, der mittels Vermögensübertragung durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge27 sowie durch Rechtsformänderung bei gleichbleibender Identität des Rechtsträgers, ein Unternehmen umgestaltet.28 Vermögensgegenstände können allerdings auch nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen innerhalb der Unternehmung neu zugeordnet werden. Beispiele für Anpassungsmaßnahmen außerhalb des UmwG sind die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter nach Sach23 Wöhe/Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 116 f., 129. 24 Zu Einzelheiten siehe Kapitel 2 D. Änderungen der operationalen Organisationsstruktur durch Versetzung von Personal oder neue Zuweisung von Aufgaben können außerdem arbeitsrechtliche Fragen aufwerfen. 25 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 13; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 203. 26 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 11, 13; Semler/ Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung A, Rn. 2; Semler, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2012, § 1, Rn. 9; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 19, 345; Arens/Spieker, Umwandlungsrecht, 1996, S. 26, Rn. 32; Schwarz, DStR 1994, 1694 (1695). 27 Zu einer Sonderrechtsnachfolge kommt es zum Beispiel bei der Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG. Siehe hierzu Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 123 UmwG, Rn. 4.1.3. 28 Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, 2010, § 1, Rn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 12 IV, S. 354 bis 358; Semler, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 1, Rn. 10; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746 (1747).
B. Umstrukturierungsgegenstand aus ökonomischer/juristischer Sicht
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kapitalgründungen oder Sachkapitalerhöhungen, die Veräußerung oder der Erwerb von Anteilen sowie deren Tausch. „Umstrukturierung“ ist daher zwar kein feststehender Rechtsbegriff29, umfasst als Oberbegriff aber sämtliche Veränderungen der rechtlichen oder der operationalen Organisationsregeln, die durch Übertragung von Vermögensgegenständen nach der speziellen umwandlungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge oder den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln erfolgen.
III. Weitere Eingrenzung nach der Zielsetzung einer Umstrukturierung Auch aus der ökonomischen Zielsetzung einer Umstrukturierung, das dauerhafte Überleben des Unternehmens sicherzustellen30, kann ein weiterer Aspekt zur Fokussierung des Begriffs gewonnen werden. Voraussetzung für eine Umstrukturierung ist, dass schon eine veränderbare Unternehmensorganisation besteht oder nach der Anpassungsmaßnahme noch bestehen bleibt. Somit sind die erstmalige Gründung und die endgültige Beendigung der gesamten Unternehmung nicht vom Umstrukturierungsbegriff umfasst. Im Hinblick auf einzelne rechtlich selbständige Teileinheiten der gesamten Unternehmung ist diese Einschränkung hingegen nicht anzuwenden.31 Dies folgt aus dem Umstand, dass die Unternehmung selbst nicht von dem jeweiligen Umstrukturierungsvorgang betroffen ist. Gegenstand der Umstrukturierung sind vielmehr nur die das Unternehmen in seiner Gesamtheit bildenden Rechtsträger.32 Beispielhaft lässt sich dieser Umstand an der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft zur Aufnahme auf ihre Muttergesellschaft darstellen. Hier erlischt zwar die vormals rechtlich selbständige Tochtergesellschaft, in Form der Muttergesellschaft besteht das unternehmerische Engagement hingegen fort.
IV. Ergebnis Damit kann die eingangs aufgeworfene Frage beantwortet werden, was von einer Umstrukturierung genau betroffen ist. Umstrukturierung ist vor diesem Hintergrund der Oberbegriff für sämtliche Maßnahmen nach dem UmwG oder nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, durch welche die rechtliche oder 29 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 13; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 203. 30 Siehe Kapitel 2 A. II. 31 Förster, Umstrukturierung, 1991, S. 15. Eine Einschränkung der Umstrukturierung auf spätere Veränderungen des Unternehmens macht auch Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 1. 32 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1 UmwG, Rn. 3.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
operationale Organisationsstruktur eines Unternehmens mit dem Ziel der dauerhaften Existenzsicherung des Unternehmens angepasst werden, indem entweder Wirtschaftsgüter übertragen werden oder das Rechtskleid verändert wird.
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen Die aus den ökonomischen Hintergründen folgende Erkenntnis, dass Umstrukturierungen für jedes Unternehmen eine existenzielle Notwendigkeit darstellen, hat in zweifacher Hinsicht unmittelbare Bedeutung für das Recht der Unternehmensumstrukturierung. Das Bedürfnis einer möglichst einfachen Handhabung von Vorgängen, die ein Unternehmen in zukunftsfähiger Weise an ein verändertes Umfeld anpassen, nimmt zunächst das zivilrechtliche Umstrukturierungsrecht auf. Es stellt den Unternehmern Instrumente zur Verfügung, ihr Unternehmen ohne große bürokratische Hindernisse zu verändern33 und so von ihrer sogar grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit34, auch durch freie Formwahl, freie Disposition und freie Gestaltung der Unternehmung35, Gebrauch zu machen. Noch so umfängliche zivilrechtliche Umstrukturierungsmöglichkeiten sind dennoch nutzlos, falls Regelungen aus anderen Rechtsgebieten die zivilrechtlich zur Verfügung gestellten Maßnahmen konterkarieren. Neben den sogenannten unternehmensinternen Barrieren36 kann insbesondere das steuerrechtliche Umfeld für Umstrukturierungen zu einem wichtigen externen Hindernis37 werden, das eine überlebenswichtige Umstrukturierung verhindern oder jedenfalls we33 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 4; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 107. 34 Die unternehmerische Freiheit ist über Art. 12, 14 GG sowie subsidiär über Art. 2 Abs. 1 GG abgesichert, Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 2011, Art. 2 Rn. 126. Die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Betätigung unter freier Auswahl der Organisationsform ist von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt, Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2004, Einl., Rn. 1. Auch der Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zum Zweck der Verschmelzung und Konzernbildung ist von Art. 9 Abs. 1 GG erfasst, Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 2011, Art. 9, Rn. 63; ders., Konzentrationskontrolle, 1971, S. 40 ff. Aus der negativen Vereinigungsfreiheit folgt außerdem, dass die Auflösung von Unternehmen von Art. 9 Abs. 1 GG erfasst ist, Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 2011, Art. 9, Rn. 94. Folglich sind Umstrukturierungen wie Verschmelzung und Spaltung, die zur Auflösung der Gesellschaft führen grundrechtlich geschützt. Zur Gestaltungsfreiheit Drüen, StuW 2008, 154 (155 ff.). 35 In der sogenannten „Feldmühle-Entscheidung“ hat das BVerfG insbesondere ausgeführt, dass auch die freie unternehmerische Initiative in Form von Konzernen zumindest von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, BVerfG vom 7.2.1962, 1 BvL, 16/60, BVerfGE 14, 263 (282 f.). 36 Hierzu zählen beispielsweise fehlende Motivation der Belegschaft oder mangelnde Qualifikation des Managements, Picot, ZfbF 1990, 119 (132). 37 Picot, ZfbF 1990, 119 (131).
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen
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sentlich erschweren kann. Dieser Zusammenhang und die teilweise akzessorische Verknüpfung des Zivil- und Steuerrechts durch § 1 UmwStG erfordern einen genauen Blick auf die zivilrechtlichen Umstrukturierungsinstrumente. Aus der Gemeinsamkeit nahezu aller zivilrechtlichen Maßnahmen, nämlich die Zuordnung von Vermögen zwischen den beteiligten Rechtsträgern zu verändern, ergibt sich außerdem die Ursache der steuerschädlichen Wirkungen einer Unternehmensumstrukturierung.
I. Zivilrechtliche Instrumente zur Veränderung der Unternehmensstruktur Zivilrechtlich stehen den Entscheidungsträgern mit den Maßnahmen des Umwandlungsgesetzes und den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zahlreiche Instrumente offen, ein Unternehmen umzugestalten. Viele dieser Instrumente können nicht nur in rein nationalen sondern auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten angewendet werden. 1. Umstrukturierungen nach dem UmwG In zivilrechtlicher Hinsicht ist das Umwandlungsgesetz für die Umstrukturierung von Unternehmen von besonderer Bedeutung. Mit dem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts38 wurde das Umwandlungsgesetz im Jahr 1994 grundlegend überarbeitet.39 Die Reform des UmwG geht auf die gesetzgeberische Bestrebung zurück, das bis dahin sehr unübersichtliche Recht der Unternehmensumstrukturierungen zusammenzufassen und zu systematisieren, die bisherigen Möglichkeiten der Unternehmensumwandlung zu erweitern und den Anlegerschutz zu verbessern.40 Diese Ziele wurden erreicht, indem man die vormals über mehrere Gesetze41 verstreuten Regeln zur Unternehmensumstrukturierung im UmwG zusammenfasste, weitere Rechtsformen in den Anwendungsbereich des UmwG aufnahm und das Rechtsinstitut der Spaltung einführte.42 Sämtliche bislang existierenden Umstrukturierungsmaßnahmen wurden mit dem Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts auf vier Grundformen zurückgeführt. § 1
38 Gesetz vom 28.10.1994, BGBl. I 1994 S. 3210; Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II., Rn. 17. 39 Zur langen Historie der Reform des Umwandlungsrechts siehe ausführlich Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 8–18; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf UmwG, Rn. 1–6. 40 BR-Drs. 75/94, S. 71. Zu den Zielen siehe auch im Einzelnen Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf UmwG, Rn. 83 ff. 41 UmwG von 1969, AktG, KapErhG, GenG, VAG. 42 Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf UmwG, Rn. 84, 93, 94; Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung A, Rn. 20, 21 f.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Abs. 1 UmwG unterscheidet nunmehr die Verschmelzung, die Spaltung, die Vermögensübertragung und den Formwechsel. a) Die Umstrukturierungsmaßnahmen im Einzelnen Die Verschmelzung ist in den §§ 2 ff. UmwG gesetzlich für alle verschmelzungsfähigen Rechtsträger (§ 3 UmwG) geregelt. Ziel von Verschmelzungen ist regelmäßig die Unternehmenskonzentration zur Beseitigung von Kostennachteilen und zur Ressourcenbündelung.43 Im Rahmen einer Verschmelzung wird das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers als Ganzes auf einen einzigen übernehmenden Rechtsträger übertragen. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile am übernehmenden Rechtsträger44 und der übertragende Rechtsträger wird aufgelöst. Hinsichtlich der konkreten Gestaltung der Verschmelzung sind zwei Varianten zu unterscheiden. Wird das Vermögen auf einen schon bestehenden Rechtsträger übertragen, spricht man von einer Verschmelzung zur Aufnahme, § 2 Nr. 1 UmwG. Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers kann bei der sogenannten Verschmelzung zur Neugründung nach § 2 Nr. 2 UmwG auch auf einen neu zu gründenden Rechtsträger übertragen werden. Spaltungen nach den §§ 123 ff. UmwG stellen das Spiegelbild der Verschmelzung45 dar und dienen somit vornehmlich der Dekonzentration46 einer Unternehmung. Es können drei verschiedene Arten der Spaltung unterschieden werden, wobei jede dieser Arten ihrerseits erneut zur Aufnahme oder zur Neugründung erfolgen kann. Bei der Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG geht das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger über, wobei die Vermögensteile jeweils in ihrer Gesamtheit übertragen werden. Der übertragende Rechtsträger wird bei der Aufspaltung ohne Abwicklung aufgelöst. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile oder Mitgliedschaften an den übernehmenden Rechtsträgern. Unter Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG versteht man einen Vorgang, bei 43
Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 8, Rn. 1. Zu beachten ist indes, dass die §§ 54 Abs. 1 S. 3, 64 Abs. 1 S. 3 UmwG nach Änderung des UmwG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes die Möglichkeit eröffnen, von einer Kapitalerhöhung bei der übernehmenden GmbH, AG oder KGaA abzusehen und somit keine Anteile zu gewähren. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Anteilsgewährungspflicht wird mit dem Hinweis auf die dann fehlende registergerichtliche Kontrolle kritisch gesehen. Rein praktisch führt aber das umwandlungssteuerrechtliche Erfordernis der Anteilsgewährung dazu, dass ein Verzicht nur im Falle des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG, also nur bei einer Verschmelzung unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften, in Betracht kommt. Zu alldem: Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf. UmwG, Rn. 34–39. 45 BR-Drs. 75/94, S. 71; Teichmann, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 123, Rn. 17; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746 (1748). 46 Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 17, Rn. 1. 44
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen
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dem der übertragende Rechtsträger nur einen Teil seines Vermögens auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger überträgt. Da das übrige Vermögen beim übertragenden Rechtsträger verbleibt, besteht dieser fort. Die Anteilsinhaber des abspaltenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger. Eine Besonderheit gilt bei der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG. Zwar geht hier ebenfalls vom übertragenden Rechtsträger ein Teil seines Vermögens auf den übernehmenden Rechtsträger über, wobei der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt. Im Gegensatz zu den anderen Spaltungsarten werden die als Gegenleistung zu gewährenden Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger nicht den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst gewährt. Die in den §§ 174 ff. UmwG geregelte Vermögensübertragung durch Gesamtrechtsnachfolge47 kann entweder in Orientierung an der Verschmelzung als Vollübertragung oder in Anlehnung an die Spaltung als Teilübertragung erfolgen. Der sachliche Unterschied zur Verschmelzung oder Spaltung besteht darin, dass als Gegenleistung keine Anteile oder Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger sondern ein anderer Ausgleich, etwa in Form von Bargeld, gewährt wird.48 Die Vermögensübertragung ist zudem nur von einer Kapitalgesellschaft auf die öffentliche Hand sowie zwischen Versicherungsunternehmen anwendbar, §§ 175, 185 UmwG haben daher nur geringe praktische Relevanz.49 Die §§ 190 ff. UmwG regeln mit dem Formwechsel das vierte Instrument der Unternehmensumstrukturierung und ermöglichen eine spätere Anpassung der ursprünglich gewählten Rechtsform50. Im Gesetz fehlt eine exakte Definition, die Kenntnis des Begriffs Formwechsel wird vielmehr vorausgesetzt. Aus §§ 190 Abs. 1, 202 UmwG folgt, dass als Formwechsel die schlichte Änderung der Rechtsform eines Rechtsträgers bei gleichzeitiger wirtschaftlicher und rechtlicher Identität vor und nach dem Rechtsformwechsel zu verstehen ist.51 Damit wird deutlich, dass sich der Formwechsel erheblich von den übrigen Maßnahmen nach dem UmwG unterscheidet. Bei einem Formwechsel ist nur ein einziger
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Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 19. Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 174, Rn. 6; Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 174, Rn. 3; Strauch, Umwandlungssteuerrecht, 2009, Rn. 21. 49 Stengel, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, Einführung A., Rn. 47; Fonk, in: Semler/Stengel, UmwG 2012, § 174, Rn. 10, weist darauf hin, dass bis 2005 nur 7 Vermögensübertragungen unter Beteiligung von Versicherungsgesellschaften vollzogen wurden. Mangels Relevanz wird sie im Folgenden nicht weiter betrachtet. 50 Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 25, Rn. 1. 51 BFH vom 3.9.2003, III R 6/02, DStRE 2004, 146 (147); Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 190, Rn. 3; Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 190, Rn. 23. 48
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Rechtsträger beteiligt. Er wechselt ausschließlich sein „Rechtskleid“ 52 und verändert nicht seine Identität, sodass es keiner Vermögensübertragung bedarf.53 b) Prägende Elemente und Systematik des UmwG Diese Grundformen verdeutlichen die Systematik der umwandlungsgesetzlichen Regelungen und können nach der ihnen zugrundeliegenden Technik weiter in zwei Gruppen von Maßnahmen, nämlich Verschmelzungen und Spaltungen einerseits sowie den Formwechsel andererseits, unterteilt werden. aa) Gemeinsamkeiten von Verschmelzung und Spaltung Verschmelzungen und Spaltungen weisen gemeinsame Strukturmerkmale54 auf. Erstes prägendes Merkmal der Verschmelzung ist der Vermögenstransfer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Nach §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gehen mit der Eintragung der Verschmelzung sämtliche Aktiva und Passiva als Einheit kraft Gesetz auf den übernehmenden Rechtsträger über.55 Bei einer Spaltung wird zwar nicht das gesamte Vermögen übertragen. Allerdings geht auch hier der zu übertragende Vermögensteil im Wege einer, wenn auch nur partiellen, Gesamtrechtsnachfolge über.56 Der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz findet bei beiden Instrumenten keine Anwendung. Besondere Übertragungsakte im Wege der Einzelrechtsnachfolge unter Beachtung der hierfür geltenden Regelungen, beispielsweise nach §§ 398, 415, 873 ff., 929 ff. BGB, sind nicht erforderlich.57 Durch diesen Vorteil der Universalsukzession wird dem aufgezeigten ökonomischen Bedürfnis nach einer möglichst einfachen Handhabung einer Umstrukturierung besonders Rechnung getragen. Prägend für Verschmelzung und Aufspaltung ist außerdem die Vollbeendigung des übertragenden Rechtsträgers, §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG und §§ 123 52
Decher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Vor § 190, Rn. 2. Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 190, Rn. 1; K. Schmidt, in: FS Ulmer, 2003, S. 557 (564 ff.). 54 Fronhöfer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 2, Rn. 2; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 215. 55 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 2010, § 20, Rn. 4; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 218. Anders soweit ersichtlich nur Beuthien/Helios, NZG 2006, 369 (372), die Umwandlungen als „transaktionslose Rechtsträgertransformation“ ansehen, ohne dass Vermögen übertragen wird. 56 Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 123 UmwG, Rn. 4.1.3.; Zöller, ZGR 1993, 335 (339). 57 Fronhöfer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 2, Rn. 23; Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 20, Rn. 26; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 2, Rn. 5. Für die Spaltung statt aller Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 123 UmwG, Rn. 4.1.3. 53
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen
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Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Die Auflösung erfolgt ohne Abwicklung nach den spezialgesetzlichen Vorschriften.58 Den Anteilsinhabern59 des übertragenden Rechtsträgers (im Falle der Ausgliederung dem übertragenden Rechtsträger selbst) müssen schließlich Anteile oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt werden. Denn durch die Auflösung des übertragenden Rechtsträgers verlieren sie ihre Mitgliedschaftsrechte, sodass die neuen Anteile und Mitgliedschaftsrechte Kompensation und Gegenleistung für den Vermögensübergang sind.60 bb) Besonderheiten des Formwechsels In Abgrenzung zur Verschmelzung und Spaltung folgt die Dogmatik des Formwechsels völlig anderen Regeln. Prägend für den Formwechsel ist das Prinzip der Identität. Dem identischen Rechtsträger ist nach dem oben zitierten Wechsel des „Rechtskleides“ das gleiche Vermögen unmittelbar zuzuordnen wie vor dem Formwechsel.61 Durch den Umstrukturierungsvorgang kommt es nicht zu einer Übertragung von Vermögen62, sodass es auch keiner Auflösung eines Rechtsträgers bedarf und die beteiligten Personen identisch bleiben.63 Anders als noch vor der Reform des Umwandlungsrechts im Jahr 1994 gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen einer nur formwechselnden und einer übertragenden Umwandlung beim Formwechsel.64 Folglich wird selbst bei einem Rechtsformwechsel zwischen einer Personengesellschaft und einer juristischen Person keinerlei Vermögen übertragen.65 58 Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 221; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 20, Rn. 7. 59 Der Begriff des Anteilsinhabers ist in § 2 UmwG definiert und erfasst Gesellschafter, Partner, Aktionäre oder Mitglieder. 60 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 46; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 2010, § 2, Rn. 12; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 223, 297; Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, UmwG, § 123, Rn. 4.1.4. 61 BT-Drs. 12/6699, S. 136; K. Schmidt, in: FS für Ulmer, 2003, S. 557 (565). 62 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 12, 13; Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 39; Stengel, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, Einführung A., Rn. 48. 63 Decher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 190, Rn. 3. Das Identitätsprinzip wird allerdings sehr unterschiedlich bewertet. Zustimmend äußert sich etwa K. Schmidt, ZGR 1990, 594; ders., in: FS Ulmer, 2000, S. 557 (564). Kritisch mit pointierten Worten: Zöllner, ZGR 1993, 334 (336); ders., in: FS Claussen, 1997, S. 423 (428). Bärwaldt/Schabacker, ZIP 1998, 1293 ff. sehen den Formwechsel als modifizierte Neugründung, wobei auch sie nicht von einer Vermögensübertragung ausgehen; siehe auch Bärwaldt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 197, Rn. 3 sowie Hennrichs, ZIP 1995, 794 (797). 64 Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. Rn. 42; Limmer, in: FS für Widmann, 2000, S. 51 (52); Wiedemann, ZGR 1999, 568 (569). 65 Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einl. A., Rn. 50.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Systematisch trennt das UmwG somit zwischen Maßnahmen, die auf der Grundlage einer Vermögensübertragung mittels Gesamtrechtsnachfolge die Unternehmensstruktur verändern oder ohne Vermögensübertragung nach dem Prinzip der Identität nur die Rechtsform verändern, ohne einen Rechtsträgerwechsel herbeizuführen. 2. Umstrukturierungen nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen Das UmwG ermöglicht keine Veränderungen der Organisationsstruktur, die nicht auch ohne dieses Gesetz erreichbar wären. Der besondere Vorteil von Maßnahmen nach dem UmwG liegt vielmehr in den verwendeten Techniken der Universalsukzession und der Identität begründet, die die Nachteile des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter und Sachgesamtheiten überwinden.66 Aufgabe des UmwG ist insoweit vor allem die Vereinfachung der Umstrukturierungsvorgänge. Soweit Umstrukturierungen unter Verwendung anderer Techniken als Gesamtrechtsnachfolge und Identität erreichbar sind, werden sie nicht durch § 1 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen.67 Aus § 1 Abs. 2 UmwG folgt zwar ein numerus clausus der Umwandlungsarten sowie ein Analogieverbot. Der Wortlaut von § 1 Abs. 2 UmwG erlaubt jedoch durch den ausdrücklichen Verweis auf Abs. 1, Instrumente zur Anpassung der Unternehmensstruktur anzuwenden, die keiner der Umwandlungsarten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 UmwG entsprechen.68 Auch die Rechtsprechung sieht die Maßnahmen des UmwG nicht als abschließend an, sondern geht von weiteren Möglichkeiten einer Umstrukturierung durch wirtschaftlich äquivalente Ersatzkonstruktionen aus, die mittels allgemeiner zivilrechtlicher Instrumente erreichbar sind.69 Gestützt wird dieses Ergebnis besonders durch die historische Auslegung von § 1 Abs. 2 UmwG. Die Materialien zum Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts70 aus dem Jahr 1994 sprechen nämlich davon, dass neben
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K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 12 I 5, S. 337, 338. Umstritten ist lediglich, ob die Schutzvorschriften des UmwG auf wirtschaftlich vergleichbare Umstrukturierungsmaßnahmen entsprechend anwendbar sind. Siehe hierzu etwa Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 45 ff.; Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des UmwG, 2000, S. 3, 39 ff. 68 BT-Drs. 12/6699, S. 80; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 393; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 66; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746. 69 BVerfG vom 23.8.2000, 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, BB 2000, 2011 ff.; BayObLG vom 23.9.1998, 3Z BR 225/98, DB 1998, 2410; LG Hamburg vom 21.1. 1997, 402 O 122/96, DB 1997, 516; LG Karlsruhe vom 6.11.1997, O 43/97 KfH I, NZG 1998, 393 ff. 70 Gesetz vom 28.10.1994, BGBl. I 1994, 3210. 67
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den Umwandlungen „bisher schon bestehende andere Methoden, die Struktur eines Unternehmensträgers zu verändern“ erhalten bleiben.71 Es besteht demnach ein Wahlrecht zwischen der Nutzung des UmwG oder alternativer Gestaltungen.72 Motivation für die Nutzung von Ersatzgestaltungen außerhalb des UmwG sind vor allem die Vermeidung des komplizierten umwandlungsrechtlichen Verfahrens sowie die Einsparung von Notarkosten.73 Kein zwingendes Bedürfnis für die Anwendung der umwandlungsrechtlichen Regelungen besteht in einfach gelagerten Sachverhalt. Soll etwa die operationale Struktur des Unternehmens nur durch die Veränderung der rechtlichen Zuordnung einzelner Wirtschaftsgüter angepasst werden und nicht durch das „Bewegen“ ganzer Betriebe oder Teilbetriebe, reicht meistens ebenfalls ein Rückgriff auf das allgemeine Zivilrecht aus. Abgesehen von den sich ipso iure vollziehenden Fällen des Formwechsels, etwa zwischen GbR, OHG und KG74, existieren im Wesentlichen zwei alternative Mechanismen zur Umstrukturierung von Unternehmen. Wirtschaftlich mit Umwandlungen identische Ergebnisse lassen sich durch Gestaltungen mittels Anwachsung und Einbringungen durch Einzelrechtsnachfolge in Kombination mit der Liquidation des übertragenden Rechtsträgers erreichen. a) Anwachsung Für Umstrukturierungen von Personengesellschaften75 auf andere Personengesellschaften oder auf Kapitalgesellschaften kann insbesondere die sogenannte Anwachsung oder Akkreszenz genutzt werden. Ausweislich des Wortlauts von § 738 Abs. 1 S. 1 BGB versteht man unter Anwachsung den durch das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft bedingten Erwerb von Anteilen am Gesellschaftsvermögen durch die verbleibenden Gesellschafter.76 War der ausscheidende Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen beteiligt, so erwirbt er gemäß § 738 Abs. 1 S. 2 BGB als Ausgleich für den Verlust seines Anteils am 71 BT-Drs. 12/699, S. 71, 80. Unter Umwandlung werden ausdrücklich nur die in § 1 Abs. 1 UmwG genannten Möglichkeiten verstanden (siehe S. 71), andere Maßnahmen bleiben erhalten (S. 80). 72 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anhang § 173, Rn. 2; Lutter, in: Lutter/ Winter, UmwG, 2009, Einl. Rn. 44; Schmidt, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 64; Leinekugel, Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 62, 63; Bungert, NZG 1998, 376 (368); Engelmeyer, AG 1999, 263 (264); Priester, ZHR 163 (1999), 187 (190); v. Rechenberg, in: FS für Bezzenberger, 2000, S. 359 (367 f.). 73 Seibt, in: FS für Röhricht, 2005, S. 603 (608); Priester, ZHR 163 (1999), 187 (188). 74 Hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 12 I 4, S. 335; Hoffmann/Riethmüller, JA 2009, 481 (485 f.). 75 Siehe § 738 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB, § 1 Abs. 4 PartGG. 76 Windbichler, Gesellschaftsrecht, 2009, S. 88, Rn. 11; K. Schmidt, in: FS für Huber, 2006, S. 969.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Gesellschaftsvermögen einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch.77 Die Anwachsung ist Ausprägung des personengesellschaftsrechtlichen Prinzips der Gesamthand und in ihrer grundsätzlichen Rechtsfolge keiner Disposition zugänglich.78 Die Verwurzelung der Anwachsung im Prinzip der Gesamthand führt auch dazu, dass je nach Sichtweise der Gesamthand hinsichtlich der genauen Rechtsfolge einer Anwachsung Streit besteht.79 Nachdem nunmehr Außengesellschaften als rechtsfähig angesehen werden80, sind sie auch selbst Träger ihres Gesellschaftsvermögens. Insofern bleibt durch das Ausscheiden eines Gesellschafters die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens zur Gesellschaft unberührt. Die Anwachsung hat daher keine dingliche Wirkung, es verändert sich nur auf Ebene der Gesellschafter der wirtschaftliche Wert ihrer Beteiligung.81 Für die Umstrukturierungspraxis deutlich relevanter ist allerdings der Fall, dass alle bis auf einen einzigen Gesellschafter aus der Personengesellschaft ausscheiden. Insofern gilt hinsichtlich der Rechtsfolge der Akkreszenz eine Besonderheit. Zwar findet § 738 Abs. 1 S. 1 BGB auch Anwendung wenn der vorletzte Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet.82 Verbleibt aber nur noch ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft liquidationslos beendet83 und kann nicht mehr Trägerin ihres Vermögens sein. Selbiges geht ohne besondere Übertragungsakte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den letztverbliebenen Gesellschafter über.84 b) Einbringung mittels Einzelrechtsnachfolge Neben der Anwachsung kommt als weiteres Instrument zur Gestaltung alternativer Umstrukturierungskonstruktionen die Einbringung in Betracht. Eine genaue Definition der Einbringung fehlt. Man kann den Vorgang schlicht als die Übertragung von Vermögen auf den Zielrechtsträger gegen eine Gegenleistung be77 Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 93; Orth, DStR 1999, 1011 (1011). 78 K. Schmidt, in: FS für Huber, 2006, S. 969 (987); Früchtl, NZG 2007, 368 (368). 79 K. Schmidt, in: FS für Huber, 2006, S. 969 (972). 80 BGH vom 29.1.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 ff. 81 Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, 2010, § 738, Rn. 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 45 II 5, S. 1319; Früchtl, NZG 2007, 368 (369). 82 BGH vom 12.12.1965, II ZR 10/64, NJW 1966, 827; BGH vom 7.7.2008, II ZR 37/07, DStR 2008, 1792; Seibt, in: FS für Röhricht, 2005, S. 603 (604). 83 BGH vom 7.7.2008, II ZR 37/07, DStR 2008, 1792; OLG Düsseldorf vom 14.9.1998, 3 Wx 209/98, NZG 1999, 26; BGH vom 16.12.1999, VII ZR 53/97, NJW 2000, 1119; Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 94; Orth, in: DStR 1999, 1011 (1013); Schindhelm/Pickhardt-Poremba/ Hilling, DStR 2003, 1444 (1448). 84 BGH vom 15.3.2004, II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047; Picot/Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf, 2004, Teil II, Rn. 58; K. Schmidt, in: FS für Huber, 2006, S. 969 (993); Seibt, in: FS für Röhricht, 2005, S. 603 (605); Widmann, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 9, Rn. 1.
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schreiben.85 Damit ist aber noch keine Aussage getroffen, ob es sich bei einer Einbringung um eine Umstrukturierungsmaßnahme außerhalb des UmwG handelt. Einbringung in dem vorstehenden Sinn sind nämlich strukturtypisch auch die Verschmelzung und die Spaltung86, wobei sich die Übertragung des von der Umstrukturierung betroffenen Vermögens in diesem Fall durch Gesamtrechtsnachfolge vollzieht. Außerhalb des Anwendungsbereiches des UmwG steht eine Einbringung nur, wenn die Vermögensgegenstände mittels Einzelrechtsnachfolge übertragen werden. Gegenstand einer solchen Übertragung können einzelne Wirtschaftsgüter, Betriebe und Teilbetriebe oder Anteile an Kapitalgesellschaften sein.87 Als Gegenleistung erhält der Einbringende – aus steuerrechtlichen Gründen88 – neue Anteile am Zielrechtsträger. Daher findet die Übertragung der Wirtschaftsgüter regelmäßig im Zuge einer Sachkapitalgründung oder Sachkapitalerhöhung des neu zu gründenden oder schon bestehenden übernehmenden Rechtsträgers statt. Auf diese Weise werden die als Gegenleistung zu gewährenden neuen Anteile geschaffen. Findet eine Einbringung in eine Personengesellschaft statt, dann sind als Gegenleistung ebenfalls Gesellschaftsrechte zu gewähren. Eine schon bestehende Stellung als Gesellschafter muss erweitert werden89, wenn der Einbringende schon Gesellschafter war. Sollte der Einbringende vorher noch nicht an der Gesellschaft beteiligt gewesen sein, ist eine Gesellschafterstellung erstmals einzuräumen.90 Aus zivilrechtlicher Sicht kann aber durchaus eine anderweitige Gegenleistung erbracht werden.91 Bedacht werden muss allerdings, dass zwar einerseits für die Einbringung mittels Einzelrechtsnachfolge keine komplizierten Verfahrensvorschriften des UmwG gelten. Andererseits ist aber der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz anzuwenden. Es kann aufwendig sein, für die Übertragung jedes einzelnen Gegenstandes eines Betriebs die einschlägigen sachenrechtlichen Regelungen einzuhalten, beispielsweise eine notarielle Beurkundung für die Übertragung von GmbH-Anteilen nach § 15 Abs. 3 GmbHG oder die Genehmigung des Gläubigers nach § 415 Abs. 1 BGB für die Übernahme der Passiva. 85 Dietrich, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 486; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 5, Rn. 2. 86 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. 436; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 5, Rn. 4. 87 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. § 173, Rn. 14. Vgl. auch Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 71. 88 Siehe §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 S. 1, 24 Abs. 1 UmwStG, § 6 Abs. 5 S. 3 EStG. 89 Rein bilanziell erfolgt die Erweiterung, wenn ein festes (Kapitalkonto I) und ein bewegliches Kapitalkonto (II) geführt werden, durch eine Zuschreibung auf dem festen Kapitalkonto I. Vgl. hierzu Ley, KÖSDI 1994, 9972 (9974); Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 109; a. A. Röhrig/ Doege, DStR 2006, 489 (499). 90 Schlösser, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 24, Rn. 14. 91 Zum Ganzen: Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 5, Rn. 2 f.
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c) Exemplarische wirtschaftlich entsprechende Konstruktionen Jede Form der Spaltung kann insbesondere bei Kapitalgesellschaften durch die Einzelrechtsnachfolge ersetzt werden. Hierzu ist beim aufnehmenden Rechtsträger eine Sachkapitalerhöhung durchzuführen oder der aufnehmenden Rechtsträger ist im Rahmen einer Sachgründung neu zu gründen. Anschließend sind die von der Maßnahme betroffenen Wirtschaftsgüter auf den oder die aufnehmenden Rechtsträger zu übertragen. Die im Rahmen der Sachkapitalerhöhung oder Sachkapitalgründung entstandenen Gesellschaftsanteile erhält die übertragende Gesellschaft als Gegenleistung. Behält die übertragende Gesellschaft einen Teil ihres Vermögens zurück und verbleiben die als Gegenleistung gewährten Anteile beim übertragenden Rechtsträger, so ist das wirtschaftliche Ergebnis einer Ausgliederung erreicht.92 Werden die erhaltenen Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger durch eine Kapitalherabsetzung an die Anteilsinhaber ausgekehrt, entspricht dies im Ergebnis einer Abspaltung.93 Im Falle der Liquidation der übertragenden Gesellschaft nach Übertragung des Vermögens auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger kommt es im Ergebnis zu einer Aufspaltung.94 Auch das wirtschaftliche Ergebnis einer Verschmelzung kann beruhend auf der Singularsukzession erreicht werden. Sieht man das wirtschaftliche Ergebnis einer Verschmelzung nur in der Integration eines vormals fremden Unternehmens in den eigenen Unternehmensverbund, dann genügt der schlichte entgeltliche Erwerb der Anteilsmehrheit.95 Nimmt man auch die Gegenleistung in die Betrachtung des wirtschaftlichen Ergebnisses auf, gestaltet sich die Ersatzkonstruktion ungleich komplizierter, da es neben der Singularsukzession auch einer Sachkapitalerhöhung oder Sachkapitalgründung bedarf. Dazu überträgt der zu verschmelzende Rechtsträger alle Vermögensgegenstände im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger. Im Gegenzug gewährt der übernehmende Rechtsträger dem übertragenden Rechtsträger die Anteile aus der Sachkapitalerhöhung oder Sachkapitalgründung. Wird nun der übertragende Rechtsträger liquidiert und die erhaltenen Anteile dabei an die Gesellschafter ausgekehrt, ist das erzielte Ergebnis mit der Verschmelzung nach dem UmwG vergleichbar.96 Werden bei sonst gleichem Verfahren Anteile an einer Kapitalge-
92 Picot/Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf, 2004, Teil II, Rn. 454; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. § 173, Rn. 12; Priester, ZHR 163 (1999), 187 (187 f.). 93 Picot/Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf, 2004, Teil II, Rn. 454; Wochinger, DB 1992, 163 (164); Mayer, GmbHR 1992, 129 (131). 94 Arens/Spieker, Umwandlungsrecht, 1996; S. 69, Rn. 190; Picot/Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf, 2004, Teil II, Rn. 454. 95 Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen des UmwG, 2000, S. 23, 24. 96 Arens/Spieker, Umwandlungsrecht, 1996, S. 69, Rn. 186; Berenbrok, in: Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 2005, § 65, Rn. 15.
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sellschaft in die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht (sogenannter Anteilstausch), entspricht das Ergebnis ebenfalls einer Verschmelzung. Außerdem führen bei der Beteiligung von Personengesellschaften auch Gestaltungen unter Ausnutzung der Anwachsung nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB zum wirtschaftlichen Ziel der Verschmelzung. Beim sogenannten einfachen Anwachsungsmodell wird der übernehmende Rechtsträger zunächst Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers. Anschließend treten sämtliche Gesellschafter bis auf den übernehmenden Rechtsträger aus der übertragenden Gesellschaft aus. Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers wächst nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB dem letztverbliebenen Gesellschafter als übernehmendem Rechtsträger an.97 Beide Rechtsträger sind im Ergebnis verschmolzen. Beim erweiterten Anwachsungsmodell bringen die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ihre Gesellschaftsanteile im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung gegen Gewährung neuer Anteile in den übernehmenden Rechtsträger ein. Auch auf diese Weise wächst das relevante Vermögen beim übernehmenden Rechtsträger an, sodass das Ergebnis einer Verschmelzung erzielt wird.98 Schließlich können auch Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft außerhalb des UmwG gestaltet werden. Besteht eine GmbH & Co. KG und soll diese in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden, bietet sich ebenfalls das Rechtsinstitut der Anwachsung an. Scheiden nämlich alle Kommanditisten aus der Personengesellschaft aus, wächst das Vermögen der KG ohne Weiteres der GmbH an. Das wirtschaftliche Ergebnis entspricht dem Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG.99
II. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen In einem beständig gewachsenen europäischen Binnenmarkt und vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Geschäftstätigkeit endet der Wunsch nach weitreichender Gestaltungsfreiheit einer Unternehmung nicht an nationalstaatlichen Grenzen. Daher ist der Frage nach zivilrechtlich möglichen Umstrukturierungen unter Beteiligung von Rechtsträgern aus unterschiedlichen Rechtsordnungen besondere Bedeutung beizumessen. Der Bereich internationaler Umstrukturierungen hat in den letzten Jahren erhebliche Veränderungen erfahren. Daher ist eine genaue Untersuchung angezeigt, welche Instrumente in grenzüberschreiten97 Berenbrok, in: Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 2005, § 65, Rn. 8; Schwedhelm, Unternehmensumwandlung, 2008, Rn. 1553. 98 Berenbrok, in: Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 2005, § 65, Rn. 9; Seibt, in: FS für Röhricht, 2006, S. 603, (606); Kallmeyer, ZIP 1994, 1746 (1748). 99 Arnhold/Pathe, in: Gummert, HB-Personengesellschaftsrecht, 2005, § 10, Rn. 131; Arens/Spieker, Umwandlungsrecht, 1996, S. 70, Rn. 193; Bötticher, StbJB 1965/66, 189 ff.; Krüger, NJW 1982, 2847 (2847 f.).
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den Sachverhalten zur Verfügung stehen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Sevic Systems und Cartesio, da diese Judikate auch den auf europäische Umstrukturierungen ausgedehnten Anwendungsbereich des UmwStG beeinflussen100 werden. 1. Grenzüberschreitende Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG Auf den ersten Blick begrenzt § 1 Abs. 1 UmwG101 die zivilrechtlichen Möglichkeiten internationaler Umstrukturierungen, indem ausdrücklich nur Rechtsträger mit Satzungssitz102 im Inland in den Anwendungsbereich des UmwG einbezogen werden.103 Allerdings haben die sogenannte Internationale Verschmelzungsrichtlinie 104 sowie das Urteil des EuGH in der Rechtssache Sevic Systems105 den Gesetzgeber zum Handeln veranlasst. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsrechts106 wurden daher zur Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie und in Reaktion auf die zitierte Entscheidung des EuGH die §§ 122a bis 122 l UmwG eingeführt107. Nunmehr sind grenzüberschreitende Verschmelzungen, allerdings nur unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften108, innerhalb der EU und des EWR als Herein- und Heraus-Verschmelzung109 möglich.
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Siehe Kapitel 5 A. I. § 1 Abs. 1 UmwG als sachrechtliche Norm ist bei internationalen Umstrukturierungen nur einschlägig, wenn kollisionsrechtlich deutsches Umwandlungsrecht Anwendung findet; siehe Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 67; Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 866. 102 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 106; Drinhausen, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung C, Rn. 20; Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 77; Dötsch, BB 1998, 1029 (1029). 103 Drinhausen, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung C, Rn. 18, 21; Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 912. 104 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, Abl. EU Nr. L 310 vom 25.11.2005, S. 1 ff. 105 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, IStR 2006, 32 ff. 106 Gesetz vom 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. 107 BT-Drs. 16/2919, S. 11; Neye, in: Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 2007, S. 22; Brocker, BB 2010, 971. 108 BT-Drs. 16/2919, S. 14; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 122a UmwG, Rn. 17. 109 Drinhausen/Gesell, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 22; Klein, RNotZ 2007, 565 (571, 573). 101
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2. Zulässigkeit weiterer Maßnahmen aufgrund der Niederlassungsfreiheit Die Änderungen des UmwG sind aber auf Verschmelzungen beschränkt und schon im Regierungsentwurf zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsrechts zeigt sich der Gesetzgeber sehr skeptisch, ob über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften hinaus weitere internationale Umstrukturierungen nach dem UmwG geregelt werden könnten.110 Daher ist in praktischer Hinsicht die Frage wichtig, ob aufgrund der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV, wie sie durch die Rechtsprechung des EuGH konturiert ist111, weitere grenzüberschreitende Umstrukturierungen in Form von Spaltungen oder unter Beteiligung von Personengesellschaften zugelassen werden müssen. a) Die Rechtssache Sevic Systems Mit seinem Urteil in der Rechtssache Sevic Systems hat der EuGH im Jahr 2005 eine weitreichende Entscheidung in diesem Zusammenhang getroffen. Dabei ging es um die Frage, ob ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegt, wenn die Eintragung einer Verschmelzung auf eine im Inland ansässige Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und unter liquidationsloser Auflösung der übertragenden Gesellschaft generell verweigert wird, falls der übertragende Rechtsträger seinen Sitz im EU-Ausland hat, während bei Ansässigkeit beider Gesellschaften im Inland die Eintragung möglich ist.112 Es ging also um eine Herein-Verschmelzung nach Deutschland. Der Gerichtshof sah zunächst den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit als eröffnet an. Maßgebliches Argument war insoweit die Feststellung, dass grenzüberschreitende Umstrukturierungsmaßnahmen generell den Anpassungsbedürfnissen internationaler Unternehmen dienen und daher eine wichtige Modalität der Niederlassungsfreiheit darstellen.113 Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lag auch in dem Umstand, dass Gesellschaften im EU-Ausland in grenzüberschreitenden Sachverhalten die vorteilhafte Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Verschmelzung gerade nicht zur Verfügung steht und sie vielmehr auf kosten110 BT-Drs. 16/2919, S. 11; Drinhausen/Gesell, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 36. 111 EuGH vom 27.9.1988, C-81/87 Daily Mail, Slg. 1988, 05483, NJW 1989, 2186 ff.; EuGH vom 9.3.1999, C-212/97 Centros, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 ff.; EuGH vom 5.11.2002, C-208/00 Überseering, Slg. 2002, I-9919, EuZW 2002, 754 ff.; EuGH vom 30.9.2003, C-167/01 Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, EuZW 2003, 687 ff.; EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, IStR 2006, 32 ff. 112 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 15, IStR 2006, 32 (33). 113 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 19, IStR 2006, 32 (33).
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und zeitintensivere Ersatzgestaltungen durch Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zurückgreifen müssen.114 Zwar nennt der Gerichtshof den Interessenschutz von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern oder Arbeitnehmern sowie die Wahrung einer wirksamen Steueraufsicht und die Lauterkeit des Handelsverkehrs als geeignete Gründe zur Rechtfertigung einer Beschränkung.115 Da das deutsche Recht aber eine Eintragung der Verschmelzung im grenzüberschreitenden Sachverhalt generell und ohne Ausnahme verweigert, ist die hierdurch bedingte Beschränkung in keinem Fall verhältnismäßig.116 b) Grenzüberschreitende Spaltung und Beteiligung von Personengesellschaften Die Entscheidung des EuGH hat das Schrifttum zu zahlreichen Reaktionen auf die Frage veranlasst, ob nunmehr auch andere Umwandlungen als Hinein-Verschmelzungen unter Berufung auf die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit möglich sein müssen. Für die Möglichkeit grenzüberschreitender Spaltungen spricht zunächst die vom EuGH gewählte weite Formulierung im Rahmen der Prüfung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit.117 Das Gericht beschränkt seine Aussagen nicht auf Verschmelzungen, sondern führt vielmehr aus, dass auch „andere Gesellschaftsumwandlungen den Zusammenarbeits- und Umgestaltungsbedürfnissen von Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten“ 118 entsprechen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit auf Verschmelzungen findet ausdrücklich gerade nicht statt. Zudem beruht die Spaltung nach dem UmwG strukturell ebenfalls auf einer (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge, sodass konsequenterweise die Argumentation des EuGH hinsichtlich der Diskriminierung ausländischer Gesellschaften auf den Fall der Spaltung übertragen werden muss. Die Spaltung ist nämlich das wirtschaftliche Spiegelbild einer Verschmelzung. Sie dient ebenso wie andere Umstrukturierungen der Anpassung des Unternehmens an veränderte Verhältnisse, indem beispielsweise international verflochtene Konzernstrukturen bereinigt werden können. Demnach ist auch die Spaltung, die wie eine Verschmelzung Umgestaltungen von Unternehmen ermöglichen soll, vom Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV erfasst. Gleichzeitig liegt ebenso wie bei der Verschmelzung in der Versagung der 114 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 21 f., IStR 2006, 32 (33). 115 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 28, IStR 2006, 32 (34). 116 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 30, IStR 2006, 32 (34). 117 Klein, RNotZ 2007, 565 (570); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (46). 118 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 19, IStR 2006, 33.
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technisch vorteilhaften Gesamtrechtsnachfolge eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die in ihrer Absolutheit nicht gerechtfertigt ist. Eine Ablehnung von grenzüberschreitenden Spaltungen innerhalb der EU und des EWR119 kann daher nicht mehr aufrecht erhalten werden.120 Zugleich sind auch Personengesellschaften nach Art. 54 AEUV in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit einbezogen, sodass auch insofern eine Beschränkung grenzüberschreitender Umstrukturierungen nach dem UmwG nicht gerechtfertigt ist.121 Umstrukturierungen im Wege der Spaltung und unter Beteiligung von Personengesellschaften sind somit zwar möglich, müssen aber unter unmittelbarer Berufung auf die Niederlassungsfreiheit durchgeführt werden, sodass eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. c) Zulässigkeit von Heraus-Umstrukturierungen Die Entscheidung des EuGH in Sachen Sevic Systems bezog sich allerdings ausschließlich auf eine Hinein-Verschmelzung. Infolgedessen ist umstritten, ob auch Umstrukturierungen aus Deutschland heraus auf Rechtsträger mit Sitz im EU-Ausland unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zugelassen werden müssen. Auch diesbezüglich kann die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen aus dem Urteil in der Sache Sevic Systems abgeleitet werden, wobei an ihrer Zulässigkeit nach der Entscheidung in der Sache Cartesio122 Zweifel geäußert worden sind. aa) Zulässigkeit nach Sevic Systems Entscheidend für die primärrechtliche Zulässigkeit von Heraus-Umwandlungen ist der Umstand, dass der EuGH selbst für die Eröffnung des Anwendungsbe119 Die Grundfreiheiten des EWR-Abkommens sind nahezu wortgleich mit den Grundfreiheiten des europäischen Primärrechts und grundsätzlich gleich auszulegen, Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2011, Art. 45 AEUV, Rn. 42. 120 Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 2007, S. 504; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 238.2, 261.1; Brocker, BB 2010, 971 (972); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (46); Herrler, EuZW 2007, 295 (299); Klein, RNotZ 2007, 565 (571); Schmidtbleicher, BB 2007, 613 (616); Drinhausen/Keinath, BB 2006, 725 (732); Gottschalk, EuZW 2006, 83 (84); Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 (165); Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123 (126); Bayer/Schmidt, NZG 2006, 841; Spahlinger/ Wegen, NZG 2006, 721 (725). 121 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 26d; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 50; Forsthoff, DStR 2006, 613 (618); Haritz/von Wolff, GmbHR 2006, 340 (341); Klein, RNotZ 2007, 565 (570); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (48); Spahlinger/Wegen, NZG 2006, 721 (727); Sinewe, DB 2005, 2061. 122 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641, NZG 2009, 61 ff.
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reichs der Niederlassungsfreiheit den umstrukturierungsbedingten Vermögensübergang als Ausgangspunkt betrachtet.123 Der Vermögensübergang setzt seinerseits die Beteiligung von mindestens zwei Rechtsträgern an der Umstrukturierungsmaßnahme voraus. Die unstreitig unter die Niederlassungsfreiheit fallende Hinein-Umwandlung124 mittels Übertragung des Vermögens auf den aufnehmenden Rechtsträger würde allerdings leerlaufen, wenn der Sitzstaat des übertragenden Rechtsträgers die Heraus-Umwandlung verbieten könnte. Eine HineinUmwandlung ins EU-Ausland setzt notwendigerweise eine korrespondierende Heraus-Umwandlung aus dem Inland voraus.125 Das Verbot einer Heraus-Umwandlung aus Deutschland ist somit gleichzeitig das Verbot an die aufnehmende Gesellschaft im EU-Ausland, das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der wirtschaftlich vorteilhaften Gesamtrechtsnachfolge zu erwerben.126 Diese Ungleichbehandlung der ausländischen Gesellschaft im Vergleich zu rein inländischen Gesellschaften ist nicht gerechtfertigt127 und führt wiederum dazu, dass dem ausländischen Rechtsträger die Gründung einer Zweigniederlassung in Deutschland verboten ist und er deshalb in seiner Niederlassungsfreiheit betroffen wäre.128 Insofern muss auch die Umwandlung aus Deutschland heraus von der Niederlassungsfreiheit erfasst sein.129 bb) Unbegründete Zweifel nach Cartesio An dieser Sichtweise sind nach der Entscheidung des EuGH zur Sitzverlegung in der Rechtssache Cartesio vereinzelt Zweifel geäußert worden.130 Ursache war wohl der Umstand, dass schon vorher die Daily Mail-Doktrin gegen die Zulässig-
123
Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 10. Ausdrücklich EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I10805, Tz. 31. 125 Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Klein, RNotZ 2007, 565 (570). 126 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 10; Drygala, ZIP 2005, 1995 (1998); Wenglorz, BB 2004, 1061 (1063). 127 Kantongerecht Amsterdam vom 29.1.2007, EA 06-3338 166, DB 2007, 677 (678); Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 252.1. 128 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 87; Kloster, GmbHR 2003, 1413 (1414). 129 Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 2, Rn. 38; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf. UmwG, Rn. 236; Bayer, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 122a, Rn. 12; Drinhausen, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung C, Rn. 33; Hahn, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 819; Bungert, BB 2006, 53 (56); Drygala, ZIP 2005, 1995 (1998); Gesell/ Krömker, DB 2006, 2558 (2258); Louven/Dettmeier/Pöschke/Weng, BB-Special 3/ 2006, 1 (7); Schmidtbleicher, BB 2007, 613 (616). 130 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 898; Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 26b. 124
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keit von Heraus-Umwandlungen angeführt wurde131 und in der Literatur die Hoffnung bestand132, der EuGH könnte in der Sache Cartesio von seiner früheren Rechtssprechung in Wegzugsfällen abrücken. Als Argument gegen die Zulässigkeit von Umstrukturierungen nach dem UmwG aus Deutschland heraus wurde insofern angeführt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH nationale Wegzugsbeschränkungen zulässig sind und der Wegzug ausschließlich das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Gründungsstaat betrifft.133 Demnach ist es eine autonome Entscheidung der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft entsteht und existiert.134 Dieser Grundsatz ist entgegen der in der Literatur geäußerten Hoffnung135 auch durch das Urteil des Gerichtshofs in der Sache Cartesio ausdrücklich nicht revidiert worden.136 Nach dieser, bildlich als Geschöpftheorie137 bezeichneten, Sichtweise richtet sich über den Verweis des Art. 54 AEUV die Vorfrage, ob überhaupt eine Gesellschaft besteht, die sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann, ausschließlich nach nationalem Recht.138 Bei Umstrukturierungen werden die übertragenden Rechtsträger aber aufgelöst, §§ 2, 123 UmwG. Daher scheint es sich auf den ersten Blick bei dem Verbot grenzüberschreitender Umstrukturierungen nach § 1 Abs. 1 UmwG nur um eine Regelung zu handeln, die Voraussetzungen für das Fortdauern der Existenz einer Gesellschaft aufstellt und somit nicht in die Niederlassungsfreiheit eingreift139, da es schon an den Voraussetzungen für Art. 54 AEUV fehlt. Eine solche Auslegung lässt aber entscheidende Besonderheiten einer Umwandlung unbeachtet, sodass die Zweifel an der Zulässigkeit von grenzüberschreitenden Heraus-Umstrukturierungen im Ergebnis unbegründet sind. Zum einen folgte schon aus dem Daily Mail-Urteil keine Erlaubnis für den jeweiligen
131 Schön, in: FS für Lutter, 2000, S. 685 (702); Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249 (255); Kallmeyer, DB 2002, 2521 (2522); vgl. auch Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 (932). 132 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 10. 133 Drygala, ZIP 2005, 1995 (1997); Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Neye, ZIP 1994, 917 (920); Siems, EuZW 2006, 135 (138). 134 EuGH vom 27.9.1988, C-81/87 Daily Mail, Slg. 1988, 05483 Tz. 19, 20, NJW 1989, 2186 (2187). 135 Schmidtbleicher, BB 2007, 613 (615). 136 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 104, 109, NZG 2009, 61 (67). 137 Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 2, Rn. 62; Kindler, NZG 2009, 130 (131); Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (547). 138 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 109, NZG 2009, 61 (67); Kindler, NZG 2009, 130 (131); Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (546). 139 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 86; Siems, EuZW, 135 (138).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Staat, den Wegzug einer Gesellschaft völlig zu verhindern.140 Außerdem bezogen sich sowohl die Entscheidung Daily Mail als auch die Entscheidung Cartesio auf eine reine Sitzverlegung unter Beteiligung nur einer einzigen Gesellschaft und nicht wie die Rechtssache Sevic Systems auf eine Verschmelzung, an der aufgrund der Vermögensübertragung notwendig mindestens zwei Rechtsträger beteiligt sein müssen.141 Während es bei Cartesio also um einen rechtsformwahrenden Wegzug nur einer einzigen Gesellschaft ging, war bei Sevic Systems gerade die Diskriminierung einer anderen Gesellschaft aus dem EU-Ausland streitgegenständlich. Es fehlt daher schon an der Vergleichbarkeit der Judikate.142 Bei Verschmelzung und Spaltung steht zudem gerade nicht die Sitzverlegung sondern die Übertragung des Vermögens im Blickpunkt. Im Falle der Beteiligung von zwei Gesellschaften ändert sich daher, wie gezeigt, die Betrachtung. Es kommt dann nicht mehr nur auf die übertragende Gesellschaft im Inland an, sondern auch auf die aufnehmende Gesellschaft im EU-Ausland, die in diesem Fall in ihren Grundfreiheiten verletzt ist.143 Folglich ergeben sich auch aus Daily Mail und Cartesio keine Gründe, eine transnationale Umstrukturierung aus Deutschland heraus nicht als Anwendungsfall der Niederlassungsfreiheit zu fassen. Das generelle Verbot derartiger Umstrukturierungen ist nicht haltbar, wenngleich Beschränkungen im Hinblick auf zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt sein können. 3. Grenzüberschreitender Formwechsel und Sitzverlegung Auf den ersten Blick scheint das Erfordernis eines Inlandssitzes nach § 1 Abs. 1 UmwG ebenfalls grenzüberschreitende Formwechsel zu verhindern. Auch die bislang überwiegende Ansicht hielt einen grenzüberschreitenden Formwechsel für nicht möglich und berief sich insofern auf die Daily-Mail-Entscheidung des EuGH.144
140 EuGH vom 27.9.1988, C-81/87 Daily Mail, Slg. 1988, 05483 Tz. 16, NJW 1989, 2186 (2187); Drygala, ZIP 2005, 1995 (1998). 141 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor §§ 122a ff., Rn. 93; Drygala, ZIP 2005, 1995 (1998); Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150). 142 Die fehlende Vergleichbarkeit stellt auch der EuGH fest, allerdings unter dem Hinweis auf die Unterscheidung von Zuzug und Wegzug; EuGH vom 16.12.2008, C210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 121 f., NZG 2009, 61 (68). Zur Abgrenzung von grenzüberschreitender Verschmelzung und Sitzverlegung siehe auch Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 862. 143 Kantongerecht Amsterdam vom 29.1.2007, EA 06-3338 166, DB 2007, 677 (678); Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 252.1. 144 Drinhausen/Gesell, BB Special 8/2006, 3 (6 f.); Siems, EuZW 2006, 135 (140); Spahlinger/Wegen, NZG 2006, 721 (722).
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen
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Allerdings war schon seit der Sevic Systems-Entscheidung diskutiert worden, ob ein grenzüberschreitender Formwechsel unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zugelassen werden muss. In der Rechtssache Sevic Systems hat sich der Gerichtshof nur mit der Frage grenzüberschreitender Verschmelzungen beschäftigt. Allerdings ist die Formulierung der Urteilsbegründung sehr weit gehalten und der EuGH sieht in seinen Ausführungen Verschmelzungen lediglich als einen Anwendungsfall neben anderen Unternehmensumwandlungen.145 Der Formwechsel könnte insofern als weiterer Anwendungsfall einer Unternehmensumstrukturierung im Wege einer erleichterten Gesellschaftsneugründung gesehen werden.146 Gegen eine Übertragung der Grundsätze dieses Urteils auf die Zulässigkeit grenzüberschreitender Formwechsel spricht indes, dass es sich bei einem Formwechsel um eine Maßnahme handelt, an der nur ein einziger inländischer Rechtsträger beteiligt ist und gerade keine Vermögensübertragung stattfindet. Eine Diskriminierung einer weiteren Gesellschaft, wie sie als Begründung für die Zulässigkeit der übrigen grenzüberschreitenden Umstrukturierungen herangezogen wurde147, ist in diesem Fall gerade nicht festzustellen.148 Die Grundsätze des Sevic Systems-Urteils konnten bisher allein keine eindeutige Begründung für die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels liefern. Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf diesen Aspekt grenzüberschreitender Mobilität von Unternehmen allerdings wesentlich komplizierter dar. Die Unübersichtlichkeit ist dadurch begründet, dass der Formwechsel in internationalen Sachverhalten notwendigerweise im Zusammenhang mit einer Sitzverlegung gesehen werden muss.149 Auf diese Weise kann die Anknüpfung an eine Rechtsordnung und damit das anwendbare Recht beeinflusst werden. Gleichzeitig sah aber die Rechtsprechung bislang Beschlüsse, die auf die Verlegung des Verwaltungssitzes150 oder auf die Verlegung des Satzungssitzes151
145 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 19, IStR 2006, 32 (33). 146 Geyrhalter/Weber, DStR 2006, 146 (150); Teichmann, ZIP 2006, 355 (362). 147 Siehe Kapitel 2 C. II. 2. c). 148 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor §§ 122a ff. UmwG, Rn. 100; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1 UmwG, Rn. 12; Kuntz, IStR 2006, 224 (226). 149 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor §§ 122a ff. UmwG, Rn. 98; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 55; Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 12; Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 2007, S. 506; Drinhausen/Gesell, BB Special 8/ 2006, 3 (15); Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (47); Siems, EuZW 2006, 135, (140). 150 OLG Brandenburg vom 30.11.2004, 6 Wx 4/04, DB 2005, 604; OLG Hamm vom 30.4.1997, 15 W 91/97, GmbHR 1994, 848; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (744). 151 OLG München vom 4.10.2007, 31 Wx 36/07, ZIP 2007, 2124; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (761).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
gerichtet waren, als nichtig oder jedenfalls als nicht eintragungsfähig an.152 In jüngster Zeit hat der EuGH mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Cartesio vom 16.12.2008 jedenfalls in Teilen für Klarheit gesorgt. Aus dieser Entscheidung ergibt sich vor allem, dass zwischen zwei völlig unterschiedlichen Konstellationen grenzüberschreitender Sitzverlegungen eines Unternehmens aus Deutschland heraus zu unterscheiden ist.153 a) Wegzug unter Beibehaltung des Gesellschaftsstatuts Gegenstand der Rechtssache Cartesio war im Ausgangspunkt eine klassische Wegzugskonstellation. Unter Wegzug versteht man Sachverhalte, in denen der Verwaltungssitz einer Gesellschaft ins Ausland verlegt wird und die Eigenschaft als Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates nicht aufgegeben werden soll.154 Insofern hat der EuGH seine oft kritisierte Daily Mail-Entscheidung jüngst nicht revidiert. Ausweislich der Urteilsbegründung zu Cartesio verstößt eine Regelung des Gründungsstaates, die eine Verlegung des Verwaltungssitzes unter Beibehaltung der ursprünglichen Rechtsform verbietet, nicht gegen die Niederlassungsfreiheit.155 Die Grundfreiheiten sollen vor allem wegen Art. 54 AEUV keinen rechtsformwahrenden Wegzug gewährleisten. Dabei geht der EuGH in seinem Urteil von einer weiten Auslegung des Art. 54 AEUV aus, wenn er auch mitgliedsstaatliche Anknüpfungen als von der Norm erfasst ansieht, die eine Erhaltung der Gesellschaftseigenschaft regeln.156 Gegen ein solches Normverständnis kann aber der Wortlaut von Art. 54 AEUV angeführt werden, der ausdrücklich die Anwendung der Niederlassungsfreiheit nur von der Gründung einer Gesellschaft nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates abhängig macht, aber nicht von einer Anknüpfung für den Erhalt dieser Eigenschaft spricht.157 Einer weitergehenden Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fortexistenz der Gesellschaften bedarf es auch gar nicht, da mit der erfolgten Gründung einer Gesellschaft der Berechtigte der Niederlassungsfreiheit klar bestimmt werden kann.158 Somit könnte man bei enger Auslegung 152 OLG Brandenburg vom 30.11.2004, 6 Wx 4/04, Tz. 12, DB 2005, 604; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 2010, § 4a, Rn. 9; Wicke, GmbHG, 2008, § 4a, Rn. 10; Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (744, 761). 153 Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (369); Teichmann, ZIP 2009, 393 (394). 154 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 23e; Bayer/ Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (742); Herrler, DNotZ 2009, 484 (486). 155 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 124, NZG 2009, 61 (68). 156 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 110, NZG 2009, 61 (67). Bestätigt durch EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 27, IStR 2012, 27 (28). 157 Knop, DZWIR 2009, 147 (150). 158 Forsthoff, in: Hirte/Bückner, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2006, § 2, Rn. 22. Vgl. auch Großerichter, DStR 2003, 159 (164).
C. Zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit für Umstrukturierungen
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des Art. 54 AEUV auch den Wegzug als von der Niederlassungsfreiheit erfasst ansehen. Den Mitgliedstaaten bleibt es aber nach Ansicht des EuGH unbenommen, „ihren“ Gesellschaften einen Wegzug unter bloßer Verlegung des Verwaltungssitzes zu erlauben. Mit einer Anpassung der §§ 4a GmbHG, 5 AktG durch das MoMiG159 hat der Gesetzgeber für deutsche Kapitalgesellschaften auf sachrechtlicher Ebene von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.160 b) Formwechsel unter Änderung des anwendbaren nationalen Rechts Die Ausführungen zum Wegzug haben allerdings keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Rechtsformwechsels. Ein grenzüberschreitender Formwechsel zeichnet sich nämlich gerade dadurch aus, dass bei wirtschaftlicher und rechtlicher Identität das Rechtskleid des betroffenen Rechtsträgers nunmehr dem Gesellschaftsrecht eines anderen Staates entstammt, ohne dass der Rechtsträger in Deutschland aufgelöst werden muss.161 Voraussetzung für diese Umstrukturierung ist daher notwendigerweise eine Sitzverlegung162, die zu einem Wechsel des anwendbaren Gesellschaftsrechts führt. Genau diesen Punkt hat der EuGH in seinem obiter dictum in der Rechtssache Cartesio aufgegriffen. Von der Verlegung des Verwaltungssitzes unter Beibehaltung der ursprünglichen Rechtsform ist nach Ansicht des Gerichtshofs ein weiterer Fall abzugrenzen. Es steht einer Gesellschaft frei, ihren Sitz unter Änderung des anwendbaren nationalen Rechts in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und sich in eine Gesellschaft nach dem Gesellschaftsrecht dieses Mitgliedstaates umzuwandeln, wenn das Recht des Aufnahmestaates einen solchen Vorgang ermöglicht.163 In diesem Fall sind über den Entzug des Gesellschaftsstatuts hinausgehende Beschränkungen, vor allem die Anordnung der Auflösung und Liquidation
159 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008, BGBl. 2008 I, S. 2026 ff. 160 Bayer/Schmidt, ZHR 173 (2009), 735 (746), zu den insoweit noch bestehenden kollisionsrechtlichen Problemen siehe dort S. 747 ff.; Drinhausen/Gesell, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 11; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, 2010, § 4a, Rn. 85; Franz, BB 2009, 1250 (1251). 161 Jaensch, in: Keßler/Kühnberger, Umwandlungsrecht, 2009, Vorb. zu §§ 190 bis 213, Rn. 12; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3053; Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (47). 162 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor §§ 122a ff. UmwG, Rn. 86, 98; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 55; Lutter/Drygala in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 12; Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38 (47); Siems, EuZW 2006, 135, (140). 163 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 111 ff., NZG 2009, 61 (67).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
der Gesellschaft durch den Gründungsstaat, nicht erlaubt.164 Dieses Ergebnis entspricht wirtschaftlich dem Formwechsel nach dem UmwG.165 In der praktischen Ausführung einer solchen Maßnahme ist zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften zu differenzieren. Bei einer Kapitalgesellschaft verlangen §§ 4a GmbHG, 5 AktG für die Anwendbarkeit deutschen Rechts jedenfalls, dass der Satzungssitz in Deutschland verbleibt. Bei einer Personengesellschaft kommt es für die Anwendung des deutschen Gesellschaftsrechts hingegen bis zu einer Änderung durch den Gesetzgeber166 darauf an, dass sich der Verwaltungssitz in Deutschland befindet.167 Wird die jeweilige Anknüpfung an die nationale Rechtsordnung durch eine Verlegung des Satzungs- oder Verwaltungssitzes168 aufgelöst, findet deutsches Gesellschaftsrecht keine Anwendung mehr.169 Weitergehende Rechtsfolgen als den Verlust des Gesellschaftsstatuts darf die nationale Rechtsordnung nach Cartesio mit einem derartigen Vorgang nicht mehr verknüpfen.170 Die sitzverlegende Gesellschaft „überlebt“ also gleichsam ihren Wegzug über die Grenze. Auf diese Weise sind durch eine Sitzverlegung unter Wahrung der Identität der Gesellschaft bei gleichzeitigem Wechsel des anwendbaren Gesellschaftsstatuts auch grenzüberschreitende Formwechsel unter Berufung auf die europarechtlichen Grundfreiheiten möglich, soweit der Zuzugsstaat diesen Formwechsel zulässt.171 Hinsichtlich fehlender Regelungen im nationalen und ausländischen Umwandlungsrecht dürfte sich aus der Sevic Systems-Entscheidung wiederum die Pflicht ergeben, eventuell vorhandene Vorschriften für einen Formwechsel auch auf zuziehende Gesellschaften aus dem
164 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 112, 113., NZG 2009, 61 (67). 165 Frobenius, DStR 2009, 487 (489). 166 Teilweise geht die Literatur mit Verweis auf die Änderungen durch das MoMiG indes auch bei der Personengesellschaft von der Möglichkeit aus, dass der statuarische Sitz vom Verwaltungssitz abweichen kann. Siehe hierzu mit zahlreichen weiteren Nachweisen nur Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2010, § 106, Rn. 8; Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (566). 167 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2010, § 106, Rn. 8; Teichmann, ZIP 2009, 393 (402). 168 Bei Kapitalgesellschaften ist außerdem umstritten, ob Verwaltungs- und Satzungssitz verlegt werden müssen, so Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 2010, § 4a, Rn. 10; Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (62), oder ob die Verlegung des Satzungssitzes ausreicht, so Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (370). 169 Teichmann, ZIP 2009, 393 (402). 170 Ausnahmen gelten nur bei zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die etwa in Bezug auf den Schutz von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern oder Arbeitnehmern durch die Änderung des anwendbaren Rechts gegeben sein können, Frobenius, DStR 2009, 487 (489); Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (369). 171 Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (368); Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (571); Wicke, GPR 2010, 238 (240).
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EU-Ausland diskriminierungsfrei anzuwenden172, sodass in diesen Fällen ein grenzüberschreitender Formwechsel möglich ist.173 4. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen außerhalb des UmwG Internationale Umstrukturierungen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwG, namentlich Übertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge, der Anteilstausch oder Anwachsungsmodelle, unterliegen in grenzüberschreitenden Konstellationen keinen gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen.174 Wirtschaftlich äquivalente Gestaltungen zu Umwandlungen unter Verwendung dieser Instrumente sind daher sowohl im europäischen Binnenmarkt als auch im Verhältnis zu Drittstaaten besonders relevant. Trotz der dargelegten primärrechtlichen Zulässigkeit umwandlungsgesetzlicher Maßnahmen außerhalb der §§ 122a ff. UmwG muss man sich bei ihrer Durchführung darüber im Klaren sein, dass nicht zuletzt mangels eindeutiger Verfahrensregeln erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen. Rein praktisch wird man daher oftmals alternative Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht ziehen müssen, die auf rechtssicherem Weg zum gleichen wirtschaftlichen Ziel wie umwandlungsrechtliche Maßnahmen führen. Dies kann für die Spaltung beispielsweise durch eine nationale Ausgliederung mit anschließender grenzüberschreitender Verschmelzung nach den §§ 122a ff. UmwG geschehen.175 Denkbar sind auch Ersatzkonstruktionen für grenzüberschreitende Formwechsel. So kann eine deutsche Kapitalgesellschaft eine ausländische Kapitalgesellschaft gründen und grenzüberschreitend auf diese neue Gesellschaft verschmolzen werden, mit der Folge, dass deutsches Kapitalgesellschaftsrecht keine Anwendung mehr findet.176 Die gewählten Konstruktionen müssen aber nicht zwingend die §§ 122a ff. UmwG integrieren. Möglich sind auch sämtliche dargestellten Ersatzkonstruktionen unter Verwendung der Einzelrechtsnachfolge oder dem Prinzip der Anwachsung.177
172 Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (368); Zimmer/ Naendrup, NJW 2009, 545 (548); Paefgen, WM 2009, 529 (533). 173 Nunmehr auch EuGH vom 12.07.2012, C-378/10, Vale, Tz. 33, NJW 2012, 2715 (2717 f.). 174 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 8, Rn. 172 ff.; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 95, 321 ff.; Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung A, Rn. 83; Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 560. 175 Drinhausen/Gesell, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 35; Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 560. 176 Forsthoff, DStR 2006, 613 (614); vgl. auch Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 39. 177 Orth, in: Müller/Winkeljohann, Beck GmbH-HB, 2009, § 14, Rn. 24c; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwG, Rn. 321.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen unter Beteiligung von Rechtsträgern, die in Drittstaaten außerhalb der EU ansässig sind, kann die Niederlassungsfreiheit nicht als Argument für die Zulässigkeit von Umwandlungen nach dem UmwG herangezogen werden. Zur Durchführung sind die Beteiligten daher zwangsläufig auf Ersatzgestaltungen angewiesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus völkerrechtlichen Abkommen wie beispielsweise dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag178 mit den USA. Obwohl Art. VII Abs.1 dieses Vertrags US-Gesellschaften ein Recht auf Inländergleichbehandlung gewährt, schließt dies nur eine Ungleichbehandlung ausschließlich aufgrund der Ausländereigenschaft aus.179 Vor allem hinsichtlich der international unterschiedlichen Gründungsvorschriften für Gesellschaften einerseits und differierender Schutzvorschriften für Minderheitsgesellschafter, Arbeitnehmer und Gläubiger der Gesellschaft andererseits, stoßen grenzüberschreitende Umstrukturierungen auf besondere Schwierigkeiten. Solche Differenzierungsgründe knüpfen nicht ausschließlich an die Ausländereigenschaft an, sodass völkerrechtliche Verträge eine Ausdehnung von § 1 Abs. 1 UmwG nicht erzwingen.180 Im Ergebnis bleibt für grenzüberschreitende Umstrukturierungen festzuhalten, dass die spezialgesetzlichen Regelungen des UmwG entweder nur in Ausnahmefällen oder unter Zuhilfenahme der europarechtlichen Grundfreiheiten bestehen. Für eine rechtssichere Gestaltung der grenzüberschreitenden Umstrukturierung sollten die Beteiligten daher auf eine der genannten alternativen Umstrukturierungskonstruktionen181 außerhalb des UmwG zurückgreifen. Das gilt auch für Umstrukturierungen unter Beteiligung von Drittstaaten. Abhilfe kann insofern nur der seit 2008 diskutierte Entwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht182 schaffen.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen Nachdem bislang durch die Betrachtung der ökonomischen Hintergründe und der zivilrechtlichen Umstrukturierungsinstrumente der erste Teil der Formel des Gesetzgebers von der Ermöglichung betriebswirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen beleuchtet worden ist, wird nunmehr das in der regelmäßig verwende178 Gesetz zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl. II 1956, S. 487 ff. 179 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 98. 180 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 4, Rn. 98. 181 Siehe Kapitel 2 C. I. 2.; II. 4. 182 Zum Referentenentwurf für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7. Januar 2008 siehe Rotheimer, NZG 2008, 181.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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ten Formulierung183 enthaltene zweite gesetzgeberische Ziel, nämlich solche betriebswirtschaftlich sinnvollen Umstrukturierungen steuerrechtlich nicht zu verhindern, untersucht. Wie aufgezeigt werden konnte, bietet das Zivilrecht zahlreiche mehr oder weniger komplizierte Möglichkeiten, ein Unternehmen umzustrukturieren und so seinen betriebswirtschaftlich erwünschten Fortbestand zu sichern. Das Steuerrecht dient demgegenüber in erster Linie der Erzielung staatlicher Einnahmen und kann durch die Besteuerung stiller Reserven in den von einer Umstrukturierung betroffenen Wirtschaftsgütern eine erhebliche externe Umstrukturierungsbarriere errichten.184 Vor diesem Hintergrund wird das Steuerrecht nahezu zwangsläufig zum Kristallisationspunkt der widerstreitenden Interessen und Zielsetzungen und somit zu einem weitläufigen Feld strittiger Probleme. Engert bringt diesen Konflikt treffend auf den Punkt, indem er herausstellt, dass die steuerliche Behandlung von Umstrukturierungen häufig ausschlaggebend dafür ist, ob Unternehmen von ihrer Rechtswahlfreiheit Gebrauch machen können.185 Im Folgenden wird mit der Gefahr der Aufdeckung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen als Folge der Besteuerungsgleichheit und den möglichen Ausnahmen hiervon das Grundproblem des steuerlichen Umstrukturierungsrechts erarbeitet.
I. Grundproblem: Gefahr der Besteuerung stiller Reserven und Art. 3 GG Ob stille Reserven aufzudecken und zu versteuern sind, ist die Grundfrage der ertragsteuerlichen186 Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen.187 Praktische Relevanz erhält das Problem vor allem durch die immer noch erhebliche ertragsteuerliche Belastung der Unternehmensgewinne und die Auswirkungen auf die Liquidität. Bei Umstrukturierungen erwirtschaften Unternehmen nämlich regelmäßig keine monetäre Gegenleistung und müssen eine Steuerlast aus der Substanz tragen. Daher kann das Steuerrecht durchaus prohibitiv wirken. 183 Sowohl die Begründung zum UmwStG aus dem Jahre 1995 als auch die Begründung zum UmwStG 2007 sprechen in ähnlichen Worten davon, betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu ermöglichen und nicht durch das Steuerrecht zu verhindern. Siehe für das UmwStG 1995, BT-Drs. 12/6885, S. 14 und für das UmwStG 2007, BT-Drs. 16/2710, S. 25. 184 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 5; Herzig/ Ott, DB 1989, 2033 (2033, 2040). 185 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 8, Rn. 122. 186 Weitere steuerliche Folgen von Umstrukturierungen, etwa auf Zinsvorträge und Verlust sowie gewerbe- und verkehrssteuerliche Implikationen sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 187 So auch Crezelius, in: FS für Widmann, 2000, S. 241 (247); Herzig/Förster, StuW 1998, 99 (100); Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlung, 1977, S. 21; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 216.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Bei der Annäherung an die Frage, ob Umstrukturierungen Gefahren für die Aufdeckung stiller Reserven bergen, gilt es zunächst die Ursache ihrer Entstehung zu analysieren. Zur Klärung der ertragsteuerlichen Erfassung stiller Reserven fällt der Blick auf den Gegenstand der Ertragsteuern und das Leistungsfähigkeitsprinzip. Das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Konkretisierung als Individualsteuerprinzip wird schließlich die Erklärung für die grundsätzliche Gefahr der Realisation stiller Reserven liefern. 1. Die Entstehung stiller Reserven Unter stillen Reserven versteht man den Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert eines Wirtschaftsgutes und seinem tatsächlich höheren Verkehrs- oder Teilwert.188 Ausgangspunkt für die Entstehung stiller Reserven ist die Ermittlung unternehmerischer Einkünfte mittels Betriebsvermögensvergleich, §§ 4 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 1 EStG. Dieses vergleichende Vorgehen setzt notwendig eine Bewertung der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter voraus. Nur mittels einer Bewertung können quantitative Veränderungen des Betriebsvermögens innerhalb des Vergleichszeitraums sichtbar gemacht werden. Jede Bewertung ist indes mit Unsicherheiten verbunden.189 Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter gilt daher als handelsrechtlicher Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung das Vorsichtsprinzip. Dieses Prinzip findet über § 5 Abs. 1 S. 1 EStG auch in der Steuerbilanz Anwendung.190 Konkret findet es seinen Niederschlag in Aktivierungsverboten oder in Vorschriften über Obergrenzen, die bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter zu beachten sind, sodass die bilanzielle Einschätzung des Wertes eines betrieblichen Wirtschaftsgutes und sein tatsächlicher Wert nicht unerheblich voneinander abweichen können. Im Einzelnen ordnet beispielsweise das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip in § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG einen Höchstwert für den Bilanzansatz von Wirtschaftsgütern an. Erhöht sich nach der Anschaffung oder Herstellung der Wert des Wirtschaftsgutes, etwa infolge von Preissteigerungen, darf dieser Wertzuwachs nicht in der Bilanz ausgewiesen werden.191 Weitere Ursachen für die Entstehung stiller Reserven sind aus dem Vorsichtsprinzip folgende Unterbewer188 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, § 6, Anm. 1468; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 210; Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 3 III, S. 49 f.; Förster, Umstrukturierung, 1991, S. 49; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 351; Salditt, Realisation stiller Reserven, 1969, S. 2, 118 f.; Küting, BB 1995, Beilage zu Heft 38, 1 (2). 189 Busse von Colbe, in: Raupach, DStJG 7 (1984), 39 (45); Salditt, StuW 1972, 354 (356). 190 Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, Einl. II, Rn. 4; Tiedchen, in: MüKo-AktG, § 252 HGB, Rn. 45. 191 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 210; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rn. 768.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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tungen des Wirtschaftsgutes192 sowie erhöhte Abschreibungen oder der Nichtausweis selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter nach § 5 Abs. 2 EStG.193 2. Steuerliche Erfassung stiller Reserven nur bei Realisierung Ob und gegebenenfalls wann auf diese Weise entstandene stille Reserven steuerlich zu erfassen sind, beantwortet das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Ausprägung als Realisationsprinzip. Hiernach ist die Wertsteigerung eines Wirtschaftsgutes nur dann zu erfassen, wenn sie durch Realisation am Markt nachgewiesen worden ist. a) Wertsteigerung als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit für Art. 3 Abs. 1 GG? Bei der Ausgestaltung der Ertragsteuern ist der Gesetzgeber an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Für das Steuerrecht wird der Gleichheitsgrundsatz durch das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konkretisiert.194 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als fundamentales Prinzip steuerlicher Gerechtigkeit kann allerdings nur effektiv wirken, wenn die steuerliche Leistungsfähigkeit eines jeden Steuerpflichtigen hinreichend sicher gemessen wird. Es bedarf demnach eines Indikators für die Feststellung der Leistungsfähigkeit. An diesen Punkt knüpft die Bemessungsgrundlage einer Steuer an. Dabei bildet der Steuergegenstand seinerseits das Fundament der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Nach § 2 EStG und § 8 Abs. 1 S. 1 KStG ist das Einkommen Gegenstand der Ertragsteuern. In diesen Normen wird die Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers sichtbar, im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur den Hinzuerwerb von Vermögen steuerlich zu erfassen. Ertragsteuerlich relevanter Indikator für die Leistungsfähigkeit ist also nur der Vermögenszuwachs.195 Das Leistungsfähigkeitsprinzip fordert allerdings nicht nur irgendeinen Indikator zur Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit. Vielmehr muss dieser Indikator ein hinreichend sicheres Ergebnis der individuellen Leistungsfähigkeit liefern. 192
Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 3 III, S. 49 f. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 210; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rn. 764; Theilacker, BWNotZ 1989, 105 (108). 194 Ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfG vom 23.11.1976, 1 BvR 105/75, BVerfGE 43, 108 (118 ff.); BVerfG vom 22.2.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223); BVerfG vom 10.11.1998, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (232); BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, DStR 2008, 2460 (2461); BVerfG vom 17.2.2010, 1 BvR 2664/ 09, NVwZ-RR 2010, 457 (457). 195 Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2010, § 2, Rn. A. 95; Tipke, Steuerrechtsordnung I, 2000, § 9, S. 501. 193
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Kap. 2: Umstrukturierungen
Zwar ist auch der bloße Wertzuwachs eines Wirtschaftsgutes unbestreitbar ein Vermögenszuwachs.196 Der schlichte Wertzuwachs ist indes kein ausreichend sicherer Nachweis der steuerlichen Leistungsfähigkeit, da der Zuwachs im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs erneut zu bewerten wäre und daher zwangsläufig mit der einer jeden Bewertung inhärenten Unsicherheit verbunden ist.197 Das Erfordernis, die Besteuerung der Einkünfte auf eine möglichst sichere Grundlage zu stellen, folgt dabei aus zwei Aspekten. Eine Besteuerung auf unsicherer Grundlage wäre erstens nicht mehr angemessen und würde daher gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstoßen.198 Der Grund für die Unverhältnismäßigkeit liegt in dem Umstand, dass dem Steuerpflichtigen durch den reinen Wertzuwachs noch keine Liquidität zur Steuerzahlung zur Verfügung steht.199 In die gleiche Richtung geht auch das zweite Argument, wonach der durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelte Bestandsschutz des Eigentums ein Abstellen auf unsichere Wertsteigerungen verbietet.200 b) Realisation durch Umsatzakt Umgesetzt wird dieses Sicherheitserfordernis durch das sogenannte Realisationsprinzip als Subprinzip zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Hiernach werden nicht alle Wertsteigerungen der einzelnen Vermögensgegenstände, sondern nur tatsächlich realisierte Vermögenszuwächse steuerlich erfasst.201 Als Realisationstatbestand kommt primär ein Umsatzakt in Betracht. Dazu scheidet ein Wirtschaftsgut zunächst aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen aus. Im Gegenzug erhält der Steuerpflichtige seinerseits eine Gegenleistung.202 Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird folglich erst dann erhöht, wenn die Wertsteigerung von einem anderen Marktteilnehmer bestätigt worden ist und sich im höheren Wert eines als Gegenleistung erbrachten Gu196 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 171; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 1986, S. 25. 197 Siehe oben Kapitel 2 D. I. 1. 198 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 155; Baldauf, Das innere System der einkommensteuerrechtlichen Gewinnrealisierung, 2008, S. 35. 199 Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (715); Felix, Steuer-Kongreß-Report 1980 129 (131); vgl. auch Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 154. 200 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 231; Kirchhof, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, 2010, § 2, Rn. A 99; Zugmaier, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, § 2, Anm. 11a. 201 Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), S. 13 (15); Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 7 I, S. 268; Zugmaier, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, § 2, Anm. 11a. 202 Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 930; Richter/Sailer Khuepach, in: Herrmann/Heuer, Raupach, EStG, 2010, § 5, Rn. 230, 231.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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tes niedergeschlagen, also wirtschaftlich realisiert hat.203 Das Erfordernis der Realisation durch einen Umsatzakt entspricht der Markteinkommenstheorie204, nach der nur das am Markt erwirtschaftete Einkommen der Besteuerung unterliegt. Nach einem solchen Umsatzvorgang besteht die Gefahr fehlerhafter Bewertung nicht mehr205, da der realisierte Wertzuwachs durch den Wert der Gegenleistung ausreichend sicher dargestellt werden kann. Das gilt vor allem bei monetären Gegenleistungen, da ihr Nennwert den realisierten Wertzuwachs hinreichend sicher abbildet.206 Der Grundsatz, dass nur realisierte Vermögenszuwächse steuerlich relevant sind, wirkt sich auch auf die ertragsteuerliche Erfassung stiller Reserven aus. Bei stillen Reserven handelt es sich bekanntlich um eine Wertdifferenz zwischen dem Buchwert und einem höheren Verkehrs- oder Teilwert, die etwa entsteht, wenn der wirkliche Wert des Wirtschaftsgutes steigt, aber nicht in der Bilanz abgebildet wird.207 Dieser Wertzuwachs ist noch nicht am Markt bestätigt worden und daher noch nicht realisiert. Dennoch sind die stillen Reserven gleichsam mit einer steuerlichen „Hypothek“ 208 belastet. Kommt es zur Gewinnrealisation in dem Sinne, dass der Wert der durch den Umsatzakt erlangten Gegenleistung den Buchwert des aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes übersteigt209, dann müssen die auf diese Weise aufgedeckten stillen Reserven auch versteuert werden. So lange die bloße Wertsteigerung aber noch nicht realisiert worden ist und also noch nicht sicher feststeht, unterliegt sie auch noch keiner Besteuerung.210 c) Realisation ohne Umsatzakt und Entstrickung Neben dem Grundsatz, dass stille Reserven nur bei einer Realisation mittels Umsatzakt aufzudecken und zu versteuern sind, folgen aus der Systematik des Einkommensteuergesetzes einige Ausnahmen, in denen stille Reserven auch ohne einen Umsatzakt der Besteuerung unterliegen. Die Einkommensteuer ist nämlich hinsichtlich der Differenzierung zwischen Gewinn- und Überschussein203 BFH vom 29.11.1973, IV R 181/71, BStBl. II 1971, S. 202; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2010, § 2, Rn. A. 99; Thiel, Steuer-Kongreß-Report 1968, 273 (274). 204 Siehe hierzu vor allem Ruppe, in: Tipke, DStJG 1 (1978), 7 (16 ff.). 205 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 202; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 8, Rn. 33; Pezzer, in: Doralt, DStJG 14 (1991), 3 (22). 206 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 345 spricht insofern anschaulich von einer „Gewinnverwirklichung durch Umsatzakt mit Nennwertausweis“. 207 Siehe Kapitel 2 D. I. 1. 208 Thiel, Steuer-Kongreß-Report 1968, 273 (279). 209 Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 932. 210 Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 4.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
kunftsarten vom sogenannten Dualismus der Einkunftsarten211 geprägt, § 2 Abs. 2 EStG. Obwohl das EStG einem pragmatischen Begriff des Einkommens folgt212, liegt den Überschusseinkünften dennoch im Wesentlichen die Quellentheorie zugrunde, wohingegen die unternehmerischen Gewinneinkünfte im Grundsatz durch die Reinvermögenszugangstheorie geprägt sind.213 Daraus resultiert eine Unterscheidung zwischen der für Wertsteigerungen aller Wirtschaftsgüter grundsätzlich ertragsteuerlich relevanten Betriebssphäre und der ertragsteuerirrelevanten Privatsphäre.214 Außer im Anwendungsbereich der §§ 17, 23 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte nämlich ertragsteuerlich irrelevant, da nach der Quellentheorie nur laufende Erträge aus der Einkunftsquelle und nicht Wertsteigerungen der Quelle selbst Einkommen sind. Im Rahmen der Überschusseinkunftsarten sind daher Wertsteigerungen der betroffenen Wirtschaftsgüter nicht ertragsteuerlich erfasst.215 Sind die Wirtschaftsgüter aber dem Betriebsvermögen zuzurechnen, unterliegen die stillen Reserven in den betrieblichen Wirtschaftsgütern der ertragsteuerlichen Erfassung; sie sind ertragsteuerlich verstrickt.216 Ist aber einmal festgestellt, dass Wirtschaftsgüter der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden und die stillen Reserven somit steuerverstrickt sind, gebietet das Totalitätsprinzip217 zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG eine vollumfängliche Besteuerung der grundsätzlich erfassten Wertsteigerungen.218 Daher ist als ultima ratio durch besondere gesetzliche Tatbestände219 eine Ersatzrealisation stiller Reserven ohne Umsatzakt vorgesehen, wenn die stillen Reserven ohne Umsatzakt die betriebliche Sphäre verlassen oder sonst aus der Steuerverstrickung ausscheiden, sodass die steuerliche Erfassung der stillen Reserven nicht mehr sichergestellt wäre.220 Solche Vorgänge werden vielfach als Entstrickung221
211 Siehe hierzu Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 608 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 181 ff.; Zugmaier, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, § 2, Anm. 520 ff. 212 Ratschow, in: Blümich, EStG, 2011, § 2, Rn. 38; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 611. 213 Jakob, Einkommensteuer, 2008, § 4, Rn. 896 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 183. 214 Crezelius, Steuerrecht II, 1994, § 4, Rn. 23; Zugmaier, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, § 2, Anm. 11a, 69, 522; Bayer, BB 1991, 421 (424). 215 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 611; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 9, Rn. 182. 216 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 181; Jakob, Einkommensteuer, 2008, § 4, Rn. 896. 217 Kritisch zum Totalitätsprinzip Felix, Steuer-Kongreß-Report 1980, 129 (150). 218 Vgl. Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 13 (15); Thiel, Steuer-Kongreß-Report 1968, 273 (279). 219 Diese Tatbestände werden als Ersatzrealisations- oder auch Gewinnausweistatbestände bezeichnet, Wassermeyer, in: Raupach, DStJG 7 (1984), 169 (171).
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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bezeichnet.222 Dennoch gibt es kein allgemeines Entstrickungsprinzip, nach dem stille Reserven immer dann aufzudecken sind, wenn sie der steuerlichen Erfassung zu entgehen drohen.223 Steuerrecht ist klassisches Eingriffsrecht, sodass der Vorbehalt des Gesetzes gilt. Für Regelungen, die den Steuerpflichtigen belasten, bedarf es also stets einer gesetzlichen Grundlage.224 Daher existieren zahlreiche Einzelnormen, die zu einer Ersatzrealisation ohne Umsatzakt führen, wenn stille Reserven der Besteuerung zu entgehen drohen. Die hierfür einschlägigen Regelungen sind insbesondere die Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG, die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG, die Liquidation nach § 11 KStG sowie § 6 AStG. Durch das SEStEG wurden zudem in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 KStG allgemeine Entstrickungstatbestände eingeführt. Sind die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, müssen die stillen Reserven auch ohne Umsatzakt versteuert werden. Technisch wird die Entstrickung der stillen Reserven erreicht, indem das betreffende Wirtschaftsgut beim Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen mit einem den Buchwert regelmäßig übersteigenden Wert im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs bewertet wird.225 Ist die steuerliche Erfassung umgekehrt aber sichergestellt, weil das Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen verbleibt, werden die stillen Reserven nicht aufgedeckt. 3. Subjektive Bindung stiller Reserven Nachdem also die grundsätzliche ertragsteuerliche Erfassung der stillen Reserven im Fall der Realisation mit oder ohne Umsatzakt geklärt werden konnte, ist nunmehr zu fragen, ob die stillen Reserven auch bei einem bestimmten Steuersubjekt zu erfassen sind. Damit ist der strittige Aspekt subjektiver Bindung stiller Reserven angesprochen. Diese Frage hat vor dem Hintergrund des Gebots der Sicherstellung der steuerlichen Erfassung einmal entstandener stiller Reserven enorme Bedeutung für die steuerneutrale Gestaltung von Umstrukturierungen. Sollten die stillen Reserven nämlich nicht zwangsläufig bei demjenigen Steuer220 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 231; Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 7 II, S. 271. 221 Zum Begriff der Entstrickung siehe Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 712 (713 f.); Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (197 f.). 222 Brink/Endres, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 252; Heinecke, in: Schmidt, EStG, 2010, § 4, Rn. 360; Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2011, § 12, Rn. 1; Stadler/Elser, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 44. 223 BFH vom 26.10.1977, VIII R 146/74, BStBl. II, 1978, 144; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (557); Brink/Endres, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 151; Jakob, Einkommensteuer, 2008, § 4, Rn. 910; Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 7 IV, S. 277; Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlung, 1977, S. 44; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 41. 224 Tipke, Steuerrechtsordnung I, 2000, § 6, S. 120. 225 Vgl. Richter/Sailer Khuepach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 5, Anm. 262. Siehe auch z. B. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
pflichtigen zu besteuern sein, bei dem sie auch gebildet wurden, wäre konsequenterweise die Besteuerung sichergestellt, wenn die stillen Reserven in einem anderen Betriebsvermögen verhaftet blieben. Die Besteuerung stiller Reserven wäre insofern nur betragsmäßig und nicht in Bezug auf einen bestimmten Steuerpflichtigen sicherzustellen.226 Während die überwiegende Ansicht von einer subjektiven Bindung stiller Reserven ausgeht227, sieht ein Teil der älteren Literaturstimmen stille Reserven als nicht mit der Person eines bestimmten Steuerpflichtigen verknüpft an.228 Eine solche Sichtweise lässt sich mit dem Entstehungsprozess stiller Reserven erklären. Bekanntlich handelt es sich bei stillen Reserven um die Differenz zwischen Buchwert und tatsächlichem Wert in Bezug auf ein konkretes Wirtschaftsgut. Da jedes Wirtschaftsgut einzeln zu bewerten ist, entstehen auch die stillen Reserven objektbezogen und sind so gleichsam an das Wirtschaftsgut selbst gebunden.229 Gegen diese Sichtweise spricht aber die personalistische Struktur der Einkommensteuer. § 1 EStG regelt ausdrücklich, dass jedes Steuersubjekt selbst mit seinem Einkommen zu erfassen ist und das Einkommen gerade nicht einem Objekt, wie beispielsweise einer betrieblichen Einheit, zugerechnet wird.230 Das Individuum selbst ist daher die relevante Zurechnungseinheit der Einkünfte.231 Zudem ist auch die Körperschaftsteuer als Einkommensteuer der juristischen Personen eine Personensteuer.232 Der personale Bezug aller Ertragsteuern findet eine verfassungsrechtliche Grundlage, wenn man erneut Art. 3 Abs. 1 GG und das hie226 Herzig, StuW 1988, 342 (347); Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 48. Siehe hierzu auch Widmann, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 163 (164). 227 Birk, Steuerrecht, 2011, § 6, Rn. 1163; Förster, Umstrukturierung, 1991, S. 49; Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, 219 (222); dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 220; Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 14; Herzig, DB 1986, 1401 (1406); Luckey, StuW 1979, 129 (136); ders., Gewinnrealisierung bei Umwandlung, 1977, S. 119 f.; Trzaskalik, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 146 (158 f.); Rödder, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 251 (254); ders., in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 1; Strauch, Umwandlungssteuerrecht, 2009, § 4, Rn. 59; Wassermeyer, BB 1994, 1 (2). 228 Albach, StbJb 1970/1971, 287 (314); Felix, Steuer-Kongreß-Report 1980, 129 (146); Woerner, DStZ (A) 1977, 299 (307). 229 Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 22 VII, S. 820; Albach, StbJb 1970/ 1971, 287 (314 f.). 230 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 663 f.; Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 13 (14); Trzaskalik, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 145 (159); Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (556); Wassermeyer, BB 1994, 1 (2); Luckey, StuW 1979, 129 (135). 231 BVerfG vom 17.1.1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 (67); BVerfG vom 14.4.1959, 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237 (243); BVerfG vom 30.6.1964, 1 BvL 16/ 62, BVerfGE 18, 97 (105). 232 Crezelius, Steuerrecht II, 1994, § 2, Rn. 2; Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, 219 (223); Reinhardt, Übergang stiller Reserven, 1998, S. 61; Rödder, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 253 (254).
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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raus folgende Leistungsfähigkeitsprinzip heranzieht. Wenn Steuergerechtigkeit bedeutet, dass wesentlich Gleiches auch entsprechend gleich besteuert wird, dann setzt das Leistungsfähigkeitsprinzip neben der vollständigen Erfassung zwingend die individuelle Zuordnung des Einkommens als Indikator der Leistungsfähigkeit voraus.233 Ein Vergleich der steuerlichen Leistungsfähigkeit kann nämlich nur gelingen, soweit feststeht, welche Individuen an dem Vergleich beteiligt sind. Ansonsten wäre eine Überprüfung der Steuern an einem Individualgrundrecht nicht denkbar.234 In subjektiver Hinsicht wird das Leistungsfähigkeitsprinzip daher zu einem Subjektsteuer- oder auch Individualsteuerprinzip konkretisiert. Ähnlich argumentiert der Große Senat des BFH in seinem Beschluss zur Vererblichkeit eines Verlustvortrags. Zwar stellt das erkennende Gericht einerseits fest, dass die stillen Reserven durch die Bewertung untrennbar mit dem jeweiligen Wirtschaftsgut verknüpft sind.235 Gleichzeitig weist es aber darauf hin, dass die intersubjektive Übertragung stiller Reserven durch § 6 Abs. 3 EStG eine absolute Ausnahme im subjektbezogenen System der Einkommensteuer darstellt.236 Demnach geht auch die Rechtsprechung von der subjektiven Bindung der stillen Reserven an einen bestimmten Steuerpflichtigen aus. Schließlich spricht auch die Existenz der Ersatzrealisationstatbestände für eine subjektive Bindung der stillen Reserven. Ihr Sinn ist es gerade, die stillen Reserven bei der Person zu erfassen, die sie erwirtschaftet hat.237 Aus alledem folgt, dass Wertsteigerungen im ruhenden Vermögen höchstpersönlich demjenigen Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, in dessen Vermögen die Reserven entstanden sind.238 Verlassen die stillen Reserven die betriebliche Sphäre dieses Steuerpflichtigen, dann besteht das Bedürfnis, die stillen Reserven bei dieser letzten Gelegenheit abzurechnen.239 Hieran knüpfen die Ersatzrealisationstatbestände an. 4. Realisation stiller Reserven bei Umstrukturierungen? Ausgehend von der Grundfrage, ob bei einer Umstrukturierung stille Reserven der Besteuerung unterliegen, wurden zunächst die Entstehung der stillen Reserven, ihre grundsätzliche ertragsteuerliche Erfassung im Fall der Realisation oder bei Eingreifen eines Ersatzrealisationstatbestands sowie ihre subjektive Bindung 233 234 235 236 237 238
Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, S. 219 (221). Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, S. 219 (221). BFH vom 17.12.2007, GrS 2/04, DStR 2008, 545 (550). BFH vom 17.12.2007, GrS 2/04, DStR 2008, 545 (550). Wassermeyer, BB 1994, 1 (2). Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, S. 219; Trzaskalik, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 145
(161). 239 Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, S. 219 (222); Rödder, in: Seeger, DStJG 25 (2002), 253 (254).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
herausgearbeitet. Offen bleibt damit noch, ob Umstrukturierungsvorgänge zur Realisation führen. Zur Klärung werden kurz die Eckpunkte der Gewinnrealisierung zusammengefasst und auf die Umstrukturierungsvorgänge angewendet. Dabei wird indes noch nicht abschließend beantwortet, wie sich die Gewinnrealisation bei Umstrukturierungen vollzieht.240 Es kommt an dieser Stelle nur darauf an, die grundlegende Ursache der Besteuerungsgefahr herauszuarbeiten. Die Eckpunkte der Gewinnrealisierung werden durch das Leistungsfähigkeitsprinzip und seine Subprinzipien der totalen Erfassung und individuellen Zuordnung des Einkommens vorgegeben. Das Totalitätsprinzip gebietet im Ausgangspunkt die steuerliche Berücksichtigung sämtlicher stiller Reserven im betrieblichen Bereich. Wertsteigerungen im ruhenden Vermögen werden nur erfasst, wenn sie durch einen Umsatzakt am Markt realisiert werden konnten und so die Bewertungsunsicherheit beseitigt wurde. Auch ohne einen Realisationsakt kann es zu einer Besteuerung aufgrund eines Ersatzrealisationstatbestands kommen, wenn ein Wirtschaftsgut aus der betrieblichen Sphäre oder in sonstiger Weise aus der steuerlichen Verstrickung ausscheidet und daher die spätere Besteuerung der stillen Reserven nicht mehr sichergestellt ist. Aus dem Individualsteuerprinzip folgt weiterhin, dass die Wertsteigerungen bei derjenigen Person besteuert werden müssen, bei der sie entstanden sind. Daher führt jede Veränderung der individuellen Zuordnung eines Wirtschaftsgutes nach dem Individualsteuerprinzip im Grundsatz zu Problemen der Gewinnrealisation, wenn das Wirtschaftsgut die betriebliche Sphäre eines bestimmten Steuersubjekts verlässt.241 Dies gilt unabhängig davon, ob die Veränderung der individuellen Zuordnung auf einem Umsatzakt beruht oder nicht. Diese Eckpunkte steuerlicher Gewinnrealisierung gelten auch für Vorgänge, durch die ein Unternehmen umstrukturiert wird. Nimmt man vor diesem Hintergrund erneut die geschilderten zivilrechtlichen Instrumente für Unternehmensumstrukturierungen242 in den Blick, dann erschließt sich das Ausmaß der Gewinnrealisierungsproblematik für die Umstrukturierung. Im Grundsatz ist jede Veränderung der Unternehmensstruktur mit einer Übertragung von Sachgesamtheiten oder einzelnen Wirtschaftsgüter verbunden, sei es im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG oder durch Singularsukzession nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen.243 Dieser Vermögenstransfer auf einen anderen 240
Siehe dazu ausführlich Kapitel 6 B. Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1163; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 2; ders., in: Seeger, DStJG 25 (2002), 253 (254). 242 Siehe Kapitel 2 B. I. 243 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet der Formwechsel. Beruhend auf dem Grundsatz der Identität kommt es hierbei zivilrechtlich selbstverständlich nicht zu einem Rechtsträgerwechsel im Hinblick auf das betroffene Vermögen des Unternehmens. Allerdings fingiert das Steuerrecht aus steuersystematischen Gründen einen Vermögensübergang, wenn ein sogenannter kreuzender Formwechsel vorliegt, also eine 241
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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Rechtsträger führt zwangsläufig zu einer geänderten subjektiven Zuordnung der betroffenen Wirtschaftsgüter und zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen des übertragenden Steuersubjekts. Eine Besteuerung der stillen Reserven beim ursprünglichen Steuerpflichtigen kann nicht mehr stattfinden. Zur korrekten Erfassung der individuellen Leistungsfähigkeit ist eine Aufdeckung der stillen Reserven beim übertragenden Steuerpflichtigen in diesen Fällen völlig konsequent. Aus dem Individualsteuerprinzip folgt daher, dass jede Umstrukturierung im Grundsatz wegen der ihr inhärenten intersubjektiven Übertragung von Wirtschaftsgütern mit der latenten Gefahr der Aufdeckung stiller Reserven behaftet ist.244 Damit ist die Ursache erklärt, warum das Steuerrecht unter Umständen als Umstrukturierungsbarriere wirken kann.
II. Ausnahmen: Steuerneutralität durch Buchwertfortführung Vom Grundsatz, dass stille Reserven in den Wirtschaftsgütern des übertragenden Rechtsträgers beim Wechsel des Rechtsträgers aufzudecken und zu besteuern sind, werden indes bei strukturändernden Maßnahmen zahlreiche Ausnahmen gemacht. Sie dienen dazu, betriebswirtschaftlich angezeigte Strukturänderungen nicht zu verhindern und schaffen einen Ausgleich im Spannungsfeld zwischen zivilrechtlicher Gestaltungsfreiheit und steuerrechtlicher Belastungsgleichheit. Diese Ausnahmen finden ihre gesetzliche Grundlage in den Regelungen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts im EStG und UmwStG. Rechtstechnisch nutzen die Ausnahmen von der Besteuerung stiller Reserven das Prinzip der Buchwertfortführung. Unter einer steuerneutralen Umstrukturierung wird im Folgenden somit ein Sachverhalt verstanden, der aufgrund der Möglichkeit einer Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter zum Buchwert keine ertragsteuerrelevante Aufdeckung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern verstrickten stillen Reserven auslöst. 1. Die Rechtsgrundlagen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts Das Recht der ertragsteuerneutralen Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen ist durch eine gewisse Unübersichtlichkeit und zahlreiche Änderungen mit teilweise sehr kurzen zeitlichen Abständen gekennzeichnet. Bei den zahlreiKapital- in eine Personengesellschaft und umgekehrt umgewandelt wird. Siehe hierzu Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 634; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 2, Fn. 5; Schaumburg/ Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 5; Stegemann/Middendorf, BB 2006, 1084 (1987) sowie unten Kapitel 3 C. I. 244 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1163; Dautzenberg, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, Einf. C, Rn. 195; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 2; ders., in: Seeger, DStJG 25 (2002), 253 (254).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
chen Einzelregeln handelt es sich namentlich um die § 6 Abs. 3 bis Abs. 6 EStG und § 16 Abs. 3 EStG sowie das UmwStG. Diese Regeln wurden noch zusätzlich durch richterrechtliche Grundsätze245 sowie Verwaltungsanweisungen246 ergänzt. Zudem unterlag das Rechtsgebiet in den letzten Jahren zahlreichen Reformen und nachhaltigen Veränderungen, die nicht zuletzt auch auf den stetig zunehmenden Einfluss des primären und sekundären Europarechts auf das nationale Steuerrecht reagieren. Daher ist eine kurze Übersicht über die Veränderungen der letzten Jahre angebracht. a) Wichtigste Änderungen bis 2006 Im Anwendungsbereich des EStG ist zunächst das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002247 zu nennen, das die vormals in § 7 EStDV verorteten Regelungen zur unentgeltlichen Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen nahezu unverändert in § 6 Abs. 3 und Abs. 7 EStG übernommen hat248 und in § 6 Abs. 5 EStG den sogenannten Mitunternehmererlass249 ersetzte. Auch die Grundsätze des Tauschgutachtens250 waren mit Einführung des § 6 Abs. 6 EStG überholt. Schon kurze Zeit später wurde § 6 Abs. 5 EStG durch das Steuersenkungsgesetz251 bereits zum ersten Mal überarbeitet. Auch diese Änderungen waren nicht von langer Dauer und wurden mit dem Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz252 bereits ein Jahr später durch die Einführung von § 6 Abs. 3 S. 2 EStG überholt.253 245 Etwa die sog. „Finale Entnahmetheorie“, aufgegeben durch Urteil des BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, DStR 2008, 2001 ff. Siehe insoweit allerdings den Nichtanwendungserlass vom 20.5.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, DStR 2009, 1263 ff. sowie die Änderungen der § 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 1 S. 2 KStG durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010, BGBl. I 2010, S. 1768 ff. 246 Siehe den alten Umwandlungssteuer-Erlass, BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff.; und seine Neufassung BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314; BMF vom 16.12.2003, IV A 2 – S 1987 – 16/03, BStBl. I 2003, S. 786 und den Erlass zu Zweifelsfragen zur Übertragung und Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern nach § 6 Absatz 5 EStG, BMF vom 8.12.2011, IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279. 247 Gesetz vom 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 248 Ehmcke, in: Blümich, EStG 2011, § 6, Rn. 1200; Fischer, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 6, Rn. 181, 194. 249 BMF vom 20.12.1977, BStBl. I 1978, 8; BMF vom 28.4.1998, BStBl. I 1998, 583. 250 BFH vom 16.12.1958, I D 1/57 S, BStBl. III 59, 30. Steuerfreiheit wurde entgegen den Tauschgrundsätzen bei wirtschaftlicher Identität von art-, wert- und funktionsgleichen Anteilen gewährt; siehe auch Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 113a. 251 Gesetz vom 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433. 252 Gesetz vom 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. 253 Zur Entwicklung des § 6 Abs. 5 EStG und den zahlreichen Änderungen Wendt, FR 2002, 53 (53–57); Ehmcke, in: Blümich, EStG 2011, § 6, Rn. 1200.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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b) Das SEStEG aus dem Jahr 2006 Zu den wohl tiefgreifendsten Änderungen, sowohl für den Anwendungsbereich des EStG mit der Einführung eines allgemeinen Entstrickungstatbestands als auch für das UmwStG mit dessen Neufassung254, führte allerdings das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006255. Gesetzgeberischer Hintergrund des SEStEG sind die stetig zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt und die hiermit im Zusammenhang stehenden Entwicklungen des Gesellschafts-256 und Steuerrechts auf Ebene der EU. Den Anfang bildete hierbei die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO).257 Art. 2 SE-VO ermöglicht nunmehr die Gründung einer SE durch Umwandlungsmaßnahmen, wobei Art. 2 Abs. 1 bis 4 SE-VO einen grenzüberschreitenden Sachverhalt erfordern.258 Weitere Vorgaben für grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften folgten aus der Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften 259, die der deutsche Gesetzgeber in §§ 122a bis 122 l UmwG in nationales Recht umgesetzt hat260. Schließlich hat auch der EuGH mit seinen Urteilen zur Sitzverlegung261 und durch die Rechtssache Sevic Systems262 zur Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität von Unternehmen beigetragen. Außerdem waren vom Gesetzgeber steuerrechtliche Vorgaben des Europa-
254 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Einf UmwStG, Rn. 14; Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Einf Rn. 100. 255 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2782, berichtigt durch Berichtigung des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 24. Januar 2007, BGBl. I 2007, 68. 256 Zum Stand des Gesellschaftsrechts hinsichtlich der grenzüberschreitenden Mobilität von Unternehmen vor Inkrafttreten des SEStEG: Drinhausen/Gesell, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 2 ff. 257 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 1. 258 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, SE-VO, 2009, Art. 2, Rn. 11. 259 RL Nr. 2005/56/EG vom 26.10.2005. 260 Gesetz vom 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542. 261 EuGH vom 9.3.1999, C-212/97 Centros, Slg. 1999, I-1459, NJW 1999, 2027 ff.; EuGH vom 5.11.2002, C-208/00 Überseering, Slg. 2002, I-9919, EuZW 2002, 754 ff.; EuGH vom 30.9.2003, C-167/01 Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, EuZW 2003, 687 ff. 262 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, BB 2006, 11 ff.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
rechts zu beachten. Insoweit fordert die Fusionsrichtlinie263, dass Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und der Austausch von Anteilen, die Gesellschaften mehrerer Mitgliedsstaaten betreffen, keine Besteuerung stiller Reserven bewirken darf, wenn das übertragene Vermögen weiterhin einer im Inland belegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Vor diesem Hintergrund war eine internationale Ausrichtung des UmwStG unausweichlich. Zu einer ursprünglich vorgesehenen umfassenden Globalisierung des UmwStG über den EU-/EWR-Bereich hinaus und zu einer Erstreckung auch auf Sachverhalte mit Drittstaatenbezug kam es jedoch nicht vollständig.264 2. Technik der Buchwertfortführung Trotz der nicht zusammenhängenden Regelungen des EStG und des UmwStG dominiert in den einzelnen Ausnahmetatbeständen zur Gewährleistung steuerneutraler Umstrukturierungen die sogenannte Buchwertfortführung als Regelungstechnik. Daneben bestehende Konzepte wie die Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG oder die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG beruhen indes auf völlig anderen Regelungstechniken und bleiben im Folgenden außer Betracht. Die Funktionsweise der Buchwertfortführung lässt sich am Besten anhand eines Beispiels verdeutlichen: Veräußert etwa ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut aus seinem Betriebsvermögen, das in seiner Bilanz zum Buchwert von Null ausgewiesen ist, zu einem Preis von 100, dann hat dieser Vorgang folgende Auswirkungen auf den Gewinn: Der Steuerpflichtige muss den Veräußerungspreis in Höhe von 100 ansetzen und deckt so die stillen Reserven auf. Infolgedessen erhöht sich die Differenz zwischen den beiden zu vergleichenden Betriebsvermögen um den höheren Wertansatz, sodass der Gewinn um 100 ansteigt. Dies hat unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der anfallenden Steuer. Rein technisch erfolgt die Realisation stiller Reserven also durch einen bilanziellen Ansatz mit einem Wert, der den aktuellen Buchwert des Wirtschaftsgutes übersteigt. In Höhe dieser Wertdifferenz entsteht ein Gewinn. Hieran knüpfen nun die Regelungen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts an. Kernpunkt sämtlicher einschlägiger Regelungen ist die Anordnung der Buchwertfortführung. Führt man das genannte Beispiel fort, wird schnell deutlich, wie die Aufdeckung der stillen Reserven trotz eines Rechtsträgerwechsels verhindert 263 RL 2009/133/EG vom 19.10.2009, ABl. L 310/34; vormals RL Nr. 90/434/EWG vom 23.7.1990 geändert durch RL 2005/19/EG vom 17.2.2005 und RL 2006/98/EG vom 20.11.2006. 264 Lüdicke/Möhlbrock, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 61; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 217; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369.
D. Besteuerungsgleichheit und Ausnahmen bei Umstrukturierungen
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werden kann. Würde eine Vorschrift existieren, die bei Veräußerungen den Ansatz des Buchwerts erlaubt, erhöht sich bei hypothetischer Geltung einer solchen Vorschrift die Differenz zwischen den beiden zu vergleichenden Betriebsvermögen nicht. Es entsteht kein Gewinn und die Maßnahme erfolgt steuerneutral. Führt außerdem der das Wirtschaftsgut übernehmende Rechtsträger die Buchwerte fort, gehen die stillen Reserven sogar auf das übernehmende Steuersubjekt über.265
III. Zusammenfassung und weiteres Vorgehen Bislang konnte gezeigt werden, dass der Gesetzgeber durch die zahlreichen zivilrechtlichen Instrumente für Unternehmensumstrukturierungen jedenfalls den ersten Teil seines schon mehrfach zitierten Programmsatzes, betriebswirtschaftlich erforderliche Umstrukturierungen zu ermöglichen und steuerrechtlich nicht zu verhindern, zumindest für nationale Umstrukturierungen weitgehend erfüllt hat. Für grenzüberschreitende Umstrukturierungen besteht noch erheblicher regulatorischer Nachholbedarf. Hier bieten innerhalb der EU und des EWR ein Berufen auf die Niederlassungsfreiheit sowie, global betrachtet, wirtschaftlich äquivalente Ersatzkonstruktionen zwar Alternativen. In ihrer praktischen Umsetzung sind diese Alternativen aber mit Unsicherheiten behaftet oder erfordern einen erheblich höheren Aufwand. Außerdem kann festgehalten werden, dass jeder Umstrukturierung, die mit einer intersubjektiven Übertragung von Wirtschaftsgütern verbunden ist, die latente Gefahr der Besteuerung stiller Reserven innewohnt. Der Gesetzgeber greift dieses Problem auf und stellt mit den Buchwertfortführungsvorschriften des UmwStG und des EStG eine Technik bereit, um steuerneutrale Umstrukturierungen zu gewährleisten und auch den zweiten Teils seines Programmsatzes zu erfüllen. Für das weitere Vorgehen zeichnen sich daher zwei Problemkreise ab. Einerseits handelt es sich um die Frage, wie genau die einzelnen Umstrukturierungsmaßnahmen steuersystematisch in die Grundsätze der Gewinnrealisierung einzuordnen sind. Denn auch der Gesetzgeber geht augenscheinlich davon aus, dass Umstrukturierungen im Grundsatz zur Gewinnrealisierung führen, ohne allerdings zu präzisieren, welcher Gewinnrealisationstatbestand einschlägig ist. Wäre dem nicht so, hätte es nämlich keiner Vorschriften zur Buchwertfortführung in Umstrukturierungsfällen bedurft. Andererseits wird sich die Frage stellen, in welchen der zahlreichen zivilrechtlich möglichen Fällen und vor allem unter welchen Voraussetzungen das Gesetz Ausnahmen von der Aufdeckung stiller Reserven zulässt. Die Antworten hierauf werfen dann letztlich die Frage auf, ob den einzelnen Ausnahmen eine übergreifende Systematik innewohnt. 265 Vgl. Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1164; Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 5; Trzaskalik, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 145 (146 f.).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht Betrachtet man indes die Fülle der geschilderten zivilrechtlichen Umstrukturierungsinstrumente und die möglichen involvierten Rechtsträger, nämlich Einzelpersonen sowie Personen- und Kapitalgesellschaften, ergibt sich eine schier unüberschaubare Anzahl denkbarer Kombinationsmöglichkeiten.266 Für eine Untersuchung mit dem Ziel der grundlegenden Systematik der Besteuerung stiller Reserven bei der Unternehmensumstrukturierung nachzugehen, eignet sich die Betrachtung jedes einzelnen möglichen Falls267 nicht. Um den Überblick über diese unüberschaubare Zahl unterschiedlicher Umstrukturierungsmöglichkeiten zu behalten, bietet sich eine Systematisierung der einzelnen Maßnahmen nach Fallgruppen für die Betrachtung der steuerneutral möglichen Gestaltungen an. Eine fallgruppenweise Betrachtung steuerneutraler Umstrukturierungen erlaubt nämlich, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Fälle herauszuarbeiten, in denen der Gesetzgeber das beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Gestaltungsfreiheit und Besteuerungsgleichheit durch Buchwertfortführungsvorschriften zugunsten der Steuerneutralität aufgelöst hat. Methodisch ist dazu zunächst das Verhältnis zwischen zivilrechtlichem und steuerlichem Umstrukturierungsrecht herauszuarbeiten, da trotz der unterschiedlichen Zielsetzungen beider Rechtsgebiete die zivilrechtliche Gestaltung eines Umstrukturierungssachverhalts seine steuerrechtliche Behandlung in mehrfacher Hinsicht beeinflusst und dieses Zusammenspiel Kriterien für die Fallgruppenbildung offenbart.
I. Ausgangspunkt: Das Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht Über die Frage, wie Privatrecht und Steuerrecht genau zueinander stehen, diskutiert die Rechtswissenschaft schon lange. Ohne diesen grundlegenden Streit
266 Je nach Zählweise ergeben sich zwischen 119 und 271 verschiedene Vorgänge, die allein nach dem UmwG möglich sind. Hierbei sind die Maßnahmen nach Einführung der Partnerschaftsgesellschaft als umwandlungsfähigem Rechtsträger und die dargestellten Maßnahmen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen noch nicht mitgezählt. Siehe Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Einf. UmwG, Rn. 91, Fn. 2; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, Einführung UmwG, Rn. 17. Siehe auch die Übersichten im neuen Umwandlungssteuererlass BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.10, 01.12, 01.17, 01.19. Hinzu kommen noch die Umwandlungsmaßnahmen unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit und sämtliche internationale Maßnahmen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. 267 Eine umfassende Übersicht über die steuerliche Behandlung der denkbaren Kombinationsmöglichkeiten bietet Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, 2008.
E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht
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nochmals anzuführen268, kann im Ergebnis hierzu Folgendes festgehalten werden: Keines der Rechtsgebiete genießt einen Vorrang vor dem anderen Rechtsgebiet. Privatrecht und Steuerrecht betrachten den gleichen Lebenssachverhalt, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven.269 Das Zivilrecht eröffnet dem Individuum zunächst die Möglichkeit, seine wirtschaftlichen Verhältnisse privatautonom und frei zu gestalten, indem es die hierzu notwendigen Instrumente zur Verfügung stellt.270 Das Steuerrecht dient demgegenüber vorrangig der Aufgabe, in Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen staatliche Einnahmen zu erzielen.271 Dabei kommt es im Grundsatz nicht auf die konkret gewählte zivilrechtliche Ausgestaltung eines Sachverhalts an. Vielmehr nimmt das Steuerrecht aufgrund seiner Ausrichtung an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nur das wirtschaftliche Ergebnis des zivilrechtlich gestalteten Sachverhalts zum Ausgangspunkt.272 Demnach steht das Zivilrecht zum Steuerrecht allenfalls in einem Verhältnis zeitlicher Vorherigkeit, da es erst den Lebenssachverhalt gestaltet, auf dessen wirtschaftlichem Ergebnis das Steuerrecht aufbaut.273
II. Konkretisierung im Hinblick auf Umstrukturierungen Bereits diese Ausführungen machen deutlich, dass die zivilrechtliche Systematik der Umstrukturierungsinstrumente nicht unbesehen für die Betrachtung steuerneutral durchführbarer Umstrukturierungen übernommen werden kann. Das Zivilrecht unterscheidet im UmwG und in den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen nämlich nach den einzelnen Rechtstechniken, die den jeweiligen Umstrukturierungsinstrumenten zugrunde liegen. Eine Differenzierung anhand der Gesamtrechtsnachfolge, Einzelrechtsnachfolge und Anwachsung als Gestaltungstechniken übernimmt das Steuerrecht mit seiner abweichenden Zielsetzung nicht vollständig. Dieser Umstand zeigt sich exemplarisch am Verhältnis von UmwG und UmwStG, das mit dem Bild zwei sich schneidender aber nicht de268 Hierzu ausführlich Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, Einf. ESt, Anm. 452 ff.; Hallerbach, DStR 1999, 2125 ff. Siehe auch Loritz, Einkommensteuerrecht, 1988, § 2 III, Rn. 41–43; Tipke, Steuerrechtsordnung I, 2000, § 3, S. 44 ff. 269 Pahlke, in: Pahlke/Koenig, AO, 2009, § 4, Rn. 110. 270 Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, Einf. ESt, Anm. 455; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 1, Rn. 17. 271 Hallerbach, DStR 1999, 2125 (2127). 272 Loritz, Einkommensteuerrecht, 1988, § 2 III, Rn. 43; Ruppe, in: Tipke DStJG 1 (1979), 7 (12); Tipke, Steuerrechtsordnung I, 2000, § 3, S. 48, 52. 273 BVerfG vom 27.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 (213); Tipke, Steuerrechtsordnung I, 2000, § 3, S. 45, der insoweit von einer Präzedenz des Zivilrechts für das Steuerrecht spricht. Siehe auch Kirchhof, StuW 1983, 173 (181); ders., NJW 1987, 3217 (3221); Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2010, Einf. ESt, Anm. 455; Hallerbach, DStR 1999, 2125 (2129).
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Kap. 2: Umstrukturierungen
ckungsgleicher Kreise274 beschrieben werden kann. Während das UmwG maßgeblich auf dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge basiert, stellt das UmwStG nicht nur für solche Umstrukturierungen sondern auch für Gestaltungen, die auf einer Einzelrechtsnachfolge beruhen und im UmwG daher keine Regelung finden, Buchwertfortführungsvorschriften zur Verfügung.275 Offenkundig hängt also die Steuerneutralität einer Unternehmensumstrukturierung nicht zwangsläufig vom zivilrechtlich gewählten Durchführungsmechanismus ab. Die bloße Rechtstechnik, mit der ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis zivilrechtlich erzielt wird, besitzt daher für das an der individuellen Leistungsfähigkeit orientierte Steuerrecht nicht die gleiche Unterscheidungskraft. Die Systematik der im UmwStG und in den Ertragsteuergesetzen geregelten Buchwertfortführungsvorschriften orientiert sich vielmehr an eigenständigen, steuerrechtlich vorgegebenen Kriterien. Schon bei einem Blick auf die Gliederung des UmwStG und die Tatbestände im EStG, fallen erste Kriterien für eine Systematisierung der steuerrechtlichen Regelungen auf. 1. Unterscheidung nach Rechtsformen und teilweiser Akzessorietät zum UmwG Das erste Kriterium findet sich in der aus dem Dualismus der Unternehmensbesteuerung folgenden Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften.276 Das bestätigt vor allem ein Blick auf das im Wesentlichen aus zwei Teilen bestehende UmwStG. Man spricht insofern vom Umwandlungsteil, der die §§ 3 bis 19 UmwStG umfasst und vom Einbringungsteil mit den §§ 20 bis 25 UmwStG.277 Dabei gilt allerdings eine Besonderheit: Der Umwandlungsteil knüpft trotz seiner Orientierung an den Rechtsformen der beteiligten Rechtsträger gemäß § 1 Abs. 1 UmwStG akzessorisch an das UmwG an278 und ist damit Annexgesetz zum UmwG.279 Die §§ 3, 9, 11, 15 und 16 UmwStG ermöglichen so steuerneutrale Umstrukturierungen durch umwandlungsrechtliche Verschmelzungen sowie die Auf- und Abspaltung bei Beteiligung einer Kapitalgesellschaft 274 Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 215. 275 Siehe nur § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG. 276 Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 215; Junge, Umwandlungssteuerrecht, 2010, Rn. 16; Buyer/Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 551. 277 BT-Drs. 16/2710, S. 34, 44; Haritz, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 1, Rn. 1, 7. 278 Hahn, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 755; Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 1, Rn. 11; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 46. 279 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Einführung UmwStG, Rn. 27.
E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht
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als übertragendem Rechtsträger sowie einen steuerneutralen Formwechsel in eine Personengesellschaft.280 Der Einbringungsteil des UmwStG ist demgegenüber nicht auf Körperschaften als übertragende Rechtsträger beschränkt und knüpft nicht akzessorisch an das Zivilrecht an. Aber auch hier zeigt sich die systematische Trennung der steuerrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Rechtsform der beteiligten Rechtsträger. Erfasst werden Einbringungen in Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften (§§ 20, 21 UmwStG) und in Personengesellschaften (§ 24 UmwStG), wobei nach § 1 Abs. 3 UmwStG unerheblich ist, ob es sich bei den Vorgängen um solche nach dem UmwG oder um Gestaltungen mittels Einzelrechtsnachfolge handelt. 2. Gegenstand der Umstrukturierung Das zweite Kriterium für eine Orientierung innerhalb der Buchwertfortführungsvorschriften findet sich in dem Gegenstand, der von der Umstrukturierung betroffen ist. Das UmwStG erfasst nämlich nur Vorgänge, die Betriebe, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder Kapitalgesellschaftsanteile und damit besonderes qualifizierte Vermögensgegenstände oder Sachgesamtheiten betreffen.281 Im Ertragsteuerrecht erlaubt § 6 Abs. 5 EStG steuerneutrale Umstrukturierung mit einzelnen Wirtschaftsgütern.
III. Fallgruppen in Orientierung an den Buchwertfortführungsvorschriften Die Unterscheidungskraft dieser Kriterien lässt sich am Beispiel der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes oder mehrerer Wirtschaftsgüter an einen anderen Rechtsträger verdeutlichen. Die zivilrechtliche Betrachtung gibt im Rahmen der zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen zunächst Auskunft über den genauen Gegenstand der Transaktion, die hierfür zu erbringende Gegenleistung und die beteiligten Parteien. Auf dinglicher Ebene zeigt das Zivilrecht durch die Vorschriften über den Eigentumsübergang an, welchem Rechtsträger der betreffende Gegenstand nunmehr zuzuordnen ist und mittels welcher Rechtstechnik die subjektive Zuordnung verändert wurde. Das so erzielte wirtschaftliche Ergebnis, nämlich die Übertragung eines Gutes zwischen den Beteiligten gegen eine Gegenleistung, greift das Steuerrecht auf. Der zivilrechtliche Rechtsträgerwechsel spricht steuerrechtlich unabhängig von der konkret gewählten Rechtstechnik zunächst die Gewinnrealisierungstatbe280 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 12; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Einleitung B, Rn. 10. 281 Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 215.
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Kap. 2: Umstrukturierungen
stände an.282 Aber auch der Gegenstand der Transaktion, die gewährte Gegenleistung und die beteiligten Parteien sind für die steuerrechtliche Beurteilung relevant.283 Gleiches gilt als Besonderheit des steuerlichen Umstrukturierungsrechts aufgrund der Akzessorietät des Steuerrechts vom Zivilrecht im Umwandlungsteil des UmwStG in manchen Fällen auch für die zivilrechtliche Ausgestaltung der Umstrukturierung. Alle diese Merkmale sind für die Frage von Bedeutung, ob die in Rede stehende Umstrukturierung tatsächlich mittels Buchwertfortführung steuerneutral durchgeführt werden kann. Je nachdem, ob einzelne Wirtschaftsgüter oder mehrere Wirtschaftgüter in Form von Betrieben oder Teilbetrieben unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten unter Beteiligung von Personen- oder Kapitalgesellschaften übertragen werden, greifen nämlich unterschiedliche steuerrechtliche Normen ein. Wird beispielsweise durch Einzelrechtsnachfolge ein Betrieb gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine Personengesellschaft eingebracht, kommt nach § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG eine Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert in Betracht. Im vergleichbaren Fall der Verschmelzung ist § 3 Abs. 2 UmwStG einschlägig. Wenn nur ein einzelnes Wirtschaftsgut in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird, kann Steuerneutralität nur durch § 6 Abs. 5 S. 3 EStG erreicht werden. Besteht die Gegenleistung in beiden Fällen wiederum nicht in Gesellschaftsrechten sondern in Geld, sind keine Vorschriften ersichtlich, die einen Buchwertansatz erlauben. Die Untersuchung des Zusammenhangs von Zivil- und Steuerrecht hat mit dem übertragenen Gegenstand, der zugrundeliegenden Rechtstechnik und den beteiligten Rechtsträgern Faktoren aufgedeckt, die für eine steuerneutrale Umstrukturierung von Bedeutung sind. Anhand dieser Faktoren lassen sich die Buchwertfortführungsvorschriften ordnen und insgesamt drei Fallgruppen steuerneutraler Umstrukturierungsmöglichkeiten bilden. Die erste Fallgruppe ist durch die Besonderheit der Zivilrechtsakzessorietät geprägt und wird von den Umwandlungsmaßnahmen gebildet, die nach den §§ 3 bis 16 UmwStG dem Umwandlungsteil des UmwStG unterfallen, wobei das UmwStG ebenfalls nach den beteiligten Rechtsformen unterscheidet. Sowohl die zweite als auch die dritte Fallgruppe können unter dem Oberbegriff der Einbringung zusammengefasst werden. Beide Fallgruppen orientieren sich an dem Gegenstand der Transaktion und an der Differenzierung nach Rechtsformen. Hierbei erfasst die zweite Fallgruppe die Umstrukturierungsmaßnahmen, die wegen der Einbringung besonders qualifizierter Gegenstände, insbesondere in Form von Betrieben und Teilbetrieben, je nach Rechtsform der beteiligten Gesellschaften gemäß §§ 20, 21, 24 UmwStG steuerneutral durchgeführt werden können. Zusammen mit der ersten Fallgruppe erlauben die erfassten Umwandlungen ganzer 282 283
Siehe Kapitel 2 D. I. 3. Ähnlich Wassermeyer, BB 1994, 1 (1).
E. Fallgruppen der Unternehmensumstrukturierung im Steuerrecht
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betrieblicher Einheiten eine Anpassung der statuarischen Organisationsstruktur einer Unternehmung. Die dritte Fallgruppe bilden demgegenüber Umstrukturierungssachverhalte, die eine Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter zum Gegenstand haben, wobei sich hier die Steuerneutralität nach § 6 Abs. 5 EStG richtet. Hilfreich sind die in dieser Fallgruppe untersuchten Instrumente vor allem zur Umsetzung einer Anpassung der operationalen Organisationsstruktur, indem Wirtschaftsgüter, die für betriebliche Aufgaben eingesetzt werden, einem anderen Betriebsvermögen zugeordnet werden können. Diese Fallgruppen geben den Rahmen für die weitere Analyse des steuerlichen Umstrukturierungsrechts in exemplarisch ausgewählten nationalen und in internationalen Sachverhalten vor.
Kapitel 3
Besteuerung nationaler Umwandlungen Im folgenden Kapitel werden die Möglichkeiten steuerneutraler Umstrukturierungen zunächst für rein nationale Sachverhalte untersucht. Diese Begrenzung verhindert, dass der Blick auf die Funktionsweise der einschlägigen Vorschriften durch internationalsteuerrechtliche Besonderheiten verstellt wird. Diesen Besonderheiten gilt später bei der Betrachtung der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Umstrukturierungen die gesamte Aufmerksamkeit. Als rein inländisch werden vorliegend Sachverhalte verstanden, bei denen alle Beteiligten unabhängig von ihrer Rechtsform in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind.1 Vorab ist der Blick aber auf den Anwendungsbereich des UmwStG zu richten, um zu untersuchen, welche Umwandlungen im Einzelnen die erste Fallgruppe bilden.
A. Anwendungsbereich des UmwStG Schlüssel zum UmwStG ist der vergleichsweise komplizierte § 1 UmwStG, der den Anwendungsbereich sachlich in Bezug auf bestimmte Umstrukturierungsvorgänge und persönlich auf bestimmte Rechtsträger begrenzt.2 Vor allem der sachliche Anwendungsbereich kann für die einzelne Umstrukturierungsmaßnahme nicht isoliert aus § 1 Abs. 1 und Abs. 3 UmwStG sondern nur in einer Zusammenschau mit den übrigen Regeln des UmwStG ermittelt werden.3 Insgesamt ergeben sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG sowie dem zweiten bis vierten Teil des UmwStG für die Betrachtung der ersten Fallgruppe fünf unterschiedliche Fallkonstellationen.4 Erstens erfassen die §§ 3 bis 8 UmwStG Verschmelzungen von Körperschaften auf Personengesellschaften oder natürliche Personen nach den §§ 2 ff. UmwG. Unerheblich ist dabei, ob die Verschmelzung
1 Bilitewski, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3246; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 103. 2 Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 1, Rn. 3; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 2. 3 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 14. 4 Die von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UmwStG ebenfalls erfasste Vermögensübertragung sowie nach Nr. 3 erfasste Umwandlungen gemäß § 1 Abs. 2 UmwG bleiben außer Betracht.
A. Anwendungsbereich des UmwStG
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zur Aufnahme oder zur Neugründung durchgeführt wird.5 Zweitens regelt § 9 UmwStG die steuerlichen Folgen des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach den §§ 190 ff., 228 ff. UmwG. Die §§ 11 bis 13 UmwStG befassen sich drittens mit der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften. § 15 UmwStG stellt viertens steuerliche Regeln für zivilrechtliche Aufund Abspaltungen von Körperschaften nach § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG bereit.6 Auf Ausgliederungen nach § 123 Abs. 3 UmwG findet § 15 UmwStG keine Anwendung.7 Fünftens erfasst § 16 UmwStG parallel dazu Auf- und Abspaltungen auf Personengesellschaften. Neben dem so konturierten sachlichen Anwendungsbereich fordert § 1 Abs. 2 UmwStG als persönliche Voraussetzung der beteiligten Rechtsträger einen doppelten Bezug zur EU oder zum EWR. Sowohl der übertragende Rechtsträger als auch der übernehmende Rechtsträger müssen erstens Gesellschaften im Sinne von Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWR-Abkommen sein. Zweitens müssen beide Gesellschaften ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsbereichs eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates haben. Eine natürliche Person kann nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG nur die Vorteile der umwandlungssteuerlichen Regelungen nutzen, wenn sie als übernehmender Rechtsträger ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsbereich eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates hat und zudem nicht aufgrund eines DBA als außerhalb dieser Hoheitsgebiete ansässig gilt. Insgesamt hat sich der Gesetzgeber durch die Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Gesellschaften aus den Hoheitsbereichen eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates also gegen eine ursprünglich geplante weitergehende Globalisierung des umwandlungssteuerlichen Anwendungsbereichs entschieden.8 Im ausschließlich nationalen Kontext erfüllen alle beteiligten Rechtsträger diese persönlichen Anforderungen, sodass der Anwendungsbereich des UmwStG für die im vorherigen Absatz aufgezählten Umstrukturierungsmaßnahmen eröffnet ist.
5 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 50; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 50; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, § 3, Rn. 5, 6. 6 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 13; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG 2008, § 15, Rn. 17, 20. 7 Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 1; Schumacher, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG 2008, § 15, Rn. 40. 8 Lüdicke/Möhlenbrock, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 139; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2704); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1525).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft, §§ 3 bis 8 UmwStG Anhand des folgenden Beispiels 1 werden die steuersystematische Einordnung der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, die Voraussetzungen für ihren steuerneutralen Vollzug sowie die Funktionsweise der §§ 3 ff. UmwStG dargestellt. Die natürliche Person A mit Wohnsitz in der Bundesrepublik hält alle Anteile an einer GmbH im Privatvermögen. Die ebenfalls in Deutschland ansässige GmbH soll auf eine bereits bestehende GmbH & Co. KG verschmolzen werden. Beide Unternehmen sind in der Softwareentwicklung für dasselbe Marktsegment tätig. Aus dem Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG geht hervor, dass die angestrebte Umstrukturierung beider Unternehmen zu erheblichen Synergien9 führen wird, da Entwicklungskosten eingespart werden könnten. Alle Mitunternehmer der KG und die KG selbst sind auch im Inland ansässig. Das ausschließlich im Inland belegene Betriebsvermögen der GmbH hat einen gemeinen Wert von 100. Der Buchwert des Betriebsvermögens beträgt zum Schlussbilanzstichtag nur 50. Der Alleingesellschafter der GmbH wird im Zuge der Verschmelzung Kommanditist der KG.
I. Steuersystematische Einordnung der Verschmelzung auf Personengesellschaften Um die Mechanismen hinter der Funktionsweise steuerneutraler Unternehmensumstrukturierungen aufzudecken, lohnt es, zuerst einen Blick auf die Auswirkungen des Verschmelzungsvorgangs zu werfen, die ohne Geltung des UmwStG nach allgemeiner ertragsteuerlicher Systematik eintreten würden. Auf diese Weise tritt der Charakter des UmwStG als Modifikation der ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungsgrundsätze deutlich zu Tage. Wie bereits herausgearbeitet wurde, nimmt das Steuerrecht das wirtschaftliche Ergebnis der zivilrechtlich gestalteten Umstrukturierungsmaßnahme zum Ausgangspunkt.10 Wirtschaftlich betrachtet führt die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft gemäß §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 UmwG dazu, dass sämtliches Vermögen der Kapitalgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Personengesellschaft übergeht. Die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung für 9 Zu Synergieeffekten als Motiv für Verschmelzungen siehe OLG Düsseldorf vom 15.3.1999, 17 W 18/99, NZG 1999, 565 (567); Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 8 UmwG, Rn. 17; Haritz, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, Einführung B, Rn. 2. 10 Siehe Kapitel 2 E. I.; III.
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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den Vermögensübergang11 Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger. Mit anderen Worten scheiden also die übergehenden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des übertragenden Rechtsträgers gegen Gewährung einer Gegenleistung aus. Das Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus einem Betriebsvermögen und seine Übertragung auf einen anderen Rechtsträger gegen eine Gegenleistung ist aber bereits aus steuerrechtlicher Sicht als gewinnrealisierender Tatbestand definiert worden.12 Subsumiert man das dargestellte wirtschaftliche Ergebnis einer Verschmelzung unter diese Merkmale, erfüllt die Umwandlung das vor dem Hintergrund des Subjektsteuerprinzips entscheidende Merkmal einer intersubjektiven Vermögensübertragung. Bei Verschmelzungen auf Personengesellschaften liegt folglich die Einordnung als gewinnrealisierender Vorgang nahe. Daher wird in der Literatur auch nur vereinzelt die Ansicht vertreten, dass es sich bei Umstrukturierungen um rein gesellschaftsrechtliche Organisationsakte ohne steuerrechtliche Folgen handelt.13 Zum Ergebnis einer steuerrechtlich relevanten Gewinnverwirklichung durch die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft gelangen indes auch die Rechtsprechung und der weit überwiegende Teil des Schrifttums, wobei die genaue dogmatische Konstruktion der Gewinnrealisierung umstritten ist. Die Rechtsprechung14 und weite Teile der Literatur15 werten die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft als zumindest tauschähnlichen Veräußerungsvorgang. Dieser Ansicht hat sich die Finanzverwaltung im neuen Umwandlungssteuererlass ausdrücklich angeschlossen.16 Andere Stimmen aus dem Schrifttum sehen in einer solchen Umstrukturierung zwar tatbestandlich keine Veräußerung, kommen im Ergebnis aber ebenfalls zur Gewinnrealisierung. Diese Ansicht qualifiziert die Verschmelzung als Liquidation des übertragenden 11
Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 223, 297. Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 930a; Richter/Sailer Khuepach, in: Herrmann/Heuer, Raupach, EStG, 2010, § 5, Anm. 230, 231; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 sowie ausführlich oben Kapitel 2 D. I. 2. b). 13 Flume, DB 1967, 2050. Für Einbringungen Dornfeld/Rose, DB 1969, 1997 (1998 f.). Ausführlich zur Einordnung als Organisationsakt Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 11 ff. 14 BFH vom 17.1.1969, VI 367/65, BStBl. II 1969, 540 (541); BFH vom 1.10.1975, I R 198/73, BStBl. II 1976, 113 (114); BFH vom 23.1.2002, IX R 48/99, BStBl. II 2002, 875 (876); BFH vom 16.5.2002, III R 45/98, BStBl. II 2003, 10 (12); FG BadenWürttemberg vom 25.6.1998, 14 K 290/96, EFG 1998, 1529 (1532). 15 Allgemein Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 45; Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 116 f., geht von einer Betriebsveräußerung aus, lehnt aber eine Tauschbetrachtung ab, S. 98 ff. Speziell zur Verschmelzung auf eine Personengesellschaft Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2008, Vorbemerkung zu §§ 3–9, Rn. 6; Jacobs, FR 2011, 973 (975); Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (557 f.); Hahn, DStZ 1998, 561 (565). 16 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02. 12
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Rechtsträgers oder als Betriebsaufgabe17 und sieht insofern den Ersatzrealisationstatbestand des § 11 KStG als erfüllt an18. Folglich führen die allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft im Grundsatz zu einer Realisation der stillen Reserven. Als entscheidender Gesichtspunkt für die Gewinnrealisation kann nach beiden aufgezeigten Ansichten das Ausscheiden der übergehenden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des übertragenden Rechtsträgers identifiziert werden und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft eine Gegenleistung erhalten.
II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger, § 3 UmwStG Ob die Verschmelzung steuerneutral erfolgen kann, hängt nach geltendem Recht primär von der Bilanzierung des Vorgangs auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers ab. Hier entscheidet sich, wie die übergehenden Wirtschaftsgüter zu bewerten sind. Von ihrer Bewertung wiederum hängt ab, inwieweit die stillen Reserven aufgedeckt werden oder nicht. § 3 UmwStG enthält für diesen Zusammenhang eigenständige Ansatz- und Bewertungsregeln19 und modifiziert so unter besonderen Voraussetzungen die Aufdeckung stiller Reserven nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen. Insgesamt lohnt bei der steuerrechtlichen Analyse der ersten Umwandlungsmaßnahme eine ausführlichere Darstellung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen, da sich zeigen wird, dass zahlreiche der hier relevanten Merkmale in den übrigen Fällen in gleicher oder zumindest vergleichbarer Weise wiederkehren. 1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert Wie die gerade angesprochene Diskussion um die genaue dogmatische Begründung der Gewinnrealisation nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beantworten ist, kann vorerst offen bleiben.20 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 17 Mayer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 22, 51; Crezelius, FR 2011, 401 (407); Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (850); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (771). Unentschlossen Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 2. 18 So ausdrücklich Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 3. 19 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.04; Schulze zur Wiesche, DStZ 2011, 513 (514). 20 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 45 sowie ders., in: Ruppe, DStJG 4 (1981), S. 163 (167 f.) postuliert sogar, dass diese Frage an praktischer Bedeutung verloren habe, da die Umwandlungen im UmwStG umfassend geregelt seien. Ausführlich zu dieser Frage unten Kapitel 6 B.
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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UmwStG ist jeder übertragende Rechtsträger nämlich verpflichtet, eine steuerliche Schlussbilanz auf den Übertragungsstichtag aufzustellen, wenn die Umstrukturierungsmaßnahme dem Anwendungsbereich des UmwStG unterfällt.21 Dabei hat das SEStEG im Hinblick auf die Bewertung der in der Schlussbilanz anzusetzenden Wirtschaftsgüter zu einem weitreichenden Konzeptionswechsel geführt.22 Während das UmwStG aus dem Jahre 199523 noch ein generelles Wahlrecht für die Bewertung der anzusetzenden Wirtschaftsgüter vorsah und von daher regelmäßig der Buchwert angesetzt werden konnte24, müssen die übergehenden Wirtschaftsgüter, einschließlich nicht entgeltlich erworbener und selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter, nunmehr nach § 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG zwingend mit dem gemeinen Wert angesetzt werden. Die Konsequenz dieses Konzeptionswechsels ist allerdings, dass der zwingende Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert unabhängig von den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln zur Gewinnrealisation im Grundsatz immer zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Unter dem gemeinen Wert versteht man gemäß § 9 Abs. 2 BewG nämlich den Preis eines Wirtschaftsgutes, der bei einer Einzelveräußerung nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt werden kann, wobei abgesehen von ungewöhnlichen und persönlichen Umständen alle Faktoren zu berücksichtigen sind, die den Preis beeinflussen.25 Bei seiner Ermittlung kann nach der Vergleichswertmethode vor allem auf die in einer ausreichenden Zahl von Fällen erzielten Kaufpreise abgestellt werden, um ein möglichst marktgerechtes Ergebnis zu erzielen.26 Der gemeine Wert entspricht damit dem Verkehrswert.27 Im Rahmen des marktgerechten Geschäftsverkehrs gehen die stillen Reserven aber in die Kaufpreiskalkulation ein, sodass der Verkehrswert den ursprünglichen Buchwert regelmäßig übersteigt. Daher entsteht bilanziell bei der Bewertung einer Umstrukturierung mit gemeinen Werten ein Gewinn. 21 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 22, 24; Schaflitzl/ Widmayer, BB-Special 8/2006, 36 (41); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1529). 22 Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1014; Pfaar/ Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 280; Dötsch/ Pung, DB 2006, 2704 (2704). 23 Gesetz zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28.10.1994, BGBl. I 1994, S. 3267. 24 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 2; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 280. 25 Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, 2011, § 9, Rn. 6; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 30; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 642. 26 BFH vom 29.4.1987, C R 2/80, BStBl. II 1987, 769; Halaczinsky, in: Rössler/ Troll, BewG, 2011, § 9, Rn. 14; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 647. 27 BFH vom 2.2.1990, III R 173/86, BStBl. II 1990, 497 (499); Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, 2011, § 9, Rn. 1.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Im umwandlungssteuerlichen Sprachgebrauch wird dieser Gewinn als Übertragungsgewinn28 bezeichnet. Er errechnet sich aus der Differenz der Wertansätze aller übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz und ihren Buchwerten zum Schlussbilanzstichtag abzüglich der vom übertragenden Rechtsträger zu tragenden Umwandlungskosten.29 Der Übertragungsgewinn unterliegt bei der übertragenden Körperschaft ungemildert der Körperschaft- und der Gewerbesteuer, soweit nicht für einzelne Wirtschaftsgüter Sonderregeln wie beispielsweise § 8b Abs. 2 KStG eingreifen.30 Im eingangs dargestellten Beispiel entsteht nach diesen Grundsätzen ein körperschaftsteuerpflichtiger Gewinn in Höhe von 50. Stellt man sich den übertragenden Rechtsträger etwa als start-up Unternehmen mit nur geringen liquiden Mitteln, dafür aber einigen selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern mit hohen stillen Reserven vor, ist leicht eine Steuerlast erreicht, die finanziell nicht getragen werden kann, sodass unter Umständen zwingend gebotene Anpassungen unterbleiben. Trotz der grundsätzlich nachteiligen Realisierung stiller Reserven kann ein Ansatz zum gemeinen Wert oder zu einem Zwischenwert im Einzelfall auch vorteilhaft sein. Verrechenbare Verluste und bestehende Verlustvorträge gehen nämlich nach § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG neuerdings nicht mehr auf den übernehmenden Rechtsträger über. Durch eine Realisierung stiller Reserven beim übertragenden Rechtsträger können dann untergehende Verluste in den Grenzen der Regeln über die Mindestbesteuerung nach § 10d EStG31 noch gezielt genutzt werden.32 2. Ausnahme: Buchwertansatz nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG Obwohl also das UmwStG der Beseitigung steuerlicher Hindernisse für betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen dient33, ist festzustellen, dass es durch den Wertansatz nach § 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG zunächst an einer Realisation der stillen Reserven festhält. Erst unter den in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
28 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. R 528. 29 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 148; Strauch, Umwandlungssteuerrecht, 2009, § 4, Rn. 101; Krause, in: Klingebiel/Patt/Rasche/Krause, Umwandlungssteuerrecht, 2008, S. 85. 30 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3, Rn. 18; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. R 529, 549. 31 Für eine teleologische Reduktion von § 10d EStG in dieser Konstellation Krumm, GmbHR 2010, 24 (25 f.); Fischer, FR 2007, 281 (285 f.). 32 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 14.32; Ley/Bodden, FR 2007, 265 (276); Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2006, 1657 (1659); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1073). 33 BT-Drs. 16/2710, S. 25.
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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bis Nr. 3 genannten Voraussetzungen können auf Antrag34 die übergehenden Wirtschaftsgüter35 abweichend von § 3 Abs. 1 UmwStG einheitlich mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert angesetzt werden, sodass die Aufdeckung der stillen Reserven vermieden wird36. Bilanztechnisch ergibt sich in Bezug auf das geschilderte Beispiel durch einen Ansatz der Buchwerte von 50 in der steuerlichen Schlussbilanz bei der Berechnung des Übertragungsgewinns keine Differenz mehr zu den ursprünglichen Wertansätzen. Es entsteht kein Übertragungsgewinn, die Umstrukturierung erfolgt auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers steuerneutral. Durch diese Technik setzt der Gesetzgeber sein Ziel, steuerliche Hemmnisse infolge der Aufdeckung stiller Reserven zu beseitigen, erst auf der zweiten Stufe des Tatbestands um. Das Wahlrecht hinsichtlich des Buch- oder Zwischenwertansatzes ist allerdings vom kumulativen Vorliegen der Voraussetzungen aus § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG abhängig. Im Einzelnen dürfen die Buch- oder Zwischenwerte nur gewählt werden, soweit die übergehenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft werden und eine spätere Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer sichergestellt ist. Außerdem darf das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik an Gewinnen aus einer späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Schließlich erlaubt das UmwStG dem übernehmenden Rechtsträger für die übergehenden Wirtschaftsgüter allenfalls eine Gegenleistung zu gewähren, die in Gesellschaftsrechten besteht. Alle diese Voraussetzungen müssen in Bezug auf jeden einzelnen Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft erfüllt sein.37 a) Betriebsvermögen Erste Voraussetzung für den Buchwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter beim übernehmenden Rechtsträger Betriebsvermögen werden, § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 UmwStG. Dazu muss der 34 Der Antrag ist von der übertragenden Körperschaft spätestens bis zur Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz beim für die Körperschaft zuständigen Finanzamt zu stellen. BT-Drs. 16/2710, S. 37; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 101; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 280; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2708); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (174). 35 Obwohl in § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG die nicht entgeltlich erworbenen oder selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter nicht explizit genannt werden, sind sie ebenfalls vom Wahlrecht erfasst. Für den insoweit gleichlautenden § 11 UmwStG Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 31.11. A. A. Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 14. 36 Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 17. 37 BT-Drs. 16/2710, S. 37; Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 18; Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, 2007, Rn. 225; Damas, DStZ 2007, 129 (130); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1073).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
übernehmende Rechtsträger erstens überhaupt über Betriebsvermögen verfügen und zweitens müssen die übergehenden Wirtschaftsgüter nach der Verschmelzung auch dem Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers zugeordnet werden. Ob das erste Kriterium erfüllt ist, hängt davon ab, welcher Einkunftsart die vom übernehmenden Rechtsträger erzielten Einkünfte zuzuordnen sind, da nur bei Gewinneinkünften ein Betriebsvermögen existiert. In jedem Fall liegt ein Betriebsvermögen vor, wenn der übernehmende Rechtsträger eine originäre gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt oder aufnimmt.38 Ein Übergang in ein gewerbliches Betriebsvermögen findet auch dann statt, wenn der übernehmende Rechtsträger nach den Grundsätzen der Abfärbetheorie gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG39 gewerbliche Einkünfte erzielt oder, wie etwa im eingangs angeführten Beispiel, nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eine gewerblich geprägte Personengesellschaft ist.40 Gleiches gilt, wenn nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung41 die Einkünfte des Besitzunternehmens in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden und die Besitzkapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird, soweit nach der Verschmelzung weiterhin die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung erfüllt sind.42 Dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG lässt sich außerdem keine Beschränkung auf gewerbliche Einkünfte entnehmen.43 Die übergehenden Wirtschaftsgüter werden beim übernehmenden Rechtsträger also auch dann Betriebsvermögen, wenn dieser Gewinneinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG oder Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 EStG erzielt. Handelt es sich beim übernehmenden Rechtsträger demgegenüber um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, sind mangels unternehmerischen Betriebsvermögens die Voraussetzungen aus § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 UmwStG nicht erfüllt.44
38 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. 18, 19, 21. 39 BFH vom 29.11.2001, IV R 91/99, BStBl. II 2002, 221 (223 f.); Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 15, Rn. 185 ff.; Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 143. 40 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 107; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 77. 41 BFH vom 24.11.1998, VIII R 61/97, NJW 1999, 1135; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 706 ff.; Jakob, Einkommensteuer, 2008, § 6, Rn. 1075 ff. 42 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 82; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 3 UmwStG, Rn. 63. 43 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 81; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 107; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 76; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. 24 f. 44 Krause, in: Klingebiel/Patt/Rasche/Krause, Umwandlungssteuerrecht, 2008, S. 74; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3 UmwStG, Rn. 110.
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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Zweitens dürfen die übergehenden Wirtschaftsgüter nach der Verschmelzung nicht dem Privatvermögen des übernehmenden Alleingesellschafters oder eines der Mitunternehmer zuzuordnen sein, selbst wenn der übernehmende Rechtsträger grundsätzlich über Betriebsvermögen verfügt. Dieser Fall kann eintreten, wenn die übertragende Kapitalgesellschaft im Beispielsfall ihrem Alleingesellschafter ein Wirtschaftsgut, etwa ein Wohnhaus, unentgeltlich zur Nutzung überlassen hätte. Beim übernehmenden Rechtsträger kann dieses Wirtschaftsgut nicht als Betriebsvermögen angesetzt werden. Es bleibt zwar Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft, verliert aber die Eigenschaft als Betriebsvermögen und wird Privatvermögen.45 Ein Buchwertansatz scheidet insoweit aus. b) Sicherstellung einkommens- oder körperschaftsteuerlicher Erfassung Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 UmwStG muss außerdem sichergestellt sein, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später der Besteuerung mit Einkommens- oder Körperschaftsteuer unterliegen. Bei dieser Voraussetzung fällt zuerst ihre sprachlich unpräzise Formulierung auf. Während das Gesetz in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG von dem Ausschluss oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts an Veräußerungsgewinnen aus den übergehenden Wirtschaftsgütern spricht, stellt der Wortlaut in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 UmwStG auf die einkommens- oder körperschaftsteuerliche Erfassung der Wirtschaftsgüter selbst ab. In der Sache kann es allerdings auch in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 UmwStG nicht auf die ertragsteuerliche Erfassung der Wirtschaftsgüter ankommen, sondern vielmehr ebenfalls auf die Erfassung der in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven.46 Nur der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes und nicht das Wirtschaftsgut selbst unterliegt der Besteuerung. Gewährleistet wird die Erfassung der stillen Reserven beim übernehmenden Rechtsträger durch die Buchwertfortführung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG.47 An einer Sicherstellung der ertragsteuerlichen Erfassung fehlt es ausweislich der Gesetzesbegründung trotz Buchwertverknüpfung insbesondere bei subjektiven Steuerbefreiungen der übernehmenden natürlichen Person oder eines Mitunternehmers der übernehmenden Personengesellschaft.48 Das EStG kennt allerdings 45 BFH vom 16.3.1983, IV 36/79, BStBl. II 1983, 459 (461 f.); BFH vom 30.6.1987, VIII R 353/82, BStBl. II 1988, 418 (420); Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 90. 46 Vgl. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3, Rn. R 63.25. Ohne Begründung so auch Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 79. 47 Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4, Rn. 8; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 32.1. 48 So ausdrücklich BT-Drs. 16/2710, S. 37.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
keine subjektiven Steuerbefreiungen.49 Insoweit gibt es keinen denkbaren inländischen Sachverhalt, in dem die ertragsteuerliche Erfassung stiller Reserven bei einer natürlichen Person nicht gewährleistet wäre. Etwas anderes gilt nur, wenn an der übernehmenden Personengesellschaft eine nach § 5 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft als Mitunternehmerin beteiligt ist. In diesem Fall sind die Anforderungen des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 UmwStG nicht erfüllt.50 Nach der Gesetzesbegründung zum SEStEG ist zudem unerheblich, ob die stillen Reserven der deutschen oder aber ausländischer Einkommensoder Körperschaftsteuer unterliegen.51 c) Kein Ausschluss oder keine Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts Für die Möglichkeit des Buchwertansatzes verlangt § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG ferner, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft oder bei der natürlichen Person nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Diese spezielle Entstrickungsklausel52 und gleiche oder vergleichbare Regeln, die sich in allen umstrukturierungsrelevanten Normen wiederfinden53, bilden neben der generellen Bewertung mit dem gemeinen Wert den zweiten Grundpfeiler in der durch das SEStEG überarbeiteten Konzeption der Besteuerung von Unternehmensumstrukturierungen. Hinsichtlich der Entstrickungsklauseln sind Umstrukturierungen nur relevant, wenn durch den Vorgang der subjektive oder der objektive Anknüpfungspunkt des Besteuerungstatbestands aufgelöst wird.54 Im rein nationalen Kontext verändert sich durch die Umstrukturierung aber weder die subjektive Steuerpflicht der beteiligten Rechtsträger noch verlassen Wirtschaftsgüter den Geltungsbereich des deutschen Steuerrechts. Es kann daher nicht zu
49 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 665; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 115. 50 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 95; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (772); Trossen, FR 2006, 617 (620). 51 BT-Drs. 16/2710, S. 37; Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1038; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 79. A. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. R 63.25; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 96. 52 Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 6, Fn. 2; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.3; Benecke, NWB 2007, Fach 3, 14733 (14749). 53 Siehe §§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3; 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG; §§ 4 Abs. 1 S. 3; 6 Abs. 5 S. 1; 16 Abs. 3 S. 3 EStG und § 12 Abs. 2 KStG. 54 Ausführlich siehe unten zu grenzüberschreitenden Umstrukturierungen Kapitel 5 A. II. 1. b).
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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einer Beschränkung oder gar einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts kommen.55 Eine Entstrickung tritt nicht ein. Das gilt selbst bei sogenannten Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug. Gehen in Erweiterung zu Beispiel 1 etwa auch eine Freistellungs- oder eine Anrechnungsbetriebsstätte auf die übernehmende Personengesellschaft über, dürfen auch in diesem Fall die Buchwerte fortgeführt werden. Soweit ursprünglich im Inland belegenes Vermögen weiterhin im Inland steuerverstrickt bleibt und nur unbeschränkt Steuerpflichtige am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sind, verändert die Verschmelzung weder die inländische subjektive Anknüpfung des Besteuerungstatbestands, noch beeinflusst sie die jeweiligen Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Gewinne einer Freistellungsbetriebsstätte unterlagen schon vor der Verschmelzung keiner deutschen Besteuerung und Gewinne einer Anrechnungsbetriebsstätte können nach der Verschmelzung bei unbeschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmern im gleichen Umfang besteuert werden wie vor der Verschmelzung.56 Eine genaue Untersuchung dieses Tatbestandsmerkmals ist insofern für inländische Umstrukturierungen entbehrlich. Es handelt sich bei den Entstrickungstatbeständen vielmehr um das Kernproblem der steuerlichen Behandlung internationaler Sachverhalte, sodass eine ausführliche Untersuchung erst später in diesem Zusammenhang stattfindet. d) Keine Gegenleistung oder ausschließliche Gewährung von Gesellschaftsrechten Schließlich setzt § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG voraus, dass der Buch- oder ein Zwischenwert nur gewählt werden darf, soweit keine Gegenleistung gewährt wird oder die gewährte Gegenleistung ausschließlich in Gesellschaftsrechten besteht. Diese Voraussetzung wurde für die Verschmelzung auf eine Personengesellschaft erst durch das SEStEG eingeführt, entspricht aber wörtlich der schon vorher existenten Regelung in § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG alter Fassung57 für die Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft.58 Der Wortlaut dieser Voraussetzung erweist sich indes als auslegungsbedürftig. Bei der gewählten Formulierung bleibt nämlich offen, was genau unter einer Gegenleistung zu verstehen ist und 55 Bilitewski, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3252; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 103; Junge, Umwandlungssteuerrecht, 2010, Rn. 62 f. 56 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 104; Bilitewski, in: Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3470 f.; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (182 f.); Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.30, der außerdem darauf hinweist, dass ein anderes Ergebnis dann eintritt, wenn z. B. Switch-over-Klauseln in § 50d Abs. 9 EStG oder § 20 Abs. 2 AStG nach der Umwandlung nicht mehr anwendbar sind. 57 Nunmehr § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG in der Fassung des SEStEG. 58 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 123.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
wer als Empfänger der Gegenleistung in Betracht kommt. Bei der Konkretisierung helfen ein erneuter Blick auf § 2 UmwG und auf die akzessorische Anknüpfung des zweiten bis vierten Teils des UmwStG an die handelsrechtlichen Umwandlungsregelungen. Ausweislich des Wortlauts von § 2 UmwG erfolgt die verschmelzungsbedingte Vermögensübertragung gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Aus zivilrechtlicher Perspektive kommen in Ausnahmefällen zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 UmwG neben der Gewährung von Anteilen und Mitgliedschaftsrechten auch bare Zuzahlungen in Betracht. Praktisch relevant sind bare Zahlungen außerdem im Fall der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters nach §§ 29 ff. UmwG. Die Gewährung einer Gegenleistung prägt den zivilrechtlichen Vorgang der Verschmelzung somit ganz wesentlich.59 Alle diese Leistungen müssen aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 UmwG den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden und zwar als Gegenleistung für die Übertragung der Wirtschaftsgüter des übertragenden Rechtsträgers. Unter einer Gegenleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG versteht man demnach eine Aufwendung des übernehmenden Rechtsträgers, die auf Erlangung der Wirtschaftsgüter des übertragenden Rechtsträgers gerichtet ist und beim übertragenden Rechtsträger oder dessen Anteilseignern zu einer Vermögensmehrung führt.60 Unschädlich für den Buchwertansatz und im prinzipiellen Einklang mit der zivilrechtlichen Sichtweise ist daher nach § 3 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 UmwStG, wenn A im oben geschilderten Beispiel Kommanditist der übernehmenden GmbH & Co. KG wird. Ohne negative steuerliche Folgen für das Wertansatzwahlrecht bleibt es außerdem, wenn entgegen dem zivilrechtlichen Grundsatz keinerlei Gegenleistung gewährt wird. Praktische Relevanz gewinnt § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 1 UmwStG daher vor allem bei einem sogenannten Upstream-Merger. Grundsätzlich schädlich für die Ausübung des Wahlrechts sind die auch zivilrechtlich nur in engen Grenzen zulässigen baren Zahlungen im Rahmen eines Spitzenausgleichs nach § 15 UmwG an verbleibende Gesellschafter.61 Im Gegensatz dazu stellt allerdings eine bare Abfindung an Gesellschafter, die einer Verschmelzung gemäß § 29 UmwG widersprechen, keine schädliche Gegenleistung dar.62 Die Abfindungszahlung an den ausscheidenden Gesellschafter erfolgt näm59 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 2, Rn. 40, sowie oben Kapitel 2 C. I. 1. b) aa). 60 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 103, § 11, Rn. 121; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 144. 61 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG 2010, § 3, Rn. 126; Suchan/Peykan, DStR 2003, 136 (137). 62 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 113. A. A. Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 60.
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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lich aus steuerrechtlicher Sicht nicht als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens. Man könnte zwar einwenden, dass umwandlungsrechtlich der ausscheidende Gesellschafter erst aus der übernehmenden Gesellschaft ausscheidet.63 § 5 Abs. 1 UmwStG fingiert allerdings bei der Abfindung eines ausscheidenden Anteilseigners, dass der übernehmende Rechtsträger die betreffenden Anteile zum Stichtag anschafft. Im Umkehrschluss gelten die Anteile in diesem Zeitpunkt als vom Anteilseigner veräußert.64 Steuerrechtlich wird der Vorgang also so behandelt, als würde der ausscheidende Gesellschafter bereits aus der übertragenden Gesellschaft und nicht erst aus der übernehmenden Gesellschaft ausscheiden.65 Infolgedessen stellt die bare Abfindungszahlung steuerrechtlich keine Gegenleistung für die übergehenden Wirtschaftsgüter, sondern ein Entgelt für die Veräußerung der Anteile an den übertragenden Rechtsträger, dar.66 3. Rechtsfolgen Im oben dargestellten Beispiel handelt es sich bei der GmbH & Co. KG um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, sodass die übergehenden Wirtschaftsgüter auch bei ihr Betriebsvermögen werden. Die Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers sind nicht steuerbefreit, sodass die ertragsteuerliche Erfassung späterer Veräußerungsgewinne sichergestellt ist. Auch das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik hinsichtlich der Veräußerungsgewinne wird im rein nationalen Sachverhalt nicht eingeschränkt. Da der Alleingesellschafter nur Mitunternehmer der GmbH & Co. KG wird, erhält er auch keine schädliche Gegenleistung. In diesem Fall besteht ein Wahlrecht, die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert, anzusetzen. Wählt die übertragende Körperschaft den Ansatz zum Buchwert, entsteht kein Übertragungsgewinn und folglich keine Steuerlast. Die Verschmelzung erfolgt auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers steuerneutral. Können die Voraussetzungen von § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG anders als in diesem Beispiel nicht vollständig erfüllt werden, dann muss hinsichtlich der eintretenden Rechtsfolgen differenziert werden. Liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG vor, müssen in der steuerlichen Schlussbilanz die 63 Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 29, Rn. 36; Birkemeier, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 113. 64 Dehmer, Umwandlungssteuererlass, 1998, Tz. 02.10. 65 FG Münster vom 18.10.2007, 3 K 3608/04 F, EFG 2008, 343 (344); BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.22; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 5, Rn. 20; Renner, Rückwirkung im Umwandlungssteuergesetz, 2002, S. 74; Suchan/Peykan, DStR 2003, 136 (138). 66 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 126; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 108.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
gemeinen Werte angesetzt werden. Aus der Formulierung „soweit“ in § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG folgt, dass der Buchwertansatz nur für diejenigen Wirtschaftsgüter ausgeschlossen ist, für welche die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt worden sind.67 Erhalten die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 3 UmwStG eine andere Gegenleistung als Gesellschaftsrechte, müssen nicht die gemeinen Werte angesetzt werden, sondern die Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter sind um den Betrag der erhaltenen Gegenleistung aufzustocken, sodass es zu einem Zwischenwertansatz kommt.68 In beiden Varianten entsteht aber in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven ein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn.
III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern, §§ 4 ff. UmwStG Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass die Aufdeckung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven bei der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft beim übertragenden Rechtsträgers erfolgt. Abgesehen von dieser Gefahr wirkt sich eine Verschmelzung gemäß §§ 4 bis 7 UmwStG aber auch auf den übernehmenden Rechtsträger und die Anteilseigner aus. Kernpunkte der Regelungen sind die unterschiedlichen Gewinnauswirkungen auf die übernehmende Gesellschaft und auf die Anteilseigner sowie die zwingende Buchwertverknüpfung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG. 1. Gewinnauswirkungen Mittelpunkt der Gewinnauswirkungen auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers ist der sogenannte Übernahmegewinn nach § 4 Abs. 4 und Abs. 5 UmwStG. Die Schwierigkeit seiner Ermittlung ist dem Umstand geschuldet, dass das Übernahmeergebnis seit dem SEStEG durch die fiktive Ausschüttung offener Rücklagen nach § 7 UmwStG in einen Dividendenanteil und einen Veräußerungsanteil aufgegliedert wurde69. Dieses zweistufige Vorgehen führt dazu, dass die in den Gesellschaftsanteilen ruhenden stillen Reserven abgerechnet und mit
67 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 87; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3, Rn. 52; Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 18. 68 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3, Rn. 52; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 132; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11, Rn. 265.1. 69 Bonhardt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 4, Rn. 11, 225; Desens, FR 2008, 943 (944); Ott, INF 2007, 184 (188); Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372); Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (648).
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
97
den stillen Reserven der übergehenden Wirtschaftsgüter zusammengefasst werden.70 a) Besteuerung offener Rücklagen, § 7 UmwStG § 7 UmwStG regelt zunächst die Besteuerung des sogenannten Dividendenteils im Rahmen des Übernahmeergebnisses. Hierzu fingiert der Gesetzgeber eine Vollausschüttung der offenen Rücklagen der übertragenden Körperschaft.71 Die offenen Rücklagen ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Eigenkapital in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers und dem Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG nach Anwendung von § 29 KStG. In Erweiterung des bisher betrachteten Beispiels 1 könnte etwa die Passivseite der steuerlichen Übertragungsbilanz der GmbH ein voll eingezahltes Nennkapital von 10 und Gewinnrücklagen in Höhe von 40 ausweisen. Das steuerliche Einlagekonto soll zum Übertragungsstichtag einen Bestand von 0 haben. Infolgedessen gilt nach § 7 UmwStG das steuerliche Eigenkapital in Höhe von 4072 als ausgeschüttet und unterliegt beim Alleingesellschafter A in dieser Höhe als Dividende der Einkommensteuer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Im Ergebnis kommt es beim Anteilseigner der übertragenden Körperschaft durch die fiktive Ausschüttung zu einer Belastung der Liquidität.73 Dieses Beispiel illustriert anschaulich den Zweck von § 7 UmwStG. Die Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person führt zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes. Die Besteuerung der Körperschaft und ihrer Anteilseigner folgt dem Trennungsprinzip. Infolgedessen unterliegen die Gewinne einer Körperschaft auf einer ersten Stufe gemäß §§ 1, 7 KStG der Körperschaftsteuer. Die schon einmal auf Ebene der Körperschaft besteuerten Gewinne werden im Falle der Ausschüttung an die Anteilseigner bei diesen auf einer zweiten Stufe mit Einkommensteuer belegt. Demgegenüber gilt bei der Besteuerung von Personengesellschaften das Transparenzprinzip. Die Personengesellschaft selbst ist nämlich nur im Rahmen der Gewinnermittlung partiell steuerrechtsfähig.74 Die erzielten Gewinne werden den Gesellschaftern als Steuerrechtssubjekten im Sinne von § 1 EStG daher zugerechnet und nur 70 van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 74; Desens, FR 2008, 943 (944). 71 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 7, Rn. 2. 72 Eigenkapital laut steuerlicher Schlussbilanz in Höhe von 50 ./. steuerliches Einlagekonto nach fiktiver Nennkapitalherabsetzung nach § 29 KStG in Höhe von 10. Siehe etwa das Beispiel bei Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 7, Rn. 36. 73 Bilitewski, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3242; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2007, Anh. UmwStG, Rn. 187a. 74 Siehe nur BFH vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761 f.); BFH vom 3.7.1995, GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (621) mit weiteren Nachweisen.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
auf ihrer Ebene versteuert.75 Dies gilt unabhängig davon, ob die Gewinne anschließend ausgeschüttet oder thesauriert werden76, sodass eine möglicherweise erst später erfolgte Ausschüttung steuerfrei erfolgt. Bei einer Verschmelzung auf eine Personengesellschaft geht die Körperschaft als eigenständiges Besteuerungssubjekt allerdings unter, sodass auch eine selbständige Besteuerungsebene verloren geht. Nach der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft könnten daher ohne § 7 UmwStG die offenen, also bereits auf der Ebene der Körperschaft versteuerten, Reserven im Falle einer Ausschüttung an die vormaligen Anteilseigner der Körperschaft und nunmehrigen Mitunternehmer der Personengesellschaft nicht mehr besteuert werden.77 Vor diesem Hintergrund sichert § 7 UmwStG das Besteuerungsrecht an den offenen Rücklagen, die ohne die Ausschüttungsfiktion einer Besteuerung auf der Ebene der Anteilseigner entgehen würden. b) Übernahmegewinn, § 4 Abs. 4 und Abs. 5 UmwStG Neben dem in § 7 UmwStG geregelten Dividendenteil besteht das Übernahmeergebnis für Gesellschafter mit steuerverstrickten Anteilen auch aus einem zweistufig zu ermittelnden Veräußerungsanteil. Auf der ersten Stufe werden gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 UmwStG die Werte der übergehenden Wirtschaftsgüter78 und die Werte der untergehenden Anteile, die die übernehmende Personengesellschaft an der übertragenden Körperschaft hält, saldiert, wobei außerdem die von der Übernehmerin zu tragenden Umwandlungskosten in Abzug zu bringen sind. Für den Wertansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter ordnet § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG an, dass der übernehmende Rechtsträger die Buchwerte aus der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers übernehmen muss. Die Anteile an der übertragenden Körperschaft sind nach § 4 Abs. 1 S. 2 UmwStG ebenfalls mit Buchwerten zu bewerten, wobei steuerwirksame Abschreibungen79 aus früheren Jahren sowie Abzüge nach § 6b EStG oder ähnliche Abzüge maximal bis auf den gemeinen Wert der Anteile zu korrigieren sind. Die Differenz zwischen dem Buchwert und dem um die genannten Beträge erhöhten Wert der Anteile ergibt 75
Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2011, § 1, Rn. 13; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1103. Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1133. 77 Bilitewski, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3241 f. 78 Der Wert der übergehenden Wirtschaftsgüter bleibt bei der Berechnung des Übernahmeergebnisses insoweit außer Ansatz, als er auf nicht steuerverstrickte Anteile entfällt, § 4 Abs. 4 S. 3 UmwStG. 79 Hinsichtlich steuerwirksamer Teilwertabschreibungen ist schon generell nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 4 i.V. m. Nr. 2 S. 3 EStG der Wert der Anteile aufzuholen, sodass § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG nur Bedeutung hat, wenn der steuerliche Übertragungsstichtag nicht mit dem Bilanzstichtag des übernehmenden Rechtsträgers identisch ist. Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 49; Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 4, Rn. 19; van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 42. 76
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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den sogenannten Beteiligungskorrekturgewinn, der nach § 4 Abs. 1 S. 3 UmwStG als laufender Gewinn des übernehmenden Rechtsträgers der Besteuerung unterliegt.80 Problematisch ist allerdings, dass der Wortlaut des § 4 Abs. 4 S. 1 UmwStG von einer Upstream-Verschmelzung und somit von einer Beteiligung der übernehmenden Personengesellschaft am übertragenden Rechtsträger ausgeht.81 Diese Vermutung ist letztlich noch ein Relikt der vormaligen handelsrechtlichen Regelung, wonach bei der Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft der übernehmende Rechtsträger 90% der Anteile des übertragenden Rechtsträgers halten musste.82 Allerdings sind solche Upstream-Konstellationen nicht der Regelfall, sondern eher Ausnahmen.83 Daher fingiert § 5 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG eine Einlage derjenigen Anteile eines Anteilseigners der übertragenden Körperschaft in die übernehmende Personengesellschaft, die nach § 17 EStG steuerverstrickt sind oder zu seinem Betriebsvermögen gehören.84 Im Beispiel 1 gelten daher die Anteile des Alleingesellschafters A nach § 5 Abs. 2 UmwStG als in die übernehmende Personengesellschaft eingelegt. Erfolgt die Umwandlung wie hier zu Buchwerten in Höhe von 5085 und ist der Alleingesellschafter gleichzeitig auch der Gründungsgesellschafter der übertragenden GmbH, sodass der Buchwert seiner Beteiligung durch das Nennkapital der GmbH in Höhe von 10 ausgedrückt wird, beträgt der Übernahmegewinn erster Stufe 40. Das Übernahmeergebnis erster Stufe modifizieren § 4 Abs. 4 und Abs. 5 UmwStG anschließend in weiteren Schritten. Dazu werden zuerst ein eventueller Zuschlag für neutrales Vermögen im Sinne von § 4 Abs. 4 S. 2 UmwStG und der Sperrbetrag nach § 50c EStG86 hinzugerechnet. Der so ermittelte Betrag, vermindert um die Bezüge nach § 7 UmwStG, ergibt den Übernahmegewinn der zweiten Stufe. Die Anrechnung der fiktiven Dividende dient dabei der Vermeidung einer Doppelbesteuerung.87 Im dargestellten Beispiel beträgt das Übernah-
80
BT-Drs. 16/2710, S. 38; Bodden, FR 2007, 66 (71). Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 5, Rn. 1. 82 Haritz, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2011, § 5, Rn. 2. 83 Haritz, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2011, § 5, Rn. 4. 84 van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 74. 85 Siehe Kapitel 3 B. II. 3. 86 Durch die Hinzurechnung des Sperrbetrags sollte die Umgehung von § 50c Abs. 1 S. 1, Abs. 11 EStG verhindert werden, die unter Geltung des, mit dem StSEnkG abgeschafften, Körperschaftsteueranrechnungsverfahrens verhindern sollten, dass eigentlich nicht Anrechnungsberechtigte ein Körperschaftsteuerguthaben nutzten. Dazu WeberGrellet, in: Schmidt, EStG, 2011, § 50c, Rn. 1, 55. Durch die zehnjährige Dauer der Sperrfrist läuft der Verweis auf § 50c EStG ab 2012 leer, Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 118. 87 Desens, FR 2008, 943 (945); Bodden, FR 2007, 66 (73). 81
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
meergebnis zweiter Stufe nach Anrechnung der fiktiven Dividende in Höhe von 4088 demnach 0. 2. Buchwertverknüpfung und Übergang stiller Reserven Der zweite Kernpunkt steuerlicher Auswirkungen auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers findet sich in der zwingenden Wertverknüpfung. Der übernehmende Rechtsträger muss nach § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG die auf ihn übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Wert übernehmen, den die übertragende Körperschaft ihrer steuerlichen Schlussbilanz zugrunde legt. Besonders dann, wenn die übertragende Körperschaft die Wirtschaftsgüter zum Übertragungsstichtag mit dem Buchwert bewertet und so die Aufdeckung der stillen Reserven verhindert wird, kommt dieser Regelung eine weitgehende systematische Bedeutung zu. Nur durch die Buchwertverknüpfung kann nämlich sichergestellt werden, dass die stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern später auch tatsächlich der Besteuerung unterliegen.89 Die Buchwertverknüpfung auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers stellt damit das systematisch notwendige Korrelat zum Buchwertansatz auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers dar.90 a) Zuordnung der stillen Reserven mittels Ergänzungsbilanzen Allerdings bedeutet die Buchwertverknüpfung keineswegs, dass die stillen Reserven nach der Verschmelzung dem übernehmenden Rechtsträger selbst zuzuordnen sind. Vielmehr müssen die stillen Reserven in quantitativer Hinsicht den richtigen Anteilseignern zugeordnet werden.91 Kommt es durch die Verschmelzung zu Wertverschiebungen in den Beteiligungen der Anteilseigner, besteht nämlich die Gefahr, dass schenkungssteuerliche Rechtsfolgen ausgelöst werden oder der Vorgang eine verdeckte Gewinnausschüttung oder verdeckte Einlage darstellt.92 Die Bilanz des übernehmenden Rechtsträgers muss daher drei Aufgaben erfüllen. Erstens muss sie den Buchwert der übertragenen Wirtschaftsgüter ausweisen. Dabei müssen zweitens die Beteiligungsverhältnisse der Mitunternehmer richtig dargestellt sein, wobei die stillen Reserven drittens den richtigen Mitunternehmern zugeordnet sein müssen. Angesichts dieser vielfältigen Zielrichtung ist die bilanzielle Abbildung problematisch und nur mit Hilfe von Er88
Siehe oben Kapitel 3 B. III. 1. a). Bonhardt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 4, Rn. 39; Pung, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4, Rn. 8; Schnitter, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 4 UmwStG, Rn. 17. 90 van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 2. 91 van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 11. 92 Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4, Rn. 13; van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 11. 89
B. Verschmelzung auf eine Personengesellschaft
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gänzungsbilanzen erreichbar.93 Ergänzungsbilanzen sind Steuerbilanzen, die der Korrektur von Wertansätzen betrieblicher Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz einer Personengesellschaft dienen.94 Zur Verdeutlichung ihrer Funktionsweise helfen auch hier einige konkrete Zahlen, um die das Beispiel 1 nochmals erweitert wird. Die Bilanz der GmbH weist auf der Aktivseite bekanntlich Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert von 50 aus (gemeiner Wert 100). Dem steht auf der Passivseite ein Eigenkapital von 50 gegenüber. Die Bilanz der übernehmenden GmbH & Co. KG soll vor der Verschmelzung folgende Positionen ausweisen: Auf der Aktivseite sind Wirtschaftsgüter mit einem Wert von 120 verbucht. Die Passivseite ordnet den beiden Gesellschaftern B und C ein Kapitalkonto I von jeweils 60 zu. Die Verschmelzung der GmbH auf die KG erfolgt als Verschmelzung durch Aufnahme. Diese Umwandlung stellt für die KG einen laufenden Geschäftsvorfall dar.95 Die Gesamthandsbilanz der KG gibt daher nach der Verschmelzung folgendes Bild: Der Ansatz der schon vorhandenen Wirtschaftsgüter der KG bleibt unverändert und beträgt weiterhin 120. Zweckmäßigerweise sind die von der GmbH übertragenen Wirtschaftsgüter in der neuen Gesamthandsbilanz mit dem gemeinen Wert von 100 anzusetzen. Diese Bewertung ist ohne Weiteres zulässig und verstößt nicht gegen den Zwang zur Buchwertfortführung, da sich die steuerlich maßgeblichen Buchwerte aus der Summe der Gesamthandsbilanz und eventueller Ergänzungsbilanzen bilden.96 Korrespondierend hierzu muss das Kapitalkonto von A auch einen Betrag von 100 ausweisen. Folglich muss aber für A zusätzlich eine Ergänzungsbilanz aufgestellt werden, die auf der Aktivseite ein Minderkapital von 50 und auf der Passivseite einen Minderwert des Betriebsvermögens von 50 als Korrekturposten abbildet. Als Folge dieser Bilanzierung weist die Gesamthandsbilanz die Beteiligungsquoten von A (gerundet 45,5%), B und C (gerundet jeweils 27,25%) in Bezug auf die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter richtig aus und gibt in Verbindung mit der Ergänzungsbilanz Auskunft über den Buchwert des übergegangenen Vermögens. Außerdem bleiben die ursprünglich im Betriebsvermögen der GmbH verhafteten stillen Reserven in Höhe von 50 dem vormaligen Alleingesellschafter A in voller Höhe zugeordnet, was direkt aus der Ergänzungsbilanz abgelesen werden kann.
93 Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4, Rn. 13; Mayer, FR 2004, 698 (699); vgl. auch Regniet, Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften, 1990, S. 13. 94 BFH vom 28.9.1995, IV R 57/94, DStR 1996, 16 (17); Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 15, Rn. 460; Regniet, Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften, 1990, S. 15, 18. 95 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 4 UmwStG, Rn. 24. 96 Pyszka/Bauer, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 3, Rn. 537; Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 15, Rn. 460; Mayer, FR 2004, 698 (699).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
b) Überspringen stiller Reserven trotz Ergänzungsbilanz Aber auch die quantitative Zuordnung der stillen Reserven zum ehemaligen Anteilseigner der übertragenden Körperschaft darf bei genauer Betrachtung über einen wesentlichen Punkt nicht hinwegtäuschen. Die stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern waren ursprünglich in subjektiver Hinsicht der Körperschaft als eigenständigem Steuersubjekt zugeordnet, da die betreffenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen der GmbH und nicht etwa ihrer Anteilseigner waren. Bei einer Veräußerung der Wirtschaftsgüter zum Verkehrswert hätte die Aufdeckung der stillen Reserven somit auch bei der Körperschaft selbst zu einem ertragsteuerpflichtigen Gewinn geführt. Durch die Verschmelzung ist die selbständige Besteuerungsebene der Körperschaft allerdings weggefallen. Zwar ordnet die Verwendung von Ergänzungsbilanzen die stillen Reserven in quantitativer Hinsicht nunmehr dem ursprünglichen Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft zu. Diese Zuordnung ändert aber nichts an der Tatsache, dass der ursprüngliche Alleingesellschafter eine natürliche Person und insofern auch ein eigenständiges Steuersubjekt ist. Veräußert später die übernehmende Personengesellschaft die steuerverstrickten Wirtschaftsgüter und kommt es zur Realisierung der stillen Reserven, dann unterliegt dieser Gewinn nunmehr beim Gesellschafter selbst der Besteuerung. Noch deutlicher tritt dieser Effekt im Fall der Verschmelzung einer Körperschaft auf ihren Alleingesellschafter zu Tage. Die vormals der Körperschaft selbst zugeordneten Wirtschaftsgüter gehen zwingend zum Buchwert auf den Alleingesellschafter über und unterliegen bei einer Veräußerung nunmehr ausschließlich bei diesem der Besteuerung. Im Ergebnis verhindert also auch die Aufstellung von Ergänzungsbilanzen nicht das Überspringen stiller Reserven auf ein anderes Steuersubjekt. Der Buchwertansatz nach § 3 Abs. 2 UmwStG führt demnach zu einer Ausnahme vom Subjektsteuerprinzip.97
IV. Zwischenergebnis zu den §§ 3 ff. UmwStG Insgesamt können drei wesentliche Punkte festgehalten werden. Erstens ist trotz der Verlagerung von Wirtschaftsgütern auf einen anderen Rechtsträger, die nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen eigentlich zu einer Aufdeckung der stillen Reserven führt, eine steuerneutrale Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft im reinen Inlandsfall möglich. In der Konzeption der umwandlungssteuerlichen Regeln tritt aber besonders deutlich das Spannungsverhältnis zutage, das der Gesetzgeber durch die mit dem SEStEG verfolgten Ziele98 aufgeworfen hat. Durch die generelle Bewertung der überge-
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So Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 2. BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25. Siehe auch Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/3315, S. 1. 98
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft
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henden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert sichert das Gesetz auf der ersten Stufe deutsches Steuersubstrat. Nur wenn die besonderen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG erfüllt sind, erlaubt das Gesetz die Wahl des Buchwertes und ermöglicht so betriebswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen ohne Aufdeckung der stillen Reserven. Zweitens führt jedenfalls auf der Ebene der Anteilseigner der übertragenden Körperschaft die Verschmelzung zu einer liquiditätswirksamen Steuerbelastung aufgrund der Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG. Diese Belastung ist aber unabhängig vom Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter und nur durch den aus der Verschmelzung resultierenden Wegfall einer Besteuerungsebene bedingt. Das Entstehen eines Übernahmegewinns hängt zwar auch vom Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter ab. Aber selbst wenn die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert angesetzt werden und der Anteilseigner beispielsweise die Anteile der übertragenden Körperschaft sehr günstig erworben hat, kann es zum Entstehen eines Übernahmegewinns kommen.99 Im Ergebnis besteht also keine zwingende Relation zwischen dem Buchwertansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter und einem möglicherweise entstehenden Übernahmegewinn. Schließlich muss drittens festgehalten werden, dass die zwingende Wertverknüpfung des § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG systematisch die spätere steuerliche Erfassung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern verhafteten stillen Reserven sicherstellt. Allerdings kann auch das Aufstellen von Ergänzungsbilanzen zur quantitativ richtigen Zuordnung der stillen Reserven zu den ehemaligen Anteilseignern der Körperschaft nicht verhindern, dass die Verschmelzung zu einer Verlagerung der stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt, nämlich die ehemaligen Anteilseigner in ihrer Eigenschaft als Steuerpflichtige nach § 1 EStG, führt, sodass eine Ausnahme vom Subjektsteuerprinzip vorliegt.
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft, § 9 UmwStG Auch wenn dem Formwechsel zivilrechtlich eine andere Dogmatik zugrunde liegt als der gerade betrachteten Verschmelzung, wird die Analyse des folgenden Beispiels 2100 zeigen, dass beide Umstrukturierungen steuerlich nahezu identische Auswirkungen101 haben. 99 Siehe Beispielsfall 4 bei van Lishaut, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 76. 100 Sachverhalt in Anlehnung an BGH vom 9.5.2005, II ZR 29/03, DStR 2005, 1539 ff. 101 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 9, Rn. 2; Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 33; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 9, Rn. 8.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Die X-AG mit Sitz in München verwaltet eigenes Vermögen und vermietet mehrere große Gewerbeimmobilien. Der Buchwert der Grundstücke beträgt 50, ihr gemeiner Wert 100. Mehrheitsaktionärin mit 98% der Aktien ist die SGmbH. Eine Aktie102 hält die B-GmbH, eine 100%-ige Tochtergesellschaft der S-GmbH. Die übrigen Anteile befinden sich im Streubesitz. Alle Aktionäre sind im Inland ansässig. Die Hauptversammlung der AG beschließt aus steuerlichen Gründen103 den Formwechsel der AG in eine GmbH & Co. KG nach §§ 190 ff., 226 ff. UmwG, wobei die B-GmbH alleinige persönlich haftende Komplementärin der KG werden soll. Alle übrigen Aktionäre werden Kommanditisten der KG.
I. Steuersystematische Einordnung des Formwechsels in eine Personengesellschaft Ausgangspunkt der steuersystematischen Einordnung ist auch in diesem Fall das zivilrechtlich gestaltete wirtschaftliche Ergebnis der Umstrukturierung. Wählt ein Rechtsträger, wie hier die AG, den Formwechsel gemäß §§ 190 ff. UmwG als Gestaltungsinstrument, gilt in Abgrenzung zu den übrigen Umwandlungsmöglichkeiten das Prinzip der wirtschaftlichen und rechtlichen Identität.104 Die AG als einzig beteiligte Rechtsträgerin ändert ausschließlich ihre rechtliche Organisation. Selbst beim sogenannten heterogenen105 Formwechsel, also dem Formwechsel zwischen Kapital- und Personengesellschaften, bleibt die Zuordnung des Vermögens durch den bloßen Wechsel des „Rechtskleides“ unverändert.106 So kommt es im Beispiel 2 zivilrechtlich nicht zu einer Übertragung der Grundstücke der AG; diese bleiben vielmehr ohne Veränderung dem jetzt als KG 102 Nach jüngerer Rechtsprechung des BGH muss die zukünftige KomplementärGmbH nicht mehr zwingend schon vor dem Formwechsel an der umgewandelten Kapitalgesellschaft beteiligt sein, BGH vom 9.5.2005, II ZR 29/03, DStR 2005, 1539 (1541). Zu vor dieser Entscheidung häufig gewählten Gestaltungen siehe Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 9 UmwStG, Rn. 81. 103 Hierzu und zu weiteren Motiven für einen Formwechsel siehe Decher, in: Lutter/ Winter, UmwG, 2009, Vor § 190, Rn. 18 ff., 20; Happ/Göthel, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 226, Rn. 5. Ziel eines Formwechsels in eine Personengesellschaft im Rahmen eines Unternehmenskaufs war teilweise, die Finanzierungskosten steuerrechtlich durch einen sog. „Step-up“ nutzen zu können. Der „Step-up“ zur Generierung von Abschreibungspotential ist allerdings nicht mehr möglich. Dazu Moszka, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2012, Einleitung B, Rn. 14. 104 Kapitel 2 C. I. 1. b) bb). Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, Einführung UmwStG, Rn. 12, 13; Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl., Rn. 39. 105 Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 7; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, NWB 2009, 3516 (3517). Teilweise wird auch von einem „kreuzenden“ Formwechsel gesprochen, siehe etwa Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 9 UmwStG, Rn. 2. 106 Der Formwechsel zwischen Kapital- und Personengesellschaften war vor dem heute geltenden UmwG nur in Form einer sogenannten übertragenden Umwandlung möglich, siehe etwa Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 190, Rn. 9.
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft
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organisierten Rechtsträger zugeordnet. Der Formwechsel bewirkt folglich keinen Vermögensübergang107, was angesichts der Beteiligung nur eines einzigen Rechtsträgers an der Umstrukturierungsmaßnahme unmittelbar einsichtig ist. Diese zivilrechtlichen Grundsätze erkennen auch der BFH und die Finanzverwaltung an.108 Auf den ersten Blick weckt dieses wirtschaftliche Ergebnis angesichts des im Vergleich zur Verschmelzung gerade fehlenden zivilrechtlichen Vermögensübergangs Zweifel an einer ertragsteuerlichen Gewinnrealisierung, die jedenfalls das Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus einem Betriebsvermögen voraussetzt.109 Bei genauerer Betrachtung entsprechen sich aber die ertragsteuerlichen Auswirkungen von Formwechsel und Verschmelzung. Ausgangspunkt dieser Beobachtung ist der Umstand, dass das handelsrechtliche Konzept der Identität beim Formwechsel der Systematik des Unternehmenssteuerrechts widerspricht.110 Auch beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft fällt, wie bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, die selbständige Besteuerungsebene der Körperschaft weg. Ohne die AG als eigenständiges Steuersubjekt sind im Beispiel 2 Gewinne aus der Veräußerung der betrieblich verstrickten Grundstücke den Mitunternehmern der GmbH & Co. KG nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG unmittelbar zuzurechnen. Der Wegfall einer Besteuerungsebene führt folglich zu einem Wechsel des Zurechnungssubjekts des Gesellschaftsvermögens und damit verbunden zu einem Wechsel des Steuersubjekts, bei dem etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern sind.111 Der Wechsel des einschlägigen Besteuerungsregimes spricht dafür, in ertragsteuerlicher Hinsicht den Formwechsel als Vermögensübergang zu werten112, sodass die stillen Reserven im Rahmen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe113 aufzudecken wären. Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass ein Formwechsel
107 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 9 UmwStG, Rn. 2; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 632; Breuninger, in: FS für Widmann, 2000, S. 203 (208). 108 Für einen grunderwerbsteuerlichen Sachverhalt BFH vom 4.12.1996, II B 116/96, BStBl. II 1997, 661. Siehe auch Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass vom 19.12.1997, S 4520/2, BB 1998, 146. 109 Siehe Kapitel 2 D. I. 2. 110 BFH vom 11.12.2001, VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 (477). 111 Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 7; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 633; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (560). 112 BVerfG vom 6.11.2008, 1 BvR 2360/07, NZG 2009, 237 (238); BFH vom 11.12. 2001, VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 (477); Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 9, Rn. 2; Courage, DB 1995, 1102 (1103). 113 Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072 (1074). A. A. Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (560), die § 12 Abs. 1 KStG für einschlägig halten. Dagegen spricht aber, dass für einen Ersatzrealisationstatbestand systematisch neben einem Rechtsträgerwechsel kein Raum ist, siehe dazu unten Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (3).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
auch ohne eine zivilrechtliche Vermögensübertragung die gleichen ertragsteuerlichen Folgen auslöst wie eine Verschmelzung.
II. Steuerliche Auswirkungen bei der formwechselnden Kapitalgesellschaft, §§ 9, 3 UmwStG Das Umwandlungssteuerrecht vollzieht den Wechsel des Steuersubjekts beim Formwechsel in Abkehr vom handelsrechtlichen Identitätsprinzip durch § 9 UmwStG zunächst nach, indem die entsprechende Anwendung der §§ 3 ff. UmwStG angeordnet wird. Entgegen der überwiegenden Ansicht114 handelt es sich bei diesem Verweis aber nicht um eine Fiktion. Ein Übergang des Betriebsvermögens auf ein anderes Steuersubjekt liegt tatsächlich vor, sodass eine Fiktion nicht notwendig ist.115 Die formwechselnde AG muss daher nach § 9 S. 2 UmwStG rein aus steuerrechtlichen Gründen eine Übertragungsbilanz aufstellen. Für die Wertansätze in dieser Bilanz gilt § 3 UmwStG entsprechend.116 Im Grundsatz muss auch bei einem Formwechsel nach §§ 9, 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG die Kapitalgesellschaft alle Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert bewerten. Es kommt infolgedessen zwingend zur Aufdeckung der stillen Reserven. Soweit die Wirtschaftsgüter auch in der Personengesellschaft neuer Rechtsform Betriebsvermögen bleiben, die ertragsteuerliche Erfassung eines Gewinns aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter sichergestellt ist sowie das Recht der Bundesrepublik diesen Gewinn zu besteuern nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und eine Gegenleistung allenfalls in Form von Gesellschaftsrechten gewährt wird, dürfen nach §§ 9, 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG freilich der Buchwert oder Zwischenwerte gewählt werden.117 Die vorstehenden Ausführungen118 zu den Tatbestandsmerkmalen des § 3 Abs. 2 UmwStG gelten demnach vollumfänglich auch für den Formwechsel. In Beispiel 2 müssen die Grundstücke also nicht mit dem gemeinen Wert von 100 angesetzt werden. Denn auch in der GmbH & Co. KG bleiben die Grundstücke durch die gewerbliche Prägung der Gesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Betriebsvermögen. Da außerdem kein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist, bleibt auch das Recht der Bundesrepublik unberührt, einen etwaigen Veräußerungsgewinn zu besteuern. Schließlich erhalten die Aktionäre keine schädliche 114 BFH vom 3.2.2010, IV R 61/07, BStBl. II 2010, 942 (945); BFH vom 11.12. 2001, VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474 (477); Breuninger, in: FS für Widmann, 2000, S. 203 (211 f.); Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 634. 115 Courage, DB 1995, 1102 (1104). 116 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 9, Rn. 24; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 9, Rn. 9. 117 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 9 UmwStG, Rn. 20; Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 44. 118 Siehe Kapitel 3 B. II. 2.
C. Formwechsel in eine Personengesellschaft
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Gegenleistung, ihre Aktien werden durch Kommanditanteile ersetzt. Demnach darf die AG gemäß §§ 9 S. 1, 3 Abs. 2 UmwStG in ihrer Übertragungsbilanz die Buchwerte in Höhe von 50 ansetzen. Ein Übertragungsgewinn entsteht insoweit nicht. Der Buchwertansatz gewährleistet also auch beim rein inländischen Formwechsel eine steuerneutrale Umstrukturierung.
III. Steuerliche Auswirkungen bei der Personengesellschaft und den Anteilseignern, §§ 9, 4 ff. UmwStG Für die steuerlichen Folgen auf Ebene der übernehmenden119 Personengesellschaft und der Gesellschafter verweist § 9 S. 1 UmwStG außerdem auf die §§ 4 ff. UmwStG. Es ergeben sich daher beim Formwechsel im Vergleich zu einer Verschmelzung auch insofern keine Unterschiede. Die offenen Rücklagen der Kapitalgesellschaft gelten nach §§ 9 S. 1, 7 S. 1 UmwStG als an die Anteilseigner ausgeschüttet und werden dort als Kapitaleinkünfte versteuert.120 Daraus resultiert regelmäßig eine liquiditätsmäßige Belastung. Die Personengesellschaft muss außerdem nach § 9 S. 2 UmwStG eine Eröffnungsbilanz aufstellen. Für die Ermittlung des Übernahmegewinns beim Formwechsel gelten aufgrund des Verweises in § 9 S. 1 UmwStG auf § 4 Abs. 4 und Abs. 5 UmwStG die oben dargestellten121 Grundsätze. Außerdem verweist § 9 S. 2 UmwStG ebenfalls auf § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG, sodass die Personengesellschaft in ihrer Eröffnungsbilanz die Werte der Wirtschaftsgüter aus der Übertragungsbilanz der Kapitalgesellschaft fortführen122, im Beispiel also den Wert von 50 ansetzen muss. Diese Buchwertfortführung stellt zwar die Erfassung der stillen Reserven bei der übernehmenden Personengesellschaft sicher. Dennoch fällt auch beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft wie bei der vorher untersuchten Verschmelzung die getrennt zu betrachtende Besteuerungsebene der Körperschaft weg. Konsequenterweise springen daher auch beim Formwechsel die stillen Reserven in Höhe von 50 nach den oben dargestellten Grundsätzen123 anteilig auf die Mitunternehmer als nunmehr neue Steuersubjekte über, sodass auch hier eine Ausnahme vom Subjektsteuerprinzip vorliegt. 119 Da bei Formwechsel zivilrechtlich keine Vermögensübertragung stattfindet, ist dieses Attribut nur wegen des Wechsels des Steuersubjekts berechtigt. Aber auch die Literatur, die von einer bloßen Fiktion ausgeht, bezeichnet die Personengesellschaft regelmäßig als „übernehmend“, siehe Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 55; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 9, Rn. 23; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 9, Rn. 18. 120 Siehe oben Kapitel 3 B. III. 1. a). Für Körperschaften gilt § 8b Abs. 1 KStG. 121 Kapitel 3 B. III. 1. 122 Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 56; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 9, Rn. 21; Schultes-Schnitzlein/Kaiser, NWB 2009, 3516 (3523). 123 Siehe Kapitel 3 B. III. 2.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
D. Homogene Formwechsel von Personenoder Kapitalgesellschaften § 9 UmwStG erfasst ausweislich seines Wortlautes allerdings nicht den Wechsel von einer Personengesellschaftsform in eine andere Personengesellschaftsform. Auch § 24 UmwStG enthält für diesen Fall keine Regelung.124 Wechsel zwischen unterschiedlichen Personengesellschaftsformen sind aber nicht nur theoretischer Natur. Möchten beispielsweise zwei Gesellschafter einer gewerblich tätigen OHG ihre persönliche Haftung begrenzen, ohne dass die Rechtsform einer Personengesellschaft aufgegeben werden soll, etwa weil die Gesellschafter Wert auf eine möglichst hohe Flexibilität bei der Handhabung ihrer Unternehmung legen, bietet sich ein Wechsel in die Rechtsform der KG an. Ein solcher Formwechsel vollzieht sich zivilrechtlich nicht nach den §§ 190 ff. UmwG. § 214 Abs. 1 UmwG beschränkt den Anwendungsbereich des UmwG auf Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder eine eingetragene Genossenschaft. Aus dieser umwandlungsrechtlichen Beschränkung folgt aber keineswegs, dass eine Personenhandelsgesellschaft nicht nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln in eine andere personengesellschaftliche Rechtsform überführt werden kann.125 Im vorliegenden Beispiel vollzieht sich der Wechsel von der OHG zur KG, indem lediglich der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert wird, dass nur noch mindestens ein Gesellschafter unbeschränkt haften soll und die Haftungsbeschränkung der übrigen Gesellschafter ins Handelsregister eingetragen wird.126 Angesichts dieser praktischen Relevanz ist fraglich, ob solche homogenen127 Formwechsel, also Formwechsel zwischen Personengesellschaften unterschiedlicher Rechtsform, ebenfalls steuerneutral durchgeführt werden können. Die steuerrechtliche Literatur setzt sich mit dieser Fallgruppe einer Unternehmensumstrukturierung nur vergleichsweise knapp auseinander. Ohne spezialgesetzliche Regelungen im UmwStG richtet sich die ertragsteuerliche Beurteilung des hier geschilderten Wechsels der OHG in eine KG nach den allgemeinen Gewinnrealisationsgrundsätzen. Wiederum dient dabei das wirtschaftliche Ergebnis der Umstrukturierung als Ausgangspunkt der Betrachtung. Auch hier berührt die schlichte zivilrechtliche Änderung des Gesellschaftsvertrags, bildlich gesprochen also der Wechsel des Rechtskleids, in keiner Weise die subjektive Zuordnung des Gesellschaftsvermögens. Das Vermögen bleibt immer demselben Rechtsträger 124
Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 57. Schwanna/Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 214, Rn. 2; Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 214 UmwG, Rn. 10, 12. 126 BayObLG vom 7.5.2002, 3 Z BR 55/02, NJW-RR 2002, 1363 (1364); Grunewald, in: MüKo-HGB, 2007, § 161, Rn. 16; Happ/Möhrle, in: Gummert/Weipert, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Band II, 2009, § 2, Rn. 14. 127 Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 7. 125
D. Homogene Formwechsel von Personen- oder Kapitalgesellschaften
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zugeordnet. Schon die bloße Beteiligung nur eines Rechtsträgers und demzufolge der fehlende Vermögensübergang von einem Betriebsvermögen in ein anderes sprechen somit gegen eine steuerliche Gewinnrealisierung. Im speziellen Fall des homogenen Formwechsels kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Auch aus rein steuerrechtlicher Sicht verwirklicht der Wechsel zwischen unterschiedlichen Personengesellschaftsformen im Regelfall keinen Ersatzrealisationstatbestand. 128 Mitunternehmerschaften werden nämlich einkommensteuerrechtlich im Wesentlichen gleich behandelt, unabhängig davon in welcher zivilrechtlichen Rechtsform die Mitunternehmerschaft organisiert ist. Demnach führt der Wechsel der Rechtsform einer durchgehend bestehenden Mitunternehmerschaft nicht zu einem Wechsel des einschlägigen Besteuerungsregimes, sodass auch aus rein steuerrechtlicher Sicht keine Änderung des Steuersubjekts vorliegt. Subjekt der Einkommensteuer sind vor und nach dem Vorgang jeweils die Mitunternehmer. Daher erfüllt der homogene Formwechsel keinen Realisationstatbestand durch Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung.129 Im Ergebnis besteht Einigkeit, dass diese Umstrukturierungen nicht zu ertragsteuerrechtlichen Konsequenzen führen130 und folglich ohne die Gefahr der Aufdeckung stiller Reserven durchgeführt werden können. Schon systematisch bedarf es für homogene Formwechsel keiner Modifikationen im Umwandlungssteuerrecht, die eine Ausnahme von der Gewinnrealisation nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermöglichen. Genau wie der Wechsel zwischen unterschiedlichen Personengesellschaftsformen bereitet auch der homogene Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften nach den §§ 190, 191, 226, 238 UmwG keine ertragsteuerlichen Schwierigkeiten. Das UmwStG enthält keine Regeln für solche Umstrukturierungen.131 Da sich das einschlägige Besteuerungsregime nicht ändert, erkennt auch das Steuerrecht die Identität des Rechtsträgers an.132 Der Formwechsel erfolgt auf der Ebene der formwechselnden Gesellschaft steuerneutral.133 128 BFH vom 28.11.1989, VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561 (563); BFH vom 20.9. 2007, IV R 10/07, NZG 2008, 119 (120); Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 20. 129 BFH vom 28.11.1989, VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561 (563); BFH vom 20.9. 2007, IV R 10/07, NZG 2008, 119 (120); Wacker, in: Schmidt, EStG, 2010, § 16, Rn. 422. 130 Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Anh. 1 nach § 304, Rn. 41 ff.; Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 7; Moszka, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 641; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 27. 131 Abele, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 28, Rn. 5; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 639. 132 BT-Drs. 12/6885, S. 22; BFH vom 19.8.1958, I R 78/58 U, NJW 1959, 214 (216); BFH vom 8.10.2008, I R 3/06, DStRE 2009, 263 (265); Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 9, Rn. 1. 133 Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2007, Anh. UmwStG, Rn. 639.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft, §§ 11 ff. UmwStG Als weiteren Umstrukturierungsvorgang erfasst der Umwandlungsteil des UmwStG in den §§ 11 bis 13 UmwStG die Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft. Es handelt sich dabei etwa um Vorgänge wie das folgende Beispiel 3134. Die natürlichen Personen C und D sind je zur Hälfte Gesellschafter der AGmbH. Die A-GmbH hält alle Anteile an der B-GmbH. Alle Beteiligten sind im Inland ansässig. Um Management- und Verwaltungskosten zu sparen, sollen beide Gesellschaften verschmolzen werden.135 Die B-GmbH verfügt allerdings über hohe Verlustvorträge und ist außerdem Eigentümerin mehrerer Grundstücke. Damit die Verlustvorträge nicht ungenutzt verloren gehen136 und um keine Grunderwerbsteuer auszulösen137, soll die A-GmbH als Muttergesellschaft „downstream“ auf ihre Tochtergesellschaft, die B-GmbH, verhältniswahrend verschmolzen werden. C und D erhalten für den Vermögensübergang die Anteile, die ursprünglich die übertragende Muttergesellschaft an der übernehmenden B-GmbH gehalten hatte.
I. Steuersystematische Einordnung der Verschmelzung von Körperschaften Wirtschaftlich führt auch die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften nach den §§ 2 ff., 46 ff. UmwG zum Übergang der betreffenden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des übertragenden in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers. Die Anteilseigner des liquidationslos erlöschenden übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung für den Vermögensübergang Anteile an der übernehmenden Körperschaft.138 Demnach erfüllt auch die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften aufgrund der veränderten subjektiven Zuordnung des Betriebsvermögens gegen Gewährung einer Gegenleis-
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Beispiel in Anlehnung an BFH vom 28.10.2009, I R 4/09, DStRE 2010, 477 ff. Zu diesem Motiv für konzerninterne Verschmelzungen Sagasser, in: Sagasser/ Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 8, Rn. 1, 4; Haritz, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, Einführung B, Rn. 2. 136 Bärwaldt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 11, Rn. 29; Dreissig, DB 1997, 1301. 137 Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 8, Rn. 5; Dreissig, DB 1997, 1301. Für Konzernumstrukturierungen gewährt mittlerweile § 6a GrEStG eine Steuervergünstigung. 138 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 2, Rn. 3. Siehe Kapitel 2 C. I. 1. a) sowie Kapitel 3 B. I. 135
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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tung die Voraussetzungen für eine ertragsteuerliche Gewinnrealisierung. Bereits dieser Vergleich legt nahe, dass bei der steuersystematischen Einordnung der Verschmelzung zweier Körperschaften angesichts identischer wirtschaftlicher Ergebnisse keine wesentlichen Unterschiede zur ertragsteuerlichen Behandlung der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft auftreten.139 Ein Blick in die Literatur und die einschlägige Rechtsprechung bestätigt diese Vermutung. Welche Gewinnrealisationstatbestände in Bezug auf das übergehende Vermögen der Verschmelzung zweier Körperschaften in ertragsteuerlicher Hinsicht genau zugrunde liegen, ist zwar auch für diese Fallgruppe umstritten. Die beiden wesentlichen Begründungsansätze für die Aufdeckung stiller Reserven, die schon für die Verschmelzung auf eine Personengesellschaft aufgezeigt wurden, lassen sich aber auch bei der Verschmelzung auf eine andere Körperschaft nachvollziehen. Eine Ansicht hält die Verschmelzung zweier Körperschaften also für einen liquidationsähnlichen Vorgang140, obwohl mangels Abwicklung der Körperschaft § 11 KStG keine direkte Anwendung findet. Nach der Gegenansicht beruht die Gewinnrealisierung nicht auf den Grundsätzen der Liquidation sondern vielmehr auf der Veräußerungsähnlichkeit des Umstrukturierungsvorgangs.141 Die Tauschähnlichkeit folge aus dem Umstand, dass sämtliche Wirtschaftsgüter auf die Übernehmerin übergehen und die Übernehmerin hierfür Gesellschaftsrechte gewährt.142 Auch die Rechtsprechung sieht in der Verschmelzung zweier Körperschaften einen veräußerungsähnlichen Vorgang.143
II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger, § 11 UmwStG Diese steuersystematische Einordnung impliziert aber eine Aufdeckung stiller Reserven. § 11 UmwStG modifiziert daher die Rechtsfolgen der allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen, indem für die Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter ein Bewertungswahlrecht bereitgestellt wird, das konzeptionell mit § 3 UmwStG nahezu identisch ist.
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Siehe zu den ertragsteuerlichen Folgen in diesem Fall oben Kapitel 3 B. I. Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 6. 141 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 27, 128; Hahn, DStZ 1998, 561 (565); vgl. auch Schmitt, DStZ 2004, 825 (828). 142 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 6 und Einführung, Rn. 125; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 67; Junge, Umwandlungssteuerrecht, 2010, Rn. 219. 143 BFH vom 22.4.1998, I R 83/96, DStR 1998, 1420; BFH vom 15.10.1997, I R 22/ 96, BStBl. II 1998, 168. 140
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert Anders als § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG a. F.144, der noch eine Bewertung aller übergehenden Wirtschaftsgüter zum Buchwert vorsah, ordnet § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG in der Fassung des SEStEG genau wie der zweite Teil des UmwStG an, dass sich die Verschmelzung im Grundsatz zum gemeinen Wert vollzieht. Durch die generelle Bewertung aller übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert, der die bisherigen Buchwerte in der Bilanz des übertragenden Rechtsträgers regelmäßig übersteigt, kommt es zur Aufdeckung der stillen Reserven im übergehenden Vermögen. In Übereinstimmung mit den allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen geht der Gesetzgeber durch den Ansatz des gemeinen Wertes auf der ersten Stufe also auch bei der Verschmelzung zweier Körperschaften zunächst von einer Gewinnrealisation aus.145 Nach § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG entsteht ein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn. Bei einem Downstream-Merger wie in Beispiel 3 ist allerdings fraglich, ob auch die Anteile der Muttergesellschaft an ihrer Tochtergesellschaft in die steuerliche Schlussbilanz grundsätzlich mit dem gemeinen Wert aufzunehmen sind, wenn die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers diese Anteile im Gegenzug für den Vermögensübergang erhalten. Die überwiegende Ansicht in der Literatur lehnt eine generelle Bewertung dieser Anteile mit dem gemeinen Wert ab.146 Dafür spricht vor allem, dass § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG einen Direkterwerb der Anteile anordnet.147 Mit Eintragung der Verschmelzung werden die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ipso iure Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers. Erhöht der übernehmende Rechtsträger sein Kapital nicht, entspricht nur ein unmittelbarer Übergang der bereits vorhandenen Anteile auf die Gesellschafter den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG.148 Von einem Direkterwerb gehen auch die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung im neuen Umwandlungssteuererlass aus.149 Erwerben die Gesell144 UmwStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 28.10.1994, BGBl. I 1994, S. 3267. 145 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 11, Rn. 4. 146 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 11, Rn. 199; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 11, Rn. 69; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 69; Schaden/Rophol, BB-Special 1/2011, 11 (13). 147 Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 5 UmwG, Rn. 38; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 20, Rn. 74; Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 312. Einen Durchgangserwerb nimmt demgegenüber Dreissig, DB 1997, 1301 (1302 f.) an. 148 Vgl. Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 11, Rn. 195. 149 BFH vom 28.10.2009, I R 4/09, DStRE 2010, 477 (478); BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.18. Schaden/Rophol, BBSpecial 1/2011, 11 (12).
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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schafter die Anteile aber direkt, dann gehen diese Anteile nie auf den übernehmenden Rechtsträger über und werden folglich auch nicht von § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfasst. Trotzdem sollen nach dem Entwurf des neuen Umwandlungssteuererlasses die direkt erworbenen Anteile in der steuerlichen Schlussbilanz generell mit ihrem gemeinen Wert bewertet werden, um auf Gesellschafterebene die weiteren Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG für eine Bewertung mit dem Buchwert zu prüfen.150 Gegen diese Ansicht spricht aber schon die strenge Zivilrechtsakzessorietät des zweiten Teils des UmwStG. Das Umwandlungssteuerrecht muss damit auch den zivilrechtlichen Direkterwerb nachvollziehen. Außerdem ist die Sichtweise der Finanzverwaltung inkonsequent, da sie zwar von einem Direkterwerb durch die Gesellschafter ausgeht, in die steuerliche Schlussbilanz nach § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG aber nur die auf den übernehmenden Rechtsträger übertragenen Wirtschaftsgüter aufzunehmen sind.151 Argumentativ stützt sich die Finanzverwaltung bei der Bewertung der Anteile in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem gemeinen Wert auf § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG. Nach dieser Norm sind Anteile an der übernehmenden Körperschaft mindestens mit dem Buchwert anzusetzen und um gegebenenfalls vorgenommene Abschreibungen und Abzüge nach § 6b EStG oder ähnliche Abzüge bis maximal auf den gemeinen Wert zu erhöhen. Ein genereller Ansatz der Anteile zum gemeinen Wert sowie die Anwendung des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UmwStG lassen sich daraus aber nicht ableiten. Die Finanzverwaltung missachtet vielmehr den insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut.152 Die besonderen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 UmwStG gelten nur für „übergehende Wirtschaftsgüter“. Diese Einschränkung fehlt in § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG.153 § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG regelt daher ausschließlich den Beteiligungskorrekturgewinn und soll nicht gleichzeitig die Besteuerung stiller Reserven in den Anteilen an der Übernehmerin sicherstellen.154 Im Beispiel 3 gehören die Anteile der A-GmbH an der BGmbH nicht zum übergehenden Vermögen im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG und müssen entgegen der Finanzverwaltung in der Schlussbilanz nicht zwingend mit ihrem gemeinen Wert bewertet werden.
150 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.19: „Die Anteile an der Tochtergesellschaft können nach § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft nur dann mit einem Wert unterhalb des gemeinen Werts angesetzt werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 und Nummer 3 UmwStG vorliegen (. . .).“ 151 Schaden/Rophol, BB-Special 1/2011, 11 (13). 152 Schaden/Rophol, BB-Special 1/2011, 11 (13). 153 Bärwaldt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 11, Rn. 66; Rödder, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 171. 154 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 69.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
2. Ausnahme: Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG Im rein inländischen Kontext ist die Verschmelzung zweier Körperschaften trotz der Qualifikation der Verschmelzung als gewinnrealisierender Vorgang regelmäßig steuerneutral möglich.155 Auf der zweiten Stufe ermöglicht § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG nämlich die Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buch- oder einem Zwischenwert. § 11 UmwStG entspricht in seiner Konzeption somit den bereits betrachteten Regelungen in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG. Auch die einzelnen Tatbestandsmerkmale für den Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG weisen nur marginale Abweichungen zu den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG auf. Die oben stehenden Ausführungen156 gelten daher weitgehend auch für § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG, sodass sich die folgenden Ausführungen auf Abweichungen und Besonderheiten konzentrieren können. a) Sicherstellung körperschaftsteuerlicher Erfassung Für die Wahl der Buchwerte muss nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG erstens sichergestellt sein, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später beim übernehmenden Rechtsträger der Körperschaftsteuer unterliegen. Der Wortlaut dieser Formulierung unterscheidet sich in zwei Details von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG. Beide Abweichungen lassen sich leicht erklären. Zum einen stellt § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG für die Sicherstellung der späteren ertragsteuerlichen Erfassung nur auf die Körperschaft- und nicht auch auf die Einkommensteuer ab. Als übernehmende Rechtsträger kommen im Anwendungsbereich von § 11 UmwStG ausschließlich Körperschaftsteuersubjekte in Betracht. Aufgrund des dualistischen Unternehmenssteuerrechts würde die in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG enthaltene Voraussetzung der einkommensteuerrechtlichen Erfassung bei der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften keinen Sinn ergeben.157 Allerdings erfasst die Körperschaftsteuer entgegen dem Wortlaut von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG nicht die Wirtschaftsgüter selbst, sondern nur Erträge aus der Nutzung oder Veräußerung der Wirtschaftsgüter.158 Die Erfassung dieser Erträge ist ihrerseits aber nur sichergestellt, wenn es sich beim übernehmenden Rechtsträger um einen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen 155 Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 281; Ley/Bodden, FR 2007, 265 (267). 156 Siehe Kapitel 3 B. II. 2. 157 Auf die gewerbesteuerliche Erfassung der stillen Reserven kommt es wie bei § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG gerade nicht an, Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 85. 158 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 104; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 84.
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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Rechtsträger handelt159 und keine persönliche Steuerbefreiung der übernehmenden Körperschaft nach § 5 KStG eingreift160. Unerheblich ist dabei, ob die spätere Aufdeckung der stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft zu einer Steuerzahllast führt, die etwa wegen bestehender Verlustvorträge nicht eintreten könnte.161 Im Beispiel 3 erfüllt die übernehmende B-GmbH diese Voraussetzungen ohne weiteres, da sie als inlandsansässige GmbH körperschaftsteuerpflichtig ist. Außerdem fehlt die aus dem ersten Halbsatz des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG bekannte Voraussetzung, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter auch beim übernehmenden Rechtsträger Betriebsvermögen werden müssen. Nach § 8 Abs. 2 KStG gelten nämlich ausnahmslos alle Einkünfte einer Kapitalgesellschaft als gewerbliche Einkünfte. Daher hat eine Körperschaft keine außerbetriebliche Sphäre, sodass ihr zugeordnetes Vermögen stets Betriebsvermögen ist.162 Die Gefahr, dass die Wirtschaftsgüter ohne Besteuerung der stillen Reserven durch die Verschmelzung in die Privatsphäre verlagert werden und der steuerlichen Erfassung entgehen, besteht folglich nicht. Ein besonderes Tatbestandsmerkmal wie in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 UmwStG ist folglich systematisch überflüssig. b) Kein Ausschluss oder keine Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts Zweitens stellt die Entstrickungsklausel des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG nahezu wortgleich mit § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG die Voraussetzung auf, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an einem Gewinn aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden darf. Einzig hinsichtlich des Steuersubjekts, bei dem die Besteuerung sichergestellt sein muss, unterscheiden sich die Formulierungen. Aus den unterschiedlichen Besteuerungsregimen für Personen- und Kapitalgesellschaften folgt insoweit, dass es für die Sicherstellung der Besteuerung nur auf die übernehmende Körperschaft als eigenständigem Steuersubjekt ankommen kann. Bei ausschließlich innerstaatlichen Beteiligten verändert die Verschmelzung die maßgeblichen Anknüpfungspunkte 159 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.07. 160 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 11, Rn. 29; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 89. 161 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 17; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 12, Rn. 36; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungssteuerrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 39. 162 BFH vom 4.12.1996, I R 54/95, DStR 1997, 492 (493); BFH vom 17.11.2004, I R 56/03, DStR 2005, 594; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 391; Weber-Grellet, DStR 1994, 12 (15 f.) mit Hinweisen zur Gegenansicht.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
des Steuertatbestands allerdings nicht163. Die Verschmelzung im Beispiel 3 führt daher nicht zur Beschränkung oder gar zu einem Ausschluss deutschen Besteuerungsrechts an den stillen Reserven. Soweit nämlich nur inländisches Vermögen auf einen anderen inländischen Rechtsträger übergeht, scheiden die Wirtschaftsgüter nicht aus dem Anwendungsbereich des deutschen Steuerrechts aus. Würde die übernehmende B-GmbH in Beispiel 3 also die übertragenen Wirtschaftsgüter unter Realisation der stillen Reserven veräußern, so würden die Veräußerungsgewinne als gewerbliche Einkünfte bei der unbeschränkt steuerpflichtigen B-GmbH nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 KStG der Körperschaftsteuer unterliegen. Die Bundesrepublik verliert bei einer Verschmelzung von ausschließlich inlandsansässigen Körperschaften ihr Besteuerungsrecht nicht. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG steht dem Buchwertansatz im nationalen Kontext nicht entgegen. c) Keine Gegenleistung oder ausschließliche Gewährung von Gesellschaftsrechten Der Buchwertansatz scheidet drittens aus, wenn der übernehmende Rechtsträger eine Gegenleistung gewährt, die nicht in Gesellschaftsrechten besteht, § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG. Eine schädliche Gegenleistung in Form barer Zuzahlungen führt zur teilweisen Aufdeckung der stillen Reserven. Für die Frage, wann eine solche schädliche Gegenleistung vorliegt, gelten angesichts der identischen Formulierung des Tatbestandsmerkmals die oben164 zu § 3 UmwStG dargestellten Grundsätze entsprechend. Unschädlich für den Buchwertansatz ist außerdem, wenn die übernehmende Körperschaft Gesellschaftsrechte als Gegenleistung gewährt, die aus einer Sachkapitalerhöhung des übernehmenden Rechtsträgers hervorgehen. Beispiele hierfür sind Verschmelzungen unverbundener Unternehmen und Downstream-Merger verbundener Unternehmen165, wenn der übernehmende Rechtsträger von der fakultativen Kapitalerhöhung des § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG Gebrauch macht. Eine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten liegt bei einem Downstream-Merger aber auch dann vor, wenn wie in Beispiel 3 die Gesellschafter im Wege des Direkterwerbs nur diejenigen Anteile erhalten, die die liquidationslos erlöschende Muttergesellschaft ursprünglich am übernehmenden Rechtsträger gehalten hat.166 Anders als im Zusammenhang mit den §§ 20 ff. UmwStG ist uner163
Kapitel 3 B. II. 2. c). Kapitel 3 B. II. 2. d). Zu möglichen Zuzahlungen siehe Dötsch, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 49 ff. 165 FG Münster vom 20.5.2005, 9 K 3656/03, EFG 2005, 1561 ff. 166 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 108; Bärwaldt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 11, Rn. 57. A. A. Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 122; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 139; Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11, Rn. 33. 164
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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heblich, dass die als Gegenleistung gewährten Anteile bereits existieren und nicht durch eine Kapitalerhöhung neu entstanden sind.167 An einer Gegenleistung fehlt es demgegenüber regelmäßig bei den übrigen168 Verschmelzungen von Konzernunternehmen. Das gilt insbesondere für UpstreamVerschmelzungen, wenn der übernehmende Rechtsträger alle Anteile am übertragenden Rechtsträger hält.169 Unter einer Gegenleistung versteht man nämlich auch für § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG eine Aufwendung des übernehmenden Rechtsträgers zur Erlangung der Wirtschaftsgüter des übertragenden Rechtsträgers, die bei den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers zu einer Vermögensmehrung führt.170 Durch den bloßen Wegfall der Anteile beim übernehmenden Rechtsträger, der als Gegenleistung gesehen werden könnte171, kommt es nicht zur korrespondierenden Vermögensmehrung bei den Anteilseignern, sodass es steuerrechtlich an einer Gegenleistung fehlt.172 Dieses Ergebnis entspricht § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG, der zivilrechtlich eine Kapitalerhöhung für den Fall verbietet, dass der übernehmende Rechtsträger Anteile am übertragenden Rechtsträger innehat. Eine Gegenleistung fehlt außerdem bei der SidestepVerschmelzung, wenn nach § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG alle Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auf eine Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Gesellschaft verzichten.173
III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern Die steuerlichen Auswirkungen für den übernehmenden Rechtsträger und die Anteilseigner ergeben sich aus den §§ 12, 13 UmwStG, die in ihrer Konzeption einige Gemeinsamkeiten zu den §§ 4 ff. UmwStG aufweisen. Als Kernpunkt wird sich erneut die Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter herauskristallisieren.
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Bärwaldt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 11, Rn. 57. Zu allen drei Richtungen konzerninterner Umstrukturierungen siehe Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 265. 169 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11, Rn. 32; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 121; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 139. 170 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 121; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 144. 171 FG Baden-Württemberg vom 25.6.1998, 14 K 290/96, EFG 1998, 1529 (1532). 172 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 121. 173 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 139; Krumm, GmbHR 2010, 24 (29). Zum Sidestep-Merger aus zivilrechtlicher Sicht Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012 § 5, Rn. 137 f. 168
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
1. Gewinnauswirkungen Ähnlich wie bei den steuerlichen Auswirkungen auf den übernehmenden Rechtsträger nach den §§ 4 ff. UmwStG bedeutet Steuerneutralität auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers noch nicht zwingend, dass auch beim übernehmenden Rechtsträger oder den Anteilseignern keine Steuern anfallen. Vor allem das liquiditätswirksame Übernahmeergebnis hängt nämlich nur bedingt von der konkreten Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz des Übertragenden ab. a) Übernahmeergebnis nach § 12 Abs. 2 UmwStG Im gesetzlich angenommenen Regelfall einer Upstream-Verschmelzung174 entsteht regelmäßig ein Übernahmeergebnis gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG.175 Das Übernahmeergebnis errechnet sich aus dem Saldo des Wertes der übergehenden Wirtschaftsgüter nach § 11 UmwStG und dem Buchwert der untergehenden Anteile176 abzüglich der Umwandlungskosten. Eine dem § 7 UmwStG vergleichbare Regelung fehlt bei der Verschmelzung zweier Körperschaften, da es nicht zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes kommt und daher die offenen Reserven nicht der Besteuerung entgehen können. Die Berechnungsformel des § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG offenbart jedoch auch, dass die Frage, ob überhaupt ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust entsteht, ebenso wenig wie bei § 4 UmwStG davon abhängt, mit welchem Wert die Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz anzusetzen sind. Lediglich auf die Höhe des Übernahmeergebnisses wirkt sich die Bewertung mit dem gemeinen Wert oder dem Zwischen- bzw. Buchwert aus. Diese These bestätigt folgende Überlegung: Soweit die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter (beispielsweise in Höhe von 50) betragsmäßig die Buchwerte der untergehenden Anteile (z. B. in Höhe von 10) übersteigen, entsteht ein Übernahmegewinn (hier in Höhe von 40177), der beim Ansatz des gemeinen Werts (z. B. 100) nur höher ausfällt. Umgekehrt entsteht ein Übernahmeverlust, wenn die Buchwerte des übergehenden Vermögens geringer als die Buchwerte der untergehenden Anteile sind. Nur in dem eher unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Buchwerte des übergehenden Vermögens und der untergehenden Anteile
174 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 9. 175 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 12, Rn. 62; Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 24. 176 § 12 Abs. 1 S. 2 UmwStG verweist aber auf § 4 Abs. 1 S. 2, 3 UmwStG, sodass auch bei der Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften ein Beteiligungskorrekturgewinn entstehen kann. Zu § 4 Abs. 1 S. 2 UmwStG siehe Kapitel 3 B. III. 1. b). 177 Abgesehen von eventuellen Umwandlungskosten.
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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entsprechen, wirkt sich die genaue Bewertung nach § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG oder Abs. 2 S. 1 auf das Entstehen eines Übernahmegewinns aus.178 Das Übernahmeergebnis bleibt gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG außer Ansatz, sodass ein Übernahmegewinn nicht besteuert und ein Übernahmeverlust nicht steuermindernd abgezogen werden darf.179 § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG verweist aber insoweit auf § 8b KStG, wie der Übernahmegewinn dem Anteil der übernehmenden Körperschaft an der übertragenden Körperschaft entspricht. Infolgedessen gelten fünf Prozent dieses Anteils als nicht abziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 S. 1 KStG.180 In eben dieser Höhe beeinflussen die fiktiven nicht abziehbaren Betriebsausgaben die Höhe der steuerlichen Bemessungsgrundlage und folglich die entstehende Steuerlast. Bei Downstream-Verschmelzungen wie in Beispiel 3 entsteht regelmäßig kein Gewinn nach § 12 Abs. 2 UmwStG.181 Hierfür spricht zuerst der Wortlaut.182 Die beschriebene Saldierung setzt nämlich voraus, dass überhaupt ein Buchwert der untergehenden Anteile am übertragenden Rechtsträger besteht, auch wenn er im Extremfall null beträgt.183 Wenn der übernehmende Rechtsträger aber schon gar keine Anteile am übertragenden Rechtsträger hält, kann kein Buchwert der untergehenden Anteile festgestellt werden. Außerdem ist der Telos von § 12 Abs. 2 UmwStG darauf gerichtet, die Besteuerung der stillen Reserven in den untergehenden Anteilen zu verhindern.184 Diese Zielsetzung läuft leer, wenn wie in Beispiel 3 die übernehmende B-GmbH eine 100%-ige Tochtergesellschaft der übertragenden A-GmbH ist. Die betreffenden Anteile werden nämlich je nach Gestaltung der Verschmelzung entweder eigene Anteile der übernehmenden Körperschaft oder die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten diese Anteile als Gegenleistung. Sie gehen gerade nicht unter, sodass kein Bedürfnis 178 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 24 f. 179 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 35. 180 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 12, Rn. 32; Wisniewski, in: Haritz/ Menner, UmwStG, 2010, § 12, Rn. 56 f. Angesichts des Wortlauts von § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG, der nur pauschal auf § 8b KStG verweist, ist nicht ganz klar, ob dessen Abs. 3 oder Abs. 5 einschlägig ist; unentschieden daher Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 33. 181 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 31; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 12, Rn. 71; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 369 (373). 182 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 12 UmwStG, Rn. 30; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 12, Rn. 42. 183 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 12, Rn. 71. 184 Für § 12 Abs. 2 UmwStG a. F. siehe BT-Drs. 12/6885, S. 21. Für die Übertragung dieses Gedankens auf die geltende Rechtslage siehe Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 12, Rn. 9; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 12, Rn. 44; Ley/Bodden, FR 2007, 265 (273).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
besteht, die Besteuerung der stillen Reserven in den Anteilen zu verhindern. Es ergeben sich insoweit keine steuerwirksamen Rechtsfolgen beim übernehmenden Rechtsträger. b) Anteilstausch gemäß § 13 UmwStG auf Ebene der Anteilseigner § 13 UmwStG regelt indes die steuerlichen Auswirkungen auf die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft. Aus Sicht der Anteilseigner stellt die Verschmelzung nach Abs. 1 einen Anteilstausch dar, der durch den Ansatz der als veräußert geltenden Anteile am übertragenden Rechtsträger zum gemeinen Wert eine Realisierung der stillen Reserven in diesen Anteilen auslöst.185 Die Anteile am übernehmenden Rechtsträger gelten als zum gemeinen Wert angeschafft. Nach § 13 Abs. 2 UmwStG kann die Gewinnrealisierung durch Ansatz des Buchwerts verhindert werden, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik an einem Veräußerungsgewinn aus den Anteilen nicht berührt wird oder ein Fall des Art. 8 Fusionsrichtlinie186 gegeben ist. Mit welchem Wert die bei der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter gemäß § 11 UmwStG angesetzt werden, spielt für diese Betrachtung allerdings keine Rolle.187 Im Beispiel 3 ist ein Ansatz der erhaltenen Anteile unter dem gemeinen Wert möglich, da aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter ein späterer Veräußerungsgewinn der deutschen Besteuerung unterliegt. 2. Buchwertverknüpfung und Übergang stiller Reserven Für die Verschmelzung zweier Körperschaften regelt § 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG die Bewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers. Hierzu schreibt die Norm vor, dass der übernehmende Rechtsträger die Werte aus der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers übernehmen muss. Auf diese Weise gewährleistet § 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG die steuerliche Erfassung der in den übergehenden Wirtschaftsgütern verstrickten stillen Reserven beim übernehmenden Rechtsträger188 im Falle einer späteren Veräußerung, wenn auf der Ebene des übertragenden Rechtsträger nach § 11 Abs. 2 UmwStG in der steuerlichen Schlussbilanz die Buchwerte angesetzt werden durften. Die stillen Reserven unterliegen daher erst in Zukunft der Körperschaftsteuer.189 185
Schroer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 13, Rn. 21. Richtlinie 2009/133/EG vom 19.10.2009, Abl. EU Nr. L 310/34 vom 25.11.2009. 187 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 13, Rn. 6. 188 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 12, Rn. 15. 189 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 11–13 UmwStG, Rn. 2. 186
E. Verschmelzung auf eine andere Körperschaft
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Veräußert die übernehmende Körperschaft eines der übernommenen Wirtschaftsgüter unter Aufdeckung der stillen Reserven, dann unterliegt der so erzielte Veräußerungsgewinn nur bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung und gerade nicht mehr bei demjenigen Steuersubjekt, dem die stillen Reserven ursprünglich zugeordnet waren. Insofern führen auch bei der Verschmelzung zweier Körperschaften die §§ 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG durch die Gestattung des Buchwertansatzes und die Fortführung dieser Buchwerte beim übernehmenden Rechtsträger zu einer Übertragung der stillen Reserven zwischen den beteiligten Steuerrechtssubjekten und daher zu einer Ausnahme vom Subjektsteuerprinzip.190
IV. Zwischenergebnis zu den §§ 11 bis 13 UmwStG Als Zwischenergebnis können auch für die steuerlichen Rechtsfolgen nach den §§ 11 ff. UmwStG drei Kernpunkte festgehalten werden. Erstens verhindert bei der Verschmelzung zweier Körperschaften der Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 UmwStG die im Grundsatz zwingende Aufdeckung der stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern. Die hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen unterscheiden sich nur marginal von den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UmwStG, wobei die Unterschiede allein im Dualismus der Unternehmensbesteuerung und den daraus folgenden unterschiedlichen Besteuerungsregimen wurzeln. Zweitens löst die Verschmelzung auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers regelmäßig eine Steuerbelastung aus, ohne dass diese Belastung durch einen Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter zum Buchwert verhindert werden könnte. Die Auswirkungen auf die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft nach § 13 UmwStG bleiben systematisch völlig unabhängig von den Wertansätzen nach § 11 UmwStG. Bei der Gewinnermittlung für die übernehmende Körperschaft und die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft bestehen die größten konzeptionellen Unterschiede zu den §§ 4 ff. UmwStG. Korrelierend mit dem Buchwertansatz nach § 11 Abs. 2 UmwStG ordnet § 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG drittens die Buchwertfortführung auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers an. Daher springen auch in diesem Fall die in den übergehenden Wirtschaftsgütern verstrickten stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt, nämlich die übernehmende Körperschaft, über und unterliegen nur noch bei dem übernehmenden Steuersubjekt im Falle einer späteren Realisierung der steuerlichen Erfassung.
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Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 6.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft, § 15 UmwStG § 15 UmwStG regelt des Weiteren die steuerliche Behandlung einer Aufspaltung, Abspaltung und Teilübertragung auf andere Körperschaften. Hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen verweist § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG weitgehend auf die §§ 11 bis 13 UmwStG, sodass insofern die Ausführungen zur Verschmelzung entsprechend gelten. § 15 UmwStG enthält allerdings Besonderheiten, die eine Analyse des folgenden Beispiels 4191 illustriert. Die unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person A hält alle Geschäftsanteile der I-GmbH. Der Geschäftsbetrieb der I-GmbH umfasst den Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken sowie den Vertrieb von technischen Gasen. In einem weiteren Teilbetrieb widmet sich die I-GmbH dem Stahl- und Metallbau. Dieser Teilbetrieb soll nunmehr zur Haftungstrennung192 sowie zum Zwecke der Sanierung193 auf die neu zu gründende S-GmbH abgespalten werden. Hierzu werden gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an den Alleingesellschafter fast alle für den Betrieb des Stahl- und Metallbaus relevanten Vermögensgegenstände im Rahmen einer Abspaltung nach §§ 123 Abs. 2, 135 ff., 138 ff. UmwG auf die S-GmbH übertragen. Im zugrundeliegenden Spaltungs- und Übernahmevertrag ist allerdings vorgesehen, dass ein Grundstück, auf dem die S-GmbH fortan den Stahl- und Metallbaubetrieb führt, nicht im Wege der Abspaltung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen soll. Vielmehr vermietet die IGmbH dieses Grundstück mitsamt den Betriebs- und Produktionsgebäuden auf unbestimmte Zeit mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende des Kalenderjahres der S-GmbH. Der BFH hatte in diesem Fall zu beantworten, ob die geschilderte Abspaltung steuerneutral umgesetzt werden konnte.
I. Steuersystematische Einordnung von Spaltungen auf Körperschaften Den Ausgangspunkt für die steuersystematische Einordnung von Auf- und Abspaltungen auf andere Körperschaften bilden wiederum die wirtschaftlichen Fol191
Beispiel nach BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 ff. Vgl. die Ausführungen der Vorinstanz, Sächsisches FG vom 9.9.2008, 3 K 1996/ 06, gekürzt wiedergegeben in EFG 2009, 65. Zu diesem und weiteren Spaltungsmotiven siehe auch Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 123, Rn. 7; Geck, DStR 1995, 416 (417 f.). 193 Es ist nicht ersichtlich, ob dieses Motiv dem vom BFH entschiedenen Fall vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 ff. zugrunde lag. Dennoch kann die Spaltung zu Zwecken der Sanierung genutzt werden. Hierauf weisen etwa Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 2009, § 17, Rn. 132; Buyer/Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 334 sowie Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 123, Rn. 7 hin. 192
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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gen dieser Spaltungsvorgänge. Bei einer Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG überträgt ein Rechtsträger sein Vermögen mittels partieller Gesamtrechtsnachfolge zu jeweils einem bestimmten Teil auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern, während der übertragende Rechtsträger liquidationslos untergeht. Bei der Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG geht demgegenüber ein Teil des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an die Anteilseigner auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der übertragende Rechtsträger bleibt bestehen, wird nicht aufgelöst und behält den übrigen Teil seines Vermögens. Beide Vorgänge führen im wirtschaftlichen Ergebnis zu einem Vermögenstransfer zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsträgern gegen Gewährung einer Gegenleistung. Zum strukturell gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führt auch die Verschmelzung auf eine andere Körperschaft.194 Nicht umsonst wird die Spaltung daher als „Spiegelbild“ 195 einer Verschmelzung oder auch als „Teilverschmelzung“ 196 aufgefasst. Verschmelzung und Spaltung unterscheiden sich nur hinsichtlich der Umstrukturierungsrichtung. Die Verschmelzung führt unterschiedliche Rechtsträger zusammen, während die Spaltung einen Rechtsträger, im Fall der Abspaltung wenigstens partiell, aufteilt.197 Daher verwundert es nicht, dass in der Literatur zur Frage der ertragsteuerlichen Auswirkungen einer Spaltung ohne Geltung des UmwStG im Wesentlichen ähnliche Ansichten vertreten werden wie bei einer Verschmelzung. Ein Teil der Literatur qualifiziert daher auch die Aufspaltung bezüglich des übergehenden Vermögens als Liquidation198 und die Abspaltung als Sachausschüttung an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers199. Dieser Ansicht hat sich jüngst 194
Siehe Kapitel 3 E. I. Für die Aufspaltung ausdrücklich BT-Drs. 12/6885, S. 14; Stengel, in: Haritz/ Menner, UmwStG, 2010, Einführung A. Rn. 29; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (559). 196 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 3; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 4; Thiel, DStR 1996, 237 (238). 197 Schwarz, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 123 UmwG, Rn. 1.1.; Klingberg, in: Budde/Fröschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, 2008, I Rn. 2; Thiel, DStR 1995, 237 (238). 198 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 136; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG 2008, § 15, Rn. 56; Buyer/Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 1353; Herzig/Förster, DB 1995, 338 (339). Wohl auch Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 11. 199 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 135; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 56; Buyer/ Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 1353; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (850); Herzig/Förster, DB 1995, 338 (339). 195
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
auch der BFH200 unter Berufung auf den alten Umwandlungssteuererlass201 angeschlossen. Der dem Beispielsfall 4 zugrundeliegende Sachverhalt war nämlich noch nach dem UmwStG aus dem Jahre 1995 zu entscheiden. Da es in diesem Fall, so viel kann schon vorweggenommen werden, am Übergang eines Teilbetriebs fehlte, war die entsprechende Anwendung der §§ 11 bis 13 UmwStG 1995, auf die § 15 Abs. 1 UmwStG 1995 ebenfalls verwies, ausgeschlossen.202 Der Vorgang musste ertragsteuerlich also nach den allgemeinen Regeln gewürdigt werden. Dabei wertete der BFH unter Hinweis auf die Ansicht der Finanzverwaltung und ohne weitere eigene Begründung die Abspaltung als Sachausschüttung und anschließende Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten durch die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers.203 Die Gegenansicht in der Literatur sieht indes auch in der Auf- und Abspaltung eine Veräußerung im Wege eines Tausches oder jedenfalls tauschähnlichen Vorgangs und begründet ihre Sichtweise mit der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Verschmelzungsvorgängen mit der Auf- und Abspaltung, da alle Umstrukturierungen auf einem Vermögenstransfer gegen eine Gegenleistung basieren.204 Für diese Ansicht spricht, dass es wenig einsichtig ist, warum Verschmelzungen und Spaltungen als wirtschaftlich vergleichbare Vorgänge anders behandelt werden sollten, nur weil bei der Auf- und Abspaltung kein Betrieb sondern bloß ein Teilbetrieb übertragen wird. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung stimmen alle Ansichten aber in der grundsätzlichen Aufdeckung der stillen Reserven durch Spaltungen überein.
II. Steuerliche Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger Dieses Ergebnis übernimmt auch der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 15 UmwStG. Der übertragende Rechtsträger muss die übergehenden Wirtschaftsgüter grundsätzlich unter Aufdeckung der stillen Reserven mit dem gemeinen Wert bewerten und darf nur unter besonderen Voraussetzungen in der steuerlichen Schlussbilanz den Buchwert wählen.
200
BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1520). BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff., Tz. 15.11. 202 BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff., Tz. 15.10. 203 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1520), unter Hinweis auf BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff., Tz. 15.11. Die zitierte Teilziffer äußert sich sowohl zur Liquidation als auch zur Sachausschüttung. 204 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 69; Benecke/ Schnittker, FR 2010, 555 (558 f.); Herzig/Förster, DB 1995, 338 (339). 201
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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1. Grundsatz: Aufdeckung stiller Reserven durch Ansatz zum gemeinen Wert Seit der Reform des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG verweist § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG auf die §§ 11 bis 13 UmwStG, ohne dass das Teilbetriebserfordernis erfüllt sein muss.205 Nach alter Rechtslage galt der Verweis auf die steuerlichen Verschmelzungsregeln demgegenüber nur, wenn bei der Spaltung ein Teilbetrieb übertragen wurde.206 Demnach muss jetzt der übertragende Rechtsträger gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG eine steuerliche Schlussbilanz auf den Übertragungsstichtag aufstellen und in dieser Bilanz die übergehenden Wirtschaftsgüter zuerst mit dem gemeinen Wert ansetzen, auch wenn kein Teilbetrieb übertragen wird. Die Bewertung zum gemeinen Wert führt auch bei Auf- oder Abspaltungen zur Aufdeckung der stillen Reserven. 2. Ausnahme: Buchwertansatz und doppeltes Teilbetriebserfordernis Diese umstrukturierungsschädliche Rechtsfolge kann bei Auf- und Abspaltungen nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 11 Abs. 2 UmwStG verhindert werden. Sollte der übertragende Rechtsträger diese Voraussetzungen nicht erfüllen, gelten die Versagung des Wertansatzwahlrechts und die Realisierung der stillen Reserven aber nur für das tatsächlich übertragene Vermögen.207 Zuerst verweist § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG für den Buchwertansatz auf sämtliche Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG. Die fehlende Sicherstellung der ertragsteuerlichen Erfassung eines späteren Veräußerungsgewinns, der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik an einem solchen Veräußerungsgewinn sowie die Gewährung von Gegenleistungen, die nicht ausschließlich in Gesellschaftsrechten bestehen, schließen folglich die Möglichkeit, den Buchwert zu wählen, auch bei Auf- und Abspaltungen aus. Für die einzelnen Tatbestandsmerkmale gelten durch den uneingeschränkten Verweis auf § 11 Abs. 2 UmwStG die Ausführungen zur Verschmelzung entsprechend.208 Diese Voraussetzungen sind im Beispiel 4 erfüllt. 205 Ruoff/Schönhaus, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 227; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15 UmwStG, Rn. 44; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 63. 206 BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff., Tz. 15.11; Ruoff/Schönhaus, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 226. 207 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15 UmwStG, Rn. 46; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 73, 77. 208 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 179. Siehe zu den Tatbestandsmerkmalen im Einzelnen Kapitel 3 E. II. 2.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Als wesentlich problematischer erweist sich die weitere Voraussetzung steuerneutraler Spaltungen. § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG erlaubt die Wahl des Buchwertes nur, wenn auf jeden übernehmenden Rechtsträger ein Teilbetrieb übertragen wird und bei der Abspaltung beim übertragenden Rechtsträger zudem ein Teilbetrieb zurückbleibt. Sollte der übertragende Rechtsträger gegen dieses sogenannte doppelte Teilbetriebserfordernis209 verstoßen, bleibt es bei der Bewertung mit dem gemeinen Wert nach § 15 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG und der Realisierung stiller Reserven.210 Eine umwandlungsrechtlich zulässige Spaltung, bei der nur einzelne Wirtschaftsgüter im Wege der Sonderrechtsnachfolge übertragen werden211, ist demnach steuerneutral nicht möglich.212 Insofern stellt das Steuerrecht mit dem Zwang zur Übertragung einer besonders qualifizierten Vermögensmasse deutlich strengere Anforderungen an eine erfolgreiche Umstrukturierung als das Zivilrecht.213 Die gesamte Tragweite der exklusiven Funktion des Teilbetriebserfordernisses verdeutlicht aber erst das Dilemma der sogenannten „spaltungshindernden Wirtschaftsgüter“ 214. Unterstellt man in Beispiel 4 den naheliegenden Sachverhalt, dass sich auf dem zurückbehaltenen Grundstück nicht nur Betriebsgebäude für den abgespaltenen Metallbaubetrieb, sondern auch für den beim übertragenden Rechtsträger verbleibenden Teilbetrieb befinden215, ist das Grundstück bei funktionaler Betrachtung für beide Teilbetriebe eine wesentliche Betriebsgrundlage. Da Rechtsprechung und Finanzverwaltung allerdings den Eigentumsübergang an sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen fordern und eine Nutzungsüberlassung nicht ausreicht216, kann bei gemeinsam genutzten wesentlichen Betriebsgrundlagen keine steuerneutrale Spaltung durchgeführt werden. Entweder wird kein Teilbetrieb übertragen oder aber es bleibt kein Teilbetrieb beim übertragen-
209
BT-Drs. 16/2710, S. 42. Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 51; Hörtnagl, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 44. 211 Stengel/Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 123, Rn. 6; Priester, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 127, Rn. 70. 212 Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 415; Thiel, DStR 1995, 237 (240). 213 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15 UmwStG, Rn. 48. 214 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.08; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 72; Hörtnagl, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 72; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 464. Vgl. auch Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15, Rn. 84. 215 So lag der Sachverhalt wohl auch bei BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 ff. Siehe den Tatbestand des Urteils des Sächsischen FG vom 9.9.2008, 3 K 1996/06. 216 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518 f.), Tz. 22, 25; BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.07. 210
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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den Rechtsträger zurück.217 Das gleiche Problem stellt sich außerdem, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter gemeinschaftlich genutzt werden.218 a) Übertragung eines Teilbetriebs nach nationalem Steuerrecht Trotz dieser geradezu umstrukturierungsfeindlichen Sichtweise erlauben eine Analyse des Teilbetriebsbegriffs und die Suche nach einer Begründung, warum der Übergang des Eigentums vorausgesetzt wird, einen guten Einblick in die Teleologie des UmwStG. Vor diesem Hintergrund wird anschließend deutlich, wie sehr das Europarecht, hier in Gestalt der Fusionsrichtlinie, auch im rein nationalen Kontext die Diskussion um die Grundlagen eines Rechtsgebiets beeinflusst. aa) Keine normative Definition des Teilbetriebs im deutschen Recht Obwohl zahlreiche219 steuerrechtliche Normen den Teilbetrieb als Tatbestandsmerkmal kennen, ist der Begriff nicht normativ definiert.220 Den Typusbegriff221 des Teilbetriebs beschreiben die ständige Rechtsprechung und die Literatur als organisch geschlossenen Teil eines Gesamtbetriebs, der mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet ist und für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG erfüllt und als solcher lebensfähig ist.222 Diese traditionelle Formel wendete der BFH jüngst auch explizit auf den Teilbetriebsbegriff in § 15 UmwStG an.223 Neben den „echten“ 224 Teilbetrieben regelt § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG aber zusätzlich, dass ein Mitunternehmeranteil und eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als fiktive Teilbetriebe gelten.
217
Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 35. Kutt/Pitzal, DStR 2009, 1243 (1245). 219 Siehe z. B. §§ 6 Abs. 3 S. 1; 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; 36 Abs. 5 S. 4 EStG und §§ 15 Abs. 1 S. 2; 18 Abs. 3 S. 2; 20 Abs. 1; 24 Abs. 1 UmwStG. 220 Die fehlende Definition befürwortet wegen der so gegebenen Flexibilität bei der Auslegung Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 49. 221 Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375. Zum Typusbegriff Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 461 ff. Im Steuerrecht: Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 160 ff. 222 Siehe nur BFH vom 13.2.1996, VIII R 38/92, BStBl. II 1996, 409 (410); BFH vom 4.7.2007, X R 49/06, DStRE 2007, 1229 (1230) jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Aus der Literatur siehe nur Stuhrmann, in: Blümich, EStG, 2011, § 16, Rn. 124 ff.; Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 143; Weier, DStR 2008, 1002 (1003). 223 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518), Tz. 22 sowie BFH vom 22.6.2010, I R 77/09, GmbHR 2011, 92 (94). 224 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 49; Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325. 218
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
bb) Wandel zum funktionalen Verständnis des Teilbetriebs Diese Umschreibung des echten Teilbetriebsbegriffs gibt aber noch keinen Aufschluss darüber, wie sich diese besondere Vermögensmasse im Einzelnen zusammensetzt. Eine Erklärung bietet das tätigkeitsbezogene225 Verständnis226 des Betriebs- und Teilbetriebsbegriffs. Eine Tätigkeit kann nämlich dinglich nur präzise abgegrenzt werden, wenn man auf die Wirtschaftsgüter abstellt, die zur Ausübung dieser Tätigkeit im Wesentlichen eingesetzt werden. Eine derartige wirtschaftsgutsbezogene Abgrenzung ist wiederum speziell für die Bilanzierung sowie eine Übertragung des Betriebs oder Teilbetriebs unabdingbar.227 Unstreitig wird ein Teilbetrieb daher durch seine wesentlichen Betriebsgrundlagen konstituiert.228 Diese Erkenntnis bedingt aber die Folgefrage, was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff der „wesentlichen“ Betriebsgrundlage zu verstehen ist. Diesbezüglich hat sich jedenfalls die Ansicht der Finanzverwaltung grundlegend gewandelt. Im Umwandlungssteuererlass vom 25.3.1998 wurde hinsichtlich des Teilbetriebsbegriffs nämlich noch auf die zu § 16 EStG entwickelten Grundsätze verwiesen.229 Nach diesen Grundsätzen werden Wirtschaftsgüter bereits als wesentliche Betriebsgrundlagen qualifiziert, wenn sie erhebliche stille Reserven enthalten.230 Eine Anwendung dieses Verständnisses auch auf die umwandlungssteuerlichen Normen ist auf Gegenstimmen in der Literatur gestoßen. Statt einer quantitativen Betrachtung befürworten die Kritiker im UmwStG vielmehr eine normspezifische Auslegung, die auf der funktionalen Bedeutung der Wirtschaftsgüter für die im Teilbetrieb ausgeübte Tätigkeit basiert.231 Eine funktionale und normspezifische Sichtweise der wesentlichen Betriebsgrundlage hat der BFH schon seit seinem Urteil vom 24.8.1989 für Fälle außerhalb einer Betriebsveräußerung vertre-
225
§ 15 Abs. 2 EStG spricht ausdrücklich von „Betätigung“. Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 16, Rn. B 214; Kauffmann, in: Frotscher, EStG, 2011, § 16, Rn. 31; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 69. 227 Vgl. Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2010, § 16, Rn. 43. 228 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.02; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 71; Hörtnagl, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 50; Thiel, DStR 1995, 237 (240). 229 BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, S. 268 ff., Tz. 15.02. 230 Schon BFH vom 26.4.1979, IV R 119/76, BStBl. II 1979, 557 (558). Siehe auch H 16 III EStR 2008, BStBl. I 2008, 1017 ff., wonach keine Teilbetriebsveräußerung vorliegt, wenn Wirtschaftsgüter mit erheblichen stillen Reserven zurückbehalten werden. Aus der Literatur statt aller Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375 (383). 231 Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 141; Geissler, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 140; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 20; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 70; Rödder/Beckmann, DStR 1999, 751 (752). 226
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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ten232 und seitdem ausdrücklich weiterverfolgt233. Daraufhin hat die Finanzverwaltung ihre Sichtweise im Jahr 2000 revidiert und sich ausdrücklich einer funktionalen Betrachtung der wesentlichen Betriebsgrundlage im Umwandlungssteuerrecht angeschlossen.234 Die Kritik an der quantitativen Betrachtungsweise beruht dabei maßgeblich auf den divergierenden Zielsetzungen der Regelungen über die Teilbetriebsveräußerung und den umwandlungssteuerlichen Normen. Während die §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG eine komprimierte Besteuerung stiller Reserven verhindern sollen235, dient das Umwandlungssteuerrecht der Ermöglichung betriebswirtschaftlich notwendiger Umstrukturierungen236, indem ein betriebliches Engagement, wenn auch in veränderter Form, fortbesteht237. Ob eine Vermögensmasse als betriebliche Einheit überlebensfähig ist, hängt nur davon ab, ob die zugehörigen Wirtschaftsgüter eine dauerhafte wirtschaftliche Teilnahme am Markt ermöglichen. Dazu müssen mit den Wirtschaftsgütern die einzelnen Teilaufgaben der Unternehmung erfüllt werden können. Für die Beurteilung der Kontinuität eines unternehmerischen Engagements kann es daher nur auf die Funktion der Wirtschaftsgüter und nicht auf die Quantität ihrer stillen Reserven ankommen. Mit anderen Worten konstituieren also diejenigen Wirtschaftsgüter einen Teilbetrieb, die für die Aufrechterhaltung der betrieblichen Funktion benötigt werden und so die Lebensfähigkeit der übertragenen wirtschaftlichen Einheit sicherstellen. Bei der Qualifikation des in Beispiel 4 vom übertragenden Rechtsträger zurückbehaltenen Grundstücks als wesentliche Betriebsgrundlage ist daher maßgeblich, ob aus funktioneller Sicht das Wirtschaftsgut für den Betriebsablauf notwendig ist und dem Teilbetrieb seine Prägung verleiht.238 Auf dem Grundstück befinden sich die Betriebs- und Produktionsgebäude. Ohne dieses Wirtschaftsgut ist die funktionelle Erfüllung der Tätigkeit des Teilbetriebs nicht denkbar. Das zurückbehaltene Grundstück stellt demnach für den übergehenden Teilbetrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage dar.239 232
BFH vom 24.8.1989, IV R 135/86, BStBl. II 1989, 1014 (1415). Siehe nur BFH vom 2.10.1997, IV R 84/96, DStR 1998, 76 (77); BFH vom 4.7.2007, X R 49/06, DStRE 2007, 1229 (1230); BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518). 234 BMF vom 16.8.2000, IV C 2 – S 1909 – 23/00; BStBl. I 2000, 1253. 235 BFH vom 2.10.1997, IV R 84/96, DStR 1998, 76 (77), BFH vom 4.7.2007, X R 49/06, DStRE 2007, 1229 (1230); BFH vom 7.4.2010 I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518), Tz. 23; Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375 (385 f.). 236 BT-Drs. 12/6885, S. 13; BT-Drs. 16/2710, S. 25; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 21; Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375 (387 f.). 237 Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 72; Greil, StuW 2011, 84 (87); Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072 (1077 f.). 238 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518), Tz. 23. 239 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1518), Tz. 25. 233
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
cc) Einräumung eines Nutzungsrechts als „Übertragung“? Entscheidend für die Steuerneutralität in Beispiel 4 ist angesichts der funktionalen Auslegung des Teilbetriebsbegriffs, ob die Überlassung des zurückbehaltenen Grundstücks an den übernehmenden Rechtsträger auf einer schuldrechtlichen Grundlage das Tatbestandsmerkmal Übertragung aus § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG240 erfüllt. Dies lehnt die Finanzverwaltung, wie bereits erwähnt, ohne weitere Begründung ab und schlägt als Lösung für die in diesem Zusammenhang besonders problematischen Grundstücke eine zivilrechtliche reale Teilung vor.241 Nur bei Unzumutbarkeit der realen Teilung sei auch eine ideelle Aufteilung in Bruchteilseigentum im Verhältnis der jeweiligen Nutzungsanteile erlaubt.242 (1) Nutzungsrecht erlaubt funktionalen Einsatz der Betriebsgrundlage Ob ein einfaches Nutzungsrecht ausreicht, ist auch in der Literatur umstritten.243 Jedenfalls bei einer ausschließlich funktionalen Betrachtung aus der Perspektive des übernehmenden Rechtsträgers ließe sich argumentieren, dass ein durch den Teilbetrieb repräsentiertes betriebliches Engagement fortgeführt werden kann, indem der fortlebenden unternehmerischen Aktivität die Funktion des Wirtschaftsgutes durch dessen Nutzung zu Gute kommt.244 Denn aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist für die Funktion nicht entscheidend, ob das Wirtschaftsgut im Eigentum des übernehmenden Rechtsträger steht oder nicht.245 Schließlich vertritt das Sächsische Finanzgericht, dass zwischen der Zurückbehaltung mit anschließender Nutzungsüberlassung und einer Übertragung des Grundstücks
240 § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG spricht auch in der Fassung aus dem Jahr 1995 ausdrücklich von der Übertragung des Teilbetriebs. Insofern ergeben sich keine Unterschiede zur heutigen Rechtslage nach dem SEStEG, auf die das Urteil des BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 ff. noch keinen Bezug genommen hat. 241 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.08. Zu den Teilungsmöglichkeiten siehe auch die Übersicht bei Gebert, DStR 2010, 1774 (1775 f.). 242 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.08; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 465; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 146. 243 Frotscher, in: Frotscher/Maas, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 25; Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 16; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 462; Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375 (384); Kutt/Pitzal, DStR 2009, 1243 (1246 f.); Rödder/Beckmann, DStR 1999, 751. A. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 26; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 69, 71; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 145; Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (328). 244 Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 462. 245 Haarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 375 (384); Greil, StuW 2011, 84 (86).
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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mit anschließender Rückübereignung an den übertragenden Rechtsträger, der dann wiederum das Grundstück an den übernehmenden Rechtsträger verpachtet, kein Unterschied bestehe.246 (2) Zurückbehaltung widerspricht aber Willen des Gesetzgebers Demgegenüber spricht der Wortlaut von § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG ausdrücklich von „Übertragung“. Schon die sachenrechtliche Konnotation dieses Begriffs legt nahe, dass das Gesetz den zivilrechtlichen oder zumindest den wirtschaftlichen Übergang des Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen fordert. Diese Vermutung bestätigt sich bei einem Blick auf Historie und Systematik des UmwStG. Während das Handelsrecht sogar die Abspaltung einzelner Wirtschaftsgüter ermöglicht, soll das Steuerrecht ausweislich der Begründung zum Gesetz zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts aus dem Jahr 1994 dem Zivilrecht systematisch insofern nicht folgen und nur die Umstrukturierung besonderer Vermögensmassen begünstigen.247 Gehört ein Wirtschaftsgut, wie hier das Grundstück, bereits bei einer funktionalen und am UmwStG orientierten Betrachtung248 zum Teilbetrieb, würde eine Zurückbehaltung dem ausdrücklichen Willen des historischen Gesetzgebers widersprechen, nicht jede beliebig zusammengesetzte Menge von Einzelwirtschaftsgütern sondern nur die in § 15 UmwStG abschließend aufgezählten qualifizierten Vermögensmassen in die Buchwertfortführung einzubeziehen.249 Den Materialien zum SEStEG lässt sich nicht entnehmen, dass von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte.250 Hält der übertragende Rechtsträger aber eine wesentliche Betriebsgrundlage zurück, überträgt er letztlich nur mehrere einzelne Wirtschaftsgüter und gerade nicht eine besonders qualifizierte Vermögensmasse. Denn der Teilbetrieb setzt sich aus allen und nicht nur einigen wesentlichen Betriebsgrundlagen zusammen. Daher überzeugt das vom Sächsischen Finanzgericht bemühte Argument letztlich nicht. Die Rückübereignung auf den übertragenden Rechtsträger mit anschließender Pacht ist vor diesem Hintergrund eben nicht dasselbe wie eine anfängliche Zurückbehaltung des Grundstücks, denn die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen bricht die Einheit des privilegierten Teilbetriebs auf. Im Ergebnis genügt somit die bloße Nutzungsüberlassung an wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht den Anforderungen des § 15 UmwStG. 246 Sächsisches FG vom 9.9.2008, 3 K 1996/06, EFG 2009, 65 (67); Frotscher, in: Frotscher/Maas, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 25. 247 BT-Drs. 12/6885, S. 22. 248 Siehe oben Kapitel 3 D. II. 2. a) bb). 249 Vgl. BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1519), Tz. 26. 250 BT-Drs. 16/2710, S. 41 f. spricht vielmehr ausdrücklich davon, dass das Gesetz „nach wie vor die Übertragung und den Verbleib eines Teilbetriebs“ voraussetzt.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
(3) Zurückbehaltung widerspricht teleologischer Grundlage des UmwStG Das Auslegungsergebnis, dass alle einen Teilbetrieb konstituierenden wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen müssen, fügt sich außerdem in die postulierten teleologischen Grundlagen des Umwandlungssteuerrechts ein. Zwar nennen die Gesetzesmaterialien zum Umwandlungssteuerrecht als Zweck des Gesetzes nur pauschal die Erleichterung betriebswirtschaftlich erwünschter Umstrukturierungen251, ohne einen tieferen Grund für die gewährten Vorteile in Gestalt der Steuerneutralität anzuführen. In der Literatur wird allerdings zur Präzisierung dieser Zwecksetzung regelmäßig die Formel bemüht, das Umwandlungssteuerrecht privilegiere die Fortführung eines unternehmerischen Engagements in veränderter Form.252 Objekte unternehmerischen Engagements sind Betriebe oder Teilbetriebe.253 Bei Umwandlungen gehen Betriebe oder Teilbetriebe aber regelmäßig auf einen anderen Rechtsträger über, sodass nach den allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen die verstrickten stillen Reserven aufzudecken sind.254 Von dieser Rechtsfolge wird nur abgesehen, weil die ursprünglich beteiligten Gesellschafter auch nach der Umwandlung regelmäßig mit dem Objekt ihres unternehmerischen Engagements verknüpft bleiben und sich allein die Form ihres Engagements verändert.255 Konkret geschieht diese Veränderung, indem die Anteilseigner nunmehr am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sind. „Fortführung“ des unternehmerischen Engagements meint aber weiter, dass der Betrieb oder Teilbetrieb als Objekt des Engagements in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten bleibt.256 Sonst müsste man von der Fortsetzung eines anderen betrieblichen Engagements sprechen.257 Geht man vor diesem Hintergrund von der Prämisse aus, dass das Objekt eines unternehmerischen Engagements, mit anderen Worten also der Teilbetrieb, aus seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen besteht, dann ergibt sich bezogen auf das Problem spaltungshindernder Wirtschaftsgüter ein klares Bild: Sobald eine wesentliche Betriebsgrundlage beim übertragenden Rechtsträger verbleibt, kann 251
BT-Drs. 12/6885, S. 1; BT-Drs. 16/2710, S. 25. Siehe auch oben Kapitel 2 C. II. Grundlegend Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 149 ff. Siehe auch die pauschalen Hinweise bei Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 38; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 72; Greil, StuW 2011, 84 (87); Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072 (1077 f.). 253 Vgl. Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 149. 254 Vgl. Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 149. Für die Abspaltung Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 69 sowie schon oben Kapitel 3 F. I. 255 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 150. 256 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 151. 257 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 151. 252
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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man nicht mehr davon sprechen, dass der Betrieb als Objekt unternehmerischen Engagements in seiner ursprünglichen Gestalt, die er durch die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten hat, beim übernehmenden Rechtsträger fortbesteht.258 Es verändert sich nicht allein die Form des betrieblichen Engagements, indem die Gesellschafter nunmehr am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sind, sondern der betriebliche Organismus selbst hat sein Erscheinungsbild geändert. Damit ist der Rechtfertigungsgrund für die Ausnahme von der grundsätzlichen Steuerpflicht, das Fortbestehen des unternehmerischen Engagements in veränderter Form, nicht erfüllt. An ähnlichen teleologischen Überlegungen scheint sich auch der BFH zu orientieren. Maßgeblich beruht die Entscheidung vom 7.4.2010 nämlich auf dem Argument, der übertragende Rechtsträger beende seine gewerbliche Tätigkeit nicht, wenn er wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalte. Daher könne nicht von der Fortführung eines Teilbetriebs durch die übernehmende Körperschaft gesprochen werden.259 Eine bloße Nutzungsüberlassung reicht also auch unter teleologischen Gesichtspunkten nicht für eine steuerneutrale Abspaltung aus. b) Übertragung eines Teilbetriebs im Sinne von Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie Dieses restriktive Ergebnis könnte womöglich aber durch eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Übertragung eines Teilbetriebs“ in Zweifel gezogen werden. Im Gegensatz zum nationalen Recht enthält die Fusionsrichtlinie in Art. 2 lit. j)260 nämlich eine normative Definition des Teilbetriebs. Für ihren Anwendungsbereich beschreibt sie den Teilbetrieb ausdrücklich als Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorsicher Hinsicht einen selbständigen Betrieb, das heißt eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen. Vor dem Hintergrund dieses Teilbetriebsbegriffs wird vertreten, dass die dauerhafte Nutzungsüberlassung anders als nach nationalem Verständnis auch für rein innerstaatliche Fälle ausreichen soll.261 Die Funktionsfähigkeit eines Unternehmensteils als entscheidendes Merkmal des Teilbetriebs im Sinne des Art. 2 lit. j)
258
Vgl. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 69. BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1519), Tz. 27. Für § 20 UmwStG a. F. BFH vom 16.2.1996, I R 183/97, DStR 1996, 958 (959). 260 RL 2009/133/EG, vormals Art. 2 lit. i) der RL 90/434/EWG. 261 Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 16; Köth, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 88; Thömmes in FS für Widmann, 2000, S. 583 (598); Weier, DStR 2008, 1002 (1005); Blumers, DB 2001, 722 (725). Gegenteilige Ansicht aber wohl ders. BB 2011, 2204 (2207). 259
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Fusionsrichtlinie sei nämlich auch bei nur dauerhaft überlassener Nutzung der Wirtschaftsgüter gewährleistet.262 aa) Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts? Hinsichtlich der Frage, ob der Teilbetriebsbegriff in den §§ 15, 20, 24 UmwStG auch im rein nationalen Kontext richtlinienkonform im Sinne des Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie auszulegen ist263 oder ob es für innerstaatliche Sachverhalte bei dem oben dargestellten264 Begriff und somit einer „gespaltenen“ Auslegung265 bleibt, ist durch die mit dem SEStEG angestrebte Umsetzung der erweiterten Fusionsrichtlinie266 und die Ausdehnung des UmwStG auf internationale Sachverhalte ein neuer Impuls gesetzt worden. Eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung dieser Frage fehlt zwar noch für das deutsche Recht. Der BFH steht der Anwendung der Fusionsrichtlinie auf § 15 UmwStG a. F. im rein nationalen Sachverhalt auch eher ablehnend gegenüber, konnte aber eine richtlinienkonforme Auslegung im Urteil vom 7.4. 2010 letztlich aussparen, weil nach seiner Ansicht selbst der Teilbetriebsbegriff der Fusionsrichtlinie nicht zu einem für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis geführt hätte.267 Allerdings hat sich der EuGH in den Vorabentscheidungsverfahren der Rechtssachen Andersen og Jensen268 und Leur-Bloem269 bereits zur Auslegung des Teilbetriebsbegriffs beziehungsweise des Anteilstauschs im Sinne der Fusionsrichtlinie in ausschließlich innerstaatlichen Sachverhalten geäußert. Aus diesen Entscheidungen können die Voraussetzungen abgeleitet werden, in denen der Gerichtshof die Zuständigkeit für die Auslegung streitiger Begriffe im rein nationalen Kontext für sich reklamiert. 262
Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (328); Weier, DStR 2008, 1002 (1005). Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 14, Rn. 61; Patt, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 76; Blumers, BB 2011, 2204 (2206); Greil, StuW 2011, 84 (88); Beinert/Benecke, FR 2011, 1009 (1019); Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (83); Weier, DStR 2008, 1002 (1005); Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (328). Differenzierend Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 125. Vor dem SEStEG schon StroblHaarmann, in: FS für Widmann, 2000, S. 553 (558 f.); Thömmes, in: FS für Widmann, 2000, S. 583 (600 f.). 264 Siehe Kapitel 3 F. II. 2. a) bb). 265 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 53; Hörtnagl, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 59; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 81 ff.; ders., DStR 2011, 1108 (1109 f.); Mutscher, in: Frotscher/Maas, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 122. 266 BT-Drs. 16/2710, S. 25. 267 Vgl. BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1519 f.), Tz. 30. 268 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, DStRE 2002, 456 ff. 269 EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I-04161, EuZW 1997, 658 ff. 263
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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Der EuGH führt aus, dass er zur Vermeidung künftiger Auslegungsstreitigkeiten unter der Voraussetzung zuständig sei, dass sich die für rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbaren Rechtsvorschriften nach gemeinschaftsrechtlichen Regeln richten, um Benachteiligungen eigener Staatsangehöriger und andere Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.270 Allerdings müsse das vorlegende nationale Gericht die exakte Reichweite der nationalen Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht beurteilen, indem es durch Auslegung die Grenzen ermittelt, in denen der nationale Gesetzgeber die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf nationale Sachverhalte regeln wollte.271 In der Rechtssache Andersen og Jensen war relativ einfach ersichtlich, inwieweit die Fusionsrichtlinie auch für innerstaatliche Sachverhalte gelten sollte. Der dänische Gesetzgeber hat den Teilbetriebsbegriff der Fusionsrichtlinie wörtlich ins nationale Fusionssteuergesetz übernommen272 und so unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, nationale und internationale Sachverhalte gleich behandeln zu wollen. Obwohl im deutschen Recht ein so eindeutiger Hinweis fehlt, spricht viel dafür, im Falle einer Abweichung des nationalen Rechts von der Fusionsrichtlinie auch im rein innerstaatlichen Kontext das UmwStG richtlinienkonform auszulegen. Auch die Normen des UmwStG erfassen sowohl nationale als auch internationale Sachverhalte und ermöglichen Steuerneutralität für beide Fallgruppen nur unter exakt denselben Voraussetzungen.273 Das hat sich vor allem in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG niedergeschlagen, der nationale und vergleichbare ausländische Vorgänge in den Anwendungsbereich einbezieht. Schließlich deuten auch die Gesetzesmaterialen darauf hin, dass die Gleichstellung nationaler und internationaler Sachverhalte gewollt war.274 Die Begründung zum Regierungsentwurf sowie der Bericht des Finanzausschusses sprechen explizit davon, dass mit der Umsetzung des SEStEG künftig „europaweit die gleichen steuerlichen Grundsätze für inländische und für alle grenzüberschreitenden Umstrukturierungen“ 275 gelten. Beide Aspekte verdeutlichen, dass Wettbewerbsverzerrungen mithilfe des SEStEG gerade beseitigt werden sollten. 270 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, Tz. 18, DStRE 2002, 456 (458); EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I04161, Tz. 32, EuZW 1997, 658 (660); im Anschluss an EuGH vom 18.10.1990, C297/88 Dzodzi, Slg. 1990, I-03763, Tz. 37. 271 EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I-04161, Tz. 33, EuZW 1997, 658 (660); EuGH vom 18.10.1990, C-297/88 Dzodzi, Slg. 1990, I-03763, Tz. 41. 272 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, Tz. 6, DStRE 2002, 456. 273 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 76; Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (83). 274 Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (83); Weier, DStR 2008, 1002 (1005); Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (327). 275 Zur Formulierung im Regierungsentwurf BT-Drs. 16/2710, S. 25 f. sowie der Bericht des Finanzausschusses BT-Drs. 16/3315, S. 1.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
bb) Keine Abweichung des Teilbetriebs in Bezug auf funktionales Verständnis Die Anwendung des europäischen Teilbetriebsbegriffs im nationalen Recht wird aber teilweise mit dem Argument bestritten, dass ebenfalls ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf276 der Gesetzgeber die den Teilbetrieb ausmachenden wesentlichen Betriebsgrundlagen auch nach dem SEStEG weiterhin funktional verstanden wissen wollte und daher der nationale Teilbetriebsbegriff neben dem europarechtlichen Begriff fortexistiert.277 Aus Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie leitet der EuGH in seiner bisher einzigen Entscheidung zum Teilbetrieb der Fusionsrichtlinie aber ab, dass für das Vorliegen eines Teilbetriebs im Sinne der Fusionsrichtlinie in erster Linie entscheidend ist, ob der übertragene Unternehmensteil selbständig funktionsfähig ist.278 Unzweifelhaft gehört bei einer funktionellen Betrachtung auch nach dem Verständnis der Fusionsrichtlinie das in Beispiel 4 relevante Grundstück zum abgespaltenen Teilbetrieb. Angesichts des auch für den nationalen Teilbetriebsbegriff gebotenen funktionalen Verständnisses der wesentlichen Betriebsgrundlagen279 bestehen die teilweise postulierten Unterschiede280 beider Begriffe jedenfalls bezüglich des funktionalen Aspekts281 nicht.282 Das genannte Gegenargument trägt also nicht, da auch die Fusionsrichtlinie eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit voraussetzt und somit kein Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers erkennbar ist.283 Im Ergebnis gilt daher für das deutsche Umwandlungssteuerrecht zwar der Teilbetriebsbegriff des Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie, der sich aber in funktionaler Hinsicht nicht vom bisherigen Verständnis unterscheidet. Den Begriff der Fusionsrichtlinie wendet nunmehr, leider ohne Begründung, auch die Finanzverwaltung im neuen Umwandlungssteuererlass an.284 276
BT-Drs. 16/2710, S. 42. Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 85; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 5; Schmitt, DStR 2011, 1108 (1110). 278 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, Tz. 35, DStRE 2002, 456 (458 f.). 279 Siehe Kapitel 3 F. II. 2. a) bb). 280 So weist die Literatur bei der Frage der Nutzungsüberlassung Unterschiede zwischen nationalem und europäischem Begriff aus, Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 95; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 59; Thömmes, in: FS für Widmann, 2000, S. 583 (598). 281 Vergleich der Begriffe bei Beinert/Benecke, FR 2011, 1009 (1020 ff.); Greil, StuW 2011, 84 (89 f.). 282 BFH vom 7.4.2010, I R 96/08, DStR 2010, 1517 (1519); Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (84). 283 Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (83). 284 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.02. Soweit der Gesetzgeber mit den fiktiven Teilbetrieben des § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG ausdrücklich über den Begriff der Fusionsrichtlinie zu Gunsten der Steuer277
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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cc) Keine Abweichung der Fusionsrichtlinie bezüglich der „Übertragung“ Da sich das funktionale Verständnis des Teilbetriebs als maßgeblicher gedanklicher Ansatzpunkt für die Zulässigkeit einer bloßen Nutzungsüberlassung285 nicht als ein Spezifikum der Fusionsrichtlinie herausgestellt hat, entstehen erhebliche Zweifel an der Ansicht, dass die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung als Übertragung im Sinne der Fusionsrichtlinie ausreicht. Ob die Fusionsrichtlinie eine tatsächlich abweichende Beurteilung fordert, beantwortet demnach nicht isoliert der europäische Teilbetriebsbegriff, sondern muss durch Auslegung der Fusionsrichtlinie ermittelt werden. Der Wortlaut des Art. 2 lit. j) Fusionsrichtlinie führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Er spricht zunächst von einer Funktionsfähigkeit aus „eigenen“ Mitteln. Daraus könnte man schließen, dass die Funktionsfähigkeit des übertragenen Unternehmensteils aus im Eigentum des übernehmenden Rechtsträgers stehenden Mitteln gewährleistet werden muss und daher eine bloße Nutzungsüberlassung nicht ausreicht. Aus der Rechtssache Andersen og Jensen ergibt sich allerdings, dass für die selbständige Funktionsfähigkeit eines Teilbetriebs zumindest in zweiter Linie finanzielle Aspekte maßgeblich sind.286 Insofern wäre eine Funktionsfähigkeit aus eigenen Mitteln gesichert, wenn die Nutzungsüberlassung gegen Zahlung aus eigenen finanziellen Mitteln erfolgt.287 Auf den Übergang des Eigentums an den Wirtschaftsgütern des Teilbetriebs käme es nicht an. Dagegen führen Stimmen aus der Literatur zwei Argumente an: Es wird erstens auf den Wortlaut der Artikel verwiesen, die im Zusammenhang mit der Definition des Teilbetriebs stehen und zweitens wird das bisher einzige Urteil des EuGH zum Teilbetrieb herangezogen.288 Der europäische Teilbetriebsbegriff steht im systematischen Kontext zu Art. 2 lit. c) und lit. d) der Fusionsrichtlinie. Diese Regelungen beschreiben Umstrukturierungsvorgänge mit Teilbetrieben und weisen die gleichen Merkmale289 wie nationale Spaltungsvorgänge auf. Vor allem Art. 2 lit. c) Fusionsrichtlinie spricht von der „Übertragung“ des Vermögens gegen eine Gegenleistung und nicht von bloßer „Überlassung“. Aus Art. 2 lit. g) pflichtigen hinausgeht, gelten ausschließlich die nationalen Regeln, da insofern ersichtlich keine Übernahme der Fusionsrichtlinie erfolgen sollte, Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (327). 285 Thömmes, in: FS für Widmann, 2000, S. 583 (598). 286 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, Tz. 35, DStRE 2002, 456 (459). 287 So wohl Weier, DStR 2008, 1002 (1004 f.). 288 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 71; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 145. 289 Zu den Merkmalen einer Spaltung siehe Kapitel 2 C. I. 1. a).
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Fusionsrichtlinie geht schließlich hervor, dass die Wirtschaftsgüter des Teilbetriebs „übernommen“ und nicht bloß genutzt werden müssen. Diese Indizien sollen andeuten, dass nach europäischem Teilbetriebsbegriff eine Nutzungsüberlassung nicht genügt.290 Ein tragfähigeres Argument lässt sich aus der Rechtsprechung des EuGH herleiten. In seinem Schlussantrag in der Rechtssache Andersen og Jensen führt Generalanwalt Tizzano unter Bezugnahme auf Art. 2 lit. i) der Fusionsrichtlinie 90/ 434/EWG291 aus, dass es der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Einbringung eines Teilbetriebs für erforderlich gehalten habe, die zu einem bestimmten Betrieb gehörenden aktiven und passiven Wirtschaftsgüter im Ganzen einzubringen. Werde ein „zu diesem Betrieb gehörendes aktives Wirtschaftsgut nicht übertragen“, liege keine Einbringung eines Teilbetriebs vor.292 Diese Ausführungen übernimmt der Gerichtshof ausdrücklich.293 Letztlich spricht das Urteil also dagegen, die bloße Nutzungsüberlassung ausreichen zu lassen.294 Denn das Grundstück in Beispiel 4 gehört auch nach dem Verständnis der Fusionsrichtlinie zum abgespaltenen Teilbetrieb und müsste nach den dargelegten Ausführungen folglich auch übertragen werden. Daher scheidet im Beispiel 4 auch auf Grundlage der Fusionsrichtlinie mangels Übergangs eines Teilbetriebs eine steuerneutrale Abspaltung des Stahl- und Metallbauteilbetriebs aus. Beide Gegenargumente sind allerdings eher formaler Natur. Überzeugendere Begründungen, wie sie zum nationalen Recht der historische Wille des Gesetzgebers und die teleologische Betrachtung295 liefern konnten, fehlen für die Fusionsrichtlinie. Zwar geht aus dem zweiten Erwägungsgrund der Fusionsrichtlinie hervor, dass Regelungen geschaffen werden sollten, um Unternehmen die Anpassung an Erfordernisse des Binnenmarktes sowie eine Erhöhung ihrer Produktivität und Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen.296 Ob diese sehr allgemeine Zielsetzung das Detailproblem der Anforderungen an die Übertragung eines Teilbetriebs in dem Sinne beeinflusst, dass eine Nutzungsüberlassung funktional notwendiger Wirtschaftsgüter ausreicht, ist fraglich. Selbstverständlich können die teleologischen Erwägungen zum nationalen Recht nicht auf die Fusionsrichtlinie übertragen werden. Auch wenn der Zwang zur Übertragung des 290 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 145; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 71. 291 Wortgleich mit Art. 2 lit. j) RL 2009/133/EG. 292 Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rs. C-43/00 vom 11.9.2011, Slg. 2000, I-00379, Tz. 22. 293 EuGH vom 15.1.2002, C-43/00 Andersen og Jensen, Slg. 2001, I-08547, Tz. 24, DStRE 2002, 456 (458). 294 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 71; Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (84). 295 Siehe Kapitel 3 F. II. 2. a) cc). 296 Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19.10.2009.
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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wirtschaftlichen Eigentums im Zusammenhang mit dem doppelten Teilbetriebserfordernis als erhebliches Spaltungshindernis wirken kann297, lässt sich dieses Ergebnis zumindest argumentativ nachvollziehen. Die ursprüngliche nationale Systematik wird im Ergebnis nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung überlagert, da hinsichtlich des funktionalen Verständnisses und des Merkmals „Übertragung“ keine Abweichungen des nationalen Rechts von der Fusionsrichtlinie festzustellen ist. c) Zwischenergebnis Bei Auf- und Abspaltungen dürfen die Buchwerte nur fortgeführt werden, wenn ein Teilbetrieb auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht und gegebenenfalls ein Teilbetrieb beim übertragenden Rechtsträger zurückbleibt. Die Exklusivität dieser Voraussetzung bedingt, dass von beiden Teilbetrieben genutzte, funktional erhebliche Wirtschaftsgüter zu einem Spaltungshindernis werden können. Nach nationalem Recht reicht die bloße Nutzungsüberlassung nicht aus. Auch die Fusionsrichtlinie führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar beeinflusst die Fusionsrichtlinie die Auslegung des Teilbetriebsbegriffs. Andererseits unterscheidet sich der europarechtliche Begriff in funktionaler Hinsicht nicht vom ursprünglichen nationalen Begriff. Auch sprechen formale Aspekte der Fusionsrichtlinie und die Rechtsprechung des EuGH gegen eine abweichende Interpretation des Übertragungserfordernisses nach der Fusionsrichtlinie. Teleologische Erwägungen oder ein historischer Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers lassen sich nicht ermitteln. Insofern bedingt das Europarecht erhebliche Interpretationsprobleme und verursacht mehr Unsicherheiten als es beseitigt. 3. Missbrauchsklauseln, § 15 Abs. 2 UmwStG Abgesehen vom doppelten Teilbetriebserfordernis enthält § 15 UmwStG in Abs. 2 als weitere spezifische Voraussetzungen für steuerneutrale Auf- und Abspaltungen mehrere typisierende298 Missbrauchstatbestände. Die Gelegenheit zu einem Gegenbeweis ist in keinem Tatbestand vorgesehen.299 Das SEStEG hat zu keiner materiellen Änderung dieser Tatbestände geführt. Die vormals in § 15 Abs. 3 UmwStG a. F. verorteten Regeln sind unverändert in § 15 Abs. 2 UmwStG vorgerückt.300 Der Verstoß gegen eine der Missbrauchsklauseln schließt nur 297 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsrecht, 2007, § 15 UmwStG, Rn. 84. 298 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 73. 299 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 73; Gille, IStR 2007, 194 (198). 300 Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 377; Ballreich, Fallkommentar UmwR, 2008, S. 295.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
die Anwendung des für die Steuerneutralität erforderlichen § 11 Abs. 2 UmwStG auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers aus, die übrigen Vorschriften der §§ 11 bis 13 UmwStG finden weiterhin entsprechende Anwendung.301 Systematisch ist § 15 Abs. 2 UmwStG folglich eine Rückausnahme zur Möglichkeit, die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert zu bewerten. a) Auf- und Abspaltung kürzlich erworbener oder aufgestockter fiktiver Teilbetriebe Der erste Missbrauchstatbestand in § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG bezieht sich nur auf fiktive Teilbetriebe gemäß § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG.302 Danach darf § 11 Abs. 2 UmwStG bei der Auf- oder Abspaltung von Mitunternehmeranteilen und 100%-Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nicht angewendet werden, wenn diese fiktiven Teilbetriebe innerhalb von drei Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag durch die Übertragung von Wirtschaftsgütern, die selbst nicht die Teilbetriebsvoraussetzung erfüllen, erworben oder aufgestockt worden sind. Problematisch sind daher fiktive Teilbetriebe aus Gesellschaftsrechten, die als Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes erstmalig gewährt wurden oder eine schon bestehende Beteiligung erhöht haben.303 Missbräuchlich wäre demnach zum Beispiel folgende Konstruktion: Eine GmbH überträgt ein einzelnes Wirtschaftsgut, das hohe stille Reserven beinhaltet, steuerneutral gemäß § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG auf eine KG und erhält hierfür einen Mitunternehmeranteil. Dieser Mitunternehmeranteil bildet nunmehr bei der GmbH nach § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG einen fiktiven Teilbetrieb, der seinerseits steuerneutral auf eine weitere Körperschaft abgespalten werden könnte.304 Liegt die Einbringung nicht länger als drei Jahre zurück, verbietet § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG die steuerneutrale Abspaltung des fiktiven Teilbetriebs. Die geschilderte Konstruktion steht nämlich wirtschaftlich der Abspaltung eines Einzelwirtschaftsgutes gleich. Ohne § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG könnten das Teilbetriebserfordernis umgangen und über den Umweg fiktiver Teilbetriebe auch einzelne Wirtschaftsgüter steuerneutral abgespalten werden.305 301 Klingebiel, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 73; Schumacher, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 191. 302 Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 116; Herzig/Förster, DB 1995, 338 (343). 303 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15 UmwStG, Rn. 99; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 203. 304 Zu diesem Beispiel vgl. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 175. 305 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 193; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG 2009, § 15, Rn. 117; Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 75; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 175.
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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b) Veräußerung oder Vorbereitung der Veräußerung an außenstehende Personen § 15 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UmwStG regeln zwei weitere Missbrauchstatbestände, wobei Satz 2 nach überwiegender Ansicht nur als Einleitung für die folgenden Sätze 3 bis 4 dient.306 Eine Auf- oder Abspaltung kann somit nicht steuerneutral durchgeführt werden, wenn durch die Umstrukturierung eine Veräußerung echter oder fiktiver Teilbetriebe307 an außenstehende308 Personen vollzogen (§ 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG) oder durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden (§ 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG). Für die zweite Alternative enthält § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG außerdem eine unwiderlegliche und abschließende Vermutung309, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag mehr als 20% der Anteile veräußert werden, die schon vor der Spaltung an einer der beteiligten Körperschaften bestanden. Ziel dieser Regelungen ist es, die Besteuerung einer Teilbetriebsveräußerung sicherzustellen.310 Die Besteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Teilbetriebs könnte nämlich beispielsweise umgangen werden, indem eine Tochtergesellschaft einen Teilbetrieb steuerneutral auf eine andere Körperschaft abspaltet und die Muttergesellschaft die hierfür erhaltenen Anteile gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei an eine dritte Körperschaft veräußert.311 aa) Nachfolgende Umstrukturierung als Veräußerung Diese teleologische Betrachtung der Missbrauchsvorschriften wirft aber die Frage auf, was unter einer Veräußerung im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 2 bis 4 UmwStG zu verstehen ist. Der Begriff Veräußerung ist allgemein definiert als entgeltliche Übertragung des zivilrechtlichen oder jedenfalls des wirtschaftlichen
306 Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 48; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 136; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 223; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 217; Momen, DStR 1997, 355 (356 f.); Krebs, BB 1997, 1817 (1818). A. A. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15, Rn. 120, 122. 307 Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 48; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 138. 308 Das Merkmal der außenstehenden Person als Erwerber der Anteile gilt auch für § 15 Abs. 2 S. 3, 4 UmwStG, Oho/Remmel, BB 2003, 2539 (2542); Schumacher, DStR 2002, 2066. 309 BFH vom 3.8.2005, I R 62/04, BStBl. II 2006, 391 (392); Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 89. A. A. etwa Neyer, DStR 2002, 2200 (2203). 310 Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (738); Neyer, DStR 2002, 2200; Thiel, DStR 1995, 237 (241). 311 Vgl. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 148.
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Eigentums an einem Vermögensgegenstand auf ein anderes Steuersubjekt.312 Allerdings erfüllen nach Ansicht der Finanzverwaltung auch nachfolgende Verschmelzungen, Spaltungen und sogar Formwechsel diesen Veräußerungsbegriff.313 Steuerschädlich ist daher beispielsweise, wenn im Anschluss an die Abspaltung eines Teilbetriebs gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten die übernehmende Körperschaft in einem zweiten Schritt mittels einer weiteren Verschmelzung oder Spaltung erneut umstrukturiert wird, um so Beteiligungsverflechtungen innerhalb eines Konzerns zu verhindern. Teilweise wird dieses Ergebnis für Umwandlungen mit dem Argument abgelehnt, dass kein Missbrauch vorliege, wenn die Anteilseigner bei der nachfolgenden Umstrukturierung neben weiteren Anteilen keine zusätzliche Gegenleistung erhalten.314 Denn in diesem Fall besteht die Gefahr, dass stille Reserven des Teilbetriebs steuerfrei realisiert werden, nicht mehr. bb) Außenstehende Personen und personelle Kontinuität Für eine Verletzung der fünfjährigen Haltefrist ist aber selbst bei der Einordnung der nachfolgenden Umstrukturierungen als Veräußerung entscheidend, ob die Folgeumstrukturierung eine Veräußerung gerade an außenstehende Personen darstellt. Auch dieses Tatbestandsmerkmal definiert das UmwStG nicht. Bei einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung sind zumindest die bisherigen Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers unstreitig keine außenstehenden Personen.315 Eine so enge Auslegung verhindert aber gleichzeitig weitere Umstrukturierungen innerhalb eines Konzernverbunds. Denkt man Beispiel 4316 dahingehend weiter, dass A alle Anteile der S-GmbH, die den abgespaltenen Teilbetrieb übernommen hat, in einem zweiten Schritt in die X-GmbH einbringt, deren Anteile A ebenfalls alleine hält, ist auf den ersten Blick § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG
312 BFH vom 22.9.1992, VIII R 7/90, BStBl. II 1993, 228 (229); Schallmoser/Stuhrmann, in: Blümich, EStG, 2011, § 16, Rn. 12; Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/ Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 52; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 311; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 148; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 225. 313 Schon BMF vom 25.3.1998, IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl. I 1998, 268 ff., Tz. 15.24 sowie auch der neue Umwandlungssteuererlass des BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.24, der außerdem den Formwechsel als schädliche Veräußerung qualifiziert; Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (622); Körner, DB 2010, 1315 (1317). 314 Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 153; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 229. 315 Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 49; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 212; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 199. 316 Siehe Kapitel 3 F.
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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erfüllt. Denn die X-GmbH war ursprünglich nicht am abspaltenden Rechtsträger beteiligt. Wirtschaftlich betrachtet hat sich dennoch nichts verändert317; A hält die Anteile an der S-GmbH nur mittelbar über eine weitere Gesellschaft. Das rechtfertigt es, auch diejenigen konzernangehörigen Rechtsträger nicht als außenstehende Personen anzusehen, an denen die ursprünglichen Anteilseigner gleichermaßen beteiligt sind.318 Zur Konkretisierung des Kreises derart verbundener Unternehmen orientiert sich die überwiegende Ansicht an den Kriterien des § 271 Abs. 2 HGB319. Folgeumstrukturierungen innerhalb eines Konzerns oder unter Beteiligung der ursprünglichen Anteilseigner sind also in aller Regel nicht missbräuchlich. Aus dieser besonderen Voraussetzung lässt sich ableiten, dass die Steuerneutralität von Auf- und Abspaltungen neben der Fortexistenz einer betriebswirtschaftlich lebensfähigen Vermögensmasse auch auf Ebene der Anteilseigner eine personelle Kontinuität verlangt.320 c) Trennung von Gesellschafterstämmen Schließlich qualifiziert § 15 Abs. 2 S. 5 UmwStG die Trennung von Gesellschafterstämmen als missbräuchlich, wenn die Beteiligungen der Gesellschafter am übertragenden Rechtsträger nicht seit mindestens fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag bestehen. Das Tatbestandsmerkmal des Gesellschafterstamms ist gesetzlich ebenfalls nicht definiert. Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur bilden mehrere Gesellschafter einen Stamm, wenn sie sich einander zugehörig fühlen oder von Dritten als derart verbunden angesehen werden.321 Die Trennung solcher Gesellschafterstämme bietet sich etwa an, wenn einzelne Gesellschaftergruppen unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige strategische Ausrichtung des Unternehmens haben.322 Sie kann zivilrechtlich insbesondere durch eine nicht verhältniswahrende Spaltung mit Zustimmung aller 317
Vgl. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 205. Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 213; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 205. 319 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.26; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 15 UmwStG, Rn. 114; Oho/Remmel, BB 2003, 2539 (2542). Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 242 sieht diesen Fall nur als Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung. 320 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 212 f.; ders., DStR 2002, 2066 (2067). 321 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 98; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 178; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 251. A. A. Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 222, der als Merkmal ausschließlich auf die Verfolgung gleichgerichteter Interessen abstellt. 322 Wochinger, in: FS für Widmann, 2000, S. 639 (641); Herzig/Förster, DB 1995, 338 (349). 318
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Gesellschafter nach § 128 UmwG erreicht werden.323 Dieses Instrument ermöglicht es den beteiligten Gesellschaftern, die als Gegenleistung gewährten Anteile am übernehmenden Rechtsträger in einem beliebigen Verhältnis untereinander aufzuteilen, das nicht den ursprünglichen Beteiligungsquoten am übertragenden Rechtsträger entspricht. § 15 Abs. 2 S. 5 UmwStG erfasst also insgesamt Sachverhalte, die zu einer Neuordnung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse durch die Umstrukturierung führen.324 Missbräuchlich ist dann beispielsweise eine Umstrukturierung, bei der ein Gesellschafter dem übertragenden Rechtsträger kurzfristig beitritt, anschließend ein Teilbetrieb vor Ablauf der Fünfjahresfrist nicht verhältniswahrend zur Neugründung abgespalten wird und der neu hinzugetretene Gesellschafter alle325 Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhält.326 Wirtschaftlich betrachtet stellt ein solches Vorgehen eine mittelbare Veräußerung des Teilbetriebs an den beitretenden Gesellschafter dar. Der Gesetzgeber verfolgt also auch mit § 15 Abs. 2 S. 5 UmwStG die Intention, einer Gestaltung die steuerliche Anerkennung zu versagen, wenn sie der Umgehung der Steuerpflicht einer Teilbetriebsveräußerung dient327 und sich durch die Umstrukturierung der seit wenigstens fünf Jahren bestehende Gesellschafterkreis verändert.
III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und bei den Anteilseignern Unabhängig davon, ob § 11 Abs. 2 UmwStG bei der Spaltung angewendet werden darf, verweist § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG in seinem Anwendungsbereich für die steuerlichen Folgen auf Ebene der übernehmenden Körperschaft und der 323 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 253 f. 324 Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 182; Moszka, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 511; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/ Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 389; Schumacher, DStR 2002, 2066 (2068). 325 Eine solche „Spaltung zu Null“ ist unter Beachtung der Voraussetzungen von § 128 UmwG möglich. Strittig ist allerdings die steuerliche Behandlung möglicher Ausgleichsleistungen, etwa durch Gewährung zusätzlicher Anteile an der übertragenden Körperschaft, an die übrigen Gesellschafter im Hinblick auf §§ 15 Abs. 1 S. 2, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG. Siehe hierzu Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 128, Rn. 16 f., 27, sowie § 15 UmwStG, Rn. 254 ff.; Schumacher, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 184 f.; Wochinger, in: FS für Widmann, 2000, S. 639 (645 ff.); Walpert, DStR 1998, 361 (362); Haritz/Wagner, DStR 1997, 181 (182 f.). 326 Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 63; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 217; Schumacher, DStR 2002, 2066 (2067 f.). 327 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 97; Hörtnagl, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 217.
F. Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft
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Anteilseigner auf die §§ 12 und 13 UmwStG. Die Ausführungen im Rahmen der Erörterung einer Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften 328 gelten daher für die Auf- und Abspaltung auf eine andere Körperschaft gleichermaßen. Soweit also durch den spaltungsbedingten Übergang der Wirtschaftsgüter ein Gewinn entsteht, bleibt dieser Spaltungsgewinn außer Ansatz, §§ 15 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG. Das Kernstück der Regelungen ist erneut die Anordnung der Buchwertfortführung nach §§ 15 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 S. 1 UmwStG, die zu einer Verlagerung der stillen Reserven auf den übernehmenden Rechtsträger führt.329 Aufgrund der Anwendung von § 13 UmwStG stellen auch die Auf- und Abspaltung für die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers einen Anteilstausch dar. Unabhängig von der Bewertung des übergehenden Vermögens kann für die Anteilseigner ein Gewinn nach § 15 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 13 Abs. 1 UmwStG aus der Aufdeckung der in den Anteilen ruhenden stillen Reserven entstehen, soweit die Voraussetzungen für die Steuerneutralität nach §§ 15 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 2 UmwStG nicht erfüllt sind.330 In Beispiel 4 kann die Abspaltung also mangels Übertragung eines Teilbetriebs auch auf Gesellschafterebene nicht steuerneutral durchgeführt werden. Dieser Gewinn resultiert aber nicht aus der Aufdeckung der stillen Reserven in dem übergehenden Vermögen und kann deshalb von der weiteren Betrachtung ausgenommen werden.
IV. Zwischenergebnis zu § 15 UmwStG Für die Auf- und Abspaltung nach § 15 UmwStG lässt sich als Zwischenergebnis festhalten: Da eine Spaltung letztlich nichts anderes als eine „Teilverschmelzung“ 331 ist, verweist § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG konsequent auf die §§ 11 bis 13 UmwStG. Im Inlandsfall ist eine Auf- oder Abspaltung steuerneutral möglich. Hierzu müssen einerseits die bereits bekannten Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG erfüllt sein. Darüber hinaus stellen § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG durch das doppelte Teilbetriebserfordernis und § 15 Abs. 2 UmwStG mit den besonderen Missbrauchsvermeidungsklauseln zusätzliche Anforderungen an die Steuerneutralität. Diese zusätzlichen hohen Voraussetzungen führen dazu, dass das Steuerrecht hinsichtlich des umzustrukturierenden Vermögens vom Zivilrecht abweicht und nur die Übertragung qualifizierter Vermögensmassen und nicht auch den Übergang von Einzelwirtschaftsgütern privilegiert. Die Missbrauchsklauseln verhindern schließlich die Ausnutzung der umwandlungssteuerlichen Vorteile zur steuerneutralen Veräußerung des abgespaltenen Teilbetriebs. 328
Siehe Kapitel 3 E. III. zu den einzelnen Auswirkungen. Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 446. 330 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 15 UmwStG, Rn. 36. 331 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 4; Thiel, DStR 1996, 237 (238). 329
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Kap. 3: Besteuerung nationaler Umwandlungen
Unabhängig vom Wertansatz des übergehenden Vermögens lösen die Auf- und Abspaltung bei der übernehmenden Körperschaft und den jeweiligen Anteilseignern die gleichen Gewinnauswirkungen wie die Verschmelzung zweier Körperschaften aus. Durch die Wertverknüpfung auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers stellt der Gesetzgeber auch hier die spätere Erfassung der stillen Reserven sicher.
G. Auf- und Abspaltung auf eine Personengesellschaft, § 16 UmwStG Da es sich bei Spaltungsvorgängen um das Gegenstück zur Verschmelzung handelt, wäre die Vermögensübertragung im Rahmen einer Auf- oder Abspaltung auf Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ohne Geltung des UmwStG entsprechend der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft steuersystematisch als Liquidation oder Veräußerungsvorgang zu behandeln.332 Es käme also zur Aufdeckung der stillen Reserven im übergehenden Vermögen. Im Anwendungsbereich des § 16 UmwStG sind im Ergebnis aber auch steuerneutrale Auf- und Abspaltungen auf Personengesellschaften möglich, wenn ein Teilbetrieb übertragen wird, die übergehenden Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen ertragsteuerlich erfasst bleiben, deutsche Besteuerungsrechte durch die Spaltung nicht verschlechtert werden, eine Gegenleistung nur in Gesellschaftsrechten besteht und schließlich die Spaltung nicht im Sinne des § 15 Abs. 2 UmwStG missbräuchlich ist.333 Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine steuerneutrale Auf- oder Abspaltung auf eine Personengesellschaft illustriert § 16 UmwStG das „Baukastenprinzip“ 334 des UmwStG besonders deutlich. Im Einzelnen verweist § 16 UmwStG auf die §§ 3 bis 8, 10 und 15 UmwStG. Diese Normenkette ist etwas unpräzise und führt zu einer gewissen Verwirrung. Denn sowohl § 3 Abs. 2 UmwStG als auch § 11 Abs. 2 UmwStG, auf den wiederum der in Bezug genommene § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG verweist, stellen vergleichbare335 Anforderungen an die Steuerneutralität.336 Wird beispielsweise ein Teilbetrieb einer GmbH auf eine KG abgespalten, dann ergibt sich allerdings aus der Gesetzessystematik, dass die Wahl des Buchwertes spiegelbildlich zur Verschmelzung auf eine Personengesellschaft zuerst die Erfüllung der Voraussetzungen von § 16 S. 1 i.V. m. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 332 Siehe zu den Rechtsfolgen der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft nach allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln Kapitel 3 B. I. Siehe auch Benecke/Schnittker, FR 2010 555 (558 f.); Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 16, Rn. 7. 333 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Kapitel 3 B. II. 2. sowie F. II. 3. 334 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 16, Rn. 2. 335 Siehe Kapitel 3 B. II. 2. und E. II. 2. 336 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 16, Rn. 10.
G. Auf- und Abspaltung auf eine Personengesellschaft
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Nr. 3 UmwStG fordert. Die Buchwertfortführung steht jedoch ihrerseits unter dem Vorbehalt, dass zusätzlich das doppelte Teilbetriebserfordernis nach § 16 S. 1 i.V. m. § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG erfüllt ist und kein Missbrauch gemäß § 16 S. 1 i.V. m. § 15 Abs. 2 UmwStG vorliegt.337 Für diese Lesart spricht vor allem, dass § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG die entsprechende Geltung der §§ 11 ff. UmwStG nur unter Vorbehalt des § 16 UmwStG ausspricht338 und diese Normen nur Vorgänge unter Beteiligung zweier Körperschaften betreffen339. Der mittelbare Weiterverweis des § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG auf die §§ 11 ff. UmwStG ist daher für die Auf- und Abspaltung auf eine Personengesellschaft bedeutungslos.340 Außerdem war auch im Gesetzgebungsverfahren zum UmwStG 1995 die unglückliche sprachliche Fassung des § 16 S. 1 UmwStG Gegenstand der Diskussion.341 In ihrer Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates hat die Bundesregierung allerdings ausdrücklich klargestellt, dass das Teilbetriebserfordernis342 und die Missbrauchsklauseln auch für § 16 UmwStG gelten sollen343. Durch das SEStEG wurde § 16 UmwStG zudem nur redaktionell angepasst344, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber von der entsprechenden Anwendung der besonderen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 UmwStG absehen wollte. Für eine solche materielle Änderung enthalten die Materialien zum SEStEG keine Hinweise.
337 Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 16, Rn. 11; Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 16 UmwStG, Rn. 1, 7; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 16 UmwStG, Rn. 78. 338 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 16 UmwStG, Rn. 8; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 16, Rn. 3; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 16, Rn. 12; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 16, Rn. 9. 339 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 16, Rn. 12. 340 Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 547; Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 16, Rn. 2. 341 BT-Drs. 12/7263 S. 6, 11. 342 Zweifelnd hinsichtlich des zwingenden Übergangs eines Teilbetriebs, Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 16, Rn. 13 bis 15, unter Hinweis darauf, dass das Teilbetriebserfordernis seit dem SEStEG in § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG enthalten ist und der Verweis auf diese Norm ins Leere gehe. Außerdem könne das Teilbetriebserfordernis bei einer Spaltung auf Personengesellschaften den Sinn und Zweck, die steuerfreie Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern durch anschließende steuerfreie Veräußerung der Anteile der übernehmenden Körperschaft, ohnehin nicht erfüllen, da keine steuerfreie Veräußerung von Personengesellschaftsanteilen denkbar sei. 343 BT-Drs. 12/7263, S. 11. Gl. A. Sagasser/Schöneberger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 20, Rn. 124; BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/ 08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 16.02. A. A. Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 16, Rn. 23; Thieme, BB 2005, 2042 (2043). 344 BT-Drs. 16/2710, S. 42.
Kapitel 4
Besteuerung nationaler Einbringungen Im Gegensatz zur ersten Fallgruppe, die hinsichtlich der einzelnen Umstrukturierungsvorgänge ausschließlich an das zivilrechtliche UmwG anknüpft, stellt sich der Anwendungsbereich der Buchwertfortführungsvorschriften bei Einbringungen wesentlich heterogener dar. In dieser zweiten und dritten Fallgruppe gewährleisten Vorschriften des UmwStG und des EStG steuerneutrale Umstrukturierungen, die im Inlandsfall einerseits durch Umwandlungen nach dem UmwG und andererseits mittels allgemeiner zivilrechtlicher Regeln im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder Anwachsungen verwirklicht werden und Sachgesamtheiten sowie einzelne Wirtschaftsgüter betreffen.
A. Einbringung nach dem UmwStG Der Einbringungsteil des UmwStG regelt in den §§ 20 bis 25 UmwStG gegenüber den bisher betrachteten Regeln einen „abgeschlossenen Bereich“ 1. Bei der Untersuchung wird sich zeigen, dass der Einbringungsteil Umstrukturierungen im Wesentlichen unter den gleichen Voraussetzungen wie der Umwandlungsteil steuerneutral ermöglicht, obwohl den §§ 20 ff. UmwStG eine eigenständige Systematik zugrunde liegt. Von den Einbringungsregeln des EStG grenzen sich die §§ 20 ff. UmwStG dadurch ab, dass die erfassten Sachverhalte von der Übertragung qualifizierter Vermögensmassen in Form von Betrieben und Teilbetrieben, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sowie Mitunternehmeranteilen geprägt sind.
I. Anwendungsbereich des sechsten bis achten Teils des UmwStG Auch für die Anwendung der §§ 20 ff. UmwStG müssen die Umstrukturierungsmaßnahme und die daran beteiligten Rechtsträger besondere sachliche und persönliche Voraussetzungen erfüllen. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 UmwStG zählt zunächst die vielfältigen sachlich erfassten Einbringungsvorgänge abschließend2 1 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 1. 2 BT-Drs. 16/2710, S. 36; Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, 2007, Rn. 329.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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auf. Mögliche Umstrukturierungen sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG Verschmelzungen sowie Auf- und Abspaltungen einer Personengesellschaft auf eine Körperschaft oder andere Personengesellschaften, sämtliche Ausgliederungsvorgänge (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 UmwStG), Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG) sowie die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG) und der Anteilstausch (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG). Allein schon diese Aufzählung verdeutlicht den grundsätzlichen systematischen Unterschied zwischen dem Umwandlungsteil und dem Einbringungsteil des UmwStG: Nur die von § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG erfassten Maßnahmen knüpfen akzessorisch an das UmwG an3, während die übrigen erfassten Umstrukturierungen in Nr. 4 und Nr. 5 die Einzelrechtsnachfolge nutzen. In persönlicher Hinsicht fordern § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 lit. a) UmwStG ebenfalls einen doppelten Bezug zur EU oder zum EWR. Im Inlandsfall, wenn also der übernehmende und der einbringende beziehungsweise formwechselnde Rechtsträger oder deren Gesellschafter ausschließlich in der Bundesrepublik ansässig sind und nur inländisches Vermögen übertragen wird, ist diese Voraussetzung erfüllt.
II. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG Im Zusammenhang mit der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaften nach § 20 UmwStG wurden seit dem SEStEG wieder Gestaltungen wie im folgenden Beispiel 54 diskutiert: Die A-GmbH und die natürliche Person B sind Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG. Auf A entfallen 90% der Kommanditanteile, die übrigen 10% hält B. Die Kommanditisten wollen die Unternehmensstruktur vereinfachen und die Gesellschaft in Zukunft nur noch in Form einer Kapitalgesellschaft betreiben. Außerdem soll durch den Wechsel in die Rechtsform der GmbH eine später anstehende grenzüberschreitende Verschmelzung nach den §§ 122a ff. UmwG vorbereitet werden.5 Als rechtstechnisch unkomplizierte und kostengünstige6 Gestal3 Vgl. Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 6. 4 Beispiel in Orientierung an BFH vom 28.5.2008, I R 98/06, DStR 2008, 1779 ff. Zum Sachverhalt des Urteils siehe auch ausführlich die Vorinstanz, Niedersächsisches FG vom 2.11.2006, 6 K 502/02, DStRE 2007, 1164 ff. sowie die Darstellung bei Orth, DStR 2009, 192. 5 Zum Motiv der Vorbereitung weiterer Umstrukturierungsschritte durch Einbringungen siehe Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 40. 6 Bei einer Anwachsung muss nicht das relativ komplizierte Verfahren nach dem UmwG durchgeführt werden, Kowallik/Merklein/Scheipers, DStR 2008, 173 (174). Insbesondere können durch eine Anwachsung auch die sonst bei einer Verschmelzung an-
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
tungsalternative zu einer Verschmelzung, aber mit vergleichbarem wirtschaftlichem Ergebnis7, wählen die Beteiligten das sogenannte erweiterte Anwachsungsmodell. Dazu bringen A und B ihre Kommanditanteile in die Komplementärin ein, das Stammkapital der Komplementär-GmbH wird erhöht. Die so entstandenen neuen Geschäftsanteile der X-GmbH übernehmen A zu 90% und B zu 10%. Die Einbringung der Kommanditanteile 8 in die GmbH führt dazu, dass A und B aus der KG ausscheiden und die als einzige Gesellschafterin verbleibende Komplementärin das gesamte Vermögen der KG durch Anwachsung nach §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V. m. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erwirbt9. Infolgedessen erlischt die KG liquidationslos.10 Die XGmbH führt ab dem Zeitpunkt der Einbringung das Unternehmen der KG fort, A und B sind im gleichen Verhältnis wie vor der Umstrukturierung an dieser Gesellschaft beteiligt. 1. Steuersystematische Einordnung der Einbringung in Kapitalgesellschaften Das wirtschaftliche Ergebnis des in Beispiel 5 beschriebenen Anwachsungsmodells entspricht exakt den Rechtsfolgen einer Verschmelzung. Das Betriebsvermögen der KG geht auf die GmbH über, wobei die Gesellschafter der KG als Gegenleistung für den Vermögensübergang Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger erhalten und die KG erlischt. Mit dem Übergang des Vermögens auf einen anderen Rechtsträger drängen sich auch für Einbringungen die Problematik einer Gewinnrealisierung nach allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln sowie die Frage nach der steuersystematischen Stellung von § 20 UmwStG auf. Auffällig ist, dass hinsichtlich der Begründung einer Gewinnrealisierung durch Einbringung ohne Geltung des UmwStG erheblich weniger Streit besteht als bei den bisher betrachteten Maßnahmen im Umwandlungsteil des UmwStG. Übertragungen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfüllen nach nafallenden Notarkosten gespart werden, Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 89; Ege/Klett, DStR 2010, 2463. 7 Körner, IStR 2009, 1 (13). 8 Gesellschaftsrechtlich erfolgt die Einbringung durch Übertragung nach § 413 BGB, wenn diese Verfügung nach dem Gesellschaftsvertrag zulässig ist oder alle übrigen Gesellschafter zustimmen, Pielhler/Schulte, in: Gummert/Weipert, Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Band I, 2009, § 10, Rn. 111 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 45 III, S. 1324. 9 Zur Anwachsung oben Kapitel 2 C. I. 2. a); Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 9, Rn. 1; Ege/Klett, DStR 2010, 2463. 10 Siehe Kapitel 2 C. I. 2. a) und BGH vom 7.7.2008, II ZR 37/07, DStR 2008, 1792; Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 94; Orth, DStR 1999, 1011 (1013).
A. Einbringung nach dem UmwStG
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hezu einhelliger Ansicht in der Literatur11 und in ständiger Rechtsprechung12 die Tatbestandsvoraussetzungen einer Veräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG. Da das Entgelt in Gesellschaftsrechten besteht, soll es sich um Tauschvorgänge handeln.13 Diese Qualifikation der Einbringung gilt außerdem unabhängig davon, ob dem Vermögensübergang die zivilrechtliche Rechtstechnik der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge zugrunde liegt14, also die Umstrukturierung nach dem UmwG oder nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen erfolgt. Schon die allgemeine Bewertungsregel des § 6 Abs. 6 EStG ordnet für solche offenen Sacheinlagen im Wege der Einbringung die Bewertung mit dem gemeinen Wert an.15 Vereinzelt findet sich auch für Einbringungen die Einordnung als Betriebsaufgabe.16 Zur insofern konsequenten Aufdeckung der stillen Reserven bildet das UmwStG eine Ausnahme. Indem der übernehmende Rechtsträger unter besonderen Voraussetzungen die Buchwerte des eingebrachten Vermögens fortführen darf, können auch Einbringungen steuerneutral erfolgen. § 20 UmwStG regelt 11 Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 3; Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 1; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 12; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 20–23, Rn. 9; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 3; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 45; Dietrich, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 382; Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1535; Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 149; Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (85); Crezelius, FR 2009, 881 (886); Damas, DStZ 2007, 129 (135); Thiel/Eversberg/van Lishaut/Neumann, GmbHR 1998, 397 (430 f.); Hahn, DStZ 1998, 561 (565); Sarrazin, ZGR 1999, 66 (68); Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 17, der nur ein tauschähnliches Veräußerungsgeschäft und keine Anschaffung bei der übernehmenden Gesellschaft annimmt. A. A. soweit ersichtlich Fatouros, DStR 2003, 772 (773), der eine Veräußerung nur bei Einzelrechtsnachfolge annehmen will. A. A. auch Hoffmann, BB 1996, Beilage zu Heft 40, 1 (11 f.); Gschrei/ Büchele, BB 1997, 1072 (1075), die Gesellschaftsbeteiligungen aus bilanzieller Sicht als anteilige Repräsentation der Vermögensgegenstände und Schulden der Gesellschaft verstehen und daher die Einräumung von Gesellschaftsrechten nur als Rechtsreflex und nicht als eigenständige Gegenleistung begreifen und daher einen Realisationstatbestand ablehnen. 12 BFH vom 13.7.1965, I 167/59 U, BStBl. III 1965, 640 (642); BFH vom 30.4.1975, I R 41/73, BStBl. II 1975, 706 (707); BFH vom 23.1.1986, IV R 335/84, BStBl. II 1986, 623; BFH vom 16.2.1996, I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (343); BFH vom 7.7.1998, VIII R 5/96, BStBl. II 1999, 209 (211); BFH vom 5.6.2002, I R 6/01, DStR 2003, 37; BFH vom 17.9.2003, I R 97/02, BStBl. II 2004, 686 (687). 13 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 46. 14 BFH vom 17.9.2003, I R 97/02, BStBl. II 2004, 686 (687); Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20 Rn. 3. A. A. FG Köln vom 5.9. 2002, 13 K 5561/01, DStR 2003, 348 (349); Fatouros, DStR 2003, 772 (773). 15 Kulosa, in: Schmidt, EStG, 2011, § 6, Rn. 735; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 18; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 53. 16 Salditt, StuW 1972, 353 (357); Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 51.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
daher den Unterfall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe nach § 16 EStG17 und modifiziert die hierbei geltenden allgemeinen Bewertungsregeln18. 2. Auswirkung beim Einbringenden – Steuerneutralität nur als Ausnahme Nach dieser Systematik kann die Umstrukturierung in Beispiel 5 also nur steuerneutral erfolgen, wenn die Voraussetzungen von § 20 UmwStG vorliegen. Gesetzestechnisch ist diese Regelung indes ungleich komplizierter als der Umwandlungsteil mit den §§ 3, 11 UmwStG. Im Ausgangspunkt hängt auch bei Einbringungsvorgängen nach § 20 UmwStG die Steuerneutralität von der Bewertung des übergehenden Vermögens beim einbringenden Rechtsträger ab. Diese Werte knüpfen aber ihrerseits wiederum an die Bewertung des übergehenden Vermögens bei der übernehmenden Gesellschaft an. Für den Einbringenden19 gilt nämlich nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das übergehende Vermögen ansetzt, als Veräußerungspreis für das übergehende Vermögen und als Anschaffungskosten20 für die neuen Gesellschaftsanteile. Wenn also der übernehmende Rechtsträger die Buchwerte des übergehenden Vermögens fortführt, entsteht auf Ebene des Einbringenden kein Einbringungsgewinn, da die insofern maßgebliche Differenz zwischen Buchwert und Veräußerungspreis (der dann dem Buchwert entspricht) Null beträgt.21 Muss der übernehmende Rechtsträger allerdings den gemeinen Wert ansetzen, dann übersteigt der Veräußerungspreis den Buchwert des übergehenden Vermögens und auf Ebene des Einbringenden werden die stillen Reserven aufgedeckt. Mit welchem Wert die übernehmende Gesellschaft ihrerseits das übertragene Vermögen ansetzen darf, regelt § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG. Die übernehmende Gesellschaft muss auch bei Einbringungen das übergehende Betriebsvermögen zunächst grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewerten. Den Buch- oder Zwischenwert darf sie nur auf Antrag unter den zusätzlichen Voraussetzungen des 17 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 46. 18 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 17 f.; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 47. 19 Bei der Einbringung von Vermögen aus einer Personengesellschaft ist fraglich, wer Einbringender ist. Die Mitunternehmerschaft ist selbst Einbringender, wenn sie nach dem Umstrukturierungsvorgang noch fortbesteht, geht sie unter, dann sind die Mitunternehmer Einbringende ihrer Mitunternehmeranteile, Wochinger, in: FS für Herzig, 2010, S. 749 (757); Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20, Rn. R 46; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 34. 20 Soweit neben neuen Gesellschaftsanteilen auch andere Gegenleistungen gewährt werden, sind die Anschaffungskosten für die Gesellschaftsanteile nach Maßgabe von § 20 Abs. 3 S. 3 UmwStG zu modifizieren. 21 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 405.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG wählen. Anders als bei §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 2 UmwStG steht das Bewertungswahlrecht also nicht dem übertragenden sondern ausschließlich dem übernehmenden Rechtsträger zu.22 Ein sachlicher Grund für diese abweichende Mechanik des Gesetzes ist nicht ersichtlich und wohl nur aus der historisch gewachsenen Unterscheidung zwischen Einbringungen und Umwandlungen in der Rechtsprechung des BFH zu erklären, die der Gesetzgeber für das UmwStG übernommen hat23. Eine Angleichung der Techniken wäre im Sinne eines systematisch geschlossenen steuerlichen Umstrukturierungsrechts wünschenswert. Im Gegensatz zu § 20 Abs. 2 UmwStG a. F. ist der Buchwertansatz im Einbringungsteil ebenfalls nicht mehr die Regel, sondern vielmehr die Ausnahme. Somit lässt sich auch für den Einbringungsteil der schon im Umwandlungsteil aufgefallene Paradigmenwechsel durch das SEStEG24 beobachten.25 Bei genauer Betrachtung weisen die Voraussetzungen der Steuerneutralität trotz der technischen Abweichungen beider Regelungskomplexe dennoch erhebliche Parallelen auf. a) Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG Die Bewertungsvorschriften in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 UmwStG setzen die Qualifikation der Umstrukturierung als Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG voraus.26 Es muss also ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft27 gegen Gewährung neuer Anteilen eingebracht werden. Schon die Tatbestandsmerkmale dieser Legaldefinition weisen auffällige Parallelen zu den Voraussetzungen der §§ 3, 11 und 15 UmwStG auf. Geeignete Umstrukturierungsobjekte sind mit Betrieben und Teilbetrieben nur selbständig lebens- und funktionsfähige, auf Gewinnerzielung gerichtete Organisationseinheit28 sowie Mitunternehmeranteile 29. Betriebe und Teilbetriebe30 wer22 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 79, der außerdem darauf hinweist, dass daher im Einbringungsvertrag häufig Vereinbarungen hinsichtlich der Ausübung dieses Wahlrechts getroffen werden, da sich die Ausübung des Wahlrechts auch auf den Gewinn des Einbringenden auswirkt. 23 Dazu Jacobsen, FR 2011, 973 (974). 24 Siehe Kapitel 3 A. II. 1. 25 Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1536; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 640. 26 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 23; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 16. 27 Als übernehmende Rechtsträger kommen sowohl in- als auch ausländische Genossenschaften und Kapitalgesellschaften in Betracht, wenn sie die Ansässigkeitsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllen, Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 115 ff. 28 So die Definition des Betriebs in der Literatur bei Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 121; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009,
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
den auch für die §§ 20 ff. UmwStG durch ihre funktional zu bestimmenden wesentlichen Betriebsgrundlagen31 konstituiert. Für die Einbringung eines Teilbetriebs gelten die zu § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG dargestellten Grundsätze daher entsprechend. Im Gegensatz zum Umwandlungsteil benennt § 20 UmwStG ausdrücklich auch ganze Betriebe als Gegenstand der Umstrukturierung. Allerdings ist auch dieses Merkmal bei genauer Betrachtung nicht neu. Denn die §§ 3, 11 UmwStG setzen ebenfalls den Übergang vollständiger wirtschaftlicher Organisationseinheiten voraus. Zwar wird der Betrieb als Umstrukturierungsobjekt nicht expressis verbis genannt. Aus der akzessorischen Verknüpfung mit dem UmwG folgt aber, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers im Ganzen übergeht und somit automatisch eine funktionsfähige Organisationseinheit des Wirtschaftslebens darstellt. aa) Neue Gesellschaftsanteile als Gegenleistung Einige Abweichungen zu den bisher analysierten Buchwertfortführungstatbeständen enthält § 20 UmwStG hinsichtlich der Gegenleistung. Im Unterschied zu §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG, die nur Anteile am aufnehmenden Rechtsträger als zulässige Gegenleistung akzeptieren, dürfen gemäß § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG bei Einbringungen neben Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter als Gegenleistung gewährt werden.32 Ein ursprünglich vorgesehener Ausschluss anderer Gegenleistungen in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG in der Fassung des Referentenentwurfs33 ist nicht Gesetz geworden.34 Hinzu kommt noch die Voraussetzung, dass die nach § 20 Abs. 1 UmwStG zwingend zu leistenden Anteile neu sein müssen. Neu sind Gesellschaftsanteile aber nur, wenn sie eine bisher noch nicht bestehende Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und ihrem Anteilseigner begründen.35 Das ist insbesondere der Fall, wenn die Anteile aufgrund einer zivilrechtlichen Sachgründung oder Sach-
§ 20, Rn. 14; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 28. 29 Eine Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG liegt auch vor, wenn der Mitunternehmeranteil als Agio bei einer Barkapitalgründung oder -erhöhung eingebracht wird, BFH vom 7.4.2010, I R55/09, DStR 2010, 1780 ff. 30 Zum Begriff des Teilbetriebs ausführlich Kapitel 3 F. II. 2. a). 31 BT-Drs. 16/2710, S. 42. Die funktionale Auslegung dieses Merkmals gilt auch für den Betriebsbegriff, Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 12. 32 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 181; Förster/Wendland, BB 2007, 631 (632 f.). 33 BT-Drs. 16/2710, S. 17. Zur Änderung siehe den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/3369, S. 11. 34 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStG, 2007, Vor §§ 20–23, Rn. 9. 35 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 205.
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kapitalerhöhung nach §§ 5 Abs. 4, 56 GmbHG oder §§ 27, 183 AktG entstanden sind.36 Eine Gegenleistung in schon bestehenden eigenen, also „alten“, Anteilen reicht nicht aus.37 Eine gewisse Erleichterung dieser strengen Voraussetzung besteht darin, dass die neuen Anteile eine beliebig niedrige Beteiligungshöhe repräsentieren dürfen.38 Besonders problematisch ist die obligatorische Gewährung neuer Anteile bei konzerninternen Umstrukturierungen. Soll beispielsweise eine 100%-ige Tochterpersonengesellschaft auf ihre Mutterkapitalgesellschaft verschmolzen werden, verbieten § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG sowie der wortgleiche § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG eine Kapitalerhöhung und verhindern gleichzeitig das Entstehen neuer Anteile. Eine steuerneutrale Upstream-Verschmelzung nach den §§ 2 ff. UmwG ist daher im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG anders als nach §§ 3, 11 UmwStG nicht möglich, sodass die Beteiligten auf wirtschaftlich äquivalente Ersatzkonstruktionen verwiesen sind.39 An der Gewährung neuer Anteile fehlt es auch im Fall der Downstream-Verschmelzung, wenn die übernehmende Tochterkapitalgesellschaft von ihrem Wahlrecht aus § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG oder § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG Gebrauch macht. Nach diesen Vorschriften darf eine Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger unterbleiben, wenn der übertragende Rechtsträger voll eingezahlte Anteile am übernehmenden Rechtsträger hält. Allerdings fehlt es auch in diesem Fall für eine Sacheinlage im Sinne von § 20 Abs. 1 UmwStG an der Gewährung neuer Anteile.40 Anders als im Anwendungsbereich des § 11 UmwStG ist ein Downstream-Merger, jedenfalls ohne zusätzliche marginale Kapitalerhöhung41, nicht steuerneutral möglich. Auch dieser Punkt illustriert, dass die Regeln des UmwStG entgegen der Ankündigung des Gesetzgebers systematisch nicht völlig konsistent sind42 und wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte im Umwandlungsteil und im Einbringungsteil ungleich behandeln.
36 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20 UmwStG, Rn. R 134; Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 188; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 210. 37 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 75; Herlinghaus, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 132. 38 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20, Rn. R 137; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20 UmwStG, Rn. 187. 39 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 177. 40 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 178; Middendorf/Stegemann, DStR 2005, 1082 (1084). A. A. Kesseler, DStR 2006, 67 (69). 41 Middendorf/Stegemann, DStR 2006, 71 (72). 42 Kritisch auch Jacobs, FR 2011, 973 (973 f.).
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bb) Einbringung – auch „durch Anwachsung“ Bei der Sacheinlage eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils muss der übernehmende Rechtsträger das zivilrechtliche oder jedenfalls das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten.43 Das Gesetz definiert den Einbringungsvorgang nicht, sodass offen bleibt, ob der Vermögensübergang auf einer bestimmten Rechtstechnik basieren muss, um steuerlich privilegiert zu sein. Diese Frage hat vor allem durch die abschließende Umschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs der Einbringungen in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5 UmwStG neue Relevanz gewonnen. Seit dem SEStEG gewährleisten die §§ 20 ff. UmwStG Steuerneutralität nur noch für zivilrechtliche Vermögensübertragungen durch Umwandlungen nach dem UmwG (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG) sowie durch Einzelrechtsnachfolge und im Wege des Anteilstauschs.44 Diese abschließende Aufzählung hat in der Literatur eine Diskussion darüber ausgelöst, ob Umstrukturierungen außerhalb des UmwG unter Verwendung allgemeiner zivilrechtlicher Instrumente mit wirtschaftlich äquivalenten Ergebnissen steuerneutral möglich sind. Insbesondere wird vertreten, dass § 20 UmwStG erweiterte Anwachsungsmodelle45 nicht erfasse. Es handle sich weder um eine Umstrukturierung nach Maßgabe des UmwG noch um einen Anteilstausch. Der Vermögensübergang vollziehe sich durch Gesamtrechtsnachfolge außerhalb des UmwG und gerade nicht durch Einzelrechtsnachfolge. 46 In dem Urteil, das Beispiel 5 zugrunde liegt, hat sich der BFH mit dieser Streitfrage nicht befasst. Gegen die beschriebene Ansicht spricht aber, dass aus den Materialien zum SEStEG der Wille des Gesetzgebers, die unter Geltung des UmwStG 1995 steuerneutral mögliche Anwachsung fortan nicht mehr zu privilegieren, nicht hervorgeht.47 Auch systematische Aspekte sprechen für die Zulässigkeit einer „Einbringung durch Anwachsung“. Bei genauer Betrachtung des Beispiels 5 ist nämlich nicht der Betrieb der KG Objekt der Übertragung. Die Gesellschafter treten vielmehr 43 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 19; Dietrich, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 388. A. A. hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 7. 44 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 127; Förster/Wendland, BB 2007, 631 (632). 45 Beim einfachen Anwachsungsmodell kommt es schon nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zur Gewinnrealisierung, da es hier konzeptionsbedingt an der Gewährung neuer Anteile fehlt, Bilitewski, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 3593. 46 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 6. Siehe auch Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 2007, S. 829, 889. 47 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 195; Orth, DStR 2009, 192 (193).
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ihre KG-Anteile an die Komplementärin ab. Eine Einbringung dieser Mitunternehmeranteile begünstigt § 20 UmwStG auch bei Einzelrechtsnachfolge. Die Anwachsung des Betriebsvermögens ist bloße Folge der Einbringung aller KGAnteile.48 Bei dieser Sichtweise ist die Anwachsung des Vermögens beim übernehmenden Rechtsträger nur der logische, quasi reflexartige, zweite Schritt, der zeitlich nach der Abtretung der Anteile liegen muss.49 Denn ohne die Abtretung aller übrigen KG-Anteile an den letzten verbleibenden Gesellschafter in einem ersten Schritt würde die KG fortbestehen; die Voraussetzungen von § 738 Abs. 1 S. 1 BGB wären nicht erfüllt und der Anwachsung wäre damit die Grundlage entzogen.50 Präzise gesprochen handelt es sich beim erweiterten Anwachsungsmodell daher nicht um eine Einbringung „durch“ Anwachsung, sondern die Anwachsung erfolgt vielmehr nach Einbringung aller KG-Anteile. Demnach erfüllt auch das Beispiel 5 die Voraussetzungen einer Sacheinlage im Sinne von § 20 Abs. 1 UmwStG. b) Sicherstellung körperschaftsteuerlicher Erfassung, keine Entstrickung und keine Unterbilanz, § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG Auch die übrigen Voraussetzungen für die Wahl des Buchwertes aus § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG weisen weitgehende Parallelen zu den §§ 3, 11 UmwStG auf. Im Einzelnen muss nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UmwStG sichergestellt sein, dass das übernommene Vermögen bei der übernehmenden Körperschaft später der Körperschaftsteuer unterliegt. Das entspricht nahezu wortgleich den Formulierungen in §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2, 11 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG, sodass die diesbezüglichen Ausführungen auch hier gelten.51 Beim erweiterten Anwachsungsmodell könnte man allerdings am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln, da die Gegenstände der Einbringung, nämlich die Mitunternehmeranteile, infolge des Ausscheidens aller Gesellschafter aus der KG untergehen. Jedoch setzt § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UmwStG nur voraus, dass die übernehmende Gesellschaft überhaupt körperschaftsteuerpflichtig ist und nicht, dass tatsächlich eine Körperschaftsteuerzahllast entsteht.52 Auch wenn die Komman48 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.44; Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 132; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 39; Kowallik/Merklein/Scheipers, DStR 2008, 173, (177). 49 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 39; Ege/Klett, DStR 2010, 2463 (2468); Kowallik/Merklein/Scheipers, DStR 2008, 173, (177). 50 Ege/Klett, DStR 2010, 2463 (2468). 51 Siehe zu diesem Merkmal oben Kapitel 3 B. II. 2. c); E. II. 2. a). 52 Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 240; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 319; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 160.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
ditanteile untergehen, unterliegt zumindest ein Gewinn aus der Veräußerung des infolge der Anwachsung übergegangenen Vermögens bei der übernehmenden Körperschaft der Körperschaftsteuer, was bei wirtschaftlicher Betrachtung der Erfassung der stillen Reserven in den Mitunternehmeranteilen entspricht. Daher ist § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UmwStG selbst bei der erweiterten Anwachsung erfüllt. Außerdem enthält § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG die stets wiederkehrende Entstrickungsklausel, die eine Bewertung mit dem Buchwert ausschließt, wenn das Recht der Bundesrepublik, einen Veräußerungsgewinn bei der übernehmenden Körperschaft zu besteuern, ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Klausel entspricht wortgleich den §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG und ist im reinen Inlandsfall stets erfüllt.53 Schließlich verlangt § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UmwStG zusätzlich, dass die Passivposten des eingebrachten Vermögens die Aktivposten nicht übersteigen. Diese neue Voraussetzung ist der besonderen Systematik der Einbringungsregeln geschuldet, da der Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft gleichzeitig nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG die Höhe der Anschaffungskosten der als Gegenleistung gewährten Anteile bestimmt. Diese Anschaffungskosten müssen aber mindestens Null betragen. Anderenfalls wären nämlich die stillen Reserven in den neuen Anteilen nicht gesichert54, was wiederum das nunmehr zu betrachtende Konzept der steuerlichen Auswirkungen einer Einbringung auf die Anteilseigner gefährden würde. 3. Auswirkungen bei den Anteilseignern – Verdoppelung stiller Reserven und Verhinderung von Missbrauch Anders als die amtliche Überschrift vermuten lässt, basieren die steuerlichen Auswirkungen einer Einbringung auf die Anteilseigner nicht allein auf § 22 UmwStG. Die Wirkungsweise dieser Norm zur Verhinderung von Missbräuchen und ihre konzeptionellen Änderungen durch das SEStEG erschließen sich vielmehr erst im Zusammenspiel mit der sogenannten doppelten Buchwertverknüpfung55 des § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG. Die doppelte Bedeutung des Buchwertes für den Veräußerungspreis des Vermögens und für die Anschaffungskosten der Anteile hat zur Folge, dass sowohl das übergehende Vermögen als auch die neu gewährten Anteile in gleicher Höhe stille Reserven enthalten.56 Somit verdop-
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Siehe Kapitel 3 B. II. 2. c). Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 21, § 20, Rn. 215; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 82. 55 BT-Drs. 16/2710, S. 44. 56 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, UmwStG, 2007, § 20, Rn. 293. 54
A. Einbringung nach dem UmwStG
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peln sich die stillen Reserven auch nach neuem Recht.57 Hinzu kommt, dass die neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger sowohl im Betriebsvermögen als auch im Privatvermögen unabhängig von der Beteiligungshöhe gemäß § 17 Abs. 6 EStG steuerverstrickt sind.58 Folglich bilden die neuen Anteile grundsätzlich ein steuerliches Ersatzsubstrat beim Einbringenden59, auf dessen Ebene die stillen Reserven im übergehenden Betriebsvermögen bei Buchwertfortführung durch die übernehmende Gesellschaft nicht mehr besteuert werden können. Ein Gewinn aus der Veräußerung der neuen Anteile wird allerdings entgegen der vorherigen Rechtslage nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. des § 8b Abs. 2 KStG begünstigt besteuert.60 a) Konzept des § 22 UmwStG – nachträgliche Besteuerung der Einbringung bei missbräuchlicher Nutzung einer Statusverbesserung Im Zusammenhang mit dieser nunmehr regulären Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der neuen Anteile ist der vollständig überarbeitete § 22 UmwStG zu sehen. Über die Eigenschaft als steuerliches Ersatzsubstrat hinaus weisen die als Gegenleistung erhaltenen neuen Gesellschaftsanteile nämlich auch nach dem SEStEG während einer siebenjährigen Sperrfrist61 einen besonderen Status auf.62 Zwar hat die Reform des Umwandlungssteuerrechts das System der sogenannten einbringungsgeborenen Anteile nach § 21 UmwStG a. F.63 abgeschafft. Seit 2006 gilt dafür bei Einbringungen nach § 20 UmwStG die neue Missbrauchsvorschrift des § 22 Abs. 1 UmwStG. Diese Norm soll ähnlich wie § 15 Abs. 2 UmwStG und die Vorgängervorschrift in § 21 UmwStG a. F. Gestaltungen unterbinden, durch die eine missbräuchliche Steuerumgehung erreicht wird. Konkret geht es um steuerneutrale Verlagerungen von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen auf eine Kapitalgesellschaft, wobei die Gesellschafter anschließenden die erhaltenen Anteile unter Geltung des Teileinkünfte57 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 186; Förster/Wendland, BB 2007, 631 (634). 58 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 12; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 1. 59 Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 12. 60 Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1583; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 8. 61 Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 6, Anm. L 41 spricht dagegen von „Behaltefristen“, weil die Veräußerung nicht ausgeschlossen ist. Ähnlich Wendt, FR 2002 53 (60). 62 Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1583. 63 § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG a. F. definiert einbringungsgeborene Anteile als Anteile, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
verfahrens oder nach § 8b Abs. 2 KStG weiterveräußern. Über den Umweg der günstigeren steuerlichen Regeln für die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen könnten die stillen Reserven des eingebrachten Vermögens steuergünstig realisiert werden.64 Wirtschaftlich entspricht dieses Vorgehen einer Betriebsoder Teilbetriebsveräußerung. Nach dem Leitbild des Gesetzes sollen diese Veräußerungen über die §§ 16 Abs. 4, 34 EStG hinaus gerade nicht steuerlich privilegiert werden. Diese Wertung soll nicht umgangen werden. Zu diesem Zweck unterlag schon nach § 21 UmwStG a. F. ein Gewinn aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile innerhalb einer Frist von sieben Jahren in voller Höhe der Besteuerung, ohne dass Privilegierungen wie das Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 S. 3, 4 EStG a. F. oder die Freistellung nach § 8b Abs. 4 KStG a. F. anwendbar waren.65 Da auch nach § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG a. F. die Anschaffungskosten der einbringungsgeborenen Anteile von der Bewertung des übergehenden Vermögens abhingen, enthielten auch diese Anteile in gleicher Höhe wie das übergehende Vermögen stille Reserven. Durch die volle Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile wurde die Abrechnung der stillen Reserven beim Einbringenden sichergestellt. Der neue § 22 UmwStG in der Fassung des SEStEG basiert auf einem völlig anderen Konzept. Zwar finden nunmehr auf die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen aus der Einbringung die Privilegien des Teileinkünfteverfahrens und des § 8b KStG Anwendung. Durch eine typisierende und unwiderlegbare Vermutung66 qualifiziert allerdings der Grundtatbestand in § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG Veräußerungen der aus einer Einbringung unter dem gemeinen Wert erhaltenen Anteile innerhalb einer Sperrfrist von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt als missbräuchlich. Als Rechtsfolge ordnet die Norm jetzt an, dass im Fall der Veräußerung sperrfristbehafteter Anteile rückwirkend beim Einbringenden ein Veräußerungsgewinn aus der Einbringung zu versteuern ist. Auf diese Weise werden die im übergehenden Vermögen verstrickten stillen Reserven aufgedeckt. Dieser sogenannte Einbringungsgewinn I errechnet sich gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 UmwStG aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert des übergehenden Betriebsvermögens im Einbringungszeitpunkt nach Abzug der Kosten für den Vermögensübergang und dem Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das Vermögen angesetzt hat. Dieser Betrag vermindert sich ab dem Einbringungszeitpunkt jedes Jahr um ein Siebtel. Mit anderen Worten führt nach Ab64 BT-Drs. 16/2710, S. 46; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 22 Rn. 13; Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22 Rn. 1; Wochinger, in: FS für Herzig, 2010, S. 749 (753); Körner, DStR 2010, 897; Graw, Ubg 2009, 691; ders. FR 2009, 837. 65 Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 174; Rödder/ Schumacher, DStR 2006, 1525 (1537). 66 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 9; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 7.
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lauf der siebenjährigen Sperrfrist die Veräußerung der aus der Sacheinlage erhaltenen Anteile nicht mehr zur rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsvorgangs. Das Modell des jährlich um ein Siebtel abschmelzenden Einbringungsgewinns I setzt den Gedanken des Gesetzgebers um, dass mit zunehmendem zeitlichem Abstand zwischen Einbringung und Veräußerung der Anteile die Wahrscheinlichkeit dafür abnimmt, dass die Einbringung missbräuchlich zur Vorbereitung einer steuergünstigen Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerung genutzt wurde.67 Im Ergebnis liegt also der konzeptionelle Unterschied zwischen der alten und der neuen Rechtslage darin, dass nicht mehr die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile Sonderregelungen unterliegt und voll zu versteuern ist, sondern jetzt die Einbringung selbst rückwirkend zum gemeinen Wert und damit unter Aufdeckung der stillen Reserven im übergehenden Vermögen erfolgt.68 Aufgedeckt werden daher die stillen Reserven in den eingebrachten Wirtschaftsgütern und nicht in den erhaltenen Anteilen. b) Tatbestand und Funktionsweise des §§ 22 Abs. 1 UmwStG Auslöser der nachträglichen Besteuerung des Einbringungsvorgangs ist im Grundtatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG die Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile. Unter einer Veräußerung im ertragsteuerlichen Sinn versteht man die Übertragung jedenfalls des wirtschaftlichen Eigentums an Wirtschaftsgütern gegen eine Gegenleistung aufgrund eines schuldrechtlichen Geschäfts.69 Auf die Ursache der Veräußerung und darauf, ob die Veräußerung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, kommt es nicht an.70 Wird also beispielsweise ein Teilbetrieb in eine AG eingebracht und erhält der Einbringende hierfür nur Aktien, die weniger als 5% des Grundkapitals repräsentieren, kann ein Aktionär, der alle übrigen Anteile hält, nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG die Übertragung der restlichen Aktien gegen eine Barabfindung erzwingen. Selbst wenn der Einbringende womöglich die sperrfristbehafteten Anteile niemals veräußern wollte, löst der Zwangsverkauf 71 im Rahmen des Squeeze-outs innerhalb eines Zeitraums von sieben Jah67
BT-Drs. 16/2710, S. 46; Wochinger, in: FS für Herzig, 2010, S. 749 (753). BT-Drs. 16/2710, S. 46; Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 174. 69 Für § 17 EStG, BFH vom 21.10.1972, IV R 210/72, BStBl. II 1977, 145 (146). Siehe auch Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 16, Anm. 60; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 26; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555; Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (745). 70 Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 16, Anm. 60; Stangl, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 33. 71 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2010, § 327a AktG, Rn. 1. 68
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
ren nach dem Einbringungszeitpunkt die rückwirkende Besteuerung aus.72 In diesem Fall kann man allerdings nicht von einem Missbrauch sprechen, denn die Steuervorteile bei Anteilsveräußerungen werden nicht zielgerichtet genutzt, um stille Reserven steuergünstig zu realisieren. Neben dem Grundtatbestand kennen § 20 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis Nr. 6 UmwStG zahlreiche „Ersatzrealisationstatbestände“ 73. Danach lösen die unentgeltliche (Nr. 1) und die entgeltliche (Nr. 2) Übertragung der Anteile, sowie die Liquidation und Kapitalherabsetzung der Gesellschaft (Nr. 3), Ketteneinbringungen (Nr. 4, Nr. 5) und der Wegzug des Einbringenden oder der übernehmenden Gesellschaft (Nr. 6) die nachträgliche Besteuerung des Einbringungsvorgangs aus.74 Nicht übersehen werden darf außerdem § 22 Abs. 3 S. 2 UmwStG.75 Denn sobald innerhalb der Sperrfrist der jährliche Nachweis darüber fehlt, wem die als Gegenleistung gewährten Anteile zugeordnet sind, fingiert das Gesetz ebenfalls eine Veräußerung. Führt also im Beispiel 5 die X-GmbH die Buchwerte des übergehenden Vermögens in Höhe von 140 (gemeiner Wert 210) fort und veräußern A und B ihre neuen Anteile an der GmbH zwei Jahre nach dem Einbringungszeitpunkt an eine andere GmbH oder legen sie ihre neuen Anteile verdeckt in eine andere Körperschaft ein76, dann entsteht rückwirkend ein Einbringungsgewinn I in Höhe von 50. Dieser Gewinn ist gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 UmwStG ohne die Vorteile der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG in voller Höhe steuerpflichtig. Um eine denkbare Doppelbesteuerung der stillen Reserven zu vermeiden, ordnet § 22 Abs. 1 S. 4 UmwStG einen sogenannten „step-up“ an, sodass der Einbringungsgewinn I die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile nachträglich erhöht. Durch diesen Mechanismus verringert sich ein Gewinn aus der Veräußerung der neuen Anteile, da sich die hierfür nach § 17 Abs. 2 EStG maßgebliche Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten verringert. Die stillen Reserven werden so kein zweites Mal steuerpflichtig aufgelöst.77 72 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 34; Dietrich, in: Lüdike/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 451. 73 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 101. 74 Zu den Voraussetzungen der einzelnen Tatbestände siehe ausführlich etwa Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 37–140; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 101 ff.; Möhlenbrock, in: FS für Herzig, 2010, S. 775 (786–796); Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 178 ff. 75 Hierzu BMF vom 4.9.2007, IV B 2-S 1909/07/0001, BStBl. I 2007, S. 698. 76 Bei einer verdeckten Einlage greift der Ersatzrealisationstatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG, Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 38; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 103. 77 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 54. Vgl. auch Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 186.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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c) Nachträgliche Besteuerung der Einbringung bei mehrstufigen Umstrukturierungen? Abgesehen von dieser schon sehr komplexen Systematik erschließt sich der Problemschwerpunkt des § 22 Abs. 1 UmwStG allerdings erst, wenn man die in Beispiel 5 angedeuteten nachfolgenden Umstrukturierungsschritte in die Betrachtung einbezieht. Der Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmensumstrukturierung zeigt sich nämlich oftmals erst ex post. Tritt das angestrebte Ergebnis nicht ein, sehen sich die Beteiligten vielfach veranlasst, durch zusätzliche Schritte die Struktur ihrer Unternehmung weiter zu optimieren.78 Umstrukturierungen, die sich in mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Schritten vollziehen, sind daher keineswegs eine seltene Ausnahme. Ähnlich wie schon im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 UmwStG79 wird kontrovers diskutiert, ob solche Folgeumstrukturierungen nach der Einbringung als schädliche Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG qualifiziert werden müssen oder ob sie zumindest einen Ersatzrealisationstatbestand des § 20 Abs. 1 S. 6 UmwStG verwirklichen. Die Relevanz der Fragestellung wird besonders deutlich, wenn man sich erneut vor Augen führt, dass die dogmatische Einordnung der bisher betrachteten Umwandlungsvorgänge in die allgemeine ertragsteuerliche Systematik nach wie vor umstritten ist und zahlreiche Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung Umwandlungen als zumindest tauschähnliche80 Vorgänge ansehen. Im neuen Umwandlungssteuererlass hat sich auch die Finanzverwaltung dieser Ansicht ausdrücklich angeschlossen. Sie qualifiziert daher jede Umstrukturierung des Einbringenden sowie der übernehmenden Körperschaft als im Grundsatz schädliche Veräußerung.81 Im Vergleich mit den Spaltungsregeln kommen sogar noch zwei erschwerende Aspekte hinzu. Die Rechtsfolgen des § 22 UmwStG sind nicht wie nach § 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG auf Veräußerung an „außenstehende Personen“ begrenzt. Selbst innerhalb von Konzernstrukturen sind mehrstufige Umstrukturierungen daher steuerschädlich. Außerdem umfasst die Sperrfrist mit einer Dauer von immerhin sieben Jahren in einer immer dynamischeren Ökonomie und in Zeiten andauernder Wirtschaftskrisen einen schlichtweg zu langen82 Zeitraum. Rein tatsächliche Veränderungen des Unternehmensumfelds sind in einer so langen Zeit
78 Zu den zivilrechtlichen Aspekten mehrstufiger Umstrukturierungen Limmer, in: Limmer, Handbuch Unternehmensumwandlung, 2007, Rn. 231 ff. 79 Siehe Kapitel 3 F. II. 3. b) aa). 80 Auch der Tausch als Unterfall der Veräußerung wird von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfasst, Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 18; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 31. 81 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.07, 22.22. 82 So auch Hahn, IStR 2006, 797 (805); Körner, IStR 2006, 469 (471).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
der Regelfall und verlangen eine adäquate Reaktion der Verantwortlichen, auch durch Anpassung der Unternehmensstruktur. Das angesprochene Problem tritt schließlich unter zwei unterschiedlichen Blickwinkeln auf. Denn erstens kann der übernehmende Rechtsträger, an dem die fraglichen Anteile bestehen, weiter umstrukturiert werden. Zweitens kann auch der Einbringende als Inhaber der sperrfristbehafteten Anteile in einem folgenden Schritt Objekt einer Umstrukturierung sein.83 Dementsprechend sind zahllose Konstellationen mehrstufiger Umstrukturierungen denkbar, die teils komplexe Auslegungsfragen aufwerfen und in ihren Rechtsfolgen sogar von der Einordnung in den Umwandlungs- oder den Einbringungsteil des UmwStG abhängen werden. aa) Schädliche Folgeumstrukturierung der übernehmenden Gesellschaft Als erstes könnte etwa die X-GmbH als übernehmende Gesellschaft im Beispiel 584 nach der Einbringung der KG-Anteile innerhalb der Sperrfrist in einem zweiten Schritt auf eine andere Körperschaft (Z-GmbH) verschmolzen werden, um sie so in einen neuen Konzern zu integrieren. Die Verschmelzung selbst erfolgt auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers nach § 11 UmwStG steuerneutral. Für den Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers und damit für den Einbringenden aus dem ersten Umstrukturierungsschritt gelten nach § 13 Abs. 1 UmwStG die Anteile an der X-GmbH als zum gemeinen Wert veräußert und die Anteile an der Z-GmbH als zum gemeinen Wert angeschafft85. Die Verschmelzung führt also auf Ebene des Einbringenden zu einem Anteilstausch und damit zu einer Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG.86 An diesem Ergebnis ändert selbst die in § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG angeordnete Rechtsnachfolge bei Fortführung der Buchwerte auf Ebene der Anteilseigner nichts.87 Ob die eingetauschten Anteile an der Z-GmbH durch gesetzliche Anordnung an die Stelle der untergehenden Anteile an der X-GmbH treten88, ist nämlich allein eine 83 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22 Rn. 60 f.; Kutt/ Jehke, BB 2010, 474 (475). 84 Kapitel 4 A. II. 85 Zu den steuerlichen Auswirkungen auf die Anteilseigner oben Kapitel 3 E III. 1. b). 86 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 39; Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1661. A. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 142. 87 Wochinger, in: FS für Herzig, 2010, S. 749 (768). A. A. Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 39; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 61; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 45; Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325 (334). 88 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 39; Stangl, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 61 leiten aus § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG das Fehlen einer Veräußerung ab.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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Frage der Rechtsfolgenseite, die das Merkmal der rechtsgeschäftlichen Veräußerung durch Tauch auf Tatbestandsseite nicht beeinflusst.89 Durch den Verweis des § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG auf die §§ 11 bis 13 UmwStG gelten diese Grundsätze für die Auf- und Abspaltung auf andere Körperschaften entsprechend. Obwohl nachfolgende Umstrukturierungen also den Veräußerungstatbestand erfüllen, wird bezweifelt, ob die Besteuerung eines anschließenden Sidestep-Mergers auf eine andere Körperschaft den Telos des § 22 Abs. 1 UmwStG verwirklicht. In diesem Fall wird nämlich die Statusverbesserung der Anteile nicht missbräuchlich genutzt, weil der Einbringende ohne den Zwischenschritt der ersten Einbringung seinen Betrieb sofort in die zweite Körperschaft hätte einbringen können.90 Außerdem setzen sich die stillen Reserven auch in den beim Sidestep-Merger gewährten Anteilen fort, für die ebenfalls die siebenjährige Sperrfrist gilt.91 Denkbar wäre auch, dass die X-GmbH in einem zweiten Schritt steuerneutral nach §§ 3 ff. UmwStG auf eine Personengesellschaft, beispielsweise die Z-KG, verschmolzen wird. Auch dieser Vorgang verwirklicht auf Ebene der Anteilseigner die Voraussetzungen einer schädlichen Veräußerung. Denn durch die Verschmelzung werden die untergehenden Kapitalgesellschaftsanteile gegen Mitunternehmeranteile eingetauscht.92 Dafür spricht, dass der Gesetzgeber seit dem SEStEG das Übernahmeergebnis nach § 4 Abs. 4 UmwStG konzeptionell in einen Dividendenanteil und eben auch in einen Veräußerungsanteil93 aufgliedert. Aus der Perspektive von § 4 Abs. 4 UmwStG werden die Kapitalgesellschaftsanteile durch den übernehmenden Rechtsträger aufgewendet, um das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers zu erwerben.94 Folglich liegt eine Veräußerung vor. In der Literatur wird aber darauf hingewiesen, dass auch dieser Fall eigentlich nicht missbräuchlich ist.95 Denn durch die Umwandlung auf eine Personengesellschaft geht der für die Missbrauchsregeln entscheidende Statusvorteil bei der Veräußerung der Anteile wieder verloren. Die im Zuge der Verschmelzung untergehenden Kapitalgesellschaftsanteile können nicht mehr steuergünstig nach dem
89 Vgl. Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 92; Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 19b. Zum parallelen Problem bei der Gesamtsrechtsnachfolge Kapitel 6 B. III. 2. a). 90 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 61. 91 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 61. 92 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 41. 93 Zu dieser Zweiteilung des Übernahmeergebnisses siehe schon oben Kapitel 3 B. III. 1. b). 94 Das Gesetz geht dabei grundsätzlich von einer Upstream-Verschmelzung aus, bei der die übernehmende Personengesellschaft alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers hält, Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2008, § 4, Rn. 2. Sollte dies nicht der Fall sein, dann gilt die Einlagefiktion des § 5 UmwStG. Dieser Aspekt unterstützt daher sogar noch die Sichtweise, dass das Gesetz von einer Veräußerung ausgeht. 95 Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1663; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 61.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
Teileinkünfteverfahren oder nach § 8b Abs. 2 KStG veräußert werden. Für Mitunternehmeranteile bestehen keine derartigen steuerlichen Privilegien, sodass mangels Missbrauchsmöglichkeit kein Anlass für die Anwendung von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG besteht.96 bb) Unschädliche Folgeeinbringung trotz unklarer Normkonkurrenz Während also bei Folgeumstrukturierungen des übernehmenden Rechtsträgers schon zweifelhaft ist, ob mit der nachträglichen Besteuerung überhaupt der Zweck einer Missbrauchsvermeidung verwirklicht wird, kommen bei nachfolgenden Umstrukturierungen des Einbringenden weitere Inkonsistenzen durch eine völlig unklare Gesetzeslage hinzu. Bringt etwa die natürliche Person B als ursprünglicher Einbringender in Beispiel 5 ihre im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile an der X-GmbH in einem zweiten Schritt in die A-GmbH steuerneutral nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG ein, ist nämlich vor allem das Verhältnis von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG zum Ersatztatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG problematisch. Dieser Ersatztatbestand qualifiziert nicht die „Veräußerung“ als missbräuchlich, sondern verwendet vielmehr den Begriff der „entgeltlichen Übertragung“, um das steuerschädliche Ereignis zu beschreiben. Weitgehend unbestritten ist, dass Einbringungen im Sinne der §§ 20 ff. UmwStG die Voraussetzungen eines Tausches erfüllen.97 Da es sich bei einem Tausch aber um eine entgeltliche Veräußerung handelt98, verwirklicht eine Einbringung folglich das Merkmal der schädlichen Veräußerung nach § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG und zugleich die Anforderungen an eine entgeltliche Übertragung nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG99. Soweit die Einbringung nach §§ 20, 21 UmwStG oder der Formwechsel nach § 25 UmwStG100 aber zum Buchwert erfolgen, ist die zweite Umstrukturierung trotz entgeltlicher Übertragung gemäß § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG unschädlich. Damit ist die wichtige Frage nach dem Verhältnis der beiden Tatbestände angesprochen. Unklar ist nämlich, ob eine Einbringung zu Buchwerten trotz Unschädlichkeit nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG weiterhin den Tatbestand der Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfüllt. Diese Normkonkurrenz hat große praktische Relevanz, weil eine Ansicht in der Literatur vertritt, 96
Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1663. Siehe die Nachweise oben Kapitel 4 A. II. 1. 98 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 18. 99 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 32; Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 176. 100 § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG kann analog auf Formwechsel nach § 25 UmwStG angewendet werden, da es sich bei dieser Umstrukturierung auch um eine Einbringung handelt, Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 16; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 62. 97
A. Einbringung nach dem UmwStG
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dass der Grundtatbestand des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG dem Ersatztatbestand in S. 6 Nr. 2 vorgeht, sodass die Unschädlichkeit im Fall der Einbringung zum Buchwert nur als Billigkeitsregel in Betracht kommt.101 Begründet wird diese Sichtweise damit, dass die Ersatztatbestände nur eingreifen sollen, wenn nicht schon eine Veräußerung nach dem Grundtatbestand vorliegt. Denn der Wortlaut von § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG ordnet bloß eine entsprechende Anwendung der Sätze 1–5 an.102 Da aber bei Einbringungen auch das Merkmal der Veräußerung erfüllt ist, wäre nach dieser Ansicht § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG stets durch den Grundtatbestand gesperrt. Damit würde § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 weitgehend leerlaufen.103 Eine Auslegung, die den Anwendungsbereich einer Regelung beseitigt, begegnet allerdings Bedenken. Als Lösung kommt vielmehr in Betracht, die einzelnen Tatbestände des § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG, die sich mit dem Veräußerungsbegriff des Abs. 1 S. 1 überschneiden, nicht als Ersatzrealisationstatbestände, sondern als einschränkende lex specialis zum Grundtatbestand zu lesen.104 Denn auch die vermeintlichen Ersatztatbestände in § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 UmwStG sind steuersystematisch gesehen Veräußerungen und nicht bloß der Veräußerung gleichgestellte Vorgänge. Diese Tatbestände regeln also, ob eine Veräußerung im konkreten Fall schädlich ist. Um echte Ersatztatbestände handelt es sich nur bei § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1, 3, 6 UmwStG. Die Anordnung der bloß entsprechenden Geltung der § 22 Abs. 1 S. 1–5 UmwStG in S. 6 sperrt bei diesem Verständnis dann auch nicht den Grundtatbestand, sondern kann für die Nr. 2, 4, 5 UmwStG als partielle Rechtsgrundverweisung verstanden werden, die sich nur auf die übrigen Voraussetzungen wie die siebenjährige Sperrfrist und das Vorgehen bei der Gewinnermittlung bezieht. Diese Auslegung löst den gesetzessystematischen Widerspruch beider Tatbestände auf, entspricht gleichzeitig dem Wortlaut der Norm sowie dem Willen des Gesetzgebers, Buchwerteinbringungen nach §§ 20, 21 UmwStG als unschädlich anzusehen. Außerdem erlaubt diese Sichtweise eine einheitliche Auslegung des Veräußerungsbegriffs und dient damit der Einheit der Rechtsordnung. Bezogen auf die Abwandlung zu Beispiel 5 ist der Anteilstausch zwar eine Veräußerung; § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG geht als speziellere Norm Abs. 1 S. 1 101 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 33, 41. Für eine Billigkeitsregelung plädieren auch Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 19; Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 95; ders., Ubg 2009, 691 (693). 102 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 33. 103 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 32; Stangl, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 53. 104 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 11, Rn. 620; Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 32; Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 176, 179; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1539). Ähnlich BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.22.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
vor und verhindert aufgrund des Buchwertansatzes eine rückwirkende Besteuerung. cc) Schädliche Folgeumstrukturierung des Einbringenden durch Umwandlung Erheblich restriktiver sind die Rechtsfolgen bei nachfolgenden Umstrukturierungen, die unter den Umwandlungsteil des UmwStG fallen. So könnte etwa in einer weiteren Abwandlung des Beispiels 5105 die A-GmbH als Gesellschafterin der X-GmbH ihrerseits innerhalb der Sperrfrist auf eine andere Gesellschaft verschmolzen werden, um so Beteiligungsketten zu verkürzen und die Konzernstruktur zu rationalisieren. Solche Vorgänge richten sich nach § 11 UmwStG, sodass schon aufgrund des Wortlauts keine Privilegierung nach den § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2, 4, oder Nr. 5 UmwStG in Betracht kommt und eine Verschmelzung des Einbringenden innerhalb der Sperrfrist daher steuerschädlich sein könnte. Einen ersten Hinweis für die Beurteilung derartiger Fälle geben die Gesetzesmaterialien zum SEStEG. Die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin, dass einer Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG auch „die Übertragung der erhaltenen Anteile im Rahmen eines Umwandlungsvorganges“ 106 gleichsteht. Als konkretes Beispiel nennt der Regierungsentwurf die Abspaltung der erhaltenen Beteiligung nach § 15 UmwStG.107 Daher liegt es nahe, auch die Aufspaltung sowie die spiegelbildliche Verschmelzung als schädliche Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG anzusehen108, zumal eine große Zahl von Stimmen in Literatur und Rechtsprechung Umstrukturierungen im Anwendungsbereich des Umwandlungsteils des UmwStG als jedenfalls tauschähnlichen Vorgang einordnen.109 Im neuen Umwandlungssteuererlass hat auch die Finanzverwaltung diese Ansicht übernommen und geht mittlerweile grundsätzlich von der Steuerschädlichkeit aller nachfolgenden Umstrukturierungen aus.110 d) Lösungsansätze für steuerneutrale mehrstufige Umstrukturierungen Unbestreitbar ist allerdings, dass diese Interpretation wirtschaftlich notwendige Folgeumstrukturierungen im Anwendungsbereich des Umwandlungsteils des UmwStG während der siebenjährigen Sperrfrist durch die drohende rückwir105
Kapitel 4 A. II. BT-Drs. 16/2710, S. 47. 107 BT-Drs. 16/2710, S. 47. 108 Körner, DStR 2010, 897 (898); Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (746). 109 Siehe die Nachweise in Kapitel 3 B. I.; C. I.; E. I. 110 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.07, 22.23. 106
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kende Besteuerung verteuert oder möglicherweise sogar ganz verhindert. Außerdem haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass nicht alle tatbestandlich erfassten Sachverhalte tatsächlich missbräuchlich sind. Schließlich ist nicht einsichtig, warum nur für Buchwerteinbringungen und nicht auch für wirtschaftlich identische, aber nach den §§ 3 ff. UmwStG zu beurteilende steuerneutrale Umstrukturierungen, Ausnahmen bestehen. Daher verwundert es nicht, dass unterschiedliche Ansätze vertreten werden, die diese Konsequenz verhindern sollen. aa) Literatur: Normspezifisch enge Auslegung und teleologische Reduktion In der Literatur finden sich zwei Vorschläge, um die nachteiligen Konsequenzen der nachträglichen Besteuerung bei mehrstufigen Umstrukturierungen zu verhindern. Zum einen wird auf Tatbestandsebene am Veräußerungsbegriff angesetzt, der einschränkend und normspezifisch auszulegen sein soll.111 Eine Betrachtung der § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG sowie des Telos der Norm verdeutliche, dass anschließende Umwandlungen des einbringenden Rechtsträgers zu Buchwerten nach den §§ 3, 11, 15 UmwStG keine schädlichen Veräußerungen seien, da mangels Aufdeckung der stillen Reserven das günstigere Besteuerungsregime für die als Gegenleistung gewährten Anteile nicht genutzt werde.112 Anders formuliert liege immer dann kein Missbrauch vor, wenn der Einbringende die nach dem zweiten Umstrukturierungsschritt vorhandene Unternehmensstruktur auch mit nur einem Schritt hätte erreichen können.113 Außerdem wird die Begründung des Regierungsentwurfs, wonach Übertragungen der Anteile im Rahmen von Umwandlungsvorgängen einer Veräußerung gleichstehen114, als Begründung herangezogen. Aus dem in der Begründung zum Regierungsentwurf des SEStEG verwendeten Verb „gleichstehen“ wird nämlich abgeleitet, dass bei Umwandlungen eine „Veräußerung im eigentlichen Sinne nicht vorliegt.“ 115 Eine Umwandlung sei daher nicht dasselbe wie eine Veräußerung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG. Deshalb sei der Veräußerungsbegriff eng zu verstehen, sodass bei nachfolgenden Umwandlungen kein Einbringungsgewinn I entstehen könne.116
111 Insbesondere Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 53. Siehe auch Hageböke, Ubg 2011, 689 (702 f.). 112 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 53 f., 60. 113 Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 53. 114 BT-Drs. 16/2710 S. 47. 115 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 38. Siehe auch Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 82; Kutt/Jehke, BB 2010, 474 (476). 116 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 38; Kutt/Jehke, BB 2010, 474 (476).
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Eine enge Auslegung des Veräußerungsbegriffs überzeugt indes nicht. Sie setzt nämlich eine differenzierende Qualifikation der Umstrukturierungsvorgänge nach der jeweils verwendeten Rechtstechnik und der steuerlichen Einordnung in den Einbringungs- oder Umwandlungsteil des UmwStG sowie nach der Bewertung im konkreten Einzelfall voraus. Nachfolgende Umstrukturierungen zum Buchwert im Anwendungsbereich des Einbringungsteils des UmwStG wären dann in der Binnensystematik des § 22 UmwStG nach Abs. 1 S. 6 Nr. 2 unschädliche Veräußerungen, während ökonomisch vergleichbare Umwandlungen nach den §§ 3 ff. UmwStG keine Veräußerungen darstellen würden. Diese Differenzierung nach Art der Umstrukturierung führen zu Wertungswidersprüchen, weil sie für wirtschaftlich und rechtstechnisch vergleichbare Sachverhalte einmal einen Realisationstatbestand als erfüllt ansieht und einmal nicht.117 Außerdem spricht der Rekurs auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum SEStEG sogar gegen eine enge Auslegung. Zwar ist die gewählte Formulierung in der Begründung tatsächlich wenig präzise118. Maßgeblich ist allerdings allein der Wortlaut von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG, der jedoch keine Veräußerung im eigentlichen oder gar uneigentlichen Sinn kennt. Trotz der sprachlichen Unklarheit verdeutlicht das Beispiel in der Begründung zum Regierungsentwurf, dass der Gesetzgeber Umwandlungen durch eine Abspaltung der gewährten Anteile nach § 15 UmwStG jedenfalls eindeutig als schädliches Ereignis im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG ansieht. Folglich wird dieser Vorgang als Veräußerung behandelt. Für Aufspaltungen und spiegelbildliche Verschmelzungen kann dann konsequenterweise nichts anderes gelten. Ein Ausgrenzen von Umwandlungsvorgängen aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG ist vor diesem Hintergrund nicht möglich. Daher gehen andere Stimmen in der Literatur einen Schritt weiter und schlagen eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG vor.119 Voraussetzung dafür ist die Feststellung einer Ausnahmelücke.120 Als Maßstab zur Feststellung der Unvollständigkeit des Gesetzes dient hier ein Vergleich mit § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG, der steuerneutrale Folgeumstrukturierungen durch Einbringungen als unschädlich qualifiziert. Auch außerhalb des Einbringungsteils des UmwStG können aber Umstrukturierungen ohne Realisierung stiller Reserven zum Buchwert durchge117
Vgl. Körner, DStR 2010, 897 (898). „Einer Veräußerung im Sinne des Abs. 1 steht auch die Übertragung der erhaltenen Anteile im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs gleich.“ BT-Drs. 16/2710, S. 47. 119 Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1663; Körner, DStR 2010, 897 (898 ff.). Vgl. auch Benecke/Schnittker, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rn. 15.64, die aber § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 Hs. 2 UmwStG analog anwenden möchten. 120 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, Rn. 903; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 391. 118
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führt werden. Beide Regelungskomplexe des UmwStG erfassen wirtschaftlich identische Sachverhalte, werden aber hinsichtlich ihrer Steuerschädlichkeit bei Folgeumstrukturierungen de lege lata ohne Rechtfertigung unterschiedlich behandelt. Ob der Umwandlungs- oder der Einbringungsteil Anwendung finden, hängt nämlich z. B. bei Verschmelzungen nur von der Zufälligkeit ab, welche Rechtsform der übertragende und der übernehmende Rechtsträger haben. Warum aber bei wirtschaftlich identischem Ergebnis der Umstrukturierungen je nach Kombination der Rechtsformen der beteiligten Rechtsträger steuerneutrale Folgeumstrukturierungen nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG einmal unschädlich und einmal schädlich sind, ist nicht ersichtlich. Ziel des UmwStG ist es vielmehr, betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen zu ermöglichen. Diesem Ziel widerspricht es aber, wenn mehrere für sich betrachtet steuerneutral mögliche Umstrukturierungen durch bloße mehrstufige Kumulation eine Besteuerung auslösen würden.121 Folglich enthält das UmwStG für steuerneutrale Folgeumwandlungen eine planwidrige Lücke.122 Diese Lücke kann ebenfalls in Orientierung an § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG geschlossen werden, wobei gleichzeitig das legitime Ziel einer Missbrauchsvermeidung nicht unberücksichtigt bleiben darf123. Die Folgeumstrukturierung muss demnach ebenfalls zum Buchwert erfolgen. Damit ist insbesondere gewährleistet, dass entweder keine Gegenleistung gewährt wird und infolgedessen eine Ausnutzung des günstigen Besteuerungsregimes für die sperrfristbehafteten Anteile ausscheidet, weil keine liquiden Mittel unter Ausnutzung der Privilegien des Teileinkünfteverfahrens oder des § 8b KStG vereinnahmt werden.124 Wird demgegenüber eine Gegenleistung in Gesellschaftsrechten gewährt, existieren wie bei Einbringungen Anteile, an denen sich die Sperrfrist fortsetzen kann. Infolgedessen kann auch in diesem Fall eine Veräußerung dieser Anteile unter Ausnutzung des günstigen Besteuerungsregimes innerhalb der Sperrfrist sanktioniert werden. Durch eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG können also sowohl der globale Zweck des UmwStG als auch das Ziel einer Missbrauchsvermeidung gemeinsam verwirklicht werden. Dennoch wäre de lege ferenda eine ausdrückliche Ausnahmeregelung für Umwandlungen wünschenswert. bb) Finanzverwaltung: Untaugliche Billigkeitslösung Dem Wunsch nach einer Ausnahmeregelung versucht auch die Finanzverwaltung gerecht zu werden und entwickelt dazu im neuen Umwandlungssteuererlass 121
Körner, DStR 2010, 897 (899). Benecke/Schnittker, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rn. 15.64; Körner, DStR 2010, 897 (899). 123 Körner, DStR 2010, 897 (900). 124 Körner, DStR 2010, 897 (900). 122
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
eine Billigkeitslösung125 für eigentlich schädliche Folgeumwandlungen. Danach kann im Einzelfall von der nachträglichen Besteuerung des Einbringungsvorgangs unter vier Voraussetzungen126 abgesehen werden: Zuerst darf keine Statusverbesserung eintreten127 und die stillen Reserven dürfen nicht von sperrfristbehafteten Anteilen auf Anteile Dritter übertragen werden. Außerdem darf das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt sein. Schließlich müssen sich die Anteilseigner damit einverstanden erklären, dass auf alle Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 UmwStG entsprechend anzuwenden ist. Über diese Voraussetzungen hinaus prüft die Finanzverwaltung noch in einer Gesamtschau, ob die Umwandlung eigentlich einer Veräußerung des eingebrachten Vermögens dient, was sie vermutet, wenn der Einbringende nach der Umwandlung nicht mehr am eingebrachten Betriebsvermögen beteiligt ist.128 Vor dem teleologischen Hintergrund des UmwStG, betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen nicht durch das Steuerrecht zu verhindern, sind die von der Finanzverwaltung aufgestellten Voraussetzungen auch bei gleichzeitiger Berücksichtung des legitimen Ziels einer Missbrauchsvermeidung viel zu streng. Denn die Billigkeitslösung findet nur bei Umwandlungen auf Kapitalgesellschaften Anwendung und schließt Upstream-Sachverhalte sogar ganz aus.129 Gerade bei der Rückverschmelzung auf den ursprünglichen Einbringenden gehen die neu gewährten Anteile zwar unter, allerdings besteht dann auch nicht mehr die Gefahr, dass das eingebrachte Betriebsvermögen über den Umweg der neu gewährten Anteile steuergünstig veräußert wird.130 Auch geht die Billigkeitslösung mit der zusätzlichen Entstrickungsklausel über ihr gesetzliches Vorbild des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG deutlich hinaus131. Schließlich verhindert die zusätzliche obligatorische Einzelfallprüfung eine rechtssichere Planung weiterer Umstrukturierungsschritte durch die Unternehmen und führt zu zeit- und kostenintensivem Abstimmungsbedarf mit der Finanzverwaltung.132 125 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.23. 126 Zu den Voraussetzungen BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.23. Eingehende Erläuterung bei Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage Nr. 1, 38 (50 ff.). 127 Das ist nur der Fall, wenn die Besteuerung eines Einbringungsgewinns I oder II nicht verhindert wird. 128 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.23. 129 Kaeser, DStR-Beihefter zu Heft 2 2012, 13 (17). 130 Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage Nr. 1, 38 (50). Vgl. Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729 (741). 131 Kaeser, DStR-Beihefter zu Heft 2 2012, 13 (17). 132 Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage Nr. 1, 38 (52).
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Gravierender als diese Kritik an den Details der Billigkeitslösung sind aber rechtsmethodische Bedenken. Als Rechtsgrundlage der Billigkeitsmaßnahme kommt nur § 163 S. 1 AO in Betracht.133 Maßnahmen auf dieser Grundlage dienen allein der Einzelfallgerechtigkeit. Wenn aber, wie hier134, die Rechtsanwendung mittels Auslegung oder auch durch Rechtsfortbildung eine generelle und abstrakte Lösung schafft, bleibt für einzelfallbezogene Billigkeitsmaßnahmen indes kein Raum mehr; sie sind subsidiär.135 Daher ist die Billigkeitslösung abzulehnen. 4. Steuerliche Auswirkungen bei der übernehmenden Gesellschaft Im Vergleich zu den zahlreichen komplizierten Rechtsfragen des § 22 UmwStG sind die steuerlichen Rechtsfolgen bei der übernehmenden Gesellschaft hingegen eindeutig. Als gesellschaftsrechtliche Einlage führt die Sacheinlage des § 20 Abs. 1 UmwStG zu keinem steuerpflichtigen Gewinn bei der aufnehmenden Gesellschaft.136 Liegen die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG vor, darf die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Vermögen mit dem Buchwert ansetzen. Durch die Fortführung der Buchwerte übernimmt die Gesellschaft allerdings auch die stillen Reserven. Bei einer späteren Veräußerung des eingebrachten Vermögens zu einem Preis über dem Buchwert realisiert die übernehmende Körperschaft daher selbst einen Gewinn. Auch bei Einbringungsfällen springen durch die Buchwertfortführung folglich stille Reserven auf ein anderes Steuersubjekt über. Außerdem regelt § 23 Abs. 2 UmwStG korrespondierend zur nachträglichen Besteuerung eines Einbringungsgewinns auf der Ebene der Anteilseigner nach § 22 UmwStG, dass bei einer Nachversteuerung während der siebenjährigen Sperrfrist der Wert des übernommenen Vermögens um den angefallenen Steuerbetrag erfolgsneutral erhöht werden darf. Auf diese Weise wird eine doppelte Besteuerung der stillen Reserven sowohl auf der Ebene der Einbringenden als auch auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft im Fall der Veräußerung des eingebrachten Vermögens verhindert.137
133 Drüen, DStR-Beihefter zu Heft 2 2012, 22 (23); Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage Nr. 1, 38 (52). 134 Siehe Kapitel 4 A. II. 3. d) aa). 135 v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 227, Rn. 32, 190; Benz/Rosenberg, DB 2012, Beilage Nr. 1, 38 (52); Drüen, DStR-Beihefter zu Heft 2 2012, 22 (23); Krumm, GmbHR 2010, 24 (28). 136 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 23, Rn. 3. 137 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 23, Rn. 12; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1538). Vgl. auch Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 23 UmwStG, Rn. 2.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
III. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 21 UmwStG § 21 UmwStG befasst sich mit der Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft in Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften. Die praktische Relevanz dieser Fallgruppe verdeutlicht Beispiel 6: Die A-GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ist alleinige Anteilseignerin mehrerer inländischer Kapitalgesellschaften (B-GmbH und C-GmbH), die als Zulieferbetriebe für zwei unterschiedliche Branchen tätig sind. Um den Konzern nach Sparten zu organisieren, soll die C-GmbH fortan unter dem Dach der B-GmbH operieren. Als finanzierungsneutrale und einfache Gestaltungsmöglichkeit bietet sich ein Anteilstausch an. Dazu bringt die A-GmbH im Zuge einer Sachkapitalerhöhung alle Anteile an der C-GmbH in die B-GmbH ein und erhält hierfür den im Zuge der Kapitalerhöhung neu entstandenen Anteil. Im Ergebnis ist die A-GmbH dann an der B-GmbH und diese wiederum an der C-GmbH beteiligt. 1. Steuersystematische Einordnung des Anteilstauschs Genau wie alle bisher betrachteten Fallgruppen einer Unternehmensumstrukturierung modifiziert § 21 UmwStG die steuerlichen Auswirkungen, die sich nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln ohne Geltung des UmwStG ergeben würden. Konstruktiv unterscheidet sich der Umstrukturierungsvorgang in Beispiel 6 bis auf den Gegenstand der Übertragung nicht von einer Sacheinlage im Sinne von § 20 Abs. 1 UmwStG. Angesichts dieser wirtschaftlichen Vergleichbarkeit und dem schon in der amtlichen Überschrift Anteils-„tausch“ angesprochenen Gewinnrealisierungstatbestand dürften sich auch die steuerlichen Folgen nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln nicht erheblich von der dogmatischen Einordnung einer Sacheinlage im Sinne von § 20 Abs. 1 UmwStG138 unterscheiden. Diese Vermutung bestätigt dann auch ein Blick in die Rechtsprechung139 und in die Literatur140, die eine Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen gegen Gewährung neuer Anteilen als tauschähnlichen Veräußerungsvor138
Siehe hierzu oben Kapitel 4 A. II. 1. BFH vom 17.10.1974, IV R 223/72, BStBl. II 1975, 58 (59); BFH vom 7.7.1992, VIII R 54/88, BStBl. II 1993, 331 (332); BFH vom 27.3.2007, VIII R 28/04, BStBl. II 2007, 699 (702); BFH vom 6.4.2009, IX B 204/08, BFH/NV 2009, 1262 (1263) sowie die Vorinstanz FG Münster vom 5.11.2008, 8 V 2419/08 E, BeckRS 2008, 26027566 zur Einbringung von Anteilen aus dem Privatvermögen in eine Kapitalgesellschaft. 140 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 7; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 241; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 20–23, Rn. 9; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 15, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 48; Sarrazin, ZGR 1999, 66 (69). 139
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gang ansehen. Je nach Größe der eingebrachten Beteiligung und je nachdem, ob die Beteiligung im Betriebs- oder im Privatvermögen gehalten wird, basiert die Aufdeckung stiller Reserven auf unterschiedlichen einkommensteuerrechtlichen Tatbeständen. Veräußerungsgewinne aus Anteilen im Betriebsvermögen unterliegen nach der jeweiligen Gewinneinkunftsart der Besteuerung. Veräußerungsgewinne aus wesentlichen Beteiligungen sind nach § 17 EStG steuerpflichtig und solche aus im sonstigen Privatvermögen gehaltenen Anteilen unterliegen nach § 20 Abs. 2 EStG141 der Besteuerung. In Beispiel 6 entstünden dementsprechend gewerbliche Einkünfte in Höhe von 70, die aber bei der A-GmbH als übertragendem Rechtsträger nach § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz bleiben. 2. Steuerliche Auswirkungen beim Einbringenden Vor dem Hintergrund der Regeln des KStG wird die Funktionsweise des Umwandlungssteuerrechts nochmals besonders deutlich. Während § 8 b Abs. 2 i.V. m. Abs. 3 KStG einen durch Aufdeckung der stillen Reserven entstandenen Veräußerungsgewinn in Höhe von 95% von der Besteuerung ausnimmt, verhindert § 21 UmwStG durch eine mögliche Bewertung mit dem Buchwert bereits auf Ebene der Gewinnermittlung die Aufdeckung der stillen Reserven. Dieses Vorgehen verhindert auch die Besteuerung in Höhe der nicht als Betriebsausgaben abziehbaren 5% des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 3 KStG.142 Hinsichtlich des Bewertungswahlrechts folgt § 21 UmwStG der aus § 20 UmwStG bekannten Gesetzessystematik. Nach § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die Anteile bewertet, für den Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Auch diese Fallgruppe folgt dem Grundsatz, dass das übergehende Vermögen nach § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG grundsätzlich in der Bilanz des übernehmenden Rechtsträgers mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Die Voraussetzungen, unter denen § 21 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG in Abweichung zu diesem Grundsatz die Wahl der Buchwerte erlauben, entsprechen, abgesehen von fallspezifischen Besonderheiten, im Wesentlichen ebenfalls den bisher analysierten Ausnahmen.
141 Zur steuerlichen Behandlung von Tauschvorgängen auf der Ebene nicht wesentlich beteiligter Anteilseigner im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer nach den §§ 20 Abs. 4a, 43 Abs. 1a EStG in der Fassung des JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl. 2009 I, S. 2794 siehe Bron/Seidel, BB 2010, 2599 (2600 f.); Steinlein, DStR 2009, 509 (510 f.). 142 Hierzu sowie zu weiteren Vorteilen des § 21 UmwStG gegenüber einer Umstrukturierung unter Nutzung der Vorteile von § 8b Abs. 2 KStG, Patt, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 52.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
a) Einfacher Anteilstausch entspricht Sacheinlage Grundvoraussetzung für das Bewertungswahlrecht ist zunächst, dass die Umstrukturierung die Voraussetzungen eines Anteilstauschs erfüllt. Nach der Legaldefinition in § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG liegt ein solcher vor, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft gegen Gewährung neuer Anteile143 eingebracht werden. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Definition entsprechen den schon betrachteten Voraussetzungen in § 20 Abs. 1 UmwStG. Genau wie in § 20 Abs. 1 UmwStG spricht das Gesetz auch beim Anteilstausch von einer Umstrukturierung durch Einbringung, ohne genau zu erklären, welche Vorgänge der Terminus erfasst. Dementsprechend genügt für § 21 UmwStG ebenfalls jede Veränderung der subjektiven Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Gesellschaftsanteilen, unabhängig von der zivilrechtlichen Übertragungstechnik.144 Bei der Umstrukturierung kann es sich also um eine Übertragung durch Einzelrechtsnachfolge sowie um Ausgliederungen, Auf- und Abspaltungen oder Verschmelzungen einer Personen- auf eine Kapitalgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge handeln.145 Auch hinsichtlich der Gegenleistung ergeben sich keine Unterschiede. Die übernehmende Gesellschaft muss dem Einbringenden neue Anteile, die insbesondere im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung oder Sachgründung neu entstanden sind, gewähren.146 Eine Gegenleistung in Form schon bestehender eigener Anteile genügt ausweislich des eindeutigen Wortlautes von § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG nicht.147 Eine Besonderheit gegenüber § 20 UmwStG besteht im Hinblick auf den Umstrukturierungsgegenstand. Während in der alten Fassung des UmwStG die Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen noch in § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG a. F. geregelt war148, hat das SEStEG speziell für den Anteilstausch einen eigenen Tatbestand geschaffen und auf Genossenschaftsanteile ausgedehnt.149 Anteile im Sinne von § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG liegen vor, wenn das betreffende Recht eine Beteiligung am Nennkapital repräsentiert.150 Bloße schuldrechtliche Beteiligun143 Werden neben neuen Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter als Gegenleistung erbracht, schränkt § 21 Abs. 1 S. 3 UmwStG durch einen mit § 20 Abs. 3 S. 3 UmwStG vergleichbaren Mechanismus ein womöglich bestehendes Bewertungswahlrecht wiederum ein. 144 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 26. 145 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 23; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 131. 146 Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 47 f. 147 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 129; Haritz/Wisniewski, GmbHR 2004, 28 (33). 148 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 6; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 1. 149 Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 33.
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gen an der Gesellschaft, etwa ein partiarisches Darlehen oder Genussrechte, genügen diesen Anforderungen nicht.151 Für den einfachen Anteilstausch152 in § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG spielt außerdem die Höhe der eingebrachten Beteiligung noch keine Rolle.153 Der besondere Einbringungsgegenstand ermöglicht zudem eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 20 UmwStG zu § 21 UmwStG. Erfüllt ein Umstrukturierungssachverhalt den Tatbestand beider Normen, dann geht § 21 UmwStG als spezielleres Gesetz vor.154 Auch ist die das gesamte Nennkapital einer Gesellschaft umfassende Beteiligung selbst kein Teilbetrieb155, sodass § 20 Abs. 1 UmwStG nur Anwendung findet, wenn die Anteile nicht isoliert sondern als Bestandteil eines Betriebes oder Teilbetriebs eingebracht werden.156 b) Wahl des Buchwerts nur beim qualifizierten Anteilstausch Die im Rahmen des Tausches übertragenen Anteile dürfen aber nur mit dem Buchwert bewertet werden, wenn zusätzlich die besonderen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG vorliegen. Der qualifizierte Anteilstausch setzt voraus, dass die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat. Nicht erforderlich ist, dass die Stimmrechtsmehrheit gleichzeitig mit der mehrheitlichen Beteiligung am Gesellschaftskapital einhergeht.157 Das qualifizierende Merkmal der Stimmrechtsmehrheit hat nur für den Anteilstausch Bedeutung und ist im UmwStG nicht definiert.158 Was unter einem 150 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 27; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 116; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 21, Rn. 22. 151 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21, Rn. 25; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 116. 152 Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 2. 153 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 21, Rn. 20; Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 36. 154 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 5; Schönherr/Lemaitre, GmbHR 2007, 459 (460). 155 BT-Drs. 16/2710, S. 42; BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, DStR 2008, 2001 (2003); Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 21 UmwStG, Rn. 7. 156 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 21 UmwStG, Rn. 10; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 30; Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 9. 157 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 21, Rn. 43; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 32; Sarrazin, ZGR 1994, 66 (70). 158 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 153.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
Stimmrecht zu verstehen ist, muss daher unter Rückgriff auf das Gesellschaftsrecht bestimmt werden.159 Für die Stimmrechtsmehrheit reicht es aus, dass die übernehmende Gesellschaft mehr als die Hälfte der Stimmrechte und damit die einfache Mehrheit innehat; etwaige qualifizierte Mehrheitserfordernisse des Gesellschaftsrechts oder des Gesellschaftsvertrags sind insoweit unbeachtlich.160 Insbesondere schuldrechtliche Vereinbarungen über die Bindung von Stimmrechten, Vetorechte oder Konzernverträge sowie mittelbare Beteiligungen über zwischengeschaltete Gesellschaften haben für § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG keinerlei Auswirkungen.161 Für diese teilweise kritisierte162 restriktive Sichtweise spricht vor allem, dass nur so eine effektive Anwendung des Steuerrechts sichergestellt wird, da sonst auch geprüft werden müsste, ob die zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen wirksam sind.163 Die übernehmende Gesellschaft kann die erforderliche Stimmrechtsmehrheit außerdem auf unterschiedlichen Wegen erreichen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die übernehmende Gesellschaft durch die Einbringung direkt eine mehrheitsvermittelnde Beteiligung erwirbt oder ob die hinzuerworbenen Anteile eine schon bestehende Beteiligung bis zur Stimmrechtsmehrheit erhöht.164 Auch Einbringungen, die eine schon bestehende Mehrheitsbeteiligung weiter aufstocken, können steuerneutral ausgeführt werden165 Gleiches gilt für die Einbringung von Minderheitsbeteiligungen durch mehrere Einbringende, wenn die Anteile gemeinsam zu einer mehrheitsvermittelnden Beteiligung führen166 und die Umstrukturierung im Rahmen einer einheitlichen Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung erfolgt167. Nach diesen Grundsätzen kann die in Beispiel 6 angestrebte Umorganisation des Konzerns auf der Ebene des Einbringenden steuerneutral durchgeführt wer159
Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 153. Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 153; Patt, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 34; Junge, Umwandlungssteuerrecht, 2010, Rn. 701. 161 Merkert, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 39; Patt, in: Dötsch/ Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 34, 37; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 36; Thiel/Eversberg/van Lishaut/ Neumann, GmbHR 1998, 397 (433). 162 Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 21, Rn. 67. 163 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 33; Thiel/Eversberg/van Lishaut/Neumann, GmbHR 1998, 397 (433). 164 BT-Drs. 16/2710, S. 46; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 35. 165 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 21, Rn. 37; Widmann, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 21 UmwStG, Rn. 121. 166 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 21 UmwStG, Rn. 122; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 35; Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 156. 167 So die Forderung der Finanzverwaltung, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.09. 160
A. Einbringung nach dem UmwStG
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den, da bei nationalen Umstrukturierungen auch die Entstrickungsklausel des § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG keine Hindernisse bereitet. 3. Steuerliche Auswirkungen bei den Anteilseignern und der übernehmenden Gesellschaft, §§ 22 Abs. 2, 23 UmwStG Auch beim Anteilstausch sehen sich die Anteilseigner einer siebenjährigen latenten Gefahr der Nachversteuerung gemäß § 22 Abs. 2 UmwStG ausgesetzt. Rückwirkend muss der sogenannte Einbringungsgewinn II168 versteuert werden, wenn nach einem steuerneutralen Anteilstausch die übernehmende Gesellschaft innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt die eingebrachten Anteile veräußert oder einen Ersatztatbestand169 erfüllt. Die Tatbestandsmerkmale von § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG sind demnach identisch. Infolgedessen wertet vor allem die Finanzverwaltung eine nachfolgende Umstrukturierung auch beim Anteilstausch als schädlichen Vorgang, der eine rückwirkende Besteuerung auslöst.170 Durch das JStG 2009 ist allerdings klarstellend171 in § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG ein weiteres Tatbestandsmerkmal eingeführt worden. Zu einer Nachversteuerung kommt es ausdrücklich nur, wenn ein Gewinn aus der Veräußerung der Anteile zum Zeitpunkt der Einbringung beim Einbringenden nicht nach § 8b Abs. 2 KStG von der Steuer befreit gewesen wäre. Im Beispiel 6 entsteht also selbst dann kein Einbringungsgewinn II, wenn die übernehmende B-GmbH die eingebrachten Anteile während der siebenjährigen Sperrfrist veräußert. Da die einbringende A-GmbH eine Körperschaft ist, wäre ein Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile für sie ohnehin nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen. Die Gefahr, dass durch die Einbringung der Besteuerungsstatus von einer steuerpflichtigen Veräußerung nach dem Teileinkünfteverfahren oder gar einer vollen Steuerpflicht hin zur Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 KStG verbessert und missbräuchlich ausgenutzt wird, besteht in diesem Fall nicht.172 Wandelt man das Beispiel 6 aber dahingehend ab, dass Einbringender nunmehr eine KG
168 Differenz zwischen dem gemeinen Wert der eingebrachten Anteile abzüglich der Kosten für die Einbringung und dem Wert, mit dem der Einbringende die als Gegenleistung erhaltenen Anteile angesetzt hat. Dieser Wert verringert sich für jedes Jahr seit dem Einbringungszeitpunkt um ein Siebtel. Siehe § 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG. 169 § 22 Abs. 2 S. 6 UmwStG verweist auf die Ersatztatbestände nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis Nr. 5 UmwStG. 170 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314. Tz. 22.22. 171 Wochinger, in: FS für Herzig, 2010, S. 749 (754). 172 Möhlenbrock, in: FS für Herzig, 2010, S. 775 (781); Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 72; Dötsch/Pung, DB 2006, 2763 (2770).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
ist, führt eine Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die übernehmende BGmbH nach drei Jahren zu einem Einbringungsgewinn II in Höhe von 40173. Damit ist aber zugleich ein weiteres Problem angesprochen. Die Situation für den Einbringenden verschärft sich in § 22 Abs. 2 UmwStG noch, da nicht der Einbringende selbst die Nachversteuerung auslöst, sondern vielmehr die übernehmende Gesellschaft die rückwirkende Besteuerung beim Einbringenden durch Veräußerung oder die Erfüllung eines Ersatztatbestands bewirkt.174 Die steuerlichen Auswirkungen auf die Anteilseigner hängen mit anderen Worten also vom Verhalten eines fremden Dritten ab.175 Schließlich ergeben sich auch hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen des Anteilstausches auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft im Vergleich zu einer sonstigen Einbringung in eine Kapitalgesellschaft keine Unterschiede. § 23 UmwStG gilt nämlich auch für den Anteilstausch.176 Somit kann in der Abwandlung zum Beispielsfall 6 die übernehmende B-GmbH den Buchwert der eingebrachten Anteile nach § 23 Abs. 2 S. 3 i.V. m. S. 1 UmwStG um den Betrag des versteuerten Einbringungsgewinns II erhöhen, um so eine doppelte Besteuerung der stillen Reserven zu verhindern.
IV. Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG Der siebte Teil des UmwStG besteht allein aus § 24 UmwStG und befasst sich mit der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen in Personengesellschaften. Aufgrund der Vielzahl von in der Rechtsform einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmen und dem vielgestaltigen Anwendungsbereich der Norm, hat § 24 UmwStG große praktische Bedeutung.177 Mit Hilfe des siebten Teils des UmwStG lassen sich unter anderem Umstrukturierungen wie das Beispiel 7178 steuerneutral gestalten: 173 Gemeiner Wert der eingebrachten Anteile in Höhe von 100 ./. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG in Höhe von 30 ./. 3/7 von 70. 174 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22 UmwStG, Rn. 69. 175 Krohn/Greulich, DStR 2008, 646 (655); Schwetlik, NZG 2008, 41 (43), der außerdem Vorschläge für einen notwendigen vertraglichen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten macht. 176 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 23, Rn. 1. 177 Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 24, Rn. 6; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 3. 178 Vgl. Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (747). Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 24, Rn. 45.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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Die natürliche Person A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Die Bilanz des A weist die Gesellschaftsanteile mit einem Wert von 100 aus, ihr gemeiner Wert beträgt 200. A beschließt, mit dem B-Konzern ein Joint Venture zu gründen. Hierzu möchte A seine Anteile an der A-GmbH in die B-GmbH & Co. KG einbringen, deren einziger Kommanditist die Z-GmbH ist. Im Gegenzug soll A zur Hälfte Kommanditist in der GmbH & Co. KG werden. Alle Beteiligten sind im Inland ansässig. Nach der Einbringung weist die Unternehmensstruktur daher folgendes Bild auf: A und die Z-GmbH sind je zur Hälfte als Kommanditisten an der B-GmbH & Co. KG beteiligt, die ihrerseits alle Anteile an der A-GmbH hält. 1. Steuersystematische Einordnung der Einbringung in Personengesellschaften Die Bildung des Joint Ventures in Beispiel 7 ruht wirtschaftlich auf zwei Pfeilern. A überträgt erstens Vermögen in Form von Beteiligungen auf einen anderen Rechtsträger. Als Ausgleich erhält er zweitens vom übernehmenden Rechtsträger eine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten. Es liegt also hinsichtlich des wirtschaftlichen Ergebnisses kein Unterschied zu den übrigen Einbringungen vor, sodass Rechtsprechung179 und Literatur180 auch die Einbringung in eine Personengesellschaft nahezu einhellig als tauschähnlichen Vorgang einordnen. Reiß allerdings sieht zwischen der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft und in eine Personengesellschaft grundlegende Unterschiede. Bei der Einbringung in eine Personengesellschaft fehle es am Übergang des eingebrachten Vermögens auf ein anderes Steuersubjekt, da die Gesellschafter und nicht die Personengesellschaft Steuersubjekt sind, sodass keine Veräußerung vorliege.181 Nach dieser Ansicht modifiziert § 24 UmwStG nicht die grundsätzlich eintretenden Rechtsfolgen einer tauschähnlichen Betriebsveräußerung nach § 16 EStG, sondern gewährt umgekehrt ein Wahlrecht, einen im Grundsatz steuerneutralen Vorgang ausnahmsweise gewinnrealisierend durchzuführen182. 179 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749); BFH vom 26.1.1994, III R 39/91, BStBl. II 1994, 458 (460); BFH 21.6.1994, VIII R 5/92, BStBl. 1994 II 856 (858); BFH vom 19.10.1998, VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 (232 f.); BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (465); BFH vom 7.11.2006, VIII R 13/04, BStBl. II 2008, 545 (548). 180 Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 36; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 24, Rn. 8; Schlößer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 24, Rn. 14; Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 24, Rn. 7; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 5; Daragan, DStR 2000, 573 (575), der allerdings die Einbringung in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft von der Veräußerung ausnimmt. 181 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 27; ders., DB 2005, 358 (362 f.). Siehe auch Büchele, DB 1997, 2337 (2342). 182 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 27.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
2. Steuerliche Auswirkungen beim Einbringenden und der übernehmenden Personengesellschaft Abgesehen von dieser Divergenz folgen die Tatbestandsmerkmale des § 24 UmwStG sowie ihre Systematik dem aus § 20 UmwStG bekannten Schema. Schwierigkeiten bereitet in dieser Fallgruppe die Missbrauchsvermeidungsnorm des § 24 Abs. 5 UmwStG. a) Kein Einbringungsgewinn bei Buchwertfortführung Für den übertragenden Rechtsträger fällt bei der Einbringung in eine Personengesellschaft keine Steuer an, wenn der übernehmende Rechtsträger nach § 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG das übertragene Vermögen mit dem Buchwert bewerten darf. Denn in diesem Fall gilt der Buchwert durch die Verknüpfung des § 24 Abs. 3 S. 1 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis, sodass kein Einbringungsgewinn entsteht. Den Buchwert darf die übernehmende Personengesellschaft wiederum ausnahmsweise183 wählen, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an einem Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Vermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und außerdem die Voraussetzungen von § 24 Abs. 1 UmwStG erfüllt sind. Das ist wiederum der Fall, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in eine Personengesellschaft eingebracht wird und der Einbringende Mitunternehmer dieser Gesellschaft wird. Als Einbringungsgegenstände kommen auch hier nur qualifizierte unternehmerische Sachgesamtheiten und Mitunternehmeranteile in Betracht184, wobei diese Tatbestandsmerkmale genau wie in § 20 Abs. 1 UmwStG auszulegen sind.185 Wird wie im Beispiel 7 eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eingebracht, gilt die 100%-ige Beteiligung als Teilbetrieb, wenn sie im Betriebsvermögen des Einbringenden gehalten wird.186 Die Einbringung dieser Gegenstände kann auch im Rahmen von § 24 UmwStG durch zivilrechtliche Gestaltungen im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge, etwa durch Verschmelzungen oder Spaltungen187, erfolgen. Schließlich muss der Einbringende als Gegenleistung Gesellschaftsrechte in Form von Mitunternehmeranteilen an der übernehmenden Gesellschaft erhalten, also auf der Basis eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhält183 Auch § 24 Abs. 2 S. 1 UmwStG geht wie alle anderen Buchwertfortführungsvorschriften des UmwStG von der grundsätzlichen Bewertung mit dem gemeinen Wert aus. 184 Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 24, Rn. 26. 185 Schlößer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 24, Rn. 25; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 58. 186 BT-Drs. 16/2710, S. 50; Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 24 UmwStG, Rn. 12; Schlößer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 24, Rn. 6; Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (747). 187 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 12–14, 47.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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nisses Mitunternehmerinitiative entwickeln und Mitunternehmerrisiko tragen188. Bilanziell schlägt sich die Stellung als Mitunternehmer durch eine Gutschrift auf dem Kapitalkonto nieder.189 Gleiches gilt, wenn der Einbringende schon Mitunternehmer ist und seine Mitunternehmerstellung als Gegenleistung erweitert wird.190 Schlussendlich erfolgt die Umstrukturierung in Beispiel 7 für den Einbringenden steuerneutral. b) Rückwirkende Besteuerung bei Missbrauch Diese Vorteile werden aber unter Umständen durch weitere Umstrukturierungsschritte rückwirkend zunichte gemacht. Soweit das eingebrachte Vermögen nämlich zumindest auch Anteile an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse enthält, ordnet § 24 Abs. 5 UmwStG die entsprechende Anwendung von § 22 Abs. 2 UmwStG an. Veräußert die übernehmende Personengesellschaft steuerneutral eingebrachte Anteile innerhalb einer Frist von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt und ist der Einbringende keine nach § 8b Abs. 2 KStG privilegierte Person, dann entsteht rückwirkend auf den Einbringungszeitpunkt ein Einbringungsgewinn II soweit ein Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile auf eine nach § 8b Abs. 2 KStG privilegierte Person entfällt. Entsprechendes gilt, wenn ein Tatbestand nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis Nr. 5 UmwStG verwirklicht wird. aa) Nachträgliche Besteuerung auch bei mehrstufigen Umstrukturierungen Entwickelt man das Beispiel 7 weiter, indem die A-GmbH in einem zweiten Schritt im selben Jahr auf ihre Anteilseignerin, die B-GmbH & Co. KG, verschmolzen wird, zeigen sich die gleichen Auswirkungen wie schon bei mehrstufigen Umstrukturierungen nach §§ 20, 21 UmwStG. Zwar ist auch der zweite Schritt einer Verschmelzung auf eine Personengesellschaft isoliert betrachtet steuerneutral nach den §§ 3 ff. UmwStG möglich.191 Der Upstream-Merger ist aber als tauschähnlicher Vorgang eine Veräußerung und somit schädlich im Sinne von § 24 Abs. 5 UmwStG.192 Demzufolge realisiert die nachfolgende Umstrukturierung beim Einbringenden A rückwirkend einen Einbringungsgewinn in Höhe 188 BFH vom 3.5.1993, GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616 (621); Schlößer, in: Haritz/ Menner, UmwStG, 2010, § 24, Rn. 64; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 107. 189 BFH vom 5.6.2002, I R 81/00, DStR 2002, 1480 (1481); Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 26. 190 BFH vom 25.4.2006, VIII R 52/04, DStR 2006, 1408 (1412). 191 Siehe Kapitel 3 B. II. sowie für dieses Beispiel Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (750). 192 Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (750).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
von 50, da ein Veräußerungsgewinn zur Hälfte auf die von § 8b Abs. 2 KStG privilegierte Z-GmbH entfällt.193 Im Bericht des Finanzausschusses ist außerdem folgendes Beispiel gebildet194: Eine natürliche Person bringt eine 100%-Beteiligung an einer GmbH in eine OHG ein, an der je zur Hälfte diese natürliche Person und eine weitere Körperschaft beteiligt sind. Anschließend wird die OHG real geteilt, wobei die eingebrachte Beteiligung auf die als Mitunternehmerin beteiligte Körperschaft übergeht. Die Realteilung ist aber ein schädliches Ereignis nach § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG, sodass in Höhe der Beteiligung der Körperschaft an der real geteilten OHG nachträglich ein Einbringungsgewinn II zu versteuern ist.195 Auf diese Weise werden von § 24 Abs. 5 UmwStG nunmehr Gestaltungen erfasst, die unter Geltung des Systems einbringungsgeborener Anteile noch unter § 8b Abs. 4 Nr. 2 KStG a. F. fielen.196 Es soll demnach verhindert werden, dass nach einer steuerneutralen Einbringung in eine Mitunternehmerschaft ein von § 8b Abs. 2 KStG privilegierter Mitunternehmer jedenfalls einen Teil der Veräußerungsgewinne steuerfrei realisiert.197 Letztlich geht es also darum, einen möglichen Steuerverlust aus der Verlagerung der in den eingebrachten Anteilen enthaltenen stillen Reserven in den Anwendungsbereich der günstigen Besteuerung nach § 8b Abs. 2 KStG zu verhindern. bb) Zweifel an Pauschalität der Missbrauchsvermutung Ob die dargestellte Gefahr eines Missbrauchs tatsächlich so pauschal besteht, wie es das Gesetz angesichts einer fehlenden Gegenbeweismöglichkeit vermutet, wird in der Literatur von manchen Autoren in Frage gestellt.198 Der Grund dieser Zweifel liegt in der steuerlichen Behandlung des Einbringungsvorgangs auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft. Für die übernehmende Personengesellschaft ist die Einbringung ein Anschaffungsvorgang.199 Bei zukünftigen Gewinnermittlungen ist sie außerdem an den gewählten Wertansatz des übergehenden Vermögens gebunden.200 Mit welchem Wert das übergehende Vermögen 193
Vgl. Bauernschmitt/Blöchle, BB 2007, 743 (749 f.). BT-Drs. 16/3369, S. 14. 195 BT-Drs. 16/3369, S. 14. Siehe auch Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 274. 196 BT-Drs. 16/3369, S. 13 f. 197 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG, Rn. 208; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 198 Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 24, Rn. 128; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, § 24 UmwStG, Rn. 208; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 199 Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 24, Rn. 97. 200 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 178. 194
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bewertet wurde, ergibt sich aus der Gesamthands- und eventuell zu erstellender Ergänzungsbilanzen. Im Fall der Bewertung mit dem Buchwert sind bei einer späteren Veräußerung auf der Ebene der Übernehmerin die stillen Reserven aufzudecken. Dieser Gewinn ist den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung zuzurechnen. Wenn im Beispiel 7 allerdings die Anteile an der Kapitalgesellschaft in der Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft mit einem Wert von 200 bewertet werden und gleichzeitig für A eine negative Ergänzungsbilanz mit einem Minderkapital von 100 gebildet wird, bleiben die stillen Reserven in voller Höhe dem Einbringenden zugeordnet. Im Fall einer gedachten Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert entsteht daher auf der Ebene der Personengesellschaft kein Gewinn (200 – 200 = 0), da durch Auflösung der Ergänzungsbilanz des A der tatsächlich realisierte Gewinn in Höhe von 100 vollständig dem Einbringenden zuzuordnen ist.201 Der Veräußerungsgewinn entfällt dann nicht auf die privilegierte Körperschaft, sodass § 24 Abs. 5 UmwStG seinem Wortlaut nach nicht anwendbar ist. Die Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung des § 8b Abs. 2 KStG, die gerade verhindert werden soll, besteht bei der Verwendung von Ergänzungsbilanzen gar nicht.202 Vor diesem teleologischen Hintergrund ist § 24 Abs. 5 UmwStG bei der Erstellung von Ergänzungsbilanzen nicht anzuwenden.203 Außerdem legt der Wortlaut204 diese einschränkende Auslegung nahe, da durch die Auflösung einer Ergänzungsbilanz der Veräußerungsgewinn allein auf den einbringenden Mitunternehmer entfällt.205 Auch trotz der Nutzung von Ergänzungsbilanzen führt § 24 Abs. 5 UmwStG mitunter zu merkwürdigen Ergebnissen. Entstehen nach dem Einbringungszeitraum weitere stille Reserven in den eingebrachten Anteilen und veräußert die übernehmende Personengesellschaft die Anteile zu einem Preis von z. B. 220, dann entfällt nur ein Betrag von 10 auf den von § 8b Abs. 2 KStG privilegierten Mitunternehmer.206 Das entspricht einer Quote von rund 8,3% des gesamten Veräußerungsgewinns. In Höhe dieser Quote ordnet § 24 Abs. 5 UmwStG die Anwendung von § 22 Abs. 2 UmwStG an, sodass es rückwirkend auf den Einbringungszeitpunkt zu einem Einbringungsgewinn II in Höhe von 8,3 beim Einbrin201 Vgl. Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 281; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 222. 202 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 11, Rn. 730; Holzhäuser, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 24, Rn. 280. 203 Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 204 „. . . insoweit entsprechend anzuwenden, als der Gewinn entfällt . . .“, § 24 Abs. 5 UmwStG a. E. 205 Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 206 Beispiele mit jeweils unterschiedlichen Zahlen bei Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 281; Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 24, Rn. 132; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 222.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
genden kommt.207 Der Veräußerungsgewinn beruht aber nicht allein auf der Realisation stiller Reserven, die die natürliche Person schon mit eingebracht hatte. Vielmehr werden auch neu entstandene stille Reserven realisiert.208 Allein der Anteil der Körperschaft an diesen neuen stillen Reserven löst die steuerschädlichen Rechtsfolgen des § 22 Abs. 2 UmwStG aus. Hinsichtlich dieser stillen Reserven kann durch die Einbringung aber schon rein zeitlich keine Verbesserung des steuerlichen Status hin zu § 8b Abs. 2 KStG erreicht worden sein, sodass die Gefahr eines Missbrauchs nicht besteht.209 Deshalb ist § 24 Abs. 5 UmwStG für diese Fälle teleologisch zu reduzieren.210
V. Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, § 25 UmwStG Mit dem Wechsel von der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft211 in eine Kapitalgesellschaft regelt § 25 UmwStG die letzte Fallgruppe umwandlungssteuerlicher Einbringungen. Als Beispiel für diese Fallgruppe dient eine Abwandlung der Entscheidung des BFH vom 16.12.2009212: A und B sind an der AB-KG beteiligt. Um die Finanzierungsmöglichkeiten ihrer Gesellschaft zu verbessern und einen späteren Börsengang vorzubereiten213, soll die KG durch Formwechsel in eine AG umgewandelt werden. Die Rechte am Namen und dem Logo der Gesellschaft, die zum Sonderbetriebsvermögen des A bei der KG gehörten, gehen nicht auf die AG über. A verzichtet aber zugunsten der AG auf die Nutzung dieser Rechte.
207 8,3% des Einbringungsgewinns II nach § 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG in Höhe von 100 = Gemeiner Wert der eingebrachten Anteile in Höhe von 200 abzüglich des Buchwert in Höhe von 100. 208 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 281; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 222. 209 Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 210 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 281; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24, Rn. 222; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (376). 211 Durch die ausdrückliche Anknüpfung des § 25 UmwStG an das Zivilrecht kommen nur von § 191 UmwG erfasste Rechtsträger in Betracht, Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 25, Rn. 6. 212 BFH vom 16.12.2009, I R 97/08, BStBl. II 2010, 808. Der Entscheidung lag kein Formwechsel im Anwendungsbereich des § 25 UmwStG sondern eine Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG a. F. zugrunde. 213 Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 25, Rn. 5 mit Hinweisen auf weitere Motive für einen Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft in Rn. 2 ff.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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1. Steuersystematische Einordnung des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft Der Formwechsel von einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft basiert zivilrechtlich ebenfalls auf dem Identitätsprinzip. Der einzig beteiligte Rechtsträger ändert bloß sein Rechtskleid. Es kommt nicht zu einer zivilrechtlichen Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger. Daher bereitet die steuersystematische Einordnung in die allgemeinen Regeln des Ertragsteuerrechts auch für den kreuzenden Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft erhebliche Probleme. Kern aller Ansichten ist die Feststellung, dass der Wechsel von der Personen- in die Kapitalgesellschaft zu einer Veränderung des einschlägigen Besteuerungsregimes führt. Während die Besteuerung der Personengesellschaft vom Transparenzprinzip beherrscht ist, unterliegt eine Kapitalgesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt selbst der Besteuerung. Das FG München bringt die Konsequenz dieser Feststellung auf den Punkt: Durch einen wirksamen Formwechsel wird das ursprüngliche Gesamthandseigentum in Alleineigentum der Kapitalgesellschaft umqualifiziert.214 Nach dem Formwechsel ist das Betriebsvermögen also einem anderen Steuersubjekt zuzurechnen.215 Aus einer steuersystematischen Perspektive führt der Formwechsel daher auch ohne zivilrechtlichen Vermögensübergang zu einem Rechtsträgerwechsel.216 Diesen Vorgang qualifiziert der BFH als tauschähnlich.217 Die Literatur nimmt teilweise ebenfalls eine Veräußerung an218 oder geht von einer Schlussbesteuerung durch Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG aus.219 2. Rechtsgrundverweis auf die §§ 20 bis 23 UmwStG Auch das Gesetz selbst geht von einem Vermögensübergang aus, denn § 9 S. 2 UmwStG, den § 25 UmwStG in Bezug nimmt, nennt ausdrücklich eine „Übertragungsbilanz“.220 Neben diesem formalen Argument spricht auch der Verweis in § 25 UmwStG auf die Sacheinlage nach den §§ 20 bis 23 UmwStG für einen 214 FG München vom 23.3.2004, 7 K 4036/01, DStRE 2004, 1078. So auch Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 14. 215 Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (560); Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (851); Dehmer, DStR 1994, 1753 (1754). 216 FG München vom 23.3.2004, 7 K 4036/01, DStRE 2004, 1078 (1079); weniger prägnant in nächster Instanz BFH vom 19.10.2005, I R 38/04, BStBl. II 2006, 568 (569); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1209 (1219). 217 BFH vom 19.10.2005, I R 38/04, BStBl. II 2006, 568 (569). 218 Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 25, Rn. 1; Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 416. 219 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 146; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (560); Dehmer, DStR 1994, 1753 (1754). 220 FG München vom 23.3.2004, 7 K 4036/01, DStRE 2004, 1078; Boorberg/Boorberg, DB 2007, 1777 (1778).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
Vermögensübergang.221 Denn dieser Verweis ist als Rechtsgrundverweis222 und nicht als Rechtsfolgenverweisung223 auszulegen. Das gesamte Umwandlungssteuerrecht stellt in den §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 2, 20 Abs. 2 UmwStG nämlich vergleichbare besondere Anforderungen an die Steuerneutralität der Umstrukturierung, etwa hinsichtlich der Qualität des übergehenden Vermögens, der zulässigen Gegenleistung und der fortdauernden steuerlichen Verstrickung. Die Annahme einer Rechtsfolgenverweisung würde diese einheitliche Systematik durchbrechen, wenn ohne die besonderen Voraussetzungen von der grundsätzlichen Bewertung zum gemeinen Wert abgewichen werden dürfte.224 Abgesehen davon würden sich nicht erklärbare Widersprüche mit § 22 UmwStG ergeben. Die Norm zur Verhinderung von Missbräuchen ist gleichberechtigt neben den übrigen Regelungen in den Verweis aufgenommen. Enthielte § 25 UmwStG eine bloße Rechtsfolgenverweisung, wäre ebenfalls das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung in § 22 UmwStG von dem Verweis ausgenommen. Für den Formwechsel würde dann der vom Gesetzgeber als maßgeblich angesehene Indikator für missbräuchliche Gestaltungen fehlen. Es wäre nicht klar, wann die Rechtsfolge von § 22 UmwStG überhaupt eintreten soll. Im Ergebnis müssen also für einen steuerneutralen Formwechsel die Tatbestandsmerkmale der §§ 20 ff. UmwStG erfüllt sein. Das zivilrechtliche Identitätsprinzip eines Formwechsels gemäß § 190 UmwG bedingt aber, dass es einer selbständigen Einbringung im Sinne einer Übertragung des Gesamthandsvermögens im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge nicht bedarf.225 Gegenstand der Einbringung sind aus steuerrechtlicher Sicht vielmehr nur die Mitunternehmeranteile an der formwechselnden Personengesellschaft.226 Als Gegenleistung erhalten die ursprünglichen Mitunternehmer neue Anteile an dem in neuer Rechtsform fortexistierenden Rechtsträger.227 Da die Mitunternehmerschaft im Zuge des Formwechsels untergeht und die Gesellschafter selbst die neuen An-
221 FG München vom 23.3.2004, 7 K 4036/01, DStRE 2004, 1078; vgl. auch Crezelius, Stgb 1995, 438 (449). 222 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 25 UmwStG, Rn. 4; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 15; Breuninger, in: FS für Widmann, 2000, S. 203 (217). 223 Von einer Rechtsfolgenverweisung gehen Boorberg/Boorberg, DB 2007, 1777 (1781) und wohl auch Crezelius, Stbg 1995, 438 (440) aus. 224 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 25, Rn. 10. 225 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 27. 226 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 25, Rn. 18; Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 25, Rn. 46. 227 Siehe § 202 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG. Siehe auch Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 25, Rn. 26; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 25, Rn. 25. Siehe § 202 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG.
A. Einbringung nach dem UmwStG
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teile erhalten, sind sie als Einbringende im Sinne von § 25 UmwStG anzusehen.228 3. Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens Während diese Voraussetzungen im eingangs geschilderten Beispiel erfüllt werden können, besteht im Zusammenhang mit der Einbringung von Mitunternehmeranteilen ein nahezu identisches Problem, wie schon bei der Abspaltung eines Teilbetriebs.229 In dem zugrundeliegenden Urteil des BFH war zu entscheiden, ob die Zurückbehaltung eines Namens- und Kennzeichenrechts im Sonderbetriebsvermögen die Anwendung des § 20 UmwStG ausschließt.230 Abstrakter gesprochen stand die Frage im Raum, ob im Zuge der Einbringung eines Mitunternehmeranteils auch wesentliche Betriebsgrundlagen231 im Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers eingebracht werden müssen. Vom BFH wurde dies für § 20 UmwStG mit dem Argument bejaht, dass auch wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören.232 Schon der Rechtsgrundverweis des § 25 UmwStG legt nahe, an den Formwechsel denselben Maßstab anzulegen. Ein Teil der Literatur bestreitet für steuerneutrale Formwechsel aber den Zwang zur Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens und argumentiert, dass die §§ 190 ff. UmwG als handelsrechtliche Vorschrift nur das Gesamthandsvermögen der formwechselnden Personengesellschaft und nicht auch das steuerrechtliche Sonderbetriebsvermögen im 228 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 25, Rn. 18; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 17. 229 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3 F. II. 2. a). 230 BFH vom 16.12.2009, I R 97/08, BStBl. II 2010, 808. Zu diesem Problem siehe auch BFH vom 16.2.1996, I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 ff. 231 Zur Frage, ob das Namens- und Kennzeichenrecht eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, hat der BFH an das FG Düsseldorf zurückverwiesen. Das FG hat die Rechte schlussendlich als funktional wesentliche Betriebsgrundlage qualifiziert, FG Düsseldorf vom 16.2.2011, 15 K 1414/10 E, Tz. 15, (juris). Zur Frage, ob bei der Einbringung eines KG-Anteils eine zugleich bestehende Beteiligung an der KomplementärGmbH als wesentliche Betriebsgrundlage ebenfalls übertragen werden muss siehe BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, DStR 2010, 269 ff. Nach dieser Entscheidung stellt die Beteiligung an der Komplementär-GmbH nur dann eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn der Kommanditist in der GmbH seinen Willen durchsetzen kann. Zum Streitstand siehe auch Stangl/Grundke, DStR 2010, 1871 ff.; Schäffler/Gebert, DStR 2010, 636 (637 ff.); Schwedhelm/Talaska, DStR 2010, 1505 (1506 ff.). Aus Sicht der Verwaltung OFD Rheinland, Verfügung vom 23.3.2011, S 2242-25 – St – 111. 232 BFH vom 16.12.1996, I R 183/94, BB 1996, 1268 (1269). Ständige Rechtsprechung BFH vom 19.12.1979, II R 76/74, BStBl. II 1980, 216 (217); BFH vom 26.1.1994, III R 39/91, BStBl. II 1994, 458 (460); BFH vom 16.12.2009, I R 97/08, BStBl. II 2010, 808 (810).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
Eigentum der Mitunternehmer erfasse.233 Gegen diese Ansicht sprechen aber Wertungswidersprüche mit den sonstigen Vorschriften des Einbringungsteils, die entstehen, wenn nur beim Formwechsel wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen zurückgehalten werden dürfen.234 Besonders eklatant wäre der Wertungswiderspruch im Vergleich zur Abspaltung eines Teilbetriebs. Mit dem Betriebs- oder Teilbetriebserfordernis ermöglicht § 20 Abs. 1 UmwStG die Umstrukturierung selbständig lebensfähiger unternehmerischer Einheiten, indem ein durch die wesentlichen Betriebsgrundlagen konstituiertes Objekt eines betrieblichen Engagements fortgeführt wird.235 Ein Mitunternehmeranteil ist Betrieben und Teilbetrieben systematisch gleichgestellt. Wenn Betriebe und Teilbetriebe als Objekte eines unternehmerischen Engagements aber nur mitsamt den wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden können236, kann für den Mitunternehmeranteil daher nichts anderes gelten, unabhängig davon ob die wesentlichen Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen gehalten werden. Bestünde bei einem Formwechsel die Möglichkeit, wesentliche Betriebsgrundlagen zurückzuhalten, würde sich nicht nur die Form der Beteiligung des Gesellschafters verändern, sondern das Objekt des betrieblichen Engagements selbst wäre nicht mehr dasselbe. Das widerspricht dem Telos des Umwandlungssteuerrechts, wie schon die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen bei der Abspaltung eines Teilbetriebs gezeigt hat.237 Wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens müssen daher zusätzlich auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden, wobei sich dieser Vorgang einheitlich nach § 25 UmwStG i.V. m. § 20 UmwStG richtet.238
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter Neben dem UmwStG ermöglicht auch § 6 Abs. 5 EStG steuerneutrale Unternehmensumstrukturierungen. Der größte Unterschied zum bisher betrachteten Regelungsbereich liegt im Gegenstand der Umstrukturierung. Während das UmwStG die steuerneutrale Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen oder von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften erlaubt, befasst 233 Dehmer, UmwG/UmwStG, 1996, § 25 UmwStG, Rn. 21; Boorberg/Boorberg, DB 2007, 1777 (1778). 234 Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 25, Rn. 1; Rabback, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 25, Rn. 50; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 15. 235 Siehe dazu die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Teilbetriebsbegriff, Kapitel 3 F. II. 2. a) cc) (3). 236 Siehe Kapitel 3 F. II. 2. c). 237 Siehe Kapitel 3 F. II. 2. a) cc) (3). 238 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 25, Rn. 20; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 25 UmwStG, Rn. 22.
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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sich das EStG insbesondere auch mit Umstrukturierungen, die auf der Verlagerung einzelner Wirtschaftsgüter basieren239. Einen zweiten Unterschied zu den Regeln des UmwStG deckt die Untersuchung der möglichen Beteiligten auf. Kapitalgesellschaften können nämlich nur in sehr begrenztem Umfang von § 6 Abs. 5 EStG profitieren. Die technische Umsetzung der Steuerneutralität ist aber identisch mit der Technik des UmwStG und erfolgt durch Buchwertfortführung.
I. Überführung einzelner Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 5 S. 1 und S. 2 EStG § 6 Abs. 5 EStG befasst sich in seinen Sätze 1 und 2 zunächst mit der Überführung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen unterschiedlichen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Angesprochen sind damit Vorgänge wie folgendes Beispiel 8240: Die natürliche Person A betreibt im Inland ein Einzelunternehmen und gründet mit B eine OHG. Dabei bringt A sein Einzelunternehmen in die OHG ein, behält allerdings ein Betriebsgrundstück zurück, das er der OHG zur Nutzung überlässt. 1. Steuersystematische Einordnung der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern Betrachtet man das wirtschaftliche Ergebnis dieses Beispiels, fallen zwei entscheidende Aspekte auf. A erhält erstens im Zuge der Umstrukturierung keine Gegenleistung. Zweitens scheidet das zurückbehaltene Grundstück nicht aus einer betrieblichen Verstrickung aus, obwohl der Steuerpflichtige sein Einzelunternehmen in die OHG einbringt. Das Grundstück wird durch die Umstrukturierung zu Sonderbetriebsvermögen des A bei der OHG.241 Beide Aspekte sprechen auf den ersten Blick gegen eine Gewinnrealisierung. Trotzdem herrscht keine Einigkeit über die Einordnung der Überführung in die allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln.242 Auf Grundlage der finalen Entnahmetheorie 243 ging die Rechtsprechung bei der Verschiebung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen Betriebsvermö239 Daneben erlaubt das EStG in §§ 6 Abs. 3, 16 Abs. 3 auch Umstrukturierungen unter (teils unentgeltlicher) Übertragung ganzer Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile. Beide Normen erlauben jedoch keine zusätzlichen Erkenntnisse für die hier vorgenommene systematische Betrachtung, da ihre Tatbestandsmerkmale zumindest mit § 6 Abs. 5 EStG oder anderen betrachteten Vorschriften vergleichbar sind. 240 Beispiel nach Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1447 dort Beispiel 4. 241 Vgl. Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1447 dort Lösung zu Beispiel 4. 242 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 35. 243 BFH vom 16.3.1967, IV 72/65, BStBl. III 1967, 318 (320); BFH vom 7.10.1974, GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (170); BFH vom 19.2.1998, IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509 (510); BFH vom 16.6.2004, X R 34/03, BStBl. II 2005, 378 (379).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
gen desselben Steuerpflichtigen nicht von einer Ersatzrealisation aus, wenn die stillen Reserven weiterhin steuerlich erfasst sind. Ein Teil der Literatur legt den Betriebsbegriff weit aus und erfasst sämtliche Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen als einen Betrieb, sodass eine Verlagerung innerhalb der einzelnen Betriebsvermögen steuerlich irrelevant sei.244 Die Gegenansicht propagiert einen engeren Betriebsbegriff und sieht in der Überführung zwischen einzelnen Betriebsvermögen eine Entnahme.245 Für diese Sichtweise spricht vor allem die systematische Stellung von § 6 Abs. 5 EStG in den Bewertungsvorschriften.246 Wäre eine Überführung nämlich ertragsteuerlich irrelevant, dann hätte es einer entsprechenden Bewertungsvorschrift nicht bedurft. 2. Zwingende Buchwertfortführung Nach § 6 Abs. 5 S. 1, 2 EStG erfolgt die Umstrukturierung im Beispiel 8 trotz Einordnung als gewinnrealisierende Entnahme steuerneutral. Dazu ordnet das Gesetz zwingend die Fortführung der Buchwerte an, wenn ein einzelnes Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt wird. § 6 Abs. 5 S. 2 EStG erweitert die erfassten Vorgänge auf Überführungen zwischen dem Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen und seinem Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft sowie zwischen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen bei unterschiedlichen Mitunternehmerschaften. § 6 Abs. 5 EStG ist damit durch die zwingende Bewertung zum Buchwert völlig anders konzipiert als das UmwStG mit seiner Pflicht zur Aufdeckung der stillen Reserven durch die grundsätzliche Bewertung mit dem gemeinen Wert. Außerdem dürfen nur einzelne Wirtschaftsgüter von der Umstrukturierung betroffen sein. Die Überführung unternehmerischer Sachgesamtheiten in Form von Betrieben oder Teilbetrieben ist gesetzlich nicht geregelt. Niehus/Wilke wollen diese vermeintliche Lücke zwar durch Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 1 EStG auch auf Sachgesamtheiten schließen und argumentieren, dass die Einschränkung in Satz 1 nur der Klarstellung des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG dient, der seinerseits auf Satz 1 verweist.247 Das widerspricht allerdings 244 Fischer, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 6, Rn. 205; Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 35; Korn/Strahl, in: Korn/Carlé/Stahl/Strahl, EStG, 2012, § 6, Rn. 488; Siegel, FR 2011, 45 (48); Reiß, StbJb. 2000/2001, 281 (305). 245 BMF vom 8.12. 2011, IV C 6 – S 2241/10/2002, DStR 2011, 2401 Tz. 1; Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1443; Kulosa, in: Schmidt, EStG, 2011, § 6, Rn. 685; Wehrheim/Nickel, BB 2006, 1361 (1364); Kloster/ Kloster, GmbHR 2002, 717 (719, Fn. 25). Wohl auch Crezelius, FR 2011, 401 (402). 246 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1443, 1445d. 247 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1446.
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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dem eindeutigen Wortlaut von § 6 Abs. 5 S. 1 EStG. Außerdem bedürfte es einer solchen Konkretisierung überhaupt nicht, denn auch der Wortlaut von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG selbst enthält eine Einschränkung auf einzelne Wirtschaftsgüter.248 Systematisch stützt § 6 Abs. 5 S. 4 EStG dieses Ergebnis, da auch hier das Gesetz den Begriff des Wirtschaftsgutes nur im Singular verwendet. Sachgesamtheiten sind eindeutig nicht von § 6 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG erfasst. Als weitere Besonderheit enthält die Buchwertfortführungsvorschrift das Tatbestandsmerkmal der Überführung. Dieses Merkmal ist weit zu verstehen und erfasst alle Vorgänge, die eine Änderung der steuerlichen Zurechnung zu einem anderen Betriebsvermögen bewirken, ohne dass damit ein zivilrechtlicher Rechtsträgerwechsel einhergeht.249 Die veränderte Zurechnung muss sich aber auf Betriebsvermögen desselben Steuersubjekts beziehen. Denkbar sind unterschiedliche Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen jedenfalls bei natürlichen Personen mit mehreren Betrieben oder Sonderbetriebsvermögen sowie bei Personengesellschaften, die ihrerseits als Mitunternehmer ein Sonderbetriebsvermögen unterhalten.250 Kapitalgesellschaften haben im Regelfall nur einen einzigen Betrieb, Überführungen sind daher nur möglich, wenn die Kapitalgesellschaft selbst als Mitunternehmerin ein Sonderbetriebsvermögen hat.251 Steuerneutralität durch Buchwertfortführung gewährt das Gesetz in allen Varianten aber nur, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Auch § 6 Abs. 5 S. 1 EStG enthält also eine spezielle Entstrickungsklausel. Gemeint ist auch hier, dass ein Gewinn aus der Veräußerung der in ein anderes Betriebsvermögen überführten Wirtschaftsgüter später im Inland gewährleistet ist.252 Unerheblich ist, ob die betroffenen Betriebsvermögen derselben Gewinneinkunftsart zuzuordnen sind.253 Eine Überführung ins Privatvermögen löst aber eine Entnahme zum Teilwert nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG i.V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus254. Diese Voraussetzungen erfüllt das geschilderte Beispiel, da das einzig betroffene Wirtschaftsgut weiterhin in einem Sonderbetriebsvermögen eines inländischen Steuerpflichtigen verstrickt bleibt. Die Umstrukturierung erfolgt steuerneutral. Trotz der Besonderheiten einer Überführung zeigen sich mit der 248
Siehe § 6 Abs. 5 S. 3 EStG „. . ., soweit ein Wirtschaftsgut . . .“. Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1288; Niehus/Wilke, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1447. 250 Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, 2010, § 6, Rn. 1150; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1287. 251 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1447c; Rasche, in: Klingebiel/Patt/Rasche/Krause, Umwandlungssteuerrecht, 2008, Teil D I 4.1, S. 669. 252 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1291. 253 Rasche, in: Klingebiel/Patt/Rasche/Krause, Umwandlungssteuerrecht, 2008, Teil D I 4.2.3, S. 671; Kulosa, in: Schmidt, EStG, 2011, § 6, Rn. 682. 254 Fischer, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 6, Rn. 208. 249
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
speziellen Entstrickungsklausel auch erste Ähnlichkeiten mit den Umstrukturierungen nach dem UmwStG. Diese Ähnlichkeiten werden sich in den folgenden Beispielen fortsetzen.
II. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Neben der Überführung regelt § 6 Abs. 5 EStG in Satz 3 die steuerlichen Folgen diverser Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter zwischen unterschiedlichen Betriebsvermögen. In diesem Zusammenhang kam es jüngst zu einem offen ausgetragenen Streit zwischen dem 1. Senat255 und dem 4. Senat256 des BFH. Das zugrundeliegende Problem wird in der Literatur257, zum Teil auch von den beteiligten Richtern258, kontrovers diskutiert. In der Sache geht es um die Frage, ob eine Umstrukturierung durch Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften steuerneutral möglich ist. Folgendem Beispiel 9 liegt der Beschluss des 4. Senats zugrunde: An der AGmbH & Co. KG sind die natürlichen Personen K zu zwei Dritteln und B zu einem Drittel als Kommanditisten beteiligt. Die KG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Das Grundstück wird von der A-GmbH & Co. KG auf die SGmbH & Co. KG übertragen, an der K und B ebenfalls im gleichen Verhältnis beteiligt sind. Die Übertragung des Grundstücks diente dazu, die Kommanditeinlage bei der S-GmbH & Co. KG zu erbringen. Aus praktischer Sicht erfolgt eine solche Umstrukturierung etwa, um Sicherheiten für Investitionen in der übernehmenden Gesellschaft bereitzustellen.259 Das Finanzamt bewertete das übertragene Grundstück mit dem Teilwert, Anträge auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt und Finanzgericht blieben erfolglos. Da der 4. Senat des BFH
255
BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471. BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971. Siehe hierzu auch den Nichtanwendungserlass des BMF vom 29.10.2010, IV C 6 – S 2241/10/10002:001, BStBl. I 2010, 1206. 257 Bareis, FR 2011, 153 ff.; Siegel, FR 2011, 45 ff.; Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900 ff.; Siegmund/Ungemach, NWB 2010, 2206 ff.; Suchanek, GmbHR 2010, 725 f.; Ley, in: FS für Lang, 2010, S. 683 (694 ff.). Vor den beiden Entscheidungen des BFH etwa Groh, DB 2002, 1904 (1906); Hoffmann, GmbHR 2002, 125 (131); van Lishaut, DB 2001, 1519 (1519 f.); Niehus, FR 2005, 278 ff. 258 Gosch, DStR 2010, 1173 ff.; Wittwer, DStR 2010, 1072; Bode, DB 2010, 1156 f.; Wendt, FR 2010, 386 f. 259 Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900 (902). Ein anderes Motiv für die Übertragung ist die Abtrennung von Wirtschaftsgütern im Vorfeld einer geplanten Veräußerung der übertragenden Personengesellschaft, Bogenschütz/Hierl, DStR 2003, 1097 (1098). Als Motiv kommt auch die Errichtung einer Betriebsaufspaltung in Betracht, Groh, DB 2002, 1904. 256
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
195
aber „ernstliche Zweifel“ 260 an der Rechtmäßigkeit des Teilwertansatzes hatte, war die schließlich erhobene Beschwerde erfolgreich. 1. Steuersystematische Einordnung der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern Übertragen die Gesellschafter einer Personengesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft und erhalten sie im Gegenzug hierfür Gesellschaftsrechte, dann handelt es sich bei dem Vorgang um eine offene Sacheinlage, die sowohl der überwiegende Teil der Literatur261 als auch der BFH262 als tauschähnlichen Vorgang einordnen. Die Gegenansicht argumentiert ähnlich wie schon zu § 24 UmwStG263 und unter Bezugnahme auf das Transparenzprinzip, dass die Einbringung in die Mitunternehmerschaft aus systematischen Gründen steuerlich nicht relevant sei, da die stillen Reserven des eingebrachten Wirtschaftsgutes ununterbrochen in einem Betriebsvermögen des allein steuerpflichtigen Mitunternehmers verstrickt seien.264 Erfolgt die Übertragung zwischen den Betriebsvermögen unentgeltlich, dann könne die Übertragung für das abgebende Betriebsvermögen als Entnahme zum Teilwert und für das aufnehmende Betriebsvermögen als Einlage qualifiziert werden.265 Von der Gewinnrealisierung macht nun § 6 Abs. 5 S. 3 EStG durch den zwingenden Ansatz zum Buchwert eine Ausnahme. Für die Gewinnrealisierung durch Tausch ist das Verhältnis der Bewertungsregeln zugunsten des Buchwertansatzes nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG durch § 6 Abs. 6 S. 4 EStG mittlerweile ausdrücklich klargestellt.266
260
BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971. Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 61; Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 937; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 85; Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 74; Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (719). 262 Grundlegend BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749); BFH vom 29.10.1987, IV R 93/85, BStBl. II 1988, 374 (376); BFH vom 17.7.2008, I R 77/ 06, BStBl. II 2009, 464 (465). Für Einlagen aus dem Privatvermögen BFH vom 19.10. 1998, VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 (232); BFH vom 24.1.2008, IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 (620). 263 Siehe Kapitel 4 A. IV. 1. 264 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 381a; ders., StuW 2000, 399 (409). Siehe auch Bareis, FR 2011, 153 (159), der die Einlage als bloße Zweckänderung eines Wirtschaftsgutes und die Erhöhung der Gesellschaftsrechte als Rechtsreflex ansieht. Anders auch Wehrheim/Nickel, BB 2006, 1361 (1365), die lediglich eine „partielle Entnahme in Höhe der quotenmäßigen Beteiligung weiterer Mitunternehmer“ annehmen. 265 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (474); BFH vom 6.9.2000, IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 (231); Reiß, StbJb 2001/2002, 281 (311). 266 Wendt, FR 2002 53 (57). 261
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
2. Steuerliche Auswirkungen beim Übertragenden Sollte also § 6 Abs. 5 S. 3 EStG die Übertragung eines Wirtschaftsgutes auch zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften erfassen, erfolgt die Umstrukturierung beim Einbringenden durch den zwingenden Buchwertansatz steuerneutral. Das gilt allerdings nur dann, wenn nicht aufgrund der Missbrauchsvorschriften in § 6 Abs. 5 S. 4 bis S. 6 EStG rückwirkend der Teilwert angesetzt werden muss. a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Tatbestandlich ist § 6 Abs. 5 S. 3 EStG auf Umstrukturierungen durch Verlagerung einzelner Wirtschaftsgüter beschränkt. Zwar können nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG auch mehrere Wirtschaftsgüter steuerneutral eingebracht werden, allerdings nur insoweit, als diese Wirtschaftsgüter nicht die Voraussetzungen einer qualifizierten Sachgesamtheit in Form eines Betriebes oder Teilbetriebes erfüllen.267 In Abgrenzung zu § 6 Abs. 5 S. 1 EStG muss die Einbringung nach Satz 3 durch Übertragung erfolgen. Anders als bei der Überführung ordnet ein Übertragungsvorgang das zivilrechtliche oder jedenfalls das wirtschaftliche Eigentum einem anderen Rechtsträger zu.268 Dieser Rechtsträgerwechsel erfolgt unentgeltlich, wenn der Einbringende keine Gegenleistung erhält.269 Entgeltliche Übertragungen unterfallen § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nur, wenn die Gegenleistung in der Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten besteht. Dazu müssen sich kumulativ oder alternativ die Gewinnbezugs- und Stimmrechte des Mitunternehmers erhöhen.270 Buchungstechnisch wird die Erhöhung der Gesellschaftsrechte durch Zuschrift auf dem Kapitalkonto, das die Stimmrechte und vermögensmäßigen Beteiligungen des Gesellschafters ausweist, verwirklicht.271 Schließlich setzt das Gesetz durch den Verweis auf § 6 Abs. 5 S. 1 EStG voraus, dass die spätere Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Die in Beispiel 9 geschilderte Umstrukturierung erfüllt diese Kriterien. Das Grundstück als einzig betroffenes Wirtschaftsgut wird von der A-KG auf einen neuen Rechtsträger, die S-KG, übertragen. Im Gegenzug erhöhen sich die Gesellschaftsrechte der Kommanditisten. Eine Entstrickung tritt im rein nationalen Kontext nicht ein. 267 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1451a; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 46. 268 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1317; Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2010, § 6, Rn. 207; Wendt, FR 2002, 53 (57). 269 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1452a; Wendt, FR 2002, 53 (58). 270 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1324; Niehus/Wilke, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1453b; Wendt, FR 2002, 53 (59). 271 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 62; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 49.
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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Fraglich ist nur, ob die besonderen Tatbestandsmerkmale der § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG erfüllt sind. Das Gesetz erfasst nämlich nicht sämtliche Umstrukturierungen zwischen Mitunternehmerschaften und ihren Mitunternehmern, sondern zählt unterschiedliche Kombinationen der beteiligten Betriebsvermögen und die Richtung der Übertragung auf. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG zwingt zum Buchwertansatz, wenn das Wirtschaftsgut entweder aus dem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft oder in umgekehrter Richtung übertragen wird. Die Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft sowie die Übertragung jeweils in die umgekehrte Richtung sind von § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG erfasst. Schließlich bezieht sich § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG auf die Übertragung zwischen Sonderbetriebsvermögen unterschiedlicher Mitunternehmer bei derselben Mitunternehmerschaft. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in eine andere Mitunternehmerschaft ist in keiner dieser Varianten geregelt und vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG eindeutig nicht erfasst. b) Steuerneutrale Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften trotz fehlender gesetzlicher Regelung? Auch der 1. und der 4. Senat des BFH sind sich einig, dass § 6 Abs. 5 EStG den hier interessierenden Fall nicht regelt.272 Stark umstritten ist allerdings, ob der Gedanke des § 6 Abs. 5 EStG auf die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften ausgedehnt werden kann. Die Entscheidungen der beiden Senate des BFH stehen zueinander in einem auffälligen Gegensatz, sowohl in methodologischer Hinsicht als auch bezüglich ihrer Ergebnisse, und offenbaren plastisch die enormen systematischen Unklarheiten bei der Besteuerung von Umstrukturierungsvorgängen innerhalb von Personengesellschaften. Für den Gegenstand dieser Arbeit wird weniger das konkrete Ergebnis als vielmehr die herangezogene Begründung später noch von Bedeutung sein. aa) 1. Senat: Ablehnung einer Analogie zu § 6 Abs. 5 EStG In seinem Urteil vom 25.11.2009 prüft der 1. Senat des BFH, ob die Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften durch die analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG steuerneutral erfolgen kann. Eine hierfür notwendige vergleichbare Interessenlage sieht der 1. Senat des BFH als gegeben an. Er führt 272 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (474) Tz. 29; BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972) Tz. 14.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
aus, dass § 6 Abs. 5 EStG auf die Besteuerung stiller Reserven verzichtet, wenn die eingebrachten Wirtschaftsgüter weiterhin der Einkünfteerzielung dienen und die stillen Reserven nicht vollständig auf Dritte verlagert werden.273 Vor dem Hintergrund, dass die Norm sogar eine vollständige oder zumindest teilweise Verlagerung der stillen Reserven zwischen den Mitunternehmern hinnimmt, sei nicht einsichtig, warum bei der Übertragung eines Wirtschaftsgutes zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften etwas anderes gelten sollte.274 Dies gelte umso mehr, als es bei der Übertragung zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften nicht einmal zu einer Verschiebung stiller Reserven unter den Mitunternehmern kommt.275 In Beispiel 9 wären die stillen Reserven den beiden Kommanditisten entsprechend der Höhe ihrer Beteiligung zugeordnet, unabhängig davon, ob das Grundstück zum Gesamthandsvermögen der A-KG oder der S-KG gehört. Abgelehnt hat der 1. Senat die analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG im Ergebnis aber damit, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.276 Er begründet dieses Ergebnis damit, dass während des Gesetzgebungsverfahrens zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU, die Buchwertfortführung bei Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zuzulassen, im Finanzausschuss keine Mehrheit gefunden hatte.277 bb) 4. Senat: Entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG Anders entschied bemerkenswerter Weise kurze Zeit später der 4. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 15.4.2010. Dabei wählten die Richter einen anderen Argumentationsansatz. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass nach dem Grundsatz der transparenten Besteuerung gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG jeder Mitunternehmer seinen Anteil an den stillen Reserven selbst versteuern muss. Die möglichen Verschiebungen stiller Reserven nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG verletzten zwar das Subjektsteuerprinzip, diese Verletzung diene aber der Verhinderung einer Substanzbesteuerung im Fall einer Umstrukturierung der Personengesellschaft. Hierin liege ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für die Verletzung des Folgerichtigkeitsgrundsatzes.278 In Abgrenzung dazu seien die 273
BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 31. BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 31. 275 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 34; siehe auch Siegel, FR 2011, 45 (55); Hoffmann, GmbHR 2002, 125 (131); Wendt, FR 2002, 53 (64 f.). 276 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 32. So auch BMF vom 29.10.2010, IV C 6 – S 2241/10/10002:001, BStBl. I 2010, 1206. 277 BT-Drs. 14/7343 S. 3; BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 33. 278 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972), Tz. 16 f. 274
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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Regelungen zur Überführung nach § 6 Abs. 5 S. 1 und S. 2 EStG folgerichtig ausgestaltet, da in diesen Fällen einem Steuersubjekt seine stillen Reserven zugeordnet blieben, egal welchem Betriebsvermögen das überführte Wirtschaftsgut zuzurechnen sei.279 Weil die stillen Reserven aber auch bei der Übertragung auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft dem gleichen Steuersubjekt zugeordnet blieben, müsste umgekehrt eine Besteuerung dieses Vorgangs besonders gerechtfertigt werden.280 Da eine solche Rechtfertigung nicht ersichtlich sei, führe die Beachtung des Folgerichtigkeitsgebotes zu einer dahingehenden verfassungskonformen Auslegung, dass § 6 Abs. 5 S. 1 EStG auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften entsprechend anzuwenden sei.281 cc) Kritische Würdigung Angesichts des für die Umstrukturierungspraxis sehr erfreulichen Ergebnisses ist der Beschluss des 4. Senats in der Literatur überwiegend positiv aufgenommen worden.282 Nichtsdestotrotz weisen beiden Entscheidungen des BFH Ansatzpunkte für Kritik auf. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass nichts gegen eine Analogie zu § 6 Abs. 5 S. 3 EStG spricht. (1) Unklares methodisches Vorgehen des 4. Senats Unklar bleibt bereits das methodische Vorgehen des 4. Senats. Sein Beschluss spricht nämlich einerseits davon, auf den hier interessierenden Fall „§ 6 Abs. 5 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung (. . .) zu erstrecken.“ 283 Schon im nächsten Satz findet sich aber die Formulierung, dass „§ 6 Abs. 5 S. 1 EStG entsprechend angewendet“ 284 werden soll. Die zweite Formulierung deutet zwar, gerade vor dem Hintergrund des zeitlich früheren Urteils des 1. Senats und dem darin geprüften Analogieschluss, auf eine Rechtsfortbildung und keine bloße Auslegung285 durch den 4. Senat hin.286 Die fehlende Prüfung der Voraussetzun279
BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972), Tz. 18. BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972 f.), Tz. 19. 281 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20. 282 Bareis, FR 2010, 153 (165); Siegel, FR 2011, 45 (56); Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900 (903 ff.). Kritisch hingegen Brandenberg, FR 2010, 731 (735); Gosch, DStR 2010, 1173 (1175 f.); Siegmund/Ungemach, NWB 2010, 2206 (2209). 283 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20. 284 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20. 285 Zum Verhältnis von Auslegung und Rechtsfortbildung siehe Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, Rn. 813 f., 826 ff., 831, die zwischen beiden Vorgängen streng trennen; Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 181. Anders Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 366, der Auslegung und Rechtsfortbildung als nicht „wesensverschieden“ ansieht. 280
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
gen einer Analogie sowie literarische Äußerungen beteiligter Richter287 legen aber eher nahe, dass in diesem Beschluss die Auslegung als methodisches Instrument genutzt wurde. Eine klare methodische Festlegung auf das zur Rechtsfindung verwendete Instrumentarium ist aber keineswegs nur von akademischem Interesse. Denn die Rechtsfortbildung unterliegt anders als die Auslegung nicht der Wortlautgrenze, stellt an den Richter jedoch höhere Rechtfertigungsanforderungen.288 Insbesondere die genaue Untersuchung und begründete Feststellung einer Gesetzeslücke als Voraussetzung und Grenze für die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung dient der Abgrenzung einer relevanten Unvollständigkeit im Gesetz vom schlichten rechtspolitischen Fehler, den zu korrigieren allein der Gesetzgeber berufen ist.289 Vor diesem Hintergrund besteht schon methodisch die Gefahr, dass der 4. Senat des BFH in seinem Beschluss durch die unklare Formulierung eine Rechtsfortbildung als Auslegung deklariert hat.290 (2) Wortlautgrenze Dieser Verdacht verstärkt sich noch, denn bei genauer Betrachtung erscheint auch die Argumentation des 4. Senats nicht zwingend. Nach seiner Ansicht ist nämlich die Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften bei transparenter Betrachtung nichts anderes als die Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Mitunternehmers.291 Die tiefere Ursache des Streits zwischen den beiden Senaten gründet also letztlich in ihrem fundamental unterschiedlichen Verständnis über die Reichweite von Betriebsbegriff und Transparenzprinzip.292 Die Änderung der Zuordnung eines Wirtschaftsgutes von einem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft zu einem anderen Gesamthandsvermögen geht aber zwingend mit einem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel einher und ist daher in der Diktion des § 6 Abs. 5 EStG eine Übertragung und eben nicht eine bloße Überführung.293 Zwischen Überführung und Übertragung mit zivilrechtlichem Rechtsträgerwechsel nimmt das Gesetz eine strenge tatbestandliche Unterscheidung vor, wie § 6 Abs. 5 S. 1 und 286 Für eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 388; Kanzler, FR 2010, 761 (762). 287 Wittwer, DStR 2010, 1070 (1072): „In diesem Fall ist, so der Wortlaut dies zulässt, zwingend eine verfassungskonforme normerhaltende Auslegung geboten. Eben davon ist der IV. Senat in dem vorliegenden Beschluss zu Recht ausgegangen.“ Siehe auch Bode, DB 2010, 1156 (1157); Wendt, FR 2010, 387. 288 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 21. 289 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 370, Fn. 9; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, AO, 2009, § 4, Rn. 113. 290 Ausführlich zu den Motiven, eine Rechtsfortbildung als Auslegung zu deklarieren, Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildung im Zivilrecht, 2007, S. 295 ff. 291 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20 a. E. 292 Bareis, FR 2011, 153 (155). 293 Brandenberg, FR 2010, 731 (735).
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S. 3 EStG verdeutlichen. Mit der Auslegung eines Rechtsträgerwechsels als Überführung überschreitet der 4. Senat die Wortlautgrenze der Auslegung294 und bewegt sich im Bereich der Rechtsfortbildung. Insofern wäre eine eingehende Rechtfertigung erforderlich, warum die vom 1. Senat herangezogene Entstehungsgeschichte des Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes einer Rechtsfortbildung nicht entgegensteht. Tatsächlich erwähnt der Beschluss diesen Aspekt nur sehr beiläufig, ohne Gegenargumente anzuführen.295 (3) Wirtschaftliche Betrachtung der Übertragung Legt man der Betrachtung den wirtschaftlichen Gehalt einer Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zugrunde, dann kommt ein weiterer Aspekt hinzu, den der 4. Senat ausklammert und dessen Auswirkungen auch auf die grundsätzliche Frage der Gewinnrealisierung bei der Umstrukturierung von Personengesellschaften erst deutlich werden, wenn man sich auf die systematischen Grundprinzipien der Mitunternehmerbesteuerung besinnt. Bei ihrer Ermittlung wird sich das grundlegende Einbringungsurteil des BFH296 als sehr hilfreich erweisen. Ausgangspunkt der steuerrechtlichen Betrachtung ist erneut das zivilrechtlich gestaltete wirtschaftliche Ergebnis.297 Im hier interessierenden Fall erhält die S-KG aufgrund einer Sacheinlage ihrer Gesellschafter das Eigentum an dem übertragenen Grundstück. Im Gegenzug erhalten die natürlichen Personen K und B Gesellschaftsrechte. Die auf einen solchen Sachverhalt anzuwendenden steuerrechtlichen Grundsätze sind durch zahlreiche und inkonsequente Änderungen des § 6 Abs. 5 EStG verdeckt. Im Ausgangspunkt ist dem 4. Senat des BFH zuzustimmen, dass bei wirtschaftlicher und transparenter Betrachtung die Übertragung auf eine Schwesterpersonengesellschaft die Zuordnung der betroffenen Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen zu einem anderen Betriebsvermögen verändert.298 Das ändert aber nichts daran, dass selbst bei einer transparenten Betrachtung das überführte Wirtschaftsgut ein Betriebsvermögen des Mitunternehmers verlässt299 294 Schenke, DStR-Beihefter zu Heft 31 2011, 54, bezeichnet die vom BFH häufig praktizierte „Auslegung gegen den Wortlaut“ als „Sonderweg“ und kritisiert die fehlende Präzision der zur Legitimation herangezogenen Kriterien, ebenda S. 58. 295 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972), Tz. 14. 296 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 ff. 297 Zum Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht siehe Kapitel 2 E. I. 298 BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20 a. E. 299 Davon, dass das übertragene Wirtschaftsgut ein Betriebsvermögen verlässt und in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen aufgenommen wird, geht auch der 4. Senat in seinem Beschluss aus, wenn er formuliert, dass „das Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Gesellschafters überführt“ wird. BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (973), Tz. 20 a. E.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
und somit der Funktionszusammenhang zum abgebenden Betrieb aufgelöst wird. Als erstes ist nämlich entscheidend, wie das vom 4. Senat angenommene wirtschaftliche Ergebnis zustande kommt. Zivilrechtlich wird das Grundstück nicht direkt von der A-KG als ursprünglicher Eigentümerin auf die übernehmende SKG übertragen. Hierfür fehlt es schon an einem Rechtsverhältnis zwischen den beiden Gesellschaften. Rechtsgrund für die Übertragung ist allein das Rechtsverhältnis zwischen der S-KG und ihren Gesellschaftern, nur sie erhalten auch die Gegenleistung. Vor der Zuordnung zur S-KG muss das Grundstück allerdings noch, untechnisch gesprochen, aus der A-KG herausgelöst werden. Die Übertragung vollzieht sich daher in zwei Schritten unter Einschaltung der beteiligten Gesellschafter und stellt sich somit wirtschaftlich als Entnahme bei der abgebenden und Sacheinlage bei der aufnehmenden Gesellschaft dar.300 Obwohl das abgebende und das aufnehmende Betriebsvermögen jeweils durch die Person des steuerpflichtigen Mitunternehmers verbunden sind, müssen beide Betriebsvermögen getrennt betrachtet werden. Das ergibt sich schon daraus, dass für jedes der beiden beteiligten Betriebsvermögen ein eigener Betriebsvermögensvergleich durchgeführt werden muss.301 Das Ergebnis dieses Vergleichs wäre unzutreffend, wenn es nicht durch die Entnahme korrigiert würde. Ein Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen bei der A-KG löst demnach den Funktionszusammenhang. Die Übertragung auf eine Schwesterpersonengesellschaft führt im Grundsatz zur Entstrickung durch Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG. Schon lange vor der Geltung des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG hat zwar auch die Rechtsprechung Veränderungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen grundsätzlich mit dem Buchwert bewertet.302 Von der Besteuerung wurde in solchen Fällen aber nur deshalb abgesehen, weil die spätere Erfassung der stillen Reserven im aufnehmenden Betriebsvermögen sichergestellt war303, die Rechtsprechung den Entnahmebegriff aus § 4 Abs. 1 S. 2 EStG also final gedeutet hat. Tritt der Mitunternehmer seiner Mitunternehmerschaft aber wie ein fremder Dritter gegenüber und erhält er insofern für die Einbringung Gesellschaftsrechte304, verhindert selbst die von der 300 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (474) Tz. 26; BFH vom 6.9.2000, IV R 18/99, BStBl. II 2001, 229 (331); Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 48; Ley, DStR 2011, 1208 (1209); Brandenberg, FR 2010, 731 (734); Groh, DB 2002, 1904 (1905). 301 Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 7 III, S. 273. 302 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749), Gründe I 2 a). 303 BFH vom 7.10.1974, GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (170). 304 Der BFH führte wörtlich aus: „Bei dieser Gestaltung tritt der Gesellschafter der Personengesellschaft wie ein fremder Dritter gegenüber. . . . Grundsätzlich trifft das auch auf die Einbringung eines Wirtschaftsgutes gegen Gewährung eines Gesellschaftsanteils zu, mit dem wesentlichen Unterschied, daß in diesem Falle wegen der zugleich
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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Rechtsprechung vertretene finale Entnahmetheorie und die Aufnahme in einem neuen Betriebsvermögen eine Gewinnrealisierung nicht mehr. In einem solchen Fall sind mit dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus einem Betriebsvermögen und der Gewährung einer Gegenleistung sämtliche Voraussetzungen eines grundsätzlich gewinnrealisierenden Veräußerungstatbestandes erfüllt.305 Eine Veräußerung führte selbst dann zu einer Besteuerung, wenn das übertragene Wirtschaftsgut weiterhin in einem Betriebsvermögen erfasst war, da der Tatbestand der Veräußerung nicht wie die Entnahme final ausgelegt wurde. Der Mitunternehmer konnte also wegen der zugleich gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Einbringung frei wählen, ob die Einbringung ohne Gewährung einer Gegenleistung zum Buchwert oder als Veräußerung unter Aufdeckung der stillen Reserven erfolgen sollte.306 Wendet man diese Grundsätze auf den nicht im Gesetz geregelten Sachverhalt der Übertragung zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften an, ist angesichts des auch dort gegebenen Wechsels des Wirtschaftsgutes zwischen zwei Betriebsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eine gewinnrealisierende Veräußerung anzunehmen. Die dargestellten Grundsätze sind in der aktuell geltenden Fassung des § 6 Abs. 5 EStG nur noch rudimentär erkennbar. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/2002 hat den Rechtsträgerwechsel als Grundlage für die zwingende Gewinnrealisierung bei Übertragungen in das Gesamthandsvermögen ins Gesetz integriert.307 Das Steuersenkungsgesetz 2000 sowie das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz haben dieses Kriterium beibehalten, umgekehrt aber den zwingenden Ansatz zum Buchwert auch beim Rechtsträgerwechsel angeordnet.308 Außerdem findet sich in der heute geltenden Fassung das Merkmal der Gewährung von Gesellschaftsrechten in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG. Im Licht der ursprünglichen Systematik sowie des jetzt geltenden § 6 Abs. 5 EStG liegt bei einer wirtschaftlichen Betrachtung aufgrund der Gewährung von Gesellschaftsrechten und dem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel ein Vergleich der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften mit § 6 Abs. 5 S. 3 EStG viel näher als mit § 6 Abs. 5 S. 1 EStG.309
gesellschaftsrechtlichen Natur des Vorgangs die Beteiligten eine steuerrechtlich erfolgsneutrale Gestaltung wählen können.“ BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749), Gründe I 2 b. Vgl. auch Groh, DB 2002, 1904. 305 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749), Gründe I 2 a, b. 306 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749 f.), Gründe I 2 b, e. 307 Groh, DB 2002, 1904 (1905). 308 Groh, DB 2002, 1904 (1905). Kritisch zur Beibehaltung des Kriteriums eines Rechtsträgerwechsels Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 388. 309 Im Ergebnis auch für die Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG, Groh, DB 2002, 1904 (1906).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
(4) Analogie zu § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Damit bleibt für die Analogie zu § 6 Abs. 5 S. 3 EStG letztlich die Frage, ob das Argument des 1. Senats, die in den Gesetzesmaterialien zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz enthaltene Ablehnung des Antrags der CDU/CSUFraktion310 verhindere eine Analogie zu § 6 Abs. 5 S. 3 EStG, tatsächlich durchgreift. Das wäre nicht der Fall, wenn die Unvollständigkeit nicht nur ein rechtspolitischer Fehler sondern tatsächlich eine Gesetzeslücke wäre. Unter einer Gesetzeslücke versteht die Literatur eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, gemessen an der geltenden Rechtsordnung.311 Als Maßstab für die Feststellung der Unvollständigkeit zieht die Literatur vor allem den Gleichheitssatz heran.312 Unbestritten ist die vergleichbare Interessenlage bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften und den in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG geregelten Fällen. Denn sowohl in den ausdrücklich geregelten Fällen als auch im hier interessierenden Zusammenhang wird das übertragene Wirtschaftsgut beim übernehmenden Rechtsträger weiterhin produktiv eingesetzt und es kommt nicht zu einer Verschiebung stiller Reserven.313 Schließlich erhalten die Einbringenden eine Gegenleistung allenfalls in Form von Gesellschaftsrechten, sodass mangels Liquiditätszufluss anfallende Ertragsteuern bei Umstrukturierungen aus der Substanz zu zahlen wären.314 Aus dieser wertungsmäßigen Gleichheit der Sachverhalte folgt das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Selbst wenn wie hier eine Regelung fehlt, muss diese Unvollständigkeit außerdem planwidrig sein. Eine planwidrige Unvollständigkeit liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber eine Frage bewusst nicht regeln wollte.315 Hiervon geht der 1. Senat des BFH aus, denn er führt aus, dass es sich bei der fehlenden Regel zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften „um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers“ handele.316 An dieser Sichtweise bestehen im vorliegenden Fall allerdings Zweifel. Gerade im Steuerrecht sollte man die Realitäten im Gesetzgebungsverfahren stärker berücksichtigen. Die Gesetzgebung ist hier, wie nicht 310
BT-Drs. 14/7343, S. 3. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 16, 31, 39; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 373; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, Rn. 832. 312 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 56, 71 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 401; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, AO, 2009, § 4, Rn. 113. 313 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 31; Bareis, FR 2011, 153 (163); Wendt, FR 2002, 53 (65). 314 Vgl. BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972), Tz. 17. 315 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 1983, S. 39 ff.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, Rn. 838. 316 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475), Tz. 33 a. E. 311
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zuletzt das Beispiel der Änderungen in § 6 Abs. 5 EStG veranschaulicht, von einer teils enormen Schnelllebigkeit und mangelnder systematischer Konsequenz geprägt. Politische Differenzen und Zeitdruck317 können daher leicht dazu führen, dass in den vorbereitenden Ausschüssen die systematischen Auswirkungen einer Entscheidung nicht erkannt werden und daher die so entstehende Lücke letztlich planwidrig ist. Hierfür sprechen im konkreten Fall drei Gründe. Erstens war schon in dem vorbereitenden Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ein Hinweis enthalten, dass ein späteres Gesetz die Möglichkeit der steuerneutralen Übertragung in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften noch klarstellen sollte.318 Zweitens bezweckte der Antrag der CDU/CSU-Fraktion die „vollständige Wiederherstellung der Regelungen des früheren Mitunternehmererlasses“, indem auch die Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften steuerneutral ermöglicht werden sollte.319 Im Mitunternehmererlass waren aber nie Regeln enthalten, die sich mit der betreffenden Übertragung befasst haben.320 Schon aus diesem Grund war der Antrag nicht überzeugend, sodass aus der Ablehnung nicht zwingend auf die Intention des Gesetzgebers geschlossen werden kann, die Übertragung prinzipiell auszuschließen. Drittens weist Reiß durch eine Analyse der zahlreichen Änderungen des § 6 Abs. 5 EStG nach, dass sich auch aus der Historie des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes nichts für das Fehlen einer Regelungslücke herleiten lässt, da die Änderungen des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Vergleich zu den vorherigen Fassungen des § 6 Abs. 5 EStG nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und dem Steuersenkungsgesetz nur redaktioneller Art waren.321 Aus der fehlenden Regelung im Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz kann eine bewusste Ablehnung daher nicht gefolgert werden. Im Ergebnis ist die bestehende Unvollständigkeit des Gesetzes also planwidrig. Die Gesetzeslücke kann im vorliegenden Fall durch eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG ausgefüllt werden, sodass auch die Umstrukturierung in Beispiel 9 zum Buchwert erfolgt.
317 Der Entwurf der Bundesregierung zum UntStFG, BR-Drs. 638/01, datiert auf den 17.08.2001 und ist als besonders eilbedürftig gekennzeichnet. Das UntStFG selbst datiert auf den 20.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3858. 318 Groh, DB 2002, 1904 (1906). Siehe auch Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, abgedruckt in FR 2001, Beil. zu Heft 11 S. 2. 319 BT-Drs. 14/7343, S. 3. 320 Siehe BMF vom 20.12.1977, BStBl. I 78, S. 8; Kanzler, FR 2010, 761 (762). 321 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 388.
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c) Missbrauchsvermeidung nach § 6 Abs. 5 S. 4 bis S. 6 EStG Abgesehen von diesen Unklarheiten auf Tatbestandsebene stehen auch viele Umstrukturierungen mit Einzelwirtschaftsgütern unter dem pauschalen Verdikt des Missbrauchs322. In § 6 Abs. 5 S. 4 bis S. 6 EStG enthält das Gesetz nämlich Vorschriften, die eine vermutete Steuerumgehung verhindern sollen, indem rückwirkend die stillen Reserven aufzudecken sind. aa) Schädliche Veräußerung oder Entnahme Werden innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren steuerneutral nach Satz 3 übertragene Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen, muss gemäß § 6 Abs. 5 S. 4 EStG die Übertragung rückwirkend auf den Übertragungszeitpunkt mit dem Teilwert bewertet werden. Dieser Mechanismus soll sicherstellen, dass die Umstrukturierung lediglich der „Fortsetzung des unternehmerischen Engagements in anderer Form“ 323 und nicht ausschließlich der zeitnahen Veräußerung oder Entnahme durch den Empfänger dient, bei der die stillen Reserven dann bei einem anderen Steuersubjekt zu versteuern wären.324 Tritt das schädliche Ereignis innerhalb der Sperrfrist ein, wird unwiderleglich vermutet, dass die Übertragung nicht nur der Umstrukturierung gedient hat, sondern vielmehr missbräuchlich war.325 Konzeptionell ist die Sperrfristregelung mit § 22 UmwStG vergleichbar. Es verwundert also nicht, dass für § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ähnliche Probleme, vor allem hinsichtlich mehrstufiger Umstrukturierungen, diskutiert werden. So sieht ein Teil der Literatur für § 6 Abs. 5 S. 4 EStG in einer nachfolgenden Umstrukturierung der übernehmenden Personengesellschaft, insbesondere auch unter Anwendung der §§ 20, 24 UmwStG, eine schädliche Veräußerung.326 Problematisch ist diese Rechtsfolge vor allem bei Einbringungen einzelner Wirtschaftsgüter in eine Personengesellschaft, die notwendig sind, um das zwingende Teilbetriebserfordernis zu erfüllen und den Teilbetrieb anschließend nach § 20 UmwStG steuerneutral abzuspalten.327 Andere Stimmen wollen daher die Missbrauchsvorschrift nicht anwenden, wenn die nachfolgende Umstrukturierung ebenfalls zum Buchwert erfolgt.328 Teleologisch betrachtet dienen nachfolgende Buchwertüber322 Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (720). A. A. für § 6 Abs. 5 S. 4 EStG Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 53. 323 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1351. 324 BT-Drs. 14/6882, S. 32 f.; Wendt, FR 2002, 53 (59). 325 BR-Drs. 638/01, S. 50; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1351; Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (720); Wendt, FR 2002, 53 (60). 326 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 105. 327 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 291. 328 Korn/Strahl, in: Korn/Carlé/Stahl/Strahl, EStG, 2012, § 6, Rn. 502.2.
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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tragungen ebenfalls der Fortsetzung eines unternehmerischen Engagements in veränderter Form und nicht der Vorbereitung einer Veräußerung durch den Empfänger, wenn erneut die Sperrfrist eingehalten wird. Zumindest für nachfolgende Übertragungen, die ebenfalls nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert erfolgen, hat sich die Finanzverwaltung, freilich ohne Begründung, dieser Ansicht angeschlossen.329 Genauso wie in § 22 Abs. 2 UmwStG ist im Rahmen von § 6 Abs. 5 S. 4 EStG außerdem auffällig, dass die schädlichen Ereignisse nicht zwingend von dem Mitunternehmer selbst ausgelöst werden, bei dem auch die nachteiligen Rechtsfolgen eintreten. Unter Umständen hat der einbringende Mitunternehmer nicht einmal die Möglichkeit die rückwirkende Besteuerung zu verhindern, wenn sein Gesellschaftsanteil zu gering ist, um auf Gesellschaftsebene ausreichend Einfluss auf die Entscheidung über die Veräußerung oder die Entnahme des eingebrachten Wirtschaftsgutes zu nehmen. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG zeigt allerdings einen Ausweg aus der latenten Gefahr der rückwirkenden Besteuerung auf, indem die stillen Reserven mittels einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet werden können. Bringt etwa A ein Wirtschaftsgut zum Buchwert von 100 (Teilwert 200) in eine KG ein, kann die KG in der Gesamthandsbilanz das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert ansetzen. Wenn für A eine negative Ergänzungsbilanz in Höhe der Differenz von 100 gebildet wird, muss nur A bei einer späteren Veräußerung die stillen Reserven in Höhe von 100 versteuern. Eine missbräuchliche Verlagerung stiller Reserven ist ausgeschlossen. bb) Schädliche Beteiligung von Körperschaften Ergänzungsbilanzen können jedoch nicht die Anwendung der beiden übrigen Missbrauchsvorschriften in § 6 Abs. 5 S. 5 und S. 6 EStG verhindern.330 Ziel beider Regelungen ist es, eine Verlagerung stiller Reserven auf Körperschaften zu verhindern. Der Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Wirtschaftsgutes soll nicht anteilig den steuerlichen Privilegien der Besteuerung bei einer Körperschaft unterliegen.331 Gleichzeitig sollen die stillen Reserven nicht mittelbar durch die privilegierte Besteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung der nach der Einbringung in ihrem Wert gestiegenen Kapitalgesellschaftsanteile nach 329 Schreiben betreffend die Zweifelsfragen zur Übertragung und Überführung von einzelnen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 EStG, BMF vom 8.12.2011, IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 ff., Tz. 23. 330 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 156; Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634 (1637). A. A. Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (730). 331 BT-Drs. 14/6882, S. 33; Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, Anm. 1474a.
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
dem Teileinkünfteverfahren oder nach § 8b Abs. 2 KStG günstig versteuert werden.332 Daher muss nach § 6 Abs. 5 S. 5 EStG der Teilwert angesetzt werden, soweit der Anteil einer Körperschaft an dem steuerneutral eingebrachten Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar333 begründet oder erhöht wird. Überträgt beispielsweise A ein Wirtschaftsgut aus seinem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer GmbH & Co. KG, an der A und die Komplementärin je zur Hälfte beteiligt sind, dann erwirbt die GmbH eine anteilige Berechtigung an dem Wirtschaftsgut.334 In Höhe dieser Beteiligung ist das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert zu bewerten; die stillen Reserven werden zur Hälfte aufgedeckt. Der gleiche Mechanismus greift ein, wenn innerhalb von sieben Jahren nach der steuerneutralen Einbringung der Anteil „aus einem anderen Grund“ 335 unmittelbar oder mittelbar begründet oder erhöht wird. Das kann einmal der Fall sein, wenn eine Körperschaft der übernehmenden Personengesellschaft in dieser Frist beitritt. Auch diese Regelung begründet durch die sehr weite Formulierung ein Hemmnis für spätere Umstrukturierungen nach dem UmwG. Wird die übernehmende Personengesellschaft innerhalb von sieben Jahren steuerneutral auf eine Kapitalgesellschaft verschmolzen oder durch Formwechsel steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, erhöht sich der Anteil der Körperschaft an dem eingebrachten Wirtschaftsgut auf 100%, sodass der rückwirkende Teilwertansatz ausgelöst wird.336 Im Beispiel 9 stehen die Missbrauchsregeln einer steuerneutralen Umstrukturierung nicht entgegen, solange das eingebrachte Grundstück innerhalb von drei Jahren nicht veräußert oder entnommen wird oder sich an der KG innerhalb von sieben Jahren keine Kapitalgesellschaft beteiligt. 3. Steuerliche Auswirkungen bei der Mitunternehmerschaft und ihren Mitunternehmern Die übernehmende Mitunternehmerschaft beziehungsweise der übernehmende Mitunternehmer muss das eingebrachte Wirtschaftsgut ebenfalls mit dem Buchwert bewerten.337 In Kombination mit der Veränderung der Beteiligungsquote der 332 BT-Drs. 14/6882, S. 33; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1361; Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, Anm. 1474a. 333 Zur mittelbaren Begründung oder Erhöhung eines Anteils am eingebrachten Wirtschaftsgut kommt es bei der mitunternehmerischen Beteiligung einer Körperschaft an einer mehrstöckigen Personengesellschaft, Korn/Strahl, in: Korn/Carlé/Stahl/Strahl, EStG, 2012, § 6, Rn. 503.4; Kulosa, in: Schmidt, EStG, 2011, § 6, Rn. 722. 334 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1360. 335 § 6 Abs. 5 S. 6 EStG. 336 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 168; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1372; Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1474u; Herrmann/Neufang in BB 2000, 2599 (2603); Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 789 (792). A. A. jedenfalls für den Formwechsel Hörger/Pauli in GmbHR 2001, 1139 (1140). 337 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1458b.
B. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter
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Mitunternehmer am Gesellschaftsvermögen durch die Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten beeinflusst die Buchwertfortführung zwangsläufig die Zuordnung der stillen Reserven in sämtlichen Wirtschaftsgütern.338 Denn im Fall der Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1, Nr. 2 EStG verändert sich die anteilige Berechtigung sämtlicher Mitunternehmer am Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft. Während der einbringende Mitunternehmer einen Teil der stillen Reserven im eingebrachten Wirtschaftsgut an die übrigen Mitunternehmer verliert, sind dem Einbringenden gleichzeitig durch seine als Gegenleistung gewährten Gesellschaftsrechte anteilig mehr stille Reserven aus den bereits vorhandenen Wirtschaftsgütern zuzurechnen.339 Die Sperrfrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG verdeutlicht aber, dass das Gesetz endgültige interpersonelle Verlagerungen im Veräußerungsfall nach Ablauf von drei Jahren toleriert340, zumal das Aufstellen von Ergänzungsbilanzen341, die ein Überspringen stiller Reserven verhindern würden, keine zwingende Voraussetzung für die Steuerneutralität ist. Im spiegelbildlichen Sachverhalt der Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft erhält der übernehmende Mitunternehmer sämtliche stillen Reserven des übertragenen Wirtschaftsgutes. Der Anteil der übrigen Mitunternehmer an den stillen Reserven in den verbliebenen Wirtschaftsgütern erhöht sich demgegenüber durch die Minderung der Gesellschaftsrechte des übernehmenden Mitunternehmers.342 Ergänzungsbilanzen verhindern in dieser Fallgruppe nicht die Verlagerung der stillen Reserven und die rückwirkende Besteuerung bei Veräußerung oder Entnahme. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG spricht nämlich nur von der Zuordnung der stillen Reserven zu dem übertragenden Gesellschafter und nicht von der Zuordnung zur übertragenden Mitunternehmerschaft.343 Außerdem wird eine Ergänzungsbilanz bisher nur als Ergänzung zur Bilanz der Personengesellschaft und nicht zur Ergänzung der Einzel- oder Sonderbilanz der Gesellschafter verstanden.344
338 Regniet, Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften, 1990, S. 170 f.; Niehus/ Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1460; Ley/Strahl, DStR 2001, 1997 (2006). 339 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1460; Ley/ Strahl, DStR 2001, 1997 (2006). 340 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 381b, der § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG sogar als dogmatisch unfundiert kritisiert. 341 Siehe dazu das Beispiel zu § 6 Abs. 5 S. 4 EStG, Kapitel 4 B. II. 2. c) aa). 342 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1460b. 343 Schön, in: FS für Widmann, 2000, S. 531 (535 f.); Wendt, FR 2002, 53 (61). 344 Bergsteiner, Umstrukturierung von Personengesellschaften mit Einzelwirtschaftsgütern, 2002, S. 96; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1356; van Lishaut, DB 2001, 1519 (1525).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
Bei einer Übertragung zwischen Sonderbetriebsvermögen zweier Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG springen die stillen Reserven sogar vollständig auf den übernehmenden Mitunternehmer über.345 Eine abweichende Zuordnung der stillen Reserven mittels Ergänzungsbilanzen kommt hier nicht in Betracht, da mit dem Übergang des Wirtschaftsgutes kein Ansatz mehr in der Bilanz des übertragenden Mitunternehmers vorzunehmen ist, der durch eine Ergänzungsbilanz korrigiert werden könnte.346
III. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in Kapitalgesellschaften Die Betrachtung von § 6 Abs. 5 EStG hat gezeigt, dass Unternehmen ihre Umstrukturierungsziele in vielen Situationen bereits durch die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen erreichen können. Der Wortlaut von § 6 Abs. 5 EStG versperrt allerdings einen Rückgriff auf diese steuerneutralen Umstrukturierungen, wenn die Wirtschaftsgüter in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden sollen. Bei Körperschaften scheitert die Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 1 EStG schon daran, dass sie trotz ihrer Eigenschaft als eigenständige Steuersubjekte nur ein Betriebsvermögen haben können.347 Schließlich kann § 6 Abs. 5 S. 3 EStG unter Beteiligung einer Körperschaft nur in dem Fall angewendet werden, dass ein Wirtschaftsgut aus einer Mitunternehmerschaft auf eine Körperschaft, die gleichzeitig Mitunternehmerin des übertragenden Rechtsträgers ist, übertragen wird. Für Gestaltungen wie beispielsweise die Einbringung von Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus dem Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers in das Betriebsvermögen einer GmbH, an der er zu 100% beteiligt ist, fehlen mit § 6 Abs. 5 EStG vergleichbare Regeln. Vielmehr stellt ein solcher Vorgang eine offene Sacheinlage dar, die als tauschähnliche Veräußerung zur Realisierung der stillen Reserven führt.348 Für diese kritikwürdige349 fehlende Flexibilität der Kapitalgesellschaften bieten auch die §§ 20 ff. UmwStG keinen Ausweg, da sie zwingend die Übertragung ganzer Sachgesamtheiten in Form von Betrieben, Teilbetrieben Mitunternehmeranteilen oder Kapitalgesellschaftsanteilen voraussetzen. Eine analoge Anwendung der §§ 20 ff. UmwStG auch auf die Einbringung von Einzelwirt345
Wendt, FR 2002, 53 (63). Wendt, FR 2002, 53 (63). 347 Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1287. 348 Roser, in: Gosch, KStG, 2009, § 8, Rn. 100; Rengers, in: Blümich, KStG, 2011, § 8, Rn. 170; Teufel, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 7, Rn. 104; Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, 2007, Rn. 342. 349 Hennrichs, FR 2010, 721 (730). 346
C. Zwischenergebnis zu nationalen Umstrukturierungen
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schaftsgütern scheitert am abschließenden350 Charakter der umwandlungssteuerrechtlichen Regeln.351 Die steuerneutrale Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in eine Kapitalgesellschaft ist de lege lata nicht möglich.352
C. Zwischenergebnis zu nationalen Umstrukturierungen Ausgangspunkt der Analyse nationaler Umstrukturierungen war die Frage, inwieweit der Gesetzgeber seinen Programmsatz, betriebswirtschaftlich notwendige Unternehmensumstrukturierungen steuerrechtlich nicht zu verhindern353, umgesetzt hat. Die Antwort fällt ambivalent aus, denn trotz weitgehender Homogenität der Tatbestände hat der Gesetzgeber augenscheinlich den Gesamtüberblick über das steuerliche Umstrukturierungsrecht verloren und sich zu sehr in der Regelung teils komplexer Detailfragen verstrickt. Im Einzelnen: Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG genießen die Unternehmen weitgehende Freiheiten, auch für heterogene Umstrukturierungen zwischen Personenunternehmen oder Kapitalgesellschaften354. Für Mitunternehmerschaften existiert mit § 6 Abs. 5 EStG neben dem Umwandlungssteuerrecht ein weiteres einfach handhabbares Instrument für Umstrukturierungen mit Einzelwirtschaftsgütern. Ähnliche Möglichkeiten für die Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften außerhalb des UmwStG existieren aber nicht. Bezüglich der steuersystematischen Einordnung der einzelnen Umstrukturierungssachverhalte ist zu konstatieren, dass seit jeher keine Einigkeit über die Subsumtion dieser Vorgänge unter die Gewinnrealisationstatbestände besteht. Jedenfalls müssen die stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern aufgrund der Buchwertfortführungsvorschriften nicht zwingend beim übertragenden Rechtsträger355 aufgedeckt werden. Sie dürfen aufgrund der regelmäßig angeord350 BT-Drs. 12/6885, S. 16; BT-Drs. 14/23, S. 172; BT-Drs. 16/2710, S. 36 „In Absatz 3 sind die Einbringungsvorgänge abschließend aufgezählt, die unter den Sechsten bis Achten Teil fallen.“ Siehe auch BFH vom 20.07.2005, X R 22/02, BStBl. II 2006, 457 (461). 351 Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 21; Patt, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 10, § 20 UmwStG, Rn. 19. 352 Ott, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, Vor §§ 20–23, Rn. 127; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 24; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 228. 353 BT-Drs. 16/2710, S. 25; vgl. auch BT-Drs. 12/6858, S. 14. 354 Das ist Ergebnis einer längeren Entwicklung. Ursprünglich galt für das steuerliche Umstrukturierungsrecht das Bild der „Einbahnstraße in die Kapitalgesellschaft“, Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 1. 355 Beim übernehmenden Rechtsträger können erhebliche steuerliche Lasten durch die Abrechnung offener Rücklagen auftreten, siehe Kapitel 3 B. III. 1. a).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
neten Buchwertverknüpfung in zahlreichen Konstellationen sogar auf den übernehmenden Rechtsträger transferiert oder unter den beteiligten Mitunternehmern verschoben werden. Im Anwendungsbereich des UmwStG ist die Bewertung mit dem Buchwert konzeptionell allerdings die Ausnahme und nicht wie im EStG der Regelfall, sodass die stillen Reserven im übergehenden Vermögen grundsätzlich zu realisieren sind. Auffällig ist immerhin, dass die Buchwertfortführungsvorschriften, unabhängig davon, ob sie als Ausnahmevorschrift im UmwStG oder als Regelfall im EStG konzipiert sind, durchgängig identische oder jedenfalls sehr ähnliche Tatbestandsmerkmale aufweisen. So erlauben die meisten Vorschriften eine steuerneutrale Umstrukturierung nur, wenn mit Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen und mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteilen besonders qualifizierte Gegenstände betroffen sind.356 Wie die Diskussion um den Teilbetriebsbegriff gezeigt hat, sind aber einzelne Merkmale einem tiefgreifenden Wandel durch den Einfluss des Europarechts ausgesetzt, ohne dass die Auswirkungen dieses Wandels auf spezielle Umstrukturierungssachverhalte unter bloßer Nutzungsüberlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen357 sicher feststehen. Alle Wirtschaftsgüter müssen zudem beim übernehmenden Rechtsträger immer in ein Betriebsvermögen übernommen werden und somit ertragsteuerlich erfasst bleiben. Die Umstrukturierung muss zudem unentgeltlich erfolgen. Wird eine Gegenleistung gewährt, darf sie allenfalls in Gesellschaftsrechten358 bestehen. Schließlich enthalten alle Buchwertfortführungstatbestände spezielle Entstrickungsklauseln, die in rein nationalen Sachverhalten aber keine Probleme bereiten, weil die Anknüpfungspunkte des Steuertatbestands nicht beeinflusst werden.359 Von einer Untersuchung der §§ 6 Abs. 3, 16 Abs. 3 EStG, die weitere Umstrukturierungen von Personengesellschaften außerhalb des UmwStG erlauben, konnte insofern abgesehen werden, da diese Normen keine abweichenden Voraussetzungen enthalten. Ihre Darstellung bringt für die hier interessierenden systematischen Zusammenhänge keinen zusätzlichen Nutzen. Der vor diesem Hintergrund eines umfassenden Anwendungsbereichs und paralleler Tatbestandsmerkmale für die Steuerneutralität vordergründig entstehende Eindruck eines systematisch völlig geschlossenen Rechtsgebiets täuscht. Gerade die im dritten und vierten Kapitel eingenommene „Vogelperspektive“ einer systematischen Betrachtung der gesamten Rechtsmaterie offenbart bei Lichte besehen nämlich tiefgreifende Systeminkonsequenzen: Wirtschaftlich identische Sachverhalte werden teils unterschiedlich behandelt. 356
Die §§ 6 Abs. 5, 16 Abs. 3 EStG bilden hierzu eine Ausnahme. Siehe dazu Kapitel 3 F. II. 2. b). 358 Im Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG ist auch die Gewährung anderer Gegenleistungen im begrenzten Umfang steuerunschädlich, § 20 Abs. 3 S. 3. 359 Siehe Kapitel 3 B. II. 2. c) sowie ausführlich Kapitel 5 A. II. 1. a). 357
C. Zwischenergebnis zu nationalen Umstrukturierungen
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So geht etwa § 6 Abs. 5 EStG vom zwingenden Buchwertansatz aus, während das UmwStG generell eine Bewertung mit dem gemeinen Wert fordert, obwohl die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter und die Einbringung ganzer Betriebe gegen Gesellschaftsrechte strukturell weitgehend identische Maßnahmen sind. Noch plastischer wird die unterschiedliche Behandlung wirtschaftlich identischer Vorgänge in den §§ 3 ff. UmwStG sowie den §§ 20 ff. UmwStG, denn der Umwandlungs- und der Einbringungsteil weichen hinsichtlich ihrer Gesetzestechnik erheblich voneinander ab.360 Nicht nachzuvollziehen ist auch die ungleiche Behandlung vergleichbarer konzerninterner Verschmelzungen im Umwandlungsund Einbringungsteil.361 Besonders problematisch ist die ungleiche Behandlung von Umwandlungen und Einbringungen im Zusammenhang mit den zahlreichen Missbrauchsvorschriften. Solche Tatbestände sind, abgesehen vom zweiten und dritten Teil des UmwStG, in jeden der analysierten Normkomplexe implementiert und dienen dazu, die personelle Kontinuität im unternehmerischen Engagement sicherzustellen362 sowie ungerechtfertigte Steuervorteile zu verhindern. Das Gesetz verwendet dazu durchgehend starre Sperrfristen, die aber trotz ähnlicher Zielrichtung der Missbrauchsklauseln unterschiedlich lange andauern, ohne dass ein sachlicher Grund für die Differenzierung ersichtlich ist. Als Auslöser der rückwirkenden Besteuerung innerhalb der Sperrfrist dient regelmäßig das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung. Gerade dieses Merkmal verhindert aber betriebswirtschaftlich gebotene mehrstufige Umstrukturierungen, auch wenn die einzelne Schritte jeweils für sich betrachtet zum Buchwert erfolgen können, da nach überwiegender Ansicht eine Umstrukturierung als tauschähnliche Veräußerung zu werten ist. Betriebswirtschaftlich problematisch ist diese Rechtslage vor allem deshalb, weil sie die Strukturen einer Unternehmung innerhalb der Sperrfrist durch die drohende rückwirkende Besteuerung bildlich gesprochen versteinert. Flächendeckende Ausnahmenregeln für nicht per se missbräuchliche mehrstufige Umstrukturierungen fehlen, wie die Ausführungen zu § 22 UmwStG illustrieren, und müssen für steuerneutrale Umwandlungen nach den §§ 3 ff. UmwStG mühsam durch teleologische Reduktion begründet werden.363 Hier ist der Gesetzgeber aufgerufen, weitere Ausnahmen zu gewähren. Diese Inkonsistenzen sind maßgeblich auf die aus drei Entwicklungslinien resultierende historische Zersplitterung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts in mehrere unabgestimmte Regelungskomplexe, namentlich den Umwandlungsund Einbringungsteil des UmwStG sowie die verwandten Normen des EStG, zu-
360 361 362 363
Siehe Kapitel 4 A. II. 2. Siehe Kapitel 4 A. II. 2. a) aa). Dieser Gedanke wird vor allem in § 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG deutlich. Siehe hierzu Kapitel 4 A. II. 3. c) und d).
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Kap. 4: Besteuerung nationaler Einbringungen
rückzuführen.364 Im UmwStG des Jahres 1969 hat der Gesetzgeber nämlich erstmals die in der Rechtsprechung des RFH und des BFH entwickelten Grundsätze über die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaften im damaligen 8. Teil des UmwStG als §§ 20 ff. ohne wesentliche Änderungen kodifiziert und mit den seinerzeit bestehenden gesetzlichen Regeln über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften zusammengeführt.365 Dabei ist aber über die bloße formale Vereinheitlichung des Rechtsstoffs hinaus keine konzeptionelle Anpassung der verschiedenen Teilaspekte erfolgt und insofern keine wahre Einheit geschaffen worden. Der seit seiner Geltung mehrfach geänderte § 6 Abs. 5 EStG fußt dagegen auf dem ehemaligen Mitunternehmererlass der Finanzverwaltung aus dem Jahre 1977, der seinerseits ebenfalls Rechtsprechungsgrundsätze übernommen hatte. Für die unterschiedlichen Konzepte der Regelungskomplexe sind indes keine sachlichen Gründe ersichtlich; sie lassen sich nur durch eine den Gesetzgebungsprozess vereinfachende, unkritische Übernahme der Rechtsprechungsgrundsätze erklären.366 Für ein in sich geschlossenes Umstrukturierungssteuerrecht sollte der Gesetzgeber diesen unsystematischen Zustand aufgeben und die Regeln einem einheitlichen Konzept unterstellen. Zusammenfassend lässt sich für nationale Sachverhalte festhalten, dass der Gesetzgeber mit den Buchwertfortführungsvorschriften des UmwStG und des EStG zwar für viele Sachverhalte unter vergleichbaren Voraussetzungen Möglichkeiten schafft, die statuarische und die operationale Struktur einer Unternehmung steuerneutral anzupassen. Dennoch wird das Ziel eines systematisch geschlossenen Umstrukturierungsrechts durch die unnötige historisch bedingte Zersplitterung des Rechtsgebiets verfehlt.
364
Jacobsen, FR 2011, 973 (974). Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor 8. Teil UmwStG, Rn. 1; Jacobsen, FR 2011, 973 (974). Mittlerweile enthält der 6. Teil des UmwStG die §§ 20 ff. UmwStG. 366 Jacobsen, FR 2011, 973 (974). 365
Kapitel 5
Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen Bei der letzten grundlegenden Reform des UmwStG durch das SEStEG stand insbesondere der Aspekt im Vordergrund, „steuerliche Hemmnisse für die als Folge der zunehmenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtung immer wichtiger werdende grenzüberschreitende Reorganisation von Unternehmen“ 1 zu beseitigen. Neben dem Wunsch, den Unternehmensstandort Deutschland durch möglichst ungehinderte, auch grenzüberschreitende, Umstrukturierungen attraktiver zu gestalten2, nennt die Begründung des Regierungsentwurfs zum SEStEG allerdings im gleichen Atemzug das Ziel der konsequenten Sicherung deutscher Besteuerungsrechte3. Die Analyse der steuerrechtlichen Auswirkungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten wird indes zeigen, dass beide Zielsetzungen in einem bemerkenswerten Konflikt stehen. Die Steuersubstratsicherung, die in Zeiten fortschreitender Globalisierung auch in anderen Zusammenhängen zunehmend an Bedeutung gewinnt4, verfolgt der Gesetzgeber ausweislich der Entwurfsbegründung5 vor allem durch Entstrickungsklauseln. Sie stellen einen wesentlichen Baustein in der verstärkt zu beobachtenden fiskalischen „Einmauerungspolitik“ 6 des Gesetzgebers dar. Steuerneutrale grenzüberschreitende Umstrukturierungen hängen aber nicht nur von der Vermeidung einer Entstrickung ab, sondern scheitern häufig schon an den lückenhaften Anwendungsbereichen der Buchwertfortführungsvorschriften, vor allem bei der Beteiligung von Steuerpflichtigen aus Drittstaaten. Die folgenden Ausführungen können sich daher auf diese beiden Aspekte fokussieren. Ertragsteuerrechtliche Implikationen ergeben sich bei internationalen Umstrukturierungen aber nur, wenn bedingt durch die gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungsinstrumente, Veränderungen hinsichtlich der betroffenen Wirt1
BT-Drs. 16/2710, S. 1. BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25. 3 BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25, jeweils im direkt anschließenden Satz. 4 Birk, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 3 (15) sowie Lang, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 45 (53) nennen in diesem Zusammenhang die Zinsschranke, grenzüberschreitende Verlustberücksichtigungen, die Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Funktionsverlagerung. 5 BT-Drs. 16/2710, S. 25. 6 Lang, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 45 (53). 2
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
schaftsgüter oder der beteiligten Steuersubjekte das deutsche Besteuerungsrecht berühren.7 Daher werden im Folgenden nur Umstrukturierungen aus Deutschland heraus betrachtet. Fragestellungen ausländischer Gesellschaftsrechtsordnungen, die sich bei Herein-Umstrukturierungen stellen, sollen nicht behandelt werden, weil sie für die vorliegende Untersuchung der Systematik des deutschen Steuerrechts keine Erkenntnisse liefern können. Die übrigen Konstellationen8, also inländische Umstrukturierungen mit Auslandsbezug9 und ausländische Umstrukturierungen mit Inlandsbezug folgen in Bezug auf die Entstrickung dem gleichen Mechanismus wie Heraus-Umstrukturierungen, sodass ihre Betrachtung keinen zusätzlichen Erkenntniswert für die Ermittlung der Systematik der Besteuerung stiller Reserven bietet. Sie können daher ebenfalls aus der Betrachtung ausgenommen werden.
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften Ob das SEStEG tatsächlich steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitende Umstrukturierungen beseitigt, erscheint bereits zweifelhaft, wenn man die Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft im EU-Ausland (Beispiel 1010) untersucht. Die natürlichen Personen A und B mit Wohnsitz in der Bundesrepublik sind je zur Hälfte Gesellschafter der X-GmbH, die Sitz und Ort der Geschäftsleitung ebenfalls in Deutschland hat. Zu ihrem Betriebsvermögen gehören im Inland belegenes Anlagevermögen sowie Beteiligungen und erhebliche Finanzmittel. Außerdem unterhält die X-GmbH zwei Betriebsstätten, in einem EU-Staat I mit DBA mit Freistellungsmethode und in einem anderen Staat II mit DBA mit Anrechnungsmethode (gemeiner Wert der Wirtschaftsgüter 300, Buchwert 100). Die X-GmbH wird auf die Y-Personengesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-Mitgliedsstaat III, mit dem ebenfalls ein DBA mit Freistellungsmethode besteht, verschmolzen. Als Gegenleistung für die Verschmelzung erhalten A und B Personengesellschaftsanteile. Nach der Verschmelzung sind an der Y-Personengesellschaft A und B sowie die im Staat III ansässigen Gesell7
Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 572. Zu den unterschiedlichen Konstellationen siehe Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.1; ders., in: Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1997, S. 1 f., 4 ff.; Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 863 ff. 9 Zu Inlandsumstrukturierungen mit ausländischem Vermögen siehe oben Kapitel 3 B. II. 2. c). 10 Beispiel in Anlehnung an BFH vom 24.2.1988, I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 ff. und Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3 UmwStG, Rn. 41. 8
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften
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schafter C und D zu je 25% beteiligt. Die zuständige ausländische Registerbehörde hat die Verschmelzung in das entsprechende Register eingetragen. Das in Deutschland belegene Betriebsvermögen der GmbH bleibt bei der übernehmenden Personengesellschaft weiterhin Betriebsvermögen, mit dem die Produktion absatzfähiger Güter durch die vormalige GmbH als Zweigniederlassung der übernehmenden Personengesellschaft in der Bundesrepublik fortgeführt wird.
I. Internationaler Anwendungsbereich des § 3 UmwStG Auch bei internationalen Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft kommt eine Bewertung des übergehenden Vermögens mit dem Buchwert nur in Betracht, wenn § 3 UmwStG Anwendung findet. In persönlicher Hinsicht erfüllen die deutsche GmbH und die EU-ausländische Personengesellschaft unproblematisch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG. Beide Rechtsträger sind nach den Vorschriften eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union gegründete Gesellschaften im Sinne von Art. 54 AEUV. Außerdem befinden sich der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung beider Gesellschaften innerhalb des Hoheitsgebietes zweier EU-Mitgliedsstaaten. Dabei ist ausweislich des Gesetzeswortlautes nicht erforderlich, dass beide Gesellschaften in demselben Mitgliedsstaat ansässig sind. Bei der in Beispiel 10 angestrebten Heraus-Verschmelzung liegt ein erstes Hindernis für eine steuerneutrale Umstrukturierung vielmehr im sachlichen Anwendungsbereich der Buchwertfortführungsvorschrift. Sachliche Voraussetzung für die Anwendung der zivilrechtsakzessorischen §§ 3 ff. UmwStG ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG, dass der Umstrukturierungsvorgang als Verschmelzung im Sinne des § 2 UmwG qualifiziert werden kann. Für eine Verschmelzung im Sinne des § 2 UmwG fehlt es allerdings schon an der von § 1 UmwG geforderten ausschließlichen Inlandsansässigkeit der beteiligten Rechtsträger. Das SEStEG hat den Anwendungsbereich des UmwStG allerdings insoweit internationalisiert, als § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG auch mit einer nationalen Verschmelzung vergleichbare ausländische Vorgänge einbezieht. Unter ausländischen Vorgängen versteht man Umwandlungen unter Beteiligung jedenfalls eines Rechtsträgers, auf den das UmwG kollisionsrechtlich keine Anwendung findet.11 Folglich sind grenzüberschreitende Umstrukturierungen unter Beteiligung von dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegenden Rechtsträgern auf Rechtsträger, die einem fremden Gesellschaftsstatut unterliegen, als ausländische Umwandlungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG anzusehen.12 Das Tatbe11 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.20. 12 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.21; Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 1 UmwStG, Rn. 74; Hahn, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 776 f.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
standsmerkmal der Vergleichbarkeit setzt seinerseits voraus, dass sowohl der ausländische Umstrukturierungsvorgang vergleichbare Kriterien wie eine nationale Umwandlung erfüllt und gleichzeitig auch die möglicherweise hieran beteiligten ausländischen Rechtsträger einem Typenvergleich13 mit einer deutschen Gesellschaft standhalten.14 So ist beispielsweise eine grenzüberschreitende Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG ein mit § 2 UmwG vergleichbarer ausländischer Vorgang.15 Für eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine EU-Personengesellschaft fehlen jedoch zivilrechtliche Regelungen, da § 122b Abs. 1 UmwG ausschließlich grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften ermöglicht. Die akzessorische Anknüpfung des UmwStG an das Zivilrecht geht damit auf den ersten Blick ins Leere. Ausführlich wurde aber schon erörtert, dass auch grenzüberschreitende Heraus-Verschmelzungen auf Personengesellschaften unter direkter Berufung auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten möglich sein müssen.16 Entscheidendes Argument ist, dass ein inländisches Verbot grenzüberschreitender Vermögensübertragungen mit Hilfe der vorteilhaften Gesamtrechtsnachfolge mittels einer Heraus-Verschmelzung den übernehmenden Rechtsträger diskriminieren würde, wenn im Inland eine solche Übertragung möglich ist.17 Für den Ansässigkeitsstaat des übernehmenden Rechtsträgers ist der Umstrukturierungsvorgang umgekehrt eine Herein-Verschmelzung. Nach dem Urteil in der Rechtssache SevicSystems darf die im Aufnahmestaat zuständige Registerbehörde die Eintragung einer solchen grenzüberschreitenden Umstrukturierung nicht generell verweigern, wenn sie im rein nationalen Kontext möglich ist.18 Wenn die zuständige ausländische Registerbehörde also den Umstrukturierungsvorgang aufgrund des Europarechts als zulässig und wirksam ansieht (oder ansehen muss), dann ist die eingetragene Umstrukturierung für den zweiten bis fünften Teil des UmwStG auch bei ausländischen Sachverhalten im Sinne von § 1 Abs. 1 UmwStG maßgeblicher Anknüpfungspunkt.19 Im Beispiel 10 ist die von der zuständigen Behörde
13 Zum Typenvergleich siehe grundlegend die sogenannte Venezuela-Entscheidung des RFH vom 12.2.1930, VI A 899/27, RFHE 27, 73 (77 ff.). Siehe auch Bilitewski, FR 2007, 57 (61); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704. Zu den relevanten Kriterien im Rahmen des Typenvergleichs Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 18; Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 1, Rn. 79; Schaumburg, DStR 2010, 1341 (1342). 14 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 32; Lüdicke/Möhlenbrock, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 137. 15 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.21; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwStG, Rn. 60. 16 Siehe oben 2 C. II. 2. b) und c). 17 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 10; ausführlich oben Kapitel 2 C. II. 2. 18 EuGH vom 13.12.2005, C-411/03 Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805, Tz. 30, IStR 2006, 32 (34); Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 49.
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften
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eingetragene Verschmelzung unter liquidationsloser Auflösung der GmbH und gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten demnach ein vergleichbarer ausländischer Vorgang im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG. Der Umstand, dass keine zivilrechtlichen Regelungen für eine solche grenzüberschreitende Verschmelzung existieren, ändert daran nichts. Denn kollisionsrechtlich hilft die sogenannte Vereinigungstheorie über dieses Regelungsvakuum hinweg. Danach gilt bei grenzüberschreitenden Umwandlungen für jeden der beteiligten Rechtsträger das Umwandlungsrecht seines Ansässigkeitsstaates, wobei sich die strengste Rechtsordnung durchsetzt, soweit sich Tatbestandsmerkmale überschneiden.20 Hält man grenzüberschreitende Heraus-Verschmelzungen aufgrund der Niederlassungsfreiheit für zulässig, dann erfasst § 3 UmwStG auch die Verschmelzung einer deutschen Körperschaft auf eine EU-ausländische Personengesellschaft.21 Das Steuerrecht geht damit bemerkenswert umstrukturierungsfreundlich über die Regelungen des Zivilrechts hinaus und nimmt zukünftige europarechtsinduzierte Änderungen des internationalen Gesellschaftsrechts vorweg.22 Nach der Gegenansicht im Zivilrecht, die grenzüberschreitende Heraus-Verschmelzungen außerhalb der §§ 122a ff. UmwG ablehnt23, bleiben die Unternehmen auf Ersatzkonstruktionen24 verwiesen. Angesichts dieser unsicheren zivilrechtlichen Ausgangslage, insbesondere in Bezug auf den praktischen Vollzug einer europarechtlich zwingend zulässigen grenzüberschreitenden Verschmelzung, besteht ein erstes Umstrukturierungshindernis in diesem Fall bereits in der mangelnden Abstimmung zwischen Zivil- und Steuerrecht.
II. Steuerliche Auswirkungen auf die übertragende Körperschaft Der grenzüberschreitende Bezug einer Umstrukturierung verändert die Systematik der steuerlichen Auswirkungen auf den übertragenden Rechtsträger nicht. Entsprechend des schon im Zusammenhang mit rein nationalen Verschmelzungen 19 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.23; Hahn, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 771; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwStG, Rn. 214. 20 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 874 ff.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 60; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (77). 21 Vgl. Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 3–9, Rn. 4; Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 39, 146. 22 Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 1 UmwStG, Rn. 73; Schaumburg, GmbHR 2010, 1341 (1342). 23 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 896 ff. 24 Zu einer Ersatzkonstruktion mittels der Einbringungsregeln siehe unten Kapitel 2 C. I. 2., II. 4.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
dargestellten Regel-Ausnahme-Verhältnisses25 muss auch im Beispielsfall 10 nach § 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG das übergehende Vermögen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet werden. Es entsteht ein Übertragungsgewinn in Höhe der stillen Reserven. Damit wird der Paradigmenwechsel des Gesetzes von der grundsätzlich zulässigen Bewertung mit Buchwerten nach dem UmwStG a. F. hin zum zwingenden Ansatz des gemeinen Wertes verständlich: Die generelle Aufdeckung und Besteuerung aller stillen Reserven infolge der Bewertung zum gemeinen Wert stellt das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven gleichermaßen in nationalen wie in grenzüberschreitenden Konstellationen nachhaltig sicher.26 Der zwingende Ansatz zum gemeinen Wert erweist sich somit als integraler Bestandteil des durch das SEStEG neu geregelten Entstrickungskonzepts27 und erklärt sich nur vor dem Hintergrund des auf die Mitgliedstaaten der EU erweiterten Anwendungsbereichs des UmwStG28. Erfüllen die Beteiligten die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG, darf die übertragende Körperschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ausnahmsweise den Buch- oder einen Zwischenwert wählen. Jedenfalls hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 UmwStG bestehen keine Besonderheiten. Die übertragenen Wirtschaftsgüter bleiben Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft, wenn sie nach der Verschmelzung dem Betrieb des übernehmenden Rechtsträgers dienen. Weiterhin genügt angesichts der Europäisierung des UmwStG eine Erfassung der Veräußerungsgewinne mit ausländischer Ertragsteuer.29 Schließlich verbietet der Wortlaut von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG auch nicht die Gewährung von Gesellschaftsrechten EU-ausländischer Personengesellschaften. 1. Entstrickungsklausel des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG Als weit problematischer erweist sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Frage, ob die Umstrukturierung zu einer Entstrickung führt. Eine Entstrickung tritt nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG ein, wenn das Besteuerungs-
25
Siehe oben 3 B. II. BT-Drs. 16/2710, S. 27; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 86; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 33. 27 Alle Bewertungsvorschriften des UmwStG und die allgemeinen Entstrickungstatbestände in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG ordnen bekanntlich einen Ansatz zum gemeinen Wert an. 28 BT-Drs. 16/2710, S. 37; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 8. 29 Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1038; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 79; Körner, IStR 2009, 741 (748). 26
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften
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recht30 der Bundesrepublik Deutschland an einem Gewinn aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter nach der Umstrukturierung bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft ausgeschlossen oder beschränkt ist. Alle Entstrickungsklauseln des UmwStG und des EStG weisen vergleichbare Formulierungen auf31, sodass die folgenden Ausführungen auch für die übrigen Tatbestände gelten.32 Auffällig ist, dass die Entstrickungsklauseln tatbestandlich allein den Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts33 bzw. die fehlende Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven34 voraussetzen. Sie knüpfen damit an eine Rechtslage an, ohne zu beschreiben, durch welche Lebenssachverhalte diese Zustände herbeigeführt werden können.35 Daher wird im Folgenden zunächst untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein Besteuerungsrecht besteht. Die Antwort auf diese Frage gibt Aufschluss über die Parameter, die ein Sachverhalt enthalten muss, um die Gefahr einer Entstrickung zu begründen. Im Anschluss daran wird untersucht, wie das Tatbestandsmerkmal „Ausschluss und Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts“ insbesondere vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung36 und der jüngsten Änderungen durch das JStG 201037 auszulegen ist und ob es die herausgearbeiteten Sachverhalte überhaupt erfasst. a) Vorbedingung: Ursprüngliches Bestehen eines Besteuerungsrechts Vorbedingung einer Entstrickung ist, dass vor der Umstrukturierungsmaßnahme überhaupt schon ein Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus hinsichtlich des Veräußerungsgewinns beim übertragenden Rechtsträger begründet war.38 30 Es geht nur um das Besteuerungsrecht nach EStG und KStG, eine gewerbesteuerliche Entstrickung ist unschädlich. Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 98; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525. 31 Siehe §§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3; 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG sowie §§ 4 Abs. 1 S. 3; 6 Abs. 5 S. 1; 16 Abs. 3 S. 2 EStG. 32 Für die umwandlungssteuerrechtlichen Tatbestände BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.18, Tz. 11.09; vgl. auch Hruschka/ Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962). 33 Siehe § 4 Abs. 1 S. 3 EStG; § 12 Abs. 1 KStG; §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 21 Abs. 2 S. 2, 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG. 34 Siehe §§ 6 Abs. 5 S. 1, 16 Abs. 3 S. 2 EStG. 35 Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 373a; Wassermeyer, in: FS für Krawitz, 2010, S. 483 (485 f.); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28). 36 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 zur Aufgabe der sog. finalen Entnahmetheorie sowie BFH vom 28.10.2009, I R 99/08, DStR 2010, 40 ff. und das Parallelverfahren BFH vom 28.10.2009, I R 28/08, IStR 2010, 103 ff. zur Aufgabe der finalen Betriebsaufgabetheorie. 37 Gesetz vom 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 ff. 38 BT-Drs. 16/2710, S. 38; Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (717); Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 85; Haase, Internationa-
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Wann die Bundesrepublik Deutschland das Ergebnis eines bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalts besteuern darf, hängt wegen des grundrechtsrelevanten Eingriffscharakters des Steuerrechts von der Erfüllung eines gesetzlich gefassten Tatbestands ab.39 Für alle Steuerarten weist dieser Tatbestand jedenfalls eine subjektive und ein objektive Komponente auf.40 Befinden sich Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt einer natürlichen Person nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG im Inland oder hat eine Körperschaft gemäß § 1 Abs. 1 KStG ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland, dann erstreckt sich nach dem Welteinkommensprinzip das deutsche Besteuerungsrecht in subjektiver Hinsicht auf sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen.41 Den objektiven Tatbestand umschreiben dagegen § 2 EStG sowie § 7 Abs. 1 KStG. Im Anwendungsbereich des EStG gilt die Besonderheit, dass Veräußerungsgewinne, abgesehen von den Ausnahmen in §§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 2 und 22 Nr. 2 EStG, nur in der betrieblichen Sphäre ein Besteuerungsrecht begründen.42 Diese Unterscheidung übernimmt das KStG nicht. Nach § 8 Abs. 3 KStG sind alle Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit Gewinneinkünfte. In internationalen Sachverhalten bedarf es für die Begründung eines Besteuerungsrechts außerdem eines besonderen Anknüpfungspunktes (genuine link) zum Hoheitsgebiet des besteuernden Staates, etwa in Form der Inlandsansässigkeit des Steuerpflichtigen oder durch Belegenheit der Steuerquelle im Inland.43 Für das deutsche Steuerrecht hat dieses Prinzip in den Regeln über die beschränkte Steuerpflicht seinen Niederschlag gefunden. Haben natürliche Personen weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, erzielen sie aber inländische Einkünfte nach § 49 EStG, dann sind sie gemäß § 1 Abs. 4 EStG jedenfalls mit diesen Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Für Körperschaften enthält § 2 KStG eine parallele Regelung, wenn kein inländischer Sitz oder Ort der Geschäftsleitung gegeben ist. Das konzeptionelle Nebeneinander unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht bedingt allerdings unerwünschte doppelte steuerliche Belastungen durch den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen sowie den
les Steuerrecht, 2007, § 1, Rn. 60; Schaflitzl/Widmayer, BB Special 8/2006, 36 (41); Trossen, FR 2006, 617 (620). 39 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 4, Rn. 53; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 172. 40 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 100. Für die Einkommensteuer Ebling, in: Blümich, EStG, 2011, § 1, Rn. 30 f. 41 Ebling, in: Blümich, EStG, 2011, § 1, Rn. 36. 42 Ratschow, in: Blümich, EStG, 2011, § 2, Rn. 34 sowie schon oben Kapitel 2 D. I. 2. c). 43 Jacobs/Endres/Spengel, in: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 5 f.; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 1, Rn. 28; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 13.1.
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Quellenstaat, der regelmäßig auf seinem Gebiet erzielte Gewinne besteuert.44 Bei einer solchen doppelten steuerlichen Erfassung desselben wirtschaftlichen Sachverhalts nehmen regelmäßig völkerrechtliche Verträge in Gestalt von Doppelbesteuerungsabkommen45 erheblichen Einfluss auf das Besteuerungsrecht. Bezogen auf die hier interessierenden Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen knüpft die Zuordnung des Besteuerungsrechts nach den Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 1, 2 OECD-MA sowie die inländische beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG an das Tatbestandsmerkmal einer inländischen Betriebsstätte46 an und zwar unabhängig davon, ob die veräußerten Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind.47 Insgesamt sind vor diesem Hintergrund drei Konstellationen für das Bestehen eines nationalen Besteuerungsrechts zu unterscheiden: Existiert kein DBA, kann die Bundesrepublik den Gewinn aus der Veräußerung ausländischen Betriebsstättenvermögens eines Steuerinländers nach dem Welteinkommensprinzip besteuern. Eine im Ausland anfallende Steuer ist nach §§ 34c Abs. 1 S. 1, 34d Nr. 2 a) EStG bzw. § 26 KStG auf die deutsche Ertragsteuer anzurechnen. Die Anrechnung der ausländischen Steuer lässt aber für unbeschränkt Steuerpflichtige den Grundsatz der Besteuerung des Welteinkommens unberührt.48 Anrechenbare ausländische Steuern sind gemäß § 2 Abs. 6 EStG erst auf der letzten Stufe der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer von der tariflichen Einkommensteuer abzuziehen, sodass weiterhin ein, jedenfalls beschränktes, Besteuerungsrecht besteht. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer aufgrund eines DBA vorzunehmen ist, ergeben sich die gleichen Rechtsfolgen, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte in einem Staat zugeordnet sind, mit dem die Bundesrepublik ein DBA mit Anrechnungsmethode abgeschlossen hat. Umgekehrt darf der deutsche Fiskus 44 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 13.3; Jacobs/Endres/Spengel, in: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 8; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 1, Rn. 1 f.; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1450. 45 Zum Stand der DBA siehe BMF vom 12.1.2011, IV B 2 – S 1301/07/10017-02, BStBl. I 2011, 69 ff. Neben den DBA existieren weitere völkerrechtliche Verträge mit steuerrechtlichen Inhalten, beispielsweise Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsabkommen, das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen oder das NATO-Truppenstatut, Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 49, Rn. 21; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 3.9 f. Die folgenden Ausführungen beschränken sich allerdings auf DBA. 46 Eine Betriebsstätte setzt nach § 12 AO, Art. 5 OECD-MA eine feste Geschäftseinrichtung von gewisser Dauer voraus, die der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. BFH vom 3.2.1993, I R 80–81/91, BStBl. II 1993, 462 (464 f.); Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 49, Rn. 65; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 5.144; Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 834 (836 ff.). 47 Reimer, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 13 OECD-MA, Rn. 72. 48 Wagner, in: Blümich, EStG, 2011, § 34c, Rn. 25; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 23 OECD-MA, Rn. 128.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
den Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, das einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, nach § 1 Abs. 4 EStG bzw. § 2 Nr. 1 KStG i.V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfassen, auch wenn der Steuerpflichtige nicht im Inland ansässig ist. Befindet sich die Betriebsstätte, der die veräußerten Wirtschaftsgüter zugeordnet waren, in einem Staat, mit dem, wie in der regelmäßigen Vertragspraxis der Bundesrepublik49, die Freistellungsmethode vereinbart wurde, dann gehen die ausländischen Einkünfte nicht in die deutsche Steuerbemessungsgrundlage ein.50 Die Bundesrepublik hat dann kein Besteuerungsrecht an den ausländischen Veräußerungsgewinnen.51 b) Entstrickungsrelevante Sachverhalte Somit stehen die maßgeblichen Parameter für eine mögliche Entstrickung fest. Relevant sind sämtliche Sachverhalte, die zur Auflösung des subjektiven oder objektiven Anknüpfungspunktes für den Steueranspruch führen oder den steuerlichen Status eines Wirtschaftsgutes durch bilaterale Regelungen aufgrund eines DBA verändern. Die erste Variante wird auch als subjektbezogene Entstrickung bezeichnet, während die zweite und dritte Variante zu objektbezogenen Entstrickungen zusammengefasst werden.52 Vor diesem Hintergrund ist ein Umstrukturierungssachverhalt daraufhin zu überprüfen, ob die Maßnahme einen oder mehrere der genannten Parameter derart verändert, dass ein ursprünglich bestehendes Besteuerungsrecht entfällt53 oder nicht mehr in voller Höhe durchgesetzt werden kann54. Die Verschlechterung des Besteuerungsrechts, verstanden als Oberbegriff zum Ausschluss und zur Beschränkung, muss gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG gesellschafterbezogen geprüft werden.55 In Beispiel 10 sind vor diesem Hintergrund insgesamt drei Sachverhalte zu trennen.
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Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 23 OECD-MA, Rn. 56. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 23 OECD-MA, Rn. 38; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 11; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1466. 51 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 118; Sistermann, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2007, § 11, Rn. 308; Trossen, FR 2006, 617 (620). 52 Wassermeyer, in: FS für Krawitz, 2010, S. 483 (495 f.); Heurung/Engel/Thiedemann, EWS 2011, 228 (229). 53 Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 20, § 11, Rn. 100; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962); Kahle, IStR 2007, 757 (762). 54 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungssteuerrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.8; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 86; Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (717); Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, 2007, Rn. 52. 55 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 117; Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (174). 50
A. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Personengesellschaften
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aa) Keine Entstrickung ausländischen Betriebsstättenvermögens bei Fortgeltung der Freistellungsmethode Ein Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes, das der Betriebsstätte im EU-Staat I zugerechnet ist, durfte in Beispiel 10 aufgrund der Freistellungsmethode im einschlägigen DBA schon vor der Verschmelzung auf die Y-Personengesellschaft nicht besteuert werden. Nach der Verschmelzung gilt die Freistellungsmethode fort. Der steuerliche Status der Wirtschaftsgüter hat sich nicht verändert. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung eines Besteuerungsrechts liegt nicht vor. Der umstrukturierungsbedingte Übergang einer Freistellungsbetriebsstätte auf den übernehmenden Rechtsträger löst daher keine Entstrickung aus.56 bb) Anteilige subjektbezogene Entstrickung von Anrechnungsbetriebsstättenvermögen bei fehlender Steuerpflicht eines Mitunternehmers Hinsichtlich eines in der Anrechnungsbetriebsstätte erzielten Veräußerungsgewinns bestand vor der Verschmelzung ein, wenn auch durch die Anrechnungspflicht aus dem DBA beschränktes, Besteuerungsrecht. Zu einem verschmelzungsbedingten anteiligen Ausschluss kommt es, wenn Betriebsvermögen übergeht, das einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist, die in einem Staat liegt, mit dem kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsmethode abgeschlossen wurde und wenn sich der subjektive Anknüpfungspunkt des Steueranspruchs verändert, indem an der übernehmenden Personengesellschaft nach der Umstrukturierung im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind.57 In Beispiel 10 war die übertragende X-GmbH vor der Verschmelzung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, ein Veräußerungsgewinn konnte, gegebenenfalls unter Anrechnung ausländischer Steuern, besteuert werden. Nach der Verschmelzung sind an der Y-Personengesellschaft zwei unbeschränkt Steuerpflichtige und zwei im Ausland ansässige natürliche Personen als Gesellschafter beteiligt. Als entstrickungsrelevanter Parameter hat sich also der subjektive Anknüpfungspunkt des Steuertatbestandes verändert. Ein deutsches Besteuerungsrecht vermittelt nur noch die Beteiligung der beiden unbeschränkt Steuerpflichti56 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 150; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3 UmwStG, Rn. 39 f.; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.7; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 104; Schaflitzl/Widmayer, BB-Special, 8/2006, 36 (42); Weyde/Hafemann, in: FS für Meilicke, 2010, S. 779 (832); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1078). 57 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 105; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3 UmwStG, Rn. 40; Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 151; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1078).
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
gen A und B aufgrund des Welteinkommensprinzips. Gewinne aus der Veräußerung des Anrechnungsbetriebsstättenvermögens unterfallen bei den im Ausland ansässigen Gesellschaftern C und D mangels inländischer Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG nicht der beschränkten Steuerpflicht. Wären im Beispiel 10 demgegenüber nur in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige an der übernehmenden ausländischen Mitunternehmerschaft beteiligt, dann bliebe auch das durch die Anrechnungsmethode beschränkte Besteuerungsrecht der Bundesrepublik aufgrund der Fortgeltung des Welteinkommensprinzips bestehen. Demnach verliert der deutsche Fiskus sein Besteuerungsrecht in dem Maße, wie nach der Verschmelzung nicht unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter am übernehmenden Rechtsträger beteiligt sind.58 Aufgrund dieser gesellschafterbezogenen Prüfung59 zwingt § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG im Beispiel 10 zum anteiligen Ansatz des Betriebsvermögens der Anrechnungsbetriebsstätte mit dem gemeinen Wert. In Zahlen ausgedrückt wären die übergehenden Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte also insgesamt mit einem Wert von 200 in der Übertragungsbilanz zu bewerten.60 Dabei sind die aufgedeckten stillen Reserven in Höhe von 100 allein den im Ausland ansässigen Mitunternehmern zuzurechnen, während für die weiterhin in der Bundesrepublik ansässigen Mitunternehmer anteilig der Buchwert von 50 fortgeführt werden darf.61 cc) Keine objektbezogene Entstrickung inländischen Betriebsstättenvermögens Betrachtet man das Ergebnis der in Beispiel 10 geschilderten Umstrukturierung, tritt ein Aspekt für die Sicherstellung deutschen Besteuerungsrechts besonders deutlich zu Tage. Nach der Verschmelzung hält die übernehmende ausländische Personengesellschaft mit den auf sie übertragenen Wirtschaftsgütern den Betrieb der verschmolzenen X-GmbH in Deutschland als Zweigniederlassung aufrecht. Das übertragene Vermögen wird weiterhin produktiv eingesetzt. Wirtschaftlich hat sich, abgesehen vom Rechtsträgerwechsel und dem rechtlichen 58 BFH vom 24.2.1988, I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664 f.); Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 105. Vgl. auch Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1964). 59 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 115. 60 Vgl. das Berechnungsschema bei Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. R 63.27. Die vier Gesellschafter sind je zu 25% beteiligt. Von den gesamten stillen Reserven in Höhe von 200 entfallen demnach 100 auf die im Ausland ansässigen Gesellschafter C und D. Insoweit wird deutsches Besteuerungsrecht beschränkt. Der Buchwert von 100 (davon entfallen je 25 auf A, B, C und D) muss demnach um 100 erhöht werden, was einen Wertansatz von 200 ergibt. Auf diesen Übertragungsgewinn ist die fiktive Steueranrechnung des § 3 Abs. 3 UmwStG anzuwenden, ebenda, Rn. R 564.9. 61 Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1078); Trossen, FR 2006, 617 (620); Rödder/ Schumacher, DStR 2006, 1525 (1530).
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Rahmen der unternehmerischen Betätigung, nunmehr in Form einer Zweigniederlassung als rechtlich unselbständigem Unternehmensteil62, nichts geändert. Wirtschaftliche Aktivitäten in Form einer Zweigniederlassung, einem Regelbeispiel einer Betriebsstätte nach § 12 S. 2 Nr. 2 AO und Art. 5 Abs. 2 lit. b) OECD-MA63, haben jedoch weitreichende Bedeutung für das Bestehen eines Besteuerungsrechts. Denn Betriebsstätteneinkünfte begründen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG die beschränkte Steuerpflicht oder belassen nach den Art. 7 Abs. 1 S. 2, 13 Abs. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht auf Unternehmensund Veräußerungsgewinne der Betriebsstätte beim Quellenstaat64. Deutschland darf also in Beispiel 10 auch nach der Verschmelzung bei allen vier Gesellschaftern aufgrund ihrer unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht Veräußerungsgewinne der inländischen Betriebsstätte besteuern. Ob diese Gewinne im Ansässigkeitsstaat der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter C und D von der Besteuerung freigestellt oder nur angerechnet werden, wirkt sich auf das Fortbestehen eines deutschen Besteuerungsrechts nicht aus. Unabhängig von der Ansässigkeit der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft bleibt das deutsche Besteuerungsrecht also für diejenigen Wirtschaftsgüter erhalten, die einer im Inland verbliebenen Betriebsstätte zugeordnet sind.65 Dieses nur bei einer systematischen Analyse der Entstrickungsklausel sichtbare Ergebnis bezeichnet man als Betriebsstättenvorbehalt oder Betriebsstättenbedingung.66 In sekundärrechtlicher Hinsicht stimmt diese Einschränkung mit Art. 4 Abs. 2 lit. b) und Art. 10 der Fusionsrichtlinie überein.67 (1) Funktionale Zuordnung und „Zentralfunktion des Stammhauses“ Kernpunkt steuerneutraler grenzüberschreitender Umstrukturierungen ist also die Frage, welche Grundsätze für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte gelten. Angesprochen ist damit der komplexe Themenkreis internationaler Abgrenzung und Zuordnung von Betriebsstättengewinnen. Erforderlich ist eine genaue Zuordnung des von der Betriebsstätte anteilig erwirtschafteten 62
Görl, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 5 OECD-MA, Rn. 42. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2012, Art. 5 OECD-MA, Rn. 71 f.; Görl, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 5 OECD-MA, Rn. 37; Koenig, in: Pahlke/ Koenig, AO, 2009, § 12, Rn. 23. 64 Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 7 OECD-MA, Rn. 16. 65 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.52; Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 120; Birkemeier, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 104; Bilitewski, FR 2007, 57 (61). 66 Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 1487; Frotscher, IStR 2006, 65 (67); Kessler/Huck, IStR 2006, 433 (434). 67 Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (143). Zur Vereinbarkeit mit Primärrecht siehe unten Kapitel 6 D. III. 63
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Gewinns, weil sowohl der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses als auch der Betriebsstättenstaat auf den Unternehmensgewinn steuerlich zugreifen.68 Von der Zuordnungsebene der Betriebsstättengewinne ist die Ebene der Ermittlung des Betriebsstättengewinns abzugrenzen.69 Jedenfalls für die einzelnen Betriebsstätten erfolgt die Gewinnermittlung aufgrund eines Betriebsvermögensvergleiches nach nationalem Recht.70 Demnach hängt der Anfall eines in Deutschland steuerbaren Veräußerungsgewinns bei der inländischen Betriebsstätte wiederum direkt davon ab, dass ihr das veräußerte Wirtschaftsgut auch zugeordnet ist71 und somit im Betriebsvermögensvergleich Berücksichtigung findet. Im Ausgangspunkt gilt für die Zuordnung von Erträgen, Aufwendungen und Wirtschaftsgütern das Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG72, wobei Rechtsprechung73, Verwaltung74 und Literatur die funktionale Bedeutung eines Wirtschaftsgutes für die Tätigkeit der Betriebsstätte als Kriterium zur Konkretisierung dieses Prinzips heranziehen.75 Auch die durch den OECD-Betriebsstättenbericht 201076 aktualisierte Fassung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA stellt für die Gewinnabgrenzung und die Zuordnung von Wirtschaftsgütern darauf ab, welche Funktionen die Betriebsstätte als fiktiv selbständiger Unternehmensteil wahrnimmt.77 Es kommt also darauf an, ob Wirtschaftsgüter dem Zweck der Betriebs-
68
Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2004, S. 37. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2004, S. 49. Gewinnzuordnung und Gewinnabgrenzung werden im Folgenden synonym verstanden. Zum Verhältnis der Gewinnzuordnung zur Gewinnermittlung, ebenda, S. 51 f.; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 2.7. 70 Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 8, Rn. 287; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 2.1. 71 Für die Zurechnung der Einkünfte und die Zurechnung des Vermögens zu einer Betriebsstätte gelten daher auch dieselben Grundsätze, Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 18.9; BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076 Tz. 2.1. 72 Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 2.38; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 49, Rn. 75; Brinkmann, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 201. 73 BFH vom 20.12.2006, I B 47/05, DStRE 2007, 473 (476); BFH vom 29.7.1992, II R 39/89, BStBl. II 1993, 63 (65); BFH vom 19.12.2007, I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512). 74 BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, zuletzt geändert durch BMF vom 25.8.2009, IV B 5-S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.4. 75 Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 2.37; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 11, Rn. 106; Schaumburg, in: Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 80; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 49, Rn. 80; Lüdicke, in: Lademann, EStG, 2011, § 49, Rn. 325 f. 76 2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments, abrufbar unter: http://www.oecd.org/dataoecd/23/41/45689524.pdf. 77 Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (760). 69
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stätte dienen, indem sie zur Erzielung der Betriebsstätteneinkünfte genutzt werden.78 Bei dieser Funktionsanalyse ist auf die tatsächliche Unternehmensstruktur, ihre Organisation und die Aufgabe der Betriebsstätte innerhalb der Struktur abzustellen.79 Insgesamt konkretisiert die funktionale Betrachtungsweise den Anknüpfungspunkt für ein inländisches Besteuerungsrecht. Dient die im Inland verbliebene Betriebsstätte wie im Beispiel 10 der Produktion absatzfähiger Güter, dann sind sämtliche hierzu benötigten Produktionsanlagen der Inlandsbetriebsstätte zugewiesen. Während für Anlagevermögen der funktionale Zusammenhang noch vergleichsweise einfach zu bestimmen ist, bereitet die Zuordnung sogenannter neutraler oder auch ungebundener Wirtschaftsgüter80, also eines Firmenwertes, der Patente, Beteiligungen und Finanzmittel, angesichts ihrer oftmals übergreifenden Funktion für das gesamte Unternehmen erheblich größere Schwierigkeiten. Soweit diese Wirtschaftsgüter nicht funktional eindeutig nur einer Betriebsstätte dienen81, vertritt die Finanzverwaltung hierzu die Ansicht, dass aufgrund einer sogenannten Zentralfunktion neutrales Vermögen stets dem Stammhaus zugeordnet werden muss.82 Der Begriff des Stammhauses umschreibt allerdings nur die Betriebsstätte, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet.83 Dieser Geschäftsleitungsbetriebsstätte weist die Finanzverwaltung qua Fiktion zentrale Funktionen für das gesamte Unternehmen zu. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gehört zu diesen zentralen Funktionen etwa die Finanzierung, die interne Steuer- und Rechtsberatung, Forschung und Entwicklung oder die Verwaltung unternehmensweit genutzter Patente.84 Nicht eindeutig einer Betriebsstätte zuordenbare Wirtschaftsgüter sollen von der gedachten Zentralfunk78 BFH vom 29.7.1992, II R 39/89, BStBl. II 1993, 63 (65); Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 8, Rn. 288. 79 BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, Tz. 2.4. 80 Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 105; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 8, Rn. 283; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (83). 81 So können beispielsweise Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft der Betriebsstätte zuzurechnen sein, wenn zwischen der Betriebsstätte und der Kapitalgesellschaft wesentliche Teile des Leistungsverkehrs der Betriebsstätte abgewickelt werden. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2009, § 8, Rn. 289. Finanzmittel sind der Betriebsstätte nur soweit zuzuordnen, als sie der Sicherung der Geschäftstätigkeit oder zeitnaher Investitionen dienen. BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, Tz. 2.4. 82 BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, Tz. 2.4. 83 BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, Tz. 2.1; Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (588, 597); Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2339). 84 Vor allem bei Unternehmen, die nach Geschäftsbereichen organisiert sind, sollen so Synergien genutzt werden, Schulte-Zurhausen, Organisation, 2010, S. 271; Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 2004, S. 144 f.; Picot/Dietl/Franck, Organisation, 2005, S. 303.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
tion aufgefangen und zwingend dem Stammhaus zugewiesen werden.85 In Beispiel 10 gehören also bei einer rein funktionalen Betrachtung sowie nach Ansicht der Finanzverwaltung die Finanzmittel und Beteiligungen vor der Verschmelzung zur GmbH als Geschäftsleitungsbetriebsstätte. (2) Änderung der funktionalen Zuordnung durch Umwandlung? Vor diesem Hintergrund stellt sich die Folgefrage, ob der Umwandlungsvorgang selbst die Zuordnung der Wirtschaftsgüter verändert. Nur dann käme eine Entstrickung nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG in Betracht. Das erscheint auf der Grundlage der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verschmelzung zweifelhaft. Zwar ändert sich durch die Verschmelzung die rechtliche Struktur des Unternehmens und die ehemalige X-GmbH aus Beispiel 10 wird als im Inland verbliebene Betriebsstätte zu einem unselbständigen Unternehmensteil. Die arbeitsteilige Zuweisung der Aufgaben im Rahmen der operationalen Organisationsstruktur86 des Unternehmens bleibt indes vom verschmelzungsbedingten Vermögensübergang unberührt. Auch nach der Verschmelzung dient die inländische Betriebsstätte der Produktion absatzfähiger Güter. Gerade diese Aufgabe innerhalb der Unternehmensstruktur ist aber nach den dargestellten Grundsätzen maßgebliches Kriterium für die funktionale Zuordnung der Wirtschaftsgüter. Folglich bleiben die dieser Aufgabe dienenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auch nach der Verschmelzung der inländischen Betriebsstätte zugeordnet, eine automatische Veränderung durch die Umwandlung selbst findet nicht statt.87 Die stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern sind daher nicht schon im Zeitpunkt der Umstrukturierung aufzudecken.88 Zu einem anderen Ergebnis gelangt ein Teil der Literatur indes hinsichtlich des ungebundenen Vermögens, im Beispiel 10 also in Bezug auf die Finanzmittel und Beteiligungen. Bei einer Heraus-Verschmelzung seien aufgrund der Zentralfunktionsthese die ungebundenen Wirtschaftsgüter nach der Verschmelzung zwingend dem nunmehr ausländischen Stammhaus zuzurechen, sodass ein vormals be85 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (589, 596); Frotscher, in: GS für Krüger, 2006, S. 95 (98); ders., Internationales Steuerrecht, 2009, § 8, Rn. 283; Bilitewski, FR 2007, 57 (62). 86 Zur Differenzierung zwischen rechtlicher und operationaler Struktur siehe Kapitel 2 B. I. 87 So mittlerweile ausdrücklich aber ohne Begründung auch der neue Umwandlungssteuererlass. „Eine grenzüberschreitende Umwandlung für sich ändert grundsätzlich nicht die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer in- oder ausländischen Betriebsstätte.“ BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.20. Viskorf/Haag, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 75 (76). Wohl auch Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.53. 88 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 29; Viskorf/Haag, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 75 (76).
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stehendes Besteuerungsrecht ausgeschlossen würde.89 Eine solche automatische Entstrickung stellt angesichts der häufig erheblichen stillen Reserven, beispielsweise eines Firmenwertes oder der Beteiligungen, allerdings ein enormes Umstrukturierungshindernis90, wenn nicht sogar das Ende der Umstrukturierungspläne, dar. In jüngerer Zeit zeichnet sich indes ein Wandel des Meinungsbildes ab.91 Erster Ansatzpunkt für Kritik sind auch hier die tatsächlichen Folgen der Verschmelzung. Selbst wenn man die Theorie der Zentralfunktion des Stammhauses anerkennt, setzt diese Theorie für eine Entstrickung voraus, dass unmittelbar durch die Verschmelzung der Ort der geschäftlichen Oberleitung ins Ausland verlegt wird.92 Als unausgesprochene Prämisse geht die zitierte Ansicht von einem solchen Ortswechsel durch die Umstrukturierung aus. Bei genauer Betrachtung erweist sich diese Prämisse allerdings als zweifelhaft. Ergänzt man Beispiel 10 nämlich um einen weiteren Aspekt, dann wird ersichtlich, dass die Verschmelzung keinen Entstrickungsautomatismus auslöst. Zeitlich kommt es für die Sicherstellung des Besteuerungsrechts im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG auf den steuerlichen Übertragungsstichtag an, da ab diesem Zeitpunkt Veräußerungsgewinne beim übernehmenden Rechtsträger anfallen.93 Häufig erfolgt die Verschmelzung nach § 2 Abs. 1 UmwStG rückwirkend, beispielsweise auf den 31.12.201094. Dann bestehen zivilrechtlich bis zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister, etwa am 1.8.2011, gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG noch zwei selbständige Unternehmen, die in dieser Zeit auch eine eigenständige Unternehmensführung benötigen. Die Geschäftsleitung befindet sich dort, wo nach rein tatsächlichen Verhältnissen der Geschäftsführungs89 Brinkhaus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 3, Rn. 121; Rödder, in: Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 127; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 95; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.53; Klingberg, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrecht, 2007, Rn. 1280; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (75). 90 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (592); Viskorf/Haag, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 75 (79). 91 Siehe die Beiträge von Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11, Rn. 29; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 96; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.53; Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 ff.; Roth, in: Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 99 f.; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (75). 92 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (592). 93 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 88; Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3 UmwStG, Rn. 37a; Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1040; Benecke, NWB 2007, Fach 3, 14733 (14779). 94 Erweiterung des Beispiels nach Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 96.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
wille gebildet wird.95 Bei zwei rechtlich selbständigen Unternehmen in verschiedenen Ländern findet dies regelmäßig an unterschiedlichen Orten statt. Folglich können zum steuerlichen Übertragungsstichtag als maßgeblichem Zeitpunkt der Entstrickung nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG zwei Orte der geschäftlichen Oberleitung existieren.96 Sollten nach der Theorie der Zentralfunktion des Stammhauses zum steuerlichen Übertragungsstichtag und damit gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG die neutralen Wirtschaftsgüter entstrickt werden, dann müsste § 2 Abs. 1 UmwStG die rückwirkende Verlegung eines rein tatsächlichen Ortes oder jedenfalls der Geschäftsleitungsfunktion97 anordnen. § 2 Abs. 1 UmwStG lässt ausdrücklich aber nur den Vermögensübergang als rechtlichen Vorgang für die Vergangenheit wirken. Die tatsächliche Organisation der beteiligten Rechtsträger bleibt auch hier unberührt. Demnach führt die Verschmelzung nicht automatisch zu einer Verlegung des Stammhauses und somit nicht zu einer Entstrickung, da zum maßgeblichen steuerlichen Übertragungsstichtag die geschäftliche Oberleitung, und folglich auch eine fiktive Zentralfunktion, nicht zwingend ins Ausland abwandern.98 Abgesehen davon sieht sich auch die Zentralfunktionsthese selbst erheblicher rechtlicher Kritik ausgesetzt und sollte aufgegeben werden. Als erstes beruht die Zuordnung von Wirtschaftsgütern aufgrund der Zentralfunktionsthese auf einer bloßen Fiktion. Selbst wenn man die Zentralfunktionsthese als typisierende Interpretation des Veranlassungszusammenhangs für § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG ansieht99, muss sich eine Typisierung aber immer an den wirtschaftlichen Realitäten orientieren, um nicht dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit durch einen Verstoß gegen Art. 3 GG100 ausgesetzt zu sein. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Fiktion modernen Organisationsformen einer Unternehmung nicht entspricht101, da bei dezentralen Unternehmensorganisationen oder Holdingstrukturen entweder gar kein Stammhaus mehr existiert oder jedenfalls nicht Zentralfunktionen in der von der Finanzverwaltung postulierten Absolutheit wahrnimmt.102 Ist ein Konzern beispielsweise als Finanzholding organisiert, dann sind 95 BFH vom 23.1.1991, I R 22/90, BStBl. II 1991, 554 (555); Koenig, in: Pahlke/ Koenig, AO, 2009, § 10, Rn. 5; Kruse, in: Tipke/Kruse, AO, 2011, § 10, Rn. 1. 96 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (593). 97 Vgl. Benecke, NWB 2007, Fach 3, 14733 (14779). 98 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 29; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 96; Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (593 f.). 99 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (596). 100 BVerfG vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246), Tz. 52 m.w. N.; Hey, StuW 2008, 167 (176); Drüen, StuW 2008, 3 (13). 101 Roth, in: Lüdicke, Zurechung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 100; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (75). 102 Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (597 f.); siehe auch Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (84); Kraft, StbJb 2000/2001, 205 (217).
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nur die Finanzfunktion und womöglich die strategische Planung bei der Konzernspitze angesiedelt, alle anderen Funktionen erfüllen die operativen Tochtergesellschaften. Selbst bei einer Geschäftsbereichsorganisation müssen Zentralfunktionen nicht der Geschäftsleitung zugewiesen werden, sondern können auch bei einem nachgeordneten Geschäftsbereich angesiedelt werden.103 Von einer umfassenden Zentralfunktion des Stammhauses kann dann offensichtlich nicht mehr gesprochen werden. Die Fiktion entspricht nicht der wirtschaftlichen Realität.104 Zweitens steht die Zentralfunktionsthese auch im Widerspruch zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA. Hiernach darf einer Betriebsstätte, also auch dem Stammhaus als Geschäftsleitungsbetriebsstätte, nur derjenige Gewinn zugewiesen werden, der unter fremdüblichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen erzielt worden wäre.105 Ordnet man der Betriebsstätte aufgrund der gedachten Zentralfunktion Einkünfte zu, die unter fremdüblichen Bedingungen nicht ausschließlich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte erzielt hätte, kommt dies einer abkommenswidrigen Attraktionskraft der Geschäftsleitungsbetriebsstätte gleich.106 Außerdem dient die Zentralfunktionsthese aus Sicht der Finanzverwaltung drittens vor allem dazu, einer Betriebsstätte Holding- oder Finanzierungsfunktionen zu verbieten.107 Diese subjektive Sichtweise der Finanzverwaltung findet, ganz im Gegensatz zur auf dem Veranlassungsprinzip nach § 4 Abs. 4 EStG beruhenden funktionalen Betrachtungsweise, keine Stütze im Gesetz. Folglich sind auch die neutralen Wirtschaftsgüter nach allgemeinen funktionalen Kriterien den Betriebsstätten zuzuordnen. Solange in Beispiel 10 die zurückbleibende inländische Betriebsstätte weiterhin nach der tatsächlichen Unternehmensorganisation Finanzierungs- und Holdingfunktionen wahrnimmt, sind ihr die überschüssigen Finanzmittel und die bisher von der GmbH gehaltenen Beteiligungen auch nach der Umwandlung zuzurechen.108 Als Zwischenergebnis 103
Zu beiden Organisationsaspekten Schulte-Zurhausen, Organisation, 2010, S. 271 f.,
284. 104 Das folgt auch aus der Entscheidung des EuGH vom 21.9.1999, C-307/97 Saint Gobain, Slg. 1999, I-0616, NZG 1999, 1044 ff. und des BFH vom 19.12.2007, I R 66/ 06, BStBl. II 2008, 510 ff., wo jeweils Gesellschaftsbeteiligungen über eine Betriebsstätte gehalten wurden. 105 Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 49, Rn. 77; Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 2.153. 106 Frotscher, in: GS Krüger, 2006, S. 95 (99 f.). 107 So Runge, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 2001, S. 135 als maßgeblicher Vertreter der Finanzverwaltung; Roth, in: Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 87, 99. Siehe Breuninger, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 587 (590). 108 Für die Zuordnung überschüssiger Finanzmittel nach funktionalen Kriterien, Frotscher, in: GS für Krüger, 2006, S. 95 (104 ff.). Für funktionale Zuordnung von Beteiligungen zur Betriebsstätte, wenn dort u. a. die Gesellschaftsrechte ausgeübt werden BFH vom 19.12.2007, I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); Breuninger, in: FS für Schaum-
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bleibt festzuhalten: Nur die Funktion eines Wirtschaftsgutes zur Erfüllung einer organisatorisch vorgegebenen Aufgabe ist für die Zuordnung zu einer Betriebsstätte maßgeblich. Die Verschmelzung selbst beeinflusst die rein tatsächliche Verteilung der Aufgaben innerhalb der Unternehmensorganisation in keiner Weise und löst keine Entstrickung aus. (3) Spätere objektbezogene Entstrickung nach allgemeinen Regeln Denkbar und praktisch naheliegend ist aber, dass zeitlich nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Änderungen der operationalen Organisationsstruktur erfolgen, um die betriebswirtschaftlich angestrebten Anpassungen auch in der Unternehmenswirklichkeit nachzuvollziehen. Im Zuge dessen können Wirtschaftsgüter ins Ausland verbracht109 oder präziser gesagt zur Erfüllung einer funktional der ausländischen Betriebsstätte obliegenden Aufgabe umgewidmet werden. Auch könnte das Management nach der Umwandlung die unternehmerische Entscheidung treffen, für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter maßgebliche Funktionen zwischen den Unternehmenseinheiten neu zu verteilen. Soweit solche nachträglichen Veränderungen den funktionalen Zusammenhang eines Wirtschaftsguts mit einer inländischen Betriebsstätte auflösen und das Wirtschaftsgut nun zu einer ausländischen Betriebsstätte gehört, steht erneut die Gefahr einer Besteuerung wegen einer objektbezogenen Entstrickung zur Diskussion. Bei diesen nachträglichen Zuordnungsänderungen sind aber nicht die grundsätzlich spezielleren110 umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln sondern vielmehr die allgemeinen Tatbestände des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 S. 1 KStG einschlägig. Denn auch wenn § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG sowie § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG tatbestandlich nur den Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts voraussetzen, unterscheiden sich die Normen in der Ursache für die tatbestandliche Verschlechterung des Besteuerungsrechts. Da der Anwendungsbereich des UmwStG nach § 2 Abs. 1, Abs. 3 UmwStG nur Umstrukturierungen erfasst, deren wesentliches Merkmal ein Rechtsträgerwechsel111 ist, muss auch die Verschlechterung des Besteuerungsrechts im Rahmen der umwandlungssteuerlichen Entstrickungsklauseln mit eben diesem Rechtsträgerwechburg, 2009, S. 587 (607); Schönfeld, IStR 2008, 370 (371); Kessler/Huck, IStR 2006, 433 (437 f.). 109 Viskorf/Haag, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 75 (76). 110 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.3; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 116; Hruschka/ Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2705); Benecke, NWB 2007, Fach 3, 14733 (14749). 111 Dem Formwechsel liegt nur rein steuerrechtlich ein Rechtsträgerwechsel zugrunde, siehe Kapitel 3 C. I.
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sel in einem Kausalzusammenhang stehen.112 Bei einer nachträglichen Verlagerung der Wirtschaftsgüter, etwa von der inländischen Betriebsstätte in die übernehmende ausländische Gesellschaft, fehlt es aber an einem Kausalzusammenhang zur zivilrechtlichen Verschmelzung.113 Obwohl durch die Verschmelzung der Rechtsträger aller Wirtschaftsgüter wechselt, verändert die Umwandlung selbst nicht eine vorgegebene Funktionsaufteilung, die allein für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter und damit für die Verschlechterung des Besteuerungsrechts maßgeblich ist114. Die umwandlungssteuerlichen Entstrickungsklauseln sind ebenso wie § 6 Abs. 5 S. 3 EStG schon tatbestandlich nicht anwendbar. Hinzu kommt, dass die spätere Zuordnungsänderung eine bloße Innentransaktion ohne Rechtsträgerwechsel ist. Betriebsstätten sind unselbständige Unternehmensteile und kein eigenständiger Rechtsträger. Systematisch betrachtet sind diese Fälle nur von § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 S. 1 KStG erfasst. Zwar sollten ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs zum SEStEG die allgemeinen Entstrickungstatbestände ebenfalls Rechtsträgerwechsel erfassen.115 Der konturenlose Wortlaut beider Normen schließt diese Sichtweise auch nicht aus. Angesichts der Tatsache, dass Rechtsträgerwechsel im Grundsatz zur Realisation stiller Reserven führen116, bleibt für die allgemeinen Entstrickungsnormen als Ersatzrealisationstatbestände in solchen Fällen aber systematisch neben einer Realisation durch Veräußerung kein Raum mehr.117 Folglich ist nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag eine Entstrickung nur nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG denkbar.118 c) Ausschluss und Beschränkung des Besteuerungsrechts als unklarer Tatbestand Damit ist aber noch nicht beantwortet, wie die Begriffe des Ausschlusses und der Beschränkung im Rahmen der Buchwertfortführungstatbestände auszulegen sind. Besonders relevant ist diese Frage bei objektbezogenen Entstrickungen, etwa wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht eine Zuordnungsänderung neutralen Vermögens durch die Zentralfunktionsthese befürwortet. Bei der Ermittlung hilft ein Blick auf die gleichlautenden Tatbestandmerkmale der § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG, auch wenn diese Ersatzrealisationstatbestände eine dogmatisch andere Funktion als die hier interessierenden Buchwert112
Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963). Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963). 114 Siehe Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (2). 115 BT-Drs. 16/2710, S. 26. 116 Siehe Kapitel 2 D. I. 2. b) und c). 117 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 6; Wied, in: Blümich, EStG 2011, § 4, Rn. 486; Blumenberg/Lechner, BB-Special 8/2006, 25 (26). 118 Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1965). 113
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
fortführungstatbestände erfüllen. Denn nach den allgemeinen Entstrickungsklauseln ist womöglich ein Gewinn auszuweisen, wenn die Unternehmensführung in Beispiel 10 nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag eine Maschine mit einem Buchwert von 10 (gemeiner Wert 30) nicht mehr in der inländischen sondern in einer ausländischen Freistellungs- oder Anrechnungsbetriebsstätte einsetzt. Die Begründung zum Regierungsentwurf des SEStEG ging von der Prämisse aus, dass immer dann, wenn nach der Überführung ein DBA den Besteuerungsanspruch durch Freistellung oder durch Anrechnung zurücknimmt oder eine Anrechnung nach § 34c EStG denkbar ist, eine Verschlechterung des deutschen Besteuerungsrechts eintritt und stille Reserven aufzudecken sind.119 Schon während der Vorbereitung des SEStEG sind aber Zweifel geäußert worden, ob die geschilderten Sachverhalte trotz Veränderung der relevanten Parameter des Steuertatbestands die Voraussetzungen der Entstrickungsklauseln erfüllen.120 Durch drei grundlegende Urteile des BFH in den Jahren 2008 und 2009 zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie 121 bzw. der Theorie der finalen Betriebsaufgabe122 hat die Diskussion um die genaue Auslegung der Tatbestandsmerkmale und die erfassten Sachverhalte neue Nahrung erhalten. Vornehmlich für § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG bestreitet die Literatur auf der Grundlage der zitierten Judikate teilweise, dass für die allgemeinen Entstrickungstatbestände überhaupt noch ein Anwendungsbereich verbleibt.123 Angesichts der identischen Tatbestandsmerkmale von § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und den umwandlungssteuerlichen Entstrickungsklauseln wirft die Literatur die gleiche Frage auch für die Buchwertfortführungsklauseln des UmwStG auf.124 Vorläufiger Schlussstein der Diskussion ist die gesetzgeberische Reaktion im JStG 2010 durch Einführen eines Regelbeispiels125 in § 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 1 S. 2 KStG.126 Im Folgenden wird die Ursache des Streits dargestellt sowie die 119
BT-Drs. 16/2710, S. 28. Wassermeyer, DB 2006, 1176; ders., DB 2006, 2420 (2421). 121 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 122 BFH vom 28.10.2009, I R 99/08, DStR 2010, 40 ff. sowie das Parallelverfahren BFH vom 28.10.2009, I R 28/08, IStR 2010, 103 ff. 123 Zweifelnd Blumenberg, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 559 (577); Köhler, IStR 2010, 337 (341); Kahle/Franke, IStR 2009, 406 (409); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Ditz, IStR 2009, 115 (120); Prinz, DB 2009, 807 (810 f.); Roser, DStR 2008, 2389 (2393 f.), schon zu § 6 Abs. 5 S. 1 EStG, Pfaar, IStR 2000, 42 (45 f.). A. A. Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 487; Benecke, IStR 2010, 101 (102); Mitschke, FR 2009, 326 (329); ders. DB 2009, 1376 (1377); Koch, BB 2008, 2450 (2452). 124 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 274; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.10, 50.53; Viskorf/ Haag, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 75 (78); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962); Köhler, IStR 2010, 337 (339); Körner, IStR 2009, 741 (748); Ditz, IStR 2009, 115 (120). 125 BR-Drs. 318/10 (B), S. 8. 126 Dazu Musil, FR 2011, 545 (549 ff.); Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (174 ff.). 120
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bisherige Auslegung der Tatbestandsmerkmale nachgezeichnet, um auf dieser Basis vor dem Hintergrund des JStG 2010 Stellung zu nehmen. aa) Ursache der Unklarheit: Gewandeltes Methodenverständnis Als Ursache der aktuellen Streitigkeiten erweist sich letztlich ein divergierendes Verständnis über die Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Von ihrem Verständnis hängen nämlich das Bestehen und der Umfang eines Besteuerungsrechts sowie folglich auch dessen tatbestandlicher Ausschluss oder dessen Beschränkung ab. Während die Literatur schon seit einiger Zeit die verursachungsgerechte Aufteilung im Ausland realisierter Veräußerungsgewinne trotz Geltung der Freistellungsmethode postuliert, hat sich die Rechtsprechung erst jüngst dieser Sichtweise angeschlossen. (1) Sichtweise der Rechtsprechung Besonders anschaulich wird der insoweit eingetretene Verständniswandel in der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der finalen Entnahmetheorie hin zu ihrer endgültigen Aufgabe im Jahr 2008. (a) Finale Entnahmetheorie des BFH Aufgrund einer extensiven Auslegung des Merkmals „betriebsfremde Zwecke“ in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG entschied der BFH in ständiger Rechtsprechung, dass stille Reserven mittels einer Entnahme zum Teilwert aufzudecken sind, sobald ein Wirtschaftsgut zwar innerhalb des Betriebs verbleibt, die steuerliche Erfassung der stillen Reserven aber nicht sichergestellt ist.127 Insbesondere bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte sollte nach der Rechtsprechung des BFH die Besteuerung der stillen Reserven nicht sichergestellt sein, soweit die übernehmende Betriebsstätte in einem Staat belegen ist, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, das Betriebsstättengewinne von der inländischen Besteuerung freistellt.128 Aufgrund der Freistellungsmethode unterläge ein späterer Veräußerungsgewinn mitsamt den zuvor im Inland gebildeten stillen Reserven nämlich nur dem Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates.129 Daher mussten die im 127 BFH vom 16.3.1967, IV 72/65, BStBl. III 1967, 318 (320); BFH vom 7.10.1974, GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168 (170); BFH vom 19.2.1998, IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509 (510); BFH vom 16.6.2004, X R 34/03, BStBl. II 2005, 378 (379). 128 BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176 f.); BFH vom 30.5.1972, VIII R 111/69, BStBl. 1972, 760 (761); BFH vom 16.12. 1975, VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246 (247 f.). 129 In BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176) heißt es dazu wörtlich: „Besteht mit dem Belegenheitsstaat der ausländischen Betriebsstätte ein DBA, das
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Inland entstandenen stillen Reserven zum Zeitpunkt der Überführung regelmäßig aufgedeckt werden. Diese Argumentation hat der BFH auf die Verlegung eines ganzen Betriebs in einen Staat, mit dem ein DBA mit Freistellungsmethode abgeschlossen wurde, übertragen und den Vorgang als finale Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG angesehen.130 Von Fällen der Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne hat der BFH aber seit jeher Sachverhalte unterschieden, in denen mangels DBA eine Anrechnung oder ein Abzug ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 1, Abs. 2 EStG oder eine Anrechnung aufgrund eines DBA vorzunehmen war.131 Bei einer Anrechnung, so das Gericht, behalte die Bundesrepublik das, wenn auch um den Anrechnungsbetrag gemilderte, Besteuerungsrecht an einem Veräußerungsgewinn, sodass die in den überführten Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven sichergestellt seien.132 (b) Aufgabe der finalen Entnahmetheorie Von der Doktrin, dass bei Anwendung der Freistellungsmethode im Inland gebildete stille Reserven eines Wirtschaftsgutes mit der Überführung in eine ausländische Betriebsstätte der deutschen Besteuerung entgehen würden, rückte der 1. Senat des BFH nunmehr mit seinem Urteil vom 17.7.2008133 ausdrücklich ab. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Klägerin, eine inländische Personengesellschaft, im Zuge der Umstrukturierung ihrer Auslandsaktivitäten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten sämtliche Anteile an einer amerikanischen Kapitalgesellschaft in eine österreichische Tochterpersonengesellschaft eingebracht. Finanzamt und Klägerin betrachteten den Sachverhalt übereinstimmend als Entnahme. Einen von der Klägerin zur Neutralisierung des Entnahmegewinns gebildeten und erst im Zeitpunkt einer späteren Realisierung aufzulösenden außerbilanziellen passiven Ausgleichsposten erkannte das Finanzamt nicht an und rechnete den Entnahmegewinn der Bemessungsgrundlage zu.134
(. . .) das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Betriebsstätte dem Belegenheitsstaat zuweist, so scheiden die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei ihrer Überführung in die ausländische Betriebsstätte aus dem steuerlich erheblichen Bereich aus.“ (Hervorhebung durch Verfasser). 130 BFH vom 28.8.1971, I R 55/66, BStBl. II 1971, 630 (630 f.); BFH vom 24.11. 1982, I R 123/78, BStBl. II 1983, 113. 131 BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176). 132 BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176). 133 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Siehe zu diesem Urteil auch den Nichtanwendungserlass vom 20.5.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 ff. 134 Zum Sachverhalt siehe die Vorinstanz FG Düsseldorf vom 12.5.2006, 18 K 5588/ 04 F, EFG 2006, 1438.
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Mit der Vorinstanz hat der BFH die Sacheinlage der Anteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zunächst als tauschähnliche Veräußerung angesehen135 und ein Bewertungswahlrecht nach § 24 UmwStG in der Fassung des Jahres 1995 abgelehnt.136 § 6 Abs. 5 EStG als mögliche Grundlage für die steuerneutrale Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter existierte im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum noch nicht. Der BFH räumte der Klägerin allerdings ein Bewertungswahlrecht für die eingebrachten Anteile nach den im Einbringungsurteil137 und im sogenannten Mitunternehmererlass der Finanzverwaltung138 niedergelegten Grundsätzen ein.139 Auf diese Weise konnte die Klägerin jedenfalls teilweise eine erfolgswirksame Aufdeckung stiller Reserven vermeiden. Seine Begründung stützte das Gericht maßgeblich auf zwei Argumente. Erstens würde es gegen die primärrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) verstoßen, wenn einer EU-ausländischen Personengesellschaft nur aufgrund fehlender inländischer Buchführungspflicht eine Fortführung der Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter versagt würde.140 Zweitens gab der 1. Senat des BFH seine finale Entnahmetheorie ausdrücklich auf. Der Theorie fehle eine gesetzliche Grundlage und sie beruhe auf einem fehlerhaften Verständnis der Wirkungsweise der Freistellungsmethode.141 Mit der Überführung in eine ausländische Betriebsstätte werde der funktionale Zusammenhang zum Betrieb nicht aufgelöst, sodass keine Entnahme für „betriebsfremde Zwecke“ nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG sowie kein gewinnrealisierender Außenumsatz vorliege und daher jedenfalls vor Geltung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG keine Rechtsgrundlage bestehe. Dies gelte auch bei der Einbringung in eine Tochterpersonengesellschaft.142 Außerdem bleibe die Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven nach heutigem Abkommensverständnis möglich, selbst wenn die Anteile in eine Betriebsstätte überführt würden, deren Gewinn aufgrund eines DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt ist. Denn ein Besteuerungsrecht gehe nur in dem Umfang unter, in dem das Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sei und ein Gewinn auch durch diese Betriebsstätte erwirtschaftet worden ist.143 Im Fall einer späteren Veräußerung der 135 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (465); FG Düsseldorf vom 12.5.2006, 18 K 5588/04 F, EFG 2006, 1438. 136 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (467); FG Düsseldorf vom 12.5.2006, 18 K 5588/04 F, EFG 2006, 1438 (1440). 137 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 ff. Zu den Voraussetzungen Kapitel 4 B. II. b) cc) (3). 138 BMF vom 20.12.1977, IV B 2 – S 2241 – 231/77, BStBl. I 1978, 8, Tz. 57 ff. 139 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (468). 140 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (468 f.). 141 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (469). 142 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (469 f.). 143 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (470 linke Spalte) unter B. III. 3. b) bb) am Ende.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
eingebrachten Anteile könne der Veräußerungsgewinn daher zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen aufgeteilt werden.144 Zum Maßstab für diese Aufteilung äußerte sich der BFH nicht abschließend.145 Kurze Zeit später und trotz eines inzwischen ergangenen Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung146 zum Urteil vom 17.7.2008 übertrug der 1. Senat seine neue Sichtweise konsequent auf die Verlegung eines Betriebs ins Ausland und löste sich auch von der Theorie der finalen Betriebsaufgabe. Bei der Verlegung des Betriebs eines selbständigen Erfinders in einen Staat, mit dem ein DBA mit Freistellungsmethode gilt, komme es entgegen der früheren Rechtsprechung nicht zu einer finalen Betriebsaufgabe, da ein Steuertatbestand fehle und die im Inland entstandenen stillen Reserven auch nach der Betriebsverlegung noch anteilig als nachträgliche Einkünfte im Inland besteuert werden dürften.147 (2) Sichtweise der Literatur Mit dieser Kehrtwende schloss sich der BFH der überwiegend ablehnenden Haltung der Literatur148 gegenüber der finalen Entnahmetheorie an. Die hier interessierende dogmatische Grundlage für die Aufteilung der Veräußerungsgewinne und damit die Ursache der Diskussion um den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG wird deutlich, wenn man nochmals den schon angesprochenen149 Problemkreis der Gewinnabgrenzung zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte ins Blickfeld rückt, über den der BFH mit nur einem Satz hinweggeht150. Für die Grundsätze internationaler Gewinnabgrenzung existieren nur rudimentäre normative Anhaltspunkte im innerstaatlichen Recht151; einzig § 34d Nr. 2 lit. a), § 49 Abs. 1 Nr. 2 und § 50 Abs. 1 S. 1 EStG 144 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (470). Vor dem Urteil bereits Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rz. D 3110; Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1178). 145 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (470). 146 BMF vom 20.5.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 ff. 147 BFH vom 28.10.2009, I R 99/08, DStR 2010, 40 (42) Tz. 19, 23, 26; BFH vom 28.10.2009, I R 28/08, IStR 2010, 103 (107) Tz. 53, 59. 148 Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 3.11; Knobbe-Keuk, Bilanzsteuerrecht, 1993, § 7 III, S. 272 f., 275 f.; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 478; Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (195); Pfaar, IStR 2000, 42 (44 f.). A. A. Plückebaum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 4, Rn. B 239 ff. 149 Siehe im Zusammenhang mit der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (1). 150 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (470 linke Spalte) unter B. III. 3. b) bb). 151 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rn. D 903; Kessler/ Huck, StuW 2005, 193 (201).
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geben vage Hinweise. Entsprechend vielfältig ist das hierzu vertretene Meinungsspektrum152. Insbesondere die Präposition „durch“ in § 34d Nr. 2 lit. a) EStG lässt vermuten, dass eine Beziehung zwischen der Tätigkeit der Betriebsstätte und dem zu besteuernden Gewinn bestehen muss.153 Zur Umschreibung dieser Beziehung werden etwa der Nutzungsbeitrag eines Unternehmensteils zum Gesamtergebnis durch Übernahme einzelner Funktionen154, der Beitrag eines Unternehmensteils zur Erwirtschaftung des Gewinns155 oder eine Aufteilung nach Wertschöpfungsbeiträgen156 vorgeschlagen. Etwas deutlicher wird die Funktionsweise der Gewinnabgrenzung im Anwendungsbereich eines DBA durch das Zusammenspiel der Verteilungs- und Methodenartikel. Zwar geht Art. 13 Abs. 2 OECD-MA der allgemeinen Verteilungsnorm für Unternehmensgewinne in Art. 7 OECD-MA als lex specialis vor.157 Von der Steuerbemessungsgrundlage des Stammhausstaates sind daher bei Geltung der Freistellungsmethode solche Gewinne auszunehmen158, die aus der Veräußerung von Vermögen einer Betriebsstätte resultieren. Welches Vermögen zu einer Betriebsstätte gehört, bestimmt sich allerdings nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 OECD-MA.159 Das veräußerte Vermögen muss also der ausländischen Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECDMA zuzurechnen sein. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA wiederum konkretisiert das Zurechnungskriterium durch den Fremdvergleichsgrundsatz.160 Nach der Änderung
152 Eine umfassende Übersicht zu den in der Literatur vertretenen Ansätzen und der insoweit bestehenden Kritik geben Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 3.10, 3.13 ff. sowie Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rn. D 915 ff. Siehe auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2004, S. 42 f. 153 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rn. D 851; Kessler/ Huck, StuW 2005, 193 (202). Das Merkmal ist in § 49 nicht enthalten, wird aber einhellig auch dort angewendet, Kumpf/Roth, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 49, Anm. 242. 154 Raupach, in: Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 2000, S. 41; Becker, DB 1989, 10 (13). 155 Debatin, DB 1989, 1692 (1694). 156 Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rn. 3.19; Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (201 f.). 157 Schütte, in: Haase, DBA, 2009, Art. 13 OECD-MA, Rn. 2; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2011, Art. 13 OECD-MA, Rn. 1. 158 Jacobs/Endres/Spengel, in: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 11; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 16.523. 159 Reimer, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 13 OECD-MA, Rn. 77; Schütte, in: Haase, DBA, 2009, Art. 13 OECD-MA, Rn. 45; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 16.390. 160 Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 7 OECD-MA, Rn. 70; Niehaves, in: Haase, DBA, 2009, Art. 7 OECD-MA, Rn. 13; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2004, S. 44.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA im Jahr 2010161 sind nur die Gewinne zurechenbar, die eine Betriebsstätte hätte erzielen können, wenn sie als selbständiges Unternehmen eine vergleichbare Geschäftstätigkeit unter vergleichbaren Bedingungen ausgeübt hätte162. Mit anderen Worten darf der Betriebsstättenstaat ausschließlich diejenigen Gewinne besteuern, die im Zusammenhang mit der Betriebsstättentätigkeit entstehen. Obwohl die Grundsätze internationaler Gewinnabgrenzung insgesamt als ungeklärt bezeichnet werden müssen163 und sich die insoweit vertretenen Ansätze im Detail teilweise erheblich unterscheiden, kann sowohl aus den zum nationalen Recht vertretenen Theorien als auch aus dem abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz als Minimalkonsens abgeleitet werden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit der Betriebsstätte und dem zu besteuernden Gewinn bestehen muss.164 Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes mit im Inland entstandenen stillen Reserven durch eine ausländische Betriebsstätte, dann wird klar, warum der Veräußerungsgewinn zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen ist. In Höhe der im Inland entstandenen stillen Reserven fehlt der erforderliche Kausalzusammenhang zur ausländischen Betriebsstätte, unabhängig davon, ob der Kausalzusammenhang als Funktions-, Veranlassungs-, Erwirtschaftungs- oder Wertschöpfungsbeitrag bezeichnet wird. Zum gleichen Ergebnis kommt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Die im Inland entstandenen stillen Reserven hätte die ausländische Betriebsstätte auch bei fingierter Selbständigkeit und vergleichbarer Tätigkeit nicht im Ausland erwirtschaftet. Ein Veräußerungsgewinn ist demnach insoweit der deutschen Steuerhoheit zugeordnet, wie die im Fall eines Außenumsatzes aufgedeckten stillen Reserven im Inland entstanden sind.165
161 Siehe oben im Rahmen der funktionalen Zuordnung der Wirtschaftsgüter, Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (1). 162 Vor der Modifikation des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA galt ebenfalls der Fremdvergleichsgrundsatz. Umstritten war aber die Reichweite der Selbständigkeitsfiktion, siehe Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 7 OECD-MA, Rn. 77 ff. Der Neufassung liegt nunmehr mit dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ das Leitbild einer als vollständig selbständig und unabhängig fingierten Betriebsstätte zugrunde, siehe Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758). 163 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rn. D 857, D 975, der in der Regelungslücke hinsichtlich Gewinnabgrenzungsregeln in § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG sogar einen Verfassungsverstoß sieht, ebenda, Rn. D 985. 164 Vgl. Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 49, Rn. D 851, D 855. 165 Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 214; Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 7 OECD-MA, Rn. 122; Ditz, IStR 2009, 115 (117); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (24); Kahle/Franke, IStR 2009, 406 (409); Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1179).
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bb) Folgerung für den Ausschlusstatbestand Unter der Prämisse, dass auch der Gesetzgeber von diesem Verständnis von der Funktionsweise der Freistellungsmethode ausgegangen ist, streitet die Literatur darüber, ob die Entstrickungstatbestände überhaupt die ursprünglich anvisierten Fälle erfassen oder den Regeln womöglich nur eine sehr begrenzte Schlagkraft zukommt. Welche Sachverhalte das Tatbestandsmerkmal „Ausschluss“ des Besteuerungsrechts im Einzelnen erfassen soll, geht nämlich aus § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG und dem UmwStG nicht eindeutig hervor. Jedenfalls aus dem Wortlaut lässt sich ableiten, dass ein Besteuerungsrecht ersatzlos entfallen muss. Subjektbezogene Entstrickungen werden daher eindeutig erfasst, wenn beispielsweise eine inländische Betriebsstätte völlig aufgelöst oder verlegt wird166 oder das Steuersubjekt aus der Steuerpflicht ausscheidet.167 Insoweit wirkt sich ein gewandeltes Verständnis von der Funktionsweise der Freistellungsmethode nicht aus, da es nur die objektbezogene Gewinnabgrenzung beeinflusst. Verbleibt ein subjektiver Anknüpfungspunkt zum Inland, ist umstritten, welche Fälle objektbezogener Entstrickung zum Ausschluss eines Besteuerungsrechts führen. Aus der Begründung zum Regierungsentwurf des SEStEG geht nur indirekt hervor, dass die Überführung in eine Freistellungsbetriebsstätte zu einem Ausschluss des Besteuerungsrechts führen soll.168 Dem Wortlaut selbst lässt sich dieses Ergebnis nicht entnehmen. Wassermeyer hat daher schon zum Entwurf des SEStEG aufgrund eines steuersystematischen Arguments, das auf den dargestellten Grundsätzen verursachungsgerechter Gewinnabgrenzung basiert, die These formuliert, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG habe bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte nahezu keinen Anwendungsbereich.169 An den vor Überführung im Inland entstandenen stillen Reserven besteht durch die verursachungsgerechte Aufteilung eines im Ausland realisierten Veräußerungsgewinns ein deutsches Besteuerungsrecht fort, sodass der Tatbestand von § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG nicht erfüllt sein kann.170 Nach dieser Ansicht kommt es auch auf die womöglich zukünftig im Ausland entstehen-
166 Prinz, DB 2009, 807 (811); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1180). 167 Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (717); Becker-Pennrich, IStR 2007, 684 (687). 168 BT-Drs. 16/2710, S. 44. Siehe auch Stadler/Elser, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 46; Brink/Endres, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 271. 169 Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1180) für den Ausschluss des Besteuerungsrechts; für die Alternative der Beschränkung ders., DB 2006, 2420 (2422 f., Nicht-DBA-Fall) und (2423, DBA-Fall). 170 Köhler, in: FS für Krawitz, 2010, S. 211 (229); Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2340); Schönfeld, IStR 2010, 133 (136); Prinz, DB 2009, 807 (810); Kahle/Franke, IStR 2009, 406 (408); Roser, DStR 2008, 2389 (2394).
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
den und nur dort steuerpflichtigen stillen Reserven nicht an, da insofern kein ursächlicher Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte besteht.171 Gestützt wird diese Sichtweise durch die Abkehr des BFH von der finalen Entnahmetheorie. Denkt man die Erweiterung zu Beispiel 10172 vor diesem Hintergrund zu Ende, dann löst die Überführung der Maschine in die Freistellungsbetriebsstätte keine Aufdeckung der stillen Reserven aus. Die Gegenansicht hält das gewandelte Verständnis des BFH jedenfalls in Veranlagungszeiträumen nach Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG für auswirkungslos.173 Zur Begründung integriert diese Ansicht erst zukünftig im Ausland entstehende stille Reserven in die Betrachtung.174 Auch dieses Argument ist systematischer Natur und wird aus einem Vergleich mit einem reinen Inlandsfall hergeleitet. Bei der Übertragung eines Wirtschaftsgutes in eine andere inländische Personengesellschaft kann von der Aufdeckung stiller Reserven nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nur abgesehen werden, wenn das Wirtschaftsgut weiterhin einem Betriebsvermögen angehört und daher ein Gewinn aus der späteren Veräußerung unter Realisierung neu entstandener stiller Reserven ebenfalls besteuert werden darf. Die steuerliche Erfassung der später entstehenden stillen Reserven ist nach Mitschke der „Preis“ für die aufgeschobene Gewinnrealisierung.175 Selbst bei einer verursachungsgemäßen Aufteilung eines späteren Veräußerungsgewinns besteht dann aber kein deutsches Besteuerungsrecht an den zukünftigen stillen Reserven mehr, sodass zumindest eine Beschränkung vorliegt.176 Gegen diesen Vergleich kann wiederum angeführt werden, dass er von dem Fall eines Rechtsträgerwechsels auf die Behandlung einer bloßen Überführung ohne Rechtsträgerwechsel schließt und daher nicht tragfähig ist. cc) Folgerung für den Beschränkungstatbestand Ebenfalls umstritten ist bisher, welche Sachverhalte der zweiten Tatbestandsalternative unterfallen. Aus dem verwendeten Begriff „Beschränkung“ folgt zumindest, dass ein Besteuerungsrecht nicht mehr in voller Höhe oder in ursprünglichem Umfang bestehen darf. Die Begründung zum Regierungsentwurf des 171
Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (25). Siehe Kapitel 5 A. 173 Siehe Schreiben betr. Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.7. 2008, I R 77/06, BMF vom 20.5.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, BStBl. I S. 671, zu 3. Siehe auch Mitschke, DB 2009, 1376 (1377); Benecke, IStR 2010, 101 (102); Koch, BB 2008, 2450 (2452); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962). 174 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.10; Mitschke, DB 2009, 1476 (1377); ders., FR 2009, 326 (329). 175 Mitschke, DB 2009, 1476 (1377); ders., FR 2009, 326 (328). 176 Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 45; Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 214; Mitschke, DB 2009, 1476 (1377); ders., FR 2009, 326 (329). 172
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SEStEG verlautbart nur, dass auch die Überführung in eine Anrechnungsbetriebsstätte als Entnahme für betriebsfremde Zwecke nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG gelten soll.177 Mit dem systematischen Argument verursachungsgerechter Aufteilung eines im Ausland realisierten Veräußerungsgewinns hält ein Teil der Literatur auch den Beschränkungstatbestand in diesem Fall für nicht einschlägig. Durch die Aufteilung des Veräußerungsgewinns behält die Bundesrepublik das Besteuerungsrecht an den im Inland entstandenen stillen Reserven. Nur die Steuer auf zukünftig im Ausland entstehende stille Reserven müsste als ausländische Steuer angerechnet werden. Damit liegt keine Beschränkung des Besteuerungsrechts an im Inland entstandenen stillen Reserven durch die Anrechnung vor.178 Dem steht aber entgegen, dass es auf eine tatsächliche Anrechnung gar nicht ankommt. Für die tatbestandliche Beschränkung reicht schon die abstrakte Gefahr einer Steueranrechnung aus.179 Zeitlicher Bezugspunkt für den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts an einem Veräußerungsgewinn ist nämlich der Überführungszeitpunkt.180 Zu diesem Zeitpunkt steht aber noch gar nicht fest, ob nach der Innentransaktion überhaupt irgendwann das betreffende Wirtschaftsgut veräußert wird. Für den Vergleich, ob sich ein deutsches Besteuerungsrecht verschlechtert, stellt das Gesetz also auf eine fiktive Veräußerung nach dem Überführungsvorgang ab.181 Aus der Relevanz einer späteren fiktiven Veräußerung wird weiterhin abgeleitet, dass auch für die Beschränkungsalternative die erst zukünftig im Ausland entstehenden stillen Reserven in die Betrachtung einzubeziehen sind182, sodass jedenfalls insoweit eine Beschränkung vorliegt. dd) Stellungnahme vor dem Hintergrund des JStG 2010 Festzuhalten bleibt aber auch, dass es bei der aufgezeigten Diskussion nicht um den Umfang der zu versteuernden stillen Reserven geht. Denn alle divergierenden Ansichten unterwerfen im Ergebnis nur die im Inland entstandenen stillen 177 BT-Drs. 16/2710, S. 28, ohne dass sich der Entwurf ausdrücklich auf die Beschränkung bezieht. 178 Wassermeyer, DB 2006, 2420 (2423); Köhler, in: FS für Krawitz, 2010, S. 211 (229); Roser, DStR 2008, 2389 (2395). Vgl. auch Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 375b. 179 Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 213; Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2011, § 4, Rn. 329; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 487; Benecke, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2011, § 12, Rn. 143; Schießl, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.10; Blöchle, IStR 2009, 645 (646). Siehe auch Wassermeyer, DB 2006, 1176. 180 Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 213. 181 Wassermeyer, DB 2006, 1176. 182 Benecke, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2011, § 12, Rn. 144. Vgl. auch Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.10, 50.52; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 24.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Reserven der Besteuerung.183 Basis der Streitigkeit ist allein die wenig geglückte tatbestandliche Konstruktion der Entstrickungsnormen, die mit dem Ausschluss und der Beschränkung des Besteuerungsrechts an ein rechtliches Ergebnis184 anknüpfen. Kernpunkt für die Auslegung der Entstrickungstatbestände ist allein die Frage, welches Verständnis von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dem Gesetz zugrunde liegt. Bei bloßer Lektüre des Gesetzestextes bleibt diese Frage unbeantwortet. Auch ein Rückschluss von der unzweifelhaft in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG erfassten Auflösung der subjektiven Anknüpfung185 auf das Methodenverständnis ist nicht möglich. Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Ausschluss oder Beschränkung“ eines Besteuerungsrechts musste für objektbezogene Entstrickungen daher als ungeklärt bezeichnet werden, zumal beide Ansichten auf schlüssige Argumente rekurrieren können. Durch die Entscheidungen des BFH und die daraus abgeleiteten Folgerungen für die Entstrickungsnormen sah sich der Gesetzgeber zum Handeln veranlasst und hat mit dem JStG 2010 am größten konstruktiven Kritikpunkt186 der Tatbestände angesetzt. § 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 1 S. 2 KStG enthalten nunmehr konkretisierende Regelbeispiele für Entstrickungssachverhalte. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes liegt danach insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zugeordnetes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet wird. Auslösender Sachverhalt für die Entstrickung ist also nur die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zu einer ausländischen Betriebsstätte, ohne dass es auf die Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ankäme. Daher gibt auch der Wortlaut der jüngsten Änderungen keine Auskunft, ob die Anwendung der Freistellungsmethode deutsches Besteuerungsrecht ausschließt und die Anwendung der Anrechnungsmethode das Besteuerungsrecht beschränkt. Durch diese weite Formulierung hat der Gesetzgeber mit der Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten nur den Hauptanwendungsfall objektbezogener Entstrickungen festgeschrieben.187 Erst die ebenfalls geänderten § 52 Abs. 8b S. 2 183 Grundsätzlich zur Rechtsfolge der Entstrickungstatbestände Kolbe, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, KStG, § 12, Anm. 36. Aus dem Kreis der Vertreter der divergierenden Ansichten Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Möhlenbrock, JbFfSt 2010/2011, 199 (209); Mitschke, FR 2009, 326 (329). 184 Blumenberg, in: FS für Schaumburg, 2009, S. 559 (578); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28). 185 Siehe oben Kapitel 5 A. II. 1. b) bb) und c) bb). 186 Siehe Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776 (1777), wo die Anknüpfung des Tatbestands an ein rechtliches Ereignis sogar als „Denkfehler“ bezeichnet wird. 187 BR-Drs. 318/10 (B), S. 8.
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EStG, § 34 Abs. 8 S. 3 KStG geben Aufschluss, wie der Gesetzgeber die Funktionsweise der Freistellungsmethode bei Entstrickungen verstanden wissen möchte und ermöglichen so eine Vorhersage für die Behandlung nicht explizit genannter Fälle. Ausweislich der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des JStG 2010 kodifizieren die Änderungen der Anwendungs- bzw. Schlussvorschriften die finale Entnahmetheorie der Finanzverwaltung188 und der früheren BFHRechtsprechung ausdrücklich.189 Das lässt nur einen Schluss zu: Der Gesetzgeber geht bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine Freistellungsbetriebsstätte davon aus, dass ein späterer Veräußerungsgewinn in keiner Weise mehr der deutschen Besteuerung unterliegt und daher nach der Überführung auch zuvor im Inland entstandene stille Reserven nicht mehr besteuert werden dürfen. Nur diese Sichtweise entspricht dem ursprünglichen Inhalt der finalen Entnahmetheorie, wie sie durch die Rechtsprechung entwickelt wurde.190 Auf die argumentativ komplizierte Einbeziehung erst zukünftig im Ausland entstehender stiller Reserven191 kommt es daher für die Auslegung der Entstrickungsklauseln gar nicht an. Dass die Entstrickungsklauseln auf dem theoretischen Fundament der finalen Entnahmetheorie ruhen, geht außerdem aus den Rückwirkungsregeln in § 52 Abs. 8b S. 2 EStG und § 34 Abs. 8 S. 3 KStG hervor.192 Der Bundesrat führt dazu in seiner Stellungnahme zum JStG 2010 wörtlich aus: „Dennoch ist zu erwarten, dass der BFH im Hinblick auf die Prüfung, ob ein Ausschluss oder eine Beschränkung i. S. d. § 12 Absatz 1 KStG vorliegt, eine dem Urteil vom 17. Juli 2008 – I R 77/06 entsprechende Entscheidung treffen wird. § 34 Absatz 8 Satz 6 EStG [sic] (– neu –) ordnet daher an, dass § 12 Absatz 1 Satz 2 KStG (– neu –) unter bestimmten Voraussetzungen bereits für Wirtschaftsjahre gilt, die vor dem 1. Januar 2006 enden.“ 193 Damit wird rückwirkend für Jahre vor Geltung der allgemeinen Entstrickungstatbestände die finale Entnahmetheorie angeordnet.194 Im 188
BMF vom 24.12.1999, IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1990, 1076, Tz. 2.6.1. „§ 52 Absatz 8b Satz 2 (– neu –) schreibt die Grundsätze der Tz. 2.6.1. des Betriebsstätten-Erlasses (a. a. O.) daher gesetzlich fest und setzt damit die Grundsätze der finalen Entnahme aus der früheren BFH-Rechtsprechung gesetzlich um.“ BR-Drs. 318/ 10 (B), S. 9 sowie S. 10 für § 34 Abs. 8 KStG. 190 Wörtlich BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176): „Besteht mit dem Belegenheitsstaat der ausländischen Betriebsstätte ein DBA, das (. . .) das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Betriebsstätte dem Belegenheitsstaat zuweist, so scheiden die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei ihrer Überführung in die ausländische Betriebsstätte aus dem steuerlich erheblichen Bereich aus.“ 191 Siehe Kapitel 5 II. 1. c) bb). 192 Crezelius, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 4, Rn. 91. 193 BR-Drs. 318/10 (B), S. 10. Aus dem Bericht des Finanzausschusses ergibt sich, dass anstelle von § 34 Abs. 8 EStG freilich § 34 Abs. 8 KStG gemeint ist, BT-Drs. 17/ 3549 S. 26. Siehe auch die vergleichbare Formulierung zur rückwirkenden Einführung der finalen Entnahmetheorie im EStG, BR-Drs. 318/10 (B), S. 9. 194 Scheunemann/Dennisen, BB 2011, 220 (222). 189
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Umkehrschluss folgt aus diesen Ausführungen, dass der Gesetzgeber nach Inkrafttreten des SEStEG davon ausgeht, dass die Entstrickungstatbestände, jedenfalls im Zusammenhang mit den Regelbeispielen, eine eindeutige Grundlage für eine Gewinnrealisierung in Orientierung an den Grundsätzen der finalen Entnahmetheorie bieten. Eine verursachungsadäquate Aufteilung später realisierter Veräußerungsgewinne ist daher bei Überführung in eine Freistellungsbetriebsstätte nicht mehr möglich. Obwohl dieses Ergebnis systematisch den im nationalen und im internationalen Recht angedeuteten Grundsätzen für die verursachungsgerechte Aufteilung von Betriebsstättengewinnen widerspricht, hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 verdeutlicht, dass diese Grundsätze zumindest für Entstrickungssachverhalte nicht gelten. Der Gesetzgeber ist dennoch aufgerufen, eindeutige Regeln zur internationalen Gewinnabgrenzung aufzustellen und auf ein international einheitliches Verständnis von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung hinzuwirken, was die Auslegungsstreitigkeiten der Entstrickungsregeln deutlich entschärfen würde.195 Das in den Neuerungen des JStG 2010 zum Ausdruck kommende Abkommensverständnis muss außerdem auf die Überführung in Anrechnungsbetriebsstätten übertragen werden. Zwar war nach der ursprünglichen finalen Entnahmetheorie die Überführung in eine Anrechnungsbetriebsstätte nie steuerschädlich.196 Aus den neuen Regelbeispielen, die nicht zwischen der Überführung in eine Freistellungs- oder Anrechnungsbetriebsstätte differenzieren, folgt aber, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen vom gleichen Abkommensverständnis ausgegangen ist. Wenn bei Anwendung der Freistellungsmethode keine verursachungsgerechte Aufteilung möglich ist, muss dies konsequenterweise auch für die Anrechungsmethode gelten. Auf der Grundlage dieses Verständnisses von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung liegt ein objektbezogener Ausschluss eines Besteuerungsrechts vor, wenn nach der Überführung das Wirtschaftsgut einer Freistellungsbetriebsstätte zugeordnet ist, da ein Veräußerungsgewinn nicht mehr besteuert werden darf.197 Eine Überführung in eine Anrechnungsbetriebsstätte führt zu einer Beschränkung, da ein Veräußerungsgewinn durch die Anrechnung nicht in voller Höhe der inländischen Besteuerung unterliegt.198
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Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (214). BFH vom 16.7.1969, I 266/55, BStBl. II 1970, 175 (176) für die Anrechnung ohne Geltung eines DBA. 197 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 86; Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 375 j; Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (717). 198 Crezelius, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 4, Rn. 108; Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 375j, 380a. 196
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Vom Wortlaut der Entstrickungstatbestände und der Regelbeispiele ist diese Sichtweise erfasst.199 Schon zur Rechtslage vor dem JStG 2010 ist eingewendet worden, dass der Wille des Gesetzgebers, die finale Entnahmetheorie gesetzlich zu fassen, aufgrund des unklaren Wortlauts der Entstrickungsnormen unbeachtlich sei.200 Auch die neuen Regelbeispiele enthalten keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzgebers von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Im Kontext mit § 52 Abs. 8b S. 2 EStG bzw. § 34 Abs. 8 S. 3 KStG wird dieses Verständnis aber deutlich, sodass sich aus den Regelbeispielen der Inhalt der Grundnorm ableiten lässt201. Insofern kann auch nicht (mehr) argumentiert werden, dass durch die Rechtsprechungsänderung des BFH den Entstrickungstatbeständen das dogmatische Fundament entzogen wäre.202 Das galt im Übrigen bereits vor den Änderungen durch das JStG 2010, da die allgemeinen Entstrickungstatbestände über die ursprüngliche finale Entnahmetheorie hinausgingen, indem auch die bloße Beschränkung als schädlich qualifiziert wird, sodass § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG nicht nur klarstellend waren203, wie der Gesetzgeber des SEStEG ursprünglich meinte204. ee) Auswirkung auf umwandlungssteuerliche Entstrickungsklauseln Für das UmwStG hat der Gesetzgeber keine Konkretisierung durch Regelbeispiele vorgenommen, obwohl mit vergleichbaren Argumenten wie zu den allgemeinen Entstrickungstatbeständen über den nach der Rechtsprechungsänderung des BFH verbleibenden Anwendungsbereich der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln gestritten wird.205 Damit stellt sich die Frage, ob das zu § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG ermittelte Verständnis des Gesetzgebers von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung auch auf das Umwandlungssteuerrecht übertragen werden muss.206 Dann
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Musil, FR 2011, 545 (550); Köhler, IStR 2010, 337 (341). Prinz, DB 2009, 807 (811). 201 Musil, FR 2011, 545 (549). 202 So Köhler, in: FS für Krawitz, 2010, S. 211 (229). 203 Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 364; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 487; Wassermeyer, in: FS für Krawitz, 2010, S. 483 (485). 204 BT-Drs. 16/2710, S. 28. 205 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 274; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.10, 50.53; Hruschka/ Hellmann, DStR 2010, 1961 (1962); Köhler, IStR 2010, 337 (339); Körner, IStR 2009, 741 (748); Ditz, IStR 2009, 115 (120). 206 Bejahend Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (175); Beinert/Benecke, FR 2011, 1009 (1012). Wohl auch die Finanzverwaltung, die im neuen Umwandlungssteuererlass bei der Erläuterung der Entstrickungsklausel auf § 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 1 S. 2 KStG verweist, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.18. 200
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
hätten die Begriffe „Ausschluss und Beschränkung“ dort denselben Inhalt wie in den allgemeinen Entstrickungstatbeständen. Eine Übertragung dieser Grundsätze kann allerdings nicht unbesehen erfolgen. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 12 Abs. 1 S. 1 KStG sind nämlich keine Grundtatbestände für die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln. Beide Regelungskomplexe erfüllen vielmehr dogmatisch völlig unterschiedliche Funktionen. Während die allgemeinen Entstrickungstatbestände Ersatzrealisationstatbestände darstellen207 und somit ultima ratio für eine Gewinnrealisierung sind, erfüllt eine Umstrukturierung mit Rechtsträgerwechsel und gegen eine Gegenleistung nach überwiegender Ansicht selbst einen Veräußerungstatbestand208. Die umwandlungssteuerlichen Entstrickungsklauseln führen systematisch daher nur die ausnahmsweise Bewertung mit Buchwerten auf die grundsätzliche Steuerpflicht von Veräußerungsvorgängen209 zurück. Für eine gleichlaufende Auslegung der Entstrickungstatbestände sprechen aber folgende Gründe: Beide Regelungskomplexe dienen mit der Sicherstellung des Besteuerungsrechts an inländischen stillen Reserven demselben Zweck.210 Dafür spricht bereits ihr identischer Wortlaut. Selbst die unterschiedlichen Funktionen als Ersatzrealisationstatbestand einerseits und Rückausnahme innerhalb der Bewertungsvorschriften für einen Rechtsträgerwechsel andererseits rechtfertigen keine unterschiedliche Behandlung. Die neuen Regelbeispiele, die das Verständnis des Gesetzgebers von der Wirkungsweise der Freistellungs- und der Anrechnungsmethode verdeutlichen, sind nämlich bei systematischer Betrachtung auch auf Rechtsträgerwechsel anwendbar. Das folgt bereits aus dem Verweis des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG auf § 6 Abs. 5 S. 1 EStG, in dessen Hs. 2 seit dem JStG 2010 wiederum ein Verweis auf das Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 S. 4 EStG aufgenommen wurde. Im Ergebnis gilt daher auch für die Entstrickungsklauseln des UmwStG, dass ein Ausschluss deutschen Besteuerungsrechts vorliegt, soweit bedingt durch die Umstrukturierung Wirtschaftsgüter nach der Maßnahme einer Freistellungsbetriebsstätte zuzuordnen sind. Der Beschränkungstatbestand ist bei einer umstrukturierungsbedingten Zuordnung zu einer Anrechnungsbetriebsstätte erfüllt. 2. Zwischenergebnis zur Entstrickung bei Umstrukturierungen Voraussetzung einer Entstrickung ist ein ursprüngliches Besteuerungsrecht, das sich nach dem objektiven und subjektiven Steuertatbestand und nach der Zuordnung bestehender Besteuerungsrechte durch DBA richtet. Eine Verschlechterung tritt nur durch Veränderung mindestens eines dieser Parameter ein. Verändern 207
Frotscher, in: Frotscher, EStG, 2011, § 4, Rn. 353a. Siehe exemplarisch Kapitel 3 B. I. 209 Ausführlich unten Kapitel 6 B. und D. I. 210 BT-Drs. 16/2710, S. 26, 28 für die Entstrickungstatbestände des EStG und KStG sowie S. 27 für die Entstrickungsklauseln des UmwStG. 208
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sich die Parameter nicht, besteht also die abkommensrechtliche Freistellung oder Anrechnung ausländischer Betriebsstättengewinne nach der Umwandlung fort, löst die Verschmelzung keine Entstrickung aus. Für die Anrechnungsmethode gilt dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt, dass in subjektiver Hinsicht alle Mitunternehmer der übernehmenden Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig bleiben. Nur in diesem Fall vermittelt nämlich das Welteinkommensprinzip weiterhin ein Besteuerungsrecht; bei beschränkt Steuerpflichtigen könnte die Bundesrepublik auf einen Gewinn aus der Veräußerung ausländischen Betriebsstättenvermögens mangels eines tatbestandlichen Anknüpfungspunktes nicht mehr zugreifen. Deutsches Besteuerungsrecht bleibt ferner für Wirtschaftsgüter bestehen, die einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet sind. Kriterium für die Zuordnung ist allein die funktionale Bedeutung eines Wirtschaftsgutes zur Erfüllung der Betriebsstättenaufgabe. Die Verteilung dieser Aufgaben bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Unternehmensorganisation. Auf die operationale Organisationsstruktur des Unternehmens hat die Verschmelzung keine Auswirkungen, sodass die Umwandlungsmaßnahme selbst nicht zu einer Verschiebung der Aufgaben innerhalb des Unternehmens und daher zu einer Zuordnungsänderung der Wirtschaftsgüter führt. Auch die These der Zentralfunktion des Stammhauses löst keine Entstrickung aus. Die fingierte zwingende Ansiedelung unternehmensübergreifender Funktionen bei einem Stammhaus entspricht nicht der Realität moderner Unternehmensorganisationen. Soweit aber zeitlich nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Wirtschaftsgüter tatsächlich einer anderen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder die Funktionsverteilung innerhalb des Unternehmens geändert wird, besteht die Gefahr der Entstrickung nach allgemeinen Regeln. Für den Anwendungsbereich objektbezogener Entstrickungen kommt es maßgeblich auf das Verständnis von der Funktionsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung an. Insbesondere infolge der gewandelten Rechtsprechung zu diesem Verständnis herrschte Streit über die Auslegung des Tatbestands der Entstrickungsklauseln. Im JStG 2010 hat der Gesetzgeber seine Sichtweise dieser Methoden durch Regelbeispiele und revidierte Anwendungsvorschriften dargelegt und an die finale Entnahmetheorie angeknüpft. Ein Ausschluss deutschen Besteuerungsrechts liegt daher mit der Überführung in eine Freistellungsbetriebsstätte, eine Beschränkung mit Überführung in eine Anrechnungsbetriebsstätte vor. Dieses Ergebnis muss auf die Tatbestände des UmwStG übertragen werden. 3. Rechtsfolgen der Entstrickung Im Hinblick auf die Rechtsfolgen in Beispiel 10 ist zu differenzieren. Durch eine zeitlich nach der Verschmelzung erfolgte Überführung einer Maschine (Buchwert 10, gemeiner Wert 30) in eine ausländische Betriebsstätte entsteht
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
nach §§ 4 Abs. 1 S. 3, 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ein fiktiver Entnahmegewinn in Höhe von 20. Dieser Gewinn muss auch ohne realisierenden Außenumsatz sofort versteuert werden.211 Nach § 4g Abs. 1 S. 1 EStG können unbeschränkt Steuerpflichtige bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens in eine EU-Betriebsstätte derselben Steuerpflichtigen aber ausnahmsweise einen Ausgleichsposten bilden, der den Gewinn zunächst neutralisiert.212 Es kommt nur zu einer über fünf Jahre gestreckten Besteuerung, § 4g Abs. 2 S. 1 EStG. Damit liegt der Entstrickung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens anders als dem Wegzug natürlicher Personen, deren entstrickungsbedingte Steuerschuld nach § 6 Abs. 5 AStG zinslos und unbegrenzt gestundet wird, ein zwingend liquiditätswirksames Rechtsfolgenkonzept zugrunde.213 Im Beispiel 10 mildert aber auch § 4g EStG die Sofortversteuerung nur begrenzt. Unbeschränkt steuerpflichtig sind nach § 1 Abs. 1 EStG natürliche Personen, sodass § 4g EStG für jeden Mitunternehmer zu prüfen ist.214 Demnach dürfen in Beispiel 10 nur die im Inland ansässigen Gesellschafter quotal einen Ausgleichsposten bilden.215 Auch die Verschmelzung selbst führt im Beispiel 10 zu einer subjektbezogenen Entstrickung, da nach der Umstrukturierung am übernehmenden Rechtsträger beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind. Der insoweit entstandene Übertragungsgewinn muss ebenfalls sofort versteuert werden. § 4g EStG findet auf Umwandlungen keine Anwendung, da sein Wortlaut ausdrücklich nur auf § 4 Abs. 1 S. 3 EStG verweist und die allgemeinen Entstrickungstatbestände Rechtsträgerwechsel nicht erfassen.216 Im Ergebnis führt die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine EU-ausländische Personengesellschaft auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers zu einer liquiditätswirksamen Sofortversteuerung, wenn in subjektiver Hinsicht am übernehmenden Rechtsträger im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind oder in objektiver Hinsicht durch die Verschmelzung selbst Wirtschaftsgüter einer Freistellungs- oder Anrechnungsbetriebsstätte zugeordnet werden. Ein sofort steuerpflichtiger Übertragungsgewinn entstünde außerdem in Höhe der stillen Reserven neutraler Wirt211 Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2011, § 4, Rn. 329; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 65; Kahle, IStR 2007, 757 (762). 212 Stadler/Elser, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 55. 213 BT-Drs. 16/2710, S. 26; Crezelius, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 4g, Rn. 6. 214 Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 68. 215 Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 69. A. A. Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4g, Anm. 15, der den Ausgleichsposten in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft bildet. 216 Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4g, Anm. 8; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 3, Rn. 52; dies., DB 2006, 2704 (2705); Köhler, IStR 2010, 337 (339).
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schaftsgüter, wenn man der abzulehnenden These von der Zentralfunktion des Stammhauses folgt.
III. Steuerliche Auswirkungen beim übernehmenden Rechtsträger und den Anteilseignern Hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen auf den übernehmenden Rechtsträger und die Anteilseigner ergeben sich bei internationalen Umstrukturierungen fast keine Abweichungen zu nationalen Sachverhalten. Die Ermittlung des Übernahmeergebnisses217 erfolgt ebenso personenbezogenen und nur für Anteile, die sich entweder im Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers befinden oder diesem nach § 5 Abs. 2, 3 UmwStG zuzurechnen sind.218 Für die Zurechnung nach § 5 UmwStG ist unerheblich, ob der Anteilseigner unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist.219 Erst nach Ermittlung eines Übernahmeergebnisses wird in einem weiteren Schritt geprüft, ob für den Anteil, der auf einen ausländischen Anteilseigner entfällt, nach den Regeln der beschränkten Steuerpflicht und der einschlägigen DBA ein Besteuerungsrecht besteht.220 Im Beispiel 10 nehmen daher die Anteile der Gesellschafter A und B, sollten sie im Betriebsvermögen gehalten werden über § 5 Abs. 3 UmwStG, sonst über § 5 Abs. 2 UmwStG, an der Ermittlung des Übernahmeergebnisses teil. Für sogenanntes neutrales Vermögen221 enthält § 4 Abs. 4 S. 2 UmwStG eine Besonderheit. Hiernach sind diejenigen Wirtschaftsgüter, für die kein deutsches Besteuerungsrecht bestand, bei der Ermittlung des Übernahmegewinns mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Praktisch relevant wird die Regelung insbesondere, falls zum übergehenden Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auch eine Betriebsstätte in einem Staat gehört, mit dem die Freistellungsmethode vereinbart ist.222 Wirtschaftlich erhöhen damit die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der Freistellungsbetriebsstätte den Übernahmegewinn auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers, womit das Gesetz eine noch im UmwStG 1995 217 Ausführlich zur Ermittlung des Übernahmeergebnisses siehe Kapitel 3 B. III. 1. b). Siehe auch das Ermittlungsschema bei Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 4, Rn. 29. 218 Bonhardt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 4, Rn. 226; Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1118, 1201. 219 Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4 UmwStG, Rn. 5. 220 Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4 UmwStG, Rn. 5. Zu einer Übersicht über die denkbaren Konstellationen ebenda, Rn. 6 sowie Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079 f.). 221 BT-Drs. 16/2710, S. 39. 222 Bonhardt, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 4, Rn. 241; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 111; Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1115.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
bestehende Regelungslücke schließt.223 Diese Lücke resultierte daraus, dass nach der Verschmelzung die Anteile am übertragenden Rechtsträger untergehen und sich somit die stillen Reserven des neutralen Vermögens nicht mehr in einem hypothetischen Kaufpreis für diese Anteile niederschlagen können.224 Zu dem so erhöhten Übernahmeergebnis erster Stufe sind wie im nationalen Sachverhalt nach § 4 Abs. 5 UmwStG der Sperrbetrag nach § 50c KStG hinzuzurechnen und die Ausschüttungen nach § 7 UmwStG abzuziehen. Für Beispiel 10 bedeutet diese Besonderheit, dass sich für die beiden unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter A und B ihr jeweiliger Anteil am Übernahmeergebnis um die Hälfte der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern der Freistellungsbetriebsstätte erhöht. Bei hohen stillen Reserven der Freistellungsbetriebsstätte kann diese Besonderheit durch die so entstehende liquiditätswirksame Steuerlast durchaus als Umwandlungshindernis wirken.225 Auch die Wertverknüpfung unterliegt keinen Besonderheiten. Bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung gilt für den übernehmenden Rechtsträger § 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG, wenn diese Werte für Zwecke der deutschen Besteuerung, hier also bezüglich der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der ausländischen Übernehmerin, erforderlich sind.226
B. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Kapitalgesellschaften Für grenzüberschreitende Verschmelzungen zweier Kapitalgesellschaften, beispielsweise227 die Upstream-Verschmelzung einer 100%-igen deutschen TochterGmbH auf ihre EU-ausländische Mutterkapitalgesellschaft, gelten weitestgehend die soeben dargestellten internationalen Besonderheiten. Insbesondere die Anwendbarkeit228 des UmwStG ist für die Verschmelzung zweier in der EU gegründeten Kapitalgesellschaften mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in der EU unproblematisch. Mit den §§ 122a ff. UmwG hat der Gesetzgeber nämlich die
223 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3, Rn. R 101; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 113; Pung, in: Dötsch/ Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4 UmwStG, Rn. 59. 224 BT-Drs. 16/2710, S. 39; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 113; Pung, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 4, Rn. 59. 225 Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077 f.). 226 Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 4, Rn. 16; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 4, Rn. 12. 227 Beispiel nach Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.54. 228 Zum Anwendungsbereich Kapitel 5 A. I.
B. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf EU-Kapitalgesellschaften
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Verschmelzungsrichtlinie umgesetzt229 und auf diese Weise selbst Regelungen geschaffen, die einen mit den §§ 2 ff. UmwG vergleichbaren ausländischen Vorgang darstellen230. Der sachliche Anwendungsbereich des Umwandlungssteuerrechts ist daher bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG eröffnet, sodass anders als bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf eine Personengesellschaft231 für eine steuerneutrale Umstrukturierung nicht auf die primärrechtlichen Grundfreiheiten zurückgegriffen werden muss. Insofern erlaubt § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG Steuerneutralität aber nur unter den schon im Zusammenhang mit den nationalen Verschmelzungen erläuterten232 Voraussetzungen. Bei der Subsumtion einer grenzüberschreitenden Upstream-Verschmelzung unter diese Voraussetzungen ergeben sich die üblichen Besonderheiten internationaler Umstrukturierungen: Als erstes genügt für § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG die Erfassung der stillen Reserven in den übergehenden Wirtschaftsgütern mit ausländischer Körperschaftsteuer, da der Gesetzeswortlaut keine Einschränkung auf die deutsche Ertragsteuer vornimmt.233 Für die Entstrickungsklausel des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG gelten die gleichen Grundsätze234 wie bei der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft. Ein deutsches Besteuerungsrecht wird daher nicht ausgeschlossen oder beschränkt, wenn nach der Verschmelzung eine inländische Betriebsstätte zurückbleibt und sich die funktionale Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu dieser Betriebsstätte nicht verändert. In diesem Fall verbleibt mit der Betriebsstätte ein geeigneter objektiver Anknüpfungspunkt eines Besteuerungsanspruchs in der Bundesrepublik. Zu einer sofortigen subjektbezogenen Entstrickung kommt es demgegenüber, wenn verschmelzungsbedingt auch eine Anrechnungsbetriebsstätte auf die ausländische Kapitalgesellschaft übergeht, da nach der Umstrukturierung kein subjektiver Anknüpfungspunkt für einen Steueranspruch mehr im Inland verbleibt.235 Die übernehmende ausländische Körperschaft ist nämlich allenfalls noch mit ihren Einkünften aus einer im Inland verbleibenden Betriebsstätte nach § 2 Nr. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) EStG beschränkt steuerpflich229 Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 18; Klein, RNotZ 2007, 565. 230 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rn. 01.21; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 1 UmwStG, Rn. 60. 231 Siehe Kapitel 5 A. I. 232 Siehe hierzu Kapitel 3 E. II. 2. 233 BT-Drs. 16/2710, S. 37; Benecke, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1038; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 79. A. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 3 UmwStG, Rn. R 63.25; Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 96. 234 Ausführlich zur Entstrickungsklausel Kapitel 5 A. II. 1. 235 Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.54.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
tig, wodurch das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter einer Anrechnungsbetriebsstätte entfällt. Daher scheidet auch die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG aus236, denn zum einen enthält das UmwStG keinen Verweis auf § 4g EStG und zum anderen setzt die zeitlich gestreckte Einziehung der entstrickungsbedingten Steuerschuld eine unbeschränkte Steuerpflicht voraus. Für die übernehmende Körperschaft und die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft ergeben sich für die steuerlichen Auswirkungen der Verschmelzung keine Unterschiede zum rein nationalen Sachverhalt. Die §§ 12, 13 UmwStG237 müssen nur um wenige internationale Besonderheiten ergänzt werden. Zunächst muss auch der übernehmende ausländische Rechtsträger jedenfalls für das im Inland verbleibende Betriebsstättenvermögen die Werte aus der steuerlichen Schlussbilanz übernehmen, da er bezüglich dieses Vermögens beschränkt steuerpflichtig wird.238 Nach § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG entsteht sodann ein Übernahmegewinn in Höhe der Differenz zwischen den Buchwerten der untergehenden Anteile und den zu übernehmenden Werten der übergehenden Wirtschaftsgüter abzüglich der Umwandlungskosten. Mangels inländischer Steuerpflicht des übernehmenden Rechtsträgers bleibt ein Übernahmegewinn in grenzüberschreitenden Sachverhalten aber vollständig außer Ansatz, da § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG nicht anwendbar ist239 und insofern auch keine nicht abziehbaren Betriebsausgaben fingiert werden. Bei den Anteilseignern kommt es grundsätzlich durch den nach § 13 Abs. 1 UmwStG zum gemeinen Wert vollzogenen Anteilstausch zur Abrechnung der stillen Reserven in den untergehenden Anteilen. Diese Gewinnrealisierung kann nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG in internationalen Sachverhalten aber vermieden werden, wenn das Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird oder nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG trotz Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts240 ein Fall von Art. 8 der Fusionsrichtlinie vorliegt. Für das eingangs genannte Beispiel eines Upstream-Mergers ist § 13 UmwStG indes nicht anwend-
236 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 61; Köhler, IStR 2010, 337 (339). 237 Dazu Kapitel 3 E. III. 1. 238 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.104; Schießl, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.63. 239 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 61a; Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 11 UmwStG, Rn. 50.63; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.104. 240 Schroer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 13, Rn. 44; Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 13, Rn. 20; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 13, Rn. 41.
C. Grenzüberschreitende Spaltung auf EU-Gesellschaften
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bar, da eine Gegenleistung nicht gewährt wird.241 Auf Anteilseignerebene wird daher kein Gewinn realisiert. Im Ergebnis hängt auch die Steuerneutralität der grenzüberschreitenden Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften maßgeblich von der Sicherstellung deutscher Besteuerungsrechte auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers ab. Im Übrigen ergeben sich nur marginale Abweichungen zur Verschmelzung zweier Körperschaften mit Sitz im Inland.
C. Grenzüberschreitende Spaltung auf EU-Gesellschaften Für Auf- und Abspaltungen verweist der vierte Teil des UmwStG auf die §§ 3 ff. bzw. die §§ 11 ff. UmwStG, sodass die Ausführungen zu den Verschmelzungen242 entsprechend gelten. Soll eine deutsche Körperschaft auf zwei Körperschaften, die dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates unterliegt, aufgespalten oder einer ihrer Teilbetriebe auf eine Körperschaft im EU-Ausland abgespalten werden, existieren für diese Umstrukturierungen ebenfalls keine besonderen umwandlungsrechtlichen Regelungen. Spaltungen auf andere Körperschaften sind von den §§ 122a ff. UmwG nicht erfasst.243 Gleiches gilt für die Auf- oder Abspaltung auf eine Personengesellschaft als übernehmende Rechtsträgerin im EU-Ausland. Hält man aber grenzüberschreitende Spaltungen innerhalb der EU und des EWR unter Berufung auf die Grundfreiheiten des AEUV für zulässig244, kann auch für diese Fallgruppe die Lücke der zivilrechtlichen Regelungen durch die kollisionsrechtliche Vereinigungstheorie245 geschlossen werden, sodass ein Bezugspunkt für die akzessorische Anknüpfung des sachlichen Anwendungsbereichs in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG besteht. Bei EU-internen Umstrukturierungen ist ebenfalls der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 S. 1 UmwStG erfüllt. Entscheidende Tatbestandsmerkmale sind auch bei grenzüberschreitenden Spaltungen allein die Entstrickungsklauseln in § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UmwStG und § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG. Insofern gelten die bereits entwickelten246 Grundsätze. Die Umstrukturierung erfolgt auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers steuerneutral, soweit deutsches Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, indem im Inland belegene Wirtschaftsgüter weiterhin einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet bleiben und im Hinblick auf ausländisches 241 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.105; Moszka, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 144; Schroer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 13, Rn. 17. 242 Siehe Kapitel 5 A. und B. 243 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor §§ 122a ff. UmwG, Rn. 85. 244 Siehe Kapitel 2 C. II. 2. 245 Dazu Kapitel 5 A. I. 246 Siehe Kapitel 5 A. II. 1. b).
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Anrechnungsbetriebsstättenvermögen keine Veränderungen hinsichtlich der Ansässigkeit der beteiligten Steuerpflichtigen eintritt.
D. Grenzüberschreitende Einbringungen in EU-Gesellschaften Besondere praktische Relevanz haben die Einbringungsregeln des UmwStG und des EStG für zahlreiche Gestaltungen, die zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen wie Umwandlungen nach dem UmwG führen. Mit diesen Hilfsmitteln kann das Manko fehlender zivilrechtlicher Verfahrensregeln für die grenzüberschreitende Umstrukturierung außerhalb der §§ 122a ff. UmwG wenigstens teilweise durch mehrstufige Ersatzkonstruktionen247 auf der Basis einer Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge bei anschließender Liquidation der einbringenden Gesellschaft gemildert werden.
I. Einbringung nach §§ 20, 21, 24 UmwStG Outbound-Umstrukturierungen durch Einbringungen sind wegen § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UmwStG zwar weitestgehend248 räumlich auf das Hoheitsgebiet der EU- und EWR-Staaten begrenzt. Möglich sind steuerneutrale Ersatzkonstruktionen dort vor allem, weil der Anwendungsbereich der §§ 20 bis 24 UmwStG nicht ausschließlich akzessorisch an das zivilrechtliche UmwG anknüpft249 und neben Umwandlungen im Sinne von § 2 UmwG auch Umstrukturierungen unter Verwendung der Einzelrechtsnachfolge erfasst. Dieses Instrument kann in grenzüberschreitenden Sachverhalten ohne Einschränkung genutzt werden und ist ein wesentlicher Baustein der angesprochenen Ersatzkonstruktionen. 1. Einzelne Einbringungssachverhalte Werden beispielsweise sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen einer deutschen KG einzeln in eine EU-ausländische Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft übertragen und erhält die KG als Gegenleistung Gesellschaftsrechte des übernehmenden Rechtsträgers250, liegt, je nach Rechtsform des überneh247 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 8, Rn. 183. Zu denkbaren Ersatzkonstruktionen für Outbound-Umstrukturierungen siehe Kapitel 2 C. II. 4. sowie Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.75 ff. 248 Eine Ausnahme bildet der globale Anwendungsbereich des § 24 UmwStG nach § 1 Abs. 4 S. 2 UmwStG, siehe dazu Kapitel 5 F. I. 249 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 78 sowie Kapitel 4 A. I. 250 Das ist nur der Fall, wenn man die Personengesellschaft selbst als Einbringende ansieht, so Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 20, Rn. 184; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.135.
D. Grenzüberschreitende Einbringungen in EU-Gesellschaften
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menden ausländischen Rechtsträgers, eine Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG oder § 24 Abs. 1 UmwStG vor. Wenn die deutsche KG anschließend liquidiert wird und die Gesellschafter im Rahmen der Liquidation die als Gegenleistung erhaltenen Gesellschaftsrechte an der ausländischen Gesellschaft erhalten, entspricht dieses zweistufige Vorgehen wirtschaftlich einer Verschmelzung.251 Die Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile252 in eine ausländische Kapitalgesellschaft oder der Tausch aller Kapitalgesellschaftsanteile nach § 21 UmwStG führen zum selben Ergebnis. Spaltungen253 können etwa erreicht werden, indem in einem ersten Schritt sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen eines Teilbetriebs einzeln auf die übernehmende EU-ausländische Gesellschaft übertragen werden, die einbringende deutsche Gesellschaft in einem zweiten Schritt liquidiert wird und ihre Gesellschafter die als Gegenleistung gewährten Anteile erhalten. Behält die einbringende Gesellschaft nach der Einbringung nur eines Teilbetriebs die gewährten Anteile, entspricht dieses Ergebnis einer Ausgliederung. 2. Rechtsfolgen Die steuerlichen Rechtsfolgen solcher Konstruktionen auf der Ebene des einbringenden Rechtsträgers gleichen sich im Wesentlichen. Ob die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufzudecken sind, hängt einzig davon ab, mit welchem Wert sie in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG, § 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG oder § 24 Abs. 3 S. 1 UmwStG254 eingehen. Problematische Voraussetzung für den Buchwertansatz ist, wie in allen anderen grenzüberschreitenden Fällen, dass gemäß §§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 21 Abs. 2 S. 2, 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG ein deutsches Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Gegenstände nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden darf. Insofern gelten die erarbeiteten Entstrickungsgrundsätze.255 Bleiben die übertragenen Wirtschaftsgüter weiterhin einer deutschen Betriebsstätte zugeordnet, besteht das Besteuerungsrecht fort. Lediglich der Übergang von Vermögen einer ausländischen Be251 Zur Gestaltung einer Verschmelzung außerhalb des UmwG: Arens/Spieker, in: Umwandlungsrecht, 1996, S. 69, Rn. 186; Berenbrok, in: Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 2005, § 65, Rn. 15; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.132. 252 Davon geht die überwiegende Ansicht aus, wenn nach der Einbringung die Personengesellschaft nicht mehr existiert, BFH vom 16.2.1996, I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (344); BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.03; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 20, Rn. R 46; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 34. 253 Zu Ersatzkonstruktionen für Spaltungsvorgänge Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. § 173, Rn. 12; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.169, 17.175; Priester, ZHR 163 (1999), 187 (187 f.). 254 Ausführlich zu diesen Vorschriften Kapitel 4 A. II., III., IV. 255 Siehe dazu ausführlich Kapitel 5 A. II. 1.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
triebsstätte in einem Staat, mit dem kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsmethode abgeschlossen wurde, kann zur Beschränkung des Besteuerungsrechts führen. An diesen Wirtschaftsgütern bestand ein durch die Anrechnungsverpflichtung begrenztes Besteuerungsrecht, das nach dem Übergang dieses Vermögens auf nur mit ihren inländischen Betriebsstätteneinkünften beschränkt steuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaften oder weitere im Ausland ansässige Mitunternehmer nach der Einbringung nicht mehr durchgesetzt werden kann. Aber selbst wenn alle Anforderungen des Entstrickungstatbestands erfüllt und die stillen Reserven aufgrund des ersten Umstrukturierungsschritts nicht aufzudecken sind, kann die Steuerneutralität unter Umständen an der Liquidation des Einbringenden als zweitem Schritt zum gewünschten Ergebnis scheitern. Insofern ist allerdings zu unterscheiden, wer im Einzelnen als Einbringender anzusehen ist. Handelt es sich beim einbringenden Rechtsträger um eine Personengesellschaft kommt nämlich ein rückwirkender Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 UmwStG in Betracht, wenn die Einbringende innerhalb von sieben Jahren die erhaltenen Anteile veräußert oder einen Ersatztatbestand nach § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG erfüllt.256 Erhalten natürliche Personen als Mitunternehmer die sperrfristbehafteten Anteile im Zuge einer Realteilung der einbringenden Personengesellschaft nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG, liegt keine schädliche Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG, sondern nur eine unentgeltliche Übertragung vor.257 Allerdings müssen die Mitunternehmer ihrerseits wiederum die Entstrickungsklausel des § 16 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 EStG beachten. Erhält eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin der real geteilten Personengesellschaft die sperrfristbehafteten Anteile, ist der Ersatztatbestand des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG erfüllt.258 Findet keine Realteilung statt, entsteht ein steuerpflichtiger Betriebsaufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG. Sieht man demgegenüber die Mitunternehmer selbst als Einbringende ihrer Mitunternehmeranteile an oder behält die Personengesellschaft die sperrfristbehafteten Anteile, stellt sich das Problem eines rückwirkenden Einbringungsgewinns nicht, da in diesen Fällen schon der Rechtsträger der sperrfristbehafteten Anteile nicht wechselt. Die Auflösung und Abwicklung einer einbringenden Kapitalgesellschaft in einem weiteren Umstrukturierungsschritt löst demgegenüber einen Liquidationsgewinn nach § 11 Abs. 1 S. 1 KStG und auf der Ebene der Anteilseigner laufende 256
Zu § 22 UmwStG und seinen Voraussetzungen siehe Kapitel 4 A. II. 3. BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.20, 22.41; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22, Rn. 40; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 46, wenn keine Ausgleichszahlungen mehr anfallen. A. A. Widmann, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 18. 258 BT-Drs. 16/3369, S. 12; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 22, Rn. 40; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 103. 257
D. Grenzüberschreitende Einbringungen in EU-Gesellschaften
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Gewinne nach §§ 17 Abs. 4, 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG oder § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG aus.259 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Verwendung mehrstufiger Ersatzkonstruktionen vor allem durch die unter Umständen steuerschädlichen Wirkungen der Liquidation bei Beteiligung von Kapitalgesellschaften keine steuerneutrale Umstrukturierung garantiert. Dieser Nachteil kann wiederum nur um den Preis zivilrechtlich unsicherer Umwandlungen unter Berufung auf die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit ausgeglichen werden.
II. Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter Häufig besteht in internationalen Unternehmen ein praktisches Bedürfnis, nicht nur komplette betriebliche Einheiten neu zu strukturieren, sondern auch einzelne Wirtschaftsgüter innerhalb der Unternehmensorganisation neu anzuordnen. Dazu kann beispielsweise im Nachgang einer Umwandlung260 oder während des laufenden Geschäftsbetriebs ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt werden. Unklar war bislang, ob § 6 Abs. 5 S. 1 EStG261 auch auf die Überführung einzelner Wirtschaftsgüter in ausländische Betriebsstätten Anwendung findet.262 Die Norm spricht nämlich von der Überführung in ein anderes Betriebsvermögen. Insofern wurde argumentiert, dass die ausländische Betriebsstätte kein separates Betriebsvermögen sei.263 Nachdem das JStG 2010 in § 6 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 EStG einen ausdrücklichen Hinweis auf das Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 S. 4 EStG integriert hat, ist deutlich geworden, dass der Gesetzgeber die Überführung in eine ausländische Betriebsstätte als Fall des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG ansieht.264 Damit ist aber nicht entschieden, dass § 6 Abs. 5 S. 1 EStG bei der Überführung ins Ausland dem allgemeinen Entstrickungstatbestand vorgeht.265 Nach dem neuen Regelbeispiel ist nämlich ein deutsches Besteuerungsrecht insbesondere ausgeschlossen, wenn ein Wirtschaftsgut nicht mehr einer inländischen, sondern einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist. Ausweislich der Begründung zum 259 Engert, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 8, Rn. 174, 184; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.111, 17.159. 260 Siehe dazu Kapitel 5 A. II. 1. cc) (3). 261 Zu § 6 Abs. 5 EStG ausführlich Kapitel 4 B. 262 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 38 zu den einzelnen Ansichten. 263 Ditz, IStR 2009, 115 (119). 264 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 38. 265 So aber Wassermeyer, in: FS für Krawitz, 2010, S. 483 (491 f.); Körner, IStR 2009, 741 (745); Stadler/Elser, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 49 f. sehen § 6 Abs. 5 S. 1 EStG als spezieller an. A. A. Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 486.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Entwurf des JStG 2010 konkretisiert der Verweis auf das Regelbeispiel das Tatbestandsmerkmal „Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven“.266 Wenn mit der Überführung in eine ausländische Betriebsstätte aber das Besteuerungsrecht qua gesetzlicher Anordnung nicht mehr sichergestellt ist, dann ist auch der Tatbestand des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG nicht erfüllt, sodass eine Buchwertfortführung ausscheidet. Ordnet der Überführungsvorgang demnach das Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zu, richten sich die steuerlichen Folgen bei systematischer Betrachtung nur nach § 4 Abs. 1 S. 3, 4 EStG, sodass stille Reserven sofort aufgedeckt werden müssen. Soweit das betreffende Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte innerhalb der EU oder des EWR überführt wird, dürfen unbeschränkt Steuerpflichtige ihre Belastung durch den Ausgleichsposten nach § 4g EStG mildern. Bringt aber beispielsweise eine deutsche Mitunternehmerin sämtliche Anteile267 an einer Kapitalgesellschaft in ihre ausländische Tochterpersonengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein268, ist § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG anwendbar269 und gegenüber § 4 Abs. 1 S. 3 EStG sogar vorrangig270. Auf Rechtsträgerwechsel findet § 4 Abs. 1 S. 3 EStG keine Anwendung, da für die Fiktion einer Entnahme kein Raum verbleibt, wenn der zu beurteilende Vorgang schon als Veräußerung271 zur Aufdeckung stiller Reserven führt.272 Trotzdem scheidet ein Buchwertansatz regelmäßig aus. § 6 Abs. 5 S. 3 EStG verweist nämlich hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Übertragung auf § 6 Abs. 5 S. 1 EStG, in dessen Halbsatz 2 wiederum das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung stiller Reserven durch den Verweis auf § 4 Abs. 1 S. 4 EStG konkretisiert worden ist. Folglich muss das aus dem Regelbeispiel hervorgehende Verständnis des Gesetzgebers von der Wirkungsweise der Freistellungs- und Anrechnungsmethode auch auf Rechtsträgerwechsel übertragen werden.273 Im Ergebnis ist die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter auf eine ausländische Personengesellschaft nur steuerneutral möglich, sofern die Wirtschaftsgüter weiterhin einer 266 BR-Drs. 318/10 (B), S. 8: „§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG basiert auf dem gleichen Grundgedanken wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. Eine Sicherstellung der stillen Reserven liegt deshalb unter anderem dann nicht vor, wenn ein Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet wird.“ 267 Insbesondere handelt es sich bei der Einbringung einer 100%-igen Beteiligung nach Ansicht der Rechtsprechung nicht um einen Teilbetrieb im Sinne von § 24 UmwStG, BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (467). Anders aber die Begründung zum Regierungsentwurf des SEStEG, BT-Drs. 16/2710, S. 50. 268 BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 269 Ditz, IStR 2009, 115 (119); Körner, IStR 2009, 741 (746). 270 Müller, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 123; Prinz, DB 2009, 807 (811); Ditz, IStR 2009, 115 (119); Körner, IStR 2009, 741 (745). 271 Zur systematischen Einordnung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG siehe Kapitel 4 B. II. 1. 272 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 6; Wied, in: Blümich, EStG 2011, § 4, Rn. 486; Blumenberg/Lechner, BB-Special 8/2006, 25 (26). 273 Siehe Kapitel 5 A. II. 1. c) ee).
E. Formwechsel durch Sitzverlegung innerhalb der EU
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inländischen Betriebsstätte der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft zugeordnet bleiben.
E. Formwechsel durch Sitzverlegung innerhalb der EU Seit der Äußerung des EuGH im obiter dictum zur Rechtssache Cartesio steht fest, dass eine Sitzverlegung unter Änderung des anwendbaren nationalen Rechts von der Niederlassungsfreiheit erfasst wird und daher der Wegzugsstaat die Umwandlung in eine Rechtsform des Zuzugsstaates nicht durch Auflösung und Liquidation verhindern darf, soweit das Recht des aufnehmenden Mitgliedstaates diese Umwandlung ermöglicht.274 Homogene Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsform oder zwischen unterschiedlichen Personengesellschaftsformen lösen in nationalen Sachverhalten keine ertragsteuerlichen Folgen aus275, sodass das UmwStG hierzu keine Regeln bereithält. Finden solche Vorgänge grenzüberschreitend statt, kommt mit der gesellschaftsrechtlich notwendigen Sitzverlegung indes ein neuer Aspekt hinzu, der eine abweichende steuerrechtliche Beurteilung erfordert.
I. Homogener Formwechsel einer Kapitalgesellschaft Verlegt beispielsweise eine deutsche GmbH ihren Sitz nach Portugal276, dann behandelt das portugiesische Recht unter bestimmten Voraussetzungen diesen Vorgang als identitätswahrenden aber statutenwechselnden Zuzug der Kapitalgesellschaft.277 In einem solchen Fall endet zwar die Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts278, anders als bisher279 darf die formwechselnde Gesellschaft in Deutschland aber nicht mehr als aufgelöst und liquidiert behandelt werden.280 274 EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 112, 109, NZG 2009, 61 (67). Ausführlich zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit Kapitel 2 C. II. 3. 275 Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einl. II, Rn. 20; Greve, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 9, Rn. 7; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 641; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 27 sowie oben Kapitel 3 D. 276 Beispiel nach OLG München vom 4.10.2007, 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915. 277 Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (60). Das portugiesische Recht setzt eine Anpassung der Satzung sowie eine Registereintragung voraus; Jayme, IPRax 1987, 46 (47). 278 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 509; Teichmann, ZIP 2009, 393 (401). 279 OLG München vom 4.10.2007, 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915; OLG Hamm vom 1.2.2001, 15 W 390/00, NZG 2001, 562; OLG Düsseldorf vom 26.3.2001, 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506. 280 Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (62).
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Folglich kann schon aus europarechtlichen Gründen auf Ebene der formwechselnden Körperschaft keine Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG stattfinden.281 Die steuerlichen Rechtsfolgen dieser identitätswahrenden Verlegung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft innerhalb der EU und des EWR richten sich vielmehr allein nach der Entstrickungsregel des § 12 Abs. 1 S. 1 KStG.282 Der Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts hängen auch beim Formwechsel nur vom Einfluss der Sitzverlegung auf die entstrickungsrelevanten Parameter283, also die subjektive Steuerpflicht und die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebsstätte, ab. Für die subjektive Steuerpflicht ist die zivilrechtliche Diskussion um die Sitz- oder Gründungstheorie nicht entscheidend.284 Hält man für einen grenzüberschreitenden Formwechsel in zivilrechtlicher Hinsicht die Verlegung nur des Satzungssitzes für ausreichend285 und verbleibt die Geschäftsleitung im Inland, ist die formwechselnde Körperschaft weiterhin im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig286, obwohl sie nunmehr einem neuen Personalstatut unterliegt. Da die Zuordnung von Wirtschaftsgütern durch die Sitzverlegung nicht beeinflusst wird und außerdem eine im Zuzugsstaat ebenfalls gegebene unbeschränkte Steuerpflicht nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA unbeachtlich ist, kommt es in diesem Fall nicht zur Entstrickung.287 Soweit Satzungs- und Verwaltungssitz ins Ausland verlegt werden müssen288, verliert die formwechselnde Körperschaft ihre inländische unbeschränkte Steuerpflicht.289 Gewinne aus der Veräußerung ausländischen Anrechnungsbetriebsstättenvermögens unterliegen infolgedessen nicht mehr der deutschen Besteuerung, sodass insoweit eine sofortige Entstrickung eintritt.290 Mangels unbeschränkter
281
Frobenius, DStR 2009, 487 (490); Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (62). Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 92; Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (373). 283 Zu den Grundsätzen der Entstrickung siehe Kapitel 5 A. II. 1. b). 284 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 6.29; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 89; Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 1, Rn. 57. 285 Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (370). 286 Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 1, Rn. 61; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 92. 287 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 92; Richter/Heyd, StuW 2010, 367 (373). 288 Das fordern aus zivilrechtlicher Sicht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 2010, § 4a, Rn. 10; Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (62). 289 Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 1, Rn. 61; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 92. 290 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 92; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 6.34; Ritzer, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Anh. 5, Rn. 131. 282
E. Formwechsel durch Sitzverlegung innerhalb der EU
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Steuerpflicht im Inland kann kein Ausgleichsposten nach § 12 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 KStG, § 4g EStG gebildet werden. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung kommt es aber nicht zu einer automatischen Zuordnungsänderung und Entstrickung von Wirtschaftsgütern nach der These von der Zentralfunktion des Stammhauses291, wenn die Wirtschaftsgüter weiterhin einer im Inland zurückbleibenden Betriebsstätte zugeordnet sind. Auf der Ebene unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner kommt es für Anteile im Betriebsvermögen in beiden Fällen regelmäßig nicht zu einer Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG oder § 12 Abs. 1 S. 1 KStG, wenn das DBA mit dem Staat, in den der Sitz der Kapitalgesellschaft verlegt wurde, das Recht zur Besteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung der Anteile in Orientierung an Art. 13 Abs. 5 OECD-MA nur dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist.292 Für wesentliche Beteiligungen im Privatvermögen enthält § 17 Abs. 5 S. 1 EStG eine spezielle Entstrickungsregel, die den gleichen Grundsätzen folgt.
II. Homogener Formwechsel einer Personengesellschaft Nach den in der Rechtssache Cartesio formulierten Grundsätzen darf auch die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kommanditgesellschaft unter Änderung des anwendbaren Gesellschaftsrechts nicht zu ihrer Auflösung führen.293 Verlegt eine Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz ins EU-Ausland und existiert dort als Personengesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaates fort, sind für mögliche Entstrickungstatbestände erneut nur die Veränderungen des objektiven oder subjektiven Steuertatbestands relevant. Aufgrund des Transparenzprinzips sind nicht Personengesellschaften selbst, sondern ihre Mitunternehmer steuerpflichtig. Auf deren Ansässigkeit im Inland und ihre daraus folgende unbeschränkte Steuerpflicht hat die Sitzverlegung der Personengesellschaft keinen 291
Zur Ablehnung der Zentralfunktionsthese siehe Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (2). Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 6.36; Ritzer, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Anh. 5, Rn. 157, die außerdem darauf hinweisen, dass derzeit die DBA mit Tschechien, der Slowakei und Zypern das Besteuerungsrecht auch dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zuweisen, sodass es in diesen Fällen zur Beschränkung aufgrund der Anrechnungsverpflichtung kommt. Zur Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts kommt es auch, wenn kein DBA besteht und Deutschland daher ausländische Steuern anrechnen muss oder die Anteile einer ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte zugeordnet sind, Schaumburg, ebenda, Rn. 6.36. 293 Jedenfalls gilt dieser Grundsatz für die Rechtsform der KG, deren ungarisches Pendant in der Rechtssache Cartesio streitgegenständlich war. Ob die Niederlassungsfreiheit sowie die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH auch auf alle nicht rechtsfähigen Gesellschaften übertragen werden kann, ist unklar; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 2011, Art. 54 AEUV, Rn. 4; Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (59). Ablehnend wohl Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (569, 575), die eine Verwaltungssitzverlegung in einen Sitztheoriestaat nach § 16 Abs. 3 EStG als Betriebsaufgabe besteuern wollen. 292
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
Einfluss.294 Eine subjektbezogene Entstrickung tritt nicht ein. Durch die Verlegung des Verwaltungssitzes wird im Zuzugsstaat aber regelmäßig eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründet.295 Trotzdem führt auch die Fiktion einer Zentralfunktion des nunmehr ausländischen Stammhauses nicht zu einer Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, wenn die Wirtschaftsgüter weiterhin einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet bleiben.296 Wird allerdings nicht nur der Verwaltungssitz der Personengesellschaft, sondern auch der gesamte Betrieb ins Ausland verlegt, indem wesentliche Betriebsgrundlagen einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet werden297, müssen nach § 16 Abs. 3a EStG in der Fassung des JStG 2010 die stillen Reserven entstrickt werden.298
III. Kreuzende Formwechsel In grenzüberschreitenden Sachverhalten haben außerdem kreuzende Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft besondere Bedeutung. Bislang enthalten nämlich die wenigsten Rechtsordnungen Regeln, die den identitätswahrenden Zuzug als Kapitalgesellschaft ermöglichen. Fehlen spezielle Regelungen, führt ein Statutenwechsel durch Sitzverlegung dazu, dass die zuziehende Kapitalgesellschaft jedenfalls als Personengesellschaft ohne besondere Gründungsvoraussetzungen fortgeführt werden kann.299 Neben dieser kollisionsrechtlichen Formwechselkonstruktion ist ebenfalls unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ein Formwechsel nach dem UmwG als vergleichbarer ausländischer Vorgang im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwStG denkbar. Auch auf grenzüberschreitende Formwechsel in eine Personengesellschaftsform findet § 9 UmwStG daher Anwendung.300 Demnach darf auf der Ebene der Körperschaft das betroffene Vermögen mit dem Buchwert angesetzt werden, wenn deutsches Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, §§ 9 S. 1, 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG. Das entspricht den Voraussetzungen der allgemeinen Entstrickungsregel des § 12 Abs. 1 S. 1 KStG. Eine Neuerung ergibt sich nur hinsichtlich der Auswirkungen auf die Anteilseigner der formwechselnden Kapitalgesellschaft, die sich nach den §§ 4 ff. UmwStG richtet, sodass jedenfalls die
294
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.184. Görl, in: Vogel/Lehner, DBA, 2008, Art. 5 OECD-MA, Rn. 39. 296 A. A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.186. 297 Schallmoser/Stuhrmann, in: Blümich, EStG, 2011, § 16, Rn. 344d. 298 Vgl. noch zur Rechtslage vor dem JStG 2010 und der Rechtsprechungsänderung durch den BFH, Schaumburg, in: FS für Wassermeyer, 2005, S. 410 (429). 299 BGH vom 27.10.2008, II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (291), Tz. 23; Michalski/ Funke, in: Michalski, GmbHG, 2010, § 4a, Rn. 96; Leible/Hoffmann, BB 2009, 58 (60 f.); Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (571). 300 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 9 UmwStG, Rn. 1. 295
F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften
267
offenen Rücklagen als ausgeschüttet gelten.301 Diese Rechtsfolge ist auch bei grenzüberschreitenden Formwechseln angesichts des Untergangs der Kapitalgesellschaftsanteile durch den Statutenwechsel konsequent, da anderenfalls die offenen Rücklagen im Ausschüttungsfall der Besteuerung entgehen302 würden.
F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften Abgesehen von internationalen Umwandlungen innerhalb der EU und des EWR besteht häufig auch ein Bedürfnis für Umstrukturierungen unter Beteiligungen von Rechtsträgern, die in einem Drittstaat ansässig sind, da wirtschaftliche Verflechtungen und globalisierte Unternehmen selbstverständlich nicht auf den europäischen Binnenmarkt begrenzt sind. Diesen internationalen Anpassungen bleibt die erwünschte Steuerneutralität meistens aber versagt.
I. Fehlender Anwendungsbereich des UmwStG Ursache für die weitgehend fehlenden Möglichkeiten steuerneutraler Umstrukturierungen unter Beteiligung von Gesellschaften, die ihren Sitz303 in einem Drittstaat außerhalb der EU oder des EWR haben, ist vor allem die fehlende Eröffnung sowohl des sachlichen als auch des persönlichen Anwendungsbereichs des UmwStG. Die grenzüberschreitende Heraus-Verschmelzung einer deutschen Körperschaft auf eine Drittstaaten-Körperschaft unterfällt schon zivilrechtlich nicht den §§ 122a ff. UmwG, die nur Umwandlungen unter Beteiligung von Gesellschaften, die nach den Grundsätzen des internationalen Gesellschaftsrechts dem Recht eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR unterliegen, erfassen.304 Für die übrigen grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgänge, also Verschmelzungen auf Personengesellschaften sowie sämtliche Spaltungen oder Formwechsel, fehlen bereits auf europäischer Ebene zivilrechtliche Regeln. Diese Lücke kann bei internationalen Umstrukturierungen unter Beteiligung von Drittstaatengesellschaften naturgemäß auch nicht durch eine Berufung auf die Niederlassungsfreiheit des AEUV ausgefüllt werden. Selbst wenn man Gesellschaften aus Drittstaaten, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag inländischen Gesellschaften 301
Zu den Rechtsfolgen auf Ebene der Anteilseigner Kapitel 3 B. III. 1. Zur Funktion des § 7 UmwStG siehe Kapitel 3 B. III. 1. a). 303 Für Drittstaaten gilt nach wie vor die Sitztheorie, BGH vom 27.10.2008, II ZR 158/06, NZG 2009, 68 (69); Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handelsund Gesellschaftsrecht, Rn. 5. 304 Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 122a UmwG, Rn. 81, 85 f. 302
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
gleichgestellt werden305, als beteiligungsfähige Rechtsträger von Umwandlungen ansieht306 und aus der kollisionsrechtlichen modifizierten Vereinigungstheorie die Vorschriften über Voraussetzungen und Verfahren einer Umwandlung ableitet307, bleibt jedenfalls der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG verschlossen. § 1 Abs. 2 und Abs. 4 S. 1 UmwStG setzt nämlich weitestgehend auch für die übertragenden308 Rechtsträger eine Gründung nach dem Recht eines EUMitgliedstaates sowie Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb der EU309 voraus. Diese doppelte Anknüpfung zeigt deutlich, dass der Anwendungsbereich des UmwStG mit dem SEStEG nur europäisiert und nicht globalisiert wurde.310 Im Grundsatz sind Umwandlungen unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten daher nicht steuerneutral möglich. Eine Ausnahme zum weitestgehend auf die EU und den EWR beschränkten Anwendungsbereich des Umwandlungssteuerrechts bildet nur § 24 UmwStG. Für die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft gilt gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 UmwStG das doppelte Ansässigkeitserfordernis des persönlichen Anwendungsbereichs für den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger nicht.311 Soweit ein deutsches Besteuerungsrecht an dem Gewinn aus den eingebrachten Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, ermöglicht ein Rückgriff auf mehrstufige Konstruktionen, die zum Beispiel durch vorhergehende Formwechsel der beteiligten Rechtsträger gezielt den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG eröffnen, steuerneutrale Umstrukturierungen auch unter Beteiligung von Personengesellschaften aus Drittstaaten.
305 Etwa durch Art. XXV Abs. 4, 5, Art. VII Abs. 4 Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl. II 1956, 487 ff., Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 122b UmwG, Rn. 80. 306 Ablehnend Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 122a UmwG, Rn. 89 m.w. N. 307 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 874 ff.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 1, Rn. 60; Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (77). 308 Ausnahmen gelten abgesehen von § 24 UmwStG nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. b) UmwStG nur für einbringende Rechtsträger aus Drittstaaten, wenn ein deutsches Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird sowie für einbringende Rechtsträger beim Anteilstausch. 309 Beide Voraussetzungen können auch von EWR-Gesellschaften erfüllt werden. 310 Lüdicke/Möhlbrock, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 61; Pfaar/Schimmele, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 4, Rn. 217; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369. 311 Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 615; Schlößer, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 1, Rn. 10; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 1, Rn. 133.
F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften
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Aus rein steuerrechtlicher Perspektive ist diese Beschränkung unsystematisch und nicht gerechtfertigt.312 Umstrukturierungen unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten können ebenso betriebswirtschaftlich notwendig sein wie vergleichbare nationale oder europäische Vorgänge. Die mit den Entstrickungsklauseln verfolgte Zielsetzung des Gesetzgebers, deutsche Besteuerungsrechte zu sichern313, wird durch eine Beteiligung von Drittstaatengesellschaften nach geltendem Recht nicht unterminiert. Das folgt bereits aus dem globalen Anwendungsbereich des § 24 UmwStG. Der Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts hängen nur von der Auflösung des subjektiven oder objektiven Anknüpfungspunktes für den Besteuerungsanspruch sowie von der Rücknahme bestehender Besteuerungsrechte durch DBA ab.314 Die Beurteilung, wann sich einer dieser entstrickungsrelevanten Parameter verändert, wird nicht dadurch beeinflusst, welchem Recht die beteiligten Rechtsträger unterliegen. Steuerrechtlich spricht demnach nichts gegen eine weitere Globalisierung grenzüberschreitender Umstrukturierungen.
II. Rechtsfolgen nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regeln Auf Umstrukturierungen, die nach diesen Grundsätzen nicht vom UmwStG erfasst sind, finden nur die allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen Anwendung.315 Innerhalb dieses Normenkomplexes enthält § 12 Abs. 2 KStG unter nahezu identischen Voraussetzungen wie § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG zunächst eine Sonderregel316 für die Realisierung stiller Reserven auf Gesellschaftsebene bei ausländischen Verschmelzungen. § 12 Abs. 2 S. 1 KStG erfasst die Umwandlung einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft auf eine andere Körperschaft desselben ausländischen Staates, die mit einer Verschmelzung im Sinne des § 2 UmwG vergleichbar sind und bei der inländisches steuerverstricktes Vermögen übergeht.317 Die Rechtsfolgen auf der Ebene inländischer Anteilseigner richten sich nach § 12 Abs. 2 S. 2 KStG, der wiederum auf § 13 UmwStG verweist. Verschmelzungsähnliche Vorgänge in Drittstaaten sind in Deutschland daher steuerneutral möglich, wenn das übergehende Vermögen weiterhin einer deutschen Betriebsstätte zugeordnet bleibt und, soweit in Deutschland steuer-
312 Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 625, Fn. 659. 313 BT-Drs. 16/2710, S. 25. 314 Siehe Kapitel 5 A. II. 1. b). 315 Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 625; Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 5. 316 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 4. 317 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 131.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
pflichtige Anteilseigner existieren, die als Gegenleistung erhaltenen Anteile weiterhin in der Bundesrepublik steuerverstrickt sind. Alle übrigen Umstrukturierungen, also insbesondere zivilrechtliche Ersatzkonstruktionen mit den gleichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verschmelzung oder Spaltung, die rechtstechnisch durch Einzeleinbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erzielt werden, stellen ertragsteuerlich eine Veräußerung dar318, die zur Aufdeckung stiller Reserven führt. Zur Aufdeckung stiller Reserven nach den Grundsätzen einer Veräußerung oder Liquidation319 kommt es auch dann, wenn man zivilrechtlich Umwandlungen auf Gesellschaften, die in Drittstaaten ansässig sind unter Berufung auf die Meistbegünstigungsklauseln völkerrechtlicher Verträge und die kollisionsrechtliche Vereinigungstheorie für zulässig halten würde.320 Eines Rückgriffs auf die allgemeinen Entstrickungstatbestände321 bedarf es hier nicht, da beim umwandlungsbedingten Rechtsträgerwechsel deutsches Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt, sondern vielmehr gerade ausgeübt wird.322 Für eine ultima ratio-Besteuerung auf der Grundlage von Ersatzrealisationstatbeständen ist dann kein Raum mehr. Ein Ausgleichsposten nach § 4g EStG kann daher nicht gebildet werden.
III. Keine Formwechsel durch Sitzverlegung in Drittstaaten Schließlich erstreckt sich auch die Rechtsprechung des EuGH in der Sache Cartesio nur auf eine formwechselnde Sitzverlegung innerhalb der EU und des EWR. In Bezug auf Drittstaaten scheidet ein identitätswahrender grenzüberschreitender Formwechsel aus. Für Körperschaften ergeben sich die Rechtsfolgen einer Sitzverlegung aus dem Hoheitsgebiet der EU und des EWR aus § 12 Abs. 3 KStG. Einziges Tatbestandsmerkmal dieser gegenüber § 12 Abs. 1 KStG spezielleren323 Norm ist der Verlust der unbeschränkten Steuerpflicht. Verlegt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einen Dritt-
318
Siehe Kapitel 4 B. II. 1 sowie ausführlich Kapitel 6 B. III. Zur umstrittenen ertragsteuerlichen Einordnung der Verschmelzung und Spaltung Kapitel 3 B. I. F. I. 320 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2011, § 12, Rn. 17 f.; Rödder, in: Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 8, Rn. 626, 629; Blumenberg/Lechner, BBSpecial 8/2006, 25 (26). 321 Benecke, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2011, § 12, Rn. 137; Ritzer, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Anh. 5, Rn. 76; Dötsch, in: Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 11 UmwStG, Rn. 31; Kußmaul/ Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (78 f.). 322 Blumenberg/Lechner, BB-Special 8/2006, 25 (26). 323 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 154. 319
F. Grenzüberschreitende Umstrukturierung mit Drittstaatengesellschaften
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staat, verliert sie infolgedessen ihre unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, sodass nach §§ 12 Abs. 3 S. 1, 11 Abs. 1 S. 1 KStG ein Liquidationsgewinn zu ermitteln ist. Bei der Gewinnermittlung müssen die vorhandenen Wirtschaftsgüter gemäß § 11 Abs. 3 KStG mit dem gemeinen Wert324 bewertet werden, sodass die vorhandenen stillen Reserven entstrickt werden. Auf den Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts kommt es nicht an, sodass nach dem Wortlaut sogar die stillen Reserven aufgedeckt werden, die dem Vermögen einer im Inland verbleibenden Betriebsstätte entstammen und deren spätere Besteuerung sichergestellt wäre.325 § 12 Abs. 3 KStG bricht mit der Systematik aller bisher betrachteten Umstrukturierungen. Die Veränderung des regelmäßig nur für ausländisches Anrechnungsbetriebsstättenvermögen relevanten Entstrickungsparameters326 durch Auflösen der unbeschränkten Steuerpflicht führt zur Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven auch im Inland, ohne dass diese Rechtsfolge durch Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer im Inland verbleibenden Betriebsstätte verhindert werden könnte. Insofern verwundert die in der Literatur vorgeschlagene teleologische Reduktion327 von § 12 Abs. 3 KStG nicht. Eine teleologische Reduktion dient dazu, eine Norm entgegen ihrem Wortlaut einzuschränken und damit Fallgruppen vom Anwendungsbereich auszunehmen, die der Normzweck nicht erfassen soll.328 § 12 Abs. 3 KStG verfolgt ausweislich seiner amtlichen Überschrift den Zweck, deutsches Besteuerungssubstrat zu sichern.329 Dabei ergibt eine systematische Betrachtung der Ersatzrealisationstatbestände aber, dass sie nur als ultima ratio vor einem endgültigen Steuerausfall schützen sollen. Über den so verstandenen Normzweck geht § 12 Abs. 3 KStG weit hinaus, sodass die Norm im Wege teleologischer Reduktion nicht anzuwenden ist, wenn stille Reserven weiterhin im Inland verstrickt bleiben und daher kein Bedürfnis an ihrer Entstrickung beim Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht besteht. Verlegt eine Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Staat, der seinerseits der Sitztheorie folgt, geht das Gesellschaftsrecht von einer Auflösung 324 Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2011, § 11, Rn. 51; Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 11, Rn. 50. 325 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 173; Hofmeister, in: Blümich, EStG, 2011, § 12, Rn. 100; Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 12, Rn. 8; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 6.42. 326 Siehe oben zu den für eine Entstrickung relevanten Faktoren Kapitel 5 A. II. 1. b) sowie insbesondere zur subjektbezogenen Entstrickung ausländischen Betriebsstättenvermögens Kapitel 5 A. II. 1. b) bb). 327 Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2011, § 12, Rn. 100; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 6.43; Eickmann/Stein, DStZ 2007, 723 (725). Ablehnend Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 12, Rn. 93; Benecke, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2011, § 12, Rn. 185; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2008, § 12, Rn. 173. 328 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, § 23, Rn. 848, 902. 329 Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2011, § 12, Rn. 100.
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Kap. 5: Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen
und Abwicklung im Inland aus.330 Die Grundsätze der Cartesio-Entscheidung finden gegenüber Drittstaaten keine Anwendung. Dennoch sind die steuerlichen Rechtsfolgen von der gesellschaftsrechtlichen Ebene zu trennen. Das Steuerrecht kennt für das Ausscheiden einer Personengesellschaft aus der deutschen Steuerhoheit keinen mit § 12 Abs. 3 KStG vergleichbaren Tatbestand331, der eine Art Schlussbesteuerung anordnen würde. Rechtsgrundlage für eine Besteuerung können also nur die Entstrickungstatbestände der § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 16 Abs. 3a EStG im Fall der Verlegung des gesamten Betriebs aus der Bundesrepublik sein. Schlussendlich kommt es also auch bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Personengesellschaft für die Frage der steuerlichen Konsequenzen nur darauf an, ob die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft weiterhin einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet sind.332
330 Kindler, in: MüKo-BGB, 2010, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 526; Pentz, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2008, § 13h, Rn. 43. 331 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.184. 332 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.186. Ohne Begründung nehmen Schnittker/Benecke, FR 2010, 565 (575 f.) eine Besteuerung nach § 16 Abs. 3 EStG unabhängig davon an, ob Wirtschaftsgüter weiterhin der deutschen Betriebsstätte zugeordnet bleiben.
Kapitel 6
Systematische Referenzpunkte der Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen In den vorhergehenden Kapiteln wurde anhand des Umstrukturierungsrechts ermittelt, in welchen Fällen der Gesetzgeber das in Kapitel 2 herausgearbeitete Spannungsverhältnis zwischen der Gestaltungsfreiheit des Unternehmers und der am Maßstab individueller Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerungsgleichheit zugunsten steuerneutraler Umstrukturierungen auflöst. Bereits jetzt erlauben die analysierten Sachverhalte die Feststellung, dass sowohl in vielen nationalen sowie in noch mehr internationalen Fällen betriebswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen durch das Steuerrecht beeinträchtigt werden. Für inländische Sachverhalte folgt dieser Befund vor allem aus den unabgestimmten Missbrauchsklauseln und den Restriktionen für Upstream-Sachverhalte im Anwendungsbereich der Einbringungsregeln. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bereiten zu enge Anwendungsbereiche der Buchwertfortführungstatbestände sowie die Entstrickungsklauseln, namentlich wegen Unklarheiten über die Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sowie der abzulehnenden These von der Zentralfunktion des Stammhauses, erhebliche Hindernisse. Von einem systematisch in sich geschlossenen und zukunftsfähigen Umstrukturierungsrecht1 kann daher trotz ebenfalls zahlreicher steuerneutraler Umstrukturierungsmöglichkeiten nicht gesprochen werden. Neben dieser Kritik fällt allerdings auch auf, dass einige Fragestellungen, wie etwa bezüglich der Einordnung einer Umstrukturierungen in die Gewinnrealisationstatbestände, sowie die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Bewertung des übergehenden Vermögens mit dem Buchwert regelmäßig wiederkehren und augenfällige Parallelen aufweisen. Diese Feststellung legt für das weitere Vorgehen einen induktiven2 Ansatz nahe. Auch wenn eine völlige systematische Geschlossenheit der Regelungen fehlt, besteht so die Hoffnung, aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der betrachteten Fälle zumindest auf grundlegende Referenzpunkte für eine Systematisierung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts schließen zu können. Aufgabe des folgenden Kapitels wird es daher sein, den Zusammenhängen der in den vorhergehenden Kapiteln angesprochenen Detailprobleme nachzugehen. Die Reihen1 2
BT-Drs. 16/2710, S. 25. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 71 f.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
folge des weiteren Vorgehens ist dabei durch die Funktion einer Systematisierung und das äußere System des steuerlichen Umstrukturierungsrechts vorgegeben.
A. Einheits- und Ordnungsfunktion der Systembildung Unabhängig von den unterschiedlichen Verständnissen des Systembegriffs3 dient eine Systematisierung vor allen Dingen der Einheit und Ordnung.4 Je nachdem welche Kriterien herangezogen werden, um die Ordnungsaufgabe eines Systems zu erfüllen, spricht man vom „äußeren“ oder „inneren“ System5. Das äußere System nimmt die formale Anordnung und Gliederung der zu analysierenden Rechtsmaterie in den Blick6, muss dabei aber nicht notwendig mit dem inneren System übereinstimmen und vermittelt daher oftmals nur eine Übersicht über den Rechtsstoff.7 Im Gegensatz dazu beschreibt das innere System den Zusammenhang der in den einzelnen Rechtsnormen zum Ausdruck kommenden Wertungen und Interessen8, die auch als Prinzipien bezeichnet9 werden. Das innere System besteht also aus Prinzipien und ihren notwendigen Konkretisierungen.10 Da Interessen und Prinzipien häufig gegensätzlicher Natur sind, kann von einem inneren System erst gesprochen werden, wenn Wertungswidersprüche vermieden11 und Gegensätze durch Abwägungen aufgelöst werden, sodass alle involvierten Prinzipien zur möglichst optimalen Geltung gelangen12. Der Untersuchung dieses Wechselspiels zwischen den unterschiedlichen Interessen und Prinzipien im steuerlichen Umstrukturierungsrecht widmen sich die folgenden Ausführungen. Orientierung bietet dabei das äußere System der Mate3 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 165 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 19 ff. 4 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 12, 155; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 168 f.; Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 79 f.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, § 22, Rn. 744. 5 Zur Differenzierung zwischen äußerem und innerem System, Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 19 ff. Für das Steuerrecht auf der Systemlehre Canaris’ aufbauend, Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 61 ff. 6 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 19; Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 4, Rn. 5. 7 Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 62. 8 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 40 ff.; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, § 4, Rn. 142; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 4, Rn. 9. 9 Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 68. 10 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983, S. 46; Speziell für das Steuerrecht, Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 68. 11 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 2010, § 4, Rn. 145; Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 67 f. 12 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 475.
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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rie. Denn schon ein kursorischer Vergleich der analysierten Umstrukturierungen deckt die eingehender zu betrachtenden Eckpunkte auf: Bei jeder einzelnen Umstrukturierung ist erstens umstritten, wie sich der Sachverhalt in die Gewinnrealisationstatbestände des Ertragsteuerrechts einfügt. Insofern wird sich vor allem die Frage stellen, ob Umstrukturierungen als Veräußerung zu qualifizieren sind. Zweitens weisen sämtliche Buchwertfortführungsvorschriften ähnliche Tatbestandsmerkmale auf. Steuerneutralität ist nur zu erreichen, wenn das übertragene Vermögen auch nach der Umstrukturierung noch Betriebsvermögen bleibt und entweder keine Gegenleistung gewährt wird oder die gewährte Gegenleistung in Gesellschaftsrechten besteht. Regelmäßig muss das übertragene Vermögen außerdem eine besondere Qualität aufweisen, namentlich indem es die Voraussetzungen einer unternehmerischen Einheit in Form eines Betriebs oder Teilbetriebs erfüllt. Angesprochen ist damit die Frage, in welcher Beziehung die Gewinnrealisationstatbestände zur Buchwertfortführung stehen und ob den Ausnahmetatbeständen ein einheitlicher Gedanke innewohnt. Drittens weisen sämtliche Buchwertfortführungstatbestände Entstrickungsklauseln auf. Diesbezüglich ist von Interesse, inwieweit diese Rückausnahme mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Schließlich korrelieren viertens die Missbrauchsklauseln mit der ertragsteuerlichen Einordnung der Umstrukturierung. Auch insofern bestehen Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht.
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung Wie undeutlich die Systematik der steuerlichen Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen trotz flächendeckender Regelungen tatsächlich ist, beweisen die divergierenden Ansichten13 zur Qualifikation der Umstrukturierungssachverhalte als steuerlich irrelevanter Organisationsakt, als gewinnrealisierende Betriebsveräußerung oder als Betriebsaufgabe. Dabei ist diese grundlegende Frage genau so alt wie das steuerliche Umstrukturierungsrecht selbst.14 Umso erstaunlicher ist, dass bis heute keine Klarheit über die Einordnung der Unternehmensumstrukturierung herrscht. Gerade im Zusammenhang mit den jüngsten 13 Siehe Kapitel 3 B. I., C. I., D. I., E. I., F. I., Kapitel 4 A. II. 1., A. III. 1., A. IV. 1., A. V. 1. und Kapitel 4 B. I. 1., B. II. 1. 14 Siehe nur RFH vom 9.5.1931, VI A 434/30, RStBl. 1933, 999 (1002 f.); RFH vom 12.4.1934, VI A 1599/32, RStBl. 1934, 838; BFH vom 24.3.1959, I 205/57 U, BStBl. III 1959, 289; Thiel, DB 1957, 28 ff.; Flume, DB 1967, 2050 f.; Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 56 ff. sowie ders., StuW 1979, 129 (134 ff.); Salditt, StuW 1972, 353 ff.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Entwicklungen durch das SEStEG handelt es sich bei der Einordnung in die Dogmatik der Gewinnrealisierung keineswegs um eine Frage von geringer praktischer Bedeutung15 oder gar rein akademischer Natur. Da zahlreiche Missbrauchsklauseln16 und die neue Konzeption des § 22 UmwStG regelmäßig eine rückwirkende Besteuerung im Fall der „Veräußerung“ anordnen, kann die ertragsteuerliche Qualifikation der Umstrukturierungen nicht offen bleiben.17 In gleichem Maße gilt das für die zunehmend wichtigeren grenzüberschreitenden und ausländischen Umstrukturierungen außerhalb des UmwStG und des § 6 Abs. 5 EStG, da sich ihre Rechtsfolgen nach den einschlägigen ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungs- oder Ersatzrealisationstatbeständen richten.18
I. Konkreter Gewinnrealisierungstatbestand als Ausdruck einer gesetzmäßigen Besteuerung nach Art. 3 GG Die Relevanz einer eindeutigen ertragsteuerlichen Qualifikation sämtlicher Umstrukturierungssachverhalte für die Systematisierung des steuerlichen Umstrukturierungsrechts wird über diese einfachgesetzlichen Implikationen hinaus noch deutlicher, wenn man zwei verfassungsrechtliche Aspekte in die Betrachtung einbezieht. Der steuerliche Zugriff des Staates auf die unterschiedlichen Einkunftsquellen seiner Bürger ist ein klassischer Ausdruck der Eingriffsverwaltung.19 Schon aus diesem Grund muss der Steueranspruch auf einer eindeutigen Rechtsgrundlage basieren, um dem Vorbehalt des Gesetzes20 zu genügen. Gerade auch für das Steuerrecht fordert das Bundesverfassungsgericht aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie zur effektiven gerichtlichen Kontrolle „nicht nur irgendeine, sondern eine näher begrenzte“ 21 Rechtsgrundlage der Verwaltung für belastende Steuerverwaltungsakte.22 Dieser Faktor ist für das steuerliche Um15 So aber Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 45; ders., in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 163 (167 f.). 16 Siehe die Übersicht bei Crezelius, FR 2011, 401 (401 ff.), der von „Nachsteuertatbeständen“ spricht. 17 Siehe nur die Ausführungen im neuen Umwandlungssteuererlass, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02, 15.24, sowie die Ausführungen zur Billigkeitsregel im Rahmen des § 22 UmwStG, ebenda Tz. 22.22. Vgl. auch Benecke/Schnittker, FR 2010, 555. 18 Schlösser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 16, Rn. 5; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (846) sowie oben Kapitel 5 F. II. 19 Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, Einführung, Anm. 512; Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 35. 20 Zum Vorbehalt des Gesetzes im Steuerrecht Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 120 ff.; Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff, 1982, S. 6 ff. Allgemein Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2011, Art. 20, Rn. 111 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2009, § 6, Rn. 16 ff. 21 BVerfG vom 10.10.1961, 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153 (160); siehe auch BVerfG vom 12.11.1958, 2 BvL 4/56, BVerfGE 8, 274 (325).
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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strukturierungsrecht besonders relevant, da es sich bei den Vorschriften des UmwStG sowie bei § 6 Abs. 5 EStG nur um Ansatz- und Bewertungsvorschriften23 handelt. Von einer verfassungskonformen Besteuerung kann daher nur die Rede sein, wenn die einschlägigen Gewinnrealisationstatbestände, auf die wiederum diese Bewertungsvorschriften anzuwenden sind, feststehen. Neben diesem Aspekt formaler Rechtsstaatlichkeit24 wurde außerdem bereits in Kapitel 2 ausführlich begründet, dass die Gewinnrealisationstatbestände ihre grundlegende Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als bereichsspezifischer Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG entfalten25, denn um Leistungsfähigkeit zu vergleichen, muss das Einkommen als Indikator steuerlicher Potenz exakt und sicher bemessen werden. Zur besseren Handhabung wird das Leistungsfähigkeitsprinzip daher durch Subprinzipien konkretisiert. Neben dem Individualsteuerprinzip und dem flankierenden Totalitätsprinzip dienen insbesondere die Gewinnrealisationstatbestände als Ausfluss des Realisationsprinzips der Konkretisierung steuerlicher Leistungsfähigkeit. Das Realisationsprinzip gewährleistet nämlich, dass zum Einkommen als Indikator der Leistungsfähigkeit ausschließlich sichere Wertsteigerungen zählen, die ihren Bestand bereits durch einen Leistungsaustausch am Markt bewiesen haben. Nur als Ausnahme26 unterwerfen die Ersatzrealisationstatbestände Wertsteigerungen betrieblich verstrickter Wirtschaftsgüter auch ohne Umsatzakt der Besteuerung, wenn sonst eine vollständige Erfassung der stillen Reserven bei demjenigen Individuum, bei dem die Wertsteigerungen entstanden sind, nicht gewährleistet wäre. Von einer gesetzmäßigen Besteuerung am Maßstab individueller Leistungsfähigkeit kann demnach nur gesprochen werden, wenn feststeht, dass ein Steuerpflichtiger einen bestimmten Realisationsoder zumindest Ersatzrealisationstatbestand verwirklicht hat. Die ertragsteuerliche Qualifikation bildet also vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG das Fundament zur Systematisierung des Umstrukturierungssteuerrechts.
II. Ablehnung der „Organisationsakttheorie“ Vor diesem Hintergrund überrascht die vor allem in der älteren Literatur maßgeblich von Flume27 vertretene sogenannte „Organisationsakttheorie“ 28. Diese 22
Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, Einführung, Anm. 512. Möhlenbrock, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Einf, Rn. 152. 24 Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 118. 25 Siehe oben Kapitel 2 D. I. 2. 26 Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 42; Lang in Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (67). 27 Flume, DB 1967, 2050; ders., ZfbF 1968, 90 (94). Siehe auch Böttcher/Beinert, DB 1968, 1961(1962); Merkert, BB 1968, 826 (829). 23
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Ansicht verneint das Entstehen eines Veräußerungsgewinns und sieht die Umstrukturierung von Unternehmen als steuerlich irrelevanten Organisationsakt an.29 Durch die Veränderung der Organisationsform werde der Bestand eines Unternehmens nicht beeinflusst.30 Ein Leistungsaustausch finde nicht statt.31 Da das Unternehmen fortexistiere, bestehe kein Bedürfnis nach Abrechnung der stillen Reserven der untergehenden juristischen Person.32 Mangels Indikation steuerlicher Leistungsfähigkeit sei die Umstrukturierung als Steuertatbestand daher ungeeignet.33 Entscheidender Ansatzpunkt für Kritik ist, dass die Organisationsakttheorie allein den unveränderten Fortbestand des Unternehmens betrachtet und die juristische Person für die Besteuerung von Umwandlungen nicht als „sinnvolles Identitätsdatum“ 34 anerkennen will.35 Damit passt diese Ansicht nicht in die normativen Vorgaben. Das Ertragsteuerrecht verwendet die Kategorie des „Unternehmens“ nicht, es knüpft vielmehr durch seine personalistische Struktur an einzelne Steuersubjekte an.36 Folglich ist für eine tatbestandsmäßige Besteuerung unerheblich, ob das Unternehmen als Einheit des Wirtschaftslebens fortbesteht. Maßgeblich ist allein, wie sich die Umstrukturierung auf den hinter dem Unternehmen stehenden Rechtsträger als Steuersubjekt auswirkt, ob dieses Steuersubjekt also untergeht und Vermögen auf ein anderes Steuersubjekt überträgt. Insbesondere für Umstrukturierungen im Anwendungsbereich des UmwStG ist die Organisationsakttheorie durch die Entwicklung des Gesetzes überholt. Seit der grundlegenden Reform durch das SEStEG ordnen die Bewertungsvorschriften des Umwandlungssteuerrechts in den §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1, 20 Abs. 2, 24 Abs. 2 UmwStG durchgängig die Bewertung des übergehenden Vermögens mit dem gemeinen Wert an.37 Durch die grundsätzliche Aufdeckung der stillen Reserven geht demnach der Gesetzgeber selbst von einem generell steuerpflichtigen Vorgang aus. Von einem steuerneutralen bloßen Organisationsakt kann keine Rede sein. 28
Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 11. Flume, DB 1967, 2050. Aus jüngerer Zeit vgl. Hölzle, Besteuerung stiller Reserven bei der Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften, 2005, S. 93 f., der weiter untersucht, ob das Individualsteuerprinzip zu einer Besteuerung zwingt (S. 96 ff.). 30 Flume, ZfbF 1968, 90 (100). 31 Böttcher/Beinert, DB 1968, 1961 (1962); Dornfeld/Rose, DB 1969, 1997 (1999). 32 Flume, ZfbF 1968, 90, (100). 33 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 471; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 1993, § 22 VII, S. 820; Niehus, FR 2010, 1 (4); Flume, ZfbF 1968, 90; ders., DB 1967, 2050. 34 De lege ferenda Flume, DB 1967, 2050 (2051), ders., ZfbF 1968, 90 (101). 35 Salditt, StuW 1972, 353 (354). 36 Vgl. Salditt, StuW 1972, 353 (354). 37 Siehe oben Kapitel 3 B. II. 1. 29
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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Für die Umstrukturierung eines Unternehmens mit einzelnen Wirtschaftsgütern ist die Einordnung als steuerirrelevanter Organisationsakt soweit ersichtlich nicht vertreten worden. Einer solchen Argumentation stünde jedenfalls nicht entgegen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine Gewinnrealisierung anordnet, denn der maßgebliche §§ 6 Abs. 5 EStG zwingt vielmehr zur Bewertung des übergehenden Vermögens mit Buchwerten. Angesichts der äußerst wechselhaften Geschichte dieser Norm in der zurückliegenden Dekade38 erscheint es mehr als unsicher, implizite Aussagen des Gesetzgebers zu den Grundsätzen der ertragsteuerlichen Qualifikation einer Einbringung aus dem Buchwertansatz des § 6 Abs. 5 EStG abzuleiten. Schließlich würde die Organisationsakttheorie auch bei der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter den Aspekt des Rechtsträgerwechsels vernachlässigen. Sie ist daher abzulehnen.
III. Tauschähnliche Veräußerung In Übereinstimmung mit diesem Ergebnis hat auch Thiel bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Debatte um die ertragsteuerlichen Grundlagen von Unternehmensumstrukturierungen lakonisch festgestellt, dass das UmwStG weitgehend überflüssig wäre, wenn Umwandlungen schon nach allgemeinem Steuerrecht keinen Gewinnrealisierungstatbestand erfüllen würden.39 Dieser Befund wird mittlerweile durch die Bewertung mit gemeinen Werten im UmwStG bestätigt. Damit ist für die Frage nach dem einschlägigen Tatbestand aber noch nichts gewonnen; denn der Tausch als Umsatzakt und die Betriebsaufgabe als Ersatzrealisationstatbestand erfolgen gleichermaßen zum gemeinen Wert. Allerdings bieten Umsatzakte systematisch betrachtet ein größeres Maß an Sicherheit für die Bewertung des Anstiegs steuerlicher Leistungsfähigkeit, da nicht auf gesetzliche sondern auf ökonomisch gebildete Werte zurückgegriffen werden kann.40 Daher wird zunächst untersucht, ob Umstrukturierungen als tauschähnliche Veräußerung einzuordnen sind, wie es die überwiegende Ansicht in der Literatur41, die 38 Zur Rechtsentwicklung siehe Bergsteiner, Umstrukturierung von Personenunternehmen mit Einzelwirtschaftsgütern, 2002, S. 5 ff.; Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1441 ff. sowie oben Kapitel 2 D. II. 1. a). Nach gänzlich fehlenden Regeln bis 1998 (es galt das Wahlrecht des Mitunternehmererlasses) mussten zwischen 1999 und 2000 die stillen Reserven zwingend aufgedeckt werden, was ab 2001 durch den Buchwertansatz erneut korrigiert worden ist. 39 Thiel, DB 1965, 720. Von der grundsätzlichen Steuerpflicht geht auch der Gesetzgeber aus, BT-Drs. 12/6885, S. 14: „Dadurch werden (. . .) Umstrukturierungen (. . .) nicht durch steuerliche Folgen behindert, die ohne die besonderen Regelungen des Umwandlungssteuerrechts eintreten würden.“. 40 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 345, 351. 41 Für die §§ 3, 11 UmwStG: Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vorbemerkung zu §§ 3–9, Rn. 6; ders., § 11, Rn. 27, 128; Jacobs, FR 2011, 973 (975); Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (557 f.); Hahn, DStZ 1998, 561 (565); Schmitt, DStZ 2004, 825 (828). Für die §§ 20 ff. UmwStG: Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach,
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Rechtsprechung42 und die Finanzverwaltung im neuen Umwandlungssteuererlass43 – leider ohne Begründung und daher nur formelhaft – postulieren. 1. Begriff und Tatbestandsmerkmale einer Veräußerung Ob Umstrukturierungen mittels Vermögensübertragung gegen Gesellschaftsrechte als Veräußerung zu qualifizieren sind, lässt sich isoliert aus den Regeln des UmwStG nicht eindeutig ableiten. Während vor der Reform im Jahr 2006 noch argumentiert wurde, gegen eine Tauschbetrachtung spreche vor allem, dass
EStG, 2011, § 16, Anm. 36; Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 13, 200; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 12; ders., § 24, Rn. 8; Jäschke, in: Lademann, UmwStG, 2011, § 20, Rn. 3; Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 1; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 20–23, Rn. 9; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 3; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 45; ders., § 24, Rn. 5; Dietrich, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 11, Rn. 382; Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1535; Benz/Rosenberg, in: Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, 2007, S. 149; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 356; Desens, DStR-Beihefter zu Heft 46 2010, 80 (85); Crezelius, FR 2009, 881 (886); Damas, DStZ 2007, 129 (135). Für die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter: Müller, in: Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Anh. 16, Rn. 61; Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 937; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 85; Schneider/Roderburg, in: Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2008, § 12, Rn. 74; Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (719). 42 Für die Verschmelzung auf eine Personengesellschaft: BFH vom 17.1.1969, VI 367/65, BStBl. II 1969, 540 (541); BFH vom 1.10.1975, I R 198/73, BStBl. II 1976, 113 (114); BFH vom 23.1.2002, IX R 48/99, BStBl. II 2002, 875 (876); BFH vom 16.5.2002, III R 45/98, BStBl. II 2003, 10 (12); FG Baden-Württemberg vom 25.6.1998, 14 K 290/96, EFG 1998, 1529 (1532). Für die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften: BFH vom 22.4.1998, I R 83/96, DStR 1998, 1420; BFH vom 15.10. 1997, I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. Für Einbringungen von Sachgesamtheiten: BFH vom 13.7.1965, I 167/59 U, BStBl. III 1965, 640 (642); BFH vom 30.4.1975, I R 41/ 73, BStBl. II 1975, 706 (707); BFH vom 23.1.1986, IV R 335/84, BStBl. II 1986, 623; BFH vom 16.2.1996, I R 183/94, BStBl. II 1996, 342 (343); BFH vom 7.7.1998, VIII R 5/96, BStBl. II 1999, 209 (211); BFH vom 5.6.2002, I R 6/01, DStR 2003, 37; BFH vom 17.9.2003, I R 97/02, BStBl. II 2004, 686 (687); BFH vom 26.1.1994, III R 39/91, BStBl. II 1994, 458 (460); BFH vom 21.6.1994, VIII R 5/92, BStBl. II 1994, 856 (858); BFH vom 19.10.1998, VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 (232); BFH vom 17.7. 2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (465); BFH vom 7.11.2006, VIII R 13/04, BStBl. II 2008, 545 (548). Für die Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern: Grundlegend BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749); BFH vom 29.10.1987, IV R 93/ 85, BStBl. II 1988, 374 (376); BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 (465). Für Einlagen aus dem Privatvermögen BFH vom 19.10.1998, VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 (232); BFH vom 24.1.2008, IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 (620). 43 „Umwandlungen und Einbringungen sind auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers sowie des übernehmenden Rechtsträgers als Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge hinsichtlich des übertragenen Vermögens zum gemeinen Wert zu beurteilen.“ BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02.
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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der Teilwert die Obergrenze des Bewertungswahlrechts bilde44, ist diese Kritik durch die generelle Bewertung mit gemeinen Werten obsolet geworden. Vielmehr legt der gemeine Wert nunmehr in Übereinstimmung mit § 6 Abs. 6 EStG eher eine Tauschbetrachtung nahe.45 Außerdem verwendet das UmwStG insbesondere im Einbringungsteil mehrfach den Begriff des Veräußerungsgewinns46. In diese Terminologie fügt sich der Verweis auf die steuerlichen Privilegien der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG47 im Zusammenhang mit Veräußerungsgewinnen nahtlos ein.48 Trotzdem überzeugen die systematischen und terminologischen Anhaltspunkte nicht vollständig. Da das Gesetz auch davon spricht, dass der Wert des eingebrachten Vermögens als Veräußerungspreis49 und als Anschaffungskosten50 „gilt“, könnte man ebenso von der bloßen Fiktion einer Veräußerung ausgehen.51 Klarheit schafft daher nur eine Analyse des Begriffs der Veräußerung im Ertragsteuerrecht, auf deren Grundlage anschließend die Besonderheiten der Umstrukturierungssachverhalte erkennbar werden.52 Der Veräußerungsbegriff beschreibt als Realisationstatbestand eine entgeltliche Übertragung zumindest wirtschaftlichen Eigentums am Gegenstand der Veräußerung von einem Steuerrechtssubjekt53 auf ein anderes.54 Die Übertragung ist entgeltlich, wenn sie in Erfüllung eines Kausalgeschäfts gegen eine kaufmännisch nach dem Wert der Leistung bemessene Gegenleistung erfolgt.55 Infolge einer Veräußerung ist die Differenz zwischen dem hingegebenen und dem erhaltenen Wirtschaftsgut als Gewinn auszuweisen, wenn der Wert des erhaltenen Wirt44
Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 49. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, Vor § 1 UmwStG, Rn. 45 Fn. 4; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 20, Rn. 8. 46 §§ 20 Abs. 4 S. 1, 21 Abs. 2 S. 3, 24 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 UmwStG. 47 §§ 20 Abs. 4 S. 1, 24 Abs. 3 S. 2 UmwStG. 48 Böttcher/Beinert, DB 1968, 1961 sahen in der Ablehnung der Anwendung der §§ 6b, 16 EStG auf Umwandlungen durch das BMF-Schreiben vom 27.7.1967, DB 1967, 1346 ein Argument gegen die Einordnung von Umwandlungen als Veräußerung. 49 §§ 20 Abs. 3 S. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 24 Abs. 3 S. 1 UmwStG. 50 §§ 20 Abs. 3 S. 1, 21 Abs. 2 S. 1 UmwStG. 51 Vgl. Böttcher/Beinert, DB 1968, 1961. 52 Zu diesem Vorgehen schon Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 88 ff. 53 In diesem Zusammenhang sind auch Personengesellschaften als Steuersubjekt anzusehen, BFH vom 31.7.1991, VIII R 23/89, BStBl. II 1992, 375 (377); Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 20. 54 BFH vom 22.9.1992, VIII R 7/90, BStBl. II 1993, 228 (229); Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 61; Buciek, in: Blümich, EStG, 2011, § 5, Rn. 933; Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 66; Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 20. 55 Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 21; Hörger/Rapp, in: Littmann/Bitz/ Pust, EStG, 2011, § 16, Rn. 17; Geissler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 62. 45
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
schaftsgutes den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsgutes übersteigt.56 In diesem Fall bestätigt der am Markt erzielte höhere Wert der Gegenleistung die bisher unrealisierten Wertzuwächse, also die stillen Reserven, sodass kein Grund mehr für eine vorsichtige Bewertung zur Vermeidung von Bewertungsunsicherheiten besteht.57 Paradigma eines Veräußerungsvorgangs ist die Abwicklung eines Kaufs. Dabei wird beispielsweise ein Gewinn in Höhe von 20 realisiert, wenn das verkaufte Wirtschaftsgut einen Buchwert von 80 hat und der Käufer einen Kaufpreis von 100 zahlt. Ein Gewinn wird ebenfalls realisiert, wenn der Veräußernde anstelle von Geld ein anderes Wirtschaftsgut58 als Gegenleistung erhält. Diesem Umsatzakt liegt dann als Kausalgeschäft ein Tausch im Sinne von § 480 BGB zugrunde. Nach § 6 Abs. 6 EStG sind auch beim Tausch als gewinnrealisierendem Umsatzakt59 stille Reserven in Höhe der Differenz zwischen Buchwert und gemeinem Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes aufzudecken.60 Beim Tausch ist demnach der Wert der Gegenleistung für die Aufdeckung der stillen Reserven im übertragenen Wirtschaftsgut nur mittelbar von Bedeutung. 2. Besonderheiten der Umstrukturierungen vor dem Hintergrund des Veräußerungsbegriffs Handelt es sich bei dem Umsatzakt nicht um einen Tausch nach § 480 BGB, sondern beruht ein wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalt auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, spricht man von tauschähnlichen Rechtsgeschäften.61 Ob sich gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen tatsächlich in die Grundsätze einer Gewinnrealisierung durch Tausch einfügen, wird bisweilen, entgegen der überwiegenden Ansicht, bestritten.62 Auf den ersten Blick überzeugt die Ableh-
56 Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 2011, § 5, Rn. 602; Crezelius, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 5, Rn. 145. 57 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 202; Pezzer, in: Doralt, DStJG 14 (1991), 3, 22 f.; siehe schon oben Kapitel 2 D. I. 2. b). 58 Es kommen sämtliche Gegenstände in Betracht, die dem wirtschaftlichen Verkehr zugänglich sind, Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1484a. 59 BT-Drs. 14/265, S. 174; Fischer, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 6, Rn. 226. 60 Crezelius, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 5, Rn. 150; Ehmke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1388. 61 Eckstein, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1484b. 62 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, der einen Tausch ablehnt (S. 98 ff.) aber dennoch eine Veräußerung annimmt (S. 115 ff.), ders., StuW 1979, 129 (134 f., 137); Salditt, StuW 1972, 353 (355 ff.), lehnt eine Veräußerung ganz ab; Hölzle, Besteuerung stiller Reserven bei der Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften, 2005, S. 76 ff., lehnt einen Tausch ab und geht von grundsätzlicher Steuerfreiheit aus (S. 94).
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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nung eines Tauschs nur für homogene Formwechsel, da in diesen Fällen schon ein Vermögensübergang fehlt. Ansonsten vermag diese Ansicht nur zu überzeugen, wenn der arteigene Charakter der übrigen Umstrukturierungssachverhalte so tiefgreifende Abweichungen zu „normalen“ Tauschvorgängen aufweist, dass nicht mehr von einem dem Tausch zumindest ähnlichen Umsatzakt gesprochen werden kann. Keine Abweichungen weisen die übrigen Umstrukturierungssachverhalte zunächst hinsichtlich des Vermögensübergangs auf. Das gilt entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht63 auch für die Einbringung in Personengesellschaften, da die beteiligten Betriebsvermögen der Mitunternehmer und der Mitunternehmerschaft getrennt zu betrachten sind, wie die Ausführungen zur Einbringung in beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften64 gezeigt haben. Selbst bei heterogenen Formwechseln führt der Wechsel des Besteuerungsregimes zu einem intersubjektiven Übergang des Vermögens.65 Die neu eingeführte generelle Steuerpflicht durch Bewertungen mit dem gemeinen Wert im UmwStG korrespondiert daher mit dem Individualsteuerprinzip und der Gefahr, dass stille Reserven nicht bei dem Individuum besteuert werden, das die latenten Wertsteigerungen erwirtschaftet hat.66 Abgesehen von der gesellschaftsrechtlichen Grundlage kommt bei Umstrukturierungen nach dem UmwG die Ausgliederung eines Teilbetriebs auf eine Kapital- oder Personengesellschaft dem dargelegten Verständnis der Gewinnrealisierung durch eine tauschähnliche Veräußerung am nächsten. Mit dem Übergang von Vermögensgegenständen auf ein anderes Steuersubjekt gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen an den übertragenden Rechtsträger sind die Elemente eines Veräußerungsvorgangs erfüllt. Abweichungen ergeben sich zuerst in technischer Hinsicht; denn die Übertragung erfolgt durch Gesamtrechtsnachfolge, was dem Paradigma eines rechtsgeschäftlichen Tausches zu widersprechen scheint (a). Bei Verschmelzungen oder Auf- und Abspaltungen kommt hinzu, dass mit den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers als Empfänger der Gesellschaftsrechte die Betrachtung auf eine weitere Ebene auszudehnen ist und der Umstrukturierungssachverhalt somit in einem Dreiecksverhältnis stattfindet (b). Schließlich weicht die Umstrukturierung von anderen Umsatzakten ab, indem Gesellschaftsrechte als ansonsten ungewöhnliche Tauschgegenstände gewährt werden. Insofern ist fraglich, ob der Umstrukturierung tatsächlich ein Leistungsaustausch innewohnt, der eine gesteigerte steuerliche Leistungsfähigkeit ausweist, 63 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 381a; § 16, Rn. 27; ders., StuW 2000, 399 (409), der einen Vermögensübergang ablehnt, da das Vermögen ununterbrochen dem Betriebsvermögen des allein steuerpflichtigen Mitunternehmers zugeordnet sei. 64 Siehe oben Kapitel 4 B. II. 2. b) cc) (3). 65 Siehe oben Kapitel 3 C., D. 66 Siehe oben Kapitel 2 D. 3., 4. b).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
indem die Bewertungsunsicherheit durch den Umsatzakt beseitigt wird67 (c). Vor allem der letzte Aspekt ist keine Besonderheit des Umwandlungsrechts, sondern auch die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter weicht in diesem Punkt von der ursprünglichen Vorstellung eines Tausches ab. a) Übertragung durch Universalsukzession Teilweise wird in der Literatur und der fachgerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass eine Übertragung durch Universalsukzession bereits in technischer Hinsicht der Annahme einer tauschähnlichen Veräußerung widerspreche. Diese Ansicht lehnt einen Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang ab, weil der übernehmende Rechtsträger bereits aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge von Gesetzes wegen materiell-rechtlich in die Rechtsstellung des Einbringenden eintrete68. In diesem Bild einer gesetzlich zwingenden Nachfolge bleibt kein Raum für eine rechtsgeschäftliche Veräußerung. Diesem Ergebnis treten andere Stimmen in der Literatur mit dem Hinweis auf die Eigenarten des Umwandlungsrechts entgegen.69 Die Ablehnung eines Anschaffungsvorgangs lässt sich nämlich nur vor dem Hintergrund des erbrechtlichen Paradigmas der Gesamtrechtsnachfolge erklären70, das so auf das Umwandlungsrecht nicht übertragbar ist71. Auch der Große Senat des BFH hat im Beschluss zur Vererblichkeit eines Verlustabzugs explizit herausgestellt, dass sich die erbrechtliche und die umwandlungssteuerrechtliche Gesamtrechtsnachfolge „gravierend“ unterscheiden.72 Dem erbrechtlichen Vorverständnis einer Gesamtrechtsnachfolge haftet nämlich insbesondere die Vorstellung an, dass der Übergang des Vermögens nur kraft Gesetzes eintritt und der Vorgang immer unentgeltlich sein muss, da der Erblasser als möglicher Empfänger einer Gegenleistung nach dem Erbfall nicht mehr existiert.73 Bei dieser Rezeption der Gesamtrechtsnachfolge kann in Umwand67
Das bezweifelt Salditt, StuW 1972, 353 (356). FG Köln vom 5.9.2002, 13 K 5561/01, DStRE 2003, 348 (349); Fatouros, DStR 2003, 772 (773). 69 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20 Rn. 3; Hahn, DStZ 1998, 561 (563 ff.); vgl. Jacobs, FR 2011, 973 (975). 70 Hahn, DStZ 1998, 561 (563); K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 (497). Das sieht auch Fatouros, DStR 2003, 772 (773). 71 Zum Verständnis der Gesamtrechtsnachfolge im Umwandlungsrecht K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 ff. 72 BFH vom 17.12.2007, GrS 2/04, DStR 2008, 545 (551) mit Hinweisen auf BFH vom 8.4.1964, VI 205/61 S, BStBl. III 1964, 306 (307); BFH vom 5.11.1969, I R 60/ 67, BStBl. II 1970, 149 (150) sowie BFH vom 16.5.2001, I R 76/99, BStBl. II 2002, 487 (490). 73 Hahn, DStZ 1998, 561 (564). Mangels Fortexistenz der übertragenden Gesellschaft wurde auch vom BFH im Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern auf einen Alleingesellschafter ein Tausch abgelehnt, BFH vom 14.6.1984, I R 79/80, BStBl. II 1985, 64 (68). 68
B. Grundsatz – Gewinnrealisierung bei Umstrukturierung
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lungsfällen nicht von einer Anschaffung oder Veräußerung des übergehenden Vermögens gesprochen werden, da es an der Entgeltlichkeit fehlen würde. Für das Umwandlungsrecht zeigen aber die Spaltungsregeln, dass eine Gesamtrechtsnachfolge außerhalb des Erbrechts prinzipiell denkbar ist, obwohl der übertragende Rechtsträger fortexistiert.74 Zwar ordnen zivilrechtlich die §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die Gesamtrechtsnachfolge erst mit Eintragung ins Handelsregister an, sodass der Eindruck entstehen könnte, die Gesamtrechtsnachfolge trete auch im Umwandlungsrecht nur kraft Gesetz ein. Auslöser der Universalsukzession sind aber mit den zugrundeliegenden Verschmelzungs-, Spaltungs- und Übernahmeverträgen sowie den Beschlüssen der Gesellschafter gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG stets Rechtsgeschäfte. Dieser Zusammenhang zwischen Rechtsgeschäft und Eintritt der Rechtsfolge erst mit gerichtlicher Eintragung ist keine umwandlungsrechtliche Besonderheit, wie der Vergleich mit dem Vollzug einer Grundstücksveräußerung zeigt.75 Der rechtliche Erfolg einer Umwandlung tritt damit letztlich nur ein, „weil er gewollt ist“ 76 und aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Handlung herbeigeführt wurde und nicht weil er durch Gesetz angeordnet wird. Folglich ist die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge nicht mit den erbrechtlichen Vorstellungen zu vergleichen; denn dort ist ihr Eintritt nicht willentlich steuerbar.77 Ist die Gesamtrechtsnachfolge damit begrifflich vom erbrechtlich vorgeprägten Bild gelöst, wird ihre Funktion im Umwandlungsrecht noch deutlicher. Sie überwindet für Umwandlungen nur den Spezialitätsgrundsatz, der den Weg zum identischen wirtschaftlichen Umstrukturierungsergebnis78 unter Verwendung der Singularsukzession erheblich erschwert.79 Die Gesamtrechtsnachfolge ist somit nichts anderes als ein abstraktes Instrument zur Verfügung über die von der Umstrukturierung betroffenen Wirtschaftsgüter.80 Aus dieser Abstraktion der Verfügung von den umwandlungsrechtlichen Rechtsgeschäften folgt schließlich, dass aus der Gesamtrechtsnachfolge nicht auf die Unentgeltlichkeit der Umwandlung geschlossen werden darf, weil über die Entgeltlichkeit allein das zugrundeliegende Kausalgeschäft und nicht die abstrakte Verfügung entscheidet.81 In den für die Gesamtrechtsnachfolge kausalen Verschmelzungs-, Spaltungs- und Übernah74
K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 (513). Hahn, DStZ 1998, 561 (564). 76 Hahn, DStZ 1998, 561 (564); vgl. auch BFH vom 8.4.1964, VI 205/61 S, BStBl. III 1964, 306 (307). 77 BFH vom 8.4.1964, VI 205/61 S, BStBl. III 1964, 306 (307); Hahn, DStZ 1998, 561 (564). 78 Zu wirtschaftlich mit Umwandlungen nach dem UmwG identischen Umstrukturierungen unter Verwendung der Einzelrechtsnachfolge siehe oben Kapitel 2 C. I. 2. c). 79 K. Schmidt, AcP 191 (1991), 495 (503). 80 Hahn, DStZ 1998, 561 (565). 81 Hahn, DStZ 1998, 561 (565). 75
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
meverträgen ist die Vereinbarung einer Gegenleistung regelmäßig vorgesehen. Umstrukturierungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten sind folglich auch entgeltliche Vorgänge. Die Gesamtrechtsnachfolge schließt die Qualifikation als tauschähnliche Veräußerung daher nicht aus.82 b) Dreiecksverhältnis zwischen den beteiligten Rechtsträgern und den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers Auch das eigentümliche Dreiecksverhältnis bei Verschmelzungen sowie bei Auf- und Abspaltungen, in dem die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers als Dritte und nicht der übertragende Rechtsträger selbst die gewährten Gesellschaftsrechte erhalten, weicht von der paradigmatischen Vorstellung eines zweiseitigen Umsatzaktes ab. Auf den ersten Blick kommt es dadurch zu Brüchen bei der Subsumtion unter den Tatbestand des Tauschs. Vor dem Hintergrund dieses Dreiecksverhältnisses lehnen einige Stimmen in der Literatur einen tauschähnlichen Vorgang mit drei Argumenten ab, die im Ergebnis aber nicht tragen. Als erstes wird vorgebracht, dass durch das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers die Anteile an dieser Gesellschaft ersatzlos entfielen und daher ein Tausch der Anteile am übertragenden Rechtsträger gegen Anteile am übernehmenden Rechtsträger nicht zu begründen wäre.83 Gerade dieses Argument betrachtet den Umwandlungsvorgang allerdings nur aus der Perspektive der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers und kann daher allenfalls Erkenntnisse zur Realisierung der stillen Reserven in ihren Anteilen am übertragenden Rechtsträger liefern.84 Über das Schicksal der stillen Reserven im übergehenden Betriebsvermögen entscheidet dagegen allein die ertragsteuerliche Qualifikation des Umstrukturierungsvorgangs aus der Perspektive des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers85. Es kommt mit anderen Worten also nicht darauf an, ob auf Anteilseignerebene Gesellschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger gegen Gesellschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger umgesetzt werden, sondern ob in Bezug auf das übergehende Vermögen die Voraussetzungen einer 82 So auch BFH vom 17.12.2007, GrS 2/04, DStR 2008, 545 (551); BFH vom 16.5.2001, I R 76/99, BStBl. II 2002, 487 (490). 83 Hölzle, Besteuerung stiller Reserven bei der Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften, 2005, S. 77, 85; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 486 f. Dieses Problem sieht auch BFH vom 20.3.1980, IV R 22/77, BStBl. II 1980, 439 (440) und stellt für die Begründung eines Tauschs aus steuerrechtlicher Sicht auf die Zustimmung der Gesellschafter ab. 84 Das UmwStG geht in §§ 4 Abs. 4 und 13 von einer Veräußerung der Anteile aus, oben Kapitel 3 B. III. 1. b) sowie E. III. 1. b). Siehe auch den neuen Umwandlungssteuererlass, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.03. 85 Aus dieser Perspektive auch der neuen Umwandlungssteuererlass, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02.
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Veräußerung vorliegen. Für diese Frage ist der Untergang der Anteile am übertragenden Rechtsträger irrelevant. Ähnlich wie schon zur Gesamtrechtsnachfolge wird zweitens argumentiert, dass die Gesellschafter nur wegen der Eintragung der Umwandlung in das entsprechende Register gemäß §§ 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG kraft Gesetzes Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers würden und daher eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung fehle86. Ob dieses Argument überzeugt, hängt aber wiederum allein von den Rechtsgeschäften ab, die einer Verschmelzung oder Spaltung zugrunde liegen. Nur sie sind Grundlage zur Gestaltung des wirtschaftlichen Sachverhalts, der die Voraussetzungen eines Gewinnrealisationstatbestands erfüllen könnte.87 Der Inhalt dieser Rechtsgeschäfte bestimmt nämlich, ob der Vermögensübergang entgeltlich stattfindet88 und wer die Beteiligten des Rechtsaktes sind. Kausalgeschäft für den Übergang des Vermögens gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist der Verschmelzungsoder Spaltungsvertrag, auch wenn diese Verträge zugleich gesellschaftsrechtliche Organisationsakte darstellen.89 Vertragspartner sind dabei allein die beteiligten Rechtsträger. Sie vereinbaren den Übergang des Vermögens gerade gegen Gewährung einer Gegenleistung an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG90. Die Aufnahme der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers als Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers tritt daher letztlich nur ein, weil sie rechtsgeschäftlich zwischen den Beteiligten vereinbart, also gewollt ist.91 Die Art und Weise des Vollzugs durch eine gerichtliche Eintragung ist vom Kausalgeschäft zu unterscheiden und ändert nichts an der vertraglich vereinbarten Gewährung der Gesellschaftsrechte. Schließlich wird drittens als vermeintliche Besonderheit angeführt, dass der übertragende Rechtsträger wegen seines Erlöschens bei der Verschmelzung sowie bei der Aufspaltung die vereinbarte Gegenleistung gar nicht entgegennehmen könne92, sodass jedenfalls aus diesem Grund die Voraussetzungen eines Tausch86 Vgl. BFH vom 14.12.1988, I R 397/83, BStBl. II 1989, 317 (318) zur Verschmelzung nach GenG a. F.; Tipke, DB 1968, Beilage Nr. 17, 1 (6 f.) für das Verkehrssteuerrecht. Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 91. 87 Zum Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht siehe Kapitel 2 E. I. 88 Vgl. Hahn, DStZ 1998, 561 (563). 89 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 4, Rn. 5; Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 4, Rn. 9; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 160, 486. 90 Für Spaltungen folgt der gleiche Vertragsinhalt aus §§ 126 Abs. 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 UmwG. 91 Für einen grunderwerbsteuerrechtlichen Sachverhalt vgl. BFH vom 18.7.1979, II R 59/73, BStBl. II 1979, 683 (684). 92 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 58, 89; Hölzle, Besteuerung stiller Reserven bei der Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften, 2005, S. 77. In diesem Sinn wohl auch BFH vom 14.12.1988, I R 397/83, BStBl. II 1989, 317 (318).
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geschäfts fehlen würde. Der Umstand, dass andere Beteiligte als die Vertragsparteien die Gegenleistung entgegennehmen, ist dem Steuerrecht aber keineswegs fremd, wie etwa die Rechtsprechung zum Ringtausch93 oder Verträge zugunsten Dritter94 zeigen. Daher ändert das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers nichts an der Entgeltlichkeit einer Umstrukturierung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.95 Dass die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers als Dritte die Gegenleistung erhalten, schließt die Einordnung als Tausch nicht aus. c) Gesellschaftsrechte als Gegenleistung und Leistungsfähigkeitsprinzip Der schwerwiegendste Einwand gegen die Qualifikation von Umstrukturierungsvorgängen als tauschähnliche Veräußerung richtet sich gegen alle Umwandlungsvorgänge und die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter. Bisher wurde dargelegt, dass der Übergang von Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten trotz Gesamtrechtsnachfolge und Dreiecksverhältnis der Annahme einer entgeltlichen Übertragung nicht entgegensteht. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt sich jedoch ein grundlegenderes Problem: Vor dem Hintergrund der dogmatischen Funktion96 der Veräußerungstatbestände wird bezweifelt, dass die Gegenleistung in Gestalt von Gesellschaftsrechten überhaupt geeignet ist, eine gesteigerte steuerliche Leistungsfähigkeit auszuweisen.97 Ihre Ursache haben diese Zweifel darin, dass gleichmäßige Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG vor allem bedeutet, dass die Steigerung der Leistungsfähigkeit als Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes sicher gemessen werden muss. Hinreichende Sicherheit gewährleisten insbesondere leicht messbare Zahlungsvor93 BFH vom 17.1.1962, II 177/58 U, BStBl. III 1962, 134; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 108. 94 Die h. M. lehnt die Einordnung eines Verschmelzungs- und Spaltungsvertrages als echten Vertrag zugunsten Dritter nur ab, weil die Gesellschafter aufgrund des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG keinen eigenen Anspruch benötigen, BFH vom 14.12.1988, I R 397/83, BStBl. II 1989, 317 (318); Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 4 UmwG, Rn. 21. Es handelt sich vielmehr um unechte Verträge zugunsten Dritter. 95 Implizit BFH vom 17.9.2003, I R 97/92, BStBl. II 2004, 686 (687). Dort wurde die rechtsgeschäftliche Veräußerung festgestellt, obwohl die Gegenleistung an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers gewährt wurde. Ebenso Hahn, DStZ 1998, 561 (564). 96 Siehe oben Kapitel 2 D. I. 2. 97 Das bezweifelt Salditt, StuW 1972, 354 (356 f.). Siehe auch Knobbe-Keuk, Bilanzund Unternehmenssteuerrecht, 1993, § 22 VII, S. 820, die daraus aber nicht auf eine fehlende Veräußerung schließt. Vgl. aus jüngerer Zeit Niehus, FR 2010, 1 (4) sowie Crezelius, FR 2009, 881 (890), der bei einer Gegenleistung in Gesellschaftsrechten von einer „Leistungsfähigkeitssteigerung anderer Qualität“ spricht.
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gänge, also die Anschaffung und Veräußerung.98 Endgültigen Aufschluss über eine latente Wertsteigerung eines mit den Anschaffungskosten bilanzierten Wirtschaftsgutes liefert erst der Nennwert eines Veräußerungspreises. Ein Veräußerungsvorgang löst die Steuerpflicht gerade deshalb aus, weil er den Anstieg der Leistungsfähigkeit sicher abbildet und damit kein Anlass mehr für eine vorsichtige Bewertung besteht.99 Diesem Gedanken folgt prinzipiell auch die Gewinnrealisierung bei Tauschvorgängen, obwohl dort „messtheoretische Sicherheit“ im Hinblick auf die Wertsteigerungen nur mittelbar erreicht wird.100 Gelingt es nämlich durch die Weggabe eines Wirtschaftguts, ein anderes Wirtschaftsgut zu erwerben, dann lässt der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit des abgegebenen Wirtschaftsgutes zu.101 Auch dieser Vorgang beweist dann einen Anstieg steuerlicher Leistungsfähigkeit. Freilich darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass die erreichbare Sicherheit bei der Bewertung eines Anstiegs der steuerlichen Leistungsfähigkeit bei Tauschvorgängen nie das Maß der Sicherheit einer Veräußerung gegen eine liquide, eindeutig bezifferbare Geldleistung erreichen kann.102 Der fehlende sichere Nennwert muss nämlich bei Tauschvorgängen durch eine anderweitige, häufig fehleranfällige Ermittlung der gemeinen Werte ersetzt werden.103 Dieses Sicherheitsdefizit nimmt der Gesetzgeber ausweislich des § 6 Abs. 6 EStG mit der grundsätzlichen Steuerpflicht von Tauschvorgängen allerdings hin. Vor diesem Hintergrund führt Salditt aber an, dass insbesondere durch die Gewährung von Gesellschaftsrechten keine höhere Sicherheit hinsichtlich der steuerlichen Leistungsfähigkeit ausgedrückt werde, wenn der Übertragende die Bewertung von Leistung und Gegenleistung maßgeblich selbst beeinflusse.104 Dies gelte aber nur, soweit nicht Dritte einen kontrollierenden Einfluss auf die Bewertung ausübten.105 Eine solche Argumentation läuft im Ergebnis darauf hinaus, aus teleologischen Gesichtspunkten einen funktionierenden Preisbildungsmechanismus zum Tatbestandsmerkmal der Veräußerung zu machen. Allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks kann allerdings nicht pauschal auf einen fehlenden Interessengegensatz der Gesellschafter als Voraussetzung für eine marktwirtschaftliche Preisbildung bei Um-
98 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 344 f.; Salditt, StuW 1972, 353 (356). 99 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 345; Salditt, StuW 1972, 353 (356). 100 Salditt, StuW 1972, 353 (356); vgl. auch Wassermeyer, in: Raupach, DStJG 7 (1984), 169 (174). 101 Anschaulich Salditt, StuW 1972, 353 (356). 102 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 347. 103 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 346 f. 104 Salditt, StuW 1972, 353 (356). 105 Salditt, StuW 1972, 353 (357).
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strukturierungen geschlossen werden.106 Das gibt auch der BFH zu erkennen, wenn er im Einbringungsurteil formuliert, bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten trete der Gesellschafter seiner Personengesellschaft „wie ein fremder Dritter“ 107 gegenüber. Sobald mehrere Personen an der Umstrukturierung beteiligt sind, wirken ihre regelmäßig gegensätzlichen Interessen nämlich als Korrektiv bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung. Jede Umstrukturierung, sei es eine Maßnahme nach dem UmwG oder die schlichte Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in eine Personengesellschaft, bedarf der Zustimmung aller oder zumindest der Mehrheit der Gesellschafter jedes Rechtsträgers. Eine unangemessen hohe Gegenleistung für das übertragene Vermögen würde die Beteiligungswerte der Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers verwässern. Umgekehrt würde eine unangemessen niedrige Gegenleistung die Beteiligungswerte des Überträgers unzureichend abbilden.108 In beiden Fällen wird eine Zustimmung der Gesellschafter zur Umstrukturierungsmaßnahme im Regelfall nicht erreicht. Das Mehrheitserfordernis bei beiden beteiligten Rechtsträgern sorgt so für einen natürlichen Interessengegensatz und gewährleistet infolgedessen ein angemessenes Umtauschverhältnis.109 Schließlich ist insbesondere bei Verschmelzungen und Spaltungen der Umfang der Gegenleistung nicht bloß das Resultat einer Rechenoperation im Rahmen der Unternehmensbewertung110, denn auch die einzelnen Parameter der Bewertungsverfahren stehen nicht absolut fest, sondern eröffnen einen Entscheidungsspielraum, sodass die Unternehmensbewertung allenfalls eine Hilfestellung bei der Preisfindung bietet.111 Das endgültige Umtauschverhältnis wird vielmehr durch einen Verhandlungsprozess festgelegt.112 Im Ergebnis kann daher im Allgemeinen von einem funktionierenden Preisbildungsmechanismus gesprochen werden.113 Selbst für den Fall, dass die dargestellten natürlichen Interessengegensätze bei der Zustimmung der Gesellschafter und im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern nicht bestehen, wie es etwa in Konzernsachver106 Auch Salditt hält in besonderen Situationen einen Tausch für denkbar, StuW 1972, 353 (357, Fn. 48). 107 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749). 108 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 92. 109 Vgl. Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 81, 161, der von „internem Interessenausgleich“ spricht. Zum Interessenausgleich in Verbänden Lutter, AcP 180 (1980), 84 (120 ff.); Zur Richtigkeitsgewähr durch privatautonome Mehrheitsentscheidungen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 16 I, S. 451. 110 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, 162 f. 111 Matschke, BFuP 1984, 544 (545). 112 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 161 f.; Mertens, AG 1990, 20 (25 f.). 113 Die Richtigkeitsgewähr privatautonomer Vertragsverhandlung betont K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 16 I, S. 451.
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halten vorkommen kann, hält das UmwG sogar Instrumente bereit, die Angemessenheit der Gegenleistung von unabhängiger Stelle feststellen zu lassen.114 So können Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers die Angemessenheit der Gegenleistung durch das gerichtliche Spruchverfahren115 prüfen lassen. Außerdem erfolgt eine Prüfung der Verschmelzungs- und Spaltungsverträge116 insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit der gewährten Anteile durch gerichtlich bestellte Wirtschaftsprüfer. Nach alldem besteht bei Umstrukturierungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Grundsatz „messtheoretische Sicherheit“, sodass eine zutreffende Aussage über den Anstieg der steuerlichen Leistungsfähigkeit getroffen werden kann. Der Umstand, dass bei Tauschvorgängen regelmäßig illiquide Gegenleistungen, hier sogar in Gestalt von womöglich nicht marktgängigen Gesellschaftsrechten, gewährt werden, die zur Begleichung einer Steuerschuld ungeeignet sind, ändert nichts am Vorliegen aller Merkmale eines Realisationstatbestands. Dieser spezielle Aspekt wird sich vielmehr als ein relevanter Gesichtspunkt für die Ausnahme von der Gewinnrealisierung durch die Buchwertfortführungsvorschriften erweisen.117 3. Zwischenergebnis Umstrukturierungen durch Übertragung ganzer betrieblicher Einheiten oder einzelner Wirtschaftsgüter gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten weisen alle Merkmale eines Veräußerungstatbestands auf. Sie beruhen zwar nicht auf einem schuldrechtlichen Tauschvertrag und haben durch den teilweisen Einsatz der Universalsukzession, durch die Gegenleistung an die Anteileigner des übertragenden Rechtsträgers und durch die besondere Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten einen arteigenen Charakter. Daher werden sie als tauschähnlich bezeichnet. Dennoch weichen die Besonderheiten dieser Vorgänge nicht so grundlegend von den Tatbestandsmerkmalen einer Veräußerung ab, dass eine Veräußerung nach Tauschgrundsätzen abzulehnen wäre. Umstrukturierungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten führen daher grundsätzlich zur Gewinnrealisierung. Insofern fügt sich die Umstellung auf die generelle Bewertung mit dem gemeinen Wert durch SEStEG gut in die Systematik ein. Dass diese Vorgänge unter weiteren Voraussetzungen zum Buchwert und somit steuerneutral 114
Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 166. §§ 15, 125 S. 1, 196 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG. 116 §§ 9 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG. Erleichterungen gibt es in Konzernsachverhalten nur im Fall des Upstream-Mergers auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft, § 9 Abs. 2 UmwG. In diesem Fall entfällt aber ohnehin die Gegenleistung, § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG. Für Spaltungen gilt die Ausnahme des § 9 Abs. 2 UmwG nicht, § 125 S. 1 UmwG, auch nicht über den Verweis des § 9 Abs. 3 UmwG auf § 8 Abs. 3 UmwG, Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2009, § 125, Rn. 15. 117 Siehe Kapitel 6 C. II. 3. a) und b). 115
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
erfolgen, ändert nichts an der tatbestandlichen Qualifikation als Veräußerung.118 Der Realisationsvorgang und seine Bewertung im konkreten Fall sind nämlich streng zu trennen.119
IV. Ersatzrealisation durch Betriebsaufgabe und Entnahme Die historisch gewachsene120 gesetzessystematische Trennung zwischen Umwandlungen und Einbringungen im UmwStG spiegelt sich zum Teil auch in den Ansichten zur ertragsteuerlichen Qualifikation der Umstrukturierungen wider. Während Umstrukturierungen im Einbringungsteil nahezu einhellig als tauschähnlich angesehen werden, ist bei der Untersuchung der Beispiele im Anwendungsbereich der §§ 3 ff. UmwStG121 aufgefallen, dass neben der Tauschbetrachtung außerdem eine Steuerpflicht nach den Grundsätzen der Betriebsaufgabe oder Liquidation122 vertreten wird. Gegen die unterschiedliche ertragsteuerliche Einordnung der Umstrukturierungen im Umwandlungs- und Einbringungsteil spricht aber, dass so wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt würden.123 In beiden Regelungskomplexen des UmwStG lassen sich dieselben wirtschaftlichen Ergebnisse durch Übertragung von Vermögen gegen eine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten erzielen. Beide Normkomplexe erlauben Verschmelzungen und Spaltungen unter Verwendung der Gesamtrechtsnachfolge. Merkmale, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.124 So118 BFH vom 25.9.1991, I R 184/87, DStR 1992, 391; Geissler, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 36; Benecke/Schnittker, FR 2010, 555 (556). 119 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 356. 120 Dazu Jacobsen, FR 2011, 973 (974). 121 Siehe oben Kapitel 3 B. I.; E. I.; F. I. 122 Für Verschmelzungen auf Personengesellschaften: Mayer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 22, 51; Klingberg/Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 3, Rn. 3; Crezelius, FR 2011, 401 (407); Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (849); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (771). Unentschlossen Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 3, Rn. 2. Für die Verschmelzung auf Kapitalgesellschaften: Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 11, Rn. 6; Moszka, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, Anh. UmwStG, Rn. 5. Für Abspaltungen: Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 136; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG 2008, § 15, Rn. 56; Buyer/Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 1353; Herzig/Förster, DB 1995, 338 (339). Wohl auch Klingberg, in: Blümich, UmwStG, 2011, § 15, Rn. 11. Für Aufspaltungen wird die Einordnung als Sachausschüttung vertreten: Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 135; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 56; Buyer/Klein/Müller, Änderung der Unternehmensform, 2010, Rn. 1353; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (850); Herzig/Förster, DB 1995, 338 (339). 123 Jacobsen, FR 2011, 973 (974). 124 Jacobsen, FR 2011, 973 (974).
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weit eine Kapitalgesellschaft übertragender Rechtsträger einer Verschmelzung oder Aufspaltung ist, steht der Subsumtion dieser Umstrukturierungen unter § 11 Abs. 1 S. 1 KStG außerdem entgegen, dass nicht alle Voraussetzungen des Tatbestands erfüllt sind.125 Die Liquidationsbesteuerung setzt ausdrücklich eine Abwicklung nach der Auflösung des Rechtsträgers voraus. Zivilrechtlich ist das Fehlen einer Abwicklung aber gerade ein prägendes Merkmal der Verschmelzung und Aufspaltung, §§ 2, 123 Abs. 1 UmwG.126 Daher kommt eine Liquidationsbesteuerung allenfalls für wirtschaftlich äquivalente Ersatzkonstruktionen unter Übertragung des gesamten Vermögens im Wege der Singularsukzession in Betracht.127 Schließlich lässt sich mit einer Betriebsaufgabe und der Liquidation auch nicht die Gewährung einer Gegenleistung vereinbaren. Dass die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers die Gesellschaftsrechte entgegennehmen, ändert nämlich nichts an der Entgeltlichkeit der Umstrukturierungen.128 Ersatzrealisationstatbeständen ist die Entgeltlichkeit aus systematischen Gründen allerdings fremd. Sie dienen nur dazu, ohne Umsatzakte die Abrechnung stiller Reserven sicherzustellen. Erfolgt die Messung der Leistungsfähigkeit durch einen Umsatzakt, besteht schon kein Bedürfnis mehr, auf die Ersatzrealisationstatbestände zurückzugreifen. Nur soweit keine Gesellschaftsrechte gewährt werden, könnte also eine Betriebsaufgabe Grundlage der Besteuerung sein. Praktisch relevant sind insofern Upstream-Verschmelzungen sowie die Verschmelzung von Schwestergesellschaften innerhalb eines Konzerns, denn für die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre 100%-ige Muttergesellschaft verbietet § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG129 eine Kapitalerhöhung und nach § 5 Abs. 2 UmwG entfallen die Angaben zum Umtauschverhältnis im Verschmelzungsvertrag, sodass regelmäßig keine Gesellschaftsrechte gewährt werden.130 Außerdem erlaubt § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG, von der Gewährung von Gesellschaftsanteilen abzusehen, wenn alle Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers verzichten. Speziell in UpstreamSachverhalten lässt sich eine Veräußerung auch nicht mit dem Argument konstruieren, dass der übernehmende Rechtsträger die Anteile am übertragenden Rechts-
125
Vgl. Lambrecht, in: Gosch, KStG, 2009, § 11, Rn. 12. Die Einordnung als Liquidation lässt sich wohl am ehesten historisch erklären. § 15 Abs. 1 S. 1 KStG in der Fassung vom 16.10.1934 (RGBl. I 1934, S. 1031) ordnete die entsprechende Geltung der Liquidationsbesteuerung nach § 14 Abs. 1 KStG 1934 an, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft „mit oder ohne Abwicklung“ auf einen anderen überging. Siehe dazu Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (849). 127 Vgl. BT-Drs. 12/6885, S. 16. 128 Siehe oben Kapitel 6 B. III. 2. b). 129 Für die AG gilt parallel § 68 UmwG. Nach § 125 S. 1 UmwG darf ebenso bei Upstream-Aufspaltungen und Upstream-Abspaltungen von einer Gegenleistung abgesehen werden. 130 Schrör, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 5, Rn. 128. 126
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
träger aufwende, um dessen Vermögen zu erwerben131. Wirtschaftlich entspricht diese Argumentation einer Veräußerung an sich selbst, sodass auch bei einem unterstellten Umsatzakt gerade keine Bestätigung der Wertzuwächse im veräußerten Vermögen ausgedrückt wird. Auch in diesen Sachverhalten fehlt es allerdings an der Liquidation des übertragenden Rechtsträgers. § 11 Abs. 1 KStG ist daher nicht einschlägig, wenn Kapitalgesellschaften als übertragende Rechtsträger nach dem UmwG beteiligt sind. Methodisch kann dennoch einheitlich auf § 16 Abs. 3 EStG zurückgegriffen werden, der über § 8 Abs. 1 KStG auch für die Besteuerung von Körperschaften gilt. Die Liquidationsbesteuerung ist zwar eine Sondervorschrift gegenüber § 16 Abs. 3 KStG, der alle denkbaren Fälle der Aufgabe eines gewerblichen Betriebs erfasst.132 Dieser Vorrang endet allerdings an der Grenze des Anwendungsbereichs von § 11 KStG.133 Fehlt ein Tatbestandsmerkmal der Norm, ist also mit anderen Worten ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet, bleibt es somit bei der Verweisung auf das EStG. Der Konstruktion eines „liquidationsähnlichen“ 134 Vorgangs bedarf es daher nicht. In § 16 Abs. 3 S. 1 EStG ist die Betriebsaufgabe nicht definiert. Die ständige Rechtsprechung versteht unter diesem Begriff einen Vorgang, bei dem aufgrund eines Entschlusses des Betriebsinhabers, den Betrieb aufzugeben, die bisherige gewerbliche Tätigkeit eingestellt wird und sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Dabei muss der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens aufhören zu existieren.135 Diese Voraussetzungen sind bei Umwandlungen ohne Gewährung einer Gegenleistung erfüllt. Sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen werden einheitlich auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen. Dadurch wird die betriebliche Tätigkeit beim ursprünglichen Steuersubjekt136 eingestellt. Auch geht der Betrieb als selbständiger Organismus unter. Zwar wird beim übernehmenden Rechtsträger das unternehmerische Engagement fortgeführt. Dies geschieht aber nicht selbständig, sondern nur in Verbund mit den beim übernehmenden Rechtsträger bereits vorhandenen betrieblichen Einheiten. Das Absehen von einer Besteuerung durch Buchwertfortführung unter dem Aspekt der Fortführung eines unternehmerischen Engage131 BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.21. 132 Micker, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, 2011, § 11, Anm. 10. 133 Micker, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, 2011, § 11, Anm. 10. 134 So etwa Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (849). 135 Zum Begriff Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 16, Anm. 405; BFH vom 23.6.1977, IV R 81/73, BStBl. II 1977, 721 (722); BFH vom 16.12.1992, X R 52/90, BStBl. II 1994, 838 (839); BFH vom 26.4.2001, IV R 14/00, BFH/NV 2001, 1186 (1188); BFH vom 19.2.2004, III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231 (1232); BFH vom 30.3.2006, IV R 31/03, BStBl. II 2006, 652 (653). 136 Wacker, in: Schmidt, EStG, 2011, § 16, Rn. 173.
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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ments137, ist vom Vorliegen eines Ersatzrealisationstatbestands zu trennen. Für die Einordnung als Betriebsaufgabe spricht schließlich, dass eine Abrechnung der stillen Reserven beim übertragenden Rechtsträger dem Individualsteuerprinzip entspricht. Insofern trifft die Aussage der Finanzverwaltung, sämtliche Umwandlungssachverhalte als Veräußerung ansehen zu wollen138, nicht zu. Parallel dazu führt die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter ohne Gewährung einer Gegenleistung zu einer Entnahme139, da diese nicht mehr für die Zwecke des Betriebs eingesetzt werden, dem sie ursprünglich zugeordnet waren.
V. Ergebnis Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass Umstrukturierungen grundsätzlich die Tatbestandsmerkmale einer tauschähnlichen Veräußerung erfüllen. Nur für den Fall, dass eine Gegenleistung fehlt, kommt eine Qualifikation als Betriebsaufgabe140 in Betracht. Die Organisationsakttheorie ist insbesondere vor dem Hintergrund der generellen Umstellung des UmwStG auf die Bewertung mit gemeinen Werten überholt. Aus der Feststellung, dass die Tatbestandsmerkmale von Veräußerungs- oder Ersatzrealisationstatbeständen erfüllt sind, kann allerdings nicht per se abgeleitet werden, dass eine Besteuerung der Umstrukturierungen in jedem Fall den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht. Um diese Frage abschließend zu beantworten, sind im Folgenden die Ausnahmen und Rückausnahmen in die Betrachtung einzubeziehen.
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss Das Steuerrecht als Ausschnitt der Gesamtrechtsordnung darf Wertungen „anderer Teile der Rechtsordnung nicht ohne gewichtigen Grund durchkreuzen“ 141. Obwohl die grundsätzliche Aufdeckung der stillen Reserven bei Umstrukturierungsvorgängen dem Realisationsprinzip entspricht, muss das Steuerrecht gleichzeitig für die Abwägung mit widerstreitenden Wertungen offen142 bleiben. Diesen Zusammenhang illustriert das Umstrukturierungssteuerrecht besonders deutlich. Das Zivilrecht erlaubt den Unternehmern mit Hilfe des Umwandlungsrechts, 137
Kapitel 6 C. II. 3. a). BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02. 139 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (474). 140 Eine Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 KStG kommt nur in Betracht, wenn die Übertragung des gesamten Vermögens durch Singularsukzession erfolgt, vgl. BT-Drs. 12/6885, S. 16. 141 Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 58. 142 Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 58. 138
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
mittels Einzelrechtsnachfolge oder durch Anwachsung umfassenden Gebrauch von ihrer Gestaltungsfreiheit zu machen. So können Unternehmer die hohen Ansprüche einer dynamischen Umwelt an die Flexibilität ihrer Unternehmung143 erfüllen. Das Steuerrecht nimmt diese Wertungen auf und setzt sie in den Buchwertfortführungsvorschriften144 um. Mit ihrer Hilfe kann die Aufdeckung der stillen Reserven im übergehenden Vermögen ausnahmsweise verhindert werden. Systematisch besonders deutlich tritt der Ausnahmecharakter bei homogenen Formwechseln hervor. Sowohl bei zivilrechtlicher als auch bei rein steuerrechtlicher Betrachtung findet in diesen Fällen kein Steuersubjektwechsel statt, sodass ein entscheidendes Merkmal der Realisationstatbestände 145 fehlt. Konsequenterweise enthält das UmwStG für diese Fälle keine Regelung, da ein Spannungsfeld zwischen Gestaltungsfreiheit und gleichmäßiger Besteuerung nicht besteht. In allen übrigen untersuchten Fallgruppen löst das Steuerrecht dieses Spannungsverhältnis demgegenüber nur unter den dargestellten strengen Voraussetzungen der Buchwertfortführungsvorschriften zugunsten der freien unternehmerischen Gestaltung auf.
I. Durchbrechung grundlegender Besteuerungsprinzipien Als Ursache für diese strengen Voraussetzungen erweist sich letztendlich der Umstand, dass trotz ihrer augenfälligen Zielsetzung, betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen nicht zu verhindern146, die Buchwertfortführungsvorschriften gleichzeitig mit dem Grundsatz personenbezogener und vollständiger Erfassung der realisierten Einkünfte in Konflikt geraten. 1. Durchbrechung des Realisationsprinzips Umstrukturierungen, die auf der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten basieren, erfüllen sämtliche Tatbestandsmerkmale einer tauschähnlichen Veräußerung. Fehlt es an einer Gegenleistung, dann sind zumindest die Voraussetzungen eines Ersatzrealisationstatbestands erfüllt.147 Vor dem Hintergrund des Realisationsprinzips ist die Aufdeckung stiller Reserven in diesen Fällen folgerichtig. Davon weichen die Buchwertfortfüh143
Zu den ökonomischen Hintergründen einer Umwandlung siehe oben Kapitel 2
A. II. 144 Die Literatur spricht teilweise sogar von einem Prinzip der Buchwertfortführung: Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 17 ff., 229 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 353 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 203; Schaumburg, GmbHR 2010, 1341 (1343). 145 Siehe oben Kapitel 3 D. 146 BT-Drs. 12/6885, S. 14. 147 Siehe Kapitel 6 B. III., IV.
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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rungsvorschriften allerdings ab. Statt eine Bewertung mit gemeinen Werten oder Teilwerten anzuordnen, erlauben sie dem übertragenden Rechtsträger in seiner Bilanz die übergehenden Wirtschaftsgüter mit ihren Buchwerten anzusetzen. Infolgedessen entsteht trotz formal erfülltem Realisationstatbestand kein Gewinn in Höhe der stillen Reserven. Die Buchwertfortführung gewährt folglich eine Ausnahme zum Realisationsprinzip.148 2. Durchbrechung des Individualsteuerprinzips Korrelierend mit der Bewertung beim übertragenden Rechtsträger muss der übernehmende Rechtsträger die Buchwerte des übertragenen Vermögens fortführen. Veräußert der übernehmende Rechtsträger die übertragenen Wirtschaftsgüter an einen Dritten, dann werden die stillen Reserven nunmehr in der Bilanz des übernehmenden Rechtsträgers aufgedeckt. Die Übernahme der Buchwerte gewährleistet also nur, dass die stillen Reserven später überhaupt noch der Besteuerung unterliegen. Trotzdem springen bei der Buchwertfortführung die stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt über. Diese Verschiebung stiller Reserven auf ein anderes Steuersubjekt widerspricht dem Individualsteuerprinzip.149 Auch das Aufstellen von Ergänzungsbilanzen gewährleistet nicht in sämtlichen Umstrukturierungsvarianten, dass die stillen Reserven bei dem Steuersubjekt besteuert werden, das sie auch erwirtschaftet hat. Dieses Instrument steht nämlich nur zur Verfügung, soweit Personengesellschaften beteiligt sind. Insbesondere die Untersuchung der steuerlichen Auswirkungen auf die Mitunternehmer im Zusammenhang mit der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter hat gezeigt, dass Ergänzungsbilanzen nicht für sämtliche Umstrukturierungsrichtungen anwendbar sind.150 Übernimmt ein Mitunternehmer die Wirtschaftsgüter, scheidet die Zuordnung der stillen Reserven mittels Ergänzungsbilanz aus, da diese Bilanzen bisher nicht als Zusatz zur Einzel- oder Sonderbilanz des Mitunternehmers betrachtet werden.151 Sobald durch die Umstrukturierung, etwa bei der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft, die Grenzen des körperschaftsteuerrechtlichen Besteuerungsregimes überschritten werden, gewährleisten Ergänzungsbilanzen schließlich nur eine Zuordnung der stillen Reserven zu den 148 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.15; Reiß, BB 2001, 1225 (1226 f.). 149 BFH vom 17.12.2004, GrS 2/04, DStR 2008, 545 (550); BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972), Tz. 17; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 462; Tipke, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 6 (10); Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 34. 150 Siehe oben Kapitel 4 B. II. 3. 151 Bergsteiner, Umstrukturierung von Personengesellschaften mit Einzelwirtschaftsgütern, 2002, S. 96; Ehmcke, in: Blümich, EStG, 2011, § 6, Rn. 1356; van Lishaut, DB 2001, 1519 (1525).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Mitunternehmern, die vormals Gesellschafter der Körperschaft waren. Dass die stillen Reserven auf die ehemaligen Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers und somit auf ein anderes Steuersubjekt überspringen, kann nicht vermieden werden.152 Vor dem Hintergrund des besonderen Rechtsfolgenkonzepts der §§ 20 ff. UmwStG ist außerdem fraglich, ob bei Einbringungen stets ein Verstoß gegen das Individualsteuerprinzip vorliegt.153 Das erscheint zweifelhaft, weil sich die stillen Reserven der eingebrachten Wirtschaftsgüter betragsmäßig ebenfalls in den als Gegenleistung gewährten Anteilen fortsetzen.154 Diese Verdoppelung stiller Reserven verhindert zunächst ihre Verschiebung auf ein anders Steuersubjekt.155 Mit dem SEStEG ist aber das Konzept der einbringungsgeborenen Anteile im Sinne von § 21 UmwStG a. F. aufgegeben und durch die siebenjährige Sperrfrist des § 22 UmwStG ersetzt worden.156 Nach Ablauf von sieben Jahren entsteht daher beim Einbringenden kein rückwirkender Einbringungsgewinn I mehr. Die stillen Reserven im übergehenden Vermögen unterliegen bei einer späteren Veräußerung durch den übernehmenden Rechtsträger nur noch bei diesem der Besteuerung. Nach sieben Jahren ist die steuerliche Erfassung dieser stillen Reserven beim Einbringenden daher nicht mehr gesichert.157 Ab dem achten Jahr kommt es demnach zur intersubjektiven Verschiebung der stillen Reserven auf den übernehmenden Rechtsträger. Parallel dazu verhindert auch die Sperrfrist in § 6 Abs. 5 S. 4 EStG die endgültige intersubjektive Verschiebung der stillen Reserven nur für die Dauer von drei Jahren.158 Außerhalb dieser Frist ist ein Gewinn aus der Veräußerung des eingebrachten Wirtschaftsgutes nämlich nur noch beim übernehmenden Rechtsträger steuerpflichtig. Im Ergebnis entspricht die Buchwertfortführung also in allen Sachverhalten weder dem Realisationsprinzip noch, zumindest nach Ablauf der verschiedenen Sperrfristen, dem Individualsteuerprinzip.
II. Rechtfertigung der Durchbrechungen Durchbrechungen einzelner Besteuerungsprinzipien führen nicht zwingend zum Verdikt fehlender Systematik oder gar zur Verfassungswidrigkeit. Vielmehr gelten Prinzipien nicht schrankenlos, sodass ihre Durchbrechung gerechtfertigt, 152
Dazu siehe oben Kapitel 3 B. III. 2. b). Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 19. 154 Siehe Kapitel 4 A. II. 3. 155 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 18. 156 Siehe oben Kapitel 4 A. II. 3. a). 157 Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 16, Rn. 19 a. E. 158 Niehus/Wilke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 6, Anm. 1443a; Reiß, in: Kirchhof, EStG, 2011, § 15, Rn. 381b. 153
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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sachgerecht und damit ihrerseits systematisch sein kann.159 Fraglich bleibt nur, welcher Maßstab für die Rechtfertigung gilt. 1. Maßstab zur Rechtfertigung der Buchwertfortführung Dem Gesetzgeber steht auch im Steuerrecht ein weiter Spielraum bei der Frage zu, wie das Recht gestaltet wird und welchen Interessen er dabei einen Vorrang einräumt. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts markiert allerdings in zwei Richtungen Grenzen: Als grundlegende Norm staatlicher Gerechtigkeit gibt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber zuerst eine gleichheitskonforme Auswahl des Steuergegenstandes auf, die nur einer Willkürkontrolle160 unterliegt.161 Im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ist der Gesetzgeber dieser Forderung durch seine Grundentscheidung, nur die steuerliche Leistungsfähigkeit zu erfassen, nachgekommen. Präzisiert wird diese Belastungsentscheidung unter anderem durch das Realisations-, das Individualsteuer- und das Totalitätsprinzip.162 Denn nur wenn das realisierte Einkommen vollständig einem bestimmten Individuum zugeordnet wird, kann ein Vergleich der steuerlichen Belastung anhand eines Individualgrundrechts erfolgen.163 Normativ niedergelegt sind diese Grundsätze in der Bemessungsgrundlage. Innerhalb dieser Koordinaten gleichheitskonformer Besteuerung ist der Gesetzgeber zweitens an seine einmal getroffenen Belastungsgrundentscheidungen gebunden, die er widerspruchsfrei und folgerichtig164 umsetzen muss.165 Daran 159 Lang, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (50). Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band I, 2000, S. 329 ff. 160 Tipke, StuW 2007, 201 (206) fordert die globale Anwendung des Folgerichtigkeitsgebots im Steuerrecht. Zu den unterschiedlichen Maßstäben für die Rechtfertigung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG, die zwischen bloßer Willkürkontrolle und strenger Verhältnismäßigkeit oszillieren, Schwarz, in: FS für Isensee, 2007, S. 949 (951 ff.). 161 BVerfG vom 13.5.1969, 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 (8); BVerfG vom 25.10. 1977, 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (239 f.); BVerfG vom 6.12.1983, 2 BvR 1275/ 79, BVerfGE 65, 325 (354); BVerfG vom 22.6.1995, 2 BvL 31/91, BVerfGE 93, 121 (136); BVerfG vom 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29). 162 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip und seinen Ausprägungen siehe oben Kapitel 2 D. I. 163 Hey, in: GS Trzaskalik, 2005, S. 219 (221). 164 Zur Diskussion um das Folgerichtigkeitsprinzip siehe Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 4, Rn. 67; Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (594 ff.); Hey, DStR 2009, 2561 (2566). Kritisch Lepsius, JZ 2009, 260 (261); Kischel, AöR 124 (1999), 174 (204 ff.). 165 BVerfG vom 13.7.1965, 1 BvR 771/59, BVerfGE 19, 101 (116); BVerfG vom 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); BVerfG vom 30.9.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30 f.); BVerfG vom 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29); BVerfG vom 13.2.2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155); BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (230 f.); BVerfG vom 12.5.2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120 f.); Ratschow, in: Blümich, EStG, 2011, § 2, Rn. 11; Schwarz, in: FS für Isensee,
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
könnten bei Umstrukturierungen angesichts der Folgen einer Buchwertfortführung Zweifel bestehen.166 Trotz fehlender Realisation drücken stille Reserven nämlich jedenfalls latente steuerliche Leistungsfähigkeit aus.167 Verwirklicht ein Steuerpflichtiger dann sogar mit der Umstrukturierung einen Sachverhalt, der eigentlich die latenten Einkünfte bei eben diesem Steuerpflichtigen realisieren müsste, führt die Buchwertfortführung vor dem Hintergrund des Realisationsund Individualsteuerprinzips zu einer Ungleichbehandlung. Denn Steuerpflichtige, die durch einen anderen Sachverhalt, beispielsweise einen Unternehmenskauf, denselben Veräußerungstatbestand außerhalb des Anwendungsbereichs der Buchwertfortführungsvorschriften verwirklichen, müssen die stillen Reserven auflösen. Eine Verschiebung der latenten Einkünfte auf ein anderes Steuersubjekt ist in diesen Fällen nicht vorgesehen. Gewährt der Gesetzgeber wie im Fall der Buchwertfortführungsvorschriften Ausnahmen von einer eigentlich sachgerechten Besteuerung, dann erfordern diese Abweichungen von der folgerichtigen Umsetzung des Individualsteuer- und des Realisationsprinzips einen besonderen sachlichen Grund168 zur Rechtfertigung. Als sachlicher Grund kommt insbesondere auch die Verfolgung außerfiskalischer Lenkungszwecke in Betracht, die allerdings eindeutig in der gesetzgeberischen Entscheidung erkennbar sein müssen.169 Schließlich müssen auch die Lenkungstatbestände zweckgerecht ausgestaltet sein.170 Im Folgenden ist also zu untersuchen, ob die Buchwertfortführungstatbestände einen besonderen sachlichen Grund verfolgen und zu dessen Umsetzung zweckgerichtet ausgestaltet sind. 2. Fortführung unternehmerischen Engagements und Übermaßverbot Ansatzpunkt der Buchwertfortführung ist zunächst der ökonomische Hintergrund jeder Umstrukturierung. Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, sich ohne Hindernisse an stetig neue Bedingungen ihres wirtschaftlichen Um2007, S. 949 (956); Hey, DStR 2009, 2561 (2566) insbesondere für das Unternehmensteuerrecht. 166 Im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 S. 3 EStG äußert diese Zweifel BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972) Tz. 17. 167 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 462; Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, 1990, S. 68; Tipke, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (3). 168 BVerfG vom 30.9.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); BVerfG vom 4.12.2002, 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27 (47); BVerfG vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (231). 169 BVerfG vom 6.3.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (112 f.); BVerfG vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (232). 170 BVerfG vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (33); BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (232).
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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felds anzupassen, um nicht aufgrund mangelnder Flexibilität endgültig aus dem Markt austreten zu müssen. Steuerneutrale Umstrukturierungen dienen dazu, die volkswirtschaftliche Funktion einer Unternehmung zu sichern, etwa indem Arbeitsplätze geschaffen, Innovationen hervorgebracht und nicht zuletzt auch Steuern gezahlt werden. Auf diese wirtschaftspolitischen Zielsetzungen rekurriert der Gesetzgeber, wenn er als sachlichen Grund für das steuerliche Umstrukturierungsrecht die Formel von der Erleichterung betriebswirtschaftlich erwünschter Umstrukturierungen171 anführt. Veränderungen der rechtlichen Struktur, die dieses Ziel erreichen sollen, beeinflussen allerdings nicht den Bestand eines Unternehmens als betriebswirtschaftlichen Organismus.172 Insbesondere für das Umwandlungssteuerrecht wird daher der sachliche Grund durch das Postulat von der Fortführung eines unternehmerischen Engagements in veränderter Form173 umschrieben. Diese Rechtfertigung für eine Durchbrechung grundlegender Besteuerungsprinzipien legt die Einordnung der Buchwertfortführungstatbestände als Lenkungsnormen174 nahe.175 Neben dem wirtschaftspolitischen Ansatz wird eine Rechtfertigung ebenfalls aus dem inneren System der Gewinnrealisierung abgeleitet. Als sachlicher Grund kommt insbesondere das Markteinkommensprinzip im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot in Betracht176. Schon dieser kursorische Blick in die Literatur deutet an, dass die Rechtfertigung im Ergebnis mehrdimensional sein wird. 3. Normative Umsetzung der Rechtfertigungsgründe Interessant ist daher, ob sich diese grundlegenden Rechtfertigungsansätze in den Tatbestandsmerkmalen wiederfinden. Denn in diesem Fall wäre jedenfalls ein Mindestmaß an systematischer Geschlossenheit nachweisbar und zugleich 171 Für das Umwandlungssteuerrecht BT-Drs. 12/6885, S. 14; BT-Drs. 16/2710, S. 25; für die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter BT-Drs. 14/6882, S. 23. 172 Gschrei/Büchele, BB 1997, 1072 (1073). 173 Grundlegend Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 149 ff.; Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 276 ff. Siehe auch Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 72; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 38; Greil, StuW 2011, 84 (87). Aus der Rechtsprechung: schon RFH vom 9.5.1933, VI A 434/30, RStBl. 1933, 999 (1002); BFH vom 11.12.2001, VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420 (423); BFH vom 20.9.2007, IV R 70/05, BStBl. II 2008, 265 (267); BFH vom 19.12.2007, I R 111/05, BStBl. II 2008, 536 (538). 174 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 4, Rn. 21; Birk, Steuerrecht, 2011, Rn. 205. 175 Vgl. Tipke, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (10 f.). 176 Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (715); Schaumburg/Schumacher, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, Einleitung II, Rn. 5; Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 18, Rn. 453; Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 1; ders., in: Seeger DStJG 25 (2002), 253 (255); Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 155; Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 13 (40).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
würden die Buchwertfortführungstatbestände dem Rechtfertigungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts genügen. Diese Untersuchung setzt Klarheit über Funktion und Herkunft der Tatbestandselemente voraus. a) Erfassung im Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers und ertragsteuerliche Sicherstellung späterer Veräußerungsgewinne Nahezu alle177 Buchwertfortführungsvorschriften fordern zunächst ausdrücklich, dass die einkommen- oder körperschaftsteuerliche Erfassung eines späteren Veräußerungsgewinns sichergestellt ist. Schon in seiner Diktion erinnert dieses Tatbestandsmerkmal an die frühe Rechtsprechung des BFH zu Umstrukturierungen ohne Geltung spezieller umwandlungssteuerrechtlicher Regeln178. Dort findet sich auch ein Hinweis auf die Funktion des Sicherstellungserfordernisses. Besonders anschaulich hatte der BFH in seinem Urteil vom 25.5.1962 die damaligen Möglichkeiten steuerneutraler Umstrukturierungen herausgearbeitet. Aus seiner Analyse leitete das Gericht ab, dass kein Zwang zur Gewinnrealisierung bestehe, solange die stillen Reserven später im Bereich der Steuerart abgerechnet würden, zu deren Lasten sie gebildet wurden.179 Hintergrund dieser auf den ersten Blick merkwürdigen Formulierung war die seinerzeit vom Gesetz geforderte Doppelbelastung von Gewinnen einer Körperschaft mit Körperschaft- und Einkommensteuer, die bei der Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft nicht gewährleistet war.180 Die Literatur hat daraus als allgemeine Prämisse abgeleitet, dass auf die Besteuerung stiller Reserven solange verzichtet werden kann, wie sie einer „im wesentlichen gleichen Besteuerung“ 181 unterliegen. Letztlich forderte die Rechtsprechung in den gesetzlich nicht geregelten Fällen also nur, dass die stillen Reserven überhaupt noch einer Besteuerungsmöglichkeit unterlagen.182 Auch für das moderne Tatbestandsmerkmal der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Sicherstellung stiller Reserven lässt sich diese Funktion nachvollziehen. Ob nämlich zum späteren Veräußerungszeitpunkt eine Steuerzahllast entsteht, oder etwa Veräußerungsgewinne mit Verlustvorträgen beim überneh-
177 Siehe §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UmwStG; § 6 Abs. 5 S. 1 EStG. Nur §§ 21, 24 UmwStG enthalten keine entsprechende Voraussetzung. 178 BFH vom 17.5.1952, I 4/52 U, BStBl. III 1952, 208 (211); BFH vom 25.5.1962, I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351 (353); BFH vom 14.5.1969, I R 77/67, BStBl. II 1969, 598 (600). 179 BFH vom 25.5.1962, I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351 (353). 180 BFH vom 25.5.1962, I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351 (353). 181 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 359; vgl. auch Luckey, StuW 1979, 129 (143). 182 Luckey, StuW 1979, 129 (143).
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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menden Rechtsträger verrechnet werden, ist für die Sicherstellung irrelevant.183 Für Mitunternehmerschaften als übernehmende Rechtsträger ist in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 UmwStG und § 6 Abs. 5 EStG außerdem geregelt, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers werden müssen. Bei Körperschaften als übernehmende Rechtsträger fehlt diese Voraussetzung im UmwStG systembedingt, da Körperschaften keine Privatsphäre und somit nur Betriebsvermögen184 haben. Aus diesen einzelnen Elementen folgt, dass jedenfalls beim Übergang von der betrieblichen in die private Sphäre sowie bei subjektiven Steuerbefreiungen des übernehmenden Rechtsträgers die stillen Reserven aufgedeckt werden müssen.185 Damit markiert das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung einer Besteuerung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer lediglich die Mindestvoraussetzung der Buchwertfortführung.186 Steuerneutrale Umstrukturierungen sind nur insoweit möglich, als die stillen Reserven überhaupt noch der Besteuerung unterliegen und nicht endgültig der steuerlichen Erfassung entgehen. Steuerneutralität bedeutet daher nicht einen unwiderruflichen Verzicht des Fiskus auf das Besteuerungssubstrat der stillen Reserven sondern nur einen Verzicht „auf Zeit“ 187. Dieser zeitlich bis zur späteren Veräußerung gewährte Verzicht deutet an, dass die Mindestvoraussetzung ertragsteuerlicher Sicherstellung stiller Reserven einen gesetzgeberischen Kompromiss normativ umsetzt, der dem besonderen wirtschaftlichen Charakter aller Umstrukturierungen geschuldet ist. Als alternative Rechtsfolge käme nämlich einerseits eine sofortige Aufdeckung der stillen Reserven in Betracht. Fällt dabei eine hohe Steuerzahllast an, unterbleibt die Umstrukturierung unter Umständen. Angesichts des ökonomischen Zwecks der Umstrukturierungen, ein Unternehmen an seine veränderte Umwelt anzupassen und so dauerhaft zu erhalten, kann diese Konsequenz nicht gewollt sein. Denn falls ein Unternehmen wegen der unterbliebenen Umstrukturierung im Extremfall endgültig seine Tätigkeit einstellt, verliert der Fiskus die Aussicht auf spätere Steuereinnahmen. Eine Besteuerung würde in diesem Fall zur „Unzeit“ 188 erfolgen. Bezieht man zudem noch den Umstand in die Betrachtung ein, dass der übertra183 Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 20, Rn. 240; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 3, Rn. 80; Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 160. Vor Geltung des UmwStG schon BFH vom 25.5.1962, I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351 (353). 184 BFH vom 4.12.1996, I R 54/95, DStR 1997, 492 (493); BFH vom 17.11.2004, I R 56/03, DStR 2005, 594; Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 391; Weber-Grellet, DStR 1994, 12 (15 f.). 185 Siehe oben Kapitel 3 B. II. 2. a), b). 186 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 359. 187 Herlinghaus, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20, Rn. 7. Vgl. auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 211; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 461. 188 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 203.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
gende Rechtsträger entweder Gesellschaftsrechte oder sogar überhaupt keine Gegenleistung für den Vermögensübergang erhält, werden die Nachteile einer sofortigen Besteuerung noch evidenter. Der Steuerpflichtige verfügt nach der Umstrukturierungsmaßnahme nicht über zusätzliche liquide Mittel, die zur Begleichung der Steuerschuld eingesetzt werden könnten. Vielmehr erwachsen ihm neben der Steuerzahllast zusätzliche Nachteile. Denn der Steuerpflichtige wäre in diesen Fällen gezwungen, die Steuerlast aus der Vermögenssubstanz zu tragen, indem er zusätzliche Wirtschaftsgüter, womöglich sogar unterhalb des Marktpreises, in Geld umsetzt oder zusätzliche Kredite zur Finanzierung der Steuerschuld aufnimmt.189 Auch die zweite denkbare Alternative, der endgültige Verzicht auf die Besteuerung der stillen Reserven, führt zu unausgewogenen Ergebnissen. Für den Steuerpflichtigen bestünde in diesem Fall zwar der Vorteil, dass keine zusätzlichen Kosten der Besteuerung entstehen. Dem steht aber der Nachteil gegenüber, dass der Fiskus seinen Anspruch auf Besteuerung der latenten Wertsteigerungen unwiederbringlich verliert. Nur der zeitliche Aufschub der Besteuerung stiller Reserven durch Buchwertfortführung bietet eine vermittelnde Lösung, die alle dargelegten Vor- und Nachteile ausgleicht. Im Zeitpunkt der späteren Veräußerung gegen eine liquide Gegenleistung kann der Fiskus seinen Anspruch zur Besteuerung aller Wertsteigerungen beim übernehmenden Rechtsträger realisieren. Es geht kein Steuersubstrat verloren. Auf eine zusätzliche Belastung des übertragenden Rechtsträgers durch weitere Kosten zur Finanzierung seiner Steuerschulden kann daher verzichtet werden. So verhindert das Gesetz einen übermäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht des Steuerpflichtigen.190 Die Sicherung einer dauerhaft effizienten Unternehmensstruktur durch steuerneutrale Anpassungsmaßnahmen erhält dem Fiskus darüber hinaus die Aussicht auf zukünftige weitere Steuereinnahmen aus der betrieblichen Tätigkeit. Im Ergebnis setzt das Erfordernis der Sicherstellung einer einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Erfassung der stillen Reserven daher das Übermaßverbot normativ um.191 Denn der Steuereingriff ist durch die Buchwertfortführung so ausgestaltet, dass zwar der öffentliche Finanz-
189 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 154, ders., in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (93). Zum Liquiditätsaspekt auch Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 183 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 220; Wendt, FR 2002, 53 (59). Auf die Gefahr der Substanzbesteuerung weist auch der Beschluss des BFH vom 15.4.2010, IV B 105/09, BStBl. II 2010, 971 (972) Tz. 17, hin. 190 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 231; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 363; Tipke, in: Ruppe, DStJG 3 (1981), 1 (5). Vgl. auch Hölzle, Besteuerung stiller Reserven bei der Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften, 2005, S. 46 f. 191 Schaumburg, in: FS für Herzig, 2010, S. 711 (715); Beisse, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 13 (40). Vgl. auch Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Einführung, Rn. 3.
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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bedarf gedeckt wird, der Steuerpflichtige aber keine zusätzlichen Belastungen erfährt.192 Trotzdem setzt insbesondere das UmwStG diesen Gedanken nicht in letzter Konsequenz um. Das zeigt sich vor allem an § 21 UmwStG. Obwohl die Regelung des Anteilstauschs konzeptionell und, abgesehen vom Einbringungsgegenstand, auch tatbestandlich mit § 20 UmwStG fast identisch ist, fehlt in § 21 UmwStG das Sicherstellungserfordernis. Widmann schlägt insofern vor, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG anzuwenden, wenn die übertragenden Anteile im Zuge des Anteilstauschs der Steuerverstrickung entgehen.193 Dagegen spricht aber, dass der allgemeine Entstrickungstatbestand des EStG keine Anwendung auf Rechtsträgerwechsel findet.194 b) Keine Gegenleistung Die meisten Buchwertfortführungstatbestände verbieten außerdem Gegenleistungen, soweit diese nicht in Gesellschaftsrechten bestehen.195 Insbesondere bare Zahlungen schließen daher die Steuerneutralität aus.196 Diese Rechtsfolge ist besonders gravierend, da gerade auch im Umwandlungsrecht Zuzahlungen gemäß § 15 Abs. 1 UmwG geleistet werden müssen, wenn der wirtschaftliche Umfang einer Beteiligung durch die Umwandlung zu Lasten eines Anteilseigners des übertragenden Rechtsträgers verschoben wird. Die zivilrechtliche Begrenzung barer Zahlungen auf solche Ausnahmefälle verdeutlicht allerdings, dass der Ausschluss anderer Gegenleistung vor allem dazu dient, den besonderen wirtschaftlichen Charakter der Umstrukturierungen zu beschreiben. Anhand dieses Tatbestandsmerkmals lassen sich Vermögensübertragungen zu Reorganisationszwecken von „gewöhnlichen“ Veräußerungen, etwa durch den Verkauf einzelner Wirtschaftsgüter oder des gesamten Unternehmens, abgrenzen. Vor dem Hintergrund dieser Funktion fügt sich der Ausschluss anderer Gegenleistungen konsequent in die dargestellten Rechtfertigungsgründe ein. Schon das Übermaßverbot gebietet bei Gegenleistungen in Geld keine Buchwertfortfüh192
Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 145. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 21 UmwStG, Rn. 266. A. A. Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 21 UmwStG, Rn. 52. 194 Siehe oben Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (3). 195 §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 15 Abs. 1 S. 2, 16 S. 1 UmwStG, § 6 Abs. 5 S. 3 EStG. Auch § 24 UmwStG erlaubt nur Gegenleistungen in Gesellschaftsrechten, § 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG findet keine Anwendung, BFH vom 8.12.1994, IV R 82/92, BStBl. II 1995, 599 (601); Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 24, Rn. 135; Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, § 24 UmwStG, Rn. 60. Nur §§ 20 Abs. 2 S. 4, 21 Abs. 1 S. 3 UmwStG erlauben bis zur Grenze des Buchwertes des eingebrachten Vermögens auch andere Gegenleistungen, ohne dass steuerschädliche Folgen eintreten. 196 Siehe oben Kapitel 3B. II. 2. d). 193
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
rung. Denn zum einen entstehen stille Reserven maßgeblich durch Unterbewertungen aufgrund des Vorsichtsprinzips.197 Bare Zahlungen weisen aber gegenüber anderen Gegenleistungen die Besonderheit auf, dass sie durch einen exakten Nennwert beziffert sind. Dieser Nennwert erlaubt wiederum einen sicheren Rückschluss auf die Werthaltigkeit des übergehenden Vermögens. Mit einem sicher nachweisbaren Wert entfällt jedoch das Bedürfnis für eine zurückhaltende und vorsichtige Bewertung.198 Damit fehlt schon der vom Übermaßverbot geforderte legitime Zweck zur Durchbrechung des Realisationsprinzips. Zum anderen fließt dem Steuerpflichtigen Liquidität zu, die ohne zusätzliche Kosten zur Begleichung der Steuerschuld eingesetzt werden kann. Folglich erleidet der Steuerpflichtige bei Gegenleistungen in Geld keine zusätzlichen Nachteile, die eine Besteuerung unangemessen erscheinen ließe. In der Beschränkung auf Gesellschaftsrechte findet sich schließlich auch der Gedanke wieder, dass durch Umstrukturierungen nur die Fortführung eines unternehmerischen Engagements erleichtert werden soll. Unternehmensverkäufe, die durch dieses Tatbestandsmerkmal von der Buchwertfortführung ausgegrenzt werden199, unterscheiden sich nämlich nicht nur durch die Art der Gegenleistung von Umstrukturierungen. Sie verfolgen wirtschaftlich auch eine völlig gegensätzliche Zielsetzung. Mit dem planmäßigen Verkauf soll ein Markteinkommen erwirtschaftet werden, wobei die mitgliedschaftliche Verbindung zum Unternehmen regelmäßig ganz oder teilweise aufgegeben wird. Damit beendet der Verkauf eines Unternehmens als letzte betriebliche Handlung200 das unternehmerische Engagement vielmehr.201 Eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Realisations- und Individualsteuerprinzips unter dem Aspekt der Fortführung eines unternehmerischen Engagements entfällt daher bei Geldzahlungen. c) Gegenleistung in Gesellschaftsrechten Umgekehrt deuten diese Ausführungen aber an, dass die grundsätzlich zulässige und im Fall der §§ 20 ff. UmwStG sogar zwingend202 geforderte Gegenleistung in Gestalt von Gesellschaftsrechten einen normativen Anknüpfungspunkt für den Gedanken der Fortführung eines unternehmerischen Engagements in anderer Form liefert. Für eine systematische Rechtfertigung der Durchbrechung grundlegender Besteuerungsprinzipien ist eine bloß schlagwortartige Verwendung die197 198 199
Zur Entstehung stiller Reserven siehe Kapitel 2 D. I. 1. Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 351 f. Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (738); vgl. auch Körner DStR 2010, 897
(900). 200
Schallmoser/Stuhrmann, in: Blümich, EStG, 2011, § 16, Rn. 3. So BFH vom 8.12.1994, IV R 82/92, BStBl. II 1995, 599 (600). Siehe auch BFH vom 11.12.2001, VIII R 58/98, BB 2002, 493 (495). 202 Siehe Kapitel 4 A. II. 2 a) bb). 201
C. Ausnahmen – Buchwertfortführung als Prinzipienkompromiss
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ser Formel203 allerdings nicht geeignet. Tipke bezeichnet die Fortführung eines unternehmerischen Engagements in veränderter Form sogar als „Metapher oder Metaphrase“ 204. Interessant ist daher allein, welcher zur Rechtfertigung geeignete sachliche Gedanke mit dieser griffigen Sentenz umschrieben wird. Hilfreich ist auch hier zunächst ein Blick auf die historischen Wurzeln steuerneutraler Umstrukturierungen. Denn bereits die Rechtsprechung des RFH hat die besondere Qualität der Gegenleistung als wesentliches Argument herangezogen, um den Aufschub der Besteuerung stiller Reserven zu rechtfertigen. So wurde etwa für die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft ausgeführt, dass der bisherige Betriebsinhaber durch die gewährte Beteiligung an der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit der Fortentwicklung des nach der Einbringung durch die Kapitalgesellschaft weiter betriebenen Unternehmens verknüpft bleibe. Das durch den Betrieb des Einzelunternehmens eingegangene Engagement werde in einer anderen Form fortgeführt.205 Auf dieser Grundlage wird zunächst der Inhalt dieser Rechtfertigungsformel verständlich. Als unternehmerisches Engagement ist der Besitz eines Einzelunternehmens oder die Beteiligung an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft zu verstehen.206 Einzig diese Beteiligung wandelt bei Umstrukturierungen je nach Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers ihre Gestalt, etwa von einem Mitunternehmeranteil in einen GmbH-Geschäftsanteil oder in eine Aktie. Das Objekt des unternehmerischen Engagements, also der Betrieb als funktionierender Organismus des Wirtschaftslebens, geht dadurch nicht unter. Durch die Gegenleistung in Gesellschaftsrechten wird sichergestellt, dass der Unternehmer auch nach der Umstrukturierung an der fortexistierenden unternehmerischen Einheit beteiligt ist.207 Diesen personalen Aspekt ununterbrochener Beteiligung an demselben betriebswirtschaftlichen Organismus beschreibt der Satzteil der „Fortführung“ eines unternehmerischen Engagements. Entscheidend für die
203 Siehe etwa BFH vom 11.12.2001, VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420 (423); BFH vom 20.9.2007, IV R 70/05, BStBl. II 2008, 265 (267); BFH vom 19.12.2007, I R 111/ 05, BStBl. II 2008, 536 (538). 204 Tipke, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 1 (10). 205 RFH vom 9.5.1933, VI A 434/30, RStBl. 1933, 999 (1002). Für den Übergang des Betriebs einer GmbH auf ihren Mehrheitsgesellschafter, RFH vom 17.6.1931, VI A 151/30, StuW 1931, Band II, Nr. 796, Spalte 1360; Ähnlich für die „echte Fusion“ zweier Aktiengesellschaften RFH vom 3.2.1932, VI A 805/31, RStBl. 1932, 464 (465). Diese Rechtsprechung hat der BFH ausdrücklich aufgenommen und fortgeführt BFH vom 28.7.1960, IV 27/59 U, BStBl. III 1960, 403 (404); BFH vom 26.1.1977, VIII R 109/75, BStBl. II 1977, 283 (286); BFH vom 27.3.1979, VIII R 209/77, BStBl. II 1979, 724 (726). 206 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 149; ders., StuW 1979, 129 (145). 207 Vgl. BayObLG vom 17.10.1983, 3 Z 153/83, NJW 1984, 1691 (1692); Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, 2012, § 2, Rn. 40.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Steuerneutralität ist daher die wirtschaftliche Besonderheit, dass durch die Gewährung von Gesellschaftsrechten die Verbindung des Unternehmers zu seinem Unternehmen nicht unterbrochen wird208, auch wenn sich die Form der Beteiligung und die Struktur des Unternehmens verändert. Damit passt sogar der Verzicht auf die Gewährung von Gesellschaftsrechten bei konzerninternen Upstream-Verschmelzungen in dieses gedankliche Konzept. Durch den Übergang des Vermögens verändert sich lediglich die Struktur der Unternehmung. Das unternehmerische Engagement, verstanden als Beteiligung an dem neu organisierten Mutterunternehmen, wird davon nicht berührt.209 Einer Gewährung von Gesellschaftsrechten bedarf es nicht. Ihr Zweck, die Verbindung des Unternehmers zu seinem Unternehmen aufrechtzuerhalten, ist bereits erfüllt. Dieser Hintergrund erlaubt nunmehr eine für die Rechtfertigung entscheidende Schlussfolgerung: Akzeptiert der hinter dem betriebswirtschaftlichen Organismus stehende Steuerpflichtige Gesellschaftsrechte als Gegenleistung für den Übergang des Vermögens auf einen anderen Rechtsträger, sodass sein unternehmerisches Engagement fortbesteht, dann geht es ihm offensichtlich nicht darum, sich von seiner Erwerbsgrundlage zu trennen. Ökonomischer Hintergrund der Umstrukturierung ist die flexible Anpassung der Unternehmensstruktur an veränderte Umweltbedingungen, damit das Unternehmen dauerhaft effizient wirtschaften kann.210 Subjektiv erfolgt eine Umstrukturierung bei wirtschaftlicher Betrachtung folglich nicht in der Absicht, durch die Umstrukturierung als solche Gewinne am Markt zu erzielen. Sie dient vielmehr dazu, die eigene Erwerbsgrundlage in Gestalt des neu organisierten Unternehmens zu erhalten.211 In dieser subjektiven Zielsetzung liegt der eigentliche Grund für die Ausnahme vom Realisations- und Individualsteuerprinzip. d) Qualität des übergehenden Vermögens Sämtliche Tatbestände des UmwStG verlangen schließlich, dass mit Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen vollständige unternehmerische Einheiten übertragen werden. Die §§ 3 und 11 UmwStG enthalten diese Voraussetzung zwar nicht ausdrücklich. Da zivilrechtlich bei Verschmelzungen ohnehin das gesamte Vermögen und infolgedessen der gesamte Betrieb des übertragenden Rechtsträgers übergeht, ist eine tatbestandliche Beschreibung der Qualität des betroffenen Vermögens auch überflüssig. Selbst bei der Einbringung von Kapital-
208 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 150; ders., StuW 1979, 129 (145). 209 Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 475. 210 Siehe oben Kapitel 2 A. 211 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 17, Rn. 211. Ausführlich Lang, in: Ruppe, DStJG 4 (1981), 45 (90 f.).
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gesellschaftsanteilen bestehen besondere Anforderungen.212 Durch die qualifizierende Stimmrechtsmehrheit beim Anteilstausch ist sichergestellt, dass nur die Umstrukturierung unternehmerischer und nicht etwa rein kapitalanlageorientierter Beteiligungen privilegiert wird.213 Bereits die Ausführungen zum Problem spaltungshindernder Wirtschaftsgüter und zum Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft214 haben auf die Funktion dieser strengen Anforderungen hingewiesen. Im Anwendungsbereich des UmwStG wird so gewährleistet, dass auch nach der Umstrukturierung noch selbständig lebensfähige unternehmerische Einheiten bestehen. Denn jedenfalls die nach funktionalen Kriterien zu ermittelnden wesentlichen Betriebsgrundlagen müssen im Zuge der Umstrukturierung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. So ist sichergestellt, dass die umstrukturierte Unternehmung weiterhin am Markt tätig werden kann. Mit dieser Funktion ist zunächst der Bogen zurück zu den unterschiedlichen Interessen im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung geschlagen. Der Steuerpflichtige behält einerseits selbständig lebensfähige unternehmerische Einheiten als Erwerbsgrundlage, ohne dass die Entstehung einer Steuerschuld ihre Zerschlagung erzwingen würde.215 Andererseits besteht so nicht die Gefahr, dass Steuereinnahmen durch die steuerneutrale Abspaltung einzelner Wirtschaftsgüter verloren gehen.216 Darüber hinaus erhöht die Beschränkung auf selbständig lebensfähige unternehmerische Einheiten zugleich die Chancen des Fiskus auf zukünftige Steuereinnahmen aus der betrieblichen Tätigkeit. Besondere Bedeutung haben die Anforderungen des UmwStG an das von der Umstrukturierung betroffene Vermögen allerdings für den Gedanken der Fortführung des unternehmerischen Engagements. Wenn nämlich durch die Gegenleistung in Gesellschaftsrechten das einmal begründete unternehmerische Engagement aufrechterhalten werden soll, dann muss gleichzeitig auch das Objekt dieses Engagements fortexistieren.217 Ansonsten würde nicht das bisherige, sondern vielmehr ein ganz anderes unternehmerisches Engagement fortgeführt.218 Soweit nach der Umstrukturierung allerdings von einem anderen unternehmerischen Engagement gesprochen werden muss, ist aber die Vermutung widerlegt, dass es 212 Auch insofern enthält das UmwStG Inkonsistenzen im Detail. § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG erkennt nur eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als fiktiven Teilbetrieb an, während für § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG die Einbringung mehrheitsvermittelnder Anteile ausreicht. 213 Behrens, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 21, Rn. 158. 214 Siehe oben Kapitel 3 F. II. 2. b) und Kapitel 4 A. V. 3. 215 Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 278. 216 Dazu BT-Drs. 12/6885, S. 22. 217 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 151; ders., StuW 1979, 129 (145). 218 Luckey, Gewinnrealisierung bei Umwandlungen, 1977, S. 151; ders., StuW 1979, 129 (145).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
dem Unternehmer bei Umstrukturierungen nicht auf eine planmäßige Gewinnrealisierung, sondern allein auf die Erhaltung seiner Einkunftsquelle ankommt. Denn in diesem Fall hätte er sich in sachlicher Hinsicht endgültig von seinem Unternehmen getrennt. Im Ergebnis kann von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht daher nur gesprochen werden, wenn nach der Umstrukturierung sowohl persönliche als auch sachliche Kontinuität219 hinsichtlich des neu organisierten Unternehmens besteht. Dem EStG ist eine strenge Beschränkung der Umstrukturierungsobjekte auf selbständig lebensfähige unternehmerische Einheiten fremd. Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten ist daher fraglich, ob die steuerneutrale Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter ebenfalls dem Gedanken der Fortführung eines unternehmerischen Engagements folgt. Das bestreiten ältere Literaturstimmen mit dem Argument, an einem einzelnen Wirtschaftsgut könne schon kein unternehmerisches Engagement bestehen und folglich auch nicht fortgeführt werden.220 Auch der parallele Gedanke, dass mit der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter die bisherige Sachherrschaft nur in Form der gesamthänderischen Bindung fortgesetzt wird221, trage nicht.222 Denn über den maßgeblichen wirtschaftlichen Gehalt der Umstrukturierung treffe die juristische Feststellung fortdauernder dinglicher Berechtigung keine Aussage.223 Diese Argumente überzeugen nicht. Für eine einheitliche Rechtfertigung der Buchwertfortführung auch bei der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter sprechen die Materialien zu § 6 Abs. 5 EStG. Dort ist explizit das Ziel genannt, mit den Möglichkeiten zur Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter die Fortsetzung eines unternehmerischen Engagements zu begünstigen.224 Ein weiteres Argument liefert zudem der 1. Senat des BFH in seinem Urteil zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften.225 Obwohl das Gericht im Ergebnis eine Analogie zu § 6 Abs. 5 EStG mangels Planwidrigkeit ablehnte, hat es doch eine Regelungslücke erkannt, weil bei interessenorientierter Betrachtung die übertragenen Wirtschaftsgüter weiterhin zur Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte eingesetzt würden.226 Genau wie bei der Umstrukturierung im Anwendungsbereich des UmwStG wird durch die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter offensichtlich nicht bezweckt, die Verbindung zum übertragenen Wirtschaftsgut zu lösen. Das wirtschaftliche Ziel ist es 219
Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (732 f.). Luckey, StuW 1979, 129 (148). 221 BFH vom 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748 (749). 222 Luckey, StuW 1979, 129 (147). 223 Luckey, StuW 1979, 129 (148). 224 BT-Drs. 14/6882, S. 33. 225 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 4 B. II. 2. b). 226 BFH vom 25.11.2009, I R 72/08, BStBl. II 2010, 471 (475) Tz. 31. Siehe auch Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 278. 220
D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung
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vielmehr auch hier, das Unternehmen als Objekt des betrieblichen Engagements und damit die Einkunftsquelle des Steuerpflichtigen zu erhalten.227 Schließlich wird auch hier die sachliche und persönliche Kontinuität aufrechterhalten. Tatsächlich wird nämlich nicht ein unternehmerisches Engagement an dem eingebrachten Wirtschaftsgut fortgeführt. Objekt des unternehmerischen Engagements ist der betriebliche Organismus, der durch Einbringung des Wirtschaftsgutes neu strukturiert wird. Zu diesem Betrieb wird die persönliche Verbindung ebenso wenig gelöst wie die sachliche Verbindung zum eingebrachten Wirtschaftsgut.
III. Ergebnis Die Buchwertfortführungsvorschriften durchbrechen zwar das Realisationsund Individualsteuerprinzip. Diese Durchbrechungen sind nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar ein Gebot wirtschaftlich vernünftiger Steuergesetzgebung. Als sachliche Rechtfertigungsgründe lassen sich anhand der Tatbestandselemente das Übermaßverbot sowie der Gedanke der Fortführung eines unternehmerischen Engagements identifizieren. Speziell dieser zweite Aspekt entpuppt sich bei genauer Betrachtung jedoch nur als Umschreibung der besonderen wirtschaftlichen Motivation aller Umstrukturierungssachverhalte: Dem Steuerpflichtigen geht es nicht um eine planmäßige Realisierung der Wertsteigerungen, sondern um die Aufrechterhaltung seiner Erwerbsquelle. Verzichtet der Fiskus in dieser besonderen Situation auf eine Besteuerung der stillen Reserven, obwohl alle Elemente eines Realisationstatbestands bereits mit der Umstrukturierung erfüllt sind, werden so sämtliche Interessen zu einem optimalen Ausgleich gebracht. Der Steuerpflichtige braucht die Steuerlast nicht aus der Substanz zu begleichen und behält eine funktionsfähige Erwerbsquelle. Daraus entsteht für den Fiskus die Chance auf zukünftige Steuereinnahmen. Durch den bloß zeitlichen Verzicht bis zu einer späteren planmäßigen Veräußerung bleibt auch der Zugriff auf das Besteuerungssubstrat der stillen Reserven erhalten.
D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung Wie Kapitel 5 gezeigt hat, sind die Entstrickungsregeln von zahlreichen Unklarheiten durchsetzt. Sie stehen etwa im engen Zusammenhang mit den immer noch umstrittenen Grundsätzen internationaler Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Gewinnen zu Betriebsstätten oder werden durch unsystematische Fiktionen wie die Zentralfunktionsthese unnötig verkompliziert. Schließlich führen die Tatbestandsmerkmale „Ausschluss und Beschränkung“ eines Besteuerungsrechts zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten. Gerade die zahlreichen Probleme des einfachen Rechts werfen die grundlegendere Frage auf, wie die Entstrickungs227
Troost, Die Buchwertfortführung im Steuerrecht, 1995, S. 278.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
klauseln zu den bisher erarbeiteten Referenzpunkten passen und ob sie ein Mindestmaß systematischer Geschlossenheit, insbesondere in Bezug auf höherrangiges Recht, aufweisen.
I. Systematisierung der Entstrickungsregeln Sämtliche untersuchten Buchwertfortführungstatbestände enthalten spezielle Entstrickungsklauseln228, die beim Ausschluss oder der Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts eine Umstrukturierung zu Buchwerten verhindern. Im Zusammenhang mit den bisher erarbeiteten Referenzpunkten, also der grundsätzlichen Gewinnrealisation durch Umstrukturierungen und den Ausnahmen hiervon, sind diese Tatbestandsmerkmale als Rückausnahmen zu begreifen. Das folgt aus der Historie des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Während die übrigen Elemente der Buchwertfortführungstatbestände bereits vor dem SEStEG im Gesetz verankert waren, sind flächendeckende Entstrickungsklauseln erst im Zuge dieser grundlegenden Reform in das UmwStG aufgenommen worden. Zusammen mit der generellen Bewertung zum gemeinen Wert soll dieses Instrument in internationalen Sachverhalten das Besteuerungssubstrat der stillen Reserven sicherstellen.229 Damit korrespondieren die Entstrickungsklauseln der Buchwertfortführungsvorschriften letztlich auch mit dem Gedanken des Übermaßverbots230. Drohen dem deutschen Fiskus nämlich endgültig zu seinen Lasten gebildete231 stille Reserven durch die Verlagerungen von Wirtschaftsgütern ins Ausland zu entgehen, schlägt die Abwägung der unterschiedlichen Interessen zu Lasten des Steuerpflichtigen um. Denn im Fall der Verschlechterung des Besteuerungsrechts sieht der Gesetzgeber keine Veranlassung mehr für einen Besteuerungsverzicht auf Zeit, sondern führt die Rechtslage auf den ursprünglichen steuerlichen Zustand der Gewinnrealisierung durch Veräußerung zurück.232 Betrachtet man die unterschiedlichen Sachverhalte grenzüberschreitender Umstrukturierungen, dann fällt auf, dass nur die steuerliche Behandlung internationaler homogener Formwechsel233 und die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern234 nicht zu dieser Systematik passen. Anders als in den übrigen Umstrukturierungsfällen fehlt nämlich in diesen Fallgruppen sowohl zivil228 §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 21 Abs. 2 S. 2, 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG und § 6 Abs. 5 S. 1 EStG. 229 BT-Drs. 16/2710, S. 34. 230 Siehe dazu oben Kapitel 6 C. II. 3. a). 231 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 11–13 UmwStG, Rn. 13. 232 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2011, Rn. 17.11; Patt, in: Preißler/Pung, Die Besteuerung der Personen- und Kapitalgesellschaft, 2009, Teil D, Rn. 7. 233 Siehe dazu Kapitel 5 E. I. und II. 234 Zur steuerlichen Behandlung der Überführung nach Umwandlungen, Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (3).
D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung
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rechtlich als auch rein steuerrechtlich ein Rechtsträgerwechsel.235 Beide Fälle erfüllen daher nicht die Voraussetzungen einer tauschähnlichen Veräußerung, sodass auch eine Ausnahme von der Gewinnrealisierung durch Buchwertfortführung entbehrlich ist. Nur im internationalen Kontext kommen aber für den Formwechsel mit der zivilrechtlich notwendigen Sitzverlegung und für Überführungen mit der Veränderung entstrickungsrelevanter Parameter Aspekte hinzu, die geeignet sind, eine Besteuerung auszulösen. Die insofern einschlägigen allgemeinen Entstrickungstatbestände nach §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a EStG und § 12 Abs. 1 S. 1 KStG erfüllen im Vergleich mit den Entstrickungsklauseln der Buchwertfortführungstatbestände also dogmatisch eine andere Funktion: als Ersatzrealisationstatbestände decken sie bisher unrealisierte stille Reserven erst auf und führen die Ausnahme der Buchwertfortführung gerade nicht auf den Grundsatz der Besteuerung eines bereits realisierten Gewinns zurück. Trotz dieser divergierenden dogmatischen Einordnung verfolgen sämtliche Entstrickungsregeln mit der Sicherung deutschen Besteuerungssubstrats denselben Zweck. Damit ist zugleich ihr neuralgischer Punkt angesprochen. Die Entstrickungsregeln greifen nur in internationalen Sachverhalten ein und werfen daher fast zwangsläufig die Frage nach ihrer europarechtlichen Zulässigkeit auf. Denn obwohl die Ausgestaltung der direkten Steuern mangels Harmonisierung in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten fällt, muss diese Aufgabe auch für Entstrickungstatbestände unter Beachtung der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts erfolgen.236 Nur wenn beide Normkomplexe einer Überprüfung am Maßstab der Grundfreiheiten standhalten, ist die Rückausnahme von der Buchwertfortführung zur Sicherung nationaler Besteuerungsrechte systemkonform. Insofern ist es auch gerechtfertigt, beide Formen der Entstrickungsregeln gemeinsam zu untersuchen. Ob die Behauptung des Gesetzgebers zutrifft, mit diesen Entstrickungsregeln die Vorgaben des europäischen Primärrechts beachtet zu haben237, ist indes zweifelhaft, wie erste Beschlüsse der Fachgerichtsbarkeit238 illustrieren. Mit dem deutschen Recht vergleichbare Tatbestände anderer EU-Mitgliedstaaten zur Wegzugsbesteuerung stehen außerdem seit geraumer Zeit verstärkt im Fokus der Kommission.239 235 Zum homogenen Formwechsel Kapitel 3 D; zur internationalen Überführung Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (3). 236 EuGH vom 21.11.2002, C-436/00 X & Y, Slg. 2003, I-10829 Tz. 32, IStR 2003, 23 (25); EuGH vom 11.3.2004, C-9/02 de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409 Tz. 44, IStR 2004, 236 (239); EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 33, IStR 2006, 702 (703). 237 BT-Drs. 16/2710, S. 25. 238 FG Köln vom 16.11.2011, 10 V 2336/11, (juris); FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.2011, 1 V 1217/10, IStR 2011, 308 ff. 239 Generalanwältin Kokott weist in ihrem Schlussantrag vom 8.9.2011 zur Rechtssache C-371/10 National Grid Indus in Fn. 2 (BeckRS 2011, 81370) darauf hin, dass die Kommission insgesamt vier Vertragsverletzungsverfahren gegen Portugal (C-38/10), ge-
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
II. Europarechtskonformität der allgemeinen Entstrickungstatbestände Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus240 dürfen die Kriterien für europarechtskonforme Ersatzrealisationstatbestände nunmehr auch für das Betriebsvermögen241 allerdings als geklärt angesehen werden. In diesem Urteil ging es um die Verlegung des Verwaltungssitzes der nach niederländischem Recht gegründeten National Grid Indus BV aus den Niederlanden in das Vereinigte Königreich. Anlässlich dieser Sitzverlegung ordnete das niederländische Steuerrecht die sofortige Festsetzung und sofortige Einziehung der Steuer auf bisher noch nicht realisierte Wertzuwächse an. Auslöser der Steuerpflicht war, dass aufgrund des DBA mit dem Vereinigten Königreich nach der Sitzverlegung Unternehmensgewinne nicht mehr der niederländischen Besteuerung unterfielen.242 Sowohl hinsichtlich der Rechtsfolge als auch bezüglich des Tatbestandsmerkmals erinnert die niederländische Regelung also sehr an §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a EStG, 12 Abs. 1 S. 1 KStG.243 Damit erlauben die Kriterien, die der Gerichtshof in dieser Entscheidung erarbeitet hat, einerseits eine Prognose zur Europarechtskonformität der §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a EStG, 12 Abs. 1 S. 1 KStG bei Sitzverlegungen. Andererseits wird die Argumentation des EuGH auch wertvolle Hinweise für die Überprüfung der bisher noch nicht abschließend geklärten Europarechtskonformität der speziellen Entstrickungsklauseln in den Buchwertfortführungstatbeständen liefern. 1. Anwendungsbereich und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Im Zuge der ersten Vorlagefrage musste sich der EuGH zunächst mit dem Problem befassen, ob sich eine wegziehende Gesellschaft gegenüber ihrem Gründungsstaat überhaupt auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann. Formelhaft
gen Spanien (C-64/11) sowie gegen Dänemark (C-261/11) und die Niederlande (C-301/ 11) angestrengt hat. Siehe auch die Pressemitteilungen der Kommission vom 18.3.2010, IP/10/299 sowie vom 27.11.2011, IP/11/78. 240 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, IStR 2012, 27 ff. 241 Die Entscheidungen des EuGH vom 11.3.2004, C-9/02 de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, IStR 2004, 236 ff. und EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409, IStR 2006, 702 bezogen sich nicht auf Betriebsvermögen. 242 Zum Sachverhalt EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, IStR 2012, 27. 243 Das niederländische Recht knüpft die Steuerpflicht daran, dass „derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen betrieben wird, aufhört, aus dem Unternehmen in den Niederlanden steuerpflichtige Gewinne zu erzielen.“ EuGH vom 29.11.2011, C371/10 National Grid Indus, Tz. 7. Diese Formulierung entspricht dem Ausschluss eines Besteuerungsrechts. Mitschke, IStR 2012, 6 sieht ebenfalls Ähnlichkeiten.
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wiederholte der EuGH zunächst seine Geschöpftheorie244, wonach die für Art. 54, 49 AEUV relevante Vorfrage hinsichtlich der Existenz einer Gesellschaft allein nach nationalem Recht zu beantworten ist245 und die Mitgliedstaaten daher auch die Voraussetzungen für den Erhalt der Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts bestimmen können246. Einige am Verfahren beteiligte Regierungen argumentierten auf dieser Grundlage, da es den Mitgliedstaaten also schon erlaubt sei, beim Wegzug die Auflösung und Liquidation der fortziehenden Gesellschaft zu verlangen, müsse folglich auch die Festlegung steuerlicher Erfordernisse erlaubt sein.247 Diesem argumentum a fortiori ist der Gerichtshof aber mit einem Verweis auf die Besonderheit des zu entscheidenden Falls entgegengetreten. Da beide beteiligte Staaten der Gründungstheorie folgen, hatte National Grid Indus trotz des Wegzugs ihre Eigenschaft als niederländische BV nicht verloren. Aus diesem Grund antwortete der EuGH auf die erste Vorlagefrage, dass sich eine Gesellschaft bei der Verlegung ihres Verwaltungssitzes, ohne dass diese Verlegung ihre Eigenschaft als Gesellschaft nach dem Recht des Wegzugsstaates berührt, auf Art. 49 AEUV berufen kann.248 Aufgrund der vom EuGH gewählten Formulierung könnte allerdings der falsche Eindruck entstehen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nur für einen statutenwahrenden Wegzug eröffnet ist. Nach der Entscheidung in der Rechtssache Cartesio kann sich aber auch eine Gesellschaft auf die Niederlassungsfreiheit berufen, wenn sie infolge des Wegzugs ihre Eigenschaft als Gesellschaft des Gründungsstaates verliert und sich in eine Gesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaates umwandelt.249 Rechtsfolgen eines Wegzugs, die über den Verlust des nationalen Rechtskleides hinausgehen oder gar die Liquidation der fortziehenden Gesellschaft verlangen, sind daher unionsrechtlich nicht ohne Weiteres zulässig. Im Ergebnis kann sich eine deutsche Gesellschaft nach diesen Grundsätzen gegenüber der Bundesrepublik sowohl im Fall des nach §§ 4a GmbHG, 5 AktG möglichen sta244 Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 2, Rn. 62; oben Kapitel 2 C II. 2. c) bb). 245 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 26, IStR 2012, 27 (28); EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 109, NZG 2009, 61 (67); EuGH vom 27.9.1988, Rs. 81/87 Daily Mail, Slg. 1988, 5483, NJW 1989, 2186 (2187). 246 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 27, IStR 2012, 27 (28); EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 110, NZG 2009, 61 (67). 247 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 29, IStR 2012, 27 (28). Ähnlich auch Mitschke, IStR 2011, 294. 248 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 33, IStR 2012, 27 (29). 249 Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 34, BeckRS 2011, 81370; EuGH vom 16.12.2008, C-210/06 Cartesio, Slg. 2008, I-09641 Tz. 112, NZG 2009, 61 (67); oben Kapitel 2 C. 3. b).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
tutenwahrenden Wegzugs als auch beim nur kontinuitätswahrenden Wegzug unter Wechsel der Rechtsform auf Art. 49 AEUV berufen.250 In sachlicher Hinsicht schützt die Niederlassungsfreiheit über den Wortlaut von Art. 49 AEUV hinaus außerdem Inländer vor Beschränkungen des grenzüberschreitenden Verkehrs durch ihren Herkunftsstaat.251 Dass die Nutzung der Niederlassungsfreiheit durch die sofortige Besteuerung stiller Reserven zum Zeitpunkt des Wegzugs unterbunden, behindert oder weniger attraktiv ist, mit anderen Worten also beschränkt252 wird, konnte der EuGH relativ einfach feststellen. Niederländische Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins EU-Ausland verlegen, erleiden nämlich einen Liquiditätsnachteil im Vergleich zu Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nur innerhalb der Niederlande verlegen. Denn im letzten Fall unterliegen die Wertzuwächse erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung einer Besteuerung und nicht bereits zum Zeitpunkt der Sitzverlegung. Mit einem Verweis auf die Urteile in den Rechtssachen de Lasteyrie du Saillant und N hob das Gericht schließlich hervor, dass dieser Liquiditätsnachteil geeignet sei, die Gesellschaft von einer Nutzung der Niederlassungsfreiheit abzuhalten.253 In diesen Entscheidungen wurde insofern argumentiert, dass das nur fingierte Einkommen nicht zur freien Verfügung steht und sich daher durch die Steuerlast erhebliche Auswirkungen auf die Substanz des Vermögens ergeben können.254 Überträgt man diese Argumentation auf die deutschen Entstrickungstatbestände, wird deutlich, dass die §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a EStG, 12 Abs. 1 S. 1 KStG ebenfalls die Niederlassungsfreiheit beschränken. In rein innerdeutschen Sachverhalten müssen die stillen Reserven nämlich ebenfalls nicht zum Zeitpunkt der Sitzverlegung aufgedeckt werden. Weil das Steuerrecht für grenzüberschreitende Sachverhalte einen steuerneutralen Wegzug durch die sofortige Auf250 Linn, IStR 2011, 817 (818). Körner, IStR 2012, 1 (2) hat nur für Formwechsel und Spaltungen Zweifel. 251 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 35 m.w. N., IStR 2012, 27 (29); EuGH vom 6.12.2007, C-298/05 Columbus Container Services, Slg. 2007, I-10451 Tz. 33, IStR 2008, 63 (64); FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.2011, 1 V 1217/10, IStR 2011, 308 (310); Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der Europäischen Union, 2011, Art. 49 AEUV, Rn. 116; Reiter, Besteuerung stiller Reserven nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, 2011, S. 192; Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (498); Schwenke, DStZ 2007, 235 (241). 252 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 36, IStR 2012, 27 (29); EuGH vom 6.12.2007, C-298/05 Columbus Container Services, Slg. 2007, I10451 Tz. 34, IStR 2008, 63 (64); EuGH vom 5.10.2004, C-442/02 CaixaBank France, Slg. 2004, I-8961 Tz. 11, EuZW 2004, 701; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, AEUV, 2011, Art. 49, Rn. 28. 253 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 37, IStR 2012, 27 (29). 254 Vgl. EuGH vom 11.3.2004, C-9/02 de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409 Tz. 46, IStR 2004, 236 (239); EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 35, IStR 2006, 702 (703).
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deckung der stillen Reserven aber versagt, ist die Besteuerung geeignet, eine Gesellschaft von der Nutzung ihrer Niederlassungsfreiheit abzuhalten.255 2. Rechtfertigung der Beschränkung Der EuGH erkennt aber im Bereich der direkten Steuern zahlreiche ungeschriebene zwingende Gründe des Allgemeininteresses256 an, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können. Den Einwand, die Entstrickungsbesteuerung diene der Verhinderung von Steuerumgehungen, ließ der Gerichtshof indes nicht gelten. Dazu müsste die Besteuerung rein künstliche Gestaltungen sanktionieren, die ohne wirtschaftlichen Zweck allein der Steuerumgehung dienen.257 Die Verlegung des Verwaltungssitzes begründet aber keine allgemeine Vermutung für eine Steuerhinterziehung258; die mit der Sitzverlegung einhergehende Nutzung der Unterschiede zwischen den nationalen Steuerrechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist vielmehr eine erlaubte Form wirtschaftlichen Handelns im Binnenmarkt.259 Allerdings könnten die Entstrickungstatbestände dem Ziel dienen, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse unter den Mitgliedstaaten zu erreichen oder den Grundsatz der Kohärenz zu verwirklichen. Dann muss die Beschränkung aber weiterhin geeignet sein, diese Ziele zu erreichen und darf schließlich nicht über das hierzu erforderliche Maß hinausgehen.260 a) Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten Den Schwerpunkt der Rechtfertigungsprüfung in der Rechtssache National Grid Indus bildet der Gedanke einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungs255 Für § 12 Abs. 1 S. 1 KStG: FG Rheinland-Pfalz vom 7.11.2011, 1 V 1217/10, IStR 2011, 308 (310). Dieser Sachverhalt illustriert die Nachteile eindrucksvoll, denn die Parteien streiten immerhin um eine Steuerschuld von rund 53 Mio. A. Siehe auch Reiter, Besteuerung stiller Reserven nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, 2011, S. 201. 256 Umfänglich Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 931 ff.; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, AEUV, 2011, Art. 49, Rn. 36 ff.; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1230 ff.). 257 EuGH vom 13.5.2007, C-524/04 Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107 Tz. 72 ff., IStR 2007, 249 (254); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 956. 258 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 84, IStR 2012, 27 (34). 259 So Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 103, BeckRS 2011, 81370. 260 Ständige Rechtsprechung: EuGH vom 13.5.2007, C-524/04 Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107 Tz. 64, IStR 2007, 249 (254); EuGH vom 12.9.2006, C-196/04 Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 Tz. 47, DStR 2006, 1686 (1689); EuGH vom 30.11.1995, C-55/94 Gebhard, Slg. 1995, I-4165 Tz. 37, NJW 1996, 579 (581); Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1232).
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befugnisse zwischen den Mitgliedstaaten. Dieses Ziel wird in der jüngeren Rechtsprechung verstärkt als zwingender Grund des Allgemeininteresses zu Gunsten der Mitgliedstaaten entfaltet261, wobei der Gerichtshof die gedankliche Wurzel des Rechtfertigungsgrundes in seiner Argumentation leider nicht offen legt. Mit dem Abstellen auf eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse trägt der EuGH letztlich dem grundlegenden Konflikt zwischen wirtschaftlicher Integration in einem offenen Binnenmarkt und dem nicht harmonisierten direkten Steuerrecht als Ausdruck nationalstaatlicher Souveränität Rechnung.262 Ohne ausreichende Einnahmequellen in Gestalt von Steuern wären die Mitgliedstaaten nämlich nicht in der Lage, ihre staatlichen Aufgaben zu erfüllen.263 Die auch in einem offenen Binnenmarkt verbleibende staatliche Souveränität wäre damit wertlos. Speziell für die Besteuerung stiller Reserven findet eine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit ihren Ausgangspunkt darin, dass die Mitgliedstaaten mangels Harmonisierung der direkten Steuern die Kriterien für eine Aufteilung ihrer Besteuerungsrechte einseitig oder durch vertragliche Vereinbarungen selbst festlegen dürfen.264 Dabei wird eine Orientierung an dem international üblichen Grundsatz territorialer Abgrenzung der Gewinne nach dem OECD-MA ausdrücklich als sachgerecht anerkannt.265 In Bezug auf Wegzugsbesteuerungen leitet der Gerichtshof daraus den Gedanken ab, dass ein Mitgliedstaat wegen der Sitzverlegung nicht auf unrealisierte Wertzuwächse verzichten muss, die während der Zeit seiner Steuerhoheit über den fortziehenden Steuerpflichtigen entstanden sind.266 Erklären lässt sich diese Folgerung aus den Ursachen für stille Reserven. Durch Abschreibungen oder vorsichtige Bewertungen entstehen unrealisierte Wertzuwächse regelmäßig zu Lasten des Steueraufkommens der nationalen Fiski.267 Daher entspricht es einem fairen internationalen 261 EuGH vom 15.5.2008, C-414/06 Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3601 Tz. 42, EuZW 2008, 402 (404); EuGH vom 18.7.2007, C-231/05 Oy AA, Slg. 2007, I-6373 Tz. 51, EuZW 2007, 634 (637); EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 42, IStR 2006, 702 (703); EuGH vom 13.12.2005, C-446/03 Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10837 Tz. 45, DStR 2005, 2168 (2171); Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (150). 262 Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 31 f.; Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (150 f.). 263 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 32 zitiert insofern den Satz: „The power to tax is the power to govern.“. Siehe dazu auch Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (150). 264 EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 44, IStR 2006, 702 (703); EuGH vom 12.5.1998, C-336/96 Gilly, Slg. 1998, I -2793 Tz. 24, 30, DStRE 1998, 445 (447 f.); Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1230). 265 EuGH vom 12.5.1998, C-336/96 Gilly, Slg. 1998, I-2793 Tz. 31, DStRE 1998, 445 (448); EuGH vom 23.2.2006, C-513/03 van Hilten-van der Heijden, Slg. 2006, I1957 Tz. 47 f., IStR 2006, 309 (310 f.). 266 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 46, IStR 2012, 27 (30). 267 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 11–13, Rn. 13.
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Steuerwettbewerb, dass die einzelnen Mitgliedstaaten stille Reserven, die während ihrer Steuerhoheit entstanden sind, auch besteuern dürfen.268 Der zeitliche Besteuerungsaufschub durch die Bildung stiller Reserven währt im internationalen Kontext also nur so lange, wie in einem Staat entstandene Wertsteigerungen noch bei demselben Fiskus besteuert werden können, zu dessen Lasten sie gebildet wurden. Zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse erlaubt der EuGH daher den Mitgliedstaaten, die während der subjektiven Steuerpflicht auf ihrem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven zu besteuern.269 Für die §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a EStG, 12 Abs. 1 S. 1 KStG bleibt vor diesem Hintergrund festzuhalten: Weil die nationalen Entstrickungsklauseln dazu dienen, deutsche Besteuerungsrechte an im Inland entstandenen stillen Reserven zu sichern270, verfolgen die Regeln einseitig den legitimen Zweck, Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten ausgewogen aufzuteilen. Eine sofortige Besteuerung der Wertsteigerungen zum Zeitpunkt des Wegzugs ist geeignet, dieses Zeil zu verwirklichen.271 Dazu regeln die Tatbestände den Anlass einer Entstrickungsbesteuerung. Zwar befasst sich das Urteil des EuGH nur mit einer subjektiven Entstrickung durch Sitzverlegung. Allerdings erfüllen auch objektbezogene272 Entstrickungen die Anforderungen an den legitimen Zweck ausgewogener Aufteilung der Besteuerungsrechte. Schon der EuGH weist auf den Zusammenhang zwischen Sitzverlegung und Verlegung von Wirtschaftsgütern hin.273 Weiterhin stellen auch objektbezogene Entstrickungen die Abrechnung im Inland entstandener stiller Reserven sicher. Für das Ziel, Besteuerungsrechte ausgewogen nach dem Territorialitätsprinzip aufzuteilen, ist es zudem unerheblich, ob die im Inland entstandenen stillen Reserven durch den Wegfall des subjektiven oder des objektiven Steuertatbestands aus der Besteuerungshoheit ausscheiden. Die Auswahl der genauen Kriterien, wann ein Besteuerungsrecht noch besteht und wann nicht, überlässt der EuGH schließlich ausdrücklich den Mitgliedstaaten. Daher haben selbst die im JStG 2010 neu eingeführten Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 2 S. 2 KStG keinen Einfluss auf die europa268 Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 11–13, Rn. 13; Brink/Endres, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 331; Engert, DStR 2004, 664 (668). 269 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 46, IStR 2012, 27 (30); EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 46, IStR 2006, 702 (704). 270 BT-Drs. 16/2710, S. 1, 26, 28. 271 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 48, IStR 2012, 27 (30); Körner, IStR 2012, 1 (3); Musil, FR 2012, 32; Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (152). 272 Zur Unterscheidung von subjektbezogenen und objektbezogenen Entstrickungen siehe Kapitel 5 A. II. 1. b). 273 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 66, 73, IStR 2012, 27 (32 f.). Vgl. auch Musil, FR 2012, 32.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
rechtliche Bewertung.274 Zumindest die Tatbestände der §§ 4 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3a, 12 Abs. 1 S. 1 KStG können daher nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen unverändert bestehen bleiben.275 b) Kohärenz Eine Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven zum Zeitpunkt der Sitzverlegung könnte außerdem geeignet sein, das legitime Ziel der Kohärenz zu verwirklichen.276 An diesen Rechtfertigungsgrund, der die Systematik der nationalen Steuerrechtsordnungen wahren soll, soweit dadurch die Verwirklichung des Binnenmarktes nicht beeinträchtigt wird277, stellt der EuGH strenge Anforderungen. Erforderlich ist nämlich ein unmittelbarer persönlicher und sachlicher Zusammenhang278 zwischen einem steuerlichen Vorteil und der steuerlichen Belastung279, hier in Gestalt der Aufdeckung der stillen Reserven. Bei Entstrickungstatbeständen ist dieser Konnex allerdings gegeben und deckt sich im Ergebnis sogar mit dem Ziel einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte.280 Vorschriften des nationalen Steuerrechts erlauben vielfach, Gewinne durch die Bildung stiller Reserven in die Zukunft vorzutragen. Daran knüpft der Steuergesetzgeber regelmäßig die Erwartung, später an den Gewinnen zu partizipieren. Realisiert sich die Erwartung des Steuergesetzgebers nicht, weil der Steuerpflichtige nunmehr einer anderen Steuerhoheit unterliegt, dann macht die Aufdeckung der stillen Reserven nur die vorher gewährten Vorteile bei demselben Steuerpflichtigen rückgängig. Der Vorteil des Besteuerungsverzichts durch Bildung stiller Reserven und ihre Abrechnung zum Wegzugszeitpunkt stehen daher in einem unmittelbaren Zusammenhang.281 Da die deutschen Entstrickungstatbestände gerade an diesem Zusammenhang ansetzen, dienen sie ebenfalls der Aufrechterhaltung eines kohärenten nationalen Steuersystems. 274
So im Ergebnis Mitschke, FR 2012, 6 (9 f.). A. A. Körner, IStR 2012, 1 (4). Musil, FR 2012, 32; Mitschke, IStR 2012, 6 (9). 276 Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 100, BeckRS 2011, 81370. 277 Kube, in: Reimer/Dillmann/Altrogge, Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht, 2007, S. 232; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231). 278 EuGH vom 23.10.2008, C-157/07 Krankenheim Wannsee, Slg. 2008, I-8061 Tz. 43, IStR 2008, 769 (771); Lenaerts, Direkte Besteuerung in der EU, 2007, S. 81. 279 EuGH vom 28.1.1992, C-204/90 Bachmann, Slg. 1992, I-249 Rn. 21, EuZW 1992, 215 (216). 280 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 79, IStR 2012, 27 (34); Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 99, BeckRS 2011, 81370. 281 Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 99, BeckRS 2011, 81370; Reiter, Besteuerung stiller Reserven nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, 2011, S. 233. A. A. Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 97. 275
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Darüber hinaus verlangt der EuGH, dass der Zusammenhang zwischen Vorteil und Nachteil nicht durch Doppelbesteuerungsabkommen durchbrochen wird.282 Das ist hier gerade nicht der Fall. Denn auch die Zurechnung von Gewinnen zu einer Betriebsstätte nach den Grundsätzen der Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 OECD-MA führt nicht dazu, dass die ursprünglich im Wegzugsstaat angewachsenen stillen Reserven einer nunmehr ausländischen Betriebsstätte zuzurechen sind. Durch die umfassende Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach dem seit 2010 geltenden functionally separate entity approach erfolgt die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus nämlich bei Überführungen von Wirtschaftsgütern nach der direkten Methode zum Fremdvergleichsgrundsatz.283 Die Kohärenz wird daher nicht auf Abkommensebene durchbrochen.284 c) Verhältnismäßigkeit der Beschränkung nach National Grid Indus Auch wenn die Entstrickungstatbestände geeignet sind, Besteuerungsrechte ausgewogen aufzuteilen und die Kohärenz zu verwirklichen, dürfen die mit einer sofortigen Besteuerung verbundenen Nachteile nicht über das zur Erreichung dieser Ziele unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung fällt der Blick dann auf die Rechtsfolgenseite der Entstrickungsklauseln, denn gleich zu Beginn seiner Rechtfertigungsprüfung differenziert der EuGH zwischen der Festsetzung einer Steuer auf bisher noch nicht realisierte Wertsteigerungen im Zeitpunkt der Sitzverlegung und ihrer sofortigen Einziehung zum selben Zeitpunkt.285 aa) Sofortige Festsetzung Der Gerichtshof gibt schon mit dieser Differenzierung einen ersten Hinweis auf das Ergebnis seiner Prüfung. Denn jedenfalls die Festsetzung der Steuer zum Zeitpunkt des Wegzugs ist verhältnismäßig.286 Zur Begründung hat Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen darauf hingewiesen, dass so eine zeitnahe Abgrenzung der Besteuerungsrechte zwischen Wegzugs- und Zuzugsstaat mög282 EuGH vom 11.8.1995, C-80/94 Wielockx, Slg. 1995, I-2493 Tz. 23, EuZW 1995, 703 (704); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 969; Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (501). 283 Jacobs/Endres/Spengel, in: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2011, S. 649; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758, 762). Siehe auch oben Kapitel 5 A. II. 1. c) aa) (2). 284 Reiter, Besteuerung stiller Reserven nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, 2011, S. 235 f. 285 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 51, IStR 2012, 27 (30 f.). 286 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 52, IStR 2012, 27 (31).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
lich ist und der Steuerpflichtige durch eine sofortige im Vergleich zu einer späteren Festsetzung keinen Mehraufwand erleidet.287 Die Kommission hat demgegenüber unter Berufung auf das Urteil in der Rechtssache N vorgebracht, die fehlende Berücksichtigung von Wertminderungen zwischen dem Zeitpunkt der Sitzverlegung und der späteren Realisierung sei unverhältnismäßig.288 Dieses Gegenargument beruht auf dem Gedanken, dass dem Steuerpflichtigen ohne eine Berücksichtigung von Wertminderungen zusätzliche Nachteile erwachsen könnten. Ohne Berücksichtigung von Wertminderungen könnte die zum Wegzugszeitpunkt festgesetzte Steuer den Betrag übersteigen, der bei einer Veräußerung im Inland ohne Wegzug anfallen würde.289 Bei der Sitzverlegung einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft sieht der EuGH indes Unterschiede im Vergleich zu einem Wegzug von natürlichen Personen, wie sie der Rechtssache N zugrunde lag, die gegen eine Berücksichtigung von Wertminderungen im Wegzugsstaat sprechen. Der Aufnahmestaat wird nämlich beim Wegzug von unternehmerisch tätigen Gesellschaften seinerseits Wertminderungen regelmäßig berücksichtigen. Denn sämtliche Wirtschaftsgüter werden auch nach der Sitzverlegung produktiv eingesetzt. Weil nach der Sitzverlegung die Unternehmensgewinne allein beim Aufnahmemitgliedstaat anfallen, muss dieser korrespondierend zu seinem Besteuerungsrecht zukünftige Wertminderungen im unternehmerisch eingesetzten Vermögen beachten.290 Wenn aber sowohl der Aufnahmemitgliedstaat als auch der Wegzugsstaat Wertminderungen berücksichtigen, würde die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung bestehen, was wiederum dem legitimen Ziel ausgewogener Aufteilung der Besteuerungsrechte widerspricht.291 Die sofortige Festsetzung ohne Berücksichtigung zukünftiger Wertänderungen ist daher nach Ansicht des EuGH verhältnismäßig. Insofern ist aber hervorzuheben, dass die Ausführungen des Gerichtshofs nur unter der Prämisse gelten, dass der Zuzugsstaat, wie etwa die Bundesrepublik292 nach §§ 4 Abs. 1 S. 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG, tatsächlich keine stillen Reserven „importiert“ 293, indem die überführten Wirtschaftsgüter mit ihrem Verkehrswert bewertet werden.
287 Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 99, BeckRS 2011, 81370. So auch schon EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I7409 Tz. 49 f., IStR 2006, 702 (704). 288 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 53, IStR 2012, 27 (31). 289 EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 37, IStR 2006, 702 (703). 290 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 58, IStR 2012, 27 (31). 291 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 59, IStR 2012, 27 (31). 292 Gleiches gilt z. B. auch für Österreich nach § 6 Nr. 6 lit. c österreichisches EStG. 293 Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (157).
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Beim Import stiller Reserven durch Übernahme der Buchwerte im Zuzugsstaat besteht indes die Gefahr doppelter Besteuerung.294 bb) Wahlrecht zwischen sofortiger und späterer Einziehung als Kompromiss Den eigentlichen Kern der Entscheidung bilden allerdings die Ausführungen des Gerichtshofs zur Erforderlichkeit der nach niederländischem Recht angeordneten sofortigen Steuereinziehung. An den Beginn seiner Überlegungen stellt der Gerichtshof die unterschiedlichen Ansichten der Kommission und der am Verfahren beteiligten Regierungen. Die Kommission hält eine Einziehung der Steuer erst zum Zeitpunkt der späteren tatsächlichen Realisierung der Wertzuwächse für weniger einschneidend. Dieses Vorgehen sei gleichermaßen geeignet, das Ziel ausgewogener Aufteilung der Besteuerungsrechte zu erreichen. Insbesondere der mit einer späteren Einziehung verbundene Verwaltungsaufwand sei nicht übermäßig, wenn vom Steuerpflichtigen eine jährliche Erklärung über den Verbleib der Wirtschaftsgüter sowie eine Erklärung im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung verlangt werde.295 Demgegenüber halten die beteiligten Regierungen eine spätere Einziehung der Steuer nicht für eine ebenso gut geeignet Alternative, das legitime Ziel ausgewogener Aufteilung der Besteuerungsrechte zu verwirklichen. Die spätere Einziehung setze eine Nachverfolgung der Wirtschaftsgüter voraus. Deren Organisation bedinge für die betroffenen Gesellschaften ebenso wie für die Steuerverwaltungen einen übermäßigen Aufwand.296 Schließlich sei auch das vorhandene zwischenstaatliche Instrumentarium zur Unterstützung des Herkunftsmitgliedstaates bei der späteren Nachverfolgung und Einziehung der Steuern nicht hinreichend wirkungsvoll.297 Im Anschluss daran arbeitet der EuGH die Kernelemente des Problems heraus. Nur die spätere Einziehung der Steuer nach Realisierung der Wertzuwächse verhindert einerseits eine Belastung des Steuerpflichtigen durch Abfluss von Liquidität.298 Auf der anderen Seite verkennt der Gerichtshof nicht, dass der Rechtssache National Grid Indus ein einfacher Sachverhalt zugrunde lag, bei dem nur eine Forderung betroffen war und sich in vielen anderen Fällen die Vermögenssituation der wegziehenden Gesellschaft erheblich komplizierter darstellen kann, 294 295
Wassermeyer, IStR 2011, 813 (814); Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (157). EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 65 f., IStR 2012, 27
(32). 296
EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 67, IStR 2012, 27
(32). 297
EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 78, IStR 2012, 27
(33). 298
(32).
EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 68, IStR 2012, 27
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
sodass eine Nachverfolgung unmöglich ist.299 Sind von der Sitzverlegung zahlreiche Wirtschaftsgüter betroffen, dann führt die von der Kommission vorgeschlagene jährliche Erklärung unter Umständen durch den damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwand für den Steuerpflichtigen ebenfalls zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.300 Die Lösung der Kommission ist daher nicht zwingend weniger einschneidend als die von den Regierungen bevorzugte sofortige Einziehung der Steuer. Bei der Suche nach weniger gravierenden Mitteln zur effektiven Verwirklichung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte vertritt der EuGH dann eine vermittelnde Lösung. Eine nationalstaatliche Regelung, die den Steuerpflichtigen die Wahl301 lässt, entweder den sofortigen Liquiditätsnachteil in Kauf zu nehmen oder den Verwaltungsaufwand bis zu einer späteren Realisierung zu tragen, beeinträchtige die Niederlassungsfreiheit weniger stark und gewährleiste gleichzeitig effektiv eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsrechte.302 Insbesondere den Einwand, der mit einer späteren Steuereinziehung verbundene Nachverfolgungsaufwand der Steuerbehörden sei übermäßig, weist der Gerichtshof auf der Grundlage des Wahlrechts zurück.303 Seine Begründung ist allerdings kompliziert. Konzeptionell beruht die Lösung des EuGH nämlich auf einer mehrstufigen Abschichtung der Verantwortungsbereiche des Steuerpflichtigen und der Steuerbehörden nach Effizienzgesichtspunkten im Einzelfall. Durch die unionsrechtlich zulässige sofortige Festsetzung der Steuer ohne Berücksichtigung zukünftiger Wertänderungen reduziert sich der Verwaltungsaufwand der Steuerbehörden zunächst auf die spätere Einziehung.304 Außerdem entwickelt der EuGH den ursprünglichen Vorschlag der Generalanwältin, die spätere Einziehung der Steuer auf Vermögensmassen zu beschränken, deren Zusammensetzung eine einfache Nachverfolgung sämtlicher Gegenstände erlaubt305, zu einem Wahlrecht des Steuerpflichtigen fort. Dadurch verringert sich der Aufwand der Steuerbehörden auch im Zusammenhang mit der Nachverfolgung auf ein angemessenes Maß. Die ursprünglich vorgeschlagene Abgrenzung wäre nämlich streit299 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 69 f., IStR 2012, 27 (32 f.); Mitschke, IStR 2011, 294 (298). 300 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 71, IStR 2012, 27 (33). 301 Linn, IStR 2011, 817 (819, Fn. 27) weist darauf hin, dass der liechtensteinische Gesetzgeber bereits dem Steuerpflichtigen die Entscheidung überlässt, ob er den Aufwand eines Nachweises auf sich nimmt. 302 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 73, IStR 2012, 27 (33). 303 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 75 ff., IStR 2012, 27 (33). 304 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 77, IStR 2012, 27 (33). 305 Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 8.9.2011, C-371/10 Tz. 69 ff., BeckRS 2011, 81370.
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anfällig und damit verwaltungsaufwändig gewesen.306 Diese Nachteile entfallen, da die notwendige Abgrenzungsentscheidung von der Finanzverwaltung auf den Steuerpflichtigen verlagert wird. Das ist unter ökonomischen Gesichtspunkten sachgerecht. Denn der Steuerpflichtige kann selbst am besten beurteilen, bis zu welchem Grenzwert sich der je nach Zusammensetzung des Vermögens unter Umständen erhebliche Dokumentationsaufwand einer Nachverfolgung der Wirtschaftsgüter im Vergleich zur sofortigen Liquiditätsbelastung noch lohnt. Bei den Steuerbehörden verbleibt folglich nur noch die Kontrolle der Dokumentation. Weil der Steuerpflichtige aber seine Entscheidung zwischen sofortiger Liquiditätsbelastung und Dokumentationsaufwand im Regelfall am Kriterium ökonomischer Effizienz ausrichten wird, ist auch der Kontrollaufwand der Verwaltung im Einzelfall angemessen.307 Denn in zu komplexen Fällen, die im Einzelfall einen übermäßigen Kontrollaufwand bedingen würden, entscheidet sich der Steuerpflichtige unter der Prämisse rationalen Handelns gegen die aufwändige Dokumentation. Dass es durch die Kumulation zahlreicher Einzelfälle mit angemessenem Verwaltungsaufwand trotzdem zu großen Belastungen der Steuerbehörden kommt, ist dem Steuerrecht als Massenverwaltungsrecht inhärent und kann nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen wirken. Auch der Hinweis auf administrative Schwierigkeiten internationaler Kooperation bei der noch verbleibenden Kontrolle der Mitteilungen und der Einziehung der Steuer, reicht nicht aus. Hierzu stellt der EuGH ausdrücklich fest, dass mit der Beitreibungsrichtlinie 308 und den nationalen Umsetzungsgesetzen309 hinreichende Instrumente zur Verfügung stehen.310 Das ist konsequent, denn die von den Mitgliedstaaten propagierten Defizite beruhen letztlich auf der ineffektiven Umsetzung von EU-Recht. Die effektive Umsetzung obliegt aber den Mitgliedstaaten selbst, sodass verbleibende Defizite nicht gegen die Steuerpflichtigen wirken dürfen.311 Im Ergebnis verbietet der EuGH also nicht generell jede Sofortversteuerung stiller Reserven beim Wegzug312; anders als in den Rechtssachen de Lasteyrie du 306
Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (271); Linn, IStR 2011, 817 (819 f.). Vgl. EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 77, IStR 2012, 27 (33). 308 Bis 31.12.2011: RL 2008/55/EG vom 26.5.2008, Abl. EU Nr. L 150/08 vom 10.6.2005. Nunmehr RL 2010/24/EU vom 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, Abl. EU Nr. L 84/1 vom 31.3.2010. 309 Für die Bundesrepublik jüngst: Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 13.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. 310 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 78, IStR 2012, 27 (33). 311 Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (152); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1485). 312 A. A. Körner, IStR 2012, 1 (5), der davon ausgeht, das Urteil verbiete „flächendeckend jegliche deutsche Sofortbesteuerung stiller Reserven beim Transfer ins EUAusland.“ 307
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Saillant und N wird aber auch keine zwingende Stundung der Steuerschuld verlangt. Auf eine kurze Formel gebracht könnte man sagen, dass der EuGH mit dem Wahlrecht dem Steuerpflichtigen einen Kompromiss anbietet, der eine einmalige übermäßige Liquiditätsbelastung ebenso verhindert wie einen übermäßigen Verwaltungsaufwand zur Absicherung der den Mitgliedstaaten unstreitig zustehenden Besteuerungsrechten. cc) Verhältnismäßigkeit der nationalen Entstrickungstatbestände? Seit Inkrafttreten des SEStEG wird eine europarechtliche Rechtfertigung der deutschen Entstrickungsbesteuerung überwiegend abgelehnt.313 Die Rechtssache National Grid Indus weckt allerdings Zweifel, ob diese Ansicht aufrechterhalten werden kann. Das besondere Augenmerk liegt insofern auf der Verhältnismäßigkeit des Rechtsfolgenkonzepts. Denn auch die deutschen Entstrickungstatbestände gehen wie die niederländische Schlussbesteuerung von einer liquiditätswirksamen sofortigen Einziehung der Steuer aus.314 Anders als in der Rechtssache National Grid Indus erlauben §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG allerdings auf Antrag eine zinslose zeitliche Streckung der Liquiditätsbelastung über fünf gleiche Jahresraten. Insofern ist fraglich, ob dieses Konzept den Maßstäben des EuGH an die Erforderlichkeit gerecht wird. Dagegen spricht zunächst, dass der EuGH kein Wahlrecht zwischen einer sofortigen und einer nur zeitlich gestreckten sofortigen Besteuerung postuliert: Soweit der Steuerpflichtige bereit ist, den Aufwand einer Dokumentation zu tragen, ist ihm ein unbegrenzter Besteuerungsaufschub bis zum Zeitpunkt einer späteren Realisierung zu gewähren. Für die Verhältnismäßigkeit des nationalen Rechtsfolgenkonzepts spricht aber, dass ein Wahlrecht nicht die einzig denkbare Variante im Rahmen der Erforderlichkeit ist; entscheidend ist lediglich, dass es sich bei anderen denkbaren Lösungen ebenfalls um ein milderes Mittel gegenüber der sofortigen Einziehung des gesamten Betrags handelt. Ein solches milderes Mittel stellt auch die zinslose zeitliche Streckung der Steuerschuld dar.315 Welches mildere Mittel konkret in das System der Entstrickungsbesteuerung implementiert wird, obliegt der Ein313 Hey, in: Tipke/Lang, 2010, § 17, Rn. 239; Reiter, Besteuerung stiller Reserven nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, 2011, S. 256; Stadler/Elser, in: Blumenberg/Benz, Das SEStEG, 2007, S. 56 ff.; Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (156); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22 (28); Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372); Hahn, IStR 2006, 797 (803). A. A. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 211; ders., FR 2011, 545 (548); Schwenke, DStZ 2007, 235 (245 f.). Offen Wied, in: Blümich, EStG, 2011, § 4, Rn. 486. 314 Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2011, § 4, Rn. 329; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 2009, S. 65; Mitschke, IStR 2012, 6 (8); Kahle, IStR 2007, 757 (763). 315 BR-Drs. 542/06, S. 2; Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); Musil, FR 2011, 545 (548).
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schätzungsprärogative des nationalen Gesetzgebers. Außerdem ist zu beachten, dass durch die Rechtssache National Grid Indus das bis dato wichtigste Argument gegen die §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG entfällt. Die in den Rechtssachen de Lasteyrie du Saillant und N entwickelten Grundsätze uneingeschränkter Stundung der Steuerschuld beim Wegzug natürlicher Personen sind nach dem jüngsten Urteil in entscheidenden Punkten nicht auf den Wegzug von Gesellschaften übertragbar.316 Denn auch der Vorschlag des EuGH kommt nicht ohne eine jährliche Belastung der Liquidität aus. Anders als beim Wegzug natürlicher Personen317 verlangt der Gerichtshof nunmehr keinen automatischen Zahlungsaufschub und erlaubt im Fall der Stundung sogar die Erhebung von Zinsen und die Stellung von Sicherheiten im Rahmen der geltenden nationalen Regeln.318 Belastungen der Liquidität sind also in der betrieblichen Sphäre nicht generell verboten. Untersagt ist allein die sofortige Einziehung des gesamten Steuerbetrags und zwar nur für den Fall fehlender Nachverfolgung der Wirtschaftsgüter. Für diese doch erhebliche Diskrepanz zu seiner bisherigen Rechtsprechung zum Wegzug natürlicher Personen wäre eine eingehende Begründung wünschenswert gewesen. Das einzig zur Argumentation angeführte steigende Risiko der Nichteinziehung der Steuer mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Wegzugszeitpunkt319 besteht nämlich auch beim Wegzug natürlicher Personen. Eine unterschiedliche Behandlung beider Fallgruppen überzeugt nicht.320 Bezieht man aber trotz dieser Friktionen das Kriterium der jüngsten Entscheidung mit in die Beurteilung ein, wonach Belastungen der Liquidität durch Zinsen und Kosten für Sicherheiten bei fortbestehender Steuerschuld trotz einer Dokumentation des Schicksals der Wirtschaftsgüter zulässig sind, erscheint auch die Liquiditätsbelastung durch ein ratierliches Abschmelzen der Steuerschuld nicht a priori als unverhältnismäßig.321 Für den Steuerpflichtigen haben sowohl das Wahlrecht des EuGH als auch die Ausgleichsposten des nationalen Rechts ihren Preis. Wirtschaftlich macht es nämlich keinen Unterschied, ob die Ursache der 316 Mitschke, IStR 2012, 6 (10). Für die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den betrieblichen Bereich noch Holzhäuser, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2011, § 4g, Anm. A 23; Körner, IStR 2012, 1 (5); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1888, (1889); Heurung/Engel/Thiedemann, EWS 2011, 229 (230); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22 (28). 317 EuGH vom 11.3.2004, C-9/02 de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, IStR 2004, 236 ff. und EuGH vom 7.9.2006, C-470/04 N, Slg. 2006, I-7409 Tz. 51, IStR 2006, 702 (704). 318 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 73 f., IStR 2012, 27 (33). 319 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 74, IStR 2012, 27 (33). 320 Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (271). 321 Die Belastung durch Zinsen und Sicherheiten sehen auch Hahn, BB 2012, 681 (686) und Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (272) als Ansatzpunkt für alternative Lösungen der Rechtsfolgenseite.
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Liquiditätsbelastungen in Kosten für Zinsen oder Sicherheiten bis zur späteren Einziehung der Steuerschuld oder in ihrem jährlichen Abschmelzen liegt. Insofern bietet die Ausgleichspostenmethode sogar den Vorteil, dass die Zahlungsflüsse über den gesamten relevanten Zeitraum sicher planbar sind. Ein weiterer Vorteil der Ausgleichspostenmethode gegenüber dem Wahlrecht des EuGH ist, dass insbesondere bei Sitzverlegungen im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 5 EStG eine zukünftige Nachverfolgung der Wirtschaftsgüter weitgehend entfällt und folglich kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Der vom EuGH in dem vorgeschlagenen Wahlrecht umgesetzte Kompromiss zwischen den Nachteilen einer sofortigen Zahlung des gesamten Steuerbetrags und der effektiven Sicherung nationaler Besteuerungsrechte wird, wenn auch mittels einer anderen Rechtstechnik, daher durch Ausgleichsposten nach dem Muster der §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG gleichermaßen erreicht. Auch wenn eine zinslose Stundung der Steuer ohne Sicherheitsleistung nach dem Vorbild des § 6 Abs. 5 AStG aus der Sicht des Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner Flexibilität in der betrieblichen Sphäre wünschenswert wäre, kommt die Ausgleichspostenmethode also nach den in der Rechtssache National Grid Indus aufgestellten Kriterien grundsätzlich als Alternative zu einem Wahlrecht für die europarechtskonforme Entstrickungsbesteuerung in Betracht. Für dieses Ergebnis spricht letztlich auch der Umstand, dass die Kommission gegen die Bundesrepublik, anders als gegen zahlreiche andere Staaten, gerade kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat.322 Fraglich bleibt also noch, ob die Ausgestaltung der Normen, insbesondere der von §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG vorgegebene Zeitrahmen von fünf Jahren, verhältnismäßig ist. Das lässt sich anhand eines Belastungsvergleichs abschätzen. Pro Jahr löst die ratierliche Abschmelzung des Ausgleichspostens zwingend eine Belastung in Höhe von 20% der festgesetzten Steuerschuld aus. Addiert man aber die Stundungszinsen, die Kosten für Sicherheiten z. B. in Form einer Bankbürgschaft sowie die ersparten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Dokumentation, dann wird ersichtlich, dass auch die Lösung des EuGH erhebliche323 jährliche Kosten verursacht. Soweit diese Kosten im Durchschnitt324 ebenfalls annähernd 20% der gestundeten Steuerschuld betragen, wäre das Rechtsfolgenkonzept der deutschen Entstrickungsbesteuerung bei typisierender Betrachtung verhältnismäßig und folglich europarechtskonform.325 Sollten die Kosten im Durchschnitt weniger als 20% betragen, 322
Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012). Unter Hinweis auf FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.2011, 1 V 1217/10, IStR 2011, 308 (309), wo es um eine Steuerschuld von 53 Mio. A ging, hebt Mitschke, IStR 2012, 6 (10) diesen Aspekt besonders hervor. 324 Für eine abschließende Beantwortung der Verhältnismäßigkeit wären daher empirische Daten notwendig. 325 Ähnlich Hahn, BB 2012, 681 (686), der eine zulässige Typisierung de lege lata aber wegen § 4g Abs. 2 S. 2 EStG ablehnt. 323
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müsste mit einer entsprechenden zeitlichen Ausdehnung der Ratenzahlung reagiert werden, um eine verhältnismäßige Regelung zu erreichen. Abgesehen davon muss in jedem Fall zusätzlich der Anwendungsbereich von § 4g Abs. 1 EStG auf EWR-Staaten, auf beschränkt Steuerpflichtige und auf Umlaufvermögen ausgedehnt werden, um Europarechtsverstöße zu beseitigen.326 Im Ergebnis ist daher jedenfalls die Tatbestandsseite der allgemeinen Entstrickungsnormen des EStG und KStG europarechtskonform. Auf der Rechtsfolgenseite ermöglicht eine Ausgleichspostenmethode nach dem Muster der §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG außerdem grundsätzlich die Implementierung eines verhältnismäßigen Rechtsfolgenkonzepts. Im Detail bedarf es allerdings noch Nachbesserungen des Gesetzgebers, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs von § 4g EStG und womöglich hinsichtlich der zeitlichen Streckung bei der Auflösung der Ausgleichsposten.
III. Europarechtskonformität der Entstrickungsklauseln des UmwStG Offen ist allerdings noch, ob dieses Ergebnis auch für die dogmatisch von den allgemeinen Entstrickungstatbeständen zu trennenden327 Entstrickungsklauseln des UmwStG gilt. Die Darstellung kann sich auf die augenfälligen Unterschiede zwischen beiden Regelungskomplexen fokussieren. Infolgedessen sind insbesondere die Beschränkung sowie die Erforderlichkeit genauer zu untersuchen. 1. Anwendungsbereich und Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Bereits in den Kapitel 2 und 5 wurde ausführlich erörtert, dass der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV für Umstrukturierungen im Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet ist. Das gilt einerseits für die zivilrechtlich ohnehin zulässige grenzüberschreitende Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG. Andererseits folgt aus der Rechtssache Sevic Systems, dass ein inländisches Verbot grenzüberschreitender Vermögensübertragungen zugleich ein Verbot an die ausländische Gesellschaft ist, inländisches Vermögen hinzuzuerwerben, was eine Diskriminierung darstellt.328 Daher erfasst Art. 49 AEUV
326 Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4g, Anm. 6; Brink/Endres, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 336; Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); Heurung/Engel/Thiedemann, EWS 2011, 229 (231); Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (156). 327 Siehe Kapitel 6 D. I. 328 Lutter/Drygala, in: Lutter/Winter, UmwG, 2009, § 1, Rn. 10; oben Kapitel 2 C. II. 2.
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
auch andere grenzüberschreitende Umstrukturierungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Allerdings stellt sich für Umstrukturierungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit durch Entstrickungsklauseln des UmwStG überhaupt Beschränkungen erfährt. Daran könnte man auf den ersten Blick zweifeln. Denn auch in rein inländischen Sachverhalten erfüllen diese Umstrukturierungen alle Voraussetzungen tauschähnlicher Veräußerungsvorgänge329. Insofern kann anders als in der Rechtssache National Grid Indus nicht argumentiert werden, dass die bisher unrealisierten Wertsteigerungen allein aufgrund des grenzüberschreitenden Bezugs aufgedeckt werden müssen, weil auch im rein nationalen Fall das Gesetz von einer Gewinnrealisierung ausgeht. Die Begründung der im Ergebnis dennoch vorliegenden Beschränkung erfordert vielmehr einen argumentativen Zwischenschritt. In ausschließlich inländischen Sachverhalten, also bei inlandsansässigen Rechtsträgern mit nur inländischem Vermögen, spielen die Entstrickungsklauseln des UmwStG330 keine Rolle. Ihre Voraussetzungen sind systembedingt immer erfüllt331, da sowohl ein objektiver als auch ein subjektive Anknüpfungspunkt für den Steuertatbestand im Inland verbleiben. Erfüllen die Beteiligten alle sonstigen Voraussetzungen der Buchwertfortführungsvorschriften, entsteht bei inländischen Umstrukturierungen kein Übertragungsgewinn. Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen verändern sich die objektiven und subjektiven Anknüpfungspunkte des Steuertatbestands aber zwangsläufig, sodass die Entstrickungsklauseln eingreifen332 und den Buchwertansatz unterbinden. Im Anwendungsbereich des UmwStG liegt die Beschränkung demnach nicht in der Versteuerung bisher unrealisierter Wertzuwächse, sondern in der Versagung eines vorteilhaften Steueraufschubs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Hervorzuheben ist allerdings, dass sich dieses Problem bei umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln, sofern man die These von der Zentralfunktion des Stammhauses ablehnt333, auf subjektbezogene Entstrickungen reduziert. Trotzdem bleibt die Steuerneutralität nur deshalb versagt, weil die übernehmende Kapitalgesellschaft oder die Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft im Ausland ansässig sind.334 Daher erleidet der Steuerpflichtige durch die Aufdeckung stiller Reserven einen Liquiditätsnachteil, der geeignet ist, ihn von der Nutzung seiner unionsrechtlich geschützten
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Kapitel 6 B. 2. §§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 21 Abs. 2 S. 2, 24 Abs. 2 S. 2 UmwStG. 331 Kapitel 3 B. II. 2. c); E. II. 2. b); Kapitel 4 A. II. 2. b). 332 Zu den Umstrukturierungssachverhalten, die eine Entstrickung auslösen können: Kapitel 5 A. II. 1. b). 333 Kapitel 5 A. II. 1. b) cc) (2). 334 Zu subjektbezogenen Entstrickungen siehe Kapitel 5 A. II. 1. b) bb) sowie B. 330
D. Rückausnahme – Internationale Entstrickung
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Niederlassungsfreiheit abzuhalten.335 Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln beschränken also die Niederlassungsfreiheit. 2. Keine Rechtfertigung der Beschränkung Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus erscheint eine Rechtfertigung dieser Beschränkung allerdings fraglich. Zumindest lassen sich noch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung finden. Denn auch die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln sind geeignet, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsrechte am Maßstab des Territorialitätsprinzips zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Hierzu haben die Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit, während ihrer Besteuerungshoheit angewachsene stille Reserven auch zu besteuern.336 Drohen bisher unversteuerte Wertzuwächse durch grenzüberschreitende Umstrukturierung dem inländischen Steuerzugriff endgültig zu entgehen, dann sind die Entstrickungsklauseln geeignet, diese Wertzuwächse für eine inländische Besteuerung sicherzustellen. Demnach verstoßen zumindest die Tatbestände der Entstrickungsklauseln nicht gegen Europarecht.337 Allerdings geht ihr Rechtsfolgenkonzept über das zur Erreichung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte erforderliche Maß hinaus. Im Entstrickungsfall müssen stille Reserven, an welchen ein Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist, ohne Ausnahme sofort aufgedeckt werden.338 Ausgleichsposten dürfen im UmwStG nicht gebildet werden. Die §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG finden keine Anwendung339, sodass die entstandene Steuerschuld sofort liquiditätswirksam zu begleichen ist. Aus der jüngsten Entscheidung des EuGH folgt aber jedenfalls, dass eine derart undifferenzierte Sofortversteuerung auch in der betrieblichen Sphäre nicht erforderlich ist. Grenzüberschreitende Sachverhalte dürfen zwar belastende Auswirkungen auf die Liquidität durch Zinsen und Kosten für notwendige Sicherheiten haben.340 Die Steuerpflichtigen dürfen aber zumindest nicht sofort in voller Höhe mit der Steuerschuld belastet werden. Un335 EuGH vom 21.11.2002, C-436/00 X & Y, Slg. 2003, I-10829 Tz. 36, IStR 2003, 23 (25); EuGH vom 8.6.2004, C-268/03 De Baeck, Slg. 2004, Slg. 2004 I-5961 Tz. 24 f.; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, Vor §§ 11–13, Rn. 10. 336 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 46, IStR 2012, 27 (30). 337 Musil, FR 2012, 32; Mitschke, IStR 2012, 6 (9). Mit anderer Begründung Körner, IStR 2012, 1 (4). 338 Kapitel 5 A. II. 3. 339 Kolbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4g, Anm. 8; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2705); Köhler, IStR 2010, 337 (339). 340 EuGH vom 29.11.2011, C-371/10 National Grid Indus, Tz. 73 f., IStR 2012, 27 (33).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
erlässlich ist daher, dass der Gesetzgeber im UmwStG ein Rechtsfolgenkonzept implementiert, das die Nachteile einer sofortigen Besteuerung aller stillen Reserven beseitigt. Als sicherste Lösungen bietet sich dafür ein Wahlrecht nach dem Vorbild des EuGH an. Es erscheint aber auch nicht ausgeschlossen, den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 5 EStG auf Betriebsveräußerungen auszudehnen und einen Verweis auf die so reformierte Norm in das UmwStG aufzunehmen. De lege lata sind die Entstrickungsklauseln aufgrund des nicht erforderlichen Rechtsfolgenkonzepts jedenfalls europarechtswidrig.341
IV. Ergebnis Entstrickungstatbestände beschränken die Niederlassungsfreiheit. Zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten ist die sofortige Steuerfestsetzung aber gerechtfertigt. Die sofortige Einziehung darf indes nur bei ausreichender Berücksichtung der Interessen des Steuerpflichtigen erfolgen. Insofern bieten die Ausgleichsposten des deutschen Steuerrechts eine verhältnismäßige Alternative zu einem Wahlrecht, wie es der EuGH vorschlägt. Insgesamt fügt sich das grundsätzliche Konzept der Entstrickungstatbestände als Rückausnahme in die bisher erarbeitete Systematik ein. Der Fiskus darf seinen Besteuerungsverzicht „auf Zeit“ zurücknehmen, wenn sein Anspruch auf Abrechnung im Inland entstandener stiller Reserven durch den Ausschluss oder die Beschränkung seines Besteuerungsrechts beeinträchtigt wird. Nach der jüngsten Entscheidung in der Rechtssache National Grid Indus bleibt das befürchtete „Chaos“ 342 für die nationale Entstrickungsbesteuerung also aus. Allerdings zeigt sich auch im Zusammenhang mit den Entstrickungsklauseln der fehlende Überblick des Gesetzgebers über die systematischen Zusammenhänge des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Die Entstrickungstatbestände des EStG und des UmwStG stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind durch ihren gemeinsamen Zweck, deutsche Besteuerungsrechte zu sichern343, verbunden. Im UmwStG fehlt allerdings ein Ausgleichsmechanismus, der diesen Zweck und die Interessen des Steuerpflichtigen an unbeschränkter Mobilität innerhalb des Binnenmarktes zu einem Ausgleich bringt. Als Minimallösung ist der Gesetzgeber daher aufgerufen, jedenfalls den Anwendungsbereich der Ausgleichsposten auch auf das UmwStG auszudehnen.
341 Hahn, BB 2012, 681 (687); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); Kußmaul/Richter/Heyd, IStR 2010, 73 (76 f.); Körner, IStR 2006, 109 (110). A. A. Schwenke, DStZ 2007, 235 (246). 342 Wassermeyer, IStR 2011, 813 (816). 343 Siehe Kapitel 6 D. I.
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung Offen ist damit nur noch die Frage, ob sich auch der Gedanke der Missbrauchsvermeidung als vierter Referenzpunkt in die bisher erarbeitete Systematik steuerneutraler Umstrukturierungen einfügt. Das erscheint allerdings zweifelhaft, weil die §§ 15 Abs. 2, 22 UmwStG und § 6 Abs. 5 S. 4 bis S. 6 EStG regelmäßig Kombinationen jeweils steuerneutraler Umstrukturierungen verhindern344. Mehrere Strukturierungsschritte können aber notwendig sein, um beispielsweise eine geeignete Ausgangsstruktur für rechtssichere grenzüberschreitende Verschmelzungen nach §§ 122a ff. UmwG zu erreichen oder schlicht um dem stetigen Anpassungsdruck auf die Unternehmung gerecht zu werden. Damit stehen die Missbrauchstatbestände in einem eklatanten Widerspruch zu den Zielen des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Blickt man außerdem auf die verschiedenen Sperrfristen von drei, fünf und sieben Jahren und die zahlreichen Unklarheiten der Tatbestände, dann werden die Zweifel an einem in sich geschlossenen Konzept noch größer. Insofern werden die Missbrauchsklauseln teils scharf als „Meisterleistung“ 345 kritisiert. Daher sind die Missbrauchsregeln in einem ersten Schritt auf eine gemeinsame Grundlage zu untersuchen, die jenseits der uneinheitlichen Tatbestände liegt und die sich in das bisher erarbeitete System einfügen könnte. Anschließend steht ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht auf dem Prüfstand.
I. Systematisierung der Missbrauchstatbestände Ausgehend von ihrer Rechtsfolge stellen sämtliche Missbrauchstatbestände im Rahmen der bisherigen Referenzpunkte Rückausnahmen zu den Buchwertfortführungsregeln dar.346 Für § 6 Abs. 5 S. 4 und S. 6 EStG sowie §§ 15 Abs. 2 S. 3 und 22 UmwStG ergibt sich diese Einordnung bereits aus dem Gesetz. Veräußert ein Steuerpflichtiger während der nach einer Umstrukturierung beginnenden Sperrfrist beispielsweise die als Gegenleistung gewährten Anteile oder das eingebrachte Vermögen, wirken diese Ereignisse steuerlich in die Vergangenheit zurück. Nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO sind die entsprechenden Steuerbescheide rückwirkend zu ändern.347 Eine andere Technik verwenden § 6 Abs. 5 S. 5 EStG sowie § 15 Abs. 2 S. 1 und S. 5 UmwStG. Diese Normen verbieten schon die Anwendung der Buchwertfortführungsvorschriften zum Zeitpunkt der 344
Kapitel 3 F. 3. b); Kapitel 4 A. II. 3. c); IV. 2. b); B. II. 2. c). Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 222 für § 15 Abs. 2 UmwStG. 346 Crezelius, FR 2009, 881 (882, 884); Graw, FR 2009, 837. 347 Das gilt auch für § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG, Hörtnagl, in: Schmidt/Hörtnagl/ Stratz, UmwStG, 2009, § 15, Rn. 215. 345
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Umstrukturierung. Insbesondere bei den Spaltungsregeln zeigt sich der Rückausnahmecharakter der Vorschriften daran, dass binnen einer Frist von drei beziehungsweise fünf Jahren vor der Spaltung die fiktiven Teilbetriebe und die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises schon bestanden haben muss. Länger zurückliegende Veränderungen dieser beiden Kriterien sind dagegen unschädlich. 1. Kontinuität unternehmerischen Engagements als gemeinsamer Zweck Durch ihre Einordnung als Rückausnahme können die Missbrauchsklauseln trotz aller Detailprobleme auf einen einheitlichen gemeinsamen Zweck zurückgeführt werden. Ausgangspunkt dieser These ist die Teleologie der Buchwertfortführungsvorschriften. Diese gewähren bei fortbestehender sachlicher und persönlicher Kontinuität eines unternehmerischen Engagements Ausnahmen zum Grundsatz der Gewinnrealisation bei Umstrukturierungen. Denn soweit der übernehmende Rechtsträger keine Gegenleistung außer Gesellschaftsrechten gewährt und daher nach der Umstrukturierung dieselbe unternehmerische Einheit denselben Gesellschaftern in bloß veränderter Form zugeordnet bleibt, ist die Vermutung gerechtfertigt, dass die Vermögensübertragung nicht in der Absicht erfolgt, die stillen Reserven des Unternehmensvermögens am Markt zu realisieren.348 Versagen die Missbrauchsklauseln ihrerseits aber den Rückgriff auf diese Ausnahmeregeln, dann unterstellt der Gesetzgeber offensichtlich, dass sich in diesen Fällen die Vermutung fehlender Gewinnrealisierungsabsicht tatsächlich nicht bewahrheitet hat. Anders gewendet dienen die Missbrauchstatbestände also dazu, die teleologische Grundlage der Buchwertfortführungsvorschriften abzusichern. Am deutlichsten lässt sich die Absicherung des Gedankens der Fortführung eines unternehmerischen Engagements im ursprünglichen Gesellschafterkreis an § 15 Abs. 2 UmwStG nachvollziehen.349 Dazu verhindert § 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG zuerst Gestaltungen, die wirtschaftlich der Abspaltung einzelner Wirtschaftsgüter gleichstehen und daher geeignet sind, das Teilbetriebserfordernis zu umgehen.350 Folglich gewährleistet diese Missbrauchsklausel die erforderliche Qualität des übergehenden Vermögens und stellt so die zur Rechtfertigung der Ausnahme notwendige sachliche Kontinuität351 des umstrukturierten Unterneh-
348
Siehe ausführlich Kapitel 6 C. II. 3. b) bis d). Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 100; Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (738); Oho/Remmel, BB 2003, 2539 (2543); Momen, DStR 1997, 355 (357); Thiel, DStR 1995, 237 (241). 350 Siehe Kapitel 3 F. II. 3. a). 351 Siehe Kapitel 6 C. II. 3. d). 349
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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mens sicher. § 15 Abs. 2 S. 2 bis S. 5 UmwStG garantieren demgegenüber die Fortführung des persönlichen Engagements.352 Dazu wird die Übertragung der Teilbetriebe auf außenstehende Dritte (S. 2, 3) oder auf Gesellschafter, die vor der Spaltung noch keine fünf Jahre am übertragenden Rechtsträger beteiligt waren (S. 5), sanktioniert.353 Bei Verstößen vermutet das Gesetz, dass die Spaltung nicht der Erhaltung einer Erwerbsgrundlage mit neuer optimierter Struktur dient, sondern vielmehr das Unternehmen zerlegt und die Verbindung zum Betrieb endgültig beendet werden soll.354 Insofern korrespondieren diese Tatbestände mit der besonderen Gegenleistung in Gesellschaftsrechten, die ebenfalls der Abgrenzung von Umstrukturierungen und Unternehmensverkäufen sowie dem Fortbestand der Beteiligung dient.355 Auch in den übrigen Missbrauchstatbeständen spiegelt sich der Zweck, die Voraussetzungen der Fortführung des unternehmerischen Engagements abzusichern, wider. Bei späteren Veräußerungen im Rahmen des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG ergibt sich dieses Ziel bereits aus der Begründung zum Regierungsentwurf des Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes.356 In § 22 UmwStG spricht ein Umkehrschluss aus den Ausnahmen des Abs. 1 S. 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG für dieses Ergebnis. Nachfolgende Einbringungen sind danach unschädlich, wenn sie zum Buchwert erfolgen.357 Dazu müssen die Einbringenden ebenfalls Gesellschaftsrechte als Gegenleistung erhalten. Somit bleibt das unternehmerische Engagement in persönlicher Hinsicht bestehen und erhält die Vermutung fehlender Gewinnrealisierungsabsicht aufrecht. 2. Einheitliche teleologische Reduktion bei Folgeumstrukturierungen Die Missbrauchstatbestände fügen sich also grundsätzlich als Absicherung für die Voraussetzungen der nur ausnahmsweise gewährten Buchwertfortführung in die ermittelte Systematik ein. Trotzdem provozieren sie berechtigte Kritik. Denn sowohl § 6 Abs. 5 S. 4 EStG als auch § 15 Abs. 2 S. 2 und § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG vermuten unwiderleglich einen Missbrauch bei „Veräußerungen“. Für Folgeumstrukturierungen wirft dieses Tatbestandsmerkmal stets dasselbe Problem auf. Mehrstufige Konstruktionen behandelt das Gesetz regelmäßig als miss352
Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (738). Siehe Kapitel 3 F. II. 3. b). 354 Thiel, DStR 1995, 237 (241). 355 Ott, in: FS für Herzig, 2010, S. 729 (738); Kapitel 6 C. II. 3. b) und c). 356 BR-Drs. 638/01, S. 50. Zur Anwendung des Gedankens der Fortführung eines unternehmerischen Engagements bei der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter, Kapitel 6 C. II. 3. d). 357 Siehe Kapitel 4 A. II. 3. c) bb). 353
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
bräuchlich358, weil Umstrukturierungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten tauschähnliche Veräußerungsvorgänge359 sind. Dieses Ergebnis widerspricht aber nicht nur dem Ziel des steuerlichen Umstrukturierungsrechts, betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen von Steuerbelastungen freizuhalten360. Vielmehr widerlegt ein für sich betrachtet steuerneutraler zweiter Umstrukturierungsschritt auch nicht automatisch die Vermutung, dass der erste Umstrukturierungsschritt lediglich der Fortführung eines unternehmerischen Engagements diente und ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt ist. Denn die Steuerneutralität der zweiten Maßnahme setzt ihrerseits regelmäßig voraus, dass Gesellschaftsrechte gewährt werden. Insofern bleibt das persönliche Engagement auch durch den zweiten Schritt erhalten und hat nur ein weiteres Mal seine Form verändert. Daher besteht in diesen Fällen eigentlich kein Bedürfnis für Missbrauchsvorschriften, die nach ihrem gemeinsamen Zweck genau diese Kontinuität absichern sollen. Das Gesetz löst diesen Widerspruch nur zum Teil durch Ausnahmen für steuerneutrale Folgeeinbringungen in § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2, 4 und 5 UmwStG und für die Veräußerung an nicht außenstehende Personen in § 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG auf.361 In allen übrigen Fällen geht der Wortsinn des Merkmals „Veräußerung“ mit der Erfassung sämtlicher Umstrukturierungen über den Zweck des steuerlichen Umstrukturierungsrechts hinaus, sodass die Tatbestände Ausnahmelücken enthalten.362 Vor diesem Hintergrund können alle in der Literatur vertretenen Ansichten363 zur Einschränkungen der Missbrauchstatbestände auf eine einheitliche methodologische Basis gebracht werden. Denn das geeignete Instrument, um die nach ihrem Wortlaut zu weit gefassten Tatbeständen auf den Gesetzeszweck 358 Für § 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG siehe Kapitel 3 F. II. 3. b). Für § 22 UmwStG siehe Kapitel 4 A. II. 3. c) und für § 6 Abs. 5 EStG siehe Kapitel 4 B. II. 2. c) aa). 359 Kapitel 6 B. III. 360 BT-Drs. 16/2710, S. 25. Vgl. auch BT-Drs. 12/6885, S. 14.; BT-Drs. 14/6882, S. 23; BT-Drs. 17/15, S. 10. 361 Auch die Finanzverwaltung bietet im Erlasswege nur punktuelle Hilfestellung für Folgeumwandlungen (BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.23) und für § 6 Abs. 5 EStG (BMF vom 8.12.2011, IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. I 2011, 1279 ff., Tz. 23). 362 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 391. Zum Vorliegen einer Lücke schon oben Kapitel 4 A. II. 3. d) aa). 363 Einschränkenden Auslegung des Veräußerungsbegriffs in § 22 Abs. 1 UmwStG: Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 82; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 53; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 38; Hageböke, Ubg 2011, 689 (702 f.); Kutt/Jehke, BB 2010, 474 (476). Teleologische Reduktion: Benecke/Schnittker, in: Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rn. 15.64; Heß/Schnitger, in: PwC, Reform des Umwandlungssteuerrechts, 2007, Rn. 1663; Körner, DStR 2010, 897 (898 ff.). Einschränken des § 6 Abs. 5 S. 4: Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (721, 729).
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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zurückzuführen und die aufgezeigte Lücke zu füllen, ist allein die teleologische Reduktion.364 Dem für das Steuerrecht teilweise postulierten Sonderweg einer „Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut“ 365 ist nicht zu folgen, weil er die erhöhten Begründungsanforderungen einer Rechtsfortbildung vernachlässigt366 und nur die Komplexität der Rechtsmaterie unnötig weiter erhöht.367 Die Einschränkung muss die Kriterien zur Fortführung des unternehmerischen Engagements zum Maßstab nehmen. Dann darf trotz eines zweiten Umstrukturierungsschritts vermutet werden, dass keine Umgehung der Steuerpflicht von Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerungen angestrebt war. Im Einzelnen muss die nachfolgende Veräußerung folgende Voraussetzungen erfüllen: Das umstrukturierte Vermögen muss weiterhin Betriebsvermögen bleiben, damit in sachlicher Hinsicht überhaupt ein Objekt unternehmerischen Engagements fortexistiert. Als Gegenleistung dürfen nur Gesellschaftsrechte und keine Geldzahlungen gewährt werden. So ist sichergestellt, dass in persönlicher Hinsicht das unternehmerische Engagement auch nach der zweiten Umstrukturierung fortbesteht und sich der Unternehmer nicht endgültig vom Objekt seines unternehmerischen Engagements trennt. Schränkt man die Gewährung von Gesellschaftsrechten schließlich auf nicht „außenstehende“ Personen nach dem Muster des § 15 Abs. 2 S. 2 UmwStG ein, ist gewährleistet, dass nach dem zweiten Umstrukturierungsschritt wirtschaftlich ausschließlich dieselben Personen beteiligt sind.368 Einer Verschiebung stiller Reserven ist damit vorgebeugt.369 Schließlich bestärkt der Ausschluss barer Zahlungen die Vermutung fehlender Gewinnrealisierungsabsicht. Denn die Vorteile des günstigen Besteuerungsregimes für die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen sind ökonomisch erst vollständig ausgenutzt, wenn an den Empfänger eine Geldzahlung fließt.370 364
Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 391. Siehe nur BFH vom 21.10.2010, IV R 23/08, DStRE 2011, 469 (472) mit weiteren Nachweisen. 366 Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, 2011, § 4, Rn. 378. A. A. Schenke, DStR-Beihefter zu Heft 31 2011, 54 (58). Ein eindrückliches Beispiel dafür ist der Streit um die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften, Kapitel 4 B. II. 367 Schenke, DStR-Beihefter zu Heft 31 2011, 54 (58). 368 Bei wirtschaftlicher Identität reduzieren auch Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717 (729) § 6 Abs. 5 EStG, ebenso Goebel/Ungemach/Reifarth, DStZ 2011, 561 (564). Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15, Rn. 219 sieht dagegen für § 15 UmwStG nur die unangemessen niedrige Beteiligung der Anteilseigner am übernehmenden Rechtsträger als schädlich an. 369 Diese Voraussetzung enthält auch die Billigkeitslösung des Umwandlungssteuererlasses, BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 22.23. 370 Körner, DStR 2010, 897 (900). Vgl. auch Asmus, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 15, Rn. 153; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 15 UmwStG, Rn. 268. 365
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Mit der teleologischen Reduktion sind aber nur die Friktionen bei nachfolgenden Umstrukturierungen und keineswegs sämtliche Probleme auf Tatbestandsebene gelöst. Insbesondere die tatbestandliche Konstruktion von § 6 Abs. 5 S. 4, 6 EStG sowie § 15 Abs. 2 S. 1, S. 4, 5 und § 22 UmwStG verlangt noch eine genauere Überprüfung aus der Perspektive höherrangigen Rechts. Weil die zitierten Normen aber mit demselben Mechanismus operieren, darf diese Untersuchung einheitlich erfolgen. Denn als spezielle Missbrauchsklauseln unterstellen sämtliche Tatbestände zu Vereinfachungszwecken typisierend, dass die gewählte rechtliche Gestaltung unangemessen ist, beachtliche außersteuerliche Gründe fehlen und der Steuerpflichtige einen nicht vorgesehenen Vorteil erhält.371 Dazu vermutet das Gesetz für eine Veräußerung während der unterschiedlichen Sperrfristen unwiderleglich, dass diese Veräußerung nur dazu dient, ein unternehmerisches Engagement endgültig abzustoßen und dabei die Vorteile des Teileinkünfteverfahrens oder des § 8b Abs. 2 KStG auszunutzen.372 Letztlich sollen die Tatbestände also Gesamtplangestaltungen zur Ausnutzung der günstigen Regelungen für die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen bekämpfen.373 Für die Annahme eines Missbrauchs ist demnach allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der steuerneutralen Umstrukturierung und dem inkriminierten Ereignis maßgeblich.374 Hier zeigt sich besonders eindrucksvoll die fehlende systematische Abstimmung des einfachen Rechts. Ohne dass ein tragender Gedanke des Gesetzgebers für die konkrete Dauer der Fristen ersichtlich ist375, oszilliert ihre Länge zwischen drei, fünf und sieben Jahren. Trotz dieser teils erheblichen Zeitspannen lassen die Missbrauchstatbestände keinen Gegenbeweis zu und geraten so fast zwangsläufig mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Konflikt.376 1. Verfassungskonforme Interpretation trotz ungeeigneter Typisierung Auf den ersten Blick erscheint es zwar fraglich, ob bei Missbrauchstatbeständen überhaupt eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung vorliegt. Denn die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen sorgt vielmehr für eine gleich371
Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (149 f.); dies., StuW 2008, 167 (172). § 15 Abs. 2 S. 5 UmwStG folgt demselben Mechanismus. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Veräußerung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der aktuelle Gesellschafterkreis noch keine fünf Jahre besteht. 373 Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (153); Crezelius, FR 2009, 881 (887). 374 Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (160 f.). 375 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 2007, Vor §§ 20–23 UmwStG, Rn. 6; Roser, FR 2005, 178 (179). 376 Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (162). 372
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
339
mäßige Besteuerung, indem Unterschiede in der Sachverhaltsgestaltung bei identischem wirtschaftlichem Ergebnis negiert werden.377 Auch zu diesem Zweck darf der Gesetzgeber im Steuerrecht verallgemeinern und Instrumente wie die Typisierung einsetzen.378 Notwendige Folge dieser Methode ist allerdings, dass sie Besonderheiten des Einzelfalls vernachlässigt und somit Ungleiches gleich behandelt.379 Da Typisierungen aber angesichts der großen Verfahrensanzahl die Steuerverwaltung von teils diffizilen Abgrenzungsproblemen entlasten, sind diese Ungleichbehandlungen unter den Gesichtspunkten praktikabler Rechtsanwendung und Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.380 Grenzen findet diese Rechtfertigung ihrerseits wiederum dort, wo der Gesetzgeber bei der Typisierung keinen realitätsnahen Sachverhalt zugrunde legt und die Ungleichbehandlungen außer Verhältnis zu den erzielten Vereinfachungen stehen.381 Diese Grenzen wecken allerdings Zweifel, ob sich die Konzeption der Missbrauchstatbestände überhaupt zur realitätsgerechten Typisierung eignet. Jedenfalls die Verwendung starrer Fristen begegnet noch keinen grundsätzlichen Bedenken. Denn eine zeitliche Nähe zwischen der steuerneutralen Umstrukturierung und einer späteren Veräußerung oder einem kurzfristigen Gesellschafterbeitritt stellt zumindest ein geeignetes Indiz für den sachlichen Zusammenhang beider Ereignisse und damit für das Vorliegen eines Gesamtplans dar.382 Auch die unterschiedliche Länge der Fristen ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass bei der Umstrukturierung selbständiger betrieblicher Einheiten die im Missbrauchsfall eingesparte Steuerlast regelmäßig größer ist als bei der Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter.383
377
Hey, StuW 2008, 167 (174). BVerfG vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245 f.), Tz. 72; Drüen, StuW 2008, 3 (13); Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221 (224) zur Typisierung bei Missbrauch. Generell zur Typisierung Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 2011, Art. 3 Anhang, Rn. 25 ff. 379 BVerfG vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246) Tz. 52; BVerfG vom 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); BVerfG vom 20.4.2004, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); BVerfG vom 20.12.1966, 1 BvR 320/57, BVerfGE 21, 12 (27); Wernsmann, DStR-Beihefter zu Heft 31 2011, 72 (73); Hey, StuW 2008, 167 (176). 380 BVerfG vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246) Tz. 52 m.w. N.; Drüen, StuW 2008, 3 (13); Hey, StuW 2008, 167 (176). 381 BVerfG vom 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246) Tz. 52 m.w. N.; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 4, Rn. 455; ders., DStR-Beihefter zu Heft 31 2011, 72 (73 f.); Hey, StuW 2008, 167 (176); Drüen, StuW 2008, 3 (13). 382 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2010, § 5, Rn. 102; Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (160). 383 Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 42, Rn. 371; Hey, in: Hüttemann, DStJG 34 (2010), 139 (161). Einen Systematisierungsversuch der Fristenlängen unternimmt Roser, FR 2005, 178 (179). 378
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
Das wirft die Folgefrage auf, ob angesichts der erheblichen Dauer der Fristen von drei, meistens aber von fünf oder sogar sieben Jahren der erforderliche sachliche Zusammenhang beider Ereignisse noch vermutet werden kann. Die Fachgerichtsbarkeit argumentiert insofern, dass Zeiträume von mehreren Jahren den Planungshorizont der Steuerpflichtigen im Regelfall übersteigen und daher nur mit langen Fristen Missbrauch effektiv bekämpft wird.384 Mit zunehmendem zeitlichem Abstand sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs.385 Daher sind mehrjährige Sperrfristen nicht per se ungeeignet, missbräuchliche Gestaltungen auszuschließen.386 Ihre exakte Länge unterliegt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Den Umstand, dass bei langen Fristen gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit nicht missbräuchlicher Gestaltungen steigt, gleicht die Quotierung des § 22 UmwStG typisierend aus.387 Ungeeignet zur realitätsnahen Typisierung ist allerdings die Verknüpfung der Missbrauchsvermutung mit dem Merkmal der „Veräußerung“. Hinzu kommt, dass die Typisierung wegen der durchgängig fehlenden Gegenbeweismöglichkeiten unverhältnismäßig ist. Für nicht widerlegbare Typisierungen verlangt das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass nur wenige Steuerpflichtige zu Unrecht von der typisierenden Regelung erfasst werden und dieser Gleichheitsverstoß von nur geringer Intensität sein darf.388 Der Veräußerungsbegriff erfasst aber auch alle Folgeumstrukturierungen und qualifiziert sie als missbräuchlich. Dieser Vorwurf trifft allerdings nicht zu, soweit die Folgeumstrukturierungen ebenfalls zum Buchwert erfolgen.389 Damit erfassen die Missbrauchsvorschriften nicht nur einzelne Fälle sondern ganze Fallgruppen zu Unrecht. Das Typisierungskriterium beruht also nicht auf überwiegend realitätsnahen Sachverhalten. Angesichts der erforderlichen Flexibilität einer Unternehmung390 und der langen Sperrfristen geht eine pauschale Vermutung ohne eine Möglichkeit zum Gegenbeweis über das erforderliche Maß zur Verwirklichung der angestrebten Verwaltungsvereinfachung hinaus.391 Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für zulässige Typisierungen ist de lege lata überschritten. 384 FG Niedersachsen vom 17.4.2002, 9 K 55/98, DStRE 2002, 1421 (1422) zur fünfjährigen Frist des § 17 Abs. 2 S. 4 lit. b) EStG. 385 BT-Drs. 16/2710, S. 46. 386 Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221 (225) für die fünfjährige Frist des § 18 Abs. 3 UmwStG; Graw, FR 2009, 837 (840) für § 22 UmwStG. 387 Crezelius FR 2009, 881 (886); Wernsmann/Desens, DStR 2008, 221 (225). Kritisch Hahn, IStR 2006, 797 (805), der darauf hinweist, dass eine Gestaltung entweder missbräuchlich oder nicht missbräuchlich ist und nicht „ein bisschen missbräuchlich“ sein kann. 388 BVerfG vom 20.12.1966, 1 BvR 320/57, BVerfGE 21, 12 (27); Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2011, § 4, Anm. 1037. 389 Siehe Kapitel 6 E. I. 2. sowie Kapitel 4 A. II. 3. c); IV. 2. b) bb); Kapitel 4 B. II. 2. c) aa). 390 Siehe Kapitel 2 A. II. 391 Hey, StuW 2008, 167 (176).
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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Trotz dieser Bedenken stehen die Missbrauchstatbestände nicht unter dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit, soweit sie verfassungskonform ausgelegt werden könnten. Dabei beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht nicht auf eine bestimmte Auslegungsmethode.392 Ohne exakt zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung zu unterscheiden, zählt das Gericht ausdrücklich sogar auch die teleologische Reduktion zum Kanon der anerkannten Auslegungsmethoden.393 Im Ergebnis ist daher eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung möglich.394 Für die Missbrauchstatbestände des steuerlichen Umstrukturierungsrechts führt folglich selbst die fehlerhafte Typisierung anhand des sehr allgemeinen Veräußerungsbegriffs nicht zur Verfassungswidrigkeit. Die verfassungsrechtlich bedenkliche Ausdehnung der Missbrauchsvermutung auf nachfolgende steuerneutrale Umstrukturierungen kann vielmehr mittels teleologischer Reduktion395 verfassungskonform eingeschränkt werden, ohne dass der Missbrauchsvermeidungszweck leer läuft. 2. Verstoß gegen sekundäres Unionsrecht Aufgrund starrer Sperrfristen und der unwiderleglichen Missbrauchsvermutung stehen §§ 15 Abs. 2, 22 UmwStG außerdem im Verdacht, gegen sekundäres Unionsrecht zu verstoßen. a) Art. 15 Abs. 1 lit. a) der Fusionsrichtlinie als Prüfungsmaßstab Nach Art. 1 lit. a) findet die Fusionsrichtlinie auf Verschmelzungen, Spaltungen und Einbringungen Anwendung, wenn Gesellschaften aus mindestens zwei Mitgliedstaaten beteiligt sind.396 In ihrem Anwendungsbereich fordert die Fusionsrichtlinie in Art. 4 Abs. 1 und Art. 8 grundsätzlich Steuerneutralität. Diesen Grundsatz schränken die nationalen Tatbestände zur Missbrauchsabwehr zwar ein.397 Unter besonderen Voraussetzungen erlaubt Art. 15 Abs. 1 lit. a)398 der Fusionsrichtlinie den Mitgliedstaaten aber, Regeln zu erlassen, die von der grundsätzlichen Steuerneutralität abweichen. Dazu muss die Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung jedenfalls einer der hauptsächlichen Beweggründe für die Ver392
BVerfG vom 30.3.1993, 1 BvR 1045/89, BVerfGE 88, 145 (166 f.). BVerfG vom 30.3.1993, 1 BvR 1045/89, BVerfGE 88, 145 (167) unter Verweis auf BVerfG vom 19.6.1973, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263 (279). 394 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 340. 395 Kapitel 6 E. I. 2. 396 Zur zivilrechtlichen Zulässigkeit grenzüberschreitender Umstrukturierungen Kapitel 2 C. II sowie zu ihrer steuerrechtlichen Beurteilung Kapitel 5. 397 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22 UmwStG, Rn. 192. 398 Vormals Art. 11 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2005/19/EG vom 17.2.2005, Abl. EU Nr. L 58/19 vom 4.3.2005. 393
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
schmelzung, Spaltung oder Einbringung gewesen sein. Soweit vernünftige wirtschaftliche Gründe für die bezeichneten Vorgänge fehlen, darf nach der Richtlinie auf einen Missbrauch geschlossen werden. Als unschädliche Motive benennt Art. 15 Abs. 1 lit. a) Hs. 2 der Fusionsrichtlinie explizit die Umstrukturierung und Rationalisierung der beteiligten Gesellschaften. Diese Grenzen zulässiger Missbrauchsregeln nach der Fusionsrichtlinie hat der EuGH insbesondere in der Rechtssache Leur-Bloem399 weiter präzisiert. In der zweiten Vorlagefrage dieses Verfahrens ging es darum, ob eine nationale Regelung mit der Fusionsrichtlinie vereinbar ist, die auf Grundlage bestimmter Kriterien400 automatisch und unwiderlegbar eine Steuerumgehung unterstellt.401 Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Gerichtshof diese Frage verneint. Die unwiderlegbare Vermutung sei zur Missbrauchsvermeidung nicht erforderlich und beeinträchtige das Ziel der Richtlinie, Unternehmen die Anpassung an die Erfordernisse des Binnenmarktes402 zu ermöglichen. Vielmehr sei eine umfassende und gerichtlich nachprüfbare Untersuchung jedes Einzelfalls das weniger gravierende Mittel im Vergleich zur Anwendung vorgegebener allgemeiner Kriterien.403 An dieser Auslegung der Fusionsrichtlinie lässt sich allerdings kritisieren, dass der EuGH mit dem verlangten Nachweis eines Missbrauchs im Einzelfall das Entlastungspotential einer Typisierung im steuerlichen Massenverfahren vernachlässigt.404 Allerdings weist die Rechtsprechung des EuGH in jüngerer Zeit eine Tendenz auf, fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten stärker zu berücksichtigen405, wie auch die verstärkte Anwendung des Rechtfertigungsgrundes ausgewogener Aufteilung von Besteuerungsrechten406 zeigt. Als ein weiterer Schritt in diese Richtung erlaubt das Urteil in der Rechtssache Cadbury Schweppes407 un399 EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I-04161, EuZW 1997, 658 ff. 400 Z. B. ob die beteiligten Gesellschaften schon vor der Umstrukturierung in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht eine Einheit bildeten oder ob die neue Unternehmensstruktur nur auf begrenzte Zeit angelegt war, EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 LeurBloem, Slg. 1997, I-04161, EuZW 1997, 658 (661), Tz. 42. 401 EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I-04161, EuZW 1997, 658 (661), Tz. 35, 44. 402 Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2009/133/EG vom 19.10.2009, Abl. EU Nr. L310/34 vom 25.11.2009. 403 EuGH vom 17.7.1997, C-28/95 Leur-Bloem, Slg. 1997, I-04161, EuZW 1997, 658 (661), Tz. 41. 404 Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1502); Graw, FR 2009, 837 (839). 405 Zu dieser Entwicklung Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 ff.; Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 ff. 406 Siehe Kapitel 6 D. II. 2. a). 407 EuGH vom 12.9.2006, C-196/04 Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, DStR 2006, 1686 ff.
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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ter strengen Voraussetzungen nunmehr Missbrauchstypisierungen.408 In diesem Verfahren wurden weit gefasste Vorschriften des Vereinigten Königreichs über die Hinzurechnungsbesteuerung als mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar beurteilt, soweit der vorgesehene Motivtest den Anwendungsbereich dieser Besteuerungsvorschriften wirksam auf rein künstliche Gestaltungen beschränkt.409 Bei dieser Lockerung für die Ausgestaltung der Tatbestände muss also der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. Das setzt die Möglichkeit für einen Gegenbeweis durch den Steuerpflichtigen voraus.410 Die Chance, mit einem Gegenbeweis die Missbrauchsvermutung zu widerlegen, ist nämlich jedenfalls ein weniger gravierendes Mittel zu Bekämpfung künstlicher Gestaltungen als eine unwiderlegbare Vermutung. b) Keine europarechtskonforme Interpretation der Missbrauchstatbestände Ob die Regeln des Umwandlungssteuerrechts diesen Anforderungen der Fusionsrichtlinie und den vom EuGH entfalteten Voraussetzungen europarechtskonformer Missbrauchstatbestände genügen, bezweifelt die Literatur indes zu Recht.411 Denn sowohl § 15 Abs. 2 als auch § 22 UmwStG sind als unwiderlegliche Vermutung konzipiert. Innerhalb starrer Fristen führt die Veräußerung oder die Verwirklichung eines Ersatztatbestandes stets zur Besteuerung, ohne dass ein Nachweis wirtschaftlich vernünftiger Gründe möglich wäre. Daher sind die Tatbestände unverhältnismäßig. Sie setzen die Fusionsrichtlinie folglich nicht zutreffend um und verstoßen daher gegen Unionsrecht. Allerdings wird diskutiert, ob die Missbrauchstatbestände mit Hilfe einer teleologischen Reduktion vor dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit bewahrt werden können.412 Denn jedenfalls für § 22 UmwStG ging der Gesetzgeber aus408 Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22, Rn. 192; Thiele, IStR 2011, 452 (455); Graw, FR 2009, 837 (839); Schwenke, DStZ 2007, 235 (247); Hahn, DStZ 2007, 201 (208). 409 EuGH vom 12.9.2006, C-196/04 Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 Tz. 72, DStR 2006, 1686 (1691). 410 EuGH vom 12.9.2006, C-196/04 Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 Tz. 70, DStR 2006, 1686 (1691); EuGH vom 13.5.2007, C-524/04 Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107 Tz. 86 ff., IStR 2007, 249 (255); Thiele, IStR 2011, 452 (455); Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1504). 411 Bilitewski, in: Haritz/Menner, UmwStG, 2010, § 22, Rn. 53; Schmitt, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, 2009, § 22, Rn. 11; Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 22, Rn. 16; Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 46; ders., FR 2009, 837 (840 f.); Schwenke, DStZ 2007, 235 (247); Gille, IStR 2007, 194 (197); Drüen, DStZ 2006, 539 (541 f.); Hahn, IStR 2006, 797 (804); Körner, IStR 2006, 109 (112 f.). A. A. Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2012, § 22 UmwStG, Rn. 192. 412 Graw, in: Brodewin/Brandt, UmwStG, 2011, § 22, Rn. 48; ders., FR 2009, 837 (841 f.).
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Kap. 6: Besteuerung stiller Reserven bei Umstrukturierungen
weislich der Materialien zum SEStEG davon aus, die Vorgaben der Fusionsrichtlinie beachtet zu haben413, sodass hinsichtlich der erforderlichen Gegenbeweismöglichkeit eine planwidrige Lücke vorliegen könnte414. Angesprochen ist damit die in jüngerer Zeit verstärkt erörterte methodische Frage richtlinienkonformer Rechtsfortbildung. Insbesondere die Bundesgerichte bemühen sich zunehmend, durch Auslegung und Rechtsfortbildung europarechtswidrige Ergebnisse zu vermeiden, nachdem der EuGH den Verstoß nationaler Regeln gegen Unionsrecht festgestellt hat.415 Eine richtlinienkonforme Anwendung des nationalen Rechts mittels Auslegung oder Rechtsfortbildung durch die Gerichte ist allerdings von der Frage zu trennen, ob die Umsetzungsgesetze selbst europarechtskonform sind. Anders gewendet: Die richtlinienkonforme Anwendung nationalen Rechts durch die Gerichte beseitigt nicht die Richtlinienwidrigkeit der nationalen Umsetzungsnormen.416 Der EuGH judiziert nämlich in ständiger Rechtsprechung, dass sich für die europarechtskonforme Umsetzung einer Richtlinie die Rechtslage aus den nationalen Umsetzungsregeln hinreichend klar ergeben muss und die Adressaten von ihren Rechten Kenntnis erlangen können.417 Selbst bei europarechtskonformer Anwendung der nationalen Vorschriften bleibt der Gesetzgeber also zum Handeln verpflichtet, weil sich die Rechtslage bei einer Rechtsfortbildung nicht aus den Umsetzungsregeln ergibt. Anderenfalls wäre der Gesetzgeber nicht mehr gehalten, eine europarechtskonforme Umsetzung von Richtlinien anzustreben, wenn er sich auf die richterliche Korrektur seiner Normen verlassen könnte.418 De lege lata sind die Missbrauchstatbestände vor diesem Hintergrund also nicht richtlinienkonform.
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BT-Drs. 16/2710, S. 46. Vgl. BGH vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05, NJW 2008, 427 (429). 415 Hey, StuW 2010, 301 (312 ff.). So hat BFH vom 9.8.2006, I R 31/01, DStR 2006, 2020 (2022) durch „normerhaltende Auslegung“ im Anschluss an EuGH vom 23.2. 2006, C-253/03 CLT-UFA, Slg. 2006, I-1831, DStR 2006, 418 ff. zum verringerten Steuersatz auf Betriebsstättengewinne ausländischer EU-Kapitalgesellschaften geführt. Im Zivilrecht ist die teleologische Reduktion von § 439 Abs. 4 und Abs. 3 BGB durch BGH vom 26.11.2008, VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427 ff. in Reaktion auf die Entscheidung des EuGH vom 17.4.2008, C 404/06 Quelle, Slg. 2008, I-2685, EuZW 2008, 310 ff. und BGH vom 21.12.2011, VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073 (1076) exemplarisch. 416 Schinkels, JZ 2011, 394 (395, 401); Hey, StuW 2010, 301 (307, 315). 417 EuGH vom 7.5.2002, C 478/99 Kommission/Schweden Slg. 2002, I-4147 Tz. 18, EuZW 2002, 465 (466); EuGH vom 10.5.2001, C-144/99 Kommission/Niederlande Slg. 2001, I-3541 Tz. 17, EuZW 2001, 437 (438); EuGH vom 23.3.1995, C-365/93 Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499 Tz. 9. 418 Schinkels, JZ 2011, 394 (397); Graw, FR 2009, 837 (842). 414
E. Rückausnahme – Missbräuchliche Steuerumgehung
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III. Ergebnis Die Missbrauchstatbestände stellen Rückausnahmen zur Buchwertfortführung dar. Als Absicherung des Rechtfertigungsgrundes für die Buchwertfortführung fügen sie sich in die systematischen Referenzpunkte der Besteuerung stiller Reserven ein. Das praktische Problem schädlicher Folgeumstrukturierungen kann einheitlich durch eine teleologische Reduktion der Missbrauchstatbestände gelöst werden. Diese Lösung heilt außerdem die eigentlich realitätsferne und daher verfassungswidrige Typisierung. Allerdings verstoßen die Missbrauchstatbestände wegen ihrer Unwiderlegbarkeit gegen Unionsrecht. Eine teleologische Reduktion kann dieses Verdikt nicht beseitigen.
Zusammenfassung der Ergebnisse Bei der letzten großen Reform des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG im Jahr 2006 hat der Gesetzgeber für sich reklamiert, ein systematisch konsistentes und zukunftsfähiges steuerliches Umstrukturierungsrecht geschaffen zu haben1. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch anhand von Fallgruppen erstmalig in einem gesamtsystematischen Zusammenhang aufgezeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinander liegen. Von einem systematischen Umstrukturierungsrecht kann tatsächlich noch nicht gesprochen werden. Ansatzpunkte einer Systematik sind de lege lata zwar mit weitgehend ähnlichen Tatbestandsmerkmalen vorhanden, indes hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht konsequent umgesetzt. Um diesen status quo zu beseitigen, konnten jedoch vier Referenzpunkte ermittelt werden, die alle untersuchten Umstrukturierungssachverhalte verbinden. Sie bilden die Basis für zukünftige weitere Schritte auf dem Weg zum einem systematischen Umstrukturierungsrecht. Ausgangspunkt der Untersuchung war das gesetzliche Leitbild, betriebswirtschaftlich erwünschte und zivilrechtlich mögliche Unternehmensumstrukturierungen nicht durch das Steuerrecht zu verhindern. Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzung ist, dass nur die stetige Anpassung der Unternehmensstruktur ein dauerhaftes Überleben der Unternehmung in einem von Dynamik geprägten ökonomischen Umfeld gewährleistet. Das Zivilrecht bietet für innerstaatliche Sachverhalte die hierzu notwendige Flexibilität, indem es zahlreiche Instrumente zur Verfügung stellt, die eine Anpassung der Unternehmensstruktur erlauben. Schon für ebenfalls betriebswirtschaftlich angezeigte Umstrukturierungen innerhalb der EU bleibt der Gesetzgeber aber auf halbem Weg stehen. Abgesehen von den §§ 122a ff. UmwG für grenzüberschreitende Verschmelzungen mehrerer Kapitalgesellschaften fehlen internationale zivilrechtliche Regeln für rechtssichere Umstrukturierungen, sodass den Beteiligten für Spaltungen und Umstrukturierungen unter Beteiligung von Personengesellschaften nur ein Berufen auf die Niederlassungsfreiheit bleibt.2 Hier ist der Gesetzgeber zur Schaffung weitergehender Regeln aufgerufen, um diesen unbefriedigenden und unionsrechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Umstrukturierungen unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten können nicht nach dem UmwG, sondern nur mit Hilfe wirt-
1 2
BT-Drs. 16/2710, S. 25. Kapitel 2 C. II. 2.
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schaftlich äquivalenter Ersatzkonstruktionen unter Nutzung der Einzelrechtsnachfolge und der Anwachsung erreicht werden.3 Die zivilrechtlichen Umstrukturierungsinstrumente basieren allerdings maßgeblich auf der Übertragung von Betriebsvermögen zwischen selbständigen Rechtssubjekten. Diese Erkenntnis führt zum Kernproblem des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Das Individualsteuerprinzip als Ausprägung von Art. 3 GG verlangt nämlich bei veränderter subjektiver Zuordnung von Wirtschaftsgütern grundsätzlich die Aufdeckung stiller Reserven.4 Aus der zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit zur dauerhaften Existenzsicherung der Unternehmung und den Subprinzipien der Besteuerungsgleichheit entsteht so ein Spannungsverhältnis. An diesem Zielkonflikt setzten nun die zahlreichen Buchwertfortführungsvorschriften des steuerlichen Umstrukturierungsrechts an. Sie lösen diesen Widerspruch zu Gunsten steuerneutraler Umstrukturierungen auf und ermöglichen betriebswirtschaftlich notwendige Anpassungen. Vor diesem Hintergrund wurden in den Kapiteln drei und vier anhand von Beispielen Fallgruppen gebildet und untersucht, wann genau der Gesetzgeber von einer Besteuerung absieht. Dieses Vorgehen ermöglicht erstmals aus einer übergeordneten Perspektive das gesamte steuerliche Umstrukturierungsrecht zu betrachten, ohne den Blick für relevante Einzelfragen zu verlieren. Der so entstandene gesamtsystematische Überblick über die Rechtsmaterie hat Folgendes offenbart: Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Besteuerungsverzichts sind trotz der variantenreichen zivilrechtlichen Instrumente, der verschiedenen Kombinationen der Rechtsformen der beteiligten Rechtsträger und der unterschiedlichen gesetzestechnischen Konzeption der Buchwertfortführungsvorschriften5 weitgehend identisch. Von der im UmwStG neuerdings vorgesehenen Aufdeckung der stillen Reserven durch eine Bewertung mit dem gemeinen Wert wird abgesehen, wenn die übergehenden Wirtschaftsgüter weiterhin als Betriebsvermögen steuerlich verstrickt bleiben und Veräußerungsgewinne auch nach der Umstrukturierung ertragsteuerpflichtig sind. Außerdem darf eine Gegenleistung allenfalls in Gesellschaftsrechten bestehen. Durch die Buchwertverknüpfung springen die stillen Reserven des übergehenden Vermögens regelmäßig auf den übernehmenden Rechtsträger über oder verdoppeln sich im Anwendungsbereich der §§ 20 ff. UmwStG sogar. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des EStG sind vergleichbar. Allerdings kann von einer einheitlichen Systematik und einem inhaltlich konsistenten Umstrukturierungsrecht trotz tatbestandlicher Vergleichbarkeit nicht gesprochen werden. Dazu weisen sämtliche nationalen und erst recht die internatio3 4 5
Kapitel 2 C. II. 4. Kapitel 2 D. I. Siehe exemplarisch Kapitel 3 B. II., Kapitel 4 A. II. 2. sowie Kapitel 4 B. II.
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nalen Sachverhalte zu viele Unklarheiten und Widersprüche auf. Durchgängig ist nämlich umstritten, wie die Umstrukturierungen dogmatisch in die Gewinnrealisierungstatbestände des allgemeinen Ertragsteuerrechts einzuordnen sind.6 Unklarheiten, die bis zu den teleologischen Wurzeln des Umstrukturierungsrechts wirken, existieren außerdem hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls wie sich der Teilbetriebsbegriff der Fusionsrichtlinie auf das nationale Umwandlungssteuerrecht auswirkt.7 In allen Regelungskomplexen auftretende Missbrauchsklauseln konterkarieren durch die Steuerschädlichkeit mehrstufiger Umstrukturierungen den Zweck des steuerlichen Umstrukturierungsrechts. Hier hilft nur eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung weiter.8 Gesetzliche Ungleichbehandlungen wirtschaftlich vergleichbarer Umstrukturierungssachverhalte durchziehen das gesamte Umstrukturierungssteuerrecht. So werden etwa konzerninterne Upstream-Verschmelzungen im Einbringungsteil des UmwStG restriktiver behandelt als im Umwandlungsteil9, in § 22 UmwStG fehlen demgegenüber Ausnahmen für Umwandlungen nach den §§ 3 ff. UmwStG und die Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter in beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften10 ist in § 6 Abs. 5 EStG ebenfalls nicht geregelt, obwohl wirtschaftlich keine Unterschiede zu den erfassten Sachverhalten bestehen. Gerade im Zusammenhang mit der Einbringung in Schwesterpersonengesellschaften illustrieren die divergierenden BFH-Entscheidungen, wie unklar die dogmatischen Grundlagen dieses Rechtsgebiets trotz einheitlicher Tatbestandsmerkmale in Wahrheit sind. Als Ursache für diese Inkonsequenzen konnte die allein historisch bedingte Zersplitterung der Rechtsmaterie identifiziert werden.11 Noch ernüchternder fällt die Bilanz zu grenzüberschreitenden Umstrukturierungen aus. Sämtliche Buchwertfortführungsvorschriften enthalten nämlich Entstrickungsklauseln für den Fall, dass das deutsche Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der späteren Veräußerung übertragener Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird. Unklar ist bereits, in welchen Konstellationen die Klauseln des UmwStG überhaupt eingreifen. Insoweit greift die Finanzverwaltung mit der realitätsfernen und daher abzulehnenden These von der Zentralfunktion des Stammhauses verschärfend und unsystematisch in die Folgen grenzüberschreitender Umstrukturierungen ein.12 Im Ergebnis beschränkt sich der Anwendungsbereich der umwandlungssteuerlichen Entstrickungsklauseln im Wesentlichen auf subjektbezogene Entstrickungen von Anrechnungsbetriebsstätten6 Kapitel 3 B. I., C. I., D. I., E. I., F. I., Kapitel 4 A. II. 1., III. 1., IV. 1., V. 1. und Kapitel 4 B. I. 1., II. 1. 7 Kapitel 3 F. II. 2. 8 Kapitel 4 A. II. 3. c) und d). 9 Kapitel 3 E. II. 2. c) und Kapitel 4 A. II. 2. a) aa). 10 Kapitel 4 B. II. 11 Kapitel 4 C. 12 Kapitel 5 A. II. 1. b) cc).
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vermögen. Besonders umstritten ist außerdem die Auslegung des missglückten Entstrickungstatbestands mit den Merkmalen „Ausschluss und Beschränkung eines Besteuerungsrechts“. Ursache der Diskussion ist die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH und das darin zum Ausdruck kommende gewandelte Verständnis von der Wirkungsweise der Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Nachdem der Gesetzgeber im JStG 2010 auf diese Diskussion reagiert hat, bleibt allerdings festzuhalten, dass die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu ausländischen Betriebsstätten eine Entstrickung auslöst und eine verursachungsadäquate Aufteilung eines Veräußerungsgewinns nicht möglich ist.13 Sind an der internationalen Umstrukturierung außerdem Rechtsträger aus Drittstaaten beteiligt, wird der Anwendungsbereich des UmwStG nicht eröffnet. Vor dem Hintergrund, dass die Entstrickungsgrundsätze in diesen Fällen ebenfalls gelten, ist diese Beschränkung nicht gerechtfertigt.14 Unter dem Eindruck all dieser Unklarheiten und Widersprüche wird deutlich, dass der Gesetzgeber seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Von einem systematisch konsistenten Umstrukturierungsrecht kann nicht gesprochen werden. Der gesamtsystematische Überblick hat indes bewiesen, dass alle Fallgruppen auffällige Parallelen enthalten, die sich zu vier Referenzpunkten zusammenfassen lassen. Ausgehend von diesen Leitlinien bildet sich eine grundlegende Systematik des steuerlichen Umstrukturierungsrechts ab. Als erstes führen sämtliche Umstrukturierungen gegen eine Gegenleistung in Gestalt von Gesellschaftsrechten als tauschähnliche Veräußerungen zur Aufdeckung der stillen Reserven. Die technische Besonderheit der Gesamtrechtsnachfolge, das Dreiecksverhältnis zwischen den beteiligten Rechtsträgern und ihren Gesellschaftern sowie die ungewöhnliche Form der Gegenleistung rechtfertigen keine andere Beurteilung.15 Vor diesem Hintergrund stellen sich die Buchwertfortführungsvorschriften als Ausnahme zum Grundsatz der Gewinnrealisierung dar. Diese Tatbestände durchbrechen zwar ihrerseits das Realisations- und das Individualsteuerprinzip als Subprinzipien von Art. 3 GG. Beide Durchbrechungen sind allerdings gerechtfertigt. In den parallelen Tatbestandsmerkmalen lassen sich nämlich das Übermaßverbot und der Gedanke der Fortführung eines unternehmerischen Engagements in veränderter Form als Rechtfertigungsgründe identifizieren, der wiederum nur die fehlende Gewinnrealisierungsabsicht des Steuerpflichtigen bei Umstrukturierungen umschreibt.16 Eine erste Rückausnahme, die im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot das Pendel wiederum zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschlagen lässt, wird von den 13
Kapitel 5 A. II. 1. c) dd). Kapitel 5 F. I. 15 Kapitel 6 B. III. Fehlt eine Gegenleistung, verwirklichen die Umstrukturierungen Ersatzrealisationstatbestände, Kapitel 6 B. IV. 16 Kapitel 6 C. II. 14
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Entstrickungstatbeständen gebildet. Weil sie nur in grenzüberschreitenden Fällen eine Rolle spielen, ist ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten problematisch. Nachdem die angeordnete Sofortversteuerung in der Literatur nahezu einhellig als unverhältnismäßig angesehen wurde, veranlasst die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus jüngst zum Umdenken. Danach ist zumindest die sofortige Festsetzung der Steuer bei Entstrickungen verhältnismäßig. Unverhältnismäßig ist nur die sofortige Einziehung des gesamten Betrags. Vor dem Hintergrund, dass auch das vom EuGH vorgeschlagene Wahlrecht zu Belastungen der Liquidität führen kann, erscheint § 4g EStG als grundsätzlich geeignete Möglichkeit eines verhältnismäßigen Rechtsfolgenkonzepts der Entstrickungstatbestände.17 Im UmwStG fehlt allerdings jegliche Abmilderung der sofortigen Steuererhebung, sodass jedenfalls die Entstrickungsklauseln des UmwStG unverhältnismäßig und daher unionsrechtswidrig sind.18 Eine zweite Rückausnahme bilden die Missbrauchsklauseln. Diese Tatbestände korrespondieren mit der grundsätzlichen Einordnung der Umstrukturierungen als tauschähnliche Veräußerung. Sie verfolgen einheitlich den Zweck, den Rechtfertigungsgrund der Fortführung eines unternehmerischen Engagements abzusichern und können daher für nicht missbräuchliche Folgeumstrukturierungen, die ebenfalls zum Buchwert erfolgen, teleologisch reduziert werden.19 Aus diesem Grund ist im Ergebnis auch die eigentlich verfassungswidrige fehlerhafte Typisierung durch starre Sperrfristen und das Tatbestandsmerkmal der „Veräußerung“ unschädlich.20 Allerdings verstoßen die Missbrauchstatbestände gegen die Fusionsrichtlinie. Eine teleologische Reduktion bei der Rechtsanwendung beseitigt indes nicht die Europarechtswidrigkeit.21 Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber angesichts der existenziellen Wichtigkeit dazu aufgerufen bleibt, seine begonnenen Systematisierungsbestrebungen fortzusetzen. Solche systematischen Regeln erfüllen nämlich keinen Selbstzweck rein ästhetischer Natur, sondern sind vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit zwingend geboten. Dazu müssen zuerst die schwerwiegendsten Mängel fehlender Gegenbeweismöglichkeiten in den Missbrauchstatbeständen und die fehlende Milderung der Sofortversteuerung im UmwStG beseitigt werden. Anschließend sind die historisch bedingt zersplitterten Regelungskomplexe zu vereinheitlichen. Dafür können die herausgearbeiteten Leitlinien eine grundlegende Orientierung bieten.
17 18 19 20 21
Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel
6 D. II. 2. c). 6 D. III. 2. 6 E. I. 6 E. II. 1. 6 E. II. 2.
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Sachwortverzeichnis Abfärbetheorie 90 Abfindung 94 Ablauforganisation 33 Abspaltung 38, 46, 122, 145, 146 Aktivierungsverbot 62 Akzessorietät des UmwStG 78, 80, 94 Analogie 197, 204 Analogieverbot 42 Anrechnungsbetriebsstätte 93, 225, 245, 248 Anrechnungsmethode 223, 246 Anteilstausch 47, 59, 120, 145, 174 Anwachsung 43, 47, 59, 150, 156 Anwachsungsmodell 47, 150, 156 Anwendungsbereich 148, 217, 267 Attraktionskraft 233 Aufbauorganisation 33 Aufdeckung stiller Reserven 71, 74, 87, 112, 125, 146, 203, 282 Aufspaltung 38, 40, 46, 122 Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse 318 Ausgleichsposten 238, 252, 262, 270, 327, 331 Ausgliederung 39, 41, 46, 59, 283 ausländische Umstrukturierungen mit Inlandsbezug 216 ausländische Vorgänge 135, 217 Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts 89, 92, 106, 115, 221, 235 außenstehende Personen 141 äußeres System 274 Belastungsgrundentscheidung 63, 299 beschränkte Steuerpflicht 222
beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften 194, 197, 310 Beteiligungskorrekturgewinn 99, 113 Betrieb 43, 45, 79, 153 Betriebsaufgabe 67, 86, 105, 151, 187, 292, 294 Betriebsaufspaltung 90 Betriebsstätte 223 Betriebsstättengewinn 227 Betriebsstättenvorbehalt 227 Betriebsvermögen 89 Bewertungsunsicherheit 70 Billigkeitsregel 167, 172 Buchwert 89 Buchwertfortführung 74, 80, 107, 145, 182, 193, 209, 296 Buchwertverknüpfung 91, 96, 100 Cartesio 52, 56 Daily Mail 52 Dividendenteil 97 Doppelbesteuerung 223 doppeltes Teilbetriebserfordernis 126, 145, 147 Downstream-Merger 112, 116, 155 Dreiecksverhältnis 286 Einbringung 44, 149, 174, 180, 258 einbringungsgeborene Anteile 159 Einbringungsgewinn I 160 Einbringungsteil 148 Einbringungsurteil 201, 239, 290 Eingriffsverwaltung 276 Einmauerungspolitik 215 Einzelrechtsnachfolge 40, 44, 59 Entnahme 67, 192, 193, 202, 237, 295
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Sachwortverzeichnis
Entstrickung 66 Entstrickungsklausel 92, 115, 158, 193, 221, 255 Entstrickungsprinzip 67 Entstrickungstatbestände 67 Ergänzungsbilanzen 100, 185, 207, 297 Ersatzrealisation 66, 69, 192, 293 Ersatzrealisationstatbestand 250 ertragsteuerliche Erfassung 65, 91, 106, 114, 130 Fallgruppen 80 finale Betriebsaufgabe 238, 240 finale Entnahmetheorie 191, 203, 237, 247 Folgerichtigkeitsprinzip 198, 299 Folgeumstrukturierung 163 Formwechsel 39, 103 Freistellungsbetriebsstätte 93, 225 Freistellungsmethode 224, 237, 246 Fremdvergleichsgrundsatz 241 Fusionsrichtlinie 74, 133, 341 Gegenleistung 93, 116, 154, 305 gemeiner Wert 84, 87, 92, 112, 125, 152 Gesamtrechtsnachfolge 35, 52, 84, 284 Geschäftsbereichsorganisation 233 Geschöpftheorie 53, 315 Gewährung von Gesellschaftsrechten 94, 288 Gewinnabgrenzung 228, 240, 248, 321 Gewinnerzielungsabsicht 308 Gleichheitsgrundsatz 63 Grunderwerbsteuer 110 Heraus-Verschmelzung 216 heterogener Formwechsel 104 Holding 232 homogener Formwechsel 108, 263 Identitätsprinzip 41, 104 Individualsteuerprinzip 62, 69, 198, 277, 295, 308
inländische Einkünfte 222 inländische Umstrukturierungen mit Auslandsbezug 216 Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug 93 inneres System 274 Kapitalgesellschaftsanteil 79 Kausalgeschäft 282 Kohärenz 320 Kontinuität unternehmerischen Engagements 132, 334 kreuzender Formwechsel 266 Leistungsfähigkeitsprinzip 62, 63, 69, 70, 277, 288 Lenkungsnorm 301 Liquidation 43, 46, 57, 67, 85, 111, 123, 162, 260, 292 Markteinkommenstheorie 65 mehrstufige Umstrukturierungen 163, 206 Missbrauchsklauseln 139, 147, 184, 206, 333 Mitunternehmeranteil 79, 153, 188 Mitunternehmererlass 72, 205, 239 National Grid Indus 314 neutrale Wirtschaftsgüter 229 Niederlassungsfreiheit 49, 239, 263, 330 Nutzungsüberlassung 126, 130 objektbezogene Entstrickung 224, 234 offene Rücklagen 97, 107 Organisationsakttheorie 85, 277 Organisationsstruktur 31, 81, 230, 234 partielle Gesamtrechtsnachfolge 123 persönlicher Anwendungsbereich 83 Preisbildung 289 Privatvermögen 84, 91 Quellentheorie 66
Sachwortverzeichnis Realisationsprinzip 63, 64, 277, 297 Realteilung 184, 260 Rechtsfortbildung 199 Rechtsträgerwechsel 226, 234, 235, 250 Regelbeispiel 236, 246 Reinvermögenszugangstheorie 66 Rentabilitätsprinzip 30 richtlinienkonforme Auslegung 134 richtlinienkonforme Rechtsfortbildung 344 Rückwirkung 231, 247 Sachausschüttung 123 Sacheinlage 35, 153 sachlicher Anwendungsbereich 82, 217 Satzungssitz 48, 58 Schlussbilanzstichtag 84, 88 Sevic Systems 49, 51 Sicherheitsleistung 327 Sidestep-Merger 117, 165 Sitzverlegung 52, 54, 57, 264, 270, 314 Sofortversteuerung 252, 325, 331 Sonderrechtsnachfolge 34, 126 Spaltung 38 spaltungshindernde Wirtschaftsgüter 126, 132 Sperrfrist 159, 206, 260, 298, 333 sperrfristbehaftete Anteile 160 Spezialitätsgrundsatz 40, 42, 45, 285 Squeeze-out 161 Statusverbesserung 159, 165, 172 step-up 162 Steuersenkungsgesetz 203 Steuersubjekt 67 Steuersubstrat 26, 103, 304 stille Reserven 62, 65, 67 Stimmrechtsmehrheit 177, 309 Stundung 252 subjektbezogene Entstrickung 224 Systeminkonsequenz 212 tauschähnliche Veräußerung 85, 111, 124, 175, 181, 187, 195, 282
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Tauschgutachten 72 Teilbetrieb 43, 45, 79, 127, 153 teleologische Reduktion 169, 170, 271, 337, 341 Totalitätsprinzip 66, 70, 277, 299 Transparenzprinzip 97, 187, 195, 200 Trennung von Gesellschafterstämmen 143 Trennungsprinzip 97 Typenvergleich 218 Typisierung 232, 339 Typusbegriff 127 Überführung einzelner Wirtschaftsgüter 191, 261 Übermaßverbot 64, 301, 304, 305 Übernahmegewinn 98, 118, 253, 256 Überspringen stiller Reserven 75, 102, 121, 173, 297 Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter 194 Übertragungsgewinn 88, 89, 107, 112 Übertragungsstichtag 87, 97, 125, 140, 231, 234 Umsatzakt 64, 70, 277, 282 Umtauschverhältnis 290 Umwandlungskosten 88, 98, 118 Umwandlungssteuererlass 85, 112, 124, 128, 136, 163, 168, 171, 280 Umwandlungsteil 78, 148 unbeschränkte Steuerpflicht 222 Universalsukzession 40, 42, 284 Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz 198, 203 Unternehmensstruktur 30, 32, 70 unternehmerische Freiheit 36 unternehmerisches Engagement 129, 190, 206, 295 ff., 301, 307, 309 Upstream-Verschmelzung 99, 117, 254, 293, 308 Veranlassungsprinzip 228 Veräußerung 141, 151, 280 Veräußerungsanteil 96, 98
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Sachwortverzeichnis
Verdoppelung stiller Reserven 159 Vereinigungstheorie 219, 257, 268 Verfügungsgeschäft 285 Vergleichbarkeit ausländischer Vorgänge 218 Vergleichswertmethode 87 Verkehrswert 87 Verlustvortrag 69, 88, 110, 115 Vermögensübertragung 34, 38, 39, 85 Verschmelzung 38, 84, 110 Verwaltungssitz 265 Vorbehalt des Gesetzes 276 Vorsichtsprinzip 62
Wahlrecht 43, 87, 89, 155, 181, 324 Wechsel des Besteuerungsregimes 97, 105, 109, 118 Wegzug 53, 56, 162, 252 Welteinkommensprinzip 222 wesentliche Betriebsgrundlage 126, 131 Zentralfunktion des Stammhauses 229, 231, 235 Zuzahlung 94, 116, 305 Zweigniederlassung 52, 217, 226, 227 Zwischenwert 88, 89