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German Pages 811 [816] Year 1967
R I T T E R - A B R A H A M · DAS R E C H T D E R
SEEVERSICHERUNG
DAS RECHT DER SEEVERSICHERUNG Ein Kommentar zu den Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen Im Jahre 1919 herausgegeben von den deutschen Seeversicherern nach Beratungen mit deutschen Handelskammern und Fachverbänden unter Vorsitz der Handelskammer Hamburg
Begründet von
DR. CARL R I T T E R Senatspräsident am Hanseatischen Oberlandesgericht
2. Auflage von Dt. jut. Hans Jürgen Abtaham, o. Professor an der Universität Frankfurt a. Main
ERSTER BAND
CRAM, DE G R U Y T E R & CO. / H A M B U R G 1967
© 1966 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg (Printed in Germany) Alle Reckte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf pbotomeehanischem Wege Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter de Gruyter Sc Co., Berlin 30
(Photokopic,
Vorwort Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Kommentars (Bd. I 193a, Bd. I I 1924) sind über vierzig J a h r e vergangen. Ein unveränderter Neudruck wurde 1953 herausgegeben, wäre indessen wegen gewisser Veränderungen in den Klauseln und der Notwendigkeit, neuere Rechtsprechung und Literatur zu berücksichtigen, erneut nicht mehr zu verantworten gewesen. Für eine Neuauflage war davon auszugehen, daß die erste Auflage zur klassischen Kommentierung der A D S geworden war. Von den seeversicherungsrechtlichen Erläuterungen Ritters ist die Rechtsprechung nur selten abgewichen und auch das Schrifttum hat ihnen im Grundsätzlichen nur verhältnismäßig wenig hinzugefugt. Meine Aufgabe konnte deshalb nur in einer vorsichtigen und zurückhaltenden Modernisierung der ersten Auflage bestehen. Die überaus wertvolle Gesamtmasse ihrer Erläuterungen mußte nach Möglichkeit erhalten bleiben, nicht nur aus Pietät gegenüber Ritter, sondern vornehmlich auch um der A D S willen. Die zweite Auflage gibt die Situation in Rechtsprechung und Schrifttum etwa um die Jahreswende 1965/66 wieder. Frankfurt a. M., März 1966 Hans Jürgen Abraham
Inhaltsübersicht zum ersten Bande
Vorbemerkungen Seite
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV.
Geschichte und Vorgeschichte der A D S Auslegung und Anwendung der A D S Begriff des Seeversicherungs-Vertrags Abschluß des Seeversicherungs-Vertrags Mitversicherung Gemeinschafts-Versicherung Erfüllungsort bei der Seeversicherung Verantwortlichkeit des Versicherers für dritte Vorteilsausgleichung bei der Seeversicherung Zwingendes und nachgiebiges Seeversicherungs-Recht Versicherung gegen Prämie und auf Gegenseitigkeit Der Versicherer a b Kaufmann Der Versicherungsvertrag als Handelsgeschäft Seeversicherungssachen als Handelssachen öffentliches Seeversicherungs-Recht
ι 5 14 ao 26 31 33 34 45 49 49 50 50 50 50
E r s t e r A b s c h n i t t . Allgemeine Bestimmungen I. Interesse § § § § §
1. 2. 3. 4. 5.
Versicherbares Interesse Fehlendes Interesse Prämienzahlung bei fehlendem Interesse Wegfall des Interesses. Künftiges Interesse Versicherungsbeginn vor Vertragsschließung
53 168 176 185 191
II. Versicherungswert. Unter-, Über-, Doppelversicherung § 6. § 7. § 8. § 9. § 10. §11. §12.
Versicherungswert Besondere Taxe Unterversicherung Uberversicherung Haftung der Versicherer bei Doppelversicherung Beseitigung der Doppelversicherung Mitteilung von Doppelversicherungen
§ 13. III. Versicherungstreue
215 234 239 242 246 261 268 270
Inhaltsübersicht
VII Seite
I V . Police. Prämie. Ristornogebühr § 14. § 15. § 16. §17. § 18.
Police Inhalt der Police Fälligkeit der Prämie und der Nebenkosten. Sicherheitsleistung Nichtzahlung der Prämie. Nichtleistung der Sicherheit Ristornogebühr
278 291 297 311 320
V . Anzeigepflicht. Gefahränderung § 19. §20. §21. § 22. § 23. § 24. § 25. § 26. § 27.
Anzeigepflicht 321 Verletzung der Anzeigepflicht 357 Gefahrerhebliche Umstände 376 Anzeigepflicht bei Vertragsschließung durch Vertreter 380 Gefahränderung 383 Rechtsfolgen der Gefahränderung 427 Zuschlagsprämie bei Gefahränderungen 43g Anzeige von Gefahrerhöhungen 442 Anzeigepflichtverletzung und Gefahränderung hinsichtlich eines Teiles der versicherten Gegenstände 447 V I . Umfang und Dauer der Haftung des Versicherers
§ 28. § 29. §30. §31. § 32. §33. § 34. § 35. § 36. §37. § 38. § 39.
Umfang der Haftung im allgemeinen Große oder gemeinschaftliche Haverei Beiträge Aufopferungen Aufwendungen Verschulden des Versicherungsnehmers Schaden von weniger als 3 % Frei von Kriegsgefahr Haftung für Arrestgefahr Grenzen der Haftung Befreiung von der Haftung nach dem Versicherungsfall Zeitversicherung
450 492 511 523 526 545 573 578 613 617 622 627
V I I . Unfallsanzeige. Schadensabwendung § 40. Unfallsanzeige § 4 1 . Abwendung und Minderung des Schadens
629 634
V I I I . Andienung. Auskunfterteilung. Entschädigung § 42. Andienung des Schadens § 43. Auskunfterteilung § 44. Schadensrechnung. Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs
650 655 670
I X . Übergang von Schadensersatzansprüchen §45. Ubergang
676
§ 46. Schadenminderung nach Ubergang
689
§ 47. X . Zahlungsunfähigkeit des Versicherers
691
§ 48. X I . Verjährung
6gg
VIII
Inhaltsübersicht Seite
X I I . Veräußerung der versicherten Sache. Verpfandung der Entschädigungsforderung § 49. Veräußerung im allgemeinen § 50. Veräußerung versicherter Schiffe und Schiffsparten §51. Verpfändung der Entschädigungsforderung
702 732 736
Anhang zu § 5 1 : Schiffshypothek und Versicherungsforderung
738
X I I I . Versicherung für fremde Rechnung § 52. Versicherung für eigene Rechnung, für fremde Rechnung, für Rechnung wen es angeht 745 § 53. Rechtsstellung des Versicherten 758 § 54. Rechtsstellung des Versicherungsnehmers 765 § 55· Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherten 770 § 56. Aufrechnung 775 § 57. Kennen, Kennenmüssen, Verschulden 778
Schrifttum In diesem Verzeichnis sind nur Bücher und Beiträge zu Gesamtwerken aufgeführt. Wenn abweichende Angaben fehlen, sind sie in den Erläuterungen nur mit dem Namen des Verfassers zitiert. Weitere Schrifttumsangaben, insbesondere Aufsätze und im allgemeinen Dissertationen, finden sich zu Beginn der Erläuterungen der einzelnen Paragraphen. Die hier genannten Bücher sind dort durchweg nicht genannt. Des besseren Uberblicks wegen sind indessen bei einigen neueren umfassenden Werken und wesentlichen Monographien hiervon hier und da Ausnahmen gemacht. A b e g g , Pflichten des Versicherers in der Seeversicherung, Diss. 1908 A b r a h a m , Das Seerecht, 2. Aufl. i960 (Grundriß) = Abraham G R A b r a h a m , Die Schiffshypothek im deutschen und ausländischen Recht, 1950 (Heft 20 der Überseestudien) = Abraham Schiffshyp A b r a h a m , siehe Schaps-Abraham A h l e r s , York and Antwerp Rules 1890, 1902 A h r e n s , Die Konkurrenz der Ansprüche aus dem Eigenversicherungsvertrag und dem Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten, Diss. 1909 A l a u z e t , Traite general des assurances, 1843 Α ms l e r , Gefahranzeigepflicht bei Abschluß eines Versicherungsvertrags und Gefahrerhöhung im Laufe der Versicherung im schweizerischen Bundesgesetz vom 2. 4. 1908, Diss. 1 9 1 5 A n d e r s e n , Die Seeversicherung nach den in den hauptsächlichsten Staaten Europas geltenden gesetzlichen und anderen Bestimmungen, 1888 A r g y r i a d i s , Die Frachtversicherung, 1961 (Heft 28 der Uberseestudien) A r n o u l d , The L a w of Marine Insurance and Average, 15. Aufl. 1961 von Lord Chorley of Kendal und Bailhache (British Shipping Laws, Bd. 9 und 10) (Nachtrag 1966) A s c h e n h e i m , Der Abandon des Versicherten, 1893 A u b r u n , De la fixation de l'indemniti en mattere d'avaries particulates dans les assurances Sur facultas, 1902 Α u f f * m O r d t , Entwurf eines Allgemeinen Plans Hamburgischer Seeversicherungen, 1843 B a b , Das Wesen und die Erfordernisse der Anzeige im Privatrecht, Diss. 1 9 1 1 B a c h e , Uber die Anzeigepflicht des Versicherten, 1903 B ä u m l e r , Die Besonderheiten der Binnentransportversicherung, Diss. 1 9 1 4 B a l d a s s e r o n i , Delle assicurazioni marittime, 2. Aufl. 1 8 0 1 — 1 8 0 5 B a r a u d , L'assurance des personnes transportees ä titre gratuit, 1933 B a r k h a u s e n , Voraussetzungen und Wirkungen des Abandon bei der Seeversicherung, Diss. 1895 B a u m b a c h - D u d e n , Handelsgesetzbuch, 17. Aufl. 1966 B e c k e r , Die Seeversicherungspolice, 1965 B e n d i x , Terminologie und Begriffsbildung im Gesetzentwurf über den Versicherungsvertrag, 1904
χ
Schrifttum
B e n e , Der Begriff des Versicherungsfalls in der Seeversicherung, 1928 (Hamburger Rechtsstudien Heft 1) B e n e c k e , A treatise on the principles of indemnity in marine insurance, bottomry and respondentia, 1824 = Benecke Treatise B e n e c k e , System des Assekuranz- und Bodmereiwesens, 1 8 1 0 B e n e d i c t , The L a w of American admiralty, its jurisdiction and practical, 6. Aufl. 1957 B e n e k e , Der Ristorno in der Seeversicherung, 1891 B e n s a , II contratto di assicurazione nel medio evo, 1884 (teilweise französische Ubersetzung von Valery 1897) B e s s e , Assurance maritime sur corps — L a clause ,,franc s a u f " , 1957 B e s t , Gesetz über den Versicherungsvertrag, 1908 B e u m e , Der Einfluß des Krieges auf den Privatversicherungsvertrag, Diss. 1 9 1 6 B i s c h o f , „ D i e Natur der Sache" als Rechtsquelle im Gebiet des Versicherungswesens, I895 B l a d , Die Erscheinungsformen der Uberversicherung im Gebiet des Privatversicherungsrechts unter besonderer Berücksichtigung des V V G , Diss. 1910 B o i z a r d , Defense ou reforme de la structure de l'assurance maritime fran^ais, 1958 B o u l a y - P a t y , Traite des assurances usw. von fimerigon, 1827 B o y e n s , Das deutsche Seerecht, Bd. I 1897, Bd. I I 1901 B r a e m e r , Das Versicherungswesen, 1894 B r a n d i s , Das deutsche Seerecht, 1908 B r a n d t , Uber Seeversicherung. Aus dem Norwegischen, 1878 B r o d m a n n , Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches, mit Erläuterungen, 2. Aufl. i95 B r o m , Engelske Standaardclauses voor Zee-Casco-Verzekering, 1932 B r u c k , Das Privatversicherungsrecht, 1930 = Bruck P V R B r u c k , Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 7. Aufl. 1932 = Bruck V V G B r u c k - M ö l l e r , Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechts, 8. Aufl. von Möller, Bd. I 1961 = Bruck-Möller B r ü d e r s , Transportversicherung und Krieg, 1914, Veröffentl. des D V f V W 26 B r ü d e r s , Zusammenstellung der wichtigsten Policebestimmungen und gesetzlichen Vorschriften über die Versicherung gegen Kriegsgefahr, 1 9 1 1 = Brüders Zusammenstellung B r u m m , Beiträge zur Rückversicherung, Diss, i g n B r u m m e r , Risikenbemessung und Prämienbildung in der Seeversicherung, Diss. Zürich 1950 B r u n e t t i , Diritto Marittimo Privato Italiano, 1929—1938, Bd. I I I , Teil 2, Dei sinistri marittimi e dell' Assecurazione B u e r s c h a p e r , Einfluß des Konkurses auf schwebende Versicherungsverhältnisse usw., Diss. 1 9 1 0 B u g e r , Der Versicherungsvertrag und seine Bedeutung, i g 2 i B y k , Die Versicherung für fremde Rechnung, verglichen mit der Kommission, Diss. 1 9 1 1 C a h n , Der Wechsel des Interessenten im Rechte der Schadensversicherung, C a m m , A Shipmaster's guide to marine insurance, ig54 C h a u v e a u , Des Assurances Maritimes, 194g C h a u v e t , E., Traite des assurances maritimes, 187g—1881 C h a u v e t , J . V., Traite sur les assurances maritimes, 1862 C h a l m e r s , The Marine Insurance Act igo6, 5. Aufl. 1956
1914
Schrifttum
XI
C l a u s s , Der Versicherungswert, Diss. 1 9 1 3 C o h n , Der Versicherungsvertrag nach allgemeinen Rechtsprinzipien, 1873 C o h n f e l d , Die Lehre vom Interesse, 1865 C o u l o n et H o u a r d , Code pratique des assurances maritimes, 1887 de C o u r c y , Les deux sortes de reassurance, 1885 de C o u r c y , Questions de droit maritime, 1877—1888 = de Courcy, Questions d e C o u r c y , Commentaires des polices frangaises d'assurances maritimes, 2. Aufl. 1888 C r a m e r , Die Versicherung der Havariegroßschäden, Diss. 193a C r u y s m a n s , Des risques de guerre usw., 1862 D a n j o n , Traite de Droit Maritime, 2. Aufl. 1926—1929 D e s j a r d i n s , Traite des assurances maritimes, 1887. Bd. 6 des Traite de droit commercial maritime v. D ö h r e n , Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer in der Seeversicherung, Diss. 1 9 1 3 D o e r n b e r g e r , Die Besonderheiten der Seeversicherung, Diss. 1 9 1 1 D o h m , Unwirksamkeit und mangelhafte Wirksamkeit des Versicherungsvertrags, Diss. 1900 D o m i z l a f f - L i e b i g - B e r l i n e r , Die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen, 9. Aufl. 1930 D o v e r , Analysis of Marine and other Insurance Clauses, 8. Aufl. i960 = Dover Analysis D o v e r , A Handbook to Marine Insurance, 6. Aufl. Neudruck 1964 D r o z , Traite des assurances maritimes, du delaissement et des avaries, 1881 D u b r u e l , Des polices flottantes ou d'abonnement en mati£re d'assurances maritimes, 1911 D u e r , The law and practice of marine insurance, 1845, 1846 ν. D ü r i n g , Rechtliche Beziehungen der Sachversicherung zum ehelichen Güterrechte, Diss. 1 9 1 3 E b e r h a r d , Der Schadensnachweis in der Versicherung, Diss. 1917 E b e r l e , Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers, 1 9 1 3 E b e r l i , Die englische Kaskopolice, 1891 E c k e r , Feuerversicherungswert und Interesse, 1 9 1 4 E h r e n b e r g , Die Rückversicherung, 1885 = Ehrenberg R V E h r e n b e r g , Versicherungsrecht, 1893 = Ehrenberg E h r e n b e r g , Das künftige Rückversicherungsrecht, 1908, VeröfFentl. des D V f V W 1 5 = Ehrenberg R V R E h r e n b e r g , Das „Interesse" im Versicherungsrecht (Festgabe für Sohm), 1 9 1 5 = Ehrenberg Interesse E h r e n b e r g , Verantwortlichkeit der Versicherungs-Gesellschaften fiir ihre Agenten (Festgabe für Jhering), 1892 = Ehrenberg Agenten E h r e n s b e r g e r , Der laufende Versicherungsvertrag in der Seetransportversicherung, besonders seine Rechtsnatur, Diss. Zürich 1944 E h r e n z w e i g , Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, 1952 = Ehrenzweig V V E h r e n z w e i g , Die Rechtslehre des Versicherungsvertrags und die klassische Logik, 1952 E l s t e r , Die Anzeigepflicht bei der Seeversicherung, Diss. Leipzig 1931 E m b d e n , Versicherung für Rechnung wen es angeht, 1930 fimerigon, Traite des assurances et des contrats ä la grosse, 1782, 1783 E m m i n g h a u s , Das Versicherungswesen, 3. Aufl. 1 9 1 2
XII
Schrifttum
E n g e , Transportversicherung, Versicherungswirtschaftliches Studienwerk 1960/64, Studienplan F V I = Enge Transportvers E s t r a n g i n , Traite du contrat d'assurance (von Pothier), 1 8 1 0 E u l e , Die Pflicht zur Anzeige vom Eintritt des Versicherungsfalls, Diss. 1 9 1 2 E u l e r t , Die Ansprüche des Versicherers, abgesehen von dem Anspruch auf Prämie, Diss. 1908 F a l k , Rechtsgrundsätze im Versicherungswesen, 1885 F a l k , Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Vertragsschluß, Diss. 1 9 1 1 F i c k , Die bei der Auslegung des Versicherungsvertragsrechts maßgebenden Grundsätze, 1 9 1 7 = Fick Auslegung F i c k , Einige Grundbegriffe der Schadensversicherung usw., 1918 = Fick Grundbegriffe F i c k , Der Ersatz wert in der Feuerversicherung, 1918 = Fick Ersatz wert F i s c h e r , Die Versicherung für fremde Rechnung in der Schadensversicherung, Diss. 1913 F l o c k t o n , T h e Insurance of Ships, 1955 F l ü c k i n g e r , Das Rücktrittsrecht im Teilschadensfall nach schweizerischem Recht, 1961 F ö r s t e r , Die Gefahrerhöhung in der Privatversicherung, Diss. 1 9 1 6 F r a m h e i m , Die Herbeiführung des Versicherungsfalls, Diss. Hamburg 1927 F u n k , Das Mitversicherungs-System des Londoner Lloyds, 1935 G a l l u s , Die Grundlagen des gesamten Versicherungswesens, 1874 G a u n t , The Carriage and Insurance of Cargoes, 1954 G e o r g i i , Die Haftpflichtversicherung des Entwurfs eines V V G , 1904 G e r h a r d , Kommentar zum Deutschen Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag (verf. von Gerhard, Hagen, v. Knebel-Döberitz, Broecker, Manes), igo8 G i b b , Lloyd's of London, 1957 J . v o n G i e r k e , Die Versicherungsforderung bei der Veräußerung der versicherten Sache, 1899 = Gierke Versicherungsforderung J . v o n G i e r k e , Der Begriff der Transportversicherung im deutschen Recht (Festgabe fiir Güterbock) = Gierke Transportversicherung J . v o n G i e r k e , Versicherungsrecht, Bd. I 1937, Bd. I I 1947 = Gierke V S R G i e s e , Die Ansprüche des Verkäufers aus dem Versicherungs- und Kaufvertrag nach dem Ubergang der Gefahr auf den Käufer, Diss. 1898 G i r t a n n e r , Die Centralisation vom Standpunkt des Seeversicherers aus betrachtet, 1875 G l a s h o f f , Sammlung einiger bei der Schiffahrt und dem Assekuranz-Geschäfte vorkommenden Fälle, 1792, 1795, 1799, 1802 G o l d s c h m i d t , System des Handelsrechts usw., 4. Aufl. i8g2, = Goldschmidt System G o l d s c h m i d t , Universalgeschichte des Handelsrechts, 1891, = Goldschmidt Universalgeschichte G o l d s c h m i d t , Z u r Geschichte der Seeversicherung (Festgabe für Beseler), 1885, = Goldschmidt Seeversicherung G o n z a l e s , El seguro maritimo, 1940 G o v a r e , L'assurance Maritime Frangaise, 2. Aufl. i960 G o w , Marine Insurance, 5. Aufl. 1931 G r a m m , Das neue deutsche Seefrachtrecht nach den Haager Regeln, 1938 G r a s m e y e r , Materialien zu einem allgemeinen Plan für die Assekuradeurs in Hamburg, 1809 G r a s m e y e r , Geschichtliche Wahrnehmungen beim Seeassekuranzwesen usw., 1824, = Grasmeyer Wahrnehmungen
Schrifttum
XIII
G r e v e l , Hat der Käufer einer Sache das Recht, die Zession des Anspruchs auf die Versicherungssumme zu fordern usw., Diss. 1895 G r i e s h a b e r , Das Synallagma des Versicherungsvertrags, 1 9 1 4 G r u n w a l d , Einrichtung und Betrieb einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft, 1 9 1 2 G ü t s c h o w , Vergleichende Zusammenstellung der wichtigsten Seeversicherungsrechte, 1908 G ü t s c h o w , Bemerkungen zu dem Entwurf der A D S , 1910 = Gütschow Bemerkungen G u g e l , Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1909 H a g e n , Das Versicherungsrecht (in Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 8. Band, 2 Abteilungen), 1922 = Hagen Hdb. I oder I I , auch 1 oder 2 H a g e n , Grundzüge des Versicherungsrechts, 1923 = Hagen Grundzüge H a g e n , Seeversicherungsrecht (Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Heft 62), 1938 = Hagen S V R H a g h e et C r u y s m a n s , Commentaire sur la police d'assurance maritime d'Anvers, «883 H a l l e r , Entwurf einer neuen Assecuranz- und Havarieordnung, 1 8 1 9 H a m a n n , Die Anzeigepflicht des privaten Versicherungsrechts, Diss. 1920 H a n z l i k , Die juristische Natur der Rückversicherung, Diss. 1 9 1 1 H a s s e l m a n n , Seekriegsversicherung, 1918 H e c k , Das Recht der großen Haverei, 1889 H e c k e r , Zur Lehre von der rechtlichen Natur der Versicherungsverträge, 1894 H e l b e r g , Der Abandon in der Seeversicherung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1925 H e l l a u e r , Transportversicherung, 1953 H e l l w i g , Die Verträge auf Leistung an Dritte, 1899 H e n l e , Unterstellung und Versicherung, 1922 H e n s e l , Kritische Sichtung der Theorien über die juristische Natur des Versicherungsvertrags, Diss. 1905 H e r c h e r , Die Anwendung des § 2 7 8 B G B auf das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer nach dem V V G , Diss. 1 9 1 2 H e r r m a n n , Theorie der Versicherung, 3. Aufl. 1897 v. H e r r m a n n - O t a v s k y , Zur Konkludenz des Schweigens bei der Abschließung des Versicherungsvertrags (Festgabe für Cohn), 1 9 1 5 H e r r m a n n s d o r f e r , Wesen und Behandlung der Rückversicherung, 2. Aufl. 1924 H e r z o g , Die Praxis der Transportversicherung, 1909 H e y e r s , Beiträge zur Lehre von der Doppelversicherung, Diss. 1 9 1 0 H e y n e , Zur Praxis der Versicherungswertvermitdung an beweglichen Gegenständen usw., Diss. 1910 H i e s t a n d , Der Schadensersatzanspruch des Versicherers usw., 1896 H i l l e b r e c h t , Die Verletzung der Anzeigepflicht nach dem V V G , Diss, ig 10 H i m e r , Kostfrachtgeschäft und laufende Versicherung, 1923 H i n n e b e r g , Binnentransportversicherung, Diss. 1920 H o c h g r ä b e r , Die Hauptkapitel des Transportversicherungsrechts, 1937 = Hochgräber Hauptkap H o m a n n , Die Ausschließungsklauseln zweier zusammentreffender Versicherungsverträge für fremde Rechnung, Diss. 1 9 1 0 H o r s t , Leitfaden zum Studium der Grundsätze und Einrichtungen des Versicherungswesens, 1905
XIV
Schrifttum
H u b e r , Die Versicherung für fremde Rechnung, Diss. 1 9 1 4 H ü b e n e r , Die Führungsklausel in der Mitversicherung, 1954 H u e t t n e r , Das Recht der Feuerversicherung, 1908 H u e t t n e r , Das Recht der Haftpflichtversicherung usw., igo8 H u p k a , Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht, 1903 H u r d , The L a w and Practise of Marine Insurance relating to Collision Damages and other Liabilities to Third Parties, 1952 H y l l i a , Die Anzeigepflicht bei Binnenversicherungen, Diss. 1901 I n s t i t u t e of L o n d o n U n d e r w r i t e r s , Reference Book on Marine Insurance Clauses, 1956 I n s t i t u t e of L o n d o n U n d e r w r i t e r s , Papers on Marine Insurance Matters, 1949/55 J a c o b i , Der Versicherungsschein, Diss. 1 9 1 1 J a c o b s , Les assurances maritimes et les avaries, 1885 J a h n , Studien über Rückversicherung und deren Statistik, 1 9 1 2 v . J o h n , Die Seeversicherungspolicen der wichtigsten Plätze der Erde, 1874 J o s e f , Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1908 J u n k e r , Die Verpfändung des Versicherungsanspruchs, Diss. 1 9 1 9 K e a t e , Guide to Marine Insurance, 12. Aufl. 1958 K e n t , Commentaries on American law, 12. Aufl. 1873 K i e s s e l b a c h , Die wirtschafte- und rechtsgeschichtliche Entwicklung der Seeversicherung in Hamburg, 1901 K i r c h m a n n , Fusion von Versicherungsunternehmungen nach dem geltenden deutschen Rechte, Diss. 1 9 1 1 K i r s t e i n , Anzeigepflicht beim Abschluß des Versicherungsvertrags, Diss. 1 9 1 4 K i s c h , Handbuch des Privatversicherungsrechts, Bd. 2, 3, 1920, 1922 = Kisch 2 bzw. 3 K i s c h , Das Recht des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, 1951 = Kisch Gegenseitigkeitsverein K i t a d a , Der Abandon in der Seeversicherung unter besonderer Berücksichtigung des japanischen Rechts, 1908 K l e f e c k e r , Hamburgisches Assecuranzwesen (Sammlung der Hamb. Ges. u. Verfass. 7. 287), 1769 K l e i n , Anzeigepflicht im Schuldrecht, 1908 K l e i n s c h m i d t , Die Anwendbarkeit des § 278 BGB im Versicherungsrecht, Diss. 1 9 1 4 K n i t t e l , Alte Assecuradeure und alte Gefahren (Veröffentl. des hamb. Seminars für Versicherungswissenschaft) , 1 9 1 8 K n i t s c h k y - R u d o r f f , Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches, 5. Aufl. 1 9 1 3 K ö h l e r , Die Seekriegsversicherung, Diss. 1 9 1 3 K ö n i g , Uber die Behandlung der falschen Angaben und der Verschweigung usw., Diss. 1889 K ö n i g , Die Versicherungsgeschäfte, 1885, EndemannsHdbch. Bd. 3 K o e n i g , Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. i960 K o e r n e r , Der Kriegsschaden und seine Versicherung, 1867 K ö r n e r , Rechtliche Stellung des Erwerbers bei Veräußerung der versicherten Sache nach dem V V G (§§ 69—73), Diss. 1 9 1 3 K ö r t e , Die Voraussetzungen des Schadensversicherungsvertrags usw., Diss. 1908 K o h l e r , Versicherungsrecht, 191 o, D e r n b u r g , Das bürgerliche Recht Bd. 6 K r a c h t , Die Rotterdamer Seeversicherungs-Börse, ihre Entwicklung, Bedeutung und Bedingungen, 1922
Schrifttum
XV
K r a u s e , Die Überversicherung im Privatversicherungsrecht, 1908 K r ö m e r , Veräußerung der versicherten Sache bei der Schadensversicherung, Diss. 1 9 1 4 K r o s t a , Uber den Begriff Versicherung, Diss. 1 9 1 1 K ü n n e t h , Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers bei der Schließung des Vertrags nach dem V V G , Diss. 1 9 1 2 K u f a h l und S a u e r , Gesetz über den Versicherungsvertrag, 1908 K u l i n i c k , Der Maximalkontrolleur bei der Seeversicherung, 1 9 1 8 L a b r a q u e - B o r d e n a v e , Traite des assurances maritimes, 1876 L ä g e t d e P o d i o , Traite des questions sur l'assurance maritime, 1847 L a n g e , Die Gefahrerhöhung bei Versicherungsverhältnissen nach den Bestimmungen des V V G , Diss. 1 9 1 1 L a n g e n b e c k , Anmerkungen über das Hamburgische Schiff- und Seerecht, 1727. 2. Aufl. 1740, zitiert nach der 1. Aufl. L a z a r u s , Über das Seeversicherungsrecht, 1861 = Lazarus über Seeversicherungsrecht L a z a r u s , Bedenken gegen den Entwurf der Hamburgischen Seeversicherungspolice, 1862 = Lazarus Bedenken L e h s t e n , Der mittelbare Kollisionsschaden in der See- und Transportversicherung, Diss. Hamburg 1930 L e m c k e , Versicherungswesen, 2. Aufl. 1888 L e m o n n i e r , Commentaire sur les principales polices d'assurances maritimes usities en France, 1843 L e n n e , Das Versicherungsgeschäft fiir fremde Rechnung, 1 9 1 1 L e o , Deutsches Seehandelsrecht, 1902 L e o n h a r d , Verschulden beim VertragsschluB, 191 ο L e w i s , Das deutsche Seerecht, 2. Aufl. 1884 L e w i s , Lehrbuch des Versicherungsrechts, 1889 = Lewis Lehrbuch v. L i c h t e n f e l s , Uber einige Fragen des Binnenversicherungsrechts, 1870 v. L i e b i g , Die Seeversicherung, 1 9 1 4 L ö t s c h , Die Risikobeschränkung, Diss. Hamburg 1935 L i n d η er und F e l l , Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1909 L o w n d e s , A practical treatise on the law of marine insurance, 2. Aufl. 1885 L u r e a u et O l i v e , Commentaire de la Police fran5aise d'Assurances maritimes sur Facultes, 2. Aufl. 1952 L u z a t t i , II contratto di assicurazione marittima usw., 1 9 1 2 M a c k e n t h u n , Die Ausbesserungspflicht in der See-Kaskoversicherung, ungedr. Diss. Hamburg 1953 M a c l o u , L e delaissement dans l'assurance maritime, 1954 M a g e n s , On Insurance, 1755 M a i e r , Das Versicherungsvertrags-Recht, 1 9 1 1 M a l s s , Betrachtungen über einige Fragen des Versicherungsrechts usw., 1862 = Malss Betrachtungen M a l s s , Studien über Versicherungsrecht, 1884 M a n e s , Einführung in die Praxis der Privat-Versicherung, 1908 = Manes Einführung M a n e s , Versicherungswesen, 3. Aufl. 1922 = Manes Versicherungswesen M a n e s , Grundzüge des Versicherungswesens, 3. Aufl. 1 9 1 8 = Manes Grundzüge M a n e l e s , Verjährung und Schadenandienung in Seeversicherungssachen, 1888 M a n f r e d i , II contratto di assicurazione, 190g
XVI
Schrifttum
M a r c u s , Das Recht der Privatversicherung nach den allgemeinen Lehren des Entwurfs eines W G , 1907 M a r s h a l l , On Insurances, 3. Aufl. 1823 M a r t i n , Die Haftung des Versicherers für Güter aus deutschen Schiffen in italienischen und portugiesischen Häfen, 1918 M a r t i n , History of Lloyds and of Marine insurance, 1876 M a s i u s , Systematische Darstellung des gesamten Versicherungswesens, 1857 M a t a j a , Das Recht des Schadenersatzes, 1888 M a t t e r , Der Umfang der Gefahr in der Seeversicherung von Gütern nach schweizerischem Recht, 1933 M a y , The law of insurance, 2. Aufl. 1882 M c A r t h u r , O n the contract of marine insurance, 2. Aufl. 1890 M e y e r , Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Abschluß des Versicherungsvertrags, 1897 = Meyer Anzeigepflicht M e y e r , Die rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers nach dem V V G , Diss. 1910 M e y e r , Die Uber- und Doppel Versicherung im Gebiet des Privatversicherungsrechts, Diss. 1913 M i c h a e l s , Die Bedeutung der Orderklausel für die Seeversicherungspolice, Diss. 1905 M ö l l e r , Summen- und Einzelschade (Hamburger Rechtsstudien, Heft 30), 1939 M ö l l e r , Cifgeschäft und Versicherung, 1932 M ö l l e r , Die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, 1939 = Möller Verantwortlichkeit M ö l l e r , Seeversicherung, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 1952, S. 240 M ö l l e r , s. auch Bruck-Möller M o h r , Die Frachtversicherung, 1927 M o l d e n h a u e r , Das Versicherungswesen (1. Teil, 3. Aufl. 1918; 2. Teil, 2. Aufl. 1923) = Moldenhauer Versicherungswesen M o l d e n h a u e r , Die laufende Versicherung, Diss. 1899 = Moldenhauer Laufende Versicherung M o l d e n h a u e r , Die Grenzgebiete zwischen Feuer- und Transportversicherung, 1921 = Moldenhauer Grenzgebiete M o l t , Der Kreditversicherungsvertrag, 1913 M o n t e l l a , De Seguros Maritimos, 1915 M o n a r d , Du contrat d'assurance, 1883 M ü l l e r , Die innere Verwaltung einer modernen Versicherungsgesellschaft, 1914 M ü l l e r - E r z b a c h , Die Grundsätze der mittelbaren Stellvertretung usw., 1905 M ü r l , Die laufende Versicherung, Diss. Nürnberg 1928 M u l l i n s , Marine Insurance Digest, 1951 N a g e l , Die Kriegstransportversicherung, ihre Entwicklung und staatliche Regelung unter besonderer Berücksichtigung der Schweizer Lösung, Diss. Zürich 1946 N a j a r , El suguro de flota (Schiffsfrachtversicherung), Madrid i960 N o l s t Trenite, Nederlandisch assurantierecht, 1907 N o l t e , System des See-, Assekuranz- und Bodmereiwesens (von B e n e c k e ) , 1851 N o r d , Die Entwicklung des deutschen Versicherungswesens in seiner Beziehung zum Weltkrieg und dessen wirtschaftlichen Wirkungen, 1922 N o t h m a n n , Das Versicherungszertifikat, 1932 N o u r n e y , Das Recht des Abandons, Diss. 1905 O b e r b a c h , Allgemeine Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung, Teil I 1938, Teil II 1947
Schrifttum
XVII
O b e r m a y e r , Die Rückversicherung, Diss. 1912 O b e r s t , Rechtliche Natur der Versicherungspolice, 1909 v. O e r t z e n , Der Versicherungsschein, Diss. 1911 O h l i g m a c h e r , Die Verpflichtung der Versicherten zur Abwendung des Schadens vor und nach dem Versicherungsfall, Diss. 1918 O s t e r t a g , Das (schweizerische) Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 1915 P ä h l , Die Landtransportversicherung in Deutschland, 1922 P a l a n d t — (Name des Verfassers), Bürgerliches Gesetzbuch, 25. Aufl. 1966 P a p p e n h e i m , Handbuch des Seerechts, Bd. 2 1906, Bd. 3 1918 (Fortsetzung des Werkes von Wagner) P a p p e n h e i m , Zwangsversicherung der Seeschiflspassagiere und Haftung der Reeder für Personenschäden, 1928 P a r d e s s u s , Cours de droit commercial, 6. Aufl. 1856, 1857 P a r k , A system of the law of marine insurances, 8. Aufl. 1843 P a u l y , Abänderungsvorschläge 2um Seeversicherer-Entwurf der ADS, 1910 P a u l y , Eine Kritik des Ε igio, 1910 P a u l y , Zur Entwicklung der allgemeinen Seeversicherungsbedingungen, 1910 P a u l y , Die englische Kriegsgefahr-Versicherung in der Seeversicherung, 1918 = Pauly Kriegsgefahr P a u l y , Die Hamburger Kriegsklausel in der Seeversicherung (Veröffend. des hamb. Seminars für Versicherungswissenschaft), 1918 = Pauly Kriegsklausel P e e f , Der Versicherungsfall überhaupt und insbesondere bei der Haftpflichtversicherung, 1914 P e r r e a u , Assurances terrestres et maritimes, 1929 P h i l i p p s , A treatise on the law of insurance, 5. Aufl. 1867 P l a s s , Geschichte der Assekuranz und der Hanseatischen Seeversicherungsbörsen, 1902 P l a s s , Die Besonderheiten der Rückversicherung in den einzelnen Versicherungszweigen, Diss. 1910 = Plass Rückversicherung P o h l s , Darstellung des gemeinen deutschen und des hamburgischen Handelsrechts, Bd. 4, 1934 P o t h i e r , Traite du contrat d'assurance et du contrat de pret ä la grosse, 1767 P r a n g e , Die Theorie des Versicherungswertes usw., 1895, '9 0 2 > '9°7 P r a n g e , Kritische Betrachtungen zu dem Entwurf eines VVG, 1904 P r a u s e , Das Recht des Schiflskredits, 1954 P r i e n , Die sogenannte Strandungsklausel im Weltverkehr, 1890 P r ö l ß , Versicherungsvertragsgesetz, 15. Aufl. 1965 = Prölß V V G P r ö l ß , Versicherungsaufsichtsgesetz, 3. Aufl. 1965 R a i s e r , Kommentar der Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen, 2. Aufl. 1937 R a m s h o r n , Voraussetzungen und juristische Natur des Vertrags bei der Versicherung für fremde Rechnung, Diss. 1910 R a s c h , Zur Frage des Versicherungswerts in der Feuerversicherung, Diss. 1892 R a u , Die Rückversicherung der Gegenwart, Diss. 1901 R a y n e s , A History of British Insurance, 2. Aufl. 1964 R e a t z , Die Seeversicherung, 1884. EndemannsHdbch. Bd. 4 R e a t z , Geschichte des Europäischen Seeversicherungsrechts, 1870 = Reatz Geschichte R e n t z e l l , Entwurf einer neuen Assecuranz- und Havarieordnung, 1826 R i c h t e r , Die Versicherung der in einem Betriebe zur Bearbeitung befindlichen fremden Waren gegen Feuersgefahr, 1913
XVIII
Schrifttum
R i p e r t , Droit Maritime, 4. Aufl. 1 9 5 1 — 1 9 5 3 = Ripert R i p e r t , Precis de Droit Maritime, 7. Aufl. 1956 = Ripert Precis R o e l l i , Kommentar zum schweizerischen V V G Bd. I 1 9 1 1 ff., Bd. I I / I I I 1932/33 v. J a e g e r , Bd. I V 2. Aufl. 1962 v. K e l l e r R o e l l i , Entwurf zu einem schweizerischen V V G , 1896 = Roelli Entwurf R ö p l i n g , Die Geschichte der englischen Seeversicherung, 1956 R ö p l i n g , Die Struktur der englischen Seeversicherung und ihr Einfluß auf die Zahlungsbilanz Großbritaniens, 1960 R o h r b e c k - D u r s t - B r o n i s c h , Das Recht des Versicherungsagenten, 3. Aufl. 1950 R o s e , Insurance Notes for Shipbrokers, 1955 R o t h b a r t h , Die Seeversicherungspolice, Diss. 1 9 1 5 R ü e g e r , Die Causa-Proxima-Regel im Seeversicherungsrecht, Diss. Zürich 1956 R y n e r t , Über die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Abschlüsse des Vertrags, 1908 S a c e r d o t i , II contratto di assicurazione, 1874 S a n t e r n a , De assecurationibus, 1599 S a s s e , Deutsches Seeversicherungsrecht 1923—1957, 1958, mit Nachtrag 1964 S c h a f f h a u s e n , De assecurationibus, vulgo von Assecuranzien oder Versicherungen, 1638 S c h a p s - A b r a h a m , Das deutsche Seerecht, 3. Aufl., Bd. I 1959, Bd. I I 1960/62, Bd. I I I 1964 S c h e e l , Die Einwirkung des Weltkrieges auf die rechtliche Gestaltung der Seeversicherung, Diss. Leipzig 1925 S c h e r z b e r g , Die Kriegsklausel in der Seeversicherung unter Mitberücksichtigung des englischen und französischen Rechts, 1954 (Uberseestudien Heft 23) S c h l e g e l b e r g e r , Seeversicherungsrecht, i960 = Schlegelberger S V R S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , Seehandelsrecht, 2. Aufl. 1964 S c h l i n k , Die Natur der Versicherung, Diss. 1887 S c h m i d t , R e i m e r , Die Obliegenheiten, 1953 S c h m i d t , Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1908 S c h n e i d e r , Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1908 S c h n e i d e r , Treu und Glauben im Schuldrecht, 1902 S c h n e i d e r , Von Havereien und Seeversicherungen, 1875 S c h o n f e l d , L e risque de guerre en matierc d'assurances maritimes, 1 9 1 6 S c h u d d e b e u r s , Transportverzekering (Beurskonditien), 1923 S c h w e i g h ä u s e r , Kommentar zum V V G , 1922 v. S e i l e , Das Recht des Pfandgläubigers auf die Versicherungssumme, Diss. l8g6 S i e b e c k , Die Schadenabwendungs- und Minderungspflicht des Versicherungsnehmers, 1963 J. S i e v e k i n g , De assecuratione maritima nomine alterius contracta, 1790 J. S i e v e k i n g , Von der Assekuranz für Rechnung eines ungenannten Versicherten. 1 7 9 1 = J - Sieveking G. S i e v e k i n g , Das deutsche Seeversicherungsrecht, 1 9 1 2 = Sieveking de S m e t , Les Assurances maritimes, 1934 de S m e t , Traite thiorique et pratique des Assurances Maritime, 3 Bd. 1959 S o m m e r , Die Haftung des Versicherungsnehmers für fremdes Verschulden, Diss. 1 9 1 3 S o e r g e l - S i e b e r t — (Name des Bearbeiters), Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Aufl. i959—"964 S p o h n , Die Transportversicherung, 1 9 1 8
Schrifttum
XIX
S t a u d i n g e r — (Name des Bearbeiters), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, io. u. I i . , teilweise 9. Aufl. S t e l z e r , Die Gefahrerhöhung und ihre Rechtsfolgen nach dem W G , Diss. 1931 S t e p h i n g e r , Versicherung und Gesellschaft, 1 9 1 3 S t o l l e , Die Versicherung fur fremde Rechnung nach dem Entwurf eines V V G , Diss. 1906 S t r a c c h a , De mercatura et assecurationibus, 1669 S t r a u s s , Das Institut der Fremdversicherung lege de ferenda, Diss. 1 9 1 7 S t u t z , Die Rückversicherung im Transportversicherungs-Geschäft, 1893 T e c k l e n b o r g , Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen, 1867, 1868 T e c k l e n b o r g , System des Seeversicherungswesens, 1862 = Tecklenborg System T e m p l e m a n - G r e e n a c r e , On Marine Insurance, 5. Aufl. 1950 T h i l o , Zur Geschichte und zur Reform der Seeversicherung, 1884 T o n n i e s , Chronik des hamburgischen See-Assecuranz-Geschäfts usw., 1823—1827 T o o p , Die rechtliche Bedeutung der Ubergabe der Versicherungsbedingungen vor Abschluß des Versicherungsvertrags, 1905 T s i r i n t a n i s , Die Orderpolice, Hamburger Rechtsstudien Heft 6, 1930 T u r n es, The Principles of Marine Insurance, 5. Aufl. 1964 U l r i c h , Allgemeine Deutsche Seeversicherungs-Bedingungen, 1921 U l r i c h , Die Bestrebungen der International L a w Association, betr. Ausgleich der wesentlichsten Verschiedenheiten im Seeversicherungsrecht der einzelnen Länder 1901 = Ulrich Bestrebungen U l r i c h , Stellung der Transportversicherer zu dem Vorschlag, die Haftung des Seeverfrachters zu regeln, 1906 U l r i c h , Der Rückversicherungsvertrag in der Seeversicherung nach Deutschem, Englischem und Französischem Recht, 1884 = Ulrich Rückversicherung U l r i c h - B ü d e r s - H o c h g r ä b e r , Große Haverei, 3. Aufl., Bd. I 1927, Bd. I I 1930 V a l i n , Nouveau commentaire sur l'Ordonnance de la marine, 1760, 1766. Mit Anm. von B6cane, 1829 V a l l e b o n a , Delle assicurazione marittima, 1906 de V a i r o g a r , Droit maritime, 1883—1886 V a t k e , Das Verschulden im V V G , Diss. 1 9 1 1 V a u c h e r , A guide to marine insurance, containing the policies of the principal commercial towns of the world, 1834 V i c t o r , Wirkungen der Gefahrerhöhung bei schwebenden Versicherungen, Diss. 1904 V i t t o r e l l i , L'Assicurazione Trasporti, 1962 V i v a n t e , II contratto di assicurazione, 1885fr. V o i g t , Das Deutsche Seeversicherungs-Recht, 1887 V o i g t , Zum See- und Versicherungsrecht, 1880 V o i g t , Die Haftung des Versicherungsnehmers fiir seine Hülfspersonen in Erledigung der Anzeige- und Auskunftspflicht nach dem W G , Diss. 1 9 1 4 = Voigt Haftung V o r w e r k , Die Rechtsnachfolge in das versicherte Interesse, Diss. 1 9 1 3 W a g e n m a n n , Grund und rechtliche Struktur der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Abschluß des Versicherungsvertrags nach dem V V G , Diss. 1 9 1 4 W e i l , Des assurances maritimes et des avaries, 1879 W e i m a r , Schiffahrtsrecht und Transportversicherungsrecht, 1959 W e i n b e r g e r , Die A D S von 1919, 1920
XX
Schrifttum
W e i s s , Die Veräußerung der versicherten Sache, Diss. 1 9 1 6 W e r n e b u r g , Zeitfragen aus der Schadensversicherung, 1920 W e s k e t t , Theorie und Praxis der Assekuranzen (Übersetzung von Engelbrecht), 1782—1787 W e y g a n d , Die Grundzüge der Kundenversicherung, 1 9 1 4 W h i t e , The Marine Insurance Act 1906, 1907 W i e c h m a n n , Die Über- und Doppelversicherung nach dem V V G , Diss. 1908 W i n k l e r , Die den Umfang der Gefahr beschränkenden Klauseln des Seeversicherungsvertrags, Diss. 1916 W ö r n e r , Allgemeine Versicherungslehre, 3. Aufl. 1920 W o l f f , Das Privatversicherungsrecht 1914, Holtzendorff's Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, 7. Aufl. Bd. 2 W ü s t e n d ö r f e r , Seeschiffahrtsrecht, in Ehrenbergs Hdb., Bd. V I I 2, 1923 = Wüstendörfer H B W ü s t e n d ö r f e r , Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Aufl. 1950 = Wüstendörfer S H R Y t i e r et R o c o f f o r t , Polices d'assurances maritimes sur facultes en usage sur la place de Marseille, 1886 Z a l u d , Das Storno, 1902 Z e h n t e r , Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, 1908
Abkürzungen AbändVorschl. ζ. Ε 1 9 1 4 AComp ADHGB ADS ÄndVorschl. Hamburg ÄndVorschl. Stettin AfcP AfHR AfVW AG A H O 1731 AllgPlan 1847 AllgVP AlteGP AlteKRP AlteKZP Anhang Anm. AnmVHA Ann Vers Anträge V H K APV
APV II ArchBiirgR Ashers Rechtsfälle AssJB ASVB BAnz BadRspr Baumgartners Gerichtspraxis
Abänderungsvorschläge zum Ε 1914, 1918 Assecuranz-Compaß Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen, 1919 Hamburgische Änderungsvorschläge zum Ε 1864 Änderungsvorschläge der Stettiner Seeversicherer zum Ε 1863 Archiv für die Civilistische Praxis Archiv für das Handelsrecht Archiv für Versicherungswirtschaft Amtsgericht. Oder = Ausführungsgesetz Der Stadt Hamburg Assecuranz- und Haveryordnung vom io. 9. 1 7 3 1 Revidierter allgemeiner Plan Hamburgischer Seeversicherungen von 1847 Allgemeine Versicherungs-Presse Bis 1920 verwendete Güterpolice des V H A (Mat. 299) Bis 1920 verwendete Kasko-Reisepolice des V H A (Mat. 2. 106) Bis 1920 verwendete Kasko-Zeitpolice des V H A (Mat. 2. 102) Anhang zu diesem Werke Anmerkung Anmerkungen des V H A zum Ε 1864 Annalen des gesamten Versicherungswesens Anträge der vereinigten Handelskammern usw. zum Ε 191 ο, 1 9 1 1 Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts flir Privatversicherung, ab 1947: . . .des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen; ab 1952: . . . d e s Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen Anhang zu A P V Archiv für das Bürgerliche Recht Rechtsfälle aus dem Gebiete des Handelsrechts. Hsggbn. von Asher Assecuranz-Jahrbuch Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen von 1867 (Mat. 2. 15) Bundesanzeiger Badische Rechtspraxis und Annalen der Badischen Gerichte Gerichtspraxis in Versicherungsachen. gartner
Hsggbn. von
Baum-
XXII
Abkürzungen
BaumgartnersHdwbuch
=
BaumgartnersZ
=
BayZ BB Begr. Bek. Bemerk. Bemerk. Bemerk. Bemerk. Bemerk.
= = = =
1866 Bremen Lübeck I Lübeck I I VHK
Betrieb BG BGB BGBl BGH BGHZ BOSA BOSAE
= = = = =
= = = = = = = =
Bolze Bremer Tarif
=
BremSamml
=
BSchG
=
BSVB
=
BuschA
=
C. de comm.
=
DJT DJZ DÖV Dor DorT DorSup DR Dt. J u s t DRZ DTV DTVMitt DVflntSR DVersZ
=
= = = = = = = = = = = = =
Handwörterbuch des gesamten Versicherungswesens. Hsggbn. von Baumgartner Zeitschrift für Versicherungs-Recht und Wissenschaft. Hsggbn. von Baumgartner Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Betriebsberater Begründung Bekanntmachung Bemerkungen zu den Monitis zum Ε 1864, i866 Bemerkungen der Vereinigten Commission zum Ε 1864, 1865 Bemerkungen der Lübecker H K zum Ε 1863, 1864 Bemerkungen der Lübecker H K zum Ε 1864, 1865 Bemerkungen der vereinigten Handelskammern usw. über die Äußerung der Assekuradeure zu den Anträgen V H K Der Betrieb Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Teil I oder I I ) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesoberseeamt Entscheidungen des Bundesoberseeamts und der Seeämter der Bundesrepublik Deutschland Die Praxis des R G in Zivilsachen. Hsggbn. von Bolze Waren-Tarife des Vereins Bremer Seeversicherungs-Gesellschaften Sammlung der Entscheidungen des O A G Lübeck in bremischen Civil-Rechtssachen G, betreifend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt Versicherungs- Bedingungen der Bremischen See-VersicherungsGesellschaften. Revidiert 1875 (Mat. 2. 1 1 7 ) Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts. Hsggbn. von Busch Code de commerce Verhandlungen des Deutschen Juristentages Deutsche Juristenzeitung Deutsche öffentlich-rechtliche Versicherung Revue de Droit Maritime compare, 1923 bis 1939 Revue de Droit Maritime Revue de Droit Maritime suplm. Deutsches Recht Deutsche Justiz Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutscher Transport-Versicherungs-Verband Die Transportversicherung, Mitteilungen des D T V Deutscher Verein für internationales Seerecht Deutsche Versicherungszeitschrift
Abkürzungen
XXIII
DVfVW DVfVWVeröff DVPresse DVZ DVZtg
Deutscher Verein für Versicherungswissenschaft Veröffentlichungen des D V f V W Deutsche Versicherungs-Presse Deutsche Versicherten-Zeitung Deutsche Versicherungs-Zeitung
Ε 1863
Entwurf eines Neu revidierten Allgemeinen Plans hamburgischer See-Versicherungen, 1863 Entwurf Allgemeiner Versicherungs-Bedingungen der Norddeutschen Versicherungs-Gesellschaften Entwurf Allgemeiner Versicherungs-Bedingungen der Norddeutschen See-Versicherungs-Gesellschaften, 1866 Entwurf der A D S von 1910 (Mat. 2. 165) Entwurf der A D S von 1 9 1 4 (Mat. 2. 225) Einführungsgesetz Handbuch des gesamten Handelsrechts. Hsggbn. von Ehrenberg Eisenbahn- und Verkehrsrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen, Zeitschrift für Eisenbahn- und Verkehrsrecht Handbuch des gesamten Handelsrechts. Hsggbn. von Endemann Erläuterungen zum Ε 1863 Eisenbahn-Verkehrsordnung
Ε 1864 Ε 1866 Ε tgio Ε 1914 EG EhrenbergsHdbch ; EisenbE EndemannsHdbch : Erläuterungen 1863 EVO F. C. & S. clause FGG FlaggRG Fuchsberger G (oder Ges.) Gerhards Praxis GewO GmbHG Gruchot GrünhutsZ GVG HA Hacke HAG HambS Hamburger Tarif Handelul Hansa
Free of capture and seizure clause Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe Die Entscheidungen des R G usw. Hsggbn. von Fuchsberger Gesetz Praxis des Privat-Versicherungsrechts. Hsggbn. von Gerhard Gewerbeordnung für das Deutsche Reich G , betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts. Hsggbn. von Gruchot Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart. Hsggbn. von Grünhut Gerichtsverfassungsgesetz Herrschende Ansicht Die Rechtsprechung des R G , des R O H G usw. auf dem Gebiete des Versicherungsrechts. Hsggbn. von Hacke Handelsappellationsgericht Sammlung der Erkenntnisse und Erkenntnisgründe des O A G zu Lübeck in Hamburgischen Rechtssachen Obligatorische Vereinbarung (des V H A ) über Bedingungen und Prämien Handel und Industrie Hansa, fr. Untertitel: Deutsche nautische Zeitschrift, dann: Zeitschrift für Schiffahrt, Schiffbau und Hafen, dann: Zentralorgan für Schiffahrt, Schiffbau, Hafen
XXIV HansOLG HansRGZ Hdbch Heise u. Cropp HessRspr HG HGB H G B a. F. HGB-Novelle von 1908
Abkürzungen = = = = = = = =
Hanseatisches Oberlandesgericht Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (1928 bis 1943) Handbuch des gesamten Handelsrechts. Hsggbn. von Endemann Juristische Abhandlungen von Heise und Cropp Hessische Rechtsprechung Handelsgericht Handelsgesetzbuch H G B vor der HGB-Novelle von 1908
HK HRR HRZ
G, betreffend Änderungen der Vorschriften des H G B über die Seeversicherung, vom 30. 5. 1908 = Hamburgische Gerichtszeitung (1861—1868) = Hamburgische Handelsgerichtszeitung (1868—1879) = Hanseatische Gerichtszeitung (1880—1927) (Wenn ohne Zusatz: Entscheidung des O L G Hamburg) = Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse. Hsggbn. von Hermann und Hirsch = Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik. Hsggbn. von Hirth = Handelskammer = Höchstrichterliche Rechtsprechung = Hanseatische Rechts-Zeitschrift ( 1 9 1 9 — 1 9 2 7 )
ICC IFC IMIR
= = =
ITC ITV ITVMitt IGK IVC
= = = = =
Institute Cargo Clauses Institute Freight Clauses International Marine Insurance Rules (International Association 1900/1901) Institute Time Clauses Internationaler Transport-Versicherungs-Verband Mitteilungen des I T V Internationales Konnossementsabkommen Institute Voyage Clauses
JheJ JR JRPV JfNatSt JuS JW JZ
= = = = = = =
Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Rundschau für Privatversicherung Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KassH KG Kierulff
= = =
Kassationshof Kammergericht Sammlung der Entscheidungen des O A G Lübeck. Hsggbn. von Kierulff
HGZ
HH HirthsAnn
=
KO
=
Konkursordnung
LG LM
= =
Lloyd's Police
=
Landgericht Lindenmaier-Möhring, Das Nachschlagewerk gerichtshofes Lloyd's S. G. policy, M I A Schedule ι
des
Law
Bundes-
Abkürzungen
Sammlung der Entscheidungen des O A G zu Lübeck in Lübecker Rechtssachen. Hsggbn. von Bruhn Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
LübSamml LZ MasiusRundschau
Masius Rundschau, Blätter für Versicherungswissenschaft, Versicherungsrecht und bemerkenswerte Vorgänge im Versicherungswesen Materialien zu den A D S 1919 Monatsschrift für Deutsches Recht Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen von 1910. Entwurf der Hamburger Assekuranzmakler Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft The Marine Insurance Act 1906 (6 Edward 7. C. 41) Mitteilungen für die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten Motive zum PreußE 1857
Mat. MDR ME MecklZ MIA MittöffFVA Mot. ζ. PreußE. NAfHR NeumannsZ NJW
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Neues Archiv für Handelsrecht Zeitschrift für Versicherungswesen. Hsggbn. Neue Juristische Wochenschrift
OAG Oblig. Beschl. des V H A
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Oberappellationsgericht
OestRev OestVZ OestZ OG OGH (auch O G H Z ) OLG Ord. de la mar. OSA OT Plan 1800 PreußAHO PreußALR PreußE PreußSeerecht Prot RA RGP Recht
XXV
von
Neumann
Obligatorische Beschlüsse des V H A (insbesondere für Kaskound Reederei-Interesse-Versicherungen) Oesterreichische Revue. Organ für Assekuranz und Volkswirtschaft Oesterreichische Versicherungs-Zeitung Oesterreichische Zeitschrift für öffentliche und private Versicherung Obergericht Oberster Gerichtshof für die britische Zone Oberlandesgericht Ordonnance de la marine 1681 Oberseeamt Obertribunal Bedingungen, nach welchen die Assekuradeurs . . . vom 1. J a n u a r 1800 an Versicherungen übernehmen Assecuranz- und Havarey-Ordnung vor sämtliche Königliche Preußische Staaten vom 18. 2. 1766 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Entwurf eines H G B für die Preußischen Staaten 1857 Königlich-Preußisches Seerecht vom 1. 12. 1727 Protokolle der Kommission zur Beratung eines A D H G B . Hsggbn. von Lutz Revue de Droit Internationale Maritime. Hsggbn. von Autran Rules for Construction of Policy ( M I A , Schedule 1) Das Recht
XXVI RG
Abkürzungen = =
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Thöls Entscheidungsgründe
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Reichsgericht Entscheidungen des R G in Zivilsachen Entscheidungen des R G in Strafsachen Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht Entscheidtingen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchwesens Reichsoberhandelsgericht Rules of Practice of the Association of Average Adjusters Die Rechtsprechung der O L G auf dem Gebiete des Zivilrechts Die Rechtsprechung des R G in Versicherungssachen. Hsggbn. von Rüdiger Reichswirtschaftsgericht section J . A. Seuffert's Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte usw. Sächsisches Archiv fur Bürgerliches Recht und Prozeß (später: für Rechtspflege) Sammlung von Versicherungsbedingungen deutscher Versicherungsanstalten Saskische Zeitschrift für das Versicherungswesen Schiffahrt-Jahrbuch Schleswig-Holsteinische Anzeigen Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken SchifFsregisterordnung Entscheidungen des Oberseeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse. Hsggbn. von Seebohm Seemannsgesetz Seemannsordnung Dr. J . A. Seuffert's Blätter für Rechtsanwendung Schiffssicherheitsverordnung Seeversicherungs-Jahrbuch
Ausgewählte Entscheidungsgründe des OAG Lübeck. Hsggbn. von Thöl Sammlung von seerechtlichen Erkenntnissen. Hsggbn. von Ullrich Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft G über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen Die Versicherungspraxis. Organ der Versicherungsnehmer Versicherungsarchiv Der Versicherungsnehmer Versicherungsrecht. Juristische Rundschau fur die Tndividualversicherung Versicherungswissenschafdiches Archiv
Abkürzungen
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Vfreund VHA ViertelJR VO Vorb. (auch Vorbem.) VVG VW
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WallmannsZ WG Withorby Wunderlich
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WuRVers
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Wallmann's Versicherungs-Zeitschrift Wechselgesetz Marine Insurance Clauses, by Withorby & Co., London 1919 Die Jurisprudenz des O A G Lübeck in bürgerlichen Rechtssachen aus Lübeck. Hsggbn. von Wunderlich Wirtschaft und Recht der Versicherung
YAR
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The York-Antwerp-Rules
ZfHW ZfSuWG ZfVR (auch ZVersR) ZfV ZfVW ZHR
= =
Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte
ZPO ZVG
Der Versicherungsfreund Verein Hamburger Assecuradeure Vierteljahresrundschau über das Versicherungswesen Verordnung
= Vorbemerkung = G über den Versicherungsvertrag = Versicherungswirtschaft. Halbmonatsschrift der deutschen Individualversicherung
= Zeitschrift für Versicherungsrecht = Zeitschrift für Versicherungswesen = Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht, jetzt: . . . für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht = Zivilprozeßordnung = G über die Zwangsversteigerun g und die Zwangsverwaltung
Vorbemerkungen Inhalt I. Geschichte und Vorgeschichte der A D S II. Auslegung und Anwendung der A D S I I I . Begriff des Seeversicherungs-Vertrags I V . Abschluß des Seeversicherungs-Vertrags V . Mitversicherung V I . Gemeinschafts-Versicherung V I I . Erfüllungsort bei der Seeversicherung V I I I . Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für dritte I X . Vorteilsausgleichung bei der Seeversicherung X . Zwingendes und nachgiebiges Seeversicherungs-Recht X I . Versicherung gegen Prämie und auf Gegenseitigkeit X I I . Der Versicherer als K a u f m a n n X I I I . Der Versicherungsvertrag als Handelsgeschäft X I V . Seeversicherungssachen als Handelssachen X V . Öffentliches Seeversicherungs-Recht
I. Geschichte und Vorgeschichte der ADS i. Materialien. Grasmeyer's Materialien zu einem allgemeinen Plan für die Asse- Anm. ι kuradeurs in Hamburg, 1809. — Entwurf eines allgemeinen Plans hamburgischer SeeVersicherungen, 1843. — Entwurf eines Neurevidirten allgemeinen Plans hamburgischer See-Versicherungen, 1863. Erläuterungen zum Ε 1863, 1863. Anmerkungen des V H A zum Ε 1863. Bemerkungen der H K Lübeck zum Ε 1863. — Entwurf Allgemeiner Versicherungs-Bedingungen der Norddeutschen VersicherungsGesellschaften auf der Grundlage des A D H G B , 1864. Bemerkungen der H K Lübeck zum Ε 1864. Bemerkungen der bremischen Kommission für die Abänderung der Assekuranz-Bedingungen zum Ε 1864. Hamburgische Änderungsvorschläge zum Ε 1864. Änderungsvorschläge der Stettiner Seeversicherer zum Ε 1864 mit Erläuterungen. — Entwurf Allgemeiner Versicherungsbedingungen der Norddeutschen See-Versicherungs-Gesellschaften, 1866. Anträge der Stettiner Seeversicherer zum Ε i866. Bemerkungen der Hamburger Assecuradeure zum Ε i866. Bemerkungen (Voigt's) zu den Monitis zum Ε i866. — Entwurf Allgemeiner deutscher Seeversicherungsbedingungen, 1910 (Mat. 2. 165). Zusammenstellung der Neuerungen im Ε 191 ο. Anträge der vereinigten Handelskammern und des Allgemeinen Versicherungsschutzverbandes zum Ε 191 ο. Bemerkungen der Assecuradeure zu den Anträgen der vereinigten Handelskammern usw. zum Ε 1910. Bemerkungen der vereinigten Handelskammern usw. über die Äußerung der Assecuradeure zu den 1
R i t t e r - A b r a h a m , Seerersicherung Bd. I
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Geschichtliches
I Anträgen zum Ε 1910. Kritische Bemerkungen des Deutschen Haftpflicht- und Versicherungs-Schutzverbandes, J 9 1 1 . Ubersicht der Abänderungen des Ε igio (HK Hamburg, 1913). Verhandlungen zwischen den deutschen Handelskammern und den Versicherern 1910—1914 (HK Hamburg, 1918). — Entwurf Allgemeiner Deutscher Seeversicherungs-Bedingungen, 1914 (Mat. 2. 225). Abänderungsvorschläge zum Ε ig 14 (HK Hamburg, 1918). Niederschriften über Beratungen des Ε 1914 vom 22. und 23. August 1918, 17. und 18. September 1918, 10.—12. Oktober 1918. — Materialien zu den ADS, hsggbn. von Bruck, 1919. — Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen von 1910, Entwurf der Hamburger Assekuranzmakler, 1909. Anm. 2 2. Literatur. Bruck H R Z 1919. 549 (Zur Entstehungsgeschichte der ADS), H R Z 1920. 1 (Zur Einführung in die ADS), J W 1920. 16 (Die ADS). G ü t s c h o w , Vergleichende Zusammenstellung der wichtigsten Seeversicherungsrechte, 1908, Bemerkungen zu dem Ε igio, 1910. H a s s e l m a n n H R Z 1918. 449 (Seeversicherungsbedingungen in alter und neuer Zeit), Schiffahrtsjahrbuch 1920. 237 (Entwicklung der deutschen Seeversicherungsbedingungen). K i e ß e l b a c h , Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwicklung der Seeversicherung, 1901. K n i t t e l , Alte Assecuradeure und alte Gefahren, 1918. L a z a r u s , Bedenken gegen den Entwurf der Hamburgischen See-Versicherungs-Police, 1862. M i t t e l s t e i n , Schiffahrtsj ahrbuch 1920. 245 (Unterschied der neuen Seeversicherungsbedingungen gegen die 67er). P a u l y , Abänderungsvorschläge zum Seeversicherer-Entwurf der ADS 1910, Eine Kritik des Ε igio, 1910. Plass, Geschichte der Assecuranz und der Hanseatischen Seeversicherungsbörsen, 1902. R i t t e r , Schiffahrtsjahrbuch 1921. 289 (Die ADS von 1919). U l r i c h Z f V W 1911. 42 (Der Entwurf der ADS), ZfVW 1920. 14 (Die ADS von 191g). Voigt NAfHR 3. 464 (Der AllgPlan 1847 im Verhältnisse zum ADHGB), NAfHR 4. 137 (Vergleichende Zusammenstellung der Bestimmungen des AllgPlans 1847 mit dem ADHGB). W e i n b e r g e r OestZ 1920. 484 (Die ADS von 1919). Vgl. auch die Begründung des Urteils des BGH vom 1 1 . 12. 1951 L M 2 zu den ADS. — Englische Ubersetzung der ADS von A. Sieveking, 1920. — De lege ferenda siehe De S m e t , L'Uniformisation des Couvertures d'assurances Maritimes; ses possibilites — les limites, Extrait du Bulletin des Assurances, März/April 1964. Anm. 3 3. Die ersten Allgemeinen Seeversicherungs-Bedingungen bildete in Deutschland wohl der sogenannte „Vergleich der Assecuratoren in Hamburg" vom 2g. Dezember 1677 ( L a n g e n b e c k 425), ein, wie man sich später ausdrückte, „obligatorischer Beschluß" der Hamburger Assekuradeure, veranlaßt dadurch, daß „nicht allein die Premien müh- und langsahm mit Verdruß eingebracht werden müssen, und zu Zeiten gar zurücke bleiben, sondern auch die beschwerliche Averien dergestalt anwachsen, daß endlich dadurch eine gäntzliche Erstickung der Versicherung, und consequenter ein Ruin der Commercien und See-Trafiquen zu besorgen" waren. Der Vergleich wurde später (167g, 1683, 1687, i6g3, i6g7, 1704) erneuert und erweitert ( L a n g e n b e c k 426). 1707 scheiterten Erneuerungsverhandlungen. — 1785 wurden „Bedingungen, unter welchen die hamburgischen Assekuradöre Assekuranzen auf Frachtgelder zeichnen" aufgestellt (vgl. „Verzeichniß der Pläne hiesiger Assecuranz-Compagnien", Bd. 1 bis 1800, Hamb. Commerz-Bibl., unter dem 15. Januar 1787). Ob sie allgemein angewendet worden sind, ist nicht bekannt. — Im übrigen versicherten die „Assecuranz-Compagnien" der Hansestädte nach ihren „Artikeln" oder „Plänen", d. h. ihren Satzungen, die zugleich Versicherungsbedingungen enthielten (vgl. „Verzeichniß" a. a. O.). Die Pläne wurden (ähnlich wie heute Klauseln und Sonderbedingungen) zu Konkurrenzzwecken mißbraucht. „Vollständige Verwilderung" des Versicherungsgeschäfts war die Folge ( K n i t t e l 13).
Geschichtliches
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4. A m Ausgang des 18. Jahrhunderts entstanden, von 1 3 (oder 14) H a m b u r g e r I Privatassekuradeuren und 10 (oder 1 1 ) Bevollmächtigten H a m b u r g e r und in H a m b u r g Anm. 4 vertretener Assekuranzgesellschaften unterzeichnet, „Bedingungen, nach welchen diejenigen Hamburgischen Assekuradeurs, welche sich bey ihren Unterschriften darauf beziehen, v o m 1 . J a n u a r A n n o 1800 an, Versicherungen übernehmen" (sog. B e d i n g u n g e n v o n 1 8 0 0 , vgl. „Verzeichniß der Pläne hiesiger Assecuranz-Compagnien", Bd. 2 von 1800 bis 1 8 1 4 , H a m b . Commerz-Bibl., und dazu Κ r, Einige Bemerkungen zu den jüngst erschienenen Bedingungen, 1800). „ A l l e i n sie haben nicht das Glück und den Erfolg gehabt, welche man hoffte und voraussetzte" ( G r a s m e y e r V I ) . Die K a u f m a n n s c h a f t glaubte bei ungezügelter Konkurrenz der Assekuradeure besser zu fahren. Das Commerz-Collegium in H a m b u r g erhob Widerspruch. A u f seine Veranlassung ermahnte der Senat die Assekuradeure, von ihrem Vorhaben abzustehen; die Bedingungen seien „teils sehr dunkel und ständen mit der hiesigen Assekuranzordnung in Widerspruch, teils seien sie gar zu nachteilig f ü r die Versicherten" ( K i e ß e l b a c h 1 3 6 ; vgl. auch B e n e c k e 1. 15). Die E r m a h n u n g hatte Erfolg. Die Bedingungen schliefen ein ( G r a s m e y e r V I ) . — Noch geringeren Erfolg hatte der Grasmeyersche Entwurf „eines allgemeinen Planes für die Assekuradeurs in H a m b u r g " vom J a h r e 1809. E r konnte mit seinen 401 Paragraphen nur abschreckend wirken. — N a c h A u f f ' m O r d t (Vorwort zum Entwurf eines allgemeinen Planes von 1843) hat Grasmeyer 1 8 1 9 noch einmal einen Entwurf zu allgemeinen SeeversicherungsBedingungen erscheinen lassen, „ e i n e wenig veränderte Umarbeitung der Bedingungen von 1 8 0 0 " , die nicht erhalten zu sein scheint und jedenfalls auch keinen Erfolg gehabt hat. 5. 1842 nahm sich die hamburgische Commerz-Deputation der Angelegenheit an. Anm. 5 Sie veranlaßte den Assekuradeur A u f f ' m O r d t , den Entwurf eines „Allgemeinen P l a n s " herzustellen. A u f f ' m Ordt legte 1843 den „ E n t w u r f eines allgemeinen Plans hamburgischer See-Versicherungen" vor. Der Entwurf wurde mit jener „bedächtigen S o r g f a l t " behandelt, welche auch die Verhandlungen über die späteren Entwürfe von Allgemeinen Seeversicherungs-Bedingungen gekennzeichnet haben (Vorb. zum AllgPlan 1846). Der „ A l l g e m e i n e P l a n hamburgischer See-Versicherungen" konnte immerhin schon Ende 1846 von der Commerz-Deputation bekanntgemacht werden. E r wurde von 1847 an angewendet und machte damit „einem T o h u w a b o h u von über 30 Versicherungsplänen ein E n d e " ( K n i t t e l 14). E r wurde 1 8 5 2 in unwesentlichen Punkten „ r e v i d i e r t " und seitdem als „ R e v i d i e r t e r Plan hamburgischer S e e - V e r sicherungen" nicht nur in H a m b u r g , sondern auch in den Ostseeplätzen den Seeversicherungen zugrunde gelegt. 6. Die Einführung des A D H G B gab den Anstoß zu erneuter Revision des „ A l l - Anm. 6 gemeinen P l a n s " (vgl. V o i g t N A f H R 3 . 4 6 4 , 4. 1 3 7 ) . Zunächst glaubte man neben dem A D H G B mit wenigen Policenbestimmungen auskommen zu können (vgl. „ E n t w u r f der Hamburgischen See-Versicherungs-Police" und dagegen L a z a r u s Bedenken, 1862). Dann nahm die hamburgische Commerz-Deputation die Angelegenheit wieder in die H a n d . Sie veranlaßte 1863 den Lübecker O A G R a t V o i g t , den Entwurf eines revidierten Plans herzustellen. V o i g t legte im selben J a h r e den Entwurf eines „ N e u revidierten allgemeinen Plans hamburgischer See - Versicherungen" mit Erläuterungen vor. Bei den Verhandlungen hierüber (vgl. die Materialien oben A n m . 1) beschloß man, das System des Allgemeinen Plans zu verlassen und an das A D H G B Anschluß zu suchen. Dabei w a r der Wunsch maßgebend, die Bedingungen an allen deutschen Seeplätzen einzuführen. Insbesondere auch in Bremen. Bremen hatte keine Assekuranzordnung. M a n hatte in Bremen früher auf holländische Policen gezeichnet, sich aber schon 1 8 1 8 auf einen allgemeinen Plan geeinigt, diesen 1»
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Geschichtliches
I 1836 geändert und 1853 „Versicherungs-Bedingungen der Bremischen See-Versicherungs-Gesellschaften, gültig vom 1. Januar 1854" veröffentlicht ( K i e ß e l b a c h 138, T e c k l e n b o r g System 7). Bremen, Emden, Leer, Lübeck, Rostock, Stettin, Stralsund wurden daher an den Verhandlungen beteiligt. 1864 legte Voigt den Entwurf „Allgemeiner Versicherungs-Bedingungen der Norddeutschen VersicherungsGesellschaften" vor (vgl. dazu die Materialien oben Anm. 1). Auf Grund neuer Verhandlungen legte er 1866 den Entwurf „Allgemeiner Bedingungen der Norddeutschen Seeversicherungs-Gesellschaften" mit Anmerkungen vor (vgl. dazu die Materialien oben Anm. 1). Die Bedingungen wurden nunmehr angenommen, als „Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen von 1867" „auf den Wunsch der Beteiligten von der Handelskammer in Hamburg" veröffentlicht und vom 1. Januar 1868 an angewendet. Nur Bremen hatte sich ausgeschlossen, blieb „im unbeneideten Besitz" (Voigt X X X I I ) seiner Bedingungen von 1854 und revidierte sie 1875. — Die ASVB sind später von den Assekuradeuren mehrfach geändert worden (vgl. „Zusätze und Abänderungen" auf den Policen: Mat. 2. 100, 103, 107). — Die binnenländischen Assekuradeure übernahmen nach eigenen Sonderbedingungen Seeversicherung. Die vom ITV veröffentlichten „Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von GüterTransporten zur See" hatten sich nicht eingebürgert. Anm. 7 7. Das Gesetz, betreffend Änderung der Vorschriften des HGB über die Seeversicherung, und das V V G von 1908 veranlaßten den VHA, in Verbindung mit dem ITV eine Kommission einzusetzen, die unter Berücksichtigung der Gesetzesänderungen, aber auch der inzwischen gemachten Erfahrungen und der in Handel und Schiffahrt entstandenen Veränderungen den Entwurf ,,Allgemeiner Deutscher Seeversicherungs-Bedingungen" herstellen sollte, also den Entwurf von Bedingungen, die tunlichst für das ganze deutsche Seeversicherungs-Geschäft gelten sollten. Die aus Assekuradeuren der Seeplätze und des Binnenlandes, dem Generalsekretär des ITV und hamburgischen Juristen zusammengesetzte Kommission veröffentlichte im Juli 1910 den Entwurf von ADS (E 1910). Die H K Hamburg leitete darauf Verhandlungen ein, an denen eine Anzahl anderer Handelskammern, der Allgemeine Versicherungs-Schutzverband und eine Reihe von Interessenten-Vertretungen (VHA, Verein Bremer Seeversicherungs-Gesellschaften, Verein der am Futtermittelhandel beteiligten Firmen, Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse, Verein Hamburger Exporteure, Verein Hamburger Reeder, Bremer Reedereiverein, Verband des Hamburger Einfuhrhandels, Ostasiatischer Verein, Zentralverband des deutschen Großhandels, Deutscher Wirtschaftsverband für Süd- und Mittelamerika) beteiligt wurden. Uber diese Verhandlungen vgl. die Materialien oben Anm. 1. Im Juni 1914 „konstatierte die Handelskammer (Hamburg) mit Befriedigung, daß nunmehr über alle noch verbliebenen Meinungsverschiedenheiten eine für alle Beteiligten annehmbare Verständigung erzielt worden sei". Der Entwurf wurde im Juli 1914 gemäß dieser Verständigung geändert (E 1914). Die ADS sollten vom 1. Januar 1915 an angewendet werden, — da kam der Ausbruch des ersten Weltkrieges dazwischen. Die Einführung der ADS in den Verkehr unterblieb. — Ende 1916 erklärte die H K Hamburg, mit Rücksicht auf die Erfahrungen des Krieges den Entwurf der ADS nachprüfen zu wollen. Im Dezember 1917 fand in Hamburg eine Massenversammlungen der Interessenten statt, in der die Versicherungsnehmer und Assekuranzmakler die Nachprüfung der gesamten Bestimmungen des Entwurfs durchsetzten. Das Spiel begann von neuem; vgl. die Materialien oben Anm. 1. Mit Mühe einigte man sich. Eine Redaktionskommission beseitigte so gut wie möglich die durch die Änderungen verursachten Unebenheiten. Am 1. Januar 1920 sollten die ADS in Verkehr gebracht werden. Das scheiterte in den Hansestädten am Widerstande der Assekuranzmakler,
Auslegung
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im Binnenlande am Widerstreben der an ihre früheren Bedingungen gewöhnten und II mit ihnen zufriedeneren Assekuradeure. Nur allmählich brachen sich die ADS Bahn, um dann allerdings eine Geltung zu erringen, die die gesetzliche Regelung der Seeversicherung im Zehnten Abschnitt des HGB (§§ 778—900) nahezu in den Schatten stellte. Die ADS selbst sind seither unverändert geblieben. Doch bilden die Zusatzbestimmungen zu den ADS für die Güterversicherung (1947) eine regelmäßig zu vereinbarende Ergänzung und enthalten auch Abweichungen von den ADS.
II. Auslegung und Anwendung der ADS 1. Literatur. Bruck PVR 29—31. B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 51—72. E h r e n - Anm. 8 z w e i g V V 16—17. F i c k , Die bei der Auslegung des Versicherungsvertragsrechts maßgebenden Grundsätze, 1917. F l u m e , Juristentag-Festschrift I i960. 166 (Rechtsgeschäft und Privatautonomie). J . v. G i e r k e V R S I 3of., 60—67, 72. Griese VersWissArch 1959. 129—170 (Internationales Seeversicherungsrecht). H a g e n Hdb I 42—48, ZfVW 1923. 120 (Die neuen Seeversicherungsbedingungen und ihre Bedeutung für das gesamte Versicherungsrecht), AssJB 1928. g (Zur Auslegung von Versicherungsbedingungen),ZfVW 1937. 199 (See-und Binnenversicherung). H a u p t , Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken, i 9 3 7 . H e l m J u S 1965. 121 —129 (Private Norm und staatliches Recht beim Massenvertrag). L e w NeumZ 1930. 738 (Die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen und die Tankschiffahrt). Lukes Hueck-Festschrift 1959. 459 (Gedanken zur Begrenzung des Inhalts allgemeiner Geschäftsbedingungen), J u S 1961. 301 (Grundprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). M i l l e r , Hansa 1952. 397 (Protection und Indemnity-Versicherung). M ö l l e r , Seeversicherung, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 1952. 214, ITVMitt 1936. 97 (Die gesetzlichen Rechtsquellen der Seeversicherung in den wichtigsten Ländern). Prölß V V G Vorbem. III und ZfVW 1935. 218 (Über die Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen). R a i s e r , Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. 251 — 271 (Neudruck 1961). S c h l e g e l b e r g e r SVR if. R e i m e r S c h m i d t VersRsch 1961. 337 (Aktuelle Probleme um die Allgemeinen Versicherungsbedingungen). S c h w e i g h ä u s e r VersR 1952. 50 (Zur Auslegung der Bedingungen des Seeversicherungsrechts). Weber VersR 1950. 108 (Zur Abgrenzung von Zusatzbedingungen, Klauseln und Sicherheitsvorschriften). 2. Die ADS sind nicht objektive, allgemein verbindliche Rechtsnormen (so auch Anm. 9 für die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen BGHZ 17. 2), insbesondere auch nicht Gewohnheitsrecht (KG HansRGZ 1936 Β 25 = Sasse Nr. 440). Sie sind Bestandteil des Versicherungsvertrags, der sie zu seiner Grundlage gemacht hat (s. dazu auch B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 21). Aber dieser Bestandteil ist kein gewöhnlicher, und zwar sowohl seinem I n h a l t wie seinem U r s p r u n g nach. a) der I n h a l t der ADS besteht aus verschiedenartigen Elementen. Die überwiegende Masse bilden Bestimmungen, die Gegenstand freier Vereinbarung sein können und gegebenenfalls sind. Andere Bestimmungen sind aber solche, die nicht Gegenstand freier Vereinbarung sein können. Diese Bestimmungen sind wiederum von verschiedener Art. Es sind zunächst die Bestimmungen, die sich über die Gültigkeit des Versicherungsvertrags aussprechen. Was gültig, was ungültig, was teilweise gültig, teilweise ungültig sein soll, bestimmt das Gesetz so, daß es, zwingend, unnachgiebig, der freien Vereinbarung sich entzieht. Die Bestimmungen insbesondere, daß Interessen versichert werden „können" (§ 1), ein Vertrag, dem kein versicherbares Interesse zugrunde liegt, unwirksam ist (§ 2), Überversicherungen teilweise unwirksam, betrügerische Uber- oder Doppelversicherungen ganz unwirksam sind (§§ 9
6
Auslegung
I I Abs. 2, io Abs. 3), die Taxe nicht erheblich höher sein darf als der wirkliche Versicherungswert (§ 6 Abs. 2), sind Bestimmungen, die zwar Gegenstand der Vereinbarung sein könnten, wenn das Gesetz den Parteien auch insoweit freie Hand ließe, die aber, da das Gesetz dies eben nicht tut, sondern unnachgiebig ist, bloße Wiederholungen der gesetzlichen Vorschriften, nur zur Vervollständigung des Gesamtbildes in die A D S mit aufgenommen sind. — Es sind demnächst die Bestimmungen, die sich über gewisse Rechtsgestaltungen verhalten, die anzuordnen dem Gesetz wohl ansteht, die aber im Wege der Vereinbarung nicht oder doch nur in weniger vollkommener Weise herbeigeführt werden könnten. Daß ζ. B. der Erwerber einer versicherten Sache in das Versicherungsverhältnis eintritt ( § 4 9 Abs. 1), der Versicherungsnehmer für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausüben kann (§ 54), die Rechte an der versicherten Sache mit der Zahlung der Versicherungssumme auf den Versicherer übergehen (§ 71 Abs. 3 usw.), sind Bestimmungen, die jedenfalls so, wie sie getroffen sind, nur vom Gesetz getroffen werden können. Auch insoweit bilden die Bestimmungen der A D S nur Wiederholungen der gesetzlichen Vorschriften. — Aber auch unter denjenigen Bestimmungen, die Gegenstand freier Vereinbarung sein können, sind viele, die entweder die Vorschriften des Gesetzes (und zwar teilweise des V V G , teilweise desHGB) wiederholen oder doch sich eng an sie anschließen. — Alles in allem bilden die A D S „eine vollständige Zusammenstellung der für den Inhalt, das Verständnis und die Wirksamkeit der zu schließenden Versicherungsverträge maßgebenden Regeln" ( R O H G 3. 88, 7. 400; vgl. auch R O H G H G Z 1873. 183; „ein die Gesamtheit des assekuranzkontraktlichen Rechtsverhältnisses umfassendes Regulativ"). Als solche sind sie zu werten, — wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß die Vorstellung von der Vollständigkeit, der Einheit des Rechts mit jener Zurückhaltung verstanden werden muß, die allen gesetzgeberischen Erzeugnissen gegenüber am Platze ist (vgl. unten Anm. 1 1 , § 126 Anm.). b) Über den U r s p r u n g der A D S : Vorb. I. Die A D S sind nach fast zehn J a h r e langen Verhandlungen zwischen den Assekuradeuren und der beteiligten Kaufmannschaft, „nach Beratungen mit deutschen Handelskammern und Fachverbänden unter Vorsitz (d. h. Leitung) der Handelskammer Hamburg" zustande gekommen. Ein nur oberflächlicher Vergleich der A D S mit dem Ε i g i o , ein nur kurzer Einblick in die, übrigens der Natur der Sache nach unvollständigen, „Materialien" ergeben bereits, welchen gewaltigen Einfluß die Kreise der Versicherten unter der Führung der bedeutendsten Organe des Handelsstandes und der geschäftsklugen, alterfahrenen, hansestädtischen Assekuranzmaklerschaft auf die Gestaltung der A D S ausgeübt haben. Es wäre daher nichts verkehrter, als wenn man die A D S wie solche „Allgemeinen Geschäftsbedingungen" betrachten und behandeln wollte, in welchen sich die wirtschaftliche Überlegenheit des einen Vertragsteils (insbesondere desjenigen, der sie aufgestellt hat) ausdrückt (vgl. auch H e l m J u S 1965. 123). Der Seeversicherung steht, wie keinem anderen Zweige des Handels, der Weltmarkt offen. Ihr tritt aber eben deshalb auch in ganz besonderem Maße der Wettbewerb der Welt auf die Füße. Wird der Hamburger Kaufmann von seinem Assekuradeur nicht „kulant" bedient, geht er nach London. Der Kaufmann hat das entschiedene Übergewicht. Wie er selbst unter Umständen vor dem geschlossenen Willen einer selbst kleinen Wirtschaftsgruppe kapitulieren muß, zwingt er die Assekuradeure, ihm zu Willen zu sein. Als die Hamburg-Altonaer Ewerführer-Baase nicht mehr haften wollten, gab der Kaufmann das so vergrößerte Risiko an die Assekuranz weiter, und diese mußte „in bezug auf die der hamburgischen Kaufmannschaft seitens der Baase geschaffenen augenblicklichen Notlage ihrer Versicherten erklären, . . . die aus dem Einlassen auf jene Frachtbedingungen im Schadensfalle für den Versicherten . . . erwachsenden
Auslegung
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P r ä j u d i z e nicht g e l t e n d m a c h e n zu w o l l e n " ( H a m b . Börs. H d b u c h 8. Aufl. 293). H R O H G 3. 89 sagt von den ASVB, d a ß i h r e n „ a u t o n o m i s c h e n Teil die Versicherer als einen von i h n e n a u s g e h e n d e n C o n t r a c t s - V o r s c h l a g (oder, n a c h H G H a m b u r g H G Z 1872. 85, als „ d a s P r o g r a m m , welches die Versicherer ihrerseits f ü r die von i h n e n zu schließenden V e r t r ä g e aufgestellt h a b e n , " ) gelten lassen m ü ß t e n ; sei d a r i n etwas m a n g e l h a f t oder dunkel u n d ergebe sich nicht etwa mit Sicherheit aus d e m Z u s a m m e n h a n g mit a n d e r e n Bestimmungen, in welchem Sinne der zweifelhafte P u n k t a u f z u fassen sei, so müsse in Betreff desselben zu U n g u n s t e n der Versicherer, als der Prop o n e n t e n u n d Derer, q u i clarius loqui debuissent, entschieden w e r d e n " ( ä h n l i c h R G 9. 124, Q A G Lübeck Kierulff I. 1148, H G H a m b u r g H G Z 1872. 38, 1874. 103, 1879. 100 u. a.). E i n e solche Auffassung w a r schon g e g e n ü b e r d e n A S V B u n a n g e b r a c h t u n d n u r möglich, i n d e m m a n die Entstehungsgeschichte d e r A S V B m i ß a c h t e t e . Sie w ä r e vollends unzulässig g e g e n ü b e r einer kodifikationsähnlichen R e g e l u n g gleich derjenigen d e r ADS, die im engsten E i n v e r n e h m e n mit d e n Kreisen d e r Versicherten u n d u n t e r i h r e m entscheidenden E i n f l u ß z u s t a n d e g e k o m m e n ist ( B r u c k J W 1920. 17). 3. Die A D S sind „ B e d i n g u n g e n " , V e r t r a g s b e s t i m m u n g e n . Sie gelten n u r , w e n n A n m . 10 u n d weil die P a r t e i e n sie, ausdrücklich oder stillschweigend, z u m Bestandteil des V e r t r a g s g e m a c h t h a b e n (vgl. allgemein f ü r „Allgemeine G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n " R G 81. 119, B G H Z 1. 85, 3. 200, 17. 1 , 4 1 . 1 5 1 , R a i s e r 76ff., H a u p t 25fr., H e l m 124 mit weiteren A n g a b e n ; speziell f ü r die A D S K G J R P V 1925. 134 = Sasse Nr. 333, H a n s O L G H a n s R G Z 1935 Β 3 1 = Sasse N r . 435). R e g e l m ä ß i g wird dies ausdrücklich geschehen. D e n n über d e n V e r t r a g wird regelmäßig eine Police ausgestellt u n d das Policemuster n i m m t auf die A D S Bezug. H a b e n die P a r t e i e n v e r s ä u m t , sich ü b e r Allgemeine Bedingungen zu einigen, so w e r d e n die A D S gleichwohl als ( s t i l l s c h w e i g e n d ) v e r e i n b a r t anzusehen sein. Z w a r sind sie nicht d i e Geschäftsb e d i n g u n g e n des einen Versicherungsvertrag abschließenden Assekuradeurs, wie etwa die (gehörig b e k a n n t g e m a c h t e n ) Allgemeinen G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n einer Verk e h r s u n t e r n e h m u n g , die n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n o h n e weiteres als Bestandteil d e r von ihr geschlossenen Verkehrsverträge gelten. Aber es sind doch G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n , auf deren G r u n d l a g e Versicherungen z u ü b e r n e h m e n die deutschen Assekuradeure sich allgemein, d e r breitesten Öffentlichkeit gegenüber, bereit erklärt h a b e n . N u r w e n n sich i m einzelnen Falle ergeben w ü r d e (vgl. ζ. B. K G H a n s R G Z 1936 Β 215 = Sasse N r . 440; H a n s O L G H a n s R G Z 1935 Β 3 1 = Sasse N r . 435), d a ß die A D S oder d a ß jedenfalls die A D S nicht die allgemeine G r u n d l a g e des V e r t r a g s bilden sollen, w ü r d e a n z u n e h m e n sein, d a ß die §§ 779ff. H G B oder d a ß a n d e r e Bedingungen a n z u w e n d e n sind (vgl. R G H G Z i8g2. 193, H G Z 1 8 9 2 . 9 ; ähnlich schon P o h l s 4. 520; siehe a u c h O L G H a m b u r g H a n s R G Z 1935 Β 31 = J R P V 1935 Ziff. 22 = Sasse N r . 4 3 5 : K e i n e stillschweigende U n t e r w e r f u n g u n t e r die A D S , n a m e n t l i c h u n t e r § 74, bei einer in I s t a m b u l von einer türkischen F i r m a m i t d e m Sitz in T r a p e z u n t f ü r einen T r a n s p o r t n a c h H a m b u r g g e n o m m e n e n Versicherung). Nicht entscheidend ist es, ob der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r die einzelnen Bestimmungen d e r A D S k a n n t e ( B r u c k - M ö l l e r Einl. A n m . 25, P r ö l ß V V G V o r b e m . I 6, S c h l e g e l b e r g e r S V R 13 Ziff. 6, O L G Königsberg H a n s R G Z 1935 Β 227 = J R P V I 935- 3 ° 4 — Sasse Nr. 437). K ü m m e r t sich d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r bei Vertragsschluß nicht u m Einzelheiten der ADS, so geht das zu seinen Lasten ( S i e g e l AfcP i n . 92, B G H Z 1. 83, 9. 1, 12. 1 3 1 , 17. 2, H a n s O L G M D R 53. 301). — Sind, u m gekehrt, die A D S vereinbart, so k a n n sich n a t ü r l i c h n i e m a n d d a r a u f berufen, d a ß das Gegenteil ihres I n h a l t s V e r k e h r s s i t t e , H a n d e l s g e b r a u c h (BGB § 157, H G B § 346) g e w o r d e n sei, u n d d a ß deshalb nicht sowohl die v e r e i n b a r t e n ADS, als vielmehr die Verkehrssitte gelte ( H G u. O G H a m b u r g , O A G L ü b e c k Ullrich Nr. 347, 350,
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II Seebohm 122, L G Hamburg H G Z 1901. 166; s. auch R G 109. 363 = H G Z 1935 Nr. 43 = J R P V 1925. 25). Ζ. B. darauf, daß die Versicherer sich üblicherweise, statt auf Schadensfeststellung gemäß §§ 91, 93 zu bestehen, mit „Attesten einseitig von ihnen bezeichneter Sachverständigen" begnügten ( H G Z 1893. 188: „ D u r c h den Abschluß der Versicherung nach den A S V B habe auch deren § 133 ( = § 93 A D S ) als von den Vertragschließenden vereinbarte Bestimmung zu gelten; unter den Sonderbestimmungen der Police befinde sich keine die Geltung des § 133 beseitigende; daneben könne eine für den Versicherer verbindliche Usance nicht bestehen, wie sie der Versicherte unter Verkennung der Bedeutung der A S V B für die im einzelnen Falle auf Grund derselben geschlossene Versicherung behaupte"). Oder darauf, daß zwar nach § 42 A D S schriftliche Andienung nötig sei, nach der Verkehrssitte aber mündliche Andienung als ausreichend angesehen werde ( V o i g t 764; H G Z 1886. 302: H a b e der Versicherungsnehmer den Schaden trotz § 143 A S V B [ = § 42 A D S ] nur mündlich angedient, so könne er nicht behaupten, daß „ d i e in § 143 A S V B vorgeschriebene schriftliche Andienung für Partialschäden durch Usance beseitigt und durch mündliche Andienung ersetzt sei . . . Die Berufung auf jene angebliche Usance verkenne die Bedeutung der A S V B für die im einzelnen Falle geschlossene Versicherung; ihre Bedeutung sei die einer lex inter partes. . . ; ob regelmäßig die Versicherer, welche sich den § 143 A S V B als Vertragsbestimmung ausbedängen, von den dadurch ihnen gewährten Rechten überhaupt nicht oder nur in beschränktem M a ß e Gebrauch zu machen pflegten, sei für den vorliegenden Fall, wo sie ihr Recht geltend machten, ohne alle Bedeutung"). — A u f bestehende Versicherungsverhältnisse hat das „ I n krafttreten" der A D S natürlich keinen Einfluß gehabt (vgl. einerseits J W 1900. 895, andererseits R G 25. 174). Anm. 11
4· Auslegung und Anwendung der A D S müssen sich also nach den für A u s legung und Anwendung von Gesetzen maßgebenden Grundsätzen richten ( R G 170. 233, 171. 43; B G H Z 6. 376, 7. 368, 8. 56, 13. 3, 33. 216; B r u c k - M ö l l e r Einl. A n m . 66, 69). Die A D S in solche Bestimmungen, die dem Gesetz entnommen sind, und solche „autonomischer" Art aufzuteilen und auf jene die für die Auslegung von Gesetzen, auf diese die für die Auslegung von Verträgen geltenden Grundsätze anzuwenden (so ζ. B. R O H G 3. 89, 7. 401, R G 4. 17, H G Z 1883. 294, H G Hamburg H G Z 1872. 38) hieße das Wesen der A D S verkennen und die tatsächlichen Verhältnisse auf den K o p f stellen (richtig dagegen, wenn auch nur in dem hier gemeinten Sinne zu verstehen, O L G Hamburg L Z 1920. 182: Die Bedingungen seien „das Gesetzbuch der Seeversicherung"). Andererseits versteht sich von selbst, daß die dem Gesetz entnommenen Bestimmungen, wenn sich nicht aus dem Zusammenhang der A D S etwas anderes ergibt, ebenso verstanden werden müssen, wie die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften selbst (vgl. auch R G 7. 28, 10. 16). M a n muß also, vom W o r t l a u t der Bestimmung ausgehend, die B e d e u t u n g ermitteln, die ihre Urheber oder, wenn es sich um eine dem Gesetz entnommene Bestimmung handelt, die Urheber des Gesetzes nach den für sie gegebenen Voraussetzungen, nach den allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anschauungen, die ihre Zeit erfüllten, und nach der besonderen Betrachtung, die den Ausgleich fordernden Interessen zuteil wurde, mit ihr haben verbinden wollen (s. dazu auch B G H VersR 1952. 117). Ergibt sich hierbei, daß es an Bestimmungen fehlt, die auf das Rechtsverhältnis angewendet sein wollen, so mag man aus einem oberen, den Bestimmungen zugrunde liegenden Leitsatz abzuleiten suchen, welche Ordnung des Verhältnisses im Sinne der Urheber der A D S gelegen haben kann ( A n a l o g i e s c h l u ß ) . Der Richter wird sich dabei nur von der Auffassung freimachen müssen, daß er damit noch das Gesetz oder die A D S anwende, sondern sich in diesem wie in jenem
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Falle, wo sich ein Obersatz nicht finden lassen will und unverkennbar eine „ L ü c k e H im R e c h t " sich auftut, darüber klar sein müssen, daß es an einer Norm fehlt, welche die widerstreitenden Interessen ausgleicht, und daß es seine Aufgabe ist, dem Gesetzgeber gleich, diese Interessen gegeneinander abzuwägen und neuem Rechte den Boden zu bereiten. Das darf freilich nicht zu der oberflächlichen Auffassung verleiten, daß Lücken im Versicherungsrecht ohne weiteres schon dann anzunehmen sind, wenn es an einer ausdrücklichen Regelung des Gegenstandes fehlt, daß insbesondere der Versicherer ohne weiteres dann entschädigen muß, wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich bestimmt ist, daß mithin jedes Loch in der Versicherungsdecke auch eine Lücke im Versicherungsrecht und mit der Haftung des Versicherers zu stopfen ist (näheres: § 28 A n m . ; vgl. auch L G Hamburg H G Z 1916. 86: „ D a s Versicherungsgewerbe ist genau wie jedes andere kaufmännische Geschäft auf genauer Kalkulation aufgebaut, und ebensowenig wie bei sonstigen Verträgen es Aufgabe der Gerichte ist oder sein darf, etwas in dieselben durch Auslegung zu Lasten der einen oder anderen Partei hineinzutragen, kann der Standpunkt des Versicherten geteilt werden, daß bei den vorliegenden Verhältnissen die Verpflichtungen der Versicherer nach den Grundsätzen der Analogie weiter ausgedehnt werden müßten, als es den Bestimmungen des Versicherungsvertrags entspricht"). — 5. Die Überschriften der Abschnitte und Einzelbestimmungen insbesondere. Sie Anm. sind Bestandteile der A D S und als solche bei der Auslegung der A D S von Bedeutung. Aber sie haben nicht den Zweck, als Hilfsmittel bei der Auslegung, sondern den Zweck, als Hilfsmittel bei der Ubersicht über den in den A D S geordneten Rechtsstoff zu dienen. Bei der Auswahl solcher Stichworte muß überdies oft mehr Rücksicht auf die K ü r z e als auf den Inhalt der Bestimmung usw. genommen werden (vgl. ζ. B. § 36 Anm.). Die Überschriften dürfen daher bei der Auslegung nur mit größter Vorsicht verwendet werden. Insbesondere darf ihnen selbstverständlich gegenüber dem im übrigen klaren Inhalt der Bestimmungen keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden ( R G 70. 146). 6. Die Auslegung der besonderen Bestimmungen des Versicherungsvertrags, Anm. insbesondere (nicht sowohl die der Klauseln der §§ 1 1 3 — 1 2 4 , sondern) die der besonderen Klauseln muß sich natürlich nach den allgemeinen, für die A u s l e g u n g v o n V e r t r ä g e n geltenden Regeln richten, zu denen jedoch noch die besondere Regel des § 13 kommt (§ 13 Anm.). Es entscheidet also der „wirkliche W i l l e " der Parteien, nicht der „buchstäbliche Sinn des Ausdrucks" (BGB § 133) und, wenn der wirkliche Wille nicht zu ermitteln ist, „ T r e u und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte" (BGB § 157), im kaufmännischen Verkehr der „Handelsgebrauch", die „ U s a n c e " ( H G B § 346), und zwar regelmäßig die am Erfüllungsort bestehende Verkehrssitte, insbesondere nicht die Verkehrssitte, die am Orte der Bestimmung des versicherten Schiffes oder der versicherten Güter gilt ( H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck Ullrich Nr. 347). Siehe über die Geltung des Handelsbrauchs neben den A D S auch R G 109. 363 = H G Z 1925 Nr. 43 = J R P V 1925. 25 = A P V 1924. 14g = Sasse Nr. 8 und die Vorentscheidung H a n s O L G H G Z 1924 Nr. 17 = Sasse Nr. 3 1 1 : von der Klägerin für die Hamburger Assekuranzbörse behaupteter Handelsbrauch, die Anweisung, die bei Andienung des ersten Schadensfalls auf Grund einer laufenden Police von dem Versicherer dem Versicherungsmakler darüber erteilt werde, durch wen der Schaden festgestellt werden soll, sei ohne weiteres für alle späteren, durch dieselbe laufende Police gedeckten Schadensfälle verbindlich. Verkehrsüblich sei der in der angegebenen Weise für die Schadensermittlung zuständige Sachverständige auch den Versicherern gegenüber berechtigt, ohne weitere Anzeige an diese zur öffentlichen Versteigerung der beschädigten W a r e zu schreiten, wenn seiner Ansicht
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II nach nur auf diesem Wege eine ordnungsgemäße Schadensermittlung möglich oder aus einem anderen Grunde die öffentliche Versteigerung sachdienlich war. — Besondere Versicherungsbedingungen gehen den a l l g e m e i n e n B e d i n g u n g e n vor (RG 169. 1 = HansRGZ 1942 Β 73), insbesondere handgeschriebene den maschinengeschriebenen Vereinbarungen, die hektographierten oder gestempelten den gedruckten Klauseln (RG 59. 160, LZ 1910. 786, J R P V 1928. 370 = J W 1929. 931 = Sasse Nr. 33 und 1929. 118 = HansRGZ 1929 A Sp. 288, L G u. OLG Hamburg HGZ 1881. 1 1 , 1892. 1 1 , 1904. 171, OLG Hamburg HansRGZ 1929 A Sp. 158, B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 32, R a i s e r 23off.). Siehe über die Bedingung „Frei von Beschädigung, außer im Strandungsfall, gemäß § 114 ADS einschließlich Diebstahl, Teildiebstahl und/oder Abhandenkommen" OLG Düsseldorf VersR 1958. 285 = Sasse Nr. 480: Der Begriff des Abhandenkommens in der Seeversicherung ist identisch mit dem in § 935 BGB verwendeten Begriff. Der Versicherungsnehmer genügt seiner Nachweispflicht hinsichtlich des Abhandenkommens, wenn er beweist, daß die versicherten Gewichtsmengen zeitlich und örtlich in den Schutzbereich der Versicherung gelangten, daß sie am Ablieferungsort nicht angelangt sind und daß der Grund ihres Verlusts nicht aufzuklären ist. Dem Versicherer liegt dann ob, zu versuchen, den Verlustgrund zu ermitteln und damit zu beweisen, daß ein Versicherungsfall nicht vorliegt. Anm. 14 7. Besonders hervorzuheben ist: a) Der besondere Teil des Versicherungsvertrags, insbesondere der besondere Inhalt der Police, wird vielfach, namentlich im hansestädtischen Versicherungsverkehr, nicht sowohl vom Versicherer, als vielmehr vom Versicherungsnehmer, meist nach seiner allgemeinen Anweisung vom Assekuranzmakler, bestimmt (vgl. ζ. B. HGZ 1908. 271, wo freilich die Parteirollen mehrfach sinnentstellend verwechselt sind). Insoweit würde also „der alte Satz, daß L ü c k e n und D u n k e l h e i t e n zuungunsten des Versicherers zu entscheiden sind" (so ζ. B. G e r h a r d 223; vgl. auch OGH VersR 1950. 100, R G 120. 20, 145. 20) vielmehr umzukehren sein und überdies zugunsten des Versicherers der ältere Satz zu seinem Rechte kommen müssen, daß Vertragsbestimmungen über die Leistungspflicht des Schuldners im Zweifel zugunsten des Schuldners auszulegen sind (fr. 26 de reb. dub. 34. 5: ambiguitas contra stipulatorem; nach L G Hamburg H G Z 1881. 11 sollen dagegen Klauseln sogar dann „gegen den Versicherer als den Proponenten" ausgelegt werden, wenn gar nicht er, sondern der Makler des Versicherten die Klauseln „proponiert" hat. Siehe auch B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 74, R G 1 7 1 . 5 0 und J W 1927. 1589, J R P V 1928.60, OGH VersR 1950. 100). In Wirklichkeit hat keiner dieser beiden „alten Sätze" gegenüber den Auslegungsregeln des gemeinbürgerlichen Rechts, die, zumal im Lichte des § 13, auch für den Versicherungsverkehr ausreichen, Daseinsberechtigung. Anm. 15 b) Versicherer und Versicherungsnehmer stehen regelmäßig in dauernder Geschäftsverbindung. Im Laufe einer solchen Verbindung können gemeinschaftliche Anschauungen über die Auslegung sowohl der allgemeinen wie der sonst üblichen besonderen Versicherungsbedingungen zutage treten. Sie sind natürlich zu beachten. Wenn die Policen regelmäßig die Klausel enthalten, daß „etwaige Abweichungen von obigen Reisen oder gänzliche Veränderungen derselben nicht präjudizieren sollen, die Versicherung vielmehr vorkommendenfalls in Kraft bleiben soll gegen Prämienregulierung nach Billigkeit, sobald definitive Nachrichten eingehen", und der Versicherer trotz monatelanger Verzögerung nicht den Standpunkt einnimmt, daß er von der Leistungspflicht befreit sei, sondern die Prämienzulage einzieht, muß er in künftigen Fällen sich gefallen lassen, daß die Klausel so ausgelegt wird, wie die Parteien sie in jenem Falle angewendet haben (RG 3. 148). Wenn der Versicherer, der „Frei von
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Beschädigung außer im Strandungsfall" ist, in Fällen, in denen zweifelhaft ist, ob der II Fall ein Strandungsfall ist, Beschädigungsschaden vorbehaltlos ersetzt, kann er sich in späteren gleichliegenden Fällen nicht darauf berufen, daß seine Auffassung vom Begriffe des Strandungsfalls unrichtig war, und Entschädigung verweigern, weil nach richtiger Auslegung der Fall nicht als Strandungsfall anzusehen sei (vgl. L G Berlin L Z 1911. 167 über den Begriff des Brandes und dazu § 114 Anm., § 124 Anm.). Anders, wenn von solchen Zweifeln über die Bedeutung einer Vertragsbestimmung keine Rede sein kann, der Versicherer vielmehr offenbar — aus Kulanz — zahlt, obwohl er zu zahlen nicht verpflichtet ist. Wenn der Versicherer zahlt, obgleich der Schaden nicht nach § 74 oder § 93 festgestellt ist, kann der Versicherungsnehmer darin natürlich nicht eine Auffassung des Versicherers über die „Auslegung" dieser Bestimmung erblicken und auch in künftigen Fällen von der gehörigen Schadensfeststellung Abstand nehmen. Auch dann nicht, wenn solche „kulante" Behandlung sich wiederholt, zumal die „kulante" Abwicklung des Versicherungsverhältnisses im Seeversicherungsverkehr durchaus gewöhnlich ist ( R i t t e r ArchBürgR 37. 201; vgl. auch H G Z 1892. 222 für das Verhältnis des Vor- und des Rückversicherers). Anders H G Z 1909. 80: Der Versicherer „müsse sich darüber klar sein, daß, wenn er die Schäden reguliere, ohne sich irgendwie über die Nichtbeobachtung der Vorschriften des § 133 A S V B ( = § 93 ADS) zu äußern, der Versicherte angesichts des Umstandes, daß durch die Nichtbeobachtung des § 133 A S V B Kosten erspart würden, sich in die Vorstellung einleben müsse, daß der Versicherer mit dem wiederholt eingeschlagenen Verfahren einverstanden sei. Unter solchen Umständen sei es nach Treu und Glauben Sache des Versicherers gewesen, wenn er der Regulierung von Schäden trotz Nichtbefolgung des § 133 A S V B den Charakter eines ausnahmsweisen Entgegenkommens habe bewahren wollen, den Versicherten darauf aufmerksam zu machen. Habe er fortgefahren, die Schäden ohne solchen Hinweis zu regulieren, so sei in seinem Verhalten eine stillschweigende Willenserklärung zu finden, daß er das vom Versicherten geübte, von § 133 A S V B abweichende Verfahren bis auf Widerruf zulasse". Damit ist das Wesen der „ K u l a n z " , des „ausnahmsweisen Entgegenkommens" bedenklich verkannt. Ihm ist weder eigentümlich, daß das Entgegenkommen mit Vorbehalten verbrämt wird, noch daß es der entgegenkommenden Partei in künftigen Fällen zum Fallstrick werden kann. Wer wiederholt seine Obliegenheiten nicht erfüllt und die Kulanz seines Vertragsfreundes mißbraucht, kann nicht damit rechnen, daß sein vertragswidriges Verfahren damit sanktioniert ist, sondern vielmehr nur damit, daß, wenn er gewohnheitsmäßig fortfährt, seine Obliegenheiten zu mißachten, der Gegenpartei schließlich einmal der Geduldsfaden reißt. Vgl. auch B r u c k M ö l l e r Anm. 37 Einl. — Richtig insbesondere H G Z 1893. 188: „Hätten die Versicherer auch in dieser Beziehung (in bezug auf die Schadensfeststellung gemäß § 133 A S V B = § 93 ADS) in früheren Fällen Kulanz gezeigt, so könne das nicht wohl auf Grund der Klausel (daß Schäden durch Experten abgeschätzt werden könnten und kein Verkauf der versicherten Güter in Auktion stattfinden solle) geschehen sein", sei deshalb die Kulanz auch ohne Bedeutung. Ebenso R G H G Z 1892. 195: „ D i e ohne Rechtsverwahrung auf die ältere Police geleisteten Zahlungen . . . würden eine Genehmigung zur Vernachlässigung der Vorschriften des § 133 A S V B bei der Feststellung der Schäden aus der jüngeren Police nicht in sich schließen". Richtig auch H G Z 1919.64: Wenn der Versicherer gelegentlich kleinere, durch Havariegrosse-Beiträge untertaxierter Schiffe entstandene „Überschäden" (die Versicherungssumme übersteigende Schäden) vergütet hat, kann der Versicherungsnehmer nicht erwarten, daß diese „Kulanzregulierung" so fortgesetzt werde (bestätigt H G Z 1919. 184). Richtig auch H G Havre I T V M i t t 1914. 27: Wenn die Versicherer auch im allgemeinen die Verjährungseinrede nicht erhöben und der Versicherer auch in früheren Fällen die Ver-
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I I jährungseinrede nicht erhoben habe, könne der Versicherungsnehmer nicht damit rechnen, daß der Versicherer auch in späteren Fällen sich auf die Verjährung nicht berufe. Richtig auch HGZ 1886. 303, eine Entscheidung, die gleichzeitig zeigt, wie verschieden sich in verschiedenen Köpfen der Begriff von Treu und Glauben malt. Der Makler des Güterversicherten hatte den Versicherungsschaden mündlich angemeldet, der Versicherer eingewendet, daß § 143 ASVB ( = § 42 ADS) verletzt, der Schaden nicht schriftlich angedient sei. L G Hamburg (HGZ 1886. 301) erwägt, ob nicht sogar „in der Entgegennahme der Anmeldung des Schadens eine Anerkennung des Versicherers, daß er den Schaden zu tragen habe, liege", gelangt zur Verneinung und urteilt: jedenfalls müsse „darin doch, falls nicht seitens des Versicherers ein Vorbehalt gemacht werde, die Anerkennung gefunden werden, daß den Vorschriften der Bedingungen bezüglich der Andienungspflicht Genüge geschehen sei, und es würde den Versicherer, der die mündliche Andienung ohne Vorbehalt entgegennehme, der Geltendmachung des Versicherungsanspruchs aber nach Ablauf der Andienungsfrist opponiere, daß die Andienung innerhalb solcher Frist nicht ordnungsmäßig schriftlich erfolgt sei, der Vorwurf des Dolus treffen". Dagegen HGZ 1886. 303 (zustimmend HGZ 1902. 55) mit Recht: Freilich könne der Versicherer eine mündliche Andienung genehmigen, „selbstverständlich brauche diese Genehmigung . . . nicht mit ausdrücklichen Worten erklärt zu sein, . . . sich nur aus den Umständen . . . zu ergeben; einen zu diesem Schlüsse berechtigenden Vorgang habe aber der Versicherte die Verpflichtung darzulegen und unter Beweis zu stellen . . . Der Versicherte habe aber offen erklärt, nicht mehr behaupten zu können, als eine mündliche Anzeige seines reklamierten Schadens, also eine für die Konservierung seiner Ersatzansprüche an und für sich wirkungslose Handlung, solange nicht eine Willensäußerung des Versicherers, sich jene Anzeige als Andienung gefallen zu lassen, hinzugekommen sei. Irgendeinen dahin zu deutenden Vorgang aber sei der Versicherte außerstande zu behaupten." Anm. 16 c) Hin und wieder werden in Versicherungsverträge, die nach deutschem Recht, insbesondere nach deutschen Bedingungen, zu beurteilen sind (vgl. R G 112. 310 = J R P V 1926. 49 = J W 1926. 1329 mit Anm. L e o : ein zwischen zwei in Deutschland ansässigen Vertragsteilen geschlossener Versicherungsvertrag ist nach deutschem Recht, zu beurteilen; siehe auch R G 122. 233 = HansRGZ 1929 Β 324 = H R R 1929 Nr.325 — J R P V 1929. 7 = J W 1929. 927 und die Vorentscheidung K G HansRGZ 1928 A 347 = J R P V 1928. 140 = Sasse Nr. 383, K G J R P V 1925. 134 = Sasse Nr. 333; vgl. anderseits HansOLG H R Z 1923.495 = Sasse Nr. 303: Londoner Nitrate-Clauses), ausländische insbesondere englische Klauseln aufgenommen (vgl. ζ. B. die Fälle HGZ 1916. 1 1 3 : englische Kriegsklausel HGZ 1906. 1 1 , 2 2 8 : englische Strandungsklausel). Handelt es sich um sog. typische Klauseln, d. h. Klauseln, mit denen der ausländische Rechtsverkehr eine bestimmte Bedeutung verbindet, so ist diese Bedeutung maßgebend (abw. ohne Begründung HGZ 1916. 114; vgl. insbesondere auch die im deutschen Frachtverkehr häufigen Fälle, in denen typische englische Klauseln in Frachtverträge und Konnossemente aufgenommen werden, und dazu: R G 19. 34, 25. 107, 39. 67, 5 9 . 1 1 3 , 68.203, HGZ 1871.226,246,382, 1899.69,72, 1904.134, 1908.231, 1911. 139, HansOLG Hansa 1955. 348; vgl. S c h a p s - A b r a h a m Anm. 6 zu § 557 HGB = Bd. II 290). Deshalb muß aber auch natürlich im umgekehrten Falle, wenn nämlich in einen nach ausländischem Recht oder nach ausländischen Bedingungen zu beurteilenden Versicherungsvertrag eine typisch deutsch-rechtliche Klausel aufgenommen ist, dieser Klausel die Bedeutung beigemessen werden, die sie im deutschen Rechtsverkehr hat (deshalb unrichtig: HG u. OG Hamburg HGZ 1869. 232,240: Enthalte die Police einerseits die Bestimmung „Diese Versicherung valediert mit englischen Conditionen", andererseits die Klausel „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall", so dürfe
Auslegung
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dieser letzteren Klausel nicht die ihr in Deutschland maßgebende Bedeutung, müsse II ihr vielmehr die Bedeutung beigemessen werden, welche die ihr entsprechende englische Klausel „free of average, unless general, or the ship be stranded" habe). d) Auch w ä h r e n d der Dauer des Versicherungsverhältnisses ergeben sich A n m . 17 oft Lagen, zu denen die Parteien in einer Weise Stellung nehmen oder nehmen müssen, die für die Auslegung des Vertrags von Bedeutung ist, insbesondere Lagen, die von der einen oder der anderen Partei nicht stillschweigend hingenommen werden dürfen, wenn nicht ihr S c h w e i g e n als Z u s t i m m u n g aufgefaßt werden soll (s. dazu auch R G 169. 1). Z w a r gilt auch im Versicherungsverhältnis keineswegs allgemein Stillschweigen auf Willenserklärungen der anderen Partei als Zustimmung. Aber nach § 1 5 7 B G B muß Schweigen dann als Zustimmung angesehen werden, w e n n n a c h T r e u u n d G l a u b e n z u r e d e n P f l i c h t ist. Insbesondere darf man auf Mitteilungen über die Auslegung des Vertrags nicht schweigen, wenn der Vertrag der mitgeteilten Auslegung fähig ist (vgl. auch R G H G Z 189a. 195). Dies ist namentlich dann von Bedeutung, wenn der Versicherungsnehmer auf eine laufende Police deklariert, zweifelhaft ist, ob die Police die Deklaration deckt und dieser Zweifel dem Versicherer bei der Entgegennahme der Deklaration erkennbar war oder erkennbar sein mußte (näheres: § 97 Anm.). Wenn die Reise des reiseversicherten Schiffes verzögert wird und der Versicherungsnehmer die Reiseverzögerung in Erklärungen gegenüber dem Versicherer als unerheblich im Sinne des Versicherungsvertrags bezeichnet, darf der Versicherer, der die Sachlage kennt oder kennen muß, nicht schweigen, widrigenfalls es so angesehen wird, wie wenn er die Auffassung des Versicherungsnehmers teilte ( R G 3. 147). Vgl. ferner § 1 3 Anm. 5. e) Der Versicherungsvertrag kann während der Dauer der Versicherung — auch A n m . 18 stillschweigend — geändert werden. Auch insoweit wird oft nach T r e u und Glauben zu reden, zu widersprechen, Pflicht der einen oder der anderen Partei sein, ihr Schweigen also Zustimmung bedeuten. So insbesondere das Schweigen auf Mitteilungen über die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses oder das Schweigen in Fällen, in denen es erkennbar als Zustimmung aufgefaßt wird und zur Grundlage geschäftlicher M a ß nahmen gemacht werden soll. Dies kann insbesondere im Schadensfeststellungsverfahren der §§ 74, 9 1 , 93 von Bedeutung werden (§ 74 Anm.). Ebenso bei Gelegenheit von Schadenabwendungs-Maßnahmen. Aber gerade bei solchen Maßnahmen kommt es in erster Linie darauf an, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, darf deshalb den Parteien aus ihren Maßnahmen kein Strick gedreht werden. Nach der waiver clause der Lloyd's Police gilt vorsichtigerweise als especially declared and agreed that no acts of the insurers or insured in recovering, saving, or preserving the property insured shall be considered as a waiver, or acceptance of abandonment. Dasselbe muß nach deutscher Rechtsauffassung ohne weiteres gelten („Verzichte werden nicht vermutet"). . . . Insbesondere über das Schweigen des Versicherers auf vertragswidrige Deklarationen: § 97 Anm. — U b e r einen besonderen Fall (den der stillschweigenden Stundung der Prämie): § 16 Abs. 1. — Offenbare Kulanz darf dem Versicherer nicht zum Fallstrick werden (oben Anm. 15). Wenn die Haftung des Versicherers für Regenschäden durch den Vertrag ausgeschlossen ist, kann der Versicherungsnehmer sich nicht darauf berufen, daß der Versicherer regelmäßig kulanterweise Regenschäden ersetzt hat: „ W e n n der Versicherer in früheren Fällen . . . von seinem vertragsmäßigen Rechte, die Entschädigung für Regenschäden abzulehnen, keinen Gebrauch gemacht haben sollte, so kann hierin noch kein dauernder Verzicht auf ein derartiges Vertragsrecht gefunden werden" ( K G Z f V W 1 9 1 4 . 263). •— Vgl. ferner § 13 Anm. 5.
14 Iii
Begriff der Seeversicherung
III. Begriff des Seeversicherungs-Vertrags
Anm. 19
1. Literatur. B r o d m a n n L Z 1907. 123, 193 (Zur Theorie des Versicherungsvertrags). B r u c k P V R 49—58, H R Z 1921. 241, 523 und 1922. 1 (Zum Begriff der Transportversicherung). B r u c k - M ö l l e r § 1 A n m . 34—51. E h r e n b e r g L Z 1907. 177 (Der Begriff des Versicherungsvertrags). E h r e n z w e i g V V if. und 341—343. E n d e m a n n Z H R 9. 284, 511 und 10. 242 (Das Wesen des Versicherungsgeschäfts). F i n g e r L Z 1908. 148 (Rücktritt von Versicherungsverträgen bei geänderten Umständen). J. v. G i e r k e , Der Begriff der Transport-Versicherung im deutschen Recht, 1910, V S R I 9—23 II 240 fr., Festschrift für Herbert Kraus, 1954. 47—56 (Die Eigenart der Transportversicherung). G o t t s c h a l k N e u m Z 1912. 645 (Die Befreiung des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung usw.). G r i e s h a b e r , Das Synallagma des Versicherungsvertrags, 1914. H a g e n Hdb I 9—25, S V R 97. H a y m a n n , Leistung und Gegenleistung im Versicherungsvertrag, 1933. H e c k e r , Zur Lehre von der rechtlichen Natur der Versicherungsverträge, 1894. H e r r m a n n , Theorie der Versicherung, 3. Aufl. 1897. H u p k a Z H R 66.546 (Der Begriff des Versicherungsvertrags). K ü b e l Z f V R 1.342 (Wesen des Versicherungsvertrags). M a h r , Einführung in die Versicherungswirtschaft, 1951, 66—76. M ö l l e r , Handwörterbuch der Sozialwissenschaften 1952. 214 (Seeversicherung), Festschrift für Ehrenzweig, 1955. 169—183 (Rechtsbegriff der Transportversicherung), Z f V W 1963. 269 (Moderne Theorien zum Begriff des Versicherers und des Versicherungsvertrages). P r ö l ß V V G Anm. 2 zu § 1. R e i m e r S c h m i d t , Art. Versicherungsvertrag, in Handwörterbuch des Versicherungswesens, 2. Bd. 1958. 2365—2372. S c h l e g e l b e r g e r S V R 2fF.
Anm. 20
2. Der Seeversicherungs-Vertrag ist ein T r a n s p o r t v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g (vgl. V V G §§ 129—148, 186; so auch M ö l l e r , Rechtsbegriff der Transportversicherung 169; a. M . E h r e n z w e i g V V 34, der See- und Transportversicherung gegenüberstellt), der Transportversicherungs-Vertrag, wenigstens der Hauptsache nach, ein S a c h v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g , der Sachversicherungs-Vertrag ein S c h a d e n s v e r s i c h e r u n g s v e r t r a g . — Der Seeversicherungs-Vertrag kann sich freilich a u c h a u f P e r s o n e n beziehen. So im Falle der Versicherung von Überfahrtsgeldern (§ 1 Anm. 101) oder im Falle der Versicherung des Interesses an der wohlbehaltenen Ankunft eines Schiffes, wenn das Interesse sich an eine auf dem Schiffe befindliche Person knüpft (§ 1 Anm. 28, 119). Aber im übrigen gelten heute Versicherungsverträge, die sich auf Personen beziehen, nicht als Seeversicherungs-Verträge (anders früher, insbesondere unter dem Einfluß der Türken- und Barbareskengefahr, vgl. ζ. B. A H O 1731 III. 1: „Alles, was über See . . . versandt oder erwartet wird, es betreffe Schiffe oder Waaren. . ., wie auch der Menschen Leben und Freyheit, See- und Türkengefahr, und dergleichen, kann ein ieder andern versichern, oder durch andere sich versichern lassen", auch A H O 1731 X , Anl. V : „Police, auf das Leben einer Person", Anl. V I : „Police für Türkengefahr, auf die Ranzions-Gelder", ebenso Preuß. A H O § 23, teilweise anders noch Preuß. Seerecht V I . 10; K i e ß e l b a c h 39, 82, 124, K n i t t e l 14; wie hier M ö l l e r a. a. O.). Insbesondere gelten Versicherungsverträge, die sich auf Personen beziehen, im allgemeinen nicht als Seeversicherungs-Verträge im Sinne des §778 HGB, des § 186 V V G . Auch ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, im Falle eines dem Reisenden oder dem Kapitän zustoßenden Seeunfalls nur die wirklich entstehenden Heilungs- oder Beerdigungskosten zu ersetzen ( E h r e n b e r g L Z 1907. 168: „wirkliche Schadensversicherung") wäre kein Seeversicherungs-Vertrag im Sinne des § 778 H G B , § 186 V V G . Ebensowenig die Versicherung des Gewinninteresses, das jemand daran hat, daß ein anderer, etwa ein Angestellter, am Bestimmungsort ankommt oder mit einem.
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bestimmten Schiffe ankommt (vgl. jedoch auch oben und § ι Anm. 28). Auf solche H I Versicherungsverträge finden insbesondere die zwingenden Vorschriften des V V G Anwendung. Z w a r sind sie, wenn auch nicht Seeversicherungs-, so doch Transportversicherungsverträge. Z w a r nahm der erste Entwurf des V V G (§ 184) die Transportversicherung ohne Einschränkung von den zwingenden Vorschriften aus. Z w a r hat die Reichstagskommission dies nur insofern ändern wollen, als die Kaskoversicherung den zwingenden Vorschriften des Gesetzes unterworfen werden sollte (Komm.Bericht 132). Aber das V V G (§ 187 Abs. 1) nimmt nur die „Transportversicherung von G ü t e r n " aus. 3. S c h a d e n s v e r s i c h e r u n g s - V e r t r ä g e sind Verträge, durch die der eine Teil (der Anm. 21 Versicherer) sich in der Form der Übernahme einer bestimmten fremden Gefahr verpflichtet, den dem anderen Teile (dem Versicherungsnehmer) oder einem dritten (dem Versicherten) durch die Verwirklichung der Gefahr entstehenden Schaden zu ersetzen, der andere Teil sich dagegen verpflichtet, hierfür eine Vergütung zu entrichten. Diese Begriffsbestimmung ist im einzelnen umstritten. Die sog. „Gefahrtragungstheorie" (vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 43 und 51 zu § I V V G mit der Aufführung ihrer Anhänger in A n m . 44 zu § : V V G ) nimmt an, die Prämie werde um der Gefahrtragung willen versprochen und gewährt. Siehe auch G r i e ß h a b e r 16 im Anschluß an K o h l e r 3 6 3 : im Gegenseitigkeitsverhältnis ständen nur Gefahrtragung und Prämie, die Entschädigung sei nur eine „Realisierung" oder „Konkretisierung" der Gefahrtragung. Die Gefahrtragungstheorie ist lebhaft umkämpft. Siehe die Aufführung ihrer Gegner bei B r u c k - M ö l l e r Anm. 45 zu § 1 V V G . Insbesondere wird die Ansicht vertreten (vgl. P r ö l ß V V G Anm. 2 Β zu § 1 und die dort genannte Literatur und Rechtsprechung), der Versicherer verspreche nur eine durch den Eintritt des Versicherungsfalles bedingte Hauptleistung, die „ G e f a h r t r a g u n g " des Versicherers sei nicht Leistung, sog. „Geldleistungstheorie". Die Begriffsbestimmung und die mit ihr verbundene Streitfrage ist für die Auslegung und Anwendung der A D S insofern ohne Bedeutung, als die A D S nur gelten, wenn sie vereinbart sind, und, wenn sie vereinbart sind, kein Zweifel daran bestehen kann, daß die Beteiligten einen Schadensversicherungs-Vertrag haben schließen wollen. Die Begriffsbestimmung ist aber nötig, weil sich nur mit ihr das Wesen des Versicherungsvertrags und damit sein Zusammenhang mit dem System des Vertragsrechts im allgemeinen und seine Verwandtschaft mit anderen Wirtschafts- und Rechtsformen, insbesondere auch erkennen läßt, inwieweit die für andere Vertragsarten bestehenden und auf der Interessenlage, nicht auf positiver Auswahl aus mehreren Regelungsmöglichkeiten beruhenden Grundsätze wegen Gleichheit der Interessenlage anzuwenden sind (vgl. M o l t 18). Der Versicherer verpflichtet sich, S c h ä d e n z u e r s e t z e n (vgl. V V G § 1 Abs. 1), sei es positive Schäden, sei es Gewinnausfälle. „Wettassekuranzen" sind also keine Versicherungsverträge, sondern Spiel oder Wette (wenigstens, wenn der Versicherer den Sachverhalt kennt: § 2 Anm. 1 1 ) . Daß der Versicherer oft weniger, oft mehr leistet, als zur Ausgleichung des Schadens nötig ist, daß er insbesondere den Taxwert der versicherten Sache auch dann zu ersetzen hat, wenn die T a x e übersetzt ist (§ 6 Anm.), hat hiermit nichts zu tun, sondern beruht auf Erwägungen, die vielmehr den Grundsatz bestätigen (deshalb unrichtig S i e v e k i n g 7, H G Z 1900. 245: Der Versicherungsvertrag gewähre „keinen Anspruch auf Schadensersatz im eigentlichen Sinne, sondern enthalte ein bedingtes Zahlungsversprechen des Versicherers", denn der Versicherte erhalte meist „ m e h r oder weniger als den wirklich erlittenen S c h a d e n " ; vgl. auch unten Vorb. I X ) . Nur f ü r den Fall der Verwirklichung der Gefahr, nur b e d i n g t , soll der Versicherer ersetzen. Dadurch unterscheidet sich der Versicherungsvertrag von Verträgen,
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Begriff der Seeversicherung
I I I durch die jemand übernimmt, schon entstandene und bekannte Schäden zu ersetzen (vgl. § 5 Anm. 9). I n d e r F o r m d e r Ü b e r n a h m e e i n e r bestimmten fremden G e f a h r verpflichtet sich der Versicherer, Schäden zu ersetzen. Der Versicherer leistet durch Übernahme, nicht durch Abnahme der Gefahr. Er nimmt dem Versicherungsnehmer die Gefahr nicht derart ab, daß die Gefahr ihn träfe, nicht den Versicherungsnehmer, daß er etwa dritten (ζ. B. dem Verkäufer) zu leisten hätte, was der Versicherungsnehmer (ζ. B. der Käufer) den dritten zu leisten hat, oder daß er gar hierauf unmittelbar dem dritten verpflichtet würde. Sondern er verspricht nur, zu zahlen, zu ersetzen, einen Ersatzwert zu leisten, wenn die Gefahr beim Versicherungsnehmer einschlägt. Deshalb übernimmt auch der Rückversicherer weder die Gefahr, die der Vorversicherte, noch die Gefahr, die der Vorversicherer trägt, als eine eigene Gefahr. Die Gefahrübernahme ist also nicht der Inhalt, sondern nur die Form, in welcher der Versicherer zu leisten verspricht und durch die der Versicherungsvertrag sich von anderen Verträgen ähnlicher Art unterscheidet ( E h r e n b e r g Z H R 32. 429, insbesondere M o l t 2 1 ; vgl. auch C a h n 27, H e c k e r 101). Hierdurch unterscheidet sich das Versicherungsverhältnis insbesondere von Vertragsverhältnissen, bei denen die Gefahr kraft Gesetzes (vgl. ζ. B. BGB §§ 446, 447) vom einen auf den anderen übergeht oder kraft besonderer Nebenabrede eine gegenüber der gesetzlichen erweiterte Haftung übernommen wird (vgl. R G 28.140,88.32, A P V 1902. 15, 1904. 19, 1905 I 68, 1907 I 81, 190g I 179, auch B r u s c h e t t i n i AssJB 21. 125 über die frachtrechtliche Wertdeklaration). Aber es folgt daraus nicht, daß ein Versicherungsvertrag nur „selbständig", nicht auch in der Form einer Nebenvereinbarung geschlossen werden kann (so M o l t 21, B r u c k - M ö l l e r § 1 Anm. 10, M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 44, P r ö l ß V V G Anm. 3 zu § 1, R G 88. 32; s. aber E h r e n z w e i g V V 62f.). Würde ζ. B. in einem Cif-Kaufvertrage vereinbart werden, daß der Verkäufer nicht Versicherung nehmen, sondern nach den üblichen Bedingungen wie ein Versicherer haften solle, so würde insoweit ein Versicherungsvertrag vorliegen. Anm. 22
Dagegen, gegen das Versprechen, die Verpflichtung, die Übernahme des Risikos hat der Versicherungsnehmer eine Vergütung (Prämie) zu entrichten. Der Versicherungsvertrag ist deshalb ein g e g e n s e i t i g e r Vertrag im Sinne der §§ 320fr. BGB, (vgl. auch S c h l e g e l b e r g e r S V R 2, H a g e n S V R 97). Auch P r ö l ß , Anm. 6 zu § 1 V V G , der der Geldleistungstheorie anhängt, nimmt an, der Versicherungsvertrag sei ein entgeltlicher Vertrag und zumindest analog dem gegenseitigen Vertrag zu behandeln. Die Frage ist nicht von besonders großer Bedeutung, weil sicher ist, daß die gegenseitige Abhängigkeit der Leistungspflichten beim Versicherungsvertrag derart ist, daß für die Anwendung der §§ 320 ff. BGB (direkt oder analog) wenig Raum bleibt. — Das Recht des Schuldners, seine Leistung bis zur Gegenleistung zu verweigern (BGB §§ 320, 322), kommt nicht in Betracht. Denn nach der Eigenart der Versicherung müssen beide, Versicherer und Versicherungsnehmer, vorleisten, der Versicherungsnehmer die Prämie zahlen, bevor ihm der Versicherungsschutz vollständig gewährt ist, der Versicherer das Risiko übernehmen, bevor die Prämie gezahlt ist. — Ebendeshalb ist § 321 BGB, wonach der vorleistungspflichtige Schuldner bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des anderen Teiles die Leistung bis zur Gegenleistung oder Sicherstellung verweigern darf, an und für sich anwendbar ( G r i e s h a b e r 38, Weil Z f V W i g n . 1 1 5 ; abw. ohne Grund B i e d e r m a n n MittöffFVA 1 9 1 1 . 7 1 9 ) . Gleichwohl kann der Versicherer sich nicht auf § 321 BGB berufen. Denn der Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers ist in den §§ 16, 17 besonders geregelt ( § 1 6 Anm.). Dagegen kann sich der Versicherungsnehmer auf § 321 BGB berufen (§ 47 Anm.). Denn die Leistung des Versicherers erschöpft sich nicht in der Übernahme des Risikos; der Versicherer hat dauernd Versicherungsschutz zu
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gewähren und die Prämienzahlung ist insoweit Vorleistung. — Unanwendbar sind die H I §§ 3 2 3 — 3 2 5 BGB (nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung). Sowohl die Zahlung der Prämie wie die der Entschädigung sind (von unerheblichen Ausnahmefällen abgesehen) im Rechtssinne stets möglich. Der Wegfall des Interesses ist kein Fall der Unmöglichkeit, ebensowenig die Nichtentstehung eines künftigen Interesses. Außerdem sind die Fälle im § 4 besonders geregelt. Ansch. abw. F i n g e r LZ 1908. 154, AG und LG Straßburg LZ 1908. 153, O L G Dresden Rspr 14. 395; abw. auch G r i e s h a b e r 45 f ü r den Fall, daß der Versicherungsnehmer die Entstehung des Interesses ausschließlich deshalb verhindert, u m vom Versicherungsvertrag frei zu werden. — Die §§ 326, 327 BGB (Verzugsfolgen) sind bestenfalls nur beschränkt anwendbar. Für den Fall, daß der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der Prämie in Verzug ist, bestimmt § 17 besonderes, weil die §§ 326, 327 BGB „ f ü r die Verhältnisse des Versicherungsvertrags nicht ausreichen" (Begr. z. V V G §§ 38, 39). Ist der Versicherer mit der Zahlung der Entschädigung im Verzug, so ist die Anwendung möglich, aber kaum je praktisch. •— Nach ständiger Rechtsprechung sind die §§ 326, 327 BGB auch in Fällen „positiver Vertragsverletzung" anzuwenden, wenn nämlich infolge der positiven Vertragsverletzung des anderen Teils „die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird", wenn ζ. B. der andere Teil sich vertragswidrig vom Vertrag lossagt, ihn unberechtigt f ü r nicht abgeschlossen oder nichtig erklärt (vgl. ζ. B. R G 57. 112, 67. 317, 93. 285, 104. 15, 152. 119, BGH Betrieb 1959. 82; s. f ü r das Versicherungsrecht auch R G J W 1937. 218, K G J R P V 1926. 6 = Sasse Nr. 346, O L G Düsseldorf VersR 1954. 587), wenn etwa der Versicherer unberechtigt erklärt, wegen Anzeigepflichtverletzung oder Gefahränderung frei zu sein. Die analoge Anwendung der §§ 326, 327 BGB ist aber jedenfalls unstatthaft, wenn das Gesetz oder der Vertrag (hier die ADS) das Verhältnis anders geregelt wissen will, insbesondere, die Aufhebung (fristlose Kündigung) des Verhältnisses wegen wichtigen Grundes f ü r zulässig erklärt (wie ζ. B. in den §§ 626, 723, 749 BGB) oder wenn die Übertragung dieser gesetzlichen Regelungen wegen Gleichheit der Interessenlagen geboten ist. Letzteres ist hier der Fall. Wenn die Interessen der an einem Vertragsverhältnis Beteiligten für längere Zeit verbunden sind und die Entwicklung des Verhältnisses gegenseitiges Vertrauen voraussetzt, müssen die Beteiligten in der Lage sein, das Verhältnis aufzuheben, wenn die Dinge sich so ändern, daß ihnen nicht zuzumuten ist, darin auszuharren, zumal wenn erhebliche Risiken auf dem Spiele stehen. Auf dieser Erwägung beruht das Aufhebungsrecht für Dienst-, Miete- und Gemeinschaftsverhältnisse. Auf ihr und auf der Notwendigkeit der Annahme gleicher Rechtsfolgen bei gleichen Interessenlagen beruht die Zulassung der Aufhebung bei anderen länger dauernden Interessenverbindungen aus wichtigem Grunde. Das ist wohl heute einhellige Meinung (vgl. ζ. B. R G 50. 258, 54. 99, 57. 113, 62. 832, BGH BB 53. 691, P a l a n d t - G r a m m Anm. 1 zu § 626 BGB). Ohne ein solches Aufhebungsrecht ist auch im Versicherungswesen nicht auszukommen (ζ. B. G e r h a r d 71, H a g e n Z f V W 1920. 150, K i s c h 1921. 190, M o l d e n h a u e r DVfVWVeröff 2. 285, O b e r m a y e r 66, T h i e s i n g MittöffFVA 1911. 716, 750, H G u. O G H a m b u r g R O H G H G Z 1873. 371, R G 60. 59, J W 1919. 309, H G Z 1919. 176). Wichtige Gründe können Vertragsverletzungen des anderen Teils, aber auch andere Umstände bilden ( K i s c h Z f V W 1921. 188: katastrophale Umwälzung von Währungsverhältnissen bei der Haftpflichtversicherung; über das Kündigungsrecht des bei einem feindlichen Versicherer Versicherten vgl. Zitate Anm. 19 und Rechtsprechung bei P e t e r s e n Z f V W J919. 154; vgl. auch H G Z 1919. 176: kein wichtiger Grund, wenn der Versicherer — mit annehmbarer Begründung — behauptet, der Versicherungsnehmer bestreitet, daß die Versicherung „ohne A b a n d o n " geschlossen sei). Liquidation und Fusion (auch liquidationslose Fusion) beendigen das Versicherungsverhältnis nicht ohne weiteres und bilden auch f ü r sich 2
R i t t e r - A b r a h a m . Seeversicherung Bd. I
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I I I allein keinen wichtigen Grund zur Aufhebung (vgl. die Anm. 19 angef. Lit., ζ. Β. B e h r e n d Z f V W 1 9 0 7 . 3 2 1 , D r u m m L Z 1916.855, E h r e n b e r g Z f V W 1904.24, 1916. 376, R V R 50, E m m i n g h a u s L Z 1908. 24, H a g e n Z f V W 1920. 1 5 1 , v. M i l t n e r L Z 1916.442, R e h m L Z 1916.584, Z f V W 1916. 23, S c h e l l w i e n Z f V W 1 9 1 1 . 2 6 9 , Weil Z f V W 1 9 1 1 . 1 1 5 , W i e n e r Z H R 27. 348, R G 56. 292, 60. 56). Nur wenn das Interesse des Versicherungsnehmers durch die Verschmelzung so beeinträchtigt wird, daß ihm nicht zuzumuten ist, im Versicherungsverhältnis zu bleiben, kann er dieses aufheben. Das wird insbesondere bei der Übernahme des Versicherungsbestandes durch eine ausländische Gesellschaft und bei laufenden Versicherungen leicht der Fall sein. Die verschmelzende Gesellschaft wird jedenfalls regelmäßig nicht berechtigt sein, wegen der Verschmelzung zu kündigen (abw. H a g e n Z f V W 1920. 1 5 1 ; übrigens auch sonst ungenau: „ein triftigerer Grund zum Rücktritt . . . als die Verschmelzung . . . dürfte sich kaum vorstellen lassen"). In einigen Fällen wird jedoch der allgemeine Grundsatz von besonderen versicherungsrechtlichen Grundsätzen durchkreuzt. Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht (§§ 19, 20) oder der Gefahrstandspflicht (§ 23) könnte an sich einen „wichtigen Grund" zur Aufhebung des Versicherungsverhältnisses bilden. Aber der Gegenstand ist in anderer, der Interessenlage besser entsprechender Weise geregelt (§§ 19—27). Die Verletzung der Schadensverhütungs-Pflicht (§ 33) oder der Schadenabwendungs-Pflicht ( § 4 1 ) ist zwar auch besonders behandelt, aber derart, daß das Recht des Versicherers zur Aufhebung wegen wichtigen Grundes dabei bestehen bleibt; immerhin wird bei der Tatsachenwürdigung zu berücksichtigen sein, daß das Interesse des Versicherers durch die §§ 33, 41 bereits bis zu einem bestimmten Grade geschützt ist. Die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versicherers würde an sich einen wichtigen Grund bilden können, weil mit der Zahlungsfähigkeit des Versicherers der Versicherungsschutz steht und fällt ( R G 60. 60, BuschA 18. 166). Aber dieser Fall ist, deutlich erkennbar, abschließend in § 47 geregelt, wodurch auch die Anwendung der Grundsätze über die Erschütterung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen wird ( S c h l e g e l b e r g e r S V R 10, E w a l d HansRGZ 1928 Α 449fr.; anders H a g e n S V R 103), die an sich auch auf das Versicherungsverhältnis Anwendung finden, soweit nicht Gesetz oder Vertrag den Tatbestand abschließend geregelt haben (BGH 1. 334). Dasselbe gilt für den Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers (§§ 16, 17). — Wird die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlaßt, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung entstehenden Schadens verpflichtet. Das ergibt sich, wiewohl oft besonders vorgeschrieben (ζ. B. BGB § 628 Abs. 2), aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Anm. 23
Zum Wesen des Versicherungsvertrags gehört nicht, daß er im „ p l a n m ä ß i g e n B e t r i e b e " des Versicherers abgeschlossen ist, daß der Versicherer die Versicherung als Gewerbe betreibt. So streitig dies im allgemeinen ist (vgl. ζ. B. B r u c k - M ö l l e r Anm. 50 zu § 1, E h r e n b e r g Z H R 32.443, L Z 1907. 1 7 1 , G e r h a r d 8, G i e r k e Transportversicherung 501, Versicherungsforderung 3, L e h m a n n Z H R 37. 557, L e w i s Versicherungsrecht 20, M o l t 21. 27, auch O L G Hamm HansRGZ 1938 A 319), so unstreitig ist, daß der Seeversicherungs-Vertrag auch vereinzelt geschlossen werden kann ( E h r e n b e r g L Z 1907. 172). Übrigens ist die Frage ohne praktische Bedeutung. Die Versicherung wird nur noch gewerbsmäßig betrieben ( R a u Z f V W 1901. 301). Anm. 24 Von kaum geringerer Bedeutung ist die Frage, ob der Versicherungsvertrag ein K o n s e n s u a l v e r t r a g (ζ. B. G e r h a r d 17, G o l d s c h m i d t System 250, G r i e s h a b e r 26, 45, L e w i s Versicherungsrecht 187), ein „unbedingter Konsensualvertrag" ( R O H G 5. 118, R G 3. 106, O L G Frankfurt L Z 1908. 149) oder kein Konsensualvertrag, sondern ein Vertrag sui generis ist (AG Straßburg L Z 1908. 152). Dem geltenden Recht
Begriff der Seeversicherung
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ist eine besondere Kategorie der Konsensualkontrakte unbekannt. Lehrmethodisch an ihr festzuhalten und den Versicherungsvertrag mit Rücksicht auf die ihm vom Gesetz gegebene Ausstattung als Konsensualvertrag zu betrachten, steht zwar nichts im Wege, nützt aber auch nicht. Ähnlich steht es um die Behauptung, daß der Versicherungsvertrag zu den sog. a l e a t o r i s c h e n , den gewagten, den Glücksverträgen zu rechnen sei, d. h. zu den Verträgen, bei denen es von wesentlich zufälligen Umständen abhängt, ob die eine oder die andere Partei von ihnen Vorteil oder Nachteil hat (vgl. ζ. B. G i e r k e Versicherungsforderung 7, H u p k a ZHR 66. 582, Nolte 2. 1, Schneider 31, S t e p h i n g e r 3, Voigt 181, 186, ROHG 16.61, 20. 131, HGZ 1901. 167; auch Sieveking 28, freilich nur, weil man sich auch gegen schon entstandenen, aber noch unbekannten Schaden versichern könne). Das gemeine Recht kannte keine Kategorie der aleatorischen Verträge. Das geltende Recht kennt sie ebensowenig. Das gemeine Recht enthielt keine besonderen, gemeinsamen Rechtsgrundsätze für aleatorische Verträge. Das geltende Recht hat es ausdrücklich abgelehnt, solche Grundsätze aufzustellen. Denn sie wären „schon wegen der Unbestimmtheit des Begriffes eines gewagten Vertrages im Gegensatze zu dem nicht gewagten Vertrage nicht am Platze" (MotzBGB 2. 635). Insbesondere ist es nicht die aleatorische Natur des Versicherungsvertrags, aus der sich der Grundsatz der sog. Assekuranztreue ergibt (so HGZ 1901. 167), oder aus dem das Wesen der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu erklären wäre (Meyer Anzeigepflicht 46; anders MotzPreußE 334), oder aus der besondere Regeln für die Auslegung des Versicherungsvertrags abzuleiten wären. Nach ROHG 20. 131 zwar „verlangt die aleatorische Natur des Versicherungsvertrags strengstes Festhalten an den Grenzen, innerhalb welcher dem Versicherten Schadloshaltung zugesagt worden ist". Indessen besteht ein Auslegungsgrundsatz dieser oder ähnlicher Art weder für aleatorische Verträge im allgemeinen noch für Versicherungsverträge im besonderen. — Übrigens ist der Versicherungsvertrag „(nicht minder, aber auch) nicht mehr als jedes andere von der Konjunktur abhängige Massengeschäft" aleatorisch (Kisch Z f V W 1921. 195). Und jedenfalls kann beim planmäßigen Betriebe von Versicherungsgeschäften von der aleatorischen Natur des Versicherungsvertrags keine Rede sein (Goldschmidt System 249). 4. Der Seeversicherungs-Vertrag ist Sachversicherungs - Vertrag. An sich steht nichts im Wege, ohne Rücksicht auf die Beziehung zu einer bestimmten Sache (oder zu einer sonstigen bestimmten wirtschaftlichen Situation) zu versichern, also sich durch Versicherung gegen irgendwelchen Vermögensschaden zu schützen. Aber diese Möglichkeit kommt assekuranztechnisch und deshalb versicherungsrechtlich nicht in Betracht. Denn im Falle einer Versicherung ohne eine Beziehung der bezeichneten Art ist die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, Risiko und Prämie, nicht erreichbar; der Betrieb der Versicherung auf solcher Grundlage wäre also unmöglich. — Bei der Sachversicherung wird durch die Beziehung der Person zur Sache die notwendige Begrenzung hergestellt. Sachversicherung ist die Versicherung gegen Schäden, die mir wegen meiner Beziehung zu einer bestimmten Sache erwachsen. 5. Der Seeversicherungs-Vertrag ist Transportversicherungs -Vertrag. Transportversicherung ist die Versicherung gegen (alle oder einzelne) Sachgefahren, die von der Bewegung der Sache drohen (vgl. ζ. B. Bruck H R Z 1921. 243, R G 72.422, J . v. G i e r k e VSR II. 241, Prölß V V G Anm. 1 zu § 129: Transportversicherung ist die Versicherung von Gütern oder Transportmitteln gegen die Gefahren des Transports oder der Transportbereitschaft). Die §§ 129ff. V V G behandeln unter der Überschrift „Transportversicherung" nur die Versicherung von Schiffen gegen alle Gefahren der Binnenschiffahrt und die Versicherung von Gütern gegen alle Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern. Damit sind aber nur die Hauptfälle der Transport2*
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I V Versicherung gekennzeichnet. Weder ist entscheidend, daß die Versicherung gegen die Gefahren der Bewegung zu Lande oder zu Wasser genommen ist; auch die Versicherung gegen die Gefahren der Beförderung durch die L u f t ist Transportversicherung (vgl. D ö r i n g 77). Noch ist entscheidend, daß sich die Versicherung auf Schiff oder Güter bezieht; auch die Versicherung von Land-, insbesondere von Kraftfahrzeugen ist Transportversicherung ( R G 72. 422). Noch ist entscheidend, daß die Versicherung gegen alle oder die Mehrzahl der Gefahren genommen ist; auch die Versicherung nur f ü r Kriegsgefahr oder nur für Feuersgefahr kann Transportversicherung sein (ansch. abw. B r u c k H R Z 1 9 2 1 . 246, R G 72. 423). Schließlich ist nicht nur die Versicherung gegen Sachgefahren, die von der Bewegung der Sache drohen, Transportversicherung, sondern ebensowohl die Versicherung gegen Sachgefahren, welche von Unternehmungen drohen, die mit einem Transport im nächsten örtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (näheres: § 1 Anm. 3 7 f . ; s. auch P r ö l ß a. a. O.). A n m . 28
6. Seeversicherung ist die (Transport-) Versicherung gegen Sachgefahren, die von der S e e s c h i f f a h r t drohen. Hierüber näheres: § 1 Anm. 2 i f f . Vgl. auch M I A § 1 : A contract of marine insurance is a contract whereby the insurer undertakes to indemnify the assured, in manner and to the extent thereby agreed, against marine losses, that is to say, the losses incident to marine adventure, und den Bericht über definitions of marine insurance aus der englischen Rechtslehre und Rechtsprechung bei C h a l mers 161. A n m . 29 7. U b e r den Begriff der l a u f e n d e n Versicherung: § 97 A n m . A n m . 30 8. U b e r den Begriff der R ü c k v e r s i c h e r u n g : § 1 Anm. 1 2 6 f f .
IV. Abschluß des Seeversicherungs-Vertrags A n m . 31
1. L i t e r a t u r . B a s l e r , Abschluß, Beurkundung und Wirkungsbeginn des Versicherungsvertrages, 1 9 1 3 . B i s c h o f s b e r g e r , Die vorläufige Deckungszusage im Versicherungsrecht, Diss. Zürich 1946. B l u m h a r d t OestRev 1 9 1 3 . 18 (Die Willenserklärung im Versicherungsvertrage). B r u c k P V R 1 6 1 — 1 7 8 und J W 1927. 1 6 9 — 1 7 1 . B r u c k - M ö l l e r § 1 A n m . 5 2 — 1 3 0 . B u g e r , Der Versicherungsantrag und seine Bedeutung, 1 9 2 1 . B u r g e r , Der Beginn des Versicherungsschutzes, Diss. Heidelberg 1938. B ö s e , Die vorläufige Deckungszusage, Diss. K ö l n 1935. C a m p e l l , Besondere Arten des Versicherungsvertrags-Abschlusses, Diss. Zürich 1 9 3 1 . D i t t m a n n , Vorvertragliche Abänderung von Versicherungsverhältnissen, ungedr. Diss. Hamburg 1952. E h r e n z w e i g V V 63—68, 106—108. F ö r s t e r , Die Versicherungsumgestaltung durch Nachvertrag bei demselben Versicherer, Diss. K ö l n 1939. J . v. G i e r k e V S R I I 1 2 9 — 1 4 5 . G o t t s c h a l k OestZ 1920. 93 (Einheitliche Versicherungsverhältnisse trotz Vorhandenseins mehrerer Versicherungsscheine) und J R P V 1926. 3 2 1 — 3 2 3 . G r ä b e r , Erstprämienzahlung und Haftungsbeginn nach dem V V G und den üblichen Vertragsklauseln, Diss. K ö l n 1938. H a g e m a n n , Das Zustandekommen des Versicherungsvertrages, 1934 (Hamburger Rechtsstudien Heft 2 1 ) . H a g e n H d b I 309—336. H a y m a n n J W 1932. 2500—2503 (Haftung des Versicherers f ü r schuldhaft verzögerte Erledigung von Versicherungsanträgen). H e r r m a n n , Z u r Konkludenz des Schweigens bei der Abschließung des Versicherungsvertrages, 1 9 1 5 (in Festgabe für Cohn). H e r r m a n n , Die vorläufige Deckungszusage, Diss. Erlangen 1 9 3 1 . J a a x , Culpa in contrahendo im Versicherungsrecht, Diss. K ö l n 1935. J o h l e n , Die Deckungszusage im Versicherungsrecht, Diss. Köln 1938. J o s e f Z f V W 1922. 8 (Vorläufige Deckungszusage des Versicherers). K e u p W u R V e r s 1 9 1 3 . 38 (Inwiefern ist die Seeschadensversicherung wegen Irrtums usw. anfechtbar?). K ü b e l Z f V R I . 350 (Form des Versicherungs-
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Vertrages). N i e d e g g e n , Die vorläufige Deckungszusage im Privatversicherungsrecht, IV Diss. K ö l n 1938. O b e r b a c h I 158—162. P r ö l ß V V G A n m . 1 — 4 z u § 3 V V G und Zusatz z u § 1. R a i s e r A n m . 5 5 — 6 4 z u § 9. S c h l e g e l b e r g e r S V R V o r b e m . I V . S c h u m a c h e r , Die Deckungspflicht im Versicherungsrecht, Diss. Rostock 1936. S c h u m a n n H a n s R G Z 1938 A 8 1 — 8 8 (Ein Beitrag zur culpa in contrahendo i m Versicherungsvertragsrecht). W i e s e m a n n , Der Versicherungsschutz bei der vorläufigen Deckungszusage, Diss. Berlin 1940. V g l . ferner über Abschluß des Versicherungsvertrags und rechtliche Natur des Antrags auch noch: B a s l e r Z f V W 1914-623» D e m e l i u s Z f V W 1907.436, 1909.128, DVPresse 1 9 1 1 . 2 9 5 , 329, 337, 365, 406, 427, D V Z t g 1 9 1 1 . 1 9 3 , 3 1 5 , AssJB 33. 133, G o t t s c h a l k NeumannsZ 1912. 199, H e r r m a n n AssJB 2 3 . 3 , J o s e f Z f V W 1908.688, DVPresse 1 9 1 1 . 3 2 1 , AssJB 3 1 . 3 7 , K . DVPresse 1 9 1 1 . 274, Κ . II Ashers Rechtsfälle 1834 I I I . 80, P r e u s s DVPresse i g i 1. 347, 387, D V Z t g 1911. 305, 315. Ferner über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Versicherungsverkehr: B i e d e r m a n n W u R V e r s 1912. 241, J o s e f M i t t ö f f F V A 1914. 56, W e r n e b u r g A n n Vers 1914. 501. Siehe auch K i s c h Z f W 1951. 361 (Verantwortung für das richtige Zustandekommen des Versicherungsvertrages). W e i m a r Deutsche Versicherungs-Zeitschrift 1961. 182 (Der Abschluß eines Versicherungsvertrages nach den allgemeinen Vorschriften des B G B und den Sondervorschriften des VVG). 2. Der Abschluß des Versicherungsvertrags richtet sich nach allgemeinen Grund- A n m . Sätzen (s. unten A n m . 80 den Hinweis auf § 21 des Außenwirtschaftsgesetzes mit seiner Möglichkeit der Beschränkung des Abschlusses gewisser Seeversicherungsgeschäfte mit ausländischen Versicherungsunternehmen). Der V e r t r a g kommt durch Antrag und Annahme zustande. A n t r a g und A n n a h m e sind Willenserklärungen. a) W a s z w a r g e w o l l t , aber n i c h t a l s g e w o l l t e r k l ä r t i s t , gilt nicht. A b e r unter Umständen ist schon bloßes Stillschweigen eine „ E r k l ä r u n g " (vgl. unten A n m . 35). b) W a s z w a r n i c h t g e w o l l t , aber a l s g e w o l l t e r k l ä r t ist, gilt ( B G B § 116 Satz 1). A b e r : 1. W e n n der andere den M a n g e l des Willens k e n n t , gilt die Erklärung nicht ( B G B § 116 Satz 2). 2. W e n n der andere damit einverstanden ist, d a ß nur z u m S c h e i n erklärt wird, gilt die Erklärung nicht (BGB § 117 Abs. 1). 3. W e n n man e r w a r t e t , d e r a n d e r e w e r d e den M a n g e l des Willens e r k e n n e n , gilt die Erklärung nicht ( B G B § 118). A b e r man m u ß den andern, der auf die Gültigkeit vertraut hat und vertrauen durfte, schadlos halten (BGB § 122). 4. W e n n m a n sich d e s W i l l e n s m a n g e l s n i c h t b e w u ß t ist, wenn man i r r t , gilt die Erklärung. So etwa, wenn infolge eines Schreibfehlers der Versicherer z u 8°/oo statt zu 8 % Prämie offeriert, oder der Versicherungsnehmer statt V e r sicherung nur für Kriegsgefahr, vielmehr Versicherung auch für Kriegsgefahr beantragt. O d e r wenn der Versicherungsnehmer glaubt, die Versicherung schlösse die Kriegsgefahr ein, während sie in Wirklichkeit die Kriegsgefahr ausschließt. O d e r wenn der A g e n t zweier Mitversicherer die Firmenstempel verwechselt und auf der Police die Versicherungssumme des einen als die des anderen bezeichnet, der Versicherungsnehmer sich hiermit auch, stillschweigend, einverstanden erklärt ( H G H a m b u r g H G Z 1875. 152). Die Erklärung gilt; aber man kann sie a n f e c h t e n , wenn m a n sie bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Ü b e r l e g u n g nicht abgegeben haben würde (BGB § 119). D a n n gilt die Erklärung von A n fang an nicht ( B G B § 142). A b e r man irrt nicht ungestraft. M a n m u ß d e m andern den Vertrauensschaden ersetzen ( B G B § 122; anders, wenn man arglistig getäuscht ist: B G B § 123). — Bloßer Irrtum im Beweggrunde berechtigt also
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nicht zur Anfechtung. Der Versicherungsnehmer kann also ζ. B. nicht anfechten, weil er die Gefahr für größer, der Versicherer nicht, weil er sie für kleiner gehalten hat, als sie wirklich war (§ 20 Anm.). Ebendeshalb kann der Versicherungsnehmer nicht anfechten, weil er irrtümlich glaubt, daß das Interesse noch nicht anderweit versichert ist, der Versicherer nicht anfechten, weil er die Prämie auf Grund eines versehentlich zugrunde gelegten unrichtigen Tarifs unrichtig berechnet hat, usw. — Dem rechtserheblichen Irrtum steht die unrichtige Ü b e r m i t t l u n g (durch Boten, Post usw.) gleich (BGB § 120). ·—· Über Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: BGB § 123, ADS § 5 Anm. 24, § 20 Anm. c) Was gewollt und als gewollt erklärt ist, gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Parteien sich über einen anderen Punkt des Vertrages (ζ. B. über die Mitübernahme der Kriegsgefahr) noch einigen wollten, aber nicht geeinigt haben. „Im Zweifel" wenigstens; anders, wenn der Vertrag auch ohnedies bestehen sollte. BGB § 154 Abs. 1. d) Was gewollt und als gewollt erklärt ist, gilt ausnahmsweise auch dann nicht, wenn die Parteien über einen Punkt des Vertrags zwar einig zu sein g l a u b t e n , in Wirklichkeit aber nicht einig waren. Anders, wenn sie den Vertrag auch ohne diesen Punkt geschlossen hätten. BGB § 155. Anm. 33 3. Die Willenserklärungen (Antrag und Annahme) sind empfangsbedürftig. a) U n t e r Anwesenden muß die Erklärung so abgegeben werden, daß der andere sie vernimmt (oder vernehmen muß, wenn er nur will). b) U n t e r Abwesenden muß die Erklärung dem anderen zugehen (BGB § 130). — Schriftliche Erklärungen müssen in verkehrsüblicher Art in die Verfügungsgewalt des anderen oder eines annahmeberechtigten Dritten gelangt sein. Sie gelten als „zugegangen", wenn der andere von ihnen Kenntnis genommen hat oder unter gewöhnlichen Verhältnissen nehmen konnte (RG 50. 194, BGH L M zu § 130: Vorlegung des Versicherungsscheins an die Ehefrau). — Mündliche Erklärungen können durch Boten übermittelt werden. Werden sie unrichtig übermittelt, so sind sie anfechtbar (oben Anm. 32). Mündliche Erklärungen können aber auch an solche Angestellte oder Angehörige des anderen gemacht werden, die verkehrsüblicherweise zur Bestellung solcher Erklärungen als ermächtigt gelten. Dahin gehören insbesondere die mit der Bedienung des Telephons betrauten Personen. Ob die Bestellung richtig oder unrichtig ausgeführt wird, gilt gleich. — Entzieht der andere sich der Erklärung, so muß diese zugestellt werden (BGB § 132). Aber oft handelt er seiner aus Treu und Glauben sich ergebenden Verpflichtung zuwider, wenn er sich dem Zugang entzieht (BGB § 242). So insbesondere, wenn er einen Versicherungsantrag gemacht hat und von der rechtzeitigen Annahme der Vertragsschluß abhängt. Die schuldhafte Verletzung solcher Verpflichtung bewirkt, daß der andere den Schaden ersetzen, also den Zustand herstellen muß, der bestände, wenn er sich dem Zugang nicht entzogen hätte, der Vertrag also zustande gekommen wäre (BGB § 249). — Der eine kann den Antrag, der andere die Annahme widerrufen. Aber der Widerruf muß, um wirksam zu sein, spätestens gleichzeitig mit der Erklärung zugehen (BGB § 130 Abs. 1). Anm. 34 4. Der Versicherungsantrag muß so sein, daß er angenommen werden und damit zur vollständigen (vgl. BGB § 154; B r u c k - M ö l l e r Anm. 73 zu § 1) Einigung führen kann. Bloße Anfragen oder Erkundigungen sind keine Versicherungsanträge. — Der Versicherungsantrag muß erkennen lassen, daß man gebunden sein will. Das ist nach der Verkehrssitte ζ. B. nicht der Fall, wenn der Versicherer sich in Zeitungen oder Prospekten zur Übernahme von Versicherungen erbietet; anders, wenn er darin etwa erklärt, daß der Vertrag als geschlossen gelten soll, wenn man ihm gegenüber eine ent-
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sprechende Erklärung abgibt (OLG München APV 1906 II 86). — Der Versicherungsantrag bindet (BGB § 145). Schon er begründet also ein Rechtsverhältnis. Der andere hat das Recht, den Antrag anzunehmen, man selbst die Pflicht, sich so zu verhalten, daß der andere in der Ausübung dieses Rechtes nicht beschränkt wird (oben Anm. 33). — Die Gebundenheit erlischt, wenn der andere ablehnt (BGB § 146). 5. Die Annahme des Vertragsantrags kann ausdrücklich oder stillschweigend sein. Unter Umständen genügt sogar bloßes Schweigen auf den Vertragsantrag; dann nämlich, wenn nach Treu und Glauben zu reden Pflicht ist. Das ist namentlich im Rückversicherungsgeschäft von Bedeutung. Hier tut oft Eile besonders not. Der Vorversicherer pflegt dem Geschäftsfreunde beim Angebot zu erklären, daß er das Angebot als angenommen betrachte, wenn es nicht binnen bestimmter kurzer Frist abgelehnt sei. In solchen Fällen bedeutet nach der Verkehrssitte Schweigen Annahme. — Nach § 362 HGB, § 663 BGB muß derjenige, dem ein Antrag auf „Besorgung von Geschäften" zugeht, unverzüglich antworten, wenn die Beteiligten in Geschäftsverbindung stehen usw.; sein bloßes Schweigen gilt nach § 362 HGB als Annahme des Antrags. Versicherungen sind aber keine Geschäftsbesorgungen ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 80 zu § 1 V V G ; anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Vorbemerkung IV 6 für § 663 BGB). Der Versicherer braucht auf einen Versicherungsantrag nicht zu antworten. 6. Versicherungsanträge müssen rechtzeitig angenommen werden, d. h. a) unter Anwesenden sofort (BGB § 147 Abs. 1 Satz 1: darunterfällt nach § 147 Abs. 1 Satz 2 auch der mittels Fernsprecher von Person zu Person gemachte Antrag); b) unter Abwesenden baldmöglichst, d. h. nicht später als der Antragsteller die Antwort unter regelmäßigen Umständen (als objektiv) erwarten darf (BGB § 147 Abs. 2). Telegraphische Versicherungsanträge müssen regelmäßig auch telegraphisch angenommen werden. c) Ist im Versicherungsantrag eine Frist bestimmt, so muß die Annahmeerklärung in der Frist zugehen (BGB § 148). Auch geringfügige Fristüberschreitungen sind Ablehnung. Die Annahmefrist kann grundsätzlich voll ausgeschöpft werden. Nur unter besonderen Umständen kann darin ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden (Prölß Anm. 5 § 3 VVG, S c h l e g e l b e r g e r SVR Vorbem. IV 6). Eine gesetzliche Frist für die Annahme, wie sie etwa für die Feuerversicherung nach § 81 V V G besteht, gibt es in der Seeversicherung nicht. Die Richtlinien der Hamburger Versicherungsbörse sehen vor, daß mangels abweichender Vereinbarung der Versicherer bei nur auf „Approbation" gegebener Versicherungsofferte an ein Angebot nur auf 48 Stunden gebunden ist. Bei Änderung der gefahrerheblichen Umstände nach Abgabe der Offerte bis zur endgültigen Annahme soll das Angebot erlöschen. Siehe wegen schuldhafter Verzögerung der Erledigung von Anträgen mit Schadensersatzpflicht wegen culpa in contrahendo R G 104. 103. d) Verspätete A n n a h m e ist nicht ganz wirkungslos. Ist sie erkennbar rechtzeitig abgeschickt, so muß der Antragsteller die Verspätung unverzüglich anzeigen; sonst gilt die Annahme als rechtzeitig (BGB § 148). — Die verspätete Annahme gilt auch als neuer Vertragsantrag (BGB § 150 Abs. 1). 7. Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen ist keine Annahme. Da ist kein Konsens, sondern (offener) Dissens. Noch mehr: Solche unreine Annahme gilt als Ablehnung und überdies als neuer Vertragsantrag (BGB § 150 Abs. 2). — Trotz reiner Annahme kommt der Vertrag nicht zustande, wenn die Parteien zwar einig zu sein scheinen, in Wirklichkeit aber nicht einig sind (versteckter Dissens). Keine Partei befindet sich im Irrtum über ihre eigene Erklärung. Aber jede Partei hat die Erklärung der anderen mißverstanden und mißverstehen dürfen. Ζ. B. bei einem durch Kabel geschlossenen Versicherungsvertrag hat
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IV unter dem Kabelwort der Versicherungsnehmer Versicherung mit Einschluß, der Versicherer mit Ausschluß der Kriegsgefahr verstanden und verstehen dürfen. Uber einen besonderen Fall des versteckten Dissenses: BGB § 155 und oben Anm. 32. Anm. 38
8. Der Vertragsantrag wird nicht annahmeunfähig, die Annahme nicht wirkungslos, wenn der Erklärende nach Abgabe (insbesondere nach Absendung) der Erklärung (des Antrags, der Annahme) stirbt oder geschäftsunfähig wird (BGB §§ 130 Abs. 2, 153). Dasselbe wird gelten müssen, wenn der A d r e s s a t der Erklärung nach ihrer Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. Anm. 39 9. Zwischen Versicherungsantrag und Annahme kann sich viel ereignen: das Versicherungsinteresse wegfallen, im Falle einer Vergangenheitsversicherung der Versicherungsfall eintreten oder der Eintritt des Versicherungsfalls unmöglich werden, der Umfang der Gefahr sich ändern, die versicherte Sache veräußert werden usw. In allen solchen Fällen kommt es darauf an, ob der A b s c h l u ß d e s V e r t r a g s noch verhindert werden kann oder nicht. K a n n er n i c h t m e h r v e r h i n d e r t w e r d e n , so ist es so anzusehen, wie wenn das Ereignis nach dem Vertragsschluß eingetreten wäre. Kann er n o c h v e r h i n d e r t w e r d e n , so entstehen die Rechtsfolgen, die für den Fall bestimmt sind, daß das Ereignis vor dem Abschluß des Vertrags eintritt. Näheres insbesondere § 5 Anm. 22, 38, § ig Anm. 16—ig. Anm. 40 10. Vorläufige Deckungszusage. Literatur: B r u c k - M ö l l e r Anm. 91—107 zu § 1. B ö s e , Die vorläufige Deckungszusage, Diss. Köln 1935. B ü h r i n g H R Z 1925. 877—880 (Zur vorläufigen Deckungszusage). D u r s t J W 1921. 1075fr. (Die vorläufige Deckungszusage des Versicherers). E h r e n z w e i g V V 106—108. J. v. G i e r k e V S R II I44f. H e r r m a n n , Die vorläufige Deckungszusage, Diss. Erlangen 1931. J o h l e n , Die Deckungszusage im Versicherungsrecht, Diss. Köln 1929. J o h n , Handwörterbuch des Versicherungswesens 1. Bd. 1958. 468 (Art. Deckungszusage). N i e d e g g e n , Die vorläufige Deckungszusage im Privatversicherungsrecht, Diss. Köln 1938. P r ö l ß , Zusatz zu § 1 V V G . R a i s e r 256fr. S c h l e g e l b e r g e r S V R Vorbem. I V 7. S c h u h m a c h e r , Die Deckungszusage im Versicherungsrecht, Diss. Rostock 1936. W i e s e m a n n , Der Versicherungsschutz bei der vorläufigen Deckungszusage, Diss. Berlin 1940. Bei der vorläufigen Deckungszusage handelt es sich um einen rechtlich von dem eigentlichen Versicherungsvertrag losgelösten selbständigen Vertrag, der dem Versicherungsnehmer vorläufigen Versicherungsschutz vor der endgültigen Risikoprüfung, vor der völligen Einigung und vor der Erledigung der Verwaltungsarbeit im Versicherungsbetrieb gewährt ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 192 zu § 1 V V G ) . Sie wird also erteilt, wenn zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über den Abschluß eines Versicherungsvertrages oder die Abänderung eines bestehenden Versicherungsvertrages soweit Einigung erzielt ist, daß der künftige Abschluß in Aussicht genommen werden kann, während der endgültige Abschluß, namentlich die Ausfertigung der Versicherungspapiere, vielleicht auch die Besprechung minder wesentlicher Einzelheiten mutmaßlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden ( R G 107. 198). Der Versicherungsnehmer erhält also mit der vorläufigen Deckungszusage Versicherungsschutz bis zum Abschluß oder bis zur Ablehnung des endgültigen Vertrages. Damit ist auch zum Ausdruck gebracht, daß die vorläufige Deckungszusage den Versicherer nicht hindert, den Abschluß des endgültigen Vertrages zu verweigern ( R G 107. 198, 113. 152, 140. 318, B G H 2. 88, 21. 122). Beides sind auch bei Einbezug der Prämie und der Zeit der vorläufigen Deckungszusage in den endgültigen Vertrag selbständige Verträge, so daß, wenn es nicht zum Abschluß des endgültigen Vertrages kommt, aus der Deckungszusage gehaftet wird (BGH 21. 122). Wird nicht endgültig abgeschlossen, so findet die vorläufige Deckungszusage ihr Ende erst mit dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen, was mit dem Erlöschen des Antrags nach § 146 BGB nicht
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identisch zu sein braucht ( B G H V e r s R 1955. 339 = A P V 1955. 260). A n eine Form ist I V die vorläufige Deckungszusage ebensowenig wie der endgültige Versicherungsvertrag gebunden ( B G H 2 1 . 122). Doch richtet sich die Form der vorläufigen Deckungszusage, ebenso wie ihr Beginn, ihre Dauer und ihr Inhalt nach den jeweiligen Vereinbarungen der Parteien ( B G H V e r s R 1955. 33g), soweit nicht für den Inhalt zwingende gesetzliche Bestimmungen oder Allgemeine Versicherungsbedingungen in Betracht kommen, die für das endgültige Versicherungsverhältnis gelten würden ( O L G Düsseldorf V e r s R 1 9 6 1 . 1009, O L G Karlsruhe V e r s R 1957. 797, P r ö l ß Zusatz zu § 1 V V G A n m . 3 mit weiteren Angaben). Vgl. über den Inhalt der Deckungszusage auch B G H 2 1 . 122, insbesondere wenn nach den Versicherungsbedingungen die Entschädigungspflicht durch die Einlösung der Police bedingt ist. Die vorläufige Deckungszusage wird nicht durch Bedingungen berührt, die nach ihrer Zusage in den endgültigen Versicherungsvertrag aufgenommen werden ( H a n s O L G H R Z 1 9 2 6 . 4 1 7 = Sasse Nr. 3 5 1 ) . Die Prämie für die vorläufige Deckungszusage wird entweder in die endgültige Versicherung einbezogen oder bestimmt sich nach § 3 1 5 B G B ( P r ö l ß a. a. O.). V o n der vorläufigen Deckungszusage ist der Fall zu unterscheiden, daß die Versicherung so genommen wird, daß gewisse Einzelheiten nachträglich mitgeteilt werden sollen und erst alsdann eine „definitive" Police ausgestellt werden soll. In diesem Fall besteht nur ein einziger Versicherungsvertrag ( R G 19. 2 1 7 ) . Eine vorläufige Deckungszusage ist auch nicht gegeben, wenn die Beteiligten in dem Versicherungsvertrag den Beginn des Versicherungsschutzes auf einen Zeitpunkt vor Vertragsschließung vorverlegt haben (Fall der Rückwärtsversicherung: vgl. § 5 A D S ) . 1 1 . Der Versicherungsvertrag bedarf keiner besonderen F o r m , insbesondere nicht Anm. 41 der Schriftform. Der Versicherungsnehmer kann die Aushändigung einer Police verlangen (§ 14 Abs. 1). Aber die Gültigkeit des Versicherungsvertrags hängt von der Aushändigung nicht ab. Anders aus stempelsteuerlichen Gründen das e n g l i s c h e Recht. A contract of marine insurance is inadmissible in evidence, unless is it embodied in a marine policy ( M I A § 22). Tatsächlich spielt im englischen Rechtsverkehr die Seeversicherungs-Police keine andere Rolle als bei uns. Der Makler gibt den (regelmäßig mehreren) Versicherern einen kurzen, das wesentlichste des Versicherungsantrags enthaltenden Zettel, slip. Der Versicherer zeichnet (regelmäßig mit dem Anfangsbuchstaben seiner Firma) die Summe, die er übernehmen will, oder gibt dem Makler oder dem Versicherungsnehmer eine cover-note (oder covering note oder insurance note) über seine Beteiligung. Der durch Ausstellung einer Police (vgl. A r n o u l d 44 s. 47 darüber, unter welchen Voraussetzungen ein slip oder eine cover-note in stempelrechtlichem Sinne bereits als Police anzusehen ist) gültig gewordene Vertrag gilt mit der (formlosen) Annahme des Vertragsantrags als geschlossen und reference may be made to the slip or covering note or other customary memorandum of the contract although it may be unstamped ( M I A § 2 1 ) . U n d where there is a duly stamped policy, reference may be made, as heretofore, to the slip or covering note, in any legal proceeding ( M I A § 89). — Der S l i p (oder Börsenslip) hat sich auch im hansestädtischen Versicherungsverkehr eingebürgert. Der übliche Vordruck enthält außer dem Datum die Horizontalspalten: Name des Maklers: Name des Versicherten: Versicherungssumme: Prämie: Transportmittel: Reise/Zeit:
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Gegenstand: Bedingungen: Bemerkungen:
Für Rückversicherungen ist ein besonderer Slip im Gebrauch. Vgl. auch oben Anm. 40, § 5 Anm. 43 über „provisorische" Versicherungen. Nach Art. 11 EGzBGB bestimmt sich die Form des Versicherungsvertrags nach den Gesetzen, die für das Versicherungsverhältnis maßgebend sind. Doch genügt die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem der Versicherungsvertrag geschlossen wird. Anm. 42 12. Im hansestädtischen Versicherungsverkehr werden die Seeversicherungsverträge in der Regel durch Makler vermittelt. Die Stellung des Assekuranzmaklers weicht von derjenigen anderer Handelsmakler (vgl. die gesetzliche Regelung in §§ 93 fr. HGB) nach der Verkehrssitte erheblich ab. Der Assekuranzmakler erhält vom Versicherer die (ganze) Provision (KG J R P V 1934. 280, LG Hamburg VersR 1951.261 und MDR 1961. 945; B r u c k - M ö l l e r 570 Anm. 78, LG Hamburg VersR 1951. 261 nehmen ein diesbezügliches Gewohnheitsrecht an, während andere, so J . v. G i e r k e VSR II 125, K G J R P V 1934. 281, O L G Frankfurt HansRGZ 1936 Β 199, LG Hamburg HansRGZ 1936 Β 513 noch von einem Handelsbrauch ausgehen). Die Provision wird nach der Prämie bestimmt und teilt deren rechtliches Schicksal im Guten wie im Bösen. Im Falle des Ristornos wird sie also nach der Ristornogebühr bestimmt (abw. LG Greifswald OestRev 1917. 30). Der Assekuranzmakler ist beiden Parteien gegenüber zur Sorgfalt verpflichtet (§ 98 HGB), vertritt im übrigen jedoch vorwiegend dem Versicherer gegenüber das Interesse des Versicherungsnehmers, für den er in der Regel auch Abschlußvollmacht hat. Ohne besondere Vollmacht ist der Assekuranzmakler zum Inkasso der Entschädigung nicht befugt (RG 109. 230 = J R P V 1925. 132 = J W 1925. 616). Uber die Verzögerung der Aufgabe der unter eine laufende Versicherung fallenden Güter durch den bevollmächtigten Makler vgl. LG Hamburg HansRGZ 1934 Β 483 = Sasse Nr. 718. Siehe eingehend über das Recht des Versicherungsmaklers B r u c k - M ö l l e r 551—587. Siehe ferner M ö l l e r , Recht und Wirklichkeit der Versicherungsvermittlung, °J- ("943)> P r ö l ß V V G A n h . zu §§43—48, C l a s e n J R P V 1929. 133—137, 160—165, T r i n k h a u s , Handbuch der Versicherungsvermittlung I 1955, J . von G i e r k e VSR II 123—125, W a l d s t e i n , Der Versicherungsmakler, 1928 (Heft 8 der Überseestudien), H e u n J R P V 1928. 342—345, Hey m a n n , in Ehrenbergs Hdb des gesamten Handelsrechts, 5. Bd. 1. Abt. 1. Hälfte 321—476, P f e i f f e r , Der Versicherungsmakler, Diss. Köln 1932.
V. Mitversicherung Anm. 43
1. Literatur. H ü b e n e r , Die Führungsklausel in der Mitversicherung, 1954. K i s c h , Die mehrfache Versicherung desselben Interesses, 1935, 17fF. P l a ß OestRev 1911. 59 (Rückversicherung und Mitversicherung). Prölß Anhang zu § 58 VVG. R a i s e r § 10 Anm. 9—24. S c h l e g e l b e r g e r SVR Anhang zu § 12 ADS. S m e d a l ITVMitt. 1921. 85 (Anspruch des Rück- und Mitversicherers auf Prämie usw.). W e g e r , Handwörterbuch des Versicherungswesens 2. Bd. 1958. 1448 (Art. Mitversicherung). 2. Zu große Risiken werden gewöhnlich durch Rückversicherung zerkleinert (§ 1 Anm. 126). Sie können aber auch von vorneherein zerschlagen werden. Jeder Versicherer übernimmt von dem Risiko nur so viel, wie er nach assekuranztechnischen Grundsätzen (insbesondere mit Rücksicht auf sein „Maximum" und seine Rückversicherungs-Verbindungen: § 1 Anm. 127) ohne Gefährdung seiner eigenen Sicherheit
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und derjenigen seiner Versicherten übernehmen kann (sog. M i t v e r s i c h e r u n g ) . Der V Nachteil für den Versicherungsnehmer liegt auf der Hand. Der Versicherungsnehmer muß sich zunächst so viele Versicherer suchen, wie zur vollständigen Deckung des Risikos nötig sind. Die damit verbundene Mühe nimmt ihm in den Hansestädten der Versicherungsmakler ab. Der Makler sammelt (regelmäßig mittels Börsenslips, der den wesentlichen Inhalt des ihm vom Versicherungsnehmer erteilten Versicherungsauftrags enthält: oben Anm. 41) die Offerten der Versicherer und vermittelt so den Abschluß. — Es kann aber auch so liegen, daß der Versicherer, dem das Risiko zuerst angeboten ist, mit Einverständnis des Versicherungsnehmers andere Versicherer beteiligt ( R G J R P V 25. 215 = H G Z 25 Η Nr. 82 = Sasse Nr. 10; H a n s O L G H G Z 1926 Β Nr. 57 = Sasse Nr. 349; vgl. wegen einer solchen Anschlußklausel die Zusatzbedingungen zu den A D S für die Güterversicherung Nr. 30). Weiß der Versicherungsnehmer, daß Mitversicherer beteiligt werden sollen, so ist der Versicherer zwecks Abwälzung eines Teils des Risikos nicht auf Rückversicherer beschränkt (HansOLG H G Z 1926 Β Nr. 57 = Sasse Nr. 349). Hat der Versicherer zunächst für sich allein das volle Risiko durch eine Deckurigszusage übernommen, so kann dem Versicherungsnehmer nicht entgegengehalten werden, daß, wie diesem bekannt gewesen sei, ein Teil des Risikos von noch namhaft zu machenden Mitversicherern getragen werden sollte; anders nur, wenn der Versicherer nachweist, daß die beabsichtigte Abwälzung des Risikos tatsächlich erfolgt und der Versicherungsnehmer rechtzeitig davon benachrichtigt ist ( H a n s O L G H G Z 1926 Η Nr. 57 = Sasse Nr. 349). Über die mehreren Versicherungen wird gewöhnlich nur eine Police ausgestellt, die auf der Außenseite die an der Mitversicherung beteiligten Versicherer mit ihren Beteiligungen bezeichnet. Ζ. B.: A-Gesellschaft in Hamburg B-Gesellschaft in Hamburg C-Gesellschaft in Bremen D-Gesellschaft in Berlin Ε-Gesellschaft in Mannheim
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3. Die Mitversicherung begründet weder ein besonderes Innen- noch ein be- Anm. 44 sonderes Außenverhältnis. Die Mitversicherer sind durch kein Rechtsverhältnis, insbesondere nicht durch ein Gesellschaftsverhältnis, verbunden (vgl. auch P r ö l ß , Anhang zu § 58 V V G Anm. 1, O L G Dresden J R P V 1929. 303, L G Berlin J R P V 1929. 190). Keiner von ihnen hat Vollmacht, für die anderen zu handeln, zu erklären oder Erklärungen entgegenzunehmen. So viele Versicherer beteiligt sind, so viele besondere Versicherungsverträge sind geschlossen. Daß über die mehreren selbständigen Versicherungsverträge nur eine Police ausgestellt ist, dient nur verkehrsmäßiger Bequemlichkeit. Insbesondere ist der Versicherungsnehmer jedem einzelnen Versicherer gegenüber besonders berechtigt und verpflichtet. Die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber einem Versicherer gilt nicht auch als Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den anderen. Die Ausübung seiner Rechte gegenüber einem Versicherer wirkt nicht auch gegenüber den anderen. Andererseits wirkt Erfüllung oder Ausübung durch einen Versicherer nicht auch für den anderen Versicherer. Der Versicherungsnehmer hat also insbesondere bei der Abwicklung der Versicherungsverhältnisse immer mit allen Versicherern zu tun (vgl. auch die Einzelhaftungsklausel in Nr. 29 der Zusatzbestimmungen zu den A D S für die Güterversicherung, 1947). 4. Der Versicherungsnehmer hat es also stets mit jedem einzelnen Versicherer Anm. 45 zu tun. Das bedeutet für ihn nicht nur eine Belästigung, sondern auch eine Gefahr ( R a u Z f V W 1901. 315). Dieser Gefahr begegnet auf dem Gebiete der Schadensabwendung § 41 Abs. 1 Satz 3. Die Gefahr besteht aber auch sonst noch, so insbesondere
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V im Falle der Schadensliquidation. Wenn der Versicherungsnehmer ζ. B. wegen Totalverlustes die Versicherungssumme verlangt, mag der eine Versicherer das Recht auf die Versicherungssumme anerkennen, der andere es, mit Recht, bestreiten; der Mangel an Einheitlichkeit der Schadensliquidation, bei welcher der eine Versicherer den auf ihn entfallenden Teil der Gesamtversicherungssumme zahlt und dafür die Rechte am versicherten Schiff erlangt, der andere Versicherer Ausbesserung des Schiffes verlangt, bringt den Versicherungsnehmer in eine bedenkliche Lage. Deshalb wird oft eine führende Versicherung, ein führender Versicherer bestimmt (s. dazu insbesondere auch H ü b e n er, Die Führungsklausel in der Mitversicherung, 1954, K i s c h , Mehrfache Versicherung 28). Etwa mit der Klausel: „ L a u t Übereinkommen schließen sich die unterzeichneten Versicherer im Schadensfalle sowie in allen anderen Fällen den Maßnahmen der Assecurantia, Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, in Hamburg und den mit derselben getroffenen Vereinbarungen stillschweigend an und akzeptieren solche Maßnahmen resp. Vereinbarungen auch ohne vorherige Anfrage seitens des Herrn Versicherten; demgemäß verpflichten sich die Unterzeichneten bezüglich etwaiger Schäden auch, für ihren Prorata-Anteil ebenso zu bezahlen, wie die Assecurantia bezahlt hat, gleichviel ob laut Dispache oder durch Regulierung ä I'amiable". Die Führungsklausel kann mit einer Anschlußklausel verbunden sein, wie etwa in Nr. 30 der Zusatzbestimmungen zu den A D S für die Güterversicherung, 1947. „Die von dem Anfänger der Police mit dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherten getroffenen Vereinbarungen sind für die Mitversicherer verbindlich, insbesondere gilt dies zugunsten des Versicherten für die Schadensregulierung, jedoch ist der Anfänger der Police ohne Zustimmung der Mitversicherer, von denen jeder einzeln zu entscheiden hat, n i c h t berechtigt a) zur Erhöhung des Policen-Höchstbetrages, b) zum Einschluß der Kriegsgefahr, c) zum Einschluß der Beschlagnahmegefahr, d) zur Änderung der Policen-Währung, e) zur Änderung der Kündigungsbestimmungen." Bei Nichtigkeit der Führungsklausel hängt es von den Umständen ab, ob dies zur Nichtigkeit des ganzen Versicherungsvertrags führt (§139 BGB; HansOLG H G Z 1927. 527 = Sasse Nr. 70). — Ist einführender Versicherer bestimmt, so ist zu unterscheiden: Anm. 46 a) Das Verhältnis zwischen den mehreren Versicherern und dem Versicherungsnehmer oder dritten (Außenverhältnis). Der führende Versicherer ist B e v o l l m ä c h t i g t e r der übrigen Mitversicherer. Die Vollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche die Abwicklung der Versicherungsverhältnisse gewöhnlich mit sich bringt (vgl. H G B § 54 Abs. 1). Doch hängt der Umfang der Vollmacht jeweils von der einzelnen Klausel ab. So kann die Klausel auch nur eine passive Vollmacht für den führenden Versicherer enthalten, etwa „Der führende Versicherer ist bevollmächtigt, Anzeigen und Willenserklärungen des Versicherungsnehmers für alle beteiligten Versicherer in Empfang zu nehmen (in einem solchen Falle wäre der führende Versicherer bei der Abgabe von Erklärungen der Versicherer nur Bote: P r ö l ß Anhang zu § 58 V V G Anm. 3, L G Stettin J R P V 1933. 179). Die Vollmacht gilt nicht nur gegenüber dem Versicherungsnehmer, sondern auch gegenüber dritten, ζ. B. schadensersatzpflichtigen dritten. Sie berechtigt im allgemeinen nicht zur Prozeßführung (vgl. H G B § 54 Abs. 2); wohl aber zur Vertretung im schiedsrichterlichen Verfahren des § 75 Abs. 6, das zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses gehört. Sie berechtigt regelmäßig, verkehrsgemäß, auch nicht zur Einziehung der Prämie oder zur Zahlung der Entschädigung (anders ansch. nach S m e d a l I T V M i t t 1 9 2 1 . 8 6 im Ausland). Der führende Versicherer ist berechtigt zur Prüfung aller Beanstandungen der Schadensrechnung des Versicherungsnehmers und ihrer Unterlagen. Er hat mit Wirkung für die Mitversicherer zu entscheiden, ob das versicherte Schiff seetüchtig, gehörig bemannt, beladen und ausgerüstet gewesen ist, seine Größe nicht richtig oder der Schaden zu
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hoch angegeben ist (HansOLG H R Z 1925. 50 = Sasse Nr. 334). Die übrigen Versicherer V sind grundsätzlich nicht befugt, in die Abwicklung einzugreifen, weil es der Sinn der Führungsklausel ist, daß es der Versicherungsnehmer bei der Abwicklung nicht mit einer Vielzahl, sondern nur mit einem Versicherer zu tun haben soll. Doch schließt die Führungsklausel die mit der F ü h r u n g n i c h t b e t r a u t e n V e r s i c h e r e r von der Abwicklung ihrer Versicherungsverhältnisse n i c h t v ö l l i g aus. Insbesondere kann jeder einzelne Versicherer im Versicherungsfall gemäß § 38 abandonnieren, gemäß § 41 Weisungen erteilen, gemäß § 71 Abs. 1 Versteigerung des Geretteten, gemäß § 93 Abs. 3 Versteigerung des Beschädigten, gemäß § 96 Abs. 1 den Verkauf der Güter verlangen. Vgl. auch HansOLG H G Z 1925 Nr. 56 = H R Z 1925. 516 = Sasse Nr. 337. Gegenüber dem Versicherungsnehmer ist die Vollmacht nicht widerruflich, weil sie zu seinen Gunsten erteilt ist (vgl. BGB § 168). Soweit dem führenden Versicherer im Innenverhältnis Beschränkungen auferlegt sind, sind sie dem dritten, insbesondere dem Versicherungsnehmer gegenüber nur wirksam, wenn der führende Versicherer die Vollmacht absichtlich zum Nachteil der übrigen Versicherer mißbraucht und der dritte hierbei bewußt mitwirkt. — Die Vollmacht bezieht sich aber nur auf die Abwicklung, nicht auf die Begründung der Versicherungsverhältnisse. Erst im Versicherungsvertrag und durch den Versicherungsvertrag wird die Vollmacht erteilt. Soweit daher die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder die fahrlässige Unkenntnis gewisser Umstände beeinflußt wird, kommt die Person des führenden Versicherers nur für sein eigenes Versicherungsverhältnis, nicht auch für die Versicherungsverhältnisse der übrigen Mitversicherer in Betracht (§ 5 Anm. 19, § 19 Anm.). — Das Verhältnis zwischen den Versicherern einerseits und den Versicherern und dem Versicherungsnehmer andererseits ist aber mehr als ein bloßes Vertretungsverhältnis. Nicht nur der Versicherungsnehmer hat ein Recht auf den Fortbestand des Vollmachtverhältnisses, das deshalb nicht widerrufen werden kann. Auch die ü b r i g e n V e r s i c h e r e r k ö n n e n v e r l a n g e n , daß d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r bei der Abwicklung ihrer Versicherungsverhältnisse den in den Verträgen m i t der F ü h r u n g und Abwicklung b e t r a u t e n V e r s i c h e r e r b e t e i l i g t (zustimmend K i s c h , Mehrfache Versicherung 28). Es genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer (nur) von ihnen Schadensabwendungs-Weisungen einholt, nur ihnen den Schaden andient usw. Sie dürfen erwarten, daß (auch) ihr Führer, dem sie vertrauen und dem die Verhältnisse vertrauter sind als ihnen, beteiligt, daß die Versicherung nicht führerlos wird. Uber den führenden Versicherer und den Schiffshypothekar vgl. § 35 S c h R G : Ist danach das Schiff bei mehreren Versicherern gleichzeitig versichert, so genügt die Anmeldung der Hypothek nach § 34 SchRG bei dem Versicherer, den der Schiffseigentümer dem Hypothekengläubiger als den führenden bezeichnet hat. Dieser ist verpflichtet, die Anmeldung den Mitversicherern mitzuteilen. b) Das Verhältnis zwischen dem führenden Versicherer (ein solcher kann nur ein Anm. 47 Versicherer, nicht ein Versicherungsvertreter oder Makler sein, L G Bremen HansRGZ 1938 B379) und den übrigen Mitversicherern (Innenverhältnis). Es ähnelt in manchen Beziehungen dem besonderen Verhältnis zwischen Rückversicherer und abwicklungsberechtigtem Vorversicherer ( H o u g e n ITVMitt 1921. i n ; vgl. § 1 Anm. 154). Es ist, wie dieses, gewöhnlich kein Gesellschaftsverhältnis. Der führende Versicherer erhält gewöhnlich für die Abwicklung keine Vergütung. Das Innenverhältnis ist dann gewöhnlich ein (ausdrücklich oder stillschweigend vereinbartes) A u f t r a g s v e r h ä l t n i s eigentümlicher Art. Der führende Versicherer darf und muß (ähnlich dem abwicklungsberechtigten Vorversicherer und nach der Verkehrsanschauung) die Versicherungsverhältnisse so abwickeln, wie ein verständiger, billig denkender Versicherer, wenn er selbst zu handeln hätte, verfahren würde (vgl. § 1 Anm. 154). Dem führenden Versicherer
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V wird also großes Vertrauen entgegengebracht. Das Vertrauen ist nur gerechtfertigt, wenn der führende Versicherer den von ihm übernommenen T e i l d e s R i s i k o s b e h ä l t . Im anderen Falle verliert der führende Versicherer (zwar nicht seine Vollmacht, wohl aber) gegenüber den übrigen Versicherern das Recht zur Führung, und das Verhältnis wird hinfort als eine auftraglose, mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch stehende Geschäftsführung anzusehen sein (vgl. insbesondere BGB §§ 677, 678). — Der führende Versicherer muß im Zweifel die mit der Führung verbundenen Geschäfte in P e r s o n besorgen (BGB § 664). Er kann sich aber, der Verkehrsauffassung nach, durch seine Handlungsangestellten unterstützen lassen. Für deren Verschulden haftet er den übrigen Versicherern nach § 278 BGB. — A n W e i s u n g e n der übrigen Versicherer (vgl. BGB § 665) ist er nicht gebunden. Doch muß er den übrigen Versicherern die erforderlichen N a c h r i c h t e n geben, auf Verlangen über den Stand der mit der Führung verbundenen Geschäfte A u s k u n f t erteilen und nach der Abwicklung R e c h e n s c h a f t ablegen (BGB § 666). Dem Versicherungsnehmer werden die übrigen Versicherer Weisungen zur Schadensabwendung oder -minderung nur dann erteilen dürfen, wenn Gefahr im Verzug ist. — Der führende Versicherer muß h e r a u s g e b e n , was er zur Abwicklung erhält und was er aus der Abwicklung erlangt, und unerlaubt verwendete Gelder v e r z i n s e n (BGB §§ 667, 668). — Für die erforderlichen Aufwendungen kann er V o r s c h u ß verlangen und für Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, E r s a t z (BGB §§ 669, 670). — Die übrigen Mitversicherer können den ihm erteilten Auftrag jederzeit w i d e r r u f e n (BGB § 671). Doch erlischt damit nicht auch die ihm erteilte Vollmacht gegenüber dem Versicherungsnehmer (vgl. BGB § 168 Satz 1); die Vollmacht kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nicht widerrufen werden (vgl. BGB § 168 Satz 2, auch HansO L G H a n s R G Z 1928 Β 3 = Sasse Nr. 376). — Der führende Versicherer kann das Auftragsverhältnis nicht ohne weiteres k ü n d i g e n , sondern nur, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (vgl. BGB §§ 157, 671). Uber Erlöschen des Auftrags durch T o d usw.: BGB §§ 672·—674. — Die übrigen Versicherer können vom führenden Versicherer V o r l e g u n g d e r U r k u n d e n verlangen, die sich auf die Abwicklung beziehen (BGB § 810), dagegen regelmäßig nicht Vorlegung der Handelsbücher des führenden Versicherers (BGB § 810; allgemeine Pflicht zur Vorlegung der Handelsbücher vor Gericht: H G B § 45 Abs. 1). Anm. 48
5. Natürlich k ö n n e n die Mitversicherer auch eine Gesellschaft bilden. Vgl. ζ. B. den Fall H G Z 1888. 46: die Kaskoversicherer und außerdem die Frachtversicherer hatten (übrigens erst nach Eintritt des Versicherungsfalls) eine Gesellschaft zur Hebung des gesunkenen Schiffes gebildet und hafteten einander im Zweifel (nicht gemäß § 706 BGB nach Kopfteilen, sondern der Verkehrsanschauung gemäß) im Verhältnis ihrer Anteile an der Versicherungssumme für die Hebungskosten. Anm. 49 6. Auch k a n n ein Innenverhältnis, ein Verhältnis der zur führenden Versicherung verbundenen Mitversicherer, ganz fehlen. So, wenn zunächst ein Teil des Kaskos bei Lloyd's versichert und demnächst der Rest in Hamburg versichert und in die Hamburger Police die Klausel aufgenommen wird: „Diese Versicherung valediert zu denselben Bedingungen, zu denen ein Teil des Kaskos bei Lloyd's in London gedeckt ist, und verpflichten sich demgemäß die Versicherer, etwaige Havarien in gleicher Weise zu regulieren, wie Lloyd's in London den dort gedeckten Teil des Kaskos reguliert haben" ( H G Z 1904. 50, 1905. 132). — U n d schließlich kommt die Führungs- und Anschlußklausel sogar in Versicherungsverträgen vor, die ein anderes Interesse decken, als dasjenige, das durch die führende Versicherung gedeckt wird. Der Gewinn- oder Mehrwertversicherer schließt sich ζ. B. an die Abwicklung des Güterversicherers an ( R G 77. 306, H G Z 1902. 160, 1910. 281) oder der Frachtversicherer oder der „Interessen-
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Versicherer" an die Abwicklung durch den Kaskoversicherer (HGZ 1905. 160, 1 9 1 1 . 233, V I R G H G Z 1912. 213). — Ein bedenkliches Verfahren (so auch K i s c h , Mehrfache Versicherung 16). Denn in solchen Fällen, in denen es an einem Verhältnis der Versicherer untereinander fehlt oder gar die Interessen und demgemäß die Voraussetzungen der Entschädigung verschieden sind, hat der sich anschließende Versicherer keine Gewähr, daß er nur in Fällen zu entschädigen hat, in denen auch ein verständiger, billig denkender Versicherer entschädigen würde (vgl. H G Z 1 9 1 1 . 234: Die Klausel sei „ungebräuchlich", „sinnlos in die Police hineingeschrieben", „ohne Überlegung gezeichnet"; abw. H G Z 1904. 52). Der maßgebende Versicherer ist in solchen Fällen kein dritter, „dem die Bestimmung der Leistung überlassen ist", der diese Bestimmung „nach billigem Ermessen zu treffen" hat (BGB §317), dessen Bestimmung wegen Irrtums angefochten werden kann (BGB §318) und dessen „Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich ist, wenn sie offenbar unbillig ist" (BGB § 319; R G H G Z 1905. 132, 1912. 213). Das Verhalten des maßgebenden Versicherers entscheidet schlechthin über das Schicksal der angeschlossenen Versicherungen. Anders nur, wenn es auf vorsätzliche Schädigung des angeschlossenen Versicherers oder des Versicherungsnehmers gerichtet ist, wenn insbesondere der maßgebende Versicherer mit dem einen oder dem anderen kolludieren würde (dahingestellt R G H G Z 1905. 132; ungenau S i e v e k i n g 194, der die gewöhnliche und die ungewöhnliche Anschlußversicherung auf eine Stufe stellt; wie hier K i s c h , Mehrfache Versicherung 22). 7. Die Mitversicherung kann auch anders gestaltet sein. Valoren werden ζ. B. Anm. 50 zwar bei einem Versicherer versichert, aber „unter solidarischer Mithaftung" der im Valoren-Versicherungs-Verbände zusammengeschlossenen mehreren Versicherer (§ 80 Anm.). In diesem Fall handelt es sich um nur eine Vollversicherung mit mehreren Gesamtschuldnern (BGB §§ 421 ff.). Der Abschlußversicherer ist der natürliche Führer, an den sich deshalb auch ζ. B. der Versicherungsnehmer bei Einholung von Weisungen oder bei Rechtsgestaltungs-Erklärungen zu wenden hat. Die Versicherer sind untereinander durch den „Verband", eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, verbunden.
VI. Gemeinschalts-Versicherung 1. Literatur. D ü r i n g , Rechtliche Beziehungen der Sachversicherung zum Anm. 51 ehelichen Güterrecht Diss. 1913. D u r s t H R Z 1919. 32g (Versicherung des Gesellschaftsvermögens trotz Widerspruch eines Gesellschafters). J o s e f WuRVers. 1912. 177 (Einwirkung des ehelichen Güterrechts auf die Feuerversicherung). M ö l l e r HansRGZ 1938 A 229—234 (Herbeiführung des Versicherungsfalles und Obliegenheitsverletzungen bei der Versicherung mehrerer Personen). B r u c k - M ö l l e r Anm. 63—67 zu § 6 V V G . P r ö l ß V V G Anm. 6 zu § 6. 2. An einem Interesse können mehrere gleichartig beteiligt sein. Bringt in solchem Anm. 52 Falle der Beteiligte nur sein eigenes Teilinteresse unter Versicherung, ζ. B. ein Mitreeder nur seine Schiffspart, so entstehen keine Schwierigkeiten. Die aus dem Vertrag sich ergebenden Verbindlichkeiten (insbesondere die Anzeigepflichten, die Gefahrstandspflicht, die Schadensverhütungs-Pflicht, die Schadensabwendungs-Pflicht) treffen nur den Beteiligten. Anders, wenn das Gesamtinteresse unter Versicherung gebracht wird, der Korrespondentreeder ζ. B. kraft besonders erteilter Vollmacht (HGB § 493) für das Schiff Versicherung nimmt. In solchen Fällen ist zu unterscheiden: a) Die mehreren Versicherungsnehmer können durch ein Gesamthandverhältnis Anm. 53 verbunden sein. Dies Verhältnis kann von verschiedener Art sein (ζ. B. allgemeine Gütergemeinschaft, fortgesetzte Gütergemeinschaft, Miterbenverhältnis, Gesellschaft,
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Gemeinschafts-Versicherung
VI offene Handelsgesellschaft mit einem von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter, Kommanditgesellschaft). Die Versicherung kann dann von einem an dem Verhältnis Beteiligten im eigenen Namen und im Namen der übrigen Beteiligten genommen werden. Sie kann von ihm auch im eigenen Namen und für eigene Rechnung sowie für Rechnung der übrigen Beteiligten genommen werden. Und sie kann von ihm unter Umständen auch im eigenen Namen und für eigene Rechnung genommen werden; dann nämlich, wenn nach den für die Verwaltung des Gesamtvermögens geltenden Grundsätzen der Abschluß im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar für das Gesamthandvermögen wirkt ( K i s c h 3. 86). In allen diesen Fällen treten die Rechtsfolgen gegen alle Beteiligten ein, wenn nur einer von ihnen eine Verpflichtung zum Handeln oder Unterlassen nicht erfüllt ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 65 zu § 6 VVG, P r ö l ß VVG Anm. 6 zu § 6, S c h l e g e l b e r g e r SVR I3f., OLG Hamburg LZ 1912. 870, O L G Breslau J R P V 1931. 270, O L G Jena LZ 1914. 790, O L G Stuttgart J R P V 1932. 79). Anm. 54
b) Die mehreren Versicherungsnehmer können durch ein Bruchteilsgemeinschafts-Verhältnis (ζ. B. in einer Reederei; s. zu der umstrittenen Frage, ob die Reederei eine Bruchteilsgemeinschaft ist, S c h a p s - A b r a h a m II Anm. 4 zu § 489 HGB) verbunden sein. Dann kann jeder im eigenen Namen und für eigene Rechnung nur sein Teilinteresse versichern. Es kann aber natürlich auch von allen Beteiligten zusammen oder von einem Beteiligten teils im eigenen Namen teils im fremden Namen oder teils im eigenen Namen teils für fremde Rechnung Versicherung für das Ganze genommen werden. J e nachdem in der einen oder in der anderen Weise Versicherung genommen ist, sind die Rechtsfolgen natürlich verschieden. Für die aus dem gemeinschaftlich geschlossenen Vertrag (wenn also die Versicherung von allen Beteiligten z u s a m m e n oder von einem Beteiligten i m e i g e n e n u n d i m N a m e n d e r ü b r i g e n Beteiligten genommen ist) entspringenden Verbindlichkeiten haften die Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner. Wenigstens, soweit es sich um Verbindlichkeiten handelt, die auf eine teilbare oder unteilbare Leistung gerichtet sind (BGB §§ 427, 431). Bei den auf Unterlassung (Unterlassung von Gefahränderungen oder der Herbeiführung des Versicherungsfalls) gerichteten Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers handelt es sich nicht um Verbindlichkeiten, die auf eine teilbare oder unteilbare Leistung gerichtet sind. In solchen Fällen wird die Leistung von jedem Verpflichteten ganz geschuldet, so daß vielmehr eine Vervielfältigung der Verbindlichkeit eintritt. Aber der Fall ist dem auf eine unteilbare Leistung gerichteten Gesamtschuldverhältnis verwandt und würde daher an sich in dem hier fraglichen Punkte grundsätzlich ebenso zu beurteilen sein, wie wenn es sich um ein wirkliches Gesamtschuldverhältnis handelte. Nach den für das Gesamtschuldverhältnis geltenden Grundsätzen würde die Erfüllung der auf eine Unterlassung gerichteten Verbindlichkeit durch einen der mehreren Versicherungsnehmer auch für die übrigen wirken (BGB § 422). Davon kann nun schon der Natur der Sache nach nicht die Rede sein, da ja eben eine Vervielfältigung der Verbindlichkeit beabsichtigt ist. Andererseits würde die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Unterlassungspflicht nach § 425 Abs. 1 BGB nur für und gegen denjenigen Versicherungsnehmer wirken, der sich der Vertragsverletzung schuldig macht. Dieser Grundsatz ist auch für das Versicherungsrecht verwendbar. „Aus dem Schuldverhältnis ergibt sich" nicht „ein anderes" (BGB § 425 Abs. 1). Es besteht kein Grund, das Verhältnis anders zu betrachten und zu behandeln, als wenn jeder einzelne Versicherungsnehmer sein Teilinteresse besonders unter Versicherung gebracht hätte (vgl. R O H G 4. 84, H G Z 1897. 67, H G Hamburg H G Z 1870. 341; ebenso O b G H Wien AssJB 30. 130; anders die h. M., die das Verhalten eines der Beteiligten auch den übrigen zurechnet, so insbesondere B r u c k - M ö l l e r Anm. 66 zu § 6 VVG, P r ö l ß V V G Anm. 6 zu § 6, S c h l e g e l b e r g e r
Erfüllungsort
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S V R 14; O L G Marienwerder A P V 1928. 11, K G J R P V 1937. 43). Tritt nur ein VII Beteiligter als Versicherungsnehmer auf, so müssen die übrigen Versicherten dessen Verhalten gegen sich gelten lassen ( B r u c k - M ö l l e r a. a. O.). Dagegen wirkt das Verhalten eines Bruchteilsbeteiligten, der nicht Versicherungsnehmer, sondern nur Versicherter ist, nur gegen ihn selbst ( R G 157. 314, B r u c k - M ö l l e r , P r ö l ß , S c h l e g e l b e r g e r a. a. O., K i s c h Z f V W 1939. 6f.).
VII. Erfüllungsort bei der Seeversicherung 1. Der Schuldner muß an seinem Wohnsitz (BGB §§ 7, 24) leisten; ist die Verbindlichkeit in seinem Gewerbebetriebe entstanden, am Orte seiner Niederlassung (BGB § 269 Abs. 1). Maßgebend sind Wohnsitz und Niederlassung zur Zeit des Vertragsschlusses (BGB § 269 Abs. 1; anders V V G § 36); bei mehreren Niederlassungen diejenige, in deren Betrieb der Vertrag geschlossen ist. — Die Niederlassung kann Haupt- oder Zweigniederlassung sein. Agenturen oder „Generalagenturen" des Versicherers sind an und für sich nicht Niederlassungen des Versicherers, sondern Niederlassungen des Agenten. Tatsächlich aber kann die „ A g e n t u r " usw. bloße Zweigniederlassung des Versicherers sein. — Nebenverbindlichkeiten oder Verbindlichkeiten, die an die Stelle der Hauptverbindlichkeit getreten sind (insbesondere Schadensersatzpflichten wegen Nichterfüllung), sind dort zu erfüllen, wo die Hauptverbindlichkeit zu erfüllen ist oder war. — Alles dies gilt auch bei zweiseitigen Schuldverhältnissen, und selbst bei solchen, die Zug um Zug abzuwickeln sind. 2. Diese Grundsätze gelten aber natürlich nur, wenn nicht im Vertrag etwas anderes „bestimmt" oder „aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses" etwas anderes sich ergibt (BGB § 269 Abs. 1; vgl. auch BGB §§ 133, 157, 242). Aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergibt sich ζ. B., daß die Gefahrstandspflicht (§ 23), die Schadenverhütungs-Pflicht (§ 33), die Schadenabwendungs-Pflicht ( § 4 1 ; — soweit sie nicht bloße Unterlassungspflichten sind) regelmäßig dort zu erfüllen sind, wo die Sache, auf welche die Versicherung sich bezieht, sich befindet. 3. Der Erfüllungsort ist auch von Bedeutung für die Frage, welche Rechtsordnung (räumlich) gilt (vgl. jedoch § 126), für die Berücksichtigung von Handelsgebräuchen (doch werden regelmäßig nur Handelsgebräuche in Betracht kommen können, die am Orte der Hauptleistung gelten) und für den Gerichtsstand ( Z P O § 29; vgl. jedoch § 127). 4. V o m Erfüllungsort zu unterscheiden ist der Bestimmungsort, d. h. der Ort, nach dem der Schuldner gemäß dem Gesetz oder gemäß dem Vertrag (insbesondere nach den Umständen, nach der Natur des Schuldverhältnisses) seine Leistung auf den Weg zu bringen hat. — Nach § 270 Abs. 1 BGB muß der Schuldner G e l d auf eigene Kosten und Gefahr übersenden. Der Versicherungsnehmer muß also Prämie und Nebenkosten dem Versicherer übersenden. So auch dann, wenn der Versicherer die Prämie beim Versicherungsnehmer abholen zu lassen pflegt (aber er braucht sie dann erst zu übersenden, wenn der Versicherer es verlangt; vgl. R O H G 9. 370, R G 22. 53, Bolze 5 Nr. 709, O L G Colmar A P V 1903. 138, auch V V G § 37). Der Versicherer muß die Entschädigungssumme übersenden. Anders, wenn eine Police ausgestellt ist und der Versicherer, wie nach § 14 Abs. 2, „nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen" braucht. In Präsentationsurkunden verbriefte Schulden gelten im Verkehr als Holschulden. Was von Geldschulden gilt, muß aber nach der Natur des Schuldverhältnisses auch von gewissen anderen Schulden gelten. Aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt 3
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
Anm. 55
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Anm. 57
Anm. 58
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VIII sich von selbst, daß der Versicherungsnehmer Gefahränderungs-, Doppelversicherungs-, Unfallanzeigen oder A u s k ü n f t e usw. (§§ 12, 26,40,43 usw.) dem Versicherer auf eigene Kosten und Gefahr zu übermitteln hat. Der Erfüllungsort bleibt unberührt (vgl. BGB § 270 Abs. 4). Die Anzeige- oder Auskunftpflicht ist nicht ohne weiteres deshalb schuldhaft verletzt, weil die mit der Übermittlung betraute Person die Anzeigen oder Auskünfte zu spät oder gar nicht übermittelt. Treffen sie nicht ein, so muß der Versicherungsnehmer nur noch einmal erfüllen. Vgl. auch unten Anm. 62.
VIII. Verantwortlichkeit des Versicherers für dritte 1. Literatur. A h r e n s , Zum Wesen der Obliegenheiten im Versicherungsrecht, Diss. Münster 1940. A u e r , Die Haftung für Hilfspersonen mit besonderer Berücksichtigung des Versicherungsrechts, Bern 1933. B r o d m a n n , JehJ 58. 187. B r u c k - M ö l l e r Anm. 54—109 zu § 6 VVG. Crusius OestRev 1917. 161. v. Döhren, Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer in der Seeversicherung, Diss. 1913. E n g e VersR 1965. 308 (Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung). F u l d AssJB 30. 12. J . v. G i e r k e LZ 1909. 721, VersR II 153—155. Gottschalk ZfVW 1917. 191. H a g e n S V R 104fr. Heine LZ 1912. 305. H e r c h e r , Die Anwendung des § 278 BGB auf das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer nach dem VVG, Diss. 1912. J o s e f ZfVW 1911. 201, LZ 1907.483, Gruchot 52. 268, J e h J 55. 260, NeumannZ 1914. 393 und 407, MittöffFVA 1913. 634 und 1920. 68. K l e i n s c h m i d t , Anwendbarkeit des § 278 BGB im Versicherungsrecht, Diss. 1914. K o e n i g , Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. i960. 105—118. M ö l l e r , Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, 1939. Prölß Anm. 7 und 8 zu § 6 V V G . R i t t e r ZfVW 1914. 44, LZ 1914. 354, ArchBürgR 35. a n . S c h l e g e l b e r g e r SVR 4ff. R e i m e r S c h m i d t , Die Obliegenheiten, Studien auf dem Gebiete des Rechtszwanges im Zivilrecht unter besonderer Berücksichtigung des Privatversicherungsrechts, 1953. S c h m i t t , Die Rechtsnatur der Obliegenheiten im Privatversicherungsrecht, Diss. Jena 1939. S c h n e i d e r ZfVW 1909. 796, 1914.289, 1917.459, LZ 1907.259, 1909. 902, 1910. 97, 198, 732, JehJ 53. 1, ArchBürgR 40. 167. S o m m e r , Haftung des Versicherungsnehmers für fremdes Verschulden, Diss. 1913. U l r i c h Z f V W 1901.287. V a t k e , Das Verschulden im VVG, Diss. 1913. Voigt, Haftung des Versicherungsnehmers für seine Hilfspersonen, Diss. 1914. Werneburg AssJB 39/40. 44. Anm. 60 2. Die Lösung der Frage versuchte bereits unvollkommen § 41 BSVB: „Der Versicherte muß für das Thun und Unterlassen derjenigen haften, in deren Auftrage er handelt, sowie derjenigen Personen und deren Beauftragten, deren Handlungen er zu vertreten hat". Und weiter: „Als Versicherter gilt nicht bloss der Versicherungsnehmer, das heißt derjenige, welcher das Versicherungsgeschäft hier abschließt, sondern auch der ursprünglich Beteiligte, sowie jede Mittelsperson, durch welche der Auftrag zur Versicherung direct oder indirect hierher gelangt. Alle diese Personen sind collectiv verpflichtet, weshalb in Fällen, wo die Handlungen oder Unterlassungen, oder die Wissenschaft einer derselben, in Frage kommt, diese auf Verlangen des Versicherers zur eidlichen Bestärkung ihrer Angaben oder zur eidlichen Entkräftung der ihr gemachten Vorwürfe verbunden ist". Anm. 61 3. I. Zur Tragweite des § 278 B G B im allgemeinen. a) Haftung des Schuldners für gesetzliche Vertreter. Man haftet nicht schlechthin für jedes Verschulden seines gesetzlichen Vertreters. Begeht der Vormund, sei es auch bei der Verwaltung des Mündelvermögens, einem dritten gegenüber eine Anm. 59
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unerlaubte Handlung, so treffen die Rechtsfolgen ihn, nicht das Mündel. Wenn er VIII ζ. B. ein dem Mündel gehörendes versichertes Schiff in betrügerischer Absicht stranden macht (vgl. StGB § 265), die Versicherungssumme einzieht und damit entweicht, so kann der Versicherer nicht gemäß § 823 BGB vom Versicherungsnehmer, dem Mündel, Schadensersatz verlangen. — Nur der S c h u l d n e r als s o l c h e r muß das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters wie eigenes vertreten. Der Vertretene braucht nur dasjenige Verschulden seines gesetzlichen Vertreters zu vertreten, das sich an der Erfüllung einer S c h u l d betätigt ( R G 121.118, B G H Z 1. 248). Wenn der Vater für seinen minderjährigen Sohn ein Handelsgeschäft führt und für das Geschäft einen Laden mietet, muß der Sohn das Verschulden, das sein Vater bei Erfüllung der Obhutspflicht betätigt, wie eigenes Verschulden vertreten, also so, wie er eigenes Verschulden zu vertreten haben würde, wenn er für sein T u n und Lassen unbeschränkt verantwortlich wäre. Bei gesetzlicher Gesamtvertretung muß der Schuldner auch das Verschulden jedes einzelnen Gesamtvertreters wie eigenes vertreten (vgl. R G 110. 45, 134. 375; P a l a n d t D a n c k e l m a n n , Bern. 2 zu § 278 BGB). — Der Schuldner hat aber nicht nur das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters, sondern a u c h s e i n e i g e n e s zu vertreten (BGB §§ 276 Abs. 1 Satz 3, 827, 828), und zwar auch insoweit, als er aus anderen Gründen als aus dem der „Zufügung eines Schadens" (BGB §§ 827, 828) Schuldner ist. Unbeschränkt, wenn er unbeschränkt verantwortlich (deliktsfähig) ist. Im übrigen in den Grenzen, die für seine Verantwortlichkeit durch die §§ 827, 828 BGB bestimmt sind. — G e s e t z l i c h e V e r t r e t e r im Sinne des §278 BGB sind auch Konkursverwalter, Zwangsverwalter, Nachlaßverwalter, Testamentsvollstrecker, nicht dagegen Mitglieder des Vorstands juristischer Personen, denn diese sind Organe, ihr Verschulden ist also ein eigenes der juristischen Person, kein Fall des in § 278 BGB behandelten Fremdverschuldens. Der Gemeinschuldner insbesondere muß nicht nur das Verschulden des Konkursverwalters vertreten, sondern auch eigenes Verschulden. Aber sein eigenes Verschulden berührt nicht die Konkursmasse, weil der Gemeinschuldner über sie nicht verfügen, sie also auch durch eigenes Verschulden nicht mehr beeinflussen kann ( K O §§ 6, 7; anders natürlich, wenn der Konkursverwalter sich des Gemeinschuldners zur Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsverhältnis bedient; ähnlich, wenngleich mit schiefer Begründung, O L G Colmar Z f V W 1906. 173). Entsprechendes gilt in anderen Fällen, ζ. B. für das eigene Verschulden von Erben eines vom Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlasses. Der Ausgleich muß hier in einer entsprechenden Schadensersatzpflicht des Schuldigen gesucht werden. — Die Haftung der juristischen Personen (und was ihnen gleichsteht) für ihre gesetzlichen Vertreter geht über die Grenzen des § 278 BGB noch hinaus (BGB § 31). b) Haftung des Schuldners für Personen, deren er sich zur Erfüllung Anm. 62 seiner Verbindlichkeiten bedient. — Nur der S c h u l d n e r als s o l c h e r hat das Verschulden solcher „Erfüllungsgehilfen" zu vertreten. Er hat nur dasjenige Verschulden des Gehilfen zu vertreten, das sich an der Erfüllung der S c h u l d , der „Verbindlichkeit" betätigt, wobei indessen zu beachten ist, daß dazu auch die zahlreichen aus § 242 BGB sich ergebenden Nebenpflichten auf Obhut gehören, insbesondere auch auf Unterlassung von Schädigungen. Zur Erfüllung der Schuld, der „ V e r b i n d l i c h k e i t " muß der Schuldner der anderen sich bedienen, wenn er für ihr Verschulden einstehen soll. Welchen Ursprungs und welcher Art die Verbindlichkeit ist, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Das Gesetz wechselt freilich im Ausdruck. Es spricht von „Verpflichtungen" und von „Verbindlichkeiten" (das V V G auch von „Obliegenheiten"). Aber man hat keine Ursache, dahinter etwas zu suchen. N u ß b a u m 52 will zwischen „echten" und „unechten" Verbindlichkeiten unterscheiden, d. h. zwischen Verbindlichkeiten, die zu einer bestimmten Leistung verpflichten, und Verbindlichkeiten, die jemanden bei Aus3»
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VIII Übung von Befugnissen zur Sorgfalt verpflichten; nur auf jene soll § 278 BGB, auf diese dagegen § 831 BGB anzuwenden sein. Aber die Unterscheidung ist willkürlich, widerspricht der Interessenlage und hat keinen Anklang gefunden (über ihre Neubelebung als Unterscheidung zwischen Verbindlichkeiten und Obliegenheiten: unten Anm. 63). Freilich ist damit noch nicht der Begriff der Verpflichtung oder Verbindlichkeit erklärt. Dem Begriff und Ausdruck „Verbindlichkeit" entsprechenden Begriff und Ausdruck „ A n s p r u c h " (wenigstens schuldrechtlicher Anspruch, Forderung). Ohne Anspruch keine Verbindlichkeit, ohne Verbindlichkeit kein Anspruch (freilich bestr.; vgl. ζ. B. L a n g h e i n e k e n , Anspruch und Einrede 1903, 183). Anspruch ist rechtlich gesichertes Verlangenkönnen, Verbindlichkeit rechtlich gebotenes Leistenmüssen. O b ein Anspruch, eine Verbindlichkeit in diesem Sinne besteht, ist nach dem Willen des Gesetzes und derjenigen zu beurteilen, die das Rechtsverhältnis ins Leben gerufen haben, um dessen Wirkungen es sich handelt, hängt also von den Umständen des einzelnen Falles ab. Dabei sind es z w e i F e h l s c h l ü s s e , die, oft gezogen, besonders zu vermeiden sind. Der eine ist der, daß die rechtliche Sicherung des Verlangenkönnens, die rechtliche Gebundenheit des Leistenmüssens sich notwendig im Rechte auf staatlichen Rechtsschutz, und zwar gerade in der Z u l ä s s i g k e i t d e r L e i s t u n g s k l a g e ausdrücke. Der Fehlschluß beruht auf der Erfahrung, daß in der Regel mit den Ansprüchen das Klagerecht verbunden ist. Unbewiesen und unbeweisbar ist dagegen, daß Anspruch und Klagerecht miteinander verbunden sein m ü s s e n (vgl. für das Versicherungsrecht ζ. B. F u l d AssJB 30. 12, G o t t s c h a l k Z f V W 1917. 202). Man kann daher allerdings auch heute noch von klaglosen („natürlichen", „unvollkommenen") Ansprüchen und Verbindlichkeiten reden. Das ist besonders deutlich an den Verhältnissen zu erkennen, bei denen zwischen Schuld und Haftung zu unterscheiden ist. Die Schiffsgläubigerforderung mit reiner Sachhaftung ist deshalb nicht weniger eine Forderung, weil dem Gläubiger die Leistungsklage fehlt. Die Leistungsklage erscheint „leicht als ein Ausfluß der Schuld, während sie ein solcher der Haftung ist" ( P a p p e n h e i m 1. 307), während sie mithin nur dann zulässig ist, wenn der Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners als solches zugreifen kann. Die Zulässigkeit der Leistungsklage ist für den Begriff des Anspruchs oder der Verbindlichkeit also nicht wesentlich. — Der zweite, ebenso oft gemachte Fehlschluß ist der, daß Ansprüche und Verbindlichkeiten nur diejenigen sind, die im Falle der Nichtleistung in S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e o d e r - V e r b i n d l i c h k e i t e n ü b e r g e h e n können. Daß diese Ansprüche und Verbindlichkeiten die überwiegende Mehrheit bilden, ist die Erklärung, aber keine Entschuldigung des Irrtums. Die rechtliche Sicherung des Anspruchs kann auch auf andere Weise herbeigeführt werden, insbesondere derart, daß als Folge der Nichterfüllung ein Rechtsverlust bestimmt wird. Der Absender von Bahngut hat die „Vertragspflicht, die Verladung unter Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt so auszuführen, daß dabei einer . . . Entzündung des leicht Feuer fangenden Frachtguts soweit möglich vorgebeugt wird", und verliert (nur) sein Recht auf Schadensersatz, wenn er diese „Vertragspflicht" verletzt ( R G 66. 405). Verletzt sein Spediteur diese Verbindlichkeit, so muß er das Verhalten des Spediteurs nach § 278 BGB wie eigenes vertreten ( R G 66. 405). Der Käufer hat nach § 377 H G B die Rügepflicht, die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern die Ware zu untersuchen und ihre Mängel anzuzeigen. Verletzt er die Pflicht, so verliert er (nur) die Mängelrechte des Käufers. Verletzt sie sein Angestellter, dem er die Erfüllung der Rügepflicht aufgetragen hat, so muß er dessen Verhalten gegen sich gelten lassen ( Z H R 26.571). Endlich ist auch der Bankier, der gleichzeitig dem Kunden raten und kaufen oder verkaufen soll, verpflichtet, den Kunden sorgfältig zu beraten. Zwar besteht diese Verbindlichkeit nur unter der Voraussetzung des erwarteten Vertragsschlusses. Aber sie ist darum nicht weniger eine aus dem Kauf- und Kommissionsvertrag
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entsprungene und deshalb bei der Schließung des Vertrags zu erfüllende Verbindlichkeit, VIII und der Bankier muß das Verschulden derjenigen, deren er sich bei der Raterteilung bedient, wie eigenes vertreten (vgl. auch R G 66. 405). Freilich ist in solchem Falle der Bankier auch schadensersatzpflichtig. Aber das ist nicht das wesentliche. Die Verbindlichkeit zu sorgfältiger Raterteilung wäre natürlich nicht weniger eine Verbindlichkeit, wenn ihre Verletzung etwa zur Rechtsfolge hätte, daß der Bankier aus dem auf Grund des Rates zustandegekommenen Vertrag keine Rechte herleiten dürfte. — Als Anzeichen (wenn auch nicht mehr) dafür, daß ein Anspruch, eine Verbindlichkeit besteht, kann folgendes dienen. Nach § 276 BGB ist es der S c h u l d n e r , der Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Darf jemand auf Grund eines schuldrechtlichen Verhältnisses nicht vorsätzlich oder fahrlässig etwas tun oder unterlassen, muß er insbesondere auf Grund eines solchen Verhältnisses die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anwenden, so wird er regelmäßig auch als „Schuldner" angesprochen werden dürfen, eine Schuld, eine Verbindlichkeit (und nicht eine Anspruchsvoraussetzung, eine Bedingung oder dergl.) anzunehmen sein. Im einzelnen Falle kann natürlich zweifelhaft sein, ob die Person, die ein Verschulden trifft, eine P e r s o n ist, d e r e n d e r S c h u l d n e r „ s i c h z u r E r f ü l l u n g s e i n e r V e r b i n d l i c h k e i t b e d i e n t " hat. So insbesondere bei der Miete (und, wie noch zu zeigen ist, bei der Versicherung). Hier ist die Beschädigung der Mietsache von besonderer Bedeutung (vgl. insbesondere B r o d m a n n JehJ 58. 240; B r u c k ArchBürgR 27. 110). Der Mieter einer Wohnung bedient sich regelmäßig seiner Angehörigen und seiner Gäste nicht zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit, die Wohnung vor Schaden zu bewahren (seiner Ehefrau nur, soweit sie den Haushalt leitet). Auch seiner Dienstboten bedient er sich regelmäßig nicht (deshalb ζ. B. unrichtig L G Hamburg Z f V W 1914. 277). Er bedient sich ihrer vielmehr und läßt sich von ihnen bedienen zur Befriedigung gewisser Lebensbedürfnisse. Natürlich können die Verhältnisse auch anders liegen (siehe dazu im einzelnen die bei S o e r g e l - S i e b e r t Anm. 19 zu § 278 BGB gemachten Angaben). Es kann sein, daß der Mieter die ihm obliegende Obhut der Wohnung nicht ausüben kann oder will und sie deshalb einem anderen überläßt. Das wird selten vorkommen. Denn wenn ich die Obhut nicht ausüben kann oder will, werde ich die Wohnung unbenutzt lassen und sie so regelmäßig am besten vor Schaden bewahren. Auch wenn der Mieter einen Einhüter in die Wohnung legt, wird es regelmäßig nicht geschehen, um mittelst dieser Person eine Verbindlichkeit gegenüber dem Vermieter zu erfüllen, sondern aus ganz anderen Gründen. Aber wenn ζ. B. ein Schutenmieter die Schute einem anderen anvertraut, geschieht es regelmäßig nicht nur, damit der andere mit der Schute Transporte ausführe, sondern auch, damit er die Schute bewache, in Obhut nehme, da es einer solchen Behandlung der Schute, sei es durch den Mieter selbst, sei es durch einen Beauftragten zur Erfüllung der auf dem Mietevertrag beruhenden Obhutspflicht bedarf und der Mieter selbst sich der Behandlung nicht unterziehen kann oder will (vgl. über die Verpflichtung des Mieters, auch leere Schuten bewachen zu lassen, O L G Hamburg M D R 1948. 82). — Wenn ein anderer die Verbindlichkeit erfüllt, die der Schuldner zu erfüllen hat (vgl. BGB § 267), so „bedient" dieser sich noch nicht des anderen zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit. Andererseits „bedient" sich der Schuldner eines anderen nicht nur dann zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit, wenn er sich den anderen durch Dienstvertrag verpflichtet hat, zu tun, was zur Erfüllung der Verbindlichkeit nötig ist, und der andere dies tut. Noch weniger kommt es darauf an, ob der andere dem Schuldner selbständig oder unselbständig verbunden ist, zu tun, was zur Erfüllung der Verbindlichkeit nötig ist (insoweit abw. B r o d m a n n JehJ 58. 215, der auf den Gegensatz zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit abstellt; ebenso ansch. R G H G Z 1905. 160). Zwar kann keine Rede davon sein, daß der Verkäufer, der
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VIII zum Zwecke der Erfüllung seiner Lieferungspflicht sich eindeckt, sich seines Lieferanten zur Erfüllung seiner eigenen Lieferungspflicht bedient (RG 101. 158, B r o d m a n n a. a. O. 238). Aber ebensowenig wird man zweifeln dürfen, daß, wenn er seinem Käufer unmittelbar durch den Lieferanten liefern läßt, er sich insoweit dieses letzteren zur Erfüllung seiner eigenen Lieferungspflicht bedient (LZ 1907. 429, R G HGZ 190g. 23, HGZ 1907. 307, R G 108. 223). Anm. 63 4. II. Tragweite des § 278 B G B Im Versicherungsrecht. Das V V G spricht an einigen Stellen von den „Obliegenheiten" des Versicherungsnehmers. Von den Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer „übernimmt", die er „dem Versicherer gegenüber zu erfüllen" hat, die er nicht „verletzen" darf, deren „Verletzung" jedenfalls nicht „verschuldet" sein darf. Das V V G spricht also von Obliegenheiten wie von Verbindlichkeiten. Warum der Urheber des Gesetzes sich des neuen Ausdrucks bedient hat statt des alten, ist schwer zu erkennen. Jedenfalls hat er sich dabei nach der Begründung des VVG-Entwurfs nichts besonderes vorgestellt. Ihm sind Obliegenheiten die „von dem Versicherungsnehmer w a h r z u n e h m e n d e n P f l i c h t e n " , die „ihm obliegenden P f l i c h t e n " , ihm „auferlegte V e r p f l i c h t u n g e n " , und als „die wichtigsten Obliegenheiten" des Versicherungsnehmers erscheinen ihm diejenigen, die sich „auf die A n z e i g e der Gefahrumstände, auf die V e r p f l i c h t u n g bei G e f a h r e r h ö h u n g e n und auf die P r ä m i e n z a h l u n g " beziehen. Es ist also gewiß, daß der Urheber des Gesetzes sich nur eines anderen Ausdrucks für denselben Begriff, eines anderen Bildes für dieselbe Rechtserscheinung bedient hat. Dem Schuldner sind in der „Verbindlichkeit" die Hände gebunden, in der „Obliegenheit" Lasten auferlegt. Daß man das Bild der Belastung statt des Bildes der Gebundenheit gewählt hat, erklärt sich ungezwungen aus der Art der meisten Obliegenheiten und der geschichtlichen Entwicklung ihrer rechtlichen Behandlung. Die vorvertragliche Anzeigepflicht, die Gefahrstandspflicht, die Schadenverhütungs-Pflicht, die Schadensabwendungs-Pflicht usw. hätten auch lediglich als solche bestimmt werden können. Dann würde niemand bezweifelt haben, daß es sich um gewöhnliche Verbindlichkeiten gehandelt haben würde, auf deren Erfüllung vielleicht nicht hätte geklagt werden können, deren Verletzung aber, der Regel gemäß, den Schadensersatzanspruch des Versicherers zur Folge gehabt haben würde. Man hat nun von Anfang an diese Rechtsfolge für die meisten Fälle als nicht ausreichend angesehen und geglaubt, den Versicherer in höherem Grade schützen zu müssen. Man hat deshalb für diese Fälle in den Versicherungsbedingungen und demnächst im Gesetz schwerere Rechtsfolgen, insbesondere den Verlust des Entschädigungsanspruchs, bestimmt. Dadurch haben viele Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers ein eigenartiges versicherungsrechtliches Gepräge erhalten. Und dies hat den Urheber des Gesetzes verleitet, für die ganz verschiedenartigen Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers, von der Prämienzahlungspflicht bis zur SchadenminderungsPflicht, einen neuen Ausdruck zu gebrauchen, der als solcher eben die Verschiedenartigkeit der in ihm zusammengefaßten Verbindlichkeiten erkennen lassen sollte, den Ausdruck „Obliegenheiten". Verleitet: Denn die Folge ist gewesen, daß man ihn mißverstanden, daß man ihm Absichten untergeschoben hat, von denen er, wie die Begründung zum VVG-Entwurf urkundlich beweist, weit entfernt gewesen ist. Man hat hinter dem Ausdruck „Obliegenheiten" etwas besonderes suchen zu müssen geglaubt. Das Wesen einer Obliegenheit wird dahin bestimmt, daß ihre Erfüllung „nicht Gegenstand einer Pflicht, sondern Voraussetzung für den Erwerb oder vielmehr für die Fortdauer der vertraglichen Rechte" sein soll (Kisch 2. 178, 583 usw.). Als wenn nicht auch die Prämienzahlung, die doch gewiß Gegenstand einer Pflicht ist, Voraussetzung für den Erwerb oder vielmehr für die Fortdauer der vertraglichen Rechte wäre oder doch sein könnte! Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts sind Obliegenheiten keine in
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irgendeiner Art erzwingbare, bei Nichterfüllung in eine Schadensersatzpflicht über- V I I I gehende Verbindlichkeiten, sondern lediglich Voraussetzungen für die Erhaltung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag ( R G 56. 346, 62. 192, 95. 354, 97. 2 8 1 , 102. 2 1 5 , 1 3 3 . 3 1 7 , B G H 1. 159, 24. 378). Bei B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 6 V V G heißt es: „Während die Erfüllung einer Rechtspflicht durch Klageerhebung, Verurteilung und Vollstreckung erzwungen werden kann, entfällt solcher Erfüllungszwang bei einer Obliegenheit, was sich schon daraus ergibt, daß jede K l a g e ein Rechtsschutzinteresse voraussetzt. Der Versicherer aber hat — angesichts der vorgesehenen Verletzungsfolgen — kein Interesse an der Erfüllung einer Obliegenheit." Ebendort heißt es in A n m . 5 : „Rechtspflichten und Obliegenheiten ist gemeinsam, daß sie von dem Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten, also ein T u n oder Unterlassen fordern. In beiden Fällen wird das Verhalten auch zunächst auferlegt im Interesse des Versicherers, welcher der Verwalter der Gefahrengemeinschaft ist. Der Unterschied zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten besteht nur darin, daß (nach der Auferlegung der Verhaltensvorschrift) die Beobachtung des Verhaltens bei einer Rechtspflicht nach wie vor im (fremden) Interesse des Versicherers liegt, bei einer Obliegenheit dagegen nur noch im (eigenen) Interesse des Versicherungsnehmers: A n der Erlangung der Prämienzahlung (Rechtspflicht) ist der Versicherer stark interessiert, während der Versicherungsnehmer, der grobfahrlässig einen Schaden nicht anzeigt, sich (infolge der vorgesehenen Folgen einer Verletzung der Obliegenheit) nur ins eigene Fleisch schneidet''. Außer B r u c k M ö l l e r (Anm. 2 f f . zu §6 V V G ) sind Hauptvertreter dieser sog. „Obliegenheitstheorie" H a g e n H d b I 524fr., K i s c h 2. 178fr., 5 1 1 , 5 1 5 ^ , R a i s e r Anm. 1 zu § 5 und Anm. 32 zu § 14, ferner die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts und auch die des Bundesgerichtshofs (siehe die oben angeführten Entscheidungen). Die Obliegenheitstheorie wird auch als „Voraussetzungstheorie" bezeichnet (so P r ö l ß Anm. 4 zu § 6 V V G ) . Doch ist die Terminologie nicht einheitlich. Nach B r u c k - M ö l l e r A n m . i o z u § 6 V V G handelt es sich bei der Voraussetzungstheorie um eine besondere Ausgestaltung der Obliegenheitstheorie. R e i m e r S c h m i d t hat es unternommen, den Begriff der Obliegenheit auf allgemeiner zivilrechtlicher Basis darzustellen, ihn also aus einer alleinigen versicherungsrechtlichen Betrachtung herauszulösen, und sieht in ihr eine Rechtspflicht minderer Zwangsintensität, ohne Anspruch auf Erfüllung und gegebenenfalls Schadensersatz (vgl. S c h m i d t Obliegenheiten, insbesondere S. 3 1 4 f r . ) . Die hier vertretene Ansicht, die den Unterschied zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten grundsätzlich (s. dazu unten) leugnet, wird als Verbindlichkeitstheorie bezeichnet. I h r hängen für das allgemeine Versicherungsrecht an E h r e n z w e i g V V 1 4 7 — 1 5 5 , J . v. G i e r k e V S R i5of., P r ö l ß Anm. 4 zu § 6 V V G . Bei S c h l e g e l b e r g e r S V R S. 4f. heißt es: „ I n vielen wichtigen Fällen, in denen die für das Versicherungsrecht im allgemeinen herrschende Meinung eine Obliegenheit annehmen würde, handelt es sich im See-Versicherungsrecht um wirkliche Verbindlichkeiten im Sinne des § 2 7 8 " . F ü r das Seeversicherungsrecht bejaht auch E n g e V e r s R 1965. 308, daß sich die Pflichten des Versicherungsnehmers als echte Rechtspflichten darstellen und nicht nur Voraussetzungen für die Erhaltung des Versicherungsschutzes sind. Vgl. auch § 20 Anm. 3. Die wichtigste Konsequenz der Obliegenheitstheorie besteht darin, daß nach ihr § 278 Abs. 1 B G B nicht unmittelbar zur Anwendung kommen kann, ebenfalls nicht analog (vgl. B r u c k - M ö l l e r A n m . 1 1 und 74 zu § 6, R G 58. 346, 62. 190, 83. 43, 9 7 . 2 7 9 , 1 1 7 . 3 2 7 , B G H 1 1 . 120, B G H V e r s R 1 9 6 4 . 4 7 5 ; anders teilweise die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und Landgerichte bezüglich der analogen Anwendung, ζ. B. O L G München A P V 18 Nr. 1049 und J R P V 1927. 294, L G K ö l n V e r s R i960. 1 1 0 ; siehe weitere Angaben bei P r ö l ß Anm. zu § 6 W G ) . U m die so entstehende Lücke auszufüllen, hat das Reichsgericht die Lehre von der Repräsentanten-
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V I I I haftung entwickelt (s. über die Entwicklung dieser Lehre B r u c k - M ö l l e r Anm. 92ff. zu § 6). Die Lehre ist in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. χ B G B entwickelt worden und besagt, daß der Versicherungsnehmer für einen sog. Repräsentanten zu haften hat, d. h. für jemanden, dem er in Bezug auf das Versicherungsverhältnis die Befugnis übertragen hat, innerhalb eines Geschäftskreises für ihn selbständig rechtsgeschäftlich zu handeln ( R G 5 1 . 20, 83. 43, 1 1 7 . 327, 135. 370, B G H 24. 478). Doch soll das nur gelten in Fällen, in denen ein Geschäftsbetrieb, mindestens ein Geschäftsbereich von einiger Bedeutung, auf den sich das Versicherungsverhältnis bezieht, vorliegt. Es müssen also Verhältnisse gegeben sein, die den klaren Schluß gestatten, daß der Versicherungsnehmer nicht selbst jene Geschäfte wahrnehmen wollte oder konnte, in denen ihm das nach L a g e der Dinge auch billigerweise nicht zugemutet werden konnte. Es muß sich also um Fälle handeln, in denen ein gewisses Bedürfnis nach jener Repräsentation bestand und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auch jenem Bedürfnis entsprechend sich gestaltet haben ( R G 149. 69). Nach B r u c k - M ö l l e r A n m . 101 zu § 6 ist Repräsentant derjenige, den der Versicherungsnehmer dazu eingesetzt hat, an seiner Stelle die notwendige laufende Betreuung der versicherten Sachen wahrzunehmen.
Anm. 64
Nach der hier vertretenen Auffassung unterscheidet sich das Versicherungsverhältnis in dem hier fraglichen Punkte nicht von anderen Schuldverhältnissen. Nach ihr sind die Obliegenheiten in der Regel nichts anderes als Verbindlichkeiten von besonderer Art und besonderer K r a f t . In jedem einzelnen Falle ist daher zu untersuchen, ob wir es mit einem Anspruch des Versicherers und einer entsprechenden Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers zu tun haben. Bejahendenfalls ist § 278 B G B anzuwenden; sonst nicht. Doch ist darauf hinzuweisen, daß Obliegenheitstheorie und Verbindlichkeitstheorie sich im praktischen Ergebnis vielfach nähern, weil auch die Obliegenheitstheorie in nicht geringem Umfange die Haftung des Versicherungsnehmers für Dritte anerkennt. R e i m e r S c h m i d t a. a. O. 283 fr., 3 1 9 kommt sogar zu einer grundsätzlichen Anwendung des § 278 B G B . F ü r die Verbindlichkeitstheorie kommt es nur darauf an (vgl. auch oben Anm. 62), den Begriff des Erfüllungsgehilfen entsprechend eng zu begrenzen und nur diejenigen als Erfüllungsgehilfen anzusehen, die speziell oder in ihrer Stellung zum Versicherungsnehmer auch damit betraut sind, alle oder einzelne Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen (vgl. auch P r ö l ß A n m . 7 zu § 6 V V G ) . — Insbesondere
a) Haftung des Versicherungsnehmers für gesetzliche Vertreter. Hierüber
ist wenig mehr zu sagen. Denn auch diejenigen, die § 278 B G B für unanwendbar halten, können doch nicht umhin, den Versicherungsnehmer für seine gesetzlichen Vertreter haften zu lassen (vgl. aus der Rechtsprechung für juristische Personen R G 66. 1 8 1 , B G H V e r s R 53. 3 1 6 , für physische Personen K G A P V 1 2 Nr. 708, O L G Königsberg A P V 30 Nr. 2210). Die Begründung freilich, schwierig wie sie ist, fehlt entweder ganz oder fällt ganz verschieden aus. Nach K i s c h 2. 492 (und anderen) haftet der Versicherungsnehmer, weil „ d e r gesetzliche Vertreter im Rechtsverkehr die Stelle des vertretenen Willensunfähigen einnimmt", — danach hätte es freilich des § 278 B G B insoweit überhaupt nicht bedurft. Nach S o m m e r 53 haften wenigstens juristische Personen als Versicherungsnehmer „ a u f Grund analoger A n w e n d u n g " des § 31 B G B oder „ a u f Grund allgemeiner Erwägungen und verständiger Auslegung des Versicherungsvertrags". I m übrigen soll freilich nach S o m m e r 52 der Versicherungsnehmer für seinen gesetzlichen Vertreter nicht haften; denn es sei gerade der Zweck der Versicherung, den Versicherungsnehmer gegen das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters zu schützen (eine bloße petitio principii). Der Urheber dieser letzteren, f ü r die Behandlung des Problems bezeichnenden Ansicht ( S c h n e i d e r J e h J 53. 24) hatte sie bereits wieder aufgegeben ( L Z 1 9 1 0 . 732). Die Ansicht H e i n e ' s ( L Z 1 9 1 2 . 3 0 5 ; ähnlich R o e l l i 2 1 1 ; dagegen K i s c h 2. 492), der Versicherungsnehmer brauche das Verhalten seines gesetzlichen
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Vertreters nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn es eine unerlaubte Handlung darstelle, VIII der gesetzliche Vertreter also ζ. B. die versicherte Sache vorsätzlich in Brand stecke, ist nur durch eine verhängnisvolle Verkettung richtiger und unrichtiger Vorstellungen möglich. Abzulehnen ist auch die Ansicht J o s e f ' s ( Z f V W 1 9 1 1 . 221, L Z 1907. 493), der Versicherer sei frei, wenn der Gemeinschuldner schuldhaft den Versicherungsfall herbeiführe (vgl. oben Anm. 6 1 ; anders, wenn der Konkursverwalter sich des Gemeinschuldners zur Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht bedient). Nach dem der Obliegenheitstheorie anhängenden B r u c k - M ö l l e r (Anm. 69 zu § 6 V V G ) haben natürliche Personen mit gesetzlichem Vertreter die Obliegenheiten selbst zu erfüllen, soweit sie im natürlichen Sinne handlungsfähig sind (vgl. auch O L G Oldenburg 1961. 75). Neben dem Versicherungsnehmer oder statt seiner soll der gesetzliche Vertreter mit den Obliegenheiten belastet sein ( B r u c k - M ö l l e r aaO). Neben den Versicherungsnehmern selbst sollen auch die gesetzlichen Verwalter die Obliegenheiten zu erfüllen haben, soweit ihre Befugnisse und Pflichten die Betreuung der Versicherungsverhältnisse umfassen. b) Haftung des Versicherungsnehmers für Personen, deren er sich zur Anm. Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient. Hier kann die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit von praktischer Bedeutung werden. Für die ADS kommen insbesondere in Betracht: § 3 Abs. 1. Der Versicherungsnehmer muß offenbaren, daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrundeliegt. § 278 BGB ist anwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r SVR 5). § 3 Abs. 2 Satz 1. Der Versicherungsnehmer muß unverzüglich mitteilen, daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrundeliegt. § 278 BGB ist anwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r S V R 5). § 3 Abs. 2 Satz 2. Der Versicherungsnehmer muß binnen Jahresfrist mitteilen, daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrundeliegt, widrigenfalls er die Prämie zahlen muß. § 278 BGB ist unanwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r S V R 5). § 4 Abs. 1 Satz 2. Der Versicherungsnehmer muß unverzüglich mitteilen, daß das versicherte Interesse weggefallen oder nicht entstanden ist. § 278 BGB ist anwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r S V R 5). § 5 Abs. 1 Satz 3. Die Beteiligten müssen offenbaren, daß der Versicherungsfall schon eingetreten oder ausgeschlossen ist. § 278 BGB ist anwendbar. § 7 Abs. 3. Bei Löschungsserien ist die Löschungsfolge sofort festzustellen. § 278 BGB ist unanwendbar. § 11 Abs. 1. Der doppeltversicherte Versicherungsnehmer muß unverzüglich Herabsetzung der Versicherungssumme und der Prämie verlangen. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber unten Anm. 67). § 12. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer von der Doppelversicherung unverzüglich Mitteilung machen. § 278 ist anwendbar. § 15. Der Versicherungsnehmer muß dem Inhalt einer unrichtigen oder unvollständigen Police unverzüglich widersprechen. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber auch unten Anm. 67). §§ 19, 20. Der Versicherungsnehmer muß bei der Schließung des Vertrags gefahrerhebliche Umstände (richtig) anzeigen. § 278 BGB ist anwendbar. § 23. Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht ändern oder ändern lassen. §278 BGB ist anwendbar. § 26. Der Versicherungsnehmer muß gewisse Gefahränderungen anzeigen. § 278 BGB ist anwendbar. § 30 Abs. 5. Der Versicherungsnehmer muß bei der Aufmachung der HavariegrosseDispache das Interesse des Versicherers wahrnehmen. § 278 BGB ist anwendbar.
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§ 33. Der Versicherungsnehmer darf den Versicherungsfall nicht herbeiführen. § 278 BGB ist anwendbar. § 35 Abs. 2, 3. Der Versicherungsnehmer muß, wenn Kriegsgefahr in gewisser Weise auf die versicherte Unternehmung Einfluß gewinnt, dem Versicherer unverzüglich erklären, daß die Versicherung fortdauern soll. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber unten Anm. 67). § 40. Der Versicherungsnehmer muß erhebliche Unfälle unverzüglich anzeigen. § 278 BGB ist anwendbar. § 4 1 . Der Versicherungsnehmer muß im Versicherungsfall den Schaden abzuwenden und zu mindern suchen. § 278 BGB ist anwendbar. § 42. Der Versicherungsnehmer muß den Schaden binnen Jahresfrist andienen. § 278 BGB ist unanwendbar. § 43. Der Versicherungsnehmer muß im Versicherungsfall auf Verlangen Auskunft erteilen und Belege vorlegen. § 278 BGB ist anwendbar. § 44. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer eine Schadensrechnung mitteilen, kann aber auch ohne solche Mitteilung nach einem Monat 3/4 der Mindestentschädigung verlangen, wenn er die Unterlassung nicht zu vertreten hat. § 278 BGB ist anwendbar. §§ 45, 46. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen helfen. § 278 BGB ist anwendbar. § 57 Abs. 4. Der Versicherungsnehmer muß im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung den Mangel des Versicherungsauftrags anzeigen. § 278 BGB ist unanwendbar. § 58. Das Schiff muß seetüchtig sein. § 278 BGB ist unanwendbar. § 60. Das Schiff darf keine gefährlichen Güter fahren. § 2 78 BGB ist anwendbar. § 61. Das Schiff darf kein Eis forcieren. § 278 BGB ist unanwendbar. § 62. Das Schiff darf keine Decksgüter fahren. § 278 BGB ist unanwendbar. § 66 Abs. 1 Satz 3. Der Versicherungsnehmer darf die Entlöschung des Schiffes nicht ungebührlich verzögern. § 278 BGB ist anwendbar. § 67 Abs. 1. Der Versicherungsnehmer darf die Ausbesserung des Schiffes nicht ungebührlich verzögern. § 278 BGB ist anwendbar. — Der Versicherungsnehmer muß, wenn er die Verlängerung der Versicherung des beschädigten Schiffes ausschließen will, dies unverzüglich erklären. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber unten Anm. 67). § 68. Der Versicherungsnehmer muß, wenn er die Verlängerung der Zeitversicherung des unterwegs befindlichen Schiffes ausschließen will, dies erklären. § 278 BGB ist unanwendbar. § 71. Der Versicherungsnehmer muß auf Verlangen des Versicherers beim Totalverlust Gerettetes öffentlich versteigern lassen und nach Befriedigung dem Versicherer Hilfe leisten. § 278 BGB ist anwendbar. § 74. Der Versicherungsnehmer muß bei der Feststellung eines Teilschadens mitwirken. § 278 BGB ist anwendbar. § 75. Der Versicherungsnehmer muß das Schiff unverzüglich ausbessern usw. § 278 BGB ist anwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r S V R 5, M ö l l e r M D R 1950. 393, E w a l d HansRGZ 1930. 347, P f e i f f e r J R P V 1929. 137). — Der Versicherungsnehmer muß, wenn er das Schiff aus wichtigem Grunde nicht ausbessern will, dies dem Versicherer unverzüglich erklären. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber unten Anm. 67). § 77. Der Versicherungsnehmer muß das reparaturunfähige oder -unwürdige Schiff gegebenenfalls unverzüglich versteigern lassen. § 278 BGB ist unmittelbar nicht anwendbar (vgl. aber unten Anm. 67).
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§ 80. Der Versicherungsnehmer darf nicht zustimmen, daß das Schiff mit gewissen VIII Gütern zu stark beladen wird. § 278 BGB ist anwendbar. §§ 83, 84. Dem Versicherer muß bei der Schließung des Vertrags mitgeteilt werden, ob die Güter Vorreisegüter usw. sind. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet. Das Risiko ist durch den Vertrag objektiv beschränkt. § 278 BGB ist unanwendbar. § 85. Der Versicherungsnehmer darf nicht zustimmen, daß die Güter auf Deck geladen werden. § 278 BGB ist anwendbar. § 88. Abs. 3 Satz 2. Der Versicherungsnehmer darf die Löschung der Güter nicht ungebührlich verzögern. § 278 BGB ist anwendbar. § 93. Der Versicherungsnehmer muß bei der Feststellung von Beschädigungen mitwirken (ebenso nach §91 Abs. 1 bei der Feststellung, ob die Güter in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zerstört sind) und auf Verlangen des Versicherers die beschädigten Güter versteigern lassen. § 278 BGB ist anwendbar. § 95. Der Versicherungsnehmer darf nicht zustimmen, daß die Beförderung der Güter geändert oder die Reise des Schiffes aufgegeben wird. § 278 BGB ist anwendbar. § 96 Abs. 1. Der Versicherungsnehmer muß die Güter bei gewissen Reisehindernissen auf Verlangen des Versicherers unverzüglich verkaufen. § 278 BGB ist anwendbar. § 97. Der Versicherungsnehmer muß rechtzeitig deklarieren. § 278 BGB ist anwendbar. — Der Versicherungsnehmer darf nicht über den Maximalwert zuladen lassen. § 278 BGB ist anwendbar. — Der Versicherungsnehmer darf nicht zustimmen, daß in minderwertigen Schiffen verladen wird. § 278 BGB ist anwendbar. § 102 Satz 2. Der Versicherungsnehmer muß offenbaren, daß die Reise der gewinnversicherten Güter einen ungünstigen Verlaufgenommen hat. § 278 BGB ist anwendbar. § 121 Abs. 5. Das kriegsversicherte Schiff darf keine Bannware fahren. § 278 BGB ist anwendbar. Im einzelnen vgl. die Anm. zu den Paragraphen, insbesondere zu den §§ 5, 19, 23, 33, 41. Die Ausführungen zu diesen Bestimmungen ergeben übrigens, daß die Auffassung, nach der die Nebenverbindlichkeiten des Versicherungsnehmers, auf deren Erfüllung nicht geklagt werden kann und deren Nichterfüllung nicht zum Schadensersatz berechtigt, sondern „ n u r " den Verlust des Entschädigungsanspruchs zur Folge hat, in gewissen Fällen vor der unbestreitbaren Notwendigkeit kapituliert. So ζ. B. im Falle der Deklarationspflicht des laufend Versicherten, die allgemein nicht als „bloße Obliegenheit", sondern als „förmliche Rechtspflicht" angesehen wird (§97 Anm.; siehe dazu auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 5 zu § 35 V V G , P r ö l ß V V G Anm. 2 zu § 187, L G Hildesheim VersR 1953. 393). 5. Für die Anwendbarkeit des § 278 BGB im Gebiete der ADS kommt noch folgendes Anm. 66 in Betracht. § 46 des Entwurfs der A D S von 1914 bestimmte unter der Überschrift des Unterabschnitts X : „Haftung des Versicherungsnehmers für das Verhalten dritter" folgendes: „Der Versicherungsnehmer hat in Ansehung der Erfüllung seiner Obliegenheiten das Verhalten der Personen, deren er sich hierbei bedient, in gleichem Umfange zu vertreten, wie eigenes Verhalten". Diese Bestimmung ist von der ungenügend vorbereiteten und unterrichteten Oktober-Versammlung (Mat. 1. 200) g e s t r i c h e n . Die Assekuradeure haben dabei folgende Erklärung zu Protokoll gegeben: „Die Streichung soll n i c h t b e d e u t e n , d a ß d e r im § 4 6 ausgesprochene G r u n d s a t z n i c h t gilt. Der Versicherte muß das Verhalten derjenigen gegen sich gelten lassen, die Obliegenheiten wahrnehmen, welche im allgemeinen vom Versicherten selbst wahrgenommen werden. Die Versammlung ist hierüber e i n i g und erwartet, daß die Rechtsprechung sich dieser Auffassung anschließen wird. Sollte diese Erwartung getäuscht werden, so würden die Assekuradeure die Bestimmung des § 46 in ihre Bedingungen wieder aufnehmen". Hierauf ließen die Bremer Reeder einen Zusatzantrag („Auf Er-
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VIII füllungsgehilfen im Auslande findet diese Bestimmung keine Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer bei der Auswahl der Erfüllungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat") fallen. Dann wurde beschlossen, den § 46 zu streichen. „ E i n Vertreter der Kaufmannschaft ließ seinen Antrag, die Versicherungsnehmer möchten eine ähnliche Erklärung zu Protokoll geben, auf den Hinweis des juristischen Beirats der Hamburger Reeder, daß man in der Sache ganz einig wäre, fallen" (Mat. 1. 200). Worüber man „ganz einig" war, ob über die Auffassung der Assekuradeure oder über die im Bremer Antrag zum Ausdruck kommende Auffassung, ist nicht ganz klar. Klar ist nur: Man war einig, daß der Versicherungsnehmer das Verhalten von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient, zu vertreten hat, — in welchem Umfange, das ist die Frage. Sie kann nur von den Grundsätzen aus beantwortet werden, nach denen man im allgemeinen bei seinen Obliegenheiten das Verhalten dritter vertreten muß (anders bezüglich der Obliegenheiten die Lehre von der Repräsentantenhaftung; s. dazu oben Anm. 63). Jedenfalls aber muß das, worüber man einig war, nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung maßgebend sein (über einen ähnlichen Fall: § 93 Anm.). Anm. 67
6. Man wird aber noch einen Schritt weitergehen müssen. Die RechtsgestaltungsRechte (ζ. B. das Recht zur Anfechtung wegen Irrtums) sind vielfach Rechte, die unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern: BGB § 121) ausgeübt werden müssen, wenn sie nicht verlorengehen sollen (vgl. A D S §§ 11 Abs. 1, 35 Abs. 2 u. 3, 67 Abs. 1, 75 Abs. 5, 77 Abs. 4). Die Unverzüglichkeitsfrist ist im Interesse der Gegenpartei, im Interesse des Verkehrs bestimmt. Die Gegenpartei hat (im weiteren Sinne) ein Recht auf Einhaltung der Frist. Der Berechtigte muß die Frist einhalten, wenn er nicht einen Nachteil erleiden, sein Recht verlieren will. Die Interessenlage ist also dieselbe wie in dem Falle, wo es sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. In beiden Fällen soll innerhalb gewisser Zeit etwas geschehen, was für das Interesse der Gegenpartei von, oft größter, Bedeutung ist. Der beiden Fällen übergeordnete Grundsatz ist der, daß die eine Vertragspartei nicht durch unangemessene Zeitnutzung der anderen Partei zu Schaden kommen soll. Die Analogie verlangt daher, daß man den Rechtssatz des § 278 BGB insbesondere auch dann anwendet, wenn die Ausübung von Rechtsgestaltungs-Rechten von der Einhaltung der Unverzüglichkeitsfrist abhängt. Ähnlich etwa, wie sie verlangt, daß der Geschädigte nicht nur eigenes Verschulden, sondern auch dasjenige von Personen, deren er sich bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses bedient, vertreten muß. Daß in diesem Falle die analoge Anwendung des § 278 BGB vom Gesetz (BGB § 254 Abs. 2 Satz 2) besonders bedacht und angeordnet ist, ist natürlich ohne Bedeutung. Hat doch auch der Umstand, daß die analoge Anwendung des § 278 BGB vom Gesetz nur für den Fall des § 254 Abs. 2 BGB bedacht und angeordnet ist, nicht hindern können, den § 278 BGB auch im Falle des § 254 Abs. 1 BGB anzuwenden (h. M., vgl. ζ. B. S o e r g e l - S c h m i d t Bern. 53 zu § 254 B G B ; vgl. BGH 3. 46, wonach bei einem Vertragsverhältnis sich der Geschädigte die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch eine Hilfsperson gemäß § 254 auch dann anrechnen lassen muß, wenn er sich dieser Hilfsperson nicht zur Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht, sondern zur Wahrung seiner eigenen Belange in Ansehung des Vertragsgegenstandes bedient hat und das schädigende Verhalten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ihr im Rahmen des Vertrages anvertrauten Pflichtenkreis steht). Es wäre im Verkehr unerträglich, wenn die Anfechtung oder eine Kündigung zwar unverzüglich erklärt werden müßte, der Berechtigte sich aber hinter das schuldhafte Zögern derjenigen verstecken dürfte, denen er die Besorgung seiner Geschäfte anvertraut hat. Auch in solchen Fällen muß in einem weiteren Sinne der Satz „Hand muß Hand wahren" gelten, muß man den Berechtigten darauf verweisen dürfen, daß er seinen
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Glauben dort wieder hole, wo er ihn gelassen, und nicht die unschuldige Gegenpartei IX unter dem Verschulden seines Vertrauensmannes leiden lasse. Noch unerträglicher wäre natürlich, wenn der Berechtigte das schuldhafte Zögern seines gesetzlichen Vertreters nicht zu vertreten brauchte. — Demgemäß hat denn auch ζ. B. die Rechtsprechung anerkennen müssen, daß der Versicherungsnehmer, dessen Rechtsanwalt die vereinbarte Klagefrist versäumt, sich nicht darauf berufen kann, daß ihn selbst kein Verschulden trifft (LZ 1912.87, OLG Stuttgart LZ 1912.947; auch RG APV 1918 II 49: Die entgegengesetzte Annahme sei mit der Rechtssicherheit unvereinbar; abw. KG APV 1918 II 76). Dieser Rechtsprechung muß auch beipflichten, wer die Anwendbarkeit des § 278 BGB leugnet. Ihm bleibt freilich nur übrig, zu einem ebenso beliebten, wie „sehr bedenklichen Hilfsmittel der juristischen Konstruktion" seine Zuflucht zu nehmen, nämlich auf dem „Flugsand des konkreten Parteiwillens" ( R e g e l s b e r g e r J e h J 44. 418) zu bauen, unterzulegen, Versicherer und Versicherungsnehmer hätten „stillschweigend vereinbart, daß, wenn der Versicherungsnehmer behufs Erfüllung der Bedingung (nämlich der rechtzeitigen Klagerhebung) sich der Hilfe eines anderen bediene und dieser den Ausfall der Bedingung herbeiführe, dieser Erfolg den Versicherungsnehmer treffen müsse" (so J o s e f OestZ 1913. 108, 1920. 527, ZfVW 1911. 213, NeumannsZ 1914. 408; vgl. auch S c h n e i d e r LZ 1909.903 über die „verschämte Berufung auf den allmächtigen Parteiwillen, der wie ein Quell im Verborgenen strömt"). 7. Hiermit hängt eine andere Frage eng zusammen. Wenn Gesetz und ADS die Anm. 68 Ausübung von Rechtsgestaltungs-Rechten von der Einhaltung der Unverzüglichkeitsfrist abhängig machen, so beginnt diese Frist der Natur der Sache nach meist erst, wenn der Berechtigte von dem das Rechtsgestaltungs-Recht auslösenden Sachverhältnis Kenntnis erlangt. Wenn jemand sich verpflichtet, eine Leistung zu bewirken, sobald er von einem bestimmten Sachverhalt Kenntnis erlangt, muß er natürlich auch gegen sich gelten lassen, daß diejenigen die Kenntnis erlangt haben, denen er aufgetragen hat, im gegebenen Falle die Leistung zu bewirken. Auch insoweit ist das Verhältnis das gleiche, wenn es sich darum handelt, daß ein Recht unverzüglich, nachdem man von einem bestimmten Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, ausgeübt werden muß, widrigenfalls es verlorengeht. Der Berechtigte wird also in solchen Fällen auch die Kenntnis derjenigen Personen gegen sich gelten lassen müssen, die das Recht für ihn auszuüben von ihm berufen sind, und erst recht die Kenntnis der Personen, die ihn gesetzlich vertreten.
IX. Vorteilsausgleichung bei der Seeversicherung 1. Ein oberstes Grundgesetz des Versicherungsrechts, daß die Schadensver- Anm. 69 Sicherung nicht zu einem Gewinn führen darf (so G e r h a r d 229, 255, 536, ähnlich schon H e l l w i g 542: „oberster versicherungsrechtlicher Grundsatz", ferner F i c k , Grundbegriffe 55, M a l s s ZHR 13. 418, Begr. zum Ε i g i o §§ 72, 104, RG 15. 93, 35. 62, 77· 3°9. HGZ 1891. 163, 1893. 15, 1894. 103, 1902. 183, 1903. 15, OLG Hamburg HRZ 1919.483 usw.), oder „daß der Versicherte durch die Assekuranz nicht besser gestellt werden darf, als er bei glücklichem Ausgang der Reise stehen würde" (so ζ. B. HGZ 1889. 264,1890. 302; vgl. hierzu insbesondere § 59 Anm.), oder daß die Versicherung „nicht zur Bereicherung des Versicherten führen darf" (so ζ. B. RG 97.48, OLG Hamburg HRZ 1919.483; das sog. Bereicherungsverbot, nach welchem neben die Versicherungssumme die Höhe des eingetretenen Schadens als leistungsbegrenzender Faktor tritt: M ö l l e r J W 1938. 916—920 (s. auch Summen- und Einzelschaden, 1937, 79—83, ZfVW 1937. 128—137) und in B r u c k - M ö l l e r Anm. 24, 26 zu § 1, H a g e n
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I X SVR 154; vgl. auch S a m w e r , Das sog. Bereicherungsverbot, 1937) gibt es nicht (anders HansOLG HansRGZ 1942 Β 169 = J R P V 1942. 57 = Sasse Nr. 459; wie hier L G Hamburg HansRGZ 1942 Β 393 = J R P V 1941. 217 = Sasse Nr. 725, Bene, Der Begriff des Schadensfalls in der Seeversicherung 71, Prölß V V G Anm. 1 zu § 55; die Frage blieb in R G 169. 368 dahingestellt). Aus dem Begriff der Schadensversicherung folgt vielmehr ohne weiteres, aber auch nur, daß Vermögensschaden, positiver Schaden und entgangener Gewinn, zu ersetzen ist und nichts anderes (oben Anm. 21, § 1 Anm. 3; vgl. die Gegenüberstellung im Preuß. A L R II 8. 1983: „durch Versicherungen muß der Versicherte sich nur gegen Schaden decken, nicht aber Bereicherung dadurch suchen"). Und selbst diese Folge läßt sich nicht rein durchführen, wenn der Versicherungsverkehr sich glatt abwickeln soll. Deshalb ist der nach den Verhältnissen zu Beginn der Versicherung bemessene Wert der versicherten Sache für die Entschädigung auch dann maßgebend, wenn die Verhältnisse sich geändert haben, der Wert der Sache insbesondere bis zum Eintritt des Versicherungsfalls gesunken ist (§§ 70 Abs. 2, 90 Abs. 2). Deshalb ist die Taxe maßgebend, auch wenn sie übersetzt ist (oder wenigstens, wenn sie nur unerheblich übersetzt ist; § 6 Abs. 2). Deshalb erhält der Gewinnversicherte im Schadensfall Ersatz von Gewinn auch dann, wenn die Konjunktur umgeschlagen ist und er im Falle glücklicher Ankunft Schaden statt Gewinn gehabt haben würde (§ 100 Abs. 2; R G HGZ 1893. 194, HGZ 1891. 164, 1893. 174, L G Hamburg HGZ 1893. 170). Deshalb erhält der Versicherungsnehmer, wenn er das Hauptrisiko selbst gelaufen und nur Mehrwert versichert hat, das ganze, nach Zahlung der MehrwertversicherungsSumme gerettete „Provenü", selbst wenn es den gewöhnlichen Versicherungswert übersteigt ( § 7 1 Anm.). Deshalb kommen bei der Bemessung der Entschädigung Vorteile nicht in Anschlag, die zwar ohne den Versicherungsfall nicht entstanden wären, aber doch nur lose mit ihm zusammenhängen (unten Anm. 71). Die Aufwendungen, die der Kaskoversicherte zur Rettung des Schiffes macht und der Kaskoversicherer ersetzen muß, kommen auch dem unversicherten Frachtinteresse, die Aufwendungen, die der Güterversicherte zur Rettung der Güter macht und der Güterversicherer ersetzen muß, kommen auch dem unversicherten Gewinn- oder Mehrwertinteresse zugute usw. Der Versicherungsfall „kann in seinen tatsächlichen Konsequenzen zu einem Glücksfalle für den Versicherten umschlagen" (RG 36. 132, R G HGZ 1893. 194, HGZ 1895. 259, 1898. 293, 1903. 292). Anm. 70
2. Aber grundsätzlich ist freilich daran festzuhalten, daß nur der wirklich entstandene Schaden zu ersetzen ist, daß l'assurance est essentiellement un contrat d'indemnite (Droz 1 . 4 ; anders HGZ 1890.302, eine bedenkliche, vom R G mit Recht aufgehobene Entscheidung). Deshalb ist ζ. B., wenn einerseits bestimmt ist, daß der Versicherungsnehmer ohne Rücksicht auf gerettetes die Versicherungssumme verlangen kann, andererseits auch bestimmt, daß er sich den Wert des geretteten und ferner auch das anderweit zur Schadensausgleichung erhaltene abziehen lassen muß (§§ 71, 91). Deshalb enthalten die ADS nicht mehr eine Bestimmung gleich der des § 23 ASVB ( = HGB § 800); es versteht sich von selbst, daß, wenn der Reeder Ausrüstungskosten oder Heuer versichert, der Versicherer nicht ersetzt, was davon erspart wird (also nicht verlorengeht), von selbst, daß, wenn der Reeder sie „mittelbar durch Versicherung der Bruttofracht oder in der auf das Schiff genommenen Versicherung" versichert (so der Text des § 23 ASVB bei Voigt 153, anders der Text der HK-Ausgabe in Mat. 2. 28), der Versicherer Erspartes nicht ersetzt, und von selbst, daß, wenn der Güterversicherte mit den Gütern auch Fracht und Kosten während der Reise und am Bestimmungsort versichert, der Versicherer ersparte Fracht und Kosten nicht ersetzt (Begr. zum Ε 1910 § 69, R G HGZ 1918. 176, HGZ 1917. 243, HG Hamburg HGZ 1864. 220). Deshalb muß, wenn die Güter unterwegs über den Versicherungswert verkauft werden oder der
Vorteilsausgleichung
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Verfrachter über den Versicherungswert der Güter Ersatz leistet, der Gewinnversicherte I X sich den Überschuß auf die Versicherungssumme anrechnen lassen (§ 103 Abs. 2; vgl. dazu V o i g t 645). Deshalb muß der Kaskoversicherte, der das beschädigte Schiff ausbessert und nach der Ausbesserung ein regelmäßig besseres Schiff hat als vor dem Versicherungsfall, sich von den Ausbesserungskosten den Mehrwertbetrag abziehen lassen (§ 75 Abs. 3 Nr. 1). Deshalb muß er sich auch den Wert der bei der Ausbesserung durch neue ersetzten alten Sachen anrechnen lassen (§ 75 Abs. 3 Nr. 2). Deshalb gehen im Totalverlustfall die Rechte an den verlorenen Sachen auf den entschädigenden Versicherer über (§§ 71, 91) und in jedem Versicherungsfall die Ersatzansprüche gegen dritte (§§ 45, 46; vgl. dazu H G Z 1902. 183). 3. Überall schaut der allgemeine Grundsatz über Vorteilsausgleichung beim Anm. 71 Schadenersatz heraus ( M o l t 135). Anzurechnen sind danach nicht allein die Vorteile, welche die unmittelbare Folge des Versicherungsfalls sind, sondern alle Vorteile, die nach den allgemeinen Kausalitätsregeln den Versicherungsfall zur Ursache haben (im Rückversicherungsgeschäft sogenannte Sauvetagen); dagegen nicht solche Vorteile, für die der Versicherungsfall nur die entferntere Bedingung ist, insbesondere nicht solche Vorteile, die aus einer durch den Versicherungsfall nicht verursachten, sondern nur veranlaßten oder nur ermöglichten neuen Unternehmung erwachsen, und ebensowenig natürlich Vorteile, die zwar durch das den Versicherungsfall bildende Ereignis herbeigeführt sind, aber mit diesem Ereignis in seiner Eigenschaft als Versicherungsfall nichts zu tun haben. — Wenn der Kaskoversicherte das reparaturunfähige oder -unwürdige Schiff (§ 77) oder der Güterversicherte die beschädigten oder unterwegs liegengebliebenen Güter (§§ 93, 96) unter Wert ersteigert und mit Vorteil weiterverkauft, so braucht er sich den so erzielten Gewinn nicht anrechnen zu lassen (vgl. den von der Rechtsprechung viel behandelten Fall, daß jemand, durch falsche Angaben bewogen, eine Hypothek gegeben hat, geschädigt ist und später das Grundstück unter Wert ersteigert und vorteilhaft wieder abstößt: R G 65. 57; APV 1906 II. 23). Ebensowenig, wenn das Schiff beschädigt ist, die versicherte Fracht verlorengeht und früher, als sonst möglich gewesen wäre, neue Fracht besegelt werden kann, einen Teil dieser Fracht (Voigt 144, O A G Lübeck HambS 4. 90, H G Hamburg H G Z 1865. 276 u. Ullrich Nr. 2 1 4 ; vgl. auch § 105 Anm.). Ebensowenig, wenn das beschädigte Schiff nicht ausgebessert, sondern verkauft, und zwar so günstig verkauft wird, daß Kaufpreis und Entschädigung den Versicherungswert übersteigen, den Mehrwert (HGZ 1903. 180). Ebensowenig der Güterversicherte, wenn die ohne Aussicht auf Wiedererlangung gesunkenen Güter doch noch gehoben werden und der entschädigte Versicherte sie zu besonders billigem Preise ersteht, einen Teil des Nutzens ( R G 77. 308, H G Z 1910. 283). — Wenn kriegsversicherte Güter vom Feinde beschlagnahmt werden und der Versicherungsnehmer den Kaufpreis für die Güter noch nicht gezahlt hat, auch wegen Verbots des Handels mit dem Feinde nicht zu zahlen braucht und nicht einmal zahlen darf, kann der Versicherungsnehmer gleichwohl die volle Versicherungssumme verlangen und braucht sich nicht den Vorteil anrechnen zu lassen, der ihm aus der Hemmung der Zahlungspflicht erwächst und mit dem Versicherungsfall nichts zu tun hat (vgl. R G 97. 321, wo mit Recht die unhaltbare Auffassung von R G 88. 243 zurückgewiesen wird, daß in solchen Fällen der Versicherer zur Sicherheitsleistung zu verurteilen sei). — Wenn ein Schiffsmakler Provision versichert hat, das Schiff total verlorengeht, von der Reederei dafür ein anderes Schiff abgefertigt wird und der Schiffsmakler für die Besorgung der Geschäfte des Ersatzschiffes Provision verdient, braucht er sich diesen Verdienst auf die Entschädigung nicht anrechnen zu lassen (LG Hamburg H G Z 1896. 3 1 1 ) . — Ist imaginärer Gewinn versichert und infolge des Totalverlustes der Güter die Fracht erspart, so braucht der Versicherungsnehmer sich das Ersparte auf die Entschädigung nicht anrechnen zu lassen (HGZ 1917.
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Vorteilsausgleichung
IX 241). Der Unfall, der den Totalverlust zur Folge gehabt hat, hat zwar auch die Ersparnis zur Folge gehabt; aber es war nicht der Versicherungsfall, der die Ersparnis verursacht hat. O d e r : Die Versicherung imaginären Gewinns deckt keinen Frachtkosten Verlust; Frachtersparnisse können daher nur dem Versicherer der Frachtkosten oder des „ M e h r werts drüben", nicht dem Gewinnversicherer zugute kommen. — Ist „Mehrwert drüben", sind also auch die Kosten am Bestimmungsort, insbesondere der Zoll, versichert, so muß der Versicherungsnehmer, wenn er wegen der Beschädigung der Güter weniger Zoll zu zahlen hat, sich den Unterschied abziehen lassen ( R G 44. 26, H R Z 1918. 6, H G Z 1888. 293). Selbstverständlich; der Grundsatz über die Vorteilsausgleichung braucht gar nicht zur Hand genommen zu werden. Gehen in solchem Falle die Güter unterwegs total verloren, so ist regelmäßig überhaupt kein Schaden entstanden ( H R Z 1918. 6). — Wenn für „ 3 8 0 0 0 Μ auf die behaltene Ankunft der Ladung Salpeter mit dem Schiffe Luise" Versicherung genommen ist, das Schiff einen Nothafen anläuft und verkauft wird und die Güter darauf mit anderen Schiffen zum Bestimmungshafen befördert und hier mit einem Gewinn verkauft werden, der größer ist als der Gewinn, den der Versicherungsnehmer auf Grund früheren Verkaufs mit der Klausel should vessel be lost contract to be void erzielt haben würde, so ist zwar die Erzielung des größeren Gewinns nur infolge des Versicherungsfalls möglich gewesen; aber der Gewinn versicherte braucht sich gleichwohl von der Entschädigung nichts abziehen zu lassen, weil der Versicherungsfall die entferntere Bedingung, die durch die Weiterbeförderung eingeleitete, neue Unternehmung die kausalrechtlich maßgebende Ursache der Gewinnerzielung ist ( R G H G Z 1893. ! 9 2 ) H G Z 1893. 14; vgl. auch R G 36. 133 und dazu § 120 Anm.). Anders, wenn der Versicherungsnehmer nicht mit der Klausel should vessel be lost contract to be void verkauft und das durch diesen Verkauf bestimmte Interesse versichert haben würde; dann würde es an einem Interesse daran, daß die Güter gerade mit dem Schiffe Luise ankommen, gefehlt haben und die Versicherung mithin nach § 2 unwirksam gewesen sein ( V o i g t 154, R G 36. 130, R G H G Z 1893. 194, H G u . O G Hamburg H G Z 1873. 258). — Wenn der Versicherungsnehmer nur „Juni-Juli Verschiffung" verkauft hat, der erste Dampfer strandet und abandonniert wird, die Güter aber weiterbefördert werden und der Kaufvertrag erfüllt wird, hat der Gewinnversicherte überhaupt keinen Schaden erlitten und kann also auch keine Entschädigung verlangen ( R G 36. I33;abw. H G Z 1895. 258). — Wenn die versicherten Güter zum Teil verlorengehen und infolge hiervon und der dadurch gesteigerten Nachfrage am Bestimmungsort die Preise steigen und der übrige Teil der Güter wertvoller wird, muß der Versicherungsnehmer sich den Unterschied anrechnen lassen. Wenn kriegsversicherte Güter vom Feinde weggenommen und feindlichen Banken zur Abdeckung ihrer Pfandforderungen überwiesen werden, muß der Versicherungsnehmer sich die Anrechnung der gedeckten Pfandschuld gefallen lassen ( R G 97. 322, H R Z 1918. 734). — Wenn der Unterverfrachter die (ganze) Unterfracht versichert hat und infolge des Versicherungsfalls die Oberfracht nicht zu entrichten braucht, muß er sich diesen Vorteil auf die Entschädigungssumme anrechnen lassen (§ 1 Anm. 83). Wenn dagegen der Unterverfrachter einen Frachtvorschuß, den er dem Oberverfrachter endgültig bezahlt hat, versichert hat, das Schiff verlorengeht, die Güter aber vom Unterverfrachter mit anderen Schiffen an den Bestimmungsort befördert werden und infolgedessen die Unterfracht (Konnossementsfracht) gezahlt wird, braucht der Unterverfrachter sich diese Fracht auf die Entschädigung nicht anrechnen zu lassen ( L G u. O L G Hamburg H G Z 1908. 75).
Anm. 72
4· Beweispflichtig ist der Versicherer (RG HGZ 1893. 192, HGZ 1893. 14). Er macht freilich keinen Gegenanspruch geltend, sondern leugnet den Entschädigungsanspruch ( L e o H R Z 1919. 483). Aber der gesetzliche Tatbestand setzt sich aus rechtsbegründenden und gleichzeitig oder gar erst später entstehenden rechtshindernden Tat-
Prämie und Gegenseitigkeit
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Sachen zusammen, und in solchen Fällen genügt regelmäßig der Nachweis der ersteren, X, XI ist der Nachweis der letzteren Sache des Gegners. 5. An und für sich gehört auch der Fall hierher, daß der Versicherungsnehmer Anm. 73 durch den Versicherungsfall einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten erlangt. An und für sich müßte der Versicherungsnehmer sich den Wert dieses Ersatzsanspruchs auf die Entschädigung anrechnen lassen. Das Gesetz bestimmt es anders: „Die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz eines Schadens tritt auch dann ein, wenn dem Versicherten ein Anspruch auf dessen Vergütung gegen den Schiffer oder eine andere Person zusteht. Der Versicherte kann sich wegen des Ersatzes zunächst an den Versicherer halten" (HGB § 822). V V G und A D S bestimmen dies nicht besonders. Das V V G aus dem (unzureichenden) Grunde, weil „die Verbindlichkeit des Versicherers zur Leistung dadurch nicht ausgeschlossen werde, daß ein dritter dem Versicherungsnehmer ersatzpflichtig sei" (Begr. zum V V G § 67). Die ADS, weil es „sich um einen seit alters fest begründeten Satz des Versicherungsrechts handle" (Begr. zum Ε i g i o § 49), und weil den §§ 45, 46 (auch den §§ 7 1 , 96), deutlich erkennbar, die Auffassung zugrundeliegt, daß „der Versicherte sich wegen des Ersatzes des Schadens zunächst an den Versicherer halten kann" (vgl. auch BGB § 255). Anders natürlich, wenn der Versicherungsnehmer von dem Dritten bereits etwas auf Grund des Ersatzanspruchs erhalten hat (vgl. R G 35. 63, auch § 45 Anm., auch H G Hamburg H G Z 1872. 375, 1873. 4 0 1 : Anrechnung einer öffentlichen Entschädigung). 6. Das englische Recht betrachtet die Vorteilsausgleichung unter dem allgemeinen Anm. 74 Gesichtspunkt der Subrogation (§ 45 Anm.). The general rule of Law is that where there is a contract of indemnity . . . and a loss happens, anything which reduces or diminishes that loss reduces or diminishes the amount which the indemnifier is bound to pay (Lord Blackburn bei A r n o u l d 1192 s. 1214). Daß der Versicherte sich wegen des Ersatzes nicht an den ersatzpflichtigen Dritten zu halten braucht, sondern sich sofort an den Versicherer halten kann, bringt auch der M I A zum Ausdruck. Aber anders als das HGB. Ist ein Dritter ersatzpflichtig, so hat und behält der Versicherte gleichwohl das versicherbare Interesse: The owner of insurable property has an insurable interest in respect of the full value thereof, notwithstanding that some third person may have agreed, or be liable, to indemnify him in case of loss (MIA § 14 Abs. 3).
X. Zwingendes und nachgiebiges Seeversicherungs-Recht Das gesetzliche Seeversicherungs-Recht ist nachgiebig; es kann durch Vertrag Anm. 75 geändert werden (vgl. auch V V G § 186). Eine Ausnahme macht § 780 H G B : Heuerforderungen können nicht versichert werden (hierüber: § 1 Anm. 17). Im übrigen beruht die Unversicherbarkeit von nicht bestehenden Interessen oder Gefahren (vgl. § 2) oder von gewissen Interessen oder Gefahren (§ 1 Anm. i6fF.) auf zwingenden Vorschriften nicht so sehr des Seeversicherungs-Rechts, als vielmehr des gemeinbürgerlichen Rechts.
XI. Versicherimg gegen Prämie und auf Gegenseitigkeit Gewerbebetriebe, die Versicherung gegen Prämie geben, sind Handelsgewerbe- Anm. 76 Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB. — Für Seeversicherungs-Vereine auf Gegenseitigkeit gilt das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (VAG) v. 6. Juni 1931 (RGBl. I 315,750). Sie bedürfen insbesondere behördlicher Zulassung und werden behördlich beaufsichtigt (§ 148 I V A G ) . 4
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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öffentliches Recht
ΧΠ—XV Das ist für ihre Allgemeinen Seeversicherungs-Bedingungen von Bedeutung (§§ 5 , 1 ο V A G ) . Siehe wegen der Aufsichtsbehörde § 2 Abs. 1 und § 3 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen v. 3 1 . Juli 1951 (BGBl. I 480), die sachlich an die Stelle des förmlich nicht aufgehobenen § 4 V V G getreten sind. Größere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit dürfen auch Versicherung gegen Prämie geben, wenn es ihre Satzung ausdrücklich gestattet (§21 Abs. 2 V A G ) ; kleineren Vereinen ist untersagt, Versicherung gegen Prämie zu geben (§ 53 Abs. 1 Satz 2 V A G ) . Das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherungsverein und Mitglied richtet sich nach den für das Versicherungsvertrags-Verhältnis geltenden Grundsätzen (vgl. V V G § 1 ) . Seeversicherungs-Vereine auf Gegenseitigkeit kommen nur noch bei der Kleinkasko-Versicherung vor. •— Auch nach M I A § 85 Abs. 4 findet auf die Versicherungsverhältnisse der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (mutual insurance companies) Versicherungsvertrags-Recht Anwendung. Ausgenommen sind die Vorschriften über Prämienzahlung, sofern nicht etwa gegen Prämie oder ähnliche Gegenleistung versichert wird (MIA § 85 Abs. 2). In den Satzungen und Regulativen der Gegenseitigkeitsvereine kann, soweit die Vorschriften des M I A durch Vertrag geändert werden können, besonders bestimmt werden (MIA § 85 Abs. 3).
XII. Der Versicherer als Kaufmann Anm. 77
Wer gewerbsmäßig Versicherung gegen Prämie gibt, ist Kaufmann im Rechtssinne (§ 1 Abs. 2 Ziff. 3 HGB). Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind also regelmäßig keine Kaufleute. Aber die für Kaufleute geltenden Vorschriften finden nach §§ 16, 53 V A G aüf größere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit entsprechende Anwendung.
ΧΙΠ. Der Versicherungsvertrag als Handelsgeschäft Anm. 78
Der Versicherungsvertrag ist Handelsgeschäft im Sinne des Gesetzes (HGB Buch 3, vgl. BGB §§ 196 Nr. 1, 269 Abs. 2 usw.), wenn auch nur ein Beteiligter Kaufmann ist (HGB § 345). Der Vertrag ist beiderseitiges Handelsgeschäft im Sinne des Gesetzes (vgl. H G B § 346 usw.), wenn beide Beteiligte Kaufleute sind, und der Vertrag zum Betriebe des Handelsgewerbes gehört (HGB §§ 343, 344). Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist die Kaufmannseigenschaft des Versicherungsnehmers (nicht des Versicherten) erforderlich und genügend.
XIV. Seeversicherungssachen als Handelssachen Anm. 79
Seeversicherungssachen gehören vor die Kammern für Handelssachen § 101 Nr. 3f.).
(GVG
XV. öffentliches Seeversicherungs-Recht Anm. 80
Die Gewerbeordnung findet auf den Gewerbebetrieb der Seeversicherer keine Anwendung (GewO § 6 Abs. 1). Seeversicherungs-Unternehmungen bedürfen auch mit Ausnahme der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit keiner behördlichen Zulassung zum Geschäftsbetriebe ( V A G § 148 Abs. 1 Satz 1). Sie werden auch nicht beaufsichtigt; der Bundesminister für Wirtschaft kann jedoch anordnen, daß auch solche Unternehmungen der Aufsicht unterliegen oder bestimmte Vorschriften des V A G auf sie An-
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Wendung finden ( V A G § 148 Abs. 1 Satz 2). Indessen ist von dieser Möglichkeit fur die Transportversicherung und damit auch für die Seeversicherung kein Gebrauch gemacht worden (vgl. P r ö l ß § 148 V A G Anm. 5b). Unternehmen, die die Seeversicherung oder eine sonstige Transportversicherung betreiben und daneben direkt aufsichtspflichtige Zweige der Versicherung, unterliegen der Aufsicht nach dem V A G ohne Rücksicht auf die Größe des Geschäftsbetriebs in den aufsichtspflichtigen Zweigen, und zwar wegen der Rückwirkungen auf den Geschäftsbetrieb in den aufsichtspflichtigen Versicherungszweigen auch, soweit die Transportversicherung (Seeversicherung) in Betracht kommt, also in vollem Umfange (Prölß § 148 V A G Anm. 5 d ; A P V 04. 120, 05. 8g, 22. 66, 24. 61, 28. 132). Hinzuweisen ist auf § 21 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961 (BGBl. I 486), nach welchem Rechtsgeschäfte über Schiffskasko-, Schiffshaftpflicht-, Transportund Luftfahrtversicherungen zwischen Gebietsansässigen und Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem fremden Wirtschaftsgebiet, in dem gebietsansässige Unternehmen dieser Versicherungszweige in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert werden, beschränkt werden können, um erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der betroffenen Versicherungszweige entgegenzuwirken. Siehe wegen dieser Beschränkungen zu § 21 des Außenwirtschaftsgesetzes § 49 der V O zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung — A W V ) vom 22. August 1961 (BGBl. I 1381).
ERSTER ABSCHNITT
Allgemeine Bestimmungen I. Interesse §1 Versicherbares Interesse (1) Jedes in G e l d schätzbare Interesse, welches j e m a n d daran hat, d a ß Schiff oder L a d u n g die Gefahren der Seeschiffahrt besteht, kann versichert werden. (2) Insbesondere können versichert w e r d e n : das Schiff; die G ü t e r ; von der A n k u n f t der Güter a m Bestimmungsort erwarteter G e w i n n (imaginärer G e w i n n ) ; im Falle der A n k u n f t des Schiffes oder der Güter a m Bestimmungsorte zu verdienende Provision; Fracht; Schiffsmiete; Überfahrtsgelder; Bodmereigelder; Havereigelder; sonstige Forderungen, z u deren D e c k u n g der Seegefahr ausgesetzte Gegenstände dienen; die v o m Versicherer übernommene Gefahr (Rückversicherung). In der einen dieser Versicherungen ist die andere nicht enthalten; insbesondere gilt eine Versicherung nur d a n n als Rückversicherung, wenn sie bei der Schließung des Vertrags ausdrücklich als solche bezeichnet wird. (3) Soweit das Interesse unrichtig bezeichnet wird, ist die Versicherung für den Versicherer nicht verbindlich. D e r Versicherer kann sich j e d o c h nicht darauf berufen, d a ß Schiffsmiete als für bestimmte Zeit geschlossene F r a c h t oder d a ß solche F r a c h t als Schiffsmiete bezeichnet ist. 1. Vgl. H G Β §§ 778, 779, 8oi Abs. 1, V V G §§ 1, 53, A S V B §§ 1, 2, 24 Abs. 1, Anm. 1 58, BSVB §§ 34, 49. 2. Literatur. A r g y r i a d i s , Die Frachtversicherung, 1961 (Uberseestudien Heft Anm. 2 28). A x e n f e l d J R P V 1926. 17 (Die Versicherungslage des Käufers beim Cif-Geschäft). B a c h e OestRev 1920. 189 (Beseitigung des Interessebegriffs). B i s c h o f f J R P V 1925. 116 u. 173 (Ersatzpflicht der Versicherungsgesellschaft bei Übernahme des Beschlag-
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Interesse
§ 1 nahmerisikos). B o l z e Z H R 42. 36 (Versicherung imaginären Gewinns auf behaltene Ankunft einer Ware mit einem bestimmten Schiff). C h r i s t o p h H G Z 1917. 135 (Zur Seeversichnung für Rechnung, wen es angeht, cif verkaufter Güter). D a h n s J R P V 1925. 157 (Ersatzpflicht der Versicherungsgesellschaft bei Übernahme des Beschlagnahmerisikos). E h r e n b e r g AssJB 22. 3 (Das Interesse bei der Seeversicherung). E r n s t VersR 1963. 1004 (Nochmals der imaginäre Gewinn in der Transportversicherung). H a g e n S V R 59—66, 77—78. H a g e n s H R Z 1919. 49 (Das Eigentumsinteresse in der Seeversicherung). H e l b e r g J R P V 1925. 145 (Ersatzpflicht der Versicherungsgesellschaft bei Übernahme des Beschlagnahmeverbots). H e s s e VersR 1963. 215 (Der imaginäre Gewinn in der Transport-Versicherung unter besonderer Berücksichtigung des Exportes). H o c h g r ä b e r J R P V 1925. 193 (Zur Lehre von Mehrwert und imaginärem Gewinn), I T V M i t t 1937. 5 (Eigentümerinteresse und Haftpflichtinteresse), NeumannsZ 1938. 39 (Totalverlust und Frachtversicherung), I T V M i t t 1928. 22 (Die Versicherung von Schmuggelrisiken). K i s c h 3. 1—264. K r e u t z i g e r , Die Kommandobrücke 1965. 151 (Der imaginäre Gewinn). J o s e f WallmannsZ 55. 465 (Schleichhandels-Versicherung und die Schutzfähigkeit des Versicherungsinteresses). K i s c h JehJ 63. 361 (Subjektives Interesse und Versicherung „ w e n es angeht"). K o e n i g , Gegenstand der Versicherung, 1931. K u h n NeumannZ 1928. 362 (Der imaginäre Gewinn in der Transportversicherung). L a d i g e s J R P V 1925. 171 (Wegfall des versicherten Interesses). M a r t i n H R Z 1926. 921 (Das Konnossement und die Police beim „Cif"-Geschäft). M ö l l e r I T V M i t t 1935. 50 (Interessebegriff und § 1 A D S ) , I T V M i t t 1936. 129 (Totalverlust und Frachtversicherung), I T V M i t t 1937. 81—87 (Arten und Rechtsnatur der Frachtversicherung), W u R V e r s 1931. 33 (Gefahrenund Interessenadhäsion im Privatversicherungsrecht), Cif-Geschäft und Versicherung, 1932, I T V M i t t 1938. 37—40 (Cif-Geschäft und Kriegsversicherung), H a n s R G Z 1934 A 1 1 7 — 1 2 4 (Gefahrtragung und Seeversicherung beim Cif-Kauf), Hansa 1937. 1028 (Die versicherten Gefahren in der Seeschiffahrt), I T V M i t t 1939. 65 (Totalität der Gefahren). M o h r , Die Frachtversicherung, 1927. P r ö l ß , Vorbem. vor § 51 V V G . S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. I 1 zu § 1 A D S . T j u t s c h e w J R P V 1925. 102 (Die versicherungsrechtliche Seite des Cif-Vertrags), J R P V 1925. 322 (Die Versicherung von Schmuggelrisiken). W e i m a r VersPrax 1953. 70 (Das Versicherungsinteresse in der Seeversicherung). W i n k l e r , Die Gewinnversicherung, Hamburger Rechtsstudien, Heft 4, 1930. W i l d e g a n s NeumannsZ 1938. 1120 (Das Recht des Cif-Käufers aus der Transportversicherung). Weitere Literatur: Vorb. vor § 1 Anm. 19. — Literatur zur Rückversicherung unten Anm. 125. Anm. 3
3. A b s . 1. Der Versicherer verpflichtet sich, S c h a d e n zu ersetzen. Nicht einen irgendeinem entstandenen Schaden. Dann wären Wettassekuranzen zulässig. Sondern einer bestimmten Person den ihr entstandenen Schaden (Vorb. vor § 1 A n m . 21). Schaden kann mir durch die mannigfaltigsten Beziehungen zur Umwelt entstehen. Insbesondere d u r c h m e i n e B e z i e h u n g e n z u S a c h e n . Dadurch daß diese Sachen beschädigt werden oder abhandenkommen, Aufwendungen verursachen, anderen (und hierdurch auch mir) Schaden zufügen, ihren Zweck verfehlen. Die Beziehung einer Person zu einer Sache ist daher der Angelpunkt der Sachversicherung und insofern der „ G e g e n s t a n d " d e s S a c h v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g s . Ähnlich H o c h g r ä b e r Hauptkap 25; etwas abweichend H a g e n S V R 18, der von der Beziehung spricht, auf Grund deren jemand durch eine gewisse Tatsache einen Vermögensschaden erleidet. Vgl. auch P r ö l ß Vorbem. vor § 51 V V G Anm. 1 A : eine solche Beziehung des Versicherungsnehmers oder Versicherten zu dem versicherten Gegenstand, daß er den Verlust oder eine Beschädigung des Gegenstands als eigenen Verlust oder Schaden empfindet; s. auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu § 1 A D S , M ö l l e r I T V M i t t 1935. 50.
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Die Beziehung zur Sache wird kurz das Interesse an der Sache, kürzer das Inter- § 1 esse genannt ( B r u c k P V R 475fr.; J. v. G i e r k e V S R II 175; B r u c k - M ö l l e r Anm. 28 Anm. 4 zu § 1; R G 145. 384. Anders P r ö l ß V V G , vor § 51 Anm. 1: Das Interesse ist nichts anderes als der subjektive Bestandteil des Schadens, den der Versicherer nach § 1 Abs. 1 V V G zu ersetzen hat). Denn Interesse bedeutet Anteil haben an, beteiligt sein bei etwas, und in dieser Bedeutung wird das Wort „Interesse" im Verkehr noch heute gebraucht. Diese Bedeutung liegt auch, deutlich erkennbar, den Versicherungsgesetzen und den A D S zugrunde. So, wenn man von dem Interesse als dem „Gegenstand der Versicherung" (HGB § 778) spricht, von den Interessen, „die versichert werden können" (ADS § 1 ) , vom „versicherbaren Interesse" (ADS § 2, insurable interest: M I A § 4), vom „versicherten Interesse" ( H G B § 895, A D S § 6) oder vom „Interesse, für das die Versicherung genommen ist" (ADS § 4), vom „ W e r t des Interesses" (ADS § 6), davon, daß every person has an insurable interest who is interested in a marine adventure ( M I A §5) und daß the assured must be interested in the subject-matter insured ( M I A § 6) usw. Siehe auch R G 104. 409 = H R Z 1923. 21: Gegenstand der Seeversicherung sind nicht Schiff und Ladung, sondern das Interesse daran, daß diese die Gefahren der Seeschifffahrt bestehen. Deshalb ζ. B. unbegründet K i s c h 3. 15: Eine Beziehung lasse sich „nur gezwungen als Gegenstand des Schutzes denken"; geschützt sei nicht sowohl die Beziehung als vielmehr „der in der Sache verkörperte Vermögenswert, zu welchem ich in Beziehung stehe". Der Versicherungsschutz ist nicht ohne eine geschützte Person denkbar, und eben dies kommt in den Worten „Beziehung", „Anteil haben", „beteiligtsein", „Interesse" zum Ausdruck. Unbegründet ist auch der Einwand, daß in der Erklärung des Interessebegriffs als der Beziehung einer Person zu einer Sache das darin „liegende Merkmal der Vorteilhaftigkeit nicht zum Ausdruck komme" ( K i s c h 3. 16). Im Begriff des Interesses liegt das Merkmal der Vorteilhaftigkeit nicht. Erst daraus, daß der Schadensversicherer Schaden ersetzen soll, ergibt sich, daß das Interesse „vorteilhaft" sein muß, um des Versicherungsschutzes teilhaftig werden zu können. 4. In der Rechtslehre ist zwischen subjektivem und objektivem Interesse unter- Anm. 5 schieden worden. Die Unterscheidung ist unrichtig und verleitlich und hat sich als verhängnisvoll erwiesen (s. dazu auch J. v. G i e r k e V S R II 179). Jedes Interesse muß, dem Begriffe nach, einem Subjekt zugehören und deshalb „subjektiv" sein. M a n versteht daher auch unter objektivem Interesse etwas, was diese Bezeichnung nicht verdient, nämlich ein Interesse ohne Rücksicht auf den jeweiligen Inhaber, und unter der Versicherung eines objektiven Interesses die Versicherung eines Interesses ohne Rücksicht darauf, wer jeweils der Interessent ist. Oder man versteht unter objektivem Interesse etwas, was diese Bezeichnung ebensowenig verdient, nämlich jedes jeweils an der Sache bestehende Interesse, also das durch das Eigentum nicht nur, sondern zugleich auch das etwa durch ein Pfandrecht oder durch obligatorische Beziehungen vermittelte Interesse. Vgl. ferner M o l t 108, der unter dem objektiven Interesse das „Voll- oder Eigentümerinteresse" versteht, F i c k , Grundbegriffe 35, der gar von „ h a l b subjektiven, halb objektiven Interessen" spricht, und schließlich H o p p e Z f V W 1907. 56g, der, mit gewiß richtigem Gefühl, als objektives Interesse den Sachwert bezeichnet. Das S e e v e r s i c h e r u n g s - R e c h t hat immer auf dem Standpunkt gestanden, daß Anm. 6 grundsätzlich das tautologisch sogenannte s u b j e k t i v e Interesse den Gegenstand der Versicherung bilde. So ζ. B. schon A H O 1731 II 3: „ W e r bey einem Schiffe oder Ladung weder directe noch indirecte Antheil hat, kann auch darauf keine Versicherung thun lassen, es wäre dann, daß er von einem dabey Interessirten dazu Ordre erhalten hätte", X I I I 2: „ . . . ein Assecurirter . . . soll . . . nicht nur die Verunglückung des Schiffs, sondern auch, daß er wirklich Interesse darinn gehabt . . . zu beweisen gehalten seyn" (vgl. dazu O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 354; daher auch ζ. B. un-
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§ 1 richtig K i s c h 3. 27, H G Z 1887. 127). Wie hier S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 1 A D S , H a g e n S V R 62. Anders das frühere Binnenversicherungsrecht. Hier vertrat wenigstens die Rechtsprechung einen Standpunkt, der im wesentlichen demjenigen entspricht, den die Vertreter der Lehre vom objektiven Interesse einnehmen. Danach galt nicht das Interesse als Gegenstand der Versicherung, sondern „die versicherte Sache selbst" (ζ. B. R G 35. 54, L Z 1909. 877, Gruchot 51. 1028, A P V 1903. 150, H G Z 1887. 126, 1889. 279, 1890. 95, 240, 1894. 101, vgl. auch H G Z 1897. 279, O A G Kiel SA 6 Nr. 180). Dies entspreche besser „der natürlichen Anschauung des Lebens" ( R G 35. 55, H G Z 1887. 127, 1889. 280; dagegen schon die frühere Rechtslehre, ζ. B. C o h n Versicherungsvertrag 4, D e r n b u r g PreußPrivR 5. Aufl. 2. 716, F ö r s t e r - E c c i u s PreußPrivR 7. Aufl. 2. 422, J. v. G i e r k e Versicherungsforderung 30, H e c k e r 94, L a b a n d Z H R 19. 644, L e w i s Versicherungsrecht 35, M a l s s Z H R 8. 369, 13. 418). M a n rechtfertigte damit die Auffassung, daß die Person des Interessenten und die Art des Interesses beim Vertragsschluß nicht offenbart zu werden brauchten, daher insbesondere Pfandgläubiger, Kommissionäre, Lagerhalter usw. ohne weiteres die Sache selbst versichern könnten (LZ 1907. 440, 1909. 877, SA 22 Nr. 290, A P V 1903. 150, 1907 II 99, H G Z 1887. 127, 1889. 279), und daß „die Versicherung ein Akzessorium des Eigentums an der versicherten Sache sei und mit letzterem auf jeden Erwerber übergehe" ( R G 5 . 3 1 9 ) . Dieser Standpunkt ist im V V G verlassen (vgl. ζ. B. B u r c h a r d L Z 1911. 329, C a h n 31, E h r e n b e r g Z f V W 1903.323, F i c k Grundbegriffe 21, H a g e n Z f V W 1907.21, K i s c h 3. 29, J. v. G i e r k e V S R II 179). M a n hat erkannt und anerkannt, daß die sog. „ O b j e k t i v i e r u n g d e s I n t e r e s s e s " im Grunde nichts anderes ist als die B e g r e n z u n g d e r H a f t u n g d e s V e r s i c h e r e r s (wie etwa derjenigen des Frachtführers, Verfrachters usw.) n a c h o b j e k t i v e n M e r k m a l e n . Damit sollten auch die aus jenem Standpunkt abgeleiteten Schlußfolgerungen aufgegeben werden (vgl. unten Anm. 14). Anm. 7
5. Übrigens gebraucht der Rechtsverkehr sonst den Ausdruck Interesse auch in anderer Bedeutung, in der Bedeutung der rechtlichen Bestimmung eines Gutes für menschliche Bedürfnisse, also in der Bedeutung eines subjektiven Rechts im privatrechtlichen, eines Rechtsguts im strafrechtlichen Sinne, oder auch in der Bedeutung von Schaden (vgl. ζ. B. BGB §§ 122, 307, D e g e n k o l b AfcPr 76. 1) oder in der Bedeutung von Vorteil, Wert, Grund oder Anlaß (vgl. ζ. B. BGB §§ 280, 286, 343, 486, 542, 634, 683, 745, 809, 810, 824 usw.). Diese Bedeutungen kommen für das Versicherungsrecht nicht in Betracht (vgl. auch oben Anm. 4). Anm. 8 6. Die Beziehung zur Sache, das Interesse, kann von jeder beliebigen A r t sein. Das Interesse kann durch das Eigentum an der Sache vermittelt sein oder durch sonstige dingliche Rechte an der Sache (ζ. B. Pfandrecht, Nutzungsrecht) oder durch obligatorische Ansprüche auf die Sache (ζ. B. Kauf, Miete) oder durch obligatorische Ansprüche wegen der Sache (ζ. B. auf Fracht oder Schiffsmiete, auf Provision für die Vermittlung der Geschäfte des erwarteten Schiffes, auf Lagergeld für die Einlagerung der erwarteten Güter) oder auch nur durch die bloß wirtschaftlich sicher begründete Erwartung von Vorteilen aus der Sache (ζ. B. durch die auf Erfahrung und Ü b u n g gegründete Erwartung vorteilhafter Verwertung oder Ausnutzung oder Behandlung des Schiffes oder der Güter); vgl. K i s c h 3. 61; anscheinend e n g e r A r n o u l d 281 s. 3 1 1 : the expectation of benefit to arise from some subject in which the party insuring is not actually interested, but only expects to be interested, is the mere expectation of an expectation, and is not an insurable interest (vgl. aber auch unten Anm. 57). Es genügt, daß der Versicherte stands in any legal or equitable relation to the adventure or to any insurable property at risk therein, in consequence of which he may benefit by the safety or due arrival of insurable property, or may be prejudiced by its loss, or by damage thereto, or by the detention thereof, or may incur liability in respect
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thereof (MIA § 5 Abs. 2). Vgl. ζ. Β. die Fälle K i e r u l f f 3. 387 (Versicherung des von § 1 der Ankunft des Schiffes erwarteten Ewerführerlohns), H G Z 1883. 312, 1891. 24, 1892. 180, 1893. 59, 1894. 283 (Versicherung imaginären Schiffsgewinns), H G Z 1896. 309 (Versicherung des Schiffsmaklers bei begründeter Aussicht auf Kommission für Besorgung der Schiffsgeschäfte, Ausklarierungsgebühr und Provision für Frachtvermittlung), R O H G 15. 1 1 5 , H G Z 1897. 66 (Versicherung der vom Korrespondentreeder gezahlten Vorschüsse), H G B § 500 Abs. 2, R G 25. 79, H G Z 1897. 66 (Versicherung von Vorschüssen eines Mitreeders), R O H G 15. 119, HansOLG HansRGZ 1928 A 345 (Versicherung der Banken für Vorschußleistung), R G 25. 84, H G Z 1889. 263 (Versicherung von Vorschüssen durch den Vorschußempfänger, von „Vorschußforderungen nach ihrer passiven Seite", wenn die Vorschüsse im Hinblick auf die versicherte Reise und zur Deckung regelmäßiger Schiffsausgaben aufgenommen sind; richtiger: Versicherung des aus dem Schiffsbetrieb erwarteten, zur Deckung von Ausgaben bestimmten Gewinns), H G Z 1890. 302, 1891. 252 (Versicherung der vom Reeder selbst aufgewendeten Havariegelder; gegen V o i g t 14, 496; vgl. A r n o u l d 263 s. 297 über die Versicherung von sog. disbursements), J W 1889. 257, H G Z 1889. 244 (Versicherung von Vorschüssen dritter, die in der Erwartung der Befriedigung aus den nach Ankunft des Schiffes einzunehmenden Frachten gegeben sind), R G 47. 173, H G Z 1900. 176 (Versicherung des Interesses einer Werft an der glücklichen Ankunft des Schiffes wegen ihrer Reparaturforderung), ITVMitt 1919. 48 (Versicherung des von der Ankunft der Güter erwarteten Lagerverdienstes), R G 100. 92 (Versicherung des Gewinns, den man davon erwartet, daß neue Briefmarken für Liberia ankommen und der Versicherte dadurch berechtigt wird, solche Briefmarken abstempeln zu lassen und in den Verkehr zu bringen), HansOLG Hamburg Hansa 1964. 848 (Gewinnanwartschafts- und Sacherwerbsinteresse durch Weitertransport der Waren in dritte Hand). Insbesondere sind, soweit das Interesse durch eine Forderung vermittelt wird, „nur solche Forderungen versicherbar, zu deren Deckung nach den Anschauungen des Verkehrs ein den Gefahren der See anvertrauter Gegenstand ausschließlich oder doch zunächst bestimmt ist, welche also mit diesem Gegenstand in einem besonderen Zusammenhang (als Schiffsschulden, Pfandforderungen usw.) stehen und bei welchen eine persönliche Haftung des Schuldners entweder gar nicht eintritt oder doch erst in zweiter Linie in Betracht kommt, weil der Gläubiger seine Befriedigung zunächst aus der sog. fortune de mer des Schuldners erwarten darf und nicht so sehr mit Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des Schuldners im allgemeinen, als auf die ihm durch den, den Seegefahren anvertrauten, speziellen Vermögensstand gewährte Sicherheit kreditiert hat. Die Gefahr, um deren Übernahme es sich bei der Versicherung handelt, besteht mithin nicht in der Zahlungsfähigkeit des Schuldners überhaupt, sondern vielmehr in dem Verluste eines bestimmten, den Seegefahren ausgesetzten Deckungsmittels gerade für die konkrete Forderung" ( R O H G 15. 1 1 5 , H G Hamburg H H 615, H G Z 1889. 245, E h r e n b e r g 303, V o i g t 168). 7. Die Interessen sind nicht von gleicher wirtschaftlicher Bedeutung. Sie Anm. 9 sind aber von gleicher rechtlicher Bedeutung. Es ist daher unrichtig und irreführend, von einem Haupt- oder primären Interesse (Eigentümerinteresse) und anderen, sekundären Interessen zu sprechen (so z. B. M o l t 107, W e y g a n d 23). Man kann höchstens sagen, daß das Eigentümerinteresse regelmäßig wirtschaftlich das bedeutsamste Interesse (so auch J . v. G i e r k e V S R I I 182), das schutzbedürftigste Interesse und demgemäß am häufigsten versicherte Interesse ist, daß man es deshalb als Hauptinteresse bezeichnen mag und daß deshalb auch im Verkehr unter der Versicherung der „Sache" die Versicherung des Eigentümerinteresses verstanden wird (unten Anm. 33). Vgl. auch K i s c h 3. 83, der zwischen Inhaber-, Erwerbs-, Verwertungs-, Gebrauchs-, Gewinn- und Ersatzinteressen unterscheidet, eine Unterscheidung, die jedenfalls insofern
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§ 1 bedenklich ist, als sie für den im Rechtsverkehr althergebrachten und mit einem bestimmten Begriff verbundenen Ausdruck „Eigentümerinteresse" die farbloseren und deshalb verleitlichen Ausdrücke „Inhaberinteresse" usw. verwendet. Siehe dazu kritisch auch P r ö l ß Vorbem. vor § 51 V V G Anm. 1. Anm. 10 8. Alle Interessen sind, ihrem Wesen nach, selbständig (vgl. ζ. B. G i e r k e Versicherungsforderung 7, 30, ders. V S R I I 182, H a g e n Z f V W 1907. 24, L e n n e 68). Im übrigen verhalten sie sich zueinander verschieden. Teils sind sie einander gleichgültig (neutrale Interessen). Teils reagieren sie aufeinander (feindliche Interessen). Eigentümer und Pfandgläubiger können ζ. B. unbekümmert umeinander ihre Interessen versichern. (Uber Erlöschen der Versicherung des Pfandgläubigerinteresses beim Wegfall des Pfandrechts vgl. R G 104. 409 = H R Z 1923. 21). Insbesondere hat der Eigentümer dasselbe Interesse, wenn die Sache pfandbelastet ist, wie wenn sie es nicht ist (Prot. 3019, G e r h a r d 348, H a g e n Z f V W 1907. 24, Lenne 67, P r ö l ß Vorbem. 1 Β vor § 51 V V G , J . v. G i e r k e V S R I I 182 und Z H R 79. 374, M o l t 10, W e y g a n d 21, R G 8 3 . 169, R G H G Z 1891. 255; O A G Lübeck W u n d e r l i c h i - 3 3 5 ; a b w . E h r e n b e r g 312, Weiß 20; unrichtig auch H a g e n s H R Z 1919. 55: Das Eigentümerinteresse werde durch das Bestehen eines Pfandrechts beeinträchtigt, — daß das Eigentumsrecht durch das Pfandrecht beschränkt wird, ist für das Wesen und den Umfang des Interesses ebenso bedeutungslos wie die Tatsache, daß es regelmäßig unzweckmäßig, Prämienverschwendung ist, wenn Eigentümer sowohl wie Pfandgläubiger versichern). Anders schon, wenn hinter dem Pfandrecht keine persönliche Haftung steht (vgl. R G 83. 166, P r ö l ß Anm. 1 Β vor § 51 V V G , anders J . v. G i e r k e V S R I I 180). Soweit das Schiff für eine Bodmereiforderung haftet, hat der Reeder kein Eigentümerinteresse. Verläuft die Unternehmung glücklich, muß er die Bodmereischuld bezahlen. Verläuft sie unglücklich, ist er frei. Die Interessen des Eigentümers und des Bodmereigläubigers sind einander feindlich. Das erstere wird um das letztere geschmälert ( R G 7. 13, R G H G Z 1891. 254) oder doch verändert, nämlich in einen Schwebezustand gebracht. Der einfachste Beispielfall der Interessenschmälerung ist der Fall nur teilweiser Rechtszuständigkeit. Steht die versicherte Sache mehreren nach Bruchteilen zu, so steht ihnen auch das Interesse nach Bruchteilen zu, schmälern sich die mehreren Interessen gegenseitig bruchteilweise. Das Interesse kann aber auch in anderer Weise geteilt sein. So in dem oben angeführten Falle der Belastung des Schiffes mit einer Bodmereischuld. Stößt das versicherte Schiff mit einem anderen Schiffe zusammen, so fällt, soweit die Schadenshaftung reicht, das versicherte Interesse weg (so richtig die im übrigen bedenkliche Entscheidung R G 83. 168, vgl. § 28 Anm.). Das Interesse des Eigentümers und dasjenige des Kollisionsgläubigers sind einander feindlich. Das Interesse des Eigentümers wird durch dasjenige des Kollisionsgläubigers geschmälert oder doch verändert, nämlich in einen Schwebezustand gebracht, durch den Wegfall der Haftung bedingt. Zahlt der Eigentümer die Kollisionsschuld (im Falle der Verbodmung die Bodmereischuld), so fällt die Haftung, fällt die Bedingung weg. Das volle Eigentümerinteresse tritt wieder hervor. Geht das Schiff nunmehr total verloren, so kann der Versicherungsnehmer nach Totalverlust-Grundsätzen die Versicherungssumme verlangen. — Wenn Verkäufer und Käufer eines Schiffes vereinbaren, daß ein Teil des Kaufpreises nicht bezahlt zu werden braucht, falls das Schiff binnen drei Monaten nach dem Verkauf verlorengeht, hat der Verkäufer insoweit noch ein Interesse am Schiff; das Interesse des Käufers ist um ebensoviel geschmälert (Reed v. C o l e 1764 bei A r n o u l d 309 s. 339; vgl. jedoch auch Hobbs v. Hannam bei A r n o u l d 328 s. 361). — Wenn der Eigentümer die Sache v e r k a u f t u n d ü b e r g e b e n hat, hat der Käufer ein Eigentümerinteresse. Aber der Kauf kann gegebenenfalls rückgängig gemacht werden oder sich als nichtig herausstellen. Dann würde ein Schaden den Verkäufer treffen. Deshalb hat auch der
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Verkäufer noch eine Beziehung zur Sache, ein Interesse, das dasjenige des Käufers § 1 schmälert (wenn auch in anderer Weise, als im Falle der Verbodmung usw.). Nach englisch-amerikanischen und romanischen Rechten (Sale of Goods Act 1893 §§ 20, 32, C. civil Art. 1 1 3 8 , 1583, 1585, C. de com. Art. 100, niederländ. B G B Art. 95—97 usw.) geht das Eigentum an der gekauften Sache regelmäßig mit dem Vertragsschluß, beim K a u f einer Gattungssache spätestens mit der Ubergabe, insbesondere der Ubergabe an den Beförderer über. Der K ä u f e r hat von diesem Zeitpunkt an das Eigentümerinteresse. Aber der Verkäufer hat nach diesem Zeitpunkt auch noch eine Beziehung zur Sache, ein Interesse. Denn ehe der Kaufpreis nicht gezahlt und Rückgängigmachung des K a u f s nicht mehr zu besorgen ist, hat er keine Ruhe. Wäre dieses, sein Interesse unversichert, so würde er, wenn die Sache von einem Unfall betroffen würde und der K ä u f e r den K a u f rückgängigmachen dürfte und rückgängigmachen würde, oder der Verkäufer von seinem right of stoppage in transitu Gebrauch zu machen Anlaß hätte, den Schaden selbst tragen müssen. N a c h §§ 446, 447 B G B geht mit der Ubergabe der Kaufsache an den K ä u f e r oder den Beförderer (noch nicht das Eigentum, wohl aber) die Gefahr über. Der K ä u f e r hat von diesem Zeitpunkt an das E i g e n t ü m e r i n t e r e s s e (Prot. 3058, 3 1 1 8 , 3564, 3637, 3640, H a g e n s H R Z 1 9 1 9 . 52, 54, L e o H R Z 1918. 379, M ö l l e r Cif-Geschäft und Versicherung, 1932. 1 8 1 , S c h l e g e l b e r g e r S V R A n m . 3 zu § 1 A D S , H a n s O L G H a n s R G Z 1930 Β 435 = Sasse Nr. 406, K G J R P V 1933. 172 = Sasse Nr. 428, R O H G 14. 130, R G 74. 126, R G H G Z 1891. 1 1 9 , H G Z 1890. 267, O L G Dresden S A 22 Nr. 290). Denn das Eigentümerinteresse ist nur eine kurze Bezeichnung für das gewöhnliche Interesse eines Eigentümers und für die Interessen, die ihm gleichen, für das Interesse, wie es unter gewöhnlichen Umständen ein Eigentümer hat. Allerdings muß der K ä u f e r die Gefahr auch wirklich tragen ( M ö l l e r a. a. O., S c h l e g e l b e r g e r a. a. O.) Der V e r k ä u f e r hat aber a u c h n o c h eine Beziehung zur Sache, ein I n t e r e s s e (insoweit ungenau R O H G 14. 1 3 0 ; auch sonst, ζ. B. von C a h n nicht genügend berücksichtigt; vgl. R G 1 1 8 . 254 = J R P V 1928. 1 1 9 ) , denn der K a u f kann sich vielleicht als nichtig herausstellen oder rückgängig gemacht werden (s. auch H a n s O L G H a n s R G Z 193g Β 89 = Sasse Nr. 4 5 1 ; vgl. kritisch M ö l l e r , Cif-Geschäft und Versicherung I58f.). Dann fällt der Schaden dem Verkäufer zur Last. O b das Gesetz (wie in England usw.) das Eigentum (und damit zugleich die Gefahr) mit der Abladung auf den K ä u f e r übergehen läßt, oder ob es (wie in Deutschland) nur die Gefahr mit der Abladung übergehen läßt, muß natürlich für die Frage nach dem Interesse ohne Bedeutung sein (unrichtig also R G 23. 86: das Interesse des Verkäufers bleibe trotz Gefahrübergangs „qualitativ dasselbe"; richtig dagegen: R O H G 14. 132). M a n mag in solchen Fällen schwebender Interessen von einem „aktuellen", „prinzipalen", „zweifellosen", „unbedingten" oder „gewissen" Interesse des Käufers, von einem eventuellen, zweifelhaften, bedingten oder ungewissen des Verkäufers sprechen (so mit Recht R O H G 14. 1 3 2 u. R G 13. 99, H a g e n s H R Z 1919. 49, S i e v e k i n g 7, 1 5 ; vgl. auch R G 23. 85, H G Z 1888. 244, 1893. 257, L G Hamburg H G Z 1898. 122). Viel ist mit solchen Kunstausdrücken nicht gewonnen, viel dagegen verloren, wenn sie zum Angelpunkt gewagter Konstruktionen gemacht werden. Es bleibt lediglich bei dem, was M I A § 7 Abs. 1 ausdrücklich ausspricht: Auch schwebende Interessen sind versicherbar, a defeasible interest is unsurable, as also is a contingent interest. M a n denke dabei insbesondere an die Fälle einer Veräußerung der Sache unter aufschiebender oder auflösender Bedingung, mit Rücktritts-, Rückkaufs- oder Vorkaufsrecht oder ähnliches und den dadurch herbeigeführten Schwebezustand (vgl. auch Κ is c h 3. go, der jedoch infolge der Einführung der ungeläufigen Ausdrücke und Begriffe „Inhaberinteresse" und „Sacherwerbsinteresse" zu Mißverständnissen Anlaß gibt, aucha. a. O. 3. 99).
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§ 1 9. Dem Wesen des Versicherungsvertrags widerstrebt es nicht, fremde Interessen, Anm. 11 die Interessen eines anderen zu versichern. Dies darf freilich nicht so geschehen, daß dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall eine Entschädigung zu zahlen ist, die nicht zum Ausgleich des Schadens bestimmt ist. Das wäre Wettassekuranz. Wohl aber so, daß der Interessent, der versichert sein soll, unmittelbar den Entschädigungsanspruch erhält (gewöhnliche Versicherung für fremde Rechnung), oder so, daß zwar der Interessent nicht unmittelbar den Entschädigungsanspruch erhält, der Versicherungsnehmer aber, nach seinem Verhältnis zum Interessenten diesem die Entschädigung zur Ausgleichung des Schadens herausgeben muß (s. H a n s O L G Hamburg Hansa 1964. 848 zu der Frage, ob es möglich ist, durch entsprechende Ausgestaltung des Vertrages dem Versicherten das Recht zu verleihen, seinerseits und an seiner Stelle einen anderen Interesseträger als Versicherten zu bestimmen). Aber es versteht sich von selbst, daß der Versicherer im allgemeinen wissen muß, ob eigenes oder fremdes Interesse auf dem Spiele steht, ob die Beziehung zur Sache vom Versicherungsnehmer oder (auch) von einem anderen gepflegt wird. Deshalb müssen die Parteien darüber einig sein, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll, und soll, wenn sie sich darüber nicht aussprechen, es ohne weiteres so angesehen werden, wie wenn sie darüber einig wären, daß das Interesse des Versicherungsnehmers versichert sein soll (§ 52 Abs. 1). N i c h t als ob, wenn ein fremdes Interesse versichert werden soll, g e r a d e a u s d r ü c k l i c h „für fremde Rechnung" versichert werden müßte. Es genügt, daß man „nach dem aus der Berücksichtigung aller vorhandenen und vom Versicherer gewußten Umstände geschöpften Inhalt" des Vertrags darüber einig ist, daß ein fremdes Interesse versichert sein soll ( R G H G Z 1891. 251). Und wiederum nicht, als ob solche Einigkeit zum Wesen des Versicherungsvertrags gehörte. Der V e r s i c h e r e r k a n n darauf v e r z i c h t e n , z u e r f a h r e n , o b e i g e n e s o d e r f r e m d e s I n t e r e s s e versichert werden soll. Es kann dies „unbestimmt gelassen" werden (§ 52 Abs. 3). Aber die Parteien müssen eben dann doch wenigstens h i e r ü b e r e i n i g sein. Siehe R G 104. 409 = H R Z 1923. 21 über Unverbindlichkeit der Versicherung für fremde Rechnung, wenn der Versicherte zur Eingehung der Versicherung keinen Auftrag gab; eine nachträgliche Genehmigung ist bedeutungslos. Anm. 12
Anm. 13
Ebensowenig steht etwas entgegen, daß die V e r s i c h e r u n g e i n e s e i g e n e n u n d d i e e i n e s f r e m d e n I n t e r e s s e s durch einen und denselben Vertrag gedeckt werden. Aber natürlich muß v e r e i n b a r t werden, daß a u c h das fremde Interesse mitversichert sein soll; sonst „gilt die Versicherung als für Rechnung des Versicherungsnehmers genommen" (§ 52 Abs. 1), also nur als Versicherung des eigenen Interesses.
10. Diese klare, von R O H G 14. 122 und der Vorinstanz richtig erkannte Rechtslage ist vom R G bedenklich verwirrt worden (vgl. insbesondere R G 13. gg, 23. 81, 89. 34, 68, ferner R G 26. 217, 84. 410, H G Z 1888. 241, 1893. 253, 1916. 147, 269, 1917. 6, L G Hamburg H G Z 1898. 121, H a n s O L G H a n s R G Z 1929 Β 35 = Sasse Nr. 392, s. auch R G 118. 54; richtig dagegen ζ. B. R G H G Z 1919. 16 und für den Fall der Stundung des Kaufpreises H a n s O L G H a n s R G Z 1939 Β 89 = Sasse Nr. 451. Wie hier auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I 3 zu § 1 A D S ) . Anm. 14 Das R G hat dem Verkäufer trotz Gefahrübergangs die Versicherung des gewöhnlichen Eigentümerinteresses für e i g e n e Rechnung gestattet. Es würde damit, trotz aller Verwahrung gegen die Zulässigkeit der Versicherung des objektiven Interesses ( R G 89. 37), der „objektiven Anschauung" und „der Versicherbarkeit des objektiven Interesses Bahn gebrochen" haben (wie der Verfasser der Entscheidungen R G 89. 34, 68 in H R Z 1919. 55 selbst hervorhebt), ·— wenn nur nicht der Begriff des „objektiven Interesses" ein Widerspruch in sich selbst wäre (oben Anm. 5). Der Verkäufer soll sein eigenes (eventuelles) Interesse und das fremde (aktuelle) Interesse des Käufers durch eine
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Versicherung für eigene Rechnung decken können. Das ist ein Widersinn, dessen sich § 1 keine Rechtsordnung schuldig machen kann und wird, die auf die Unterscheidung der Versicherung für eigene Rechnung von der Versicherung f ü r fremde Rechnung Wert legt (zustimmend M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 163). Denn die Versicherung für eigene Rechnung ist die Versicherung eigenen Interesses und kann daher begriffsnotwendig keine Versicherung fremder Interessen sein. Deshalb fehlt es auch der „objektiven" Anschauung des R G an nicht weniger als jeder Art von juristischer Begründung. M a n hat dafür nur vorbringen können, daß das Eigentümerinteresse „ i n mehrfacher Hinsicht als formalisiert und objektiviert erscheine, indem dabei von den besonderen konkreten Beziehungen und Interessen des Versicherten abstrahiert" werde, so ζ. B. bei der Bestimmung des Versicherungswerts, der Versicherungssumme, der anteiligen Haftung für Beiträge, Aufopferungen und Kosten bei der Teilversicherung, der Haftung im Falle des Totalverlustes, der Zulassung eines Abzugs im Falle einer Rettung, des Ubergangs von Rechten auf den Versicherer, des Abandons usw. ( H a g e n s H R Z 1 9 1 9 . 53), — kurz bei der gesamten Regelung des Seeversicherungs-Rechts. V o n alledem ist nichts richtig. Die angeführten Vorschriften des Seeversicherungs-Rechts haben mit der „Formalisierung und Objektivierung" des Eigentümerinteresses (das Schlagwort findet sich übrigens schon ζ. B. bei H e c k e r 55), mit der „Abstrahierung von den konkreten Beziehungen und Interessen des Versicherten" nicht das geringste zu tun, sondern entspringen reineren und klareren Quellen. Richtiger wäre gewesen, das R G hätte sich vergegenwärtigt, daß die Vorschriften des V V G über die Veräußerung der versicherten Sache und über das Verhältnis der Eigenversicherung zur Fremdversicherung vom Standpunkt der „Objektivierung und Formalisierung" des Interesses aus ebenso unbegreiflich sind wie die Vorschriften des B G B über die Wirkungen der Versicherung zugunsten des Hypothekengläubigers und des Nießbrauchers ( K i s c h 3. 50 und J e h J 63. 377, 388, 394). Das R G nimmt in Anspruch, daß seine Lösung „einfach und klar", seine „einfache Konstruktion" in besonderem Maße „praktisch" sei. Daß es nicht einfach und nicht klar ist, wenn man eine Eigenversicherung in eine Fremdversicherung umkonstruiert, bedarf keiner Ausführung. Dem Urheber des V V G (und erst recht dem des H G B ) haben solche Konstruktionen fern gelegen: Bei der Eigenversicherung ist, „ w e n n der Versicherungsnehmer ein eigenes Interesse nicht nachzuweisen vermag, der Versicherer zur Zahlung nicht verpflichtet" (Begr. z. V V G § 80). Wie praktisch die Lösung ist, hat man sich offenbar nicht klar gemacht. Die Rechte aus dem Vertrag würden nach der „einfachen Konstruktion" das R G dem Verkäufer zustehen, in seine Konkursmasse fallen. E r allein könnte, ob im Besitz der Police oder nicht, über die Rechte verfügen. Der Versicherer könnte, auch nach Ubergang der Rechte auf den K ä u f e r , mit allen Forderungen gegen den Versicherungsnehmer aufrechnen. Für die vorvertragliche Anzeigepflicht und für alle sonstigen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag, insbesondere für die Schadenverhütungs- und die Schadenabwendungs-Pflicht, käme die Person des Käufers, solange dieser nicht die Güter und mit ihnen die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag erworben hat, nicht in Betracht. Hat auch der K ä u f e r Versicherung genommen, so würde wohl gar angenommen werden müssen, daß keine Doppelversicherung vorliegt, weil doch jede Versicherung eine Versicherung für eigene Rechnung ist und mithin ein eigenes Interesse deckt, — wenn das Reichsgericht nicht die Versicherung des eigenen Interesses zu einer Versicherung (auch) des fremden Interesses umgewendet hätte (vgl. hierzu S i e v e k i n g 7, der annimmt, daß nach dem Eigentumsübergang auf den K ä u f e r „ f ü r den K ä u f e r eine Doppelversicherung entstehe", und der K ä u f e r „alsdann gemäß § 788 H G B berechtigt sei, Herabsetzung der Versicherungssumme zu verlangen", aber auch, kaum damit verein-
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bar, daß „eine der beiden Versicherungen wegen Fehlens eines versicherbaren Interesses sich als ungültig herausstellen müsse"). I m Versicherungsfall würden nur die Rechte und Ersatzansprüche des Verkäufers, nicht auch die des Käufers auf den Versicherer übergehen, unter jenen Ersatzansprüchen aber wohl auch die Kaufpreisforderung gegen den K ä u f e r (was auch R G 23. 86 annimmt: „ A u c h bei einem Verkauf bleibt der Gegenstand der Versicherung f ü r den Verkäufer . . . qualitativ derselbe und tritt durch den Verkauf nur noch der . . . Anspruch an den K ä u f e r diesem Interesse hinzu, was nach Art. 808, 826 A D H G B ( = §§ 804, 822 H G B ) . . . nur zur Folge haben kann, daß der Versicherer nach Vergütung des Schadens in die Rechte des Versicherten eintritt"; ähnlich H G Z 1888. 245; widerspruchsvoll H G Z 1893. 258: Der Verkäufer müsse den Entschädigungsanspruch an den K ä u f e r abtreten, und ebendort 259: Vielleicht sei zuzugestehen, daß der Versicherer Abtretung der Kaufpreisforderung verlangen könne). So sieht die „praktische Lösung" des R G aus. Vgl. ferner insbesondere W e y g a n d 29, 102, 1 1 0 . Das R G war auf seinen Irrtum nachdrücklich hingewiesen (vgl. insbesondere Κ i s c h J e h J 63. 3 6 1 ) . Es hat die schweren rechtlichen und rechtspolitischen Bedenken, die sich gegen seine Auffassung richten, kurz abgetan: Es wolle „einer unzulässigen Versicherung des objektiven Interesses den Weg nicht eröffnen" ( R G 89. 37). Daß sich Wort und Wille des Gesetzes decken, daß man schon 1859 gefürchtet hat, die Rechtsprechung könne noch einmal auf Abwege geraten, und deshalb die Zugänge zu ihnen mühsam verbaut hat, macht keinen Eindruck. Damals schon rangen die Lehre vom sog. objektiven Interesse und die hier vertretene Anschauung um die Oberhand, und — die erstere unterlag. „ M a n könne (heißt es Prot. 3658) von der Voraussetzung ausgehen, daß sich der Versicherer verpflichtet habe, denjenigen zu entschädigen, welcher das versicherte Interesse als das seinige d a r t u n werde, und daß er diese Verpflichtung als eine unbedingte dem Nehmer gegenüber übernommen habe, sodaß er zahlen müsse, sobald jene Person auftrete und . . . die Genehmigung . . . des Nehmers erweise . . . Es stehe ihr aber eine a n d e r e entgegen. Sie beruhe auf der Unterstellung, daß die Versicherung für fremde Rechnung ohne Benennung des Versicherten nur wirksam sei, wenn der Nehmer das Interesse einer bestimmten Person . . . zu sichern bezwecke, daß dagegen ein Vertrag k e i n e r e c h t l i c h e G e l t u n g habe, durch welchen der Nehmer ohne alle Rücksicht auf die Person des Betheiligten n u r d a s o b j e k t i v e I n t e r e s s e unter Versicherung zu bringen beabsichtige, um es d e r Z u k u n f t z u ü b e r l a s s e n , w e r s p ä t e r a l s d e r B e t h e i l i g t e s i c h h e r a u s s t e l l e n w e r d e . Diese zweite Anschauung . . . werde . . . im Norden Deutschlands . . . zur alleinigen Richtschnur genommen. Es erkläre sich dies aus dem Bestreben der Versicherer, die wichtige Anzeigepflicht nicht auf die Person des Nehmers beschränkt zu sehen. Die . . . Beschlüsse der Versammlung beruhten auf der A n e r k e n n u n g d i e s e s z w e i t e n . . . P r i n z i p s . Das letztere führe aber notwendig dahin, daß . . . derjenige, welcher den Ersatz des Schadens beanspruche, den Nachweis führen müsse, daß er der Versicherte oder diejenige Person sei, deren Rechte der Nehmer habe wahrnehmen wollen". Gegenüber dem Versuch der Verwässerung des Interessebegriffs wurde ausgeführt, es dürfe nicht „eine der wichtigsten Fragen des Assekuranzrechts im Gesetze unentschieden bleiben, die Frage nämlich, ob es dem Versicherungsnehmer gestattet sein solle, auch o h n e eine desfallsige a u s d r ü c k l i c h e V e r a b r e d u n g mit dem Assekuradeur V e r s i c h e r u n g f ü r r e i n o b j e k t i v e I n t e r e s s e n zu nehmen. . . . V o r allem sei in Betracht zu ziehen, daß der Versicherungsnehmer, wenn er befugt wäre, ohne nähere desfallsige Abrede f ü r g a n z u n b e s t i m m t e P e r s o n e n und vielleicht auch f ü r u n b e s t i m m t e I n t e r e s s e n Versicherung zu nehmen . . ., eine S p e k u l a t i o n w ü r d e m a c h e n k ö n n e n , welche mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes nicht im
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Einklang zu stehen und auch im Verkehre nicht als zu Recht bestehend anerkannt § 1 zu werden scheine, wenn auch vielleicht in vielen Fällen die Versicherung unter der Klausel „ f ü r Rechnung, wen es angeht" schließlich zu einem ähnlichen Resultate führen könnte, wie eine Versicherung der in Rede stehenden Art. Keine Gesetzgebung habe dergleichen Versicherungen bisher ausdrücklich anerkannt, und kein Schriftsteller von Bedeutung sich für dieselben ausgesprochen . . . Eine andere Auffassung erscheine auch p r a k t i s c h ä u ß e r s t b e d e n k l i c h . Eine Versicherung der in R e d e stehenden Art würde ein V e r t r a g m i t e i n e r p e r s o n a i n c e r t a , ein K o n trakt ohne Kontrahenten sein, und es wäre nicht abzusehen, wen die A n z e i g e p f l i c h t in solchen Fällen treffen solle; auch würde sie mit den Beschlüssen der Versammlung über den Abschluß der Versicherungen für fremde Rechnung n i c h t i m E i n k l a n g stehen. Ferner würde . . . die Frage, was bezüglich allenfallsiger V e r s c h u l d u n g e n d e s V e r s i c h e r t e n und dgl. Rechtens sein solle, zu großen Verwicklungen führen. Es erscheine auch der Einwand, daß der Versicherer . . . nicht immer darauf rechnen könne, daß ihm nur der ursprüngliche Versicherte gegenüber stehe, nachdem die Übertragung der Versicherung bewilligt worden sei, nicht als begründet, denn bei einer Übertragung der Versicherung müßten die Anzeigepflicht und die aus dem Verschulden des Versicherten usw. herrührenden Rechtsverhältnisse fortwährend nach der Person des ersten Versicherten beurteilt werden. . . . W o l l e der Versicherer sich in der Weise verpflichten . . ., daß derjenige der Versicherte sein solle, welcher den Schaden leiden werde, so sei nichts dagegen zu erinnern . . . " . Aber die „ f r a g lichen Versicherungen seien im Verkehre e n t b e h r l i c h und die Versicherer darauf sich einzulassen bis jetzt gänzlich abgeneigt". N a c h Erwiderungen des Vertreters der reichsgerichtlichen Auffassung wurde diese mit 8 gegen 2 Stimmen a b g e l e h n t . M a n hat sich endlich auf d a s e n g l i s c h e R e c h t berufen. Z w a r nicht dafür, daß eigene und fremde Interessen durch eine Versicherung für eigene Rechnung gedeckt werden können, sondern nur dafür, daß •—• der „ V e r k ä u f e r , solange das Eigentum nicht übergegangen ist, ein insurable interest" hat ( H a g e n s H R Z 1 9 1 9 . 56), was niemand bestreitet; der Verkäufer kann es sogar noch nach dem Eigentumsübergang haben. Der Standpunkt des englischen Rechts ist jedoch in der T a t ein anderer als der des deutschen Rechts (so übrigens ζ. B. schon N i z z e N A f H R 1. 4 1 7 ) . Aber dieser Unterschied kann natürlich nicht darin bestehen, daß das englische Recht schlechtweg die Fremdversicherung unter der Maske der Eigenversicherung zuließe. Das deutsche Recht hat an dem Grundsatz festgehalten, daß „jedes versicherbare Interesse einen besonderen Vertragsgegenstand bildet", „ d e r Versicherer über das Interesse, dessen Sicherstellung beabsichtigt wird, in Gewißheit gebracht werden m u ß " (Prot. 3054, 3 1 1 1 , 3 1 3 1 , 3 6 1 7 , 3630, 4 2 3 1 , L e w i s Versicherungsrecht 45, 47, R O H G 14. 1 3 3 ) . D a s I n t e r e s s e m u ß r i c h t i g , d. h. so b e z e i c h n e t w e r d e n , daß der Versicherer erkennen kann, um welche Beziehung zur Sache es sich handelt, sonst ist „die Versicherung f ü r den Versicherer nicht verbindlich" (§ 1 Abs. 3). Daß der Versicherer auch das richtige Interesse gedeckt haben würde, ist ohne Bedeutung ( R O H G 20. 1 3 1 ) . Erst die Einigung über das Interesse setzt die Parteien, insbesondere den Versicherer, in den Stand, die Größe der Gefahr richtig zu schätzen und danach die Prämie zuverlässig zu bemessen. Die P a r t e i e n k ö n n e n zwar auch von einer Einigung über das Interesse absehen und es der Aufhellung im Versicherungsfall überlassen, welches Interesse auf dem Spiele gestanden hat. Aber das bedarf dann eben besonderer V e r e i n b a r u n g (§ 1 2 0 : Versicherung „ f ü r behaltene A n k u n f t " oder „ f ü r behaltene F a h r t " , sog. V e r s i c h e r u n g u n b e n a n n t e r I n t e r e s s e n , auch kurz „ I n t e r e s s e n v e r s i c h e r u n g " genannt). Anders das englische Recht, das, überdies mißverstanden, v o m R G an die Stelle des deutschen Rechtes gesetzt wird. Allerdings:
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§ 1 The subject-matter insured must be designated in a marine policy with reasonable certainty (MIA § 26 Abs. 1). Aber nur the subject-matter. The nature and extent of the interest of the assured in the subject-matter insured need not be specified in the policy (MIA § 26 Abs. 2). Der Pfandgläubiger kann „das Schiff" versichern (Irving v. Richardson 1831 bei A r n o u l d 270 s. 302), der Mitreeder „die Fracht" (Rising v. Burnett 1798 bei A r n o u l d aaO), der nur zu 7/io a n den Gütern Beteiligte „die Güter" (Carruthers v. Shedden 1 8 1 5 bei A r n o u l d 271 s. 303), der Spediteur „die Güter" (Crowley ν. Cohen 1832 bei A r n o u l d 270 s. 302), j a sogar der Versicherer „die Güter" (Mackenzie v. Whitworth 1875 bei A r n o u l d 270 s. 302). Where the policy designates the subject-matter insured in general terms, it shall be construed to apply to the interest intended by the assured to be covered (MIA § 26 Abs. 3). Den sich daraus ergebenden Bedenken hat man sich nicht verschlossen. Regard shall be had to any usage regulating the designation of the subject-matter insured (MIA § 26 Abs. 4). Nach solchem Handelsgebrauch müssen ζ. Β. respondentia und bottomry loans besonders angegeben werden ( A r n o u l d 260 s. 294, 316 s. 346). Auch sonst scheint man es seit längerem mit der Bezeichnung des Interesses ernster zu nehmen. Als eine Lagerhausgesellschaft Güter „gegen Totalverlust, wenn das Schiff, gleichviel aus welchem Grunde, den in der Police genannten Bestimmungsort nicht erreicht", versichert hatte, um gegen den Verlust des von der Ankunft der Güter erwarteten Verdienstes gedeckt zu sein, wurde die Klage auf Entschädigung abgewiesen, weil, „wenn der Versicherte ein besonderes und ungewöhnliches Risiko im Sinne hatte, das er kannte, der Versicherer aber nicht, das Risiko nicht dadurch gedeckt wird, daß die Police allgemeine Bestimmungen enthält, die an sich weitreichend genug sind, um je nach der Auslegung das betreffende Risiko decken zu können" (ITVMitt 1919. 48). Aber gleichwohl: In der Regel genügt die allgemeine Bezeichnung des Gegenstandes, um alle Interessen zu decken, die auf den Gegenstand Bezug haben, und die der Versicherungsnehmer gedeckt wissen wollte. Dazu kommt ein zweites. Lloyd's Police bestimmt seit Alters: BE I T K N O W N , that John Bull as well in his own name as for and in the name and names of all and every other person or persons to whom the same (der versicherte Gegenstand) doth, may, or shall appertain, in part or in all doth make assurance and cause himself and them, and every of them, to be insured . . . (MIA Schedule 1). Man hat sich daran gewöhnt, die Versicherung im Zweifel als Versicherung für Rechnung, wen es angeht, anzusehen, und bekennt sich mithin zu einem Grundsatz, der demjenigen des deutschen Rechts (§ 52 Abs. 1) gerade entgegengesetzt ist. Voraussetzung ist nur, daß die Police enthält the name of the assured, or of some person who effects the insurance on his behalf (MIA § 23). Auch a mortgagee, consignee, or other person having an interest in the subject-matter insured may insure on behalf and for the benefit of other persons interested as well as for his own benefit (MIA § 14 Abs. 2; vgl. auch § 52 Anm.). Das englische Recht (vgl. auch HansOLG Hamburg Sasse Nr. 465) steht auf einem ähnlichen Standpunkt wie das frühere deutsche Binnenversicherungsrecht, nach dem („im Gegensatz zum Seeversicherungsrecht") die Sache selbst als versichert angesehen wurde (z. B. R G 35. 48: Die Feuerversicherung des Lagerhalters deckt ohne weiteres das Eigentümerinteresse des Kunden, O L G Hamburg L Z 1909. 877, sehr weitgehend: Einbruchsversicherung deckt auch das Eigentümerinteresse des Hinterlegers), wenngleich man sich nicht verhehlte: there is a distinction between the subject insured and the subject-matter of insurance (Rayner v. Preston 1881 bei C h a l m e r s 6). Diese Grundsätze des englischen Rechts hat das R G auf das deutsche Recht, obwohl dieses sie ausdrücklich ablehnt, aufgepfropft. Es hat auch dabei noch fehlgegriffen. Denn der Gedanke ist natürlich auch dem englischen Rechte unbekannt,
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daß eine ausdrücklich f ü r eigene Rechnung genommene Versicherung, also die ausdrückliche Versicherung eines eigenen Interesses, ein fremdes Interesse deckt. Der Pfandgläubiger kann für eigene Rechnung „ d i e G ü t e r " versichern. Aber gedeckt ist dann nur das durch sein Pfandrecht vermittelte Interesse (Irving v. Richardson 1 8 3 1 bei A r n o u l d 270 s. 302). A party who has only a special interest in goods may recover on a general insurance, aber nur in respect of that interest (Palmer v. Pratt 1824 bei A r n o u l d 271 s. 303). Eine Versicherung nur des Eigeninteresses deckt kein Fremdinteresse. Die Versicherung des beim Verkäufer gebliebenen, rudimentären Eigentümerinteresses deckt nicht ohne weiteres das Interesse des Käufers. Freilich ist die Frage von keiner großen Bedeutung, weil j a nach Lloyd's Police die Versicherung als für Rechnung, wen es angeht, genommen gilt. Wenn der Verkäufer die Güter versichert, und das ganze, zwischen ihm und dem K ä u f e r geteilte, Eigentümerinteresse gedeckt wissen will, ist auch das Interesse des Käufers versichert. Der Gegenstand wird daher auch im wesentlichen vom Gesichtspunkt der Interessenzuständigkeit behandelt. Dabei ist daran zu erinnern, daß das englische Recht Eigentum und Gefahrübergang an den Kaufabschluß, bei Gattungssachen an die Verschiffung knüpft, wenn nichts anderes vereinbart ist. Therefore, in general, if under a contract of sale the property in sea-borne goods does not vest in the buyer until arrival, he has no insurable interest in them during the transit. If, however, by the contract, the goods are to be at his risk during the voyage, he has an insurable interest in them during the same. Similarly, the parties may agree that the property in goods shall vest in the buyer at the time of shipment; but that the goods shall be at the seller's risk during the transit, or that the price shall not be paid unless they arrive safely. Obviously the seller has an insurable interest in this case ( A r n o u l d 3 i o f . S. 340). It would be contrary to the principles on which an insurable interest depends if a seller who had parted with the property and possession could insure the goods ( A r n o u l d 3 1 4 s. 343). Das Gesetz selbst hebt hervor: Where the buyer of goods has insured them, he has an insurable interest, notwithstanding that he might, at his election, have rejected the goods, or have treated them as at the seller's risk, by reason of the latter's delay in making delivery or otherwise ( M I A § 7 Abs. 2). Der K ä u f e r , der die Gefahr trägt, hat ein versicherbares Interesse, obgleich er den K a u f rückgängigmachen kann. He has an actual interest, defeasible only at his own option. Suppose A buys by sample, to be shipped from abroad, and insures them. Goods which are inferior to sample are shipped, and then partially sea-damaged on the voyage. A may accept the goods, and claim on the policy. If A rejects the goods, presumably he could not claim on the policy; but could he assign the policy to the seller, and then reject to goods? Probably not; but various complications may be suggested which still wait decision ( C h a l m e r s 15). M a n hat dem R G vorgeworfen, daß es die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, (richtiger: die Versicherung für fremde Rechnung) überflüssig mache ( C h r i s t o p h H G Z 1 9 1 7 . 149)· In der Hauptsache mit Recht. H a g e n s ( H R Z 1 9 1 9 . 56) wendet ein, daß doch die laufende Police die Aufgabe sowohl eigener wie fremder Interessen gestatte (die Versicherung für fremde Rechnung also doch noch einen gewissen Nutzen habe). Aber nach seiner Ansicht können j a mit eigenen auch fremde Interessen als eigene deklariert werden, und reine Fremd Versicherungen sind selten. Η a g e η s glaubt schließlich, daß die Fremdversicherung von Nutzen sei wegen der „Möglichkeit, daß im voraus abzuladende Waren versichert werden, bei denen noch nicht feststeht, ob nicht schon bei der Abladung das Eigentumsinteresse des Verkäufers infolge endgültiger Bezahlung oder Eigentumsübertragung gänzlich erloschen sein w i r d " . Diese „Möglichkeit" ist wenig wahrscheinlich. Jedenfalls aber bedarf es der Fremdversicherung nicht. Der Verkäufer nimmt Eigenversicherung und läßt nach den Vorschriften über 5
R i t t e r - A b r a h a m , Scevcfsichcrung Bd. I
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Unschätzbare Interessen
§ 1 die Veräußerung versicherter Sachen die Versicherung auf den Käufer übergehen (§ 41 Anm.). Nun wäre es freilich schlimm, wenn der die Gefahr tragende Käufer sein Eigentümerinteresse, der Verkäufer seinen Interessenrest, wenn der Cif-Verkäufer zum Teil eigenes, zum Teil fremdes Interesse besonders unter Versicherung bringen müßte. Das ist j a aber auch nicht der Fall. Der Kaufmann hat, „praktischer" als der Jurist und früher als dieser, die Zwiespältigkeit der Interessen beim K a u f erkannt oder gefühlt und durch die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, vorgesorgt ( C h r i s t o p h H G Z 1917. 147)· Where different interests are concerned it is common practice, as Blackburn, J., points out, for the broker to enter into the policy in his own name „ b u t on behalf of and to protect the interests of different constituents" ( C h a l m e r s 34). Demgemäß war auch in allen vom R G behandelten Fällen Versicherung für Rechnung, wen es angeht, genommen. Wenn das R G sich gleichwohl mit der Frage befaßt hat, ob die Versicherung für eigene Rechnung auch ein fremdes Interesse decke, so beruht dies nur darauf, daß nach § 5 Abs. 1 A S V B ( = H G B § 782 Abs. 1) die Versicherung für fremde Rechnung nur verbindlich war, wenn der Versicherungsnehmer Auftrag hatte, Versicherung zu nehmen, oder den Mangel des Auftrags angezeigt hatte, und der Versicherer in jenen Fällen beides bestritt. Nur mittelst der Konstruktion der Versicherung eines fremden Interesses für eigene Rechnung glaubte das R G die Situation retten zu können (übrigens ohne Grund; denn es handelte sich bei den vom Reichsgericht behandelten Fällen nicht nur um Versicherungen für fremde Rechnung, sondern auch um laufende Versicherungen, und bei laufenden Versicherungen kann der Auftragsmangel gar nicht angezeigt werden und braucht er deshalb auch nicht angezeigt zu werden; § 49 Anm.). Diese Rechtsprechung hat zur Folge gehabt, daß die Gültigkeit der Versicherung für fremde Rechnung nicht mehr davon abhängig ist, daß der Versicherte Auftrag erteilt hat oder der Auftragsmangel angezeigt ist. So die A D S in Übereinstimmung mit dem V V G ; § 782 H G B ist durch G. vom 30. M a i 1908 gestrichen.
Unschätzbare Interessen Anm. 15
11. Das Interesse muß ,,in Geld schätzbar" sein, um versichert werden zu können (vgl. C. de com. Art. 334: estimable äprix d'argent). Das ergibt sich schon aus dem Begriffe der Schadensversicherung als eines auf Schadensersatz gerichteten Verhältnisses und daraus, daß Ersatz von Schaden, der nicht „Vermögensschaden" ist, nicht verlangt werden kann (BGB § 253). Nicht, als ob man sich nicht den Ersatz eines in Geld nicht schätzbaren („moralischen" oder „idealen") Schadens ausbedingen könnte. Nichts steht im Wege, daß der Frachtführer sich gegen Entgelt verpflichtet, für den Verlust eines Familienbildes, das keinen Geldwert, für die Familienangehörigen aber einen um so größeren „ A f f e k t i o n s w e r t " hat, Geld („Schmerzensgeld") zu zahlen. Deshalb kann sich auch jeder andere so verpflichten. Aber solche Verträge sind keine Versicherungsverträge. Auch nicht, wenn sie sich als solche ausgeben. Sind sich in diesem Falle „Versicherer" und „Versicherungsnehmer" bewußt, daß nicht Vermögensschaden, sondern ein anderer Schaden ersetzt werden soll, so ist der Versicherungsvertrag nur der das wirkliche Geschäft verdeckende Vertrag, und die für das verdeckte Geschäft geltenden Vorschriften sind anzuwenden, nicht versicherungsrechtliche Grundsätze (wenigstens nicht, soweit sie nicht zulässigerweise vereinbart sind). Weiß der Versicherer dagegen nicht, daß nicht Vermögensschaden, sondern ein anderer Schaden ersetzt werden soll, so fehlt der „Versicherung" eine ihrer wesentlichen Voraussetzungen, die Möglichkeit eines Vermögensschadens; die Versicherung ist unwirksam (§ 5 Anm. 5; abw., anscheinend allein, G e r h a r d 230: Auch der bloße Affektionswert, dessen Verlust
Erlaubte Interessen
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kein Vermögensschaden sei, sei, wie § 253 BGB ergebe, der Abschätzung in Geld § 1 zugänglich, — eine petitio principii). Wenn jemand aus Familienrücksichten ein Porträt von Franz Hals, das 100000 wert ist, für 150000 kauft und für 150000 versichert, ist die Versicherung nur für 100000 wirksam; im übrigen ist sie unwirksam, hat sie „keine rechtliche Geltung" (HGB § 786 Abs. 2, vgl. dazu Begr. z. V V G § 55; abw. v. G e y e r Z f V W 1912. 7 1 1 ; schwankend F i c k Grundbegriffe 50: für den Käufer wirksam, für seine Erben unwirksam). Ob Vermögensschaden entstehen kann, das Interesse „in Geld schätzbar" ist, ist T a t f r a g e . Nach Ansicht des Aufsichtsamts für Privatversicherung (APV 1912. 9, 138, auch 1926. 1646b; vgl. auch R G 73. 66, P r ö l ß Anm. 2 zu § 52 V V G ) ist der sog. o b j e k t i v e L i e b h a b e r w e r t versicherbar, d. h. „der Wert, den ein bestimmter, wenn auch enger, Kreis von Personen aus besonderen Gründen beweglichen Sachen — ζ. B. Briefmarken, Autogrammen, Gegenständen, die früher im Besitz berühmter Personen waren, — beimißt, und deren Wert wegen des, wenn auch engen, Marktes, den diese Sachen immerhin haben, von sachkundigen Personen ermittelt werden kann"). Anders dagegen der sog. s u b j e k t i v e L i e b h a b e r w e r t (reiner Affektionswert), d. h. „die auf rein persönlichen Beziehungen eines Einzelnen beruhende Wertschätzung einer Sache" (APV a. a. O.). Vgl. hierzu insbesondere E h r e n b e r g 297, F i c k Grundbegriffe 49, v. G e y e r Z f V W 1912. 7 1 1 , H e c k e r 8, H o p p e Z f V W 1907.549, P e t e r s e n Z f V W 1914. 283. Dabei ist nicht immer gehörig unterschieden zwischen dem Werte, der v e r s i c h e r b a r , und dem Werte, der im einzelnen Falle v e r s i c h e r t ist. Ein bestimmter Wert kann versicherbar, aber nicht versichert sein. Versicherbar ist insbesondere nicht nur der Wert, den eine Sache gleichmäßig für alle oder gleichmäßig für einen bestimmten Kreis von Personen hat, sondern auch der bloß subjektive Wert, der wirtschaftliche Wert, den die Sache nur für eine einzige Person hat (ζ. B. ein vom Eigentümer erfundenes, nur für ihn, für ihn aber mit wirtschaftlichem Vorteil, verwendbares Werkzeug). Versichert ist aber dieser besondere Wert im Zweifel nicht; auch dann nicht, wenn der Versicherungswert taxiert ist (wie G e r h a r d 230 meint). Er muß besonders versichert werden ( K i s c h 3. 70). Versicherbar und gegebenenfalls zum subjektiven wirtschaftlichen Wert versichert sind also auch ζ. B. Stammbäume, Testamente, Vertragsurkunden, Wechsel, Zeugnisse, Manuskripte ( K i s c h 3. 72). Für die V e r s i c h e r u n g v o n „ K u n s t w e r k e n der Malerei, der Bildhauerei, von Zeichnungen, Stichen, Antiquitäten sowie allen sonstigen Gegenständen, die im Gegensatz zu einem wirklichen Handelswert einen vorherrschenden Kunst- oder Liebhaberwert haben", bestehen vielfach b e s o n d e r e B e d i n g u n g e n mit„Versicherungs-Höchstsummen" für den einzelnen Gegenstand, für den Inhalt einer Kiste, für einen Wagen, einen Eisenbahnzug, ein Flußschiff, ein Seeschiff. Erlaubte Interessen 12. Man sagt, das Interesse müsse ,,rechtlich erlaubt" (ζ. B. E h r e n b e r g 20, 299, Anm. 16 G e r h a r d 238), „erlaubt" (OLG Rostock L Z 1920. 309), „rechtlich", „berechtigt", „legal" (ζ. B. Prot. 2979, 3004, H G Z 1896. 310), „versicherungswürdig" sein ( F i c k Grundbegriffe 42). Damit ist verschiedenes ausgedrückt (vgl. auch K i s c h 2. 96, 3. 53 und ArchBürgR 40. 1, der zwischen Unversicherbarkeit des Interesses und Unversicherbarkeit der Gefahr oder der gefährdeten Unternehmung unterscheidet). a) Versicherungsverträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind Anm. 17 nichtig (BGB § 134). Es gibt nur ein eindeutiges gesetzliches Verbot: Die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft kann nicht versichert werden (HGB § 780). Die Schiffsbesatzung sollte nicht durch die Versicherung der Heuer veranlaßt werden, 5·
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§ 1 die Verteidigung des Schiffes und der Ladung zu versäumen (Begr. z. PreußE 330, Prot. 3005). Dieser Zweck war begreiflich, solange die Heuerforderung von der Rettung des Schiffes abhing (freight the mother of wages). Der Zweck ist nicht mehr verständlich, seitdem der Reeder für die Heuer unbeschränkt haftet. Das Verbot hat daher auch seine praktische Bedeutung verloren (Begr. ζ. Ε igio § 1). Es wird sich deshalb auch nicht auf Grund Art. 30 EGzBGB gegenüber dem ausländischen Rechte durchsetzen können, das etwa nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts das Versicherungsverhältnis beherrscht und die Versicherung der Heuerforderung gestattet (vgl. auch K i s c h 2. 104, 3. 57, A r n o u l d 261 s. 295, Pardessus 6 Art. 1492). Aber es besteht darum doch noch. Denn cessante ratione legis non cessat lex ipsa. Die Heuerforderung kann nicht versichert werden, mag sie nach Zeit- oder Reiseabschnitten oder für die ganze Reise bemessen sein (RG HGZ 1891. 154). Ebenso früher in England: A r n o u l d aaO; jetzt gilt MIA § 1 1 : The master or any member of the crew of a ship has an insurable interest in respect of his wages. — Nicht verboten ist die Versicherung des der Schiffsbesatzung zustehenden Anteils an Fracht oder sonstigem Gewinn (§ 30 Abs. 1 SeemG, Prot. 3005, R G HGZ 1891. 154). Ebensowenig die Versicherung von Seemannseffekten oder sonstigen von der Schiffsbesatzung mitgenommenen Gütern (RG HGZ 1891. 154). Ebensowenig die Versicherung der Heuer durch den Reeder (vgl. § 70 Abs. 1, HGZ 1884. 156; aber natürlich nicht für Rechnung der Besatzung: Ο AG Lübeck HambS 2. 629). Ebensowenig die Versicherung des Unternehmergewinns derjenigen, die das Schiff nach einem anderen Orte zu überführen übernehmen, mit Einschluß (richtiger: unter Berücksichtigung) der Heuer (RG HGZ 1891. 155). § 134 BGB könnte weiter in Betracht kommen bei der Versicherung von Waren, deren Ausfuhr nach deutschem Recht verboten ist, und des sie befördernden Schiffes (so S c h l e g e l b e r g e r SVR Vorbem. Bern. 2; siehe dazu auch K G J R P V 1930. 208 = Sasse Nr. 408, wo bei Anwendung deutschen Rechts die Anwendung des § 134 BGB auf ein ausländisches Verbot abgelehnt wurde). Doch betrifft das Verbot hier nur die Ausfuhr, nicht die Versicherung. Der versicherungsrechtliche Tatbestand fällt unter § 138 BGB. Vgl. dazu Anm. 18. Siehe wegen § 21 des Außenwirtschaftsgesetzes, nach welchem Rechtsgeschäfte über Schiffskasko-, Schiffshaftpflicht-, Transport- und Luftfahrtversicherungen zwischen Gebietsansässigen und Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem fremden Wirtschaftsgebiet, in dem gebietsansässige Unternehmen dieser Versicherungszweige in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert werden, beschränkt werden können: Vorbem. Anm. 80. — Nicht verboten ist insbesondere die Versicherung der Versicherungskosten (ausdrücklich MIA § 13: The assured has an insurable interest in the charges of any insurance which he may effect, C. de comm. Art. 334: Toute personne interessee peut faire assurer. . . le cout de l'assurance, für die Rückversicherung besonders Art. 342). Nach § 26 ASVB „kann" zwar bei der Bodmereigelder-Versicherung die Versicherungsprämie nicht versichert werden. Das ist aber kein Verbot, sondern nur eine Erklärung, die darin ihren Grund hat, daß die Versicherungsprämie bei der Bodmereigelder-Versicherung in jedem Falle verloren und uneinbringlich ist, dem Vertrag also kein Interesse zugrunde liegen würde (Begr. ζ. Ε igio § 69, vgl. auch Prot. 311 o). Dasselbe kann bei anderen Versicherungen der Fall sein, ist ζ. B. bei der Rückversicherung der Fall (§ 2 Anm. 25). Ebenso bei der Gewinn- und der Frachtversicherung (Begr. ζ. Ε igio § 69). Es ist aber nicht allgemein der Fall. Insbesondere erwartet der Kaskoversicherte, daß die Versicherungskosten im Schiffsbetrieb, der Güterversicherte, daß sie aus der Verwertung der Güter wiedereingebracht werden. Näheres: § 2 Anm. 25, § 70 Anm., § 90 Anm., § 100 Anm., § 107 Anm., § 110 Anm. — Ein (später außer Kraft getretenes) englisches Gesetz von 1797 (38 Geo. 3 c. 76) erklärte Versicherungen für unwirksam und die Prämie für verfallen, wenn das Schiff nicht unter Convoy fuhr. — Uber
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frühere Verbote der Versicherung von imaginärem Gewinn und Fracht: unten § 1 Anm. 47, 62, 85. b) Versicherungsverträge, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind Anm. 18 nichtig (BGB § 138). Ein Verstoß gegen die guten Sitten wird sich aus der A r t des I n t e r e s s e s selten ergeben (Prot. 3004; etwa im Falle der Versicherung von Schmugglergewinn oder der Versicherung von Schmiergeldern, insbesondere sog. Retourkommissionen, d. h. der Provision, die der die Ausrüstung des Schiffes besorgende Schiffsmakler vom Lieferanten erhält: H G Z 1896. 3 1 1 ) . Eher aus der A r t d e r v e r s i c h e r t e n U n t e r n e h m u n g , mag diese gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßen. Die Versicherung darf nicht dazu benutzt werden, Unternehmungen, die gegen Gesetz oder gute Sitten verstoßen, zu schützen. Wird sie doch dazu benutzt, so ist es dieser Z w e c k , der den Vertrag in Gegensatz zur allgemeinen Sittenanschauung bringt und deshalb nichtig macht. Die Versicherung von Schiffen oder Gütern, die zum Schmuggel bestimmt sind, wäre danach ungültig (vgl. R G 42. 295, 56. 180: Spedition zum Schmuggel bestimmter Güter, 96. 282). Ebenso die Versicherung von Waren oder Wertpapieren, deren Aus- oder Einfuhr verboten ist, oder von Waren, die zu strafbaren Handlungen benutzt werden sollen oder wegen ihrer Gefährlichkeit nicht befördert werden dürfen. — Ob ein Versicherungsvertrag, der sich auf eine g e g e n a u s w ä r t i g e (insbesondere Zoll-, Steuer-, Ausfuhr- oder Einfuhr-) G e s e t z e v e r s t o ß e n d e U n t e r n e h m u n g bezieht, gegen die guten Sitten verstößt und deshalb nach § 138 BGB nichtig ist, ist Tatfrage. Bei Verstoß gegen ausländische Zollgesetze haben anschließend an R G 42. 297 und 96. 282 Nichtigkeit angenommen HansOLG H G Z 22. 807, 25. 5 1 , 162, 855, L G Berlin J R P V 1929. 207 = Sasse Nr. 714, L G Hamburg Sasse Nr. 704. R G J W 1931. 928 hat Nichtigkeit angenommen, wenn das Einfuhrverbot aus gesundheitlichen Gründen ergangen ist. Gültigkeit ist bejaht worden von HansOLG H G Z 1925 Nr. 14 = H R Z 1925. 193 = J R P V 1925. 1 1 2 = Sasse Nr. 327, HansRGZ 1928 Β 5 = Sasse Nr. 375. Vgl. R G 1 1 5 . 97 = H G Z J927 Nr. 15 = J R P V 1927. 25 = J W 1927. 790 (Anm. H a g e n ) = A P V 1928. 44 = Sasse Nr. 21. HansOLG Hamburg VersR 1964. 848 stellt es als zweifelhaft hin, ob bei Verstoß des Umsatzgeschäfts gegen lediglich handelspolitischen Zwecken dienenden Ein- und Ausfuhrbeschränkungen die an dieses Geschäft anknüpfenden Interessen als nicht versicherbar im Sinne des § 2 Abs. 3 A D S bezeichnet werden müssen. Diese Zweifel bestünden schon deswegen, weil Verträge, die nach deutschem Recht zu beurteilen seien, nicht gemäß § 134 BGB für nichtig gehalten würden, wenn sie gegen ausländische Ein- oder Ausfuhrverbote verstießen, sofern es sich dabei nicht um solche der Volkshygiene handle ( R G J W 1927. 2288, S o e r g e l - S i e b e r t Anm. 7 zu § 134, W o l f f , Das internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. 69). Siehe dagegen BGH Hansa 1962. 1805 = VersR 1962. 659 = M D R 1962. 719 u. 888 (Anm. Sieg) = NJW 1962. 1436 = Sasse Nr. 69. In dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ausfuhrbeschränkung der U S A aus strategischen Gründen. Verbote derartiger Art haben ein ganz anderes Gewicht als solche, die lediglich aus kommerziellen Erwägungen geschaffen worden sind. Deshalb sind sie bei Kenntnis beider Parteien nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Unternehmung kann auch im höchsten Grade den guten Sitten entsprechen, so etwa, wenn es sich um die Einfuhr von Lebens- oder Kriegsmitteln in Zeiten der Not handelt. Im übrigen wird sie regelmäßig gegen die guten Sitten verstoßen. Vgl. R G 42. 297: „Gewerbsmäßiger, gegen einen befreundeten Staat im Grenzbezirk betriebener Schmuggel ist wegen der hiermit verbundenen, in höchstem Grade demoralisierenden Wirkungen für unsittlich zu erachten, und Verträge, die seine Ausführung oder Beförderung unmittelbar zum Gegenstand haben, fallen unter die Bestimmung des § 138 B G B " . Ebenso J u r . Fakultät Göttingen und O A G Celle SA 1 Nr. 196. Anders ζ. T. das Ausland, insbesondere England:
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One nation does not take notice of the revenue laws of another (Planche v. Fletcher 1779). K i s c h 2. 105 und V o i g t 7 haben sich der englischen Auffassung angeschlossen; Deutschlands „eigenes Interesse an der Freiheit seines Handels müsse vorgehen" (vgl. auch Prot. 3001, P r e u ß A L R II 8 1955: „Sind Waaren und Güter, welche wider die Landesgesetze aus-, ein-, oder durchgeführt werden sollen, versichert: so ist der Versicherer aller Vortheile aus dem Vertrage verlustig", auch PreußE Art. 603: Die Gefahren „dürfen nicht durch ein Verbotsgesetz herbeigeführt" sein und dazu Mot. 330; vgl. ferner O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 334, A G Hamburg H G Z 1884. 147). Ist es der Zweck, der das Geschäft unsittlich macht, so muß den Parteien natürlich b e w u ß t sein, worum es geht, mögen sie sich auch, auf dem Boden einer anderen Sittenanschauung stehend als die Allgemeinheit, der Sittenwidrigkeit selbst nicht bewußt sein. Der Versicherungsvertrag ist also nur dann unsittlich und nichtig, wenn beide, Versicherungsnehmer und Versicherer, sich bewußt sind, von welcher Art die versicherte Unternehmung ist, daß sie danach gegen Gesetz oder gute Sitten verstößt. Verstößt die versicherte Unternehmung gegen Gesetz oder gute Sitten, ohne daß dies beiden Parteien bekannt ist, so ist der Vertrag nicht nach § 138 BGB nichtig. Aber nur every l a w f u l marine adventure may be the subject of a contract of marine insurance ( M I A § 3). Und there is an implied warranty that the adventure insured i s a l a w f u l one, and that, so far the assured can control the matter, the adventure shall be carried out in a l a w f u l manner ( M I A § 41). Diese Grundsätze haben vor der gesetzlichen Regelung in England gegolten (näheres unten Anm. 20) und müssen auch, wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach, neben den deutschen Versicherungsgesetzen gelten (vgl. K G H R Z 1921.812: „ D e r Versicherungsnehmer könne nicht aus einem verbotenen und strafbaren T u n Rechte erwarten gegen den Versicherer"). Sie ergeben sich aus der Natur der Sache. Denn man kann nicht annehmen, daß der Versicherer eine gesetz- oder sittenwidrige Unternehmung hat schützen und mithin einen nichtigen Vertrag hat schließen wollen, und muß also annehmen, daß er nur einen gültigen Vertrag hat schließen wollen und mithin einen solchen, der sich auf eine Unternehmung bezieht, bei welcher gefahrerhebliche Umstände, wie sie mit jeder gesetz- oder sittenwidrigen Unternehmung verbunden sind, keine Rolle spielen. Hieraus folgt nicht, daß der Vertrag als nicht geschlossen zu behandeln ist (vgl. auch BGB §§ 306, 307). Der Fall gleicht dem, daß die versicherte Unternehmung tatsächlich keinem Versicherungsschaden ausgesetzt ist, daß „die Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls ausgeschlossen ist" (vgl. K i s c h 2. 107, 3. 58). Wie dieser Fall (§ 5 Anm. 5), so ist auch unser Fall gleich dem dritten Falle zu behandeln, daß das versicherte Interesse fehlt. Das Interesse fehlt nicht. Aber es ist n i c h t „ v er sic h e r b a r " . Der Vertrag ist also u n w i r k s a m (§ 2 Abs. 1). Aber der Versicherer erhält (natürlich nur, wenn nicht auch er den Grund der Unwirksamkeit kennt und der Vertrag demgemäß nicht nach § 138 BGB nichtig ist) die Prämie oder doch die Ristornogebühr (§ 2 Abs. 2, § 3). Nimmt die versicherte Unternehmung zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn den Charakter einer gegen Gesetz oder gute Sitten verstoßenden an, so erhält der Versicherer die Ristornogebühr (§ 4 Abs. 1). Nimmt sie diesen Charakter nach dem Beginn der Versicherung an, so erhält der Versicherer die Prämie (§ 4 Abs. 2). O b der Versicherungsnehmer sich der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit seiner Unternehmung bewußt ist, ist ohne Bedeutung (vgl. oben). Aber natürlich muß er den Sachverhalt kennen, der die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit begründet; sonst kann von einer gesetz- oder sittenwidrigen Unternehmung nicht gesprochen werden (vgl. auch §60 Anm., § 121 Anm.). Wenn der Kaskoversicherte gesetzwidrig auf Deck verlädt oder das Schiff ohne Ausklarierungs- oder ohne Passagierzertifikat fahren läßt, ist die Versicherung unwirksam; geschieht es ohne sein Wissen, so ist
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sie wirksam (vgl einerseits Cunard v. Hyde 1859, Dudgeon v. Pembroke 1874, anderer- § 1 seits Wilson v. Rankin 1865 bei A r n o u l d 703 s. 748, W h i t e 22). Es bedarf also keiner besonderen Bestimmung gleich derjenigen des englischen Rechts (vgl. auch M I A § 84) oder derjenigen des P r e u ß A L R I I S. 1953 ( „ J e d e künftige Gefahr, die nicht mit verbotenen Handlungen verknüpft ist, kann versichert werden", vgl. auch Prot. 2986, 3 0 0 1 ; über den Fall nur vorübergehender Unversicherbarkeit: K i s c h 3. 60). 13. Insbesondere i m K r i e g e würde jeder Versicherunsgvertrag gegen die guten Anm. Sitten verstoßen und nach § 138 B G B nichtig sein, der unmittelbar oder mittelbar (ζ. B. durch Rückversicherung) Unternehmungen zugunsten des Feindes schützt (vgl. P r e u ß A L R I I 8. 1 9 5 9 — 1 9 6 1 ) , ζ. B. Versicherungsverträge, welche Güter schützen, die der Versichererstaat f ü r Konterbande erklärt hat, oder Schiffe, die eine vom Versichererstaat verhängte Blockade brechen sollen. Ebenso jeder Versicherungsvertrag, der Unternehmungen zu Ungunsten des eigenen Landes schützt, ζ. B. ein Versicherungsvertrag, der die verbotene Ausfuhr von Nahrungsmitteln deckt. Natürlich nur, wenn der Versicherer um den Charakter der Unternehmung weiß. I m anderen Falle wäre oder würde die Versicherung nach den §§ 2—4 unwirksam. Insbesondere werden also vor Ausbruch des Krieges genommene Versicherungen unwirksam, wenn die Versicherung zur Stärkung der Wehr- oder Wirtschaftskraft des Feindes dienen würde, — auch soweit nicht schon allgemeine Handels-, insbesondere Zahlungsverbote die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags beeinträchtigen. Ahnlich, aber auf anderer Grundlage, K i s c h 2. 1 0 0 : Die Versicherung sei unwirksam, wenn das Unternehmen gegen die Interessen der deutschen Kriegsführung gerichtet sei, oder wenn sie Gefahren decke, die gerade durch Maßregeln der deutschen Kriegsführung herbeigeführt würden, einerlei, ob dies den Beteiligten bewußt oder unbewußt sei, ob das Unternehmen direkt oder indirekt geschützt werde, ob der Krieg schon bei Abschluß des Vertrags bestehe oder erst später ausbreche. Anders V o i g t 9: Es sei zu unterscheiden, ob der Handel mit dem Feinde verboten sei oder nicht. Vgl. über die Feindgesetzgebung in Großbritanien und Deutschland während des 2. Weltkrieges B r u c k - M ö l l e r Anm. 47 zu § 22 V V G , S c h w e n n H a n s R G Z 1940 A Sp. 139fr. ( 1 5 2 ) . Siehe über die Stellung und Behandlung ausländischer Versicherungsunternehmen während des Krieges D a n i e l H a n s R G Z 1940 A Sp. 1 1 5 fr. — U b e r die Folgen der Verletzung von Kriegsgesetzen dritter, mit einander kriegführender Staaten: oben Anm. 18. Solche Kriegsgesetze binden nicht. Ihre Übertretung ist regelmäßig auch kein Verstoß gegen die guten Sitten. Dies gilt insbesondere von Konterbande- und Blockadevorschriften. Unternehmungen Neutraler, die sie verletzen, verstoßen nicht gegen die guten Sitten; der Versicherungsnehmer ist aber zur Anzeige verpflichtet ( E h r e n b e r g 3 2 1 , A r n o u l d 634 s. 668). — Die Auffassung, daß Versicherungen feindlicher Unternehmungen unwirksam seien, findet sich schon im Libro del consolat del mar (Ende des 14. J a h r h . ) und in L e Guidon de la mer (Ende des 16. J a h r h . ) . A m schärfsten hat das englische Recht sie ausgeprägt. Näheres darüber: unten Anm. 20; vgl. auch die oben A n m . 2 angeführte Literatur, N o l t e 1. 19, A . S i e v e k i n g H R Z 1 9 1 8 Beih. 109, 1 9 1 9 Beih. 1. 14. Der Grundsatz des e n g l i s c h e n Rechts, daß die versicherte Unternehmung A n m . legal sein und bleiben muß (oben A n m . 18), hat, natürlich mit Abwandlungen, von jeher gegolten. Where a voyage is illegal, an insurance upon it is invalid; for it would be singular if, the original contract being invalid and incapable to be enforced, a collateral contract founded upon it could be enforced (Tindal, C. J . , in Redmond v. Smith 1844 bei A r n o u l d 699 s. 742). Daraus entwickelte die Rechtsprechung die Sätze: a) that any illegality in the prior stages or at the outset of an integral voyage vitiates a policy, though effected only to protect some later stage of it on which there is no illegality,
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b) that an illegality in any part of an entire risk, or voyage insured, vitiates the insurance as to the whole of it, c) that the illegality of a wholly distinct and separate voyage can have no effect on the voyage described in the policy ( A r n o u l d 702 s. 746). Die Versicherung ist oder wird u n w i r k s a m . Der Versicherer kann im allgemeinen keine Prämie verlangen, braucht aber auch gezahlte Prämien nicht zurückzuzahlen, außer wenn der Versicherungsnehmer die Natur der Unternehmung zu erkennen außerstande war ( A r n o u l d 702 s. 747). J e d e Versicherung, insbesondere die S c h m u g g e l z u m b r i t i s c h e n N a c h t e i l deckt, ist unwirksam. (Vgl. L G H a m b u r g H G Z 1923 Nr. 62 = Sasse Nr. 701 zu der Frage, ob sich der deutsche Versicherer auf den englischen Rechtssatz, der den Handel mit dem Feind verbietet, berufen kann). Dagegen this country pays no attention to the revenue laws of another state (Lever v. Fletcher 1780 bei A r n o u l d 697 s. 739, vgl. oben A n m . 18; ebenso £ m e r i g o n ch. 8 s. 5, E s t r a n g i n Nr. 58, P a r d e s s u s 2 Nr. 590, 7 7 1 , V a l i n K o m m , zur Ord. de la mar. 3 V I 49, dagegen K e n t 3. 263, M a r s h a l l 1. 55, P o t h i e r Nr. 58, S t o r y Confl. of L a w s § 256). A b e r : Schiff und Güter sind der Gefahr der Beschlagnahme und Einziehung durch den fremden Staat ausgesetzt; der besondere Charakter der Unternehmung muß daher bei der Schließung des Vertrags a n g e z e i g t werden, und die Versicherung ist ohne solche Anzeige unwirksam. Der Umstand allein, daß im L a u f e der versicherten Unternehmung Gesetzwidrigkeiten vorkommen, macht die Versicherung nur dann unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer beim Vertragschluß darum wußte oder an den Gesetzwidrigkeiten teilnimmt ( M I A § 4 1 , A r n o u l d 703 s. 748); Gesetzwidrigkeiten der Schiffsbesatzungen sind barratry (Australasian Ins. Co. v. Jackson 1875 bei A r n o u l d 704 s. 748). Staatsverträge sind englische Gesetze, Unternehmungen, die dagegen verstoßen, nicht versicherbar ( A r n o u l d 704 s. 749). — I m Kriege ist das Ziel, dem Feinde jeden Nachteil zuzufügen und ihn jeden Vorteils zu berauben, insbesondere seinen Handel zu vernichten ( A r n o u l d 706 s. 7 5 1 ) . J e d e r H a n d e l m i t d e m F e i n d e (genauer: mit den Bewohnern des feindlichen Landes) ist (übrigens ebenso nach amerikanischer Auffassung) v e r b o t e n . Versicherungen durch und zugunsten von alien enemies sind wholly illegal and void. Alien enemies können nicht klagen. Auch vor Ausbruch des Krieges genommene Versicherungen von alien enemies sind unwirksam. Ist die Versicherung vor Ausbruch des Krieges genommen und der Versicherungsfall vor Ausbruch des Krieges eingetreten, so kann nach Kriegsende Entschädigung verlangt werden ( A r n o u l d 122 s. 139). Über den Begriff des alien enemy A r n o u l d 122 s. 144. U b e r die zielbewußte Weiterbildung dieses Begriffs im Ersten Weltkrieg: A. S i e v e k i n g H R Z 1 9 1 8 Beih. 1 1 2 , 1 9 1 9 Beih. 8. Uber die Versicherung von Unternehmungen, die gegen das Verbot des Handelns mit dem Feinde verstoßen, vgl. insbesondere A r n o u l d 706 s. 752. Zusammenfassend erklärt Lord Davey im Falle Janson v. Driefontein Cons. Mines 1901 (bei C h a l m e r s 1 3 7 ) : There are three rules, which are established in our common law. T h e first is that the King's subjects cannot trade with an alien enemy, i. e. a person owing allegiance to a Government at w a r with the king, without the king's license. Every contract made in violation of this principle is void, and goods which are the subject of such a contract are liable to confiscation. T h e second principle is a corollary from the first, but is also rested on distinct grounds of public policy. It is that no action can be maintained against an insurer of an enemy's goods or ships against capture by the British Government. One of the most effectual instruments of war ist the crippling of the enemy's commerce, and to permit such an insurance would be to relieve enemies from the loss they incur by the action of British arms, and would, therefore, be detrimental to the interests of the insurer's own country.
Interessen an Schiff oder Ladung
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The principle equally applies where the insurance is made previously to the commen- § 1 cement of hostilities, and was therefore legal in its inception, and whether the person claiming on the policy be a neutral or even a British subject, if the insurance be effected on behalf of an alien enemy. The third rule is that, if a loss has taken place before the commencement of hostilities, the right of action on a policy of insurance by which the goods lost were insured is suspended during the continuance of war and revives on the restoration of peace. Interessen an Schiff oder Ladung 15. Die Versicherung ist nach § 778 H G B Seeversicherung nur, wenn die Beziehung A n m zur Sache, das Interesse, eine Beziehung zu Schiff oder Ladung ist, die Versicherung sich auf S c h i f f o d e r L a d u n g bezieht. Das ist auch für die A D S nicht ohne Bedeutung. Zwar sind die A D S immer anzuwenden, wenn sie vereinbart, dem Vertrag zugrunde gelegt sind oder ihm, als allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherer, als zugrunde gelegt gelten müssen (Vorb. vor § 1 Anm. 9, 10), mag die Versicherung sich auf Schiff oder Ladung oder etwas anderes beziehen, mag die Versicherung Seeversicherung im Sinne des Gesetzes sein oder nicht. Aber die Anwendbarkeit der A D S ist beschränkt, wenn die Versicherung keine Seeversicherung im Sinne des Gesetzes ist. Denn nur auf die Seeversicherung sollen die Vorschriften des V V G keine Anwendung finden ( V V G § 186). Ist die Versicherung keine Seeversicherung, weil sie sich n i c h t auf Schiff oder Ladung bezieht, so können die A D S nur insoweit angewendet werden, als nicht z w i n g e n d e Vorschriften des V V G entgegenstehen. 16. Schiff. Den Begriff des Schiffes festzustellen, ist nicht nur deshalb nötig, weil A n m nur Versicherungen, die sich auf „ S c h i f f e " (oder Ladungen) beziehen, Seeversicherungen und als solche nach § 186 V V G den zwingenden Vorschriften des V V G nicht unterworfen sind. Es ist auch deshalb nötig, weil im einzelnen Falle zweifelhaft sein kann, ob die versicherte Sache ein Schiff ist und demnach Schiffsversicherungs-Grundsätze anzuwenden sind, oder ob sie zu den „ G ü t e r n " gehört und demnach Güterversicherungs-Grundsätze anzuwenden sind (für die Praxis freilich nicht erheblich, weil die Police kaum j e einen Zweifel darüber lassen wird, ob die Parteien die Versicherung, ζ. B. die Versicherung einer Docksektion, als Kasko- oder als Güterversicherung behandelt wissen wollen). Und es ist schließlich auch deshalb nötig, weil der Versicherer nach § 78 für den Schaden haftet, den der Versicherungsnehmer infolge des Zusammenstoßes des Schiffes mit einem anderen „Schiffe" ersetzen muß (für die Praxis freilich auch nicht erheblich, weil die sog. Kollisionsklausel üblich geworden ist, die den anderen „Schiffen" sonstige „schwimmende Gegenstände" gleichstellt; näheres hierüber: § 78 Anm.). Schiffe sind nach dem Sprachgebrauch s c h w i m m f ä h i g e H o h l k ö r p e r v o n A n m nicht u n b e d e u t e n d e r G r ö ß e , die f ä h i g und b e s t i m m t sind, auf oder unter dem Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder S a c h e n z u t r a g e n ( S c h a p s - A b r a h a m I. 227 Anm. 1, W ü s t e n d ö r f e r S H R 38, B G H NJW 1952. 1135 = Hansa 1952. 1502), also ζ. B. auch Bagger, Baggerschuten, zur Flußkorrektion verwendete Dampfschuten ( R G 34. 38, 51. 334, R G S t 20. 374, Bolze 23 Nr. 272, H G Z 1887. 19, 1893. 312, 1914. 295, O L G Hamburg SA 63 Nr. 187 u. H R Z 1921. 321, O P r G L Z 1917. 1191)1 Leichter ( R G 78. 178) oder andere Schleppschiffe, größere Fähren, zur Bewegung auf dem Wasser bestimmte Getreideheber ( H G Z 1914. 295), in einen Steven auslaufende Fischheger ( H G Z 1886. 10), aus Schiffskörpern gebildete Hebeeinrichtungen ( H G Z 1906. 190), Hebeprähme ( R G 55. 320, H G Z 19x4. 295). Keine Schiffe sind ζ. B. Boote und kleine Verbindungsfahrzeuge
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Interessen an Schiff oder Ladung
(JW 1896. 705, K G Recht 1910 Nr. 277, OPrG L Z 1916. 1259, 1917. 1 1 9 1 ) , schwimmende Badeanstalten (HGZ 1878.247), Caissons (HGZ 1 8 9 3 . 3 1 2 , 1914.295), schwimmende Leuchttürme (Wells v. Gas Float bei P a p p e n h e i m Handb. 2. 4), Flöße und ähnliche unförmige Körper (RGSt 20. 373), Schwimmdocks und Docksektionen ( R G 86. 430, H G Z 1914. 295, HansRGZ 1942 Β Nr. 36), Gasbojen, Pontons, Schießscheiben, Taucherglocken, Schiffbrücken, Wohnschiffe, Schiffe im Bau (Boyens Z H R 50. 98, S c h a p s - A b r a h a m l . 230 Anm. 9, P a p p e n h e i m Hdb 2.4; a. A.: Schiffseigenschaft nach dem Stapellauf W ü s t e n d ö r f e r H B 79f. u. S H R 39, auch Tatsachen und Normen des Seeschiffbaues, 1920. 6 i f . und H R Z 1 9 1 9 . 4 1 8 , B e n j a m i n H R Z 1919. 333; siehe aber auch unten Anm. 30), Wracks, die nicht mehr bergungsfähig sind (vgl. S c h a p s - A b r a h a m I. 229 Anm. 8 mit weiteren Angaben), Wasserflugzeuge und auf dem Wasser bewegbare Luftschiffe ( S c h a p s - A b r a h a m I. 229 Anm. 6). Dagegen ist die Schiffseigenschaft der Feuerschiffe wiederum zu bejahen (so S c h a p s A b r a h a m I. 228 Anm. 4, W ü s t e n d ö r f e r HB 78, R G 38. 86, 47. 193; a. A. die Vorauflage dieses Kommentars). •— Die Versicherung eines Schiffsneubaus ist also keine Seeversicherung im Sinne des Gesetzes (abw. S i e v e k i n g 4 ; vgl. aber auch unten Anm. 30). Anm. 24 Buch 4 H G B und damit insbesondere die §§ 778 ff. H G B finden nicht auf alle Schiffe Anwendung, sondern nur auf S e e - E r w e r b s s c h i f f e. Das Gesetz bestimmt es nicht ausdrücklich (überdie Entstehungsgeschichte des Gesetzes: P a p p e n h e i m Hdb 1,8). Man muß es aus der Überschrift des vierten Buches („Seehandel") und aus dem Umstand ableiten, daß das Gesetz in dem § 484 von dem „zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiff", in allen folgenden Vorschriften nur vom „Schiffe" spricht (vgl. auch H G B § 1 Abs. 2 Nr. 5, E G z H G B Art. 7, FlaggRG § 1, R G 47. 193). — Die A D S unterscheiden nicht. Sie sind immer anzuwenden, wenn sie dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt sind oder ihm, als allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherer, als zugrunde gelegt gelten müssen (Vorb. vor § 1 Anm. 9, 10). Aber es ist auch für ihre Anwendung nicht bedeutungslos, ob ein Schiff ein See-Erwerbsschiff ist, also ein Schiff, für das die Vorschriften des H G B über Seeversicherung gelten. Denn nur auf die Seeversicherung, also die im H G B geordnete Versicherung von S e e - E r w e r b s s c h i f f e n (und ihren Ladungen) sollen die Vorschriften des V V G keine Anwendung finden ( V V G § 186), und nur die Transportversicherung von G ü t e r n , n i c h t die S c h i f f s v e r s i c h e r u n g , ist v o n d e n im V V G bestimmten B e s c h r ä n k u n g e n d e r V e r t r a g s f r e i h e i t v e r s c h o n t ( V V G §§ 187 Abs. 1, 188). Auf die Versicherung seegehender Lustyachten ζ. B. würden daher die zwingenden Vorschriften des V V G anzuwenden sein. Aber das entspricht nicht der aus den §§ 129, 188 V V G erkennbaren und deshalb beachtlichen Auffassung des Gesetzurhebers. Wenn insbesondere § 188 V V G gestattet, die durch das V V G bestimmten Beschränkungen der Vertragsfreiheit für die „Versicherung von Schiffen gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt" im Verordnungswege außer Anwendung zu setzen, so kommt darin die Auffassung zum Ausdruck, daß es solcher Freistellung für die Versicherung von Schiffen gegen die Gefahren der Seeschiffahrt nicht bedarf. § 186 V V G bedeutet also: Die Vorschriften des V V G finden auf die V e r s i c h e r u n g von Schiffen ( i r g e n d w e l c h e n S c h i f f e n , See- oder Binnenschiffen, See-Erwerbsschiffen oder anderen Seeschiffen) g e g e n d i e G e f a h r e n d e r S e e s c h i f f a h r t keine Anwendung (vgl. auch V V G § 147 = A D S § 125, B o y e n s Seerecht 1. 86, E h r e n b e r g AssJB 22.6, G i e r k e Transportversicherung 475, S c h l e g e l b e r g e r S V R § 1 A D S I I 1, H a g e n S V R 72, HansOLG H a n s R G Z Β 5 1 5 = Sasse Nr. 412). — L ü c k e n bleiben im Gesetz gleichwohl. Nur auf die Versicherung von See-Erwerbsschiffen gegen die Gefahren der Seeschiffahrt finden die Vorschriften des H G B Anwendung. Nur auf die Versicherung von Schiffen (irgend-
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welchen Schiffen) gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt finden die Vorschriften § 1 der §§ 129 fr. V V G Anwendung. Auf die Versicherung von nicht zum Erwerb bestimmten Seeschiffen (ζ. B. seegehenden Lustyachten) und auf die Versicherung von Flußschiffen gegen die Gefahren der Seeschiffahrt (vgl. die Fälle R G 43. 1, R G H G Z 1913. 180, H G Z 1912. 235; siehe auch H a n s O L G H a n s R G Z 1930 Β 515 = Sasse Nr. 412) finden weder die Vorschriften des H G B noch die TransportversicherungsVorschriften des V V G Anwendung. Die Vorschriften des H G B finden auf Nichterwerbsschiffe nur im Rahmen des Art. 7 E G z H G B Anwendung (siehe dazu S c h a p s A b r a h a m I. 235 Anm. 16). Somit ist die analoge Anwendung des H G B auf die Versicherung anderer als See-Erwerbsschiffe ausgeschlossen. See-Erwerbsschiffe sind Schiffe, die „ z u m E r w e r b e d u r c h d i e S e e f a h r t b e - Anm. 25 s t i m m t " sind (HGB §474). Seefahrt ist Fahrt auf See (Gegensatz: Binnenschiffahrt, vgl. V V G §§ 129, 188, BSchG § 2, „Schiffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern' ' : BSschG § 1). Über den B e g r i f f d e r „ S e e " entscheidet seemännische Auffassung ( R G 13. 72: Maßgebend seien „die Gefahren einer eigentlichen Seereise und die Schwierigkeiten, welche aus einer solchen hinsichtlich der Aufsicht über das Schiff und der Einwirkung auf dasselbe für den Eigentümer erwachsen"; vgl. auch H G Z 1894. 124). Der Begriff der Seefahrt ist für das F l a g g R G durch § 1 der 3. D V O F l a g g R G = S c h a p s - A b r a h a m I. 348 besonders bestimmt. Diese Bestimmungen entsprechen in der Hauptsache der seemännischen Auffassung und können daher für diese als Anhaltspunkt dienen (vgl. S c h a p s - A b r a h a m I. 195 Anm. 4). — O b das Schiff u n m i t t e l b a r (durch seine bloße Fortbewegung) e r w e r b e n soll (ζ. B. Frachtschiff, Schlepper), oder ob die F o r t b e w e g u n g n u r M i t t e l z u m Z w e c k ist (Fischerfahrzeuge: R G 32. 105, Lotsenfahrzeuge: R G H G Z 1894. 250, Bergungsdampfer und Hebefahrzeuge: R G 55. 320, Bagger: oben Anm. 23, Kabelfahrzeuge, Eisbrecher: v. B a u m e r H R Z 1919. 446), gilt gleich ( S c h a p s - A b r a h a m I. 235 Anm. 16). — Das Schiff muß zum Erwerb durch Seefahrt dienen. Hierunter ist indessen nicht nur eine tatsächliche Verwendung im Einzelfall zu verstehen. Vielmehr beginnt das „ D i e n e n " bereits mit der Bestimmung zum Dienen, sofern nur die Verwendungsabsicht durch Handlungen äußerlich dargetan ist, ζ. B. durch Abschluß von Transportverträgen, Heuerung von Mannschaft, Bestellung von alsbald an Bord zu nehmenden Ausrüstungsgegenständen. Fehlt es an solchen äußeren Merkmalen, so genügt die bloße Absicht, das Schiff zum Erwerb durch Seefahrt zu verwenden, nicht ( S c h a p s - A b r a h a m II Anm. 3 zu §484 H G B ) . Auch Schiffe des Staates oder öffentlich-rechtlicher Korporationen können natürlich zum Erwerb durch Seefahrt dienen ( S c h a p s - A b r a h a m I. 235 Anm. 16; Lotsenfahrzeuge: R G H G Z 1894. 250, H G Z 1894.9, vgl. R G 39. 185, H G Z 1894. 123; Kanalfahrzeuge: R G 45. 163; Bugsierdampfer: L G Hamburg H G Z 1905. 15; nicht: Zollkreuzer: Bolze 17 Nr. 214, Staatsbagger: A p p G Kiel SchlHolstA 1876. 195, Marinetransport-Schiffe: O L G Kiel SA 38 Nr. 50). — Ist das Schiff sowohl zum Erwerb durch die Seefahrt wie zum Erwerb durch die Binnenschiffahrt bestimmt, so gilt es als See-Erwerbsschiff, es sei denn, daß der Erwerb durch die Seefahrt den Ausnahmefall bildet ( R G H G Z 1894. 251, H G Z 1914. 251; abw. H G Z 1902. 116, L G Hamburg H G Z 1903. 272; siehe zu der Frage kritisch S c h a p s - A b r a h a m I. 231 Anm. i t ) . 17. Ladung. Den Begriff der Ladung festzustellen ist nötig, weil nur Versiehe- Anm. 26 rungen, die sich auf „Schiff oder L a d u n g " beziehen, Seeversicherungen und als solche nach § 186 V V G den zwingenden Vorschriften des V V G nicht unterworfen sind (oben Anm. 29). Sie ist nötig, weil zweifelhaft sein kann, ob eine Sache zum Schiffe gehört und deshalb Schiffsversicherungs-Grundsätze anzuwenden, oder ob sie zur Ladung gehört und deshalb Güterversicherungs-Grundsätze anzuwenden sind (oben Anm. 21).
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§ 1 Und sie ist auch deshalb nötig, weil die Versicherung für Güter aller Art genommen sein kann (§§ 80, 97) und in solchen Fällen festgestellt werden muß, welche Gegenstände die Versicherung umfaßt (vgl. jedoch auch § 97 Anm.). Anm. 27 Der gesetzliche Begriff der Ladung ist kein einheitlicher. Jedenfalls hat der Ausdruck in der heutigen Handelsgesetz- und Handelsverkehrs-Sprache seine Bedeutung als Tätigkeitswort eingebüßt und an andere Ausdrücke (Beladung, Einladung, Verladung, Abladung, Laden) abgegeben (vgl. jedoch auch ζ. B. Z P O § 214). Im Sinne des Buch 4 H G B ist der Ausdruck g l e i c h b e d e u t e n d m i t G ü t e r n , die zur See, und zwar mit einem See-Erwerbsschiff (oben Anm. 24), befördert werden sollen (oder befördert werden sollten und befördert sind). Näheres G i e r k e Transportversicherung 476, P a p p e n h e i m Handb. 2. 322, S c h a p s - A b r a h a m II. 235 Anm. 1 zu § 535 HGB, Schiedsspruch L Z 1910. 7 1 3 und unten Anm. 38. Immerhin denkt man auch heute noch bei dem Ausdruck zunächst an Güter im S c h i f f e (vgl. R G 9. 161, H G Z 1883. 10, L G Hamburg H G Z 1882. 180). — Zur Ladung gehören natürlich auch Postsendungen ( R i t t e r L Z 1 9 1 1 . 8 9 , S c h a p s - A b r a h a m II. 235 Anm. 1 zu §535 HGB, H G Z 1 9 1 1 . 231). — Zur Ladung gehört dagegen ζ. B. nicht das Reisegut (unten Anm. 38). Noch weniger Ballast, Mundvorräte, Feuerungsmaterialien, Schiffsgelder, Seemannseffekten ( P a p p e n h e i m Handb. 2. 324, S c h a p s - A b r a h a m a . a . O . , Schiedsspruch L Z 1910. 7 1 3 ; abw. B o y e n s Seerecht 2. 546; vgl. R C P 1 7 : The term „goods" mean goods in the nature of merchandise, and does not include personal effects or provisions and stores for use on board). Andererseits bilden diese Gegenstände aber auch kein Zubehör des Schiffes (unten Anm. 36). Die Versicherung solcher Gegenstände wäre also, streng genommen, keine Seeversicherung und den zwingenden Vorschriften des V V G unterworfen. Aber schon hieraus ergibt sich, daß das Gesetz hier nicht streng genommen sein will. Es läßt im § 796 H G B selbst erkennen, daß die Schiffsausrüstung seeversichert werden kann. Anm. 28
18. Man wird also, zusammenfassend, unter „Schiff oder Ladung" das S c h i f f selbst u n d a l l e S a c h e n verstehen dürfen, d i e sich auf d e m S c h i f f e b e f i n d e n u n d d e n G e f a h r e n d e r S e e s c h i f f a h r t a u s g e s e t z t w e r d e n sollen oder sind (vgl. Prot. 3 1 3 1 : Ablehnung eines Antrags, anstelle von „Schiff oder Ladung" die Worte „eine Sache" zu setzen, weil „als die Sache, an welcher das versicherbare Interesse bestehen müsse, nichts anderes als Schiff oder Ladung denkbar sei"). Das Gesetz ist hier j a auch sonst ungenau. Die Seeversicherung kann sich auch auf beides, Schiff u n d Ladung, beziehen und bezieht sich ζ. B. bei der Frachtversicherung begrifflich auf beides. Sie kann sich auch nur m i t t e l b a r auf Schiff oder Ladung beziehen, so etwa bei der Versicherung von Forderungen, die durch Fracht- oder Überfahrtsgelder gedeckt sind. Und sie kann sich überhaupt nicht nur auf Schiff oder Ladung, sondern auch auf P e r s o n e n beziehen. So ζ. B. bei der Uberfahrtsgelder-Versicherung. Stirbt der Reisende vor Antritt der Reise, aber nach Beginn der Versicherung infolge eines dem Versicherer an sich zur Last fallenden Unfalls, so verliert der Reeder die Hälfte des Uberfahrtsgeldes (HGB §667 Abs. 1) und kann vom Versicherer Ersatz verlangen. Ist im Überfahrtsvertrag vereinbart, daß, wenn der Reisende stirbt, das Uberfahrtsgeld ganz oder teilweise nicht zu entrichten oder zurückzuerstatten ist, so verliert, wenn der Reisende nach Antritt der Reise infolge eines dem Versicherer an sich zur Last fallenden Unfalls stirbt, der Reeder gleichfalls das Uberfahrtsgeld ganz oder teilweise und kann vom Versicherer Ersatz verlangen (vgl. aber auch § 87 Anm., § 109 Anm.). Deshalb ist auch die Versicherung des Interesses, das jemand an der Ankunft einer Person mit einem bestimmten Schiffe hat, Seeversicherung (wenigstens, wenn der Versicherungsnehmer sich darauf beschränkt, für behaltene Ankunft des Schiffes mit der Person Versicherung zu nehmen; § 120, V o i g t 590).
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Dagegen wäre freilich die Versicherung des Interesses, das j e m a n d daran hat, daß eine § 1 andere Person überhaupt die Gefahren der Seeschiffahrt besteht, oder gar daran, daß er selbst sie besteht, keine Seeversicherung ( S i e v e k i n g 3).
Gefahren der Seeschiffahrt 19. Die Versicherung ist nach § 778 H G B Seeversicherung nur, wenn das Interesse Anm. 29 an der Überwindung von G e f a h r e n d e r S e e s c h i f f a h r t gedeckt ist. Das ist auch für die A D S nicht ohne Bedeutung. Freilich sind die A D S immer anzuwenden, wenn sie vereinbart, dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt sind oder ihm, als allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherer, als zugrunde gelegt gelten müssen (Vorb. vor § 1 A n m . 9, 10), mag ein Interesse an der Uberwindung von Gefahren der Seeschifffahrt oder ein Interesse an der Überwindung anderer Gefahren gedeckt sein. Aber die Anwendbarkeit der A D S ist beschränkt, wenn die Versicherung keine Seeversicherung im Sinne des Gesetzes ist. Denn nur auf die Seeversicherung sollen die Vorschriften des V V G keine Anwendung finden ( V V G § 186), und nur die Güterversicherung, nicht auch die Schiffsversicherung kann sich von den zwingenden Vorschriften des V V G freimachen ( V V G §§ 187 Abs. 1 , 188). 20. Gefahren der Seeschiffahrt sind nach dem Wortsinn G e f a h r e n , d i e m i t A n m . 30 d e r S c h i f f a h r t z u r S e e v e r b u n d e n sind (Gegensatz: Gefahren der Binnenschifffahrt, der Luftfahrt, der Landfahrt). Schiffahrt zur See ist dasselbe wie „ S e e f a h r t " (vgl. oben A n m . 25). Die Seefahrt muß die Fahrt eines See-Erwerbsschiffes (oder eines ihm gleichstehenden Schiffes) sein (vgl. oben Anm. 24, 25). Gefahren der Seeschiffahrt sind also die Gefahren, die m i t d e r S e e f a h r t des See-Erwerbsschiffes (oder seiner Ladung) v e r b u n d e n sind (vgl. auch R G 1 1 6 . 2 2 4 = H G Z 1927. Nr. 73 = J P R V 1927. 108 = J W 1927. 1359, 2306 (Anm. P a p p e n h e i m ) = A P V 1927. 268). Die Übernahme dieser Gefahren (und nur sie) ist Seeversicherung. Nicht als ob die Versicherung den Charakter einer Seeversicherung verlöre, wenn zusammen mit den Gefahren der Seefahrt des See-Erwerbsschiffes noch a n d e r e G e f a h r e n übernommen werden. Das H G B (§§816, 827, 828) setzt sogar als selbstverständlich voraus, daß der Seeversicherer gewisse Gefahren der Binnenschiffahrt und selbst der Landbeförderung trägt. Die mit der Abfahrt und Ankunft, mit dem Aufenthalt im Zwischenhafen verbundenen Gefahren sind regelmäßig Gefahren nicht der Seefahrt, sondern der Binnenfahrt. Die Versicherung ist auch, soweit sie diese Gefahren mit deckt, reine Seeversicherung, keine kombinierte Versicherung im Sinne des § 147 V V G , § 1 2 5 A D S (um dies kenntlich zu machen, sind die Worte „Gefahren der S e e " durch die Worte „ G e f a h r e n der Seeschiffahrt" ersetzt: Prot. 2976, 4 2 3 0 ; vgl. H G Z 1920. 289; schon die P r e u ß A H O 1766 bestimmte ausdrücklich, daß der Versicherer bei der Versicherung „ a u f Hin- und Herreise . . . auch vor die Gefahr des Stilliegens" hafte). Es genügt, daß die G e f a h r e n d e r S e e s c h i f f a h r t die H a u p t m a s s e bilden ( L Z 1909. 938, H G Z 1904. 261). Demnach könnte man nicht von einer Seeversicherung im Sinne des Gesetzes sprechen, wenn Güter für die Reise des Seeschiffs von H a m b u r g nach Cuxhaven versichert werden, oder wenn ein See-Erwerbsschiff für die Dauer seines Aufenthalts im Hafen versichert wird ( R G 89. 279, H G Z 1 9 1 6 . 247; vgl. auch A r n o u l d 506 s. 5 3 5 über port und harbour policies, Versicherung at port or ports, place or places in New Caledonia, Versicherung while at Leith), oder wenn Güter „lagernd in dem D. Mombassa im Londoner Hafen gegen Feuer-, Hafen- und Reviergefahr inklusive Kriegsrisiko" versichert werden ( R G H G Z 1 9 1 8 . 125, H G Z 1 9 1 7 . 205), oder wenn ein See-Erwerbsschiff für die Zeit seines Umbaus ( L Z 1909. 308) oder f ü r die Dauer seiner Ausbesserung ( H a n s O L G H G Z 1927 Hbl. Nr. 1 2 5 = H R Z 1927. 778 =
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§ 1 Sasse Nr. 374) oder für die Dauer seines Stapellaufs versichert wird. Die Rechtsprechung hat gleichwohl in den angeführten Entscheidungen keinen Anstand genommen, Versicherungen der bezeichneten Art als Seeversicherungen im Sinne des Gesetzes zu behandeln. M a n wird darin eine, verständiger Interessenabwägung Rechnung tragende, Ausdehnung des Gebiets der Seeversicherung erblicken müssen und als Grundsatz aufstellen dürfen, daß die Versicherung von U n t e r n e h m u n g e n , d i e m i t d e n j e n i g e n der Seeschiffahrt im engsten ö r t l i c h e n und w i r t s c h a f t l i c h e n Z u s a m m e n h a n g s t e h e n , nach den Regeln der Seeversicherung zu beurteilen ist. (Siehe in diesem Sinne auch HansOLG HansRGZ ig2g Β 243 = Sasse Nr. 394: Laufende Versicherung von Schiffsbauten; Anmeldung der Bauten bei Kielstreckung oder Stapellauf; Begriff der Kielstreckung). Dem entspricht auch die Entwicklung im Ausland. Where a ship in course of building, or the launch of a ship, or any adventure analogous to a marine adventure, is covered by a policy in the form of a marine policy, the provisions of this Act, in so far as applicable, shall apply thereto (MIA § 2 Abs. 2, wenn auch mit der Einschränkung: but, except as by this section provided, nothing in this Act shall alter or affect any rule of law applicable to any contract of insurance other than a contract of marine insurance as by this Act defined). Ahnlich das französische Recht: R i p e r t Nr. 2612. Siehe über das Auslandsrecht auch v. d. T h ü s e n Versicherungspraxis 1954. 145 u. 162. Vgl. auch S i e v e k i n g 4, ferner B r u c k H R Z 1921. 241, der, teils zu eng, teils zu weit, definiert: Transportversicherung sei die Versicherung gegen alle Gefahren, die dem versicherten Interesse nicht nur während der Bewegung, sondern auch während der „Bewegungsbereitschaft" drohten. Zu eng jedenfalls G i e r k e Transportversicherung 500 (und ihm folgend K G APV 1920 II 34): Die Transportversicherung decke außer dem eigentlichen Transport nur „die Ruhezustände, wenn sie sich als vorübergehende kennzeichneten". Anm. 31
21. Daß Seeversicherung die Versicherung ist, die gegen die Gefahren der Seeschiffahrt schützt, ist auch noch in anderer Beziehung von Bedeutung. Der Versicherer trägt nach §820 HGB, §28 ADS a l l e G e f a h r e n . Vgl. wegen dieses Totalitätsprinzips in der allgemeinen Transportversicherung auch M ö l l e r , Totalität der Gefahren?, I T V M i t t 1939. 65, d e r s . Hansa 1937. 1028, ders., Rechtsbegriff der Transportversicherung, in „Internationales Versicherungsrecht", Festschrift für Ehrenzweig, 1955.174, R G 110.330, HansOLG H R Z 1926.375 = J R P V 1926.108 = Sasse Nr. 352, R i t t e r Z f V W 1914. 35, A r g y r i a d i s 107. I2gff. Die deutsche Binnenschiffsversicherung hat das Prinzip der Totalität der versicherten Transportgefahren verlassen, indem nach § 1 der „Versicherungspolice auf Kasko für die Schiffahrt auf Binnengewässern" der Versicherer für jeden Schaden haftet, den der versicherte Gegenstand während der Dauer der Versicherung durch einen Schiffsunfall, Brand, Explosion oder höhere Gewalt erleidet. Vgl. auch A r g y r i a d i s VersR 1963. 605fr. Der Grundsatz der Totalität der versicherten Gefahren findet sich in der Seeversicherung auch in den romanischen Rechten (vgl. ζ. B. Art. 350 franz. c. com., Art. 521 italienischer code nav., Art. 755 Abs. 1 span. c. com.), im anglo-amerikanischen und im sowjetischen Recht (vgl. dazu A r g y r i a d i s i3of.). §820 HGB ist jedoch aus §778 HGB, § 28 ADS aus § ι ADS auszulegen: Der Versicherer trägt zwar alle Gefahren, aber n u r alle Gefahren der S e e s c h i f f a h r t . Oder auf § 1 hingesehen: Seeversicherung ist nicht schlechthin die Versicherung gegen die Gefahren, die mit der Seefahrt des See-Erwerbsschiffes verbunden sind, sondern die Versicherung gegen die Gefahren, die mit der Seefahrt des See-Erwerbsschiffes als s o l c h e r verbunden sind (näheres hierüber und über den Begriff der Gefahr: § 28 Anm.). Zweifel, ob eine Gefahr unter die Seeversicherung fällt, müssen auf Grund der Verkehrsanschauung gelöst werden (RG 105. 323 = H G Z 1923 Nr. 74 = H R Z 1923. 139 = J W 1924. 179 mit Anm.
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Pappenheim). Vgl. auch R G 109. 230 = J R P V 1925. 132 = J W 1925. 616: Trans- § 1 portversicherung verderblicher Ware und durch Streik hervorgerufener innerer Verderb. — Andererseits ist Seeversicherung nicht nur die Versicherung gegen alle Gefahren der Seeschiffahrt, sondern natürlich auch die Versicherung gegen nur eine oder einzelne dieser Gefahren, ζ. B. die Versicherung nur gegen Kriegsgefahr (§ 121) oder nur gegen Strandungsgefahr, die Rückversicherung nur gegen Feuersgefahr (unten Anm. 148) usw. 22. Abs. 2 Satz 1 enthält ein Verzeichnis von Interessen, die besonders häufig Anm. 32 seeversichert werden. Ein V e r z e i c h n i s von B e i s p i e l f ä l l e n (verb, „insbesondere"). Es können auch alle nur möglichen Interessen anderer Art seeversichert werden (oben Anm. 8 und folgende Anm.). •— Es handelt sich aber nicht nur um ein Verzeichnis von Beispielfällen. Durch den im § 1 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Grundsatz, daß „in der einen dieser Versicherungen die andere nicht enthalten ist", erhält das Verzeichnis noch eine zweite, besondere Bedeutung (unten Anm. 179). Das Schiff 23. Nicht die Sache, das Schiff, die Güter, werden versichert, sondern das Interesse Anm. 33 an ihnen (oben Anm. 3ff.). Man kann daher, genau genommen, nicht von der Versicherung „des Schiffes" sprechen. Aber diese Ausdrucksweise trifft nach der Verkehrsanschauung um so genauer das richtige: die Versicherung des sog. EigentümerInteresses (oben Anm. 9). Der bestimmte Artikel („das" Schiff, „die" Güter) will darauf hinweisen, daß „im Zweifel dasjenige Interesse als versichert gilt, das ein Eigentümer der Sache an deren Erhaltung hat". Hin und wieder wird übrigens auch ausdrücklich „das Interesse am Kasko" versichert (ζ. B. HGZ 1908. 222). 34. Das Eigentümerinteresse ist nicht das Interesse des Eigentümers, sondern das Anm. 34 Interesse, wie es unter gewöhnlichen Umständen ein Eigentümer hat (oben Anm. 10). Der Eigentümer kann es haben und nicht haben. — Das Interesse kann, wie das Eigentum, bruchteilsweise zustehen. Das Eigentum kann auch mehreren zur gesamten H a n d zustehen, der einzelne zwar Vollberechtigter, aber nicht Alleinberechtigter, sondern durch die Konkurrenz der anderen Teilhaber beschränkter Berechtigter sein; dann ist auch das Eigentümerinteresse des einzelnen in gleicher Weise beschränkt (vgl. auch Vorb. V I vor §1). Das Eigentümerinteresse kann aber auch in der Weise geteilt sein, daß der eine es nur unter einer Bedingung hat, unter welcher der andere es nicht hat, und umgekehrt. In dieser Weise ist das Interesse des Käufers, der die Gefahr der Beförderung trägt, dadurch bedingt, daß die Gefahr nicht wieder auf den Verkäufer zurückgeht, das Interesse des Verkäufers dadurch, daß die Gefahr auf ihn zurückkommt, oder beim Kauf unter aufschiebender Bedingung das Interesse des Käufers dadurch bedingt, daß die Bedingung eintritt, das Interesse des Verkäufers dadurch, daß sie nicht eintritt (oben Anm. 10). — Das Eigentümerinteresse kann auch dadurch berührt werden, daß die Sache mit fremden Rechten, insbesondere mit Pfandrechten belastet wird. Bildet die Sache das ganze Vermögen des Eigentümers, so mag, wenn sie zum vollen Werte verpfändet ist, der Eigentümer tatsächlich kein Interesse mehr haben, mag tatsächlich nur noch der Pfandgläubiger ein Interesse an ihrer Erhaltung haben. Aber auf Tatsächlichkeiten dieser Art kann sich eine Rechtsordnung nicht aufbauen. Sie muß auf die Rechtsfolgen und darf nicht auf die tatsächlichen Folgen sehen, die entstehen, wenn die Sache nicht erhalten bleibt. Geht das verpfändete Schiff unter, so bleibt der Eigentümer persönlich verpflichtet, wenn es sich bei dem Pfandrecht um eine Schiffshypothek handelt, bei einem Schiffsgläubigerrecht, wenn der Eigentümer auch unbeschränkt persönlich (so namentlich
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im Falle des § 487 H G B ) oder beschränkt persönlich (wie insbesondere im Falle des § 774 H G B ) haftet. E r muß dann zur Befriedigung des Pfandgläubigers andere Mittel verwenden, als er im Falle der Erhaltung des Schiffes nötig gehabt hätte. E r ist deshalb der Eigentümerinteressent (Prot. 3 0 1 9 ; oben A n m . 10), und die Versicherung geht deshalb auch nicht, auch nicht teilweise oder beschränkt, auf den Pfandgläubiger über, wenn die versicherte Sache nach Abschluß des Versicherungsvertrags verpfändet wird (§49 Anm. 8). Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist die, daß die Schiffshypothek sich nach § 32 S c h R G auch auf die vom Eigentümer oder von einem anderen f ü r seine Rechnung für das Schiff genommene Versicherung erstreckt. Aber insofern trägt die Rechtsordnung den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung, als sie anerkennt, daß der Pfandgläubiger a u c h ein Interesse (wenn auch eben kein Eigentümerinteresse) an der Erhaltung der Sache hat. Der Pfandgläubiger kann dieses Interesse versichern. Aber solche besondere Versicherung des Schiffshypothekars ist regelmäßig Prämienverschwendung. E r täte dann besser, wenn er mit Zustimmung und für Rechnung des Eigentümers Kaskoversicherung nähme (vgl. §§54, 55, O A G Lübeck W u n d e r l i c h 1. 335). Anders, wenn dem Pfandrecht keine persönliche Haftung zugrunde liegt (oben Anm. 10). Geht das Schiff unter, ist der Reeder der Bodmereischuld ledig. K o m m t es glücklich an, muß er die Bodmereischuld zahlen. I h m (als Eigentümer) ist es insoweit gleichgültig, ob das Schiff ankommt oder nicht ankommt. E r hat also in Höhe der Belastung nicht das Eigentümerinteresse. E r kann es also auch nicht versichern (Prot. 3018, N o l t e 1 . 75, R G H G Z 1 8 9 1 . 255, A r n o u l d 260 u. 3 1 6 s. 294 u. 346; vgl. auch H G H a m b u r g H G Z 1 8 7 1 . 2 2 5 : „ D e r Bodmereibrief greife den Gegenstand der Assekuranz a n " ) . Der Bodmereigläubiger hat das Eigentümerinteresse und kann es versichern. E r könnte also „das S c h i f f " versichern. Aber hier versagt die Verkehrsanschauung die Gefolgschaft. Bodmereigelder-Interesse und Eigentümerinteresse sind nach der Verkehrsanschauung nicht dasselbe. In der Versicherung des Schiffes ist die Versicherung der Bodmereigelder, in der Versicherung der Bodmereigelder die Versicherung des Schiffes „nicht enthalten" (§ 1 Abs. 2 Satz 2). U n d die Verkehrsanschauung hat Recht. Der Bodmereigläubiger ist Eigentümerinteressent, aber ein Eigentümerinteressent von besonderer Art. E r steht der versicherten Unternehmung anders gegenüber als der gewöhnliche Eigentümerinteressent, der Reeder. Seine Schadenverhütungs-Pflicht, seine Schadenabwendungs-Pflicht, seine Gefahrstandspflicht, seine Anzeigepflicht usw. haben nur rechtsgrundsätzlich dieselbe Bedeutung wie diejenige des Reeders, tatsächlich aber einen ganz anderen Gehalt. Es läßt sich sogar sagen, daß sein Eigentümerinteresse ein nur bedingtes Interesse ist, und daß beim Reeder ein entsprechend bedingtes Eigentümerinteresse zurückgeblieben ist, ähnlich wie der K ä u f e r , auf den die Transportgefahr übergegangen ist, ein bedingtes Eigentümerinteresse hat und beim Verkäufer ein entsprechend bedingtes Eigentümerinteresse zurückgeblieben ist (oben Anm. 10). Denn neben die Pfandhaftung kann eine persönliche Haftung des Reeders treten, sei es auf Grund besonderer Vereinbarung, sei es aus anderen Gründen (vgl. H G B §§ 692, 774, A r n o u l d a. a. O.). Dann wacht das Eigentümerinteresse des Reeders wieder auf, schrumpft das Bodmereigläubiger-Interesse zu einem bloßen Pfandgläubiger-Interesse zusammen. Deshalb fällt auch, wenn der Reeder nach Abschluß des Versicherungsvertrags Bodmereigelder aufnimmt, sein Eigentümerinteresse nicht vollständig weg, sondern bleibt als bedingtes Eigentümerinteresse bestehen, fähig, sich beim Eintritt der Bedingung wieder zum vollen Eigentümerinteresse zu entwickeln (deshalb zwar grundsätzlich richtig, aber nicht ganz genau R G H G Z 1 8 9 1 . 2 5 5 : „ W e n n der Reeder das Schiff verbodmet habe, könne er für sich als Schiffswert nur den nach Abzug der Pfandschuld verbleibenden Wert desselben versichern"; auch von S i e v e k i n g 16 verkannt). Andererseits müßte
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in diesem Falle die Versicherung des Eigentümerinteresses nach § 49 in den Grenzen, § 1 die durch die Beschränkung des auf den Bodmereigläubiger übergegangenen Eigentümerinteresses gezogen sind, auf den Bodmereigläubiger übergehen. Dies ist aber auch durch die positive Vorschrift ausgeschlossen, daß in der Versicherung „des Schiffes" die Versicherung von „Bodmereigeldern" nicht enthalten ist, das Eigentümerinteresse und das Bodmereigläubiger-Interesse als (auch im Sinne des § 49) verschiedenartige Interessen anzusehen sind. An alledem wird auch dadurch nichts geändert, daß etwa die Aufwendungen, die zur Verbodmung Anlaß gegeben haben, dem Kaskoversicherer zur Last fallen (abw. R G H G Z 1891. 255). Der Reeder erhält vom Kaskoversicherer Ersatz der Aufwendungen und im neuen Versicherungsfall Entschädigung für den ihm nach der Verbodmung verbliebenen Teil des Versicherungswerts (§ 37). — Das Eigentümerinteresse wird nicht dadurch geschmälert, daß der Interessent E r s a t z a n s p r ü c h e g e g e n d r i t t e hat (§45). Haben Reeder und Charterer vereinbart, daß der letztere dem ersteren im Verlustfall den vollen Schadenswert ersetzen soll, so kann darum doch der Reeder den vollen Schiffswert versichern, wie der Güterversicherte den vollen Güterwert, obgleich der Verfrachter Ersatz zu leisten hat (Hobbs v. Hannam 1811 bei A r n o u l d 285 s. 317). Natürlich hat in solchem Falle auch der Charterer (wie der Verfrachter im Falle der Güterversicherung) ein versicherbares (Haftpflicht-) Interesse (Oliver v. Greene bei P h i l l i p s 1 s. 325). Deshalb unrichtig O L G Hamburg H R Z 1922. 63: Verspreche der Mieter eines Baggers dem Vermieter Ersatz auch zufälligen Schadens, so könne er „den Bagger" versichern. 24. Uber den Begriff des „Schiffes": oben Anm. 23. In und mit dem Schiffe sind A n m . 35 natürlich alle wesentlichen Bestandteile des Schiffes, Rumpf, Mast, Segel, Ruder, Maschine (mit Schraube; unrichtig H G Z 1891.264, i8g2. 111, 1894.37: Zubehör), notwendiges Tauwerk usw. versichert. Werden solche Teile (ζ. B. der Rumpf) während der Dauer der Versicherung d u r c h a n d e r e e r s e t z t , so kann aus dem alten versicherten Schiff ein neues unversichertes Schiff werden. Regelmäßig hat die Ersetzung einzelner Teile (ζ. B. des Mastes, der Schraube) auf den Bestand der Versicherung keinen Einfluß. Das versicherte Schiff ist „etwas anderes als die Summe seiner Teile" ( P a p p e n h e i m Handb. 2. 35). Die Ersetzung nicht wesentlicher Bestandteile (ζ. B. einer Bugverzierung) hat natürlich erst recht keinen Einfluß auf den Bestand der Versicherung. Vgl. auch unten Anm. 36. Mit dem Schiffe gilt auch sein Zubehör als versichert. Gesetz und A D S sprechen Anm. 36 sich darüber nicht besonders aus (anders ζ. B. H G B §§ 709, 710, 717, 754, 755; vgl. auch BGB §§314, 926, 1031, 1062, 1096, 1120—1122, 2164, 2165, Z P O §§865, 931, Z V G § 169, F G G §54, auch A S V B § 18 in Verbindung mit A D H G B Art. 443). Das H G B hält es aber für selbstverständlich; vgl. H G B § 821 Nr. 2: Der Versicherer haftet nicht für den „Schaden an Schiff und Z u b e h ö r , welche nur eine Folge der Abnutzung des S c h i f f e s im gewöhnlichen Gebrauch ist", und nicht für Altersschäden an „Schiff und Z u b e h ö r " (vgl. auch A D S § 76 Abs. 4 Satz 3). Schiffszubehör sind alle beweglichen Sachen, die d e m w i r t s c h a f t l i c h e n Z w e c k e d e s S c h i f f e s z u d i e n e n b e s t i m m t sind und zum Schiffe in e i n e m dieser Bestimmung e n t s p r e c h e n d e n r ä u m l i c h e n V e r h ä l t n i s stehen, es sei'denn, daß sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen werden (BGB § 97 Abs. 1). Die bloß vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck des Schiffes begründet die Zubehöreigenschaft nicht (BGB § g7 Abs. 2 Satz 1). — Die See-Kaskoversicherung hat es regelmäßig mit See-Erwerbsschiffen zu tun (oben Anm. 24). Maßgebend ist also regelmäßig für die Zubehöreigenschaft, ob die Sache z u m E r w e r b d u r c h d i e S e e f a h r t des Schiffes zu dienen bestimmt ist. Beispiele: Taue, Anker, Ankerketten (vgl. §§ 59, 76, H G B §§ 706, 710,872), Lot, Log, Kompaß, Signalapparate, 6
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§ 1 Abdrücke schiffsrechtlicher Verordnungen, Karten, Schiffspapiere ( P a p p e n h e i m H B i. 38, S c h a p s - A b r a h a m II. 10 Anm. 4), Schiffsapotheke, Kajütsinventar (§ 65 Anm.). Auch die Fang- usw. Gerätschaften der Fischerfahrzeuge und die Schlepp- und Bergungsgerätschaften der Schlepp-, Bugsier- und Bergungsdampfer sind Zubehörstücke ( P a p p e n h e i m und S c h a p s - A b r a h a m a . a . O . ; abw. B o y e n s Seerecht I 149; vgl. M I A § 16 Abs. ι : The insurable value . . . includes, in a case of a ship engaged in a special trade, the ordinary fittings requisite for that trade). Anders, wenn die Gerätschaften nicht zum dauernden Gebrauch des Schiffes, sondern etwa nur für eine einzelne Reise, ζ. B. für eine Walfischfahrt, bestimmt sind. Nicht Zubehör sind Sachen, die nicht sowohl dauernd Schiffszwecken dienen, als vielmehr Ladungszwecken, ζ. B. Stau- und Garnierungsmaterial, das von der Ladung gestellt wird (anders, wenn es dem Schiffe gehört, mag es auch nicht gerade auf der versicherten Reise verwendet sein), oder persönlichen Zwecken der Schiffsbesatzung, ζ. B. die Effekten der Schiffsbesatzung, den Schiffsoffizieren gehörende nautische Instrumente, dem Schiffsarzt gehörende ärztliche Instrumente oder Heilmittel (auch nicht ohne weiteres durch eine „Güter"-Police gedeckt: Anm. 38; vgl. insbesondere R C P 1 7 : The term „goods" does not include personal effects or provisions and stores for use on board; A r n o u l d 240 s. 272). — Die „Benutzung" darf nach § 97 Abs. 2 BGB n i c h t eine b l o ß v o r ü b e r g e h e n d e sein. Gemeint ist: „Die Bestimmung" darf nicht nur vorübergehend sein ( P a p p e n h e i m Handb. 1. 40, Schiedsspruch L Z 1910. 712). Zum „bleibenden Gebrauch des Schiffes" sind ζ. B. nicht bestimmt: Ballast, Mundvorräte, Bunkerkohlen, Maschinenbedürfnisse, Schiffskasse (Heck 384, 392, Schiedsspruch L Z 1910. 712, S c h a p s - A b r a h a m II. 11 Anm. 6, W ü s t e n d ö r f e r S H R 39; vgl. K G Rspr 13. 3 1 2 : Kohlen für Ziegeleibetrieb, abw. R G 77. 37, O L G Königsberg Rspr 14. 10; BayObLG Recht 1904. 1 9 1 : Biervorräte einer Brauerei; arg. e contr.: BGB §98). Dies folgt auch aus § 70 ( = H G B § 796), wonach der Versicherungswert des Schiffes im Zweifel „Ausrüstungskosten" nicht umfaßt (vgl. Prot. 3073). Aber natürlich können auch diese Sachen seeversichert werden, und zwar nicht nur nach schiffsversicherungs-rechtlichen, sondern auch nach güterversicherungs-rechtlichen Grundsätzen. Das e n g l i s c h e Recht weicht übrigens teilweise vom deutschen ab: Nach Lloyd's Police ist versichert the body, tackle, apparel, ordnance, munition, artillery, boat, and other furniture, nach M I A § 16 the insurable value, in a case of a steamship, includes also the machinery, boilers, and coals and engine stores, if owned by the assured, und nach R C P 15 the term „ship" includes the hull, materials and outfit, stores and provisions for the officers and crew and, in the case of vessels engaged in a special trade, the ordinary fittings, requisite for the trade, and also, in the case of a steamship, the machinery, boilers, and coals and engine stores, if owned by the assured. If owned by the assured: Das Gesetz bestimmt nicht, v o n w e m die Sache zum bleibenden Gebrauch des Schiffes b e s t i m m t sein muß, um Zubehör zu sein. An und für sich kann jeder, der tatsächlich über beide Sachen verfügen kann, die eine zum bleibenden Gebrauch der anderen, des Schiffes, bestimmen ( P a p p e n h e i m HB 1. 42). Aber nicht jeder, der über beide Sachen verfügen kann, kann sie versichern. Das kann nur, wer das Eigentümerinteresse hat (wenigstens für eigene Rechnung). — Das „entsprechende r ä u m l i c h e V e r h ä l t n i s " , in dem beide Sachen stehen müssen, ist „nach den tatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles zu bestimmen" ( R G 5 1 . 274). Zubehör sind also ζ. B. auch Anker, die „auf dem Fuhrwerk vor dem Schiffe angelangt sind und wegen vorgerückter Zeit nicht mehr abgeladen und auf das Schiff geschafft werden können" ( R G 5 1 . 275) oder zur Anbordschaffung am K a i niedergelegt sind ( P a p p e n h e i m H B 1. 44; vgl. auch O L G Breslau Rspr 5. 79, O L G Kassel Rspr 15. 326: es genüge, daß die Sache „in ein solches räumliches Verhältnis zur Hauptsache gebracht werde,
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welches die bestimmungsmäßige Verwendung der Sache ermögliche"). Aber hieraus § 1 folgt freilich nicht ohne weiteres, daß solche Zubehörstücke auch von der Versicherung des Schiffes umfaßt werden (unten Anm. 37). — Nach § 478 Abs. 1 H G B sind S c h i f f s b o o t e Zubehör des Schiffes. Diese Vorschrift hat indessen neben §97 BGB keine selbständige Bedeutung mehr ( P a p p e n h e i m H B 1. 45, S c h a p s - A b r a h a m II. 11 Anm. 8 zu §478 HGB). Schiffsboote sind nur unter denselben Voraussetzungen Zubehör des Schiffes wie andere Sachen. Über die Haftung des Versicherers für ausgeschwungene Boote: A r n o u l d 240 s. 271. — Nach § 478 Abs. 2 H G B gelten Sachen, die in das S c h i f f s i n v e n t a r eingetragen sind, im Zweifel als Zubehör. Der Versicherer, der die Zubehöreigenschaft einer in das Schiffsinventar eingetragenen Sache bestreitet, ist also beweispflichtig. — Nur S a c h e n können Zubehör sein. N i c h t R e c h t e , insbesondere nicht die Fracht (vgl. Prot. 1490, 1604, 2847, 2914; unrichtig H G Z 1894.95: Zwar nicht Zubehör des Schiffes, „aber angesehen und behandelt, als ob sie dies sei"). — Die E r s e t z u n g von Zubehörstücken d u r c h a n d e r e hat auf den Bestand der Versicherung als solcher keinen Einfluß. Aber die alten Stücke scheiden aus der Versicherung aus, die neuen treten ein. Der für die Inbegriffs-Versicherung maßgebende, auf den „mutmaßlichen Willen der Beteiligten" abstellende Gedanke (Begr. z. V V G § 54) trifft auch hier zu. Dadurch wird freilich die Entschädigungspflicht des Versicherers unter Umständen verändert. Versicherungswert (§ 70 Abs. 2) und Versicherungssumme bleiben zwar unberührt. Aber die Ausbesserungskosten werden nach §§ 75, 76 ersetzt. Wird ζ. B. auf der versicherten Reise ein altes Boot durch ein neues ersetzt, so ist, wenn das Boot verlorengeht, von den Ersatzkosten nichts abzuziehen (§ 76 Abs. 4 Satz 3). Nach den für die Inbegriffs-Versicherung geltenden Grundsätzen treten auch n e u e Z u b e h ö r s t ü c k e , die nicht dazu bestimmt sind, alte zu ersetzen, in die Versicherung ein (so etwa, wenn die Zahl der Schiffsboote um eines vermehrt wird). In dieser Beziehung stehen übrigens Bestandteile den Zubehörstücken gleich. Auch sie scheiden aus der Versicherung aus, wenn sie die Eigenschaft eines Schiffsbestandteils verlieren, und treten ein, wenn sie Bestandteil werden. Anscheinend abw. R G H G Z 1 8 9 1 . 2 5 3 : die vom Reeder aufgewendeten Havereigelder seien insoweit versicherbar, als die durch die Aufwendung geschaffenen Neuwerte wegen der Neuheit die bisherigen alten überstiegen; denn für diese Differenz gewähre die Kaskoversicherung keine Deckung, — richtig höchstens für den Fall des Totalverlustes, für den der durch die Aufwendung herbeigeführte Mehrwert zu decken wäre. Die bloß v o r ü b e r g e h e n d e T r e n n u n g eines Zubehörstücks oder eines Bestandteils (ζ. B. die Trennung zum Zwecke der Ausbesserung) hebt die Zubehör- und Bestandteil-Eigenschaft nicht auf (BGB §97 Abs. 2 Satz 1, Prot. 1487). Aber nur mit dem Schiffe sind Bestandteile und Zubehörstücke versichert. Nur soweit das Schiff versichert ist oder versichert sein würde. Wenn das zeitversicherte Schiff, etwa zur Ausbesserung, über Land oder auf Binnengewässern befördert wird, ruht die Versicherung. Denn die Seeversicherung hat es nur mit den Gefahren der Seeschiffahrt und den mit ihr zusammenhängenden Gefahren zu tun. Die Haftung des Seeversicherers ist insoweit durch den Vertrag objektiv beschränkt. Die Beförderung zu Lande usw. fällt aus den so bestimmten Grenzen heraus (abw. S i e v e k i n g 118). Deshalb ruht auch die Versicherung in Ansehung eines Maschinenteils, der zur Ausbesserung von Hamburg nach Augsburg geschickt wird, und ebenso die Versicherung in Ansehung von Bestandteilen oder Zubehörstücken, die bei einem Umbau von der Werft aus dem Schiffe genommen und an Land gebracht werden ( L Z 1909. 937 ungenau: „versicherungstechnisch sei ein Brand am Lande etwas anderes als der gewöhnliche Gegenstand der Seeversicherung"). Deshalb sind auch Anker usw., die auf das Schiff gebracht werden 6»
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Interesse an den Gütern
§ 1 sollen, aber einstweilen vor dem Schiffe auf dem K a i abgeladen sind, zwar schon Zubehör des Schiffes (oben Anm. 36), aber noch nicht in die Versicherung eingetreten (a. A . S c h l e g e l b e r g e r S V R I I I 1 zu § 1 A D S ) . Die Grenze, welche die Gefahren der Seeschiffahrt von den anderen Gefahren trennt, ist flüssig (vgl. auch oben Anm. 30 und § 28 Anm.). Reise- oder zeitversicherte Schiffe, die sich zur Ausbesserung im Dock befinden, sind zwar nicht den Gefahren der Seeschiffahrt im engsten Sinne ausgesetzt, aber gleichwohl gedeckt (oben Anm. 30, § 28 Anm., Prot. 3275; vgl. auch § 66 Anm.). Die Güter Anm. 37
25. Gemeint ist: Das Eigentümerinteresse an den Gütern. Näheres: oben Anm. 10 und 34. Siehe auch M ö l l e r , Cifgeschäft und Versicherung 68, 139. Anm. 38 26. Der Ausdruck „ G ü t e r " bedeutet im wesentlichen dasselbe, wie der Ausdruck „ L a d u n g " (oben Anm. 26). Güter sind körperliche Gegenstände, im Hinblick auf die Seetransport-Versicherung: körperliche Gegenstände, die zur See befördert werden sollen. Also nicht Ballast, Mundvorräte, Feuerungsmaterialien, Schiffspapiere, Seemannseffekten, Gerätschaften zum Fischfang, die sämtlich anderen Zwecken dienen als dem, befördert zu werden (oben Anm. 36; anders die Produkte des Fischfangs, insbesondere auch des Walfangs: A r n o u l d 245 s. 277, R i p e r t Nr. 2503). Enger das e n g l i s c h e Recht, das zwischen dem allgemeinen Begriff der moveables und dem besonderen Begriff der goods unterscheidet ( M I A § 3 Abs. 2) und unter „moveables" means any moveable tangible property, other than the ship, and includes money, valuable securities, and other documents ( M I A § go), während the term „goods" means goods in the nature of merchandise, and does not include personal effects or provisions and stores for use on board ( R C P 17; vgl. auch H G Z 1895. 38: Reisewagen Gegenstände des Handelsverkehrs?). — Auch das an Bord gebrachte R e i s e g u t ( H G B §673) gehört nicht zu den „ G ü t e r n " ( P a p p e n h e i m H B 2. 325; abw. G i e r k e Transportversicherung 477). Zwar soll auch das Reisegut befördert werden. Aber das ist nicht sein Hauptzweck, sondern nur Mittel zum Zwecke der Beförderung des Reisenden. D a ß Reisegut im Sinne des Versicherungsrechts nicht zu den Gütern zählt, ist auch wirtschaftlich begründet. Denn die Gefahr ist beim gewöhnlichen Reisegut anders als beim Frachtgut ( H G B §673 Abs. 1), und zwischen gewöhnlichem und aufgegebenem Reisegut (HGB § 673 Abs. 2) zu unterscheiden, hat man im Großverkehr keine Zeit. Auf eine laufende Police kann also ζ. B. Reisegut nicht deklariert werden; anders natürlich, wenn es als Frachtgut befördert wird. Die „Reiseeffekten-Versicherung" und die „Musterkoffer- und Reiselager-Versicherung" bildet daher auch einen besonderen Zweig der Transportversicherung mit eigenen Bedingungen (vgl. ζ. B. H G Z 1911. 129). — Hiermit ist natürlich weder gesagt, daß solche Sachen, die nicht „ G ü t e r " sind, nicht versichert werden können, noch auch, daß, wenn sie versichert werden, die Versicherung keine Seeversicherung ist. Das Gesetz will nicht in's Prokrustesbett gelegt werden. Näheres: oben Anm. 27. Mit den Gütern ist auch das Zubehör versichert. Solches Zubehör kann insbesondere die V e r p a c k u n g bilden, wenn die Verpackung einen selbständigen W e r t hat oder doch zur Erhöhung des Wertes der Güter beiträgt (vgl. § 86 Abs. 2, § 90 Anm., § 93 Anm.). So etwa, wenn die Güter zum Weiterverkauf in der Verpackung bestimmt sind, oder wenn die Verpackung zur längeren Verwahrung und Erhaltung der Güter dient (ζ. B. Fässer, Flaschen, Säcke, Zigarrenkästen, Etuis für Schmuckstücke, sog. Originalverpackungen), oder wenn die Güter „seemäßig" verpackt sind; vgl. R O H G 11. 106, R G 59. 120, J W 1911. 158, Bolze 21 Nr. 482, J R P V 1928. 370 = J W 1929. 931
Gütergewinn-Interesse
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= APV 1929. 258 = Sasse Nr. 33, OLG Hamburg Rspr 8. 98, 19. 400, Recht 1918 § 1 Nr. 1048, HGZ 1895. 179. Wenn der Versicherungsnehmer die Güter für eigene Rechnung versichert, aber in Ansehung der Verpackung die Gefahr nicht trägt, so ist die Versicherung (als Versicherung für fremde Rechnung) doch auch für die Verpackung wirksam. Denn nach der Verkehrssitte kommt es nicht darauf an, wer die Gefahr für die Verpackung trägt, und die Versicherung für fremde Rechnung setzt nur voraus, daß der Versicherer mit der Versicherung eines fremden Interesses rechnen muß (oben Anm. 1 1 , § 52 Anm.; vgl. auch V V G § 85). — Vgl. auch HGZ 1893. 38: Pferdegeschirre als Zubehör zu Reisewagen; dahingestellt und wohl, mit Recht, nicht gebilligt von R G HGZ 1898. 39. Imaginärer Gewinn 27. Imaginärer Gewinn ist der „von der Ankunft der Güter am Bestimmungs- Anm. 39 ort erwartete Gewinn". Die Versicherung imaginären Gewinns (Benecke 1. 133: „eingebildeter Nutzen", 1 . 1 3 7 : „imaginirter Gewinn", Pohls 4.92: „gehoffter Gewinn") war f r ü h e r v i e l f a c h verboten. Man glaubte nicht zulassen zu dürfen, daß der Versicherte Ersatz für etwas erhielte, was er nicht gehabt habe (Ripert Nr. 2501). So bestimmte ζ. B. PreußSeerecht von 1727 VI 10: „Die Versicherungen über verhoffte Gewinne, allerley Wetten und dergleichen Erfindungen, zu verdienende Schiffsfrachten, Heuer der Schiffsleute und Leben der Menschen sollen durchgehende unerlaubet und ohne Krafft seyn". Ebenso Ord. de la mar. III 6. 15, C. de comm. Art. 347; weitere Nachweise bei Pohls 4. 93. Die Versicherung imaginären Gewinns hat sich dafür gerächt. Sie hat sich, im Laufe der Zeit, am weitesten vom Wesen der Schadensversicherung als einer auf Ersatz von Schaden mit Einschluß des entgangenen Gewinns gerichteten Versicherung entfernt. 28. Nach § 53 V V G umfaßt die Versicherung „den durch den Eintritt des Ver- Anm. 40 sicherungsfalls entgehenden Gewinn" nur, soweit dies besonders vereinbart ist. Ist Gewinn versichert, so nur „der durch den E i n t r i t t des V e r s i c h e r u n g s f a l l s entgehende Gewinn". Das B i n n e n v e r s i c h e r u n g s - R e c h t schließt sich damit dem Wortlaut und, wie sich ergeben wird, im wesentlichen auch dem Sinne nach an das g e m e i n b ü r g e r l i c h e S c h a d e n s e r s a t z - R e c h t an. Nach § 252 BGB muß der Schadensersatz-Verpflichtete auch den entgangenen Gewinn ersetzen, den Gewinn, „welcher nach dem gewöhnlichen L a u f e der Dinge oder nach den besonderen U m s t ä n d e n , insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit W a h r s c h e i n l i c h k e i t e r w a r t e t werden konnte". Er muß den Gewinn ersetzen, der zur Zeit der Entstehung des Schadens, genauer zur Z e i t der E r s t a t t u n g des S c h a d e n s oder, im Falle gerichtlicher Feststellung, zur Zeit des Urteils (genauer der letzten mündlichen Verhandlung) mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Der mit der Lieferung säumige Verkäufer muß dem Käufer den Gewinn erstatten, den dieser zur Zeit der Erstattung des Schadens mit Wahrscheinlichkeit erwarten kann. Es kommt nicht darauf an, welchen Gewinn der Käufer zur Zeit des Kaufabschlusses mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte. Und der Käufer kann nicht einmal den zur Zeit der Erstattung des Schadens mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Gewinn verlangen, wenn feststeht, daß dieser mit Wahrscheinlichkeit zu erwartende Gewinn aus irgendwelchen Gründen in W i r k l i c h k e i t nicht erzielt sein würde, die Wahrscheinlichkeit getrogen hat (OLG Bamberg SA 62 Nr. 54). War der Gewinn nicht mit Wahrscheinlichkeit, sondern nur möglicherweise zu erwarten, so kommt er überhaupt nicht in Betracht. Alles dies gilt, nur mit einer Einschränkung, auch für die Binnenversicherung entgangenen Gewinns. Die Gewinnversicherung ist,
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§ 1 wiejede andere Schadensversicherung, Interessenversicherung ( H e s s e VersR 1963. 215). Der Versicherer ersetzt, auch wenn die Versicherungssumme höher ist als der Wert dieses Interesses zur Zeit des Versicherungsfalls, nicht mehr als den Betrag des Schadens (VVG § 55). Maßgebend ist also (zwar nicht der Gewinn, der zur Zeit der Entschädigung oder des Urteils mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, wohl aber) der Gewinn, der z u r Z e i t d e s V e r s i c h e r u n g s f a l l s m i t W a h r s c h e i n l i c h k e i t z u e r w a r t e n war, und auch dieser nicht, wenn der Versicherer beweist, daß der Gewinn, obgleich er mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, doch in W i r k l i c h k e i t n i c h t e r z i e l t worden wäre. Anm. 41 29. Dieser, an und für sich folgerichtige, Standpunkt wurde früher auch für die Seeversicherung vertreten. „Der Zweck der Versicherung auf eingebildeten Nutzen (meint B e n e c k e 1. 134) kann kein anderer als dieser seyn: daß der Versicherer dem Versicherten, bei Verunglückung oder Beschädigung seiner Waare, denjenigen Gewinn bis zum Belauf der versicherten Summe ersetzt, den er bei glücklicher Ankunft derselben gehabt haben würde". „Danach ist die Versicherung auf imaginairen Gewinn so einzurichten, daß der Versicherer den Versicherten für das schadlos hält, was er nach dem wirklichen Preise der gesunden Ware im Bestimmungsorte mehr für dieselbe erhalten haben würde, als ihm dieselbe im Abgangsorte mit allen Kosten bis an Bord zu stehen kommt" (so noch P o h l s 4. 94). Dieser Standpunkt war zwar folgerichtig, aber mit der notwendigen „größeren Leichtigkeit in den Geschäften" nicht recht vereinbar. Aus England und den Niederlanden soll „die Methode gekommen sein, bei welcher der wahre Zweck dieser Versicherung in vielen Fällen ganz verfehlt wird" ( B e n e c k e 1. 137), eine Methode, die gleichwohl auf dem Gebiet der Seeversicherung gesiegt hat. Zwar gerade nicht in England (unten Anm. 53). U n d auch in Deutschland nicht auf dem Gebiet der Binnenversicherung, wie oben nachgewiesen ist. Die Auffassung, daß die seeversicherungs-rechtlichen Vorschriften „nicht auf seeversicherungsrechtlichen Eigentümlichkeiten und Besonderheiten beruhten und deshalb auf die Binnenversicherung zu übertragen seien" (so G e r h a r d 245, 335; vgl. H a g e n SVR 74), ist offenbar irrig. Ebenso irrig, wie die Ansicht, daß § 53 V V G von der Begr z. V V G „anstandslos als gleichbedeutend mit den seeversicherungsrechtlichen Vorschriften behandelt" werde; denn die Begr z. V V G § 53 vermerkt lediglich die unbestreitbare Tatsache, daß § 53 V V G „mit den Vorschriften des H G B über die Seeversicherung (zu vgl. § 779 Abs. 2) im Einklang stehe", also mit der Vorschrift (übrigens nicht so sehr des § 779 Abs. 2 HGB = ADS § 1 Abs. 2, als vielmehr) des § 801 Abs. 1 HGB, wonach „bei der Versicherung von Gütern der imaginäre Gewinn . . . als mitversichert nur anzusehen ist, sofern es im Vertrage bestimmt ist" (vgl. auch M o l t 53). Für das Seeversicherungs-Recht kommt es nicht darauf an, welcher Gewinn zur Zeit des Versicherungsfalls zu erwarten ist. Nach den sonst das Seeversicherungs-Recht beherrschenden Grundsätzen müßte vielmehr der Zeitpunkt des Versicherungsbeginns maßgebend sein. Denn überall, wo das Seeversicherungs-Recht den Versicherungswert bestimmt hat, hat es ihn auf den Zeitpunkt des Versicherungsbeginns bestimmt (vgl. §§ 7°> 9°) 79> 99> 107, 108, 110). Hier ist das Seeversicherungs-Recht, um die letzte Quelle von Streitigkeiten zu verstopfen, über sich selbst hinausgegangen. Zwar bezeichnender Weise nicht in einer ausdrücklichen Vorschrift, sondern in der des § 793 Abs. 2 HGB, durch die es den Versicherer berechtigt, die Herabsetzung der Gewinntaxe zu verlangen, wenn die Taxe den Gewinn übersteigt, der zur Zeit des Vertragsschlusses zu erwarten war ( = ADS § 100 Abs. 2). V e r s i c h e r b a r ist hiernach der Gewinn, der b e i m A b s c h l u ß des Versicherungsvertrags v o n der A n k u n f t der Güter am Bestimmungsort z u e r w a r t e n war, — ohne Rücksicht darauf, ob er noch zur Zeit des Versicherungsbeginns oder des Versicherungsfalls zu erwarten war, ohne
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Rücksicht auch darauf, daß er in Wirklichkeit nie erzielt worden wäre. Eben dieser § 1 Gewinn gilt im Zweifel auch tatsächlich als v e r s i c h e r t . Vgl. ζ. B. B o l z e Z H R 42. 42, B r o d m a n n 180, S i e v e k i n g 17, R G 4 . 3 8 , 15.91, R G H G Z 1893.194, 1898.38, H G Z 1880. 341, 1885. 126, 1893. ! 7°> 1 74) 1895. 258 (wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß untaxierte Gewinnpolicen nicht vorkommen, und daß daher auch alle diese Entscheidungen Gewinnversicherungen mit taxierter Police behandeln). Die Versicherung imaginären Gewinns ist also, in noch größerem U m f a n g als die Güterversicherung, Konjunkturversicherung (über diese vgl. L e w i s Versicherungsrecht 60, auch PreußALR I I 8 1992—1994; ungenau H G Z 1880. 341: Die Konjunktur sei nur die Veranlassung zur Gewinnversicherung). Wie die Güterversicherung vom Zeitpunkt des Versicherungsbeginns an, so schützt die Gewinnversicherung vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an gegen Konjunkturverlust, — wenn auch eben nur für den Versicherungsfall. Gerade deshalb ist aber das Interesse des Gewinnversicherten an der Erhaltung der Güter durch die Versicherung noch mehr geschwächt als das des Güterversicherten und, wenn die Konjunktur fällt, so daß der beim Abschluß des Versicherungsvertrags erwartete Gewinn nicht mehr zu erwarten ist, geradezu in das Gegenteil verkehrt. Der Gewinnversicherte wird nunmehr daran interessiert, daß der Versicherungsfall eintritt. — Die durch solche Interessenkehrung begründete Gefahr wird dadurch noch größer, daß das Seeversicherungs-Recht auch in einem zweiten Punkte vom Binnenversicherungs-Recht abweicht (siehe dazu jedoch H a g e n SVR 74 Anm. 5). Nach § 5 5 V V G , §252 BGB kann m a n den Gewinn versichern, der mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Nach Seeversicherungs-Recht kann man den Gewinn versichern, der „ m ö g l i c h e r w e i s e " z u e r w a r t e n ist (übrigens eine Mißbildung der Sprache; denn nicht d a r a u f k o m m t es an, d a ß man „möglicherweise erwartet", sondern darauf, daß der Gewinn möglicherweise erzielt wird). Auch dieser Grundsatz ist nicht ausdrücklich ausgesprochen. Er ist in dieselbe Form gekleidet, in welcher der Grundsatz ausgesprochen ist, daß schon beim Abschluß des Vertrags zu erwartender Gewinn versichert werden kann: Nach § 793 Abs. 2 kann der Versicherer Herabsetzung der Taxe verlangen, wenn diese den Gewinn übersteigt, der „ n a c h kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten w a r " ( = ADS § 100 Abs. 2; vgl. B r o d m a n n 180, S i e v e k i n g 17, R G H G Z 1893. 194, H G Z 1893. 174). Danach ist als versicherbar und im Zweifel versichert zwar nicht der „denkbar höchste" Gewinn anzusehen, „sondern derjenige, welchen ein K a u f m a n n bei einer verständigen Gewinnspekulation in seine Rechnung aufnehmen d a r f " ; aber „der Preis, auf welchen gerechnet werden kann, fällt keineswegs mit dem Preise zusammen, dessen Erzielung nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise erwartet werden kann, auf welchen (eventuell viel höheren) Preis der K a u f m a n n gar nicht rechnet, f ü r dessen Chance er sich aber rechtswirksam decken k a n n " (RG H G Z 1893. 128). Die Gerichte haben in diesem Falle angenommen, daß, wenn der Versicherungsnehmer auf einen Verkaufspreis von 16 bis 17 D M für die Einheit rechnen könne, die mit Einschluß imaginären Gewinns (gleichviel, wie hoch) auf 30 D M bestimmte Taxe nicht übersetzt sei, weil es darauf nicht ankomme, womit der Versicherungsnehmer gerechnet habe, sondern darauf, was möglicherweise habe erwartet werden können. Bei solcher Auffassung wird freilich die Anfechtung übersetzter Gewinntaxen praktisch nicht mehr in Betracht kommen, wenigstens dann nicht, wenn Gewinn „gleichviel wie hoch" versichert ist (eine abschließende Beurteilung des Falles H G Z 1893. I 2 7 ' s t immerhin nicht möglich, weil es an ausreichender Mitteilung des Sachverhalts fehlt, nach dem „in concreto allerdings besondere Verhältnisse vorlagen, welche nach kaufmännischer Berechnung die Erzielung des versicherten hohen Preises als möglich erscheinen ließen"; richtiger jedenfalls, wenn auch selbstverständlich, H G Z 1893. 1 7 4 : Es komme auf eine „ver-
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§ 1 ständige Möglichkeit" an, und R G H G Z 1898.39: „Ein versicherbares Interesse sei vorhanden, wenn und insoweit nach vernünftiger kaufmännischer Berechnung beim glücklichen Verlaufe der Reise auf einen Gewinn aus den Gütern gerechnet werden könne"; jedenfalls unrichtig S i e v e k i n g 39: „Es komme nicht darauf an, daß der Versicherte auf den Gewinn nicht habe rechnen können"). — Dagegen gilt natürlich für die Seeversicherung wie für die Binnenversicherung gleichmäßig der Satz, daß Gewinn, der nur v o n u n s i t t l i c h e n o d e r r e c h t s w i d r i g e n V e r a n s t a l t u n g e n e r w a r t e t werden kann, nicht versicherbar ist (vgl. oben Anm. i6ff.). — Über die Berechnung des imaginären Gewinnis bei der laufenden Versicherung: 97 Anm. Versicherbar (und im Zweifel versichert) ist also der Gewinn, der zur Zeit des Vertragsschlusses nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten und durch den Versicherungsfall entgangen ist oder doch, weil die Möglichkeit als Gewißheit angenommen wird, als entgangen zu betrachten ist. Anm. 42 30. Gewinn (lucrum cessans) ist das Gegenstück zum positiven Schaden (damnum emergens). Positiver Schaden ist nicht als Gewinn versicherbar. Positiven Schaden erleidet der Güterversicherte nicht nur durch Verlust oder Beschädigung der Güter als solcher, sondern unter Umständen auch dadurch, daß er Versendungskosten, insbesondere Fracht, ausgegeben hat, ohne in den, verlorenen oder beschädigten, Gütern einen Gegenwert zu besitzen. E n d g ü l t i g b e z a h l t e F r a c h t ist also ζ. B. nicht als imaginärer Gewinn versicherbar. Auch dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort Gewinn und im Gewinn Deckung für die Fracht erwartet (§ 99 Satz 2). Endgültig bezahlte Fracht muß besonders versichert werden, wenn sie nicht in den Versicherungswert der Güter eingeschlossen ist (§ 90 Abs. 1). Dasselbe gilt von g e w ö h n l i c h e r B e f r a c h t e r s f r a c h t und sonstigen Versendungskosten ( R G 44. 20). Sie können und müssen besonders versichert werden und werden auch tatsächlich besonders versichert (vgl. ζ. B. R G 94. 300, H G Z 1917. 225: Versicherung „auf imaginären Gewinn, Mehrwert u/o. andere Interessen", H G Z 1917. 241: „inklusive Fracht u/o. Spesen u/o. imaginären Gewinn"). Bei der Feststellung, ob die Gewinntaxe übersetzt ist, kommt Fracht nicht in Betracht. Auf die Entschädigung für imaginären Gewinn braucht der Versicherungsnehmer sich ersparte Fracht nicht anrechnen zu lassen. — Aus demselben Grunde kommt „ M e h r w e r t d r ü b e n " für die Gewinnversicherung nicht in Betracht (näheres §90 Anm.). Die Gewinnversicherung deckt keinen „Mehrwert drüben", die Versicherung von „Mehrwert drüben" keinen imaginären Gewinn ( H R Z 1918. 6). — Aus anderen Gründen kommt auch g e w ö h n l i c h e r M e h r w e r t für die Gewinnversicherung nicht in Betracht (§ go Anm.). Mehrwert ist in einer Wertsteigerung sich ausdrückender Gewinn, der beim Abschluß des Versicherungsvertrags nicht „nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten war". Das wird oft verkannt (ζ. B. H G Z 1910. 282, 1917. 225, Mat. 1. 344). Deshalb auch unrichtig H G Z 1885. 126: „Der prinzipale, gewöhnlichste und zunächst liegende Gegenstand, für den eine Versicherung von imaginärem Gewinn valediere, sei die aus günstiger Konjunktur sich ergebende Steigerung des Werts der Ware am Bestimmungsort". Hiergegen mit Recht R G 15. 91, das aber (mit R G 4. 38) auch noch zu weit gehend erklärt: „Die steigende Konjunktur könne die Veranlassung zum Abschluß des Vertrags über Versicherung auf imaginären Gewinn bilden . . . und werde sogar, wie sich aus § 860 H G B ( = ADS § 103 Abs. 2) ergebe, tatsächlich als die regelmäßige Veranlassung desselben angesehen". Dagegen wieder richtig R G 1 5 . 9 2 : Der Versicherer „garantiere" nicht den Gewinn, den der Versicherungsnehmer „im Falle der Ankunft der Güter wirklich gehabt hätte, er garantiere ihm vielmehr etwas ganz anderes, nämlich . . . ein in der Versicherungssumme ein für allemal fixiertes Äquivalent für die infolge der vom Versicherer über-
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noramenen Gefahr der Seereise dem Versicherten entgangenen Möglichkeit eines zu § 1 machenden Gewinns" (vgl. auch oben Anm. 41). Anders S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I zu § 1 ADS. Vgl. auch die Aufsätze von H o c h g r ä b e r , Zur Lehre vom Mehrwert und imaginären Gewinn, J R P V 1925. 153 und 185, und von K u h n , Der imaginäre Gewinn in der Transportversicherung, NeumannsZ 1928. 362. Näheres § go Anm. 31. Der Gewinn muß „nach kaufmännischer Berechnung" zu erwarten sein. Anm. 43 Dabei ist nur an den Hauptfall gedacht, an den Fall einer Gewinnversicherung, die sich auf „Kaufmannschaften", zur Weiterveräußerung bestimmte Handelsgüter bezieht. Die E r g ä n z u n g bietet § 252 BGB: Der Gewinn muß „nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen" zu erwarten sein. Der Fabrikant kann imaginären Gewinn für die Maschinen versichern, die er im Fabrikbetriebe verwenden, für das Quebrachoholz, das er zu Gerbmitteln (HGZ 1893. 169), oder für das Holzöl, das er zu Lacken oder Farben verarbeiten (HGZ 1903. 153, 1904. 64), oder für die Baumwolle, die er verspinnen will ( R G 15. 94). Aber wenn ich mir für privatwirtschaftliche Zwecke ein Lesebuch, eine Polstergarnitur oder einen Luxuswagen kommen lasse, kann ich in der Regel keinen imaginären Gewinn versichern. Ebensowenig, wie ich vom Verkäufer des Buches, der Garnitur oder des Wagens, wenn er nicht liefert, Ersatz „entgangenen Gewinns" verlangen kann. Ich kann mich eindecken und Ersatz des positiven Schadens verlangen. Ich habe auch insoweit ein versicherbares Interesse und kann den „Mehrwert drüben" versichern oder als Versicherungswert den Wert am Bestimmungsort vereinbaren (§90 Anm.). Aber ein Gewinninteresse habe ich natürlich nicht. Anders R G H G Z 1898. 38, H G Z 1895. 37: Das Interesse „bestehe in der Mehrausgabe, die der Käufer durch den Bezug von auswärts vermeiden wolle". Die gequälte Begründung verkennt, daß eine Ausgabe niemals entgangener Gewinn sein kann, und versagt ganz, wenn der Gegenstand überhaupt nur von auswärts bezogen werden kann. Anders auch S i e v e k i n g 18: „Unter Gewinn sei allgemein die von dem Transport der Güter zu erwartende Wertsteigerung zu verstehen", — was erst zu beweisen wäre und auf der Verwechselung der Versicherung imaginären Gewinns und der Versicherung des „Mehrwerts drüben" beruht. Anders ferner S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I 3 zu § 1 A D S : „ M a n nimmt das Ergebnis vorweg, wenn man den Mehrwert als den in einer Wertsteigerung sich ausdrückenden Gewinn bezeichnet, der beim Abschluß des Versicherungsvertrags nicht nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten war . . . Wenn die Konjunkturänderung sich so deutlich abzeichnet, daß der Versicherungsnehmer einen Konjunkturgewinn nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise erwarten konnte, so vermag ich nicht einzusehen, weshalb nicht die Grundsätze der Versicherung des imaginären Gewinns anwendbar seien." — Ebensowenig kann der Verkäufer sich durch eine Versicherung imaginären Gewinns gegen den positiven Schaden schützen, den er davon befürchtet, daß er nicht mit den erwarteten Gütern seine Lieferungspflicht erfüllen kann und sich infolgedessen teurer eindecken muß ( S i e v e k i n g 18: „sehr zweifelhaft"). 32. Der entgehende Gewinn kann abstrakt und konkret berechnet werden. Anm. 44 A b s t r a k t : indem er „nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge" bestimmt wird; der Versicherungsnehmer braucht nicht etwa schon „Anstalten zur tatsächlichen Sicherung des Gewinns getroffen" zu haben (Bolze Z H R 42. 42, R G H G Z 1898. 39, H G Z 1893. 174). K o n k r e t : Der Versicherungsnehmer kann sich darauf berufen, daß er „nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen" (BGB § 252), „infolge individueller Verhältnisse" ( R G 15. 89) einen höheren als den gewöhnlichen Gewinn erwarten konnte, etwa infolge eines besonders günstigen Verkaufs der auf seine Gefahr reisenden Güter oder infolge der besonders
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§ 1 günstigen Produktions- und Absatzverhältnisse der Fabrik, in der die gewinnversicherten Güter verarbeitet werden sollen, oder etwa, wenn der Versicherungsnehmer neue Briefmarken an eine ausländische Regierung verkauft hat und für den Fall der glücklichen Ankunft der Marken berechtigt ist, eine größere Menge solcher Briefmarken abstempeln zu lassen und an Markensammler zu verkaufen (RG 100. 93, wo freilich anscheinend nicht berücksichtigt ist, ob der Versicherungsnehmer im Falle des Verlustes nicht andere Marken hätte liefern können und sollen und auch in diesem Falle berechtigt gewesen wäre, gestempelte Marken in den Verkehr zu bringen). — Aber „nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge" kann wegen der „besonderen Umstände", wegen der „getroffenen Anstalten und Vorkehrungen" auch g e r i n g e r e r G e w i n n zu e r w a r t e n sein, als unter g e w ö h n l i c h e n Umständen. Trägt der Käufer die Gefahr der Reise, so kann er (nicht nur sein Eigentümerinteresse an den Gütern, sondern auch) den Gewinn versichern, der beim Abschluß des Versicherungsvertrags nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge möglicherweise, insbesondere von einem etwa möglichen Weiterverkauf, zu erwarten ist. Wenn aber der Verkäufer, ganz oder teilweise, die Gefahr der Reise trägt, wenn er ζ. B. mit der Klausel verkauft hat should vessel be lost, contract to be void (oder mit der Klausel verkauft hat vessel prevented delivering cargo contract to be void: HGZ 1892. 73, 1893. 21, oder mit der Klausel verkauft hat „Falls das Schiff verlorengehen oder seinen Bestimmungsort nicht erreichen sollte, ist dieser Abschluß aufgehoben": HGZ 1892. 71, 91) und infolgedessen die Gefahr des Schiffsverlustes trägt, so kann er, falls sein von der Ankunft der Güter tatsächlich erwarteter Gewinn kleiner ist, als der unter gewöhnlichen Verhältnissen möglicherweise zu erwartende Gewinn, nicht schlechthin diesen letzteren versichern, sondern nur den kleineren, durch den Verkaufspreis begrenzten Gewinn (RG HGZ 1893. 195, HGZ 1893. 14), — wie ja auch der Verkäufer, der die Gefahr der Reise nicht trägt, der Hauptsache nach nicht mehr das Eigentümerinteresse hat und deswegen auch nicht mehr (wenigstens nicht mehr für eigene Rechnung) versichern kann (vgl. oben Anm. 10, unten Anm. 52). Hat der Eigentümer die gewinnversicherten Güter erst nach dem Abschluß des Versicherungsvertrags so verkauft, daß die gesamte Gefahr der Reise auf den Käufer übergegangen ist, so ist (nicht nur die Güterversicherung: § 4g, sondern auch) die Gewinnversicherung auf den Käufer übergegangen, der freilich in Höhe des durch den Verkauf realisierten Gewinns nicht Gewinn erwartet, sondern nur erwartet, durch die Verwertung der Güter Ersatz (auch) für den Kaufpreis und damit für den realisierten Gewinn zu erlangen (§ 49 Anm.). Hat der Eigentümer die gewinnversicherten Güter nach dem Abschluß des Versicherungsvertrags mit der Klausel should vessel be lost, contract to be void verkauft, so trägt er, der Verkäufer, die Gefahr des Schiffsverlustes, der Käufer die übrige Gefahr. Wie die Güterversicherung, so geht auch die Gewinnversicherung teilweise auf den Käufer über, — die Gewinnversicherung insbesondere wiederum ganz, soweit der Käufer die Gefahr trägt (also ζ. B. für den Fall, daß das versicherte Porzellan vollständig zerbrochen im Vertragsschiff den Bestimmungsort erreicht), teilweise (nämlich nur für den Überschuß des Wertes des Gewinninteresses über den Verkaufsgewinn), soweit der Verkäufer die Gefahr trägt, also für den Fall des Schiffsverlustes (vgl. R G HGZ 1893. 195, wo freilich nur betont ist, daß das Gewinninteresse des Verkäufers, soweit der Verkaufsgewinn hinter dem Werte des Gewinninteresses zurückbleibt, wegfällt). — Die Höhe der Gefahr bleibt natürlich bei der Berechnung der Höhe des Gewinns außer Betracht (RG 94. 303). Anm. 45
33· Ist beim Abschluß des Versicherungsvertrags unmöglich Gewinn zu erwarten, so ist der Vertrag u n w i r k s a m und nach den §§ 2, 3 zu behandeln (§ 5 Anm. 5; Beispielfall: § 103 Anm.). Er wird auch nicht wirksam, wenn vor oder nach
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dem Beginn der Versicherung die Erwartung eines Gewinns möglich wird. E r wird § 1 auch nicht dadurch wirksam, daß tatsächlich Gewinn entgeht. Der Versicherungsnehmer wird zu dem Beweise, daß tatsächlich Gewinn entgangen sei, gar nicht zugelassen. N a c h herrschender Ansicht steht § 252 Satz 2 B G B nicht im Wege, daß der Schadensersatz-Berechtigte sich auch auf später entstandene Umstände, die eine Gewinnerwartung rechtfertigen, insbesondere auf eine spätere, bei der Entstehung des Schadens noch nicht zu erwartende Wertsteigerung beruft (ζ. B. S o e r g e l - S c h m i d t Anm. 40f. zu §§249—253 B G B ) ; § 2 5 2 Satz 2 B G B wird insoweit als eine nur den Beweis erleichternde Vorschrift betrachtet (vgl. auch oben A n m . 40). Die Berechtigung dieser, die Schadensliquidation weiter erschwerenden und die Schadensprozeßführung zum Nachteil aller Beteiligten weiter belastenden, Auffassung kann hier dahingestellt bleiben. Denn die versicherungsrechtliche Vorschrift, daß der ganze Gewinn, der beim Abschluß des Versicherungsvertrags nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten war, versicherbar, aber auch nur er zu ersetzen ist, bildet einen selbständigen, von der Vorschrift des § 252 B G B jedenfalls insoweit unabhängigen, materiellen Rechtssatz. Der Versicherungsnehmer kann sich also insbesondere nicht darauf berufen, daß zwar beim Abschluß des Versicherungsvertrags ein so hoher Gewinn, wie der versicherte, nicht zu erwarten war, die Konjunktur aber gestiegen ist und nunmehr, beim Eintritt des Versicherungsfalls, der versicherte Gewinn zu erwarten gewesen wäre, bloße Konjunktursteigerung ist überdies durch Mehrwert-Versicherung zu decken (oben Anm. 42). — Anders natürlich, wenn gerade für den Fall, daß noch nach dem Abschluß des Versicherungsvertrags die Erwartung eines Gewinns möglich wird, Versicherung genommen ist. Dann ist eben für ein künftiges Gewinninteresse Versicherung genommen (§ 4 Abs. 1). Das ist, der Natur der Sache nach, b e i d e r l a u f e n d e n V e r s i c h e r u n g , der verbreitetsten Art von Versicherungen künftiger Interessen, der Fall. Bei der laufenden Versicherung kann natürlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht maßgebend sein. A n die Stelle des Zeitpunkts des Vertragsschlusses muß hier, der Natur der Sache nach, der Z e i t p u n k t treten, in d e m d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r „ n a c h kaufmännischen Grundsätzen V e r s i c h e r u n g z u n e h m e n " h ä t t e , wenn er nicht schon durch die laufende Versicherung gedeckt wäre (§ 97 Abs. 1 ; näheres: § 97 Anm.). Die Parteien können natürlich einen anderen, späteren Zeitpunkt, insbesondere denjenigen der Deklaration, als Stichtag vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist aber nicht schon die, daß der Gewinnversicherte nach L a g e des Falles den Gewinn zu deklarieren hat und der Versicherer „verpflichtet ist, stets die erforderliche Summe bis zum Maximalbetrag von 60 000 Μ für jedes einzelne Schiff versichert zu halten und die Aufgabe anzuerkennen" ( R G 94. 300, H G Z 1 9 1 7 . 225, vgl. hierzu § 97 Anm.). Denn damit ist zwar vereinbart, daß der deklarierte Betrag als Gewinninteresse angesehen werden soll, nicht aber auch, daß für die Berechnung des wirklichen Versicherungswerts ein anderer als der gewöhnliche Zeitpunkt maßgebend sein soll ( R G 94. 303). — War beim Abschluß des Versicherungsvertrags möglicherweise Gewinn zu erwarten, so ist o h n e B e d e u t u n g , daß nach oder auch vor dem Beginn der Versicherung d i e M ö g l i c h k e i t w e g f ä l l t ( H G Z 1885. 126). Die besondere Vorschrift über den f ü r den Versicherungswert maßgebenden Zeitpunkt schließt insoweit die entsprechende Anwendung des § 4 (vgl. dazu § 5 Anm. 5) aus, — gerade so, wie etwa die besonderen Vorschriften der §§ 70, 90 die Anwendung des § 4 für den Fall ausschließen, daß der Wert des versicherten Schiffes oder der versicherten Güter nach dem Beginn der Versicherung fällt. 34. Daß beim Abschluß des Versicherungsvertrags nur möglicherweise zu erwarten- A n m . 46 der Gewinn versicherbar ist, widerstreitet nicht nur dem Zwecke der Versicherung und den allgemeinen Grundsätzen des Versicherungsrechts, sondern auch denjenigen
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§ 1 des Schadensersatz-Rechts überhaupt (oben Anm. 40, 41). Die Zulässigkeit solcher Versicherung konnte daher nur vom Gesetz, nicht von den ADS angeordnet werden, — ähnlich, wie nur das Gesetz zulassen kann, d a ß auch eine übersetzte Taxe des Versicherungswerts wirksam ist ( § 6 Anm. 19), oder d a ß Versicherungskosten jeder Art versicherbar sind ( M I A § 13). Die Vertragsparteien können selbstverständlich nicht noch weiter gehen und „ G e w i n n " versichern, obwohl noch weniger von einem Interesse die Rede sein kann ( V o i g t 154). Sie können insbesondere nicht noch „extraimagin ä r e n " Gewinn versichern, wenn damit gemeint ist, daß ein höherer als der nach § 793 Abs. 2 H G B ( = ADS § 100 Abs. 2) zulässige Gewinn versichert sein soll. Das wird aber auch regelmäßig nicht gemeint sein. „Extraimaginärer" Gewinn wird gewöhnlich im Hinblick auf eine Gewinnversicherung versichert, die 10% des Versicherungswerts der Güter und damit nicht den ganzen, nach § 793 Abs. 2 H G B versicherbaren inmaginären Gewinn deckt. Die Versicherung „extraimaginären" Gewinns soll nur den Rest des Gewinninteresses decken oder einen Gewinn, der beim Abschluß der früheren Gewinnversicherung noch nicht zu erwarten war und nach dem inzwischen eingetretenen „Laufe der Dinge" oder nach den inzwischen „getroffenen Anstalten oder Vorkehrungen" zu erwarten ist (vgl. auch § 100 Anm.). Deshalb mißverständlich und verleitlich: H G Z 1893. 173: „ I n der Bezeichnung des Gewinns als extraimaginären Gewinn liege eine Andeutung, daß es sich nicht um den gewöhnlichen imaginären Gewinn handle". Tatsächlich handelte es sich in diesem Falle um das „gewöhnliche" Gewinninteresse, und das besondere des Falles bestand nur darin, d a ß dieses gewöhnliche Gewinninteresse nicht nur f ü r die gewöhnlichen Schadensfälle, sondern auch für den besonderen Schadensfall gedeckt war, daß „die Ladung nicht mit demselben Schiffe ganz oder teilweise ihre Bestimmung erreichen sollte". Unrichtig auch O G H a m b u r g H G Z 1873. 258: „ N a c h der Bezeichnung des versicherten imaginären Gewinns als eines „extraimaginären" sei anzunehmen, daß der Versicherungsnehmer eine Versicherung habe nehmen wollen, welche auch dann als verfallen anzusehen sei, wenn die Ware zwar den Bestimmungsort erreiche, aber in einem anderen Schiffe als in demjenigen, in dem sie im Abladehafen verladen worden sei" (ebenso H G Z 1892. 7 1 ; vgl. auch unten Anm. 48). Anm. 47
Aus demselben Grunde kann nicht mit der üblichen Klausel: „Taxiert zu χ D M inklusive imaginären Gewinn, gleichviel wie hoch," ein höherer als der nach § 793 Abs. 2 H G B zulässige Gewinn versichert werden. Er soll auch nicht versichert sein. Die Klausel will nur der Auslegungsregel des § 801 Abs. 2 H G B ( = ADS §101) begegnen, nach der 10% des Versicherungswerts der Güter als Versicherungswert des imaginären Gewinns angesehen werden sollen ( V o i g t 154, R G 44. 21, R G H G Z 1899. 262, H G Z 1898. 293, 1917. 244, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1878. 151). Es sollen nicht 10% des Versicherungswerts der Güter, sondern es soll der ganze, nach § 793 Abs. 2 H G B ( = ADS § 100 Abs. 2) versicherbare Gewinn als versichert gelten. Würden also Güter „taxiert auf 100 000 D M inklusive imaginären Gewinn, gleichviel wie hoch" versichert sein und der wirkliche Versicherungswert der Güter nur 80 000 D M betragen, so würde der Versicherer gleichwohl Herabsetzung der Taxe nicht verlangen können, wenn von der Ankunft der Güter a m Bestimmungsort ein Gewinn von 20 000 D M zu erwarten gewesen ist (vgl. auch § 101 Anm.). Anm. 48 35. Versicherbar ist, als versichert und gegebenenfalls als entgangen gilt der Gewinn, der „von der Ankunft der Güter" zu erwarten ist. Wie sonst im allgemeinen der Schaden das schadenstiftende Ereignis zur nächsten Ursache haben m u ß (§ 28 Anm.), so m u ß hier die Nichtankunft (oder die nicht gehörige Ankunft) der Güter am Bestimmungsort die nächste Ursache des Gewinnentgangs sein, — wenn auch nur in der Vorstellung, in der Erwartung. Als imaginärer Gewinn ist nur der Gewinn
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versicherbar, der von der Ankunft der Güter als seiner nächsten Ursache zu erwarten ist. § 1 In den imaginären Gewinn können nicht in ferner Zukunft liegende Gewinnmöglichkeiten einkalkuliert werden. Dagegen steht nichts im Wege, bei der Berechnung des von der Ankunft der Güter zu erwartenden Gewinns auch die Erwartung der A n k u n f t z u e i n e r b e s t i m m t e n Z e i t zu berücksichtigen. Wenn die Güter sog. S a i s o n w a r e n , ζ. B. eine Salpeterladung, bilden, so kann bei der Bemessung der Höhe des zu erwartenden Gewinns auch „ d i e bei normaler Reisedauer zu gewärtigende Zeit des Eintreffens mit in Anschlag gebracht werden" ( H G Z 1893. 1 7 3 ) . Dies muß natürlich erst recht gelten, wenn nicht nur der „ v o n der Ankunft der G ü t e r " erwartete Gewinn, sondern der „ v o n der Ankunft der Güter m i t d e m S c h i f f e L u i s e " erwartete Gewinn versichert ist. Der Unterschied zwischen einer solchen Gewinnversicherung und der üblichen Gewinnversicherung ist nur der, daß bei der üblichen Gewinnversicherung die Güter (erst) dann als total verloren gelten, wenn sie den Bestimmungsort nicht erreichen (vgl. § 103 Abs. 1), bei der Versicherung des von der Ankunft mit einem bestimmten Schiffe erwarteten Gewinns dagegen die Güter (schon) dann als total verloren gelten, wenn sie zwar den Bestimmungsort erreichen, aber nicht mit dem im Versicherungsvertrag bestimmten Schiffe (und deswegen, wenn überhaupt, gewöhnlich später) erreichen (richtig: H G Z 1892. 75, 1893. 2 2 : „Schwereres R i s i k o " ; ungenau ebendort: „Anderes Risiko"). Bei der Berechnung des von der Ankunft der Güter mit dem Schiffe Luise erwarteten Gewinns kann auch die Erwartung der Ankunft dieses Schiffes z u e i n e r b e s t i m m t e n Z e i t berücksichtigt werden. U n d dies alles ist natürlich nicht anders, wenn die Gewinnversicherung sich unter einer Versicherung für behaltene Ankunft verbirgt, wenn also etwa „ 3 8 0 0 0 Μ auf die behaltene Ankunft der L a d u n g Salpeter mit dem Schiffe Luise" versichert werden ( H G Z 1893. 10) und sich ergibt, daß diese „Interessenversicherung" imaginären Gewinn zu decken bestimmt ist. Wenn freilich zunächst der Salpeter mit der Klausel should vessel be lost, contract to be void verkauft wird und nunmehr „ 3 8 0 0 0 Μ auf die behaltene Ankunft der Ladung Salpeter mit dem Schiffe Luise" versichert werden, kann die Versicherung des Verkäufers imaginären Gewinn nur noch beschränkt decken. Das Gewinninteresse ist durch den Verkauf beschränkt. Die Versicherung deckt nur noch das durch den Verkauf beschränkte Gewinninteresse. Der Wert dieses Interesses ist durch „die besonderen Umstände, insbesondere die getroffenen Anstalten und Vorkehrungen", nämlich durch den Verkauf, auf den durch den Verkauf erzielten Gewinn bestimmt (oben Anm. 44). Nach ihm bemißt sich die Entschädigung (und das Recht des Versicherers auf Herabsetzung der T a x e ) , mögen die Güter den Bestimmungsort nicht erreichen, mögen sie ihn zwar erreichen, aber nicht mit dem Schiffe Luise. U n d wenn zunächst der Salpeter „inklusive imaginären Gewinn, gleichviel wie hoch", versichert wird ( H G Z 1893. 9), dann der Salpeter mit der Klausel should vessel be lost, contract to be void verkauft wird, nunmehr „ 3 8 0 0 0 Μ auf die behaltene Ankunft der L a d u n g Salpeter mit dem Schiffe Luise" versichert werden und diese Versicherung nur zur Ergänzung der ersten Gewinnversicherung dienen soll, so ist zwar die Versicherung für behaltene Ankunft auch eine Versicherung imaginären Gewinns, aber eine Gewinnversicherung, die gegenüber der gewöhnlichen Gewinnversicherung insofern erweitert ist, als sie für einen bestimmten, bei der gewöhnlichen Gewinnversicherung nicht wirksamen Fall (nämlich den Fall, daß die Güter zwar den Bestimmungsort erreichen, aber nicht mit dem bestimmten Schiffe) genommen ist, die aber gegenüber der gewöhnlichen Gewinnversicherung insofern beschränkt ist, als sie eben für die gewöhnlichen Fälle nicht genommen ist, ζ. Β. nicht für den Fall, daß Schiff und Güter untergehen, also insofern vielmehr der ersten Gewinnversicherung den Vortritt läßt. Aber ohne zwingenden Grund darf natürlich nicht angenommen werden, daß die unter der Maske einer Ver-
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§ 1 Sicherung für die behaltene Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe sich verbergende Versicherung imaginären Gewinns in diesem beschränkten Umfang gemeint ist. An und für sich ist auch eine solche Versicherung eine gewöhnliche Gewinnversicherung, die nur das besondere hat, daß der Versicherer auch dann haftet, wenn die Güter zwar den Bestimmungsort erreichen, aber nicht mit dem Schiffe. Und dies kann an und für sich auch nicht einmal dann anders sein, wenn zunächst eine gewöhnliche Gewinnversicherung genommen wäre. Es würde dann eben teilweise Doppelversicherung vorliegen; beide Versicherer würden ζ. B. als Gesamtschuldner haften, wenn Schiff und Güter untergehen. Verkauft nach Abschluß des Gewinnversicherungs "Vertrags der Versicherungsnehmer die Güter mit der Klausel should vessel be lost, contract to be void, so fällt das versicherte Interesse teilweise weg. Der Versicherer würde nur noch haften, wie er haften würde, wenn die Güter zunächst mit dieser Klausel verkauft wären und nunmehr erst Gewinnversicherung genommen wäre. In Wirklichkeit läßt das Gesetz das Interesse nicht teilweise wegfallen, sondern insoweit auf die Käufer übergehen. Mit dieser Auffassung stimmen im wesentlichen Rechtslehre (Bolze Z H R 42. 42, S i e v e k i n g 144, V o i g t 594, S c h l e g e l b e r g e r S V R § 1 A D S I I I 3c) und Rechtsprechung ( R G 36. 133, R G H G Z 1893. 155, H G Z 1893. 1 1 , 172, 1895. 95, H G u. OG Hamburg H G Z 1873. 257, 1876. 140, L G Hamburg H G Z 1885. 103) überein. Dabei ist es jedoch nicht ohne Mißverständnisse abgegangen. Anm. 49 a) Nach S i e v e k i n g 144 „wird das Interesse daran, daß . . . Güter in einem bestimmten Schiffe und zu einer bestimmten Zeit, d. h. innerhalb der bei normalem Verlaufe der Fahrt mit annähernder Richtigkeit feststellbaren Zeit ankommen, durch Versicherung auf behaltene Ankunft . . . von Gütern in einem bestimmten Schiffe nicht gedeckt". Das versteht sich von selbst, ist auch unbestritten und insbesondere nicht (wie S i e v e k i n g glaubt) in R G 36. 83, H G Z 1893. 169 bestritten worden. Wenn „38000 Μ auf die behaltene Ankunft der Ladung Salpeter mit dem Schiffe Luise" versichert werden und die Luise statt, wie vorausgesetzt, am 1. Februar 1922, erst am 1. April 1922 am Bestimmungsort eintrifft, kann der Versicherungsnehmer natürlich keine Entschädigung verlangen ( H G Z 1895. 97). Der Versicherungsfall ist nicht eingetreten. Zwar hätte auch das Interesse des Ladungsbeteiligten an der rechtzeitigen Ankunft der Güter am 1. Februar 1922 versichert werden können (abw. ohne Grund L e w i s 2. 258). Aber das ist eben nicht geschehen. Anm. 50 b) Von dem gleichen unrichtigen Ausgangspunkt aus sind B o l z e Z H R 42.42 zu und, ihm folgend, H G Z 1895. unrichtigen Ergebnissen gelangt (richtig dagegen L G Hamburg H G Z 1985. 94). Sie stellen die Frage, ob „das Zeitinteresse unter die Versicherung auf behaltene Ankunft einer Ware mit einem bestimmten Schiff fällt, ob also anzunehmen ist, daß die Versicherungsgesellschaft das Risiko dafür hat übernehmen wollen, daß die Ware innerhalb einer relativ bestimmten oder bestimmbaren Zeit ankommt, — oder ob eine derartige Versicherung etwas so Ungewöhnliches ist, daß, wenn der Versicherte kein anderes besonderes Interesse nachweist, beim Eintreffen der Ladung in einem anderen Schiffe der Schadensfall nicht gegeben ist, daß er namentlich nicht schon um deswillen gegeben ist, weil die Ladung später eintrifft, als sie, wenn ein Seeunfall nicht eingetreten wäre, nach Wahrscheinlichkeit mit dem ersten Schiffe eingetroffen sein würde". Diese Ungewöhnlichkeit wird behauptet. Mit Recht. Die Versicherung bloßen Zeitinteresses kommt aus naheliegenden Gründen praktisch nicht vor (würde aber natürlich, wenn sie vorkäme, Seeversicherung sein, — was L e w i s 2. 258 ohne Grund bestreitet). Aber der Schluß, daß deshalb bei der Versicherung imaginären Gewinns die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit der Ankunft der Güter zu einer bestimmten Zeit nicht in Betracht komme, ist ein offenbarer Trug-
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schluß. Denn die „Erwartung" eines Gewinns muß notwendig stets aus Gegenstand, § 1 Raum und Zeit ihre Nahrung schöpfen (oben Anm. 48; richtig insbesondere H G Z 1893. 174). Nicht darum handelt es sich, ob die Versicherung imaginären Gewinns auf die behaltene Ankunft der Güter mit dem Schiffe die Versicherung eines Zeitinteresses ist (wie H G Z 1895. 96 glauben machen will), sondern nur darum, ob bei der Berechnung der Höhe des erwarteten Gewinns auch die voraussichtliche Zeit der Ankunft der Güter zu berücksichtigen ist, ob die Erwartung sich auch an der voraussichtlichen Zeit der Ankunft der Güter zu bilden hat. Das ist aber begriffsnotwendig. Es ist deshalb auch unerläßlich sowohl im Interesse des Versicherungsnehmers wie in dem des Versicherers. Im Interesse des Versicherungsnehmers: Denn, wenn er den von der Ankunft einer Salpeterladung erwarteten Gewinn versichert, muß er gerade den Gewinn versichert wissen wollen, den er von der Ankunft des Salpeters zu der für die deutsche Landwirtschaft und damit für den deutschen Markt günstigen Zeit erwartet. Im Interesse des Versicherers: Wenn die Erwartung zeitlos wäre, würde es ihm eigentlich niemals gelingen können, zu beweisen, daß die Gewinntaxe erheblich übersetzt ist (worauf wiederum mit Recht H G Z 1893. 174 hingewiesen, woraus die Schlußfolgerung zu ziehen aber H G Z 1895. 95 unterlassen hat). Die Berücksichtigung der voraussichtlichen Ankunftszeit soll nach H G Z 1895. 95 „zu dem sonderbaren Ende führen können, daß der Versicherte, obwohl er auf behaltene Ankunft mit dem Schiffe versichert hat, sein Interesse darin erblickt, daß das bestimmte Schiff die Reise nicht vollendet, das Gut nicht heranbringt, das Gut also nicht mit dem bestimmten Schiffe ankommt". Aber dies Ende ist nichts weniger ab sonderbar. Denn die Interessenkehrung ist gerade der Versicherung imaginären Gewinns in besonderem Maße eigentümlich (oben Anm. 41). Nicht minder unbegründet ist der Einwand, im Falle der Berücksichtigung der voraussichtlichen Ankunftszeit fehle jeder Anhalt dafür, „ob bei Ankunft der Ware mit einem Ersatzschiff zu späterer Zeit als der vermutlichen Ankunftszeit des in der Police genannten Schiffes ein Totalverlust vorliege oder nicht" (HGZ 1895. 97). Denn, da bei der gewöhnlichen Gewinnversicherung die Güter als total verloren gelten, wenn sie den Bestimmungsort nicht erreichen, muß natürlich, falls vereinbart wird, daß der von der Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe erwartete Gewinn versichert sein soll, auch als vereinbart angesehen werden, daß die Güter als total verloren gelten sollen, wenn sie nicht mit eben diesem Schiffe den Bestimmungsort erreichen, insbesondere also, wenn sie zwar den Bestimmungsort erreichen, aber mit einem anderen Schiffe. Und diese naheliegende Erwägung leitet zu einer anderen über, die das letzte Bedenken gegenüber dem „sonderbaren Ende" ausräumt, zu dem die hier vertretene Auffassung angeblich führen soll. Wenn nämlich bei der gewöhnlichen Gewinnversicherung als vereinbart gilt, daß, falls die Güter während der Reise verkauft werden und mehr als den Versicherungswert erzielen, der Gewinnversicherte sich den Mehrbetrag auf die Gewinnversicherungs-Summe anrechnen lassen muß (§ 103 Abs. 2), so muß natürlich, falls vereinbart wird, daß der von der Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe erwartete Gewinn versichert sein soll, auch als vereinbart angesehen werden, daß, falls die Güter mit einem anderen Schiffe am Bestimmungsort eintreffen, der Gewinnversicherte sich den entsprechenden Mehrwert über den Versicherungswert der Güter auf die Gewinnversicherungs-Summe anrechnen lassen muß. Das ergeben übrigens auch schon die Regeln über Vorteilsausgleichung (vgl. Vorb. I X vor § il. Eine Versicherung des von der Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe Anm. 51 erwarteten Gewinns ist es jedoch nicht, wenn etwa nur vereinbart wird: „ 1 2 0 0 0 Μ als extraimaginären Gewinn auf 1530 Tons loses Phosphat für behaltene Ankunft desselben, taxiert zu 12000 Μ im Dampfschiff Luise von Sombrero Island nach Stettin"
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( R G H G Z 1893. 2 1 , H G Ζ 1892. 7 3 ; vgl. auch die ähnlichen Fälle R G 36. 130, B o l z e 16 Nr. 458, R G H G Z 1884. 139, H G Z 1884. 138, 1895. 256, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1876. 1 3 7 , 138). I n solchen Fällen bedeutet die Angabe des Schiffes nur, daß die Güter mit dem angegebenen Schiffe befördert werden sollen (vgl. § 95 Abs. 1, näheres: § 1 0 1 Anm.). — Dagegen ist es allerdings eine (besondere) Versicherung des von der Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe erwarteten Gewinns, wenn Gewinn versichert wird auf die behaltene Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort mit der Klausel: „Falls infolge Seeschadens oder einer Kondemnation oben bezeichneter Dampfer seinen Bestimmungsort nicht erreicht, ist die versicherte Summe mit 1 0 0 % als Totalschaden zu zahlen" ( R G 36. 130, H G Z 1895. 256; näheres über die Klausel: § 120 Anm.). Anm. 52 36. Bei alledem ist vorausgesetzt und aus alledem geht bereits hervor, daß als imaginärer Gewinn nicht jede Art von „ G e w i n n " versichert werden kann, den jemand von der Ankunft der Güter a m Bestimmungsort erwartet. Agenten, Makler, K o m missionäre, Spediteure, Lagerhalter, Frachtführer, Leichter-, Schlepper-, Löschungsunternehmer, Getreidekontrolleure usw. können ein Gewinninteresse an der Ankunft der Güter haben und versichern. Selbst der Konsument kann ein Interesse an der Ankunft der Güter haben, da die Preise fallen, wenn große Zufuhren den Bestimmungsort erreichen, steigen, wenn sie ihn nicht erreichen. Aber als „imaginären G e w i n n " können sie diese Interessen nicht versichern. Imaginären Gewinn kann n u r versichern, w e r d a s Eigentümerinteresse h a t (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I 3 c zu § 1 A D S ; zweifelnd H e s s e V e r s R 1963. 2 1 5 : notwendig sei nur ein Substanzinteresse). Wie der Begriff des Schadens den positiven Schaden (damnum emergens) und den entgangenen Gewinn (lucrum cessans) umfaßt, so umfaßt das Eigentümerinteresse im weiteren Sinne das Interesse des Eigentümers als solchen, keinen Schaden an seinem Eigentum zu erleiden und nicht die Möglichkeit eines Gewinns zu verlieren, den er, als Eigentümer, durch Verwertung oder Verwendung der ihm gehörenden Sache erzielen könnte. Das Gesetz bringt diesen Gedanken ebensowenig zu unmittelbarem Ausdruck wie den Gedanken, daß die Versicherung „des Schiffes" oder „ d e r G ü t e r " nur das Eigentümerinteresse im engeren Sinne umfaßt. Es läßt aber jenen Gedanken wie diesen deutlich durchblicken (vgl. insbesondere R G 44. 20, R G H G Z 1893. 190, H G Z 1884. 138, 1893. 12, 1 9 1 7 . 244, auch R G H G Z 1893. 23). So insbesondere, indem es von der Versicherung des „ i m Falle der Ankunft der Güter erwarteten Gewinns" ausdrücklich die Versicherung „ d e r von der Ankunft der Güter zu verdienenden Provision" unterscheidet ( H G B § 77g Abs. 1 = A D S § 1 Abs. 2). Indem es von der „Mitversicherung" imaginären Gewinns zusammen mit der Versicherung der Güter spricht ( H G B § 801 Abs. 2) oder von der „gemeinschaftlichen Versicherung der Güter und des Gewinns" (§ 1 0 1 ; freilich auch von der Mitversicherung der Provision, aber nur im Gedanken an die teils für eigene, teils f ü r fremde Rechnung zu nehmende Versicherung der Güter und des Gewinns durch den Kommissionär, vgl. Prot. 4273). Indem es die Versicherung der Güter den Gewinn nur dann „umfassen" läßt, wenn es besonders vereinbart ist ( V V G § 53, H G B § 801 Abs. 1). Indem es bestimmt, daß der Gewinn versicherte sich den Uberschuß des Verkaufserlöses, der Havariegrosse-Vergütung und des vom Verfrachter geleisteten Schadensersatzes auf die Versicherungssumme anrechnen lassen muß ( H G B §§ 860, 879 Abs. 3, A D S § 103 Abs. 2). U b e r die versicherungstechnische Rätlichkeit solcher Unterscheidung läßt sich streiten. A n der versicherungsrechtlichen Unterscheidung ist nicht zu zweifeln. Nur der Eigentümerinteressent kann imaginären Gewinn versichern. A n d e r e G e w i n n i n t e r e s s e n t e n m ü s s e n i h r I n t e r e s s e b e s o n d e r s b e z e i c h n e n (§ 1 Abs. 2 Satz 2) oder f ü r behaltene Ankunft der Güter oder des Schiffes mit den Gütern Versicherung nehmen. Eigentümerinter-
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essent ist insbesondere auch der Käufer, der die Gefahr der Reise trägt (oben Anm. 10). § 1 Eigentümerinteressent im Sinne der Gewinnversicherung ist der Käufer aber auch dann, wenn er nicht die Gefahr der Reise trägt. Denn das Gewinninteresse des Verkäufers ist zum Teil auf ihn übergegangen, wie das gewöhnliche Eigentümerinteresse dann auf ihn übergeht, wenn er die Gefahr der Reise übernimmt. Der Verkäufer kann nach Abschluß des Kaufvertrags nicht mehr den ganzen Gewinn versichern, der zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrags „nach kaufmännischer Berechnung möglicherweise zu erwarten" ist. Die Möglichkeit hat sich durch den K a u f teilweise in Gewißheit verwandelt. Das Gewinninteresse des Verkäufers ist teilweise liquidiert. Der Verkäufer kann nur noch den Gewinn versichern, den er nach dem Kaufvertrag zu erwarten hat (oben Anm. 44). Das restliche Gewinninteresse ist auf den Käufer übergegangen. Der Käufer kann es als imaginären Gewinn versichern ( R G H G Z 1884. 139, 1893.21, H G Z 1892.73; vgl. auch H G u. O G Hamburg H G Z 1876.137, 138). Wenn die Güter nach dem Abschluß des Kaufvertrags im Werte steigen, kann der Käufer j a auch den restlichen Wert, den Mehrwert, als gewöhnliches Eigentümerinteresse versichern, obgleich er die Gefahr der Reise nicht trägt. Geht die Gefahr der Reise nach § 447 BGB auf den Käufer über, so kann dieser, wie das gewöhnliche Eigentümerinteresse, so auch das Gewinninteresse versichern. Maßgebend für den Wert des Gewinninteresses ist der Zeitpunkt, in dem der Käufer Versicherung nimmt. Waren Güter und Gewinn schon vom Verkäufer versichert, so gehen Güter- und Gewinnversicherung auf den Käufer über, natürlich mit dem ursprünglichen Versicherungswert. War beim Abschluß des Kaufvertrags die Ware im Preise gefallen, also der versicherte Gewinn nicht mehr zu erwarten, so kann der Käufer gleichwohl Entschädigung nach Maßgabe des höheren Versicherungswerts verlangen. W a r beim Abschluß des Kaufvertrags die Ware im Preise gestiegen, so kann er gleichwohl nur Entschädigung nach Maßgabe des niedrigeren Versicherungswerts verlangen. — Auch die F r a c h t ist „ G e winn", und zwar Gewinn, der (nicht nur von der Ankunft des Schiffes, sondern auch) von der Ankunft der Güter erwartet wird und sogar durch „Anstalten und Vorkehrungen", nämlich durch den Abschluß des Frachtvertrags gesichert ist. Aber das Frachtinteresse ist ebensowenig wie das Provisionsinteresse und ähnliche Interessen ein Gütereigentümer-Interesse und kann daher schon aus diesem Grunde nicht als imaginärer Gewinn versichert werden. 37. Auch in England ist Gewinn (profit, expected profit) versicherbar ( M I A § 3 Anm. Abs. 2). Trotz der sonst leichteren Auffassung des englischen Rechts über die Bezeichnung des Interesses (oben Anm. 13) wird Gewinn durch eine gewöhnliche Güterpolice nicht gedeckt. Die Versicherung muß besonders, on profits oder dgl., genommen werden ( A r n o u l d 259 s. 293: anders in den VerSt. von Amerika). Doch darf in die Gütertaxe Gewinn eingeschlossen werden. — Versicherbar ist der Gewinn, den der Versicherungsnehmer erwartet. Aber im Versicherungsfall the assured cannot recover unless he prove that but for the intervention of the perils insured against, some profit would in fact have been realised by the sale of his goods an arrival ( A r n o u l d 256 s. 290); anders in den U S A : dort it is conclusive presumption that some profit would have accrued had the goods arrived and upon this the valuation in the policy attaches ( A r n o u l d a. a. O . Anm. 18). — Zwischen der Versicherung von profits und von commissions wird nicht so scharf unterschieden, wie nach deutschem Recht zwischen der Versicherung imaginären Gewinns und der Versicherung von Provision (vgl. A r n o u l d 258 s. 291). In Frankreich war die Versicherung von Gewinn (profit espere) nach Art. 347 C. de com. verboten. M a n umging das Verbot, indem man den Versicherungswert der Güter mit einem Aufschlag von 1 0 % vereinbarte ( R i p e r t Nr. 2504). Das Gesetz vom 12. August 1885 hat die Gewinnversicherung erlaubt. M a n hat aber am alten 7
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§ 1 Verfahren in der Praxis im Prinzip festgehalten: Nach Art. 12 der französischen Güterpolice umfaßt der Versicherungswert der Güter 1 2 % imaginären Gewinn. Schiffsgewinn Anm. 54
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38. V o m imaginären Gewinn spricht man im Verkehr im allgemeinen nur im Zusammenhange mit der Güterversicherung. Versicherbar ist aber natürlich auch der dem imaginären Gewinn entsprechende, von der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort erwartete Gewinn (wenn auch Gesetz und A D S die Versicherung von Schiffsgewinn nicht besonders erwähnen). Versicherbar ist aber nur der Gewinn, der „ n a c h d e m g e w ö h n l i c h e n L a u f e d e r D i n g e oder n a c h d e n b e s o n d e r e n U m s t ä n d e n , insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, m i t W a h r s c h e i n l i c h k e i t e r w a r t e t werden konnte" (BGB § 252). Nicht der Gewinn der nur „möglicherweise zu erwarten" ist. Zwar gestattet das Gesetz ( H G B § 793 Abs. 2), imaginären Gewinn auch insoweit zu versichern, als er nur „möglicherweise zu erwarten" ist. Aber das Gesetz geht damit für einen Sonderfall über die allgemeinen Schadensersatz- und Schadensversicherungs-Grundsätze hinaus (oben Anm. 41, 46). Es kann daher auf andere Fälle nicht übertragen werden. — Aus denselben Gründen ist auch der Schiffsgewinn nicht versicherbar, der „ z u r Zeit des Abschlusses des Vertrags zu erwarten w a r " , sondern nur der Schiffsgewinn, der beim Beginn der Versicherung zu erwarten ist. Ist der versicherte Gewinn beim Beginn der Versicherung nicht mehr oder nicht mehr ganz zu erwarten, so ist das versicherte Interesse ganz oder teilweise weggefallen, die Gewinnversicherung also nach § 4 Abs. 1 zu behandeln.
39. Im übrigen wird aber von der Versicherung des von der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort (oder auch in einem Zwischenhafen) erwarteten Gewinns grundsätzlich dasselbe gelten müssen, wie von der Versicherung des von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwarteten Gewinns. Insbesondere muß angenommen werden, daß, wenn solcher Gewinn versichert ist, nur das Gewinninteresse des Eigentümers als versichert gelten kann. Denn für die Versicherung der Provision des Schiffsagenten, des Schiffsmaklers usw. haben Gesetz und A D S die Versicherung der „ i m Falle der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsorte zu verdienenden Provision" zur Verfügung gestellt. Anm. 56 Insbesondere kann der erwartete Schiffsgewinn sowohl Verwertungs- wie Verwendungsgewinn sein. Die Versicherung von Verwertungsgewinn ist natürlich selten. Denn Schiffe hat man in der Regel nicht, um sie zu verwerten, sondern um sie zu verwenden. Uber einen Fall der Versicherung „ a u f imaginären Gewinn des Schiffes Christine": H G Z 1891. 24 ( K a u f u n d Weiterverkaufeines Schiffes mit einem Nutzen von 11000, beides unter der Bedingung glücklicher Ankunft des Schiffes in einem bestimmten Hafen). Anm. 57 Die Versicherbarkeit des Verwendungsgewinns, des von der Ankunft des Schiffes in einem Hafen erwarteten Betriebs- oder Nutzungsgewinns, ist s t r e i t i g . Die Versicherbarkeit eines solchen Interesses, die Zulässigkeit solcher Versicherungen kann indessen keinem begründeten Zweifel begegnen. Die Zeit, wo man die Chomageversicherung oder gar die Feuerversicherung von entgangenem Gewinn für unzulässig hielt, ist vorüber. Die Versicherung von Betriebs- und Mieteausfällen u. ähnl. ist gang und gäbe. Dem Verwertungsinteresse des Ladungsbeteiligten entspricht das Nutzungsinteresse des Reeders. Die Rollen können vertauscht sein. Der Ladungsbeteiligte kann ein Nutzungsinteresse, der Reeder ein Verwertungsinteresse haben. Der Ladungsbeteiligte kann eine für seine Fabrik bestimmte Maschine oder eine zur Verarbeitung in seiner Fabrik bestimmte Ware, der Reeder kann ein von ihm zum Verkauf bestimmtes
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Schiff gewinnversichern (vgl. oben Anm. 43, 65). Gewöhnlich ist es aber umgekehrt, § 1 und das gewöhnliche hat dem Gesetz und den A D S sein Gepräge gegeben. Beide, Ladungsbeteiligter und Reeder, können ihr Verwertungs- wie ihr Nutzungsinteresse, je nachdem sie jenes oder dieses haben, versichern. „Ein lebens- und konkurrenzfähiger Import- und Exporthandel hängt von der Aussicht auf einen den Wert der Güter am Abladeplatz übersteigenden Gewinn und die Möglichkeit seiner Sicherung gegen die Seegefahr ebenso wesentlich ab, wie ein lebens- und konkurrenzfähiger Reedereibetrieb" von der Aussicht auf Frachterwerb ( R G H G Z 1893. 59), — vielleicht nicht „ebenso", sonst wäre die Versicherung gegen Betriebsausfälle ebenso häufig wie die Versicherung der Betriebsgegenstände; aber das ist nur ein äußerer, kein innerer Unterschied. So auch die herrschende Ansicht: R G H G Z 1893. 58, H G Z 1892. 180, 1894. 283, L G Hamburg 1883. 3 1 2 , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I 3c zu § 1 ADS. Anders S i e v e k i n g 6: Zwar habe der Reeder ein Interesse daran, daß ihm die Möglichkeit späteren Frachtverdienstes nicht durch den Verlust des Schiffes entzogen werde. Aber dies Interesse sei nicht versicherbar. Es sei nach dem Gesetze nicht dermaßen mit dem Bestehen der Gefahr auf der versicherten Reise verknüpft, daß es versicherbar sei. Denn das Gesetz schreibe vor, daß der Frachtversicherer für einen Unfall, von dem das Schiff betroffen werde, nur hafte, wenn die Frachtverträge bereits abgeschlossen seien, und verneine damit ein versicherbares Interesse an dem Verdienst noch nicht durch Vertrag gesicherter Frachten. Demgemäß erkenne auch das englische Recht ein versicherbares Interesse am Frachtverdienst nur an, wenn there is at the time of loss an inchoate right to the freight ( A r n o u l d s. 322, V o i g t 492). Höchstens könne bei Schiffslinien, die regelmäßige Fahrten unterhielten, gegen die Schäden Versicherung genommen werden, welche unmittelbar aus der durch den Schiffsverlust verursachten Betriebsstörung entständen, wie ζ. B. Vermögensverluste durch verhinderte oder verzögerte Expedition von Waren oder Passagieren (so anscheinend im Anschluß an L G Hamburg H G Z 1892. 178). Diese Auffassung steht allerdings in unvereinbarem Widerspruch mit dem Anerkenntnis, daß der Fabrikant den von der Verwendung der Maschine erwarteten Nutzen als imaginären Gewinn, und daß sogar der Privatmann für den zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmten Divan „imaginären Gewinn" versichern könne ( S i e v e k i n g 18; vgl. dazu oben Anm. 43). Im übrigen ist der Irrtum offenbar. Das argumentum e contrario hat sich wieder als Trugschluß erwiesen. § 825 Abs. 3 H G B verbietet nicht die Versicherung der durch Frachtvertrag nicht gesicherten Fracht, sondern bestimmt nur dispositiv über den Umfang der Haftung des Versicherers. It would indeed be extraordinary, if (expected) freight could not be made the subject of protection by an instrument which had its origin in commerce, and was introduced for the very purpose of giving security to mercantile transactions; it is a solid substantial interest as ascertained by contract, and arising out of labour and capital employed for the purposes of commerce (Chambre, J . , bei A r n o u l d 249 s. 282; freilich wird in England vorausgesetzt, daß der Gewinn nicht nur zu erwarten gewesen ist, sondern auch tatsächlich erzielt worden wäre, wenn der Versicherungsfall es nicht verhindert hätte, vgl. oben Anm. 53). Trotz § 825 Abs. 3 H G B steht daher auch in Deutschland nichts im Wege, expected freight unter Frachtversicherung zu bringen; es muß nur besonders ausbedungen werden (§ 105 Abs. 2). Aber es kommt hierauf gar nicht an. Denn es handelt sich gar nicht um eine Frachtversicherung. Als Frachtversicherung kann freilich ein Schiffsbetriebsausfall nicht versichert werden. Hierauf haben schon R G H G Z 1893. 59, H G Z 1892. 180, 1894. 283 aufmerksam gemacht. Hierauf bezieht sich auch allein A r n o u l d 249 s. 282, 290 s. 322: The party who insures freight must have an inchoate right to it. Whether a shipowner can insure the profit which he expects to make by the use of his ship is a question which has not 7*
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§ 1 been determined (it is clear that he cannot insure such profit as "freight" unless he have entered into a binding contract for freight). In a case where the plaintiff contended that the benefit to be derived from the use of a ship is insurable, although there be no actual contract for freight, Walton, J . , agreed that a shipowner has an interest in the use of his vessel, and may insure against loss through has being deprived of such use by perils of the sea, or other causes (Arnould 258 s. 291). Im Verkehr geht man heute noch darüber hinaus. Nach den IFC in the event of the total loss, whether absolute or constructive, of the vessel, the amount underwritten by this policy shall be paid in full, whether the vessel be fully or only partly loaded or in ballast, chartered or unchartered. •— Im f r a n z ö s i s c h e n Versicherungsverkehr unterschied man früher zwischen fret acquis und fret ä faire (C. de com. Art. 347). Fret ä faire war nicht versicherbar. Die Unversicherbarkeit wurde aber durch das Gesetz vom 25. August 1885 beseitigt. Anm. 58 40. Allerdings hat auch dieses Interesse seine natürlichen, durch die allgemeinen Regeln vom Schadensersatz bestimmten Grenzen (oben Anm. 15). Der Betriebsgewinn muß, um versicherbar zu sein, „nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden können" (BGB § 252). Es ist nicht nötig, daß er schon durch Vertrag gesichert ist. Es gnügt nicht, daß er nur „möglicherweise" zu erwarten ist. Anders HGZ 1892. 180, wo vom Versicherer der Beweis verlangt wird, daß es „unmöglich" gewesen sei, den vom Versicherungsnehmer behaupteten Gewinn zu erzielen (noch weiter gehend L G Hamburg HGZ 1883. 312: nicht nur die Möglichkeit neuen Frachtverdienstes nach Beendigung der versicherten Reise, sondern auch die Möglichkeit „ferneren Frachtverdienstes" komme in Betracht). Hier wird übrigens die Verteilung der Beweislast damit begründet, daß die Police die Klausel enthalte: „Im Falle von Totalverlust des Schiffes ist die versicherte Summe zum Vollen zu bezahlen". Die Klausel bedeutet an sich nur, daß der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlangen kann: der Versicherer muß nachweisen, daß der Schaden kleiner ist als die Versicherungssumme, nicht aber auch, daß das Interesse nicht besteht oder den vom Versicherungsnehmer behaupteten Wert nicht gehabt hat. Gleichwohl ist die Verteilung der Beweislast richtig. Denn die Vereinbarung einer Versicherungssumme ist nicht nur die Vereinbarung der Höchstleistung des Versicherers, sondern auch eine Vereinbarung über den Wert des versicherten Interesses; sie befreit daher den Versicherungsnehmer vom Beweise des Versicherungswerts und bürdet dem Versicherer den Gegenbeweis auf (§ 6 Anm. 11). Überdies wird man, wenn die Police über eine Versicherung des Schiffsgewinns eine Klausel gleich der bezeichneten enthält, wohl annehmen müssen, daß die Parteien, wie es bei der Versicherung von Gütergewinn die Regel ist (§ 100 Abs. 1), die Versicherungssumme als Taxe haben behandelt wissen wollen. Anm. 59 41. Auch die F r a c h t ist „Gewinn", der (nicht nur von der Ankunft der Güter, sondern auch) von der Ankunft des Schiffes erwartet wird. Aber die Fracht muß, wie § 1 Abs. 2 ausdrücklich bestimmt, als solche besonders versichert werden. Anm. 60 42. Ist auch die Versicherung des Schiffsgewinns das Gegenstück zur Versicherung imaginären Gewinns, so folgt daraus natürlich nicht, daß die V o r s c h r i f t e n über die V e r s i c h e r u n g i m a g i n ä r e n Gewinns ohne weiteres auf die V e r s i c h e r u n g des S c h i f f s g e w i n n s zu ü b e r t r a g e n sind, —· so wenig, wie aus dem Verhältnis der Kaskoversicherung zur Güterversicherung folgt, daß die für die eine geltenden Vorschriften auf die andere angewendet werden können. Unanwendbar ist namentlich die besondere Bestimmung, daß gewinnversicherte Güter schon dann als total verloren gelten, wenn sie aus einem anderen Grunde als dem des Totalverlustes den Bestimmungsort nicht erreichen (§ 103 Abs. 1, § 71 Anm., § 103 Anm., § 120 Anm.). Anwendbar
Provisionsinteresse
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ist dagegen die Bestimmung, daß, wenn der Gewinn nicht besonders taxiert ist, die § 1 Versicherungssumme als Taxe gilt (§ 100 Abs. i). Denn diese Bestimmung beruht auf Erwägungen, die für die Schiffsgewinn -Versicherung dieselbe Bedeutung haben, wie für die Gütergewinn - Versicherung. Provision 43. Im Falle der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort kann Provision Anm. 61 zu verdienen sein, ζ. B. vom Schiffsmakler für den Abschluß neuer Frachtverträge (HGZ 1896. 309). Die Provision muß nicht gerade am Bestimmungsort zu verdienen sein. Sie kann Anm. 62 ζ. B. auch in einem Z w i s c h e n h a f e n zu verdienen sein. § 1 Abs. 2 ist eben nur ein Verzeichnis der gewöhnlichsten Beispielfälle. — Ebensowenig muß gerade „Provision" zu verdienen sein. Es kann auch s o n s t i g e r V e r d i e n s t sein. So etwa die Vergütung des Schiffsmaklers für die Besorgung der Schiffsgeschäfte, für die Ausklarierung des Schiffes usw. (HGZ 1896. 310; auch Provision im weiteren Sinne genannt, vgl. HGB § 354)) oder der Gewinn, den ein Schiffsausrüstungs-Händler von der Ankunft und Ausrüstung des Schiffes erwartet (zweifelnd S c h l e g e l b e r g e r SVR § 1 ADS III 4). Vgl. MI A § 3 Abs. 2 b: The earning or acquisition of any . . . commission, profit, or other pecuniary benefit... endangered by the exposure of insurable property to maritime perils. Die Provision muß, um versicherbar zu sein, „ n a c h d e m g e w ö h n l i c h e n L a u f e Anm. 63 d e r D i n g e oder n a c h d e n b e s o n d e r e n U m s t ä n d e n , insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, m i t W a h r s c h e i n l i c h k e i t e r w a r t e t werden können" (BGB § 252, B r o d m a n n 167). Daß sie nur „möglicherweise" zu erwarten ist, genügt nicht. Allerdings kann von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwarteter Gewinn schon dann versichert werden, wenn er nur „möglicherweise" zu erwarten ist (vgl. HGB § 793 Abs. 2, ADS § 100 Abs. 2, oben Anm. 41). Aber § 793 Abs. 2 HGB weitet die Grenzen der Versicherbarkeit für einen bestimmten Fall über das hinaus, was durch die allgemeinen Regeln über den Schadensersatz sonst bestimmt und deshalb auch für die Schadensversicherung maßgebend ist. § 793 Abs. 2 HGB ist also eine Sondervorschrift, die keine analoge Anwendung verträgt. Noch weniger ist natürlich die bloß „denkbar höchste" Provision versicherbar (so LG Hamburg HGZ 1896. 310). Aber die Provision braucht andererseits nur „wahrscheinlich", ihre Erwartung insbesondere keine sichere, durch fest abgeschlossene Verträge begründete (so B r o d m a n n 167) zu sein (richtig S i e v e k i n g 145: „begründete Aussicht"). — Auch sonst können die B e s t i m m u n g e n ü b e r d i e V e r s i c h e r u n g i m a g i n ä r e n G e w i n n s n i c h t o h n e w e i t e r e s h i e r h e r ü b e r t r a g e n werden. Dies gilt insbesondere von der Vorschrift, daß der Gewinnversicherer Herabsetzung der Taxe verlangen kann, wenn diese den zur Zeit des Vertragsschlusses zu erwartenden Gewinn übersteigt, als wirklicher Versicherungswert also der zur Zeit der Schließung des Versicherungsvertrags zu erwartende Gewinn anzusehen ist (HGB § 793 Abs. 2, ADS §100 Abs. 2). Denn auch diese Vorschrift ist eine (überdies unmotivierte) Ausnahme nicht nur von allgemeinen schadensersatz-rechtlichen, nicht nur von allgemeinen versicherungsrechtlichen, sondern auch von transportversicherungs-rechtlichen Grundsätzen (oben Anm. 41, 46). Wirklicher Versicherungswert ist vielmehr der Wert des versicherten Provisionsinteresses zur Zeit des Beginns der Versicherung (§§ 79, 70). — Ebensowenig ist die Bestimmung übertragbar, daß die gewinnversicherten Güter als total verloren auch dann gelten, wenn sie aus einem anderen Grunde als dem des Totalverlustes der Güter den Bestimmungsort nicht erreichen (§ 103 Abs. 1; vgl. § 71 Anm., § 103 Anm., § 120 Anm.).
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§ 1 44. Im Falle der Ankunft der Güter am Bestimmungsort kann Provision zu Anm. 64 verdienen sein, Provision des Kommissionärs, des Spediteurs, des Maklers, des Agenten, Löschungsvergütung, Binnenfracht usw. (oben Anm. 52). — Für die Versicherbarkeit der Güterprovision gilt im allgemeinen d a s s e l b e wie f ü r d i e V e r s i c h e r b a r k e i t v o n S c h i f f s p r o v i s i o n e n (oben Anm. 62, 63). B e s o n d e r e s : § 104. Aus der hier angeordneten „entsprechenden" Anwendung der für die Versicherung imaginären Gewinns geltenden Vorschriften darf nicht gefolgert werden, daß Güterprovision schon dann versicherbar ist, wenn sie auch nur „ m ö g l i c h e r w e i s e " zu erzielen ist. Denn über die Versicherbarkeit eines Interesses entscheidet nur das Gesetz, und das Gesetz (HGB § 793 Abs. 2) hat zwar die Versicherbarkeit „möglicherweise" zu erzielenden Gewinns, nicht aber die Versicherbarkeit nur „möglicherweise" zu erzielenden Provision zugelassen. Wenn 2000 Μ Ewerführer- und Arbeitslohn für die Güter des von Bakers Island nach Hamburg bestimmten Schiffes versichert sind, und das Schiff nach dem Frachtvertrag nicht ohne weiteres nach Hamburg, sondern „nach Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg, in Falmouth Order einzuholen" fahren soll, mag es schon vor dem Beginn der Reise „möglich" sein, daß das Schiff nach Hamburg kommt und in diesem Falle Ewerführerlohn zu verdienen ist; aber als „wahrscheinlich" kann man es angesichts der möglichen drei Alternativen nicht bezeichnen (OAG Lübeck Κ i e r u I f f 3. 391). — Ebensowenig ist der V e r s i c h e r u n g s w e r t der Provision nach den für die Versicherung imaginären Gewinns maßgebenden Grundsätzen zu bestimmen. Maßgebend ist nicht der Wert, den das versicherte Provisionsinteresse zur Zeit der Schließung des Versicherungsvertrags hat, sondern der Wert, den es b e i m B e g i n n d e r Vers i c h e r u n g hat (§§ 99, 90). Hiernach also wäre in dem angeführten Beispielfalle der Versicherung von erwartetem Ewerführerlohn der Versicherungswert zu bestimmen gewesen, wenn das Schiff nicht schon bei Bakers Island total verlorengegangen wäre, sondern Falmouth angelaufen und Order nach Hamburg erhalten hätte und auf der Weiterreise nach Hamburg untergegangen wäre. Die Versicherung war die Versicherung eines bedingten, eines contingent interest (MIA § 7 Abs. ι ; vgl. OAG Lübeck K i e r u l f f 3. 395: „für den Fall, daß das Schiff . . . nach Hamburg destiniert" werden würde), eines Interesses, das nach dem Eintritt der Bedingung nach den Verhältnissen zur Zeit des Beginns einer gewöhnlichen Provisionsversicherung zu bewerten gewesen wäre. Anm. 65
45. In England wird die Versicherung von commissions im wesentlichen ebenso behandelt, wie diejenige von profits: A r n o u l d 259 s. 292. Fracht
Anm. 66
46. Der Verfrachter übernimmt (gegen Vergütung) Beförderung (HGB § 556). Er verspricht nicht Arbeit, sondern Arbeitserfolg. Der Frachtvertrag ist also kein Dienstvertrag. Er ist eine besondere Art von Werkvertrag (BGB §631 1; vgl. S c h a p s A b r a h a m II 260 Anm. 1, P a p p e n h e i m , Handb. 2. 86, 103, W ü s t e n d ö r f e r SHR 229 und Studien 97, 187, 475; vgl. über abweichende Auffassungen S c h a p s A b r a h a m ) . Mag das Schiff auf Stückgüter angelegt (HGB §§ 556 Nr. 2: S t ü c k g ü t e r v e r t r a g ) oder zu einem Teile oder im ganzen verfrachtet sein (HGB §§ 556 Abs. i, 557: C h a r t e r v e r t r a g ) , mag es für eine bestimmte Reise oder Zeit verfrachtet sein, mag dem Befrachter jede unmittelbare Einwirkung auf die Beförderung versagt, mag er berechtigt sein, der Schiffsbesatzung gewisse Anweisungen (ζ. B. für Übernahme, Stauung, Verwahrung, Ablieferung des Frachtguts) zu erteilen. Das unterscheidet den Frachtvertrag auch von der S c h i f f s m i e t e . Durch den Schiffsmietevertrag verspricht der Reeder, dem Mieter das Schiff zum Gebrauch zu überlassen (BGB § 535). Solche gewöhnlichen Mietverträge sind ζ. B. die im Hafenverkehr üblichen Schuten-Mietver-
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träge. I m eigentlichen Seeverkehr kommen solche Mietverträge nur in Gestalt der § 1 bare-boat charter vor (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m I I 134 Anm. 5 zu § 5 1 0 H G B ) . Sie kommen dort aber in Verbindung mit einem N e b e n v e r t r a g vor, durch den der Reeder sich verpflichtet, dem Mieter außer dem G e b r a u c h d e s S c h i f f e s auch denjenigen der S c h i f f s b e s a t z u n g zu überlassen, und sich das Recht der (notwendigen) Kontrolle über die vertragsmäßige Benutzung des Schiffes vorbehält (vgl. ζ. B. P a p p e n h e i m Handb. 2. 88, S c h a p s - A b r a h a m I I 267 Vorbem. vor § 556 H G B Anm. 17, S c h ü t z e H R Z 1 9 1 9 . 568, W ü s t e n d ö r f e r Studien 136). 47. O b im konkreten Falle ein Raumfrachtvertrag oder ein Mietvertrag mit Dienst- A n m . 67 verschaffungsleistung der Besatzung (im Gegensatz zu der bloßen bare-boat-charter) vorliegt, kann schwierig zu entscheiden sein. Entscheidend dafür ist weder die von den Parteien gewählte Bezeichnung (der Ausdruck „ c h a r t e r " ist als solcher rechtlich farblos) noch der Besitz am Schiff, dessen Ubergang auf den Charterer zwar zeigt, daß ein Mietvertrag vorliegt, aus dessen NichtÜbergang aber nicht in allen Fällen zu entnehmen ist, daß ein Frachtvertrag gegeben ist. Denn der Kapitän kann auch bei Mietvertrag die tatsächliche Gewalt für den Reeder als dessen Besitzdiener behalten ( R G 7 1 . 333). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Reeder selbst für seinen Gegenkontrahenten Transportleistungen vornehmen oder es ihm nur ermöglichen will, das Schiff und die Dienste der Besatzung seinerseits selbständig auszunutzen. I m ersten Fall handelt es sich u m einen Frachtvertrag, im letzten um eine Schiffsmiete. So liegt, vornehmlich bei einer Zeitcharter, Miete vor, wenn ein Schiff mit Besatzung jemandem gegen Entgelt in einer Weise überlassen wird, daß nur er während der Zeit der Überlassung über dessen Verwendung soll bestimmen können, die Befugnisse des Charterers also über diejenigen bei einer Employment-Klausel ("that the captain shall be under the orders and direction of the charterer as regards employment, ageney or other arrangements"; vgl. S c h a p s A b r a h a m I I 1 3 5 A n m . 5 zu § 5 1 0 H G B ) hinausgehen. Indessen steht der Annahme eines Frachtvertrages nicht entgegen, daß etwa der Charterer das Recht hat, Zahl und Ziel der ausfuhrenden Reisen innerhalb der Grenzen der Charter zu bestimmen, oder daß er den notwendigen Treibstoff zu beschaffen hat (vgl. Schiedsgericht H G Z 1 9 1 5 . 98). Es muß indessen beim Frachtvertrag immer ein jedenfalls doch bestimmbarer Leistungserfolg versprochen sein, der im Zusammenhang mit typischen Reederaufgaben des Vercharterers steht. So wird ein Chartervertrag mit Employmentklausel, wenn der Charterer nicht selbst Seetransportunternehmer, vornehmlich auch in seiner Haupttätigkeit ist, Frachtvertrag sein, denn hier will sich der Charterer gerade auch der Reedererfahrung des Unternehmens des Vercharterers im Sinne eines werkvertraglichen Erfolgversprechens bedienen. Die ölgesellschaft, die auf zehn J a h r e einen Tanker, der Erzgroßhändler, der auf zwei J a h r e einen Frachter chartert, hat im allgemeinen nur geringe eigene Reedererfahrung. I h m liegt nicht nur an der bloßen Zurverfügungstellung des Schiffes und der Dienste seiner Besatzung. E r erwartet den Transporterfolg. E r wird, wenn sich diesem Hindernisse in den Weg stellen, in den meisten Fällen weder willens noch in der L a g e sein, helfend einzuspringen. Ein Mietvertrag wird dagegen im Zweifel dann anzunehmen sein, wenn eine Linienreederei in Ergänzung ihres Schiffsparks ein Schiff chartert, um es in ihre Linie einzustellen (vgl. W ü s t e n d ö r f e r A f c P n o . 261 ff.; s. auch L G Bremen Hansa 1 9 5 1 . 1 1 5 , auch B G H Z 22. 107 = N J W 1957. 828). Eine charternde Reederei verfugt über eigene Seetransporterfahrungen. Sie kann sich mit der bloßen Überlassung von Schiff und den Diensten der Besatzung begnügen. Sie wird sogar in der Regel auch nicht mehr wollen. Soweit in den Vertragsformularen dem Rechtscharakter des Vertrages eine andere Bezeichnung gegeben worden ist, als ihm in Wirklichkeit zukommt, verbleibt es bei der Anwendung derjenigen Rechtsnormen, denen der Vertrag nach seinem Inhalt zuzusprechen ist. Wie hier S c h a p s - A b r a h a m
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§ 1 II 267 Anm. 17 vor § 556 H G B . Doch werden die hier angesprochenen Fragen wohl immer bis zu einem gewissen Grade zweifelhaft bleiben. Bei einer Überlassung des Schiffes mit den Diensten der Besatzung nehmen stets einen Frachtvertrag an R i e n s b e r g , Die rechtliche Natur der Zeitcharter, Hansa 1956. 2294, W ü r d i n g e r , Zur Rechtsnatur der Zeitcharter, M D R 1957. 257, N e c k e r , Die Rechtsstellung des Zeitcharterers, Hansa 1957. 353, A r g y r i a d i s M D R 1958. 728, ders., Die Frachtversicherung, Heft 28 der Uberseestudien, 1961. 32, S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e § 510 H G B Anm. 2, S c h l e g e l b e r g e r S V R § 1 A D S I I I 6. Vgl. dagegen ζ. B. B G H Hansa 1958. 1709: Werde ein Schiff mit Bemannung einem anderen zur Verfügung gestellt, so könne es fraglich erscheinen, ob die Vertragsbeziehungen als Gesamtraumfrachtvertrag oder als Sachmiete mit Dienstverschaffungsvertrag zu beurteilen seien. Hiervon werde die in B G H Z 22. 197 = NJW 1957. 828 behandelte Frage des Ausrüstungsverhältnisses nicht berührt. Ein Frachtvertrag liege in der Regel vor, wenn dem anderen der Besitz an dem Schiff nicht eingeräumt werde und die Obhutspflicht über die Schiffsladung beim Schiffseigner verbleibe. W o aber das Schiff dem Charterer zur Verfügung gestellt und ihm die Art der Verwendung überlassen werde, sei die Annahme einer Sachmiete bedenkenfrei. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, Bundessteuerblatt 1957 I I I 306 = Hansa 1957. 2038 ist die Zeitcharter kein Miet- oder Pachtverhältnis im Sinne des § 8 Ziff. 8 des Gewerbesteuergesetzes. Auch bei Beantwortung der Frage, ob der Charterer Ausrüster im Sinne des § 510 H G B ist (vgl. dazu eingehend S c h a p s - A b r a h a m II 134 Anm. 5 zu § 510 H G B ) , ist davon auszugehen, daß sich unter der Bezeichnung „Chartervertrag" verschiedenartige Rechtsgestaltungen verbergen. Oben wurde daraufhingewiesen, daß der Chartervertrag Miet- oder Frachtvertrag sein kann. Ist er Mietvertrag, so kann dem Charterer die Anstellung des Kapitäns vorbehalten sein. Macht er hiervon Gebrauch und vertraut dem von ihm angestellten Kapitän die Schiffsführung an, so ist er Ausrüster ( H a n s O L G OLGRechtspr 2. 371), ebenso, wenn er den bisherigen Kapitän unter Eintritt in das Vertragsverhältnis übernimmt ( W ü s t e n d ö r f e r Studien 1. 143 und HansGZ 1908 Beil. 7). Praktische Bedeutung hat die Anstellung des Kapitäns durch den Charterer nur im Fall der bare-boat-charter, wenn also der bloße Schiffsrumpf ohne Besatzung und ohne Ausrüstung überlassen wird. In der Regel ist aber beim Chartervertrag (einerlei, ob Reise- oder Zeitchartervertrag und ob es sich dabei um einen Fracht- oder Mietvertrag handelt) der vom Eigentümer angestellte Kapitän nur innerhalb gewisser Vertragsgrenzen unter des Charterers Anordnungsbefugnis gestellt. Der Eigentümer verfolgt damit die Absicht, die Aufsicht über das Schiff zu behalten. Dann ist der Charterer nicht Ausrüster, und zwar auch nicht, wenn zu der teilweisen Unterstellung des Kapitäns hinzukommt, daß das Schiff die Schornsteinmarke und die Kontorflagge des Charterers führt und auch sonst von ihm nach außen als „sein" Schiff bezeichnet wird. Das gilt auch für die sog. Employment-Klausel (die oben wiedergegeben wurde) und entspricht der herrschenden Meinung. Vgl. B G H Z 26. 152 = Hansa 1958. 197 = N J W 1958. 220, B G H Z 22. 197 = NJW 1957.828 = M D R 1957.281. Auch die entsprechende Anwendung des § 510 ist in derartigen Fällen nicht angängig. Anders W ü s t e n d ö r f e r H B 303 und S H R 113, J. v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958, 593, K a t z e n s t e i n Hansa 1951. 1515, H a n s O L G Hamburg Hansa 1955. 538; s. auch R G H a n s R G Z 1941 Β 237 Nr. 86. Anm. 68
48. „Fracht kann versichert werden". Und zwar nur als Fracht (mit einer Ausnahme: unten Anm. 95). Aber zunächst ist daran zu erinnern, daß es nicht körperliche oder unkörperliche Gegenstände sind, die versichert werden können, sondern Interessen. Fracht bedeutet also: Frachtinteresse. Und weiter ist daran zu erinnern, daß der Ausdruck „ F r a c h t " (ähnlich, wie etwa der Ausdruck „Havariegelder": unten
Frachtinteresse
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Anm. 109) in verschiedenem Sinne gebraucht wird, im Sinne der für die Güterbe- § 1 förderung zu entrichtenden V e r g ü t u n g und im Sinne der F r a c h t f o r d e r u n g (schließlich auch noch in einem dritten, hier aber nicht in Betracht kommenden Sinne, nämlich im Sinne von Ladung). a) Grundsätzlich sind nur Frachtforderungen versicherbar (RG 71. 395, R G HGZ 1908. 290; insbesondere über die Klausel: „Einerlei, ob die Fracht gemacht wird oder nicht, und ob dieselbe durch bereits abgeschlossene Verträge gesichert ist oder nicht": R G 71. 395). Der F r a c h t v e r t r a g muß abgeschlossen sein (vgl. auch § 105 Abs. 2). Natürlich; denn ohne Frachtvertrag keine „Fracht". Darum ist aber die Frachtversicherung nicht etwa K r e d i t v e r s i c h e r u n g , auch keine Kreditversicherung gegen Sachgefahren, keine Versicherung, die nach kreditversicherungs-rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Hierfür ist nicht entscheidend, daß „erst mit der Abladung der Güter die Fracht verdient, erst jetzt der Unternehmer die Frachtforderung erworben, erst jetzt sie kreditieren kann" (so Molt 62, wenigstens mißverständlich). Denn erworben wird die Frachtforderung mit dem Abschluß des Frachtvertrags. Bei der Kreditversicherung wird Versicherung gegen die Gefahr genommen, daß der Schuldner nicht leistet, sei es, daß er nicht leisten kann (weil er von vorneherein leistungsunfähig ist, also fehlerhaft Kredit gewährt ist, oder weil er leistungsunfähig geworden ist, die Forderung also wegen des Eintritts der Kreditunfähigkeit des Schuldners entwertet ist), sei es, daß der Schuldner (ζ. B. der Bodmereischuldner) nicht zu leisten braucht, weil er zwar schuldet, aber nicht haftet, das Haftungsobjekt nämlich verlorengegangen ist, sei es, daß der Schuldner (ζ. B. der gewöhnliche Schiffspfandschuldner) nicht leistet, weil er zwar schuldet, auch haftet, aber das Haftungsobjekt, das ihn leistungsfähig erhalten sollte, ζ. B. das schiffspfandbelastete Schiff, verlorengegangen ist. Der Fall, daß die Forderung erlischt, ist bei der Kreditversicherung niemals der Versicherungsfall, sondern ein Fall, in dem „die Kreditgefahr beendigt" wird (Molt 88), genauer: nur ein Fall, in dem das versicherte Interesse wegfällt. Anders bei der Versicherung der Frachtforderung. Sie ist keine Versicherung gegen die Gefahr, daß der Schuldner nicht leistet, sondern, umgekehrt, die Versicherung dagegen, daß der Schuldner die Schuldnereigenschaft verliert, daß die Forderung aus bestimmten Gründen erlischt, und das Erlöschen der Forderung aus diesen Gründen ist gerade (nicht nur ein Fall des Interessewegfalls, sondern auch) der Versicherungsfall (so wenigstens in erster Linie; vgl. auch den Fall des Verlustes der Frachtforderung durch Vollstreckung oder sonstige Verfügung von hoher Hand). Deshalb haftet ζ. B. der Frachtversicherer nicht, wenn die Güter am Bestimmungsort so beschädigt ankommen, daß sie die Fracht nicht mehr decken und das Pfandrecht des Verfrachters und damit etwa auch die Frachtforderung entwertet wird. — Aber eines hat die Versicherung der Frachtforderung mit der Versicherung von Forderungen gegen Sachgefahren, ζ. B. von Bodmereigeldern, natürlich gemein. Nicht die Forderung ist versichert, sondern das durch die Forderung vermittelte, durch sie erst begründete Interesse an der Erhaltung der Sachen, von deren Erhaltung sie abhängig ist, also an der glücklichen Ankunft des Schiffes und der Güter (näheres: § 105 Anm.). Auch die Frachtversicherung ist eine Versicherung des Interesses „daran, daß Schiff oder Ladung die Gefahren der Seeschiffahrt besteht" (§ 1 Abs. 1), eine Versicherung, die „auf das Schiffsich bezieht" (§ 79), und eine Versicherung, die „auf die Güter sich bezieht" (§ 9g). b) Fracht kann aber unter Umständen auch als Fracht versichert werden, wenn Anm. 69 keine Frachtforderung besteht, oder wenn keine Frachtforderung mehr besteht. Für Reedersgüter kann Fracht versichert werden, obgleich von einer Frachtforderung keine Rede ist und demgemäß auch von Fracht keine Rede sein könnte (RG SA 79 Nr. 151 = J R P V 1925. 175 = Sasse Nr. 9, H a g e n S V R 77, M ö l l e r ITVMitt 1937.
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§ 1 86, A r g y r i a d i s 62). Die Versicherung von Fracht für Reedersgüter ist an und für sich die V e r s i c h e r u n g eines reines Güterinteresses, ebenso etwa, wie die Versicherung subject to insurance endgültig bezahlter Fracht (unten Anm. 69, § 90 Anm., M o h r , Frachtversicherung 59, H a g e n SVR 27; anders M ö l l e r ITVMitt 1937. 86, A r g y r i a d i s 95f.: besonders geartete Gewinnversicherung). Nicht die Versicherung des durch eine Frachtforderung vermittelten Interesses, sondern die Versicherung des Interesses, das durch die vom Gütereigentümer aufgewendeten Beförderungskosten vermittelt und begründet wird. Der Reeder kann dieses Interesse natürlich auch als solches versichern. Er kann in den Versicherungswert der G ü t e r die übliche F r a c h t einschließen, wie der gewöhnliche Versicherte nach § go die endgültig bezahlte Fracht ohne weiteres in den Versicherungswert der Güter eingeschlossen findet. Dann gelten lediglich die für die Güterversicherung maßgebenden Grundsätze (§ 99). Mit Recht ist allerdings vom R G a. a. O. — ebenso M ö l l e r I T V 1937. 86, A r g y riadis 62 — daraufhingewiesen worden, daß der von der Beförderung der Güter zu erwartende, der Fracht entsprechende Gewinn dem Versicherungswert der Güter nur zugerechnet werden darf, wenn endgültige Vorausbezahlung der Fracht im konkreten Fall verkehrsüblich ist. Der Reeder kann aber auch Fracht für Reedersgüter als F r a c h t versichern (so auch A r g y r i a d i s 62f., 95, zweifelnd M o h r 57fr.). So will es der Verkehr. So will es darum auch das Recht (vgl. §§ 105 Abs. 2, 107 Abs. 1, OAG Lübeck Kierulff 6. 351). „Freight" includes the profit derivable by a shipowner from the employment of his ship to carry his own goods or moveables, as well as freight payable by a third party (MIA § 90, R C P 16). Das Verhältnis ist dann (soweit möglich, und soweit nicht besonderes bestimmt ist: §§ 105 Abs. 2, 107 Abs. 1) so zu beurteilen, wie wenn eine Frachtforderung bestände, ein Frachtvertrag zu den üblichen Bedingungen geschlossen wäre (vgl. OAG Lübeck Kierulff 6. 351: „fingierte" Fracht). Ob der Versicherungsnehmer angezeigt hat, daß es sich um Fracht für Reedersgüter handelt, oder nicht, ist (wenn auch dieser Umstand für das Versicherungsverhältnis keineswegs unerheblich ist) ohne Bedeutung (ansch. abw. OAG Lübeck Kierulff 6. 351), wenn die Anzeige nicht etwa bedeuten soll, daß die Fracht nicht als Fracht, sondern als GüterMehrwert versichert gelten soll. Ob der Reeder Fracht für Reedersgüter als Fracht oder aber als Güter-Mehrwert versichert, ist dagegen von erheblicher Bedeutung. Versichert er ζ. B. die Fracht durch Einrechnung in den Versicherungswert der Güter, so beginnt die Versicherung gemäß § 88 Abs. 2 (§ 88 Anm.); versichert er die Fracht als solche, so beginnt die Versicherung gemäß § 106. — Es kann aber auch sein, daß eine Frachtforderung bestanden hat und nicht mehr besteht, aber gleichwohl Fracht versichert werden kann. Das ist der Fall, wenn die Fracht vorausbezahlt, aber zurückzuzahlen ist, falls die Frachtunternehmung mißglückt. Vgl. §§617 Abs. r, 634 HGB. Die Frachtforderung ist erloschen. Aber an ihre Stelle ist die bedingte Verpflichtung zur Zurückzahlung der Fracht entstanden, die das versicherungsrechtliche Surrogat der Frachtforderung bildet und das Interesse als versicherbares (und als versichertes) Frachtinteresse wachhält (abzulehnen ist die von M ö l l e r ITVMitt i937f. und A r g y r i a d i s 78 vertretene Ansicht, die Verpflichtung des Verfrachters, die Fracht zurückzuerstatten, bedeute eine Erhöhung seiner Passiven; er hafte dem Befrachter gegenüber in Höhe der eingezogenen Fracht. Eine Versicherung, die ihn gegen diese Gefahr der Erhöhung seiner Passiven schütze, sei eine Haftpflichtversicherung). Anders, wenn die Fracht endgültig bezahlt ist. Die Frachtforderung ist ohne Rückstand erloschen, das Interesse weggefallen, richtiger: niemals entstanden. Insoweit ist daher auch nichts zu versichern. Aber die Fracht kann dem Reeder wieder weggenommen werden. Sie kann insbesondere trotz endgültiger Bezahlung in Havariegrosse beitragen müssen oder dritten, namentlich Kollisionsgläubigern, haften. Diese Gefahr, dieses Interesse
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ist nicht erloschen. Ein freilich wiederum nicht durch eine Frachtforderung vermitteltes, § 1 sondern durch die Gefahr des Wiederverlierens bereits eingestrichenen Gewinns begrenztes Interesse (genauer natürlich: das Haftpflichtinteresse). Es müßte eigentlich als solches versichert werden. Aber auch hier entscheidet die Verkehrsanschauung; sie läßt die Versicherung als Frachtversicherung zu (näheres unten Anm. 78). The word freight in insurance law has a more extensive signification than in the general law of shipping and is used comprehensively to denote the benefit derived by the shipowner from the employment of his ship (Lord Tenterden bei A r n o u l d 248 s. 280). Anders A r g y r i a d i s 84: Die Versicherung von festverdienter Fracht komme als Haftpflichtversicherung, nicht aber als Forderungsversicherung vor, wobei er sich auf folgende Maklerklauseln bezieht: „Die versicherte Firma hat Freiheit, bei reiseweise versicherter Fracht für Reisen, für welche die Fracht vorausbezahlt ist oder die Fracht am Bestimmungsorte zahlbar ist — ship lost or not lost •— die Bruttofracht oder einen Teilbetrag derselben nur für Haftpflicht Dritten gegenüber zu versichern", oder „Ist die Fracht einer Reise endgültig bezahlt oder geschuldet — ship lost or not lost —, so steht dem Versicherungsnehmer das Recht zu, hinsichtlich dieser Reise die Versicherung nur auf den Fall seiner Inanspruchnahme seitens Dritter zu beschränken". Aus diesen Klauseln ist aber nur zu schließen, daß die Versicherung von endgültig verdienter Fracht auch als Haftpflichtversicherung genommen werden kann, aber nicht, daß sie als Forderungsversicherung ausgeschlossen ist. — Schließlich kann selbstverständlich auch eine Frachtforderung versichert werden, die zwar nicht mehr besteht, aber während der Zeit der (Vergangenheits-) Versicherung bestanden hat (§ 5), — ebenso, wie eine Frachtforderung, die zwar noch nicht besteht, aber noch entstehen soll (§ 4 Abs. 1). 49. Die Fracht kann Reisefracht oder Zeitfracht sein. Die R e i s e f r a c h t kann Anm. 70 Fracht für eine Reise oder für mehrere Reisen sein, insbesondere auch etwa Fracht für alle während einer bestimmten Zeit zu machenden Reisen (Zeitreisefracht, laufende Fracht). — Die Z e i t f r a c h t kann eigentliche Zeitfracht (ohne Rücksicht auf eine bestimmte Reise, lediglich für eine bestimmte Zeit bedungene Fracht) oder uneigentliche Zeitfracht sein (für eine bestimmte Reise oder für mehrere Reisen nach Zeit bedungene Fracht; vgl. H G B §§ 622, 637 Abs. 2, 638 Satz 2). — Ist F r a c h t o h n e n ä h e r e A n g a b e v e r s i c h e r t (ζ. B. zeitversichert), so sind sowohl Reise- wie Zeitfrachtinteressen gedeckt. Freilich hat der Versicherer ein Interesse daran, zu wissen, von welcher Art die Fracht ist. Denn die Umstände sind bei den verschiedenen Frachtarten nicht gleich gefahrerheblich. Insbesondere geht Reisefracht durch bloße Reiseverzögerung im allgemeinen nicht verloren (HGB § 637 Abs. 1). Ebensowenig freilich auch Zeitfracht (HGB §622 Abs. 4, P a p p e n h e i m Handb. 2. 522, W ü s t e n d ö r f e r Studien 154, R G 48. 94; S c h a p s - A b r a h a m I I 5 1 3 Anm. 4 zu § 623 HGB). Aber Zeitfracht ist in zwei für die Frachtversicherung besonders wichtigen Fällen nicht zu entrichten, nämlich dann nicht, wenn das Schiff durch Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird (HGB § 637 Abs. 2), und dann nicht, wenn das Schiff unterwegs ausgebessert werden muß und der Befrachter die Wiederherstellung abwartet (HGB § 638 Satz 2). Diesem Unterschied könnte das Versicherungsrecht dadurch Rechnung tragen, daß es die besondere Angabe der Art des Frachtinteresses vorschriebe (§ 1), oder daß es den Abschluß eines Zeitfrachtvertrags als gefahrerheblichen Umstand im Sinne der vorvertraglichen Anzeigepflicht und der Gefahrstandspflicht (§§ 19, 23) behandelte (so der Standpunkt des Versicherers im Falle H G Z 1867. 18). Es ist aber nicht die Aufgabe des Versicherungsrechts, dem Verkehr Fußangeln zu legen, sondern ihm Erleichterungen zu verschaffen und gleichzeitig die Interessen einander anzugleichen und damit die Grundlage für einen Marktpreis der Versicherung zu schaffen. Der Unterschied wird deshalb vom Gesichtspunkt der vertragsmäßigen objektiven Beschränkung des Risikos
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§ 1 aus behandelt, die Zeitfrachtversicherung der Reisefachtversicherung angeglichen. Auch bei der Zeitfrachtversicherung soll der Versicherer für Frachtverlust infolge von Reiseverzögerung ebensowenig haften, wie bei Reisefrachtversicherungen (§ 105 Abs. 5). Anm. 71 50. Die Fracht kann Charterfracht sein, Fracht für die Verfrachtung des Schiffes „im ganzen", oder Fracht für die Verfrachtung eines verhältnismäßigen Teiles oder eines bestimmten Raumes des Schiffes, Fracht für die Verfrachtung en rouche oder en rouge 1 ), affretement ä forfait oder en bloc, Fracht „in Bausch und Bogen" (HGB §§ 616, 617), lump chartered freight, oder aber Fracht für Stückgüter (HGB § 556). Ist Fracht ohne n ä h e r e A n g a b e v e r s i c h e r t , so ist trotz der nicht überall gleichen Rechtsfolgen (vgl. insbesondere HGB § 641) die eine wie die andere Art des Interesses gedeckt. Anm. 72 51. Die Fracht kann Bruttofracht oder Nettofracht sein. Bruttofracht ist die ganze Fracht. Nettofracht ist der Teil der Fracht, der dem Verfrachter nach Abzug der Betriebskosten als Unternehmergewinn bleibt (vgl. HGB §§ 621, 721, 756, 796—798, 800, 868). Im Z w e i f e l gilt die B r u t t o f r a c h t als v e r s i c h e r t (vgl. § 107 Abs. 1; ausdrücklich: HGB §798 Abs. 1; vgl. auch Begr. ζ. Ε 1910 § I02). Näheres: § 107 Anm. Anm. 73 52. Die Fracht kann besegelte und unbesegelte Fracht sein. Besegelte Fracht ist die Fracht, die für Bordgüter geschuldet wird (oder geschuldet würde, wenn die Güter nicht Reedersgüter wären), unbesegelte Fracht die Fracht, die für Güter geschuldet wird, die nach dem Frachtvertrag erst noch an Bord gebracht werden sollen. Ist Fracht versichert, so ist grundsätzlich sowohl besegelte wie unbesegelte Fracht gedeckt (RG 71· 397)· Anders, wenn es sich um Reedersgüter handelt. Die Versicherung bezieht sich nur auf besegelte Fracht (§ 105 Abs. 2). Anders auch im Falle einer Zeitversicherung der Fracht. Sie bezieht sich grundsätzlich überhaupt nur auf besegelte Fracht (§105 Abs. 4). Näheres: § 105 Anm. Anm. 74 53. Die Fracht kann der Reeder, der Ausrüster des Schiffes (HGB § 510), der Mieter des Schiffes, der Hauptverfrachter, der Unterverfrachter zu fordern haben. Ist Fracht versichert, so ist die Fracht gedeckt, die dem versicherten Interessenten gebührt. Insbesondere über die Versicherung von Haupt- und Unterfracht; unten Anm. 83 ff. Anm. 75 54. Uber die Versicherbarkeit der Fracht nach englischem Recht: oben Anm. 67, 69. — Der französische C. de com. (Art. 347) verbot die Versicherung der Fracht. Man meinte (proceeding rather on scholastic refinements than mercantile considerations: A r n o u l d 24g s. 283), das Interesse des Reeders an der Erhaltung des Schiffes nicht schwächen zu dürfen. Das Verbot wurde ebenso umgangen, wie das Verbot der Versicherung imaginären Gewinns (oben Anm. 53). Der Reeder verlangte endgültige Vorausbezahlung der Fracht und vergütete dem Befrachter die Kosten der (nicht verbotenen) Versicherung des fret acquis ä tout evenement ( R i p e r t Nr. 2500; über die Nichtbeachtung des Verbots im österreichisch-italienischen Rechtsgebiet: W e i n b e r g e r OestZ 1920. 192, 205). Das Gesetz vom 12. August 1885 hob das Verbot der Frachtversicherung auf (vgl. nunmehr C. de com. Art. 334). Anm. 76 55. Die Fracht kann vom Befrachter im voraus bezahlt, vom Verfrachter im voraus erhalten sein. Das Frachtinteresse wird davon nicht berührt. Auch dann nicht, wenn die Vorauszahlung vereinbart ist. Denn vorausbezahlte Fracht muß an und für sich, wenn die Güter verlorengehen, zurückgezahlt werden (vgl. HGB §617 x ) Der Ausdruck entstammt nicht der französischen, sondern der niedersächsischen und friesischen Rechtssprache. Nachweise bei P a p p e n h e i m Hdb. 2. 57. Vgl. aber auch AllgPlan 1847 § 20: „Verfrachtung en rouge" bei einheitlicher Fracht für mehrere Reisen, insbesondere einheitlicher Aus- und Rückfracht.
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Abs. ι , S c h a p s - A b r a h a m I I 503 f.). Allerdings hat auch der Befrachter, der voraus- § 1 bezahlt hat, ein versicherbares Interesse (so auch M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 69, M o h r 24). Denn der Befrachter muß unter Umständen Fracht zahlen oder vorausbezahlte Fracht dem Verfrachter belassen, obgleich er den erwarteten Gegenwert nicht erhält. So etwa, wenn die Güter beschädigt ankommen. Versichert der Befrachter in solchen Fällen die Fracht, so ist die Versicherung keine Frachtversicherung, sondern eine Versicherung, die sich auf die Güter bezieht (§ 90 Anm.; vgl. auch den Fall H H 244, in dem noch besonders bedungen war, daß die Versicherung „zur Befriedigung rechtmäßiger Ansprüche des Schiffers pro rata des zurückgelegten Weges auf die gelieferten Waren" dienen sollte). — Der Befrachter, der vorausbezahlt hat, kann auch insofern ein Interesse haben, als er im Falle des Verlustes der Güter zwar die Fracht zurückverlangen, aber, weil der Verfrachter infolge des Verlustes von Schiff und Fracht zahlungsunfähig geworden ist, nicht zurückerlangen kann. Aber die Versicherung dieses Interesses wäre wieder keine Frachtversicherung, sondern die Versicherung einer Vorschußforderung (LG Hamburg H G Z 1891. 52). 56. Die Fracht kann aber auch vom Befrachter, ganz oder teilweise, „endgültig Anm. 77 bezahlt", vom Verfrachter endgültig erhalten sein. Als „endgültig bezahlt" bezeichnet man im Verkehr auch die Fracht, die zwar noch nicht gezahlt, aber nach dem Frachtvertrag auf alle Fälle, ohne Rücksicht auf den Ausgang der Beförderungsunternehmung, zu zahlen ist (so auch M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 68), „Fracht, welche der Befrachter auf Grund des Frachtvertrages vorauszuzahlen hat, ohne daß eine Rückzahlungspflicht des Verfrachters für den Fall eintritt, wenn keine verdient werden sollte" (ASVB § 20 Abs. 3), „definitiv bezahlte Fracht", freight (to be considered as) earned goods lost or not lost, ship lost or not lost (vgl. R G i j . h i ) . In diesem Falle ist die G e f a h r des V e r l u s t e s der Fracht vereinbarungsgemäß und entgegen der gesetzlichen Regel (BGB §644, H G B §617) vom Verfrachter a u f den B e f r a c h t e r ü b e r g e g a n g e n , ähnlich wie die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung der Güter nach §§ 446, 447 BGB vom Verkäufer auf den Käufer übergeht (oben Anm. 10). Wie in jenem Falle der Käufer, so hat hier, wenn die Fracht endgültig bezahlt ist, nur der Befrachter ein versicherbares Interesse (und auch er nicht, wenn für die Deckung der Fracht aus den Gütern keine Aussicht besteht, ζ. B. ein wirtschaftlich wertloses Familienbild befördert wird und die dafür zu entrichtende Fracht endgültig bezahlt ist). In the case of advance freight, the person advancing the freight has an insurable interest, in so far as such freight is not repayable in case of loss (MIA § 12). Die Versicherung dieses Interesses ist k e i n e F r a c h t v e r s i c h e r u n g (Leo 179, S e e b o h m bei Voigt 752, S i e v e k i n g 1 1 , A r g y r i a d i s 88, H e l b e r g , Der Abandon in der Seeversicherung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1925, 102, M o h r Frachtversicherung 25 u. 27, F r i e d m a n n , Das versicherungsrechtliche Nebeninteresse, 1933. 29, M ö l l e r I T V 1937. 82, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I 5 d zu § 1 ADS, A r n o u l d 251 s. 285; abw. B r o d m a n 165, V o i g t 133, 138, R G 38. 53, 40. 5 1 , Bolze 23 Nr. 542, H G Z 1880. 280, 1896. 177, 1897. 139, O A G Lübeck Kierulff 3. 352, übrigens im wesentlichen, und wohl mit Recht, mit Rücksicht auf § 137 Abs. 2 Satz 3 ASVB, eine Bestimmung, deren Herkunft ungewiß ist: V o i g t 753). Das Interesse des Versicherungsnehmers ist kein Interesse daran, daß die nach dem Frachtvertrag zu entrichtende Vergütung nicht infolge eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls verlorengeht (oben Anm. 67fr.). Diese Vergütung, die Fracht, kann gar nicht mehr „verloren" gehen. Es ist vielmehr das Interesse daran, daß die Deckung nicht leidet, die für die endgültige Einbuße des Frachtbetrags dienen soll. Endgültig bezahlte Fracht erhöht nicht nur den Ankunftswert der Güter (Begr. ζ. Ε 1910 § i ) , sondern schon den Abgangswert, also den gewöhnlichen Versicherungswert der Güter
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§ * ( § 9 ° Anm.). Die Versicherung endgültig bezahlter Fracht ist also regelmäßig Versicherung des Gütereigentümer-Interesses, Versicherung „der Güter" (anders M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 69f.: Das Interesse liegt in der Beziehung zu einer Anwartschaft; wie hier M o h r 24). Deshalb wird auch endgültig bezahlte Fracht in den Versicherungswert der Güter eingerechnet (§90 Abs. 1). Deshalb führte Ε i g i o § 1 als besonderen Gegenstand der Versicherung die „vom Befrachter endgültig bezahlte Fracht" neben der „sonstigen Fracht" an. Diese Anführung ist nur deshalb weggelassen, weil danach (verb.: „sonstige") endgültig bezahlte Fracht als von dem weiteren Begriff der Fracht doch noch umfaßt erschienen wäre, weil die besondere Versicherung endgültig bezahlter Fracht kaum vorkommt, weil der Versicherungswert der Güter nunmehr nach § 90 Abs. 1 auch endgültig bezahlte Fracht umfaßt und weil schließlich die vom Unterverfrachter dem Oberverfrachter endgültig bezahlte Fracht als Fracht muß versichert werden können (unten Anm. 82 ff., — weshalb freilich auch im § 99 Satz 2 nicht hätte ausgesprochen werden sollen, daß die Bestimmungen über die Güterversicherung „insbesondere . . . im Falle einer besonderen Versicherung endgültig bezahlter Fracht" entsprechende Anwendung finden sollen, — ein Schönheitsfehler, den schon Ε igio § 104 Abs. 1 enthält). Vereinbaren Verfrachter und Befrachter n a c h A b s c h l u ß einer gewöhnlichen Frachtversicherung, aber v o r d e m B e g i n n der Frachtversicherung, daß die Fracht endgültig zu bezahlen ist, so fällt das Interesse des Versicherungsnehmers (des Verfrachters) weg; der Versicherer erhält nur die Ristornogebühr (§4 Abs. 1). Vereinbaren sie n a c h d e m B e g i n n der Frachtversicherung, daß die Fracht endgültig zu bezahlen ist, so fällt wieder das versicherte Interesse weg; dem Versicherer gebührt jedoch die Prämie (§ 4 Abs. 2; vgl. H G Hamburg Seebohm 480). Die Frachtversicherung kann nicht etwa als Kreditversicherung aufrechterhalten werden. Denn sie ist nicht als solche genommen. Ebensowenig läßt sich annehmen, daß mit dem Übergang der Gefahr und des Interesses auch die Versicherung auf den Befrachter übergegangen ist (vgl. §49 Anm.). Denn in der Frachtversicherung ist die Güterversicherung nicht enthalten (§ 1 Abs. 2 Satz 2). Die Frachtversicherung kann nicht infolge des Interessentenwechsels zur Güterversicherung werden, am wenigsten zu einer Güterversicherung, die nach den für die Güterversicherung, nicht nach den für die Frachtversicherung geltenden Bestimmungen zu beurteilen wäre, so daß etwa der Frachtversicherer auch im Falle der Seeuntüchtigkeit des Schiffes haftete. Anm. 78 Ist Fracht endgültig bezahlt, so hat gleichwohl n i c h t j e d e s I n t e r e s s e f ü r d e n V e r f r a c h t e r a u f g e h ö r t . Von der Gefahr des Verlustes der Fracht ist der Verfrachter freilich befreit. Aber nicht von der Gefahr, daß ihm die Fracht infolge eines Unfalls weggenommen wird. Insbesondere besteht die Gefahr, daß er Schiffsgläubigem mit der Fracht haften muß (Begr. ζ. Ε i g i o § 1, B r o d m a n n 165, L e o 191, S i e v e k i n g 1 1 , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I I 5 zu § 1 ADS, H a g e n S V R 77, A r g y r i a d i s 83f., R G 33. 70, 38. 65, H G Z 1893. 43; unrichtig V o i g t 126, R G 38. 54, R G H G Z 1891. 189, H G Z 1891. 54, 1894. 282), ζ. B. Schiffsgläubigern aus einer Kollision (HGB §§ 754 Nr. g, 756) oder aus einer nur das Schiff angehenden Hilfeleistung (HGB §§ 754 Nr. 6, 756). Der Verfrachter kann gegen diese Gefahr Versicherung nehmen. Deshalb führte Ε i g i o § 1 als besonderen Gegenstand der Seeversicherung die „vom Verfrachter e n d g ü l t i g e r h a l t e n e Fracht" an. Die Anführung ist nur deshalb weggelassen, weil man auch die Versicherung endgültig erhaltener Fracht als echte (wenn auch beschränkte) Frachtversicherung betrachtete und deshalb die schwerfällige und schwer verständliche Bestimmung notwendig geworden wäre, daß „der Versicherer sich nicht darauf berufen kann, daß endgültig erhaltene Fracht als Fracht bezeichnet ist" (E 1910 § 1 Abs. 2; vgl. jedoch auch oben Anm. 70). Hat
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der Verfrachter ιοο οοο Fracht versichert und davon 20 000 endgültig erhalten, so § 1 muß der Versicherer, wenn im Falle einer Kollision die ganze Fracht dem Gegensegler haftet, 100000 zahlen. Aber die Tatsache, daß gewöhnliche Fracht und endgültig erhaltene Fracht voneinander verschieden sind, das durch die endgültig erhaltene Fracht vermittelte Interesse eigentlich ein Haftpflichtinteresse ist (oben Anm. 70; siehe dort auch die Ansicht von A r g y r i a d i s 83f., die Versicherung von festverdienter Fracht komme nur als Haftpflichtversicherung vor), wird doch auch versicherungsrechtlich wirksam sein müssen. Hat der Verfrachter von den 100000 nur 80000 versichert, so kann der Versicherer, wenn Schiff und Güter und mit ihnen die 80000 verlorengehen, die 20000 aber dem Verfrachter verbleiben, nicht einwenden, daß Unterversicherung vorliege und daß er demnach nur für 4/s von 80000 hafte. Die endgültig erhaltene Fracht ist „nicht in den Versicherungswert der Fracht einzurechnen" (so ausdrücklich A S V B § 20 Abs. 3). Der B e f r a c h t e r k a n n noch mehr tun. Er kann d e m V e r f r a c h t e r auch noch Anm. 79 d a s R i s i k o a b n e h m e n , in d e m d i e e n d g ü l t i g e r h a l t e n e F r a c h t s t e h t . Er kann sich verpflichten, die endgültig bezahlte Fracht noch einmal zu zahlen, wenn sie dem Verfrachter weggenommen wird. Solche Verpflichtung erblickt man insbesondere in der Vereinbarung, daß der B e f r a c h t e r d i e F r a c h t v e r s i c h e r n soll ( B r o d m a n n 165, L e o 190). Übliche Wendungen sind: „ D e r Kapitän ist verpflichtet, die verausgabten Assekuranzspesen darauf zu ersetzen" (HG Hamburg Ullrich Nr. 239), subject to Insurance ( R O H G 15. 60, H G Hamburg H G Z 1870. 89), with insurance (HG u. O G Hamburg H G Z 1869. 70, 157), less cost of insurance (HG u. O G Hamburg H G Z 1879. 34, 39, O A G Lübeck Kierulif 3. 352), subject to 5 % for all charges ( H G Z 1880. 280), interest and insurance paid ( H G Z 1891. 53, 189), including insurance and interest ( H G Hamburg H G Z 1872. 342), against interest and insurance ( H G Z 1891. 53, 189), the Charterers are to insure the amount of the advance at Steamers expense ( H G Z 1896. 173, Bolze 23 Nr. 542), an advance of £ 600 on account of the freight, less 6 % for interests and insurance ( R G 40. 50, H G Z 1897. 139, A p p H Brüssel I T V M i t t 19x3. 102), L'affreteur fera assurer les avances mit oder ohne den Zusatz: la prime demeurant ä la charge du freteur ( R O H G 15. 60); vgl. ferner O A G Lübeck HambS 2.392, H G Z 1906. 150, H G Hamburg H G Z 1873.291. Nach englischer Rechtsauffassung kann überhaupt nur the person advancing the freight die endgültig bezahlte Fracht versichern (vgl. oben Anm. 77). The shipowner therefore has not an insurable interest in it ( C h a l m e r s 19). Die Klauseln subject to insurance und dgl. bedeuten nur to show that it is a payment on account of freight, and not a mere loan (A r η ο u 1 d 288 f. s. 320). M a n wird bei Anwendung solcher dem englischen Rechtsverkehr entlehnten Klauseln die mit ihnen in England verbundene Bedeutung zugrunde legen, also annehmen müssen, daß der Befrachter sich nicht sowohl verpflichtet, die endgültig bezahlte Fracht für Rechnung des Verfrachters zu versichern, als vielmehr sich verpflichtet, im Versicherungsfall noch einmal zu zahlen ( A r n o u l d 289 s. 320: T h e charterer . . . can insure if he chooses; vgl. auch § go Anm. und über die Bedeutung englischer Klauseln: Vorb. vor § 1 Anm. 16). Der V e r f r a c h t e r hat nunmehr j e d e s I n t e r e s s e v e r l o r e n (so auch A r g y r i a d i s 84, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. I I I 5 a zu § 1 A D S ) . N u r d e r B e f r a c h t e r kann Versicherung nehmen. Versichert er nur endgültig bezahlte Fracht, so ist er gegen die nochmalige Zahlung der Fracht nicht geschützt. Die Versicherung endgültig bezahlter Fracht deckt nicht auch die Gefahr, daß die Fracht dem Verfrachter von Schiffsgläubigern weggenommen wird (und vom Befrachter zu erstatten ist). Denn die im Ε i g i o § 1 Abs. 2 ausgesprochene Unterscheidung zwischen endgültig bezahlter und endgültig erhaltener Fracht ist in der Natur der Sache begründet. Die Versicherung
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§ 1 endgültig bezahlter Fracht ist Güterversicherung (oben Anm. 79, § 90 Anm.), die Versicherung endgültig erhaltener Fracht, auch wenn der Befrachter sie nimmt, Frachtversicherung. Jene wird durch die Vorschriften über Güterversicherung, diese durch die Vorschriften über Frachtversicherung geregelt. Der Befrachter muß also, wenn er auch gegen nochmalige Zahlung geschützt sein will, es sagen. Kommt nicht zum Ausdruck, daß der Befrachter auch die Gefahr der Wegnahme der endgültig erhaltenen Fracht übernommen hat und versichert wissen will, hat er nur endgültig bezahlte Fracht oder „Frachtvorschuß" versichert, so ist zwar das Interesse nicht (ganz) unrichtig bezeichnet, die Versicherung nicht (ganz) unverbindlich; aber der Versicherer haftet nicht, wenn die Fracht verdient ist, jedoch von dritten in Anspruch genommen wird. Anm. 80 In England, wo man es mit der Bezeichnung des Interesses nicht so genau nimmt, im allgemeinen nur the subject-matter insured must be designated . . . with reasonable certainty und the nature and the extent of the interest of the assured in the subjectmatter need not be specified in the policy (MIA § 26 Abs. 1, 2, oben Anm. 14), wird trotz R C P J 6 (The term „freight" includes the profit derivable by a shipowner from the employment of his ship to carry his own goods . . ., as well as freight payable by a third party usw.) angenommen, daß auch endgültig bezahlte Fracht als F r a c h t versichert werden kann: RCP 16 does not profess to be exhaustive and therefore it does not prevent the insurance of advance freight simply as freight (Arnould 251 s. 285). Anm. 81 Ob Fracht „endgültig bezahlt", insbesondere ein Frachtvorschuß als endgültig bezahlt anzusehen ist, ist T a t f r a g e (RG HGZ 1891. 189, HGZ 1891. 53). Wer sich darauf beruft, daß Fracht, Frachtvorschuß endgültig bezahlt ist, muß es beweisen (HGZ 1896. 176). Aber freilich pflegt man heute im Frachtvertrag bedungenen Frachtvorschuß im Verkehr als endgültig bezahlt zu betrachten, wie in England (oben Anm. 79). Auch Gelder, die der Befrachter dem Kapitän für Schiffsbedürfnisse gegeben hat, können als endgültig bezahlter Frachtvorschuß gegeben sein (Bolze 23 Nr. 542, HGZ 1896. 175). Selbst ein als Darlehnsbetrag bezeichneter Vorschuß kann als endgültig bezahlter Frachtvorschuß gemeint sein (RG HGZ 1891. 191, HGZ 1891. 53). Hat der Befrachter dem Kapitän Frachtvorschuß weniger Zinsen und Versicherungskosten gezahlt, so ist, auch wenn der Kapitän Rückzahlung bei Ankunft am Bestimmungsort versprochen hat, der Frachtvorschuß doch als endgültig bezahlt anzusehen, falls der Befrachter Unterverfrachter ist und der Kapitän die Konnossementsfracht einziehen (und der Vorschuß eben aus ihr „zurückgezahlt" werden) soll (HGZ 1891. 49). Anm. 82 Der Befrachter wird regelmäßig die Deckung der endgültig bezahlten Fracht aus dem Mehrwert der Güter am Bestimmungsort erwarten, also nur Befrachter sein. Er kann aber auch die Deckung aus der Unterfracht erwarten, also auch Verfrachter, Unterverfrachter sein. Erwartet er Deckung nicht aus den Gütern, sondern aus den Unter-, insbesondere den Konossementsfrachten, so ist die Versicherung endgültig bezahlter Fracht keine Güterversicherung, sondern F r a c h t v e r s i c h e r u n g besonderer Art (OAG Lübeck Kierulff 3. 352). Gleichwohl wird man nicht sagen können, daß das Interesse unrichtig bezeichnet und die Versicherung mithin unwirksam ist, wenn der Befrachter endgültig bezahlte Fracht versichert und die Deckung aus der Unterfracht erwartet, die Versicherung also nicht Güterversicherung, sondern Frachtversicherung ist. Denn die besondere Versicherung des durch den Mehrwert der Güter gedeckten Frachtvorschusses ist ebenso selten, wie die Versicherung des durch Unterfrachten gedeckten Frachtvorschusses und im Verkehr wird im Falle der besonderen Versicherung endgültig bezahlten Frachtvorschusses hierunter die Versicherung sowohl des einen wie des anderen verstanden. Es wird also auch nach den ADS noch richtig
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sein, daß „keine Präsumtion für das eine oder das andere besteht und der Versicherer, § 1 der auf vorausbezahlte Fracht zeichnet, deshalb mit beiden Möglichkeiten zu rechnen hat" ( R G H G Z 1891. 192, H G Z 1891. 54; anders etwa, wenn für die Versicherung der endgültig bezahlten Fracht ein Güterpolicen-Formular oder ein Formular für gewöhnlich Frachtpolicen benutzt wird). Über einen Fall der Versicherung eines deutlich erkennbaren Oberfracht-Vorschusses: H G Z 1908. 73. 57. Insbesondere Ober- und Unterfracht. Die Fracht kann Ober- oder Unter- A n m fracht sein. Der Oberverfrachter kann die Oberfracht, der Unterverfrachter die Unterfracht versichern. Der Unterverfrachter kann die Unterfracht auch insoweit versichern, wie Oberfracht und Unterfracht sich decken ( A r g y r i a d i s 93f., M ö l l e r I T V M i t t 1937. 82f.). Beträgt also die Oberfracht 100000, die Unterfracht (regelmäßig Konnossementsfracht) 150000, so kann der Oberverfrachter 100 000, der Unterverfrachter 150000 versichern. Denn der Oberverfrachter hat dem Unterverfrachter nicht etwa die Gefahr abgenommen. Oberverfrachtung und Unterverfrachtung sind zwei wirtschaftlich zusammenhängende Unternehmungen, insofern die eine erst durch die andere ermöglicht ist, aber im übrigen zwei rechtlich völlig selbständige Unternehmungen. Der Oberverfrachter trägt die Gefahr der einen, der Unterverfrachter die der anderen Unternehmung. J e d e r von beiden hat deshalb auch das durch seine Unternehmung begründete Interesse und k a n n dieses Interesse v o l l v e r s i c h e r n . Die Anschauung, daß der Unterverfrachter, soweit Ober- und Unterfracht sich decken, im obigen Beispielfall also für 100000, die Gefahr nicht trage und deshalb kein versicherbares Interesse habe (so R G 38. 54; zustimmend S i e v e k i n g 12), ist offenbar irrig. Eine andere Frage ist, ob es sich wirtschaftlich rechtfertigen läßt und nicht vielmehr Prämienverschwendung ist, wenn der Oberverfrachter die ganze Oberfracht, der Unterverfrachter die ganze Unterfracht versichert, und ob nicht vielmehr zweckmäßig der Oberverfrachter die Oberfracht, der Unterverfrachter nur den Frachtüberschuß versichert. Diese Frage ist natürlich im Sinne der letzteren Alternative zu beantworten; zwar nicht für alle Fälle (denn der Unterverfrachter kann ein Interesse daran haben, die Auseinandersetzung mit dem Oberverfrachter dem Versicherer der Unterfracht zu überlassen), wohl aber für die Regel. Denn im Versicherungsfall geht in der Regel nicht nur die Unterfracht, sondern auch die Oberfracht verloren. Ein und derselbe Fall bringt dem Unterverfrachter Nachteil und Vorteil. Nach den Regeln über Vorteilsausgleichung muß er sich den Vorteil auf den Nachteil anrechnen lassen (Vorb. I X vor § 1). — Hieraus ergibt sich für obigen Beispielfall (Oberfracht: 100000, Unterfracht: 150 000) : a) Geht die Fracht total verloren, so kann der Unterfracht-Versicherte vom Ver- A n m sicherer 150000 verlangen, muß sich aber den durch den Versicherungsfall herbeigeführten Vorteil des Verlustes der Oberfracht anrechnen lassen und erhält mithin nur 50000. Hat der Unterverfrachter dem Oberverfrachter auf die Oberfracht vorschußweise 40000 gezahlt, so kann er vom Oberverfrachter Rückzahlung verlangen. Erhält er sie zurück, so muß er sie sich auf die Versicherungssumme anrechnen lassen, erhält also vom Versicherer wieder nur 50000. Verweigert der Oberverfrachter die Rückzahlung, so kann der Unterfracht-Versicherte vom Versicherer 150000—60000 = 90000 verlangen; der Anspruch auf Rückzahlung der 40000 geht nach § 45 (nicht nach § § 7 1 Abs. 3, 79) auf den Versicherer über. b) Der Unterverfrachter hat dem Oberverfrachter 20000 endgültig bezahlt. Anm 1. Der Oberverfrachter kann 100000 Fracht versichern. Doch gilt die Versicherung in Höhe von 20000 nur als Versicherung endgültig erhaltener Fracht. — Der Oberverfrachter kann auch 80000 gewöhnliche Fracht und 20000 endgültig erhaltene Fracht versichern. — Er kann auch nur 80000 „ F r a c h t " versichern. 8
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
114 § 1
Anm. 86
Frachtinteresse
2. Der Unterverfrachter kann 150000 Fracht versichern ( R G 38. 51). — Er kann auch 130000 gewöhnliche Fracht und 20000 endgültig bezahlte Fracht versichern. — Er kann auch 150000 Fracht beim einen, 20000 endgültig bezahlte Fracht beim anderen Versicherer versichern; doch wäre das teilweise Doppelversicherung ( R G 38. 53; vgl. auch H G Z 1908. 73). — Er kann auch — und wird in der Regel zweckmäßig so verfahren — die endgültig bezahlte Fracht von 20000 und den Frachtüberschuß von 50000 versichern. Er kann auch 20000 + 50000 = 70000 als Fracht versichern. Aber er muß dabei angeben, daß 20000 endgültig bezahlte Fracht und 50000 Frachtüberschuß sind (OAG Lübeck Kierulff 3. 553). Zwar ist auch die Fracht, die der Unterverfrachter endgültig zu zahlen hat, Fracht und ihre Versicherung Frachtversicherung (oben Anm. 82). Zwar ist auch der Frachtüberschuß (difference in freight, profit on charter) Fracht und seine Versicherung Frachtversicherung ( V o i g t 134, 138, R G H G Z 1891. 192, H G Z 1891. 55, 1896. 118, O A G Lübeck Kierulff 3. 352). Aber der Unterverfrachter ist Frachtversicherungs-Interessent für 150000, und die Frachtversicherung für nur 70000 wäre mithin Unterversicherung. Vgl. auch Plan 1800 Nr. 34 dl „Assekuranz auf Gewinn auf Frachten . . . muß . . . in der Polize angezeigt werden, wenn sie gültig seyn soll". Ähnlich schon Hamb. FrachtVBed. von 1785 § 7 (Vorb. vor § 1 Anm. 3). c) Der Unterverfrachter hat 20000 subject to insurance endgültig bezahlt. 1. Der Oberverfrachter kann nur 80000 Fracht versichern. 2. Der Unterverfrachter kann 150000 Fracht versichern. — Er kann auch 130000 gewöhnliche Fracht und 20000 subject to insurance endgültig bezahlte Fracht versichern. — Er kann auch 150000 Fracht beim einen, 20000 subject to insurance endgültig bezahlte Fracht beim anderen Versicherer versichern. Doch würde das teilweise Doppelversicherung sein (anders A r g y r i a d i s 92f.). — Er wird in der Regel zweckmäßig nur die endgültig bezahlte Fracht von 20000 und den Frachtüberschuß von 50000 versichern.
Anm. 87
d) Der Unterverfrachter hat 20000 endgültig bezahlt, der Befrachter 40000 endgültig bezahlt. 1. Der Oberverfrachter kann 100000 Fracht versichern. —• Er kann auch 80000 gewöhnliche Fracht, 20000 endgültig erhaltene Fracht versichern. Es kann auch nur 80000 als Fracht versichern. 2. Der Unterverfrachter kann 150000 versichern (anders A r g y r i a d i s 93f., der die für endgültig bezahlte Fracht genommene Versicherung als Frachthaftpflichtversicherung ansieht, indessen meint, auch diese komme hier nicht in Betracht, da eine Haftung des Unterverfrachters den Schiffsgläubigern gegenüber nicht gegeben sei und bei endgültig bezahlter Unterfracht im Falle der großen Haverei nicht der Unterverfrachter, sondern der Unterbefrachter beitragspflichtig sei). — Er kann auch 130000 gewöhnliche Fracht und 20000 endgültig bezahlte Fracht versichern. — Er kann auch 90000 gewöhnliche Fracht, 20000 endgültig bezahlte Fracht und 40000 endgültig erhaltene Fracht versichern. — Er wird zweckmäßig die von ihm endgültig bezahlte Fracht von 20000, den Frachtüberschuß von (150000—100000—40000 = ) 10000, gegebenenfalls auch noch die endgültig erhaltene Fracht von 40000 versichern. 3. Der Befrachter kann 40000 endgültig bezahlte Fracht versichern.
Anm. 88
e) Der Unterverfrachter hat 20000 endgültig bezahlt, der Befrachter 40000 subject to insurance endgültig bezahlt.
Frachtinteresse
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ι. Der Oberverfrachter kann iooooo Fracht versichern. — Er kann auch 80000 gewöhnliche Fracht, 20000 endgültig erhaltene Fracht versichern. — Er kann auch nur 80000 als Fracht versichern. 2. Der Unterverfrachter kann 110000 Fracht versichern. — Er kann auch (110000 minus aoooo = ) 90000 gewöhnliche Fracht und 20000 endgültig bezahlte Fracht versichern. — Er wird zweckmäßig nur die von ihm endgültig bezahlte Fracht von 20000 und den Frachtüberschuß von 10000 versichern. 3. Der Befrachter kann 40000 subject to insurance endgültig bezahlte Fracht versichern.
§1
f) Der Unterverfrachter hat 20000, der Befrachter 40000 endgültig bezahlt, beide Anm. 89 subject to insurance. ι. Der Oberverfrachter kann nur 80000 Fracht versichern. 2. Der Unterverfrachter kann 110000 Fracht versichern. — Er kann auch 90000 gewöhnliche Fracht und 20000 subject to insurance endgültig bezahlte Fracht versichern. — Er wird zweckmäßig nur die von ihm endgültig bezahlte Fracht von 20000 und den Frachtüberschuß von 10000 versichern. 3. Der Befrachter kann 40000 subject to insurance endgültig bezahlte Fracht versichern. 58. Der Befrachter kann auch nicht endgültig bezahlte, also gewöhnliche Anm. 90 Fracht versichern. Denn er muß unter Umständen Fracht zahlen, ohne in den Gütern den entsprechenden Gegenwert zu haben. So ζ. B. wenn Tiere unterwegs sterben ( H G B § 618 Abs. 1), oder wenn die Güter am Bestimmungsort beschädigt ankommen und deshalb die Fracht nicht decken (Prot. 3035). Der Befrachter hat für solche Fracht, für die Fracht in solchen Beziehungen ein versicherbares Interesse (so auch M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung 69, M o h r 94). Aber das Interesse ist kein Frachtinteresse, sondern ein Güterinteresse (vgl. H G B §§ 799 Abs. 2, 800, A S V B §§ 22 Abs. 2, 23; § 90 A n m . ; so auch M o h r 24; anders M ö l l e r a. a. O . : weder Güter- noch Frachtinteresse, sondern Interesse an Anwartschaft). Nicht die Bestimmungen über Frachtversicherimg, sondern diejenigen über G ü t e r v e r s i c h e r u n g sind anzuwenden. 59. Schlepplohn. Der Begriff des Frachtvertrags setzt nicht voraus, daß die zu Anm. 91 befördernden Sachen sich in oder auf dem befördernden Schiff befinden (Pappenh e i m H B 2. 17, R G 6. 9g, 67. 11, 86. 429, H G Z 1900. 215). Die Frachtgüter können auch im Seeleichter durch Schlepper befördert werden. Die Fracht ist darum nicht minder Fracht und a l s F r a c h t v e r s i c h e r b a r , wenn und weil die Güter in dieser Weise befördert werden. A b e r die Regel bildet diese Art der Beförderung nicht, und die Vorschriften des Seeversicherungs-Rechts haben sie ebensowenig im Auge, wie diejenigen des Seefracht-Rechts ( P a p p e n h e i m H B 2, 17). Sie ist mit erheblich größeren Gefahren verbunden, als die gewöhnliche Beförderung über See, und bildet daher jedenfalls einen g e f a h r e r h e b l i c h e n U m s t a n d im Sinne des § 19. — Dasselbe ist der Fall, wenn die Fracht nicht sowohl fur die Beförderung der Güter allein, sondern fiir die B e f ö r d e r u n g d e s g e s c h l e p p t e n S c h i f f e s mit den Gütern bedungen ist oder auch nur für die Beförderung des geschleppten Schiffes. Auch in Fällen dieser Art handelt es sich, mag das geschleppte Schiff eigene Besatzung haben oder nicht, um Frachtverträge, vorausgesetzt immer, daß die Obhut über das geschleppte Schiff und die Güter beim Schlepper ist ( R O H G 23. 320, R G 6. 100, 67. 11, 86. 429, H G Z 1903, 290, S c h a p s A b r a h a m II 273 Anm. 24 vor § 556 H G B ) . Aber auch in diesen Fällen ist der Frachtversicherte natürlich a n z e i g e p f l i c h t i g . V o n Schleppfrachtverträgen dieser Art ist der eigentliche Schleppvertrag (Schlepp- Anm. 92 vertrag im engeren Sinne) zu unterscheiden, der Vertrag des „Schleppschiffunter8*
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Schiffsmiete-Interesse
§ 1 nehmers" ( H G B § ι Abs. 2 Nr. 5), der Vertrag, durch den der eine Teil zu schleppen, der andere Teil eine Vergütung zu zahlen sich verpflichtet und die O b h u t über das Geschleppte nicht oder n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h b e i m S c h l e p p e r ist. Dieser Vertrag ist kein F r a c h t v e r t r a g ( P a p p e n h e i m H B 2. 20, S c h a p s - A b r a h a m a. a. O . und hier angef. Lit. u. Rspr.), sondern Werkvertrag gewöhnlicher Art oder Dienstvertrag, der Schlepplohn nicht Fracht und deshalb n i c h t a l s F r a c h t v e r s i c h e r b a r , sondern gewöhnliche Werk- oder Dienstvergütung (vgl. insbesondere R O H G 23. 231, R G 10. 167, 67. 11, H G Z 1889. 105, 1894. 5, 1897. 92, 284, 1898. 103, 1902. 99, 1905. 56; vgl. auch unten Anm. 97). Schiffsmiete Anm. 93
60. Gemeint ist: Schiffsmietzins, genauer: die Forderung auf Schiffsmietzins (vgl. oben Anm. 66,68). Das Schiff kann vermietet, es kann vereinbart sein, daß der Vermieter den Gebrauch des Schiffes während der Mietzeit zu gewähren, der Mieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten hat (BGB § 535). Und zwar so, daß „der bloße Körper des Schiffes" vermietet ist (Prot. 1656), wie ζ. B. beim Schuten-Mietvertrag gewöhnlich oder bei der bare-boat charter. Oder so, daß das Schiff mit der Besatzung vermietet wird, und die Besatzung zwar den Anordnungen des Mieters zu entsprechen, gleichzeitig aber auch die vertragsmäßige Verwendung des Schiffes zu beaufsichtigen, vertragswidriger Verwendung des Schiffes sich zu versagen hat.
Anm. 94
61. Die Versicherung der Schiffsmiete ist, wie die Versicherung der Frachtforderung, keine Versicherung der Forderung und insbesondere keine Kreditversicherung (oben Anm. 66, 68). Sie ist die Versicherung des durch die Mietzins-Forderung vermittelten Interesses an der Erhaltung des Schiffes. Sie ist demgemäß auch eine „ a u f das Schiff sich beziehende" Versicherung im Sinne des § 79 (oben Anm. 66, 68).
Anm. 95
62. Verfrachtung und Vermietung von Schiffen sind in ihren Voraussetzungen und Wirkungen verschiedene Rechtserscheinungen (oben Anm. 67). Deshalb hat man mit Recht die Versicherung von Fracht für unwirksam gehalten, wenn nicht Fracht, sondern Schiffsmiete geschuldet wird ( R G 69. 129, H G Z 1908. 289). Die Unterschiede schließen nicht aus, daß die beiden Verhältnisse durch Vereinbarung, ohne Verletzung ihrer typenabgrenzenden Merkmale, einander angeglichen werden. Auf dem Gebiet der Seeversicherung ist das in den A D S geschehen. V o n den Unterschieden, die Frachtverhältnisse und Mieteverhältnisse trennen, hat sich als der verhängnisvollste der erwiesen, der an den Wirkungen von R e i s e v e r z ö g e r u n g e n zu Tage tritt. Während die Reisefracht durch solche Verzögerung kaum beeinträchtigt wird, ist die Zeitfracht schwer, die Schiffsmiete noch schwerer durch sie gefährdet. Deshalb darf an und für sich Zeitfracht nicht als Fracht, Schiffsmiete nicht als Zeitfracht, geschweige denn als Fracht versichert werden. Aber der Unterschied wird für das Gebiet der Versicherung a u s g e g l i c h e n , wenn der Versicherer die Haftung für den durch Verzögerung verursachten Verlust überhaupt ablehnt. Dies tut § 105 Abs. 5 für die Zeitfrachtversicherung und § 108 Abs. 1 für die Schiffsmieteversicherung. Nun ist der Weg für eine verkehrsgerechte Behandlung der Schiffsmieteversicherung frei. Die rechtlichen Unterschiede zwischen Schiffsmiete und Zeitfrachtvertrag liegen nicht so zu Tage, daß sie im schnellebigen Verkehr ohne weiteres zu erkennen wären. Da kann es insbesondere leicht vorkommen, daß Schiffsmiete als Fracht versichert wird, zumal im englischen Rechtsverkehr insoweit kein Unterschied gemacht wird ( A r n o u l d 248 s. 281, — wenngleich auch nicht verkannt wird, daß the hire of the ship . . . is, strictly speaking, rather to be called charter-money than freight: A r n o u l d 290 s. 322). Unter diesen Verhältnissen braucht der Versicherungsnehmer nicht mehr zu leiden: Er kann ,,Schiffs-
Überfahrtsgelder-Interesse
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miete als für bestimmte Zeit geschlossene Fracht" und „solche Fracht als Schiffs- § 1 miete" versichern (§ ι Abs. 3 Satz 2). Und da er eigentliche sowohl wie uneigentliche Zeitfracht (wenn auch nicht als „Reisefracht", so doch) auch als „ F r a c h t " versichern kann, so kann er auch Schiffsmiete (wenn auch nicht als „Reisefracht", so doch) als „ F r a c h t " versichern. 63. O b das Schiff zur Güterbeförderung oder zur Personenbeförderung ver- Anm. 96 mietet ist, ist versicherungsrechtlich im allgemeinen ohne Bedeutung (anders natürlich vom mieterrechtlichen Standpunkt; vgl. H G Z 1901. 160, wonach Schiffe im Zweifel nur als zur Güterbeförderung vermietet gelten). Nur unter besonderen Umständen würde der Vermieter, der Schiffsmiete versichert, anzuzeigen haben, daß das Schiff zur Personenbeförderung vermietet ist. Der Versicherungsnehmer kann auch nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Schiffsmiete als „ F r a c h t " versichern, wenn das Schiff zur Personenbeförderung vermietet ist. Die darin liegende Unebenheit ist bei den Verhandlungen über den Ε 1910 erwogen, aber zu leicht befunden, um eine Unterscheidung und Verkehrserschwerung zu rechtfertigen. 64. Schiffsmiete ist nur Sachmiete. Insbesondere nicht auch Dienstmiete (vgl. Anm. 97 BGB § 611). Das Schiff kann auch Gegenstand einer bloßen Dienstmiete sein. Der Eigentümer des Schiffes kann mittelst des Schiffes zu leistende Dienste, der Dienstberechtigte eine Vergütung versprechen. So, ζ. B., wenn das Seeschiff einen Hafenschlepper annimmt, nicht, um sich von ihm in den Hafen schleppen zu lassen, sondern nur um die Einfahrt in den Hafen zu sichern, dienstbereit zu sein und die etwa verlangten Dienste zu leisten. Ebenso aber auch, wenn der Schlepper zwar schleppen soll, aber unter der Leitung und nach den Anweisungen des geschleppten Schiffes ä son service, the command or governing power being with the tow, and the motive power with the tug (vgl. R i t t e r , Denkschrift zu den Entwürfen der Com. Mar. Int. von Verträgen über Ansegelung usw. 29), wenn der Schlepper „nur die fortbewegende Kraft des geschleppten Schiffes" ist (Hamb. Schleppbedingungen bei S c h a p s - A b r a h a m I I I 1047; vgl. auch H G Z 1902. 43, 1903. 145, igo6. 8). Die für solche Dienstleistung zu entrichtende Vergütung ist keine Fracht und keine Schiffsmiete und nicht als solche versicherbar (vgl. auch oben Anm. 92). Überfahrtsgelder 65. Uberfahrtsgeld ist die Vergütung, die der Unternehmer nach dem Überfahrts- Anm. 98 vertrag für die von ihm übernommene Beförderung eines Reisenden von diesem (oder von dem sonstigen Vertragschließenden) zu verlangen hat, — aber auch die Forderung, deren Gegenstand die Vergütung bildet (vgl. oben Anm. 68). 66. Der Uberfahrtsvertrag ist kein Frachtvertrag (deshalb rechts- und auch Anm. 99 sprachmißbräuchlich: H G B Uberschrift vor § 664: „Frachtgeschäft", § 676: „ V e r frachtung eines Schiffes zur Beförderung von Reisenden", §§ 669, 671, 674: „ V e r frachter"). Das Überfahrtsgeld ist nicht Fracht. Aber es ist der Zwilling der Fracht. 67. Auch der Uberfahrtsvertrag kommt, wie der Frachtvertrag, mit E l e m e n t e n Anm. 100 d e r S a c h m i e t e d u r c h s e t z t vor (ζ. B. Ausbedingung eines bestimmten Schiffsraums: S c h a p s - A b r a h a m II 813 Anm. 10 vor § 664 H G B ; vgl. jedoch auch den Frachtvertrag über einen „bestimmt bezeichneten R a u m " des Schiffes: H G B § 556 Nr. 1), verliert aber, solange die typenabgrenzenden Merkmale des Werkvertrags nicht verwischt sind, nicht seinen juristischen Charakter als Uberfahrtsvertrag (näheres oben Anm. 67). 68. Bei der nahen Verwandtschaft des Uberfahrtsgeldes und der Fracht muß die Anm. 101 Versicherung von Uberfahrtsgeld grundsätzlich dasselbe Gepräge tragen, wie die Fracht-
118 § 1
Uberfahrtsgelder-Interesse
Versicherung ( v g l . daher o b e n A n m . 6 7 ) .
A b e r sie unterscheidet sich v o n der Fracht-
versicherung in einer wesentlichen Beziehung. Sie ist zwar, wie die Frachtversicherung, eine Versicherung, die „sich auf das S c h i f f bezieht". Die Bestimmungen über Kaskoversicherung finden daher nach § 79 auf die Uberfahrtsgelder-Versicherung entsprechende Anwendung. A b e r sie ist, anders als die Frachtversicherung, keine Versicherung, die sich auch auf die G ü t e r bezieht und sich deshalb gemäß § 99 auch nach den für die Versicherung von Gütern geltenden Bestimmungen richtet. A u c h nicht etwa, wenn und weil der Unternehmer Reisegut befördert. Denn diese Beförderung geschieht nur nebenher (vgl. H G B § 672) und macht die Versicherung von Überfahrtsgeldern so wenig zu einer auf Güter sich beziehenden Versicherung, wie den Uberfahrtsvertrag z u m Frachtvertrag. Die Uberfahrtsgelder-Versicherung bezieht sich statt auf Güter vielmehr auf Personen. Sie müßte daher, soll sie der Frachtversicherung gleichen, als die Versicherung des Unternehmerinteresses an der Erhaltung des Schiffes und der Reisenden gestaltet werden. Gesetz und A D S haben indessen fast ihre ganze Aufmerksamkeit den Arten der Seeversicherung zugewandt, die es mit dem Interesse an der Erhaltung von „ S c h i f f oder L a d u n g " z u tun haben (§ 1 Abs. 1; oben A n m . 21). Allgemeine Vorschriften über Seeversicherungen, die sich auf Personen beziehen und deren entsprechende Anwendung auf die Überfahrtsgelder-Versicherung hätte angeordnet werden können, gibt es nicht. Es könnte sich daher nur fragen, ob an ihrer Stelle die für die Güterversicherung geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden sind. Dies ist angesichts des Standpunkts, den Gesetz und A D S der Uberfahrtsgelder-Versicherung gegenüber eingenommen haben, unmöglich, soweit sich nicht aus der besonderen Bestimmung des § 109 Abs. 1 ein anderes ergibt. Es ist aber auch nicht nötig. Vielmehr wird man hier, auf einem Sonder- und Nebengebiet der Seeversicherung, m i t d e n a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n d e s S e e v e r s i c h e r u n g s R e c h t s , insbesondere mit dem Grundsatz der allgemeinen Gefahrendeckung (§ 28), a u s k o m m e n können. W ü r d e ζ. B. ein Reisender an Bord, aber noch vor dem Antritt der Reise infolge eines Seeunfalls sterben, so würde nach dem Beginn der Uberfahrtsgelder-Versicherung (§§ 109 Abs. 1, 66 Abs. 1; § 66 Anm.) das halbe Uberfahrtsgeld verloren sein ( H G B § 667 Abs. 1), der Versicherer auch haften, weil der Unfall zwar ein solcher sein würde, von dem der Reisende, kein solcher, von dem das Schiff betroffen wäre, dies aber mangels einer entsprechenden, die Haftung des Versicherers einschränkenden Bestimmung ohne Bedeutung ist. W ü r d e der Reisende eines natürlichen Todes sterben, so würde der Versicherer nach § 86 nicht haften, weil § 86 nach §§ 109 Abs. 1, 105 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden ist (vgl. aber auch H G u. O G Hamburg, R O H G H G Z 1875. 2 0 2 > 1880. 385: Ausbruch der Cholera an Bord eines Auswandererschiffs: nach § 86 würde der Versicherer nur für den Passagier nicht haften, der den Cholerakeim eingeschleppt hat). W ü r d e das Überfahrtsgeld verloren gehen, weil der Reisende mit Rücksicht darauf zurücktritt, daß das Schiff infolge Kriegsausbruchs nicht mehr frei und der Aufbringungsgefahr ausgesetzt ist, oder durch V e r f ü g u n g von hoher Hand zurückgehalten wird ( H G B § 669 Abs. 1), so würde der Versicherer schon deshalb haften, weil das Ereignis, das den für den Versicherungsnehmer nicht vermeidlichen Rücktritt herbeigeführt hat, ein solches ist, von dem das Schiff betroffen ist. — Dieser Unterschied zwischen der Frachtversicherung und der Uberfahrtsgelder "Versicherung wäre groß genug, u m nicht zu gestatten, daß (etwa in einem Falle, w o ein Passagierschiff Beiladung fährt) Fracht als „Uberfahrtsgeld" versichert wird. Er wäre aber vielleicht nicht groß genug, u m zu verbieten, daß Uberfahrtsgeld als „ F r a c h t " versichert wird. Indessen übernimmt auf der anderen Seite der Versicherer von Überfahrtsgeld doch auch die Deckung von Schäden, die der Frachtversicherung fremd sind (vgl. § 190 Abs. 3). Deshalb ist (nicht nur in einer Überfahrtsgelder-Ver-
Überfahrtsgelder-Interesse
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Sicherung keine Frachtversicherung, sondern auch) in einer F r a c h t v e r s i c h e r u n g k e i n e U b e r f a h r t s g e l d e r - V e r s i c h e r u n g enthalten (§ ι Abs. 2 Satz 2). Freight . . . does not include passage money (MIA § 90, R C P 16). 69. Das Uberfahrtsgeld kann, wie die Fracht, brutto oder netto versichert, besegelt oder unbesegelt, noch zu bezahlen oder im voraus bezahlt sein (oben Anm. 72ff.). Das Überfahrtsgeld kann auch endgültig bezahlt sein. Die Versicherung endgültig bezahlten Überfahrtsgeldes ist keine Versicherung von Uberfahrtsgeldern, so wenig, wie die Versicherung endgültig bezahlter Fracht Frachtversicherung ist (oben Anm. 77; vgl. A r n o u l d 254 s. 288). Aber während für die Versicherung endgültig bezahlter Fracht die Bestimmungen über die Güterversicherung zur Verfügung stehen, fehlt es hier an Bestimmungen, die anwendbar wären. Indessen dürften doch die B e s t i m m u n g e n ü b e r die G ü t e r v e r s i c h e r u n g s i n n g e m ä ß a n z u w e n d e n sein. Dem mutmaßlichen Parteiwillen wird es entsprechen, daß als versichert das Interesse anzusehen ist, welches der Versicherungsnehmer daran hat, das Überfahrtsgeld, sei es aus Gründen, die im Schiffe, sei es aus Gründen, die in der Person des Reisenden liegen, nicht umsonst aufgewendet zu haben. Diese Person ist regelmäßig, wenigstens vom Standpunkt des Wirtschaftslebens aus betrachtet, um das Überfahrtsgeld wertvoller geworden. Man kann daher in diesem Falle nicht gar von den Unfällen, welche die Person betreffen, absehen. Der Versicherer würde ζ. B. haften, wenn der Reisende an Bord, aber noch vor Antritt der Reise infolge eines Seeunfalls ums Leben käme. Denn die Versicherung würde nicht nach §§ 109 Abs. 2, 66 Abs. 1, sondern nach § 88 Abs. 2 schon dann begonnen haben, als der Reisende vom Unternehmer zum Zwecke der Beförderung aufgenommen war. — So wenig, wie endgültig bezahlte Fracht als „Fracht", kann natürlich endgültig bezahltes Überfahrtsgeld als „Uberfahrtsgeld" versichert werden (oben Anm. 77). 70. Der Uberfahrtsvertrag kann, gleich dem Ober- und Unterfrachtvertrag, Oberund Untervertrag sein (näheres oben Anm. 83ff.). 71. Nur eine besondere Art des Uberfahrtsvertrags bildet, trotz der mißverständliehen Ausdrucksweise des Gesetzes (HGB § 676), der Fall der „ V e r f r a c h t u n g " eines Schiffes zur Beförderimg von Reisenden". Der Verfrachter kann die „Fracht" nur als U b e r f a h r t s g e l d versichern. Findet auch auf das Verhältnis zwischen „Verfrachter" und „Befrachter" Frachtrecht Anwendung, so doch nur, „soweit die Natur der Sache seine Anwendung zuläßt" (HGB § 676), und die aus der Natur der Sache sich ergebenden Abweichungen sind groß genug, um die Versicherung des Überfahrtsgeldes als „Fracht" zu verbieten. 72. Auswandererversicherung. Nach §§ 27—30 des Gesetzes über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 muß der Auswanderungsunternehmer den Auswanderern bei Reiseverzögerungen unentgeltlich Unterkunft und Verpflegung gewähren, sie erforderlichenfalls anderweit an den Bestimmungsort befördern und ihnen unter Umständen das Uberfahrtsgeld zurückerstatten. Nach § 32 AuswG kann der Unternehmer verpflichtet werden, „zur Sicherstellung" dieser Verpflichtungen „eine das Uberfahrtsgeld um den halben Betrag übersteigende Summe zu versichern". Nach § 14 der Bekanntmachung des Bundesrats vom 14. März 1898 (RGBl. 39) kann die Auswanderungsbehörde eine solche Versicherung verlangen. Die Auswahl des Versicherers und der Inhalt des Versicherungsvertrags bedürfen ihrer Genehmigung. Die Police ist ihr einzuliefern. Ist der Unternehmer in der Erfüllung der durch die Versicherung sichergestellten Verpflichtung säumig, so daß die Behörde einschreiten muß, so kann sie die durch die Säumnis entstandenen Kosten aus der Versicherungssumme decken und zu diesem Zwecke die Versicherungssumme erheben; ein entsprechender Vermerk ist in die Police aufzunehmen.
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Anm. 102
Anm. 103 Anm. 104
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120 § 1
Uberfahrtsgelder-Interesse
Wird nur nach diesen Bestimmungen Versicherung genommen, so ist die Versicherung weder eine Uberfahrtsgelder-Versicherung noch überhaupt eine Seeversicherung, (ebenso S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 7 zu § 1 A D S ) . Die Versicherung ist j a genommen „ z u r Sicherstellung" gewisser dem Unternehmer obliegender Verpflichtungen. Nicht dagegen, daß Überfahrtsgelder verlorengehen. Auch nicht dagegen, daß die Forderung auf Erfüllung jener Verpflichtungen infolge eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls nicht mehr durch Schiff und Uberfahrtsgelder gedeckt wird. Sondern überhaupt gegen die Gefahr der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung, aus welchem Grunde immer ( R O H G 17. 344). Die Versicherung ist eine g e w ö h n l i c h e K r e d i t v e r s i c h e r u n g f ü r f r e m d e R e c h n u n g , nämlich f ü r Rechnung der Auswanderer, nur mit der Besonderheit, daß die Auswanderungsbehörde gegenüber dem Unternehmer, dem Auswanderer und dem Versicherer berechtigt ist, die Versicherungssumme zur Deckung ihrer für den Unternehmer gemachten Ausgaben einzuziehen. Der Unternehmer ist der Versicherungsnehmer, die Auswanderer sind die Versicherten ( V o i g t 136, R O H G 7. 402, 17. 343, H G u. O G Hamburg H G Z 1875. 1 1 8 ) . Deshalb finden weder die Vorschriften über Überfahrtsgelder-Versicherung noch überhaupt die Vorschriften über Seeversicherung Anwendung, soweit die Parteien nicht etwa ihre Anwendung (ζ. B. durch Bezugnahme auf die A D S ) vereinbart haben. Der Versicherer kann sich insbesondere nicht auf die Beschränkungen der Haftung des Kaskoversicherers berufen. E r kann sich auch darauf nicht berufen, daß der Unternehmer die Gefahr geändert oder den Versicherungsfall vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt oder die SchadensabwendungsPflicht verletzt hat, obgleich der Unternehmer der Versicherungsnehmer ist ( V o i g t 136, R O H G 7. 4 0 1 , 17. 344). Denn die Versicherung ist j a gerade für die Forderung gegen den Unternehmer genommen. Der Unternehmer kann daher auch selbst, als Versicherungsnehmer, im Besitz der Police, nach § 54 Abs. 2 die Entschädigung verlangen, obgleich er die ihm obliegenden Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsverhältnis nicht erfüllt hat; doch würde der Versicherer einwenden können, daß mit der Zahlung der Entschädigung die versicherte Forderung auf ihn übergehen würde und er das soeben gezahlte wieder würde zurückfordern können (exceptiodoli, L e w i s 2. 376, S i e v e k i n g 14, wo jedoch mit Unrecht auf § 804 H G B verwiesen wird und, wenn überhaupt, auf § 805 H G B hätte verwiesen werden sollen; mißverständlich auch O G H a m b u r g H G Z 1875. 1 2 1 ; vgl. ferner M o l t 1 3 7 , R O H G 17. 345). Übrigens kann es kaum vorkommen, daß der Unternehmer im Besitz der Police ist und demgemäß Entschädigung verlangen kann; denn die Police ist j a der Auswanderungsbehörde zu übergeben. Der Unternehmer kann natürlich neben der Versicherung f ü r Rechnung der Auswanderer auch die U b e r f a h r t s g e l d e r f ü r e i g e n e R e c h n u n g v e r s i c h e r n , was zweckmäßig, zur Vermeidung unnützer Versicherungskosten, in Verbindung mit der Versicherung für Rechnung der Auswanderer geschieht (vgl. R O H G 7. 395, 17. 3 4 1 , O A G Lübeck K i e r u l f ^ . 409, auch R O H G H G Z 1879. 386, H G u. O G Hamburg H G Z 1875. 1 1 8 , 2 0 2 , 1876. 147). In solchem Falle würde der Versicherer gegenüber dem Entschädigungsanspruch des Uberfahrtsgelder-Versicherten sich auf die Beschränkungen der Haftung des Überfahrtsgelder-Versicherers berufen können, der Unternehmer dagegen gegenüber der auf den Versicherer übergegangenen Forderung auf die von ihm f ü r eigene Rechnung genommene Versicherung ( V o i g t 137, R O H G 17. 3 4 5 ; vgl. auch H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H G Z 1868. 15, 1 3 3 : Versicherung von „ V e r wendungs- und Passagegeldern für 237 Erwachsene, 66 Kinder und 24 Säuglinge, als Passagiere, um solche im Fall eines Schadens zu landen, zu beköstigen, zu behausen und eventuell zu befördern, Schaden auch über 1 0 0 % zu bezahlen", — eine Versicherung, welche die Gerichte noch als eine gewöhnliche Schadensversicherung des Unternehmers behandelt haben, obgleich nach § 11 der hamburg. Auswanderer-Verordnung „ d e r
Bodmereigelder-Interesse
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Expedient verpflichtet war, im Interesse der Auswanderer für 150% der Passagegelder § 1 Versicherung zu nehmen, auch die Police darüber bei der Polizeibehörde zu deponieren, um im Schadensfalle zur Deckung der notwendig werdenden außerordentlichen Verwendungen für Beköstigung, Behausung und Weiterbeförderung der Passagiere zu dienen"). Bodmereigelder 73. Bodmereigelder (von Boden, Schiffsboden, vgl. ζ. B. K l e f e c k e r 7. 302, — Anm. 106 daher in England bottomry loan auf Schiffsdarlehn beschränkt: unten Anm. 107) sind bestimmte Forderungen, zu deren Deckung der Seegefahr ausgesetzte Gegenstände dienen, nämlich Forderungen aus einem „Darlehnsgeschäft", welches von dem Schiffer als solchem kraft der in diesem Gesetzbuch (im HGB) ihm erteilten Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach der Ankunft des Schiffes an dem Orte sich halten kann, wo die Reise endigen soll, für welche das Geschäft eingegangen ist ( H G B § 679). Die Versicherung von Bodmereigeldern ist also die besondersartige V e r s i c h e r u n g e i n e s E i g e n t ü m e r i n t e r e s s e s (nach älterer und noch heutiger englischer Auffassung eine Art Rückversicherung, da Bodmereidarlehen themselves a species of insurance: A r n o u l d 260 s. 293). Daraus folgt aber nicht, daß der Bodmereigläubiger „das Schiff" versichern könnte. Denn § 1 will in der Versicherung des Schiffes die Versicherung des Bodmereigläubiger-Interesses nicht enthalten wissen (oben Anm. 34). Daraus folgt deshalb auch nicht, daß die Kaskoversicherung nach § 49 auf den Bodmereigläubiger übergeht (oben Anm. 34, § 49 Anm.). Daraus folgt auch nicht, daß der E i g e n t ü m e r in Höhe der Bodermeigelder überhaupt kein versicherbares Eigentümerinteresse hat. Er hat noch ein durch den Wiederwegfall der Bodmereischuld oder durch die Entstehung einer auch persönlichen Haftung bedingtes Eigentümerinteresse und kann dies versichern und b l e i b t deshalb auch insoweit v e r s i c h e r t (oben Anm. 34). Sein Interesse ist auch in gewissen Beziehungen unbedingt. Der Eigentümer der Güter hat ein Interesse daran, daß die Güter den Bestimmungsort erreichen, auch wenn dies mit dem im Versicherungsvertrag bestimmten Schiffe nicht möglich ist, und dies Interesse ist besonders geschützt. Der Güterversicherte erhält sogar Ersatz der Umladungs-, Lagerungs- und Weiterbeförderungskosten (§ 95). Der Bodmereigläubiger ist an der Weiterbeförderung der Güter nur insoweit interessiert, als die Bodmereiforderung gefährdet wäre, ihre Deckung nicht ausreichte, wenn die Güter nicht weiterbefördert würden. Er ist zwar während der Weiterbeförderung versichert (§ 95 Abs. 2); aber die Umladungs-, Lagerungs- und Weiterbeförderungskosten würden dem Versicherer der Bodmereigelder nur nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 zur Last fallen, wenn der Bodmereigläubiger sie zur Schadensabwendung aufgewendet haben würde. Wenn der Güterversicherte sie aufwendet, muß der Güterversicherer sie ersetzen. — Über einen besonderen Fall der Verbodmung, in dem der Wegfall des Interesses infolge Verbodmung als Versicherungsfall behandelt wird, nämlich den Fall der Verbodmung versicherter Güter zur Fortsetzung der Reise: § 81. — Näheres unten zur Versicherung von Forderungen überhaupt (Anm. i i 8 f f . ) . 74. In England wird bottomry (Verbodmung von Schiff und Ladung) und respon- Anm. 107 dentia (Verbodmung der Güter) unterschieden. Der Geldgeber has an insurable interest in respect of the loan ( M I A § 10). Obgleich im allgemeinen, where the policy designates the subject-matter insured in general terms, it shall be construed to the interest intended
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Havereigelder-Interesse
§ 1 by the assured to be covered (MIA § 26 Abs. 3), müssen doch nach Handelsgebrauch (vgl. MIA § 26 Abs. 4) Bodmereigelder bei der Versicherung als solche besonders bezeichnet werden, widrigenfalls die Versicherung unwirksam ist ( A r n o u l d 260 s. 294).
Havereigelder Anm. 108
75. Der Ausdruck „Haverei" (engl, average, französ. avarie, ähnlich in vielen anderen Sprachen: H e c k 628) bezeichnet unterwegs durch Seeunfall entstandene Schäden, also insbesondere nicht Abnutzungs-, Alters-, Beschaffenheitsschäden oder die gewöhnlichen Schiffsbetriebskosten (vgl. HGB § 621 Abs. 2), die Nachteile, die früher wohl k l e i n e , ordinäre oder kommune Haverei genannt wurden. — Die Haverei wird eingeteilt in g r o ß e (oder gemeinschaftliche) Haverei (HGB § 700; general average, avarie grosse oder commune) und b e s o n d e r e (oder einfache oder Partikular-) Haverei (HGB §§ 701, 707; particular average, avarie particulifere oder simple). Doch bezeichnet man im Verkehr und auch im Versicherungsrecht (vgl. insbesondere MIA § 64) oft nur Teilschaden als besondere Haverei oder auch nur als Haverei (vgl. HGB §§ 845, 893), oft auch nur die Unfälle allein als Haverei (vgl. HGB § 893).
Anm. 109
76. Mit dem Ausdruck „Havareigelder" bezeichnet man also Gelder oder Kosten, die unterwegs infolge eines Seeunfalls zur Beseitigung seiner Folgen aufgewendet werden müssen und aufgewendet werden (Prot. 3271). Mit dieser Bedeutung haben Gesetz (HGB §§ 779, 826, 840, 857, 880) und ADS (§§ 1, 1 1 0 - H 2 ) den Ausdruck übernommen. Ohne zu berücksichtigen, daß der Ausdruck nur über Ursache und Zweck von Aufwendungen etwas aussagt, nicht aber über die Art des Interesses. Das wäre freilich nicht weiter schlimm, wenn, wie die Ausdrücke „das Schiff" oder „die Güter" das Eigentümerinteresse decken, so auch der Ausdruck „Havereigelder" verkehrsgemäß eine bestimmte Art von Interessen deckte. Das ist aber nicht der Fall (weshalb E h r e n b e r g AssJB 22. 11 den Ausdruck für „verwerflich" hält). Der Ausdruck wird (ähnlich, wie der Ausdruck „Fracht": oben Anm. 68) für verschiedenartige, sich hinter ihm verbergende Interessen gebraucht:
Anm. 110
a) zunächst im Sinne von Forderungen für gezahlte Havereigelder, denen Schiff und Fracht zur Deckung dienen, sei es zur dinglichen, insbesondere pfandmäßigen Deckung, sei es nur als vorzugsweise Gegenstände der Befriedigung (Sievek i n g 17, RG HGZ 1891. 252, HGZ 1890. 299; abw. V o i g t 15, 371, 496). Das sind die Havereigelder, die nach der Ausdrucksweise des Gesetzes „vorgeschossen" werden (HGB §§ 826, 857, 880), nach der Ausdrucksweise der ADS „gewährt" werden. Sie begründen gewöhnlich ein bloßes F o r d e r u n g s i n t e r e s s e ; ihre Versicherung ist die Versicherung einer Forderung gegen Sachgefahren. Sind sie dem Kapitän unter Beschränkung der Haftung und Fracht gegeben (vgl. HGB §§ 528, 532, 54t, 754 Nr. 6), so ist ihre Versicherung, gleich derjenigen von Bodmereigeldern, eine eigenartige Versicherung des Eigentümerinteresses (oben Anm. 10, 41, 116; vgl. auch die nicht überall zutreffenden Ausführungen Prot. 3092 und L e w i s 2. 256). — Die Havereigelder brauchen aber nicht immer „vorgeschossen" oder „gewährt" zu sein. Ζ. B. kann auch ein Havariegrosse-Beteiligter seine Forderung auf Havariegrosse- Vergütung unter der Bezeichnung „Havereigelder" versichern. — § 779 HGB, § 1 ADS und die Uberschrift des fünften Titels im zweiten Abschnitt der ADS erwecken den Anschein, als ob Gesetz und ADS nur solche Forderungen als „Havereigelder" betrachtet wissen wollen, als ob im Falle einer Versicherung von „Havereigeldern" nur Havereigelder-Forderungen als versichert gelten sollen und das Interesse mithin falsch bezeichnet ist, die Versicherung unwirksam sein soll, wenn in solchem Falle tatsächlich keine Have-
Havereigelder-Interesse
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reigelder-Forderung besteht. Denn § 779 H G B und § ι A D S sprechen von „Havereigeldern" und „anderen" oder „sonstigen F o r d e r u n g e n " , zu deren Deckung Schiff Fracht usw. dienen. Der Schein trügt ( B r o d m a n n 166, L e o 171, S i e v e k i n g 17, R G H G Z 1891. 252, H G Z 1900. 299, 303; abw. V o i g t 14, 496). Der Ausdruck wird, der Verkehrsauffassung gemäß, gebraucht: b) auch im Sinne von Havereigeldern, die der Reeder „verausgabt" hat (vgl. H G B §§ 826, 840, 857, 880), „aufgewendet" hat (§ 112; B r o d m a n n 166 im Anschluß an R G H G Z 1891. 253: „uneigentliche" Havereigelder). Ergibt sich in dem Falle, wo ein dritter die Havereigelder gegeben hat, regelmäßig ohne weiteres, welches Interesse und welcher Interessent versichert ist, so ist dies nicht der Fall, wenn der Reeder Havereigelder aufgewendet hat und versichert. Das kann nicht Wunder nehmen. Gesetz und Verkehr sprechen oft von der Versicherung von Geldern und Kosten, von der Versicherung von Havereigeldern, Ausrüstungskosten, Versicherungskosten, j a sogar von Schulden (unten Anm. 122), und meinen etwas ganz anderes, —· eine Unklarheit, die zu vielen Mißverständnissen Anlaß gegeben und ζ. B. auch V o i g t 14, 371, 496 irregeführt hat. 1. Der Reeder, dessen Schiff unterwegs beschädigt wird, erhält vom Kaskoversicherer nur die Ausbesserungskosten unser A b z u g des sog. Drittels wegen des Unterschiedes zwischen neu und alt (§ 75 Abs. 3). Dieses Drittel muß er selbst „verausgaben", „aufwenden". U m dieses Drittel ist das Schiff (theoretisch wenigstens) mehr wert geworden. D i e s e n M e h r w e r t k a n n d e r R e e d e r natürlich, wie jeden anderen Schiffs-Mehrwert (§ 70 Anm.), v e r s i c h e r n ( R G H G Z 1891. 253, H G Z 1890. 302). Regelmäßig versichert er die H a v e r e i g e l d e r . Diese Havereigelder-Versicherung ist also eine Versicherung des SchiffseigentümerInteresses, aber keine K a s k o v e r s i c h e r u n g (§ 70 Anm.). Die Versicherung eine „Nachversicherung auf das Kasko" zu nennen (so R G H G Z 1891. 253, H G Z 1900. 303), wird deshalb besser vermieden. 2. Der Reeder, dessen Schiff unterwegs beschädigt wird, hat oft auch Schaden an Ausrüstungsgegenständen. Die Ausrüstungsgegenstände sind durch die Kaskoversicherung nicht gedeckt (§ 70). Die Bruttofracht und ihre Versicherung decken zwar die Ausrüstungsgegenstände; aber in besonderem Sinne. Die Bruttofracht und ihre Versicherung dienen nur dazu, die Frachtunternehmung davor zu bewahren, daß die Ausrüstungskosten nicht umsonst avisgegeben werden. Ersatz für verlorengegangene Ausrüstungsgegenstände gewähren sie nicht oder doch nicht immer (§ 70 Anm.). Der Reeder muß neue Ausrüstungsgegenstände anschaffen, neue Ausrüstungskosten aufwenden, „Havereigelder verausgaben". Er kann die neuen Gegenstände, die Kosten, natürlich, wie Ausrüstungsgegenstände, Ausrüstungskosten überhaupt, versichern, und zwar, nach der Verkehrsanschauung, auch als „ H a v e r e i g e l d e r " ( H G Z 1890. 299). Die Versicherung ist, ebenso wie die Mehrwert-Versicherung, zwar eine Versicherung des Eigentümerinteresses, aber k e i n e K a s k o v e r s i c h e r u n g . 3. Der Reeder, dessen Schiff unterwegs beschädigt wird und ausgebessert werden muß, hat unerwartet Unkosten, ζ. B. an Heuer und Kosten der Schiffsbesatzung, die der Kaskoversicherer nicht ersetzt. Er hat, wenn das Schiff unterwegs einen Nothafen anläuft, dort oft Kosten, die ihm nicht in Havariegrosse ersetzt werden, weil sie nach dem maßgebenden Havariegrosse-Rechte nicht zur Havariegrosse gehören, ζ. B. Heuer und Kosten der Schiffsbesatzung, die nach gewissen Rechtsordnungen keine Havariegrosse-Kosten sind (vgl. den Fall H G Z 1890. 297, 1891. 249) und ihm auch außerhalb der Havariegrosse vom Kaskoversicherer nicht ersetzt werden. Er muß also diese Kosten aus eigener Tasche bestreiten.
§ 1
Anm. i n
Anm. 112
Anm. 113
Anm. 114
124 § 1
Anm. 1 1 5
Havereigelder-Interesse
Auch solche Gelder werden „ H a v e r e i g e l d e r " genannt. Aber hieraus folgt n i c h t , daß sie v e r s i c h e r b a r sind (so mit Recht R G H G Z 1891. 352 gegen H G Z 1890. 302, auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 1 ADS). Diese Gelder sind und bleiben verloren und Verlorenes kann man nicht versichern. Es ist nicht, wie beim Kasko-Mehrwert oder bei den Ausrüstungskosten, ein Gegenwert da, der die Grundlage für ein Interesse bildete. „ K o m m t der Reeder bei einer Frachtreise mit dem lediglich durch die gewöhnliche Abnutzung im Werte verminderten Schiffe an und bezieht die Fracht, so hat er alles, was er von dieser Reise erhoffen durfte. Ebenso ist er für alles zu Erhoffende entschädigt, wenn er durch Versicherungen für den Schiffswert und die entgangene Fracht entschädigt wird. Den Ersatz außergewöhnlicher auf der Reise erlittener Verluste kann er von dem Erfolg dieser Reise nicht erwarten. Sie verschlingen vielleicht seinen Frachtgewinn auf dieser und auf ferneren Reisen. Sie werden kaufmännisch durch Abschreibung dieses Gewinns zu decken sein. Aber die Erstattungsmöglichkeit, nachdem sie einmal entstanden sind, bildet kein Risiko für die Fortsetzung dieser Reise" ( R G H G Z 1891. 255). 4. Wenn das versicherte Schiff unterwegs beschädigt und ausgebessert wird, kann der Reeder die von ihm aufgewendeten Ausbesserungskosten als „Havereigelder" versichern. Daß er schon versichert ist, daß der Kaskoversicherer nicht nur die Ausbesserungskosten zu ersetzen hat, sondern auch noch für die volle Versicherungssumme haftet (§ 37), ändert daran nichts. Ein an sich versicherbares Interesse wird nicht dadurch unversicherbar, daß es versichert ist (deshalb ungenau: R G H G Z 1891. 253). Die Folge der Versicherung des versicherten Interesses ist nur Doppelversicherung mit Solidarhaftung der Versicherer (§ 10; entgegen dem früheren Prioritätsprinzip). — Anders, wenn der Reeder für fremde Rechnung, f ü r R e c h n u n g des K a s k o v e r s i c h e r e r s diese Havereigelder versichert. Der Kaskoversicherer hat offenbar ein eigenes Interesse an solcher Versicherung. Denn er muß, wenn das Schiff auf der Weiterreise verlorengeht, nicht nur die Ausbesserungskosten, sondern auch noch die ganze Versicherungssumme zahlen (§ 37). Aber diese Versicherung der Havereigelder für den Kaskoversicherer ist keine Versicherung der AusbesserungskostenSchuld des Versicherers. Schulden kann man nicht versichern (oben Anm. 8, unten Anm. 122). Die Versicherung ist also auch keine Versicherung der Ausbesserungskosten, — so wenig, wie die Ausrüstungskosten - Versicherung eine Versicherung der Ausrüstungskosten ist (§ 70 Anm.). Sondern sie ist eine T e i l - K a s k o v e r s i c h e r u n g , eine Versicherung, die etwa die Kehrseite einer Mehrwert-Versicherung bildet, nämlich die Versicherung dagegen, daß der Kaskoversicherer nicht für mehr als die Differenz zwischen Versicherungssumme und Ausbesserungskosten in Anspruch genommen wird. Und hieraus ergibt sich weiter, daß sie auch nicht einmal eine gewöhnliche Kaskoversicherung, sondern daß sie eine K a s k o - R ü c k v e r s i c h e r u n g ist. Der Kaskoversicherer nimmt, oder der Kaskoversicherte nimmt für ihn, teilweise Rückdeckung. Die direkte Versicherung ist auch nicht etwa so möglich, daß der Kaskoversicherer dem Versicherten einen Vorschuß gewährt, eine Vorschußforderung zu seinen Gunsten begründet und diese als Havereigelder-Forderung versichern läßt. Denn für diese Vorschußforderung würden Schiff und Fracht nicht als Deckung dienen, und auf den Havereigelder-Versicherer soll im Falle der Entschädigung keine Vorschußforderung gegen den Reeder übergehen. Auch hier trifft zu, daß „künstliche Veranstaltungen, um ein versicherbares Interesse zu konstruieren, wo in Wahrheit keines vorhanden ist, keine Rechtswirkungen erzeugen können" ( R G H G Z 1891. 256). Nur ein
Havereigelder-Interesse
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Rückversicherungs-Interesse besteht (Reatz Hdbch356). Dieses Interesse, diese § 1 „Havereigelder auf Kosten und Gefahr seines Versicherers versichern zu lassen", war der Kaskoversicherte nach § 68 ASVB sogar verpflichtet (§ 79 Anm.). — Darüber, daß es sich um ein Rückversicherungs-Interesse handelt, war man sich offenbar nicht klar. Dem Verkehr genügte auch in diesem Falle, daß „die Havereigelder" versichert wurden. Und dies muß auch in Zukunft genügen, trotz der Regel des § 1 Abs. 2 Satz 2, nach der eine Versicherung nur dann als Rückversicherung gelten soll, wenn sie ausdrücklich als solche bezeichnet wird. Denn der Verkehr rechnet ohne weiteres damit, daß eine Havereigelder-Versicherung, wenn sie „auf Kosten und Gefahr" eines dritten, insbesondere eines Versicherers genommen wird, eine Rückversicherung ist. Aber freilich: „Auf Kosten und Gefahr" des Versicherers, für fremde Rechnung, muß diese Havereigelder-Versicherung genommen werden. Der Reeder darf sie nicht für eigene Rechnung nehmen (oben Anm. 12). Aber es brauchen auch nicht gerade jene Ausdrücke gewählt zu sein (§ 52 Anm.). Es genügt, daß sich nach dem „aus der Berücksichtigung aller vorhandenen und vom (Havereigelder-)Versicherer gewußten Umstände geschöpften Inhalt" des Vertrags ergibt, daß die Havereigelder für fremde Rechnung versichert werden sollen (RG HGZ 1891. 251). — Hat der Versicherer die Havereigelder „vorgeschossen" (vgl. insbesondere § 44 Abs. 1 Satz 2), so wird er natürlich, wenn überhaupt, selbst die Havereigelder (rück-) versichern. In solchem Falle werden die Umstände regelmäßig ohne weiteres den Havereigelder-Versicherer erkennen lassen, daß es sich um eine Versicherung des Kaskoversicherers, also um eine Rückversicherung handelt. Hat der Reeder Zweifel, ob oder inwieweit der Kaskoversicherer entschädigungspflichtig ist, der Kaskoversicherer Zweifel, ob er nicht zuviel vorgeschossen hat, so mögen sie Versicherung für Rechnung, wen es angeht, nehmen. 77. Havereigelder können auch für die Güter gewährt oder aufgewendet sein. Anm. 116 So etwa, wenn der Kapitän auf Grund seiner gesetzlichen Vollmacht im Havereifall für den Ladungsbeteiligten ein Kreditgeschäft abschließt (HGB §§ 535, 537) und damit ein gesetzliches Ladungspfandrecht begründet (anal. HGB § 754 Nr. 6, P a p p e n h e i m HB 1. 346). 78. Der Versicherung von Havereigeldern entspricht in England bis zu einem Anm. 117 gewissen Grade die Versicherung von disbursements. Die Versicherung solcher disbursements gestattet MIA § 3 Abs. 2 b ausdrücklich. Die Bedeutung des Ausdrucks disbursements steht in England freilich ebensowenig fest, wie die Bedeutung des Ausdrucks „Havereigelder" in Deutschland. In its ordinary sense, a disbursement means an expenditure of money, versicherbar, wenn represented by some interest in the tangible property at risk, i. e., in the ship or the property on board (Arnould 263 s. 297; vgl. auch HGZ 1896. 174, Bolze 23 Nr. 542). Man hat aber auch hin und wieder den Ausdruck im weiteren Sinne verstanden, als a compendious term commonly used to describe any interest which is outside the ordinary and wellknown interests of „hull", „machinery", „cargo" and „freight" and that it would cover the commission and brokerage which the managing owners and insurance brokers of a ship expected to earn in the future (Arnould 263f. s. 297). Insbesondere aber nehmen die Reeder in weitem Umfang Zeitversicherung für disbursements, um irgendeinen Betrag über den Wert von Schiff und Fracht hinaus (regelmäßig nur für Totalverlust) zu decken (Arnould 264 s. 298). In solchen Fällen wird es an einem durch den Ausdruck gedeckten Interesse oder doch an dem Nachweis eines solchen Interesses leicht fehlen. Deshalb nearly all disbursement policies are valued, and contain the p. p. i. clause, whereby the underwriter agrees that he will not contend that the assured has no interest
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Forderungs-Interesse
§ 1 in the thing assured ( A r n o u l d 264 s. 298). Deshalb wickeln sich diese Versicherungsverhältnisse auch regelmäßig hinter den Kulissen des Versicherungsverkehrs und, ohne daß die Gerichte mit der Klärung des Begriffs behelligt werden, ab. Sonstige Forderungen Anm. 118
79. Sonstige Forderungen, zu deren Deckung der Seegefahr ausgesetzte Gegenstände dienen, sind ζ. B. Schiffshypotheken-Forderungen, Kollisionsforderungen usw. — Der Ausdruck „sonstige" Forderungen ist nicht genau. Denn er bezieht sich auch auf das Wort „Havereigelder" zurück. Havereigelder brauchen aber keine Forderungen zu sein (oben Anm. 109ff.). Anm. 119 80. Die Gegenstände, die zur Deckung der Forderung dienen müssen, können körperliche und unkörperliche sein, insbesondere „Schiff, Fracht, Uberfahrtsgelder oder Güter" ( H G B § 779), aber auch ζ. B. Schiffsmiete. Aber auch wenn unkörperliche Gegenstände zur Deckung dienen, sind es doch mittelbar immer „Schiff oder L a d u n g " , welche die Deckung bilden, auf welche die Forderungsversicherung sich bezieht. Die seerechtliche Forderungsversicherung ist allemal Kreditversicherung gegen Sachgefahren ( M o l t 2, 6 usw., R i t t e r L Z 1907. 257). — P e r s o n e n sind keine Gegenstände, können aber auch „zur Deckung dienen". Eine Darlehnsforderung kann für den Fall versichert werden, daß der Darlehnsschuldner die Seereise nicht übersteht. Die Versicherung wäre jedoch keine Seeversicherung oder wäre es doch nur dann, wenn der Gläubiger ein Interesse daran hat, daß der Schuldner mit dem Schiffe ankommt, und auf die behaltene Ankunft des Schiffes mit dem Schuldner Versicherung nimmt (vgl. oben Anm. 28, auch A r n o u l d 260 s. 294). Anm. 120
81. Als Kreditversicherung gegen Sachgefahren ist die seerechtliche Forderungsversicherung teils nach kreditversicherungs-rechtlichen teils nach sachversicherungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Nach kreditversicherungs-rechtlichen Grundsätzen kann der Versicherer ζ. B. die dem Schuldner zustehenden Einreden geltendmachen ( E h r e n b e r g AssJB 22. 9, M o l t 95, V o i g t 13) oder einwenden, daß der Schuldner das der Forderung zugrunde liegende Geschäft a n f e c h t e n könne (anal. BGB § 770 Abs. 1, O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 361). Der Versicherer kann auch einwenden, daß der Versicherungsnehmer a u f r e c h n e n könne (vgl. BGB § 770 Abs. 2). Doch hat die Einwendung hier keine große Bedeutung. Denn der Versicherungsnehmer muß schon nach Schadensabwendungs-Grundsätzen aufrechnen (vgl. M o l t 127, H G Z 1890. 82), und überdies haftet der Schuldner regelmäßig nur beschränkt. — Ist das der „Forderung" zugrunde liegende Geschäft n i c h t i g , so ist natürlich keine Forderung und damit auch kein Interesse entstanden, die Versicherung unwirksam. Ist anstelle der versicherten Forderung eine andere Forderung entstanden, ζ. B. anstelle der nichtigen Bodmereigelder-Forderung eine Forderung auf Herausgabe des vom Versicherungsnehmer gezahlten Darlehnsbetrags wegen ungerechtfertigter Bereicherung, so tritt die Ersatzforderung anstelle der versicherten Forderung in die Versicherung ein, wenn im übrigen Interesse und Gefahr gleich geblieben sind ( M o l t 89; abw. O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 361). Z w a r dient in solchem Falle der Deckungsgegenstand nicht im selben Umfang zur Deckung der Forderung, wie er zur Deckung der Bodmereiforderung gedient hätte (worauf M o l t 93 zu großes Gewicht legt). Das Interesse ist deshalb geringer. Aber es ist seiner Art nach gleich geblieben. Zwar war ferner die Bezeichnung der versicherten Interesses ab eines Bodmereigläubiger-Interesses unrichtig (worauf S i e v e k i n g 17 zu großes Gewicht legt). Aber diese Unrichtigkeit ist unerheblich, weil Bodmereigelder, Havereigelder und „sonstige Forderungen" in solchem Zusammenhang stehen, daß es wohl gerechtfertigt ist, den
Forderungs-Interesse
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Grundsatz, daß „in der einen dieser Versicherungen die andere nicht enthalten ist", § 1 hinter Verkehrs- und interessenmäßige Gesichtspunkte zurückzustellen (vgl. HGZ i8gi. 253), wie das ja auch sonst noch in geeigneten Fällen möglich und nötig ist (vgl. oben Anm. iogff.). 82. Die Forderungen können durch die Deckungsgegenstände dinglich geschützt, Anm. 121 ζ. B. Schiffshypotheken-Forderungen, Schiffsgläubiger-Forderungen, LadungsgläubigerForderungen sein. Insbesondere liegen auch den Schiffsgläubiger- und Ladungsgläubiger-Rechten, selbst wenn nur der belastete Gegenstand haftet, „Forderungen" zugrunde, wofür eben auch §779 HGB ( = ADS § 1) Zeugnis ablegt. Haftet der Schuldner unbeschränkt, so ist dies doch für den Eintritt des Versicherungsfalls ohne Bedeutung. Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß der Versicherungsnehmer vom zahlungsfähigen Schuldner Befriedigung erlangen kann. Die persönliche Haftung des Schuldners bildet hier nur eine Rettungsmöglichkeit, die für die Schadensabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers und für den Ubergang der Forderung auf den entschädigenden Versicherer in Betracht kommt (HGB §805 Abs. 2, Molt 61, 108). — Soweit der Schuldner nur mit dem Schiffe oder den Gütern haftet, ist die Versicherung der Forderung eine besondersartige Versicherung des Eigentümerinteresses. Soweit er nur mit der Fracht haftet, ist sie die besondersartige Versicherung eines Frachtinteresses. Näheres hierüber oben Anm. 34, 106. — Die Forderung braucht aber nicht dinglich oder sonstwie geschützt zu sein. Indessen ist dies nun auch „nicht in dem Sinne zu verstehen, daß wegen einer j e d e n Forderung an einen Reeder oder Ladungseigentümer Seeversicherung genommen werden kann, weil j e d e r Gläubiger ein Interesse daran hat, daß kein V e r m ö g e n s b e s t a n d t e i l seines S c h u l d n e r s v e r l o r e n g e h e . Vielmehr sind versicherbar nur solche Forderungen, zu deren Deckung nach den A n s c h a u u n g e n des V e r k e h r s ein den Gefahren der See anvertrauter Gegenstand ausschließlich oder doch zunächst bestimmt ist, welche also mit diesem Gegenstande iη einem besonderen Z u s a m m e n h a n g e (als Schiffsschulden, Pfandforderungen usw.) stehen und bei welchen eine persönliche Haftung des Schuldners entweder gar nicht eintritt oder doch erst in zweiter Linie in Betracht kommt, weil der Gläubiger seine Befriedigung zunächst aus der sogenannten fortune de mer des Schuldners erwarten darf und nicht so sehr mit Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des Schuldners im a l l g e m e i n e n , als auf die ihm durch den der Seegefahr anvertrauten speziellen Vermögensgegenstand gewährte Sicherheit kreditiert hat. Die Gefahr, um deren Übernahme es sich bei der Versicherung handelt, besteht mithin nicht in der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ü b e r h a u p t , sondern vielmehr in dem Verluste eines bestimmten, den Seegefahren ausgesetzten Deckungsmittels gerade für die konkrete Forderung" (ROHG 1 5 . 1 1 6 , ebenso schon früher HG u. OG Hamburg HH 615, Seebohm 478; zustimmend B r o d m a n n 166, E h r e n b e r g 303, Lewis 2. 257, S i e v e k i n g 5, R e a t z in End. Hdbch 4. 357, V o i g t 168, R G 47. 175, R G HGZ 1889. 244, Bolze 12 Nr. 480, 481, HGZ 1887. 123; vgl. auch HGB § 500 Abs. 2, Prot. 3132, 3721, K i s c h 3. 74, 108, S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 10 zu § 1 ADS). Dies ergibt sich aus dem Wesen der Sachversicherung von selbst. Ebensowenig, wie das Schiff, die Güter, die Fracht usw. versichert werden, wird hier „die Forderung" versichert. Wie dort das Eigentümerinteresse, das Frachtinteresse usw. versichert werden, das durch das Eigentum, die Frachtforderung usw. vermittelte Interesse an der Erhaltung einer Sache, von „Schiff oder Ladung" versichert ist, so wird hier vielmehr das durch die Forderung vermittelte Interesse an der Erhaltung eines bestimmten Befriedigungsgegenstandes versichert, und dieses Interesse ist mithin immer nur vorhanden, wenn die F o r d e r u n g i n f o l g e von G e f a h r e n der S e e s c h i f f a h r t zu entwerten droht (Molt 43). Die Versicherung nicht nur gegen Sachgefahren, sondern
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§ 1 gegen die Gefahr „der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners überhaupt", genauer: die Versicherung gegen alle Gefahren der Forderungsentwertung ist keine Seeversicherung, sondern reine Kreditversicherung (vgl. Molt 40; R G 47. 175: „allgemeine DelkredereVersicherung"). Anm. 122 83. Zu den hiernach versicherbaren Forderungen gehört auch die Forderung des Korrespondentreeders für Auslagen (Vorschußgelder), deren Deckung der Korrespondentreeder natürlich zunächst aus den Einnahmen des Schiffsbetriebs erwartet (ROHG 15. 115, HGZ 1889. 242). — Hat der Korrespondentreeder als solcher oder der Einzelreeder oder ein Vertreter im Namen der Reederei „Vorschußgelder in dem Schiffe" versichert, so ist freilich anzunehmen, daß er nicht eine Vorschußforderung hat versichern wollen, sondern die (mit den Vorschußgeldern bestrittenen) Ausrüstungskosten, genauer: die mit diesen Kosten angeschafften A u s r ü s t u n g s g e g e n s t ä n d e (§ 70 Anm.). Zur Versicherung solcher Gegenstände ist der Korrespondentreeder als solcher ermächtigt (HGB §493 Abs. 2). Würde insbesondere der Korrespondentreeder seine Vorschußforderung versichern, so würde er seinen Zweck nicht erreichen, weil, wenn der Versicherer ihn entschädigen würde, die Vorschußforderung gegen die Reederei auf den Versicherer übergehen würde (§ 110 Abs. 3; ROHG 15. 119). Der vom ROHG 15. 119 gebildete, vom R G 25.84 übernommene Kunstausdruck einer „ V e r s i c h e r u n g von V o r s c h u ß g e l d e r n nach ihrer passiven S e i t e " oder einer „ V e r s i c h e r u n g einer durch die Vorschüsse begründeten Schuld der Reederei" sollte vermieden werden. Schulden sucht man loszuwerden, nicht zu versichern. Solche mißlungenen Schlagworte können nur zu Mißverständnissen führen, wie demjenigen, dem HGZ 1889. 264 zum Opfer gefallen ist: „Ein Reeder könne nie etwas anderes versichern, als das Kasko und die Fracht"; dürfte er „auch seine Schuld unter Versicherung bringen, so . . . würde er bei eingetretenem Verlust des Schiffes eventuell außer dem von den Versicherern zu ersetzenden Wert des Kaskos und der Fracht auch noch die für die passive Seite der Vorschußforderung versicherte Summe erhalten, um damit dann die Schuld zu bezahlen, zu deren Bezahlung er sonst das Schiff u/o. die Fracht verwenden müßte" (vgl. dazu über das Verhältnis der Frachtversicherung zur Versicherung der Ausrüstungskosten: § 70 Anm.). Nicht als ob nicht auch eine Schuld ein versicherbares Interesse vermitteln oder, besser, den Anstoß zur Versicherung geben könnte. Der Reeder, der einen Vorschuß erhalten hat und ihn auf alle Fälle zurückzahlen muß, hat ein besonderes Interesse an der glücklichen Ankunft des Schiffes, weil ihm sonst der Gegenstand fehlt, aus dessen Nutzung er den Vorschuß zurückzahlen könnte. Aber man darf sich nicht darüber täuschen, daß ein solches Interesse nur dann besteht und versichert werden kann, wenn wahrscheinlich ist, daß der Vorschuß demnächst durch den in Aussicht stehenden Betriebsgewinn eingebracht wird, daß es sich mithin im Falle einer solchen Versicherung um nichts anderes als Chomageversicherung handelt, die, schon wegen ihrer besonderen Natur, als solche kenntlich gemacht werden muß (vgl. oben Anm. 57, auch K i s c h 3. 112: Versicherung eines „Sachverwertungsinteresses"). Anm. 123 84. Nach § 500 Abs. 2 HGB hat der Mitreeder, der für einen anderen, beitragspflichtigen, aber im Zahlungsverzug befindlichen Mitreeder in Vorschuß geht, deswegen „ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart" dieses anderen Mitreeders. Natürlich; denn in solchem Falle hat der Vorschußgeber regelmäßig nicht aus dem sonstigen Vermögen des zahlungsunwilligen Partners Deckung zu erwarten, sondern nur aus dem, was aus dem Schiffsbetrieb für die Part abfällt (Prot. 3721, ROHG 15. 116; vgl. insbesondere auch HGB §504 Abs. 3). Eine solche Vorschußforderung ist aus denselben Gründen auch dann versicherbar, wenn der Partner nicht im Zahlungsverzug ist (ROHG 15. 116, HGZ 1897. 67). — Der Mitreeder hat regel-
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mäßig keinen Anlaß, außer der Part des säumigen Mitreeders auch noch dessen A n t e i l § 1 an d e r F r a c h t zu versichern. Denn sein Interesse ist durch die Versicherung der Part gedeckt. Die Versicherung des Frachtanteils würde ihm nicht mehr verschaffen (vgl. BGB § 756, HGB § 504 Abs. 3). Sie würde Doppelversicherung sein. Im übrigen besteht an sich gegen die Versicherung des Frachtanteils kein Bedenken (Lewis 1. 82; vgl. auch R O H G 15. 162, wo die Versicherung des Frachtanteils nur vom Standpunkt des Reedereiverhältnisses aus betrachtet wird). § 500 HGB verbietet die Versicherung nicht. § 779 HGB gestattet sie sogar ausdrücklich. — Natürlich kann die Vorschußforderung nicht versichert werden, wenn die Part so belastet ist, daß sie keine Deckung gewährt ( S c h a p s - A b r a h a m I I 108 Anm. 6 zu §500 HGB, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 1 ADS). — Nicht minder selbstverständlich ist, daß die Versicherung der Vorschußforderung nicht als Kaskoversicherung genommen werden kann (abw. H G Z 1897. 67, — wohl irregeführt durch den Wortlaut des § 500 Abs. 2 HGB). 85. Der Gegenstand, der zur Deckung dient, muß auch zur Deckung geeignet Anm. sein. Das Gesetz bestimmt darüber nichts besonderes. Aber es versteht sich von selbst (Molt 60). Denn wenn kein Deckungsgegenstand oder soweit kein Deckungsgegenstand vorhanden ist, kann er keinen Schaden nehmen, kann kein Schaden entstehen, von Entschädigung keine Rede sein. Wenn 100000 Bodmereigelder für ein Schiff gegeben werden, das nur 80000 wert ist, so fehlt für 20000 das Interesse, ist deshalb hierfür auch die Versicherung unwirksam. Ebenso S i e v e k i n g 16, V o i g t 16, 643 und auch R G H G Z 1891. 254, das zwar ausdrücklich die Frage unentschieden, aber doch unter Hinweis auf die Unzulässigkeit erheblich übersetzter Taxen deutlich erkennen läßt, daß es „wesentliche Wertübersetzungen" für unstatthaft hält. Anders nur die auch sonst bedenkliche Entscheidung H G Z 1890. 303, die, im Anschluß an eine vereinzelte und nicht unwidersprochen gebliebene Meinungsäußerung in Prot. 3404, den „Beweis, daß das verbodmete Objekt von Anfang an weniger wert gewesen sei, als die Bodmereiforderung, nicht zulassen will, da sonst Handel und Verkehr nicht würden bestehen können, man solche Beweisführung auch für unstatthaft anzusehen gewohnt sei und namentlich die Assekuradeure gerade deshalb für die Versicherung von Bodmereigeldern größere Prämien zu berechnen pflegten, weil sie sich bewußt seien, daß sie auch die Gefahr mitzutragen hätten, daß die Bodmereiforderung größer als der ursprüngliche Wert des versicherten (rectius verbodmeten) Gegenstandes sei und der Eintritt eines Seeunfalls den Versicherten in eine bessere Lage bringe". § 1 1 0 Abs. 1 läßt hierüber (im Anschluß an A S V B § 28) keinen Zweifel. — Ganz läßt sich freilich auch hier nicht vermeiden, daß der Versicherungsnehmer sich unter Umständen besser steht, wenn die Reise unglücklich, als wenn sie glücklich verläuft (vgl. Vorb. I X vor § 1). Wenn 100000 Bodmereigelder für ein Schiff gegeben werden, das 100000 wert und wegen Alters und Abnutzung nach Beendigung der Reise nur noch 80000 wert ist, kann der Bodmereigläubiger aus dem Schiff nur 80000 erlangen. Geht das Schiff total verloren, so erhält er vom Versicherer 100000. Aber das ist gewollt, liegt am Grundsatz vom fixen Versicherungswert und hat hiermit wiederum darin seinen Grund, daß „die Sätze des Seeversicherungsrechts auf eine praktische, für den Großverkehr geeignete Handhabung gemünzt sind und häufig auf eine glatte Erledigung der Schadensfälle mehr Rücksicht nehmen, als auf absolute Korrektheit" (RG 77. 307). — Deckungsgegenstand kann auch die F r a c h t , die Frachtforderung sein. Ist sie noch zur Deckung geeignet, wenn sie v o r a u s b e z a h l t ist? Wenn auf ein Schiff im Werte von 80000 und vorausbezahlte Fracht im Werte von 20000 ein Vorschuß von 100000 gegeben ist, kann der für 100000 versicherte Vorschußgeber, wenn Schiff und Fracht total verlorengehen, 100000 oder nur 80000 verlangen? Nach R G H G Z 1889. 245 (vgl. zu dieser Entscheidung auch § 107 Anm.) nur 80000. Denn aus 9
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§ 1 der Fracht habe der Vorschußgeber „niemals Befriedigung erwarten dürfen". Das ist eine Auffassung, die an der Oberfläche haftet. Wie der Verfrachter das Frachtinteresse nicht verloren hat und noch versichern kann (oben Anm. 76), kann der Vorschußgeber versichern. Die Frachtforderung ist zwar durch die Zahlung erloschen. A b e r das Interesse des Vorschußgebers daran, daß der Verfrachter die vorauserhaltene Fracht nicht zurückzahlen muß, ist ein gleichwertiger Ersatz für das durch die Frachtforderung vermittelte Interesse und wenigstens ein gleichartiger Ersatz, wenn der Vorschußgeber in der Frachtforderung pfandmäßige Deckung gehabt haben würde. Anders natürlich, wenn die Fracht endgültig vorausbezahlt, insbesondere subject to insurance endgültig vorausbezahlt ist. Sie ist dann nicht mehr den Gefahren der Seeschiifahrt ausgesetzt. Weder Verfrachter noch Vorschußgeber haben Interesse und Anlaß, sie zu versichern (näheres oben Anm. 77). Rückversicherung Anm. 125
86. Literatur. B a c h e OestRev 1906. 179, 1912. 55 (Voraussetzungen der Haftung des Rückversicherers), Nordisk FörsäkrTidskr 1922. 11 (Uber moderne Rückversicherung). B r u m m , Beiträge zur Rückversicherung, Diss. 1911. B u s c e m i , La Riassicurazione, 1938. B u c h e l m a n n , Handwörterbuch des Versicherungswesens 2. Bd. 1958. 1761 (Art. Rückversicherung). D e C o u r c y , Les deux sortes de reassurances, 1885, Qestions de droit mar. 4. 260 (La reassurance usw.). C r u c i g e r , Praxis der Rückversicherung, 1926. E h r e n b e r g , Die Rückversicherung, 1885, Das künftige Rückversicherungsrecht, 1908, D V f V W V e r ö f f 15, Z f V W 1918. 75, 2g2 (Die Provision bei der laufenden Rückversicherung), WallmannsZ 46. 983 (Über die Rückversicherung). E h r e n z w e i g , AssJB 1. 24 (Aphorismen zur Rückversicherung), AssJB 2. 75 (Der Rückversicherungsvertrag und seine Usancen), AssJB 7 II 172 (Vertragsrecht und RückversicherungsBetrieb), AssJB 17 II 157 (Die generelle obligatorische Excedenten-Rückversicherung usw.). E m m i n g h a u s H d W B der Staatswiss. 7. 164 (Rückversicherung). G a r o b b i o , Rückversicherung nach schweizerischem Recht, 1929. J. v. G i e r k e V S R II 370fr. G o l d i n g , The L a w and Practice of Reinsurance, 3. Aufl. 1954. H a g e n Z f V W 1920. 137 (Begriff und Grundlagen der Rückversicherung), Hdb. II 593fr. H a l l , Die deutsche Lebensrückversicherung (auch Z f V W 1914. 144). H a n z l i k , Die juristische Natur der Rückversicherung, Diss. 1911. H e n n e D V f V W V e r ö f f 31. 97 (Selbstbehalt und Rückversicherungsverhältnisse). H e r r m a n n s d o r f e r , Wesen und Behandlung der Rückversicherung, 2. Aufl. 1924, Z f V W 1933. 14 (Rechtsprobleme der Rückversicherung). H o u g e n I T V M i t t 1921. 109 (Verpflichtung des Rückversicherers zur Schadenszahlung bei Kulanzregelung durch den Erstversicherer). J a h n , Studien über Rückversicherung und deren Statistik, 1912 (auch Z f V W 1912, 546, 803). J o s e f AssJB 37. 3 (Die Rückversicherung nach deutschem Recht). K i s c h Z f V W 1918. 144 (Die Provision bei der laufenden Rückversicherung). K l e e b e r g AssJB 34 II 151 (Die wirtschaftliche Natur der Rückversicherung). K u l l n i c k , Der Maximalkontrolleur bei der Seeversicherung, 1918. K ü b e l Z f V R 2. 96 (Rückversicherung). M o l d e n h a u e r D V f V W V e r ö f f 2. 272, 281. D e M o r i , Le Contrat de Reassurance, 1936. O b e r m a y e r , Die Rückversicherung, 1912. O . O b e r m a y e r , Haftpflichtversicherung und Rückversicherung, Veröffentlichungen des Vereins für Versicherungswissenschaft, Heft 64, 1939. P e r s i c o , L a Riassicurazione, 1926. PI a ß , Die Besonderheiten der Rückversicherung in den einzelnen Versicherungszweigen, Diss. 1910, OestRev 1 9 1 1 . 5 9 (Rückversicherung und Mitversicherung). P r ö l ß Anm. 3 — 5 zu § 186 V V G , Z H R 109. 113 (Rechtsgrundlagen des Rückversicherungsvertrages), Z H R 113. 195 (Tatsachen und Bemerkungen zum Begriff des Rückversicherungsvertrages), H a n s R G Z 1942 A 49 (Selbstbehalt und
Rückversicherung
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Gefahranzeige in der laufenden Rückversicherung), Zwischenstaatliches Rückver- § 1 sicherungsrecht, 1942 (Uberseestudien Heft 18), J R P V 1941. 113 (Regreß des Rückversicherers), Grundlagen und Grundfragen des Rückversicherungsrechts, 1952 (Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Versicherungsfachwissen, N . F . 1), Ansichten der Rückversicherung (Ausgewählte Vorträge und Aufsätze), 1964. R a u Z f V W 1901. 298, 3gg, 1902.42 (Die Rückversicherung der Gegenwart; auch Diss. 1901). R e i l s t a b AssJB 2. 92 (Ein Risiko). R e m e , H a n s R G Z 1934 A 145 (Konditionsdifferenzen in der See-Rückversicherung). S c h a e f e r , Die Feuerrückversicherung, 1900. S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 11 zu § 1 A D S . R e i m e r S c h m i d t Z f V 1961. 273 (Bemerkungen zur Systematik des RückversicherungsVertrages). S m e d a l I T V M i t t 1921. 85 (Anspruch des Rück- und Mitversicherers auf Prämie im Falle des Nichteingangs beim Erstversicherer). S t i e f e l , Das Rückversicherungsrecht auf Grundlage der internationalen Rechtsprechung (11. Intern. Aktuarkongreß ·— 1937 — 1.501fr.) S t u t z , Die Rückversicherung im Transport-Versicherungsgeschäft, 1893, AssJB 18 II 168 (Anzeigeverpflichtung bei der fakultativen Rückversicherung). T h i e s i n g M i t t ö f f F V A 1911. 747 (Die Rückversicherung, ihre rechtliche Natur und ihre Bedeutung usw.). T h o m p s o n , Reinsurance, 3. Aufl. 1951. U l r i c h , Der Rückversicherungsvertrag in der Seeversicherung usw., 1884. V a l l e b o n a AssJB 10 II 131 (Die Rückversicherung, ihr Wesen usw.). D e V a l r o g e r Rev. Int. de droit mar. 8. 169 (Des reassurances d'abonnement). V i l l o t e Nature technique et juridique de la Reassurance (ο. J.). W a l t e r AssJB 14. 27 (Beiträge zur Auslegung von Feuerrückversicherungs-Verträgen). W e r n e b u r g AnnVers. 1916. 61, 70 (Juristische Natur der Rückversicherung), OestZ 1919. 136 (Rückversicherung und Fusion). a) Grund und Formen der Rückversicherung 87. Die wirtschaftliche Grundlage der Versicherung ist die Notwendigkeit der Anm. 126 Verteilung großer Risiken über möglichst viele Schultern. Das bei einem Versicherer versicherte Risiko wird durch ihn hindurch über die vielen bei ihm Versicherten verteilt. Alle diese Versicherten sind so am Geschäftsbetrieb des Versicherers beteiligt. Aber der Geschäftsbetrieb kann zu klein, das Risiko zu groß, die aus diesem Mißverhältnis sich für den Versicherer und die bei ihm Versicherten ergebende Last noch zu schwer sein. Das Mißverhältnis wird um so bedenklicher, je gleichartiger das „Aliment" des Versicherers, seine Bezugsquelle ist, die Quelle, aus der er seine Versicherungsgeschäfte schöpft, j e gleichartiger deshalb die „versicherten" Reisen und Transportmittel sind, und j e größer damit die Gefahr ist, daß die versicherten Interessen sich zusammenballen, zu viele auf einer Karte stehen, die Risiken sich häufen („kumulieren"; sog. Kumulbildung, die zu verhindern oder unschädlich zu machen, eine der vornehmsten Aufgaben der Assekuranztechnik ist; näheres über den „ K u m u l " : R a u Z f V W 1901. 407, S t u t z 1, 58). Der Versicherer müßte also gegebenenfalls das Risiko ablehnen, — dadurch würde sein Geschäftsbetrieb nicht größer. Oder er könnte nur einen Teil des Risikos übernehmen, — damit wäre der versicherungsuchenden Geschäftswelt nicht gedient (vgl. jedoch auch Vorb. V vor § 1 über Mitversicherung). Er könnte sich mit anderen Versicherern zum Zwecke gemeinschaftlicher Tragung des Risikos zu einer Gesellschaft verbinden, — zu solcher Verbindung und Bindung sind die anderen aber selten bereit oder doch nur dann, wenn die gewöhnlichen Mittel der Assekuranztechnik versagen, wie ζ. B. bei der Valorenversicherung (vgl. unten Anm. 142 u. § 80 Anm.). Er verbindet deshalb die anderen sich und sich den anderen anders. Er schließt einen zweiten V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g m i t u m g e k e h r t e n R o l l e n . Er nimmt Rückversicherung. — Alteste bekannte Rückversicherung: 1370 ( B e n s a 200). Uber 9»
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§ 1 die geschichtliche Entwicklung der hamburgischen Rückversicherung: K i e ß e l b a c h 73. 88> 9°. I I 1 · 127 88. Die Rückversicherung ist also ihrer wirtschaftlichen Bestimmung nach nicht dazu da, die Risiken vollständig von einem Versicherer auf den anderen überzuwälzen. Wenigstens ihrer vornehmsten Bestimmung nach nicht. Die Rückversicherung kann natürlich auch dazu gebraucht werden, das versicherte Risiko v o l l s t ä n d i g auf einen anderen zu übertragen. Der Versicherer kann ein berechtigtes Interesse daran haben, sich aus der versicherten Unternehmung ganz herauszuziehen und zu diesem Zwecke sein ganzes durch die Versicherung begründetes Interesse, wenn nötig selbst zu einer höheren, als der von ihm eingenommenen Prämie, rückzudecken ( R ü c k v e r s i c h e r u n g zu s p e k u l a t i v e r Prämie). Die Rückversicherung kann zu solcher vollständigen Abwälzung auch mißbraucht werden. Der Versicherer kann ohne versicherungstechnischen Grund seine ganzen Interessen zu billigerer Prämie rückdecken und das Versicherungsgeschäft damit zu einem bloßen P r ä m i e n - D i f f e r e n z g e s c h ä f t machen (vgl. E h r e n b e r g R V 165, R a u ZfVW 1901. 409). In England war das PrämienDifferenzgeschäft um die Mitte des 18. Jahrhunderts so eingerissen, daß man die Rückversicherung 1745 überhaupt verbot (Arnould 341 s. 374, R a u ZfVW 1901. 409, vgl. auch ZHR 9. 134, 12 Beil. 39, Z f V R 1. 200). Das Verbot wurde erst 1864 aufgehoben; vgl. jetzt MIA § g. — Der Regel nach wird, dem Rückversicherungszweck gemäß, nur so viel abgegeben, daß dem Vorversicherer ein gewisser Teil des Risikos verbleibt, — das sog. M a x i m u m oder Plein, der Höchstbetrag, zu dem nach den in „Maximaltabellen" (tableaux de plein) niedergelegten Erfahrungsgrundsätzen der Vorversicherer das Risiko zu behalten pflegt (oder auch: der Rückversicherer das Risiko zu übernehmen pflegt). 128 89. Die Einzel-Rückversicherung (reassurance particuli£re) ist heute verhältnismäßig selten (vgl. aber auch unten Anm. 132). Bei der großen Menge der rückversicherungs-bedürftigen Risiken lohnt die Einzel-Rückversicherung nicht. Überdies muß der Vorversicherer regelmäßig schon beim Abschluß des Vorversicherungs-Vertrags der Rückdeckung gewiß sein. Schließlich kann er auch regelmäßig nicht sofort übersehen, mit welchen Summen er bei einem Unternehmen (ζ. B. der Reise eines Schiffes mit Stückgütern) beteiligt ist. Die laufende Rückversicherung ist deshalb die Regel. Einzel-Rückversicherung wird insbesondere für die in laufenden RückversicherungsVerträgen ausgeschlossenen Risiken genommen (etwa für überfällige Schiffe, die oft auch zu spekulativer Prämie „rückversichert" werden). Oder für den sog. Superexzedenten, d. h. den Exzedenten, der über das Maximum des Vorversicherers und die durch laufende Rückversicherungs-Verträge gedeckten Exzedenten hinausragt. 129 90. Die laufende Rückversicherung zeigt die mannigfachsten Formen und Begrenzungen (näheres: Stutz 37, Prölß Anm. 3 zu § 186 V V G , auch H e r r m a n n s d o r f e r 4, de V a l r o g e r Rev. Int. de droit mar. 8. 619). Von besonderer Bedeutung sind: 130 a) Die laufende Exzedenten-Rückversicherung (traite d'excedent oder de trop plein; zuerst in der Feuerversicherung Mitte des 19. Jahrhunderts: K i e ß e l b a c h 74). Zunächst wird für die im Rückversicherungs-Vertrag bezeichneten Versicherungen ein erster Betrag bestimmt, an dem der Rückversicherer nicht beteiligt ist (Priorität), demnächst ein zweiter Betrag, mit dem der Rückversicherer beteiligt wird, ein Betrag, der also die Priorität übersteigt (daher Exzedent), und der gleichzeitig in der Regel die Höchstgrenze angibt, bis zu welcher der Rückversicherer haftet (vgl. auch ROHG 5. 166 und hierzu E h r e n b e r g R V R 33, R a u ZfVW 1901.404). Wird bei der einzelnen Versicherung das Maximum nicht überschritten, so ist der Rückversicherer nicht beteiligt. — Wird das Maximum überschritten, so ist die Rück-
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Versicherung eine gewöhnliche Unterversicherung. Der Rückversicherer haftet also § 1 verhältnismäßig, nicht etwa nur, wenn, dann aber auch soweit der Schaden das Maximum überschreitet. — Anders bei der sogenannten S c h a d e η s e χ ζ e d e η t e η - R ü c k ν e r s i c h e r u n g . Der Rückversicherer trägt nur den Schadensexzedenten, diesen aber ganz. Die Schadensexzedenten-Rückversicherung ist aber in der Transport-Rückversicherung nicht üblich (näheres H e r r m a n n s d o r f e r 12 usw.). Der Rückversicherer kann auch in anderer Weise am Exzedenten beteiligt werden. Er kann (nicht sowohl mit einem bestimmten Exzedentenbetrag, als vielmehr) mit der Q u o t e e i n e s E x z e d e n t e n beteiligt sein. Er erhält an den im RückversicherungsVertrag bestimmten Exzedenten einen verhältnismäßigen Anteil (ζ. B. 1 0 % ; Beispielfälle bei v. L i e b i g 142, S t u t z 84). Die Exzedenten sind regelmäßig durch die in der Maximaltabelle verzeichneten Maxima begrenzt. Wenn der Vorversicherer ζ. B. aus den im Rückversicherungs-Vertrag bestimmten Vorversicherungen Versicherungssummen von 1000000 erhält, behält er die ersten 100000 und deklariert auf zehn mit Rückversicherern geschlossene und durch Maxima von 100000 begrenzte Rückversicherungs-Verträge je 1 0 % des Restes, also goooo. M a n hat diese Verträge in der Literatur Quotenexzedentenverträge genannt ( P l a s s Besonderheiten 16, R a u Z f V W 1901. 404). In der Praxis wird diese Bezeichnung jedoch für eine Verbindung des Quotenvertrags und des Exzedentenvertrags gebraucht ( H e r r m a n n s d o r f e r 10, vgl. auch P r ö l ß Anm. 3 Α zu § 186 V V G ) . Vgl. Anm. 131. Als die Risiken immer größer wurden, reichten die Maxima der Rückversicherer oft nicht aus, entstanden immer häufiger die Maxima übersteigende Beträge, Superexzedenten. So kamen die S u p e r e x z e d e n t e n - R ü c k v e r s i c h e r u n g s v e r t r ä g e auf. Wenn der Vorversicherer ζ. B. aus den in den Rückversicherungs-Verträgen bestimmten Vorversicherungen Versicherungssummen von 2000000 erhält, behält er die ersten 100000, deklariert auf die erste Gruppe von Rückversicherungen je 1 0 % von 1000000, also je 100000 (das Maximum) und deklariert auf die zweite Gruppe von Rückversicherungen j e 1 0 % des Restes von 900000, also je 90000. Aber auch die Versicherung des Superexzedenten versagt oft, weil auch dieser Exzedent natürlich begrenzt ist. Überdies erfordert das ExzedentenversicherungsVerhältnis zu umfangreiche und kostspielige Verwaltungskontrollen. Diese Nachteile werden durch den Vorteil nicht aufgewogen, daß der Vorversicherer alle Risiken allein läuft, die noch in sein Geschäft hineinpassen, von dem Gewinn, den diese Risiken ihm lassen, also an den Rückversicherer nichts abzugeben braucht. Deshalb wird die laufende Exzedenten-Rückversicherung mehr und mehr verdrängt durch: b) Die Quoten-Rückversicherung (traite de partage). Der Rückversicherer Anm. 131 erhält von allen im Rückversicherungs-Vertrag bestimmten Versicherungen einen verhältnismäßigen Anteil, eine Quote. Zwar pflegen auch diese Verträge Maxima zu bestimmen; doch wird gleichzeitig vereinbart, daß bei unvorhersehbaren Uberschreitungen des Maximums der Rückversicherer auch über das Maximum hinaus haftet. Die Quotenversicherung kann auch mit der Exzedentenversicherung verbunden werden ( Q u o t e n - E x z e d e n t e n - V e r t r a g ) . Der Rückversicherer erhält, wie beim gewöhnlichen Quotenvertrag, eine Quote und beteiligt sich außerdem an der für den Vorversicherer verbleibenden und für diesen noch zu großen Quote mit einem Exzedenten. 91. Wie die laufende Versicherung überhaupt (§ 97 Anm.), so kann auch die Anm. 132 laufende Rückversicherung fakultativ (freibleibend) genommen werden. Sie kann für den R ü c k v e r s i c h e r t e n f a k u l t a t i v , für den R ü c k v e r s i c h e r e r o b l i g a t o r i s c h sein (sei es so, daß sie für den Rückversicherten unbeschränkt fakultativ ist, sei es so, daß der Rückversicherte zwar frei ist, aber, wenn er rückversichern will, die Ver-
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§ 1 Sicherung dem Vertragsfreunde überweisen muß); sie kommt in dieser Form nicht mehr häufig vor, die Rückversicherer haben ein Haar darin gefunden (vgl. auch das fakultative Angebot bei K u l i n i c k 22). Sie kann für den R ü c k v e r s i c h e r e r f a k u l t a t i v , für den R ü c k v e r s i c h e r t e n o b l i g a t o r i s c h sein; aber das kommt natürlich sehr selten vor, weil dem Rückversicherten dabei gerade die Sicherheit fehlt, die er durch die Rückversicherung erlangen möchte (vgl. hierzu H e r r m a n n s d o r f e r 57, M o l d e n h a u e r Z f V R 1901. 33). Sie kann schließlich f ü r b e i d e , Rückversicherer und Rückversicherten, fakultativ sein. Mit einem solchen beiderseits fakultativen Rückversicherungs-Vertrag hatte es R G 55. 87 zu tun. Mit dem R G kann man solchen Vertrag einen V o r v e r t r a g nennen (abw. H e r r m a n n s d o r f e r 64). Denn er geht dem eigentlichen Rückversicherungs-Vertrag voraus, der erst durch Angebot und Annahme der Vorversicherung geschlossen wird. Und er ist auch ein „Vertrag" (abw. H e r r m a n n s d o r f e r 65), bezeichnet sich mit Recht als solchen und wird als solcher empfunden. Zwar braucht weder der Rückversicherte anzubieten noch der Rückversicherer anzunehmen. Insbesondere wird man nicht annehmen dürfen, daß, da die Parteien doch immerhin einen Vertrag geschlossen haben, sie einander nach Treu und Glauben verpflichtet sind, anzubieten und anzunehmen, soweit nicht berechtigte Interessen sie davon abhalten, also einander verpflichtet sind, den „Vertrag" nicht völlig leer laufen zu lassen. Aber der Rückversicherer ist jedenfalls insofern gebunden, als er auf Angebote des Rückversicherten, die in den Rahmen des Rückversicherungs-Vertrags fallen, innerhalb der regelmäßig besonders vereinbarten Frist oder, mangels einer Vereinbarung hierüber, unverzüglich a n t w o r t e n m u ß , wenn nicht das Angebot als angenommen gelten soll (vgl. auch § 97 Anm., auch H G B § 362). — Der Rückversicherungs-Vertrag, der auf Grund eines solchen beiderseits fakultativen Vertrags geschlossen wird, ist natürlich wie eine gewöhnliche Einzel-Rückversicherung zu behandeln. Anders, wenn der laufende Rückversicherungs - Vertrag zwar für den Rückversicherten fakultativ, für d e n R ü c k v e r s i c h e r e r dagegen o b l i g a t o r i s c h ist. Dann gelten nach der Verkehrssitte die Grundsätze, denen § 102 für den Fall Ausdruck gibt, daß der laufend Gewinnversicherte einen höheren als den im Vertrage bestimmten Gewinn deklarieren darf: Der Rückversicherer ist frei, wenn der Rückversicherte bei der Deklaration weiß oder wissen muß, daß die Reise einen ungünstigen Verlauf genommen hat (näheres: § 5 Anm. 44). Anm. 133
92. Der Rückversicherer kann seinerseits Rückversicherung, der zweite Rückversicherer weitere Rückversicherung nehmen (Retrozession). Anm. 134 93. Unternehmungen, die ausschließlich Rückversicherung betreiben, bedürfen (mit Ausnahme der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit) k e i n e r Z u l a s s u n g und werden n i c h t b e a u f s i c h t i g t (§ 148 V A G ; vgl. jedoch die auf Grund des § 148 Abs. 1 Satz 2 ergangene V O über die Beaufsichtigung inländischer privater Rückversicherungsunternehmungen vom 2. Dezember 1931 (RGBl. I 636), aus welcher sich ergibt, inwieweit eine RückversicherungsAG, die nach ihrer Satzung und ihrem tatsächlichen Geschäftsgebaren ausschließlich Rückversicherung betreibt und Geschäfte in Zweigen übernimmt, die als Erstversicherung aufsichtspflichtig sind, dem V A G untersteht). Anm. 135 94- Nach § 186 V V G sollen die V o r s c h r i f t e n des V V G auf die Rückversicherung k e i n e A n w e n d u n g finden. Die Vorschrift hat für die See-Rückversicherung keine Bedeutung. Denn die See-Rückversicherung ist „Seeversicherung" (HGB §§ 778, 779, H e r r m a n n s d o r f e r 1, 25, H G Z 1918. 179). Und auf die Seeversicherung finden ohnehin die Vorschriften des V V G keine Anwendung ( V V G § 186; irrig: H a g e n Z f V W 1920. 1 4 1 ; vgl. auch unten Anm. 136).
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b) Begriff der Rückversicherung 9 5 . Rückversicherung ist „Versicherung der von dem Versicherer übernommenen § 1 Gefahr" (HGB § 7 7 9 Abs. 1). Sie ist die Versicherung des für den Vorversicherer Anm. (auch Hauptversicherer, Erstversicherer, Direktversicherer, Originalversicherer, Zedent genannt, original insurer) 1 ) durch den Abschluß eines Versicherungsvertrags begründeten Interesses. The insurer under a contract of marine insurance has an insurable interest in his risk, and may re-insure in respect of it ( M I A § 9 Abs. 1). Insbesondere ist die See-Rückversicherung die Versicherung des durch die Vorversicherung vermittelten Interesses, das der Vorversicherer daran hat, daß Schiff oder Ladung die Gefahren der Seeschiffahrt besteht (HGB § 7 7 8 , A D S § 1 Abs. 1, H a n s O L G H G Z 1 9 2 7 Nr. 6 5 = H R Z 1 9 2 7 . 5 2 7 = J R P V 1 9 2 7 . 1 5 0 = Sasse Nr. 3 7 0 ) . Wie die Bodmereidarlehns-Versicherung die Versicherung des durch die Bodmereiforderung vermittelten Interesses des Bodmereigläubigers an der glücklichen Ankunft von Schiff und/oder Ladung ist (oben Anm. J 0 6 ) , so ist die See-Rückversicherung die Versicherung des durch die bedingte Versicherungsschuld des Vorversicherers vermittelten Interesses an der glücklichen Ankunft von Schiff oder Ladung. Die See-Rückversicherung ist also gleich jeder anderen Seeversicherung eine Versicherung, die „sich auf das Schiff oder auf die Güter bezieht" (vgl. §§ 3 5 , 7 9 , 9 9 usw.). The thing which the reassured insures is the thing originally insured. In this thing he has an insurable interest to the extent of the liability which he may incur under and by reason of his original contract of insurance ( A r n o u l d 3 4 2 s. 3 7 5 ) . Die V o r s c h r i f t e n ü b e r S e e v e r s i c h e r u n g finden daher ohne weiteres auch auf die See-Rückversicherung Anwendung ( E h r e n b e r g 2 . 1 9 , R V 4 9 , R V R 3 9 , P r ö l ß Z H R 1 0 9 . 1 1 4 für den 10. Abschnitt des HGB, H e r r m a n n s d o r f e r 2 5 f., Voigt 2 8 2 , D r o z 1. 1 7 2 , J. v. G i e r k e V S R II 3 7 2 , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 11 zu § 1 A D S , H G Z 1 9 1 8 . 1 7 9 : „eine besondere Art des Seeversicherungs-Vertrags"; irrig G e r h a r d 4 und H a g e n Z f V W 1 9 2 0 . 1 4 1 , 1 5 0 , die annehmen, daß es an gesetzlichen Vorschriften über die Rückversicherung vollständig fehle, und übersehen, daß die §§ 7 7 8 f r . H G B auch die See-Rückversicherung regeln; vgl. auch § 8 6 4 Abs. 3 H G B ) . Sie finden unmittelbare oder nur mittelbare, sinngemäße, „entsprechende" Anwendung (vgl. insbesondere §§ 7 9 , 9 9 ) . Die Anwendung dieser Vorschriften muß daher auch überall zu angemessenen Ergebnissen führen (deshalb unrichtig E h r e n b e r g R V R 3 9 Anm. 1). Freilich darf man dabei nicht vergessen, daß die Rückversicherung, gleich vielen anderen Arten der Seeversicherung, ihre Eigenheiten hat, daß sie, wie ζ. B. die Kaskoversicherung im Falle des § 7 8 , Haftpflichtversicherung ist und, wie jene, auch als solche behandelt werden will und muß (unten A n m . 1 4 5 , § 7 8 Anm.), — ähnlich, wie die Versicherung von Forderungen gegen Sachgefahren Kreditversicherung ist und diese Natur auch im Gewände der Seeversicherung nicht ganz verleugnen kann (oben Anm. 1 2 0 ) . — Übrigens gelten die A D S auch für das Rückversicherungs-Verhältnis n u r , w e n n sie v e r e i n b a r t sind (Vorb. vor § 1 Anm. 1 0 ) . Wenn aber der Vorversicherung die A D S zugrunde liegen, liegen sie regelmäßig auch der Rückversicherung zugrunde. Denn regelmäßig wird vereinbart, daß die Rückversicherung „ z u d e n B e d i n g u n g e n d e r O r i g i n a l p o l i c e valedieren" soll (vgl. Anm. 1 4 8 ; kritisch P r ö l ß Z H R 1 0 9 . 1 1 6 , J R P V 1 9 4 1 . 1 1 5 : nur Der Ausdruck „VorVersicherer" entspricht dem Ausdruck „ R ü c k v e r s i c h e r e r " . Er ist deshalb der faßlichste. Gegen den Ausdruck spricht nur der Umstand, daß auch der Rückversicherer im Verhältnis zum zweiten Rückversicherer (Retrozessionar) Vorversicherer ist. Aber das Verhältnis der zweiten Rückversicherung spielt in der Lehre eine untergeordnete Rolle. Überdies muß man sich bei der Behandlung der zweiten Rückversicherung ohnehin mit besonderen Ausdrücken (Retrozedent, Retrozession; erster, zweiter Rückversicherer usw.) behelfen.
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§ 1 entsprechende Anwendung). Diese Klausel bedeutet nicht nur, daß der Rückversicherer dem laufend Rückversicherten überläßt, zu den gewöhnlichen Bedingungen Versicherung zu geben, sondern auch, daß diese Bedingungen auch für das RückversicherungsVerhältnis maßgebend sein sollen, soweit nicht besonderes vereinbart ist. Und was diese Klausel bestimmt, muß nach der Verkehrssitte auch dann gelten, wenn die Klausel nicht besonders vereinbart, aber auch nichts abweichendes bedungen ist (vgl. E h r e n b e r g R V R 59, O A G Lübeck HambS 4. 190, H G Hamburg Ullrich Nr. 353, PreußALR I I 8. 2019, A r n o u l d 34a s. 375 und unten Anm. 149). Uber die Anwendung insbesondere des § 97 auflaufende Rückversicherungs-Verträge: § 97 Anm. Anm. 137 96. Die Rückversicherung ist echte Versicherung ( R G 153. 184, 162. 212, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 11 zu § 1 ADS, P r ö l ß Anm. 2 zu § 186 V V G und Z H R 109. Ii8f., J . v. G i e r k e V S R I I 370), keine Gesellschaft. Auch die laufende Rückversicherung, insbesondere die laufende Exzedentenversicherung und die laufende Quotenversicherung, ist es nicht (s. auch HansOLG H G Z 1927 Nr. 65 = H R Z 1937. 527 = J R P V 1927. 150 = Sasse Nr. 370). Auch dann nicht, wenn der Vorversicherer einen Teil des Risikos behalten muß. Seltsam genug, daß dies ausgesprochen werden muß. In der englischen Literatur und Rechtsprechung ζ. B. findet sich keine Spur der Auffassung, daß man es hier nicht mit einem Versicherungsverhältnis, sondern mit einem Gesellschaftsverhältnis (oder a u c h mit einem Gesellschaftsverhältnis) zu tun hat. Die französische Auffassung hat freilich geschwankt. Man betrachtete die Rückversicherung zunächst als Mandat, später, vereinzelt, auch wohl als Bürgschaft. Als der Exzedentenvertrag aufkam, glaubte man darin zunächst einen Gesellschaftsvertrag erblicken zu müssen. Man ist aber von dieser Auffassung bald wieder zurückgekommen (näheres: R i p e r t Nr. 2586, 2598, 26oif.; vgl. auch D r o z 1. 169, KassH Paris Z H R 21. 291, 22. 254). In Deutschland hat man zunächst nicht gezweifelt, daß die Rückversicherung ist, was sie sein will: Versicherung ( R O H G 5. 163, R O H G , O G u. H G Hamburg H G Z 1873. 371, 1874. 39, R G 4. 14, H G Z 1880. 203). Bis V o i g t 294 erklärte: „Die Exzedentenverträge seien überhaupt keine Versicherungsverträge und nach den über diese geltenden Prinzipien zu beurteilen; der sogenannte Exzedentenversicherer werde durch den Vertrag Teilhaber seines Mitkontrahenten bei dessen Versicherungsgeschäften, je nach der Verschiedenheit des Verabredeten bei allen oder bei gewissen Teilen derselben; er partizipiere für seinen Anteil unter gewissen, dem anderen Teile gemachten Zugeständnissen an dessen Gewinn und trage zu dessen etwaigem Verlust bei; den Charakter eines Versicherungsvertrags trage der Exzedentenvertrag in keiner Beziehung; wenn in den darüber vollzogenen Urkunden die Benennung „Rückversicherung" und „Rückversicherer" vorkomme, so sei dies eine ungenaue Bezeichnung und selbstverständlich folgenlos; möge man seinen Blick auf die den Versicherungsvertrag betreffenden Bestimmungen des H G B oder auf diejenigen der „Bedingungen" richten, so ergebe sich, daß sie unanwendbar seien auf das zwischen den Exzedentkontrahenten bestehende Rechtsverhältnis" (ähnlich freilich schon H i n r i c h s Z H R 20. 383 unter unzutreffender Berufung auf R O H G 5. 163; bedenklich auch bereits H G Z Beibl. 1881. 95: „Durch die Rückversicherung wolle der Erstversicherer sich einen Gesellschafter erwerben, der die übernommene Gefahr mit ihm teile"). Diese ebenso lebensunwahre wie unwissenschaftliche Betrachtungsweise hatte zunächst vollen Erfolg. R G 20. 42 erklärte. die Quoten-Exzedenten-Versicherung „nicht nur für ein sozietätsähnliches Verhältnis, sondern, da es eine auf einem Vertrag beruhende Vermögensgemeinschaft begründe, als eine wahre Sozietät" (ebenso H G Z 1888. 261: „wirkliche Sozietät", H G Z 1896. 280: „Gesellschaftsverhältnis", H G Z 1897.43: „Sozietät"). In der Folge läßt das R G freilich ab. Nach R G 38. 206 soll es sich nur noch um eine „Interessengemeinschaft, also eine Gesellschaft oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis" handeln, nach R G
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39. 199 nur noch um ein „ d e r Gesellschaft ähnliches Verhältnis" (ebenso übrigens auch § 1 schon R G 5. 120, auch H G Z 1894. 263). R G 55. 90 läßt die Frage dahingestellt (ebenso L G Hamburg A P V 1907 I I 72 und H a n s O L G H G Z 1927 Nr. 65 = H R Z 1927. 527 = J R P V 1927. 1 1 0 = Sasse Nr. 370). Dem R G folgend ζ. B. E h r e n z w e i g AssJB 7 I I 174, H a n z l i k 45, S i e v e k i n g 20. Schwankend E h r e n b e r g ( R V 37, R V R 1 3 , Z f V W 1903. 207); er räumt aber wenigstens für die See-Rückversicherung ein, das Gesetz habe „das Prinzip festgehalten, daß die Rückversicherung lediglich ein Versicherungsvertrag sei, und daß für die Rückversicherung dieselben Grundsätze wie für die betreffende direkte Versicherung gälten" ( R V R 39). Dagegen ζ. B. B a c h e (Nordisk FörsäkrTidskr 1922. 1 9 : „ n u r graue Theorie"), B r u s c h e t t i n i (AssJB 24. 95), H a g e n ( Z f V W 1 9 1 1 . 174, 1920. 1 4 3 : „ i n unvereinbarem Gegensatz nicht nur mit dem geschichtlichen und geschäftlichen Wesen der Rückversicherung, sondern auch mit den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts"), H a l l ( Z f V W 1 9 1 4 . 414), J o s e f (AssJB 37. 7), K o h l e r 504 („Verzerrung des Gesellschaftsbegriffs"), L e w i s , Versicherungsrecht 1 1 2 , M o l d e n h a u e r ( Z f V W 1901. 155), O b e r m a y e r 1 5 , 2 2 , R a u ( Z f V W 1901.405), W a l t e r (AssJB 14. 5 3 ) ; insbesondere M o l t 30, 73, auch L G Hamburg H G Z 1903. 6 3 ; sodann namentlich H e r r m a n n s d o r f e r 1 9 , 2 0 0 und dazu H j u l e r (Nordisk FörsäkrTidskr 1922. 1 7 0 ) : „ E s wäre das vernünftigste, anzunehmen, daß die Theorie der Rückversicherung . . . auf eigenen Beinen stehen kann, und einfach festzustellen, daß eine Rückversicherung eine Rückversicherung und nichts anderes ist, und daß infolgedessen zwischen den Parteien alle Rechtsregeln gelten, die man aus dem Charakter des Verhältnisses als einer Rückversicherung ableiten k a n n " . Siehe ferner R G 135. 184, 162. 244. Wer behauptet, daß Wort und Wille des Gesetzes oder des Vertrags sich nicht decken, muß es beweisen. Das ist der Behauptung, die Rückversicherung sei keine Versicherung, sondern Gesellschaft, so wenig gelungen, wie etwa der kaum weniger unbegründeten Behauptung, daß das Schiffsgläubigerrecht, das doch das Gesetz selbst ( H G B §§ 755, 756, 759) als Pfandrecht bezeichnet, gleichwohl kein Pfandrecht, sondern etwas anderes, ein selbständiges Aneignungsrecht (so B o y e n s 1. 188) oder ein gegen dritte wirksames Forderungsrecht (so E h r e n b e r g , Beschränkte Haftung 264, 434, Z H R 27. 322) sei (vgl. hierüber im einzelnen S c h a p s - A b r a h a m I I 1269 A n m . 4fr. zu § 754 H G B . ) Insbesondere ist von der Behauptung, daß „ d i e den Versicherungsvertrag be- Anm. treffenden Bestimmungen des H G B auf den Exzedentenvertrag unanwendbar seien", und daß andererseits „ d i e über Gesellschaftsverträge geltenden Prinzipien" sich zur Anwendung eigneten, eine Behauptung, die zu begründen man nicht einmal für nötig hält, so ziemlich das gerade Gegenteil richtig. Die V o r s c h r i f t e n ü b e r S e e v e r s i c h e r u n g sind ohne Ausnahme unentbehrlich und a n w e n d b a r . Sie haben nicht alle für die Exzedentenversicherung dieselbe Bedeutung, wie für die gewöhnliche Versicherung. Denn die Exzedentenversicherung ist Rückversicherung, also Haftpflichtversicherung, und sie ist regelmäßig laufende Versicherung. V o n geringer Bedeutung sind ζ. B. die Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht. Aber dies liegt nicht daran, daß diese Vorschriften nicht anwendbar sind oder auch nur entbehrt werden können. Es liegt nur daran, daß bei der laufenden Exzedentenversicherung regelmäßig weniger anzuzeigen ist, als bei einer gewöhnlichen Einzelversicherung, — ein Schicksal, das die laufende Exzedentenversicherung mit jeder laufenden Versicherung teilt (§ 19 Anm., § 97 Anm.). II y a dans le traite de reassurance une indetermination fatale de l'objet. Mais, dans toute police flottante, il en est de meme ( R i p e r t Nr. 2601). — Die Vorschriften über Seeversicherung sind auch nicht ohne jede Ausnahme unmittelbar, sondern in einzelnen Fällen nur sinngemäß anwendbar. So wird ζ. B. der Vorversicherer dem Rückversicherer den Schaden gemäß § 42 auch dann noch an-
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dienen können, wenn die Andienungsfrist zwar verstrichen, aber nur deshalb verstrichen ist, weil der Vorversicherte den Schaden so spät angedient hat, daß der Vorversicherer die Andienungsfrist nicht mehr hat einhalten können (nimmt man übrigens an, daß Rückversicherungs-Schaden erst entsteht, wenn der Vorversicherte den Entschädigungsanspruch geltendmacht, so ist auch § 42 unmittelbar anwendbar; näheres: § 42 Anm.). Aber die Notwendigkeit solcher nur sinngemäßen Anwendung liegt nur daran, daß die Vorschriften über Seeversicherung in erster Linie auf die Direktversicherung und auch insoweit wiederum in erster Linie auf die Direktversicherung des Schiffes und der L a d u n g zugeschnitten sind, nicht so sehr auf sonstige Versicherungen, die „sich auf Schiff oder Ladung beziehen", und zu denen auch die Rückversicherung gehört (oben Anm. 8, 136, § 79 Anm., § 99 Anm.).
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Andererseits sind die V o r s c h r i f t e n d e s G e s e l l s c h a f t s r e c h t s überwiegend besonders w e n i g zur Anwendung g e e i g n e t . Hier sind schon die Umstände bezeichnend, von denen die Auffassung, daß die Exzedentenversicherung eine Gesellschaft oder etwas „sozietätsähnliches" sei, ihren Ursprung genommen hat. In Frankreich les arrets qui ont admis l'idee de participation ont voulu simplement ecarter la prescription quinquennale de l'article 432 du Code de commerce ( R i p e r t Nr. 2 6 0 1 ; vgl. auch die franz. Entscheid. Z H R 2 1 . 2 9 1 , 22. 254). In Deutschland verdankt der Gedanke seine Entstehung dem Bestreben, dem Rückversicherer das Recht auf E i n s i c h t i n d i e G e s c h ä f t s b ü c h e r usw. des Vorversicherers zuzuerkennen ( E h r e n b e r g R V R 3, R G 20. 43). Das Versicherungsrecht schien hierfür keine Handhabe zu bieten. Die allgemeinen Grundsätze über die Gewährung von Einsicht in Urkunden (BGB § 810) schienen sich gleichfalls zu versagen (anders J o s e f AssJB 37. 32, H e r r m a n n s d o r f e r 277: analoge Anwendung des § 8 1 0 BGB). Das Gesellschaftsrecht schien willfähriger zu sein. Es versagt aber schon in diesem Punkte. Nach § 7 1 6 B G B kann der Gesellschafter sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anfertigen. Ein solches Kontrollrecht kann dem Rückversicherer natürlich nicht eingeräumt werden ( E h r e n b e r g R V R 42, H e r r m a n n s d o r f e r 274, M o l t 78). Deshalb ist auch schon R G 20. 45 an der Sozietätsähnlichkeit der Exzedentenversicherung gescheitert. Der Rückversicherer hatte nämlich mit der „wirklichen Sozietät" Ernst gemacht, die Einsicht in sämtliche Geschäftsbücher usw. des Vorversicherers und die Erlaubnis zur Anfertigung von Auszügen daraus verlangt und damit bei den Instanzgerichten der Hauptsache nach Erfolg gehabt. R G 20. 46 ist aber doch davor zurückgeschreckt, dem Vorversicherer „eine Durchmusterung und Kontrolle seines gesamten Seeversicherungsgeschäfts seitens des Rückversicherers" zuzumuten, hat die Sache zurückverwiesen und das O L G H a m b u r g vor die nicht leichte Aufgabe gestellt, „das Maß der Einsichtnahme" zu bestimmen. Näheres über das Kontrollrecht des Rückversicherers: § 43 Anm. 41 ff. Übrigens wird dem Versicherer (im Binnenland wenigstens) bei der laufenden Direktversicherung ein Kontrollrecht eingeräumt, das viel weiter geht, als das dem Rückversicherer zustehende (§ 97 Anm.). U n d doch hat noch niemand die laufende Direktversicherung als Gesellschaft angesprochen. — Ahnlich steht es mit den übrigen Vorschriften des Gesellschaftsrechts. Nach § 708 hat der Gesellschafter nur für die S o r g f a l t einzustehen, die er in seinen eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Davon kann bei der Rückversicherung keine R e d e sein. Auch der abwicklungsberechtigte Vorversicherer haftet für jede Sorgfalt (unten A n m . 156). Ihm kann auch das Abwicklungsrecht nicht nach § 7 1 2 B G B e n t z o g e n werden ( E h r e n b e r g R V R 1 1 , M o l t 77). Der Rückversicherer kann dem Vorversicherer nicht wie ein Gesellschafter nach § 7 1 3 B G B W e i s u n g e n erteilen (unten Anm. 158). Der Vorversicherer hat keine V e r t r e t u n g s m a c h t gemäß §§ 7 1 4 , 7 1 5 B G B .
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Die Ansprüche aus dem Rückversicherungsverhältnis sind nicht gemäß § 7 1 7 B G B § 1 u n ü b e r t r a g b a r . Ein „ G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n " gibt es nicht ( H e r r m a n n s d o r f e r 27), usw. (vgl. auch E h r e n b e r g Z f V W 1 9 1 6 . 385). Insbesondere sind Abwicklungsrecht und -pflicht des Vorversicherers weder aus dem Versicherungsrecht noch aus dem Gesellschaftsrecht zu erklären (abw. E h r e n b e r g R V R 38). Sie ergeben sich entweder ausdrücklich aus dem Inhalt des Rückversicherungs-Vertrags (wie sich Geschäftsführungsrecht und -pflicht des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben müssen). Oder sie ergeben sich, soweit sie nicht ohne weiteres eine Folge des Umstandes sind, daß a m Vorversicherungs-Vertrag nur der Vorversicherer beteiligt ist, aus der partiarischen Natur des auf Verteilung des Risikos gerichteten Rückversicherungs-Vertrags und aus der Verkehrssitte (unten Anm. 154). Die Rechtsprechung, in der sich die Auffassung von der Sozietäts- oder sozietäts- Anm. ähnlichen Natur des Rückversicherungs-Vertrags niedergeschlagen hat, bestätigt dies. H G Z 1897. 42 folgert aus der „Sozietätsnatur des Exzedentenvertrags", daß der Vorversicherer die Rückversicherungs-Prämie nicht zu zahlen habe, wenn er vom Vorversicherten keine Prämie erhalten habe. Die Entscheidung zeigt gut, zu welchen seltsamen Ergebnissen die Lehre von der „Sozietätsnatur" der Rückversicherung führt. Sie würde übrigens wohl kaum zu jenem Ergebnis gelangt sein, wenn nicht nach dem Rückversicherungs-Vertrag „ d e r Rückversicherer die ursprüngliche Prämie, . . . d. i. die reine Prämie, welche der Vorversicherer erhält", erhalten sollte (vgl. auch § 16 Anm. 30). — I m Falle H G Z 1892. 221 fehlte solche Vertragsbestimmung. I m Rückversicherungs-Vertrag war nur die Prämie bestimmt und ferner, daß „ f ü r die Rückversicherung im übrigen die Klauseln und Bedingungen der Originalversicherung gelten . . . und die auf der Originalversicherung getroffenen und ferner zu treffenden A b machungen und Vereinbarungen als maßgebend für diese Rückversicherung anerkannt'' werden sollten. Die Originalpolice enthielt die Stilliegeklausel, nach welcher der Versicherer im Falle des Stilliegens des versicherten Schiffes nur geringere Prämie erhält (Vorb. vor § 1 1 3 ) . Der Vorversicherer verlangte vom Rückversicherer auf Grund dieser Klausel Minderung der Rückversicherungs-Prämie. Ohne Erfolg! — H G Z 1903. 65 folgert aus der „Sozietätsnatur" des Exzedentenvertrags, daß der Vorversicherer im Versicherungsfall, „solange er nicht selbst gezahlt habe, nur anteilsmäßige Entfreiung von der Schuld von dem Rückversicherer fordern könne", also nicht Zahlung, — eine Auffassung, die im Versicherungsverkehr keine Spuren hinterlassen hat und deshalb auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit nicht untersucht zu werden braucht (vgl. auch R G 5. 1 1 6 , 55. 90). — K a m es schon einmal darauf an, so ist die Rechtsprechung auch ohne Bedenken zu den Grundsätzen des Versicherungsrechts zurückgekehrt, — wenngleich unter der falschen Flagge der „Sozietätsnatur" des Vertrags. Als der Rückversicherer eines Exzedenten „ f ü r 6000 Μ valedierend auf Weizen per Segler Robert Mackenzie" Versicherung nahm, hätte er sein durch den Gesellschaftsvertrag vermitteltes, also sein Gesellschaftsinteresse versichern müssen. E r nahm aber, in den Irrgängen der juristischen Konstruktion nicht zu Hause, nur „Rückversicherung" und hätte nun mit seiner Entschädigungsklage gegen den zweiten Rückversicherer abgewiesen werden müssen. Das ist ihm auch in der ersten Instanz widerfahren. Anders und richtig H G Z 1896. 280 mit der, freilich wenig einleuchtenden, Begründung: Z w a r sei das Exzedenten-Versicherungsverhältnis ein Gesellschaftsverhältnis, kein Rückversicherungs-Verhältnis; aber dadurch, „ d a ß das Interesse des Exzedentenversicherers eine Quotenbeteiligung sei, erhielten seine Beziehungen zum zweiten Rückversicherer nichts besonderes". Und als der zweite Rückversicherer sich darauf berief, daß zwar nicht dem Exzedentenversicherer, wohl aber seinem Vorversicherer bei der Schließung des Vertrags bekannt gewesen sei, daß der Versicherungsfall schon eingetreten gewesen
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§ 1 sei, hätte wiederum die Klage abgewiesen werden müssen, weil die Kenntnis des einen Gesellschafters dem anderen zuzurechnen ist, — was wiederum das L G Hamburg, der höchstrichterlichen Auffassung von der Sozietätsnatur der Exzedentenversicherung folgend, auch getan hat. Aber das O L G Hamburg ( H G Z 1896. 280) verleugnete diese Auffassung abermals, und zwar mit der Begründung: Der zweite Rückversicherer sei zu dem Sozius des Exzedentenversicherers, dem Vorversicherer, „auch nicht einmal in ein Vertragsverhältnis getreten, da der Rückversicherte nicht namens der Gesellschaft, sondern nur für sich, bezüglich seiner eigenen Quote mit ihm kontrahiert habe". Anm. 141 Schon auf diesem Wege hat sich ergeben, daß Rückversicherungs-Verträge, insbesondere laufende Exzedenten- und Quotenverträge, auch b e g r i f f l i c h keine Gesellschaftsverträge sein können. Gesellschafter „verpflichten sich gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten" (BGB § 705). Davon kann nun natürlich überhaupt keine Rede sein, wenn der Vorversicherer durch den Rückversicherungs-Vertrag sein ganzes Risiko auf den Rückversicherer abwälzt. Schon folgegemäß muß dasselbe gelten, wenn der Vorversicherer nur einen Teil des Risikos auf den Rückversicherer abwälzt. Außerdem kann es begrifflich keinen Unterschied machen, ob das ganze Risiko oder nur ein Teil des Risikos vom Rückversicher übernommen wird, und deshalb unmöglich in jenem Falle Versicherungsrecht, in diesem Falle Gesellschaftsrecht gelten ( O b e r m a y e r 1 1 ) . Es kann aber auch in dem (allerdings gewöhnlichen und der wirtschaftlichen Bedeutung der Rückversicherung entsprechenden) Falle der nur teilweisen Abwälzung des Risikos keine Rede davon sein, daß Vorund Rückversicherer einen „gemeinsamen" Zweck erreichen wollen. Gemeinsam ist ein Zweck, wenn der Zweck, den der eine Kontrahent verfolgt, auch der des anderen, der Zweck, den der andere Kontrahent verfolgt, auch der des einen ist (vgl. H e r r m a n n s d o r f e r 19, H o e n i g e r Gemischte Verträge 215). Daran fehlt es hier vollständig. Jeder verfolgt einen besonderen Zweck, der Vorversicherer den Zweck, seine Verlustaussichten zu vermindern, der Rückversicherer den Zweck, seine Gewinnaussichten zu vermehren. Insbesondere verfolgen sie nicht den Zweck, das Risiko der Vorversicherung gemeinsam zu tragen (so H a n z l i k 47, dagegen H e r r m a n n s d o r f e r 20). So wenig etwa, wie Vorversicherer und Vorversicherter den Zweck verfolgen, das Risiko gemeinsam zu tragen, wenn der Vorversicherte die Selbstbehaltspflicht hat. Jeder will und soll seinen Risikoanteil besonders tragen. Vor- und Rückversicherer verpflichten sich demgemäß auch nicht, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu fördern, insbesondere Beiträge zu leisten. Sonst würde, was sie zu leisten haben, Prämie und Entschädigung, zunächst Gesellschaftsvermögen werden, wovon natürlich keine Rede ist ( H e r r m a n n s d o r f e r 27f.). Die durch einen Rückversicherungs-Vertrag verbundenen Assekuradeure sind demgemäß auch weit davon entfernt, sich als „Sozien" (so H G Z 1896. 280), „socii" (so L G Hamburg H G Z 1888. 278 H G Z 1897.43) z u betrachten. Der Vorversicherer betrachtet den Rückversicherer als „lästigen Nebenbuhler", als „notwendiges Übel", dem er von seinem Verdienst abgeben muß ( H e r r m a n n s d o r f e r 2 1 , 24, E h r e n z w e i g AssJB 7 I I 172). Anm. 142
Natürlich k a n n die Rückversicherung auch in der Form der Gesellschaft betrieben werden. Solche Gesellschaften bilden ζ. B. die sogenannten Poolverhältnisse; durch die Poolverträge verpflichten die mehreren Direktversicherer sich einander oder einem Rückversicherer gegenüber zur Abgabe ihres ganzen direkten Geschäfts (näheres H e r r m a n n s d o r f e r 29,68,90 usw., v. L i e b i g 155, L u r i e , Begriff, Wesen und Rechtsnatur des Versicherungspools, 1934, F e h l m a n n , Versicherungspool, 1948, K i s c h , Die mehrfache Versicherung 2f., S ä n d i g , Versicherungspool, Diss. Leipzig 1927). Solche Gesellschaften sind auch die V a l o r e n - V e r s i c h e r u n g s - V e r b ä n d e (§ 80 Anm.) und
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die V e r e i n i g u n g e n z u r D e c k u n g des K o l l i s i o n s e x z e d e n t e n (§ 78 Anm.). § 1 Die Gründe, aus denen in diesen letzteren Fällen die Rückdeckung im gesellschaftlichen Zusammenschlüsse gesucht wird, sind ausschließlich assekuranztechnischer Art ( S t u t z 77). Auch die Tatsache solchen Zusammenschlusses beweist, daß die Assekuradeure sich des Unterschiedes zwischen der Rechtsfigur der Rückversicherung und derjenigen der Gesellschaft wohl bewußt sind, und daß man nicht berechtigt ist, die eine für die andere zu nehmen. 97. Die Rückversicherung ist Schadensversicherung ( E h r e n b e r g R V 9, Anm. 143 H a g e n Z f V W 1920. 159, H e r r m a n n s d o r f e r 33fr., 38, P r ö l ß Anm. 3 Β zu § 186 V V G , H G Z Beibl. 1881. 95, R G 153. 184, 164.244; vgl. V V G §§ 1, 186). Anders G e r h a r d 591: „Die reine Vertragsleistung, zu der sich ein Versicherungsnehmer verpflichte und die er seiner Verpflichtung gemäß dem Gegenkontrahenten gewähre, sei niemals ein Schaden, der nach § 1 V V G auf Grund eines Versicherungsvertrags einem Versicherer zur Last fallen könne" (wiederholt von H a g e n Gruchot 64. 530; ähnliche Gedankengänge schon in H G Z 1900. 245). Hiernach würde es auch etwa keine Schadensversicherung sein, wenn der die Reisegefahr tragende Käufer die Güter im Versicherungswert des Kaufpreises für den Kaufpreis versichert. Denn der Versicherer würde die „reine Vertragsleistung" zu ersetzen haben, den Kaufpreis, zu dessen Zahlung auch für den Fall des Untergangs der Güter der Käufer sich „verpflichtet und den er seiner Verpflichtung gemäß dem Gegenkontrahenten (seinem Verkäufer) gewährt". Vermögensschäden sind Nachteile, die, ohne Rücksicht auf ihre Ursache, das Vermögen treffen (näheres § 28 Anm.). Solcher Schaden kann mir auch dadurch entstehen, daß ich einen Vertrag erfüllen muß. Gegen solchen Schaden kann ich mich freilich im allgemeinen nicht versichern. Zwar nicht deshalb nicht, weil es kein Schaden ist. Sondern deshalb nicht, weil die Entstehung des Schadens gewiß ist, die Versicherung aber begrifflich nur gegen Gefahren, nur gegen die Möglichkeit der Entstehung von Schäden schützt (näheres: § 5 Anm. 6). Anders, wenn der Schaden nicht gewiß ist. Wenn der Käufer, der zwar gewiß den Kaufpreis zahlen muß, nur vielleicht die zum Ausgleich des gewissen Schadens dienende Kaufsache nicht erhält. Wenn der Bürge, dessen Haftung zwar gewiß ist, nur vielleicht auch zahlen muß (Begr. z. V V G §§ 149, 150). Wenn der Vorversicherer, dessen Haftung zwar auch gewiß ist, nur vielleicht auch den Vorversicherten entschädigen und dann, in diesem Falle, Hundert vom Hundert für eine Prämie von eins vom Hundert zahlen muß, also unzweifelhaft einen erheblichen Vermögensschaden erleidet. Daß der Bürge vom Hauptschuldner Ersatz verlangen kann, macht seine Zahlung ebensowenig zur „unreinen Vertragserfüllung" (wie G e r h a r d 591 meint), wie der Umstand, daß der Vorversicherer etwa vom schuldigen Gegensegler Ersatz verlangen kann, seine Entschädigung zur „unreinen Vertragserfüllung" macht und irgendetwas daran ändert, daß er Schaden erlitten hat. Gewiß ist freilich e i n Schaden, den der Vorversicherer erleidet. Die RückVersicherungsprämie hat er unwiederbringlich verloren. Deshalb kann er aber auch eben die RückVersicherungsprämie nicht mit versichern (oben Anm. 20, § 2 Anm. 25). Vgl. auch Begr. z. V V G § 186. 98. Haben Vor- und Rückversicherer auch keinen gemeinsamen Zweck, so haben Anm. 144 sie doch, wenn das Risiko geteilt ist, dasselbe Interesse und, wenn das Risiko geteilt bleiben soll, dasselbe, durch den Rückversicherungs-Vertrag gemeinsame Interesse, das Interesse daran, daß kein Versicherungsschaden entsteht. Besteht auch keine Gesellschaft, so besteht doch, wenn das Risiko geteilt bleiben soll, zwischen Vor- und Rückversicherer eine I n t e r e s s e n g e m e i n s c h a f t . Das gemeinschaftliche Interesse besteht am Schicksal der Vorversicherung. Die Vorversicherung ist ausschließlich ein Geschäft des Vorversicherers. Der Rückversicherer ist also an einem Geschäft des Vorversicherers unterbeteiligt, bei der laufenden Rückversicherung an einer großen Anzahl von Ge-
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Anm. 145
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Schäften, gegebenenfalls an einem ganzen Geschäftszweig des Vorversicherers. Das Verhältnis ist ein solches p a r t i a r i s c h e r Art ( H e r r m a n n s d o r f e r 44, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 1 zu § 1 A D S ; kritisch zu Herrmannsdorfer P r ö l ß Z H R 109. 1 1 9 f f ) , eines der Verhältnisse „rechtlicher Beteiligung eines anderen am Wirtschaftsprodukt, und zwar desjenigen, durch dessen Beihilfe die Herstellung dieses Produkts gelang" ( C r o m e Partiarische Rechtsgeschäfte 27). Nur mit Hilfe des Rückversicherers kann der Vorversicherer Versicherungen geben, die sein M a x i m u m übersteigen. Durch Rückprämie und Rückentschädigung nimmt der Rückversicherer an Einnahmen und Ausgaben und damit am Schicksal der Geschäfte des Vorversicherers teil ( H e r r m a n n s d o r f e r 44). Erst aus der partiarischen Natur der auf Teilung des Risikos angelegten Rückversicherung erklären sich zwanglos Erscheinungen, die sich sonst nicht haben erklären lassen wollen, namentlich das besondere Recht des Rückversicherers auf Einsicht in Bücher und Papiere des Vorversicherers (oben Anm. 1 3 9 ; näheres § 43 Anm.). Diese partiarische Natur fehlt, wie der auf Abwälzung des ganzen Risikos gerichteten Rückversicherung, so auch der Direktversicherung. Aber sie kann, wenngleich in einer etwas anderen Form, sich auch mit der Direktversicherung verbinden; so, wenn der Direktversicherte (was bei der See-Kaskoversicherung vorkommt und bei der BinnenKaskoversicherung üblich ist) zum Selbstbehalt verpflichtet ist (vgl. § 8 A n m . 6).
99. Die Rückversicherung ist eine Spielart der Haftpflichtversicherung (Begr. z. V V G § 186, E h r e n b e r g 70, R V 6, 108, R V R 9, H e r r m a n n s d o r f e r 38, J . v. G i e r k e V R S I I 3 7 1 , K o h l e r 4 1 1 . 502 u. a. m . ; abw. G e o r g i i Haftpflichtvers. 43, G e r h a r d 5 1 9 , Z f V W 1905. 194, H a g e n Z f V W 1 9 1 1 . 174, 1920. 145). Wer freilich, wie Gerhard 591 (oben Anm. 143), bestreitet, daß die Rückversicherung Schadensversicherung ist, muß auch bestreiten, daß die Rückversicherung Haftpflichtversicherung ist. A n m . 146 Haftpflichtversicherung ist die „Versicherung gegen den Vermögensschaden, welcher dem Versicherungsnehmer dadurch erwächst, daß er kraft gesetzlicher Vorschrift oder auf Grund eines Vertrags einem dritten haftpflichtig w i r d " (Begr. z. V V G § 149). Der Rückversicherer hat dem Vorversicherer den Vermögensschaden zu ersetzen, welcher dem Vorversicherer dadurch erwächst, daß er auf Grund des VorversicherungsVertrags dem Vorversicherten haftpflichtig wird. Nach § 149 V V G freilich hat der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser „ a u f Grund seiner Verantwortlichkeit" für eine gewisse Tatsache an einen dritten zu bewirken hat. Das Gesetz soll durch den Ausdruck „Verantwortlichkeit" zu erkennen geben, daß die „reine Vertragsleistung" kein Schaden, die Rückversicherung also keine Schadensversicherung und mithin auch keine Haftpflichtversicherung sei (so G e o r g i i Haftpflicht vers. 43, G e r h a r d 5 9 1 , Z f V W 1905. 194). Das gemeinbürgerliche Recht verbindet allerdings mit dem Ausdruck „Verantwortlichkeit" im allgemeinen den Begriff der Haftbarkeit außerhalb eines Vertragsverhältnisses (vgl. B G B §§ 827 fr.). Aber gewiß ist, daß der Ausdruck im § 149 V V G in diesem engeren Sinne nicht zu verstehen ist und von niemandem verstanden wird. Das typenabgrenzende, die Haftpflichtversicherung von anderen Schadensversicherungs -Arten scheidende Merkmal ist nur der eigenartige Inhalt des Leistungsversprechens, des Versprechens, zu ersetzen, was der Versicherte einem dritten ersetzen muß. O b der Versicherte auf Grund eines Vertrags- oder auf Grund eines anderen Schuldverhältnisses, ob er Schaden ersetzen oder eine andere Leistung bewirken muß, gilt gleich. Gleichgültig ist auch, ob der Haftpflichtversicherer sich verpflichtet, die ganze Leistung zu ersetzen oder nur einen Teil, ob sich in dieser Leistung die ganze Leistungspflicht des Versicherten erschöpft, oder ob der Versicherte daneben noch anderes zu leisten hat, was den Versicherer nicht angeht. Das rührt alles nicht „ a n den innersten K e r n des Versicherungsgedankens" (wie H a g e n Z f V W 1920. 145 meint), nicht an den Inhalt, sondern nur an den für
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die Typenabgrenzung belanglosen Umfang des Leistungsversprechens. O b der Ver- § 1 sicherer übernimmt, allen Schaden zu ersetzen, den der Anwalt bei Ausübung des Anwaltsberufs erleidet, den der Verfrachter den Befrachtern zu ersetzen hat, oder allen Schaden, den der Tierhalter oder der Kraftwagenbesitzer als solcher ersetzen muß, oder den Schaden, den der Vorversicherer nur auf Grund eines bestimmten Versicherungsverhältnisses ersetzen muß, ist zwar für den Umfang, nicht aber für den Inhalt und das Wesen des Leistungsversprechens und damit des Rechtsverhältnisses von Bedeutung. Die Behauptung, daß „bei der Rückversicherung der Rückversicherer in die reine, grundsätzliche Vertragsverbindlichkeit des Versicherers eintrete", ist ebenso unrichtig, wie die, daß bei der Haftpflichtversicherung „ein zufälliger, entweder von einem Vertragsverhältnis ganz unabhängiger oder aus einem solchen nur nebenbei wider die Absicht der Beteiligten entspringender Schade in Frage stehe'' und daß hierin „der grundlegende Unterschied" zwischen der Rückversicherung und der Haftpflichtversicherung zu erblicken sei (so H a g e n Z f V W 1920. 145). Denn der Rückversicherer tritt so wenig, wie irgend ein anderer Versicherer, in eine „Vertragsverbindlichkeit", insbesondere nicht in die Verbindlichkeit aus dem Vorversicherungs-Vertrag ein. „Wider die Absicht der Beteiligten entspringt" der Schaden auch, wenn der Rückversicherungs-Fall eintritt. Und das Wort „nebenher" — so nebenbei und ohne ein Wort der Begründung eingeflochten — entbehrt jeder Daseinsberechtigung. Auch im Falle der Haftpflichtversicherung des Bürgen steht kein „nur nebenbei entspringender Schade" in Frage, und doch wird niemand bezweifeln, daß solche Versicherung Haftpflichtversicherung ist (Begr. V V G § 149). Nichtsdestoweniger finden die V o r s c h r i f t e n des V V G ü b e r H a f t p f l i c h t v e r - Anm. 147 S i c h e r u n g k e i n e u n m i t t e l b a r e A n w e n d u n g . Denn die See-Rückversicherung steht sowohl als Seeversicherung wie als Rückversicherung außerhalb des V V G ( V V G § 1 8 6 ; oben Anm. 135). Dagegen ist die analoge Anwendung von Haftpflichtversicherungs-Regeln überall zulässig, wo diese Regeln nicht auf der positiven Auswahl unter mehreren möglichen Regelungen beruhen, sondern sich aus der Interessenlage ergeben, und das Seeversicherungs-Recht Lücken enthält (ähnlich E h r e n b e r g R V R 11, K o h l e r 503). Solche, so ausfüllbare Lücken sind freilich kaum vorhanden. Denn die Seeversicherungs-Regeln eignen sich im allgemeinen auch für die See-Rückversicherung (näheres: Anm. zu den einzelnen Paragraphen der A D S ) . Andererseits bilden die Vorschriften des V V G über die Haftpflichtversicherung meist positive und deshalb unübertragbare oder aber mit den Vorschriften des Seeversicherungs-Rechts in Widerspruch stehende und aus diesem Grunde unanwendbare Rechtssätze. Insbesondere ergibt sich aus der Natur der Rückversicherung als einer Haftpflichtversicherung nicht etwa, daß der Rückversicherer nur zu ersetzen hat, was der Vorversicherer dem Vorversicherten zu ersetzen und tatsächlich ersetzt hat, oder daß er den Vorversicherer nur von der Entschädigungspflicht zu befreien hat ( E h r e n b e r g R V 120, H e r r m a n n s d o r f e r 324, R G 5. 119, 55. 90, H G Z Beibl. 1881. 95, H G Z 1903. 65, L G Hamburg H G Z 1903. 62). Auch der gewöhnliche Haftpflichtversicherer hat den Schaden in Geld zu ersetzen ( V V G § 49), wenn der Versicherungsfall (d. h. hier: das die Leistungspflicht des Versicherers auslösende Ereignis: § 5 Anm. 30) eingetreten ist. Der Versicherungsfall (d. h. hier: das die Leistungspflicht des Versicherers auslösende Ereignis) ist aber nicht schon eingetreten, wenn der Schaden des dritten entstanden ist (bestr.; anders die h. M . insbesondere für die Auto- und die allgemeine Haftpflichtversicherung; siehe dazu im einzelnen die Angaben in Anm. 15 zu § 78 und bei A r g y r i a d i s 200). Er ist eingetreten, wenn der Vorversicherte den begründeten Entschädigungsanspruch geltend macht. Er ist nicht eingetreten, wenn der Vorversicherte einen unbegründeten Entschädigungsanspruch geltend macht. Die dies für die Haftpflichtversicherung bestimmende Vorschrift des § 150 Abs. 1
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§ 1 Satz 2 V V G ist rein positiver Art und auf die Rückversicherung nicht übertragbar. Die Rückversicherung ist in keinem Sinne Rechtsschutz-Versicherung (vgl. H e r r m a n n s dorf er 40, Molt 36). Der Rückversicherer haftet grundsätzlich nur, wenn der Vorversicherer entschädigen muß (vgl. auch § 78 Anm. und über die Besonderheiten des dem Vorversicherer unter Umständen zustehenden Abwicklungsrechts: unten Anm. 152fr.). — Unanwendbar ist auch § 152 V V G , weil § 33 hierüber bestimmt. Ebenso die §§ 153, 154 V V G (vgl. §§40, 44), § 155 V V G (vgl. § 78 Anm.). Unanwendbar ist auch § 156 Abs. 2 VVG, wonach der Haftpflichtversicherer unmittelbar an den dritten zahlen darf und auf Verlangen des Versicherungsnehmers zahlen muß. Unanwendbar natürlich die ebenso positive Vorschrift des § 157 VVG, wonach der dritte im Konkurse des Haftpflichtversicherten abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer verlangen kann (Ehrenberg R V R 48, H a g e n ZfVW 1911. 175, Herrmannsdorfer 327, J o s e f AssJB 37. 35, O b e r m a y e r 64, R G 55. 91; abw. K o h l e r 505; vgl. auch R i p e r t 3.580 Nr. 2595: Cette solution peut au premier abord paraitre injuste. II n'y a pourtant, si on y reflechit, nulle injustice ä ne pas accorder ä l'assure le benefice d'un contrat auquel il est etranger, qui depend uniquement de la libre volonte de l'assureur, et dont cet assureur paye la prime sur des fonds qui etaient le gage commun de ses creanciers). c) Verhältnis der Rückversicherung zur Vorversicherung Anm. 148
100. Wie bei der Versicherung von Forderungen gegen Sachgefahren die Forderung das Interesse vermittelt, das die Versicherung ermöglicht, so vermittelt bei der Rückversicherung die bedingte Entschädigungsschuld des Vorversicherers das Rückversicherungsinteresse. L'indemnite d'assurance constitue une valeur assurable: c'est en effet une dette eventuelle de l'assureur soumise ä une fortune de mer (Ripert Nr. 2586). Wie bei der Forderungsversicherung die Forderung und das ihr zugrunde liegende Verhältnis für die Versicherung von maßgebender Bedeutung ist, so ist bei der Rückversicherung die Entschädigungsschuld und das Vorversicherungs-Verhältnis von maßgebender Bedeutung. Ist die Vorversicherung nichtig, etwa weil eine nach § 780 HGB unversicherbare Heuerforderung versichert ist, so ist auch die Rückversicherung unwirksam, mag auch nach dem für die Rückversicherung maßgebenden Rechte eine Heuerforderung versicherbar sein; denn wenn die Vorversicherung nichtig ist, liegt der Rückversicherung kein Interesse zugrunde (Arnould 343f. s. 375; vgl. aber auch §2 Anm. 23). Ebenso, wenn die Vorversicherung zwar gültig, der Vorversicherer aber wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder aus anderen Gründen von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Fällt das vorversicherte Interesse weg oder wird der Vorversicherer vor Beendigung der Vorversicherung von der Verpflichtung zur Leistung frei, so fällt das Rückversicherungs-Interesse weg. Ist der Vorversicherungs-Vertrag für den Vorversicherer anfechtbar, so hängt es von den Umständen ab, ob der Vorversicherer nach § 13 oder im Versicherungsfall nach § 41 verpflichtet ist, anzufechten (Arnould a. a. O.; vgl. aber auch § 2 Anm. 23). Man sollte deshalb vermeiden, uneingeschränkt hervorzuheben, daß „rechtlich der Rückversicherungs-Vertrag und die Erstversicherung selbständig nebeneinander stehen" (so H a g e n ZfVW 1920. 148; ähnlich schon früher Pohls 4. 99, V o i g t 284, OAG Lübeck HambS 4. 190, HGZ 1868. 169: „Rückversicherung . . . ein ganz selbständiger Vertrag"; ungenau auch R G 53. 141: „Das Risiko des Vorversicherers sei nicht unmittelbarer, sondern höchsten mittelbarer Gegenstand des Rückversicherungsvertrags") oder: Les deux contrats sont absolument independant l'un de l'autre (Droz 1. 170). Was damit gemeint ist, ist zwar an sich richtig, ist aber nichts, was der Rückversicherung
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eigentümlich ist. Wie sich nämlich bei jeder anderen Versicherung aus dem versicherten Interesse, wie sich etwa bei der Forderungsversicherung aus der Forderung und dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis noch keineswegs ohne weiteres ergibt, wofür der Versicherer haftet, dies vielmehr erst dem Versicherungsvertrag entnommen werden muß, so ergibt sich auch im Falle der Rückversicherung keineswegs ohne weiteres aus der Vorversicherung, was der Rückversicherer zu leisten hat, hat der Rückversicherer keineswegs ohne weiteres zu ersetzen, wenn, weil und was der Vorversicherer zu ersetzen hat, ist vielmehr der Rückversicherungs - Vertrag in erster Linie für Voraussetzung, Art und Umfang der Haftung des Rückversicherers maßgebend. Deshalb versteht sich ζ. B. von selbst, daß die für die Vorversicherung geltende R e c h t s o r d n u n g nicht ohne weiteres auch für die Rückversicherung maßgebend ist (vgl. V o i g t 284, R G 20. 134, O L G Hamburg Rspr 10. 147. Vgl. dazu P r ö l ß A n m . 4 zu § 1 8 6 V V G , J. v. G i e r k e V S R II 374, B r u c k - M ö l l e r , Einl. Anm. 94, wonach indessen mangels sonstiger Anhaltspunkte als Vertragsstatut der Rückversicherung der Hauptsitz des Erstversicherers anzusehen sein wird). Ist etwa die Vorversicherung nach dem für sie maßgebenden Rechte gültig, so ist die Rückversicherung nicht deshalb ungültig, weil die Vorversicherung nach dem für die Rückversicherung geltenden Rechte ungültig sein würde ( E h r e n b e r g R V 47). Ist in England eine Heuerforderung gültig versichert (vgl. hierüber oben Anm. 20), so ist die nach deutschem Rechte zu beurteilende Rückversicherung nicht deshalb ungültig, weil nach § 780 H G B Heuerforderungen nicht versichert werden können. Die Rückversicherung wäre keine Versicherung der Heuerforderung, sondern nur eine Versicherung, die sich auf die Heuerforderung bezieht, keine Versicherung des Heuerforderungs-Interesses, sondern die Versicherung eines anderen, nämlich des durch die Vorversicherung begründeten Interesses. Oder: Haftet der Vorversicherer, obgleich er nach den für die Rückversicherung maßgebenden Vorschriften über Anzeigepflicht, Gefahränderung, Schadensverhütung, Uberversicherung, Doppelversicherung usw. nicht haften würde, so haftet auch der Rückversicherer ( O A G Lübeck Kierulff 3. 350). Der Rückversicherer haftet dagegen natürlich nicht, wenn er nach den für den Rückversicherungs-Vertrag maßgebenden Rechtssätzen, Bedingungen oder besonderen Vereinbarungen nicht zu entschädigen hat. Hin und wieder wird im RückversicherungsVertrag die H a f t u n g d e s R ü c k v e r s i c h e r e r s e n g e r bestimmt, als sie im Vorversicherungs-Vertrag bestimmt ist, etwa weil einzelne Gefahren nicht zu den Risikenklassen des Vorversicherers passen, oder um dem Nachteil der Häufung von Risiken auf begrenztem Gebiet die Spitze abzubrechen (sog. Gefahren-Rückversicherung im Gegensatz zur Summen-Rückversicherung; vgl. H e r r m a n n s d o r f e r 81, J a h n 15, R a u Z f V W 1901. 317, 415, 418, P r ö l ß , Anm. 3 C zu § 186 V V G , vgl. auch Reme H a n s R G Z 1934 A 145). So wird ζ. B. Rückversicherung genommen „ N u r für Kriegsgefahr" (§ 121) oder „ N u r für Feuersgefahr" (vgl. H H 580, insbesondere R O H G 5. 197: Nur gegen „Feuerschaden . . ., sofern die betreffenden Schiffe oder Güter bei Entstehung des Brandes innerhalb der Hafenbassins zu Bremerhaven [oder gewissen anderen Docks] sich befunden haben sollten") oder „Frei von Beschädigung" (§ 113; vgl. H G Z 1892. 305), oder „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" (§ 114; vgl. H G u. O G Hamburg H H 5) oder „ N u r für Totalverlust" ( § 1 2 3 ; vgl. I T V M i t t 1913. 99: Against the risk of the total or constructive total loss of the steamer only). Oder es wird nur für einzelne von mehreren versicherten Reisen oder nur für einen Teil der versicherten Reise Rückversicherung genommen (z.B. H G Z 1898.261: „Sämtliche Segel- und Dampfschiffe, Kaskos, Ladungen . . ., auf welche der Vorversicherer . . . Versicherung geleistet hat oder leisten wird und welche sich in den Hamburger Häfen . . . und deren Revier auf dem Elbstrom aufwärts von der Mündung 10
R i t t e r - A b t a h a m , Seeversicherung Bd. I
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bis zur . . . Stadtwasserkunst, inklusive der etwaigen Aus- und Einladestellen, gleichviel ob in oder außer Fahrt befinden"; vgl. auch O A G Lübeck Kierulff 3. 5 3 1 : R ü c k versicherung nur für einen Teil der versicherten Reise: „ V o n Honkong via J a v a nach den Niederlanden", während die Reise von Hongkong nach Europa mit Gestattung von Zwischen- und Nebenreisen vorversichert w a r ; vgl. ferner Bolze 1 1 Nr. 432, A P V 1905 I I 109 und über die englische Rechtsprechung C h a l m e r s i6f.). Die Rückversicherung ist auch in solchen Fällen See-Rückversicherung. Auch dann, wenn sie sich etwa nur auf den Teil der seeversicherten Unternehmung bezieht, der nicht zur See oder etwa gar nur zu Lande zurückgelegt wird ( E h r e n b e r g R V 179, R O H 5. igg, O G Hamburg H H 5 8 3 ; abw. H G H a m b u r g H H 582; vgl. auch oben A n m . 30). Aber der Rückversicherer haftet natürlich in solchen Fällen beschränkter Rückversicherung nicht, wenn ein Versicherungsfall jenseits der im Rückversicherungs -Vertrag aufgerichteten Schranken eintritt. E r haftet auch nicht, wenn der V o r v e r s i c h e r e r die vorvertragliche A n z e i g e p f l i c h t v e r l e t z t , die Gefahr geändert, die Änderung der Gefahr einem anderen, insbesondere dem Vorversicherten, gestattet hat, — mag auch der Vorversicherer haften ( A r n o u l d 343 s. 375). E r haftet nicht, wenn das versicherte Schiff i n f o l g e d e r K r i e g s g e f a h r d i e R e i s e n i c h t f o r t s e t z t und Schaden nimmt, der Vorversicherer gleichwohl haftet, weil etwa nach den f ü r die Vorversicherung maßgebenden Bedingungen der Grundsatz des § 35 Abs. 2 nicht gilt, dieser Grundsatz aber das Rückversicherungs-Verhältnis beherrscht, dem die A D S zugrunde gelegt sind. E r haftet also auch nicht, wenn der T e i l s c h a d e n am Schiffe nicht nach § 74, die B e s c h ä d i g u n g der Güter n i c h t nach § g3 f e s t g e s t e l l t ist und dem Rückversicherungs-Vertrag die A D S zugrunde liegen. So mit Recht H G u. O G H a m b u r g H a m b S 4. 183, 185. Anders E h r e n b e r g R V 56, O A G Lübeck H a m b S 4. 190 (einschränkend O A G Lübeck Kierulff 3 . 530), wohl unter dem Einfluß des geschichtlichen Zusammenhangs zwischen der Bodmereigelder- und der Rückversicherung: Z u Handlungen oder Unterlassungen, die nur dem Vorversicherten obliegen könnten, könne der Vorversicherer im Rückversicherungs-Vertrag nicht verpflichtet werden; insoweit müsse „ d e r einmal festgesetzte Inhalt der Hauptpolice maßgebend sein f ü r den Rückversicherungs-Vertrag und das Gegenteil könne von den Parteien nicht gewollt sein". Das ist schwer begreiflich. Wenn der Kasko-Rückversicherer nur haften will, falls der Teilschaden nach § 74 (natürlich im Benehmen des Vorversicherers und des Vorversicherten: § 7 9 , § 7 4 Anm.) festgestellt, falls das Schiff nach § 7 5 ausgebessert, falls das Schiff nach § 77 öffentlich versteigert wird, — oder wenn der Güter-Rückversicherer nur haften will, falls der Beschädigungsschaden gemäß § g3 festgestellt wird, — warum sollte er es nicht mit dem Vorversicherer vereinbaren, w a r u m es diesem nicht überlassen können, sich darüber mit dem Vorversicherten auseinanderzusetzen? U n d w a r u m sollte er, wenn er (wie in den Fällen H a m b S 4. 1 2 1 , Ullrich Nr. 353) ausdrücklich vereinbart, daß er „ n a c h den Bedingungen des Allgemeinen Plans", daß er nach den A D S Rückversicherung übernehme, sich nicht darauf verlassen dürfen, daß auch der Vorversicherung die A D S zugrunde liegen oder sonstwie vorgesorgt ist, daß der Schaden, wie im Rückversicherungs-Vertrag vereinbart, also nach den A D S festgestellt wird? Wenn der Vorversicherungs-Vertrag die Institute-Klausel enthält: T h e insured value should be taken as the repaired value in ascertaining whether the vessel is a constructive total loss (§ 77 Anm.), in der Rückversicherungs-Police aber diese Klausel im Verzeichnis der Institute-Klauseln ausgestrichen ist, kann der Vorversicherer sich dem Rückversicherer gegenüber auf die Klausel nicht berufen ( W h i te 5)· Nur, wenn etwa der Rückversicherer w e i ß , daß für die Vorversicherung a n d e r e B e d i n g u n g e n maßgebend sind, als im allgemeinen f ü r die Rückversicherung, mag unter Umständen die Annahme gerechtfertigt sein, daß er Schadensfeststellungen nach
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den Bedingungen der Vorversicherung auch für das Rückversicherungs-Verhältnis § 1 gelten lassen will ( O G Hamburg H a m b S 4. 185). Auch wird es regelmäßig gerechtfertigt sein, bei der A u s l e g u n g von Bestimmungen des Rückversicherungs-Vertrags die Bestimmungen des dem Rückversicherer bekannten Vorversicherungs-Vertrags zu berücksichtigen, ζ. B. aus der Bestimmung des Kasko-Vorversicherungsvertrags: „ G e h t das Schiff außerhalb dieses Umkreises (der Fangreise), so bleibt die Versicherung in Kraft mit einer Zulageprämie nach billiger Normierung und Bestimmung" auf die Bedeutung folgender Klausel des Rückversicherungs-Vertrags zu schließen: „ A b weichungen von der Reise u/o. sonstige Veränderungen des Risikos sind stillschweigend mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit; eventuelle Rückgaben und Verbesserungen laut Originalpolice" ( R G H G Z 1895. 300, H G Z 1895. 167). Hierüber hinaus den erfahrenen Vorversicherer gegen den ebenso erfahrenen Rückversicherer in Schutz zu nehmen, wäre ganz unangebracht. Wer Rückversicherung zu bestimmten Bedingungen nimmt, muß wissen, worauf er sich damit einläßt, und darf nicht auf Grund von Bedingungen Entschädigung verlangen, auf Grund derer der Rückversicherer ausgesprochenermaßen keine Entschädigung gewähren will (HG Hamburg H G Z 1870. 95). Dies um so mehr, als die Assekuradeure sich der Rechtslage durchaus bewußt sind und deshalb durchweg vereinbaren, daß die Rückversicherung „ z u den Bedingungen der Originalpolice valedieren", daß „darauf im Schadensfalle pro rata ebenso bezahlt werden soll, wie die rückversicherte Gesellschaft auf ihre Zeichnungen zu zahlen hat" oder ähnl. (vgl. R G 55. 89, H G Z 1868. i 6 l , 1870. 94, 1874. 348, 1875. 342, 1876. 157, 1877. 117, 1881. 19, 1892. 221, 1909. 264, H H 8); im englischen Rechtsverkehr: being a re-insurance subject to all clauses and conditions of the original policy or policies and to pay as may be paid thereon ( C h a l m e r s 16; oder ähnlich: A r n o u l d 346 s. 378). Das Problem ist auch der Rückversicherung nicht eigentümlich. Es kann bei jeder anderen Versicherung, die sich auf das Schiff oder die Güter bezieht, entstehen. So etwa, wenn Kasko-Mehrwert nach den A D S versichert wird, das Kasko selbst aber nach anderen Bedingungen. Der Mehrwert-Versicherer kann verlangen, daß der Teilschaden gemäß § 74 festgestellt wird, und braucht sich nicht einwenden zu lassen, daß die Bestimmungen der Hauptpolice, der Kaskopolice, über die Schadensfeststellung andere seien. Deshalb ist es unzweckmäßig, die Nebeninteressen nach anderen Bedingungen zu versichern, als das Hauptinteresse, und üblich, durch Anschlußklauseln eine enge Verbindung zwischen der Versicherung der Nebeninteressen und derjenigen des Hauptinteresses herzustellen (wenn auch a m anderen Gründen bedenklich: Vorb. vor § 1 Anm. 49, § 70 Anm.), — gerade so, wie durch die oben bezeichneten Klauseln der engste Anschluß der Rückversicherung an die Vorversicherung erreicht wird. Sind einem Rückversicherungs-Vertrag allgemeine Versicherungsbedingungen, Anm. 149 seien es eigene, seien es diejenigen der Vorversicherung, nicht besonders zugrunde gelegt, so würde an sich anzunehmen sein, daß für den Rückversicherungs-Vertrag die gesetzlichen Vorschriften maßgebend sein sollen und sind. Da aber der Direktversicherung durchweg allgemeine Bedingungen zugrunde gelegt werden, so muß auch der Rückversicherer damit rechnen und deshalb so behandelt werden, wie wenn die Rückversicherung nach den Bedingungen der Vorversicherung genommen wäre. Deshalb bestimmte auch P r e u ß A L R II 8. 2019: Zwischen dem Rückversicherten und dem Rückversicherer „finden eben die Verhältnisse statt, als zwischen denjenigen, welche die erste Versicherung geschlossen haben". Deshalb wird auch im Zweifel anzunehmen sein, daß, wenn der Vorversicherung eine f r e m d e R e c h t s o r d n u n g zugrunde liegt und der Rückversicherer hiermit rechnen muß, die fremde Rechtsordnung auch für das Rückversicherungs-Verhältnis maßgebend sein soll und ist ( H G 10«
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§ 1 Hamburg Ullrich Nr. 353). Deshalb wird schließlich im Zweifel auch anzunehmen sein, daß, wenn im Vorversicherungs-Vertrag besonderes bestimmt ist, namentlich besondere Klauseln enthalten sind, und der Rückversicherer hiermit rechnen muß, auch die besonderen Bedingungen des V o r v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g s für das Rückversicherungs-Verhältnis maßgebend sein sollen und sind. Werden jedoch die Bedingungen des Vorversicherungs-Vertrags, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, der Rückversicherung zugrunde gelegt, so muß der Vorversicherer gemäß § 19 anzeigen, wenn die Bedingungen den V o r versicher er über das verkehrsübliche Maß hinaus belasten (Ehrenberg R V 87, R V R 19, V o i g t 288, ROHG 20. 134, OAG Lübeck HambS 4. 191, HGZ 1880. 208, HG u. OG Hamburg HGZ 1866. 52, 1868. 164, 1870.94, HG Seine ZHR 12.540), — gerade so, wie bei der Güterversicherung oder der Frachtversicherung oder der Forderungsversicherung solche besonderen Erschwerungen angezeigt werden müssen (vgl. § 19 Anm., § 87 Anm. usw.). G e f a h r ä n d e r u n g s - K l a u s e l n sind in gewissen Grenzen nicht verkehrsunüblich (vgl. Vorb. vor § 113, ζ. B. HGZ 1868. 163, 1909. 265). Das gleiche wird von der „ V o n Haus zu H a u s " - K l a u s e l (§ 124) gelten müssen (Arnould 349 s. 380; vgl. auch R G 39. 195). Das gleiche gilt jetzt auch von der S t i l l i e g e - K l a u s e l in einer ZeitKaskopolice (vgl. Vorb. vor § 113); anders früher HGZ 1892. 223: Sei eine Rückversicherungs-Prämie von 3% vereinbart, so brauche der Rückversicherer, der die Vorversicherungs-Police nicht kenne, nicht damit zu rechnen, daß diese eine StilliegeKlausel enthalte, und sich demgemäß im Falle des Stilliegens eine Prämienermäßigung auch dann nicht gefallen zu lassen, wenn die Rückversicherungs-Police die Klausel enthalte, daß „für diese Rückversicherung die Klauseln und Bedingungen der Originalpolice gelten" sollen. Anm. 150 101. Zwischen Rückversicherer und Vorversichertem bestehen zunächst keine Rechtsbeziehungen (RG 53. 140, 55. 90, HGZ Beibl. 1881. 95, KassH Darmstadt Baumgartner's Gerichtspraxis Nr. 620, L G Köln VersR 1953. 130). Vgl. schon fimerigon ch. V I I I s. 14: La Reassurance est absolument etrangere ä 1'Assure primitif, avec le quel le Reassureur ne contracte aucune sorte d'obligation. Insbesondere kann der Vorversicherte vom Rückversicherer nicht Entschädigung verlangen. Der Rückversicherer kann nicht mit befreiender Wirkung an den Vorversicherten zahlen und auch nicht vom Vorversicherer angewiesen werden, an den Vorversicherten zu zahlen (vgl. V V G § 156, oben Anm. 147). Unless the policy otherwise provides, the original assured has no right or interest in respect of such re-insurance (MIA § 9 Abs. 2). Unless the policy otherwise provides: Im Vorversicherungs-Vertrag können natürlich die Entschädigungsansprüche gegen den Rückversicherer abgetreten, kann dem Vorversicherten das Recht auf Abtretung eingeräumt werden. Ebenso kann im Rückversicherungs-Vertrag Zahlung der Entschädigung an den Vorversicherten bedungen, für den Vorversicherten auch ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Rückversicherer ausbedungen werden (vgl. BGB § 328; über entsprechende Klauseln in nordamerik. Policen: E h r e n b e r g R V 51). — Zahlt der Rückversicherer an den Vorversicherer, so gehen Ersatzansprüche des Vorversicherers gegen den Vorversicherten gemäß § 45 auf den Rückversicherer über (§ 45 Anm.). Anm. 151 102. Die Rechtsbeziehungen zwischen Vorversicherer und Vorversichertem werden durch die Rückversicherung nicht berührt (so ausdrücklich PreußALR II 8. 2020: „Die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem ersten Versicherer und Versicherten, werden durch die Rückversicherung in nichts geändert"; schon fimerigon ch. 8 s. 14: Le premier contrat subsiste tel qu'il a ete congu, sans novation ni alteration, und oben Anm. 150). Der Vorversicherte kann insbesondere vom Vorversicherer nicht die Herstellung von Rechtsbeziehungen zum Rückversicherer verlangen, namentlich
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nicht Abtretung des Entschädigungsanspruchs gegen den Rückversicherer, und zwar § 1 auch dann nicht, wenn der Vorversicherer zahlungsunfähig und der Entschädigungsanspruch gegen ihn wertlos zu werden droht. Auch § 281 BGB gibt dem Vorversicherten keinen solchen Anspruch gegen den Vorversicherer. Der Vorversicherte kann nur nach § 47 verfahren (anders früher PreußALR I I 8. 2015; vgl. auch die bedenklichen Ausführungen von B a h r ArchBürgR 7. 47). Deshalb hat auch der Vorversicherte im Konkurse des Vorversicherers am Entschädigungsanspruch gegen den Rückversicherer kein Aussonderungsrecht. Er hat auch nicht das Absonderungsrecht des § 157 V V G (oben Anm. 147). d) Die Abwicklung der Vorversicherung 103. Das V V G läßt (von einigen Besonderheiten abgesehen) das H a f t p f l i c h t - Anm. 152 V e r s i c h e r u n g s - V e r h ä l t n i s nach den allgemeinen für Schadensversicherungen geltenden Grundsätzen sich abwickeln. Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht erhöhen und den Versicherungsfall nicht herbeiführen. Er muß gewisse Anzeigen machen, Schaden abwenden und mindern, dabei die Weisungen des Versicherers befolgen usw. Die Haftpflichtversicherungs -Verträge geben dem Versicherer vielfach hierüber hinausgehende Rechte, so ζ. B. das Recht, Haftpflichtprozesse allein zu leiten usw. (ohne daß die Einräumung solcher Rechte mit dem Wesen der Haftpflichtversicherung etwas zu tun hätte, — was H a g e n Z f V W 1920. 145 verkennt). Die S e e - H a f t p f l i c h t v e r s i c h e r u n g steht grundsätzlich auf dem Boden der Anm. 153 allgemeinen für die Schadens-, d. h. hier für die Seeversicherung, geltenden Grundsätze. Sowohl im Falle der Versicherung gegen die Haftpflicht für HavariegrosseBeiträge (§ 29, § 30 Anm.), wie im Falle der Versicherung gegen die Haftpflicht für Kollisionsschäden (§ 78) gelten die gewöhnlichen Regeln. Auch im dritten Falle der See-Haftpflichtversicherung, im Falle der See-Rückversicherung, würden an und für sich die gewöhnlichen Regeln anwendbar sein. Aber hier hat die Entwicklung der Dinge die entgegengesetzte Wendung genommen, wie bei der gewöhnlichen Haftpflichtversicherung (wiederum, ohne daß dies mit dem Wesen der Rückversicherung als einer Haftpflichtversicherung etwas zu tun hätte). 104. Die Interessen des Kaskoversicherten werden regelmäßig nicht beeinträchtigt, Anm. 154 wenn er sich auf Verlangen des Kaskoversicherers vom Gegensegler auf Ersatz des Kollisionsschadens verklagen lassen muß. Der Vorversicherer würde seine Geschäftsverbindungen aufs Spiel setzen, wenn er dem Verlangen seines Rückversicherers, sich vom Vorversicherten verklagen zu lassen, ohne weiteres entsprechen müßte, wenn er seine Zustimmung zu Gefahränderungen oder zu Schadenabwendungs-Maßregeln, seine Weisungen, den Versichererabandon, die Entschädigung, die vergleichsweise Erledigung von Meinungsverschiedenheiten, die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses, die Anfechtung des Versicherungsvertrags usw. schlechthin von der Zustimmung seines Rückversicherers abhängig machen müßte. Deshalb erteilt der Rückversicherer durchweg schon im Rückversicherungs-Vertrag seine Zustimmung zu Abwicklungsgeschäften des Vorversicherers. Die Klauseln haben den verschiedensten Inhalt. Ζ. B.: „Der Rückversicherer . . . genehmigt im voraus jede Schadensregulierung . . . und verzichtet auf jede Einrede . . . gegen den Anspruch des Rückversicherten auf Ersatz der von diesem bezahlten Schäden". Oder vorsichtiger: ,,Im Schadensfalle ist nur der Beweis der gesetz- und usancemäßigen Zahlung beizubringen" (Seebohm 607). Oder noch vorsichtiger: Der Rückversicherer hat zu zahlen, was der Vorversicherer „nach den Bedingungen . . . und nach den hiesigen Usancen gesetzmäßig zu bezahlen hat" (Seebohm 604, 634). Oder, kürzer: „Die ganze Geschäftsführung liegt allein in
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den Händen des Rückversicherten" (Ehrenberg R V R 26), oder: „Im Schadensfall bedarf es zur Einkassierung der Rückversicherung nur der Quittung über den geleisteten Ersatz" (Ehrenberg R V 109, V o i g t 290, ROHG 24.393, R G 9 Ι · 8 3 , HGZ 1869.292, 1874.348, 1876. 156, 1877. " 6 , 1878.81, 229, 1881. 19, 1918. 177). Die englische Klausel: To pay as may be paid thereon (unten Anm. 160). Die französische Klausel: Le reassureur s'oblige ä rembourser le reassure sur la vue de la quittance donnee par le premier assure (Droz 1. 167; Desjardins 6 s. 1371, De V a l roger 4 s. 1876, teilw. abw. in der Beurteilung der Bedeutung dieser Klausel: R i p e r t 3. 577 Nr. 251). Solche und ähnliche Klauseln geben dem Vorversicherer natürlich nicht das Recht, zu tun und zu lassen, was ihm gefällt. Beruhen sie schon auf unbeschränktem Vertrauen, so berechtigen sie natürlich nicht, können sie auch den Vorversicherer nicht berechtigen, das Vertrauen zu täuschen. Sie berechtigen den Vorversicherer nur, bei der Abwicklung des Vorversicherungs-Verhältnisses so zu verfahren, wie ein verständiger, billig denkender Versicherer, wenn er nicht rückversichert wäre, verfahren würde (so auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. III n i zu § 1 ADS; ähnlich wohl H a g e n ZfVW 1920. 157, R G 55. 89; vgl. auch HGZ 1918. 178: Die Klauseln berechtigen den Vorversicherer, „ohne Anrufung der Gerichte nach Treu und Glauben aus eigener Entschließung nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände des Falles sich mit dem Vorversicherten auseinanderzusetzen", — freilich im Widerspruch mit späteren Ausführungen, vgl. unten Anm. 156). Andererseits entsprechen diese Klauseln der Interessenlage (vgl. oben) und der darauf gegründeten Verkehrssitte so sehr, daß im Zweifel anzunehmen ist, daß die Abwicklungsbefugnis in diesen Grenzen dem Vorversicherer auch dann eingeräumt sein soll, wenn der R ü c k v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g eine solche K l a u s e l nicht enthält, daß also die Beweisführung aus dem Gegenschluß hier jedenfalls versagen muß (vgl. E h r e n b e r g R V 14, 95, 108, R V R 34, H a g e n ZfVW 1920. 157, O b e r m a y e r 43, R a u ZfVW 1901. 416, R G 53. 141, HGZ 1909. 268). Dies Ergebnis ist aus dem G e s e l l s c h a f t s r e c h t nicht zu gewinnen. Denn die Rückversicherung ist keine Gesellschaft (oben Anm. 137). Und wenn sie es wäre, würde sich für die Geschäftsführung etwas anderes ergeben (vgl. BGB §§ 709 fr.). — Das Ergebnis ist auch aus dem A u f t r a g s r e c h t nicht zu gewinnen. Denn der Auftrag ist unentgeltlich auszuführen (BGB § 662), und der Vorversicherer besorgt die Abwicklung regelmäßig gegen Entgelt, gegen eine Provision. Auch ist der Beauftragte nur verpflichtet, nicht unwiderruflich berechtigt, den Auftrag auszuführen, der Vorversicherer aber berechtigt wie verpflichtet, abzuwickeln ( H e r r m a n n s d o r f e r 283). Das Ergebnis ist schließlich auch nicht aus § 675 BGB zu gewinnen, wonach Dienstoder Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, einem Auftrag gleich behandelt werden sollen. Denn weder von einem Werk- noch von einem Dienstvertragsverhältnis kann hier die Rede sein (näheres: H e r r m a n n s d o r f e r 284). Dagegen bietet die von H e r r m a n n s d o r f e r 214 versuchte Erklärung des Abwicklungsrechts aus der p a r t i a r i s c h e n N a t u r der auf Teilung des Risikos gerichteten R ü c k v e r s i c h e r u n g eine brauchbare rechtsdogmatische Grundlage. Wie schon hervorgehoben, entspricht das Abwicklungsrecht des Vorversicherers in den angegebenen Grenzen der Interessenlage. Diese ist derjenigen bei anderen partiarischen Geschäften ähnlich. Der Unternehmer hat ein berechtigtes Interesse daran, in seinen geschäftlichen Entschließungen frei zu sein. Der partiarisch Beteiligte hat ein berechtigtes Interesse daran, den Unternehmer an sich gebunden zu wissen. Den Ausgleich bildet der Grundsatz, daß der Unternehmer zwar im allgemeinen nicht gebunden ist, aber nur in den Grenzen, die ein verständiger, billig denkender Unternehmer, der nur sein eigenes Interesse wahrzunehmen hat, nicht überschreiten würde. Hieraus
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folgt auch von selbst, daß das Abwicklungsrecht eine der Abwicklungsbefugnis ent- § 1 sprechende A b w i c k l u n g s p f l i c h t umfaßt (unten Anm. 156). Hieraus folgt schließlich auch, daß das Abwicklungsrecht nur im Falle der s u m m e n m ä ß i g e n Teilung des Risikos besteht, insbesondere bei der Gefahren-Rückversicherung nur, wenn es besonders bedungen ist. Entsprechendes gilt für den Fall der R e t r o z e s s i o n , die den zweiten Rückver- Anm. 155 sicherer an der ersten Rückversicherung unterbeteiligt. Mit der Maßgabe jedoch, daß das Abwicklungsrecht für die Direktversicherung (wenigstens der Hauptsache nach) natürlich nicht dem ersten Rückversicherer, sondern dem Direktversicherer zusteht, weshalb auch in der Regel bei der Schließung des zweiten Rückversicherungs-Vertrags angezeigt werden muß, daß es sich um eine zweite Rückversicherung handelt (unten Anm. 181). 105. Aus dem Grundsatz, daß der Vorversicherer wie ein verständiger, billig Anm. 156 denkender, nicht rückversicherter Versicherer verfahren darf (und muß), ergibt sich ohne weiteres nicht nur das M a ß , sondern auch die Art der Sorgfalt, die er bei der Abwicklung des Vorversicherungs-Verhältnisses walten lassen muß. Nach E h r e n b e r g R V 11 ο soll der Vorversicherer für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen (folgend: O b e r m a y e r 54); ebenso R O H G 24. 394, H G Z 1881. 21, 1903. 67, H G u. O G Hamburg H G Z 1869.292, 1876. 156, 1877. 117; H G Hamburg H G Z 1866.54: Haftung für mala fides, R G 91. 85, H G Z 1918. 179, L G Hamburg A P V 1907 II 73, O L G Köln VersR 1953. 131, P r ö l ß Anm. 4 zu § 186 V V G : Haftung für Arglist und grobe Fahrlässigkeit. Damit ist offenbar zu viel und zu wenig gesagt. Der Vorversicherer kann auch, insbesondere wenn es sich um kleinere Schäden handelt, e n t s c h ä d i g e n , o b g l e i c h er o f f e n b a r n i c h t z u e n t s c h ä d i g e n b r a u c h t , obgleich die T a x e offenbar erheblich übersetzt ist, einer Reiseveränderung zustimmen, obgleich sie nach dem Vorversicherungs-Vertrag offenbar unstatthaft ist, usw., — wenn nur ein verständiger, billig denkender, unversicherter Versicherer den Umständen nach ebenso verfahren würde (deshalb auch ungenau J o s e f AssJB 37. 29: Der Vorversicherer habe nach § 276 BGB „bei der Geschäftsführung Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten"). Andererseits darf der Vorversicherer nicht einer Gefahränderung zustimmen, in die ein verständiger, billig denkender, unversicherter Versicherer nicht einwilligen würde, kann der Vorversicherer sich nicht darauf berufen, daß er zwar f a h r l ä s s i g , aber nicht grobfahrlässig verfahren sei. Die Grundlage, mit der das Abwicklungsrecht des Vorversicherers steht und fällt, das unbedingte Vertrauen in die Redlichkeit und Umsicht des Vorversicherers, würde auf das schwerste erschüttert werden, wenn es dem Vorversicherer gestattet wäre, auf Kosten des Rückversicherers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht zu lassen. V o n einer Verkehrsanschauung solchen Inhalts kann daher auch keine Rede sein. Mit dem herkömmlichen rechtsdogmatischen Maßstab der Verantwortlichkeit ist hier nicht auszukommen (vgl. auch B a c h e OestRev 1906. 180). Durch die hin und wieder kräftigen Wendungen der Abwicklungsklauseln (ζ. B. R G 91. 83: „ D e r Rückversicherer muß die von dem Vorversicherer vorgenommenen Schadensregulierungen bedingungslos anerkennen und die ihm zur Last fallenden Schadensanteile innerhalb drei Tagen remittieren") darf man sich nicht irremachen lassen. Sie können im einzelnen Falle die Rechtslage zugunsten des Vorversicherers verändern (vgl. H e r r m a n n s d o r f e r 238), gestatten aber keinen Schluß auf die Verkehrsanschauung. Der richtigen Auffassung näher kommt E h r e n b e r g R V R 40: Der Vorversicherer müsse zwar auch für nur geringe Fahrlässigkeit einstehen, aber — wie ein Gesellschafter — nur, wenn er sich ihrer in seinen eigenen Angelegenheiten nicht schuldig mache. Indessen auch diese Auffassung ist abzulehnen, weil sie der Interessenlage nicht entspricht. Sie beweist nur wieder, wohin die Auf-
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§ 1 fassung von der „Sozietätsnatur" der Rückversicherung führt (vgl. oben A n m . 137). Nicht darauf kommt es dem Rückversicherer an, wie gut oder wie schlecht der V o r versicherer seine eigenen Geschäfte besorgt, sondern darauf, daß er sich Verkehrs gemäß, wie der Durchschnitt seiner Berufsgenossen, beträgt. U n d in den Grenzen des verkehrsgemäßen will er auch vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen das an sich vertragsgemäße in den K a u f nehmen (vgl. H o u g e n I T V M i t t 1 9 2 1 . 109; anders wieder E h r e n b e r g R V R 38 und, ihm folgend, R G 9 1 . 86). Nicht der subjektive, sondern der objektive Maßstab ist anzulegen. Es ist also etwa die englische Auffassung vom prudent uninsured owner, die hier, nur in etwas anderer Form, wirksam wird (vgl. auch Ü m e r i g o n ch. 1 1 s. 9: II suffit que le reassure ait agi de bonne foi). Schon deshalb kann auch keine Rede davon sein, daß etwa die Vorschrift des § 1 5 2 V V G auf die Rückversicherung übertragen werden könnte, nach welcher der Haftpflichtversicherer nur dann frei ist, wenn der Haftpflichtversicherte die Tatsache, die ihn dem dritten verantwortlich macht, vorsätzlich herbeigeführt hat (so K o h l e r 503). Ebenso unberechtigt ist es, mit E h r e n b e r g R V g5, R V R 33, zu unterscheiden zwischen a) Änderungen der tatsächlichen Umstände des Risikos, b) Änderungen der besonderen Bedingungen und c) Änderungen der allgemeinen Bedingungen, und für die ersten beiden Fälle dem Vorversicherer „vollste Bewegungsfreiheit" zuzuerkennen, für den dritten Fall dagegen sie ihm abzusprechen. Solche Unterscheidungen sind weder umfassend, noch nötig, noch richtig. Die an sie geknüpften Folgerungen sind willkürlich und nicht zweckgemäß (dagegen auch H a g e n Z f V W 1920. 156). — Insbesondere muß der Rückversicherer die Ergebnisse von R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n d e s V o r v e r s i c h e r e r s gegen sich gelten lassen, die durch das Abwicklungsrecht des Vorversicherers gedeckt werden, mag er auch an dem Rechtsstreit nicht als Nebenintervenient beteiligt gewesen sein (anders bei der gewöhnlichen Haftpflichtversicherung: R G 3. 24). H a t der Vorversicherer sich ζ. B. in einem Rechtsstreit mit dem Vorversicherten verglichen oder den Vorversicherten mit dem schadensersatzpflichtigen Gegensegler sich vergleichen lassen (vgl. R O H G 24. 396; anders P r e u ß A L R I I 8. 2021) oder gegen ein zu seinen Ungunsten ergangenes Urteil ein Rechtsmittel einzulegen unterlassen, so hat er sich deswegen dem Rückversicherer gegenüber nur dann zu verantworten, wenn ihm bewiesen wird, daß ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger- und billigerweise sich nicht verglichen oder ein Rechtsmittel eingelegt haben würde. E h r e n b e r g R V 1 1 9 weicht auch hier a b : Jedes gegen den Vorversicherer ergangene Urteil wirke ohne weiteres auch gegen den Rückversicherer; dieser könne sich seiner Ersatzpflicht nicht unter dem Vorwand entziehen, daß der Vorversicherer nicht die zulässigen Rechtsmittel eingelegt habe. Diese Ansicht ist aber nicht einmal mit der Grundanschauung E h r e n b e r g ' s vereinbar, nach welcher der Vorversicherer f ü r Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit haftet. Denn man kann doch auch vorsätzlich oder grobfahrlässig unterlassen, ein Rechtsmittel einzulegen. — Beteiligt sich übrigens der Rückversicherer an dem vom Vorversicherer mit dem Vorversicherten geführten Rechtsstreit, so verzichtet er dadurch nicht auf die aus dem RückversicherungsVerhältnis sich ergebenden Einwendungen (so mit Recht für die Haftpflichtversicherung überhaupt: G e r h a r d 612, R G H G Z 1 9 0 5 . 8 1 ; abw. H G Z 1904. 174). A n m . 157
Auf einem teilweise anderen Wege gelangt H e r r m a n n s d o r f e r 265fr. zum selben Ergebnis. Aus der Interessenlage und aus der partiarischen Natur der Rückversicherung wird nachgewiesen, daß der Vorversicherer jede, auch leichte, Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Andererseits sei von leichter Fahrlässigkeit keine Rede, solange der Vorversicherer sich in den Grenzen der Verkehrssitte halte. I m Versicherungsverkehr aber
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werde „der Grundsatz der Kulanz allgemein angewendet" (anscheinend beeinflußt § 1 von L G Hamburg A P V 1907 I I 72: „Viel mehr als jedes andere Geschäft ist das Versicherungsgewerbe von einem Geschäftsprinzip beherrscht, welches man gewöhnlich als „ K u l a n z " zu bezeichnen pflegt"; und weiter: „Kulant sein" bedeute: „inzahlreichen Fällen lieber auf sein Recht verzichten als den Schein der Schikane auf sich laden"; vgl. hierzu auch Vorb. vor § 1 Anm. 15). „Die Kulanz sei also Verkehrssitte". Kulante Abwicklung müsse der Rückversicherer auch dann gegen sich gelten lassen, wenn der Vorversicherer damit wissentlich über seine Entschädigungspflicht usw. hinausgegangen sei. Die Voraussetzung, daß im Versicherungsverkehr „die Kulanz Verkehrssitte" sei, kann jedoch als richtig nicht anerkannt werden. Zutreffend ist dagegen die Bemerkung H e r r m a n n s d o r f e r ' s 265, daß der Vorversicherer nicht nur bei der Abwicklung, sondern auch bei der Erfüllung aller sonstigen Verbindlichkeiten jede Fahrlässigkeit zu vertreten habe. 106. Die sonstigen Verbindlichkeiten des Rückversicherten aus dem Rück- Anm. versicherungs-Vertrag bleiben natürlich neben der Abwicklungspflicht bestehen, werden aber durch das Abwicklungsrecht vielfach beeinflußt. Der Rückversicherte darf ζ. B. die G e f a h r n i c h t ä n d e r n ; sonst wird der Rückversicherer frei (§§ 23, 24). Aber der Vorversicherer kann in den Grenzen seines Abwicklungsrechts dem Vorversicherten Gefahränderungen gestatten. Er darf es, soweit es ein verständiger, billig denkender Versicherer, wenn er nicht rückversichert wäre, tun würde. — Nach § 26 muß der Rückversicherte G e f a h r er h ö h u n g e n , welche den Rückversicherer nicht befreien, diesem unverzüglich a n z e i g e n . Diese Verpflichtung bezieht sich aber nicht auf Gefahrerhöhungen, die der Vorversicherte zulässigerweise bewirkt oder der Vorversicherer zulässigerweise gestattet. So auch H G Hamburg H G Z 1868. 161. Anders O A G Lübeck H G Z 1868. 1 7 1 : „Nach der allgemeinen Natur des Versicherungsvertrags" müsse der Vorversicherer den Rückversicherer sofort benachrichtigen. Ebenso E h r e n b e r g R V 101, R V R 35 im Anschluß an H G Hamburg H H 581, aber gegen H G Z 1881. 24: „Von jeder Veränderung des Risikos, auch von einer erlaubten, . . . habe der Vorversicherer . . . seinem Rückversicherer . . . unverzüglich Anzeige zu machen". Die „allgemeine Natur des Versicherungsvertrags" ergibt es nicht. Daß der Rückversicherer „ein lebhaftes Interesse daran hat, sobald wie möglich von derartigen Veränderungen benachrichtigt zu werden" (so E h r e n b e r g a. a. O.), ist nur bedingt richtig, genügt aber jedenfalls ebensowenig, wie es etwa für die Annahme genügen würde, daß der Vorversicherte verpflichtet sei, über die ihm besonders auferlegten Anzeigepflichten hinaus dem Vorversicherer Anzeigen zu machen. Würden alle die Anzeigen gemacht werden, welche die herrschende Ansicht verlangt, so würde der Rückversicherer mit Anzeigen überschwemmt werden, von denen er nichts wissen will, und das Geschäft des Vorversicherers, durch die Rückversicherungs-Kontrollen ohnehin schwer belastet, kaum noch zu betreiben sein. — Auch die S c h a d e n v e r h ü t u n g s - P f l i c h t des Rückversicherten (§33) wird durch das Abwicklungsrecht des Vorversicherers beeinflußt. Ebenso die S c h a d e n a b w e n d u n g s - P f l i c h t der §§41, 46, 71 Abs. 4. Denn gerade bei der sogenannten Schadensregulierung wird von besonderer Bedeutung, daß der Vorversicherer sich wie ein verständiger, billig denkender Versicherer, wenn er nicht rückversichert wäre, betragen darf. — Auch die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur U n f a l l s a n z e i g e (§40) wird vom Abwicklungsrecht des Vorversicherers berührt. Denn diese Anzeigepflicht hat der Versicherungsnehmer, damit der Versicherer den Sachverhalt prüfen, für seine Feststellung sorgen und Maßregeln zur Schadensabwendung oder -minderung treffen oder anordnen kann (Begr. z. V V G § 33). Dies alles liegt hier aber nicht dem Rückversicherer, sondern dem Vorversicherer ob. Deshalb wird in
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§ 1 den Rückversicherungs-Verträgen regelmäßig bestimmt, daß in angemessenen Fristen „Aufgaben" zu machen, Schadensbordereaux zu übersenden sind. Allerdings hat der Rückversicherer an Unfallsanzeigen insofern ein Interesse, als sie ihn zur Retrozession veranlassen könnten. Aber dies Interesse tritt gegen das andere zurück, mit nicht zu vielen Anzeigen belästigt zu werden. — Das Recht des Versicherers, im Versicherungsfall A u s k u n f t zu verlangen (§43), steht auch dem Rückversicherer zu (§43 Anm.). Aber der Rückversicherer kann natürlich nur vom Vorversicherer Auskunft verlangen. Andererseits kann er freilich auch verlangen, daß der Vorversicherer vom Vorversicherten Auskunft einhole (vgl. §43 Anm.). Aber der Vorversicherer braucht vom Vorversicherten Auskunft nur zu verlangen, wenn und soweit ein verständiger, billig denkender, nicht rückVersicherter Versicherer sie verlangen würde. — Im Falle einer laufenden Rückversicherung muß der Rückversicherte insbesondere unverzüglich d e k l a r i e r e n (vgl. § 97 Abs. 6). Erweist sich die ursprüngliche Aufgabe als unrichtig, so muß er unverzüglich berichtigen (§ 97 Anm.). Ebenso, wenn sie infolge späterer Änderungen unrichtig wird (vgl. HG u. OG Hamburg HH 580; in diesem Falle hatte sich freilich der Rückversicherte „ausdrücklich verpflichtet, von Veränderungen in bezug auf die gezeichneten Risikos, wenn dadurch die ursprüngliche Aufgabe alteriert wird, dem Rückversicherer in gleicher Weise Aufgabe zu machen, wie dies mit den neuen Versicherungen geschieht"). Im Falle HGZ 1881. 19 haben L G und OLG Hamburg mit Recht angenommen, daß der Rückversicherte nicht verpflichtet sei, dem Rückversicherer „die Daten der Konnossemente" über die rückversicherten Güter mitzuteilen. Regelmäßig werden die Deklarationen durch „Uberweisungen" oder „Regulierungsbordereaux" bewirkt, die in bestimmten Fristen übersandt werden, oder durch „provisorische Anmeldebordereaux". Regelmäßig wird auch vereinbart, daß „unabsichtlich unterlassene oder verzögerte Aufgaben die Haftung des Rückversicherers unter keinen Umständen aufheben". In solchem Falle hat der Rückversicherte leichte Fahrlässigkeit nicht zu vertreten, wohl aber grobe (§97 Anm.). — Auch im Falle einer E i n z e l - R ü c k v e r s i c h e r u n g können übrigens solche A u f g a b e n erforderlich sein. So, wenn etwa die Aufgabe des Versicherungswerts vorbehalten ist (RG HGZ 1892. 244), oder wenn sonstige für die Feststellung des Rückversicherungs "Verhältnisses, insbesondere der Rückversicherungs-Prämie, wesentliche Mitteilungen vorbehalten sind (vgl. HGZ 1892. 305: Vereinbarung einer „vorläufigen" Prämie, da noch nicht feststand, ob die Vorversicherung „Frei von Beschädigung" oder „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" genommen war). Erweisen sich solche Aufgaben oder Mitteilungen später als unrichtig, so kann und muß der Rückversicherte sie berichtigen (RG HGZ 1892. 244). — Nach einem Gutachten der H K Berlin (ITVMitt 1914. 9) „darf der Rückversicherer erwarten, daß der Rückversicherte ihm alle Anmeldungen des Vorversicherten rechtzeitig mitteilt, soweit sie für den Rückversicherer von Wichtigkeit sein können, zumal wenn der Rückversicherte sich vertraglich dazu verpflichtet hat". Nach demselben Gutachten muß der Rückversicherer, wenn der Rückversicherungs-Vertrag die Klausel enthält, daß der Rückversicherte die „fahrlässig unterlassene Weitergabe von Anmeldungen nicht zu vertreten hat" oder „vorläufige Anmeldungen überhaupt nicht zu machen braucht, mit der Möglichkeit rechnen, daß die Anmeldung nicht erfolgen und daß deshalb ohne seine Kenntnis eine Überschreitung seines Maximums eintreten kann" (womit natürlich nicht die im Rückversicherungs-Vertrag bestimmte Maximalhaftungs-Summe gemeint ist). Anm. 159
107. Die Abwicklungsbefugnis des Vorversicherers hat ihre Grenzen nicht nur in den Grundsätzen, die ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger und billiger Weise befolgen würde, sondern in erster Linie natürlich im Rückversicherungs-
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Vertrag selbst. Enthält der Rückversicherungs -Vertrag keine besonderen Bestimmun- § 1 gen über die Gestattung von Gefahränderungen, ζ. B. Abweichungen vom Reisewege, so kann der Vorversicherer wie ein prudent uninsured insurer Änderungen gestatten. Ist dagegen die Rückversicherung ausdrücklich auf eine bestimmte kürzere Reise beschränkt, so kann der Vorversicherer ohne Zustimmung des Rückversicherers Änderungen dieser so bestimmten Reise dem Vorversicherten nicht gestatten, selbst wenn der Rückversicherer gegen die Änderung verständiger und billiger Weise Einwendungen nicht würde erheben können ( O A G Lübeck K i e r u l f f 3 · 530). Ist im RückversicherungsVertrag vereinbart, daß „etwaige Abänderung der Reise . . . gegen seiner Zeit nach Billigkeit zu regulierende Prämie eingeschlossen" ist (ζ. B. H G Z 1909. 265), so kann der Vorversicherer Abänderungen auch ohne Prämienverbesserung gestatten, wenn die Rückversicherungs-Prämie von der Vorversicherungs-Prämie nicht abhängt. Hat der Rückversicherer jedoch nur Anteil an der Vorversicherungs-Prämie, so darf der Vorversicherer natürlich Abänderungen der Reise nur gegen Prämienzulage gestatten. — Bei der G e f a h r e n - R ü c k v e r s i c h e r u n g , also der Rückversicherung, die das Risiko nicht nach Summen, sondern nach Gefahren teilt (oben Anm. 148), hat der Vorversicherer, ohne besondere Vereinbarung, das Abwicklungsrecht überhaupt nicht. Ist die Rückversicherung, im Gegensatz zur Vorversicherung, „ N u r für Totalverlust" genommen, so haftet der Rückversicherer auch nur im Falle des Totalverlustes, kann der Vorversicherer sich nicht etwa darauf berufen, daß auch ein Versicherer, der nur für Totalverlust haftet, verständiger und billiger Weise entschädigt haben würde, obwohl der Schaden kein Totalverlust ist. Anders, wenn beide, Vorversicherung und Rückversicherung, „ N u r für Totalverlust"-Versicherungen sind. Ist die Rückversicherung, im Gegensatz zur Vorversicherung, „Frei von Kriegsgefahr", so betrifft alles, was mit der Kriegsgefahr zusammenhängt, ausschließlich den Vorversicherer. Sind aber beide Versicherungen „Frei von Kriegsgefahr", so sind auch Einräumungen des Vorversicherers wegen der Kriegsgefahr zu Lasten des Rückversicherers, wenn sie nur auch ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger und billiger Weise gemacht haben würde. Ist die Rückversicherung eine laufende Versicherung, so würde der Vorversicherer sogar die Kriegsgefahr in die Vorversicherungen einschließen können, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger und billiger Weise so verfahren würde und die Mehrprämie nach dem Rückversicherungs-Vertrag auch dem Rückversicherer zugute kommt. 108. Die englische Abwicklungsklausel ist: T o pay as may be paid thereon Anm. 160 (nach dem üblichen Gummistempel rubber re-insurance clause genannt). Ihre Tragweite ist streitig. Nach einer neueren Entscheidung the re-insurer, when called upon to perform his promise, is entitled to require the re-assured first to show that a loss of the kind re-insured has in fact happened; and, secondly, that the re-assured has taken all proper and business-like steps to have the amount of it fairly and carefully ascertained. That ist all. He must then pay. There is nothing in his contract either express or implied which entitles him to have the ship or to deal with it in any w a y : though he is, no doubt, entitled to require that the original underwriter should realise it in such a way as to reduce the loss as much as may be reasonably possible. Nor is he entitled to rip up the settlement between the shipowner and the original underwriter, except upon the ground that it is dishonest, or has been arrived at carelessly. So long as liability exists the mere fact of some honest mistake having occurred in fixing the exact amount of it will afford no excuse for not paying. Die Entscheidung klingt an die Entscheidungen deutscher Gerichte an und wird von A r n o u l d 347 s. 378 mit Recht als widerspruchsvoll bezeichnet. Vgl. auch S c r u t t o n bei Arnould a . a . O . 347 f. Jedenfalls kann trotz der Klausel der Rückversicherer insist upon proper proof
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§ 1 that a loss strictly within the terms of the original policy has taken place ( A r n o u l d 346 s. 378). Über eine andere englische Abwicklungsklausel, deren Bedeutung streitig ist: I T V M i t t 1913. 99: Against the risk of the total or constructive total loss of the steamer only, but to follow hull underwriters in even of a compromised or arranged loss being settled. Anm. 161 109. Beim laufenden Rückversicherungs- Vertrag erstrecken sich Abwicklungsrecht und -pflicht des Vorversicherers auf die Übernahme der Versicherungen, welche die laufende Rückversicherung umfaßt. Man kann hier freilich von einer „ A b w i c k l u n g ' ' eigentlich nicht mehr sprechen ( E h r e n b e r g R V R 25). H e r r m a n n s d o r f e r 280 u. a. vermeiden daher den Ausdruck und ersetzen ihn durch den Ausdruck „Geschäftsführung" (so auch J . v. G i e r k e V S R I I 376, P r ö l ß Anm. 4 zu § 186 V V G ) . Aber das Hauptgebiet der Geschäftsführung bleibt doch die Abwicklung. Es empfiehlt sich deshalb, den eingebürgerten und bezeichnenderen Ausdruck beizubehalten. — Der Vorversicherer muß auch bei der Übernahme rückversicherter Versicherungen wie ein unversicherter, verständiger und billig denkender Versicherer verfahren. Er darf insbesondere nicht Versicherungen zu B e d i n g u n g e n geben, die seine H a f t u n g ü b e r das v e r k e h r s ü b l i c h e M a ß h i n a u s e r w e i t e r n , nicht unter Einsatz seines meist geringeren Selbstbehalts auf Kosten des Rückversicherers seinen Kundenkreis zu erweitern suchen ( E h r e n b e r g R V 89, R V R 20, 30, S t u t z 30, H G Z 1880. 208). Auch dann nicht, wenn vereinbart ist, daß „die Rückversicherung zu Originalprämien und -bedingungen gilt" ( E h r e n z w e i g AssJB 17 I I 163; abw. H G Z 1881. 22: durch eine derartige Klausel habe der Rückversicherer „selbst die exorbitantesten Bedingungen der Vorversicherung im voraus genehmigt"). Auch dann nicht, wenn der Rückversicherungs-Vertrag die Bestimmung enthält: „Der Rückversicherer stellt sich bezüglich des ihm aus diesem Vertrag zufließenden Geschäfts ganz und gar an Stelle des Rückversicherten und erkennt rückhaltlos dem Versicherten gegenüber alle Bedingungen der von diesem gezeichneten Policen und Verträge an" (vgl. auch O G Hamburg H G Z 1868. 165; abw. E h r e n b e r g R V 88). Sonst würde sich der Rückversicherer in unverantwortlicher Weise in die Hände seiner Vorversicherer gegeben haben. Der Vorversicherer darf ζ. B. nicht ohne weiteres die Kriegsgefahr einschließen ( S t u t z 29; vgl. jedoch auch oben Anm. 159 und weiter unten). Ubernimmt er Versicherung zu unüblich schweren Bedingungen, so fallen die Versicherungen zwar nicht „ganz aus dem Rahmen des laufenden Vertrags heraus" (so E h r e n b e r g R V R 30 und anscheinend H G Z 1880. 208). Denn die laufende Versicherung umfaßt die im Versicherungsvertrag bestimmten Interessen ohne weiteres, und diese Interessen sind nicht danach bestimmt, ob sie zu verkehrsmäßigen oder zu nicht verkehrsmäßigen Bedingungen versichert sind, sondern nach anderen Gesichtspunkten. Dem Vorversicherer kann j a auch nicht erlaubt sein, vertragsmäßige Risiken durch Vereinbarung „ungewöhnlicher" Bedingungen der laufenden Rückversicherung zu entziehen. Und bei der laufenden Direktversicherung ist es ja ebenso: Die laufend versicherten Risiken werden von der laufenden Versicherung umfaßt, mag der Güterversicherte zu verkehrsmäßigen oder zu verkehrswidrigen Bedingungen den Frachtvertrag geschlossen haben. Aber die Gefahr ist, wenn der Vorversicherer zu ungewöhnlich schweren Bedingungen Versicherung gibt, geändert und der Rückversicherer gemäß § 24 frei. — Teilweise anders H e r r m a n n s d o r f e r 204: Wenn vereinbart sei, daß „die Rückversicherung zu Originalprämien und -Bedingungen gelte", müsse der Vorversicherer, der zu Bedingungen, die von den gedruckten abwichen, aber sich noch im Rahmen des üblichen hielten, Versicherung gebe, hiervon dem Rückversicherer Anzeige machen. Schließe dagegen der Vorversicherer zu ganz ungewöhnlichen Bedingungen ab, so fielen die Versicherungen aus dem Kreise der rückversicherten heraus; die Über-
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Weisung des Vorversicherers sei in solchem Falle nur eine Offerte zum Abschluß einer Spezial-Rückversicherung über dieses einzelne Risiko. Indessen sind in der See-Rückversicherung Anzeigen über Abweichungen von den allgemeinen Bedingungen nicht üblich; die Überweisungsbordereaux würden die im hansestädtischen Versicherungsverkehr vorkommenden Klauseln nicht fassen können. Daß die zu außergewöhnlichen Bedingungen geschlossene Vorversicherung von der laufenden Rückversicherung überhaupt nicht umfaßt wird, ist zu bestreiten (näheres oben). Was von den Bedingungen der Vorversicherungen gilt, gilt natürlich auch von a n d e r e n mit dem vorversicherten Risiko zusammenhängenden U m s t ä n d e n . Der Vorversicherer darf ζ. B. keine außergewöhnlich schlechten Risiken nehmen oder, wenn der Rückversicherer an der Vorversicherungs-Prämie beteiligt ist, zu außergewöhnlich niedrigen Prämien Versicherungen geben. Sonst fallen zwar wiederum die Vorversicherungen nicht einfach aus der laufenden und sie umfassenden Rückversicherung heraus. Wohl aber ist der Rückversicherer nach § 24 frei. Der laufend Rückversicherte muß nicht nur beim Abschluß der VorversicherungsVerträge sorgfältig verfahren. Er ist auch v e r p f l i c h t e t , s i c h u m d e n A b s c h l u ß von Vorversicherungs-Verträgen z u b e m ü h e n . Wohl nicht schon deshalb, weil der Rückversicherer bereits wesentliches geleistet, nämlich dem Vorversicherer die Möglichkeit des Abschlusses von Versicherungsverträgen verschafft, auch vielleicht bereits retrozediert oder sonst Vorkehrungen getroffen oder mit Rücksicht auf den Rückversicherungs-Vertrag sonstige Gewinnaussichten ausgeschlagen hat. Alles dies gilt auch von der laufenden Direktversicherung. Der laufend Direktversicherte ist aber nicht verpflichtet, Geschäfte zu machen, für die er Versicherung zu nehmen hat (§ 97 Anm.). Dagegen ergibt sich aus der partiarischen Natur der auf Teilung des Risikos angelegten Rückversicherung allerdings, daß der Vorversicherer die Hände nicht in den Schoß legen darf. Wer sich partiarisch am Geschäfte eines anderen beteiligt, will und soll Gewinnchancen laufen. Das setzt voraus, daß der andere tätig wird. Der Vorversicherer ist deshalb verpflichtet, den Geschäftszweig, auf den der RückversicherungsVertrag sich bezieht, angemessen zu pflegen und gemäß § 276 BGB Schadensersatz zu leisten, wenn er diese Pflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt. 110. Wenn der Vorversicherer die Abwicklungspflicht verletzt, entstehen in der Regel lediglich v e r s i c h e r u n g s r e c h t l i c h e F o l g e n . Gestattet er unberechtigt Gefahränderungen, so ist der Rückversicherer nach § 24 frei. Läßt er es bei der Schadensfeststellung an der pflichtmäßigen Sorgfalt fehlen, so haftet der Rückversicherer nach § 41 Abs. 3 nicht. Gibt er unberechtigt Ersatzansprüche gegen dritte auf, so haftet der Rückversicherer nach §§ 41 Abs. 3, 45 Abs. 2 nicht usw. Der Fall, daß der Vorversicherer unberechtigt entschädigt, gehört nicht hierher; der Versicherer ist nicht gemäß § 33 frei (denn der Vorversicherer hat den Rückversicherungs-Fall nicht herbeigeführt), sondern deshalb, weil der Rückversicherungs-Fall überhaupt nicht eingetreten ist (vgl. § 5 Anm. 45). — Die Verletzung der Abwicklungspflicht kann aber auch g e m e i n b ü r g e r l i c h e R e c h t s f o l g e n haben. Fälle, in denen der Vorversicherer wegen Verletzung der Abwicklungspflicht nach § 276 BGB Schadensersatz zu leisten hat, werden allerdings selten vorkommen. So etwa, wenn die Rückversicherungs-Prämie von der Zahlung der Vorversicherungs-Prämie abhängig ist und der Vorversicherer die Einziehung der Vorversicherungs-Prämie schuldhaft versäumt (§ 16 Anm. 30). Oder, wenn der laufend Rückversicherte sich nicht gehörig um den Abschluß von Vorversicherungs-Verträgen bemüht (oben Anm. 163). Die Fälle, in denen der Rückversicherte wegen Verletzung allgemein-versicherungsrechtlicher Pflichten ζ. B. wegen Verletzung der Verpflichtung, Gefahrerhöhungen oder Unfälle anzuzeigen (§§ 26, 40), Schadensersatz leisten muß, gehören nicht hierher. Dagegen kann der Rückversicherer im Falle
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§ 1 groben Verstoßes gegen die Abwicklungspflicht und mithin groben Mißbrauchs des dem Anm. 165 Vorversicherer geschenkten, weitgehenden Vertrauens das Rückversicherungs-Verhältnis ohne Einhaltung einer Frist kündigen (Vorb. vor § 1 Anm. 22). i n . Abwicklungsrecht und -pflicht endigen nur mit dem RückversicherungsVerhältnis. Der Rückversicherer kann das Abwicklungsrecht weder nach § 671 BGB, noch nach den §§ 675, 626, 627 BGB, noch nach § 712 BGB kündigen, der Vorversicherer sich der Abwicklungspflicht nicht durch Kündigung oder sonstwie entledigen (oben Anm. 139). e) Der Selbstbehalt Anm. 166
1 1 2 . Die Rückversicherung ist, der Hauptsache nach, dazu bestimmt, versicherte Risiken über mehrere Versicherer, den Rückversicherer und den Vorversicherer, zu verteilen. Ein auf vollständige Abwälzung der versicherten Risiken ausgehender Versicherer kann ordentlicher Weise auf keinen Verdienst rechnen. Der Vorversicherer muß gewöhnlich einen Teil des Risikos behalten. Das ist sein „Selbstbehalt" (Selbstengagement, Eigenbehalt, Plein, Priorität, Maximum, Netto, Impegno). Anm. 167 1 1 3 . An diesem Selbstbehalt ist aber a u c h d e r R ü c k v e r s i c h e r e r i n t e r e s s i e r t . An solchem Selbstbehalt des Versicherten ist der Versicherer j a schon bei der Direktversicherung oft interessiert. Denn die Vollversicherung, insbesondere die Vollversicherung von Schiffen, die vom Versicherten selbst geführt werden, schwächt das Interesse des Versicherten an der Selbsterhaltung oft so sehr, daß der Versicherer nur einen Teil des Risikos übernimmt und dem Versicherten zur Pflicht macht, einen anderen Teil des Risikos selbst zu laufen, zu solchem Teile Selbstversicherer zu sein und zu bleiben („Pflicht des Selbstbehalts", „obligatorischer Selbstbehalt"; vgl. § 8 Anm. 6). Im Falle der Rückversicherung des ganzen Risikos ist der Selbstbehauptungs-Trieb des Vorversicherers ganz unterbunden. Sein Interesse an der Vermeidung eines Rückversicherungs-Schadens ist nicht nur geschwächt, es ist verlorengegangen und in sein Gegenteil verkehrt. Der Vorversicherer hat nur noch das Interesse, sich seine Kunden zu erhalten, und kann diesem Interesse auf Kosten des Rückversicherers opfern. Dies ist erst recht der Fall, wenn dem Vorversicherer, der Regel gemäß, das Abwicklungsrecht eingeräumt ist. Demgegenüber sind die Assekuranztreue, das besondere Vertrauensverhältnis, das die Rückversicherung mit ihrem Abwicklungsrecht des Vorversicherers kennzeichnet, die Rücksicht auf eine für beide Teile fruchtbare, längere Geschäftsverbindung zwischen Vor- und Rückversicherer keine ausreichenden Hemmungen. Der Interessenkehrung muß hier mit eindrucksvolleren Mitteln entgegengewirkt werden. Deshalb wird regelmäßig vereinbart, daß der Vorversicherer einen Teil des Risikos behalten muß (ζ. B. „Für 60 000 D M als Exzedenten von 20 000 D M bis 80 000 D M ; in der Priorität von 20000 D M sind Zeichnungen der rückversicherten Gesellschaft auf Kasko, Fracht und Interesse eingeschlossen", d. h.: Die Priorität muß unversichert bleiben, darf aber gleichwohl anderweit rückversichert werden, wenn der Vorversicherer für 20000 D M am Kasko usw. beteiligt bleibt). Wenn es versäumt wird, ausdrücklich zu vereinbaren, daß der Vorversicherer einen Teil des Risikos selbst behalten soll, versteht es sich deshalb auch von selbst, daß der Rückversicherer, der nur einen Teil des Risikos übernimmt, damit rechnet, daß der Vorversicherer einen angemessenen Teil selbst behält (vgl. J . v. G i e r k e V S R I I 378, P r ö l ß Anm. 4 zu § 186 V V G ; anders nur in der Gefahrenrückversicherung, bei der wegen der Abgabe eines sehr beschränkten Teilrisikos ein Selbstbehalt grundsätzlich nicht in Frage kommt; vgl. P r ö l ß H a n s R G Z 1942. 41 ff., auch J . v. G i e r k e a. a. Ο.). Deshalb versteht sich ebenso von selbst, daß, wenn der Vorversicherer das ganze Risiko oder den bei ihm verbliebenen Rest
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des Risikos rückversichert, dies einen für die Übernahme der Gefahr durch den § 1 Rückversicherer sehr erheblichen Umstand bildet, daß es also gemäß § 19 angezeigt werden muß, und daß der Vorversicherer, wenn er nach Abschluß des Rückversicherungs -Vertrags den Rest des Risikos rückversichert oder sonstwie aufgibt, die Gefahr ändert, und der Rückversicherer gemäß § 24 frei wird ( E h r e n b e r g R V 72, J o s e f AssJB 37. 27, M o l d e n h a u e r D V f V W V e r ö f f . 2. 282, S t u t z 31, T h i e s i n g M i t t ö f f F V A 1911. 748, R O H G 10. 380, H G Mainz Z f V R 2. 220; ebenso auch L G Hamburg H G Z 1897. 19 für den Fall des obligatorischen Selbstbehalts bei der Direktversicherung des Schiffes oder der Güter usw.). Es ist deshalb auch unrichtig, zu fragen, ob sich ein Gewohnheitsrechtssatz gebildet hat, nach dem der Vorversicherer verpflichtet ist, einen Teil des Risikos selbst zu behalten (so R G 53. 147 und, folgend, E h r e n b e r g R V R a i , O b e r m a y e r 35, T h i e s i n g M i t t ö f f F V A 1911. 748, R G 74.415), oder ob eine solche Verpflichtung „als selbstverständliche Voraussetzung eines jeden Rückversicherungs-Vertrags, als Gewohnheitsrecht und Grundprinzip der Rückversicherung" anzusehen ist (so H a g e n Z f V W 1920. 154, H a n z l i k 24 im Anschluß an E h r e n b e r g R V 14, R V R 21), — eine Frage, die zu verneinen natürlich leicht ist. Und ebenso unrichtig, die Frage zu stellen, ob der Vorversicherer die Verpflichtung zum Selbstbehalt als „vertragsmäßige Gegenleistung" übernommen hat und im Falle der Verletzung dieser Verpflichtung den Entschädigungsanspruch verwirkt (so H G Z 1897. 19, 1913. 195 für den Fall der Vereinbarung eines obligatorischen Selbstbehalts bei einer Direktversicherung), oder den Rückversicherer „ v o n der Leistung befreit" (so H a g e n Z f V W 1920. 155), oder ob die Anzeigepflicht „ d e m zu vermutenden vernünftigen Willen der Beteiligten entspricht und daher als stillschweigend bedungen und selbstverständlich gelten m u ß " (so J o s e f AssJB 37. 27), oder ob der Rückversicherer, wenn der Vorversicherer von seinem Risiko nichts zurückbehält, den Rückversicherungs-Vertrag wegen „Irrtums über das Wesen des Vertragsgegenstandes" anfechten kann ( R G 53. 142; dagegen E h r e n b e r g R V R 23, H a g e n Z f V W 1920. 155; vgl. auch über das Verhältnis der Anzeigepflicht zur Irrtumsanfechtung: § 20 Anm. 38). Sondern es handelt sich lediglich um die nach Gesetz, Bedingungen und Verkehrsanschauung zu beantwortende Frage, ob die Rückdeckung eines angemessenen, nach der allgemeinen Übung und Verkehrsanschauung oder nach ausdrücklicher Vereinbarung zurückzubehaltenden Risikoanteils ein Umstand ist, der für die Übernahme der Gefahr durch den Rückversicherer e r h e b l i c h ist und demgemäß auch, wenn die Rückdeckung später erfolgt, eine Gefahränderung bedeutet (vgl. auch J. v. G i e r k e V S R II 378f.). Und daß dies der Fall ist, ist bisher ernstlich von niemand bestritten worden und kann nicht bestritten werden, — es sei denn von den Assekuradeuren selbst (vgl. hierzu insbesondere die sachverständigen Ausführungen des Assekuradeurs S t u t z 31). Nach R O H G 24. 392 soll der Vorversicherer nicht verpflichtet sein, anzuzeigen, Anm. 168 weil § 58 A S V B ihn verpflichte, b e s t i m m t e Umstände anzuzeigen, und zu diesen Umständen der hier fragliche n i c h t gehöre. Die Unschlüssigkeit dieser Beweisführung hat schon E h r e n b e r g R V 73 nachgewiesen; gegenüber den A D S kommt sie schon deshalb nicht in Betracht, weil die A D S eine dem § 58 A S V B entsprechende Bestimmung nicht enthalten. — Nach R O H G 24. 392 soll der Vorversicherer ferner nicht verpflichtet sein, anzuzeigen, weil es n i c h t s u n g e w ö h n l i c h e s sei, daß der Vorversicherer sein ganzes Risiko versichere (von H a g e n Z f V W 1920. 155 aufgenommen). Das ist tatsächlich unrichtig und überdies unschlüssig. Tatsächlich behält der Vorversicherer, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, einen Teil des Risikos zurück ( E h r e n b e r g R V 74), — wie sich dies auch nach dem wirtschaftlichen Zwecke der Rückversicherung von selbst versteht. Und die verschwindenden Ausnahmefälle sind regelmäßig solche, bei denen Vor- und Rückversicherer über die Überwälzung des
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gesamten Risikos einig sind (weshalb H a g e n Z f V W 1920. 1 5 5 mit Unrecht auf die Fälle der Abtretung des Portefeuilles in der Form der Rückversicherung verweist). Oder es sind Fälle höchst ungewöhnlicher oder gar bedenklicher Art (wie der Fall R G 74. 4 1 3 : Der Agent des Vorversicherers, der zugleich der Agent des Rückversicherers ist, deckt „ i n sich selbst" das gesamte Risiko des Vorversicherers beim Rückversicherer). Die Beweisführung des R O H G 24. 392 ist aber auch unschlüssig. Denn selbst wenn die Rückversicherung des ganzen Risikos nichts gewöhnliches wäre, könnte es doch etwas ungewöhnliches sein, daß dabei die Tatsache der vollständigen Rückdeckung und des dadurch herbeigeführten Interesseverlustes beim Vorversicherer dem Rückversicherer nicht angezeigt wird, •— und daß dies etwas ungewöhnliches ist, ist, wie gesagt, noch nie bestritten worden. — Nach O b e r m a y e r 39 soll der Vorversicherer nicht nach den Grundsätzen über die vorvertragliche Anzeigepflicht (sondern gewohnheitsrechtlich) verpflichtet sein, anzuzeigen, weil der Vorversicherer nach Abgabe des Selbstbehalts es nicht „notwendig" an der erforderlichen Sorgfalt fehlen zu lassen brauche. Die „ N o t wendigkeit" der Entstehung eines Schadens oder auch nur eines bestimmten Gefahrzustandes ist aber keine Voraussetzung der Anzeigepflicht (vgl. unten Anm. 169, § 19 A n m . 23 fr.).
Anm. 169
M a n hat der hier vertretenen Auffassung einen (wie ζ. B. die Ausführungen von H a g e n Z f V W 1920. 154 zeigen) verhängnisvollen Dienst erwiesen, als man sie von ihrer natürlichen Grundlage entfernte und die Pflicht des Selbstbehalts als eine „ s e l b s t ä n d i g e A s s e k u r a n z v e r p f l i c h t u n g " (deren Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Ausnahmen erst nocht festzustellen wären) auf den brüchigen Boden eines G e w o h n h e i t s r e c h t s s a t z e s stellte (so E h r e n b e r g R V R 20). Es geschah, weil man meinte, die Auffassung, daß es sich um eine Angelegenheit des Anzeigepflicht- und des Gefahränderungs-Rechtes handle, habe „etwas Gezwungenes, da die Gefahr des Risikos selber von dem Selbstbehalt des Erstversicherers . . . nicht berührt werde und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden . . . nicht denkbar sei". Es ist das etwa derselbe Irrtum, der H G Z 1905. 154 geleitet und verleitet hat, anzunehmen, der Versicherungsnehmer brauche nicht anzuzeigen, daß die zu versichernden Güter sogenannte Retourwaren (§ 83 Abs. 2) seien, weil sie mit dieser Eigenschaft Versicherungsschäden nicht in höherem Maße ausgesetzt seien als ohne sie (näheres: § 19 Anm. 25). Oder derselbe Irrtum, der es sein würde, wenn man behauptete, der Vorversicherer brauche nicht anzuzeigen, daß die Vorversicherung zu ungewöhnlichen und den Rückversicherer deshalb nicht bindenden Bedingungen abgeschlossen ist (oben Anm. 149, § 19 Anm. 25). Für die Übernahme der Gefahr, für den Entschluß des Versicherers, sich auf den Versicherungsvertrag einzulassen, sind natürlich nicht nur solche Umstände von Bedeutung, welche die Möglichkeit der Entstehung versicherungsmäßiger Schäden betreffen, sondern auch andere Umstände, insbesondere Umstände, welche die Gefahr nahelegen, daß dem Versicherer auch versicherungsfremde Schäden mit Erfolg zur Last gelegt werden (§ 19 Anm. 25), oder die Gefahr, daß der Versicherer im Entschädigungsfall von dritten nicht den Ersatz erhält, mit dem er rechnen darf (§ 19 Anm. 25, § 87 Anm.). Deshalb hat man ζ. B. auch in der englischen Rechtsprechung den Umstand als anzeigebedürftig anerkannt, daß die T a x e (wenngleich im allgemeinen nicht anfechtbar: § 6 Anm. 43) übermäßig übersetzt ist, und ebenfalls anerkannt, daß die Verletzung der Selbstbehalts-Pflicht als a breach of warranty gilt. Allerdings haben sich die englische Wissenschaft und Rechtsprechung mit der Verpflichtung zur Anzeige der vollständigen Deckung des Versicherungsrisikos usw. anscheinend bisher nicht beschäftigt. Aber es wäre verfehlt, hieraus den Schluß zu ziehen, daß „ d a s englisch-amerikanische Recht diesem Umstand überhaupt keine große Bedeutung beilegt" (so R G 74. 4 1 5 ) . Denn das englische Rückversicherungs-
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Geschäft ist ein wesentlich anderes, als das deutsche gewesen (vgl. auch M a n e s Ver- § 1 sicherungswesen 461). Als „etwas Gezwungenes" könnte man es ζ. B. auch bezeichnen, daß unrichtige Angaben über frühere Schäden oder Versicherungen eine Verletzung der Anzeigepflicht darstellen, „ d a die Gefahr des Risikos selber" von der Tatsache früherer Schäden oder Versicherungen „nicht herührt wird und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden . . . nicht denkbar ist". Und doch hat man niemals bezweifelt, daß in diesen Fällen die Anzeigepflicht verletzt ist ( G e r h a r d 91, K i s c h 2. 198). Dem Vorversicherer mag häufiger, als dem Versicherungsnehmer sonst, der Nachweis gelingen, daß die Deckung des Selbstbehalts auf den Eintritt des (Rück-) Versicherungsfalls oder auf den Umfang der Leistungspflicht des (Rück-)Versicherers keinen Einfluß hat ( V V G § 21, H G B § 811 Abs. 3, — f ü r die See-Rückversicherung nach den A D S ohne Bedeutung: §§ 19—22) oder hat üben können (§ 24 Abs. 2). An der Eigenschaft der Deckung als eines gefahrerheblichen Umstandes kann dies natürlich nichts ändern. — Eine „selbständige Assekuranzverpflichtung", eine besondere „Pflicht des Selbstbehalts" gibt es also nicht (anders J. v. G i e r k e V S R II 378). Die sogenannte Pflicht des Selbstbehalts geht teils in der vorvertraglichen Anzeigepflicht, teils in der Gefahrstandspflicht auf. Wer also diese beiden Pflichten nicht als Pflichten, sondern als „ b l o ß e " Obliegenheiten des Versicherungsnehmers betrachtet, muß auch die Pflicht des Selbstbehalts als solche bloße „Obliegenheit" ansehen (so auch H e r r m a n n s d o r f e r 95; näheres hierüber Vorb. vor § 1 Anm. 63, § 19 Anm. 9, § 23 Anm.). Wenn der Vorversicherer zwar einen angemessenen Teil des Risikos zurückbehält, Anm. 170 s p ä t e r aber ihn a n d e r w e i t r ü c k v e r s i c h e r t , ist im ersten RückversicherungsVerhältnis die Gefahr erhöht, im zweiten (gegebenenfalls) die Anzeigepflicht verletzt. — Wenn der Vorversicherer zwar einen angemessenen Teil des Risikos zurückbehält, aber schon b e i d e r S c h l i e ß u n g des Rückversicherungs-Vertrags b e a b s i c h t i g t , ihn später anderweit zu decken, muß er diese Absicht anzeigen ( E h r e n b e r g R V 72; abw. R O H G 10. 380). Denn auch bloße Absichten sind „Umstände" und nach § ig anzuzeigen, wenn sie fiir die Übernahme der Gefahr erheblich sind (§ 19 Anm. 23). Der Rückversicherer braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, daß die Ausführung der Absicht, die spätere Deckung des Selbstbehalts, die Gefahr erhöht und ihn gemäß § 24 Abs. 1 befreit, zumal er nach § 24 Abs. 2 nicht frei sein würde, wenn die Erhöhung auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder auf den Umfang der Leistung des Rückversicherers keinen Einfluß hätte üben können. Der zum Selbstbehalt verpflichtete Vorversicherer darf den Selbstbehalt natürlich Anm. 171 a u c h n i c h t a u f a n d e r e W e i s e als durch Rückversicherung a b s t o ß e n , ζ. B. nicht durch Vereinbarung mit dem Vorversicherten. 113. Art und Umfang des Selbstbehalts werden meist im Rückversicherungs- Anm. 172 Vertrag bestimmt. Ist nichts vereinbart, so muß der Vorversicherer im Zweifel einen angemessenen Teil des Risikos zurückbehalten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Selbstbehalt das Interesse des Vorversicherers an der umsichtigen Abwicklung der Vorversicherung wachhalten soll. Der Selbstbehalt müßte daher regelmäßig nach der Höhe der Versicherungssumme bemessen werden. Würde der Vorversicherer für das Schiff und die Güter Versicherung übernommen haben und das ganze Güterrisiko rückversichern, so würde er sich nicht darauf berufen können, daß er das Kaskorisiko behalten habe. Der Behalt des Kaskorisikos würde keine Gewähr sein, daß der Vorversicherer nicht bei der Abwicklung der Güterversicherung aus der Haut des Rückversicherers Riemen schneidet. Aber hier weicht die Verkehrsanschauung (die darüber entscheiden muß, was als „gefahrerheblich" anzusehen ist), wie so manches Mal, von den Regeln der Logik ab. Es genügt dem Rückversicherer durchweg, wenn der Vorversicherer von 11
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§ 1 dem überhaupt versicherten, aus Schiff, Fracht, Ladung usw. bestehenden, Gesamtrisiko so viel selbst läuft, daß er an der Gesamtunternehmung in angemessenem Umfang interessiert bleibt. Hat der Vorversicherer Versicherung übernommen für „Stabeisen per St. Andrew von Cardiff nach Galatz zur Taxe von 21 600 DM (nur) gegen Kriegsgefahr zur Prämie von 2 % " , das ganze Risiko „Nur für Kriegsgefahr" rückgedeckt und dabei verschwiegen, daß er kein anderes Risiko als das Kriegsrisiko läuft, so wäre die Anzeigepflicht verletzt (abw. R O H G 24. 392; vgl. oben Anm. 168). Würde der Vorversicherer auch für das übrige Güterrisiko Kriegsversicherung übernommen haben oder würde er durch eine Kasko- oder eine Interessenversicherung, welche die Kriegsgefahr deckt, an der Gesamtunternehmung beteiligt geblieben sein, so würde er nach der Verkehrsanschauung die Anzeigepflicht nicht verletzt haben (im Ergebnis ebenso E h r e n berg R V 77, der sich jedoch in der grundsätzlichen Beurteilung von dem gewöhnlichen Inhalt der Rückversicherungs-Verträge hat beeinflussen lassen; vgl. auch Prölß HansRGZ 1942. 41 ff.). Man könnte freilich aus dem Umstand, daß die Rückversicherungs-Verträge regelmäßig ausdrücklich bestimmen, daß der Selbstbehalt eines andersartigen Teiles des Gesamtrisikos genügt, auch den Gegenschluß ziehen, daß der Verkehr sich ohne solche ausdrückliche Bestimmung an solchem Selbstbehalt nicht genügen läßt. Aber nach den tatsächlich unter den Assekuradeuren herrschenden Anschauungen wäre dieser Schluß nicht gerechtfertigt. Die gewöhnlichen Rückversicherungs-Verträge spiegeln die Verkehrsanschauung richtig wieder. Danach würde es insbesondere auch genügen, wenn der Vorversicherer zwar nicht mehr unmittelbar, wohl aber noch als Rückversicherer für den bei einem anderen Vorversicherer versicherten Teil des Risikos beteiligt bleibt (Ehrenberg R V 78). — Anders bei der heute üblichsten Art der laufenden Rückversicherung, beim Quotenvertrag (oben Anm. 131). Hier wird der Selbstbehalt in einer „Mindestquote" bestimmt, die natürlich von jedem einzelnen Risiko zu berechnen ist. Anm. 173
114. Der Rückversicherer, der weitere Rückversicherung nimmt und nichts zurückbehält, wird hiervon jedenfalls dann Anzeige machen müssen (und, wenn er den zurückbehaltenen Rest des Risikos später deckt, hierzu jedenfalls dann nicht berechtigt erscheinen), wenn der Vorversicherer nicht abwicklungsberechtigt ist und ihm, dem R ückversicherer, deshalb ein Einfluß auf die Abwicklung der Vorversicherung zustehen würde, der mit Rücksicht auf den Mangel eines eigenen Interesses dem zweiten Rückversicherer gefährlich werden könnte. Dasselbe wird aber auch sonst gelten müssen (Ehrenberg R V 79, R V R 22; teilw. abw. O b e r m a y e r 36). Freilich findet sich in Retrozessions-Verträgen hin und wieder die Bestimmung, daß der erste Rückversicherer auch den Rest seines Interesses retrozedieren darf. Aber diese Bestimmung ist nicht gewöhnlich und drückt nicht die Verkehrsanschauung aus. Freilich hat in der Hauptsache nicht der erste Rückversicherer, sondern der Vorversicherer das Abwicklungsrecht. Aber alle anderen Gründe, die für die Pflicht des Selbstbehalts sprechen, gelten auch hier. Und wenn auch der Vorversicherer das Abwicklungsrecht hat, steht doch auch dem ersten Rückversicherer in seinem Verhältnis zum zweiten Rückversicherer grundsätzlich dasselbe Abwicklungsrecht zu. Zwar kann es sich seinem Gehalt nach mit demjenigen des Vorversicherers nicht messen; denn es wird durch eben dieses stark beschränkt. Aber es ist darum nicht bedeutungslos. Denn der erste Rückversicherer hat das Recht, die Abwicklung des Vorversicherers zu beaufsichtigen (oben Anm. 158), mit dem Vorversicherer Vereinbarungen über die Abwicklung zu treffen usw. Tatsächlich holt der Vorversicherer auch nicht selten trotz seines Abwicklungsrechts Weisungen des Rückversicherers ein. — Hat der erste Rückversicherer dem Vorversicherer das ganze Risiko abgenommen, ihm aber das Abwicklungsrecht belassen, so muß er auch diesen Umstand dem zweiten Rückversicherer anzeigen. Denn es ist auch für die Übernahme
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der Gefahr durch den zweiten Rückversicherer erheblich, ob der abwicklungsberechtigte § 1 Vorversicherer noch ein Risiko läuft oder nicht. — Hat der erste Rückversicherer dem Vorversicherer das ganze Risiko abgenommen und ihm damit die Abwicklung der Vorversicherung entzogen, so wird er auch hiervon regelmäßig dem zweiten Rückversicherer Anzeige machen müssen. Denn der zweite Rückversicherer hat regelmäßig ein Interesse daran, zu wissen, in wessen Händen die Abwicklung in erster Linie liegt. 115. R O H G 24.3912 hält den abwicklungsberechtigten Vorversicherer nicht für Anm. 174 verpflichtet, anzuzeigen, daß es das ganze Risiko ist, das er rückversichert (oben Anm. 168). Die gefährlichen Folgen einer solchen Auffassung mögen dem Gericht nicht ganz entgangen sein. Denn es stellt, wohl zum Ausgleich, schließlich noch den Satz auf, der abwicklungsberechtigte Vorversicherer sei, „ w e n n . . . d a s g e s a m t e R i s i k o r ü c k v e r s i c h e r t worden sei, verbunden, d e n K u n d g e b u n g e n d e s R ü c k v e r s i c h e r e r s s o w e i t z u f o l g e n , als d i e s e r n i c h t s R e c h t s w i d r i g e s , U n b i l l i g e s o d e r e i n e r v o n i h m , dem Rückversicherten, g e h e g t e n w o h l b e g r ü n d e t e n Ü b e r z e u g u n g W i d e r s p r e c h e n d e s v e r l a n g e " ( R O H G 24. 394; wörtlich ebenso: H a g e n Z f V W 1920. 157; zustimmend V o i g t 292). O b dieser sogenannte Grundsatz nur für den Fall gelten soll, daß „der Rückversicherte sich mit dem Rückversicherer über das einzuhaltende Verfahren in Beziehung setzt und dessen Ansichten und Willensmeinungen einholt (so unmittelbar vorher R O H G 24. 394), oder ob der Rückversicherer auch unaufgefordert „ K u n d g e b u n g e n " der bezeichneten Art erlassen kann (so H a g e n a a O ) , lassen die Gründe des R O H G nicht erkennen. Ebensowenig, ob dieser Grundsatz nur für den Fall gelten soll, daß das gesamte Risiko rückversichert ist (so anscheinend R O H G a a O : „jedenfalls" in diesem Falle), oder auch in anderen Fällen (so H a g e n aaO). Wie dem auch sei, irgendwelche Berechtigung hat der Grundsatz n i c h t , soweit er überhaupt auf irgendeine selbständige Bedeutung Anspruch machen kann. „Kundgebungen, die nichts Rechtswidriges, Unbilliges oder einer vom Vorversicherer gehegten wohlbegründeten Uberzeugung Widersprechendes verlangen", werden in aller Regel Maßnahmen betreffen, zu denen der Vorversicherer auf Grund seiner durch das Abwicklungsrecht nur in bestimmter Richtung beeinflußten Versicherungspflichten, insbesondere durch seine Schadenabwendungs- und Schadenminderungs-Pflicht, ohnehin verpflichtet ist. Insoweit würde dem Grundsatz also jede selbständige Bedeutung fehlen. Soll er aber bedeuten, daß der abwicklungsberechtigte Vorversicherer bei der Auswahl mehrerer gleich pflichtmäßiger Maßnahmen an das Weisungsrecht des Rückversicherers gebunden ist, so würde er im Gesetzesrecht so wenig, wie in den A D S , eine Stütze haben. Sollte das R O H G dagegen nur haben aussprechen wollen, daß Rückversicherer und Vorversicherer sich über Abwicklungsmaßnahmen einigen können und der Vorversicherer dann an die Einigung gebunden ist, so würde es wieder etwas selbstverständliches ausgesprochen haben. Und sollte es schließlich in der bloßen „Einholung einer Ansicht" des Rückversicherers eine Willenserklärung des Vorversicherers erblicken, die, wenn der Rückversicherer „nichts Rechtswidriges usw." verlangt, zu einer solchen, den Vorversicherer wie den Rückversicherer bindenden, Einigung führt, so würde es sich mit der Verkehrsanschauung in bedenklichen Widerspruch gesetzt haben, die in der „Einholung von Ansichten" und in der Äußerung von Ansichten keinen Verzicht des einen und keine Falle für den anderen erblickt.
f) Rückversicherungs-Prämie. Provision 116. Die Rückversicherung ist nicht dazu da, dem Vorversicherer Unternehmer- Anm. 175 gewinn zu vermitteln. Aber sie soll natürlich auch vom Vorversicherer nicht mit Nachteilen erkauft werden. Der Vorversicherer muß für die U n k o s t e n E r s a t z 11»
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§ 1 erhalten, die auf den rückversicherten Risikoanteil entfallen, und eine V e r g ü t u n g f ü r die A b w i c k l u n g des Vorversicherungs-Verhältnisses, soweit die Abwicklung den rückversicherten Risikoanteil angeht. Das folgt schon daraus, daß der Kaufmann nichts umsonst tut (HGB § 354). Insbesondere aber entspricht die Teilung der Unkosten bei der auf Teilung des Risikos gerichteten Rückversicherung der partiarischen Natur dieses Verhältnisses. Denn der partiarisch Beteiligte soll nur am Reingewinn des Geschäfts teilnehmen. Reingewinn ergibt sich aber erst nach Abzug der auf das Geschäft verwendeten Kosten. Anm. 176
Kostenersatz und Vergütung können in dem U n t e r s c h i e d z w i s c h e n Voru n d R ü c k v e r s i c h e r u n g s - P r ä m i e zum Ausdruck kommen. Bei der l a u f e n d e n Rückversicherung verbleibt dem Vorversicherer r e g e l m ä ß i g der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n B r u t t o - u n d N e t t o p r ä m i e . Hierüber hinaus erhält er eine „ P r o v i s i o n " („Kommission", „Retourkommission", „Rückvergütung") für allgemeine Geschäftsunkosten (bei Kaskoversicherungen regelmäßig 5 % , bei Güterversicherungen regelmäßig 7 % % der Nettoprämie), oft auch noch einen Anteil am Nettogewinn (vgl. E h r e n b e r g R V 163, Anon. WallmannsZ 7. 921). Durch diesen Gewinnanteil wird der Vorversicherer noch besonders veranlaßt, bei der Abwicklung sorgfältig zu verfahren. — Uber den in der See-Rückversicherung kaum vorkommenden Fall, daß die laufende Rückversicherung endigt und damit auch die Rückdeckung der noch nicht beendigten Vorversicherungen erlischt, sowie über die Berechnung der Provision in solchen Fällen: E h r e n b e r g und K i s c h Z f V W 1918. 75, 144, 292. — Näheres: § 16 Anm. 29 ff.
Anm. 177
117. Abs. 2 Satz 2. Das Interesse muß richtig bezeichnet werden (§ 1 Abs. 3;
oben Anm. 3 ff.). Natürlich, — denn das Interesse ist der Gegenstand der Versicherung. Es bestimmt den Versicherungswert und entscheidet damit über Unterversicherung, Überversicherung, Doppelversicherung, Anfechtbarkeit der Taxe. Es entscheidet über den Einfluß des Versicherungsnehmers auf die versicherte Unternehmung und damit über den Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht und die Möglichkeit einer den Versicherer befreienden oder nicht befreienden Gefahränderung, über die Voraussetzungen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls, über die Möglichkeit von Schadenabwendungs- oder Schadenminderungs-Maßregeln. Es entscheidet über den Umfang der Haftung des Versicherers und über die Art der Entschädigung. Es beeinflußt auch die Art der Schadensfeststellung. Näheres hierüber bei den einzelnen Bestimmungen der ADS. Anm, 178 Darüber, was eine r i c h t i g e B e z e i c h n u n g des zu versichernden Interesses ist, können im einzelnen Falle Zweifel bestehen (unten Anm. 183 fr.). Denn das Wort baut eine Brücke nicht nur zum Verständnis, sondern auch zum Mißverständnis. Die englische Verkehrsanschauung nimmt es in dieser Beziehung im allgemeinen nicht so genau (oben Anm. 13). Nur die Sache, zu der die Beziehung, an der das Interesse besteht, auf welche die Versicherung „sich bezieht", the subject-matter must be designated in a marine police with reasonable certainty (MIA § 26 Abs. 1 ; O L G Hamburg Sasse Nr. 465). Wird das Interesse genau bezeichnet, ζ. Β. on profits, on freight, on bottomry, on disbursements, on 100 bales cotton marked usw.: A r n o u l d 15 s. 13), so ist natürlich auch nur dieses so bezeichnete Interesse versichert. Aber the nature und extent of the interest of the assured in the subject-matter insured need not be specified in the policy (MIA § 26 Abs. 2). Und: Where the policy designates the subject-matter insured in general terms, it shall be construed to apply to the interest intended by the assured to be covered (MIA § 26 Abs. 3). Nur regard shall be had to any usage regulating the designation of the subject-matter insured ( M I A § 26 Abs. 4). Nach der Verkehrssitte können ζ. Β. loans on bottomry and respondentia nur als solche versichert werden ( C h a l m e r s
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39; vgl. auch oben Anm. 107). Das deutsche Recht hat es mit der „richtigen" Bezeich- § 1 nung des Interesses von jeher aus den oben angegebenen Gründen ernster genommen (was das R G verkannt hat: Anm. 13fr.). Welche Bezeichnung als „richtig" zu gelten hat, muß natürlich, wenn die Parteien Anm. 179 über die Bedeutung der Bezeichnung nicht einig gewesen sind, die V e r k e h r s a n schauung ergeben. Die Verkehrsanschauung festzustellen, mag aber im einzelnen Falle schwierig sein. Auch mag die Verkehrsanschauung, die für den Versicherer maßgebend ist, von derjenigen abweichen, die für den Versicherungsnehmer maßgebend ist. Nur um in dieser Beziehung Zweifel hintanzuhalten und um die Wichtigkeit richtiger Bezeichnung des Interesses noch einmal hervorzuheben, bestimmen § 779 Abs. 2 H G B und § 1 Abs. 2 Satz 2 A D S für die Beispielfälle des § 1 Abs. 2 Satz 1, daß die eine der hier aufgeführten Interessenbezeichnungen kein anderes der hier bezeichneten Interessen deckt. Denn wenn auch selbstverständlich die Versicherung „des Schiffes" keine Versicherung „der Güter" und keine Versicherung „der Fracht", die Versicherung „der Güter" keine Versicherung „des Schiffes" ist, so möchte man doch vielleicht der Versuchung erliegen, in der Versicherung „des Schiffes" auch die Versicherung von Forderungen gegen Schiffsgefahren oder von Schiffsgewinn, in der Versicherung „der Güter" auch die Versicherung von Forderungen gegen Ladungsgefahren oder von imaginärem Gewinn zu erblicken, zumal es sich doch im einen wie im anderen Falle um die Versicherung von Eigentümerinteressen handelt. Auch wäre zu befürchten, daß man in der Versicherung von Fracht auch die Versicherung von Schiffsmiete sehen, und insbesondere, daß man in der Versicherung „des Schiffes" oder „der Güter" usw. auch eine Rückversicherung erblicken würde. 118. Die englische Rechtsprechung ist auch in bezug auf die Rückversicherung Anm. 180 dem von der deutschen Verkehrsanschauung abweichenden englischen Herkommen treu geblieben. Die Rückversicherung braucht nicht als Rückversicherung bezeichnet zu werden. As it is, apart from usage, never necessary in a contract of insurance to describe the interest of the assured, but it is sufficient to specify simply what is the thing assured, it follows that a contract of re-assurance need only show that the thing intended to be covered is ship, freight, goods, or whatever it may be; it is not as a matter of law necessary that it should appear on the face of it to be a contract of re-assurance ( A r n o u l d 342 s. 375). Die Versicherung on cotton deckt also auch das Interesse des Vorversicherers (ζ. Τ . ebenso die französische Rechtsprechung: D r o z 1. 348). Versuche, diesen Grundsatz zu erschüttern (1896: C h a l m e r s 38, und bei Gelegenheit der Verabschiedung des M I A : A r n o u l d 342f. s. 375), schlugen fehl. Der Verkehr hatte sich mit der Auffassung der Gerichte abgefunden. Having regard of the length of time during which this decision has been unquestioned law, it was thought better not to disturb it ( C h a l m e r s 39). Man schätzt eben in England die Beständigkeit von den Vätern überkommener, im allgemeinen Rechtsbewußtsein verankerter, vielleicht minder guter Einrichtungen und Anschauungen höher, als die Unrast des die Grundlagen des Staatswesens bedrohenden Wechsels. Deshalb hat sich auch any usage regulating the designation of the subjectmatter insured (MIA 26 Abs. 4) für die Notwendigkeit der Bezeichnung einer Rückversicherung als solcher bisher nicht gebildet. Immerhin ist es neuerdings üblich geworden, in der Police die Rückversicherung als solche zu bezeichnen, weil dem Vorversicherer wertvoll ist, sich im Rückversicherungs-Vertrag auszubedingen, daß für die Rückversicherung die Bedingungen der Vorversicherung maßgebend sind. Auch nach f r a n z ö s i s c h e m Rechte braucht die Rückversicherung nicht als solche bezeichnet zu werden (vgl. C. de comm. Art. 342). § 1 Abs. 2 Satz 2 hebt hervor, daß „insbesondere" eine Versicherung nur dann Anm. 181 als Rückversicherung gilt, wenn sie bei der Schließung des Vertrags (hierüber: § 2
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§ 1 Anm. 20, § 19 Anm. 16) ausdrücklich, d. h. „unzweideutig durch Worte" (RG 63. 30) als Rückversicherung bezeichnet wird, — wie dies immer gewesen ist (vgl. AHO 1731 X V I I I i, AllgPlan 1847 § 7, ASVB § 58, PreußALR II 8. 2027), und wie es der Natur der Rückversicherung als einer Versicherung des nur und gerade durch die Vorversicherung vermittelten Interesses an der glücklichen Ankunft von Schiff oder Ladung entspricht. Von Schiff oder Ladung; d. h. auch das versteht sich von selbst, daß richtig bezeichnet werden muß, ob die Rückversicherung sich auf das Schiff oder auf die Ladung oder auf beides bezieht. — Dagegen braucht die Rückversicherung nicht als erste oder zweite usw. Rückversicherung bezeichnet zu werden. Das Interesse ist richtig bezeichnet, wenn man Rückversicherung nimmt, mag man Vor- oder Rückversicherer sein (Malss ZHR 13. 5 1 1 , OG Hamburg HGZ 1876. 19; vgl. auch HG Aix Z f V R 2.285, aber dazu auch oben Anm. 180; abw. E h r e n b e r g R V 70, ROHG 20. 129, HG Hamburg HGZ 1875. 342). Der Umstand, daß die Versicherung eine zweite Rückversicherung ist, wird aber oft g e f a h r e r h e b l i c h sein und deshalb gemäß § 19 angezeigt werden müssen (im wesentlichen Ergebnis ebenso: E h r e n b e r g R V 70, ROHG 20. 120 gegen OG Hamburg Hansa 1876. ig). So insbesondere, wenn der Direktversicherer das Abwicklungsrecht hat (oben Anm. 155), und der zweite Rückversicherer zwar dem ersten Rückversicherer, nicht aber dem Direktversicherer zu vertrauen Anlaß hat (Ehrenberg R V 70, ROHG 20. 133; vgl. auch A r n o u l d 342fr. s. 375). Insbesondere ist der Umstand, daß es sich um eine zweite Rückversicherung handelt, immer dann als gefahrerheblich anzusehen, wenn der erste Rückversicherer zugesichert oder absichtlich unrichtig angezeigt hat, daß die Versicherung eine erste Rückversicherung sei (wie im Falle ROHG 20. 128, HGZ 1875. 342, 1876. 19), oder absichtlich verschwiegen hat, daß es sich um eine zweite Rückversicherung handelt, sowie im Zweifel auch dann, wenn der zweite Rückversicherer ausdrücklich danach gefragt hat (§ 21). Haftet der Direktversicherer nach dem Direktversicherungs-Vertrag in weiterem Umfang, als der erste Rückversicherer, wenn er Direktversicherer wäre, haften würde, so braucht der zweite Rückversicherer die Erweiterung der Haftung nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn ihm nicht angezeigt ist, daß es sich um eine zweite Rückversicherung handelt (oben Anm. 148). Insoweit besteht also auch im allgemeinen keine Anzeigepflicht (abw. E h r e n b e r g R V 71, ROHG 20. 134; vgl. jedoch auch über das Verhältnis der Anzeigepflicht zur vertragsmäßigen Beschränkung des Risikos: § 19 Anm. 26). — Anders natürlich, wenn im zweiten RückversicherungsVertrag abweichendes vereinbart ist, wenn der Vertrag ζ. B. die Klausel enthält: „Es präjudiziert nicht, falls diese Rückversicherung von Rückversicherung erste oder fernere Rückversicherung von Rückversicherung ist" (HGZ 1881. 19). Anm. 182
Ist die Rückversicherung nicht als solche bezeichnet, so ist die Versicherung für den Versicherer unverbindlich (§ 1 Abs. 3 Satz 1; vgl. indessen Prölß ZHR 113. 195 = Beiträge zum Rückversicherungsrecht 1965. 10: Die ausdrückliche Bezeichnung als Rückversicherung soll nur Zweifel ausschalten, ob Erst- oder Rückversicherung vorliegt). Anm. 183 119. Abs 3. Wenn (oder soweit) das Interesse unrichtig bezeichnet wird, ist die Versicherung für den Versicherer unverbindlich. Das Interesse ist eine bestimmte Beziehung einer bestimmten Person zu einer bestimmten Sache. Die unrichtige Bezeichnung des Interesses kann also nicht nur darin bestehen, daß die A r t der Beziehung unrichtig bezeichnet wird, sondern auch darin, daß die Person, der Interessent, und endlich darin, daß die S a c h e , zu der die Beziehung besteht, unrichtig bezeichnet wird. Anm. 184 120. Ob die Bezeichnung des Interesses richtig oder unrichtig ist, ist nicht etwa nur nach objektiven Merkmalen festzustellen. Es handelt sich ja darum, festzustellen, auf welches Interesse der Vertrag, die Willenserklärung der Parteien sich beziehen,
Richtige Bezeichnung des Interesses
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also um die A u s l e g u n g des Vertrags. Deshalb ist in erster Linie der wirkliche Wille § 1 der Parteien zu erforschen (und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften) und erst in zweiter Linie festzustellen, was nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte unter der Bezeichnung zu verstehen ist ( B G B §§ 1 3 3 , 157, H G B § 346). Wenn jemand „Vorschußgelder in dem Schiffe Helens B a n k " versichert, ist nach dem Sprachgebrauch und der Verkehrsanschauung eine durch das Schiff gedeckte Forderung versichert; wenn aber ein Korrespondentreeder solche Vorschußgelder versichert und dem Versicherer die Eigenschaft des Versicherungsnehmers als Korrespondentreeders bekannt ist, ist als „ d e r wirkliche Wille" des Versicherungsnehmers nicht nur, sondern auch des Versicherers anzunehmen, daß das Interesse der Reederei an der Erhaltung des Schiffes und der dadurch bedingten Möglichkeit der Rückzahlung des Vorschusses aus dem zu erwartenden Schiffsgewinn versichert (und die Versicherung demnach auch für die Reederei, im Namen oder für Rechnung der Reederei, genommen) sein soll (und daß mithin auch Erstattungsforderungen des Versicherungsnehmers gegen die Reeder nicht auf den entschädigenden Versicherer übergehen sollen); vgl. R O H G 15. 1 1 9 und oben Anm. 122. Wenn ein bekannter Transportunternehmer „die von ihm in Schuten und sonstigen gebräuchlichen Leichterfahrzeugen verladenen Waren jeglicher Art während des Transports von einem Lager, Speicher oder Ladeplatz zum anderen bis zum Belaufe von 60000 D M " f ü r ein J a h r versichert, muß der Versicherer damit rechnen, daß nicht das Eigentümerinteresse, sondern das Haftpflichtinteresse des Frachtführers gemeint ist ( H G Hamburg H G Z 187g. 279). Wenn ein Werftbesitzer für die auf seiner Werft befindlichen „fertigen und unvollendeten, alten und neuen Fahrzeuge für eigene und/oder fremde R e c h n u n g " Feuerversicherung nimmt, braucht der Versicherer nicht damit zu rechnen, daß auch das Haftpflichtinteresse des Werftbesitzers gedeckt sein soll ( H G Z 1 9 1 6 . 1 2 3 ; abw. L G Hamburg H G Z 1 9 1 6 . 1 2 1 ) . — Daß für die Beurkundung des Versicherungsvertrags ein für gewisse Interessen bestimmtes Policenformular verwendet ist, schließt den Nachweis nicht aus, daß nach dem erkennbaren Willen des Versicherungsnehmers nicht das Eigentümerinteresse, sondern ein anderes Interesse hat versichert werden sollen. Ist ζ. B. laut „Güterpolice" „das Interesse der Herren Versicherten an der L a d u n g Blauholz . . . im Segelschiff Sölyst" versichert, so muß der Versicherer den Umständen nach und nach der Verkehrsanschauung darauf gefaßt sein, daß nicht das Eigentümerinteresse, sondern „das Interesse des Verkaufskommissionärs an der Provision" gemeint ist ( H G Z 1895. 79). Was von der Art des Interesses gilt, gilt auch von dem G e g e n s t a n d , auf den A n m . 185 das Interesse sich bezieht, the subject-matter (vgl. oben Anm. 178, 183). Sind „Wollenw a r e n " versichert, so muß der Versicherer auch mit Tuchwaren aus Wolle rechnen ( H G H a m b u r g Seebohm 4 1 9 ; vgl. aber auch H G Hamburg H G Z 1874. 266). Sind „ K u r z w a r e n " versichert, so muß der Versicherer auch mit Spielwaren und GoldleistenSpiegeln rechnen ( H G Hamburg H G Z 1882. 126), sind „ K r a m w a r e n " versichert, sogar mit Gewehren (so, recht bedenklich, O G Hamburg, O A G Lübeck gegen H G Hamburg H H 730). Ist „ W a c h s " versichert, und hierunter nach der Verkehrsanschauung sowohl Bienenwachs wie Baumwachs zu verstehen, so muß der Versicherer mit dem einen wie mit dem anderen rechnen ( H G u. O G H a m b u r g H G Z 1 8 7 1 . 38, 96); anders, wenn nur Bienenwachs „ F r e i von 3 % Beschädigung", Baumwachs dagegen „frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert zu werden pflegt und das Wachs „ F r e i von 3 % Beschädigung" versichert ist (insofern bedenklich: O G Hamburg H G Z 1 8 7 1 . 9 6 ) . Ist „Passagiergut" versichert, so muß der Versicherer nach H G H a m b u r g H G Z 1875. 402 auch damit rechnen, daß es als Frachtgut befördert wird (auch damit, daß der Passagier nicht mitreist). H a t jemand „ K o n t a n t e n " versichert, so kann er nicht erwarten, daß
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§ 1 der Versicherer darunter Gelder versteht, die der K ä u f e r der L a d u n g für diese schuldet ( H G H a m b u r g Ullrich Nr. 249). H a t der Reeder Fracht für eine „ L a d u n g K a f f e e u s w " . versichert, so braucht der Versicherer nicht damit zu rechnen, d a ß ausschließlich Zedernholz geladen wird ( L G u. O L G H a m b u r g H G Z 1885. 159, 1886. 28, 1887. 134 mit freilich teilweise unzutreffender Begründung; vgl. dazu § 19 A n m . 24, § 20 A n m . 28). A n m . 186 121. Die Versicherung ist für den Versicherer unverbindlich. N i c h t ohne weiteres auch f ü r d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Ist das Interesse unrichtig bezeichnet, so besteht es zwar. A b e r es „liegt d e m V e r t r a g nicht z u g r u n d e " (§ 2 Abs. 1). D e m V e r t r a g liegt (wenn nicht etwa der Versicherungsnehmer noch ein zweites, der Bezeichnung entsprechendes Interesse hat) überhaupt kein Interesse zugrunde. Die Rechtsfolgen werden also durch die §§ 2, 3 bestimmt (ungenau O b e r m a y e r 28: W e n n nur eine Partei nicht wisse, „ d a ß es sich u m eine Rückversicherung handle, dann bestehe eben hinsichtlich des Vertragsgegenstands keine Einigung unter den Parteien und folgeweise sei ein gültiger V e r t r a g überhaupt nicht zustandegekommen"). Anders, wenn das Interesse nicht unrichtig, sondern so ungenau bezeichnet ist, d a ß m a n darunter das wirklich vorhandene Interesse sowohl wie ein anderes nicht vorhandenes Interesse verstehen kann, und der Versicherungsnehmer jenes, der Versicherer dieses gemeint hat. So, wenn ζ. B. „ V o r s c h u ß g e l d e r " versichert sind und der Versicherungsnehmer darunter (mit Recht) einen ihm v o m K ä u f e r geschuldeten Kaufpreisrest, der Versicherer darunter (mit Recht) einen v o m Befrachter gezahlten Frachtvorschuß verstehen würde (vgl. H G Z 1889. 237, 301). Das ist versteckter Dissens (Vorb. vor § 1 A n m . 37). Der V e r t r a g ist nur scheinbar zustandegekommen, in Wirklichkeit nicht. Der Versicherungsnehmer kann nicht Entschädigung, der Versicherer weder Prämie noch Ristornogebühr vorlangen. A n m . 187
122. Ist die Versicherung für den Versicherer unverbindlich, so kann der Versicherungsnehmer sich nicht etwa darauf berufen, d a ß der Versicherer auch die Versicherung des Interesses, das der Versicherungsnehmer hat versichern wollen, unter denselben Bedingungen übernommen haben würde ( R O H G 20. 131). A n m . 188 123. A u s n a h m e : Schiffsmiete kann als für bestimmte Zeit geschlossene Fracht (nicht als gewöhnliche Zeitfracht) bezeichnet werden und umgekehrt. Näheres: oben A n m . 94. A n m . 189 124. Das I n t e r e s s e b r a u c h t n i c h t rechtsnotwendig b e z e i c h n e t z u w e r d e n . Weder die Person des Interessenten (vgl. § 52 Abs. 3: Versicherung für R e c h n u n g , wen es angeht) noch die A r t der Beziehung (§ 120), noch endlich die Sache, auf die sich das Interesse bezieht (§ 120 A n m . ) .
§2 Fehlendes Interesse (1) Ein Vertrag, dem ein versicherbares Interesse nicht zugrunde liegt, ist unwirksam. Dies gilt insbesondere von Wettversicherungen. (2) Dem Versicherer gebührt gleichwohl die Prämie, es sei denn, daß er bei der Schließung des Vertrags den Grund der Unwirksamkeit kannte. Anm. 1
1. V g l . H G Β §§ 8 9 5 , 896, A S V B §§ 4 Abs. 4, 155, 156, V V G § 68 Abs. 1
Anm. 2
2. Literatur. § 1 A n m . 2.
Anm. 3
3- A b s . 1. Ein Versicherungsvertrag, dem kein Interesse zugrunde liegt, ist u n w i r k s a m . Natürlich. Denn nur ein Interesse „ k a n n Gegenstand der Seeversicherung sein", „ k a n n versichert w e r d e n " (näheres: § 1 A n m . 3 f f ) . — I n t e r e s s e ist
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eine bestimmte Beziehung einer bestimmten Person zu einer bestimmten Sache (so auch J. v. G i e r k e V S R II 175; anders P r ö l ß vor §51 V V G : „der subjektive Bestandteil des Schadens, den der Versicherer zu ersetzen hat"). D a ß dem Vertrag kein Interesse zugrunde liegt, kann also auch daran liegen, daß ein Interesse zwar besteht, aber nicht der bestimmten P e r s o n zusteht, daß ein Interesse zwar an einer Sache besteht, aber nicht an der bestimmten S a c h e , daß die bestimmte Person zwar ein Interesse an der bestimmten Sache hat, aber nicht die bestimmte, also die im Vertrag bezeichnete B e z i e h u n g (§ 1 Anm. 3ff., 177fr., H a n s O L G Hamburg Hansa 1964. 848, vgl. auch R G 147. 186). 4. „ D e m Vertrag zugrunde liegen" bedeutet nicht: „beim Vertragsschluß bestehen". Die Versicherung kann sowohl für ein gegenwärtiges, wie für ein erst künftiges, wie für ein bereits vergangenes Interesse genommen werden. a) Für ein g e g e n w ä r t i g e s I n t e r e s s e . Der Reeder versichert ζ. B. sein Schiff. Er kann es so versichern, daß die Versicherung s o f o r t b e g i n n e n soll. Oder so, daß sie erst s p ä t e r beginnen soll (vgl. § 4 Abs. 1). Oder so, daß sie schon f r ü h e r beginnen soll (vgl. § 5). In allen Fällen liegt dem Vertrag ein Interesse zugrunde. Soll die Versicherung erst später beginnen, so kann das Interesse noch vor dem Beginn der Versicherung wegfallen, — der Versicherungsnehmer schuldet dann regelmäßig nur die Ristornogebühr (§ 4 Abs. 1). Soll die Versicherung schon früher beginnen, so kann das versicherte Interesse bereits weggefallen, das versicherte Schiff ζ. B. zerstört sein, — dann liegt dem Vertrag ein gegenwärtiges Interesse nicht zugrunde. b) Für ein k ü n f t i g e s I n t e r e s s e . Der Käufer ζ. B., der die Reisegefahr trägt, versichert die erst noch abzuladenden Güter, bevor die Gefahr vom Verkäufer auf ihn übergegangen ist. Die Versicherung muß „ f ü r e i n k ü n f t i g e s I n t e r e s s e genommen" sein (§ 4 Abs. 1), wenn sie als Versicherung eines künftigen Interesses gelten soll. Sonst ist anzunehmen, daß die Versicherung eines gegenwärtigen Interesses gewollt ist, liegt also dem Vertrag kein Interesse zugrunde, wenn es nicht schon beim Vertragsschluß besteht. Aber es genügt natürlich, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß für ein künftiges Interesse Versicherung genommen werden soll. So insbesondere, wenn ein Importeur Übersee abzuladende Güter versichert. Entsteht das Interesse nicht, so kann der Versicherer regelmäßig nur die Ristornogebühr verlangen (§ 4 Abs. 1). — Wenn das Interesse nicht entstehen kann, where . . . the contract is entered into with no expectation of acquiring such an interest ( M I A § 4 Abs. 2a), liegt dem Vertrag kein Interesse zugrunde. Die §§ 2, 3 sind anzuwenden: nicht § 4 Abs. 1. c) Für ein v e r g a n g e n e s Interesse. Der Reeder versichert ζ. B. am 1. Februar sein Schiff für die Zeit vom 1. Januar an; am 15. Januar ist das Schiff bereits zerstört worden. — Die Versicherung muß „so genommen" sein, daß sie auch das schon vergangene Interesse deckt ( § 5 Abs. 1). Sonst ist anzunehmen, daß die Versicherung eines gegenwärtigen Interesses gewollt ist, liegt also dem Vertrag kein Interesse zugrunde, wenn das Interesse schon vergangen, weggefallen, das „versicherte" Schiff ζ. B. schon zerstört ist ( H a n s O L G H G Z 1925 Nr. 22 = H R Z 1925. 273 = J R P V 1925. 64 = Sasse Nr. 328; H G Z 1925 Nr. 56 = H R Z 1925. 516 = Sasse Nr. 337). — Hat seit dem Beginn der Versicherung das Interesse nicht bestanden, war ζ. B. das „versicherte" Schiff schon vor dem Versicherungsbeginn zerstört, so liegt dem Vertrag kein Interesse zugrunde; die §§ 2, 3 sind anzuwenden (nicht § 4 Abs. 1). Ist das Interesse inzwischen weggefallen; das versicherte Schiff ζ. B. zwischen Versicherungsbeginn und Vertragsschluß zerstört, so liegt dem Vertrag ein Interesse zugrunde; dem Versicherer gebührt die Prämie (§ 4 Abs. 2.; wenn nicht etwa der Versicherer um den Wegfall des Interesses wußte: § 5). Ist das Interesse infolge eines versicherungsfreien Ereignisses weggefallen, ζ. B. das „Frei von Kriegsgefahr" versicherte Schiff vom Feinde zerstört, so ist der Ver-
§ 2
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§ 2 sicherer frei. Ist das Interesse infolge eines versicherungsmäßigen Ereignisses weggefallen, ζ. B. das versicherte Schiff im Sturm untergegangen, so muß der Versicherer entschädigen (wenn nicht etwa der Versicherungsnehmer um den Eintritt des Versicherungsfalls wußte oder wissen mußte: § 5). Anm. 8 5. Die interesselose Versicherung ist also unwirksam. Nicht deshalb, weil sie eine Wette wäre (so S i e v e k i n g 2). Sie braucht keine Wette zu sein (HGZ 1887. 14, 15). A policy without interest is not necessarily a wager policy (Chalmers 9). Der Versicherer ist also auch nicht durch § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB gehindert, die auf Grund einer interesselosen Versicherung gezahlte Entschädigung zurückzufordern (abw. Sieveking 2). Er kann sie nur dann nicht zurückfordern, wenn er wußte, daß er nicht zu zahlen brauchte, und trotzdem zahlte, oder wenn er (was kaum vorkommen wird) mit der Zahlung einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandsrücksicht entsprach (BGB § 814), oder wenn die Versicherung nur ein Scheingeschäft ist und eine Wette verdeckt (BGB §§117 Abs. 2, 762). — Die interesselose Versicherung ist nur „unwirksam". Sie ist nur teilweise, nicht v o l l s t ä n d i g nichtig. Unter Umständen schuldet der Versicherungsnehmer gleichwohl die Prämie oder doch die Ristornogebühr (§§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 2 u. 3). Anm. 9 6. Dem Falle der interesselosen Versicherung steht ein zweiter gleich: der Fall, daß dem Vertrag zwar ein Interesse zugrunde liegt, aber nur ein Interesse, das nicht „versicherbar" ist, nicht versichert werden darf. Es handelt sich hierbei nicht etwa um den Fall, daß die Versicherung des Interesses gesetzlich verboten ist oder gegen die guten Sitten verstößt. Denn in diesem Falle ist der Vertrag schon nach den §§ 134, 138 BGB nichtig (§ 1 Anm. 17, 18). Nicht versicherbar ist das Interesse, das so beschaffen ist, daß der Versicherer, wenn er darum gewußt hätte, den Versicherungsschutz nicht hätte übernehmen können, ohne daß der Vertrag nach § 138 BGB der Nichtigkeit verfallen wäre (BGH VersR 1962. 659 = Hansa 1962. 1805 = MDR 1962. 719 u. 888 [Anm. Sieg] = NJW 1962. 1436). Nicht versicherbar ist das Interesse, wenn die versicherte Unternehmung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 1 Anm. 17, 18). Aus einem ganz anderen Grunde bezeichnet man auch als nicht versicherbar das Interesse, das nicht „in Geld schätzbar" ist (§ 1 Anm. 15). — Ob ein Interesse versicherbar ist, richtet sich, wenn der Fall von deutschen Gerichten zu entscheiden ist, nach dem Rechte, das nach den deutschen Vorschriften des internationalen Privatrechts maßgebend ist. Gegebenenfalls also nach a u s l ä n d i s c h e m Recht. Aber ob ein Vertrag gemäß § 138 BGB nichtig sein würde, weil die versicherte Unternehmung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, und wenn dem Versicherer dies bekannt gewesen wäre, kann natürlich nur nach der für die deutschen Gerichte gemäß § 138 BGB maßgebenden Sittenanschauung beantwortet werden (EGzBGB Art. 30). Anm. 10 7. Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (BGB §§ ngff.). Soweit der Versicherungsvertrag unwirksam ist, kann er natürlich nicht angefochten werden. Was unwirksam ist, kann nicht unwirksam gemacht werden (HansOLG HGZ 1925 Nr. 22 = H R Z 1925. 273 = Sasse Nr. 328). Soweit der Versicherungsvertrag dagegen wirksam ist, insofern also der Versicherungsnehmer Prämie oder Ristornogebühr zahlen muß, kann die Wirksamkeit durch Anfechtung beseitigt werden. Der Versicherungsnehmer kann aber natürlich nicht anfechten, weil er irrtümlich annahm, daß ein Interesse bestehe. Denn für diesen Fall bestimmen gerade die §§ 2, 3 besonderes (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1, auch § 5 Anm. 24, § 20 Anm. 38). Anm. 11 8. „Insbesondere" sind Wettversicherungen unwirksam (police d'honneur, police de pari, honour policy, wager policy; a gaming or wagering contract: MIA § 4). — Wettversicherungen sind nicht notwendig Wetten. Man versteht unter Wettversicherungen solche Versicherungen, bei deren Abschluß dem Versicherungsnehmer
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bekannt ist, daß kein Interesse zugrunde liegt ( V o i g t 4 1 ; anders und weitergehend: § 2 M I A § 4 Abs. 2: . . . a gaming or wagering contract — where the assured has not an insurable interest . . . and the contract is entered into with no expectation of acquiring such an interest). Weiß der Versicherungsnehmer nicht, daß dem Vertrag kein Interesse zugrunde liegt, so ist die Versicherung keine Wettversicherung (aber natürlich gleichwohl unwirksam). Weiß auch der Versicherer, daß dem Vertrag kein Interesse zugrunde liegt, so ist der Versicherungsvertrag ein verdeckte Wette (oben Anm. 8). Weiß nur der Versicherer, daß dem Vertrag kein Interesse zugrunde liegt, so ist die Versicherung keine Wett Versicherung (aber gleichwohl ganz unwirksam: § 2 Abs. 2). In E n g l a n d hielt man Wettversicherungen bis 1746 allgemein, bis 1906 für aus- Anm. 12 ländische Schiffe und ihre Ladungen für gültig; in Irland waren sie noch bis 1906 allgemein gültig. Wenigstens solche Versicherungen, die ihre Natur als bloße Wettversicherungen dadurch an den Tag legten, daß dem Versicherungsnehmer der Beweis des Interesses erlassen, dem Versicherer der Gegenbeweis des Interessemangels versagt war, sog. p. p. i. (policy proof of interest)-Policen; übliche Klauseln: Interest or no interest, without further proof of interest than the policy itself, without benefit of salvage to the insurer, full interest admitted usw. Die Folge dieses Rechtszustandes waren nicht nur wilde Wettassekuranzen, sondern auch fraudulent loss, destruction or capture of great numbers of ships, with their cargoes und encouragement of the exportation of wool, and the carrying on of many prohibited and clandestine trades, which, by means of such insurances, have been concealed (Begr. des Gesetzes von 1746). Das Gesetz von 1746 (19 Geo. 2 c. 37) verbot deshalb Wettversicherungen dieser Art für britische Schiffe und ihre Ladungen (ähnlich übrigens schon allgemein die Ordonnanzen Barcelonas aus dem 15. Jahrh., vgl. G o l d s c h m i d t Universalgeschichte 3 7 1 , R e a t z Geschichte 104). Nach M I A § 4 Abs. 2 b gilt jeder Versicherungsvertrag als Wettversicherung, where the policy is made „interest or no interest," (vgl. PreußA L R I I 8. 1995: „Versicherungen auf Interesse oder Nichtinteresse" und die italien. Klauseln des 15. Jahrh.: habeat vel non habeat, participet vel non participet, habeat vel non, die span. Klausel des 15. Jahrh.: haje ö no haje, B e n s a 66, G o l d s c h m i d t Universalgeschichte 370, R e a t z Geschichte 104), or „without further proof of interest than the policy itself", or „without benefit of salvage to the insurer", or subject to any other like term. Doch macht die Klausel without benefit of salvage to the insurer die Versicherung nur dann zur Wettversicherung, wenn der Versicherungsnehmer ohne die Klausel dem Versicherer Gerettetes überlassen müßte (MIA § 4 a. E . ; so schon früher Lucena v. Crauford 1806 bei C h a l m e r s 9, vgl. ebendort 10 Wilson v.Jones 1867: Versicherung der glücklichen Legung eines unterseeischen Kabels durch einen Aktionär der Kabelgesellschaft). Aber in spite of this illegality such policies continue to be executed, . . . they are . . . without any legally obliging effect on the underwriter and perhaps on that account are respected with the most studious care ( B r u d e r s DVfVWVeröff. 26. 64. Vgl. C h a l m e r s 7). Die M I (Gambling Policies) A 1909 (9 Edw. 7 c. 12) verbietet contracts by way of gambling on loss by maritime perils bei Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 100 £ und Verfall aller auf Grund der Versicherung erhaltenen Gelder. Bestraft wird jeder, der versichert ohne any bona fide interest, direct or indirect, either in the safe arrival of the ship in relation to which the contract is made or in the safety or preservation of the subjectmatter insured, or a bona fide expectation of acquiring such an interest. Bestraft werden ferner ebenso Angestellte des Reeders, die, ohne Schiffspartner zu sein, p. p. i. Schiffsversicherung nehmen (selbst wenn sie tatsächlich ein Interesse haben) sowie Makler oder sonstige Personen, die wissentlich eine nach dem M I A 1909 verbotene Versicherung vermitteln (vgl. auch NeumannsZ 1909. 554, Z f V W 1909. 62:). — Das
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§ 2 f r a n z ö s i s c h e Recht beschränkt sich auf den selbstverständlichen Grundsatz, daß interesselose Versicherungen unwirksam sind ( R i p e r t Nr. 2520fr.). — Auch in Deutschland sind Sondervorschriften gleich den englischen unbekannt (anders früher A H O 1731 X I I I 2: „Obgleich in der Police die Clausul enthalten, daß ein Assecurirter im Falle des Schadens weiter nichts als nur die Police zu produciren habe, so soll dennoch derselbe nicht nur die Verunglückung des Schiffs, sondern auch, daß er würklich Interesse darin gehabt, . . . zu beweisen gehalten seyn"). „Leider" ( V o i g t 771). Denn durch Klauseln jener Art („Interesse erwiesen", „ I m Schadensfalle dient diese Police als alleiniger Nachweis des Interesses" usw.) wird „unlauteren Manipulationen Tür und Tor geöffnet" (ME 12). Im Gegenteil: §885 H G B läßt sogar ausdrücklich Vereinbarungen zu, durch die der Versicherte vom Nachweis des Interesses (und des Schadens) befreit wird. Der Versuch, die Wirksamkeit der Klauseln wenigstens zu beschränken, den Versicherungsnehmer wenigstens zur Glaubhaftmachung seines Interesses zu verpflichten (E 1910 §47), scheiterte am Widerstand derselben Kreise, welche die Klauseln als Mittel zu „unlauteren Manipulationen" gebrandmarkt hatten (Mat. 1. 188). — Näheres über die deutschen Klauseln: § 43 Anm. Anm. 13 9. A b s . 2. Der Vertrag ist unwirksam. Der Versicherer braucht nicht zu entschädigen, der Versicherungsnehmer nicht anzuzeigen, die Gefahr nicht unverändert zu lassen, nicht Schaden zu verhüten, nicht Schaden abzuwenden usw. — Der Vertrag ist aber nicht ganz unwirksam. Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s c h u l d e t die P r ä m i e . Die bedungene Prämie. Wenn keine b e s t i m m t e Prämie bedungen ist, die ü b l i c h e Prämie, insbesondere die in den üblichen Tarifen bestimmte Prämie (BGB §§ 157, 242; vgl. O L G Dresden L Z 1908. 957). Wenn auch keine Üblichkeit besteht, die Prämie, die n a c h b i l l i g e m E r m e s s e n zu bestimmen gewesen wäre, wenn die Versicherung wirksam wäre (BGB §§ 133, 157, 315, 316). Die g a n z e Prämie. Außer der Prämie auch die N e b e n k o s t e n (Stempel usw.). Denn diese stehen der Prämie gleich; es wäre unbillig, sie vom Versicherer tragen zu lassen. Dagegen umfaßt die Prämie natürlich k e i n e Z u s c h l a g s p r ä m i e (wohl aber P r ä m i e n z u l a g e n ) . Ob die Versicherung Reise- oder Zeitversicherung ist, gilt gleich. — Der Vertrag ist also teilweise wirksam. Ihm solche teilweise Wirksamkeit beizulegen, ist nicht etwa verboten (abgesehen von dem Falle, daß der Versicherer den Grund der teilweisen Unwirksamkeit kennt). Es ist sogar ausdrücklich gestattet (HGB § 895). — Ist Prämie zu zahlen, so muß der Versicherer auch dem Makler die P r o v i s i o n zahlen, die er ihm versprochen hat.
Anm. 14
10. Der Vertrag ist ganz unwirksam, wenn der Versicherer den Grund der
U n w i r k s a m k e i t k a n n t e . Der Versicherungsnehmer ist b e w e i s p f l i c h t i g (vgl. die Worte „es sei denn", die eine Ausnahme von der Regel andeuten). — Grund der Unwirksamkeit ist entweder, daß dem Vertrag kein Interesse, oder daß ihm zwar ein Interesse, aber kein versicherbares zugrunde liegt (oben Anm. 9). Der Versicherer muß das eine oder das andere gewußt haben. Ob er auch gewußt hat, daß aus diesem Grunde der Vertrag unwirksam ist, ist ohne Bedeutung (vgl. die Ausdrucksweise in § 122 BGB). Anm. 15 a) K e n n t n i s eines Umstandes ist die g e g e n w ä r t i g e U b e r z e u g u n g von seinem Bestehen (vgl. R O H G 2. 35; vgl. jedoch auch HansOLG J R P V 1933. 240 = Sasse Nr. 429: zuverlässige Mitteilung, daß das Schiff gestrandet ist). Nicht ein früheres, der Erinnerung vollständig oder für die entscheidende Zeit entschwundenes Wissen. Auch nicht ein f r ü h e r e s , durch spätere Mitteilungen überholtes und deshalb der gegenwärtigen Uberzeugung nicht mehr zugrunde liegendes Wissen. Auch nicht der bloße V e r d a c h t , daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrunde liegt. Nur auf die „wirkliche Wissenschaft" kommt es an, „wohingegen es auf dasjenige, was der Versicherer mit geringerer oder größerer Bestimmtheit vermutet oder angenommen haben mag, nicht ankommt" (OAG Lübeck Kierulff 2. 36). Näheres: § 5 Anm. 18,
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§ 20 Anm. io. — Dagegen genügt nicht, daß der Versicherer k e n n e n m u ß t e , d. h. § 2 infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (BGB § 1 2 2 ) ; auch nicht, daß er grobfahrlässig nicht kannte (siehe aber auch H a n s O L G J R P V 1933. 240 = Sasse Nr. 42g). Der Versicherer hat keine Erkundigungspflicht (vgl. auch § 5 Anm. 18). Doch kann er sich auf seine Unkenntnis nicht berufen, wenn er sich der Kenntnis a r g l i s t i g e n t z o g e n hat (näheres: § 5 Anm. 18). — Sind m e h r e r e V e r s i c h e r e r beteiligt, so kommt es auf die Kenntnis jedes einzelnen an. Insbesondere kann der Versicherungsnehmer die Kenntnis des „ F ü h r e r s " oder des Vorzeichners nicht auch den übrigen Mitversicherern entgegenhalten. Näheres: Vorb. V vor § 1. b) H a t der Versicherer durch einen V e r t r e t e r abgeschlossen, so kommt es nicht Anm. 16 auf die Kenntnis des Versicherers, sondern auf die Kenntnis seines Vertreters an ( B G B § 166 Abs. 1). H a t der Bevollmächtigte des Versicherers jedoch nach dessen bestimmten Weisungen gehandelt, so kommt es auch auf die Kenntnis des Versicherers an ( B G B § 166 Abs. 2). — H a t der Versicherer durch einen U n t e r b e v o l l m ä c h t i g t e n abgeschlossen, so kommt es auf dessen Kenntnis an, auch auf die Kenntnis des Bevollmächtigten und des Versicherers, wenn der Unterbevollmächtigte nach deren bestimmten Weisungen gehandelt hat (anal. B G B § 166 Abs. 2). — Auf die Kenntnis von Vertretern des Versicherers, die bei der Schließung des Vertrags n i c h t b e t e i l i g t sind, kommt es nicht an (vgl. hierzu den Fall O L G Naumburg J W 1 9 2 1 . 687 und darüber G e r h a r d J W 1 9 2 1 . 687, J o s e f H R Z 1 9 2 1 . 796). — H a t der Versicherer den Vertrag durch mehrere G e s a m t v e r t r e t e r geschlossen, so genügt die Kenntnis nur eines der mehreren Gesamtvertreter (vgl. R G 5 3 . 2 3 1 , 1 1 0 . 146, 1 3 9 . 3 6 ) . Kenntnis eines nicht beteiligten Gesamtvertreters genügt nicht (vgl. H G Hamburg H G Z 1879. 99); doch kann die Verschweigung den Tatbestand einer unerlaubten Handlung bilden ( B G B §§ 823 Abs. 2, 826), der Versicherer gemäß § 31 oder § 831 B G B auch für unerlaubte Handlungen eines Gesamtvertreters haften (vgl. R G 43. 106, 57. 94, J W 1893. 429, 1899. 47, 305 usw.). — § 166 B G B ist im Seeversicherungsrecht regelmäßig auch dann anwendbar, wenn der Vertrag durch einen A g e n t e n des Versicherers nicht abgeschlossen, sondern nur v e r m i t t e l t ist (für den Handelsvertreter bestr.; bejahend B G H BB 1957. 729, weiter ζ. B. S o e r g e l - S i e b e r t - S c h u l t z e v. L a s a u l x Anm. 1 b zu § 1 6 6 B G B , S t a u d i n g e r - C o i n g Anm. 2 zu § 1 6 6 B G B ; verneinend S c h m i d t - R i m p l e r Ehrenb. H d b V 231 f . ; vgl. zu der Frage B r u c k - M ö l l e r A n m . 3—6 zu § 44 mit weiteren Angaben). Denn der Vermittlungsvertreter hat als ständiger Geschäftsvermittler des Versicherers (im Gegensatz zum Gelegenheitsvermittler), wenngleich keine Abschlußvollmacht, so doch eine Handlungsvollmacht beschränkteren Umfangs. E r nimmt im Namen des Versicherers die Versicherungsofferte des Versicherungsnehmers entgegen und bewirkt hierdurch, daß der Versicherungsnehmer gemäß den §§ 145, 146, 147 Abs. 2 B G B gebunden wird. Hieraus folgt, daß der Versicherer das von ihm gebilligte und abgeschlossene Geschäft so, wie der Agent es mit dem Versicherungsnehmer beredet hat, gegen sich gelten lassen muß (vgl. R G 30. 28, 2 1 7 , 36. 247, 5 1 . 150, J W 1898. 360, 1899. 50 usw.), und insbesondere, daß § 166 B G B anwendbar ist (vgl. R G 30. 30, 2 1 4 , J W 1893. 25, 1898. 360; a. A. S c h l e g e l b e r g e r S V R Ziff. 3 zu § 2 A D S ) . Deshalb bestimmt auch § 44 V V G für die Binnenversicherung ausdrücklich, daß die Kenntnis des Vermittlungsagenten der Kenntnis des Versicherers n i c h t gleichgeachtet werden soll. c) Verlangt der M a k l e r P r o v i s i o n , so kann sich der Versicherer auf seine Anm. 17 Kenntnis und die daraus sich ergebende vollständige Unwirksamkeit des Vertrags berufen (vgl. R G 76. 354, O L G H a m b u r g Recht 1 9 1 3 Nr. 670; abw. O L G Hamburg Rspr 18. 16). Hat er den Makler arglistig getäuscht, so muß er ihm den dadurch verursachten Schaden ersetzen ( O L G Hamburg Recht 1 9 1 3 Nr. 670).
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§ 2 d) Hat a u c h der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r g e w u ß t , daß dem Vertrag k e i n Anm. 18 I n t e r e s s e zugrunde liegt, so ist der Vertrag eine Wette und § 2 unanwendbar (oben Anm. 8, io). — Hat auch der M a k l e r darum g e w u ß t , so kann er keine Provision verlangen. Der Wettauftrag ist ebenso unwirksam, wie die „Versicherung". — Hat nur der Makler oder haben Versicherer und Makler oder Versicherungsnehmer und Makler darum gewußt, so kann der Makler ebenfalls keine Provision verlangen (anal. BGB § 654). Anm. 19 e) Hat a u c h der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r g e w u ß t , daß das dem Vertrag zugrunde liegende I n t e r e s s e u n v e r s i c h e r b a r ist, daß also die versicherte Unternehmung gesetzlich verboten ist oder gegen die guten Sitten verstößt, so ist der Vertrag nach § 138 BGB nichtig und § 2 unanwendbar. Anm. 20 f) Bei der Schließung des Vertrags muß der Versicherer gekannt haben. Es kommt nicht darauf an, daß der Versicherer gerade beim Abschluß des Vertrags gekannt hat, sondern darauf, daß er b e i d e n V e r h a n d l u n g e n , die zum Abschluß geführt haben, gekannt hat. Andererseits genügt nicht eine Kenntnis, die zwar bei diesen Verhandlungen vorhanden, aber beim Abschluß des Vertrags zerstört war (doch würde solche Zerstörung nach allgemeinen Beweisgrundsätzen vom Versicherer zu beweisen sein). Dagegen genügt die Kenntnis bei den Verhandlungen, auch wenn dem Versicherer der Grund der Unwirksamkeit gerade beim Abschluß des Vertrags nicht gegenwärtig war (ROHG 12. 171). — Hat der Versicherer zwar noch vor Abschluß des Vertrags Kenntnis erlangt, aber so s p ä t , d a ß d e r A b s c h l u ß n i c h t a u f z u h a l t e n war, so kommt es auf die Kenntnis nicht an. So etwa, wenn der Versicherer nach Absendung, aber noch vor Ankunft des Telegramms, das den Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers annimmt, Kenntnis erlangt. —· Vgl. insbesondere auch § 5 Anm. 22 und § 19 Anm. 16. Anm. 21 χι. Hat der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt, obgleich er sie gemäß § 2 Abs. 2 nicht schuldete, so kann er sie nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (BGB §§812 ff.) zurückverlangen. Ebenso, wenn ein dritter in seinem Namen gezahlt hat. Anders, wenn der dritte die Schuld des Versicherungsnehmers im eigenen Namen bezahlt hat (RG 60. 287). Im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung kann also, wenn der Versicherungsnehmer oder in seinem Namen der Versicherte gezahlt hat, nur der Versicherungsnehmer Rückzahlung verlangen (HGZ 1898. 209); hat der Versicherte im eigenen Namen gezahlt, so kann (nur) er Rückzahlung verlangen. Anm. 22 12. Teilweise Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Vertrags. a) Wenn der Vertrag teilweise g e g e n G e s e t z oder g u t e S i t t e n verstößt, ist er nur teilweise nichtig. Er ist g a n z nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen wäre (BGB § 139). b) Hat der Versicherungsnehmer das versicherte I n t e r e s s e nur zu e i n e m T e i l e , so ist die Versicherung zum anderen Teile unwirksam. Wenn ein Mitreeder mit halbem Anteil für eigene Rechnung „das Schiff" versichert, ist die Versicherung zur einen Hälfte wirksam, zur anderen unwirksam. Hat dieser Mitreeder das Schiff im Werte von 100000 zu 50000 versichert, so ist also nicht etwa der Anteil voll gedeckt; der Mitreeder erhält im Falle des Totalverlustes nur 25000, nicht 50000. Der Mitreeder kann sich nicht darauf berufen, daß die Versicherungssumme den Versicherungswert des Anteils nicht übersteigt (vgl. § 9 Abs. 1). Denn es kommt nicht auf den Versicherungswert des nicht versicherten Anteils, sondern auf denjenigen des versicherten Schiffes an. — Würde der Versicherer oder der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne den unwirksamen Teil nicht geschlossen haben, so ist die g a n z e Versicherung unwirksam (anal. BGB § 139; vgl. R o e l l i 141). — K e n n t der Versicherer den Grund
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der teilweisen Unwirksamkeit, so kann er den entsprechenden Teil der Prämie nicht verlangen. Der sogenannte „Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie" steht nicht entgegen. Zwar lehrt die herrschende Ansicht einen solchen Grundsatz. Tatsächlich aber gibt es ihn nicht. Wenn die Prämie nicht geteilt werden soll, ist es besonders gesagt (vgl. ζ. B. § 4 Abs. 2). Näheres hierüber: § 16 Anm. 27. c) Wenn der Versicherungsnehmer zwar das versicherte Interesse hat, dieses Interesse aber t e i l w e i s e n i c h t v e r s i c h e r b a r ist, die versicherte Unternehmung also teilweise gegen Gesetz oder gute Sitten verstößt, gilt grundsätzlich dasselbe. Man wird aber in solchen Fällen oft nicht teilen können. So ζ. B. kann man nicht, wenn eine Schmuggelunternehmung versichert ist, nach Reiseabschnitten teilen; Schmuggelware bleibt Schmuggelware, beim Grenzübertritt nicht nur, sondern auch diesseits und jenseits der Grenze. Vgl. auch O L G Rostock L Z 1920. 309: Versicherung zu Schleichhandelspreisen, und dazu H a g e n J W 1920. 503, J o s e f H R Z 1920. 699. d) Uber den Fall, daß das I n t e r e s s e ü b e r b e w e r t e t und aus diesem Grunde teilweise nicht versicherbar ist: § 6 Anm. 19, § 9 Anm. 4. 13. § 2 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136). Der Rückversicherung liegt insbesondere kein Interesse zugrunde, wenn der V o r v e r s i c h e r e r aus irgendeinem Grunde n i c h t h a f t e t (§ 1 Anm. 148). Ist ζ. B. die Vorversicherung wegen Interessemangels unwirksam, so ist nach § 2 auch die Rückversicherung unwirksam. Aber nicht unter allen Umständen. Ist der Vorversicherer a b w i c k l u n g s b e r e c h t i g t , so braucht er sich auf die Unwirksamkeit der Vorversicherung dem Vorversicherten gegenüber nicht zu berufen, wenn es ein verständiger, billig denkender Versicherer, falls er nicht rückversichert wäre, nicht tun würde (§ 1 Anm. 154). In diesen Grenzen ist die Rückversicherung wirksam ( E h r e n b e r g R V 117). Der Rückversicherte schuldet also auch nach § 2 Abs. 2 die Prämie nur dann nicht, wenn (er beweist, daß) die Vorversicherung wegen Interessemangels unwirksam ist und ein verständiger, billig denkender Versicherer sich hierauf berufen würde. Ist die Vorversicherung wegen nur t e i l w e i s e n Interessemangels nur teilweise unwirksam und die Rückversicherung Unterversicherung, so mindert sich die Wirksamkeit der Rückversicherung im selben Verhältnis (§ 8, § 6 Anm. 13, 33), — gleichgültig, ob der Rückversicherer von der Vorversicherungs-Summe einen bestimmten zahlenmäßigen Teil oder einen Bruchteil übernommen hat. Wenn also die Vorversicherungs-Summe 100000 beträgt und die Vorversicherung nur zur Hälfte wirksam ist, haftet der Rückversicherer nur für 25000, gleichgültig, ob er 50000 oder 5 0 % der Vorversicherungs-Summe übernommen hat. Nach § 2 Abs. 2 gebührt dem Rückversicherer die P r ä m i e auch dann, wenn der Vorversicherte nach § 3 Abs. 1 deshalb keine Prämie schuldet, weil er den Mangel des Interesses weder kannte noch kennen mußte. Anders, wenn der Rückversicherer den Mangel kannte (und wußte, daß der abwicklungsberechtigte Vorversicherer verständiger und billiger Weise sich darauf berufen würde). Anders natürlich auch, wenn die Rückversicherungs-Prämie von der Vorversicherungs-Prämie abhängig gemacht ist. Das Interesse des Vorversicherers reicht bis zur vollen Höhe der VorversicherungsSumme. Der Rückversicherer kann nicht einwenden, daß der Vorversicherer für den Betrag der V o r v e r s i c h e r u n g s - P r ä m i e kein Interesse habe und die VorversicherungsPrämie deshalb von der Vorversicherungs-Summe a b g e z o g e n werden müsse (PreußA L R I I 8. 2018, Prot. 3052, E h r e n b e r g R V 142, H e i s e bei Heise u. Cropp 2. 604, P o h l s 4. 98, A r n o u l d 377 s. 395, B o u l a y - P a t y 2 X s. 10, fimerigon 1 ch. 8 s. 14, P o t h i e r Nr. 35 und E s t r a n g i n Nr. 36, V a l i n I I I 6. 20). Natürlich. Denn, daß mit der Übernahme der Vorversicherung eine Einnahme verbunden ist (und noch dazu eine zur Deckung von Entschädigungen, Geschäftsunkosten und Unterhalt verbundene Einnahme) schließt nicht aus, daß die ganze Vorversicherungs-Summe im Risiko ist, —
§ 2
Anm. 23
Anm. 24
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§ 2 so wenig, wie etwa der Umstand, d a ß der Bodmereigläubiger sich eine Bodmereiprämie ausbedungen hat, ausschließt, d a ß auch die Bodmereiprämie im Risiko ist (§ 110 Abs. ι ; vgl. insbesondere auch § 6 A n m . 41). — A b e r der Vorversicherer kann natürlich n i c h t auch noch die Vorversicherungs-Prämie versichern. D e n n sie steht in keiner Beziehung z u m Gelingen oder Mißlingen der versicherten Unternehmung. — Ebensowenig kann der Vorversicherer die R ü c k v e r s i c h e r u n g s - K o s t e n , insbesondere die Rückversicherungs-Prämie, versichern. D e n n er hat, auch wenn die Unternehmung glückt und seine Haftpflicht nicht in Anspruch genommen wird, keine Aussicht, für die Rückversicherungs-Kosten Ersatz z u erhalten. Diese Kosten sind endgültig ausgegeben, verloren und mithin nicht i m Risiko (§ 1 A n m . 17, E h r e n b e r g R V 143, H e i s e bei Heise u. C r o p p 2. 604; vgl. auch Prot. 3053, 3105; anders M I A § § 1 3 , 16). A n m . 26
Ist d e m abwicklungsberechtigten Vorversicherer eine A b w i c k l u n g s v e r g ü t u n g bewilligt, so bleibt ihm diese trotz Unwirksamkeit der Vorversicherung. Denn auch auf unwirksamen Verträgen beruhende Verhältnisse bedürfen der Abwicklung. A n m . 27 14· Englisches Recht. Interesselose Versicherungen sind unwirksam (oben A n m . 12). Where the consideration for the payment of the premium totally fails, and there has been no fraud or illegality on the part of the assured or his agents, the premium is thereupon returnable to the assured ( M I A § 8 4 Abs. 1). Where the consideration for the payment of the premium is apportionable and there is a total failure of any apportionable part of the consideration, a proportionate part of the premium is, under the like conditions, thereupon returnable to the assured ( M I A §84 Abs. 2). Insbesondere where the policy is void, or is avoided by the insurer as from the commencement of the risk, the premium is returnable, provided that there has been no fraud or illegality on the part of the assured ( M I A § 84 Abs. 3 a) und where the assured has no insurable interest throughout the currency of the risk, the premium is returnable, provided that this rule does not apply to a policy effected by w a y of gaming and wagering ( M I A § 8 4 Abs. 3c). F r a n z ö s i s c h e s Recht. V g l . oben A n m . 12 u. R i p e r t Nr. 252off.
§ 3 Prämienzahlung bei fehlendem Interesse (ι) Der Versicherungsnehmer ist im Falle des § 2 Abs. 1 von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei, wenn er bei der Schließung des Vertrags den Grund der Unwirksamkeit weder kannte noch kennen mußte. Wird der Vertrag von einem Vertreter geschlossen, so kommt in bezug auf die Kenntnis und das Kennenmüssen nicht nur die Person des Vertreters, sondern auch diejenige des Versicherungsnehmers in Betracht. (2) Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Prämie bleibt bestehen, wenn der Versicherungsnehmer nicht, sobald er von dem Grunde der Unwirksamkeit Kenntnis erlangt, dies dem Versicherer unverzüglich mitteilt. Das Gleiche gilt, wenn seit dem Abschlüsse des Vertrags ein Jahr verstrichen ist und der Versicherungsnehmer den Grund der Unwirksamkeit dem Versicherer nicht innerhalb eines Jahres mitgeteilt hat. (3) Ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei, so kann der Versicherer die Ristornogebühr verlangen.
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1. Vgl. H G B §§ 895, 896, ASVB §§ 155, 156, i 5 9 > V V G § 68 Abs. 1. 2. Literatur. § 1 Anm. 2. B e n e k e , Der Ristorno in der Seeversicherung, 1891. D u r s t Z f V W 1919. 223 (Ristorno oder volle Prämie). Kn. Ashers Rechtsfalle 1835 I 75 (Über Ristorno). P o h l s Ashers Rechtsfälle 1834 II 197 (Uber Ristorno). Z a l u d , Das Storno, 1902. 3. A b s . 1 Satz 1. Versicherungsverträge o h n e I n t e r e s s e oder ohne versicherbares Interesse sind unwirksam (§2 Abs. 1). G a n z , — wenn der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund kennt (§ 2 Abs. 2). Bis a u f d i e Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der P r ä m i e , — wenn der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund nicht kennt (§ 2 Abs. 2). Bis a u f d i e Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung einer R i s t o r n o g e b ü h r , — wenn der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund nicht kennt und der Versicherungsnehmer ihn weder kennt noch kennen m u ß ( § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1,3). — Verlangt der Versicherer die Prämie, so m u ß der Versicherungsnehmer beweisen nicht nur, daß dem Vertrag kein Interesse (oder kein versicherbares Interesse) zugrunde liegt, sondern auch, daß der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund kannte, oder d a ß der Versicherungsnehmer ihn weder kannte noch zu kennen brauchte. Insbesondere stehen § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 im Verhältnis von Regel und Ausnahme. 4. „Versicherungsnehmer" ist, wer die Versicherung nimmt, den Versicherungsvertrag (sei es selbst, sei es durch einen Vertreter) mit dem Versicherer schließt. Regelmäßig ist er auch der „ V e r s i c h e r t e " , d. h. derjenige, der durch die Versicherung geschützt wird, dessen Schaden gegebenenfalls gutgemacht werden soll, und dem deshalb die Rechte aus dem Vertrag zustehen. Deshalb spricht m a n auch im Verkehr regelmäßig n u r vom „Versicherten". Deshalb spricht das H G B regelmäßig nur vom „Versicherten". Deshalb sprechen auch die Versicherungsgesetze fast aller anderen Länder regelmäßig nur von dem „Versicherten", the assured, l'assure usw. Nur ausnahmsweise, im Falle der Veräußerung der versicherten Sache und im Falle der Versicherung f ü r fremde Rechnung, fallen Versicherungsnehmer und Versicherter auseinander (§49 Anm., §52). Deshalb spricht das H G B nur ausnahmsweise (§781 usw.) vom „Versicherungsnehmer". Verkehrsfremde Erwägungen (vgl. K ö n i g e Recht 1903. 379, 448) haben den Urheber des V V G veranlaßt, sich vom allgemeinen Sprachgebrauch abzuwenden, die Vertragspartei als „Versicherungsnehmer" zu bezeichnen und ihm nur bei der Versicherung für fremde Rechnung den „Versicherten" gegenüberzustellen. Die ADS, die sich in weitem Umfang dem V V G angeschlossen haben, haben dem V V G hierin folgen müssen. — Der Begriff des „Versicherungsschließers" (als desjenigen, der — sei es in eigenem, sei es in fremdem Namen — den Vertrag schließt: G i e r k e Versicherungsforderung 37) ist der Rechts- wie der Verkehrssprache fremd geblieben. 5. Der Versicherungsnehmer darf den Unwirksamkeitsgrund nicht gekannt haben. Uber den Begriff des Unwirksamkeitsgrundes: § 2 Anm. 14. Uber den Begriff der Kenntnis: § 2 Anm. 15. Der Versicherungsnehmer darf den Unwirksamheitsgrund aber auch nicht haben kennen müssen. Kennenmüssen ist fahrlässiges Nichtkennen (BGB § 121 Abs. 2). Fahrlässigkeit ist Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (BGB § 276 Abs. 1). Ist der Versicherungsvertrag für den Versicherungsnehmer ein Handelsgeschäft, so ist Fahrlässigkeit die Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (HGB § 347). Näheres: § 5 Anm. 20. — Der Versicherungsnehmer hat also eine Erkundigungspflicht. An der Erfüllung dieser Pflicht ist der Versicherer dringend interessiert. Zwar haftet er nicht und, wenn die Erkundigungspflicht verletzt ist, erhält er sogar die ganze Prämie. Aber Versicherungen ohne (versicherbares) Interesse sind verdächtig; zumal dann, wenn, wie so oft, „Interesse erwiesen", without further proof 12 R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
§ 3 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
Anm. 5
Anm. 6
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§ 3 of interest than the policy itself oder eine ähnliche Klausel vereinbart ist ( § 2 Anm. 12). Anm. 7 Der Versicherungsnehmer darf „ b e i d e r S c h l i e ß u n g d e s V e r t r a g s " nicht gekannt haben usw. Über diesen Begriff: § 2 A n m . 20. Anm. 8 6. Der Versicherungsnehmer, der den Unwirksamkeitsgrund nicht gekannt hat usw.,
b r a u c h t keine P r ä m i e zu zahlen. Wohl aber Nebenkosten (Stempel usw.). Die Ristornogebühr (Abs. 3) ist zur Deckung der Nebenkosten nicht bestimmt (§ 18 Anm. 3). — Der Versicherungsnehmer braucht auch dann keine Prämie zu zahlen, wenn der Versicherer, falls ein (versicherbares) Interesse bestände, doch, aus anderen Gründen, frei wäre und gleichwohl Prämie verlangen könnte, wenn ζ. B. die Anzeigepflicht verletzt ist und der Versicherer deshalb gemäß § 20 Abs. 1 frei wäre (vgl. H G B § 896, Prot. 4449); selbst wenn der Versicherungsnehmer dabei fahrlässig oder gar arglistig verfahren ist, braucht er keine Prämie zu zahlen ( G e r h a r d 3 2 2 ; anders A S V B § 1 5 6 ; abw. V o i g t 791).
Anm. 9
7. Abs. I Satz 2. Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers g e s c h l o s s e n , so kommt nicht nur die Kenntnis usw. des Vertreters in Betracht
(so BGB § 166 Abs. 1), sondern auch die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers.
N a c h Ε i g i o sollte die Kenntnis des Versicherungsnehmers nur dann von Bedeutung sein, wenn der Vertrag „von einem Bevollmächtigten oder einem Vertreter ohne Vertretungsmacht" geschlossen ist. Eine sachliche Änderung war nicht beabsichtigt (näheres: § 5 Anm. 34). § 3 Abs. 1 Satz 2 ist deshalb im Sinne des Ε 1 9 1 0 zu verstehen: Wird der Vertrag von einem B e v o l l m ä c h t i g t e n des Versicherungsnehmers oder einem V e r t r e t e r o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t geschlossen, so kommt es (auch) auf die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers a n ; wird der Vertrag von einem g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r des Versicherungsnehmers geschlossen, so bewendet es grundsätzlich bei der Regel des § 166 Abs. 1 B G B , wonach es auf die Kenntnis usw. des Vertreters ankommt. Nicht als ob es auf die Kenntnis des gesetzlich vertretenen Versicherungsnehmers überhaupt nicht ankäme. Der Versicherungsnehmer hat eine Erkundigungspflicht (oben A n m . 6) und eine mit ihr verbundene Offenbarungspflicht (näheres: § 5 Anm. 20, 25). E r muß also eigene und fremde Kenntnis usw. hier ebenso vertreten, wie bei der Offenbarungspflicht des § 5 und der Anzeigepflicht des § 19. Ist er gesetzlich vertreten, so muß er mithin die eigene Kenntnis usw. in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit gegen sich gelten lassen (Vorb. V I I I vor § 1, § 5 A n m . 34, § 19 A n m . 43). Bedient er sich zur Erfüllung seiner Mitteilungspflicht eines dritten, so muß er dessen Kenntnis usw. wie eigene gegen sich gelten lassen (Vorb. V I I I vor § 1, § 5 Anm. 35, § 19 Anm. 45). Vgl. auch unten A n m . 19. Anm. 10
H a t ein U n t e r v e r t r e t e r des Versicherungsnehmers den Vertrag geschlossen, so kommt es gemäß § 166 Abs. 1 B G B auf die Kenntnis usw. des Untervertreters an. Aber auch die Kenntnis usw. des Hauptbevollmächtigten ist von Bedeutung. Denn nach § 166 Abs. 2 B G B kommt es, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, auch auf die Kenntnis usw. des Vollmachtgebers, d. h. im Falle der Untervollmacht: des Hauptbevollmächtigten, an, und an die Stelle dieser Vorschrift ist eben hier die Bestimmung getreten, daß es immer, d. h. auch dann, wenn der Vertreter nicht nach bestimmten Weisungen gehandelt hat, auch auf die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers, d. h. im Falle der Untervollmacht: auch des Hauptbevollmächtigten, ankommt. Umsomehr kommt es auch auf die Kenntnis usw. des Hauptvertreters an, wenn dieser gesetzlicher Vertreter ist oder ein Untervertreter ohne Vertretungsmacht den Vertrag abschließt. — Auf die Kenntnis usw. von Vertretern des Versicherungsnehmers, die bei der Schließung des Vertrags n i c h t b e t e i l i g t sind, kommt es nicht an (näheres: § 5 A n m . 40). ·— H a t der Versicherungsnehmer den
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Vertrag durch mehrere G e s a m t v e r t r e t e r geschlossen, so genügt die Kenntnis usw. nur eines der mehreren Gesamtvertreter. Die Kenntnis eines nicht beteiligten Gesamtvertreters genügt im allgemeinen nicht. Näheres: § 5 Anm. 40. 8. Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommt es regelmäßig nicht nur auf die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers, sondern auch auf die Kenntnis usw. des V e r s i c h e r t e n an ( § 5 7 ) . 9. Hat der Versicherungsnehmer die P r ä m i e g e z a h l t , obgleich er sie gemäß § 3 Abs. 1 (bis auf die Ristornogebühr des § 3 Abs. 3) nicht schuldete, so kann er sie nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung z u r ü c k f o r d e r n (BGB §§ 8i2ff.). Ebenso, wenn ein dritter in seinem Namen gezahlt hat. Anders, wenn der d r i t t e in e i g e n e m Namen die Prämienschuld des Versicherungsnehmers bezahlt hat (RG 60. 287). Im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung kann also, wenn der Versicherungsnehmer oder wenn der Versicherte im Namen des Versicherungsnehmers gezahlt hat, nur der Versicherungsnehmer Rückzahlung verlangen (HGZ 1898. 209). Hat der Versicherte in eigenem Namen gezahlt, so kann (nur) er Rückzahlung verlangen. Teilw. abw. S i e v e k i n g 203, nach dem „der Ristorno ein besonderes versicherungsrechtliches Rücktrittsrecht" ist; hierüber unten Anm. 29. 10. Nach §895 HGB (§ 155 ASVB) ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Prämie frei, wenn er „in g u t e m G l a u b e n " war. In gutem Glauben sein bedeutet in diesem Zusammenhange: den Grund der Unwirksamkeit ohne grobe Fahrlässigkeit nicht kennen. Anders ohne Begründung S i e v e k i n g 203: Der Versicherungsnehmer brauche nur dann die Prämie zu zahlen, wenn „wissentlich das Interesse unrichtig bezeichnet oder wissentlich über den Versicherungswert hinaus versichert sei". — Nach § 84 Abs. 3 MIA the premium is returnable, provided that there has been no fraud or illegality on the part of the assured. 11. Abs. 2. Der Versicherer hat ein dringendes Interesse daran, sobald wie möglich zu erfahren, ob der Vertrag wirksam oder unwirksam, die Prämie zu zahlen oder nicht zu zahlen ist. Deshalb bestimmt Abs. 2 zwei A u s n a h m e n von der Regel des Abs. 1. a) Die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers bleibt bestehen (richtiger: entsteht), wenn der Versicherungsnehmer von dem Unwirksamkeitsgrunde Kenntnis erlangt und dies dem Versicherer nicht unverzüglich mitteilt. Der Versicherungsnehmer muß mitteilen. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers: oben Anm. 4. Auch im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung muß nur der Versicherungsnehmer mitteilen. Aber der Versicherte kann natürlich für den Versicherungsnehmer mitteilen (BGB § 267). Der Versicherungsnehmer ist v e r p f l i c h t e t mitzuteilen (anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 3 ADS: Mitteilung ist nur Voraussetzung für die Fortdauer der Befreiung). Wie in den Fällen der Anzeige von Gefahränderungen, Unfällen, insbesondere Versicherungsfällen, Doppelversicherungen. Der Versicherer hat ein Interesse an solcher Mitteilung und kann sie verlangen. Daß er nicht darauf klagen kann, daß er im Falle der Nichterfüllung nicht Schadensersatz verlangen kann, daß die Rechtsfolge der Nichterfüllung in besonderer (den Versicherer regelmäßig besser schützender) Weise bestimmt ist, der Versicherer statt Schadensersatz die (ganze und nur die) Prämie verlangen kann, ändert nichts daran, daß der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, mitzuteilen (Vorb. VIII vor § 1). Deshalb ist auch § 278 BGB anwendbar (anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 3 ADS). Bedient sich insbesondere der Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner Mitteilungspflicht eines dritten, so muß er dessen Verschulden vertreten. Er bedient sich des dritten ζ. B., wenn er ihm den Auf12»
§ 3 Anm. 11 Anm. 12
Anm. 13
Anm. 14
Anm. 15 Anm. 16
Anm. 17
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§ 3 trag gibt, dem Versicherer mitzuteilen. Er bedient sich des dritten auch, wenn er ihn allgemein beauftragt hat, die mit der Versicherung zusammenhängenden Angelegenheiten zu erledigen, und den dritten damit für die Erfüllung der aus der Versicherung sich ergebenden Obliegenheiten an seine Stelle gesetzt hat (§ 5 Anm. 35). Er bedient sich des dritten insbesondere auch dann, wenn ein solcher Auftrag in einem noch allgemeineren enthalten ist, ζ. B. eine Frau die Führung ihres Handelsgeschäfts und damit auch die Besorgung der damit zusammenhängenden Angelegenheiten ihrem Manne überlassen hat (vgl. R G 5 1 . 21, O L G Rostock SA 54 Nr. 107). Er bedient sich des dritten nicht schon dann, wenn er ihn einzelne der durch seine Beziehung zum versicherten Gegenstande bedingten Geschäfte besorgen läßt. Bedient er sich zur Ubersendung der Mitteilung eines dritten, insbesondere der Post, so bedient er sich des dritten nicht zur Erfüllung seiner Mitteilungspflicht. Die Mitteilungspflicht ist nicht am Orte der Hauptniederlassung des Versicherers zu erfüllen. Der Versicherungsnehmer ist nur verpflichtet, dem Versicherer die Mitteilung durch eine vertrauenswürdige Person zu übersenden (Vorb. V I I vor § 1 ) . Täuscht die mit der Übersendung betraute Person das Vertrauen, unterschlägt sie die Mitteilung, so hat der Versicherungsnehmer dies nicht so zu vertreten, wie wenn er selbst die Mitteilung vorsätzlich unterlassen hätte. Zwar ist seine Mitteilungspflicht noch nicht erfüllt, weil die bloße Absendung nicht genügt. Aber sie kann noch mit der Wirkung erfüllt werden, daß der Versicherungsnehmer von der Prämienpflicht frei bleibt; er bleibt frei, wenn er unverzüglich, nachdem er von der Fehlsendung Kenntnis erlangt hat, die Mitteilung erneut durch eine vertrauenswürdige Person zu übersenden versucht. Anm. 18
Dem Versicherer ist mitzuteilen. Ist der Versicherer g e s e t z l i c h v e r t r e t e n , regelmäßig dem gesetzlichen Vertreter. Ist der Versicherer r e c h t s g e s c h ä f t l i c h v e r t r e t e n , so kann auch dem Vertreter mitgeteilt werden. Auch dem A g e n t e n des Versicherers, selbst wenn er nur vermittelt hat (HGB § 86 Abs. 2, vgl. V V G §§ 43 Nr. 2, 47, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 3 ADS). — Ist der Versicherer durch G e s a m t v e r t r e t e r vertreten, so genügt Mitteilung an nur einen Gesamtvertreter (vgl. R G 53. 231, 110. 146, 134. 36). — Sind an der Versicherung m e h r e r e V e r s i c h e r e r beteiligt, so ist allen mitzuteilen. Auch dann, wenn über die mehreren Versicherungen nur eine Police ausgestellt ist. Ist ein Versicherer „Führer", so ist Mitteilung an ihn genügend, aber auch erforderlich (näheres Vorb. V vor § 1 ) . Anm. 19 Sobald der Versicherungsnehmer von dem Unwirksamkeitsgrunde Kenntnis erlangt, muß er mitteilen. Über den Begriff der Kenntniserlangung: § 2 Anm. 15. — Ist der Versicherungsnehmer g e s e t z l i c h v e r t r e t e n , so wird es regelmäßig nur auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ankommen. Unter Umständen ist aber auch die Kenntnis des gesetzlich vertretenen Versicherungsnehmers von Bedeutung. Die Frage hängt eng mit der anderen Frage zusammen, inwieweit der gesetzlich vertretene Versicherungsnehmer bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag eigenes Verhalten gegen sich gelten lassen muß. Denn die Kenntnis vom Unwirksamkeitsgrunde ist die Voraussetzung für die Entstehung der Mitteilungspflicht, einer Verbindlichkeit, bei deren Erfüllung der gesetzlich vertretene Versicherungsnehmer in gewissem Umfang auch eigenes Verhalten vertreten muß (oben Anm. 17, Vorb. V I I I vor § 1 ) . Die Grundsätze, die im allgemeinen für die Haftung des gesetzlich vertretenen Versicherungsnehmers für eigenes Verhalten maßgebend sind, werden daher auch für die Beantwortung der Frage maßgebend sein müssen, inwieweit die Kenntnis des gesetzlich vertretenen Versicherungsnehmers die Mitteilungspflicht erzeugt. Näheres über diese Grundsätze: Vorb. V I I I vor § 1. Kenntniserlangung durch einen von mehreren gesetzlichen Gesamtvertretern genügt (vgl. R G 59. 408, 110. 146, 134. 36). — Auch auf die K e n n t n i s eines s o n s t i g e n d r i t t e n kommt es unter Umständen an.
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Die Frage, inwieweit der Versicherungsnehmer die Kenntnis solcher dritten gegen sich § 3 gelten lassen muß, hängt eng mit der anderen Frage zusammen, inwieweit bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten der Geschäftsherr das Verhalten der dritten vertreten muß. Denn die Kenntnis von dem Grunde der Unwirksamkeit ist die Voraussetzung für die Entstehung der Mitteilungspflicht, einer Verbindlichkeit, bei deren Erfüllung der Versicherungsnehmer das Verhalten derjenigen vertreten muß, deren er sich dazu bedient (oben Anm. 17, Vorb. V I I I vor § 1 ) . Die Grundsätze, die im allgemeinen die Haftung des Versicherungsnehmers für das Verhalten dritter bei Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag beherrschen, werden daher auch für die Beantwortung der Frage maßgebend sein müssen, inwieweit die Kenntnis dritter die Mitteilungspflicht erzeugt. Der Versicherungsnehmer wird demgemäß die Kenntnis dritter nur dann, aber auch immer dann gegen sich gelten lassen müssen, wenn der dritte eine Person ist, die mit der Erfüllung der Mitteilungspflicht, besonders oder allgemein, betraut ist. Vgl. auch § 84 M I A : Where there has been no fraud or illegality on the part of the assured or his a g e n t s , the premium . . . is returnable . . . Näheres hierüber oben Anm. 16, Vorb. V I I I vor § 1. Ähnlich auch R G 101. 402 (zustimmend P r ö l ß Anm. 8c zu § 6 V V G , B r u c k - M ö l l e r Anm. 81 zu § 6 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 3 ADS) im Falle einer Haftpflichtversicherung: „Wenn der verantwortliche Leiter eines geschäftlichen Unternehmens dessen Innenbetrieb in der Weise regle, daß Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit sei, nicht von ihm selbst, sondern von einem bestimmten Angestellten zur Kenntnis genommen würden, so müsse er sich im Verhältnis zu einem dritten, der aus der Tatsachenkenntnis Rechte herleite, die Kenntnis wie eine eigene anrechnen lassen. Wenn auch der Angestellte nicht sein Stellvertreter im Willen sei, eine Willenserklärung überhaupt nicht in Betracht komme, so sei er doch zum W i s s e n s v e r t r e t e r bestellt, und der Leiter des Unternehmens würde in einem solchen Falle gegen Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr verstoßen, wenn er aus der inneren Geschäftsverteilung dem dritten gegenüber den Einwand der Unkenntnis herleiten wollte" (so gegen K G ) . — Diese selben Grundsätze sind auch, mangels besonderer Vorschriften, für die Beantwortung der Frage maßgebend, inwieweit bei der Versicherung für fremde Rechnung die Kenntnis des V e r s i c h e r t e n die Mitteilungspflicht erzeugt. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich insbesondere, daß es auf die Kenntnis des Versicherten nicht nur dann ankommt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherten mit der Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verbindlichkeiten besonders betraut hat, sondern schon dann, wenn es dem Versicherten allgemein überlassen ist, die mit der versicherten Unternehmung zusammenhängenden Angelegenheiten zu erledigen, der Versicherte mithin vollständig an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist oder von vornherein die versicherte Unternehmung geleitet hat. Unverzüglich nach Kenntniserlangung ist mitzuteilen. Das bedeutet nicht: „sofort" Anm. 20 (RG 124. 118), bedeutet vielmehr „ohne schuldhaftes Zögern" (BGB § 1 2 1 Abs. 1, Begr. ζ. Ε i g i o §3). — „ Z ö g e r n " , „Verzögerung" ist nicht „ V e r z u g " (vgl. BGB § 285), sondern bezeichnet einen nur objektiven Sachverhalt (vgl. H G B §601 Abs. 1, BSchG §36 Abs. 4, V V G § 113 Abs. 3). Verzögerung ist das Nicht-sofort-Handeln, nicht handeln, obwohl zu handeln möglich ist (RG 49. 395). Vgl. auch Anm. zu §§ 23, 66, 88, 124. — „ S c h u l d h a f t " ist die Verzögerung, wenn der Versicherungsnehmer die Mitteilung vorsätzlich oder fahrlässig hinausschiebt. Vorsätzlich ist die Verzögerung, wenn der Versicherungsnehmer sie will (§ 33 Anm.). Fahrlässig ist sie, wenn der Versicherungsnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (§ 33 Anm.). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Versicherer ein dringendes Interesse daran hat, die Mitteilung sobald wie möglich zu erhalten, da er „für sein Verhalten
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§ 3 wissen muß, ob das Rechtsgeschäft wirksam oder unwirksam ist" ( R G 49. 395, 64. 163, Recht 1908 Nr. 1330). Deshalb ist „so rasch, wie die Umstände es gestatten", mitzuteilen ( R G 49. 395, Recht 1903. 179). Wenn man am Sonnabend Kenntnis erlangt, ist Mitteilung am Montag rechtzeitig ( R G 64. 163). Die Verzögerung, die dadurch entsteht, daß man zunächst einen Anwalt um Rat fragt, ist nicht fahrlässig (Recht 1908 Nr. 3, R G H R R 31. 584). Fahrlässig ist es natürlich stets, wenn sich der Versicherungsnehmer der Mitteilungspflicht als solcher nicht bewußt ist und aus diesem Grunde die Mitteilung hinausgeschoben wird ( R G 95. 255). Nicht fahrlässig wird es sein, wenn der Versicherungsnehmer zögert, weil er weiß oder annimmt und annehmen darf, daß der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund kennt. Denn der Zweck der Mitteilung ist, wenn der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund erfahren hat, wenngleich auf anderem Wege, erreicht, und gegen die Unsicherheit, ob der Versicherungsnehmer sich auf die Prämienfreiheit berufen wird, 'St der Versicherer durch § 3 Abs. 2 Satz 2 geschützt. Kannte der Versicherer den Unwirksamkeitsgrund schon beim Vertragsschluß, so ist der Vertrag vollständig unwirksam (§ 2 Abs. 2), § 3 Abs. 2 unanwendbar. — Ist der Versicherungsnehmer g e s e t z l i c h v e r t r e t e n , so muß er die schuldhafte Verzögerung seines gesetzlichen Vertreters wie eigene gelten lassen. Im Falle einer Gesamtvertretung genügt das Verschulden eines Gesamtvertreters. Daneben hat der Versicherungsnehmer in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit eigenes Verschulden zu vertreten. — Die schuldhafte Verzögerung d e r j e n i g e n , d e r e n s i c h d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r zur Erfüllung seiner Mitteilungspflicht b e d i e n t , muß er wie eigene vertreten. Nach diesem Grundsatze bestimmt sich auch, inwieweit der Versicherungsnehmer bei der Versicherung für fremde Rechnung das Verschulden des Versicherten zu vertreten hat. Näheres über alles dies: oben Anm. 17 und Vorb. V I I I vor § 1. A n m . 21
Die Mitteilung ist, ihrem natürlichen Begriffe nach, eine e m p f a n g s b e d ü r f t i g e (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) W i s s e n s e r k l ä r u n g . Sie muß also unter Anwesenden dem Versicherer gegenüber so gemacht werden, daß dieser sie vernimmt oder doch, wenn er nur wollte, sie vernehmen müßte. Unter Abwesenden muß sie dem Versicherer zugehen (anal. BGB § 130). Näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 33. Anm. 22 I n h a l t der Mitteilung. Der Versicherungsnehmer muß „dies", muß mitteilen, daß er vom Grunde der Unwirksamkeit Kenntnis erlangt hat. Nicht genügt die bloße Mitteilung des Unwirksamkeitsgrundes, also die bloße Mitteilung, daß dem Vertrag kein oder kein versicherbares Interesse zugrunde liegt. Der Versicherer muß wissen, daß der Versicherungsnehmer nicht schon beim Vertragsschluß den Unwirksamkeitsgrund gekannt, daß er erst später „Kenntnis erlangt" hat. Auch, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis erlangt hat, und woran es liegt, daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrunde liegt. Denn davon hängt der Prämienanspruch des Versicherers ab. — Die Mitteilung braucht nicht auszusprechen, daß der Versicherungsnehmer von der Prämienpflicht frei sein will (vgl. R G 54. 68). Sie ist keine Willenserklärung, sondern eine bloße Wissenserklärung. Die Rechtsfolge der Prämienfreiheit tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob sie gewollt ist (vgl. R G 53. 368). Anm. 23 Die Mitteilungspflicht ist, nach der Natur des Schuldverhältnisses, B r i n g s c h u l d . Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer die Mitteilung auf eigene Kosten und Gefahr übermitteln. K o m m t sie, sei es auch aus Gründen, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, nicht an, so muß der Versicherungsnehmer den Mitteilungsversuch wiederholen. Vgl. oben Anm. 17 und Vorb. V I I vor § 1. Anm. 24 Verlangt der Versicherer die Prämie, so muß der Versicherungsnehmer b e w e i s e n , daß dem Vertrag kein (versicherbares) Interesse zugrunde liegt, der Versicherer, daß die Mitteilung verzögert ist, der Versicherungsnehmer, daß die Verzögerung nicht
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schuldhaft ist. So für den Fall der Anfechtung im Falle des § 1 2 1 B G B : R G 49. 395, J W 1904. 196. b) Die P r ä m i e n p f l i c h t des Versicherungsnehmers b l e i b t j e d e n f a l l s b e s t e h e n , w e n n seit dem Vertragsschluß e i n J a h r v e r s t r i c h e n i s t u n d der Versicherungsnehmer den Unwirksamkeitsgrund n i c h t in dem J a h r e dem Versicherer m i t g e t e i l t hat. Ob der Versicherungsnehmer oder ob der Versicherer von dem Unwirksamkeitsgrund Kenntnis erlangt hat oder nicht, gilt gleich. Hat der Versicherer schon beim Vertragsschluß den Unwirksamkeitsgrund gekannt, so ist der Vertrag ganz unwirksam (§ 2 Abs. 2), § 3 Abs. 2 Satz 2 unanwendbar. — Über den Begriff des „Unwirksamkeitsgrundes": § 2 Anm. 14. Uber die Bedeutung der „Mitteilung": oben Anm. 2 1 . D i e J a h r e s f r i s t beginnt mit dem Vertragsschluß, mit dem Zustandekommen des Vertrags (Vorb. I V vor § 1 ) . Der T a g des Vertragsschlusses wird nicht mitgerechnet (BGB § 187 Abs. 1). Fällt der letzte T a g der Frist auf einen Sonntag oder einen am Erklärungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endigt die Frist erst am nächstfolgenden Werktag (BGB § 193). Erklärungsort ist der Ort, an dem die Mitteilung wirksam wird, also, wenn dem abwesenden Versicherer mitzuteilen ist, der Ort, wo die Mitteilung zugehen muß. Die Jahresfrist ist nicht Verjährungsfrist (so, auch für § 159 A S V B , unrichtig: V o i g t 793), sondern A u s s c h l u ß f r i s t . Die Mitteilung muß jedenfalls binnen Jahresfrist gemacht sein. Auch § 278 BGB ist unanwendbar. Es kommt nur darauf an, ob tatsächlich binnen Jahresfrist mitgeteilt wird oder nicht. Wird nicht mitgeteilt, so bleibt die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers bestehen, aus welchem Grunde immer die Mitteilung unterblieben sein mag. § 3 Abs. 2 Satz 2 wirkt wie eine Verwirkungsklausel. Für solche Klauseln hat die Rechtsprechung den Grundsatz aufgestellt, daß der Versicherer sich auf sie nicht berufen kann, wenn den Versicherungsnehmer an der Unterlassung, mit der die Verwirkungsfolge verknüpft ist, kein Verschulden trifft. Dieser Grundsatz ist hier natürlich unanwendbar. Vgl. § 42 Anm. 12. A b s . 3. R i s t o r n o g e b ü h r . Der Ausdruck „Ristorno" (ristourne, return of premium, aus dem italienischen: Rückbuchung, näheres B e n e c k e 4) ist seit alters in den verschiedensten Wendungen gebraucht, — das Schicksal vieler unverstandener Fremdworte. Der Versicherte „läßt sich die Prämie, gegen Zurücklassung eines halben pro Cents, ristorniren oder wieder geben" (AHO 1 7 3 1 V I 1). „Das Ristorno soll jederzeit über alle Assecuradeurs . . . . verteilet und . . . . pro rata . . . . reguliret werden" (AHO 1 7 3 1 V I 2). Der Versicherte kann „die Assecuranz ristorniren oder aufheben" ( A H O 1 7 3 1 V I 3). „Ristorno der Prämie findet nicht statt" (AllgPlan 1847 § 78). Die Versicherung kann „durch Ristorno nicht wieder aufgehoben werden" (AllgPlan 1847 § 78). Der Versicherte hat „die Macht zu ristorniren" (AllgPlan 1847 §80). „ D e r Ristorno fällt auf die jüngere Police" (AllgPlan 1847 §80). „ D i e Versicherung ist zu ristorniren" (AllgPlan 1847 § 8 1 ) . „ D e r Ristorno oder die Prämienrückgabe" (AllgPlan 1847 § 83). „ D i e Prämie kann bis auf eine . . . Vergütung zurückgefordert oder einbehalten werden (Ristorno)": H G B § 894 Abs. 1. „ E i n Ristorno findet nicht statt" ( H G B § 897). „ D e r Ristorno muß innerhalb Jahresfrist gefordert werden" ( A S V B § 159). „Ristorno, Italicum: a Ritornar, ist so viel als die Premie wieder zurück haben, welche an den Ausgeber quasi wieder zurück gehet" ( L a n g e n b e c k 404). Der Ausdruck bezeichnet in der plastischen Art der älteren Gesetze die Folge für die Ursache, die tatsächliche Rückgängigmachung (Rückbuchung) für den Anspruch auf Rückgabe. Dieser Anspruch kann, wie regelmäßig jeder Anspruch, angriffs- oder verteidigungsweise geltendgemacht werden. Ristorno bedeutet also nichts anderes, als was das Gesetz in der terminologischen Vorschrift des § 894 H G B darunter versteht: das A n s p r u c h s -
§3 Anm. 25
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§ 3 o d e r E i n r e d e r e c h t d e s V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s , d i e P r ä m i e (teilweise) z u r ü c k z u f o r d e r n o d e r e i n z u b e h a l t e n . M a n kann also den Ristorno nicht als ein „besonderes versicherungsrechtliches Rücktrittsrecht" des Versicherungsnehmers bezeichnen (so S i e v e k i n g 203, auch M o l d e n h a u e r VLexikon 1032, wohl verleitet durch Prot. 3606, V o i g t 788 und die Uberschrift vor § 894 HGB: „Aufhebung der Versicherung und Rückzahlung der Prämie", vgl. dazu: B e n e c k e 4. 260). Der Versicherungsnehmer braucht nicht, um „die Prämie zurückfordern oder einbehalten" zu können, zurückzutreten. Die an den Rücktritt geknüpften Rechtsfolgen (BGB §§ 346fr.) entstehen nicht. Ist die Prämie gezahlt, so muß der Versicherungsnehmer sie kondizieren (oben Anm. 12). Ist sie noch nicht gezahlt, so hat er die Einrede. Wo das Gesetz dem Versicherungsnehmer ein Rücktrittsrecht hat einräumen wollen, hat es sich dieser Absicht gemäß und richtig ausgedrückt; so ζ. B. im § 898 HGB. Vgl. auch HGZ 1898. 209 (obwohl gleichfalls ungenau): Das Recht des Versicherungsnehmers als des Zahlenden sei kein Recht auf „Minderung oder nachträgliche Rückgängigmachung der Prämie", es bestehe „kein Anhalt für die Rechtsansicht des Versicherers, Ristorno sei ein selbständiger Anspruch des Versicherten als solchen". Anm. 30
13. Ristornogebühr ist zu zahlen, wenn keine Prämie zu zahlen ist. Genauer: wenn gemäß § 3 Abs. 1 keine P r ä m i e zu zahlen ist. Hat der Versicherer bei der Schließung des Vertrags den Unwirksamkeitsgrund gekannt, so gebührt ihm weder Prämie noch Ristornogebühr; auf den Fall des § 2 Abs. 2 ist § 3 Abs. 3 nicht anzuwenden. Ebensowenig ist § 3 Abs. 3 anwendbar, wenn der Versicherungsnehmer aus anderen Gründen keine Prämie zu zahlen braucht. So etwa, wenn eine dem Vertrag zugrunde liegende Willenserklärung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung mit Recht angefochten ist (vgl. aber auch § 2 Anm. 10). Insbesondere kann der Versicherer, der wegen arglistiger Täuschung mit Recht angefochten hat, keine Ristornogebühr verlangen (wohl aber Schadensersatz: BGB §§ 823, 826). — H ö h e der Ristornogebühr: § 18.
Anm. 31
14. Wenn das versicherte Interesse n u r z u e i n e m T e i l e b e s t e h t o d e r v e r s i c h e r b a r ist und die Versicherung deswegen zum anderen Teile unwirksam ist, so ist der Versicherungsnehmer gemäß § 3 Abs. 1 von der Prämienpflicht zum verhältnismäßigen Teile frei und muß von diesem Teile gemäß § 3 Abs. 3 die Ristornogebühr zahlen (vgl. HGB §§ 894, 895, ASVB §§ 154, 155, Begr. ζ. Ε 1910 § 4). Denn es gibt keinen allgemeinen Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie. Näheres: § 2 Anm. 22, § 16 Anm. 27. Anm. 32 15- Die Ristornogebühr soll das Entgelt für vergeblich aufgewendete Zeit, Mühe und Kosten des Versicherers sein. Es ist daher „wirtschaftlich nicht gerechtfertigt" ( V o i g t 789), sie wegzubedingen. Gleichwohl geschieht es oft. So etwa mit den Klauseln: „Etwaiger Ristorno geschieht franko" oder kürzer „ R i s t o r n o f r a n k o " ( P o h l s Ashers Rechtsfälle 1834 II 209, RG 23. 88, HGZ 1888. 245, vgl. hierzu auch § 18 Anm. 5; über eine besondere Ristornoklausel für den Fall der Veräußerung des versicherten Schiffes: HGZ 1906. 49 und dazu § 4 Anm. 16). Zur Zahlung der Nebenkosten bleibt der Versicherungsnehmer natürlich verpflichtet (vgl. oben Anm. 8). Anm. 33 16. Gebührt dem Versicherer nur eine Ristornogebühr, so kann der M a k l e r regelmäßig auch nur von der Ristornogebühr Provision verlangen (Vorb. IV vor § 1 ) . Anm. 34 17. § 3 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Für die Rückversicherung kommt aber auch in Betracht, ob der Vorversicherer vom Vorversicherten Prämie oder nur Ristornogebühr verlangen kann. Denn die Rückprämie wird in den Rückversicherungs-Verträgen regelmäßig von der Vorprämie abhängig gemacht. Dann kann, wenn der Vorversicherer nur die Ristornogebühr erhält, auch der Rückversicherer nur Anteil an der Ristornogebühr verlangen. Zwar ist die Ristornogebühr
Wegfall des Interesses. Künftiges Interesse
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nicht „Prämie". Aber sie ist doch Ersatz für den Teil der Prämie, der Unkosten und § 3 Arbeit des Versicherers decken soll. — Ist die Rückprämie von der Vorprämie nicht abhängig, die Rückversicherung ζ. B. bloße Gefahren-Rückversicherung gegen besondere Prämie, so ist die Ristornogebühr lediglich nach den §§3, 18 zu bestimmen (abw. H e r r m a n n s d o r f e r 188). Es ist also insbesondere die halbe Rückprämie und höchstens l / 8 % der Versicherungssumme zu zahlen. Bei der Berechnung der Ristornogebühr bleibt die dem abwicklungsberechtigten Vorversicherer gebührende Provision außer Betracht. Ist dem abwicklungsberechtigten Vorversicherer keine besondere Vergütung bewilligt, dafür aber die Rückprämie entsprechend niedriger bestimmt, so muß diese zur Berechnung der Ristornogebühr entsprechend erhöht werden. Übrigens hat der Vorversicherer bei der Gefahren-Rückversicherung das Abwicklungsrecht nur, wenn es besonders bedungen ist (§ 1 Anm. 154). — Uber den Fall, daß das vorversicherte Interesse nur zum Teile besteht oder versicherbar ist: § 2 Anm. 23. Anm. 35 18. F r e m d e Rechte: § 2 Anm. 27.
§4 Wegfall des Interesses. Künftiges Interesse (1) Fällt das Interesse, für das die Versicherung genommen ist, vor dem Beginne der Versicherung weg oder gelangt, falls die Versicherung für ein künftiges Interesse genommen ist, das Interesse nicht zur Entstehung, so ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei. Die Verpflichtung bleibt bestehen, wenn seit dem Abschlüsse des Vertrags ein J a h r verstrichen ist und der Versicherungsnehmer dem Versicherer nicht unverzüglich nach dem Ablaufe des Jahres mitteilt, daß das Interesse weggefallen oder nicht entstanden ist. Ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei, so kann der Versicherer die Ristornogebühr verlangen. (2) Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Prämie wird dadurch, daß das Interesse, für das die Versicherung genommen ist, nach dem Beginne der Versicherung wegfällt, nicht berührt. 1. Vgl. HG Β §§ 8 9 4 Abs. 1, 896, 897, A S V B §§ 154 Abs. 1, 156, 157, «59. B S V B §§ 67, 68, V V G § 68. 2. Literatur: § 1 Anm. 2, § 3 Anm. 2. J o s e f LZ 1908. 501 (Auflösend bedingte Versicherungsverträge und der nachträgliche Wegfall des versicherten Interesses). K ü b e l Z f V R 2. 89 (Erlöschung der Versicherung). 3. A b s . 1 setzt voraus, daß dem Vertrag ein versicherbares Interesse zugrunde liegt, der Vertrag also wirksam ist (§ 2). Ist ζ. B. im Falle einer Vergangenheitsversicherung das versicherte Interesse vor dem Beginn der Versicherung weggefallen, so ist nicht § 4 Abs. 1, sondern sind §§ 2, 3 anzuwenden (§ 2 Anm. 7). 4. Die Transportversicherung wird in der Regel so genommen, daß sie erst später beginnen soll. Fällt das Interesse noch vor Beginn der Versicherung w e g , so fällt die Rechtsbedingung aus, von der die, ihrerseits bedingte, Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt. Die Interessenlage ist derjenigen ähnlich, die besteht, wenn bei anderen Gegenseitigkeitsverträgen der Schuldner nicht leisten kann. Das Verhältnis müßte daher an sich nach Analogie der Vorschriften über die Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit beurteilt werden. Anders § 4 Abs. 1 nach alter Übung: Der Versicherungsnehmer ist von der Prämienpflicht frei. — Verlangt der Ver-
Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
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§ 4 sicherer die Prämie, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß das Interesse vor Beginn der Versicherung weggefallen (oder unversicherbar geworden) ist. Anm. 5 5. Das versicherte Interesse kann aus den verschiedensten Gründen wegfallen (oder auch: unversicherbar werden); vgl. § 2 A n m . 3fr. — Die B e z i e h u n g , die Person und Sache verknüpft, kann wegfallen. Das am 1. Dezember 1962 für die Zeit v o m I.Januar bis 31. Dezember 1963 versicherte Schiff wird am 15. Dezember 1962 durch Feuer vollständig zerstört. Wird es dem Versicherungsnehmer nur ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen, so braucht die Beziehung nicht gelöst, das Interesse nicht weggefallen zu sein. Der Versicherungsnehmer verliert ζ. B. nicht das Eigentum an dem unrettbar gesunkenen oder v o m Feinde ohne Aussicht auf Wiedererlangung genommenen versicherten Schiffe, das Interesse ist nicht weggefallen, die Versicherung dauert fort und kann insbesondere, wenn das Schiff, wider Erwarten, geborgen oder vom Feinde zurückgenommen wird, wirksam werden. A b e r der Fall wird dem des Interessewegfalls gleichzubehandeln sein (§ 5 A n m . 14). — Oder die P e r s o n , die durch das Interesse mit der Sache verknüpft ist, fällt weg. Das am 1. Dezember 1962 für die Zeit v o m 1. Januar 1963 bis 31. Dezember 1963 versicherte Schiff wird a m 15. Dezember 1962 veräußert (vgl. jedoch §§ 49, 50 und A n m . dazu). — V g l . zu dem Fall, daß die versicherte Unternehmung aufgegeben oder der versicherte Gegenstand sonstwie den versicherten Gefahren nicht ausgesetzt wird, §5 A n m . 5, 15. — Fällt das Interesse nur v o r ü b e r g e h e n d weg, so ist § 4 Abs. 1 nicht anwendbar. Das a m 1. Dezember 1962 für die Zeit v o m 1. Januar bis 31. Dezember 1963 versicherte und auf 500000 taxierte Schiff wird am 31. Dezember 1962 u m 50000 beschädigt. Das Schiff soll ausgebessert werden. Die Versicherung beginnt. Der Versicherer erhält die ganze Prämie. Brennt das Schiff am 2. Januar 1963 vollständig aus, so erhält der Versicherungsnehmer 500000 weniger den Beschädigungsschaden. Anders in einem Falle, in dem die Ausbesserung bereits begonnen hatte, Lidgett v. Secretan 1871 bei A r n o u l d 1012s. 1035: T h e assured was entitled to recover . . . the full amount insured as for a total loss; vgl. auch § 37 Anm. Anm. 6
A u s w e l c h e m G r u n d e das Interesse wegfällt, ist ohne Bedeutung ( K ü b e l Z f V R 2. 90). Der Versicherungsnehmer braucht auch dann keine Prämie zu zahlen, wenn er den Wegfall des Interesses vorsätzlich herbeigeführt hat. Anders nur etwa, wenn er, u m den Versicherer um die Prämie zu bringen, also wider T r e u und Glauben den Wegfall herbeigeführt haben würde (anal. B G B § 162 Abs. 2; abw. G r i e s h a b e r 47: nach § 324 B G B ; vgl. auch § 97 Anm.). Der Fall, daß der Versicherer den Wegfall des Interesses zu vertreten hat, wird kaum vorkommen; wenn doch, könnte der Versicherungsnehmer gegebenenfalls den Anspruch des Versicherers auf Ristornogebühr mit der exceptio doli abwehren (anders wieder G r i e s h a b e r 48: nach B G B 325). Anm. 7 6. V o r d e m „ B e g i n n e der Versicherung" m u ß das Interesse wegfallen. D a die Versicherung, wenn das Interesse wegfällt, gar nicht beginnen kann, ist hier (wie im § 68 V V G ) gemeint: vor dem Zeitpunkt, in dem die Versicherung beginnen soll. Der Ausdruck ist nur der K ü r z e wegen gewählt, u m den Gegensatz zum Fal'e des § 4 Abs. 2 (Wegfall des Interesses nach dem Beginn der Versicherung) zu kennzeichnen. — Ü b e r den Beginn der Versicherung vgl. insbesondere §§ 39, 66, 88, 106, 112, 124. Anm. 8 7. Die Versicherung kann für ein künftiges Interesse genommen sein (§ 2 A n m . 6). Den Hauptfall bildet die laufende Versicherung (§ 97 A n m . ; vgl. aber auch unten A n m . 11). Entsteht das Interesse nicht, so ist die Rechtsbedingung, von der die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, ausgefallen. Der Fall gleicht dem, daß das Interesse vor Beginn der Versicherung wegfällt. Er wird deshalb ebenso behandelt: Der Versicherungsnehmer ist von der Prämienpflicht frei. O b ein Interesse überhaupt nicht entsteht, ζ. B. die noch herzustellenden Güter nicht hergestellt werden (Begr.
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ζ. Ε ig ίο § 4), oder ob es zwar entsteht oder besteht, aber nicht in der Person des Ver- § 4 sicherten entsteht, ζ. B. die Gefahr der abzuladenden Güter auf den versicherungsnehmenden Käufer nicht übergeht, ob es zwar entsteht, aber nicht versicherbar, ob der Versicherungsnehmer die Nichtentstehung des Interesses zu vertreten hat oder nicht, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Näheres: oben Anm. 6. 8. Der Versicherer hat ein dringendes Interesse daran, sobald wie möglich zu Anm. 9 erfahren, ob das Interesse weggefallen oder das künftige Interesse nicht entstanden, die Prämie zu zahlen oder nicht zu zahlen ist. Deshalb bestimmt A b s . 1 Satz 2 eine Ausnahme von der Regel des Abs. 1 Satz 1 : Die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers bleibt b e s t e h e n (oder lebt wieder auf), w e n n a) ein J a h r seit dem Vertragsschluß verstrichen ist (näheres: § 3 Anm. 26—28), und b) der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r dem Versicherer nicht unverzüglich nach Jahresablauf mitteilt, daß das versicherte Interesse weggefallen oder nicht entstanden (oder unversicherbar geworden oder unversicherbar entstanden) ist. Der Versicherer, der Prämie verlangt, ist beweispflichtig. — Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r muß mitteilen. Über den Begriff des Versicherungsnehmers : § 3 Anm. 4. Auch im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung muß nur der Versicherungsnehmer mitteilen (§ 3 Anm. 16). Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1 . — Der Versicherungsnehmer ist v e r p f l i c h t e t mitzuteilen. Er muß daher das Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen wie eigenes gelten lassen (§ 3 Anm. 17). — Der Versicherungsnehmer muß u n v e r z ü g l i c h mitteilen. Ohne schuldhaftes Zögern (BGB § 121 Abs. 1 ; näheres: § 3 Anm. 20). Nach einem Jahre soll der Versicherer jedenfalls alsbald Gewißheit haben, ob er mit der Prämie rechnen kann oder nicht. Der Versicherungsnehmer muß also auch dann ohne schuldhaftes Zögern mitteilen, wenn die Versicherung immer noch beginnen, das Interesse immer noch entstehen kann. Sonst kann der Versicherer die Prämie verlangen, auch wenn tatsächlich die Versicherung nicht mehr beginnt, das Interesse nicht mehr entsteht. Der Versicherungsnehmer kann sich nicht darauf berufen, daß sein Zögern nicht schuldhaft gewesen sei, weil nach dem Ablauf des Jahres noch nicht festgestanden habe, daß die Versicherung nicht mehr beginnen, das Interesse nicht mehr entstehen werde. Fällt das Interesse vor Ablauf des Jahres weg oder wird vor Ablauf des Jahres gewiß, daß das Interesse nicht entstehen wird, so braucht der Versicherungsnehmer hiervon dem Versicherer doch nicht sofort, sondern erst unverzüglich nach Ablauf des Jahres Mitteilung zu machen. — Dem V e r s i c h e r e r ist mitzuteilen. Ist der Versicherer gesetzlich vertreten, regelmäßig dem gesetzlichen Vertreter. Ist der Versicherer rechtsgeschäftlich vertreten, so kann auch dem Vertreter mitgeteilt werden. Mitteilung an einen Gesamtvertreter genügt. Sind mehrere Versicherer beteiligt, so ist allen mitzuteilen. Mitteilung an den führenden Versicherer genügt. Näheres: § 3 Anm. 18. — Die M i t t e i l u n g ist, ihrem natürlichen Begriffe nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Tatsachenerklärung (vgl. aber auch unten Anm. 10). Sie muß also unter Anwesenden dem Versicherer gegenüber so abgegeben werden, daß dieser sie vernimmt, oder doch, wenn er nur wollte, sie vernehmen müßte. Unter Abwesenden muß sie dem Versicherer zugehen (anal. BGB § 130). Näheres: Vorb. IV vor § 1 Anm. 33. — Der Versicherungsnehmer muß mitteilen, daß das versicherte Interesse weggefallen oder das künftige Interesse nicht entstanden ist. Auch, woran es liegt, daß das Interesse weggefallen oder nicht ententstanden ist. Denn von dem Wegfall usw. hängt der Prämienanspruch des Versicherers ab und der Versicherer muß nachprüfen können. Die Mitteilung braucht nicht auszusprechen, daß der Versicherungsnehmer von der Prämienpflicht frei sein wolle. Sie ist keine Willenserklärung, sondern bloße Tatsachenerklärung (vgl. aber auch unten Anm. 10). Nicht einmal die Mitteilung selbst braucht gewollt zu sein (vgl. aber
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§ 4 auch unten Anm. 10). Näheres: § 3 Anm. 22. — Die Mitteilungspflicht ist B r i n g schuld. Näheres: § 3 Anm. 23. — Verlangt der Versicherer die Prämie, so muß der Versicherungsnehmer b e w e i s e n , daß das Interesse weggefallen oder nicht entstanden ist, der Versicherer, daß die Jahresfrist verstrichen und die Mitteilung verzögert ist, der Versicherungsnehmer, daß die Verzögerung nicht schuldhaft ist (§ 3 Anm. 24.) Anm. 10 9. Wenn das Interesse wegfällt oder nicht entsteht und der Versicherungsnehmer rechtzeitig mitteilt, braucht der Versicherungsnehmer k e i n e P r ä m i e zu zahlen. Wohl aber Ristornogebühr (§ 3 Abs. 2 Satz 3). Auch Nebenkosten (Stempel usw.); die Ristornogebühr ist zur Deckung der Nebenkosten nicht bestimmt (§ 18 Anm. 3). — Der Versicherungsnehmer braucht auch dann keine Prämie zu zahlen, wenn der Versicherer, wäre das Interesse nicht weggefallen oder wäre es entstanden, doch aus anderen Gründen frei wäre und gleichwohl Prämie verlangen könnte, wenn ζ. B. die Anzeigepflicht verletzt ist und der Versicherer deshalb gemäß § 20 Abs. 1 frei wäre (vgl. H G B § 896, Prot. 4449); selbst wenn der Versicherungsnehmer dabei fahrlässig oder gar arglistig verfahren ist, braucht er keine Prämie zu zahlen ( G e r h a r d 322; anders A S V B § 156; abw. V o i g t 791). — Wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aber nach § 4 Abs. 1 frei ist, kann er die Prämie (bis auf die Ristornogebühr) nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern (BGB §§ 812ff.). Ebenso, wenn ein dritter in seinem Namen gezahlt hat. Anders, wenn der dritte in eigenem Namen die Prämienschuld des Versicherungsnehmers bezahlt hat. Näheres: § 3 Anm. 12. — Dagegen bleibt die Prämienpflicht trotz Jahresablaufs und rechtzeitiger Mitteilung unberührt, wenn die Versicherung noch beginnen, das Interesse noch entstehen kann. Die Mitteilung des Versicherungsnehmers hebt den Versicherungsvertrag nicht auf. Auch der Versicherer muß trotz der Mitteilung damit rechnen, daß die Versicherung noch beginnt, das Interesse noch entsteht. Anders natürlich, wenn sich aus den Umständen des Falles, insbesondere aus dem Vertrag selbst, eine zeitliche Begrenzung ergibt. Den Umständen nach wird aber in der Mitteilung regelmäßig auch die Erklärung zu finden sein, daß man nicht mehr erwarte, die Versicherung werde noch beginnen, das Interesse noch entstehen, und demgemäß der Antrag auf Aufhebung des Vertrags bis auf die Ristornogebühr. Erklärt sich der Versicherer damit ausdrücklich oder stillschweigend, insbesondere durch Abrechnung auf der Grundlage der Ristornogebühr, einverstanden, so ist der Vertrag aufgehoben. Anm. 11
10. Wenn der Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig mitteilt, so ist die Folge nur, daß der Versicherungsnehmer verpflichtet bleibt, die Prämie zu zahlen. Insbesondere bleibt die Entschädigungspflicht des Versicherers unberührt. Die Versicherung kann noch beginnen (vgl. jedoch auch § 23). Das Interesse kann noch unter dem Schutze der Versicherung entstehen. Anders natürlich wiederum, wenn sich aus den Umständen des Falles eine zeitliche Begrenzung ergibt (oben Anm. 10). Anm. 12 I i . Nach Abs. 1 Satz 3 ist Ristornogebühr zu zahlen, wenn nach Abs. 1 Satz 1 keine Prämie zu zahlen ist. Näheres: § 3 Anm. 30. — Oft wird abweichendes vereinbart (§ 3 Anm. 32, unten Anm. 16). Oft ergibt sich ohne weiteres aus den Umständen des Falles abweichendes. So für die gewöhnliche l a u f e n d e Versicherung, die üblichste Versicherung künftiger Interessen (§ 97 Anm.). Von welchem Umfang und Werte die Interessen sind, die von der laufenden Versicherung umfaßt werden, ist nicht besonders bestimmt, steht einstweilen ganz dahin. Ebenso mithin, welche Prämien oder Ristornogebühren in Betracht kommen könnten. Von der Zahlung einer Prämie oder Ristornogebühr kann daher, wenn künftige Interessen nicht entstehen, ebensowenig die Rede sein, wie von einer Mitteilung, daß „das" Interesse nicht entstanden ist (Abs. 1 Satz 2). Die Versicherung erscheint insoweit dadurch bedingt, daß Interessen entstehen und zum
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Versicherungsnehmer in ein solches Verhältnis treten, daß er für sie „nach kaufmännischen Grundsätzen Versicherung zu nehmen h a t " (§ 97 Abs. 1; vgl. § 97 Anm.). Anders bei der ungewöhnlichen laufenden Versicherung, der Abschreibeversicherung (§ 98)· 12. Wenn das versicherte Interesse n u r zu e i n e m T e i l e w e g f ä l l t oder n i c h t e n t s t e h t , ist der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung eines verhältnismäßigen Teiles der Prämie frei und muß von diesem Teile Ristornogebühr zahlen (a proportionate part thereof: MIA § 84 Abs. 3; vgl. HGB § 894, ASVB § 154, Begr. ζ. Ε i g i o § 4). Der sogenannte Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie steht nicht entgegen. Denn einen solchen Grundsatz gibt es nicht (§ 16 Anm. 27). Wenn die Prämie nicht geteilt werden soll, ist es besonders gesagt (so gerade im § 4 Abs. 2). — Natürlich ist der Vertrag auch im übrigen nur teilweise wirksam. Wird ζ. B. eine Zukunftsversicherung für Güter im Werte von 100000 zu 50000 genommen und nur die Hälfte der Güter abgeladen, so ist diese Hälfte nicht etwa voll, sondern nur zu 50% gedeckt (vgl. § 2 Anm. 22). — Würde der Versicherer oder der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne den unwirksamen Teil nicht geschlossen haben, so ist der ganze Vertrag unwirksam (anal. BGB § 139; vgl. auch K i s c h 3. 60). 13. Abs. 2. Fällt das Interesse nach dem Beginn der Versicherung weg (oder wird das Interesse nach dem Beginn der Versicherung unversicherbar), so fällt wiederum die Rechtsbedingung aus, von der die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt. Dem Vertrag liegt ein versicherbares Interesse nicht mehr zugrunde. Der Vertrag wird unwirksam. The assured must be interested in the subject-matter at the time of the loss (MIA § 6). — Uber den Wegfall des Interesses: oben Anm. 5. H a t der Käufer imaginären Gewinn versichert, so fällt das Gewinninteresse natürlich nicht schon weg, wenn er die ihm zur Einlösung vorgelegten Warenpapiere nicht einlöst (RG 94. 302; abw. LG u. O L G Hamburg H G Z 1917. 226). — Beim Cif-Kauf wird regelmäßig die Gefahr vom Verkäufer auf den Käufer im selben Zeitpunkt übergehen, in dem die Versicherung beginnt (vgl. BGB § 447, ADS § 88). Der Verkäufer muß in solchem Falle das künftige (mit dem Gefahrübergang entstehende) Interesse des Käufers versichern, also Versicherung für fremde Rechnung nehmen. Er kann aber auch Versicherung für eigene Rechnung nehmen. Zwar fällt in diesem Falle sein versichertes Interesse (nicht vor dem Beginn der Versicherung, auch nicht nach dem Beginn der Versicherung, sondern) mit dem Beginn der Versicherung weg. Aber dieser Wegfall schadet nicht. Die Versicherung geht gemäß § 49 auf den Käufer über (§ 49 Anm.). Da die Unteilbarkeit der Prämie kein allgemeiner versicherungsrechtlicher Grundsatz ist (§ 16 Anm. 27; vgl. auch § 2 Anm. 22, § 3 Anm. 3, § 4 Anm. 13), würde der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Zahlung eines verhältnismäßigen Teiles der Prämie frei sein, wenn das Interesse nach dem Beginn der Versicherung, aber vor dem Zeitpunkt wegfällt, in dem die Versicherung endigen soll. Es ist jedoch „sachgemäß" (Begr. z. V V G § 68) erschienen, die Prämie, wenn das Interesse nach dem Beginn der Versicherung wegfällt (oder unversicherbar wird,) nicht zu teilen (Prot. 3635; Ausnahme: § 50 Abs. 2). Auch bei Zeitversicherungen und bei Versicherungen mehrerer Reisen wird die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers durch den nach Beginn der Versicherung eintretenden Wegfall des Interesses nicht berührt (RG 21. 329, H G Z 1886. 20, 1906. 53). So insbesondere nicht, wenn das „Frei von Kriegsgefahr" zeitversicherte Schiff durch ein Kriegsereignis, ζ. B. durch den Zusammenstoß mit einer Mine, vor Ablauf, etwa bereits bald nach Beginn, der Versicherungszeit zerstört wird (RG H G Z 1917. 106, 1919. 118, H G Z 1917.20,65, 1919.95, Rechtb. Amsterdam ITVMitt 1918, 30; abw. aus hier unbeachtlichen Gründen: G r i e s h a b e r
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Anm. 13
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§ 4 57). So insbesondere auch dann nicht, wenn vereinbart ist, daß die Zeitprämie in vierteljährlichen Teilbeträgen zu zahlen ist (abw. S i e v e k i n g 66 ohne Begründung unter irrtümlicher Verweisung auf HGZ 1886. 19). Anders, wenn vereinbart ist, daß die Zeitversicherung gekündigt werden kann. In diesem Falle endigt, wenn das versicherte Interesse nach dem Beginn der Vereinbarung wegfällt, ζ. B. das versicherte Schiff total verlorengeht, die Prämienpflicht auch ohne Kündigung mit dem Zeitpunkt, auf den zur Zeit des Wegfalls hätte gekündigt werden können (BGB § 157, HGZ 1886.20); immerhin wird auch in diesem Falle der Wegfall rechtzeitig angezeigt werden müssen. Anm. 16
Anm. 17
14. Abweichende Vereinbarungen sind nicht selten. Näheres oben Anm. 12 und § 3 Anm. 32. — Vgl. auch die HGZ 1906. 49 angeführte Klausel: „Sofern der Dampfer aus irgendeinem Grunde, ausgenommen wegen Totalverlustes, seine Fahrten einstellen sollte, steht es dem Herrn Versicherten frei, diese Versicherung aufzuheben gegen pro rata Prämienrückgabe für die nicht abgelaufene Zeit". Obgleich im Falle des Totalverlustes von der „Aufhebung" der durch Wegfall des Interesses beendigten Versicherung ebensowenig die Rede sein kann, wie von der „Einstellung" der Fahrten, nahmen L G und OLG Hamburg an, daß der Versicherungsnehmer die Versicherung auch im Falle eines dem Versicherer nicht zur Last fallenden Totalverlustes aufheben, sich also von der Prämienpflicht befreien könne. — Vgl. ferner die in Ashers Rechtsfällen 1834 II 197, 1835 I 75 angeführte Klausel: „Glückliche Ankunft des Schiffes im Abgangshafen vorbehalten". HG Hamburg nahm an, daß der Vertrag durch die glückliche Ankunft des Schiffes im Abgangshafen bedingt war, und versagte dem Versicherer die Ristornogebühr, nachdem das Schiff auf der Reise zum Abgangshafen verunglückt war. Dafür: Kn.Ashers Rechtsfälle 1835 I 75; dagegen Pohls ebendort 1834 II 197.
15. Von § 4 nicht betroffen wird der Fall, daß der Versicherungsvertrag unter einer Bedingung geschlossen ist und die aufschiebende Bedingung ausfällt, die auflösende eintritt, insbesondere Versicherung genommen ist unter der aufschiebenden Bedingung, daß das Interesse entsteht, oder unter der auflösenden Bedingung, daß es bestehen bleibt. Vgl. hierzu J o s e f L Z 1908. 581, R G 21. 329. Anm. 18 16. § 4 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Fällt das vorversicherte Interesse weg, nachdem die Vorversicherung und bevor die Rückversicherung begonnen hat, so gebührt dem Vorversicherer die Prämie (§ 4 Abs. 2), dem Rückversicherer nur die Ristornogebühr (§ 4 Abs. 1 Satz 3), — wenn nichts anderes vereinbart ist. — Das rückversicherte Interesse fällt insbesondere dann weg, wenn Vorversicherer und Vorversicherter die Aufhebung der Vorversicherung vereinbaren. Vereinbart aber ein abwicklungsberechtigter Vorversicherer die Aufhebung der Vorversicherung in den Grenzen seiner Abwicklungsbefugnis, so entstehen nicht die Rechtsfolgen des § 4; vielmehr gilt nunmehr die Rückversicherung als unter den gleichen Bedingungen aufgehoben, wie die Vorversicherung (vgl. § 1 Anm. 98ff., E h r e n b e r g R V 173). Anm. 19 17. Fremde Rechte. § 2 Anm. 27. Dazu MIA § 84 Abs. 3a: if the risk . . . has once attached, the premium is not returnable; und MIA § 84 Abs. 3d: Where the assured has a defeasible interest which is terminated during the currency of the risk, the premium is not returnable. Über den Begriff des defeasible interest: § 1 Anm. 1 o, MIA § 7. Der Grundsatz des § 84 Abs. 3 d ΜΙΑ gilt auch für die ADS (§ 4 Abs. 2; vgl. R G 23. 89). — Nach französischem Recht wird, wenn die versicherte Unternehmung nicht ins Werk gesetzt wird, die Versicherung ristorniert ( R i p e r t Nr. 2458^). Hat die Versicherung begonnen, wird die ganze Prämie geschuldet.
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§ 5
§5
Versicherungsbeginn vor Vertragsschließung (1) D i e V e r s i c h e r u n g k a n n a u c h so g e n o m m e n w e r d e n , d a ß sie in einem v o r der S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s liegenden Z e i t p u n k t e beginnt. D e m Versicherer steht in diesem Falle ein A n s p r u c h auf die P r ä m i e nicht z u , w e n n er bei der S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s w u ß t e , d a ß die M ö g l i c h k e i t des Eintritts des V e r sicherungsfalls schon ausgeschlossen w a r . D e r Versicherer ist v o n der V e r p f l i c h t u n g z u r L e i s t u n g frei, w e n n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r bei der S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s w u ß t e oder wissen m u ß t e , d a ß der Versicherungsfall schon eingetreten w a r ; d e m Versicherer g e b ü h r t die Prämie, sofern er nicht bei der S c h l i e ß u n g v o n d e m Eintritte des Versicherungsfalls K e n n t n i s hatte. (2) W i r d der V e r t r a g v o n einem V e r t r e t e r geschlossen, so k o m m t in b e z u g auf die K e n n t n i s u n d das K e n n e n m ü s s e n nicht n u r die Person des Vertreters, sondern a u c h diejenige des V e r t r e t e n e n in Betracht. 1. Vgl. H G B § 785, A S V B § 8, V V G § 2. Anm. 1 2. L i t e r a t u r . B r u c k - M ö l l e r zu § 2 V V G . E h r e n z w e i g V S R 76—79. F r i c k e Anm. 2 N e u m Z 1927.453 (Rückwärtsversicherung und Nachversicherung). G a d o w L Z 1920. 636 (Zur Auslegung des § 2 V V G ) . J. v. G i e r k e V R II 129—143. G o t t s c h a l k H R Z 1921. 865 (Beginn der Versicherung), NeumannsZ 1912. 645 (Die Befreiung des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung). G r e i s e r J R P V 1934. 145—150. G r o t t e Versicherungsfreund 1913 Nr. 15, 17 (Der Versicherungsfall). H a g e n H B I 386—389. J o s e f Z f V W 1911. 129 (Eintritt des Versicherungsfalls), WallmannsZ 51. 1349, 1367 (Vor und nach Beginn der Versicherung). P e e f , Der Versicherungsfall usw., 1914. P r ö l ß zu § 2 V V G . R o e l l i BaumgartnersZ 2. 52 (Eine Streitfrage usw.). S c h n e i d e r L Z 1910.56 (Eintritt des Versicherungsfalls). S c h u l z M D R 1959.978 (Probleme um die Rückwärtsversicherung). S c h w e i g h ä u s e r H R Z 1919. 219 (Beginn der Versicherung und Eintritt des Versicherungsfalls). W e i l Z f V W 1910. 62 (Eintritt oder Ausschluß des Versicherungsfalls bei Beginn der Versicherung), L Z 1909. 845 (Uber den Beginn der Versicherung). 3. Die Versicherung kann so genommen werden, daß sie sofort beginnen soll Anm. 3 ( G e g e n w a r t s v e r s i c h e r u n g ) , daß sie schon in der Vergangenheit beginnen soll ( V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g ) , daß sie erst in der Zukunft beginnen soll (Zuk u n f t s v e r s i c h e r u n g ) , — sei es, daß das versicherte Interesse bereits beim Vertragsschluß besteht, sei es, daß es selbst erst noch in der Zukunft entstehen soll (wie insbesondere regelmäßig bei der laufenden Versicherung). Die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags hängt in allen Fällen, der Natur des Geschäfts zufolge, davon ab, o b d a s v e r s i c h e r t e I n t e r e s s e besteht, entsteht, wegfällt, und ob die Beteiligten sich bewußt oder nicht bewußt sind, daß es besteht oder nicht besteht oder nicht entstehen kann oder wegfallen muß. Die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags hängt aber auch in allen Fällen, der Natur des Geschäfts zufolge, davon ab, ob d e r v e r s i c h e r t e S c h a d e n schon entstanden ist oder nicht entstanden ist und nicht entstehen kann oder entstehen oder entstanden sein muß, und ob die Beteiligten sich dessen bewußt oder nicht bewußt sind. 4. G e g e n w a r t s V e r s i c h e r u n g . E r s t e r Fall. D e r S c h a d e n ist s c h o n e n t s t a n d e n . Das versicherte Schiff ist ζ. B. schon vor dem Vertragsschluß untergegangen ( H a n s O L G H R Z 1925. 516 =
Anm. 4
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§ 5 H G Z 1925 Nr. 56 = Sasse Nr. 337: Bei Erneuerung eines Vertrages nach verspäteter Prämienzahlung war der Versicherungsfall bereits eingetreten), die schwimmende versicherte Ware ist schon vor ihrer Seereise durch Feuer zerstört (HansOLG H R Z 1925. a 7 3 = Sasse Nr. 328), sie ist bereits vor Abschluß des Versicherungsvertrags beraubt (KG J R P V 1927. 195 = SasseNr. 371). — Gefahr ist die Möglichkeit der Entstehung des Schadens (§ 28 Anm.). Hier ist unmöglich, daß der Schaden entsteht, weil er eben schon entstanden ist. Der Versicherungsvertrag ist schon deshalb unwirksam. Er ist aber auch deshalb unwirksam, weil kein Interesse (mehr) besteht. Die Rechtsfolgen bestimmen sich also nach §§ 2, 3. — Der schon entstandene Schaden kann ein bloßer Teilschaden sein. Das versicherte Schiff ist ζ. B. beschädigt. Der Versicherungsvertrag ist wirksam. Das Schiff kann ausgebessert werden und wird regelmäßig ausgebessert. Das versicherte Interesse kann ergänzt werden und wird ergänzt. Wird es nicht ergänzt (ζ. B. im Falle der Beschädigung der versicherten Güter), so sind die Grundsätze vom teilweisen Interessenmangel anzuwenden (§ 2 Anm. 22). Anm. 5 Z w e i t e r F a l l . Der S c h a d e n k a n n (aus anderen Gründen ) n i c h t e n t s t e h e n . Das versicherte Schiff geht nicht auf die versicherte Reise. Die versicherten Güter werden nicht verschifft. Die Gefahr eines Krieges zwischen zwei Staaten, gegen die Versicherung genommen wird, ist beseitigt (d. h. mit der erfahrungsmäßigen Gewißheit beseitigt, die bei der Beschränktheit menschlicher Erkenntnis für absolute Gewißheit genommen werden muß). Der Fall ist weder im Gesetz noch in den ADS geregelt (vgl. jedoch H G B §§ 894, 896). Er ist ein Parallelfall zu dem einen der im § 5 behandelten Fälle, nämlich zu dem Falle, daß die Versicherung für die Vergangenheit und Zukunft genommen wird, der Schaden aber nicht mehr entstehen kann. Es liegt deshalb nahe, die Bestimmungen des § 5 sinngemäß anzuwenden. Der Fall ist aber auch ein Parallelfall zum Fall des fehlenden oder weggefallenen Interesses. Auch in diesem letzteren Falle kann j a (wenngleich aus anderem Grunde) kein Schaden entstehen. Unter Umständen (ζ. B. im Falle der Rückversicherung) werden sich beide Fälle zugleich decken. Schließlich wäre es der Interessenlage zuwider, wollte man den Fall, daß ein Schaden nicht entstehen kann, weil er schon entstanden ist, und den Fall, d a ß der Schaden aus anderen Gründen nicht entstehen kann, verschieden behandeln. M a n wird deshalb die B e s t i m m u n g e n ü b e r d e n M a n g e l o d e r d e n W e g f a l l d e s v e r s i c h e r t e n I n t e r e s s e s e n t s p r e c h e n d a n w e n d e n müssen (vgl. K i s c h 2. 150, S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 3 zu § 4 ADS, P r ö l ß Anm. 6 zu § 68 V V G , L G H a m b u r g VersR 1951. 210). Hieraus folgt: a) W i s s e n V e r s i c h e r e r u n d V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , daß der Schaden nicht entstehen kann, so ist der Vertrag unwirksam ( § 2 Abs. 1). Der Versicherer ist frei. Der Versicherungsnehmer ebenfalls (§ 2 Abs. 2). Die Grundsätze über die Folgen auf unmögliche Leistungen gerichteter Versprechen sind unanwendbar ( K i s c h 2. 153). b) W e i ß n u r d e r V e r s i c h e r e r , daß der Schaden nicht entstehen kann, so gilt dasselbe (§ 2). c) W e i ß n u r d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , daß der Schaden nicht entstehen kann, so ist der Vertrag unwirksam (§ 2 Abs. 1). Gleichwohl m u ß der Versicherungsnehmer die Prämie zahlen (§ 2 Abs. 2). d) W e i ß k e i n e r von beiden, d a ß der Schaden nicht entstehen kann, so ist der Vertrag unwirksam (§ 2 Abs. 1). Der Versicherungsnehmer braucht insbesondere keine Prämie zu zahlen (§ 3 Abs. 1, dazu § 3 Abs. 2), wohl aber die Ristornogebühr (§ 3 Abs. 3). Ausnahmsweise m u ß er die Prämie zahlen, wenn er wissen muß, daß der Schaden nicht entstehen kann (§ 3 Abs. 1). e) Wird n a c h B e g i n n d e r V e r s i c h e r u n g die E n t s t e h u n g d e s S c h a d e n s u n m ö g l i c h , so wird die Versicherung unwirksam. Gleichwohl m u ß der Versicherungs-
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nehmer die Prämie zahlen (§ 4 Abs. 2). Übrigens endigt regelmäßig auch im selben § 5 Zeitpunkt die Versicherung (vgl. §§ 66 Abs. 3, 88 Abs. 3). — Die Gefahr fallt insbesondere weg, wenn die Sache für eine bestimmte Reise, ζ. B. das Schiff für die Reise von Santos nach Hamburg versichert ist und vor Beginn der Versicherung nach Triest bestimmt wird. Solche Veränderung der versicherten Reise wird aber als Gefahränderung behandelt (§23 Abs. 3). Die Versicherung beginnt; der Versicherer wird, wenn das Schiff den versicherten Reiseweg verläßt und den Weg nach Triest einschlägt, frei und erhält gemäß § 4 Abs. 2 die Prämie. — Oft wird besonderes vereinbart. Nicht nur für den Fall, daß die Entstehung des Schadens unmöglich wird, sondern auch für den Fall, daß die Möglichkeit der Entstehung kleiner, die Entstehung des Schadens weniger wahrscheinlich wird, die Gefahr sich vermindert. Dahin gehören insbesondere die Liegeoder Stilliege-Klausel und die Winterlager-Klausel (Vorb. vor § 1 1 3 ; vgl. auch H G Hamburg Ullrich Nr. 29: Wenn vereinbart sei, daß, solange das versicherte Schiff sich im Winterlager befinde, „bis zur Ausklarierung aus dem Zoll" keine Prämie zu zahlen sei, so sei der Versicherungsnehmer auch noch über Winterende hinaus bis zur üblichen Schiffahrtseröffnung prämienfrei gedeckt). f) Kann nur an einem T e i l d e r v e r s i c h e r t e n G e g e n s t ä n d e kein Schaden entstehen (werden ζ. B. die versicherten Güter nur zur Hälfte verschifft), so sind die Grundsätze anzuwenden, die gelten, wenn das versicherte Interesse nur teilweise besteht oder teilweise wegfällt (§ 2 Anm. 22; teilweise anders H G B § 894 Abs. 1). g) Kann i m B e r e i c h e eines T e i l e s d e r v e r s i c h e r t e n G e f a h r e n kein Schaden entstehen (ζ. B. bei einer die Kriegsgefahr einschließenden Versicherung kein Kriegsschaden), so wird regelmäßig nur die tatsächliche, nicht die rechtliche Wirksamkeit des Vertrags berührt. Anders wohl, wenn jene Gefahren besonders übernommen sind, insbesondere die Prämie für ihre Übernahme besonders bestimmt ist ( K i s c h 2. 165; vgl. auch § 16 Anm. 28). D r i t t e r F a l l . Der S c h a d e n muß e n t s t e h e n . Der Versicherer trägt nur die Anm. 6 „Gefahr", nur die Möglichkeit, nicht die Gewißheit der Entstehung des Schadens (§ 28 Anm.). Nicht die erfahrungsmäßige Gewißheit; von einer absoluten Gewißheit kann angesichts der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis keine Rede sein. The purpose of the policy is to secure an idemnity against accidents which may happen, not against events which must happen (The Xantho 1887 bei A r n o u l d 714 s. 758; vgl. dazu H G Z 1894. 18). Deshalb haftet der Versicherer nicht für Alters- und Abnutzungsschäden des versicherten Schiffes und nicht für den Schaden, der durch die erfahrungsgemäß notwendige Veränderung der versicherten Güter entsteht. Deshalb haftet der Versicherer grundsätzlich nicht, wenn das versicherte Schiff nach einem Hafen bestimmt ist, in welchem Schiffe dieser Art erfahrungsgemäß notwendig auf Grund kommen und beschädigt werden, oder wenn die versicherten Güter für einen Hafen bestimmt sind, in welchem ankommende Güter erfahrungsgemäß notwendig infolge von Uberfüllung der Warenläger ungenügend geschützt lagern und beraubt werden. Ist im Falle einer Güterversicherung die Quarantäneklausel (Vorb. vor § 1 1 3 ) , also vereinbart, daß dem Versicherer auch die Quarantänekosten zur Last fallen sollen, die der Verfrachter vom Befrachter in Form eines Frachtzuschlags einziehen kann, so haftet der Versicherer grundsätzlich nicht, wenn Quarantänekosten entstehen müssen; „denn die Versicherung wird nur gegen eine Gefahr übernommen, also gegen einen Schaden, von welchem der Versicherungsnehmer möglicherweise betroffen werden kann, nicht gegen einen Schaden, dessen Eintritt sicher ist, wenn der Versicherungsnehmer sich auf das unter die Versicherung fallende Unternehmen einläßt" ( R G H G Z 1895. 152). a) Wissen V e r s i c h e r e r und V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , daß der Schaden entstehen muß, so ist der Vertrag in der Regel kein Versicherungsvertrag (SA 66 Nr. 208). Er ist 13
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§ 5 darum nicht notwendig unwirksam. Er kann sogar als Versicherungsvertrag wirksam sein. Die Beteiligten können insbesondere davon ausgehen, daß die erfahrungsmäßige Gewißheit keine absolute Gewißheit ist und es deshalb absolut immer noch möglich ist, daß der Schaden nicht entsteht. Dann ist der Vertrag natürlich als Versicherungsvertrag zu behandeln. Wissen ζ. B. beide, Versicherer und Versicherungsnehmer, daß das versicherte Schiff nach einem Hafen fährt, in dem Schiffe dieser Art erfahrungsgemäß auf Grund kommen und beschädigt werden, daß die versicherten Güter nach einem Hafen gebracht werden, wo ankommende Güter erfahrungsgemäß notwendig wegen Uberfüllung der Warenläger ungenügend geschützt und beraubt werden, so muß man annehmen, daß der Versicherer auch die der erfahrungsmäßigen Gewißheit entsprechende Wahrscheinlichkeit der Entstehung solcher Schäden zu tragen bereit ist. Dagegen würde er für Alters- und Abnutzungsschäden des versicherten Schiffes, für notwendige Veränderungen der versicherten Güter auch dann nicht haften, wenn die §§ 59> nicht wären. b) Weiß n u r d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , daß der Schaden entstehen muß, daß ζ. B. der befürchtete Krieg sicher ausbrechen, das kriegsversicherte Schiff sicher beschlagnahmt werden wird, so ist der Vertrag unwirksam (SA 66 Nr. 208). Die subjektive Gewißheit bei dem insoweit Hauptbeteiligten, dem Versicherungsnehmer, entscheidet. Der Fall ist das Gegenstück zu einem der im § 5 behandelten Fälle, zu dem Falle, daß der Versicherungsnehmer bei der Vergangenheitsversicherung weiß, daß der Schaden schon entstanden ist (unten Anm. 9). Der Fall muß deshalb ebenso behandelt werden ( K i s c h 2. 63). Der Versicherungsnehmer muß deshalb die Prämie zahlen. c) Weiß n u r d e r V e r s i c h e r e r , daß der Schaden entstehen muß, so ist der Vertrag wirksam (abw. K i s c h 2. 61). Die subjektive Ungewißheit bei dem insoweit Hauptbeteiligten, dem Versicherungsnehmer, entscheidet. d) Weiß k e i n e r von beiden, daß der Schaden entstehen muß, so ist der Vertrag wirksam. Haben Arbeiter der herstellenden Fabrik mit den versicherten Gütern eine Höllenmaschine verpackt, die während der Dauer der Versicherung zur Explosion und Vernichtung führen muß, so haftet der Versicherer ( K i s c h 2 . 5 5 ) ; grundsätzlich wenigstens (§ 28 Anm.). Hält man aber im übrigen den § 5 für anwendbar (vgl. oben unter b), so muß man den § 5 auch hier anwenden. Der Versicherer ist also frei, wenn der Versicherungsnehmer w i s s e n m u ß t e , daß der Schaden würde entstehen müssen (§ 5 Abs. 1 Satz 3). e) Der notwendig entstehende Schaden kann ein bloßer T e i l s c h a d e n sein (ζ. B. in Quarantänekosten bestehen: oben vor a). Weiß in diesem Falle der Versicherungsnehmer oder muß er wissen, daß der Teilschaden entstehen muß, so ist der Versicherer nur insoweit, nicht auch im übrigen frei. Die Nichtanzeige der Umstände, auf denen die Notwendigkeit der Entstehung des Schadens beruht, wird den Versicherer aber regelmäßig gemäß §§ 19, 20 überhaupt befreien. Dann muß, wenn der Schaden nur einen Teil der versicherten Gegenstände betrifft, auch § 27 angewendet werden, wonach der Versicherer wegen des übrigen Teils nur frei ist, wenn er sich auf die Versicherung dieses übrigen Teiles allein nicht eingelassen hätte. Diese Bestimmung wird aber wegen Gleichheit der Interessenlage immer dann angewendet werden müssen, wenn der Versicherer wegen eines notwendig entstehenden Teilschadens frei ist (vgl. auch unten Am. 17). — Uber den Fall, daß der Schaden im Bereich nur eines Teiles der versicherten Gefahren entstehen muß: Anm. 5g. Anm. 7 5. Vergangenheitsversicherung (auch Rückwärtsversicherung genannt). a) Gefahr ist die Möglichkeit der Entstehung des Schadens. Aber nicht notwendig die objektive Möglichkeit. Auch die b l o ß s u b j e k t i v e M ö g l i c h k e i t der Entstehung des Schadens wird im Verkehr noch als Gefahr angesehen. Es genügt, daß die Be-
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teiligten die Entstehung des Schadens für möglich halten (vgl. Mot. ζ. PreußE 193: § 5 „bloß putatives Wagnis"). Bei der Schließung einer Gegenwartsversicherung mag objektiv gewiß sein, daß ein Krieg ausbrechen und infolgedessen der Schaden entstehen wird, oder objektiv gewiß, daß kein Krieg ausbrechen und der Schaden nicht entstehen wird; diese Gewißheit allein ändert nichts daran, daß die Gefahr besteht und der Vertrag, durch den der Versicherer sie übernimmt, ein Versicherungsvertrag ist. Deshalb ist auch die Vergangenheitsversicherung ein Versicherungsvertrag, obgleich objektiv gewiß ist, daß der Schaden schon entstanden oder nicht entstanden ist, — wenn dies nur für die Beteiligten ungewiß ist. Deshalb ist es gesetzestechnisch falsch und nur historisch (mit Rücksicht auf frühere Zweifel an der Wirksamkeit der Vergangenheitsversicherung: Begr. z. V V G § 2) zu erklären, was § 2 V V G (und ebenso § 5 A D S ) bestimmt: „ D i e Versicherung k a n n in der Weise genommen werden, daß sie in einem vor der Schließung des Vertrags liegenden Zeitpunkte beginnt", oder § 785 H G B : „ A u f die G ü l t i g k e i t des Vertrags hat es keinen Einfluß, daß zur Zeit des Abschlusses die Möglichkeit des Eintritts eines zu ersetzenden Schadens schon ausgeschlossen oder der zu ersetzende Schaden bereits eingetreten ist". Deshalb wäre es verkehrt, wollte man aus § 5 ( = V V G § 2), der, deutlich erkennbar, nur den Fall der zusammengesetzten Vergangenheitsversicherung (Beginn der Versicherung in der Vergangenheit, Ende der Versicherung in der Zukunft) behandelt, schließen, daß nur die so zusammengesetzte Vergangenheitsversicherung zulässig und wirksam ist. Auch die reine Vergangenheitsversicherung (Beginn und Ende der Versicherung in der Vergangenheit) ist wirksam (vgl. P r ö l ß Anm. 1 zu § 2 V V G , B r u c k - M ö l l e r Anm. 20 zu § 2 V V G ) . Freilich wird sie in der Seeversicherung selten vorkommen (ζ. B. der Käufer einer schwimmenden Ware übernimmt die Gefahr erst vom Zeitpunkt des Kaufs, der Verkäufer versichert deshalb nachträglich für die Zeit bis zum K a u f ) . — Übrigens war die Vergangenheitsversicherung schon dem ältesten Versicherungsrecht geläufig ( B e n s a 86, 8g, genues. Ges. um 1420: B e n s a 159). b) A b s . 1. Die Versicherung „ k a n n " so genommen werden, daß sie in Anm. 8 der Vergangenheit beginnen soll (insbesondere auch in einem zwischen Antragstellung und -annahme liegenden Zeitpunkt, denn „Schließung des Vertrages" liegt erst bei Abschluß des Vertrags vor; vgl. Bruck-Möller Anm. 14 zu § 2 V V G , P r ö l ß Anm. 1 zu § 2 V V G , anders Bise h o f f VersR 1957. 695). Der Ausdruck ist verfehlt (oben Anm. 7). Aber er macht ein richtiges klar: Die Versicherung gilt im Z w e i f e l n i c h t als Vergangenheitsversicherung. Die Parteien müssen darüber einig sein, daß sie Vergangenheitsversicherung sein soll. Die Einigung kann sich aber aus den Umständen ergeben ( H a n s O L G H a n s R G Z 1928 A 103, 6 5 1 = H R R 1928 Nr. 1908 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse Nr. 377, R G A P V 1933 Nr. 2536, O L G Köln VersR 1952. 268, O L G Düsseldorf J R P V 1933. 192, P r ö l ß Anm. 1 zu § 2 V V G , B r u c k - M ö l l e r Anm. 16 zu § 2 V V G ) . It is sufficient, if it appears by the description of the risk and the subject matter of the contract that the policy was intended to cover a previous loss (amerik. Supr. Court Insurance Co. v. Folsom 1873 bei A r n o u l d 24 s. 22). Für England ist die Frage übrigens ziemlich bedeutungslos, weil Lloyd's Police die Klausel lost or not lost enthält (unten Anm. 46, mißverständlich: K i s c h 2. 119, L e w i s 2. 278 Anm.). In Deutschland vorkommende Klauseln: „ O h n e Präjudiz, falb bereits abgegangen" ( R G 43. 143, H G Z 1898. 296), „ O h n e Präjudiz, falls das Schiff schon gesegelt sein sollte" ( H G Z 1877.49, 1889.6). — Die Vergangenheitsversicherung kann Hauptversicherung oder Ergänzungsversicherung sein. Wenn Güter durch eine Gegenwartsversicherung gedeckt sind und nach Beginn dieser Versicherung vereinbart wird, daß der Versicherer für Decksgüter — entgegen dem § 85 — unbeschränkt haften soll, so ist diese Vereinbarung natürlich nach den für die Vergangenheitsversicherung geltenden 13*
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§ 5 Grundsätzen zu behandeln ( H G Z 1884. a i a ) . •— Gleichgültig ist, ob der Versicherungsnehmer schon vom Beginn der Versicherung das versicherte Interesse gehabt hat (der Reeder nimmt erst nach Abfahrt des Schiffes Versicherung), oder ob er das Interesse erst nachträglich, aber auf den Beginn der Versicherung zurückbezogen, erworben hat (vgl. M I A § 6). — Nicht hierher gehört der Fall, daß ein im Kriege aufgebrachtes Schiff gegen die Gefahr der Kondemnation versichert wird (unrichtig M E 14, S i e v e k i n g 28). Das ist (im Zweifel wenigstens) eine gewöhnliche Gegenwartsversicherung, keine Versicherung, die v o r der Schließung des Vertrages beginnen soll. — Auch eine vorläufige Deckung kann als Rückwärtsversicherung gewährt werden ( P r ö l ß VersR 1952. i f . , B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 2 V V G ) . Anm. 9
E r s t e r F a l l . Der Schaden 1st schon entstanden. 1. Wissen Versicherer und Versicherungsnehmer, daß der Schaden schon entstanden ist, so ist der Vertrag (wenn überhaupt wirksam, jedenfalls) k e i n V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g , mögen auch beide ihr Wissen vor einander verheimlicht haben (so auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 23 zu § 2 V V G , P r ö l ß Anm. 2 C zu § 2 V V G ; siehe O L G Düsseldorf J R 1933. 192, O L G Stettin J R 1930.420). Anders nur, wenn Ungewißheit über die Höhe des eingetretenen Schadens besteht ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 23 zu § 2 V V G , A n m . 5 zu § 1 V V G ) . — Unrichtig R O H G 2. 34, das von der Annahme ausgeht, die Versicherung sei gültig, wenn dem Versicherer der, anzeigepflichtige, Umstand, daß das Schiff untergegangen sei, bekannt gewesen sei. Unrichtig insbesondere auch R G H G Z 1889. 104 (gegen H G Z 188g. 5): Die vertragsmäßige Ausdehnung einer, Kontanten ausschließenden, laufenden Police auf solche Kontanten sei sogar nach Ankunft der Verlustanzeige noch zulässig, der Versicherer hafte, wenn er im Beibuch irrtümlich den Empfang der Deklaration des Versicherungsnehmers bescheinige (vgl. auch § 97 Anm.). — O b ein solcher „als Versicherungsvertrag ungültiger" Vertrag ( H G B § 785 Abs. 2) als ein Vertrag anderer Art gültig ist, richtet sich danach, ob er ein anderes gültiges Geschäft verdeckt (BGB § 1 1 7 Abs. 2), oder ob er den Erfordernissen eines anderen gültigen Geschäfts entspricht und anzunehmen ist, daß die Beteiligten dessen Geltung bei Kenntnis der Ungültigkeit gewollt haben würden (BGB § 140). Auf diese Weise wird der Vertrag kaum je aufrechtzuerhalten sein. Denn der Gedanke, daß der Versicherer etwa aus „Liberalität" oder „ K u l a n z " sich auf eine Vergangenheitsversicherung einläßt (so H G Z 1884. 212), ist grotesk (nach L G Hamburg, K a m m e r für Handelssachen, H G Z 1884.212: „in direktem Widerspruch mit kaufmännischen Prinzipien stehend"); der „liberale", „kulante" Versicherer zahlt, aber schließt keine ungültigen Versicherungsverträge. — Ist der Versicherungsvertrag hiernach als ein anderer Vertrag nicht aufrechtzuerhalten, so sind Versicherer und Versicherungsnehmer frei. § 5 A D S , § 2 V V G sprechen es nur für den Fall der zusammengesetzten Vergangenheitsversicherung ausdrücklich aus. Aber es gilt natürlich auch für die reine Vergangenheitsversicherung. § 5 A D S , § 2 V V G sagen nur, daß der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung, der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Prämienzahlung frei ist. Aber sie sind natürlich überhaupt frei, der Versicherungsnehmer ζ. B. auch von der Verpflichtung zur Zahlung von Nebenkosten, zur Unfallsanzeige, zur Schadensminderung usw. 2. Weiß nur der Versicherer, daß der Schaden schon entstanden ist, so ist der Vertrag wirksam. Die Ungewißheit bei dem insoweit Hauptbeteiligten, dem Versicherungsnehmer, entscheidet. Das spricht sich im § 5 Abs. 1 Satz 2 klar aus ( K i s c h 2. 131, 136; vgl. A r n o u l d 22 s. 23). Sind mehrere Versicherer vorhanden, so kommt es bei jedem auf seine Kenntnis an. Daran ändert auch eine Führungsklausel nichts, da diese sich nicht auf die Kenntnis von Umständen bei Vertragsschluß erstreckt ( B r u c k M ö l l e r Anm. 39 zu § 2 V V G ) .
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3. Weiß nur der Versicherungsnehmer, daß der Schaden schon entstanden § 5 ist, so ist der Versicherungsvertrag seinem Wesen nach unwirksam ( K a e m m e r e r BaumgartnersZ 2.60, O L G Nürnberg M i t t ö f f F V A 1914.93; unr. R o e l l i BaumgartnersZ 2. 60), on the plainest general principles . . . void ( A r n o u l d 22 s. 23). Die Gewißheit bei dem insoweit Hauptbeteiligten, dem Versicherungsnehmer, genügt. Der Versicherer ist frei. Ohne weiteres; insbesondere ohne daß es einer entsprechenden Erklärung des Versicherers bedarf. Die Ansicht S i e v e k i n g s 28, der Versicherer sei nur „berechtigt, die Unverbindlichkeit geltendzumachen, sie trete nicht kraft Gesetzes ein", ist auch vom Standpunkt des H G B aus unhaltbar; vgl. auch K i s c h 2. 128. An und für sich müßte auch der Versicherungsnehmerer frei sein. Er ist es im allgemeinen auch. Aber kraft positiver Bestimmung erstreckt sich die Unwirksamkeit des Vertrags nicht auf die Prämienpflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 3). Der Versicherungsnehmer schuldet die Prämie. Die bedungene oder die übliche oder die angemessene Prämie. Auch die Nebenkosten. Auch Prämienzulagen. Aber natürlich keine Prämienzuschläge. Näheres: § 2 Anm. 13, § 16 Anm. 6. Sind mehrere Versicherungsnehmer vorhanden, so schadet die Kenntnis des einen allen übrigen ( M ö l l e r , Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, 1939, 20—25, B r u c k - M ö l l e r Anm. 3 g z u § 2 V V G ) . 4. Weiß keiner von beiden, daß der Schaden schon entstanden ist, so ist der Vertrag wirksam. In allen seinen Teilen. Es wird so angesehen, wie wenn beim Beginn der Vergangenheitsversicherung eine Gegenwartsversicherung genommen wäre. Insbesondere haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer (oder eine Person, deren Verhalten er wie eigenes gegen sich gelten lassen m u ß : Vorb. V I I I vor § 1, § 33 Anm.) den Schaden vor dem Abschluß des Vertrags vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat ( K i s c h 2. 139). Gefahränderungen, die zwischen Versicherungsbeginn und Vertragsschluß vorkommen, werden wie Gefahränderungen, die nach Vertragsschluß vorkommen, betrachtet (§ 24 Abs. 1 Satz 2; abw. und folgewidrig K i s c h 2. 450). Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer (oder ein anderer für seine Rechnung) zur Abwendung oder Minderung des Schadens gemacht hat, muß der Versicherer ersetzen (§ 32), usw. — Der Versicherer ist jedoch (ausnahmsweise: § 5 Abs. 1 Satz 3) auch dann frei, wenn der Versicherungsnehmer wissen m u ß (fahrlässiges Nichtwissen infolge mangelnder Erkundigung: H a n s O L G H a n s R G Z 1928 A 103, Β 51 = H R R 1928 Nr. 1908 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse Nr. 377), daß der Schaden schon entstanden ist. Der Fall ist ebenso zu behandeln, wie der Fall, daß der Versicherungsnehmer weiß, daß der Schaden schon entstanden ist. V g l . daher oben. 5. Bei z u s a m m e n g e s e t z t e n Vergangenheitsversicherungen ist zu unterscheiden, ob infolge des Schadens das Interesse ganz weggefallen ist, gar kein Schaden mehr entstehen kann (das versicherte Schiff ist vernichtet), oder ob noch Schaden entstehen kann (das versicherte Schiff ist beschädigt). Der erste Fall hat nichts besonderes. Z u m zweiten Fall: α) W i s s e n b e i d e , daß der Schaden schon entstanden ist (vgl. O L G Düsseldorf J R 1933. 192), so ist der Vertrag für die Vergangenheit unwirksam, für die Zukunft wirksam ( O L G Stettin J R P V 1930.420, B r u c k - M ö l l e r Anm. 29 zu § 2 V V G ) . Die Prämie muß verhältnismäßig geteilt werden (einen Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie gibt es nicht: § 16 Anm. 27). Vgl. B e h n e VersR 1951. 141, B r u c k - M ö l l e r a. a. Ο . Das Verhältnis von Versicherungswert und Versicherungssumme bleibt unberührt. N a c h B r u c k - M ö l l e r a. a. O . kann Uberversicherung vorhanden sein, wenn die durch den früher eingetretenen Versicherungsfall herbeigeführte Beeinträchtigung des versicherten Interesses nicht beseitigt wird. β) W e i ß n u r d e r V e r s i c h e r e r , daß der Schaden schon entstanden ist, so ist der Vertrag wirksam.
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y) W e i ß n u r d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , daß der S c h a d e n schon entstanden ist, so ist der V e r t r a g für die V e r g a n g e n h e i t unwirksam, für die Zukunft wirksam. Die Unwirksamkeit erstreckt sich a b e r nicht a u f die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers (§ 5 Abs. ι Satz 3). — Die Nichtanzeige des Schadens wird den Versicherer regelmäßig g e m ä ß §§ i g , 20 ü b e r h a u p t befreien. I n diesem F a l l e m u ß , wenn der S c h a d e n n u r a n e i n e m T e i l e der versicherten Gegenstände entstanden ist, a u c h § 27 angewendet werden, wonach der Versicherer wegen des übrigen Teiles nur frei ist, wenn er sich a u f die Versicherung dieses übrigen Teiles allein nicht eingelassen h a b e n würde (vgl. H G B § 7 8 5 Abs. 4 ) . Diese Bestimmung wird a b e r wegen Gleichheit der Interessenlage a u c h i m m e r dann angewendet werden müssen, wenn S c h a d e n entstanden ist und weiterer S c h a d e n entstehen k a n n . ό) W e i ß k e i n e r von beiden, d a ß der S c h a d e n schon entstanden ist, so ist der V e r t r a g wirksam. A b e r der Versicherer ist g e m ä ß § 5 Abs. 1 Satz 3 ausnahmsweise für die V e r g a n g e n h e i t frei, wenn der Versicherungsnehmer w i s s e n m u ß , d a ß der S c h a d e n schon entstanden ist (vgl. dazu H a n s O L G H a n s R G Z 1928 A 103, Β 51 — H R R 1928 N r . 1308 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse N r . 3 7 7 ) . — W e i ß der Versicherungsn e h m e r g r o b f a h r l ä s s i g e r Weise nicht, d a ß der S c h a d e n schon entstanden ist, so wird der Versicherer regelmäßig wegen Verletzung der» vorvertraglichen Anzeigepflicht ü b e r h a u p t frei sein (oben γ, § 20 Abs. 1 Satz 2). 6 . U b e r den Fall, d a ß der S c h a d e n i m B e r e i c h n u r e i n e s T e i l e s d e r n o m m e n e n G e f a h r e n entstanden ist, vgl. oben A n m . 5 g .
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Z w e i t e r F a l l . D e r S c h a d e n i s t n i c h t e n t s t a n d e n . D e r F a l l k a n n so liegen, d a ß während der D a u e r der Versicherung nicht nur kein S c h a d e n entstanden ist, sondern auch kein Schaden entstehen konnte. Die angeblich a m 1. M a i verschifften und a m 1. J u n i a b 1. M a i versicherten G ü t e r sind in Wirklichkeit nicht verschifft. D e r F a l l liegt ebenso, wie bei einer Gegenwartsversicherung der Fall, d a ß S c h a d e n nicht entstehen k a n n (oben A n m . 5). E r m u ß deshalb a u c h ebenso behandelt werden ( K i s c h 2. 166, B r u c k - M ö l l e r A n m . 33 zu § 2 V V G ) . § 5 ist nur a n w e n d b a r , wenn der S c h a d e n beim Beginn der Versicherung e n t s t e h e n k o n n t e , a b e r n i c h t e n t s t a n d e n ist (und — i m F a l l e einer zusammengesetzten Vergangenheitsversicherung — a u c h nicht entstehen k a n n ) . Die Fassung des § 5 A D S , § 2 V V G ( „ M ö g l i c h k e i t des Eintritts des Versicherungsfalls schon ausgeschlossen") ist also nicht genau. A u c h aus einem anderen G r u n d e nicht. „ D i e Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls" ist a u c h dann ausgeschlossen, w e n n der S c h a d e n schon entstanden (das versicherte S c h i f f ζ. B. schon vernichtet ist) und infolge hiervon nicht m e h r entstehen k a n n . Dieser F a l l ist a b e r gerade nicht gemeint (über i h n : A n m . 9 ) . 1 . W i s s e n V e r s i c h e r e r u n d V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , d a ß der S c h a d e n nicht entstanden ist (und nicht entstehen k a n n ) , so ist der V e r t r a g k e i n V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g . Insbesondere „steht dem Versicherer ein Anspruch a u f die P r ä m i e nicht z u " . — T r i t t die U n m ö g l i c h k e i t des Versicherungsfalls erst n a c h dem Beginn der R ü c k versicherung, a b e r vor Vertragsabschluß ein, und wissen beide Parteien hiervon, so liegt jedenfalls kein Versicherungsvertrag vor, insbesondere h a t der Versicherer keinen Anspruch a u f die P r ä m i e (vgl. B r u c k - M ö l l e r A n m . 3 5 zu § 2 V V G ) . 2. W e i ß n u r d e r V e r s i c h e r e r , d a ß der S c h a d e n nicht entstanden ist (und nicht entstehen k a n n ) , so ist der V e r t r a g unwirksam. Die Gewißheit bei dem insoweit H a u p t beteiligten, dem Versicherer, entscheidet. Insbesondere „steht dem Versicherer ein Anspruch a u f die P r ä m i e nicht z u " . O h n e weiteres n i c h t ; der Versicherungsnehmer b r a u c h t nicht erst „ d i e Unverbindlichkeit g e l t e n d z u m a c h e n " (so S i e v e k i n g 28). •—· Bei Eintritt der U n m ö g l i c h k e i t zwischen materiellem Vertragsbeginn und V e r t r a g s c h l u ß ist der V e r t r a g gültig. D o c h bezweifelt B r u c k - M ö l l e r A n m . 36 zu § 2 V V G mit
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Recht, ob der Vertrag als Versicherungsvertrag gültig sein könne. Der Versicherer trage tatsächlich keine Gefahr mehr. Andererseits glaube der Versicherungsnehmer, daß der Versicherungsfall eintreten könne. Im Hinblick auf § 5 Abs. 2 steht dem Versicherer ein Anspruch auf Prämie nicht zu. 3. Weiß nur der Versicherungsnehmer, daß der Schaden nicht entstanden ist (und nicht entstehen kann), so ist der Vertrag wirksam. Die Ungewißheit bei dem insoweit Hauptbeteiligten, dem Versicherer, entscheidet. — Gleiches gilt, wenn die Unmöglichkeit zwischen Versicherungsbeginn und Vertragschluß eintritt. 4. Weiß keiner von beiden, daß der Schaden nicht entstanden ist (und nicht entstehen kann), so ist der Vertrag wirksam. Auch dann, wenn der Versicherer wissen muß, daß der Schaden nicht entstanden ist (und nicht entstehen kann). Unrichtig G e r h a r d 22: Der Vertrag sei wegen Unmöglichkeit der Erfüllung gemäß § 323 BGB unwirksam; danach würde der Versicherer bei der reinen Vergangenheitsversicherung die Prämie nur dann erhalten, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. — Gleiches gilt, wenn die Unmöglichkeit zwischen Versicherungsbeginn und Vertragsschluß eintritt. 5. Über den Fall, daß im B e r e i c h n u r eines T e i l e s d e r versicherten G e f a h r e n kein Schaden entstanden ist, vgl. oben Anm. 5 g. D r i t t e r F a l l . Der Schaden muß entstanden sein. Der Fall ist ebenso zu beurteilen, wie bei der Gegenwartsversicherung. Vgl. oben Anm. 6. 6. Zukunftversicherung. E r s t e r F a l l . Der S c h a d e n ist beim Vertragsschluß s c h o n e n t s t a n d e n . Dann gilt natürlich dasselbe, was in diesem Falle für die Gegenwartsversicherung gilt. Vgl. oben Anm. 4. Z w e i t e r F a l l . Der S c h a d e n k a n n (aus anderen Gründen) n i c h t e n t s t e h e n . Dies ist schon beim Vertragsschluß gewiß (soweit bei der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis etwas gewiß sein kann). Auch in diesem Falle gilt dasselbe, wie für die Gegenwartsversicherung. Vgl. oben Anm. 5. D r i t t e r F a l l . Der S c h a d e n e n t s t e h t z w i s c h e n V e r t r a g s s c h l u ß u n d V e r s i c h e r u n g s b e g i n n . Das versicherte Schiff geht auf der Zureise zum Abladehafen, in dem die versicherte Reise beginnen soll, total verloren. Der Fall ist dem Falle ähnlich, daß bei der Gegenwartsversicherung der Schaden schon entstanden ist (ähnlich, — nicht gleich; denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob der Schaden schon beim Vertragsschluß entstanden ist, oder ob er erst später entsteht). Das versicherte Interesse fällt weg. § 4 Abs. 1 ist anzuwenden. — Ist der Schaden ein bloßer Teilschaden, so kann der Fall anders liegen. Das versicherte beschädigte Schiff kann ausgebessert werden und wird regelmäßig ausgebessert. Das teilweise weggefallene Interesse wird ergänzt. Wird es nicht ergänzt, so sind die Grundsätze vom teilweisen Interessewegfall anzuwenden (§4 Anm. 13). — Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer unter Umständen den Schaden anzeigen (§§26,40; vgl. K i s c h 2. 170) und gemäß § 4 Abs. ι mitteilen, daß das Interesse weggefallen ist. — Besondere Rechtsfolge, wenn die Güter beim Antritt der versicherten Reise beschädigt sind: § 84. V i e r t e r F a l l . Der S c h a d e n k a n n aus a n d e r e n , zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn entstehenden, G r ü n d e n n i c h t e n t s t e h e n . Das versicherte Interesse wird etwa den versicherten Gefahren nicht preisgegeben. „Die Unternehmung, aufweiche sich die Versicherung bezieht, . . . wird von dem Versicherten aufgegeben", „Die versicherte Sache . . . wird der von dem Versicherer übernommenen Gefahr nicht ausgesetzt" (HGB §894 Abs. 1), the subject-matter insured. . . has never been imperilled (MIA §84 Abs. 3). Der Krieg, gegen dessen Gefahr Versicherung genommen ist, wird ζ. B. noch vor Beginn der Versicherung durch einen Frieden endgültig be-
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§ 5 endigt (Prot. 3608), und zwar derart, daß Kriegsschäden (insbesondere auch Minenschäden: § 35 Anm.) nicht mehr entstehen können. Die beim Wegfall des versicherten Interesses geltenden Grundsätze sind sinngemäß anzuwenden (vgl. oben Anm. 5). Ob die Schadensmöglichkeit, die Gefahr, mit oder ohne Zutun des Versicherungsnehmers weggefallen ist, gilt gleich (so auch nach §894 HGB, Prot. 3607). Anm. 16 F ü n f t e r Fall. Der S c h a d e n muß während der Dauer der Versicherung entstehen. Dann gilt dasselbe, wie im Falle der Gegenwartsversicherung (oben Anm. 6). — Es kann sich aber auch erst in der Z w i s c h e n z e i t zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn ergeben, daß der Schaden entstehen muß. Im Falle einer laufenden Police mit Quarantäneklausel ordnet ζ. B. das Einfuhrland die Erhebung von Quarantänekosten an (vgl. HGZ 1894. 303, 1895. 151). Oder die Verhältnisse ändern sich im Laufe einer laufenden Versicherung am Bestimmungsort derart, daß Beraubungen erfahrungsgemäß gewiß werden (vgl. oben Anm. 6). In solchen Fällen darf sich der Versicherungsnehmer natürlich nicht auf Kosten des Versicherers der Gewißheit aussetzen, daß Schäden entstehen (so HGZ 1904. 304, dagegen mit Recht R G HGZ 1895. 152). Die Interessenlage ist derjenigen des Falles ähnlich, daß schon beim Vertragsschluß die Entstehung des Schadens gewiß ist. Deshalb muß dasselbe gelten, was in diesem Falle für die Gegenwartsversicherung gilt, — nur daß für die Entscheidung, ob die Entstehung des Schadens gewiß ist, nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern derjenige des Versicherungsbeginns maßgebend ist (Sieveking 91, HGZ 1895. 152; genauer wohl: der Zeitpunkt, in dem die versicherte Unternehmung noch hätte verhindert werden können). Deshalb ist auch der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer zu dieser Zeit wissen mußte, daß der Schaden würde entstehen müssen (vgl. oben Anm. 6). Anm. 17 7. Die §§ 785 Abs. 4, 810 HGB regeln besonders den Fall, daß der Schaden oder die Unmöglichkeit seiner Entstehung nur einen Teil der versicherten Gegenstände betrifft. Dieser Fall soll ebenso behandelt werden, wie der Fall, daß die vorvertragliche Anzeigepflicht nur für einen Teil der versicherten Gegenstände verletzt ist (vgl. § 27). ADS und V V G enthalten keine solche Bestimmung. Nach Begr. z. V V G § 2 soll die Unwirksamkeit auf den Teil beschränkt bleiben. Mit der Interessenlage ist solche Auffassung schwer vereinbar. Wenn schon für die, regelmäßig leichtere, Verfehlung gegen die Anzeigepflicht der Grundsatz des § 27 gilt, muß er hier erst recht gelten (abw. G e r h a r d 23, der, kaum verständlich, §320 Abs. 2 BGB angewendet wissen will; zweifelnd K i s c h 2. 146). Wollte man ihn nicht gelten lassen, so müßte man § 139 BGB anwenden. Danach könnte jeder Beteiligte sich darauf berufen (müßte aber auch beweisen), daß der Versicherungsvertrag ohne den unwirksamen Teil nicht geschlossen wäre. Tatsächlich führt dies zu so ziemlich denselben Ergebnissen, wie § 27. Hat insbesondere der Versicherer bei der Vergangenheitsversicherung gewußt, daß kein Schaden entstanden war (und entstehen konnte), so kann er sich natürlich nicht darauf berufen, daß er den Vertrag nicht geschlossen hätte; ebensowenig regelmäßig der Versicherungsnehmer. Hat der Versicherungsnehmer gewußt (oder wissen müssen), daß schon Schaden entstanden ist, so kann er sich natürlich nicht darauf berufen, daß er den Vertrag nicht geschlossen hätte; dasselbe wird regelmäßig für den Versicherer gelten, wenn nicht zu seinen Gunsten die §§ 20, 27 unmittelbar anzuwenden sind (oben Anm. 6, 9, unten Anm. 25). Die Einwendung von K i s c h 2. 146, daß man von der Unwirksamkeit des Vertrags dann nicht sprechen könne, wenn zwar der Versicherer frei sei, der Versicherungsnehmer aber Prämie zahlen müsse, ist unbegründet. § 139 BGB setzt nur voraus, daß ein „Teil des Rechtsgeschäfts nichtig" (oder unwirksam) ist, und solche teilweise Unwirksamkeit liegt gerade in diesem Falle vor (offenbar unrichtig G e r h a r d 23: § 139 BGB sei nicht anwendbar, weil der Vertrag nicht teil-
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weise nichtig, sondern nur teilweise unwirksam sei). — Der Grundsatz des § 27 muß § 5 aber auch wegen Gleichheit der Interessenlage in denjenigen Fällen sinngemäß angewendet werden, in denen der versicherte Gegenstand t e i l w e i s e n S c h a d e n erlitten hat oder erleiden muß oder hat erleiden müssen oder nicht hat erleiden können (vgl. auch oben Anm. 6, 9, unten Anm. 25). Ebenso, wenn im B e r e i c h n u r e i n e s T e i l e s d e r versicherten G e f a h r e n (ζ. B. der mitübernommenen Kriegsgefahr) Schaden entstanden oder nicht entstanden ist, nicht entstehen kann oder konnte, entstehen muß oder mußte, und jene Gefahren besonders übernommen sind, insbesondere die Prämie dafür besonders bestimmt ist (vgl. oben Anm. 5 g). Ebenso endlich, wenn m e h r e r e S c h ä d e n entstanden sind, der Versicherungsnehmer aber nur um einen wußte oder wissen mußte; doch wird in solchem Falle der Versicherer gegebenenfalls gemäß §§ 19, 20 auch im übrigen frei sein (vgl. oben Anm. 9). 8. Von entscheidender Bedeutung ist also, ob die Beteiligten „ g e w u ß t " haben Anm. 18 oder nicht, unter Umständen auch, ob sie haben „wissen müssen". a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 erhält der Versicherer keine Prämie, wenn er wußte, Anm. 19 daß der Schaden nicht entstanden ist (und nicht entstehen konnte). Wissen ist dasselbe wie kennen, Kenntnis (vgl. §§2, 3, 11, 12, 19, 20 usw.). Kenntnis eines Umstandes ist die g e g e n w ä r t i g e U b e r z e u g u n g von seinem Bestehen (vgl. R O H G 2. 35). Nicht ein f r ü h e r e s , der Erinnerung vollständig oder für die entscheidende Zeit entschwundenes Wissen (vgl. R O H G 12. 171, Recht 1910 Nr. 218, OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 347, OG Hamburg bei R O H G 2. 35). Auch nicht ein früheres, durch spätere Nachrichten überholtes und deshalb der gegenwärtigen Uberzeugung nicht mehr zugrunde liegendes Wissen. Auch nicht die bloße, sich nicht auf besondere Umstände stützende A n s i c h t (vgl. J W 1911. 649). Nur auf die „wirkliche Wissenschaft" kommt es an, „wohingegen es auf dasjenige, was der Versicherer mit geringerer oder größerer Bestimmtheit vermutet oder angenommen haben mag, nicht ankommt" (OAG Lübeck Kierulff 2. 36; vgl. OAG Lübeck H H 653, HGZ 1885. 162). Ist dem Versicherer glaubwürdig berichtet, daß das versicherte Schiff oder die versicherte Ladung glücklich angekommen ist, so hat er „gewußt", mag er auch dem Bericht keinen Glauben geschenkt haben ( K i s c h 2. 122). Der Versicherer muß nicht nur wissen, daß ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist, sondern auch, daß es einen Versicherungsfall innerhalb eines konkreten Vertrages bildet (KG VersR 1952. 124 = J R 1952· 3 2 9. O L G K ö l n VersR 1952. 269 = APV 1952. 146 = NJW 1952. 1297). Es reicht aus, wenn ein Organ in einer anderen Abteilung des Versicherers die Kenntnis besitzt (OLG Naumburg J W 1921. 688). Dagegen genügt nicht, daß der Versicherer wissen m u ß t e , d. h. fahrlässig nicht wußte (BGB § 122); auch nicht, daß er grobfahrlässig nicht wußte. Der Versicherer hat keine Erkundigungspflicht (vgl. E h r e n b e r g 349, K i s c h 2. 122, M e y e r Anzeigepflicht 83, S i e v e k i n g 60, V o i g t 188, B r u c k - M ö l l e r Anm. 39 zu § 2 VVG; R O H G 6. 424, RG 18. 141, RG HGZ 1905. 7, OAG Lübeck HambS 2. 151, HGZ 1904. 130; vgl. auch Anm. 15 zu § 20). Doch kann er sich auf seine Unkenntnis nicht berufen, wenn er sich der Kenntnis arglistig entzogen hat (BGB §826, vgl. E h r e n b e r g 340, G e r h a r d 560, K i s c h 2. 123,419, M e y e r Anzeigepflicht 68, R o e l l i 145, V o i g t 213, B r u c k - M ö l l e r Anm. 39 zu § 2 VVG); dem § 808 Abs. 1 HGB, § 16 Abs. 2 VVG ist kein argumentum e contrario zu entnehmen, eher schon (mit K i s c h 2. 123, 419) ein allgemeines, sich auch sonst vielfach auswirkendes Prinzip: Wer nicht hören will, muß fühlen (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 33 unter a). Es genügt also auch nicht, daß dem Versicherer „der Umstand in einer Weise bekannt geworden war, daß er sich seiner verständiger Weise noch erinnern mußte" (so E h r e n b e r g 349, M e y e r Anzeigepflicht 83). Doch wird in Fällen dieser Art zunächst die Kenntnis als bewiesen gelten und der Versicherer den Gegenbeweis
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§ 5 führen müssen. Denn als bewiesen gilt, was nach der Wahrscheinlichkeit, die angesichts der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis als Gewißheit hingenommen werden muß, anzunehmen ist. Und mit solcher Wahrscheinlichkeit darf man rechnen, wenn dem Versicherer „der Umstand so bekannt geworden war, daß er sich seiner verständiger Weise noch erinnern mußte". — Nach § 31 ASVB genügte „die bloße Tatsache, daß eine Nachricht in den Schiffahrtsberichten der Zeitungen mitgeteilt oder in einem öffentlichen Geschäftslokale durch Anschlag bekanntgemacht worden ist, nicht, um Kenntnis des Versicherers von derselben . . . anzunehmen". Dies gilt natürlich nicht nur von den gefahrerheblichen Umständen, von denen § 31 ASVB handelte, sondern allgemein (vgl. auch unten Anm. 25). — Sind mehrere Versicherer beteiligt, so kommt es auf die Kenntnis jedes einzelnen an. Insbesondere kann der Versicherungsnehmer die Kenntnis des „Führers" oder des Vorzeichners nicht auch den übrigen Mitversicherern entgegenhalten (so auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 39 zu § 2 VVG). Näheres: Vorb. V vor § 1. Anm. 20 b) Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ist der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer um die Entstehung des Schadens wußte. Uber den Begriff des Wissens: oben Anm. 19. — Der Versicherer ist auch dann frei, wenn der Versicherungsnehmer um die Entstehung des Schadens nicht wußte, aber wissen mußte. Wissenmüssen ist f a h r l ä s s i g e s Nichtwissen (BGB § 121 Abs. 2, Begr. ζ. Ε igio §3). Fahrlässigkeit ist Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. So § 276 Abs. 1 BGB für einen anderen Fall. Aber diese Begriffsbestimmung gilt im Zweifel auch überall sonst, wo an fahrlässiges Verhalten Rechtsfolgen geknüpft werden (RG 59. 222, 84. 146, S o e r g e l - S i e b e r t - S c h m i d t Anm. 1 zu §276 BGB). Ist der Versicherungsvertrag für den Versicherungsnehmer ein Handelsgeschäft, so ist Fahrlässigkeit die Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (HGB § 347). Vgl. auch OG Hamburg HGZ 1874. 3^8: Unrichtige Schlußfolgerungen aus Mitteilungen oder anderen Tatsachen sind nicht ohne weiteres fahrlässig. — Der Versicherungsnehmer hat also (anders, als der Versicherer) eine E r k u n d i g u n g s p f l i c h t (vgl. K i s c h 2. 122). Die Unterlassung solcher Erkundigungen kann das Nichtwissen zu einem fahrlässigen machen (HansOLG HansRGZ 1928 A 103, Β 51 = H R R 1928 Nr. J908 = J R P V 1928. 3073 = Sasse Nr. 377). — Uber den Begriff des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s : §3 Anm. 4. — Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Anm. 21 c) Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 erhält der Versicherer keine Prämie, wenn auch er von der Entstehung des Schadens Kenntnis hatte. Über den Begriff der Kenntnis: oben Anm. 19. Anm. 22 d) Bei der Schließung des Vertrags muß der Versicherer gewußt, der Versicherungsnehmer gewußt oder fahrlässig nicht gewußt haben. Das Gesetz sagte früher: „bei dem Abschlüsse des Vertrags" oder „zur Zeit des Abschlusses" (so auch noch ζ. B. HGB §§ 785, 806; anders V V G nach dem Vorgang des BGB §§ 145, 307 usw., das aber nicht immer folgerichtig verfährt, vgl. ζ. B. BGB § 109). Gemeint ist mit den Ausdrücken „Abschluß" und „Schließung" dasselbe: nicht sowohl (was im Ausdruck „Abschluß" hervortritt) das Zustandekommen des Vertrags, das Ergebnis der auf das Zustandekommen gerichteten Tätigkeit, als vielmehr (worauf das Tätigkeitswort „Schließung" hindeutet) eben diese T ä t i g k e i t (anders B r u c k - M ö l l e r Anm. 42 zu §2 V V G , Bruck H R Z 1925. 182, Prölß Anm. 3 zu § 2 V V G : maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis sei der formelle Versicherungsbeginn; vgl. auch OLG Stuttgart J R P V 1927. 98). Es kommt in jedem Falle nicht darauf an, daß man gerade beim Abschluß des Vertrags gewußt hat (oder hat wissen müssen), sondern darauf, daß man bei den V e r h a n d l u n g e n , die zum Abschluß geführt haben, gewußt hat usw.,
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während der „gesamten Vertragsverhandlung" ( R T K i. 30), during the negotiations § 5 for the contract (MIA § 20 Abs. 1). Andererseits genügt kein Wissen usw., das zwar bei diesen Verhandlungen vorhanden, aber beim Abschluß des Vertrags z e r s t ö r t war (doch würde solche Zerstörung nach allgemeinen Beweisgrundsätzen von demjenigen zu beweisen sein, der sich darauf beruft). Dagegen genügt es, wenn man zwar bei den Verhandlungen gewußt, sich aber gerade beim Abschluß des Vertrags des entscheidenden Umstandes nicht bewußt war; „ist jemandem ein Umstand aus eigener Wahrnehmung bekannt geworden, oder hat ein anderer ihm denselben mitgeteilt, so gilt, wenn es zu seinem Nachteil später auf die Kunde von dem Umstand ankommt, dieser, falls nicht etwas besonderes entgegensteht, als ihm bekannt, ohne daß er sich darauf berufen kann, er habe zu der betreffenden Zeit an den Umstand n i c h t ged a c h t " ( R O H G 12. 1 7 1 ; näheres: § 19 Anm. 39; vgl. auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 25, 42 zu § 2 V V G , auch R G H R Z 1921. 896, 1922. 60, O L G Köln J R P V 1926. 91 = L Z 1926. 596). -— Hat man jedoch zwar vor Abschluß des Vertrags Kenntnis erlangt usw., aber so s p ä t , d a ß d e r A b s c h l u ß n i c h t a u f z u h a l t e n war, so kommt es auf die Kenntnis usw. nicht an. So etwa, wenn der Versicherungsnehmer nach Absendung, aber unmittelbar vor der erwarteten Ankunft des Telegramms, das den Abschluß des Versicherungsvertrags herbeiführt, vom Versicherungsfall Kenntnis erlangt. So auch grundsätzlich H G u. O G Hamburg H H 532; der Versicherer wurde jedoch, obgleich der Liverpooler Versicherte einen Tag vor dem Abschluß vom Versicherungsfall Kenntnis erlangt hatte und den Abschluß telegraphisch hätte verhindern können, zur Entschädigung verurteilt, weil der Versicherte „zu einer Anzeige . . . per Telegraph, also zur Anwendung außerordentlicher Maßregeln, um so weniger verpflichtet gewesen sei, als er sich bei der Übersendung des Auftrags solcher außergewöhnlicher Maßnahmen keineswegs bedient hatte" (ähnlich H G Hamburg H G Z 1868. 224), — eine Begründung, die in ihrem ersten Teile richtig gewesen sein mag, in ihrem zweiten Teile weder richtig war noch ist. Der Wechsel des Gesetzes im Ausdruck („Abschluß" — „Schließung") bildet eine neue Stütze für diese Auffassung. Zu ihr bekennen sich schließlich die A D S an einer Stelle noch besonders. Nach § 57 Abs. 2, 3 soll bei der Versicherung für fremde Rechnung dem Versicherten auch eigene Kenntnis usw. nicht schaden, es sei denn, daß er den Versicherungsnehmer nicht mehr rechtzeitig benachrichtigen konnte (vgl. auch H G B §807 Abs. 2). Aus dieser Bestimmung den Umkehrschluß zu ziehen, wäre natürlich verkehrt. Abw. K i s c h 2. 123: Es komme nur darauf an, ob der Versicherungsnehmer im Augenblick des Vertragsschlusses gewußt oder nicht gewußt habe; der Versicherungsnehmer tue deshalb gut, seinen Antrag sofort nach Kenntniserlangung zu widerrufen, um so, wenn möglich, wenigstens noch die Prämie zu sparen. Anscheinend abw. auch H R Z 1922. 60, O L G Nürnberg MittöffF V A 1914. 92; jedoch lagen die Fälle so, daß der Versicherungsnehmer, als er vom Versicherungsfall erfuhr, nicht erwarten konnte, der Abschluß des Vertrags werde sich nicht mehr aufhalten lassen, und auch tatsächlich genügend Zeit hatte, ihn aufzuhalten. Abw. anscheinend auch O L G Hamburg H R Z 1922. 6 1 ; jedoch konnte in diesem Falle festgestellt werden, daß der Versicherungsnehmer, als ihm die Annahmeerklärung des Versicherers zuging, vom Versicherungsfall noch keine Kenntnis hatte. Vgl. auch die, teilweise bedenklichen, Ausführungen R o e l l i ' s in BaumgartnersZ 2. 52, ferner Vorb. vor § 1 Anm. 39, § 2 Anm. 20, § 19 Anm. 16 bis 18. — Ä n d e r u n g e n oder E r g ä n z u n g e n des V e r t r a g s stehen natürlich der „Schließung" gleich. Vgl. H G Z 1884. 2 1 2 : Nachträgliche Versicherung des Deckrisikos, obwohl der Versicherungsnehmer wußte, daß die Ladung schon geworfen war. — Teilweise anders die e n g l i s c h e Rechtsprechung. Der Versicherer macht auf Wunsch Versicherungsofferte für bereits abgeladene, auf 650 £ taxierte Baumwolle, anzunehmen binnen drei Tagen. Zwischen
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§ 5 Absendung und Empfang des Annahmeschreibens erlangt der Versicherungsnehmer vom Untergang des Schiffes Kenntnis. Der Versicherer hat gleichwohl zahlen müssen. Anm. 23 e) Wer sich darauf beruft, daß der andere Teil gewußt hat (oder hat wissen müssen), muß es beweisen (so auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 39 zu § 2 VVG). Dem Beweisführer stehen keinerlei Rechtsvermutungen zur Seite (vgl. jedoch auch oben Anm. 19, 22). Anders ζ. B. Art. 344 Abs. 2 PreußE, nach dem vermutet werden sollte, „daß der Versicherte . . . von dem Eintritt des Schadens Kenntnis hatte, wenn seitdem so viel Zeit verflossen ist, daß er davon hätte unterrichtet sein können". Ähnlich das französische Recht (unten Anm. 47). — Der Beweis kann aber mit allen Mitteln geführt werden (Kisch 2. 128). Vgl. HG Hamburg Seebohm 268: Am 6. Februar strandet das Schiff an der Westküste Jütlands, am 7. Februar wird die Ladung in Hamburg versichert; „bei der Schnelligkeit der jetzigen Communication erscheine der Versicherer völlig befugt zu verlangen, daß der Assecurirte eidlich erhärte, daß er von dem Schaden nichts gewußt habe". Vgl. auch den s. Z. berühmten Fall Joseph Encas: Der Versicherer hatte behauptet, daß der Versicherte bei Absendung des Versicherungsauftrags von der Strandung des Schiffes Kenntnis gehabt habe, und gewann schließlich mit einem Glaubenseide (HG u. OG Hamburg R O H G HGZ 1868. 222, 331, 1870. 153, 1872. 54, ROHG 3. 233). Anm. 24 9. Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (BGB §§ 119fr.). Soweit der Versicherungsvertrag unwirksam ist, kann er natürlich nicht angefochten werden. Was unwirksam ist, kann nicht unwirksam gemacht werden. Soweit der Versicherungsvertrag dagegen wirksam ist, kann die Wirksamkeit durch Anfechtung beseitigt werden. Aber natürlich kann niemand wegen eines Irrtums über einen Umstand anfechten, wegen dessen Ungewißheit die Versicherung gerade genommen ist; insbesondere der Versicherer nicht, weil er irrtümlich glaubte, der Schaden sei noch nicht entstanden, der Versicherungsnehmer nicht, weil er irrtümlich für möglich hielt, daß ein Schaden entstanden sei. Vgl. auch § 2 Anm. 10, § 20 Anm. 38, 3g. Anm. 25 10. Verhältnis der dem Versicherungsnehmer obliegenden Offenbarungspflicht des § 5 zur Anzeigepflicht des § 19. a) Hat der Versicherungsnehmer um den Schaden g e w u ß t , so ist der Versicherungsvertrag seinem Wesen nach unwirksam. Ein Vertrag, bei dessen Schließung dem Hauptbeteiligten die Ungewißheit fehlt, ist kein Versicherungsvertrag (oben Anm. 9). Der „Versicherer" ist frei. Der „Versicherungsnehmer" konnte Pflichten, die bei der Schließung eines „Versicherungsvertrags" zu erfüllen sind, insbesondere also die vorvertragliche Anzeigepflicht, weder erfüllen noch verletzen. Von der Anzeigepflicht kann also keine Rede sein. Nach den Gesetzen der Logik wenigstens. A n d e r s nach der V e r k e h r s a n s c h a u u n g . Man hat früher in die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers ohne weiteres die Offenbarungspflicht eingeschlossen (vgl. ζ. B. Benecke 3. 105, Pöhls 4. 558, 564, auch AUgPlan 1847 §§ 15, 37). Ein Uberrest dieser Auffassung ist es, daß Gesetz und ADS auch für den Fall, daß der Versicherungsnehmer die Offenbarungspflicht verletzt hat, vom „Versicherer", „Versicherungsnehmer", „zu ersetzenden Schaden" sprechen, obwohl der Vertrag notwendig unwirksam ist, wenn der „Versicherungsnehmer" wußte, daß der Schaden schon entstanden war. Deshalb umfaßt auch in England die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers die Offenbarungspflicht mit (unten Anm. 46). Es würde im Verkehrsleben niemand verstehen, wollte man behaupten, die Tatsache, daß der Schaden schon entstanden ist, sei kein „für die Übernahme der Gefahr erheblicher" Umstand. Die Verkehrsanschauung hat Recht. Gefahrerheblich sind nicht die Umstände, welche die Entstehung „zu ersetzender" Schäden möglicher, wahrscheinlicher machen, sondern die Umstände, die für die „ Ü b e r n a h m e " der Möglichkeit von Schäden durch einen
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„Versicherungsvertrag" erheblich sind. Für die „Übernahme" der Gefahr können auch § 5 Umstände erheblich sein, welche die Entstehung von Versicherungsschäden nicht möglicher, wahrscheinlicher machen oder zu machen brauchen. So ζ. B. der Umstand, daß früher große Schäden entstanden sind (§ 19 Anm. 24, 25), oder bei der Rückversicherung der Umstand, daß der Vorversicherer vom Risiko nichts zurückbehält (§ 1 Anm. 167). Der Versicherungsnehmer ist nach § 5 ebenso verpflichtet, zu offenbaren, wie er nach § ig verpflichtet ist, anzuzeigen (vgl. hierüber § 19 Anm. 9). Vgl. dazu kritisch ablehnend B r u c k - M ö l l e r Anm. 41 zu § 2 V V G ; ablehnend auch Ρ r ö 1 ß Anm. 4 zu § 2 V V G . Diese Verpflichtung besteht insbesondere natürlich darum nicht weniger, sondern erst recht, weil sie gegenüber der allgemeinen Anzeigepflicht verschärft ist, weil nämlich der Versicherungsnehmer, der gewußt hat, sich nicht darauf berufen kann, daß er an der Nichterfüllung der Offenbarungspflicht keine Schuld trägt, weil er sich ζ. B. nicht darauf berufen kann, daß die Post die Mitteilung vom Schaden nicht befördert hat, weil er also die Gefahr der gehörigen Übermittlung der Mitteilung trägt, die Erfüllung der Offenbarungspflicht garantiert. —Unrichtig R o e l l i BaumgartnersZ 2. 57: Schaden sei kein gefahrerheblicher Umstand, weil die Begriffe Gefahr und Schaden einander ausschlössen. Freilich ist die Gefahr im allgemeinen die Möglichkeit der (künftigen) Entstehung von Schäden. Aber im Falle der Vergangenheitsversicherung wollen es die Parteien gerade anders, soll es so angesehen werden, wie wenn die Versicherung schon bei ihrem Beginn genommen wäre, nimmt der Versicherer (für die Vergangenheit) nicht die wirkliche, sondern die „putative" Gefahr auf sich, nimmt er es auf sich, daß möglicherweise Schäden entstanden sind. b) Hat der Versicherungsnehmer um die Entstehung des Schadens wissen müssen, so ist der Vertrag nicht als Versicherungsvertrag, sondern nur wegen der besonderen Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 3 unwirksam. Diese Bestimmung bedeutet nichts anderes als ein Verschärfung der Anzeigepflicht für einen besonders wichtigen Fall (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2). c) Die im § 5 behandelte Offenbarungspflicht des Versicherungsnehmers ist also eine Spielart der Anzeigepflicht. Neben § 5 werden deshalb die aus der Interessenlage sich ergebenden Grundsätze, die für die Anzeigepflicht gelten, auch für die Offenbarungspflicht des Versicherungsnehmers anzuwenden sein (vgl. oben Anm. 6, 9, 17, unten Anm. 34, 35). Vgl. dazu kritisch B r u c k - M ö l l e r Anm. 41 zu § 2 VVG, ferner Prölß Anm. 4 zu § 2 V V G . 11. Versicherungsfall. Bisher ist, der Einfachheit halber, vorausgesetzt, daß Anm. 26 der Schaden entstanden oder nicht entstanden ist (und nicht mehr entstehen kann). § 5 ADS, § 2 V V G lassen aber entscheiden, ob die Beteiligten gewußt haben (oder haben wissen müssen), daß „der V e r s i c h e r u n g s f a l l schon eingetreten war", oder daß „die M ö g l i c h k e i t des Eintritts des Versicherungsfalls schon ausgeschlossen war". a) Der Begriff des V e r s i c h e r u n g s f a l l s ist für das V V G lebhaft umstritten. Nach Anm. 27 der Begr. z. V V G § 1 ist der Versicherungsfall „das E r e i g n i s , mit dessen E i n tritt die L e i s t u n g s p f l i c h t des Versicherers begründet ist". Dagegen ist eingewendet; es komme nicht auf die Leistungspflicht des Versicherers im allgemeinen, sondern auf seine H a u p t l e i s t u n g s - P f l i c h t an (Gerhard 13, M o l t 35). Ohne Grund. Die Begründung meint offenbar nur die Hauptleistungs-Pflicht des Versicherers, nicht seine Nebenverpflichtungen, die Verpflichtung zum Ersatz von Leistungen, zu denen der Versicherungsvertrag nur den Anlaß bildet, die der Versicherungsnehmer in Erfüllung versicherungsvertragsmäßiger Verpflichtungen gemacht hat (Schadenabwendungs-, Schadenminderungs-, Schadensfeststellungs-Kosten). — Ebensowenig ist der Einwand berechtigt, daß mit dem Eintritt des Versicherungsfalls auch eben diese
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§ 5 Verpflichtungen des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s (zur Schadenabwendung usw.) begründet seien ( M o l t 35). Denn auch diese Verpflichtungen sind Nebenverpflichtungen, die für die Begriffsbestimmung nicht wesentlich sind. — Gleichwohl; die Begriffsbestimmung der Begr. z. VVG ist nicht überall verwendbar ( M o l t 35, R i t t e r ArchBürgR 40. 402 und LZ 1914. 355, W ö r n e r DVZ 1905. 180). Der Ausdruck „Versicherungsfall" wird in v e r s c h i e d e n e n B e d e u t u n g e n gebraucht. Mit Recht hebt B r u c k - M ö l l e r Anm. 49 zu § 1 VVG hervor, die mangelnde Erkenntnis, daß es keinen einheitlichen Begriff des Versicherungsfalls gebe, habe zu unübersehbaren Theorien und Streitfragen geführt. Das Wort „Versicherungsfall" kann bedeuten: α) Das Gefahrereignis, d. h. das Ereignis, das einen Schaden herbeizuführen droht und objektiv unter die Haftung des Versicherers fällt. In diesem Sinne insbesondere P r ö l ß Anm. 1 zu § 33 VVG, ZHR 105. 189, J . v. G i e r k e VSR II 201, J W 1926. 1668, K i s c h 2. 13, WuRVers. 1928. 5, ZfVW 1935. 84f., 193, E h r e n b e r g 424, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 4 zu § 5 ADS, RG J W 1925. 952, BGH VersR 1952. 179 = BB 1952. 388, BGHZ 16. 37 = VersR 1955. 100, BGH VersR 1956. 250 = APV 1956. 118, VersR 1957. 781, OLG Schleswig VersR 1958. 839. ß ) Das die Entschädigungspflicht des Versicherers auslösende oder an und für sich auslösende Gefahrereignis. Nach dieser Auffassung gehört auch der Eintritt des Schadens zum Versicherungsfall. Siehe insbesondere B r u c k - M ö l l e r Anm. 49 zu § 1 VVG, Anm. 7 zu § 33 VVG, G e r h a r d 295, S i e b e c k 50—53. Siehe über den Begriff des „gedehnten Versicherungsfalls" B r u c k - M ö l l e r aaO mit weiteren Angaben. • 28 b) Nach § 1 VVG muß der Versicherer dem Versicherungsnehmer „nach dem Eintritte des Versicherungsfalls den dadurch verursachten Vermögensschaden" ersetzen. Nach § 53 VVG umfaßt die Versicherung „den durch den Eintritt des Versicherungsfalls entgehenden Gewinn" im allgemeinen nicht. Nach § 62 VVG muß der Versicherungsnehmer „bei dem Eintritte des Versicherungsfalls für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen". Nach § 144 VVG haftet der Versicherer, wenn „die durch einen Versicherungsfall beschädigte Sache" wiederhergestellt oder ausgebessert ist, für den Schaden, „der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht wird", unbeschränkt. In allen diesen Fällen kann der Ausdruck „Versicherungsfall" lediglich ein bestimmtes E r e i g n i s bedeuten, nicht aber ein Ereignis, das Schaden verursacht, und durch das die „Leistungspflicht des Versicherers begründet ist". Erst wenn „ d u r c h " das Ereignis ein Schaden verursacht ist, wird die Leistungspflicht des Versicherers begründet. Erst wenn „ d u r c h " das Ereignis Gewinn entgeht, kann davon die Rede sein, daß der Versicherer ihn nicht zu ersetzen hat. „Versicherungsfall" ist in diesem Zusammenhang überall das E r e i g n i s , das nach dem Versicherungsvertrag d e m V e r s i c h e r e r z u r L a s t f ä l l t , insbesondere, wie § 137 VVG sagt, „ein Unfall, für den der Versicherer haftet", ein Ereignis, für das er einstehen muß, weil es zum Kreise der von ihm übernommenen Gefahren gehört, und w e n n es Schadensfolgen hat, das „befürchtete Ereignis" (schweiz. VVG Art. 14), das Gefahrereignis, die „Gefahrtatsache", die „Schadensursache" ( M o l t 36), the casualty causing the loss (MIA § 79)· Vgl. BGHZ 43. 88. — So wird insbesondere die Bedeutung des § 62 VVG klar. Danach muß der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen. Bezeichnete hier der Ausdruck „Versicherungsfall" das Ereignis, „mit dessen Eintritt die Leistungspflicht des Versicherers begründet ist", so würde die Abwendungspflicht des Versicherungsnehmers erst beginnen, wenn „die Leistungspflicht des Versicherers begründet", also Schaden schon entstanden ist. Dies unmögliche Ergebnis zu vermeiden, wendet G e r h a r d 295 Gewalt an; obgleich das Gesetz die Abwendungspflicht erst entstehen läßt, wenn der Versicherungsfall eintritt, läßt er sie schon entstehen, „wenn nur die Gefahr seines Eintritts bestanden hat".
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Ähnlich P r ö l ß Anm. ι zu § 62 V V G : „ w e n n ein solches Ereignis unmittelbar droht". § 5 Versteht man unter dem Ausdruck „Versicherungsfall" im Sinne des § 62 V V G das bloße Gefahrereignis, so stimmen Wortlaut und Sinn des § 62 V V G gut überein. Bis zu diesem Ereignis wird der Versicherer durch die Vorschrift geschützt, daß der Versicherungsnehmer das Ereignis nicht herbeiführen darf ( V V G § 6 1 ) . V o n diesem Ereignis an wird er durch die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers geschützt (teilweise abw. ohne Grund auch M o l t 39: beim Eintritt des Gefahrereignisses müsse der Versicherungsnehmer Schaden abwenden, bei der Entstehung des Schadens Weisungen des Versicherers einholen und befolgen; vgl. hierzu R i t t e r ArchB ü r g R 40. 403). Wie hier B G H Z 43. 88 = V e r s R 1965. 325 = BB 1965. 307. c) Mit der Begriffsbestimmung der Begr. z. V V G stimmen auch die zahlreichen Anm. 29 Vorschriften nicht überein, nach denen der Versicherer „ v o n der Verpflichtung zur Leistung f r e i " sein soll, wenn der Versicherungsfall unter gewissen Umständen eintritt (vgl. V V G §§ 6, 25, 28, 32, 38 usw.). Ist der Versicherungsfall „ d a s Ereignis, mit dessen Eintritt die Leistungspflicht des Versicherers b e g r ü n d e t w i r d " , so kann man nicht davon sprechen, daß beim Eintritt des Versicherungsfalls die Leistungspflicht des Versicherers n i c h t begründet, der Versicherer frei sein soll. Aber hieraus würde sich nur ergeben, daß die Begriffsbestimmung der Begr. z. V V G für diese Fälle einzuschränken sein würde, daß man den Begriff des Versicherungsfalls zu bestimmen haben würde als das E r e i g n i s , m i t d e s s e n E i n t r i t t d i e L e i s t u n g s p f l i c h t d e s V e r s i c h e r e r s a n u n d f ü r s i c h b e g r ü n d e t ist, — an und für sich, d. h. sofern nicht aus den besonderen, die Haftung des Versicherers wieder beschränkenden Gründen (ζ. B. Verschulden des Versicherungsnehmers) der Versicherer von der durch das Ereignis begründeten Leistungspflicht frei ist. U n d mit dieser Einschränkung liegt die Begriffsbestimmung der Begr. z. V V G in der T a t den meisten sonstigen Vorschriften des V V G , ohne weiteres erkennbar, zugrunde (vgl. V V G §§ 2 1 , 34, 5 5 — 5 7 , 140, 1 4 1 , 143). Nach § 55 V V G braucht der Versicherer, auch wenn die Versicherungssumme höher ist als der Versicherungswert zur Zeit des Versicherungsfalls, nicht mehr als den Betrag des Schadens zu ersetzen; dabei wird vorausgesetzt, daß ein Schaden entstanden ist und damit dem Grunde nach die Leistungspflicht des Versicherers feststeht. Nach § 56 V V G haftet der Versicherer, wenn die Versicherungssumme niedriger ist, als der Versicherungswert zur Zeit des Versicherungsfalls, nur verhältnismäßig; dabei ist wieder als selbstverständlich angenommen, daß ein Schaden entstanden ist und der Versicherer ihn ersetzen muß. N a c h § 140 V V G soll der Abgangswert der versicherten Güter auch im Versicherungsfall als Versicherungswert gelten; dabei ist wieder stillschweigend unterstellt, daß ein zu ersetzender Schaden entstanden ist. Mit dem Sinne der §§ 3 3 , 34 V V G würde eine andere Begriffsbestimmung überhaupt nicht vereinbar sein. Nach § 3 3 V V G hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer „ n a c h dem Eintritte des Versicherungsfalls" unverzüglich Anzeige zu machen. N a c h dem sich hieran, auch inhaltlich, anschließenden § 34 V V G muß er dem Versicherer „ n a c h dem Eintritte des Versicherungsfalls auf Verlangen jede Auskunft erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist". A n und für sich stände nichts im Wege, diese Verpflichtungen schon entstehen zu lassen, wenn ein dem Versicherer zur Last fallendes Ereignis eintritt, also ohne Rücksicht darauf, ob das Ereignis Schaden gestiftet hat oder nicht. Insbesondere wäre es durchaus sachgemäß, wenn das Gesetz bestimmte, daß der Versicherungsnehmer solches Ereignis anzeigen müßte; denn der Versicherer kann nur im Falle einer solchen Anzeige von seinem Weisungsrecht rechtzeitig Gebrauch machen. Tatsächlich wird davon nicht die R e d e sein können (abw. M o l t 38). § 146 V V G bestimmt f ü r die Transportversicherung besonders, daß der Versicherungsnehmer jeden
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§ 5 Unfall, „auch wenn dadurch ein Entschädigungsanspruch für ihn nicht begründet wird", anzeigen muß, sofern der Unfall „für die von dem Versicherer zu tragende Gefahr von Erheblichkeit ist". Man könnte ja diese Vorschrift dahin verstehen, daß der Versicherer (außer den nach § 33 VVG anzuzeigenden Unfällen auch) solche Unfälle anzeigen muß, die dem versicherten Gefahrenbereiche nicht angehören, aber für ihn erheblich sind (ζ. B. einen Kriegsunfall im Falle einer die Kriegsgefahr ausschließenden Versicherung). Aber der Wortlaut des § 146 VVG umfaßt beides: die Anzeige von Unfällen, die dem Versicherer zur Last fallen, aber keine Schadensfolgen haben und d e s h a l b keinen Entschädigungsanspruch begründen, und die Anzeige von Unfällen, die dem Versicherer nicht zur Last fallen und d e s h a l b keinen Entschädigungsanspruch begründen. Gemeint ist, wie die Begr. z. VVG erkennen läßt, auch beides. Man wird daher annehmen müssen, daß die Anzeige- und Ankunftspflichten der §§ 33, 34 VVG nicht schon beim Eintritt eines dem Versicherer zur Last fallenden Ereignisses, sondern erst und nur dann entstehen, wenn das Ereignis die Entschädigungspflicht des Versicherers zur Folge hat (so auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 7 zu § 33 VVG, anders P r ö l ß Anm. 1 zu § 33 VVG); dies deutet übrigens auch § 34 VVG dadurch an, daß er die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers ausdrücklich auf den „Unfang der Leistungspflicht des Versicherers" erstreckt (ebenso, wie §§ 33, 34 VVG: VVG §§ 96, 113, 158; vgl. auch VVG § 121 Satz 2). — Schließlich ist noch auf § 145 VVG zu verweisen. Danach kann der Versicherer sich „nach dem Eintritt eines Versicherungsfalls" durch Zahlung der Versicherungssumme „von allen weiteren Verbindlichkeiten" befreien. Es scheint also vorausgesetzt zu sein, daß durch das Gefahrereignis eine Verbindlichkeit begründet sein muß, bevor der Versicherer sich befreien kann. Notwendig ist diese Annahme, die sich nur auf das Wort „weiteren" stützen könnte, an und für sich nicht, zumal der Urheber des VVG sich eng an den Wortlaut des § 841 HGB angeschlossen hat und nach § 841 HGB der Versicherer sich schon „nach dem Eintritt eines Unfalls" befreien kann. Mit Rücksicht auf die für die Feuer-, Hagel- und Viehversicherung geltenden, entsprechenden Vorschriften (VVG §§ 95, 112, 119) aber ist sie notwendig. Der Wortlaut dieser Vorschriften läßt keinen Zweifel darüber, daß der Versicherer sich nur befreien kann, wenn durch das ihm zur Last fallende Ereignis auch seine Leistungspflicht begründet ist. Anm. 30
d) Versicherungsfall im Sinne des VVG ist also (wenn man von einzelnen Vorschriften absieht: oben unter b) das Ereignis, durch das die Leistungspflicht des Versicherers begründet oder an und für sich begründet ist. Anm. 31 e) Der Begriff deckt sich also im allgemeinen mit dem Ausdruck. Nach diesem ist der Versicherungsfall ja gerade der Fall der Versicherung, der Fall, für den Versicherung genommen ist. In diesem Sinne ist der Ausdruck regelmäßig auch in den ADS verwendet. Wo die ADS nur auf die Ursache (das Gefahrereignis), nicht auch auf die Folge (Schaden, Entschädigungspflicht) abstellen, bedienen sie sich regelmäßig anderer Ausdrücke (§ g5 Abs. 2: „Unfall, für den der Versicherer haftet", §§ 77 Abs. 1 Satz 3,86 Abs. 2,96 Abs. 2,97 Abs. 9, 109 Abs. 3: „ein dem Versicherer zur Last fallender Unfall"; anders ζ. B.: §§41 Abs. 1, 77 Abs. 1 Satz 1). In jenem Sinne ist der Ausdruck auch im § 5 ADS, § a VVG gebraucht (so auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 4 zu § 5 ADS; abw. M o l t 37, der an dieser Stelle Gefahrtatsache und Schadenstatsache verwechselt und mit Unrecht auf § 785 HGB verweist; aus dieser Vorschrift, die vom „Eintritt eines zu ersetzenden Schadens" spricht, ergibt sich vielmehr gerade die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung). Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer weiß oder wissen muß, daß sich ein dem Versicherer zur Last fallendes E r e i g n i s zugetragen hat, sondern darauf, ob er auch weiß usw., daß dieses Ereignis ein solches ist, daß an sich die E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des Versicherers
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b e g r ü n d e t hat, daß „ d e r zu ersetzende Schaden schon eingetreten ist" ( H G B § 785) § 5 und zu ersetzen sein würde, wenn der Vertrag nicht unwirksam wäre. Wenn der Versicherungsnehmer weiß usw., daß sich ein dem Versicherer zur Last fallendes E r e i g n i s z u g e t r a g e n hat, durch dieses Ereignis aber die Entschädigungspflicht des Versicherers nicht begründet ist, ist § 5 nicht anwendbar. Weiß der Versicherungsnehmer, daß das versicherte Schiff gestrandet ist, weiß er aber nicht und braucht er auch nicht zu wissen, daß ein Schaden entstanden ist oder Aufwendungen notwendig sind, so kann sich der Versicherer auf § 5 nicht berufen. Wohl aber auf die Verletzung der Anzeigepflicht (§§ 19, 20). So erst recht, wenn der Versicherungsnehmer nicht einmal das Ereignis, ζ. B. die Strandung, gekannt hat usw., sondern nur U m s t ä n d e , d i e d a s E r e i g n i s h e r b e i z u f ü h r e n g e e i g n e t waren, wenn er ζ. B. wußte, daß zur entscheidenden Zeit und am entscheidenden Orte ein Orkan geherrscht hat. •— H a t der Versicherungsnehmer zwar gewußt, daß S c h a d e n e n t s t a n d e n und dem Versicherer zur Last fällt, aber nicht, durch welches Ereignis der Schaden entstanden ist (vgl. R O H G 3. 2 3 3 : Kenntnis vom Totalverlust des Schiffes ohne Kenntnis der Ursache), so hat er doch gewußt, daß der Schaden durch e i n dem Versicherer an sich zur Last fallendes Ereignis verursacht ist, also auch um den Versicherungsfall im Sinne des § 5 gewußt. — Aus dem Begriffe des Versicherungsfalls ergibt sich auch, daß § 5 unmittelbar anwendbar ist, wenn die Beteiligten bei Schließung des Vertrags e i n i g sind, d a ß e i n dem Versicherer zur Last fallendes E r e i g n i s (ζ. B. eine Strandung) s i c h z u g e t r a g e n hat, aber angeblich nicht wissen, ob ein Schaden entstanden ist oder Aufwendungen erforderlich sind ( M o l t 38, abw. M E 14, S i e v e k i n g 28, die ohne Grund einen solchen Vertrag nicht als Versicherungsvertrag gelten lassen wollen). Wenn die Beteiligten auch darüber einig sind, daß ein Schaden entstanden ist, aber angeblich n i c h t w i s s e n , w i e g r o ß der Schaden ist oder welche Aufwendungen erforderlich sind, wird § 5 sinngemäß anzuwenden sein. f ) I m Abandonfall ist von einem Versicherungsfall streng genommen nicht die Anm. 32 Rede. Der Versicherungsnehmer kann Entschädigung verlangen, ohne daß ein Schaden entstanden oder doch nachweisbar ist, lediglich auf Grund eines (in den §§ 72, 73) näher umschriebenen Zustandes (der Verschollenheit usw.; vgl. § 72 Anm.). Dieser Zustand ersetzt oder bildet den Versicherungsfall in allen Fällen, in denen der Versicherungsfall das Ereignis ist, mit dessen Eintritt die Leistungspflicht des Versicherers begründet ist. So auch im Falle des § 5. Immerhin ergeben sich Besonderheiten daraus, daß im Abandonfall ohne nachweisbaren Schaden entschädigt wird, ein Versicherungsfall tatsächlich nicht besteht, sondern nur konstruiert wird, die Gewißheit, ob Schaden entstanden ist oder entsteht, noch fortdauert. Insbesondere können die Beteiligten, obgleich sie wissen, daß das Schiff „verschollen" usw. ist, eine Vergangenheitsversicherung schließen ( M o l t 38). Andererseits entsteht im Falle der Nehmung usw. die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers (gemäß den oben Anm. 28 behandelten Grundsätzen) natürlich bereits mit der Nehmung, nicht erst mit dem Ablauf der zwei- oder sechsmonatigen Wartefrist (wie es auch immer Rechtens gewesen ist; vgl. A H O 1 7 3 1 X V 1 : „ W ü r d e ein Schiff . . . genommen und aufgebracht, so soll der Assecurirte solches unverlangt seinen Assecuradeurn kund machen, und mit denenselben . . . dasjenige verabreden, was zu Befreyung und Reclamirung des Schiffes und der Güter nötig seyn möchte . . . " , H G B § 819). 12. Abs. 2. Wird der Vertrag von einem Vertreter geschlossen, so kommt Anm. 33 nicht nur das Wissen usw. des Vertreters in Betracht (so B G B § 166 Abs. 1), sondern auch das Wissen usw. des vertretenen Versicherers oder Versicherungsnehmers. Nach Ε i g i o sollte das Wissen usw. des Vertretenen nur dann von Bedeutung sein, wenn der Vertrag „ v o n einem B e v o l l m ä c h t i g t e n oder einem V e r t r e t e r o h n e 14
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§ 5 V e r t r e t u n g s m a c h t " geschlossen ist (vgl. V V G §§ 2 Abs. 3, 19). Eine sachliche Änderung ist nicht beabsichtigt (Mat. 1 . 3 7 , 4 2 ) . M a n h a t n u r eine verkehrsfremde, schwerfällige Ausdrucksweise vermeiden wollen. § 5 Abs. 2 ist deshalb im Sinne des Ε ig ίο zu verstehen: Wird der Vertrag von einem Bevollmächtigten oder einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen, so kommt es (auch) auf das Wissen usw. des vertretenen Versicherers oder Versicherungsnehmers a n ; wird der Vertrag v o n e i n e m g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r g e s c h l o s s e n , so bewendet es grundsätzlich bei der Regel des § 166 Abs. 1 BGB, wonach es auf das W i s s e n usw. d e s V e r t r e t e r s ankommt (vgl. Begr. z. V V G § 2, J o s e f Z f V W 1 9 1 1 . 202, K i s c h 2. 124, S c h n e i d e r L Z 1910. 106, B r u c k - M ö l l e r Anm. 40 zu § 2 V V G ) . Anm. 34 a) Nicht als ob es auf das W i s s e n usw. d e s g e s e t z l i c h v e r t r e t e n e n Versicherers oder Versicherungsnehmers überhaupt nicht ankäme. Die Beteiligten sind einander zur Offenbarung verpflichtet. Auch der Versicherer. Denn aus der Treuepflicht des § 13 folgt, daß der Versicherer Umstände, die für den Entschluß des Versicherungsnehmers, überhaupt oder unter diesen Bedingungen Versicherung zu nehmen, von entscheidender Bedeutung sind, nicht verheimlichen darf (§ 13 Anm. 5, 6, 9, § 19 Anm. 14) und Umstände, die von größerer Bedeutung wären als der, daß kein Schaden mehr entstehen kann, lassen sich nicht vorstellen. Die Beteiligten müssen also eigenes und gemäß § 278 BGB fremdes Wissen usw. vertreten. Ist der Versicherer oder der Versicherungsnehmer gesetzlich vertreten, so m u ß er mithin eigenes Wissen usw. i n d e n G r e n z e n s e i n e r V e r a n t w o r t l i c h k e i t gegen sich gelten lassen (Vorb. V I I I vor § 1, § 19 Anm. 43; teilweise abw. K i s c h 2. 124 und B r u c k - M ö l l e r Anm. 40 zu § 2 V V G : n u r Arglist). B e d i e n e n s i e s i c h zur Erfüllung ihrer Offenbarungspflicht e i n e s d r i t t e n , so müssen sie dessen Wissen usw. vertreten (Vorb. V I I I vor § 1, § 19 Anm. 45). Anm. 35 b) Dies letzte gilt insbesondere für die Erkundigungs- und Offenbarungspflicht des Versicherungsnehmers. Diese ist j a nur die f ü r einen besonders wichtigen Fall verschärfte Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers (oben Anm. 25). Was insoweit für die Anzeigepflicht gilt, m u ß also erst recht f ü r die Offenbarungspflicht gelten (oben Anm. 25). Deshalb bestimmt j a auch f ü r den Fall der Vertragsschließung durch Vertreter § 5 Abs. 2 dasselbe wie § 22, f ü r den Fall der Versicherung f ü r fremde Rechnung § 55 Abs. 2 dasselbe wie § 55 Abs. 1. — Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r m u ß also das W i s s e n o d e r W i s s e n m ü s s e n d e r j e n i g e n , d e r e n e r s i c h zur Erfüllung seiner Erkundigungs- und Offenbarungspflicht b e d i e n t , wie eigenes v e r t r e t e n . Personen, die mit der versicherten Unternehmung zu tun haben, sind d a r u m natürlich noch nicht dritte, deren sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Erkundigungs- und Offenbarungspflicht bedient. Der dritte m u ß gerade mit der Erfüllung der Erkundigungs- und Offenbarungspflicht betraut sein. Sei es, daß er a l l g e m e i n beauftragt ist, die (oder auch die) mit der Versicherung zusammenhängenden Angelegenheiten oder einzelne von ihnen zu erledigen, und damit für die Erfüllung der aus der Versicherung sich ergebenden Obliegenheiten an die Stelle des Versicherungsnehmers gesetzt ist. Vgl. Vorb. V I I I vor § 1 Anm. 62 ff. Siehe auch R G 43. 142. Anm. 36 c) Das e n g l i s c h e Recht behandelt die Frage im Zusammenhang mit der Regelung der Anzeigepflicht (welche die Offenbarungspflicht des Versicherungsnehmers u m f a ß t : unten Anm. 45). Nach § 18 M I Α m u ß der Versicherungsnehmer alle gefahrerheblichen Umstände anzeigen, die ihm bekannt sind, und the assured is deemed to know every circumstance which, in the ordinary course of business, ought to be known by him (und nach § 19 M I A der Vertreter jeden gefahrerheblichen Umstand, which is known to himself, and an agent to insure is deemed to know every circumstance which in the ordinary course of business ought to be known by, or to have been communicated
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to him). Im ordnungsmäßigen Geschäftsgang muß dem Versicherungsnehmer auch § 5 bekannt werden, was seinen, mit der versicherten Unternehmung befaßten, Angestellten bekannt wird. Deswegen gilt deren Kenntnis ohne weiteres als Kenntnis des Versicherungsnehmers ( A r n o u l d 543 s. 574). Dieser Grundsatz wurde ζ. B. im Falle Proudfoot v. Montefiore (1867) ausgesprochen. Ein Kaufmann in Manchester ließ durch einen Vertreter in Smyrna Ware kaufen und verschiffen. Die Ware ging verloren. Der Vertreter erfuhr davon sofort, telegraphierte aber nicht, sondern schrieb einen Brief, um den Geschäftsherrn bei Schließung des erwarteten Versicherungsvertrags in Unkenntnis zu erhalten. Vor Ankunft des Briefes nahm der Geschäftsherr eine Lostor-not-lost-Versicherung. Die Entschädigungsklage des Versicherungsnehmers wurde abgewiesen. Bezeichnend sind die beiden Gründe, die man nur, wenn man die Art der englischen Rechtsentwicklung und die ihr zugrunde liegende nüchterne Lebensauffassung verkennt, „teilweise sehr fadenscheinig" nennen kann (so E h r e n b e r g 341). One is, that where a loss must fall on one of two innocent parties through the fraud or negligence of a third, it ought to be borne by the party by whom the person guilty of the fraud or negligence has been trusted or employed. The other is, that if the agent could conceal material information without hazard to the principal, the latter might instruct his agent to remain silent on the subject ( A r n o u l d 565 s. 598, der sich selbst fur die dürftige Erwägung entscheidet, that the underwriter contracts on the basis that all material facts connected with the property insured, known to the agent employed for that purpose, have been by him communicated in due course to his principal; vgl. auch den Bericht über die Entscheidung Z H R 12. 198). — Über einen entsprechenden Fall aus dem Rechtsverkehr der VerStaaten von Am. (Ruggles v. Gen. Interest Ins.Co.: Der Kapitän hatte dem Reeder von einem Unfall keine Anzeige gemacht, um den Abschluß einer Vergangenheitsversicherung zu ermöglichen): A r n o u l d 565 s. 598, N o l t e 2. 71. d) Der Vertrag ist also unwirksam, wenn der Versicherer oder der Versicherungs- Anm. 37 nehmer wußte usw., mag auch der Vertreter nicht gewußt usw. haben. Würde der Versicherer oder der Versicherungsnehmer selbst abgeschlossen haben, so würde ihr Wissen usw. ihnen nicht schaden, wenn es so spät kommt, daß der Abschluß des Vertrags nicht mehr verhindert werden kann (oben Anm. 2 a). Dieser Grundsatz ist sinngemäß auch hier anzuwenden. Kommt das Wissen so spät, daß der Vertreter (und natürlich auch die Gegenpartei) nicht mehr rechtzeitig unterrichtet werden kann (oder unterrichtet werden könnte, wenn man um die Schließung des Vertrags wüßte), so schadet es nicht (anders B r u c k H R Z 1925. 178fr., K i s c h 2. 123). The agent must disclose to the insurer every material circumstance, which the assured is bound to disclose, unless it comes to his knowledge too late to communicate it to the agent (MIA § 19b). — Hatte der Vertreter keine Vertretungsmacht, so daß der Vertrag vom Versicherer oder Versicherungsnehmer genehmigt werden muß, so ist auch das von Bedeutung, was der eine oder der andere bis zur Genehmigung erfährt oder erfahren muß ( K i s c h 2. 125, OAG Lübeck Ashers Rechtsfälle 1835 III 80). Dasselbe wird überhaupt gelten müssen, wenn die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung eines Beteiligten abhängt, diese ζ. B. vorbehalten ist (OAG Lübeck a. a. O.), entsprechendes dann, wenn ein anderer zu genehmigen hat, ζ. B. der gesetzliche Vertreter des beschränkt geschäftsfähigen Versicherungsnehmers den von diesem geschlossenen Vertrag ( K i s c h 2. 125, 234). e) Hat ein Untervertreter den Vertrag geschlossen, so kommt es gemäß § 166 Anm. 38 Abs. 1 BGB auf das Wissen usw. des Untervertreters an (ζ. B. auf das Wissen usw. des Kommis, den der Prokurist bevollmächtigt hat, Versicherung zu nehmen). Aber a u c h d a s Wissen usw. des H a u p t b e v o l l m ä c h t i g t e n ist von Bedeutung. Denn 14·
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§ 5 nach § 166 Abs. 2 BGB kommt es, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, auch auf das Wissen usw. des Vollmachtgebers, d.h. im Falle der Untervollmacht: des Hauptbevollmächtigten, an, und an die Stelle dieser Vorschrift ist eben hier die Bestimmung getreten, daß es immer, d. h. auch dann, wenn der Vertreter nicht nach bestimmten Weisungen gehandelt hat, auf das Wissen usw. des Vertretenen, d.h. im Falle der Untervollmacht: auch des Hauptbevollmächtigten, ankommt. Um so mehr kommt es auch auf das Wissen usw. des Hauptvertreters an, wenn dieser gesetzlicher Vertreter ist, oder wenn ein Untervertreter ohne Vertretungsmacht den Vertrag abschließt. Anm. 39 f) Auf das Wissen usw. von Vertretern, die bei der Schließung des Vertrags nicht beteiligt sind, kommt es nicht an. Vgl. hierzu den Fall OLG Naumburg J W 1921. 687 und darüber G e r h a r d J W 1921. 687, J o s e f H R Z 1921. 796. Vgl. auch den Fall Madonna bei R o e l l i BaumgartnersZ 2. 52: Der Versicherer macht am 1. August Rückversicherungs-Offerte. Der Rückversicherer nimmt am 2. August an. Am selben Tage (aber noch vor Abschluß und vermutlich so früh, daß der Abschluß noch hätte verhindert werden können) erfahren Vorversicherer und Rückversicherer, daß der Schaden schon entstanden ist. Der vertragschließende Vertreter des Rückversicherers erfährt davon aber erst am 3. August, weil die Schadensanzeige bei der Schadensabteilung des Rückversicherers eingegangen ist und von dieser versehentlich erst am 3. August bearbeitet wird. —· Vgl. aber auch oben Anm. 35 über die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen. — Ist der Vertrag durch mehrere G e s a m t v e r t r e t e r geschlossen, so genügt das Wissen usw. nur eines der mehreren Gesamtvertreter (vgl. R G 53. 231, 110. 146). Das Wissen usw. eines nicht b e t e i l i g t e n G e s a m t v e r t r e t e r s genügt nicht (vgl. HG Hamburg HGZ 1879. 99). Anders, wenn dieser als Hilfsperson in Betracht kommt (oben Anm. 35). Auch kann die Verschweigung den Tatbestand einer unerlaubten Handlung bilden (BGB §§ 823 Abs. 2, 826), der Vertretene gemäß § 31 oder 831 BGB dafür einstehen müssen (vgl. R G 4 3 . 106, 57. 94, J W 1893. 429, 1899. 47, 305 usw.). Anm. 40 13. Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommt es regelmäßig nicht nur auf das Wissen usw. des Versicherungsnehmers, sondern auch auf das Wissen usw. des Versicherten an: § 57 Abs. 2—4. Man wird dem § 57 ein allgemeines Prinzip entnehmen und insbesondere das Wissen usw. des Versicherten dem Wissen usw. des Versicherungsnehmers auch dann gleichstellen müssen, wenn der Schaden während der Dauer der Versicherung entstehen muß oder nicht entstehen kann (vgl. oben Anm. 3ff., § 57 Anm.). Anm. 41 14. § 5 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). a) Wenn der Vorversicherer Einzel-Rückversicherung nimmt, hat möglicherweise die Vorversicherung schon begonnen. Soll die Rückversicherung in solchem Falle im selben Zeitpunkt beginnen, in dem die Vorversicherung begonnen hat, so muß dies besonders v e r e i n b a r t werden (oben Anm. 8). Weiß der Rückversicherer, daß die Vorversicherung bereits läuft, so folgt daraus nicht ohne weiteres, daß der Rückversicherer auch für die Vergangenheit haften soll und will. Anm. 42 b) Nach dem Abschluß einer teilungsbedürftigen Versicherung muß der Versicherer sich um Rückversicherung bemühen. Da die Versicherung demnächst beginnen soll, muß er sich beeilen. Er ist aber oft über Einzelheiten nicht unterrichtet, weiß auch oft nicht, wieviele Rückversicherer sich zur Verfügung stellen und mit welchen Beträgen sie sich beteiligen werden. Er macht daher ein vorläufiges Angebot (sog. vorl ä u f i g e U b e r w e i s u n g ; vgl. ζ. B. den Fall HGZ 1892. 241: „13000 Μ valedierend auf Getreide im Werte von 60000 M, nähere Aufgaben und Taxen laut Originalversicherung vorbehalten"). Nimmt der Rückversicherer die vorläufige Überweisung an, so
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ist der Versicherungsvertrag geschlossen ( L G u. O L G Hamburg, R G H G Z 1892. 24a). § 5 E r wird nicht erst durch die „endgültige Uberweisung" und ihre (pflichtmäßige) Annahme geschlossen. E r bedarf nur in den vorbehaltenen Einzelheiten der Ergänzung. Diese erfolgt durch die pflichtmäßige „endgültige Uberweisung" des Vorversicherers, der unverzüglich deklarieren oder, soweit er sich die Gestaltung des RückversicherungsVerhältnisses, ζ. B. den U m f a n g der Beteiligung des Rückversicherers, vorbehalten hat, die Bestimmung nach billigem Ermessen treffen muß; vgl. hierzu jedoch auch unten Anm. 43. c) B e i d e r f ü r den Vorversicherer f a k u l t a t i v e n , f ü r d e n R ü c k v e r s i c h e r e r Anm. o b l i g a t o r i s c h e n laufenden R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 1 3 2 ) ist im Sinne des § 5 „ d i e Versicherung genommen", wenn der laufende Rückversicherungs-Vertrag geschlossen ist. Sie ist aber erst wirksam, wenn die in die Willkür des Vorversicherers gestellte Bedingung eingetreten, die Überweisung des Vorversicherers dem Rückversicherer zugegangen ist. In diesem Zeitpunkt kann die Vorversicherung bereits begonnen, der Versicherungsfall bereits eingetreten sein, ohne daß den Vorversicherer die Schuld an der verspäteten Überweisung trifft. Deshalb enthalten die fakultativen laufenden Rückversicherungs-Verträge durchweg die Bestimmung, daß die Haftung des Rückversicherers gleichzeitig mit derjenigen des Vorversicherers beginnen soll, oder ähnlich. Würde die Aufnahme einer solchen Bestimmung versäumt sein, so würde doch nach der Verkehrssitte dasselbe gelten ( H e r r m a n n s d o r f e r 86: Gewohnheitsrecht). Es liegt nahe, auf diesen Fall den § 5 anzuwenden. Die Anwendung wird auch von H e r r m a n n s d o r f e r 86 befürwortet. Sie verbietet sich. Sie würde dem Vorversicherer gestatten, auf dem Rücken des Rückversicherers zu spekulieren, die anscheinend gut verlaufenden Risiken zurückzuhalten, die anscheinend schlecht verlaufenden zu überweisen. Denn die Uberweisung würde ihm nur dann nichts nützen, wenn er bei der Überweisung wüßte oder fahrlässig nicht wüßte, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Die Uberweisung würde dagegen wirksam sein, wenn der Vorversicherer nur wüßte, daß die Gefahr inzwischen, sei es auch in bedenklichem Maße, größer geworden ist. I m Falle einer Einzelversicherung wäre der Rückversicherer durch die Anzeigepflicht des Vorversicherers geschützt. Bei der für ihn obligatorischen laufenden Rückversicherung versagt dieser Schutz. A u c h wenn der Vorversicherer bei der Überweisung die Gefahrerhöhung mitteilen würde, würde die Vorversicherung von der laufenden Rückversicherung umfaßt werden. Die sinngemäße Anwendung des § 5 auf die fakultative Uberweisung von Vorversicherungen ist also aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen. Sie ist auch rechtlich unbegründet. Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers umfaßt im weiteren Sinne auch die Offenbarungspflicht des § 5 (oben A n m . 25). Was, in diesem Zusammenhange, von der einen gilt, muß auch von der anderen gelten. So wenig, wie die Anzeigepflicht des § 19, trifft den überweisenden Vorversicherer also die Offenbarungspflicht des § 5. Wie man im Versicherungsverkehr fakultative Überweisungen betrachtet und behandelt wissen will, zeigt § 1 0 2 : Der Versicherer braucht sich die Uberweisung nicht gefallen zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer bei der Überweisung w e i ß o d e r w i s s e n m u ß , d a ß d i e R e i s e e i n e n u n g ü n s t i g e n V e r l a u f g e n o m m e n hat. Solche Überweisungen verstoßen gegen die Versicherungstreue. Es ist derselbe Rechtsgedanke, der im § 162 Abs. 2 B G B zum Ausdruck kommt: Bei bedingten Geschäften darf die Partei, zu deren Vorteil der Eintritt der Bedingung ist, ihn nicht wider Treu und Glauben herbeiführen. Der Vorversicherer darf fakultative Posten nur überweisen, solange er annehmen darf, daß sie intakt sind. Näheres: § 102 Anm. Vgl. auch E h r e n b e r g 4 1 2 : Der Versicherungsnehmer dürfe „jedenfalls" nicht mehr überweisen, nachdem er vom Schaden Kenntnis erhalten habe.
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§ 5 d) R ü c k v e r s i c h e r u n g s - F a l l ist nach dem Begriffe des Versicherungsfalls (oben Anm. 44 Anm. 31) und nach der Natur der Rückversicherung als einer Haftpflichtversicherung (§ 1 Anm. 145) der Fall, daß der V o r v e r s i c h e r t e e i n e n b e g r ü n d e t e n E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h geltendmacht (§ 1 Anm. 147), f ü r d e n d e r R ü c k v e r s i c h e r e r nach dem Rückversicherungs-Vertrag e i n s t e h e n m u ß . RückversicherungsFall ist also nicht erst der Fall, daß der Vorversicherer entschädigt hat ( H e r r m a n n s d o r f e r 320). U n d er ist nicht schon der Fall, daß ein dem Vorversicherer zur Last fallender Unfall sich ereignet, mag der Unfall auch dem Rückversicherer „zur Last fallen". Auch nicht schon der Fall, daß ein dem Vorversicherer zur Last fallender Unfall sich ereignet und hierdurch die Leistungspflicht des Vorversicherers begründet wird. Nur wenn auch der Rückversicherer nach dem Rückversicherungs-Vertrag haftet, und erst (und schon), wenn der Vorversicherte den Entschädigungsanspruch gegen den Vorversicherer geltendmacht, ist der Rückversicherungs-Fall (im Sinne des § 5) gegeben. I m übrigen ist der Rückversicherer nur durch die Anzeigepflicht der §§ 19, 20 geschützt (abw. M o l t 36). Aber wenn der Vorversicherer (wie regelmäßig: § 1 Anm. 154) das A b w i c k l u n g s r e c h t hat, also auch eine bloß virtuelle Entschädigungspflicht durch Verzicht auf seine Einwendungen aktuell machen kann, muß angenommen werden, daß der Rückversicherungs-Fall auch dann eingetreten ist, wenn der Vorversicherte einen Entschädigungsanspruch geltendmacht und der Vorversicherer entschädigen kann, obgleich keine Entschädigungspflicht besteht. Anm. 45
15. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Lloyd's Police enthält die Klausel lost or not lost. Die englischen Versicherungen sind durchweg Vergangenheitsversicherungen, wenn auch nur für den Fall, daß die Gefahr vor dem Vertragsschluß begonnen hat. Where the subject-matter is insured „lost or not lost", and the loss has occurred before the contract is concluded, the risk attaches unless, at such time, the assured was aware of the loss, and the insurer was not ( R C P 1, M I A § 6 Abs. 1). Uber Prämienrückgaben: M I A §84, ADS § 2 Anm. 27. Insbesondere: Where the subject-matter has been insured „lost or not lost" and has arrived in safety at the time when the contract is concluded, the premium is not returnable unless, at such time, the insurer knew of the safe arrival (MIA §84 Abs. 3b). Über das Verhältnis der Klauseln lost or not lost und at and from: A r n o u l d 480 s. 508. Die OfFenbarungspflicht des Versicherungsnehmers wird in der allgemeinen vorvertraglichen Anzeigepflicht einbegriffen behandelt ( C h a l m e r s 29). Vgl. auch oben Anm. 36, 37. Anm. 46 b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Nach C. de comm. Art. 365 toute assurance faite apres la perte ou l'arrivee des objets assures est nulle, s'il y a presomption qu'avant la signature du contrat, l'assure a pu etre informe de la perte ou l'assureur de l'arrivee des objets assures. Aber nach C. de comm. Art. 367, si cependant l'assurance est faite sur bonnes ou mauvaises nouvelles la presomption . . . n'est point admise. Le contrat n'est annule que sur la preuve que l'assure savait la perte, l'assureur l'arrivee du navire, avant la signature du contrat (vgl. auch Prot. 3016). Die Versicherung sur bonnes ou mauvaises nouvelles setzt nur voraus, daß die Beteiligten bei der Schließung des Vertrags gutgläubig waren ( R i p e r t Nr. 2523). Aber auch im Falle der Versicherung sur bonnes ou mauvaises nouvelles l'assure et les assureurs sont toujours presumes avoir re$u connaissance immediate des nouvelles concernant les choses assurees, qui sont parvenues au lieu oü ils se trouvent respectivement.
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Π. Versicherungswert. Unter-, Uber-, Doppelversicherung
§6
§6 Versicherungswert (1) Als Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) gilt dessen voller Wert. (2) Ist durch Vereinbarung der Versicherungswert auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt, so ist die Taxe für den Versicherungswert maßgebend. Der Versicherer kann jedoch eine Herabsetzung der Taxe verlangen, wenn die Taxe den wirklichen Versicherungswert erheblich übersteigt. Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, so haftet der Versicherer, auch wenn die Taxe herabgesetzt ist, für den Schaden nur nach dem Verhältnisse der Versicherungssumme zu der durch die Vereinbarung festgesetzten Taxe. (3) Ist der Versicherungswert als „vorläufig taxiert" bezeichnet, so gilt er nicht als taxiert. 1. Vgl. H G Β §§786 Abs. 1, 793 Abs. 1—3, A S V B §§9 Abs. 1, 16 Abs. 1 , 2 , 4 , Anm. 1 BSV Β § 27 Abs. 6, V V G § 57. 2. Literatur: A s m u s Z f V W 1964. 369 (Begriff und Bestimmung des Ver- Anm. 2 sicherungswertes). Β us er Ann Vers 1918.309, 317, 329 (Vollwertversicherung, Bruchteilversicherung und Versicherung auf „Erstes Risiko"). B o t s c h Z f V W 1922. 1 1 7 (Versicherungssumme und Versicherungswert nach den ADS). C l a u s s , Der Versicherungswert, Diss. 1913. C o h n Z H R 18. 77 (Freie Vereinbarung über die Höhe der Versicherungssumme?). D u r s t H R Z 1920. 5 1 4 (Die Elastizität der Versicherungssumme). E c k e r , Feuerversicherungswert und Interesse, 1914. E h r e n b e r g Z f V W 1906. 369 (Versicherungswert und Schadensersatz). F i c k , Einige Grundbegriffe der Schadensversicherung: Ersatzwert, Versicherungswert usw., 1918, H R Z 1920. 169 (Vom Ersatzwert der Fabrikate usw.). F l e i s c h f r e s s e r Z f V W 1920. 236 (Wert der versicherten Sache usw.). v. G e y e r Z f V W 1912. 7 1 1 (Versicherung zum Kunstwert und zum Liebhaberwert). J . v. G i e r k e V S R I I i85f. H a g e n S V R 83—85. H e i s e Heise u. Cropp 2. 579 (Von der Einrechnung der Prämie in die Versicherungssumme). H e n n e Z f V W 1921. 295 (Die Versicherung auf erstes Risiko usw.). H e y n e , Beitrag zur Praxis der Versicherungswert-Ermittlung usw., 1910. H e s s e VersR 1963. 688 (Die Taxe in der Transportversicherung). H i r s c h f e l d H R Z 1918. 127 (Versicherung der Hilfsschiffe der Marine). H o c h g r ä b e r Z f V W 1926. 75—80 (Bemerkungen über die Seeversicherungstaxe). H o p p e Z f V W 1907. 535 (Der Versicherungswert in der Feuerversicherung). H. MasiusRundschau 1910. 237 (Zur Versicherung von Kunstund Liebhaberwerten). K i s c h , Die Taxierung des Versicherungswertes, 1940. K ü b e l Z f V R 1. 379, 387 (Versicherungssumme, Versicherungswert, taxierte Police). L e h m a n n Z f V W 1 9 1 1 . 785 (Unanfechtbarkeit der Seeversicherungs-Taxe). L i e s k e AnnVers 1917. 353 (Zur Lehre von der sog. Bruchteil Versicherung). L ö w e n f e l d AssJB 29. 99 (Der Sachwert im Versicherungsvertrag). M a l s s Z f V R 1. 6 (Versicherungswert usw.). M o l d e n h a u e r WuRVers 1914. 450 (Gemeiner Wert, Kunst- und Liebhaberwert). P r a n g e , Die Theorie des Versicherungswertes usw., 1895, 1902, 1907. P r ö l ß zu § 57 V V G . R a s c h , Zur Frage des Versicherungswertes usw., 1892. R e h m Z f V W 1 9 1 1 . 465 (Unanfechtbarkeit der Seeversicherungs-Taxe). V o i g t N A f H R 2. 468 (Ubersetzung der Taxe), 3. 68 (Zu niedrige Bestimmung der Taxe), 4. 1 1 5 (Abweichungen zwischen Assekuranztaxe und Havarie-grosse-Schätzung). W e i l a n d Z f V W 1913. 445
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§ 6 (Der Versicherungswert der Warenbestände usw.). — Uber die Bedeutung von Höchstpreisen für den Versicherungswert: B e n d i x Z f V W 1915. 143, 1918. 228, B r u c k H R Z 19 1 8 · 495. H a g e n J W 1920. 503, J o s e f H R Z 1920. 699. Anm. 3 3. A b s . 1. Versicherungswert (insurable value, valeur assurable). Versicherbar ist nur ein Interesse, das in Geld schätzbar ist (§ 1 Anm. 15). J e d e s versicherte I n t e r e s s e m u ß also einen Wert, einen G e l d w e r t haben. Dieser Wert ist der Versicherungswert. U b e r diesen Wert hinaus kann der Versicherungsnehmer keinen (versicherten) Schaden erleiden. Uber diesen Wert hinaus haftet also jedenfalls der Versicherer nicht (wenigstens grundsätzlich nicht). Der Versicherungswert bildet also die Höchstgrenze der Haftung des Versicherers, der Entschädigung. E i n e Höchstgrenze, — die zweite bildet die Versicherungssumme (unten Anm. 10). Was darüber, über den Versicherungswert, versichert ist, ist „überversichert". Anm. 4 a) Welches Interesse versichert ist, m u ß der Vertrag ergeben (§ 1 Anm. 17). W e l c h e n W e r t das versicherte Interesse hat, ist Tatfrage und m u ß nötigenfalls durch Beweisaufnahme geklärt werden (vgl. auch H a n s O L G J R P V 1935. 271 = Sasse Nr. 438). U m Zweifel abzuschneiden, bestimmen Gesetz und ADS für einzelne Fälle den Versicherungswert besonders (vgl. §§70, 90, 100, i o r , 104, 107, 108—110). Die Parteien können den Wert anders bestimmen. Sie können ζ. B. in einem Güterversicherungs-Vertrag bestimmen, daß nicht, wie nach § 90, der Abgangswert, sondern der Empfangswert der Güter maßgebend sein soll, oder daß nicht, wie nach § 90, der gemeine Wert, sondern ein anderer Wert, insbesondere der Wert, den die Güter gerade nur für den Versicherungsnehmer haben, maßgebend sein soll (vgl. auch § 70 Anm., § 90 Anm.). Anm. 5 b) Das versicherte Interesse kann bis zur Höchstgrenze seines Wertes, kann zum vollen Werte gedeckt sein (Vollversicherung). Es kann auch nur zu einem Teile seines Wertes gedeckt sein (Teilversicherung). — Der versicherte T e i l kann wiederu m seinerseits v o l l versichert sein, d. h. so, daß der Versicherer in jedem Falle bis zur Grenze des Wertteils haftet (Versicherung auf erstes Risiko, au premier risque, Erstschaden-Versicherung; bei der Transportversicherung nicht üblich, anders ζ. B. bei der Einbruchsversicherung, weil bei dieser Totalschäden kaum vorkommen; über einen Fall bei der Feuerversicherung: O L G Kiel SA 60 Nr. 231). Beispielfall: der halb versicherte Versicherungswert beträgt 100 000; der Versicherer haftet, wenn der Schaden 40000 beträgt, für 40000, wenn der Schaden 60000 beträgt, f ü r 50000. — Der versicherte T e i l des Versicherungswerts kann aber auch n i c h t v o l l versichert sein, nämlich so, daß der Versicherer in jedem Falle nur im Verhältnis des Teiles zum vollen Versicherungswert haftet (Unterversicherung). Beispielfall: Der halb versicherte Versicherungswert beträgt 100000; der Versicherer haftet, wenn der Schaden 40000 beträgt, f ü r 20000, wenn der Schaden 60000 beträgt, für 30000. Anm. 6 c) Wenn nicht abweichendes vereinbart ist, ist die Teilversicherung U n t e r v e r s i c h e r u n g , haftet also der Versicherer nicht auf erstes Risiko, sondern in jedem Falle nur im Verhältnis des Teilwerts zum vollen Versicherungswert. Dies bedeutet es, wenn § 6 Abs. 1 sagt: Als Versicherungswert gilt der volle Wert des Interesses (Begr. ζ. Ε i g i o § 6, H e n n e Z f V W 1921. 296). In diesem Sinne all marine adjustment rests upon the hypothesis that the subject-matter insured is to be regarded as fully insured ( C h a l m e r s 125). Dasselbe bestimmt § 8 noch einmal für einen besonderen (wenngleich den im Verkehr gewöhnlichen) Fall, daß eine Versicherungssumme vereinbart ist. Anm. 7 4. § 6 Abs. 1 hat n o c h eine a n d e r e B e d e u t u n g . Wenn ein mit 40000 Bodmereigeldern belastetes Schiff im Werte von 100000 für 60000 versichert wird, so würde, da der Wert des versicherbaren (oder wenigstens unbedingt versicherbaren) Interesses
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auch nur 60000 beträgt, die Versicherung als Vollversicherung aufgefaßt werden § 6 können. I m Verkehr wird aber, wenn das Schiff das Eigentümerinteresse a m Schiff, versichert und nichts besonderes vereinbart wird, es so angesehen, daß das ganze, durch Teilinteressen nicht beschränkte Eigentümerinteresse versichert ist ( G i e r k e , Versicherungsforderung 36, M o l t 108). Die Versicherung gilt als Unterversicherung des vollen (mit 60000 versicherbaren, mit 40000 nicht oder doch nur schwebend versicherbaren) Eigentümerinteresses. Wenn das Schiff beschädigt wird und der Schaden 60000 beträgt, dem Versicherungsnehmer also nichts übrig bleibt, kann er doch vom Versicherer nur e / 10 von 60000, also 36000 verlangen. Ebenso natürlich, wenn die halben Bodmereigelder versichert sind und 80000 D M Bodmereigeber vorgehen ( M o l t 108). Das kommt im § 786 Abs. 1 H G B besser zum Ausdruck: „ D e r volle Wert des versicherten G e g e n s t a n d e s ist der Versicherungswert". D a f ü r kommt in diesen Worten nicht gut zum Ausdruck, daß der volle Wert des v e r s i c h e r t e n I n t e r e s s e s versichert ist, des Interesses, das nach dem Vertrag als versichert anzunehmen ist. § 786 H G B (in letzter Stunde eingestellt: Prot. 4253) gibt wenigstens dem Irrtum R a u m , daß es auf den Wert des Gegenstandes ankommt, auf den die Versicherung sich bezieht; daß es, wenn z . B . Schiffsgewinn versichert ist, auf den Wert des Schiffes ankommt (eine Auffassung, die freilich schon deshalb irrig wäre, weil das Gesetz zwischen „versicherten Gegenständen" und „Gegenständen, auf welche die Versicherung sich bezieht" wohl zu unterscheiden weiß; vgl. § 5 9 Anm., § 7 9 Anm.). Tatsächlich hat man das Gesetz immer so gelesen, wie wenn es lautete: „ D e r volle Wert des versicherten Interesses ist der Versicherungswert" ( S i e v e k i n g 30, V o i g t 83). 5. Der Wert des versicherten Interesses verändert sich. Die Veränderung ist für A n m . 8 die Binnenversicherung von Bedeutung. Der Versicherer entschädigt grundsätzlich nur auf der Grundlage des Wertes „ z u r Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls" ( V V G § 5 5 ) . Die Transportversicherung macht eine Ausnahme. Die V e r ä n d e r u n g d e s W e r t e s wird im allgemeinen n i c h t b e r ü c k s i c h t i g t . Der Versicherungswert ist künstlich festgemacht (vgl. A D S §§70, 79, 90, 99, 100, 1 0 1 , 104, 1 1 0 , V V G §§ 140, 141). 6. V e r s i c h e r u n g s s u m m e (sum insured, somme assuree). Anm. 9 a) Die Versicherungssumme hat zwei Eigenschaften: λ) Die Versicherungssumme bezeichnet in erster Linie die Summe, über die hinaus der Versicherer jedenfalls nicht haftet (§ 37 Abs. 1, H G B § 840, V V G § 5 0 ; ausnahmsweise Überschreitung der Versicherungssumme: §§ 37 Abs. a, 3, 38 Abs. 2). Ihr Wesen besteht „darin, daß sie den Höchstbetrag der L e i s t u n g , die den Versicherer treffen kann, bezeichnet und so der Verpflichtung des Versicherers eine äußerste Grenze zieht" (Begr. z. V V G § 50). Hieraus ergibt sich ihre Verwandtschaft mit dem Versicherungswert. Denn auch der Versicherungswert bildet j a eine äußerste Grenze der Haftung des Versicherers, freilich nur, wenn nicht eine kleinere Versicherungssumme vereinbart ist (oben Anm. 3). Hieraus ergibt sich aber auch der Gegensatz, der zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert besteht. Denn der Versicherungswert zeigt auch den Wert des versicherten Interesses an, was die Versicherungssumme als solche nicht tut. U n d aus diesem Gegensatz zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert ergibt sich ohne weiteres, daß, wenn die Versicherungssumme hinter dem Versicherungswert zurückbleibt, das versicherte Interesse nicht ganz versichert ist, die Versicherung also Teil-, insbesondere Unterversicherung ist. Dagegen ergibt sich aus diesem Gegensatz zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert noch nicht ohne weiteres, daß, wenn die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, die Versicherung Überversicherung ist. Wenn die Parteien die Versicherungssumme nur zu dem ihr in erster Linie eigentüm-
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§ 6 lichen Zwecke vereinbaren, daß der Versicherer jedenfalls nicht mehr zu zahlen braucht als diese Summe, so haben sie noch nicht vereinbart, daß der Versicherer im Versicherungsfall über den Versicherungswert hinaus zahlen soll, kann also von einer „Über"-Versicherung noch keine Rede sein, sondern nur von einer Versicherung, die den Versicherer unter allen Umständen dagegen schützt, für mehr als einen gewissen Betrag zu haften, und im übrigen den Versicherungswert für den Umfang dieser Haftung maßgebend sein läßt. Vgl. auch HansOLG J R P V 1935. 271 = Sasse Nr. 438. Siehe zu der Frage, in welcher Währung die Schäden zu regulieren sind, wenn die Versicherungssumme in Reichsmark, die Werte der Ware in den einzelnen Zertifikaten aber in fremder Währung angegeben sind, HansOLG HGZ 1923 Nr. 11 = H R Z 1923. 211 = Sasse Nr. 302 und R G H G Z 1924 Nr. 23 = Sasse Nr. 5. Vgl. R G 108. 153 = J R P V 1925. 43 = J W 1925. 140 = Sasse Nr. 6, nach welchen Grundsätzen die Höhe der Entschädigung wegen Totalverlustes beim Sinken der deutschen Währung zu berechnen ist, wenn in einer Seeversicherungspolice einerseits vereinbart ist, daß die Abladungen in ausländischer Währung deklariert werden können, andererseits der Höchstbetrag der Abladung in einem Dampfschiffe auf 3 000 000 Mark festgesetzt ist. Hierbei handelt es sich um eine Risikobegrenzung durch Begrenzung des Versicherungswertes, nicht um eine vertragliche Festsetzung einer Höchstgrenze für die Versicherungssumme. Die Festsetzung des Versicherungswertes hat für den Regelfall zur Folge, daß der durch das Sinken der Währung während der Reise entstehende sog. Mehrwert der Güter nicht ersetzt zu werden braucht. Anders ist es, wenn vereinbart ist, daß es dem Versicherten freistehen soll, einzelne Abladungen in ausländischer Währung zur Deklaration anzumelden. Die Bedeutung dieser Klausel ist, daß der in ausländischer Währung deklarierte Wert der Ware als Versicherungswert zu gelten hat. — Aber im Verkehr erblickt man tatsächlich in der Versicherungssumme mehr als eine bloße Höchstgrenze für die Haftung des Versicherers, und das Versicherungsrecht hat dieser Verkehrsauffassung auch Rechnung getragen. Nämlich: Anm. 10 ß) Die Versicherungssumme bezeichnet auch die Summe, die der Versicherer im schlimmsten Falle wirklich zahlen muß. Nicht nur in der Taxe (vgl. dazu auch K G HRZ 1927. 135 = J R P V 1927. 63 = Sasse Nr. 367), schon in der Versicherungssumme erblickt man eine Vereinbarung über den Wert des versicherten Interesses (wenn auch eine Vereinbarung mit schwächeren Wirkungen). Deshalb auch der Ausdruck „Überversicherung", Versicherung unter Annahme eines größeren als des wirklichen Versicherungswerts. Deshalb kann der Versicherungsnehmer nach § 71 im Falle des Totalverlustes die „Versicherungssumme" verlangen, wird im § 71 dem Versicherer zwar gestattet, Gerettetes oder schon Ersetztes auf die Versicherungssumme anzurechnen, nicht aber auch, sich darauf zu berufen, daß die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses übersteigt (vgl. ferner ADS §§ 72, 73, 77, 79, 91, 92, 96, 99, 103fr., 109, 110). Eben deshalb bestimmt vielmehr §786 Abs. 2 HGB besonders: „Die Versicherungssumme kann den Versicherungswert nicht übersteigen", und §9 Abs. 1 Satz 1 ADS: „Soweit die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, ist der Vertrag unwirksam". Die Versicherungssumme ist also der T a x e v e r w a n d t (anders Prölß Anm. 2 zu § 50 VVG). Aber sie hat s c h w ä c h e r e Wirkungen. Sie ist eine Vereinbarung über den Wert des versicherten Interesses, aber sie ist nicht schlechthin „maßgebend" für diesen Wert. Nicht, wenn sie kleiner ist, als der wirkliche Versicherungswert. Auch nicht, wenn sie größer ist, als der wirkliche Versicherungswert; doch hat sie in diesem Falle immerhin die taxenähnliche Wirkung, daß der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer „die Versicherungssumme verlangen kann" und verlangt, beweisen muß, daß die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt. — Es ist hiernach nicht zu verwundern, daß Taxe und
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Versicherungssumme im Verkehr nicht immer scharf auseinandergehalten werden. § 6 Vgl. ζ. B. den Fall H R Z 1921. 704, 1922. 11: „Übernommen" waren 400000 schwed. Kronen, die versicherten Güter „taxiert zu 741000 M a r k " ; gemeint war angeblich eine „reine Kronenversicherung", die Taxe des Versicherungswerts „als Taxe im technischen Sinne des Seeversicherungs-Rechts . . . nicht anzusehen, da das Risiko j a bereits auf 400000 Kronen beziffert war". b) Die Versicherungssumme ist also nicht dazu bestimmt, als Grundlage für die Anm. 11 P r ä m i e n b e m e s s u n g zu dienen. Tatsächlich wird regelmäßig die Prämie (ζ. B. 1%) von der Versicherungssumme berechnet. c) Die Versicherungssumme ist auch n i c h t dazu bestimmt, als T a x e des Ver- Anm. 12 sicherungswerts zu dienen ( R O H G SA 27 Nr. 6 1 ; Ausnahmen: §§ 100 Abs. 1, 104). Ebensowenig wie die Taxe dazu bestimmt ist, als Versicherungssumme zu dienen (Ausnahmen: §§ 107 Abs. 3, 108 Abs. 3, 109 Abs. 1). Tatsächlich wird im Seeversicherungsverkehr regelmäßig nur eine T a x e vereinbart und diese auch als V e r s i c h e r u n g s s u m m e betrachtet und behandelt (vgl. auch unten Anm. 21). d) Eine Versicherungssumme wird natürlich neben der Taxe b e s o n d e r s bestimmt, wenn der Versicherer nur einen T e i l des Risikos übernimmt, die Versicherung Teil-, insbesondere Unterversicherung ist, die Taxe ζ. B. 100000, die Versicherungssumme nur go 000 beträgt. Da die Versicherungssumme in erster Linie nur die Höchstleistung des Versicherers bestimmen soll, würde sie an und für sich durch die Herabsetzung der Taxe nicht beeinflußt werden, würde also der Versicherer im Falle des Totalverlustes 90000 auch dann zu zahlen haben, wenn die Taxe auf 90000 herabgesetzt wäre (so auch H G u. OG Hamburg N A f H R 2. 470). Auch in ihrer Eigenschaft als eine gleichfalls den Wert des versicherten Interesses bezeichnende Summe würde sie durch die Herabsetzung der Taxe nicht beeinflußt werden. Das Ergebnis würde jedoch der Verkehrsanschauung widersprechen. Die Parteien haben die Versicherung als Unterversicherung gewollt und werden daran festgehalten (Begr. z. V V G § 51). Die Versicherung bleibt auch nach Herabsetzung der Taxe Unterversicherung: Der Versicherer haftet nur im V e r h ä l t n i s d e r V e r s i c h e r u n g s s u m m e z u r T a x e . So ausdrücklich § 6 A b s . 2 S a t z 3 im Anschluß an ASVB § 16 Abs. 2 Satz 2, V V G § 57 Satz 3. Das HGB bestimmt es nicht besonders. Doch gilt auch nach dem H G B dasselbe (BGB §§ 133, 157, Begr. z. V V G § 57, S i e v e k i n g 36, V o i g t 99 und N A f H R 2. 48; vgl. auch unten Anm. 32). Deshalb bleibt es auch bei dem einmal vereinbarten Unterversicherungs-Verhältnis, wenn der Versicherungswert wirklich geringer wird, insbesondere das Interesse teilweise wegfällt. Wird das mit 500000 taxierte, für 100000 „Frei von Kriegsgefahr" versicherte Schiff durch ein Kriegsereignis so beschädigt, daß es nur noch 400000 wert ist, und nunmehr durch einen Seeunfall für 50000 beschädigt, so haftet der Versicherer nicht für % des Schadens, also 12 500, sondern nur für ] / 6 des Schadens, also 1 ο ooo; geht das Schiff nunmehr durch einen Seeunfall verloren, so haftet der Versicherer nicht für 100000, sondern nur für 80000. e) Uber die besondere Aufgabe der Versicherungssumme beim V e r s i c h e r e r - Anm. 13 A b a n d o n : § 38. f) Die Versicherungssumme wird gewöhnlich in e i n e r Summe bestimmt. Es Anm. 14 können aber natürlich bei der Versicherung mehrerer Gegenstände (ζ. B. mehrerer Ballen) für einzelne Gegenstände oder auch bei der Versicherung eines einzelnen Gegenstandes für einzelne Teile b e s o n d e r e V e r s i c h e r u n g s s u m m e n bestimmt werden (wie bei der Vereinbarung einer Taxe: § 7 Anm. 3). Auch braucht die Versicherungssumme nicht als Summe bestimmt zu werden. Sie kann ζ. B. auch durch einen B r u c h t e i l d e r T a x e bestimmt werden (vgl. oben Anm. 12).
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§ 6 g) Die Versicherungssumme wird durch Vereinbarung bestimmt, durch einen Anm. 15 N e b e n v e r t r a g . Die Vereinbarung kann also wegen Irrtums, arglistiger Täuschung usw. angefochten werden (BGB §§ 119, 123, 139). Vgl. auch unten Anm. 19. Anm. 16 h) Eine Versicherungssumme kann bestimmt, b r a u c h t aber n i c h t b e s t i m m t zu w e r d e n (anders früher PreußALR II 8. 2088; anders auch M I A § 23). Ist keine Versicherungssumme bestimmt (insbesondere auch nicht durch Vereinbarung einer Taxe), so bewendet es natürlich bei der einen Höchstgrenze der Leistung des Versicherers, beim Versicherungswert (oben Anm. 3; vgl. E h r e n b e r g 368, G e r h a r d 225). Aber auch im übrigen übernimmt der Versicherungswert, soweit möglich, die Aufgaben der Versicherungssumme, wenn nicht abweichendes vereinbart ist. Der Versicherungsnehmer kann insbesondere im Falle des Totalverlustes ohne weiteres Ersatz des Versicherungswerts verlangen, durch den Ersatz des Versicherungswerts kann der Versicherer sich gemäß § 38 Abs. 1 von allen weiteren Verbindlichkeiten befreien usw. i) In einem anderen Sinne wird der Ausdruck „Versicherungssumme" in den Anm. 17 §§ 1046, 1128, 1130 BGB gebraucht. Er bedeutet dort den Betrag, den der Versicherer im Versicherungsfall zu zahlen hat, die E n t s c h ä d i g u n g s s u m m e , die, insbesondere bei Teilverlust und Beschädigung, hinter der „Versicherungssumme" zurückbleiben, unter Umständen aber auch die Versicherungssumme übersteigen kann (vgl. §§ 37 Abs. 3, 38 Abs. 2). Dem entspricht auch die Formulierung in den §§ 32—38 SchRG (Siehe die Wiedergabe im Anhang zu § 51). 7. A b s . 2. T a x e . Der Versicherungswert ist nach den allgemeinen VerkehrsAnm. 18 Verhältnissen und nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles zu ermitteln. Vgl. dazu auch HansOLG J R P V 1935. 271 = Sasse Nr. 438: Es kommt für die Schätzung des Versicherungswertes des Schiffes nicht allein auf seinen mutmaßlichen Verkaufswert, sondern auch auf seinen Wert als Erwerbsquelle des Eigner-Schiffers an. Der sich hieraus ergebenden Unsicherheit steuern Gesetz und ADS durch Festsetzung des Versicherungswerts für einzelne Fälle (ADS §§70, 90, 101, 104, 107, 108—110) und dadurch, daß sie für den Fall der Vereinbarung einer Versicherungssumme diese regelmäßig unter Vorbehalt des Gegenbeweises über die Entschädigungspflicht des Versicherers entscheiden lassen (ADS §§71—73, 77, 91—93, 103—105, 108—110). Ein drittes Hilfsmittel gewährt das Gesetz, indem es gestattet, den Versicherungswert durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag festzusetzen ( t a x i e r t e P o l i c e , valued policy, police evaluee; Gegensatz: o f f e n e P o l i c e , open policy, police ouverte, unvalued policy, police non evaluee). Das Gesetz (HGB § 793 Abs. 1, V V G § 57 Satz 1) gestattet es. Die ADS würden es nicht gestatten können. Denn die Vereinbarung einer Taxe bedeutet nicht nur, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungswert nicht nachzuweisen braucht (so G e r h a r d 266), sondern auch, daß keine Partei zum Gegenbeweis zugelassen, insbesondere, daß dem Versicherer der Gegenbeweis abgeschnitten wird, die Vereinbarung also auch dann „maßgebend" ist, wenn der Versicherer beweist, daß der wirkliche Versicherungswert kleiner ist, als der vereinbarte. Die Umkehrung der Beweislast könnten die Parteien vereinbaren, die ADS bestimmen. Daß die Taxe auch dann maßgebend sein soll, wenn der wirkliche Versicherungswert kleiner ist, können die Parteien nur vereinbaren, die ADS nur bestimmen, wenn (und soweit) das Gesetz es gestattet (Prot. 3066). Zwar liegt dem Vertrag, auch soweit das Interesse überbewertet ist, „ein Interesse zugrunde". Aber kein versicherbares; denn Interessen sind nur versicherbar, wenn und soweit sie in Geld schätzbar sind (§ 1 Anm. 15; ähnlich Prot. 3065, 3097, V o i g t 100, R G 19. 215, Ο A G Lübeck HambS 2.345). Anm. 19 8. D u r c h V e r e i n b a r u n g muß der Versicherungswert festgesetzt sein, durch einen Nebenvertrag (Prot. 3067, H G Z 1883. 1 9 1 : pactum adjectum; M I A § 27 Abs. 2: agreed value; valeur agree; vgl. R G J W 1931. 3194: Die Besichtigung und Schätzung
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eines Gebäudes vor der Versicherung bedeutet keine Taxe). Die Vereinbarung kann also § 6 wegen Irrtums, arglistiger Täuschung usw. angefochten werden ( B G B § § 1 1 9 , 1 2 3 ; H G Z 1883. 1 9 1 ) . Die Folge rechtmäßiger Anfechtung ist Nichtigkeit der Vereinbarung ( B G B § 1 4 2 ) ; der ganze Versicherungsvertrag ist nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß er auch ohne die Vereinbarung geschlossen wäre ( B G B § 139). Wegen Irrtums über den wirklichen Versicherungswert kann aber nicht angefochten werden. Denn ein solcher Irrtum ist nur Irrtum im Beweggrund ( R G 1 1 . 16, H G Z 1883. 1 9 1 ; abw. G e r h a r d 270). Die Parteien haben sich über den Inhalt ihrer Erklärungen nicht im Irrtum befunden, sich keine falschen Vorstellungen von ihren Erklärungen gemacht. Sie haben auch eine Erklärung gerade dieses Inhalts abgeben wollen, sich nicht versprochen, verschrieben usw. Sie haben, im Gegenteil, gerade die Unsicherheit über den wirklichen Versicherungswert durch ihre Vereinbarung beseitigen wollen. Sie würden nur nicht gewollt haben, wenn sie sich der wirklichen Sachlage, des wirklichen Versicherungswerts bewußt gewesen wären. Überdies ist jedenfalls für den Fall, daß die T a x e übersetzt ist und der Versicherer sich geirrt hat, besonderes bestimmt, dem Versicherer nämlich das Recht auf Herabsetzung der T a x e eingeräumt und damit das Anfechtungsrecht ausgeschlossen. — Nach M o l t 56 hat die Vereinbarung einer T a x e V e r g l e i c h s c h a r a k t e r . Sie bezwecke die Außerstreitsetzung des oft schwierig zu bestimmenden Versicherungswerts. Deshalb sei im allgemeinen der Gegenbeweis ausgeschlossen. Deshalb stehe nichts im Wege, die Unanfechtbarkeit der T a x e zu vereinbaren. Deshalb sei § 779 B G B anwendbar. Die T a x e sei danach nichtig, wenn die der Taxierung zugrunde gelegten Tatsachen, die Wertfaktoren, der Wirklichkeit nicht entsprächen, nach der versicherungsrechtlichen Sondervorschrift herabsetzbar, wenn das auf den richtigen Wertfaktoren aufgebaute Schätzungsurteil unrichtig sei. Die T a x e ist kein Vergleich, kein „ V e r t r a g , durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt w i r d " ( B G B § 779). Die Parteien wollen Streit oder Ungewißheit, die aus einem erst zu begründenden Rechtsverhältnis entstehen könnten, gar nicht erst aufkommen lassen. Wäre die T a x e ein Vergleich, so hätte das Gesetz nicht auszusprechen brauchen, daß der Versicherungswert durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden „ k a n n " ( V V G § 57), oder daß, wenn durch Vereinbarung der Parteien der Versicherungswert auf eine bestimmte Summe (Taxe) festgestellt wird, die T a x e unter den Parteien „ m a ß g e b e n d " ist ( H G B § 793); es hätte, indem es dies doch tat, sich eines offenbaren technischen Mißgriffs schuldig gemacht. a) A u f einen b e s t i m m t e n B e t r a g m u ß der Versicherungswert festgesetzt sein. Anm. Der Betrag braucht nicht gerade unmittelbar durch die Vereinbarung bestimmt zu sein. Es genügt, daß die Vereinbarung bestimmte Grundlagen für die Festsetzung der T a x e deutlich bezeichnet, ζ. B. als T a x e den Fakturenwert bestimmt (unten Anm. 38). Auch kann vereinbart werden, daß T a x e n „vorbehalten" sein sollen, d. h. dem Versicherungsnehmer die nachträgliche Taxierung nach billigem Ermessen überlassen sein soll; doch kann der Versicherungsnehmer in solchem Falle keine T a x e mehr aufgeben, wenn er weiß oder wissen muß, daß die Reise einen ungünstigen Verlauf genommen hat (vgl. § 102 und dazu § 1 A n m . 132, § 5 A n m . 43, H G H a m b u r g H G Z 1864. 2 1 7 , auch AllgPlan 1847 § 1 1 Abs. 6, aber auch § 7 Anm. 9, ähnlich auch P o h l s 4. 226). — Wenn für verschiedenartige Gegenstände nur eine Gesamttaxe vereinbart ist und nur einzelne Gegenstände verlorengehen oder beschädigt werden, muß die T a x e im Verhältnis der wirklichen Versicherungswerte geteilt werden (so ausdrücklich M I A § 72 Abs. 1 ; über den Fall, daß die wirklichen Versicherungswerte nicht zu ermitteln sind: M I A § 72 Abs. 2 ; vgl. auch § 7 A n m . 9). b) O b der Versicherungswert durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag Anm. festgesetzt ist, ist T a t f r a g e . Auch wenn der Ausdruck „ T a x e " nicht gebraucht ist,
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§ 6 kann die Vereinbarung einer Taxe gemeint sein (HG u. OG Hamburg HGZ 1869. 271, 318). Die bloße Angabe des Wertes in der Police ist ohne weiteres noch keine Taxe (abw. B r o d m a n n 175). Insbesondere nicht, wenn die Wertangabe erkennbar zur Festsetzung der Versicherungssumme und der Prämie dienen soll, oder wenn verschiedene Sachen zu einer Gesamtsumme versichert und in der Police bei den einzelnen Sachen als rechnerische Grundlage für die Gesamtsumme bestimmte Beträge ausgeworfen sind (Begr. z. V V G § 57, Bolze 4 Nr. 758). Anders natürlich, wenn die Police außer der Wertangabe die Klausel enthält „Auf Grund gegenseitiger Vereinbarung ohne weiteren Beweis" (RG 1 1 . 1 1 , eine Entscheidung, auf die B r o d m a n n a.a.O. sich deshalb mit Unrecht beruft), oder wenn es in der Police heißt „taxiert zu £ 5000,—" (HansOLG H R Z 1927. 184 = Sasse Nr. 365). Anders auch, wenn Roggen, Weizen und Weizenmehl mit Einschluß imaginären Gewinns versichert sind und in der Police erklärt wird: „Der Versicherungswert ist nicht 40000 DM, sondern 50000 D M (wovon auf diese Police 27000 DM entfallen)" und ferner: „Im Schadensfalle Taxen der verschiedenen Arten vorbehalten" (HG u. OG Hamburg HGZ 1869. 271, 318). — Auch die Festsetzung einer Versicherungssumme ist nicht ohne weiteres Festsetzung einer Taxe (RG 19. 209). Aber sie kann (auch) als Taxe gemeint sein. Im hansestädtischen Versicherungsverkehr bildet die taxierte Police die Regel (s. HansOLG H R Z 1927. 184 = Sasse Nr. 365; K G H R Z 1927. 135 = J R P V 1927.63 = Sasse Nr. 367), ebenso wie in England. Versicherungssummen werden daher auch in der Regel zugleich als Taxen anzusehen sein (HansOLG a. a. O.). Vgl. auch L G Hamburg HGZ 1897. 14: Im Falle einer Versicherung für behaltene Ankunft mit der Interessenbeweis-Klausel („Im Schadensfalle bedarf es keines weiteren Nachweises der Interesses als nur dieser Police") sei anzunehmen, daß die Versicherungssumme auch als Taxe gemeint sei. Bei der Gewinnversicherung gilt schon nach § 100 Abs. 1 die Versicherungssumme als Taxe. — Ist der (technische) A u s d r u c k „ T a x e " g e b r a u c h t , so spricht die Vermutung für die Vereinbarung einer Taxe im Sinne des § 6 Abs. 3 (OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 359). Die Umstände des Falles können aber auch ergeben, daß die „Taxe" nicht als Taxe gemeint ist (vgl. den Fall H R Z 1921. 704, 1922. 11 und oben Anm. 9, auch R G I i . 17). Ist eine Taxe vereinbart, aber auch bestimmt, daß der Versicherer im Versicherungsfall den Nachweis des wirklichen Versicherungswerts verlangen kann, so bedeutet die Taxe eine bloße Schätzung des Versicherungswerts ( G e r h a r d 269). Nach Prot. 3068 soll die Vereinbarung einer Taxe nur anzunehmen sein, wenn „ein beiderseitiges Einverständnis der Kontrahenten über die Wichtigkeit und Verbindlichkeit der Wertangabe" vorliege (ebenso R G HGZ 1892. 246: „Beiderseitiges Einverständnis über die der taxierten Police vom Gesetz beigelegte Bedeutung und über die daraus für die Kontrahenten entstehenden Verbindlichkeiten"; folgend S i e v e k i n g 37). Dies darf nicht mißverstanden werden. Die allgemeinen Grundsätze über Willenserklärungen und Verträge entscheiden. Ergibt insbesondere die Auslegung des Vertrags die Vereinbarung einer Taxe, so können Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Bedeutung solcher Vereinbarungen gegebenenfalls nur dazu führen, daß der Vertrag wegen versteckten Dissenses nichtig oder wegen Irrtums anfechtbar ist (Vorb. IV vor § 1). Anm. 22 c ) „Vorläufige Taxen" sind keine Taxen im Sinne des § 6 Abs. 2. So ausdrücklich § 6 Abs. 3. Anm. 23 d) Wer behauptet, daß eine Taxe vereinbart sei, muß es beweisen (RG 19. 211). Anm. 24 9. Die Taxe ist für den Versicherungswert maßgebend. Sie ist überall maßgebend, wo der Versicherungswert von Bedeutung ist. Sie ist maßgebend dafür, ob das Interesse unter- oder über- oder doppeltversichert ist (§ 8, g, 10; vgl. dazu HansOLG H R Z 1927. 184: Unterversicherung und taxierte Police), ob Schäden von weniger als 3 % zu ersetzen sind (§34 Abs. 1 ; vgl. §§ 117, 118), ob der Beitragswert den Versiehe-
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rungswert übersteigt (§ 30 Abs. 8), ob das Schiff reparaturunwürdig ist (§ 77 Abs. 2), § 6 für die Höhe der Entschädigung (§ 93 Abs. 1; vgl. auch oben Anm. 16). Ist vereinbart, daß ein Teil des Versicherungswerts unversichert bleiben soll, so muß der Teil der Taxe unversichert bleiben; der Versicherungsnehmer kann sich nicht darauf berufen, daß er zwar nicht den vereinbarten Teil der Taxe, wohl aber den entsprechenden Teil des wirklichen Versicherungswerts unversichert gelassen habe (§ 8 Anm. 6). — Die Taxe bleibt auch dann maßgebend, wenn der wirkliche Versicherungswert sich verändert, wenn insbesondere das versicherte Interesse teilweise wegfällt. Wenn ζ. B. das „Frei von Kriegsgefahr" versicherte Schiff auf 500000 taxiert ist, der wirkliche Versicherungswert nur 450000 beträgt, das Schiff durch ein Kriegsereignis um 45000 beschädigt wird, der wirkliche Versicherungswert also auf 405000 sinkt, so bleibt die Taxe mit einem um 1/10 verminderten Betrag, also mit 450000 maßgebend (Sieveking 36). — Die Taxe ist natürlich nur für das Versicherungsverhältnis maßgebend, nur „ u n t e r den P a r t e i e n " (HGB § 793 Abs. 1), nur between the insurer and assured (MIA § 27 Abs. 3). Wenn die totalverlorenen Güter im ersten Versicherungsvertrag mit 90000 taxiert und für ao 000 versichert, im zweiten Vertrag mit 80000 taxiert und für 80000 versichert sind, und der Versicherungsnehmer vom ersten Versicherer 20 000 erhalten hat, könnte er vom zweiten Versicherer nur noch 80000—20000 = 60000 verlangen. Der Versicherungsnehmer müßte also zunächst vom zweiten Versicherer Entschädigung verlangen, um insgesamt 90000 zu erhalten. Ein unwirtschaftliches Ergebnis, das dadurch vermieden wird, daß die beiden Versicherungsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 1 als ein „ganzes" betrachtet werden und der Versicherungsnehmer deshalb jedenfalls Ersatz des „ganzen" Schadens, also Zahlung von 90000 verlangen kann (näheres: § 10 Anm. 15). — Die Taxe ist auch nicht maßgebend dafür, in welchem Umfang Schadenersatz-Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen dritte auf den entschädigenden Versicherer übergehen. Wenn das mit 100000 taxierte und voll versicherte Schiff durch Zusammenstoß total verlorengeht, der Versicherer 100000 zahlt und der Gegensegler, weil das versicherte Schiff in Wirklichkeit 150 000 wert ist, auch 150 000 zu zahlen hat, geht der Ersatzanspruch gegen den Gegensegler doch nur für 100000 auf den Versicherer über (§ 45 ,Voigt 102, R G 15. 94; HG u. OG Hamburg HGZ 1872. 16, 1877. 199; anders die englische Rechtsprechung, die dem Versicherer den ganzen Ersatzanspruch überläßt: A r n o u l d 364, 365 s. 395). •— Dagegen ist die Taxe maßgebend dafür, in welchem Umfang die Rechte des Versicherungsnehmers an den versicherten Gegenständen auf den entschädigenden Versicherer übergehen (§§ 71, 72, 73, 91, 92). Ist insbesondere die ganze Taxe versichert, so gehen die Rechte vollständig auf den Versicherer über, mag auch die Taxe kleiner sein, als der wirkliche Versicherungswert (HG Hamburg HGZ 1872. 16; näheres: § 70 Anm., § 71 Anm.). — Die Taxe ist nicht maßgebend, wenn die versicherten Güter beschädigt die Reise antreten und verlorengehen (§ 84 Satz 3). -— Die Taxe ist überhaupt nicht maßgebend bei der Frachtversicherung, der Versicherung von Schiffsmiete und der Versicherung von Uberfahrtsgeldern (§§ 107 Abs. 3, 108 Abs. 3, 109 Abs. 1). Sie würde in diesen Fällen auch nicht die Beweislast umkehren. Hierfür dient dann die Klausel „Ohne weiteren Nachweis hinsichtlich der Taxe" oder ähnlich (HG Hamburg HGZ 1872. 31). Die Klausel bedeutet aber hierüber hinaus, daß die Taxe überhaupt maßgebend sein soll (§ 107 Anm.). 10. Die Taxe ist für den Versicherungswert maßgebend, wenn sie kleiner ist Anm. 25 als der wirkliche Versicherungswert. Die Taxe wird als der wirkliche Versicherungswert angesehen. Die Versicherung ist also nicht etwa Unterversicherung. — Keine Partei kann H e r a u f s e t z u n g der T a x e verlangen (RG 1 1 . 1 1 , HGZ 1883. 190, 298). Auch dann nicht, wenn die Taxe erheblich untersetzt ist. Versuche der Assekuradeure, das Recht auf Heraufsetzung der Taxe zu erlangen, sind fehige-
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§ 6 schlagen (vgl. Ε 1863 §§ 15, 51, Ε 1864 § ι6, Ε 1910 §§ 37 Abs. 1, 76 Abs. 2, aber auch ADS § 30 Abs. 8; für solches Recht: Benecke 4. 188, B r o d m a n n 176, G e r h a r d 268, Heck 507, Heinsen und R e a t z 19. DJT 1. 56, 3. 158, 165, Leo 177, Tecklenborg System 113, Voigt 104 und NAfHR 3.68, 4. 117, Erläuterungen 1863.10, 19, 57, Ε i866. 8, Weskett 2. 245; dagegen Bemerk. Bremen 2, ÄndVorschl. Hamburg 3, Boyens, D r e c h s l e r und F. S i e v e k i n g 19. D J T 1. 33, 3. 153, 164, S i e v e k i n g 39; vgl. auch Brandt 14). Die Notwendigkeit eines solchen Rechts auf Heraufsetzung der Taxe hat der 1. Weltkrieg erwiesen. Sie hat zur Kasko-Teilschaden-Klausel geführt (näheres: § 70 Anm.). Versicherungen mit zu kleiner Taxe sind verschleierte Teilversicherungen auf erstes Risiko. Solche Teilversicherungen auf erstes Risiko können von beiden Parteien gewollt sein. Für solche Fälle können die Assekuradeure natürlich das Recht auf Heraufsetzung der Taxe nicht beanspruchen. Regelmäßig ist aber eine Teilversicherung auf erstes Risiko vom Versicherer nicht gewollt (deshalb unrichtig: S i e v e k i n g 39). Der Versicherungsnehmer, der sein Schiff versichert, gibt einen zu kleinen Wert an, um Prämie zu sparen. Der Unterschied zwischen Taxe und wirklichem Wert wird durch eine billige Versicherung „Nur für Totalverlust" oder „Für behaltene Ankunft" gedeckt. Der Versicherer muß Teilschäden bis zur Taxe, Aufwendungen zur Abwendung, Minderung, Ermittlung oder Feststellung des Schadens sogar voll ersetzen. Dafür erhält der Versicherer nur eine Prämie, die nach der zu kleinen Taxe berechnet ist. Das ist in der Tat ein „unleidlicher" Zustand (Voigt 105, 107). — Der Versicherungsnehmer, der einen erheblich zu kleinen Wert angibt, v e r l e t z t auch nicht die A n z e i g e p f l i c h t der §§ 19, 20 (HGZ 1883. 2g8, Schiedsspruch H R Z 1922. 129). Allerdings ist der Umstand, daß die Taxe erheblich kleiner ist als der wirkliche Versicherungswert, wie eben gezeigt, für die Übernahme der Gefahr von größter Bedeutung. An dieser Bedeutung ändert natürlich nichts die Tatsache, daß die Wertangabe im Vertragsantrag enthalten ist (abw. HGZ 1883. 298, folgend: S i e v e k i n g 39, Schiedsspruch H R Z ig22, 129). Ebensowenig die Tatsache, daß es sich um ein Werturteil handelt (abw. HGZ 1883. 298). Gleichwohl kann die Anzeigepflicht der §§ 19, 20 nicht als verletzt betrachtet werden, wenn der Versicherungsnehmer einen Wert angibt, der erheblich kleiner ist als der wirkliche. Denn nach der Verskehranschauung gilt dieser Umstand als nicht für die Übernahme der Gefahr erheblich. Diese Verkehrsanschauung ist bei den fruchtlosen Versuchen der Assekuradeure, sie zu brechen, zu klarem Ausdruck gekommen. Sie kommt nunmehr auch im § 3 J Abs. 8 zum Ausdruck. Die Assekuradeure haben sich mit ihr abgefunden, indem sie die Kasko-Teilschaden-Klausel einführten. Gesetz und ADS haben ihr Rechnung getragen, indem sie dem Versicherer nur das Recht einräumten, eine Herabsetzung der Taxe zu verlangen. Schließlich hat eine feststehende (wenngleich von teilweise unrichtigen Gesichtspunkten ausgehende) Rechtsprechung sie bestätigt. Anm. 26
Ii. Die Taxe ist für den Versicherungswert auch dann maßgebend, wenn sie höher ist als der wirkliche Versicherungswert. — Der Versicherungsnehmer kann nicht Herabsetzung der Taxe verlangen. Nicht, um die nach der Taxe bestimmte Prämie herabzumindern. Nicht, um die Taxe der etwa kleineren Versicherungssumme anzunähern und damit die durch den Unterschied beider begründete Unterversicherung zu verringern. Vgl. E h r e n b e r g ZfVW 1906. 412, G e r h a r d 268, R G 90. 367, 94. 270, R G HGZ 1919. 55. — Auch der Versicherer kann nicht Herabsetzung der Taxe verlangen, obgleich für den Unterschied zwischen Taxe und wirklichem Versicherungswert dem Vertrag ein versicherbares Interesse nicht zugrunde liegt (oben Anm. 18). Es liegt dann eine gesetzlich zugelassene Bereicherung des Versicherungsnehmers vor (Prölß Anm. 2 zu § 57 V V G ; s. dazu aber auch R G J W 1930. 379). Doch besteht eine Ausnahme: Der Versicherer kann Herabsetzung verlangen, wenn die Taxe den Versicherungswert erheblich übersteigt.
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a) W i r k l i c h e r V e r s i c h e r u n g s w e r t (insurable oder actual value, valeur reelle) § 6 ist der Wert, der maßgebend sein würde, wenn der Wert nicht taxiert wäre. Insbesondere Anm. 27 ist regelmäßig maßgebend der Wert, den der versicherte Gegenstand zur Zeit des Beginns der Versicherung hat (§§ 70, 90 usw.), the sum which measures its worth to the assured at the commencement of the risk ( A r n o u l d 390 s. 418); nicht der Wert, den er zur Zeit der Taxierung hat. Beträgt ζ. B. die Taxe 1 000, der wirkliche Wert zur Zeit der Taxierung 950, der Wert zur Zeit des Versicherungsbeginns dagegen infolge eines plötzlichen Wertsturzes 500, so ist die Taxe erheblich übersetzt und herabsetzbar. b) Ob im übrigen die Taxe den wirklichen Versicherungswert e r h e b l i c h (HGB Anm. 28 § 793: wesentlich) übersteigt, ist Tatfrage. Anhaltspunkte geben Gesetz und A D S nicht (anders ζ. B. BGB § 343 für erheblich übersetzte Vertragsstrafen; vgl. auch H G B § 747 für erheblich übersetzte Bergungs- oder Hilfslöhne: „in einem außerordentlichen Maße . . . außer Verhältnis zu den geleisteten Diensten"). Nach Prot. 3067 muß „die Ubersetzung der Taxe so viel betragen, daß man nicht mehr annehmen kann, der Vertrag habe den Charakter eines wahren Versicherungsgeschäfts". Ahnlich R G 19. 2 1 5 : Man müsse von dem Grunde ausgehen, „aus welchem überhaupt die Anfechtung der vereinbarten Taxe seitens des Versicherers gestattet sei"; dieser Grund aber „bestehe nur darin, daß dem Versicherungsvertrag ein bestimmtes in Geld schätzbares Interesse zugrunde liege", „deshalb dürfe bei der Abschätzung dieses Interesse nicht so weit überschritten werden, daß das Wesen des Versicherungsvertrags dadurch geändert werde". Damit ist nicht viel gewonnen. Dem Wesen des Versicherungsvertrags widerspricht jede Uberbewertung des versicherten Interesses. Die Überbewertung hat gerade deshalb besonders gestattet werden müssen. Dem Wesen der Versicherung sind deshalb Anhaltspunkte nicht zu entnehmen. — Der Begriff „erheblich" oder „wesentlich" ist „schwankend und unbestimmt und wird je nach der milderen oder strengeren Auffassung des Richters anders ausgelegt werden" (Prot. 3064). Die „mildere" Auffassung herrscht vor (vgl. auch § 1 Anm. 41 über die Anfechtung von Gewinntaxen). „Der Gegenbeweis, daß die Taxe übersetzt sei, . . . ist nach Sachlage immer mit großen Schwierigkeiten verbunden" (HGZ 1897. 18). Deshalb kommen wie früher so heute „Anfechtungen von vertragsmäßig vereinbarten Taxen erfahrungsgemäß höchst selten vor" (Prot. 3064, 3067). Wenn schon, — in der Regel ohne Erfolg. Vgl. H G Hamburg H G Z 1870. 268: Keine Anfechtung einer Gütertaxe wegen Ubersetzung um 7 % . Auch nach O L G Stuttgart, Praxis des Versicherungsrechts, Beilage zur „Öffentlich-rechtlichen Versicherung" 1930. 87, ist Überschreitung des Versicherungswertes um 6—7 % unerheblich (Fall des § 57 V V G ) . H G Hamburg H G Z 1871. 400: Vereinbarung einer Taxe von 1250 £ für 200 Ballen Gunnycloth im wirklichen Werte von 1209 £ unanfechtbar. R G 19. 2 1 5 : Keine wesentliche Übersetzung, wenn Hafer im Werte von 22329 Μ zu 23908 Μ taxiert ist. R G 93. 269: Ubersetzung um das dreifache des wirklichen Werts wesentlich (vgl. aber dazu auch R G 100. 91, wo angenommen wird, daß es sich in diesem Falle um die Versicherung nicht nur der Güter, sondern auch eines „imaginären Interesses" gehandelt habe und dieses Interesse nicht übersetzt sei). Die „Gestattung der . . . Anfechtung ist demnach nicht von großem praktischen Wert" (Prot. 3064). In Bremen galten deshalb bis zu den ADS Taxen gar überhaupt für unanfechtbar (vgl. B S V B § 27 Abs. 6, M E 53). Man sollte von dem Z w e c k d e r E i n r i c h t u n g ausgehen. Die Taxe hat den Zweck, der mit der Wertermittlung verbundenen Unsicherheit aus dem Wege zu gehen. Uberbewertungen, die durch diesen Zweck gerechtfertigt werden, sind zulässig. Andere Uberbewertungen und in diesem Sinne „unverhältnismäßig große Überschreitungen des wahren Werts" (Prot. 3066) sind unzulässig. Wie schon K l e f e c k e r 7. 565 meinte: „Weder das Schiff, noch die Ladung, haben immer ein justum pretium. Es läuft zuweilen auch ein unschuldiges pretium affectionis, vel spei, mit 15 R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 6 unter". Darauf wird es ankommen: „ U n s c h u l d i g e " , dem wirtschaftlichen Zweck der T a x e entsprechende Ubersetzungen sind statthaft. Vgl. auch V V G § 5 1 : Die Parteien können, wenn „die Versicherungssummeden... Versicherungswert erheblich übersteigt", Herabsetzung verlangen (vgl. P r ö l ß Anm. 1 zu § 51 V V G : „ E s muß eine spürbare Prämienermäßigung herauskommen"). Der Richter soll im Urteil sein „Ermessen in einer Weise begründen, daß ersichtlich wird, ob er bei Ausübung desselben von zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist" ( R G 19. 2 1 5 ) . Z u diesen „Gesichtspunkten" angebotene Beweise muß das Gericht nach § 286 Z P O erheben. Es darf sich dem nicht unter Berufung auf § 287 Z P O entziehen, wonach über die Höhe eines Schadens oder eines zu ersetzenden Interesses unter Würdigung aller Umstände nach freier Uberzeugung zu entscheiden ist, und dem Ermessen des Gerichts überlassen bleibt, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen ist. Denn es handelt sich hier nicht um die Feststellung eines Schadens, auch nicht um die Feststellung der Höhe eines zu ersetzenden Interesses, sondern um die Ermittlung des Wertes eines Interesses zum Zwecke der Vergleichung mit der T a x e ( R G 58. 36). Anm. 29
c) Der V e r s i c h e r e r kann Herabsetzung verlangen. Sind mehrere Versicherer beteiligt, jeder f ü r seinen Vertrag. H a t einer die „ F ü h r u n g " , so kann er im Namen aller Herabsetzung verlangen. Näheres: Vorb. V vor § 1. Anm. 30 d) Der Versicherer k a n n v e r l a n g e n . Das Verlangen ist, seinem natürlichen Begriffe nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich rechtsändernde Willenserklärung (näheres über solche Willenserklärungen: V o r b . I V vor § 1). Der Versicherungsnehmer braucht das Verlangen nicht anzunehmen, sich nicht mit ihm einverstanden zu erklären. Die Herabsetzung erfolgt n i c h t durch V e r e i n b a r u n g (wie hier G e r h a r d 232, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 7 zu § 6 A D S , B r u c k P V R 5 3 1 ; abweichend für den Fall der Herabsetzung der Versicherungssumme nach § 51 V V G K i s c h 3. 2 2 1 , H a g e n H B I 465, P r ö l ß A n m . 3 zu § 51 V V G (anders ders. bis zur 5. A u f l . ) : es bestehe ein Anspruch auf Ausführung (Anerkennung) derjenigen Maßnahmen, die die Ermäßigung der Versicherungssumme und der Prämie in Erscheinung treten lassen; dieser Anspruch sei frei widerruflich, bis er erfüllt oder ein Schaden eingetreten sei, R a i s e r VersW 1948. 369; vgl. zu der Frage auch B G H N J W 1 9 5 1 . 3 1 4 = V e r s R 1 9 5 1 . 76). Dem Wortlaut des Gesetzes und der A D S könnte eine andere Auffassung entnommen werden. M a n hat aber immer angenommen, daß der Versicherer die wesentlich übersetzte T a x e „anfechten" kann (Prot. 3064, L e h m a n n Z f V W 1 9 1 1 . 7 8 8 , R e h m Z f V W 1 9 1 1 . 465, V o i g t 100, R G I i . 17, 19. 2 1 3 , 58. 36; anders P r ö l ß A n m . 4 zu § 57 V V G , da der Versicherer durch das Herabsetzungsrecht des § 57 V V G genügend geschützt sei), also durch e i n s e i t i g e E r k l ä r u n g beseitigen kann. Dieser Auffassung entspricht es, daß nach § 57 V V G die T a x e sogar ohne weiteres nicht als Versicherungswert „ g i l t " , wenn sie erheblich übersetzt ist. — Insbesondere braucht der Versicherer das Verlangen nicht gerichtlich, durch K l a g e oder Einrede, geltendzumachen. W o das Gesetz f ü r die Ausübung von Rechtsgestaltungs-Rechten die gerichtliche F o r m f ü r notwendig erachtet hat, hat es sich darüber ausgesprochen (vgl. B G B § 3 4 3 : Herabsetzung der Vertragsstrafe, H G B § 1 3 3 : Auflösung der offenen Handelsgesellschaft, H G B § 747: Änderung oder Aufhebung eines Bergungs- oder Hilfslohnvertrags usw.). Die K l a g e , mit welcher der Versicherer seinem Herabsetzungsrecht gerichtliche Anerkennung zu verschaffen sucht, muß daher auf F e s t s t e l l u n g , nicht auf Rechtsgestaltung gerichtet werden (so auch P r ö l ß A n m . 3 zu § 5 1 V V G , vgl. K G J R 1928. 276; abw. G e r h a r d 232). — Das Verlangen muß (gleich allen rechtsgestaltenden Willenserklärungen) b e s t i m m t sein. Denn der Versicherungsnehmer muß wissen, woran er ist. Hieraus folgt aber nicht, daß der Versicherer Herabsetzung auf einen be-
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stimmten Betrag verlangen muß (Gerhard 232). Gesetz und Bedingungen berechtigen § 6 ihn, Herabsetzung auf den „wirklichen Versicherungswert" zu verlangen. Er kann sich deshalb auch auf dies Verlangen beschränken. Überdies ist der wirkliche Versicherungswert objektiv bestimmbar, das Verlangen nach Herabsetzung auf den wirklichen Versicherungswert also auch genügend bestimmt. e) Dem V e r s i c h e r u n g s n e h m e r gegenüber muß der Versicherer Herabsetzung Anm. 31 verlangen. Gesetz und ADS sagen es nicht besonders. Es ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Begriff des Verlangens. — Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind, vgl. Vorb. V I vor § 1. — Über Erklärungen gegenüber einem V e r t r e t e r , insbesondere einem Gesamtvertreter des Versicherungsnehmers vgl. § 3 Anm. 18. — Auch im Falle einer Versicherung für f r e m d e Rechnung muß der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer verlangen. Der Fall der Anfechtung einer Taxe kann nicht anders behandelt werden, als der Fall der Anfechtung wegen Irrtums usw. (§ 53 Anm.). f) Ist das V e r l a n g e n b e r e c h t i g t , so ist die T a x e auf den wirklichen Ver- Anm. 32 sicherungswert herabgesetzt. Nicht etwa auf einen Betrag, der noch zulässig gewesen wäre, der also den Versicherungswert unerheblich übersteigt. Doch kann das Verlangen sich natürlich auf einen solchen Betrag beschränken. — Nunmehr ergibt sich, daß die Versicherungssumme die Taxe übersteigt, also Ü b e r v e r s i c h e r u n g besteht. Die Überversicherung hatte zwar tatsächlich schon vorher bestanden (so will offenbar auch R G 11. 18 verstanden sein; vgl. dazu L e h m a n n ZfVW 1911. 78g). Sie kam aber rechtlich nicht in Betracht, weil die Taxe maßgebend war. Nunmehr ist die Versicherung für den Unterschied zwischen Versicherungssumme und wirklichem Versicherungswert unwirksam (§ 9 Abs. 1) und ganz unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag in böser Absicht geschlossen hat (§ 9 Abs. 2). — Insbesondere besteht auch dann Überversicherung, wenn die Versicherungssumme ebenso groß oder kleiner ist, als der wirkliche Versicherungswert, wenn ζ. B. die Taxe 200000, der wirkliche Versicherungswert 100000, die Versicherungssumme 50000 beträgt. Denn es soll in diesem Falle ja nur % des Versicherungswerts gedeckt sein. Die Versicherungssumme übersteigt den vierten Teil des wirklichen Versicherungswerts ( = 25000) um das Doppelte. Die Überversicherung macht die Versicherung zum Teil unwirksam. Die Unterversicherung bewirkt, daß der Versicherungsnehmer im Verhältnis der Taxe zur Versicherungssumme als Selbstversicherer gilt (§8). Eine Folge hiervon spricht § 6 A b s . 2 S a t z 3 aus. Der Versicherer haftet für einen Schaden nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Taxe, also im obigen Beispielfall nur für 25% (vgl. auch § 8 Anm. 5; abw. HG Hamburg Ullrich Nr. 116, gegen diese Entscheidung: Voigt NAfHR 2. 468). Diese Folge ergibt sich also aus dem Vertrag, der eine Unterversicherung sein soll, von selbst. Sie ist gleichwohl besonders ausgesprochen, weil § 8 zu einem Mißverständnis Anlaß geben könnte. Nach § 8 soll der Versicherungsnehmer für den durch die Versicherungssumme nicht gedeckten Teil des „Versicherungswerts" als Selbstversicherer gelten. Daraus hätte gefolgert werden können, daß nach Herabsetzung der Taxe der Versicherungsnehmer nur für den durch die Versicherungssumme nicht gedeckten Teil des wirklichen Versicherungswerts als Selbstversicherer gelten soll. — Bei der M i t v e r s i c h e r u n g wird regelmäßig die Unterversicherung durch Übernahme eines Prozentsatzes von der Taxe übernommen (Vorb. V vor § 1). Dann ändert schon rechnerisch die Herabsetzung der Taxe nichts an dem Haftungsverhältnis. Hat der Versicherer ζ. B. 10% der Taxe von 100000 übernommen, so haftet er vor der Herabsetzung bis 10000, nach der Herabsetzung auf 50000 bis 5000. — Dem Versicherer gebührt trotz der Herabsetzung die ganze P r ä m i e ; wenn der Versicherungsnehmer die Überversicherung weder kannte noch kennen mußte, für den Unterschied nur die 15*
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§ 6 R i s t o r n o g e b ü h r ; wenn der Versicherer die Uberversicherung kannte, für den Unterschied n i c h t s (§9 Abs. i ; über den Fall unredlicher Uberversicherung: §9 Abs. 2 ) . — Uber die Maklerprovision im Falle der Herabsetzung: § 2 Anm. 17. Anm. 33 g) B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß den wirklichen Versicherungswert beweisen und ebenso, daß die Taxe ihn erheblich übersteigt ( R G J R 1930. 379, R G H G Z 1893. 128, Ο A G Lübeck HambS 1. 478, P r ö l ß Anm. 2 zu § 57 V V G ; abw. für den Fall einer Bodmereigelder-Versicherung: H G Hamburg H G Z 1872. 32). Die vielfach übliche Klausel „Ohne weiteren Beweis hinsichtlich der T a x e " (ζ. B. H G Hamburg H G Z 1872. 32) oder „Der Versicherer verzichtet auf jeden Nachweis der T a x e " (ζ. B. R G 15. 84) sind also insoweit ohne Bedeutung. •— Der Versicherer kann aber im Versicherungsfall gemäß § 43 Auskunft und Belege verlangen ( S i e v e k i n g 38, V o i g t 1 0 1 ; vgl. auch M E 4g, 55). Denn Auskunft über den wirklichen Versicherungswert ist „zur Feststellung . . . des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich". Insoweit sind auch Beweisklauseln der obigen Art von Bedeutung (vgl. auch § 43 Anm.). Anm. 34 h) Das H e r a b s e t z u n g s r e c h t des Versicherers ist z e i t l i c h n i c h t b e g r e n z t . Es kann also auch noch nach Zahlung der Entschädigungssumme geltend gemacht werden. Es e r l i s c h t im übrigen nach allgemeinen Grundsätzen. Es erlischt nicht durch „Bestätigung"; § 144 BGB (der für die Anfechtung von Bergungs- oder Hilfslohnverträgen zur sinngemäßen Anwendung geeignet sein mag: S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 16 zu § 747 H G B ; vgl. auch R O H G 9.367) ist hier unanwendbar. Es erlischt durch V e r z i c h t , wenn auch nur durch Verzicht im Hinblick auf einen bereits entstandenen Entschädigungsanspruch (vgl. unten Anm. 36). Ein Verzicht wird ζ. B. darin liegen, daß der Versicherer auf der Grundlage der Taxe entschädigt, obgleich er weiß, daß die Taxe erheblich übersetzt ist. Entschädigt er, ohne zu wissen, daß die Taxe erheblich übersetzt ist, so bleibt sein Herabsetzungsrecht unberührt (vgl. BGB § 343 Abs. 1 Satz 3); nach Ausübung des Rechts kann er kondizieren. —• Das Herabsetzungsrecht v e r j ä h r t nicht, insbesondere nicht nach § 48. Denn es ist kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht (vgl. BGB § 194, oben Anm. 30). Aber der durch die Ausübung des Herabsetzungsrechts bedingte Kondiktionsanspruch verjährt. Anm. 35 i) Das Herabsetzungsrecht des Versicherers kann e r w e i t e r t werden. Die Parteien können ζ. B. vereinbaren, daß der Versicherer schon dann Herabsetzung der Taxe verlangen kann, wenn die Taxe den wirklichen Versicherungswert überhaupt, wenn sie ihn also auch nur unerheblich übersteigt. Von dem so erweiterten Herabsetzungsrecht würde allerwege dasselbe gelten, wie vom gesetzlichen Herabsetzungsrecht. Anm. 36 k) Das Herabsetzungsrecht des Versicherers kann aber n i c h t b e s c h r ä n k t oder ausgeschlossen werden ( L e h m a n n Z f V W 1 9 1 1 . 785, S i e v e k i n g WallmannsZ 39. 740, R G 1 1 . 13, 19. 215, 58. 36,94. 270; abw. M o l t 59, R e h m Z f V W 1 9 1 1 . 465, auch H G Z 1918. 1 3 5 : Es sei „gegen Treu und Glauben, wenn der Versicherer, nachdem er sich beim Vertragsschluß mit der starken Ubersetzung des Taxwerts einverstanden erklärt habe, nunmehr sich auf die allgemeinen dem Versicherer nach § 16 A S V B zustehenden Rechte — d. h. das Herabsetzungsrecht — berufen wolle"). Klauseln, wie ζ. B. diese: „Die Taxe ist unanfechtbar" oder „unter Verzicht auf alle Rechte der Anfechtung gegen den taxierten Wert" ( R G 58. 36, HansOLG HansRGZ 34 Β 707 = Sasse Nr. 434) sind unwirksam. Denn die Uberbewertung eines Interesses ist nichts anderes als die Versicherung eines nicht versicherbaren Interesses (oben Anm. 18), und der Grundsatz, daß nur geldwerte Interessen versichert werden können, ist im Wesen des Versicherungsvertrags begründet, also, ohne dieses zu zerstören, nicht zu beseitigen. Es beruht daher auf unrichtiger Problemstellung, wenn man die sog. Frage der Unanfechtbarkeit der Taxe unter dem Gesichtspunkt der zwingenden oder nicht zwingenden Natur des § 793 Abs. 2 H G B behandelt (so ζ. B. L e h m a n n Z f V W 1 9 1 1 . 465, R e h m Z f V W 1 9 1 1 .
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789). Die Frage ist vielmehr, ob Versicherungen, die mangels versicherbaren Interesses unwirksam sind, in weiterem Umfange, als § 793 H G B es gestattet, wirksam gemacht werden können. Diese Frage ist natürlich zu verneinen. — R e h m hat 6 Gründe, aus denen § 793 Abs. 2 H G B „durch Vertrag abänderbares" (genauer: zu Ungunsten des Versicherers abänderbares) Recht darstellen soll: 1. Taxen seien Vereinbarungen. Von Vereinbarungen könne man sich nicht einseitig freimachen. Von diesem Grundsatz bestimme § 793 H G B eine Ausnahme. Ausnahmevorschriften seien eng auszulegen. Also dürfe § 793 Abs. 2 H G B nicht streng, also nicht dahin ausgelegt werden, daß er zwingendes Recht erhalte. Richtig wäre: Die Vorschrift, daß die Taxe, die den Versicherungswert übersteigt, maßgebend sein soll, bildet eine Ausnahme von einer allgemein als unnachgiebig anerkannten Rechtsregel. Ausnahmen sind eng auszulegen. Die Maßgeblichkeit der Taxe darf deshalb nicht über die durch § 793 H G B gezogenen Grenzen erstreckt werden. 2. Die Unanfechtbarkeit entspreche dem Zweck der Taxe. Zweck der Taxe sei, die Schadensregulierung zu erleichtern. Diese Erleichterung sei noch größer, der Zweck der Taxe noch vollkommener erreicht, wenn die Taxe unanfechtbar sei. Die Vereinbarung der Unanfechtbarkeit entspreche daher einem Grundgedanken des Gesetzes und müsse deshalb statthaft sein. Richtig wäre: Zweck der Taxe ist u. a. die Erleichterung der Schadensregulierung. Diesen Zweck erkennt das Gesetz als berechtigt an. Es hat sich deshalb zu einer Ausnahme von einer im öffentlichen Interesse notwendigen Rechtsregel entschlossen, nämlich die Taxe, unter Vorbehalt der Herabsetzung in groben Fällen, für maßgebend erklärt. Daß den Parteien gestattet sein soll, weitere Ausnahmen zu vereinbaren, läßt das Gesetz nirgend erkennen. 3. Bei der Transportversicherung halte das Gesetz nicht streng an dem Grundsatz fest, daß die Versicherung nicht für den Versicherungsnehmer zum Gewinn führen dürfe. Ζ. B. bestimme das Gesetz den Versicherungswert so, daß die Versicherung zum Gewinn führen könne. Die Taxe sei aber nichts anderes als der vereinbarte Versicherungswert. Die Parteien könnten deshalb auch ihre Unanfechtbarkeit vereinbaren. Das Gesetz bietet den kleinen Finger, R e h m nimmt die ganze Hand. Die gesetzliche Bestimmung des Versicherungswerts für die Transportversicherung „geschah doch nur als notgedrungene Konzession an die Verhältnisse des Lebens; eine Generalisierung solcher Ausnahmevorschrift ist sehr bedenklich" ( L e h m a n n Z f V W 1911.790) und auf dem Wege der Vereinbarung jedenfalls nicht möglich. 4. Wenn § 793 Abs. 2 H G B zwingend wäre, hätte die Vorschrift anders formuliert sein müssen. Ganz richtig. § 793 Abs. 2 H G B ist kein zwingendes Recht. Aber auch kein nachgiebiges Recht. Sondern vielmehr eine Ausnahme von einem unnachgiebigen Rechtssatz. 5. Die Ubersetzung der Taxen beruhe auf der Initiative der Versicherer, die auf diese Weise höhere Prämie erhielten. Diese Versicherer seien daher nicht schutzbedürftig. Nur schutzbedürftige Versicherer aber habe das Gesetz schützen wollen. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen schutzbedürftigen und nicht bedürftigen Versicherern, gestattet nicht jenen und verbietet nicht diesen, die Unanfechtbarkeit der Taxe zu vereinbaren. Unrichtig ist auch, daß die Ubersetzung der Taxe allgemein auf die Initiative der Rückversicherer zurückzufuhren sei. Das Gegenteil bezeugen schon Prot. 3066 und V o i g t 99. 6. Auch § 57 V V G sei nicht zwingend. Dies ist aus denselben Gründen richtig und unrichtig, aus denen es richtig und unrichtig ist, von der zwingenden Natur des § 793 Abs. 2 H G B zu sprechen. Den richtigen Gesichtspunkt findet R e h m S. 4 7 1 : Es handle sich um eine Durchbrechung des Prinzips „Ohne Interesse keine Versicherung". Würde R e h m hiervon überall ausgegangen sein, so würde er nicht zu unhaltbaren Schlußfolgerungen haben kommen können. Unhaltbaren, — auch vom Standpunkt der Angemessenheit aus. Denn wenn die „Unanfechtbarkeit der T a x e " vereinbart werden könnte, so würde zwar eine Versicherung, der gar kein Interesse zugrunde liegt, unwirksam sein, eine Versicherung
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§ 6 dagegen, der eine um 99% übersetzte und für unanfechtbar erklärte Taxe zugrunde liegt, wirksam sein und bleiben müssen. Das Gesetz will aber solche „das gemeine Wohl gefährdende Geschäfte fernhalten" (Lehmann ZfVW 1911. 791). Anm. 37 1) Verhältnis des H e r a b s e t z u n g s r e c h t s zur A n z e i g e p f l i c h t der §§ 19, 20. Erhebliche Ubersetzung der Taxe kann einen Umstand bilden, der für die Übernahme der Gefahr von größter Bedeutung ist. Deshalb wird der Gegenstand auch in England vom Standpunkt der Anzeigepflicht behandelt (unten Anm. 43). In Deutschland ist er durch § 793 Abs. 2 HGB, § 6 ADS besonders geordnet. Die besondere Vorschrift geht der allgemeinen vor. Der Versicherungsnehmer braucht also nicht anzuzeigen. Auch nicht, wenn die Taxe übermäßig und Verdacht erregend übersetzt ist. Man könnte an und für sich annehmen, daß für solche Fälle das Herabsetzungsrecht weder ausreicht noch bestimmt ist. Aber nach § 9 Abs. 2 macht bösartige Uberversicherung den ganzen Vertrag unwirksam, und es ist nicht anzunehmen, daß man für den mittleren Fall der übermäßigen und verdächtigen Ubersetzung den Versicherer durch die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers hat geschützt wii sen wollen. Anm. 38 12. Die Taxe bei der laufenden Versicherung (vgl. auch § 97 Anm.). Die laufende Versicherung ist die typische Versicherung künftiger Interessen (§ 97 Anm.). Der Wert künftiger Interessen ist oft schwer zu taxieren. Aber die laufende Versicherung kann der Taxe nicht entbehren. Deshalb wird der Versicherungswert auch in der laufenden Police vielfach taxiert. Und zwar: a) entweder so, daß bestimmte, auf Wareneinheiten berechnete „imaginären Gewinn einschließende B e t r ä g e " als Taxen bezeichnet werden. Das (bei gewissen Massegütern, ζ. B. Metallen, vorkommende) Verfahren hat den Nachteil, daß es der Preisbewegung nicht folgt. Der Reis, der versichert und mit 2 DM für das kg richtig (d. h. nach den Verhältnissen der Vertragszeit richtig) taxiert ist, mag zur Zeit des Beginns der Versicherung 4 DM oder 1 DM kosten. Die Taxe wäre im ersten Falle erheblich untersetzt, im zweiten erheblich übersetzt. Sie ist gleichwohl, wie jede Taxe, für den Versicherungswert maßgebend. Aber im Falle erheblicher Ubersetzung kann der Versicherer Herabsetzung der Taxe verlangen. Im Versicherungsverkehr wird der Nachteil des Verfahrens möglichst dadurch ausgeglichen, daß man bei erheblichen Konjunkturveränderungen die Taxe ändert. — In einem 1918 schiedsgerichtlich erledigten Falle waren bei zwei Versicherern laufende Versicherungen für Fische von Norwegen nach Deutschland genommen. Die Fische waren taxiert (330 Μ für das Bündel Klippfische, 200 Μ für die Kiste Salzfische, 200 Μ für das Faß Heringe usw.). Der erste Versicherer hatte Versicherung übernommen bis zum Höchstbetrag von 3000000 Μ für den Dampfer, der zweite Versicherer bis zum Höchstbetrag von 1000000 Μ für den Dampfer, der zweite Versicherer jedoch nur für die „Abladung von Waren, für welche die erste Versicherung nicht ausreichte, also nur für den 3000000 Μ übersteigenden Exzedenten". Auf die beiden Versicherungen wurde die Ladung des Dampfers Cordelia (Klippfische, Salzfische, Rogen, Heringe) mit 3 764460 Μ deklariert, und zwar die Heringe mit 376200 M. Das Schiff ging unter. Die Taxe der Heringe erwies sich als erheblich (um 142223 M) übersetzt. Der Versicherte erhielt insgesamt nur 3764460 — 142223 = 3622237 M. Der erste Versicherer wollte hierbei nur im Verhältnis von 3 000 000 zu 3 764 460, also nur mit 2 886 659 Μ beteiligt sein. Der zweite Versicherer wollte nur mit dem 3000000 Μ übersteigenden Exzedenten, also nur mit 622237 Μ beteiligt sein. Das Schiedsgericht entschied zugunsten des zweiten Versicherers. An und für sich mit Unrecht. Die beiden Versicherungen waren Unterversicherungen. Beide Versicherer hafteten nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur Taxe (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3), der erste Versicherer im Verhältnis von 3000000 zu 3 764460,
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also nur mit 2886659 M , der zweite Versicherer im Verhältnis von 1000000 Μ zu § 6 3764460, also mit 7 3 5 5 7 8 . Das Schiedsgericht hat tatsächlich gleichwohl mit Recht zugunsten des zweiten Versicherers entschieden. Denn die T a x e w a r in Wirklichkeit nicht fest vereinbart; vielmehr waren „definitive Regulierungen" nach Maßgabe insbesondere der Fakturenwerte und demgemäß „Richtigstellungen" der im Vertrag bezeichneten T a x e n vorbehalten. b) oder (was das Übliche ist) so, daß die Güter „ a u f den F a k t u r e n w e r t unter Hinzurechnung der Versicherungskosten, der Kosten, welche bis zur Annahme der Güter durch den Verfrachter entstehen, der endgültig bezahlten Fracht und x % imaginären Gewinn taxiert" werden. Auch dies ist natürlich die Vereinbarung einer T a x e (oben A n m . 20; unbegründete Bedenken: M E 45). Die T a x e ist auch, wie jede T a x e , ohne weiteres maßgebend und nicht etwa (wie H G Hamburg H G Z 1878. 150 annimmt) erst, wenn „ d e r Versicherer die Wertaufgabe genehmigt h a t " . Aber vorausgesetzt ist nicht nur, daß eine Faktura ausgestellt ist, sondern auch, daß die Güter den Gegenstand eines (ernstlich gemeinten) Handelsgeschäfts bilden und üblicher Weise eine Faktura über sie ausgestellt wird. Der Versicherungsnehmer kann nicht, nur um den „Fakturenwert" deklarieren zu können, eine „ F a k t u r a " ausstellen. T r i f f t die Voraussetzung nicht zu, so sind die Güter (zwar auf Grund der laufenden Police versichert, aber) nicht taxiert. — Der Versicherungsnehmer muß im Streitfall den „Fakturenw e r t " usw. beweisen ( H G u. O H H a m b u r g H G Z 1878. 1 5 1 ) . 13. A b s . 3 . O b eine T a x e vereinbart ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein (oben Anm. 39 Anm. 2 1 ) . F ü r einen bestimmten Fall beseitigen Gesetz ( H G B § 793 Abs. 3) und A D S den Zweifel: Eine nur a l s „ v o r l ä u f i g " b e z e i c h n e t e T a x e g i l t n i c h t a l s T a x e . Anders, wenn die Parteien das Gegenteil besonders vereinbart haben. — D a der nur „ v o r l ä u f i g " taxierte Wert „nicht als taxiert gilt", hat der Umstand, daß die Parteien zwar eine (endgültige Taxe) vereinbaren wollen, aber noch nicht vereinbart haben, auf die Gültigkeit des Versicherungsvertrags keinen Einfluß (vgl. B G B § 1 5 4 Abs. 1). Einigen sie sich auch später nicht über eine (endgültige )Taxe, so bleibt die Police offen. Insbesondere ist keine Partei berechtigt, gemäß §§ 3 1 5 , 3 1 6 B G B die T a x e nach billigem Ermessen einseitig festzusetzen. — Die vorläufige T a x e ist auch keine Versicherungssumme, insbesondere keine Versicherungssumme im Sinne der §§ 7 1 — 7 3 , 77 usw. — Ü b e r die Vereinbarung einer (endgültigen) Gesamttaxe unter Vorbehalt der Aufstellung separater Einzeltaxen: § 7 A n m . 9. 14. § 6 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136). Anm. 40 a) R ü c k v e r s i c h e r u n g s - W e r t . Die Rückversicherung ist Haftpflichtversicherung (§ 1 Anm. 145). Bei der Haftpflichtversicherung kann der Wert des versicherten Interesses, der Versicherungswert, regelmäßig nicht bestimmt werden. Denn der U m f a n g der Ersatzpflicht, die den Haftpflichtversicherten treffen kann, läßt sich regelmäßig nicht feststellen (Begr. z. V V G § 149). Deshalb sind bei der Haftpflichtversicherung die Vorschriften, die einen bestimmten Versicherungswert voraussetzen, also die Vorschriften über die Maßgeblichkeit oder Herabsetzbarkeit der T a x e , über die Unter-, Uber- und Doppelversicherung regelmäßig nicht oder nur beschränkt anwendbar. Anders, wenn die Haftpflicht des Haftpfllichtversicherten beschränkt ist. U n d dies ist gerade bei der See-Rückversicherung der Fall. Die Haftpflicht des Vorversicherers ist doppelt beschränkt. Einmal durch den Vorversicherungs-Wert, den Wert des vorversicherten Interesses. U n d zum zweiten durch die Vorversicherungs-Summe. M a n kann schon deshalb nicht sagen, daß der Rückversicherungs - Wert durch die Vorversicherungs-Summe bestimmt wird (so E h r e n b e r g R V R 24, zustimmend H e r r m a n n s d o r f e r 75). M a n kann es aber noch aus einem zweiten Grunde nicht. Ist die Haftpflicht des Vorversicherers auf der einen Seite durch Vorversicherungs-Wert
232 § 6
Anm. 41
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U nd
Vorversicherungs-Summe beschränkt, so ist sie auf der anderen Seite erweitert. Der Vorversicherer haftet über Vorversicherungs-Wert und Vorversicherungs-Summe hinaus für die Aufwendungen des § 32 und in den Fällen des § 37 Abs. 3 (worauf auch E h r e n b e r g R V R 24 aufmerksam macht). Der Rückversicherungs-Wert umfaßt auch die einstweilen unbestimmten Beträge der durch die Haftung für diese Aufwendungen usw. bezeichneten Schulden. Der Rückversicherungs - Wert ist daher nur teilweise bestimmbar, teilweise unbestimmbar. Die sich hieraus (ζ. B. für die Feststellung einer Unter- oder Uberversicherung) ergebenden Schwierigkeiten werden im Versicherungsverkehr dadurch überwunden, daß man nur den bestimmbaren, den durch Vorversicherungs-Wert und Vorversicherungs-Summe bestimmten Teil des Rückversicherungs-Werts, den „normalen" Rückversicherungs-Wert ( E h r e n b e r g R V R 24) als Rückversicherungs-Wert behandelt (vgl. auch L G Hamburg H G Z 1892. 242: Rückversicherungs -Wert sei „das in einer Geldsumme sich darstellende, vom Rückversicherten übernommene Risiko"). Wenn ζ. B. „60000 D M als Exzedent von 20000 D M bis 80000 D M " versichert sind (vgl. § 1 Anm. 130) und der „normale" RückversicherungsWert 80000 D M beträgt, so ist der Vor Versicherer für 2 5 % Selbst-Rückversicherer (§ 8). — Allerdings reicht hiernach der Versicherungsschutz bei der Rückversicherung weiter als bei der Vorversicherung. Der Kaskoversicherte ist ζ. B. nur für den Kaskowert, nicht für den sonstigen Schaden, insbesondere nicht für entgehenden Gewinn gedeckt. Der Vorversicherer dagegen ist (mittelbar, im schließlichen Ergebnis wenigstens) auch für entgehenden Gewinn gedeckt. Denn für ihn steht j a eigentlich nicht der ganze Wert des Kaskos, sondern nur der Kaskowert abzüglich der Differenz zwischen der (etwa höheren) Vorprämie und der (geringeren) Rückprämie auf dem Spiel; in der Rückversicherung des ganzen Kaskowertes liegt also auch eine Rückversicherung der PrämiendifFerenz, also entgehenden Gewinns. Dagegen ist aber auch im allgemeinen nichts einzuwenden (§ 1 Anm. 17, § 2 Anm. 25). Im Versicherungsverkehr wird deshalb auf auf diesen Unterschied im allgemeinen keine Rücksicht genommen. Anders bei der laufenden Rückversicherung. Sie würde für den Vorversicherer die Möglichkeit eröffnen, schlechte Risiken zu hohen Prämien zu übernehmen und zu den im Rückversicherungs-Vertrag bestimmten, niedrigen Prämien auf den Rückversicherer abzuwälzen. Dieser Möglichkeit begegnet der Versicherungsverkehr aber nicht mit einer anderweitigen Bestimmung des Rückversicherungs-Werts, sondern insbesondere mit dem obligatorischen Selbstbehalt und der Vereinbarung verhältnismäßiger Verteilung der Nettoprämie unter Vor- und Rückversicherer (§ 1 Anm. 166, 176, § 97 Anm.; vgl. M o l t 74). b) T a x e n kommen im Rückversicherungs-Verkehr nicht vor; sie könnten sich auch jedenfalls nur auf den bestimmten Teil des Rückversicherungs-Werts beziehen (vgl. R G H G Z 1892. 246). Insbesondere ist die Taxe der Vorversicherung nicht auch Taxe der Rückversicherung. Gleichwohl ist die Taxe der Vorversicherung für die Rückversicherung und den Rückversicherungs-Wert von Bedeutung. Denn ebenso wie bei der offenen Vorversicherung der wirkliche Vorversicherungs-Wert, bestimmt sie bei der taxierten Vorversicherung mit den Rückversicherungs-Wert, bestimmt sie auch (wenigstens, wenn die Vorversicherung Vollversicherung ist) durch ihr Verhältnis zur Rückversicherungs-Summe, ob die Rückversicherung Voll- oder Unterversicherung ist. Wenn die Vorversicherungs-Taxe 100000 beträgt und der Rückversicherer 50000 übernimmt, ist die Rückversicherung Unterversicherung für 50%. Wenn der Vorversicherer 2000 „nähere Aufgabe und Taxe vorbehalten" rückversichert, und die Taxe vorläufig mit 25000, endgültig mit 18800 aufgegeben wird, ist die Rückversicherung Unterversicherung im Verhältnis von 2000 zu 18000 (OG Hamburg H G Z 1874. 335: Der Rückversicherer haftet insbesondere nicht nur für einen aus dem Verhältnis von
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25000 z u 18800 ergebenden T e i l v o n 2000; a b w . H G H a m b u r g H G Z 1874. 334). § 6 W e n n die R ü c k v e r s i c h e r u n g für „ 1 3 0 0 0 Μ valedierend a u f Getreide 60000 M , nähere A u f g a b e und T a x e l a u t Originalversicherung v o r b e h a l t e n " g e n o m m e n wird, ist die R ü c k v e r s i c h e r u n g Unterversicherung für U / M einer mit höchstens 60000 Μ anzun e h m e n d e n V o r v e r s i c h e r u n g s - T a x e ( R G u. H G Z 1892. 245; teilw. a b w . L G u. O L G H a m b u r g H G Z 1892. 242). c) O b der Rückversicherer v o m Versicherer fordern kann, d a ß dieser d e m V o r - A n m . 42 versicherten gegenüber H e r a b s e t z u n g d e r T a x e verlange, h ä n g t v o n den U m s t ä n d e n ab. Ist der Vorversicherer nicht abwicklungsberechtigt, so m u ß er g e m ä ß § 41 verfahren, insbesondere in der R e g e l die W e i s u n g e n des Rückversicherers befolgen. Ist er abwicklungsberechtigt, so m u ß er H e r a b s e t z u n g der T a x e verlangen, w e n n ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger und billiger Weise H e r a b s e t z u n g verlangen w ü r d e ; sonst nicht (§ 1 A n m . 154). D i e H e r a b s e t z u n g der T a x e m u ß er g e m ä ß § 97 A b s . 6 d e m Rückversicherer mitteilen. A u c h w e n n § 97 A b s . 6 nicht unmittelbar anw e n d b a r ist, w e n n insbesondere die R ü c k v e r s i c h e r u n g Einzelversicherung ist, m u ß er mitteilen. D e n n die Interessenlage ist insoweit dieselbe wie i m Falle des § 97 A b s . 6. 15. F r e m d e Rechte (vgl. a u c h oben A n m . 16, 19, 24, 27). a) E n g l i s c h e s R e c h t . Teilversicherung ist i m Zweifel Unterversicherung, nicht Versicherung a u f erstes Risiko (vgl. M I A § 81). D i e T a x e ist, as between the insurer and assured, conclusive of the insurable value of the subject intended to b e insured ( M I A § 27 A b s . 3). A b e r unless the policy otherwise provides, the v a l u e fixed b y the policy is not conclusive for the purpose of determining whether there has been a constructive total loss ( M I A § 27 A b s . 4 ; vgl. d a z u I T C , I V C : I n ascertaining w h e t h e r the Vessel is a constructive total loss the insured v a l u e shall b e taken as the repaired v a l u e . . .). — L a u f e n d e V e r s i c h e r u n g wird g e n o m m e n on goods to b e hereafter declared and v a l u e d . Interessen u n d T a x e n müssen d e m Versicherer a u f g e g e b e n werden. W h e r e a declaration of value is not m a d e until after notice of loss or arrival, the policy must b e treated as a n u n v a l u e d policy as regards the subject-matter of that declaration ( M I A § 29 A b s . 4). — D e r Versicherer k a n n nicht H e r a b s e t z u n g der T a x e verlangen. A b e r die V e r s i c h e r u n g ist u n w i r k s a m : α) i m Falle fraudulöser U b e r s e t z u n g ( M I A § 27 A b s . 3). ß ) I m Falle der U b e r b e w e r t u n g in order to cover a g a m b l i n g transaction ( A r n o u l d 369 s. 398, 399). γ) I m Falle einer U b e r b e w e r t u n g , die den Versicherer d a v o n abgehalten hätte, die V e r s i c h e r u n g z u ü b e r n e h m e n , w e n n er sie gekannt hätte. V g l . insbesondere den Fall Jonides v. Pender 1874, w h e r e goods h a d been v a l u e d at an a m o u n t greatly exceeding a n y s u m w h i c h they could possibly h a v e realized . . . E v i d e n c e was produced to the affect that it was material for underwriters to k n o w the extent of an over-valuation so excessive, as such speculative risks w e r e either declined altogether, or only undertaken at high premiums ( A r n o u l d 370 s. 399). A l s eine anzeigepflichtige U b e r b e w e r t u n g w u r d e in diesem Falle eine solche v o n mehr als 3 0 % angesehen. V g l . a u c h den Fall O n d e r n e m i n g ( I T V M i t t 1922. 1 3 ) : Eine überschuldete holländische R e e d e r e i versicherte das Schiff mit einer T a x e v o n 46000000 u n d einem wirklichen Versicherungswert v o n 26000000 bei englischen Versicherern. D a s englische G e r i c h t hielt dafür, d a ß die Ü b e r s e t z u n g der T a x e hätte angezeigt w e r d e n müssen. b) F r a n z ö s i s c h e s R e c h t . Teilversicherung ist i m Zweifel Unterversicherung, nicht V e r s i c h e r u n g a u f erstes Risiko ( R i p e r t N r . 2 5 4 9 — 2 5 5 0 ) . D i e taxierte Police produit en s o m m e un simple renversement de la preuve ( R i p e r t Nr. 2545 bis).
A n m . 43
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Besondere Taxen
§ 6 Wenn der Versicherer beweist, daß die Taxe den wirklichen Versicherungswert übersteigt, ist dieser, nicht die T a x e maßgebend. Daran ändert auch nichts die Klausel vaille plus, vaille moins oder vaille que vaille ( R i p e r t Nr. 2547).
§ 7 Besondere Taxen (1) Wenn bei der Versicherung mehrerer Gegenstände im Vertrage nur eine Versicherungssumme bestimmt ist, aber einzelne Gegenstände besonders taxiert sind, so gelten diese Gegenstände zugunsten des Versicherungsnehmers als besonders versichert. Dies gilt insbesondere dann, wenn einzelne Teile eines gleichartigen Gutes besonders taxiert sind (Serien). (2) Die Bestimmung des Absatzes 1 findet keine Anwendung, wenn nicht festzustellen ist, welche Güter zu einer Serie gehören. (3) Die Bestimmung des Absatzes 1 findet auch dann keine Anwendung, wenn die Serien durch die bei ordnungsmäßiger Löschung der Güter sich ergebende Reihenfolge bestimmt werden sollen, die Reihenfolge jedoch nicht bei oder sofort nach der Löschung durch Bezeichnung der Güter mit Landungsnummern oder in ähnlicher Weise festgestellt wird. Die Serien sind durch die bei der Löschung sich ergebende Reihenfolge nur dann zu bestimmen, wenn es besonders vereinbart ist. Anm. 1 Anm. 2
1. Vgl. H G Β § 794, A S V B § 17, B S V B § 28. — L i t e r a t u r : § 6 Anm. 2. 2. Der Versicherungsvertrag kann mehrere Gegenstände (genauer: Interessen an mehreren Gegenständen) umfassen, ζ. B. Hausstandsgerät oder 1000 Sack K a f f e e (Kollektiwersicherung). Ob nur e i n V e r t r a g geschlossen ist oder ob m e h r e r e V e r t r ä g e geschlossen sind, ist von rechtserheblicher Bedeutung, ζ. B. für die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vertrags (BGB § 13g), f ü r die Unter- oder Überversicherung, für die Anzeigepflicht, die Gefahrstandspflicht, die Franchise usw. — Ob nur ein Vertrag geschlossen ist oder ob mehrere Verträge geschlossen sind, ist T a t f r a g e . Sind m e h r e r e P o l i c e n ausgestellt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß mehrere Verträge geschlossen sind. Ebenso, wenn für die mehreren Gegenstände m e h r e r e V e r s i c h e r u n g s s u m m e n festgesetzt sind ( E h r e n b e r g 291, O A G Lübeck SA 3 Nr. 96, A G Köln Z f V R 2. 402; vgl. auch R G S t r 37. 357 und dazu L i n d e n b e r g D J Z 1905. 778, K ö n i g e L Z 1907. 136). Den besonderen Umständen nach kann gleichwohl die Annahme begründet sein, daß nur ein Vertrag geschlossen ist ( R G 2. 125, Bolze 17 Nr. 492). Anm. 3 3. A b s . 1 . Ist nur e i n e P o l i c e ausgestellt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß nur e i n V e r t r a g geschlossen ist. Ebenso, wenn für die mehreren Gegenstände nur e i n e V e r s i c h e r u n g s s u m m e festgesetzt ist (vgl. § 7 Abs. 1). Ebenso erst recht, wenn nicht nur eine einzige Versicherungssumme, sondern auch e i n e e i n z i g e T a x e vereinbart ist. Ebenso an und für sich auch, wenn nur eine Versicherungssumme, aber mehrere T a x e n vereinbart sind. Denn die mehreren Gegenstände können lediglich wegen der Schwierigkeit der Wertfeststellung besonders taxiert sein oder aus anderen Gründen, die keinen Rückschluß darauf gestatten, daß die Parteien mehrere Verträge haben schließen wollen. Aber hier weicht die Verkehrsauffassung in einer Beziehung ab. Zwar betrachtet sie nicht etwa den über mehrere Gegenstände mit einer Versicherungssumme und mehreren Taxen geschlossenen Vertrag als mehrere
Besondere Taxen
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Verträge. Aber sie betrachtet die mehreren besonders (d. h. abgesondert, ein jeder oder doch einzelne für sich) taxierten Gegenstände als besonders versichert. Dieser Auffassung entspricht § 7 Abs. 1 (vgl. dazu ζ. B. O L G Hamburg H R Z 1927. 527 = H G Z 1927 Nr. 65 = J R P V 1927. 150 = Sasse Nr. 370: jedes Kollo eine separate Taxe). — Als besonders taxiert (und demgemäß versichert) gelten die Gegenstände auch dann, wenn die Taxe ausnahmsweise nur als Versicherungssumme gilt (§§ 107 Abs. 3, 108 Abs. 3, 109 Abs. 1), oder wenn Versicherungssummen ausnahmsweise als Taxen gelten (§§ 100 Abs. 1, 104). a) „ G e g e n s t ä n d e " sind Sachen (BGB § 90: körperliche Gegenstände) und andere Dinge, insbesondere Forderungen. § 7 ist auch auf die Versicherung von Forderungen anwendbar, ζ. B. von Frachtforderungen (vgl. L G Bremen, O L G Hamburg H G Z 1880. 280). Aber auch auf die Versicherung von sonstigen Interessen, ζ. B. von Gewinninteressen. Der Ausdruck „Gegenstand" sollte klarmachen, daß § 7 nicht nur im Falle der Versicherung mehrerer Sachen, d. h. mehrerer Eigentümerinteressen (§ 1 Anm. 33, 37), gilt, sondern auch in anderen Fällen. § 7 ist also auch dann anzuwenden, wenn mehrere Interessen an einer einzigen Sache versichert und einzelne von ihnen besonders taxiert sind, wenn etwa der Lagerhalter durch einen Vertrag das Eigentümerinteresse für fremde Rechnung und zugleich das Haftpflichtinteresse für eigene Rechnung versichert hat und der Wert des Eigentümerinteresses taxiert ist. b) Über den Begriff der T a x e : § 6 Anm. 18. — Die besondere Taxierung der mehreren Gegenstände kann auf gewöhnliche Weise erfolgen, also so, daß für j e d e n e i n z e l n e n G e g e n s t a n d oder für einzelne Gegenstände der Versicherungswert auf einen bestimmten Betrag festgesetzt wird (§ 6 Abs. a). So wird auch regelmäßig bei v e r s c h i e d e n a r t i g e n Gegenständen verfahren werden müssen (ζ. B. bei Hausstandsgerät). Bei g l e i c h a r t i g e n Gegenständen (ζ. B. 500 Ballen Baumwolle) wird regelmäßig anders verfahren. Es werden eine G e s a m t t a x e und gewisse M e n g e n e i n h e i t e n bestimmt, für die sich die besonderen Taxen dann ohne weiteres aus dem Verhältnis der Gesamtmenge zur Gesamttaxe ergeben (sog. „separate Abteilungen", „ S e r i e n " , auch „ T a x e n " , engl.: series, franz:. series). Und zwar werden die Serien je nach der Warengattung, nach dem Ursprungs- oder Bestimmungslande, nach der Art der Beförderung verschieden bestimmt. Das Nähere pflegen die Tarife zu bestimmen. c) Die besonders taxierten Gegenstände (ζ. B. die Serien) gelten als b e s o n d e r s v e r s i c h e r t . Im allgemeinen ist und bleibt der Vertrag ein einziger Vertrag. Ist der Vertrag ζ. B. aus gemeinrechtlichen Gründen nur für einen einzigen der besonders taxierten Gegenstände, also nur teilweise nichtig, so bestimmt sich die Gültigkeit des übrigen Teils nach § 139 BGB. Aber als V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g wird er in so viele Verträge aufgeteilt, wie Gegenstände besonders taxiert sind. Soweit es aus versicherungsrechtlichen Gründen von Bedeutung ist, ob nur ein Vertrag geschlossen ist oder ob mehrere Verträge geschlossen sind, wird es so angesehen, wie wenn mehrere selbständige Verträge geschlossen wären (ansch. ebenso V o i g t 1 1 5 ; ansch. abw. PreußE Art. 6 1 3 : Es „wird angenommen, daß über jeden einzelnen Gegenstand ein selbständiger Versicherungsvertrag geschlossen ist"). Das Verhältnis ist demjenigen ähnlich, das entsteht, wenn beim Sukzessivlieferungs-Geschäft vereinbart ist, daß „jede Rate einen besonderen Vertrag" bilden soll. — Die Teilung war insbesondere für die Berechnung der Franchise notwendig. Denn je größer die versicherte Ladung, um so kleiner ist an und für sich die Aussicht, die Franchise zu erreichen. Dies war daher auch der Anlaß zur Teilung der Versicherung (OAG Lübeck SA 3 Nr. 96, H G Z 1891. 236, 1917. 90; vgl. auch Prot. 3072). Aber auch sonst gilt versicherungsrechtlich jeder Teil als besonders versichert. Nach jedem Teil bestimmt sich besonders, ob die Taxe übersetzt, unter- oder überversichert, die Anzeigepflicht verletzt, die Gefahr geändert, die Leckage „gewöhnlich" oder
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§ 7 „außergewöhnlich" ist (§ 86, R O H G a i . 174), ob Totalverlust oder nur Teilverlust vorliegt, ob insbesondere, wenn die Klausel „Nur für Totalverlust" vereinbart ist, der Versicherer haftet (§ 123), ob beim Verkauf der versicherten Güter nach § 96 ein vom Versicherer zu ersetzender Unterschied vorhanden ist (OAG Lübeck SA 3 Nr. 96), ob der Versicherungsnehmer abandonnieren kann (Prot. 3072, OAG Lübeck SA 3 Nr. 96), ob der Versicherer wegen Selbstentzündung eines Teiles der Güter (ζ. B. eines Baumwollballens) gemäß § 86 überhaupt nicht oder nur wegen des Teiles der Güter nicht haftet, usw. (vgl. auch Mot. ζ. PreußE 334). Insbesondere kann der Versicherer, wenn nur für einen Teil der versicherten Gegenstände die Anzeigepflicht verletzt oder die Gefahr geändert ist, sich nicht (wie nach § 27) darauf berufen, daß er für die übrigen Gegenstände allein den Vertrag überhaupt nicht oder nicht unter den gleichen Bedingungen geschlossen haben würde. Aber er kann sich natürlich darauf berufen, daß die Anzeigepflicht zwar unmittelbar nur für einen der mehreren besonders versicherten Gegenstände, aber durch Vermittlung dieses Gegenstandes auch für die übrigen Gegenstände verletzt ist, daß ζ. B. ein Ballen Hirsestroh naß gewesen, hierdurch die Gefahr der Verrottung auch anderer besonders taxierter Ballen begründet gewesen und dies nicht angezeigt ist (Begr. z. VVG § 30). Anm. 7 d) Ε 1910 ließ es hierbei bewenden. Der Versicherer würde hiernach ζ. B., wenn die Gesamttaxe 100000, die Serientaxen je 1000 betragen und 10 Serien einen Schaden von je 500, 30 Serien dagegen einen Schaden von je 20 erlitten haben würden, gemäß § 34 nur für den Schaden der 10 Serien (5000), nicht für den Schaden der 30 Serien (600) gehaftet haben. Das würde der Verkehrsauffassung nicht entsprochen haben. Deshalb soll nach § 7 Abs. 1 die „besondere Versicherung" nur „zugunsten des Versicherungsnehmers" gelten. Nur der Versicherungsnehmer, nicht der Versicherer kann sich darauf berufen. Der Versicherer haftet also im obigen Beispiel für 5600. Ebenso die englische Rechtsprechung (Hagedorn v. Withmore 1816 bei A r n o u l d 857 s. 893); gleichwohl werden oft der Klausel: To pay average on each package (oder on each species) as if separately insured (oder as though separate interests separatly insured), die Worte hinzugefügt: or on the whole. Der Herabsetzung einer erheblich übersetzten Einzeltaxe kann der Versicherungsnehmer sich jedoch auch dann nicht widersetzen, wenn etwa die Gesamttaxe nicht erheblich übersetzt ist. Anm. 8 4· § 7 bezieht sich nur auf den Fall, daß eine Versicherungssumme bestimmt ist. Wenn einzelne Gegenstände besonders taxiert sind und k e i n e V e r s i c h e r u n g s s u m m e bestimmt ist, werden jene Gegenstände jedoch erst recht als besonders versichert gelten müssen. Anm. 9 5· § 7 bezieht sich nur auf die Versicherung mehrerer Gegenstände, mehrerer selbständiger Gegenstände oder mehrerer zu einem Inbegriff oder zu einer Sachgesamtheit verbundener Gegenstände (vgl. VVG § 54, BGB §§ 92, 260, 1035, auch HGB § 794: „Gesamtheit von Gegenständen", auch § 94 Anm.). Es kommt aber auch oft vor, daß von einem Gegenstand e i n z e l n e T e i l e o d e r Z u b e h ö r s t ü c k e b e s o n d e r s t a x i e r t werden. Nach der Verkehrsanschauung gelten dann auch diese Teile oder Zubehörstücke als „besonders versichert". Solche besonderen Taxen sind insbesondere bei der Kaskoversicherung üblich (HGZ 1890. 133). Vgl. den Fall RG HGZ 1891. 235, in dem Versicherung genommen war: „auf das Kasko taxiert 70000 Μ und auf die Maschine, Kessel und sonstigen maschinellen Einrichtungen nebst Zubehör taxiert 50000 M, beides selbständig gerechnet". Beträgt der Teilschaden am Schiffsrumpf (Kasko im engeren Sinne) 73000 M, so erhält der Versicherungsnehmer doch nur 70000 Μ (HGZ 1891. 235).
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Auch wird oft vereinbart, daß die E i n z e l t a x e n e r s t i m V e r s i c h e r u n g s f a l l § 7 durch die Schadenstaxatoren festzusetzen sind. Vgl. ζ. B. HGZ 1890. 133: „Separate Taxen für Maschine und Zubehör selbst im Schadensfalle vorbehalten". Oder: „Kasko, Maschine, Zubehör: Separattaxen vorbehalten. Etwaige Havarie particulifere ist auf Kasko, Maschine und Zubehör separat oder über das Ganze nach Wahl der Reederei zu dispachieren". Die Gesamttaxe beträgt 243000 M, ein Eisschaden am Schiffsrumpf 4063 M ; die von den Schadenstaxatoren festgesetzten Separattaxen betragen für den SchifTsrumpf j 05 000 M, für Maschine und Kessel 50000 M, für das Zubehör 18000 Μ (also insgesamt 173000 M). Der Schadensbetrag würde 3 % von 105000 Μ übersteigen und danach zu ersetzen sein. Aber die Separattaxen stehen mit der Gesamttaxe nicht in Einklang und müssen verhältnismäßig so weit erhöht werden, bis sie zusammen die Gesamttaxe erreichen. Die Separattaxe für den Schiffsrumpf wird danach so groß, daß der Schaden kleiner als 3% der Separattaxe wird und demnach nicht zu ersetzen ist (RG go. 369, HGZ 1917. 90; vgl. auch MIA § 72). — Auch in diesen Fällen gelten die Teile oder Zubehörstücke „zugunsten des Versicherungsnehmers" als besonders versichert. Aber hieraus folgt nicht, daß, wenn das Kasko auf 70000, die Maschine auf 50000 taxiert ist, nur das Kasko beschädigt ist und die Ausbesserungskosten 80000 betragen, der Versicherungsnehmer 80000 verlangen kann ( S i e v e k i n g 41, HGZ 1891. 235). Ist in solchem Fall der eine oder andere besonders taxierte Teil reparaturunfähig oder reparaturunwürdig, so kann auch dies nicht entscheiden. Reparaturunfähigkeit und Reparaturunwürdigkeit können nicht gesondert für Kasko und Maschine festgestellt werden, sondern müssen so bestimmt werden, wie wenn Kasko und Maschine nicht besonders taxiert wären (dahingest. RG HGZ 1891. 236; abw. S i e v e k i n g 41 für den Fall der Reparaturunwürdigkeit des besonders taxierten Kaskos). — Uber den seltsamen Gedanken einer besonderen Strandung der besonders taxierten und besonders „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" versicherten Maschine: HGZ 1891.264, 1892. i n . — Nach der D T V - T e i l u n g s k l a u s e l (Vorb. vor § 113) „gelten Schiffskörper, maschinelle Einrichtungen und Schiffszubehör für die Feststellung, ob ein Schaden den Betrag erreicht, unter dem der Versicherer nicht haftet, zugunsten des Versicherungsnehmers als besonders versichert". Die Klausel hat also nur Bedeutung für die Berechnung der Franchise und vermeidet insbesondere die Zweifel, welche allgemeiner gefaßte Teilungsklauseln für den Fall der Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit hervorrufen. Die „maschinellen Einrichtungen" werden ebenso zu bestimmen sein, wie für den und in dem § 65, da die Teilungsklausel im unmittelbaren Anschluß an die ADS entworfen ist. — Übrigens kommen auch bei der G ü t e r v e r s i c h e r u n g Gesamttaxen m i t v o r b e h a l t e n e n S e p a r a t t a x e n vor. Vgl. HG Hamburg HH 462: Versicherung von Eisen und Teer zur Gesamttaxe von 40400, separate Taxen vorbehalten; HG u. OG Hamburg HGZ 1869. 269, 317: Versicherung von Roggen, Weizen und Weizenmehl zur Gesamttaxe von 50000 mit der Klausel: „Im Schadensfalle Taxen der verschiedenen Arten vorbehalten". Auch in solchen Fällen ist die Gesamttaxe im Verhältnis der wirklichen Versicherungswerte der separat zu taxierenden Güter aufzuteilen (HG Hamburg HH 464). 6. Eine weitere, mit der Teilung nach § 7 konkurrierende, Teilung der Güter be- Anm. stimmt die Leichterklausel der Zusatzbestimmungen zu den ADS für die Güterversicherung (1947): „Im Falle der Benutzung von Leichterfahrzeugen gelten die in einem Leichterfahrzeug verladenen Güter zugunsten des Versicherten als besonders versichert." 7. A b s . 2. Die Serien werden regelmäßig nach gewissen, von vornherein fest- Anm. stehenden Merkmalen bestimmt: Originalabzeichen, Originalnummern (vgl. BSVB § 28
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§ 7 Abs. 2: „Abschiffungs-Märken"), Fakturanummern o.dgl. (series par numerosd'origine). Läßt sich nicht mehr feststellen, welche Güter zu einer Serie gehören, so können die Güter nicht mehr als besonders versichert gelten (ebenso schon OG Hamburg, R O H G H G Z 1875. 309, 1879. 394; abw. H G Hamburg H G Z 1875. 228, 230). Aus welchem Grunde es sich nicht feststellen läßt, ist ohne Bedeutung. Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob der Versicherungsnehmer es zu vertreten hat, daß nicht festgestellt werden kann, welche Güter zu einer Serie gehören. Der Fall, daß der Versicherer es zu vertreten hat, wird kaum vorkommen; wenn doch, würde der Versicherungsnehmer sich auf die allgemeine Beweisregel berufen dürfen, daß die Beweislast sich umkehrt, wenn man der beweispflichtigen Partei die Beweisführung schuldhaft erschwert, und insbesondere im Versicherungsfall das nach Lage der Umstände denkbar günstigste Verhältnis für sich in Anspruch nehmen können. Anm. 12 8. § 7 Abs. 2 bezieht sich nur auf die Güterversicherung und nur auf den Fall, daß „Serien" vereinbart sind. Er bestimmt aber nichts, was sich nicht ohnedies von selbst versteht. § 7 Abs. 1 kann auch in a l l e n a n d e r e n F ä l l e n nicht angewendet werden, in denen mehrere Gegenstände oder Teile oder Zubehörstücke besonders taxiert sind, aber nicht festzustellen ist, was zu den besonders taxierten Gegenständen gehört. Anm. 13 9. Abs. 3. Die Parteien brauchen die Serien nicht nach von vornherein feststehenden Merkmalen zu bestimmen. Sie können auch eine a n d e r e G r u n d l a g e f ü r d i e B e s t i m m u n g d e r S e r i e n vereinbaren. Sie können insbesondere vereinbaren, daß die Serien durch die Reihenfolge bestimmt werden sollen, die sich bei ordnungsmäßiger Löschung der Güter ergibt (succeeding numbers, running landing numbers, series par numeros de debarquement). Ein solches Verfahren ist gefährlich, denn die Versuchung unredlicher Serienbestimmung ist groß. Überdies besteht in einzelnen ausländischen, insbesondere englischen und französichen, Häfen der Mißbrauch, die beschädigten Güter für sich allein zu Serien zu vereinigen. Deshalb bestimmt § 7 Abs. 3: Anm. 14 a) Nach der bei der Löschung sich ergebenden Reihenfolge dürfen die Serien nur bestimmt werden, wenn es besonders vereinbart ist. „Besonders" bedeutet nicht „ausdrücklich" ( K G R J A 3. 232). Löschungsserien können also auch stillschweigend vereinbart werden. Aber sie müssen immerhin „vereinbart" sein. Man kann sich nicht auf einen Handelsgebrauch berufen (Mat. 1. 50); am wenigsten auf einen Mißbrauch, wie er etwa in dem Hafen herrscht, in dem die Versicherung endigen soll. Anm. 15 b) Die Güter müssen ordnungsgemäß gelöscht werden, d. h. so, wie es bei gehöriger, ohne Rücksicht auf die Versicherung erfolgender, Erfüllung eines Frachtvertrags üblich ist. Und die Reihenfolge und damit die Serien müssen bei oder sofort nach der Löschung durch Bezeichnung der Güter mit Landungsnummern oder in anderer ähnlicher Weise festgestellt werden. — „Sofort" bedeutet nicht „unverzüglich" (d. h. ohne schuldhaftes Zögern: BGB § 121), sondern: unmittelbar nach der Löschung. Auch schuldlose Versäumung sofortiger Feststellung bewirkt, daß die Serien nicht als besonders versichert gelten. — Bei der Feststellung braucht der Versicherer nicht zugezogen zu werden (anders Ε 1910 § η Abs. 3 Satz 2, BSVB § 28). Die K o s t e n der Serienbestimmung fallen dem Versicherer nicht zur Last (vgl. B S V B § 28). Sie gehören insbesondere nicht zu den Schadensfeststellungs-Kosten des § 32. Anm. 16 10. § 7 gilt an und für sich auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Aber im Rückversicherungs-Verkehr kommen keine Taxen vor (§ 6 Anm. 41). Insbesondere können die Einzeltaxen der Vorversicherung nicht als Einzeltaxen der Rückversicherung, die im Vorversicherungs-Vertrag besonders taxierten Gegenstände nicht zugunsten des Rückversicherten als besonders rückversichert gelten. Die Einzeltaxen der Vorversicherung haben für die Rückversichrung nur dieselbe Bedeutung, die das Vorversicherungs-Verhältnis überhaupt für die Rückversicherung hat (§ 1 Anm. 148, § 6
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Anm. 41). Auch wo an sich diese Einzeltaxen für die Rückversicherung unmittelbare § 7 Bedeutung haben könnten, ist also § 7 nicht anwendbar. Der Rückversicherte würde sich ζ. B. nicht auf § 7, sondern nur auf § 27 berufen können, wenn er nur für einzelne im Vorversicherungs-Vertrag besonders taxierte Gegenstände die Anzeigepflicht verletzt haben würde.
§8 Unterversicherung
Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert, so gilt für den nicht gedeckten Teil des Versicherungswerts der Versicherungsnehmer als Selbstversicherer. Insbesondere hat der Versicherer den Schaden und die Aufwendungen nur nach dem Verhältnisse der Versicherungssumme zum Versicherungswerte zu ersetzen. 1. Vgl. H G B §§ 792, 843, 859 Abs. 1, 3, 866 Abs. 2, 881, A S V B §§ 15, 95, 114 A b s . 1, 3, 121 Abs. 2, 141, B S V B § 27 Abs. 9, V V G §§ 56, 63 Abs. 2, 66 Abs. 3. 2. Literatur. § 6 Anm. 2. A r n d t BaumgartnersZ 4. 868 (Über- und UnterverSicherung). B l a n c k , Die Entschädigungsberechnung in der Sachversicherung, 2. Aufl. 1963. B o t s c h Z f V W 1922. 1 1 7 — 1 2 7 (Versicherungssumme und Versicherungswert nach den A D S ) . K ü b e l Z f V R 2. 1 (Teilweise Versicherung). R a t h n a c k WallmannsZ 53. 961 (Rechtfertigt sich der Ausdruck „Selbstversicherung"?). W ö r n e r L Z 1918. 673 (Kriegsmaßnahmen zur Beseitigung der Unterversicherung). 3. Der Wert des versicherten Interesses kann ganz gedeckt sein ( V o l l v e r s i c h e r u n g ) . Er kann auch nur teilweise gedeckt sein ( T e i l v e r s i c h e r u n g ) . Der Teil kann ganz gedeckt sein ( V e r s i c h e r u n g a u f e r s t e s R i s i k o ) . Er kann auch nur verhältnismäßig gedeckt sein ( U n t e r v e r s i c h e r u n g ) . Im Zweifel ist Teilversicherung Unterversicherung. Näheres § 6 Anm. 5, 6. 4. Ist eine V e r s i c h e r u n g s s u m m e vereinbart, die k l e i n e r ist a l s d e r V e r s i c h e r u n g s w e r t , so ist die Versicherung offenbar Teilversicherung. Aber nicht offenbar ist, daß die Teilversicherung Unterversicherung ist (abw. Begr. z. V V G § 56). Im Gegenteil; aus dem Wesen der Versicherungssumme, als der Höchstleistung des Versicherers, könnte geschlossen werden, daß die Teilversicherung Versicherung auf erstes Risiko ist. Im Seeversicherungs - Verkehr hat man aber immer angenommen, daß, wenn die Versicherungssumme kleiner ist als der Versicherungswert, die Versicherung Unterversicherung ist, der Wert des versicherten Interesses nur verhältnismäßig gedeckt ist (Begr. z. V V G § 56). Deshalb bestimmt § 8 dies besonders. Allerdings in einer in Deutschland früher unüblichen Form: Der Versicherungsnehmer gilt für den nicht gedeckten Teil als Selbstversicherer. Ebenso schon fimerigon ch. 17s. i 3 : P o u r l e decouvert, l'Assure est considere comme Assureur ä lui meme (mit dem verleitlichen, übrigens nur für den Fall des Ubergangs von Rechten berechneten, Zusatz: il est en quelque manifere l'Associe des Assureurs, vgl. dazu auch § 1 Anm. 137, V o i g t N A f H R 3. 435). Ebenso der belgische C. de comm. 1. X . Art. 21: Dans tous les cas, oü l'assurance ne couvre qu'une partie de la valeur de l'objet assure, l'assure est considere lui-meme comme assureur pour le surplus de la valeur, sauf convention contraire. Ebenso jetzt M I A § 8 1 : Where the assured is insured for an amount less than the insurable value or, in the case of a valued policy, for an amount less than the policy valuation, he is deemed to be his own insurer in respect of the uninsured balance. Ebenso auch die deutsche Praxis (vgl. ζ. Β. P o h l s 4- 2:8, V o i g t N A f H R 2. 473, Prot. 3074, Begr. z. V V G § 58), wie sie
Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
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§ 8 etwa in dem Kauderwelsch der Kaskopolice einer früheren Bremer Reederei ihren naivsten und zugleich prägnantesten Ausdruck f a n d : „ D i e Versicherte läuft auf jeden Dampfer in der T a x e ιοοοοο Μ Selbstrisiko, hat jedoch Freiheit, diese ιοοοοο Μ anderweitig gegen Total and/or constructive total loss, including general average and salvage charges rückzudecken." Es handelt sich dabei nicht um eine Fiktion (so V o i g t N A f H R 2. 474), sondern um einen ebenso.verkehrsmäßigen wie glücklichen Ausdruck zur Kennzeichnung einer ganzen Anzahl von Rechtsfolgen der verhältnismäßigen Teilung des Risikos. Ohne weiteres ergibt sich nun, daß der Versicherer Schäden und Aufwendungen nur im Verhältnis zu ersetzen hat ( H G B §§ 792, 843, 8 8 1 , V V G §§ 56, 63 Abs. 2 ) ; nur weil es die wichtigste Rechtsfolge ist, hebt § 8 Satz 2 sie „insbesondere" hervor. Ohne weiteres ergibt sich, daß der Versicherer Havariegrosse-Beiträge und Schadensfeststellungs-Kosten nur im Verhältnis zu ersetzen hat ( H G B § 843, V V G § 66 Abs. 3), daß er im Falle eines Totalverlustes am Geretteten nur im Verhältnis teilnimmt ( H G B § 859 Abs. 1 , 3 ) , daß der Versicherungsnehmer nur einen verhältnismäßigen Teil des versicherten Gegenstandes abandonnieren kann ( H G B § 866 Abs. 2), daß er sich nur einen verhältnismäßigen Teil des zur Ausgleichung des Schadens anderweit Erlangten auf die Versicherungssumme anrechnen zu lassen braucht (§§ 71 Abs. 1, 77 Abs. 1), daß er im Falle der Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit des versicherten Schiffes sich nur einen verhältnismäßigen Teil des Versteigerungserlöses und nur einen verhältnismäßigen Teil des versicherungsfreien Schadens anrechnen zu lassen braucht (§ 77 Abs. 1), daß er im Falle des Verkaufs der versicherten Güter (§ 96) sich nur einen verhältnismäßigen Teil des Verkaufserlöses anrechnen zu lassen braucht, daß der Versicherer im Falle des Verkaufs der Güter nur f ü r einen verhältnismäßigen Teil des kreditierten Kaufpreises einsteht (§§ 93 Abs. 3, 96 Abs. 3), usw. — U b e r den Anteil des Unterversicherers an Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers gegen dritte: § 45 Anm. — Über den Anteil des Unterversicherers an der versicherten Forderung : § 1 1 ο A n m . Anm. 5
5. U b e r den Begriff der V e r s i c h e r u n g s s u m m e : § 6 A n m . 9. — Ü b e r den Begriff des V e r s i c h e r u n g s w e r t s : § 6 Anm. 3. — Ist der Versicherungswert taxiert, so ist die T a x e maßgebend (§ 6 Abs. 2). So wenn die T a x e k l e i n e r ist als der wirkliche Versicherungswert (§ 6 Anm. 2 5 ; s. dazu H a n s O L G H R Z 1927. 184 = Sasse Nr. 365). Ebenso, wenn die T a x e g r ö ß e r ist als der wirkliche Versicherungswert (§ 6 A n m . 26). Ebenso aber auch, wenn die übersetzte T a x e gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 h e r a b g e s e t z t ist. Der Versicherungsnehmer gilt nach der Herabsetzung nicht nur für den nicht gedeckten Teil des wirklichen Versicherungswerts als Selbstversicherer. Denn die Parteien haben eine Unterversicherung im Verhältnis der Versicherungssumme zur T a x e gewollt. Deshalb haftet der Versicherer nach wie vor nur im Verhältnis der Versicherungssumme zur T a x e . So ausdrücklich § 6 Abs. 2 Satz 3 (§ 6 A n m . 32). Deshalb entscheidet natürlich dieses Verhältnis auch sonst. Wenn ζ. B. die T a x e des versicherten Schiffes 200000, der wirkliche Versicherungswert 100000, die Versicherungssumme 50000 beträgt, die T a x e auf 100000 herabgesetzt ist und das Schiff dem Versicherungsnehmer ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen ist, gehen auch die Rechte am Schiffe auf den nur f ü r 2 5 % haftenden Versicherer gemäß § 71 Abs. 3 nur zu 34 über. — Das durch den Vertrag begründete Unterversicherungs-Verhältnis bleibt auch dann maßgebend, wenn der (wirkliche oder taxierte) Versicherungswert sich verändert, wenn insbesondere das versicherte Interesse teilweise wegfällt. Wenn ζ. B. das „ F r e i von Kriegsgefahr" f ü r 250000 versicherte Schiff einen Versicherungswert von 500 000 hat und durch ein Kriegsereignis um 50 000 beschädigt wird, bleibt der Versicherungsnehmer nach wie vor f ü r % Selbstversicherer und wird nicht etwa f ü r 4/9 Selbstversicherer. — U b e r den Fall, daß einzelne von mehreren Gegenständen besonders taxiert sind: § 7 A n m . 6.
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6. Der Versicherungsnehmer kann den ungedeckten Teil des Wertes anderweit § 8 versichern. Die Parteien vereinbaren aber auch oft, daß der ungedeckte Teil ungedeckt Anm. 6 bleiben muß, daß der Versicherungsnehmer für den ungedeckten Teil Selbstversicherer sein und bleiben muß („Pflicht des Selbstbehalts", „Pflicht der Selbstbeteiligung", „obligatorischer Selbstbehalt"). Freilich wohl nur noch bei der Kaskoversicherung. — Obligatorischer Selbstbehalt gilt nicht etwa ohne weiteres als stillschweigend vereinbart (Gruchot 50.405; anders bei der Rückversicherung: § 1 Anm. 167). Früher dagegen war teilweiser Selbstbehalt sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der Versicherungsnehmer mußte 1 j 4 oder 1/a selbst behalten ( f i m e r i g o n ch. 8 s. 7, G o l d s c h m i d t Universalgeschichte 379). Besonders verbreitet war der Grundsatz des sog. Dixifeme ( l i m £ r i g o n aaO). Die deutschen Selbstbehaltklauseln bestimmen regelmäßig nicht, welche Rechtsfolgen entstehen sollen, wenn die Verpflichtung zum Selbstbehalt verletzt wird (vgl. z. B. H G Z 1897. 19: „Ein Viertel bleibt unversichert"). Es können keine anderen sein, als die § 1 Anm. 167 für den Selbstbehalt des Vorversicherers entwickelten: Der V e r s i c h e r e r ist f r e i , w e n n der Selbstbehalt schon beim Abschluß des Vertrags gedeckt und dies dem Versicherungsnehmer bekannt (oder grobfahrlässig unbekannt), aber dem Versicherer n i c h t a n g e z e i g t ist (§§ 19, 20), oder wenn s p ä t e r der Selbstbehalt a n d e r w e i t g e d e c k t wird (§§ 23, 24). Im Ergebnis ebenso, aber mit unrichtiger Begründung H G Z 1897. 19: Der Versicherer sei frei, weil der Selbstbehalt „als vertragsmäßige Gegenleistung" des Versicherungsnehmers zu betrachten sei. Ahnlich im Ergebnis auch H G Z 1913. 195, aber mit wieder anderer Begründung: Im Falle einer Kreditversicherung war vereinbart, daß der Versicherungsnehmer mit einem bestimmten Betrag „ i m Obligo" bleiben müsse; es handle sich, meint O L G Hamburg, nicht etwa um eine vom Versicherungsnehmer „übernommene Gegenleistung", sondern um eine „besondere Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers aus dem Vertrage", die „nur die Bedeutung haben könne, daß ihre Erfüllung eine Voraussetzung sein solle für die von dem Versicherer übernommene Leistung, mit der Wirkung, daß dieser von seiner Verpflichtung frei sein sollte, falls der Versicherungsnehmer jene Verbindlichkeit nicht erfüllen sollte"; gemäß § 276 BGB und § 6 V V G schade aber die Verletzung der Pflicht zum Selbstbehalt dem Versicherungsnehmer nur, wenn ihn ein Verschulden treffe (vgl. auch Begr. z. V V G § 58). — Ist der Versicherungswert taxiert und ein Bruchteil des Versicherungswerts als obligatorischer Selbstbehalt vereinbart, so ist der Selbstbehalt n a c h d e r T a x e zu berechnen, nicht nach dem wirklichen Versicherungswert. Beträgt ζ. B. die Taxe 75000 und der obligatorische Selbstbehalt 1/s, so kann der Versicherungsnehmer sich nicht darauf berufen, daß der wirkliche Versicherungswert 100 000 beträgt und hiervon 20000 unversichert sind (Muirhead v. Forth and North Sea, etc. Assoc. 1894 bei A r n o u l d 368 s. 397, 615 s. 651). ·— Über den Fall, daß bei der SelbstbehaltVersicherung m e h r e r e V e r s i c h e r u n g s n e h m e r beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1 . — Uber den Fall, daß die Selbstbehalt-Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g genommen ist: § 19 Anm. 46, § 23 Anm. 25. — Uber die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für d r i t t e : § 19 Anm. 45, § 23 Anm. 21. 7. § 8 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Über den Rück- Anm. 7 versicherungs-Wert: § 6 Anm. 40. — Auch die Rückversicherung ist, wenn sie Teilversicherung ist, im Zweifel Unterversicherung, nicht Versicherung auf erstes Risiko ( E h r e n b e r g R V 145). — Mindert sich die Haftpflicht des Vorversicherers (ζ. B. infolge eines versicherungsfreien Schadens oder infolge Vereinbarung mit dem Vorversicherten oder infolge Herabsetzung der Vorversicherungs-Taxe), so fällt das rückversicherte Interesse teilweise weg, mindert sich also insbesondere im selben Verhältnis die Haftung des Rückversicherers, und zwar insbesondere auch dann, wenn die Rückversicherung Unterversicherung ist (§§ 4, 8, V o i g t 287; abw. ohne Grund E h r e n b e r g R V 65, O A G 16 R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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Überversicherung
§ 8 L ü b e c k H a m b S 2. 652 für den Fall, d a ß der Rückversicherer nicht eine bestimmte Quote, sondern einen zahlenmäßig bestimmten T e i l der Vorversicherungs-Summe übernommen h a t ; vgl. auch V o i g t N A f H R 2. 468, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1869. 292 und § 6 A n m . 41). — U b e r den obligatorischen Selbstbehalt bei der R ü c k v e r sicherung: § 1 A n m . 166 ff. Anm. 8 8. Fremde Rechte Der Grundsatz des § 8 gilt überall; vgl. oben A n m . 4. — Die Vereinbarung eines Selbstbehalts gilt in England als warranty. V g l . über Wesen und W i r k u n g der warranties: M I A §§ 33ff., § 21 A n m . 5, § 23 A n m . 74.
§ 9 Uberversicherung (1) Soweit die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, ist der Vertrag unwirksam. Auf die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Prämie und der Ristornogebühr finden die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 und des § 3 entsprechende Anwendung. (2) Schließt der Versicherungsnehmer den Vertrag in der Absicht, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so ist der ganze Vertrag unwirksam. Dem Versicherer gebührt gleichwohl die Prämie, es sei denn, daß er bei der Schließung des Vertrags den Grund der Unwirksamkeit kannte. Anm. 1
1. V g l . H G B §§ 786 Abs. 2, 3, 895—97, A S V B §§ 9 Abs. 2, 3, 1 5 5 — 1 5 7 , 159, B S V B §§ 67, 70, V V G §§ 51, 55. Anm. 2 2. Literatur. § 6 A n m . 2. A d l e r LZ 1912. 497 (Uber Doppel- und Uberversicherung). A r n d t BaumgartnersZ 4. 868 (Uber- und Unterversicherung). B a d s t ü b n e r Z f V W 1906. 66 (Die Uberversicherung). B l a d , Die Erscheinungsformen der Uberversicherung usw., Diss. 1910. J u s t ArchfdeutschWechselr. 15. 226 (Doppelversicherung und Uberversicherung). K i s c h , Die mehrfache Versicherung desselben Interesses, 1935. K r a u s e , Die Uberversicherung usw., 1908. K ü b e l Z f V R 1. 379 (Uberversicherung). M a l s s Z f V R 1 . 6 (Überversicherung). M e y e r , Die Uberund Doppelversicherung usw., Diss. 1913. M ö l l e r J W 1938. 916 (Das sog. „ B e reicherungsverbot"), Summen- und Einzelschaden, 1937. P r ö l ß z u §§ 51, 55 V V G . R ü d i g e r AssJB 1 2 . 4 (Die Begriffe „Überversicherung" und „Doppelversicherung"). T h e e s DJ 1943. 4 und 280. W i e c h m a n n , Die Uber- und Doppelversicherung usw., Diss. 1908. Anm. 3
3. A b s . 1. Interessen sind nur versicherbar, wenn und soweit sie in Geld schätzbar sind (§ 1 A n m . 15). Deshalb können die Parteien keinen höheren W e r t des versicherten Interesses vereinbaren, als den wirklichen; nur ausnahmeweise wird zugelassen, d a ß unwesentliche Überbewertung nicht schadet ( H G B § 793 Abs. 2; A D S § 6 Abs. 2). Dagegen stände an und für sich nichts im W e g e , eine den wirklichen Wert des versicherten Interesses übersteigende Versicherungssumme z u vereinbaren. D e n n die Vereinbarung einer Versicherungssumme bedeutet an und für sich j a nicht, d a ß der Versicherer im Versicherungsfall die Versicherungssumme oder einen verhältnismäßigen Teil davon zahlen soll, sondern nur, d a ß er jedenfalls nicht mehr z u zahlen braucht ( § 6 A n m . g). Der Versicherer könnte also auch, wenn eine übersetzte V e r sicherungssumme vereinbart ist, i m Versicherungsfall sich darauf berufen, d a ß der Wert des versicherten Interesses kleiner ist. A b e r im Verkehr erblickt man in der
Uberversicherung
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Versicherungssumme nicht allein die Summe, über die hinaus der Versicherer jedenfalls § 9 nicht zu zahlen braucht, sondern, positiv, die Summe, die er im schlimmsten Falle auch wirklich zahlen muß (§ 6 Anm. io). Schon in der Versicherungssumme (nicht nur in der Taxe) erblickt man die Bewertung des versicherten Interesses. Deshalb auch der Ausdruck „Überversicherung" (siehe dazu auch L G Berlin J R P V 1927. 117 = Sasse Nr. 708, wo das versicherte Interesse in einem weiteren Vertrage und bei einem anderen Versicherer nachversichert war und das Gericht unrichtigerweise Uberversicherung angenommen hatte, statt, wie zutreffend, Doppelversicherung; wie hier auch Schlegelberger S V R Bern. 1 zu § 9 ADS). Deshalb behandelt auch das Seeversicherungsrecht selbst die Versicherungssumme in einigen Beziehungen als eine den Wert des Interesses bezeichnende Summe. Deshalb bestimmt insbesondere § 71, daß der Versicherungsnehmer im Falle des Totalverlustes die „Versicherungssumme" verlangen kann. Deshalb bestimmt § 786 Abs. 2 HGB besonders: „Die Versicherungssumme kann den Versicherungswert nicht übersteigen". Deshalb bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 1 : „Soweit die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, ist der Vertrag unwirksam". Deshalb ist auch § 786 Abs. 2 HGB unnachgiebig (verb, „kann nicht"). Die Parteien können nicht vereinbaren, daß die Versicherungssumme auch dann maßgebend sein soll, wenn sie den Versicherungswert übersteigt (vgl. Begr. z. V V G § 51, R G 11. 13, K G APV 1907 II 66). Anders natürlich, wenn sie die Versicherungssumme ihres Charakters als eines den Wert bezeichnenden Faktors entkleiden und auf ihre eigentliche Zweckbestimmung zurückführen, die Versicherungssumme also ausschließlich den Betrag angeben soll, über den hinaus der Versicherer jedenfalls nicht haftet, insbesondere also auch nicht den Betrag, den der Versicherungsnehmer ohne Rücksicht auf den Wert des versicherten Interesses im Falle des Totalverlustes verlangen kann. 4. Enthält also die Vereinbarung über eine Versicherungssumme (nebenher auch) Anm. 4 eine, jedenfalls bis zum Beweise der Uberbewertung, maßgebende Bewertung des versicherten Interesses, so würde dies Interesse auch insoweit versichert sein, als es nicht versicherbar, nämlich nicht in Geld schätzbar ist. Es müßten also die Grundsätze angewendet werden, die für den Fall gelten, daß das dem Vertrag zugrunde liegende Interesse teilweise nicht besteht oder teilweise nicht versicherbar ist (§ 2 Anm. 2a). Die Versicherung würde teilweise unwirksam sein, und ganz, wenn nicht anzunehmen sein würde, daß man sie auch ohne den unwirksamen Teil geschlossen hätte (vgl. BGB § 139). Anders § 786 Abs. 3 HGB und § 9 Abs. 1: Die Überversicherung ist immer nur teilweise unwirksam. Die teilweise Unwirksamkeit wegen teilweiser Unversicherbarkeit des Interesses würde ohne weiteres die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 und des § 3 zur Folge haben müssen. § 9 Abs. 1 Satz 2 bestimmt sie noch besonders. Soweit die Überversicherung reicht, gilt also: a) Der Versicherer erhält gleichwohl die Prämie. Näheres: § 2 Anm. 13. b) Der Versicherer erhält keine Prämie, wenn er bei der Schließung des Vertrags die Überversicherung kannte. Näheres: § 2 Anm. 14. c) Der Versicherer erhält auch dann keine Prämie, dafür aber die Ristornogebühr, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrags die Überversicherung weder kannte noch kennen mußte. Näheres: § 3 Anm. 3 ff. d) Der Versicherer erhält jedenfalls (außer wenn er die Überversicherung kannte) die Prämie, wenn der Versicherungsnehmer nicht, sobald er von der Überversicherung erfährt, dem Versicherer Mitteilung macht, und ohne Rücksicht hierauf, wenn er nicht binnen Jahresfrist nach Vertragsschluß die Uberversicherung dem Versicherer mitteilt. Näheres: § 3 Anm. 14fr. 5. Uber den Begriff des V e r s i c h e r u n g s w e r t s : § 6 Anm. 3. Ob die Ver- Anm. 5 sicherungssumme den Versicherungswert erheblich oder nur unerheblich übersteigt, gilt 16«
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Uberversicherung
§ 9 gleich (anders V V G § 51 Abs. 1). — F ä l l t d a s mit der Versicherungssumme richtig bewertete I n t e r e s s e t e i l w e i s e w e g , so entsteht keine Überversicherung. Wird ζ. B. das für 500000 „ F r e i von Kriegsgefahr" versicherte Schiff im Werte von 500000 vor oder nach Beginn der Versicherung durch ein Kriegsereignis um 50000 beschädigt, so entsteht keine Uberversicherung. M i t dem Versicherungswert mindert sich auch verhältnismäßig die Versicherungssumme, die j a für den ganzen Wert des versicherten Interesses vereinbart ist, nicht für den verminderten Wert. Lediglich die Grundsätze über den teilweisen Wegfall des Interesses finden A n w e n d u n g (§ 4 A n m . 13, 14). — Ist der V e r s i c h e r u n g s w e r t t a x i e r t , so ist die Versicherung Uberversicherung, wenn die Versicherungssumme die T a x e übersteigt. Das kommt natürlich nicht vor. W e n n die Versicherungssumme ebenso hoch ist, wie die T a x e , die T a x e aber übersetzt ist, so ist die Versicherung verschleierte Uberversicherung. Sie kommt nicht in Betracht. D e n n die T a x e ist „ m a ß g e b e n d " (§ 6 Abs. 2 Satz 1). Anders, wenn die T a x e g e m ä ß § 6 Abs. 2 Satz 2 herabgesetzt ist. D a n n wird die Uberversicherung offenbar und wirksam (§ 6 A n m . 32). Ebenso, wenn die Versicherungssumme kleiner ist als die übersetzte und herabgesetzte T a x e (§ 8 A n m . 5). Anm.
6
Anm. 7
6. Abs. 2. Betrügerische Überversicherung. Überversicherung ist nur teilweise unwirksam (§ 9 Abs. 1). „ D e r g a n z e V e r t r a g i s t u n w i r k s a m , wenn der Versicherungsnehmer ihn in der Absicht schließt, sich aus der Uberversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen". Das ist nicht genau. „ G a n z " ist der V e r t r a g nicht unwirksam. Der Versicherer, der um die Uberversicherung nicht wußte, kann nach § g Abs. 2 Satz 2 die ganze Prämie verlangen. A u c h kommt § 34 S c h R G in Betracht, nach welchem im Falle der betrügerischen Uberversicherung der Versicherer gegenüber einem Schiffshypothekengläubiger, der ihm seine Schiffshypothek gemeldet hat, die Unwirksamkeit des Vertrags nicht geltend machen kann. — § 9 Abs. 2 schließt sich deutlich erkennbar an § 51 Abs. 2 V V G , dieser sich an § 263 S t G B an. V g l . daher im einzelnen die K o m m e n t a r e z u m § 263 StGB.
a) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r m u ß die betrügerische Absicht gehabt haben (vgl. d a z u auch B G H V e r s R 1963. 77). U b e r den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. Ü b e r den Fall, d a ß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind, vgl. V o r b . V I vor § 1. — H a t ein V e r t r e t e r des Versicherungsnehmers den V e r t r a g geschlossen, so kommt es auf seine Absicht an (anal. B G B § 166 Abs. 1, G e r h a r d 281; vgl. R G 83. 244). Betrügerische Absicht eines G e s a m t Vertreters genügt (vgl. § 5 A n m . 40). Natürlich kommt auch die betrügerische Absicht des Vollmachtgebers in Betracht (anal. B G B § 166 Abs. 2). Ebenso die betrügerische Absicht des gesetzlich vertretenen V e r sicherungsnehmers, wenigstens in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit (vgl. die Ausführungen § 5 A n m . 34, die hier a fortiori zutreffen). — Bei der Versicherung für fremde R e c h n u n g kommt auch die betrügerische Absicht des V e r s i c h e r t e n in Betracht (anal. § 57 Abs. 1, 2 L e n n e 142). Anm. 8 b) „ B e i der Schließung des V e r t r a g s " m u ß die betrügerische Absicht bestanden haben. U b e r diesen Begriff: § 2 A n m . 20. Bei einer laufenden Versicherung m u ß der Zeitpunkt der Deklaration d e m Zeitpunkt des Vertragsschlusses gleichgesetzt werden ( L G H a m b u r g V e r s R i960. 316 — Sasse Nr. 733). Anm. 9 c) „ A b s i c h t " ist nicht dasselbe wie Vorsatz (anders ζ. B. im H G B § 312). Das Bewußtsein von der Notwendigkeit des Erfolges genügt nicht, erst recht nicht das Bewußtsein von der bloßen Möglichkeit des Erfolges. Der Erfolg, der rechtswidrige Vermögensvorteil, m u ß gewollt sein. A n m . 10 d) A u f einen „ r e c h t s w i d r i g e n V o r t e i l " m u ß die Absicht gerichtet sein. N i c h t notwendig auf einen Vorteil auf Kosten des Versicherers. Die Absicht, von einem dritten (ζ. B. von einem K ä u f e r der versicherten Sache) einen rechtswidrigen Vorteil
Überversicherung
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zu erlangen, genügt. Das Gegenteil ist insbesondere nicht daraus zu schließen, daß § 9 der Vorteil „ a u s der Uberversicherung" erwartet sein muß. — Rechtswidrig ist jeder Vorteil, auf den man kein Recht hat. Nicht rechtswidrig ist insbesondere ein Vorteil, auf den man zwar ein Recht hat, den man aber durch Täuschung zu erlangen sucht. So etwa, wenn der Versicherungsnehmer Überversicherung nimmt, um einen dritten zu der von diesem geschuldeten Leistung zu veranlassen. Daß der Versicherungsnehmer kein Recht auf den Unterschied zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert hat, gestattet noch nicht ohne weiteres den Schluß, daß er sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen beabsichtigt. Der Unterschied kann zur Ausgleichung sonstiger, für den Versicherungsfall befürchteter Nachteile bestimmt sein. — Die A b sicht braucht nur auf die Erlangung des Vermögensvorteils gerichtet zu sein. Daß der Versicherungsnehmer sich der Widerrechtlichkeit bewußt war, ist nicht erforderlich. e) Der Versicherungsnehmer muß beabsichtigen, „ s i c h " den Vorteil zu verschaffen. Dabei ist nur an den gewöhnlichen Fall gedacht, daß der Versicherungsnehmer auch der Versicherte ist. Die Bestimmung darf daher nicht eng ausgelegt werden. Bei der Versicherung für fremde Rechnung genügt, daß der Versicherungsnehmer beabsichtigt, d e m V e r s i c h e r t e n den Vorteil zu verschaffen (vgl. L G Hamburg V e r s R i960. 3 1 6 = Sasse Nr. 733). Andererseits genügt aber auch, daß er beabsichtigt, sich selbst den Vorteil zu verschaffen; ob der Versicherte darum wußte oder wissen mußte, ist ohne Bedeutung. Dagegen genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer den Vorteil einem Dritten verschaffen wollte (vgl. S t G B § 263). f ) O b die Überversicherung g r o ß o d e r k l e i n ist, gilt gleich. Anders nach § 5 1 VVG. g) Ist der V e r s i c h e r u n g s w e r t t a x i e r t , so ist die Versicherung Uberversicherung zunächst nur, wenn die Versicherungssumme die T a x e übersteigt. Das kommt natürlich nicht vor. — Die einstweilen rechtsunerhebliche Ubersetzung der T a x e wird rechtserheblich, wenn die T a x e herabgesetzt ist. Aus der sich so ergebenden Uberversicherung einen Vorteil zu erlangen, hat der Versicherungsnehmer natürlich nicht beabsichtigt. Hiernach wäre bei taxierten Versicherungen § 9 Abs. 2 ohne Bedeutung. Das entspricht nicht der Meinung des Urhebers der A D S und des V V G , der vielmehr jede Art von Uberversicherung, „bei der eine unredliche Absicht obwaltet", treffen wollte. Bei taxierten Policen genügt daher die t a t s ä c h l i c h e Überversicherung (vgl. L G H a m b u r g V e r s R i960. 3 1 6 = Sasse Nr. 733), die Tatsache, daß die Versicherungssumme den wirklichen Versicherungswert übersteigt und der Versicherungsnehmer sich hieraus einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollte. Deshalb ist auch, obgleich die T a x e nur bei erheblicher Ubersetzung anfechtbar ist, § g Abs. 2 anwendbar, wenn die T a x e nur unerheblich übersetzt ist (ebenso M E X I V : „ I s t die T a x e betrügerischerweise übersetzt, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich und die Prämie verfallen"). Was bei redlicher Überversicherung geduldet werden kann, braucht nicht auch bei unredlicher Überversicherung geduldet zu werden. h) Der Vertrag ist zwar unwirksam. Aber trotz des Wortlauts nicht „ g a n z " (siehe wegen des § 3 4 S c h R G oben Anm. 6). Der Versicherer kann die P r ä m i e verlangen. Näheres hierüber: § 2 A n m . 13. — Wirklich „ g a n z " unwirksam ist der Vertrag nur, wenn der Versicherer bei der Schließung des Vertrags den Grund der Unwirksamkeit (d. h. die Überversicherung, — nicht gerade die betrügerische Absicht, vgl. oben A n m . 9. 10) kannte. Näheres hierüber: § 2 Anm. 1 4 — 1 6 , 20. 7. Soweit der Vertrag unwirksam ist, kann er wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung nicht a n g e f o c h t e n werden. Näheres: § 2 Anm. 10. 8. § 9 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136). Soweit insbesondere die Rückversicherungs-Summe den Rückversicherungs-Wert übersteigt, ist der Rück-
Anm. n
Anm. 1 2 Anm. 1 3
Anm. 14
Anm. 1 5 A n m . 16
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Doppelversicherung
§ 9 versicherungs-Vertrag unwirksam. Der Rückversicherungs-Wert wird durch die von Vorversicherungs -Wert und Vorversicherungs-Summe begrenzte Haftung des Vorversicherers bestimmt (§ 6 Anm. 40). So insbesondere auch, wenn die Rückversicherung Prämiendifferenz-Geschäft ist, der Vorversicherer eine hohe Prämie erhalten und das Risiko ganz oder überwiegend zu niedriger Prämie abgewälzt hat (teilw. abw. M o l t 74, der für zulässig hält, einen Teil der Prämiendifferenz als nicht mitversicherten Gewinn zu betrachten und die Rückversicherung demgemäß als Uberversicherung zu behandeln). — Wenn schon die Vorversicherung Uberversicherung ist, liegt der Rückversicherung für die Differenz zwischen Vorversicherungs-Summe und Vorversicherungs-Wert kein Interesse zugrunde. Es sind daher §§ 2, 3 anzuwenden. Anm. 17 9. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Ist der Versicherungswert taxiert, so ist die Taxe, von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, maßgebend, die Versicherung wirksam, die ganze Prämie zu zahlen. Die Ausnahmefälle sind derart, daß auch in ihnen die ganze Prämie zu zahlen ist (§ 6 Anm. 43). — Ist der Versicherungswert nicht taxiert und die Versicherungssumme größer, so ist die Versicherung für den Unterschied unwirksam und a proportionate part of the premium is returnable ( M I A § 84 Abs. 3 ε). b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Soweit die Versicherungssumme den wirklichen Versicherungswert übersteigt, ist die Versicherung unwirksam. Die Versicherer ne regoivent pas la prime de cet excedent de valeur, mais seulement l'indemnite de demi pour cent (C. de comm. Art. 358). S'il est prouve, qu'il y a dol ou fraude de sa part (auf der Seite des Versicherten), ist der Vertrag nul ä l'egard de l'assure seulement (C. de comm. Art. 357).
§ 10 Haftung der Versicherer bei Doppelversicherung (1) Ist ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei mehreren Versicherern versichert und übersteigen die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert, so sind die Versicherer in der Weise als Gesamtschuldner verpflichtet, d a ß d e m Versicherungsnehmer j e d e r Versicherer für den Betrag haftet, dessen Z a h l u n g i h m n a c h seinem V e r t r a g obliegt, der Versicherungsnehmer aber im g a n z e n nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen kann. (2) Die Versicherer sind i m Verhältnisse zueinander z u Anteilen n a c h M a ß g a b e der Beträge verpflichtet, deren Z a h l u n g ihnen d e m Versicherungsnehmer gegenüber vertragsmäßig obliegt. Findet auf eine der Versicherungen ausländisches R e c h t A n w e n d u n g , so kann der Versicherer, für den das ausländische R e c h t gilt, gegen den anderen Versicherer einen Anspruch auf Ausgleichung nur geltend machen, w e n n er selbst nach dem für ihn m a ß g e b e n d e n R e c h t e z u r Ausgleichung verpflichtet ist. (3) H a t der Versicherungsnehmer eine Doppelversicherung in der Absicht genommen, sich d a d u r c h einen rechtswidrigen Vermögensvorteil z u verschaffen, so ist der in dieser Absicht geschlossene V e r t r a g unwirksam; der Versicherer k a n n die ganze Prämie verlangen, es sei denn, d a ß er bei der Schließung des Vertrags den G r u n d der Unwirksamkeit kannte. Anm. 1 Anm. 2
1. Vgl. H G B § 787, A S V B §§ 10—14, 155—159. V V G § 59. 2. Literatur: § 6 Anm. 2. A d l e r L Z 1912.497 (Uber Doppelversicherung und Uberversicherung). A n o n . I T V M i t t 1916. 53 (Konkurrenz von Versicherern verschiedener Länder). B l a d , Die Erscheinungsformen der Uberversicherung, Diss. 1910.
Doppelversicherung
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B l u m h a r d t OestRev 1914. 37 (Doppelversicherung und mittelbare Versicherung). § 10 E h r e n b e r g JehJ 33.460 (Über Doppelversicherung), AssJB 16. 3 (DoppelVersicherung). F r i c k Z f V 1954. 659 (Die Doppelversicherung). H a g e n SVR 85. H e y e r s , Beiträge zur Lehre von der Doppelversicherung, Diss. 1910. H o m a n n , Die Ausschließungsklauseln zweier zusammentreffender Versicherungsverträge für fremde Rechnung, Diss. 1910. J u s t ArchfdeutschWechselR 15.226 (Doppelversicherungund Überversicherung). K i s c h RheinZfZuPR 6. 369, 571 (Der Tatbestand der Doppel Versicherung), L Z 1914. 263 (Eine unzweckmäßige Bestimmung des V V G ) , Z H R 75. 221 (Vertragsermäßigung wegen Doppelversicherung), Die mehrfache Versicherung desselben Interesses, 1935. K ü b e l Z f V R 1. 395 (Doppelversicherung). M a l s s Z f V R 1. 6 (Doppelversicherung). M e y e r , Die Über- und Doppelversicherung usw., Diss. 1913. M o l d e n h a u e r LZ 1909. 42 (Beiträge zur Lehre von der Doppelversicherung). N e b e l i n g , Die öffentliche Versicherung 1935. ii4ff. P r ö l ß , zu §59 V V G , V W 1950. 265 (Fragen der Doppelversicherung). R ü d i g e r AssJB 12. 4. (Die Begriffe „Überversicherung" und „Doppelversicherung"). S c h n e i d e r Z f V W 1914. 588 (Bemerk, zur Doppelversicherung im Falle des §60 V V G ) . F. S i e v e k i n g ZHR 55. 157 (Doppelversicherung). W e r n e b u r g OestRev 1919. 4, 9 (Rechtliche Bedeutung von Gefahrausschlußklauseln), VersArch 1936. 299 (Zur Doppelversicherung im Seeversicherungsrecht unter Berücksichtigung der Hinterhangklausel). W e g er Handwörterbuch des Versicherungswesens 1. Bd. 1958. 491 (Art. Doppelversicherung). W i e c h m a n n , Die Über- und Doppelversicherung, Diss. 1908. 3. Doppelversicherung (double insurance, assurance cumulative) ist regelmäßig Anm. Prämienverschwendung. Sie wird gleichwohl oft genommen, selten in böser Absicht, meist aus Irrtum (vgl. z. B. R G 90. 6: Kriegsversicherung, weil übersehen war, daß die schon bestehende Versicherung die Kriegsgefahr einschloß). — G ä b e es k e i n e V o r s c h r i f t e n ü b e r D o p p e l v e r s i c h e r u n g , so wäre die Folge, daß die mehreren Versicherer als Gesamtschuldner hafteten, der Versicherungsnehmer also von jedem das Ganze fordern könnte, Zahlung des einen Versicherers aber auch für die übrigen Versicherer wirken würde und die Versicherer sich gemäß § 426 BGB auseinanderzusetzen hätten (Begr. z. V V G § 59, M ö l l e r H G Z 1909 Beil. 2. 5, R G 6. 177, 35. 60, LZ 1908. 241, JW 1901. 581, Baumgartners Praxis Nr. 355, HGZ 1888. 17, 1891. 171, 1894. 97, 107, K G Baumgartners Praxis Nr. 278). Allerdings beruht das Gesamtschuldverhältnis der Versicherer nicht auf demselben Entstehungsgrunde. Es ist nur ein sog. unechtes Gesamtschuldverhältnis. Aber im Zweifel sind die §§421 ff. BGB auch auf unechte Gesamtschuldverhältnisse anzuwenden. Und das durch Doppelversicherung entstandene Verhältnis ist ein solches, das sich von anderen unechten Gesamtschuldverhältnissen durch die, nach Entstehungsart und Inhalt auffällige, Gleichartigkeit der Einzelverhältnisse unterscheidet und zur sinngemäßen, der Interessenlage entsprechenden, Anwendung insbesondere des § 426 geradezu auffordert. Würde man dies nicht annehmen, so würde — immer beim Mangel von Sondervorschriften — die Folge sein, daß der entschädigende Versicherer gemäß § 804 HGB, § 45 ADS den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den anderen Versicherer erwürbe, oder — beim Mangel auch solcher Vorschriften, wie des § 804 HGB, § 45 ADS, § 255 BGB — daß der Versicherungsnehmer sich auf die von dem einen Versicherer geforderte Entschädigung den Wert des Entschädigungsanspruchs gegen den anderen Versicherer oder jedenfalls auf die von dem anderen Versicherer geforderte Entschädigung das von dem einen Versicherer bereits Erhaltene nach den Regeln über Vorteilsausgleichung würde anrechnen lassen müssen (Vorb. I X vor § 1). — A b w e i c h e n d e A n s i c h t e n : a) „ D e m V e r s i c h e r t e n f e h l t es, nachdem derselbe bereits den vollen Wert- Anm. betrag des gefährdeten Gegenstandes unter Versicherung gebracht hat, an einem
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Anm. 5
Doppelversicherung
I n t e r e s s e , welches die nochmalige Versicherung motivierte." So V o i g t 87. Ähnlich schon fimerigon ch. 1 s. 7, P o t h i e r Nr. 33, 97. Ähnlich L e w i s 2. 286 und Versicherungsrecht 55, R e a t z EndHdbch. 4 . 3 7 2 , R G 4 . 4 g , 1 3 . 1 1 2 , H G Z 1 8 8 1 . 9 6 , 1888. 128, zuletzt R G go. 1 1 : Die spätere Versicherung sei unwirksam, „ d e r G r u n d der Unwirksamkeit werde erblickt in dem Mangel des versicherbaren Interesses; wenn bei einer zahlungsfähigen Gesellschaft. . . Versicherung genommen sei, so werde kein Interesse für eine nochmalige Versicherung anerkannt". Hier wird mit dem Wort „Interesse" ein gefährliches Spiel getrieben. Das eine M a l wird es im Sinne von Versicherungsinteresse gebraucht, das andere M a l im Sinne von Anlaß, Grund, Motiv. Der Versicherungsnehmer mag kein Interesse, d. h. keinen Anlaß haben, Versicherung zu nehmen, wenn er schon versichert ist. Das Gesetz mag aus diesem (kaum triftigen) Grunde Anlaß nehmen, die zweite Versicherung für unwirksam zu erklären, wie es § 788 H G B a. F. getan hat. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der bereits versicherte Versicherungsnehmer noch ein Interesse hat, oder ob er es durch die erste Versicherung verloren hat. Selbstverständlich hat er das Interesse noch (vgl. ζ. B. B l a d 5g, B r o d m a n n 173, E h r e n b e r g AssJB 16. 12, M ö l l e r H G Z igo9 Beil. 2. 5, R o e l l i , Entwurf 201, K i s c h , Mehrfache Versicherung 6 ; auch R G 6. 178, freilich verleitlich: „ D a s Interesse des Versicherungsnehmers, für seine Entschädigungsforderung zu seinem ersten Schuldner noch einen zweiten hinzuzugewinnen, obwohl er erstere nur einmal geltendmachen wolle und dürfe, liege klar zu T a g e " , folgend: H G Z 1888. 1 7 , 1 8 9 1 . 1 7 1 ) . Gerade deshalb, weil es noch da ist, kann es „ w e g f a l l e n " (§ 4). E b e n weil es noch nicht weggefallen und weil es auch nicht auf den Versicherer übergegangen ist, kann der Versicherer es nicht versichern, sondern nur eine Haftpflichtversicherung, nämlich Rückversicherung, nehmen. Der Umstand, daß der Interessent im Schadensfall Ersatzansprüche geltendmachen kann, beraubt ihn nicht des Interesses (vgl. § 45, § 1 A n m . 34). — Die Frage, ob dem versicherten Versicherungsnehmer ein „versicherbares" Interesse fehlt oder nicht, kann in diesem Zusammenhang überhaupt nicht gestellt werden.
b) Dieser Auffassung nahe verwandt ist die Ansicht, Doppelversicherung sei Ü b e r v e r s i c h e r u n g und die zweite Versicherung aus diesem Grunde unwirksam (ζ. B. Prot. 3 0 1 7 , B l a d 53, L e w i s Versicherungsrecht 52). Auch davon ist keine Rede. Der versicherte Versicherungsnehmer hat noch das Interesse und das Interesse hat noch seinen ganzen Wert. Die Summe der zweiten Versicherung übersteigt den Wert des Interesses nicht. Wirtschaftlich mag man von Uberversicherung sprechen. M a n mag auch, wie das englische Recht, von overinsurance by double insurance sprechen ( M I A § 3 2 ; vgl. dazu A r n o u l d 352 s. 383). Überversicherung im gewöhnlichen Rechtssinne ist Doppelversicherung nie. Vgl. auch R o e l l i Entwurf 199. Anm. 6 c) Die Unwirksamkeit der Doppelversicherung wird schließlich aus dem Grundsatz abgeleitet, daß „ d i e Schadensversicherung n i c h t zu einer B e r e i c h e r u n g des Versicherten führen soll". „ D e r Verstoß gegen diesen Grundsatz bewirkt, daß . . . der Doppelversicherung etwas sittlich Bedenkliches anhaftet; es läßt sich recht wohl die Frage aufwerfen, ob nicht . . . die Doppelversicherung den guten Sitten widerstreitet", so R G Gruchot 50. 408. Ähnlich Begr. z. V V G § 59: Wegen des Grundsatzes, daß „ d i e Versicherung niemals zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers führen dürfe, müßten dessen Rechte (gesetzlich) so beschränkt werden, daß er nicht mehr als den Ersatz seines Schadens beanspruchen könne". Siehe wegen dieses Grundsatzes auch R G 104. 409 = H R Z 1923. 21 = Sasse Nr. 1 : Durch mehrfache Versicherung werde die an und für sich begründete vertragliche Haftung des Versicherers nur insoweit berührt, als bei Durchführung der Haftung ein unberechtigter Gewinn des Versicherten genügend klargestellt sei. Die Doppelversicherung wird für unstatthaft er-
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klärt, parce que l'assure trouverait alors dans la perte de la valeur une source de § 10 benefice . . il ne serait pas indemnise, mais enrichi ( R i p e r t Nr. 2534, 2536). Vgl. auch H G Z 1894. 103: Die vereinbarte „prorata-Haftung (der Doppelversicherer) beruhe . . . auf dem das ganze Versicherungsgeschäft beherrschenden Grundsatz, daß die Versicherung nicht zu einem Gewinn führen solle". — Einen „Grundsatz", daß die Versicherung nicht zu einem Gewinn führen darf, gibt es nicht (Vorb. I X vor § 1 ) . M a n braucht ihn nicht. M a n braucht ihn insbesondere hier nicht. Die Doppelversicherung würde, auch wenn das Gesetz nichts über sie bestimmte, zu keiner „Bereicherung" des Versicherungsnehmers führen (vgl. oben Anm. 3; ebenso ζ. B. B l a d 59, J u s t ArchfdeutschWechselr. 15. 228). 4. Das H G B behandelte f r ü h e r die Doppelversicherung nach dem P r i o r i t ä t s - Anm. 7 p r i n z i p . „Die s p ä t e r e V e r s i c h e r u n g hat. . . k e i n e r e c h t l i c h e G e l t u n g " (HGB a. F. § 788 Abs. 1). A u s n a h m s w e i s e sollte die spätere Versicherung w i r k s a m sein: a) wenn d e m z w e i t e n V e r s i c h e r e r die R e c h t e aus der ersten Versicherung a b g e t r e t e n wurden; b) wenn die z w e i t e V e r s i c h e r u n g n u r f ü r d e n F a l l d e r Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t der ersten Versicherung genommen war, oder nur für den Fall, daß die erste Versicherung n i c h t z u R e c h t bestand; c) wenn der Versicherungsnehmer a u f d i e R e c h t e a u s d e r e r s t e n V e r sicherung verzichtete; d) wenn die e r s t e V e r s i c h e r u n g o h n e A u f t r a g des Versicherten genommen war und der Versicherte sie zurückwies (HGB a. F. §§ 789, 790). Nur wenn die Versicherungsverträge g l e i c h z e i t i g geschlossen waren, waren sie sämtlich wirksam; jeder Versicherer haftete aber nur verhältnismäßig ( H G B a. F. § 787). — A u f diesem Standpunkt stehen auch heute noch die meisten fremden Rechte (vgl. ζ. B. S i e v e k i n g 33, I T V M i t t 1916. 54, A r n o u l d 352 s. 383, R i p e r t Nr. 2540). Anders insbesondere das englische Recht (unten Anm. 31). Ihm haben sich das V V G , das Ges., betr. Änderung der Vorschr. des H G B usw., vom 30. Mai 1908 und die A D S angeschlossen. 5. A b s . 1. Doppelversicherung setzt voraus: Anm. 8 a) Ein Interesse ist doppelt (oder mehrfach) versichert. Nicht erforderlich ist, daß der Versicherungsnehmer die mehreren Verträge geschlossen hat (vgl. L G Berlin VersR 1956. 446: Zusammentreffen eines von einem Zwangsverwalter und eines von dem Eigentümer genommenen Feuerversicherungsvertrages). — Uber den Begriff des Interesses: § 1 Anm. 3fr. Nach dem Begriffe des Interesses müssen Art des Interesses, Gegenstand des Interesses und Interessent dieselben sein (vgl. insbesondere § 1 Anm. 167fr., 184, 185). Siehe auch R G 104.409 = H R Z 1923.21: Eine Doppelversicherung liegt nicht vor, wenn hinsichtlich desselben Gegenstands, ζ. B. bestimmter Ladungsgüter, verschiedene Interessen versichert sind, ζ. B. das Eigentümer- und das Pfandgläubigerinteresse. — O b ein und dasselbe Interesse doppelt versichert ist, ist T a t f r a g e . Sind ζ. B. beim einen Versicherer die Bruttofracht, beim anderen Versicherer die Ausrüstungskosten versichert, so sind die Ausrüstungskosten doppelt versichert ( R O H G 8.68, O A G Lübeck HambS 2.570). Wenn der Lagerhalter die bei ihm eingelagerten Güter für Rechnung des Eigentümers gegen Feuersgefahr versichert und der Eigentümer die Güter bei einem anderen Versicherer gegen Seegefahr mit Einschluß zehntägiger Lagerung am Lande versichert, sind die Güter während der zehn Tage gegen Feuersgefahr doppelt versichert (Begr. z. V V G § 59; abw. S i e v e k i n g 31 unter unrichtiger Berufung auf R G 35. 60, eine Entscheidung aus dem früheren Binnenversicherungs-Recht, die, überdies unrichtig, auch den Lagerhalter als den Versicherten und deshalb die Interessen des Lagerhalters und des Eigentümers als
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§ 10 verschiedene Interessen behandelte; vgl. auch H G Z 1894. 97)· Wenn der Reeder beim einen Versicherer eine Kaskoversicherung, beim anderen Versicherer eine allgemeine Haftpflichtversicherung nimmt, ist das durch § 78 gedeckte Haftpflichtinteresse doppelt versichert ( S i e v e k i n g 31, L Z 1908. 240, R G H G Z 1911. 131, H G Z 1900. 118, 1911. 214). Wenn jemand seine Schlepper beim einen Versicherer, seine Schuten beim anderen Versicherer versichert, ist das Haftpflichtinteresse aus § 78 auch nicht für den Fall doppelt versichert, daß die versicherten Schiffe sich gegenseitig beschädigen; hat ζ. B. der Schlepper die Schuld an der Beschädigung der Schute, so zahlt der SchlepperVersicherer, oder der Schuten-Versicherer zahlt und erhält dafür den Ersatzanspruch gegen den Schlepper-Versicherer (abw. Begr. z. V V G § 59, R G 4 7 . 170, H G Z 1900. 243; näheres: § 78 Anm.). Wenn jemand Salpeter mit Einschluß imaginären Gewinns beim einen Versicherer für 212 500 versichert, dann den Salpeter mit der Klausel should vessel be lost, contract to be void und mit einem Gewinn verkauft, der den imaginären Gewinn um 38500 übersteigt, und nun „ M 38500 auf die behaltene Ankunft der Ladung Salpeter mit dem Schiffe Luise" bei einem anderen Versicherer versichert, sind die Μ 38500 natürlich nicht doppelt versichert ( R G H G Z 1893. HGZ 1893. 12). Vgl. auch R G 130. 47. Anm. 9 b) Das Interesse ist gegen dieselbe Gefahr doppelt versichert. — Uber den B e g r i f f der Gefahr: §28 Anm. — Wenn die im Lagerhaus lagernden Güter beim einen Versicherer gegen Feuersgefahr versichert sind und die beim anderen Versicherer genommene Seeversicherung gemäß § 88 Abs. 3 noch läuft, sind die Güter gegen Feuersgefahr doppelt versichert (Begr. z. V V G §59, R G 44. 3 1 ; näheres: §88 Anm.). Wenn eine Schiffswerft für ein Schiff beim einen Versicherer gegen Feuersgefahr, beim anderen Versicherer gegen alle Gefahren Versicherung genommen hat, ist das Schiff gegen Feuersgefahr doppelt versichert ( O L G Hamburg H R Z 1918. 196: Der andere Versicherer kann auch, ohne besondere Gründe, nicht einwenden, daß ihm bei der Schließung des Vertrags die Feuerversicherung bekannt gewesen sei und er deshalb die Feuersgefahr nicht habe mit übernehmen wollen). Vgl. R G 44. 31. Wenn das Schiff beim einen Versicherer für die Reise von Α nach Β und 30 Tage nach Ankunft in Β versichert und beim anderen Versicherer at and from Β nach C, ist das Schiff während der 30 Tage doppelt versichert ( C h a l m e r s 47). Wenn Güter für die Reise von Alexandria nach Hamburg seeversichert und für die Beförderung und Lagerung im Hamburger Hafen bei einem anderen Versicherer binnenversichert sind, sind sie nach der Ausladung aus dem Seeschiff und, solange die Seeversicherung noch dauert, doppelt versichert ( H G Z 1915. 182; vgl. auch oben Anm. 8). Wenn und soweit die eine Versicherung für eine andere Zeit genommen ist als die andere, ist die Gefahr natürlich nicht dieselbe ( R G 13. 112). Vgl. auch L G Hamburg H a n s R G Z 1936 Β 259 = Sasse Nr. 721. Anm. 10
c) Das Interesse ist bei mehreren Versicherern versichert. Ist das Schiff bei demselben Versicherer at and from London to Calcutta, and for thirty days after arrival versichert und ferner at and from Calcutta to a port of England, so ist es während der 30 Tage nicht doppelt versichert. In solchen Fällen wird § 9 sinngemäß anzuwenden sein. Vgl. auch K i s c h RheinZfZuPR 6. 374. Anm. 11 d) Die Versicherungssummen übersteigen zusammen den Versicherungswert. — Über den Begriff der Versicherungssumme: § 6 Anm. 9. — Über den Begriff des Versicherungswerts: § 6 Anm. 3. Ob die Versicherungssummen den Versicherungswert erheblich oder nur unerheblich übersteigen, gilt gleich (vgl. § 9 Anm. 5). — Die Versicherungssummen können den Versicherungswert auch übersteigen, obgleich sie es zahlenmäßig nicht tun. Wenn der Versicherungswert 20000 beträgt und beim einen Versicherer für 10000 Unterversicherung, beim anderen Versicherer für 10000 Teil-
Doppelversicherung
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Versicherung auf erstes Risiko genommen ist, ist die Versicherung für die ersten ioooo § 1 0 Doppelversicherung. Entsteht ein Schaden von ioooo, so tragen ihn beide Versicherer schließlich im Verhältnis von 1 : 2 . Denn die Teilversicherung auf erstes Risiko ist in Wirklichkeit Vollversicherung des Bruchteils und den Wert dieses Bruchteils übersteigen die Versicherungssummen um 5000. — Ist der V e r s i c h e r u n g s w e r t bei den mehreren Versicherungen derselbe, so entstehen regelmäßig keine Schwierigkeiten. Anders, wenn er n i c h t d e r s e l b e ist. Dies wird ζ. B. regelmäßig der Fall sein, wenn eine Feuerversicherung mit einer Seeversicherung zusammentrifft. Denn für die Seeversicherung bestimmt sich der Versicherungswert nach dem Zeitpunkt, in dem die Versicherung beginnt (§§ 70, 90). Bei der Feuerversicherung bestimmt sich der Versicherungswert nach der Zeit des Versicherungsfalls ( V V G § 5 5 ) . Auch kann der Versicherungswert bei der einen Versicherung taxiert, bei der anderen nicht taxiert sein. Sind Seemannseffekten beim einen Versicherer zur T a x e von 2000 für 2000, beim anderen Versicherer zur T a x e von 3000 für 3000 versichert, so sind sie für 2000 doppelt versichert. Auch dann, wenn der wirkliche Versicherungswert 5000 ist. Unrichtig H G Z 1 9 1 1 . 299: „Sei durch die frühere Versicherung nicht der volle Wert versichert, so gelte die spätere Versicherung für den noch nicht versicherten Teil des Wertes." Das wäre richtig, wenn die Versicherungen Teilversicherungen wären. Sie sind aber Vollversicherungen. Mißverständlich S i e v e k i n g 38: „ D e r Versicherte könne, auch wenn die T a x e voll gezeichnet sei, noch anderweit Versicherung nehmen, wenn die T a x e zu niedrig sei, ohne daß deshalb eine Doppelversicherung entstehe." Gewiß kann der Versicherungsnehmer Versicherung nehmen, aber nur eine Teilversicherung für letztes Risiko, für den Mehrwert, für den Unterschied zwischen dem wirklichen Versicherungswert und der Taxe. Wäre die zweite Versicherung keine taxierte Versicherung, sondern Unterversicherung für s/5 von 5000 gewesen und ein Schaden von 1000 entstanden, so würde der erste Versicherer dem Versicherungsnehmer 1000, der zweite Versicherer dem Versicherungsnehmer 600 zu zahlen verpflichtet gewesen sein; untereinander aber hätten die Versicherer zu tragen gehabt: der erste 600 1000
1000 1600
von 1000 = 625, der zweite
von 1000 = 375. Näheres hierüber unten Anm. 15. — V e r s i c h e r u n g s s u m m e n
können vereinbart sein, b r a u c h e n aber n i c h t v e r e i n b a r t z u s e i n . Sind sie nicht vereinbart, so treten die dem Versicherungswert entsprechenden Beträge an ihre Stelle (vgl. § 6 Anm. :6). e) Das Interesse ist bei den mehreren Versicherern versichert. Wirksam versichert Anm. 12 ( K i s c h R h e i n Z f Z u P R 6. 378, R G 4. 49). Ist die eine Versicherung für fremde Rechnung genommen, vom Versicherten aber die Zustimmung nicht erteilt, so ist die andere Versicherung keine Doppelversicherung ( R G 4. 49, H G Hamburg Ullrich Nr. 129; vgl. auch H G B a. F. § 790 und R G 104. 409 = H R Z 1923. 21). Daß der eine Versicherer verzichtbare Einwendungen, ζ. B. die Einwendung der verletzten vorvertraglichen Anzeigepflicht, hat, hindert nicht, daß Doppelversicherung besteht (vgl. auch unten Anm. 2 1 ; abw. O L G Frankfurt Ann Vers 1914. 34: Keine Doppelversicherung, wenn die erste Versicherung laufende Versicherung ist, der Versicherungsnehmer die Deklarationspflicht verletzt hat und der Versicherer infolgedessen frei ist). Siehe über die Wirksamkeit einer Doppelversicherung bei mangelnder Kenntnis des Versicherungsnehmers von der früheren Versicherung bei Eingehung der späteren R G 104.409 = H R Z 1 9 2 3 . 2 1 . — Die beiden Versicherungen dürfen natürlich auch nicht derart voneinander abhängig sein, daß die e i n e d i e a n d e r e a u s s c h l i e ß t . Von Doppelversicherung kann keine Rede sein, wenn die zweite Versicherung nur
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Doppelversicherung
§ 1 0 für den Fall genommen wird, daß „die frühere Versicherung nicht zu Recht besteht" ( H G B a . F. §789 Nr. 2, B r o d m a n n 1 7 4 ; vgl. M E 4 1 ; siehe L G Berlin J R P V 1929.403 = Sasse Nr. 7 1 7 : Unterschied zwischen Garantie und Doppel Versicherung; K G J R P V 1930. 208 = Sasse Nr. 408; R G 1 3 0 . 4 7 = J R P V 1 9 3 0 . 2 8 2 = Sasse Nr. 4 7 ; L G H a m b u r g H a n s R G Z 1942 Β 20i = Sasse Nr. 726: Subsidiarversicherung; vgl. K i s c h Mehrfache Versicherung 8 1 — 8 3 ) oder nur für den Fall, daß die erste Versicherung „aufgelöst" wird ( L Z 1909. 3 2 4 ; vgl. H G B a. F. § 789 Abs. 3). — Dagegen begründet die zweite Versicherung Doppelversicherung a u c h d a n n , w e n n sie nur f ü r d e n F a l l genommen wird, d a ß d e r e r s t e V e r s i c h e r e r z a h l u n g s u n f ä h i g ist. Solche Versicherung ist auch nicht Kreditversicherung, sondern bedingte Seeversicherung. Doch wird die Ausgleichung unter den mehreren Versicherern regelmäßig wegbedungen sein oder als wegbedungen gelten, im Entschädigungsfall vielmehr der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den ersten Versicherer gemäß § 45 auf den zweiten Versicherer übergehen. A b w . K i s c h R h e i n Z f Z u P R 6. 374: Die zweite Versicherung sei gegen die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners, des ersten Versicherers, genommen, mithin gegen eine ganz andere Gefahr, als die durch den ersten Vertrag gedeckte. Die zweite Versicherung würde nach dieser Auffassung also keine Seeversicherung, sondern reine Kreditversicherung sein. Diese Auffassung widerspricht aber ebensosehr der Auffassung des Verkehrs, wie derjenigen des Gesetzurhebers, wie sich ohne weiteres aus § 789 Nr. 2 H G B a. F. ergibt. Ihre Rechtsfolgen wären demgemäß auch ganz andere als diejenigen, welche beide Parteien, Versicherer und insbesondere auch Versicherungsnehmer, gewollt haben. — B e i d e V e r t r ä g e müssen V e r s i c h e r u n g s v e r t r ä g e sein. Wenn ein Vertrag ein anderer, wenngleich auch auf Entschädigung gerichteter Vertrag ist, besteht keine Doppelversicherung. H a t der Versicherungsnehmer mit dem Leichterschiffer vereinbart, daß dieser die Gefahr zufälligen Schadens an den versicherten Gütern tragen solle, so ist § 10 unanwendbar. Vielmehr geht der Ersatzanspruch gegen den Leichterschiffer gemäß § 45 auf den entschädigenden Versicherer über. Ebenso G e r h a r d 277, K i s c h R h e i n Z f Z u P R 6. 383, S i e v e k i n g 3 2 ; abw. V o i g t 9 1 ; vgl. aber auch Vorb. vor § 1 Anm. 73 und dazu H G u. O G H a m b u r g H G Z 1875. 3 7 5 (mit dem Leichterschiffer war nicht nur vereinbart, daß er allen Schaden, mit Ausnahme des durch höhere Gewalt herbeigeführten, zu ersetzen habe, sondern auch: „inklusive 60 Μ Assekuranz per 100 Pfund K a f f e e " ; nur aus diesem Grunde nahmen H G u. O G H a m b u r g Doppelversicherung an). — Nicht selten nimmt der ausländische Verkäufer im Ausland Versicherung, der deutsche K ä u f e r in Deutschland zu billiger Prämie noch einmal Versicherung, um die Entschädigung nicht im Ausland einziehen zu müssen. Diese sogenannten S c h u t z p o l i c e n bestimmen gewöhnlich: „ D e r Versicherer übernimmt die Einziehung der auf Grund der anderweitigen Versicherung dem Versicherten zustehenden Entschädigungsforderung. Z u diesem Zwecke werden ihm die Ansprüche des Versicherten an die anderen Versicherer übertragen. Der Versicherer übernimmt ferner die selbstschuldige Haftung für den richtigen Eingang der von den anderen Versicherern zu zahlenden Entschädigung und hat seinerseits auf Grund dieser Haftung an dem Zeitpunkt Zahlung zu leisten, an dem er hätte zahlen müssen, wenn die Versicherung bei ihm zu den Bedingungen dieser Police geschlossen wäre. Auf keinen Fall hat der Versicherer mehr zu zahlen, als wenn letzteres der Fall gewesen w ä r e . " Die (wenig glückliche) Fassung ergibt wohl, daß es sich nicht um einen Versicherungsvertrag, sondern um einen Bürgschaftsvertrag handelt. Nur soweit der deutsche Versicherer (wie gewöhnlich) noch für besondere Fälle Versicherung übernimmt, die von
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der ausländischen Versicherung nicht gedeckt werden (ζ. B. „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" haften zu wollen erklärt, während der ausländische Versicherer free from particular average haftet), ist der Vertrag ein Versicherungsvertrag. 6. Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Doppelversicherern. a) Die Versicherer haften als Gesamtschuldner. Der Versicherungsnehmer kann von jedem Versicherer Entschädigung verlangen (BGB §421). Entschädigung durch einen befreit den andern (BGB §422). Der vom Versicherungsnehmer und einem Versicherer vereinbarte Erlaß wirkt auch für den anderen Versicherer, wenn der Erlaß auch für ihn wirksam sein soll (BGB § 423). Annahmeverzug des Versicherungsnehmers gegenüber einem Versicherer wirkt auch für den anderen Versicherer (BGB § 424; abw. B e h r e n d Z H R 55. 126, Blad 71). Andere Tatsachen (ζ. B. Entschädigungsverzug, Verjährung) wirken nur für und gegen den Versicherer, in dessen Person sie eintreten (BGB §425). Alles dies gilt jedoch uneingeschränkt nur, wenn beide Versicherer im selben Umfang zu entschädigen haben, wenn ζ. B. die Güter im Versicherungswert von 100000 bei zwei Versicherern für je 100000 versichert sind. Näheres unten Anm. 15. — Daß die Entschädigung des einen Versicherers den anderen befreit, kann unerwartete Folgen haben. Wenn ζ. B. die erste Güterversicherung für fremde Rechnung genommen ist und der Versicherungsnehmer die Güter mit Rücksicht hierauf bevorschußt hat, die zweite Versicherung vom Versicherten für eigene Rechnung genommen ist und der zweite Versicherer den Versicherten entschädigt, kann der Nehmer der ersten Versicherung, der sich durch den Besitz der Police geschützt glaubte (§53 Abs. 2), vom ersten Versicherer keine Entschädigung verlangen. b) Jeder Versicherer haftet nur für den Betrag, dessen Zahlung ihm nach seinem Vertrag obliegt. Selbstverständlich. Die Entschädigungspflicht des einen Versicherers kann nicht dadurch erweitert werden, daß noch ein anderer Vertrag besteht oder geschlossen wird. Sind die Güter beim Seeversicherer mit einem Versicherungswert von 100000, beim Feuerversicherer mit einem Versicherungswert von 80000 versichert, so kann der Versicherungsnehmer vom Feuerversicherer nicht mehr als 80000 verlangen. Die beiden Versicherer sind nur für 80000 Gesamtschuldner. Sie bleiben nur bis zur Zahlung der 80000 Gesamtschuldner (BGB §421). c) Der Versicherungsnehmer kann im ganzen nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen. Auch dies versteht sich von selbst. Wenigstens, wenn damit nur gesagt sein soll, daß der Schadensversicherte nur den Ersatz seines Schadens verlangen kann (Vorb. vor § 1 Anm. 70, 73), die Entschädigung des einen Versicherers auch für den anderen wirkt (BGB §422). Sind Güter im Versicherungswert von 100000 zweimal für 100000 versichert, so kann der Versicherungsnehmer, wenn er von einem Versicherer go 000 erhalten hat, vom anderen nur noch 10000 verlangen. Sind Güter beim Seeversicherer mit einem Versicherungswert von 100000 für 100000, beim Feuerversicherer mit einem Versicherungswert von 80000 versichert, so kann der Versicherungsnehmer, der vom Feuerversicherer 80 000 erhalten hat, vom Seeversicherer nur noch 20 000 verlangen. Man hat aber keinen Grund anzunehmen, daß Gesetz und ADS nur diese aus den Grundsätzen sowohl der Schadensversicherung wie der Gesamtschuld sich von selbst ergebende Folge noch einmal mit den Worten haben hervorheben wollen: „Der Versicherungsnehmer kann aber im ganzen nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen". Sind die Güter beim Seeversicherer mit einem Versicherungswert 100000 für 100000, beim Feuerversicherer mit einem Versicherungswert von 80000 versichert, so würde der Versicherungsnehmer, der vom Seeversicherer 80000 erhalten hat, nach den Grundsätzen der Gesamtschuld wie der Schadensversicherung vom Feuerversicherer nichts mehr verlangen können. Die Zahlung der 80000 durch den Seeversicherer würde auch den Feuerversicherer befreit haben. Die 80000
§ 10
Anm. 13
Anm. 14
Anm. 15
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Doppelversicherung
§ 1 0 wären auf die von ihm geschuldeten 80000 anzurechnen. Sind die Güter beim ersten Seeversicherer mit einer Taxe von 300000 für 250000, beim zweiten Seeversicherer mit einer Taxe von 250000 für 250000 versichert, so würde der Versicherungsnehmer, der vom ersten Seeversicherer 250000 erhalten hat, vom zweiten Seeversicherer nichts mehr verlangen können. Der Versicherungsnehmer müßte sich also zuerst vom zweiten Seeversicherer 250000 zahlen lassen, um vom ersten Seeversicherer noch 50000 verlangen zu können und damit im ganzen 300000 zu erhalten. So auch S i e v e k i n g 32, wohl im Anschluß an M E 19 und das englische Recht, B r u c k P V R 546 und K i s c h RheinZfZuPR 6. 572. Eine offenbar „unerfreulichste Konsequenz" ( M E 28), an anomalous result, a surprising anomaly ( A r n o u l d 378 s. 407). Die englische Rechtsprechung hat geschwankt. Sie vertrat zunächst den Standpunkt, der Versicherungsnehmer könne, nachdem er vom ersten Versicherer 250000 erhalten hat, vom zweiten Versicherer noch 50000 verlangen (Bousfield v. Barnes 1 8 1 5 bei A r n o u l d 378 s. 407). Sie verließ diesen Standpunkt im Falle Bruce v.Jones 1863 ( A r n o u l d 378 s. 407). Dabei ist M I A § 32 geblieben: . . . the assured must give credit, as against the valuation, for any sum received by him under any other policy without regard to the actual value of the subject-matter insured. Das deutsche Recht enthält keine Vorschrift dieser Art. Man hat auch keinen Grund anzunehmen, daß der Gesetzurheber an Anomalien Freude gehabt hätte. Man darf im Gegenteil aus der Fassung des § 10 Abs. 1 ( = § 787 Abs. 1 HGB, § 59 Abs. 1 V V G ) schließen, daß er, bewußt oder unbewußt, von der entgegengesetzten Auffassung sich hat leiten lassen (so auch K i s c h , Mehrfache Versicherung, 95f.; anders seine frühere Auffassung in RheinZfZuPV 6. 572). Gesetz und A D S bestimmen nämlich nicht nur, daß der Versicherungsnehmer nicht mehr als den Schaden, sondern auch, daß er im ganzen nicht mehr als den Schaden verlangen kann. Nicht nur im Hinblick auf die Ausgleichung unter den Versicherern the policies are one insurance as between all the underwriters (Martin, B., bei C h a l m e r s 125), sondern auch im Hinblick auf den Schaden, die Entschädigung werden die mehreren Versicherungs-Verträge als ein g a n z e s bezeichnet, sind sie also auch als ein g a n z e s zu behandeln (kritisch zu dieser Begründung K i s c h Mehrfache Versicherung g6 Anm. 1 2 : Man hätte dann e i n e n Vertrag mit z w e i Versicherungswerten, einem wirklichen und einem taxierten. Man würde daraus keinen Anhaltspunkt für die Frage gewinnen, welcher von beiden Versicherungswerten nun maßgebend sein solle; für keinen von ihnen würde mehr sprechen als für den anderen. Demgegenüber ist zu sagen, daß die Behandlung als ein ganzes auf den höheren Wert hinweist). Der Vertrag des einen Versicherers geht den anderen Versicherer sonst nichts an; hier in diesem Punkte ist er auch für den anderen Versicherer von unmittelbarer Bedeutung. Der Versicherungsnehmer kann nicht mehr als den Betrag des Schadens verlangen, den er im ganzen, den er auf Grund des einen oder des anderen Vertrags verlangen kann (wenn auch natürlich von jedem Versicherer nicht mehr, als er nach dem Vertrag zu fordern hat). Der Versicherungsnehmer, der vom Seeversicherer für die auf 100000 taxierten, verlorenen Güter 80000 erhalten hat, kann also vom Feuerversicherer noch 20000 verlangen, obgleich der Feuerversicherungs-Wert nur 80000 beträgt. Der Versicherungsnehmer, der vom ersten Seeversicherer für die auf 300000 taxierten, verlorenen Güter 250000 erhalten hat, kann also vom zweiten Seeversicherer noch 50000 verlangen, obgleich die Güter im zweiten Versicherungsvertrag auf nur 250000 taxiert sind. — Übrigens ergibt sich auch vom entgegengesetzten Standpunkt aus nicht, daß der Versicherungsnehmer vom zweiten Versicherer gar nichts mehr verlangen kann. Sind die Güter beim ersten Seeversicherer mit einer Taxe von 300000 für 250000 versichert, so sind nur 6/e der Taxe versichert; werden 250000 gezahlt, so werden nur 5/e der Taxe entschädigt. Der Versicherungsnehmer könnte also jedenfalls
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Doppelversicherung
vom zweiten Seeversicherer, bei dem die Güter mit einer Taxe von 250000 für 250000 § 1 0 versichert sind, noch den auf das unversicherte Sechstel des Interessenwerts entfallenden Betrag, also noch 41666 verlangen. — Darauf, daß die Taxe von 300000 übersetzt ist, kann der zweite Versicherer sich erst berufen, wenn die Taxe gemäß § 6 herabgesetzt ist (vgl. auch unten Anm. 20). 7. A b s . 2 S a t z 1. V e r h ä l t n i s d e r D o p p e l v e r s i c h e r e r z u e i n a n d e r .
Anm. 16
a) Nach § 426 BGB haften Gesamtschuldner untereinander nach gleichen Anteilen. Doppelversicherer haften untereinander n a c h A n t e i l e n , welche d u r c h die B e t r ä g e b e s t i m m t werden, die s i e d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s c h u l d e n . Der Ausfall bei einem Versicherer ist auf die übrigen nach demselben Verhältnis zu verteilen. — Beispiel (vgl. Begr. z. V V G § 59): Versicherungswert der bei Α, Β und C versicherten Güter Versicherungssumme bei A
10000 8000
Versicherungssumme bei Β
4000
Versicherungssumme bei C
4000 Zusammen
16000
Der Schaden beträgt
5000
Α ersetzt davon 4000 Β ersetzt davon 1000 Α trägt endgültig 8000:16000 = 1 l 2 von 5000
2500
1
Β trägt endgültig 4000:16000 = J i von 5000
1 250
C trägt endgültig 4000:16000 = 1 / l von 5000
1250
Α kann also von Β verlangen 1 250—1 000 Α kann also von C verlangen
250 1 250
Sind im Konkurs des C nur 950 zu erlangen, so hat Β dem Α den Ausfall von 1250 — 950 = 300 noch im Verhältnis von 4000:12000 = % zu ersetzen, also dem Α noch 100 zu zahlen. Die Versicherungswerte können verschieden taxiert sein. Beispiel (vgl. A r n o u l d 380 s. 409): Die bei den Versicherern Α und Β taxiert versicherten Güter gehen total verloren. Es betragen: Taxe bei A Taxe bei Β
8000 7000
Versicherungssumme bei A . . . Versicherungssumme bei Β . . .
6000 4000
Es ergeben sich dann zwei Berechnungsmöglichkeiten für die im Verhältnis der beiden Versicherer zueinander auf diese entfallenden Anteile (vgl. A r n o u d a. a. O., K i s c h , Mehrfache Versicherung g7ff.): aa) Wenn der wirkliche Versicherungswert 8 000 ist, so besteht nach außen folgende Haftung: 6000 Α für 8000 = 6000 8000 _ „ 4000 Β für 7000 = 4000 7000 10000
256 §10
Doppclversicherung
Da indessen nicht 10000 als Schaden, sondern nur 8000 in Betracht kommen, so reduziert sich die auf jeden der Versicherer entfallende Summe verhältnismäßig. Auf Α entfallen: auf Β entfallen:
6000 10000 4000 10000
von 8000 = 4800, von 8000 = 3300.
bb) (sog. Carversche Methode: vgl. A r n o u l d 381 s. 410): Doppelversicherung besteht f ü r 8000 — (8000 — 7000) = 7000 Α zahlt also vorweg 8000—7000 = 1000 Von der Versicherungssumme des Α bleiben übrig 5 000 Α trägt ferner 5000: (5000 + 4000) = 5 / e von 7000 = 388g für Α zusammen also 1000 + 3889 = 4889 Β trägt 4000: (5000 + 4000) = 4/e v o n 7000 = 3111 W ä h r e n d K i s c h a. a. O. 98 an der Carverschen Methode heftige Kritik übt ( . . . es sei grundsätzlich unrichtig, die 1000 Differenz zwischen 8000 und 7000 von der Versicherungssumme des A (6000) abzuziehen, denn f ü r jene 8 000 hätte Α n u r ®/g = 75® ^^ entrichten), meint A r n o u l d , würde man nur die Taxe von 8000 berücksichtigen, so würde Α zuwenig, Β zuviel zu tragen haben. Die Herausgeber von Arnould geben deshalb f ü r den Fall des Totalverlust der Carverschen Methode den Vorzug. Dem ist mit der Vorauflage zuzustimmen. Dagegen können bei einem Teilschaden die Anteile der Versicherer regelmäßig auf die zuerst genannte Weise festgestellt werden. Beträgt ζ. B. der Teilschaden 4000, so würden dem Versicherungsnehmer zahlen müssen: A . . . . β / β v o n 4000 Β . . . . 4/7 von 4000 Zusammen
3000 2286 5286
Demgemäß würden untereinander zu tragen haben: A . . . . 3 0 0 0 : 5 2 8 6 von 4000 Β . . . . 2286:5286 von 4000
2270 1730
So auch A r n o u l d 381 s. 409. Anders K i s c h 99 Anm. 15b) a a ) : Bei einem wirklichen Versicherungswert von 8000 bedeute ein effektiver Schaden von 4000, d a ß der versicherte Gegenstand seinen halben Wert verloren habe. Auszugehen sei mithin für A von einem Schaden von % v o n 8000 = 4000, für Β von % von 7000 = 3500. Nach außen hafteten hiermit „ 6000 Α für4000 = 3000 8000 _ „ 4000 Β für 3 500 = 2 000 7000 Der interne Ausgleich hätte mithin nach dem Verhältnis 3 000:2000 oder 3:2 zu erfolgen. Mithin trage nach innen von dem Schaden A 2400, Β 1600. Anm. 17 b) A u s g l e i c h u n g findet n u r statt, w e n n und soweit ein V e r s i c h e r e r ü b e r s e i n e n A n t e i l g e z a h l t hat. Nicht schon dann, wenn und soweit ein Versicherer überhaupt etwas gezahlt hat (so für §426 BGB die herrsch. Ansicht, vgl.ζ. B. S o e r g e l S i e b e r t - S c h m i d t Anm. 6 zu §426 BGB; anders K i s c h , Mehrfache Versicherung 175).
Doppelversicherung
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Sind G ü t e r im W e r t e von i o o o o bei Α f ü r 8000, bei Β f ü r 4000, bei C a u c h f ü r 4000 versichert u n d zur H ä l f t e verloren, so k a n n A, wenn er allein 2 500 gezahlt hat, von Β u n d C keine Ausgleichung (also j e 625) verlangen. Ebenso M I A § 80 Abs. 2 (unten A n m . 32). c) A u s z u g l e i c h e n ist die g e s a m t e E n t s c h ä d i g u n g , mit Einschluß insbesondere der Schadenabwendungs-, Schadenminderungs- u n d SchadenfeststellungsKosten. Ist das Interesse beim einen Versicherer allgemein, beim anderen Versicherer „ N u r f ü r Totalverlust" versichert, so sind natürlich Schadenabwendungs-Kosten usw. nicht mit auszugleichen; insoweit besteht j a keine Doppelversicherung (§ 123). — A n d e r e A u f w e n d u n g e n sind auf G r u n d § 10 Abs. 2 nicht auszugleichen. Ζ. B. nicht Aufw e n d u n g e n , die n a c h Z a h l u n g der Versicherungssumme z u r H e b u n g des versicherten gesunkenen Schiffes g e m a c h t werden. Die teilweise Erstattung solcher A u f w e n d u n g e n k a n n aber gegebenenfalls aus anderen G r ü n d e n verlangt werden, ζ. B. auf G r u n d der Gemeinschaft der m e h r e r e n Versicherer a m gesunkenen Schiffe (unten A n m . 22) oder auf G r u n d eines Gesellschaftsverhältnisses (vgl. V o r b . vor § 1 A n m . 48) oder auf G r u n d Auftrags oder auftragloser Geschäftsführung (vgl. a u c h K i s c h M e h r f a c h e Versicherung 166). d) Das Verhältnis der Doppelversicherer zueinander beschränkt sich auf die Verpflichtung zur Ausgleichung. K e i n e r k a n n v o m a n d e r e n a u c h v e r l a n g e n , d a ß d i e s e r d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r anteilsgemäß e n t s c h ä d i g e (anders K i s c h , M e h r f a c h e Versicherung 173). Ein solches Verlangen m a g bei der echten Gesamtschuld berechtigt sein (vgl. Motive z. BGB 2. 169, R G 81. 418, 92. 1 5 1 , S o e r g e l - S i e b e r t S c h m i d t A n m . 5 zu § 426 BGB). Bei der unechten Gesamtschuld fehlt es d a f ü r a n j e d e m G r u n d e (dazu kritisch K i s c h , M e h r f a c h e Versicherung 174 A n m . 5). — E b e n sowenig k a n n der Versicherer, von d e m der Versicherungsnehmer die ganze Entschädig u n g verlangt, v o m anderen Versicherer Vorschuß verlangen. e) S o w e i t e i n V e r s i c h e r e r den Versicherungsnehmer befriedigt h a t u n d v o m a n d e r e n Versicherer A u s g l e i c h u n g v e r l a n g e n k a n n , g e h t d i e F o r d e r u n g des Versicherungsnehmers gegen den anderen Versicherer a u f i h n ü b e r ; der U b e r g a n g k a n n j e d o c h nicht z u m Nachteil des Versicherungsnehmers geltend g e m a c h t werden (BGB § 426 Abs. 2; vgl. a u c h § 45 A n m . ) . Die Vorschrift bezweckt u n d erreicht, d a ß die F o r d e r u n g des Versicherungsnehmers erhalten bleibt u n d mit ihr a u c h etwaige N e b e n r e c h t e (Pfandrechte usw.) auf d e n ausgleichsberechtigten Versicherer übergehen (BGB §§ 401, 412). Soweit d e r entschädigende Versicherer keine Ausgleichung verlangen k a n n , geht die F o r d e r u n g des Versicherungsnehmers u n t e r ; der Versicherungsn e h m e r k a n n insbesondere d e m entschädigenden Versicherer seine F o r d e r u n g gegen d e n a n d e r e n Versicherer nicht in weiterem U m f a n g abtreten (vgl. SächsA 1902. 723, K G R s p r . 5. 333). f ) Der Versicherer, von d e m Ausgleichung oder Z a h l u n g auf G r u n d der übergegangenen F o r d e r u n g verlangt wird, k a n n alle E i n w e n d u n g e n m a c h e n , die z u r Zeit des Ubergangs gegen d e n Versicherungsnehmer begründet w a r e n (vgl. BGB §§ 404 fr., 4 1 2 ) . Insbesondere a u c h E i n w e n d u n g e n , die erst n a c h A b s c h l u ß d e s V e r t r a g s e n t s t a n d e n sind, ζ. B. Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht, Vergleich, Verzicht ( K i s c h R h e i n Z f Z u P R 6. 381, P r ö l ß A n m . 5 zu § 59 V V G ; teilw. abw. G e r h a r d 281, S i e v e k i n g 33, H G Z 1 9 1 5 . 1 8 3 ; anders a u c h H G B a. F. § 791, der sich nicht n u r , wie K i s c h a. a . Ο . meint, auf die Mitversicherung, sondern auch auf die Doppelversiche r u n g bezog, aber eben n u r auf die Doppelversicherung mit Prioritätsprinzip zugeschnitten w a r ) . Die E i n w e n d u n g e n dürfen a b e r natürlich nicht begründet werden, u m d e n ausgleichsberechtigten Versicherer zu schädigen (BGB § 826). Doch gilt dies n u r bis z u r Entstehung des Ausgleichsanspruchs, d. h. bis z u m Eintritt des Versicherungsfalls. Vgl. R G 69. 422, 160. 1 5 1 , B G H Z 11. 170, wonach der Ausgleichsanspruch n a c h § 426 BGB 17
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§ 1 0 — der hier entsprechend anzuwenden ist — in dem Zeitpunkt entsteht, in dem mehrere ersatzpflichtig werden. Wird nach diesem Zeitpunkt ein Gesamtschuldner infolge eines nur für ihn wirksamen Umstandes dem Gläubiger gegenüber befreit, so beseitigt das den Ausgleichsanspruch nicht. Wie vorher können zwar Versicherer und Versicherungsnehmer über das sie allein angehende Versicherungsverhältnis verfügen, insbesondere sich dieserhalb vergleichen, oder der Versicherungsnehmer kann auf den Ersatzanspruch verzichten. Doch berührt das nach dem Versicherungsfall die Ausgleichspflicht des betr. Versicherers nicht (vgl. P r ö l ß A n m . 5 zu § 59 V V G ) . — Der Versicherer, von dem Ausgleichung verlangt wird, kann natürlich auch einwenden, daß die V e r s i c h e r u n g des Ausgleichung verlangenden Versicherers u n w i r k s a m sei, also gar keine Doppelversicherung bestehe (oben Anm. 12). E r kann aber n i c h t einwenden, d a ß d e r Ausgleichung verlangende V e r s i c h e r e r s o n s t i g e E i n w e n d u n g e n gegenüber dem Versicherungsnehmer h ä t t e g e l t e n d m a c h e n k ö n n e n , ζ. B. die Einwendung, daß die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt sei. Ebensowenig kann er einwenden, daß der Ausgleichung verlangende Versicherer seinen Vertrag wegen Irrtums usw. hätte anfechten können ( K i s c h R h e i n Z f Z u P R 6. 379). Auch nicht, daß er Herabsetzung der T a x e habe verlangen können (was einzuwenden übrigens auch kein Anlaß besteht, vgl. oben Anm. 16). Anm. 22
g) E r s a t z a n s p r ü c h e , die gemäß §§ 30 Abs. 7, 45 Abs. 1 auf den entschädigenden Versicherer übergegangen sind, g e h e n auf den ausgleichenden Versicherer w e i t e r ü b e r (näheres: § 45 A n m . ; so auch K i s c h , Mehrfache Versicherung i 5 3 f . ) . H a t der entschädigende Versicherer Ersatzansprüche a u f g e g e b e n , so wird der zur Ausgleichung verpflichtete Versicherer sich auf § 45 Abs. 2 berufen können. — Nach § 31 Abs. 2 geht der Anspruch des Versicherungsnehmers auf H a v a r i e g r o s s e - V e r g ü t u n g schon mit seiner Entstehung auf den Versicherer über. I m Falle einer Doppelversicherung wird er anteilsgemäß auf die Versicherer übergehen müssen. — R e c h t e a n d e n v e r s i c h e r t e n S a c h e n , die gemäß § 71 Abs. 3 usw. auf den entschädigenden Versicherer übergegangen sind, gehen auf den ausgleichenden Versicherer weiter über ( § 7 1 Anm.). Wegen dieser Sachen entsteht dann unter den mehreren Versicherern eine Gemeinschaft nach Bruchteilen ( B G B §§ 7 4 1 , 1008). Dasselbe ist der Fall, wenn eine F o r d e r u n g doppelt versichert und gemäß § 1 1 0 Abs. 3 auf den entschädigenden Versicherer übergegangen ist. — Der Anspruch auf A u s k u n f t und Belege (§ 43) wird dem ausgleichenden Versicherer schon auf Grund seines eigenen Vertrags zustehen. Ebenso der Anspruch auf H i l f e l e i s t u n g nach dem Übergang von Ersatzansprüchen und Rechten an der versicherten Sache (§§ 46, 71 Abs. 4); doch wird, da jedenfalls nunmehr „mehrere Versicherer beteiligt" sind, auch § 41 Abs. 1 Satz 3 anzuwenden sein. Anm. 23 8. A b s . 2 S a t z 2 . R e z i p r o z l t ä t s - K l a u s e l . Der Versicherer braucht n i c h t a u s -
z u r e i c h e n , wenn f ü r den anderen Versicherer ausländisches Recht gilt und der andere Versicherer nach diesem Rechte nicht a u s z u r e i c h e n haben w ü r d e .
Wie du mir, so ich dir. Wer nicht auszugleichen braucht, soll auch keine Ausgleichung verlangen können. Deshalb verlangte auch früher, als in Deutschland noch das Prioritätsprinzip galt, der deutsche Versicherer und verlangt heute noch der französische Versicherer vom englischen Versicherer keine Ausgleichung ( V o i g t 90, R i p e r t Nr. 2 5 4 1 ) . A n m . 24 a) O b für die Versicherung (genauer wohl: für die Entschädigungspflicht des Versicherers) a u s l ä n d i s c h e s R e c h t gilt, richtet sich nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts (vgl. § 126 Anm.). Nach diesen Grundsätzen entscheidet in erster Linie der Wille der Parteien darüber, welches Recht gelten soll. Ist ζ. B. in einem Versicherungsvertrag, für den im allgemeinen französisches Recht und damit an sich das Prioritätsprinzip gilt, zulässigerweise vereinbart, daß der Versicherer ausgleichen soll, so kann der Versicherer, für den deutsches Recht gilt, Ausgleichung ver-
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langen und muß auch seinerseits ausgleichen (vgl. auch unten Anm. 25.) — Haben § 10 die Parteien nicht vereinbart, welches Recht gelten soll, so kommt der sog. „hypothetische Parteiwille" in Betracht (vgl. B G H Z 7. 231, 9. 221, 19. 110), der auf das sog. Betriebsstatut hinweist, d. h. auf die Rechtsordnung am Sitz oder Betriebssitz des Versicherers (vgl. B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 9, auch P r ö l ß Vorb. V 2). Letzten Endes gilt das Recht, das an dem Orte gilt, an dem der Versicherer zu erfüllen hat (vgl. auch § 126). Gilt nach dem hiernach anwendbaren Rechte das Prioritätsprinzip, so braucht der Versicherer als zweiter Versicherer nicht zu entschädigen und nicht auszugleichen. Er soll deshalb auch als erster Versicherer keine Ausgleichung verlangen können. Gilt für den e r s t e n Versichererdas P r i o r i t ä t s p r i n z i p , für den z w e i t e n Versicherer das A u s g l e i c h u n g s p r i n z i p , so geht auf den zweiten Versicherer, wenn und soweit er entschädigt, der ganze Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den ersten Versicherer über (§ 45; ähnlich R i p e r t Nr. 2541). — Sind drei Versicherer beteiligt, von denen zwei ausgleichen müssen, der dritte nicht, so wird der auf den dritten entfallende Anteil auf die beiden anderen Versicherer verhältnismäßig unterverteilt (vgl. BGB § 426 Abs. 1 Satz 2). Dafür teilen sich die beiden Versicherer verhältnismäßig in den Entschädigungsanspruch gegen den nach dem Prioritätsprinzip haftenden dritten. b) Der im § 10 Abs. 2 Satz 2 behandelte Konflikt kann auch entstehen, wenn für Anm. beide Versicherungen deutsches Recht gilt, wenn nämlich in einem der beiden Verträge die Pflicht der Ausgleichung wegbedungen und ζ. B. das P r i o r i t ä t s p r i n z i p v e r e i n b a r t ist. In solchen Fällen wird § 10 Abs. 2 Satz 2 sinngemäß anzuwenden sein. Liegt also dem ersten Vertrag des Prioritätsprinzip, dem zweiten das Ausgleichungsprinzip zugrunde, so kann der erste Versicherer keine Ausgleichung verlangen. Ebensowenig der zweite Versicherer; aber dieser erhält, soweit er den Versicherungsnehmer entschädigt, den Entschädigungsanspruch gegen den ersten Versicherer (§ 45). c) Der Versicherer, der Ausgleichung verlangt, muß b e w e i s e n , daß er selbst Anm. auszugleichen verpflichtet ist ( S i e v e k i n g 3 3 ) . Er braucht aber nicht zu beweisen, daß der andere Versicherer auszugleichen verpflichtet ist. Denn wenn der andere Versicherer nicht auszugleichen braucht, muß er gemäß § 45 entschädigen. g. Abs. 3. Betrügerische Doppelversicherung bewirkt Unwirksamkeit aller Anm. in b e t r ü g e r i s c h e r A b s i c h t g e s c h l o s s e n e n V e r t r ä g e . Besteht schon bei der Schließung des e r s t e n Vertrags die betrügerische Absicht, so ist der Vertrag gleichwohl wirksam, wenn es zum Abschluß des zweiten Vertrags nicht kommt. Besteht nur bei der Schließung des z w e i t e n Vertrags die betrügerische Absicht, so bleibt der erste Vertrag wirksam (Begr. z. V V G § 59). •— Unwirksam ist der g a n z e in betrügerischer Absicht geschlossene Vertrag, auch wenn nur teilweise Doppelversicherung besteht, ζ. B. die erste Versicherung % , die zweite Versicherung y2 des Versicherungswerts deckt. — Näheres: § 9 Anm. 6ff. 10. A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s (BGB § 119). Versicherer und Versicherungs- Anm. nehmer können nicht anfechten, weil sie bei der Schließung des Vertrags irrtümlich annahmen, daß das Interesse noch nicht versichert sei. Insbesondere wäre der Irrtum des Versicherungsnehmers bloßer, rechtsunerheblicher, Irrtum im Beweggrund ( O L G Karlsruhe BadRpr. 1 9 1 1 . 46). Überdies würde die besondere Regelung der §§ 10, 11 die Anfechtung wegen Irrtums ausschließen ( K G G e r h a r d s Praxis 3. 59). Anfechtung w e g e n a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g ist natürlich zulässig (BGB § 123). Aber soweit die Doppelversicherung ohnehin unwirksam ist, kann der Vertrag natürlich nicht angefochten und dadurch unwirksam gemacht werden (§ 2 Anm. 10). 1 1 . A b w e i c h e n d e V e r e i n b a r u n g e n sind in beschränktem Umfang zulässig. Vgl. auch Anm R G 130.47, K i s c h , Mehrfache Versicherung83· DieParteien können natürlich nicht vereinbaren, daß jeder Versicherer unbeschränkt für das ganze haften, die Entschädigungs17'
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§ 10 pflicht des einen Versicherers durch die Entschädigung des anderen nicht berührt werden soll. Das wäre mit dem Begriffe der Schadensversicherung nicht vereinbar (Vorb. III, I X vor § ι). Aber sie können vereinbaren, daß j e d e r Versicherer dem Versicherungsnehmer n u r a n t e i l s m ä ß i g haften soll (sog. Pro-rata-Klausel; vgl. auch Begr. z. VVG § 59 und die Feuerversicherungs-Klausel bei R G 6. 178, 44. 32: „Sind die versicherten Gegenstände noch anderswo versichert, so wird der Schaden pro rata vergütet"; s. auch R G DR 1943. 1236, O L G Düsseldorf VersR 1961, 114). Oder daß die Versicherung u n w i r k s a m sein soll, wenn noch eine andere Versicherung genommen ist oder wird, oder soweit unwirksam sein soll, wie eine andere Versicherung reicht (vgl. R G 70. 44, Gruchot 54. 819, HGZ 1891. 171, die sog. Spediteurklausel bei W e y g a n d 109 und die Klausel der Hamburger Kai-Feuerpolice in Mat. 1. 60: „Alle Güter, die durch eine Transportpolice gedeckt sind, scheiden in Höhe der anderweitigen Versicherung aus dieser Versicherung aus"). Oder daß nicht das Ausgleichungsprinzip, sondern das P r i o r i t ä t s p r i n z i p gelten soll (HGZ 1915. 183, 1918. 158). Oder (im zweiten Vertrag), daß dem Versicherer „die Rechte aus der früheren Versicherung a b z u t r e t e n sind" (HGB a. F. § 789 Nr. 1); eine solche Vereinbarung wird insbesondere auch dann anzunehmen sein, wenn „die spätere Versicherung unter der Bedingung geschlossen wird, daß der Versicherer nur insoweit haftet, als der Versicherte sich wegen Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t des f r ü h e r e n V e r s i c h e r e r s an diesem nicht zu erholen vermag" (HGB a. F. §789 Nr. 2; vgl. oben Anm. 7, auch K i s c h RheinZfZuPR 6. 387). Ist insbesondere im ersten Vertrag das Ausgleichungsprinzip vereinbart, im zweiten das Prioritätsprinzip, so ist der zweite Versicherer frei. Der erste Versicherer kann keine Ausgleichung verlangen. Ist dagegen im ersten Vertrag das Prioritätsprinzip vereinbart, im zweiten das Ausgleichungsprinzip, so kann der Versicherungsnehmer von jedem Versicherer Entschädigung verlangen. Der erste Versicherer kann vom zweiten keine Ausgleichung verlangen. Der zweite Versicherer kann vom ersten auch keine Ausgleichung verlangen, wohl aber die vom ersten Versicherer zu zahlende Entschädigung, soweit sie sich mit der von ihm selbst gezahlten Entschädigung deckt (§ 45; vgl. oben Anm. 25). Anm. 30 Anm. 31
12. Über Doppelversicherung bei l a u f e n d e n Versicherungen: § 97 Anm. 13. § 10 gilt auch für die Rückversicherung (vgl. § 1 Anm. 136, auch § 6 Anm. 40, § 9 Anm. 16). — Ist die Vorversicherung eine Doppelversicherung, so geht an und für sich der Anspruch des Vorversicherers auf Ausgleichung mit der auf ihn übergegangenen Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers gegen den anderen Versicherer gemäß § 45 auf den Rückversicherer über, soweit dieser den Vorversicherer entschädigt. Doch hat der abwicklungsberechtigte Vorversicherer auch das Ausgleichsverfahren abzuwickeln (§ 45 Anm.). Anm. 32 14· Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s R e c h t (vgl. auch oben Anm. 3, 5, 15). Der Versicherungsnehmer kann von jedem Versicherer Entschädigung verlangen. Where the policy under which the assured claims is a valued policy, the assured must give credit as against the valuation for any sum received by him under any other policy without regard to the actual value of the subject-matter insured (MIA § 32 Abs. 2b; vgl. oben Anm. 15). Where the policy under which the assured claims is an unvalued policy, he must give credit, as against the full insurable value, for any sum received by him under any other policy (MIA § 32 Abs. 2 c). Where the assured receives any sum in excess of the indemnity allowed by this Act, he is deemed to hold such sum in trust for the insurers, according to their right of contribution among themselves (MIA § 32 Abs. 2d). Each insurer is bound, as between himself and the other insurers, to contribute rateably to the loss in proportion to the amount for which he is liable under his contract. If any insurer pays more than his proportion of the loss, he is entitled
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to maintain an action for contribution against the other insurers, and is entitled to the § 10 like remedies as a surety who has paid more than his proportion of the debt ( M I A § 80). Der Anspruch der Doppelversicherer auf Ausgleichung ist seit 1763 anerkannt ( A r n o u l d 354 s. 383). b) Im ü b r i g e n herrscht im allgemeinen das Prioritätsprinzip. V g l . z. B. C . de Anm. 33 comm. Art. 359: S'il existe plusieurs contrats d'assurance faits sans fraude sur le meme chargement, et que le premier contrat assure l'enti^re valeur des effets charges, il subsistera seul. — Les assureurs qui ont signe les contrats subsequents sont liberes; ils ne regoivent que demi pour cent de la somme assuree. — Si l'enti£re valeur des effets charges n'est pas assuree par le premier contrat, les assureurs qui ont signe les contrats subsequents, r6pondent de l'excedent en suivant l'ordre de la date des contrats. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Güterversicherung, wird aber auf andere Versicherungen sinngemäß angewendet ( R i p e r t Nr. 2537). Die zweite Versicherung ist sogar insoweit ungültig, als sie bessere Bedingungen enthält ( R i p e r t Nr. 2539). Z u gleicher Zeit geschlossene Versicherungen werden verhältnismäßig geteilt ( R i p e r t Nr. 2537). L a r£gle legale n'est pas d'ordre public. Die Parteien können abweichendes vereinbaren. Mais il faut naturellement, que la clause derogeant ä la r£gle legale se trouve dans toutes les polices, puisqu'il s'agit de regier un conflit entre des assureurs qui ne se connaissent pas et qui n'ont pas contracte entre eux ( R i p e r t Nr. 2539). -— Das Recht der VerSt. von Am. stimmt mit dem englischen überein. Aber das Prioritätsprinzip it deemed by the American merchants so preferable, in point of simplicity and convenience, that clauses are very generally introduced into their policies to prevent the rule of contribution, and to make the insurers responsible according to the order of date of their subscriptions, ζ. B. die Klausel: It is further agreed, that if the assured shall have made any other assurance upon the premises prior in date to this policy, the assurers shall be answerable only for so much as the amount of such prior insurance may be deficient ( A r n o u l d 355 s. 385). c) Uber Versuche der I n t e r n a t i o n a l i s i e r u n g des Doppelversicherungs-Rechts: Anm. 34 Intern. Marine Insurance Rules der Intern. L a w Association, Rouen Conf. 1900, Glasgow Conf. 1901. § 1 1 Beseitigung der Doppelversicherung (1) H a t der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r den V e r t r a g , d u r c h d e n die D o p p e l versicherung entstanden ist, o h n e K e n n t n i s v o n der a n d e r e n V e r s i c h e r u n g geschlossen, so k a n n er, sofern die V e r s i c h e r u n g n o c h nicht b e g o n n e n h a t , v o n j e d e m Versicherer v e r l a n g e n , d a ß die V e r s i c h e r u n g s s u m m e , unter verhältnism ä ß i g e r M i n d e r u n g der P r ä m i e , auf d e n B e t r a g des Anteils herabgesetzt w i r d , d e n der Versicherer i m Verhältnisse z u d e m a n d e r e n V e r s i c h e r e r z u tragen h a t . D a s R e c h t erlischt, w e n n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r es nicht u n v e r z ü g l i c h geltend m a c h t , n a c h d e m er v o n der D o p p e l v e r s i c h e r u n g K e n n t n i s erlangt h a t . (2) D e r V e r s i c h e r e r k a n n i m F a l l e einer H e r a b s e t z u n g der P r ä m i e Ristornogebühr verlangen.
die
1. Vgl. H G B § 788, A S V B §§ 10—14, 155—159, B S V B § 69, V V G § 60. Anm. t 2. Literatur. § 10 Anm. 2. Anm. 2 3. A b s . 1. Der doppelversicherte Versicherungsnehmer kann Beseitigung der Anm. 3 Doppelversicherung verlangen. Vorausgesetzt ist:
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a) Der Versicherungsnehmer hat den Vertrag, durch den die Doppelversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis v o n der anderen Versicherung g e s c h l o s s e n . •— Uber den Begriff der „Schließung" des Vertrags: § 2 Anm. 20, § 19 Anm. 16 bis 18. — Über den Begriff der D o p p e l v e r s i c h e r u n g : § 10 Anm. 8. — Über den Begriff der K e n n t n i s : §2 Anm. 15, § 19 Anm. 39. — Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind, vgl. Vorb. V I vor § 1. Insbesondere schadet im Falle gemeinschaftlicher Versicherung der im Miteigentum der Versicherungsnehmer stehenden Sache die Kenntnis des einen Versicherungsnehmers von der Entstehung der Doppelversicherung den übrigen nicht (abw. K i s c h ZHR 75. 260; vgl. unten Anm. 4). — Hat der Versicherungsnehmer durch einen V e r t r e t e r abgeschlossen, so kommt es auf die Kenntnis des Vertreters an (BGB § 166 Abs. 1). Hat der Bevollmächtigte des Versicherungsnehmers jedoch nach dessen bestimmten Weisungen gehandelt, so kommt auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers in Betracht (BGB § 166 Abs. 2). Näheres: § 2 Anm. 16. — Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommt auch die Kenntnis des V e r s i c h e r t e n in Betracht (anal. § 57). — Von der „ a n d e r e n V e r s i c h e r u n g " muß der Versicherungsnehmer Kenntnis gehabt haben. Es genügt, wenn er zwar von der anderen Versicherung Kenntnis gehabt, aber irrtümlicherweise geglaubt hat, daß sie die Gefahr, gegen die er die zweite Versicherung nimmt (ζ. B. die Kriegsgefahr), nicht decke. Auch genügt, wenn er zwar von der anderen Versicherung Kenntnis gehabt, aber irrtümlicherweise geglaubt hat, daß die beiden Versicherungssummen den Versicherungswert nicht übersteigen (Kisch ZHR 75. 225, anders K i s c h , Mehrfache Versicherung 184, beide Zitate zu § 60 V V G a. F.), oder daß die andere Versicherung abgelaufen ist (abw. ITVMitt 1922. 74). Der Versicherungsnehmer braucht nicht davon Kenntnis gehabt zu haben, daß durch die Versicherung „Doppelversicherung entsteht" (anders § 60 Abs. 1 V V G i. d. F. der V O v. 19. Dezember 1939: „Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag, durch welchen die Doppelversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis von dem Entstehen der D o p p e l Versicherung geschlossen . . ."). Sind die beiden Versicherungen (ζ. B. eine Versicherung für eigene und eine Versicherung für fremde Rechnung) g l e i c h z e i t i g genommen, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß die eine ohne Kenntnis von der anderen, die andere ohne Kenntnis von der einen genommen ist. —· Die (bloße) K e n n t n i s des V e r s i c h e r e r s ist ohne Bedeutung. b) Die Versicherung hat noch nicht begonnen. Anders HGB § 778, V V G § 60; wie die ADS: MIA § 84 Abs. 3f., vgl. auch ME X I X , 22. — Über den Beginn der Versicherung: §§ 39, 66, 88 usw. Hat die eine Versicherung begonnen, die andere noch nicht, so kann der Versicherungsnehmer nur von dem anderen Versicherer (teilweise) Beseitigung der Doppelversicherung verlangen. — § 1 1 setzt also voraus, daß Doppelversicherung bereits bestehen und demgemäß auch beseitigt werden kann, obgleich die Versicherungen noch nicht begonnen haben. Mit Recht. Denn versichert ist ein (nicht bloß künftiges) Interesse bereits, wenn für das Interesse Versicherung genommen ist, nicht erst, wenn die Versicherung begonnen hat (§ 49 Anm.; abw. K i s c h ZHR 75. 225). 4. Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann verlangen. Nicht auch der Versicherer. — Uber den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Uber den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Insbesondere wird im Fall der gemeinschaftlichen Versicherung einer im Miteigentum der Versicherungsnehmer stehenden Sache jeder Versicherungsnehmer Herabsetzung des auf seinen Anteil entfallenden Teils der Versicherungssumme verlangen können. Anders K i s c h ZHR 75. 260, auch Mehrfache Versicherung 206 ff.: Die Versicherungsnehmer könnten nur gemeinschaftlich verlangen. Diese Auffassung widerspricht der Interessenlage, ist vom Gesetze nicht veranlaßt und führt zu zweckwidrigen Verwicklungen, wenn die Doppel-
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Versicherung dadurch entsteht, daß zunächst gemeinschaftlich Versicherung genommen wird und demnächst ein Versicherungsnehmer sein Bruchteilsinteresse besonders versichert (s. dazu K i s c h , Mehrfache Versicherung 280 Anm. 5). — Bei der Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g kann der Versicherungsnehmer gemäß § 54 Abs. 1, der Versicherte gemäß § 53 Abs. 2 (dieser also, wenn er im Besitz der Police oder der Zustimmung des Versicherungsnehmers ist) verlangen. So auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 11 ADS. Anders K i s c h Z H R 75. 272: Nur der Versicherungsnehmer könne verlangen, der Versicherte nicht; denn der Versicherungsnehmer sei allein Subjekt des Vertragsverhältnisses, er könne daher auch allein über das Vertragsverhältnis im ganzen verfügen. Wäre dies richtig, so wäre die Rechtsstellung des Versicherten noch unsicherer, als sie es nach § 54 Abs. 1, 2 ohnehin ist. Es ist aber auch unrichtig, daß die Herabsetzung der Versicherungssumme keine Verfügung über seine Rechte wäre, zu der er nach § 53 Abs. 2 berechtigt ist. Das ergibt sich ohne weiteres aus der Gegenüberstellung des § 53 Abs. 2 und des § 54 Abs. 1. Der Versicherte kann die Doppelversicherung übrigens auch dadurch beseitigen (genauer: verhindern), daß er seine Zustimmung zu der für seine Rechnung genommenen Versicherung verweigert ( § 1 0 Anm. 12). 5. Der Versicherungsnehmer kann verlangen. Das Verlangen ist, seinem natürliehen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich rechtsändernde Willenserklärung (näheres über solche Erklärungen: Vorb. IV vor § 1). Über Erklärungen gegenüber einem V e r t r e t e r , insbesondere einem Gesamtvertreter des Versicherers: § 3 Anm. 18. — Der Versicherer braucht das Verlangen nicht anzunehmen oder sich mit ihm einverstanden zu erklären. Die Doppelversicherung wird nicht erst durch V e r e i n b a r u n g beseitigt, sondern unmittelbar durch die einseitige Erklärung (näheres: § 6 Anm. 3 1 ; ebenso Prölß Anm. 4 zu § 60 V V G , R o e l l i 314 für den Fall der Prämienminderung wegen Verminderung der Gefahr, abw. K i s c h ZHR 75. 231, 238 und Mehrfache Versicherung I93f.; vgl. auch R e m e , Die Gestaltungsrechte im Privatversicherungsrecht, Diss. Hamburg 1927, 31 f.). — Das Verlangen muß (gleich allen rechtsgestaltenden Willenserklärungen) bestimmt sein. Der Versicherer muß wissen, woran er ist. Der Versicherungsnehmer muß also wenigstens die Einzelheiten der anderen Versicherung angeben und die Grundlagen für die Beseitigung der Doppelversicherung (vgl. auch unten Anm. 10, 11). 6. Der Versicherungsnehmer kann von jedem Versicherer verlangen. Er braucht natürlich nicht von jedem zu verlangen (Kisch ZHR 75. 243, Mehrfache Versicherung 197). Er kann sich auf einen oder einzelne Versicherer beschränken. — Ist die eine Versicherung eine Mitversicherung, so kann der Versicherungsnehmer auch nur von einzelnen Mitversicherern verlangen (vgl. Vorb. V vor § 1 ; abw. K i s c h ZHR 75. 262, wenn anders hier nicht nur ein Fall der gemeinschaftlichen Versicherung gemeint ist, wie er etwa bei der Valorenversicherung üblich ist, vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 50). 7. Der Versicherungsnehmer muß unverzüglich, nachdem er von der DoppelVersicherung Kenntnis erlangt hat, verlangen. — „Unverzüglich" bedeutet: ohne s c h u l d h a f t e s Z ö g e r n (BGB § 121 Abs. 1). Näheres: § 2 Anm. 20. — Das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und seiner H i l f s p e r s o n e n muß der Versicherungsnehmer in den Grenzen des § 278 BGB gegen sich gelten lassen; über die sinngemäße Anwendung des § 278 BGB: Vorb. vor § 1 Anm. 67. — Über den Begriff der K e n n t n i s e r l a n g u n g : § 2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht Kennenmüssen (ITVMitt 1922. 74). Auch die Kenntnis dritter muß der Versicherungsnehmer in den Grenzen des § 278 BGB gegen sich gelten lassen (näheres: § 3 Anm. 19). Ist der Versicherungsnehmer gesetzlich vertreten, so wird es hiernach regelmäßig nur auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ankommen. Die Kenntis sonstiger dritter muß er gegen sich gelten lassen, wenn er sich ihrer bei seinen Versicherungsangelegenheiten bedient
§ 11
Anm. 5
Anm. 6
Anm. 7
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(näheres: Vorb. V I I I vor § i). — Uber den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: vgl. Vorb. V I vor § i. Insbesondere schaden im Falle gemeinschaftlicher Versicherung der im Miteigentum der Versicherungsnehmer stehenden Sache Kenntnis und Verschulden des einen Versicherungsnehmers den übrigen nicht (abw. K i s c h H R Z 75. 260; vgl. oben Anm. 4). — Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommen auch Kenntnis und Verschulden des Versicherten in Betracht (vgl. oben Anm. 4). — Von der D o p p e l v e r s i c h e r u n g muß der Versicherungsnehmer Kenntnis erlangt haben. Uber den Begriff der Doppelversicherung: § 10 Anm. 8 ff. Insbesondere genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer von der anderen Versicherung Kenntnis erlangt hat. Er muß auch davon Kenntnis erlangt haben, daß die andere Versicherung dasselbe Risiko, ganz oder teilweise, deckt. Wenn der Versicherungsnehmer eine zweite Versicherung nimmt, weil er die Prolongationsklausel der ersten Versicherung übersehen hat und die erste Versicherung deshalb für beendigt hält, erlangt er von der Doppelversicherung erst Kenntnis, nachdem er von der Fortdauer der ersten Versicherung Kenntnis erlangt hat (ITVMitt 1922. 74; aber er hat den Vertrag, durch den die Doppelversicherung entstanden ist, in Kenntnis von der anderen Versicherung geschlossen: oben Anm. 3). Anm. 8 8. Der Versicherungsnehmer kann verlangen, „daß die Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie auf den Betrag des Anteils herabgesetzt wird, den der Versicherer im Verhältnis zum anderen Versicherer zu tragen hat". Er kann sich natürlich auch darauf beschränken, Herabsetzung auf einen höheren Betrag als denjenigen des Anteils zu verlangen (Kisch ZHR 75. 247). Näheres über die Errechnung dieses Anteils: § 10 Anm. 16. — Gesetz und ADS rechnen nur mit dem einfachsten, aber nicht gewöhnlichsten Falle, daß die mehreren Versicherungen g l e i c h a r t i g sind. Sind dieselben Güter für dieselbe Zeit und dieselbe Gefahr für 100000 zweimal versichert, so kann der Versicherungsnehmer von jedem Versicherer verlangen, daß die Versicherungssumme auf 50000 herabgesetzt wird. In anderen F ä l l e n ist es mit der einfachen Herabsetzung der Versicherungssumme nicht getan. So ζ. B., wenn die Güter beim einen Versicherer für alle Gefahr, beim anderen Versicherer für dieselbe Zeit und dieselbe Summe „Nur für Kriegsgefahr" versichert sind. Oder wenn sie beim Seeversicherer für alle Gefahren und für 30 Tage Kailagerung, beim Feuerversicherer für Feuer und für eine längere Lagerung versichert sind. Oder wenn sie beim einen Versicherer „Frei von 3 % Beschädigung", beim anderen Versicherer für dieselbe Zeit und im übrigen für dieselbe Gefahr, aber „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert sind, ober beim einen „Frei von 3 % Beschädigung", beim anderen „Frei von 10% Beschädigung". Auch in solchen Fällen muß der Versicherungsnehmer, soweit die Doppelversicherung reicht, nach dem Zwecke des Gesetzes und der ADS Beseitigung der Doppelversicherung, Herabsetzung der Versicherungssumme in den durch die Doppelversicherung bestimmten Grenzen, verlangen können. Größere Schwierigkeiten bietet in diesen Fällen die Herabsetzung der Prämie. Hierüber unten Anm. 1 1 . — Gesetz und ADS sind auch sonst nicht genau. Versicherungssummen können ganz fehlen. Die Güter im Versicherungswert von 100000 können ohne Versicherungssumme (und ohne Taxe: § 6 Anm. 12) zweimal bei verschiedenen Versicherern versichert sein. Natürlich kann der Versicherungsnehmer auch in solchen Fällen Beseitigung der Doppelversicherung verlangen. — Gesetz und ADS sind auch sonst nicht genau. Wenn die erste Versicherung eine Versicherung mit P r i o r i t ä t s p r i n z i p , die zweite Versicherung eine Versicherung mit Ausgleichungsprinzip ist, kann der Versicherungsnehmer vom ersten Versicherer natürlich nicht Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen. Nach dem Wortlaut des § 11 könnte er auch vom zweiten Versicherer keine Herabsetzung verlangen. Denn der zweite Versicherer hat
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nicht „im Verhältnisse zu dem anderen Versicherer einen Anteil zu tragen", auf dessen § 1 1 Betrag die Versicherungssumme herabgesetzt werden könnte. Nach Gesetzeszweck und Interessenlage wird man aber auch in solchen Fällen die Herabsetzung zulassen müssen. Die Versicherungssumme der zweiten Versicherung ist also auf den Betrag des Anteils herabzusetzen, den der zweite Versicherer im Verhältnis zum ersten Versicherer zu tragen haben würde, wenn die erste Versicherung ebenfalls eine Versicherung mit Ausgleichungsprinzip wäre (abw. K i s c h ZHR 75. 230 und Mehrfache Versicherung 186, mit der Begründung, es fehle an einer Rechnungsgrundlage für die Herabsetzung der Versicherungssumme; wie hier S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 2 zu § 11 ADS). — Wenn die eine Versicherung U b e r v e r s i c h e r u n g ist, kommt nicht die Versicherungssumme, sondern der Versicherungswert in Betracht. Denn soweit die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, ist ja der Vertrag unwirksam, also nichts mehr herabzusetzen (§9 Abs. 1). Sind die Güter im Versicherungswert von 6000 beim einen Versicherer für 7000, beim anderen Versicherer für 6000 versichert, die eine Versicherung also fiir 1 000 unwirksam, so werden die Versicherungssummen nicht auf '/ l3 von 7000 oder 6000 und e/13 von 6000 herabgesetzt, sondern beide auf e/12 von 6000, also auf 3 000. g. Beweislast. Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß Doppelversicherung Anm. besteht, daß er den Vertrag, durch den die Doppelversicherung entstanden ist, ohne Kenntnis von der anderen Versicherung geschlossen hat, daß die Versicherung noch nicht begonnen hat, in welchem Umfange die Doppelversicherung zu beseitigen ist. Der Beweis, daß eine Doppelversicherung besteht, wird im allgemeinen als geführt anzusehen sein, wenn der Versicherungsnehmer den Abschluß des anderen, sich mit dem vorliegenden ganz oder teilweise deckenden Vertrags beweist. Der Versicherer muß beweisen, daß keine Doppelversicherung besteht, weil der andere Vertrag unwirksam ist. Ebenso, daß die Ausübung des Herabsetzungsrechts verzögert ist; daß die Verzögerung nicht verschuldet ist, muß der Versicherungsnehmer beweisen (vgl. § 3 Anm. 24). 10. Ist das Verlangen berechtigt, so sind die Folgen: Anm. a) Die Doppelversicherung ist beseitigt, die Versicherungssumme (überhaupt oder in den beschränkteren Grenzen der Doppelversicherung) auf den Ausgleichsanteil herabgesetzt. Natürlich nur fiir die Versicherung, für die der Versicherungsnehmer Herabsetzung verlangt hat. Für die andere nicht. Die Doppelversicherung kann also für die eine Versicherung a u f h ö r e n , für die andere weiterbestehen. Entschädigt der eine Versicherer, so kann er keine Ausgleichung verlangen; entschädigt der a n d e r e , so kann er Ausgleichung verlangen, — natürlich nicht auf Grund der herabgesetzten, sondern der f r ü h e r e n Versicherungssumme. Anders K i s c h ZHR 75. 245 und Mehrfache Versicherung I98f.: Die Doppelversicherung sei auch für die eine Versicherung nur „vermindert", nicht beseitigt; wenn Versicherungssummen und Versicherungswert 12000 betrügen und die eine Versicherungssumme auf 6000 herabgesetzt sei, trügen die Versicherer den Schaden zu β/1β und 12 / le . — Bei der Berechnung des Ausgleichsanteils wäre auch zu berücksichtigen, daß etwa von einem der Versicherer nichts zu erlangen sein wird, daß ζ. B. von den drei Versicherern A, Β und C der Versicherer C zahlungsunfähig ist (§10 Anm. 16). Dies wird aber, wenn der Versicherungsnehmer Herabsetzung der Versicherungssumme verlangt, oft noch nicht feststehen. Und wenn es feststeht, steht schwerlich fest, wie groß der Ausfall beim Versicherer C sein wird. Das Gesetz und noch weniger die ADS, die j a die Herabsetzung nur vor dem Beginn der Versicherung gestatten, werden nicht beabsichtigt haben, die Herabsetzung der dadurch hervorgerufenen Unsicherheit auszusetzen. Man wird daher annehmen müssen, daß der Versicherungsnehmer Herabsetzung ohne R ü c k s i c h t auf einen möglichen A u s f a l l bei einem der mehreren Versicherer ver-
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§ 1 1 langen kann (und im Zweifel verlangt). Sind also die Güter bei zwei Versicherern für dieselbe Zeit, Gefahr und Summe vollversichert und ist die Versicherungssumme für beide Versicherer auf die Hälfte herabgesetzt, so bleibt es dabei, auch wenn der eine Versicherer später Konkurs macht und von ihm nichts zu erlangen ist. Ist nur die Versicherungssumme dieses einen Versicherers herabgesetzt, so hat es wiederum dabei sein Bewenden; der andere Versicherer kann zwar Ausgleichung verlangen, muß sich aber mit der Konkursdividende begnügen. — Ist die eine Versicherung U b e r v e r s i c h e r u n g , so kann die Herabsetzung der Versicherungssumme zur Folge haben, daß die Überversicherung beseitigt wird. Sind die Güter im Versicherungswert von 6000 beim einen Versicherer für 7000, beim anderen Versicherer für 3000 versichert, so werden die Versicherungssummen auf e/9 und s/9 von 6000, also auf 4000 und 2000 herabgesetzt. Die Versicherung beim einen Versicherer ist also keine Uberversicherung mehr. Anm. 11 b) Die Prämie ist verhältnismäßig herabgesetzt oder gemindert. Die Herabsetzung macht bei gleichartigen Versicherungen im allgemeinen keine Schwierigkeiten. Möglicherweise ist aber die Prämie für geringere Summen verhältnismäßig höher, als für größere. Dann ist auch hierauf Rücksicht zu nehmen (Kisch ZHR 75. 250). — Bei u n g l e i c h a r t i g e n Versicherungen (bei Versicherungen ζ. B., von denen die eine „Frei von 3 % Beschädigung", die andere „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" geschlossen ist) ist die Herabsetzung nach ME 22 „praktisch vielleicht oft gänzlich undurchführbar", nach G e r h a r d 279 unmöglich. Das ältere Recht überwand diese Schwierigkeiten teilweise, indem es einfach die zweite Versicherung ohne weiteres, ohne Rücksicht auf die etwa abweichenden Bedingungen, für ungültig erklärte (vgl. ASVB § 158). Heute kann man den Schwierigkeiten jedenfalls nicht dadurch aus dem Wege gehen, daß man ζ. B. für den Fall, daß die eine Versicherung mehr Gefahren deckt, als die andere, „in der Vereinbarung einer einheiüichen Prämie für mehrere Gefahren den Ausschluß des Ermäßigungsrechts" erblickt (so G e r h a r d 280). Vielmehr wird, erforderlichenfalls mit Hilfe von Sachverständigen, festgestellt werden müssen und auch können, um welchen Betrag die Prämie „verhältnismäßig zu mindern" ist (Kisch ZHR 75. 233). Übrigens wird die Minderung der Prämie in diesen Fällen sehr selten sein, weil es sich meist um geringfügige Prämienabschläge handelt, und meist auch die Versicherung begonnen haben wird, bevor der Versicherungsnehmer von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt. —• Die Nebenkosten (Stempel usw.) werden nicht gemindert. Doch kann der Versicherer nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zur Erstattung zurückgezahlter Stempelbeträge oder zur Abtretung von Stempelerstattungs-Ansprüchen verpflichtet sein (BGB §§ 812if.). — Ist die Prämie gezahlt und hierauf gemindert, so kann der Versicherungsnehmer den Minderungsbetrag kondizieren (BGB §§ 8i2ff.). Anm. 12 1 1 . Ist das V e r l a n g e n u n b e r e c h t i g t , so hat es keine Rechtsfolgen. Die Doppelversicherung war nicht vorhanden und konnte daher auch nicht beseitigt werden. Die Versicherungssumme ist nicht herabgesetzt, die Prämie nicht gemindert. Anders K i s c h RheinZfZuPR 6. 380: „Der Ermäßigungsvorgang habe gewissermaßen abstrakte Geltung: er sei nicht in seiner Wirksamkeit davon abhängig, ob die Voraussetzungen, von denen man bei seiner Verwirklichung ausging, tatsächlich gegeben seien oder nicht". Der Standpunkt wäre nur begründet, wenn der „Ermäßigungsvorgang" eine Vereinbarung bildete (was K i s c h freilich ZHR 75. 231, 238 und Mehrfache Versicherung 188 behauptet, vgl. oben Anm. 5). Werden Versicherungssumme und Prämie tatsächlich durch Vereinbarung herabgesetzt, so hat es freilich dabei sein Bewenden, wenn nicht etwa anzunehmen ist, daß die Vereinbarung unter der Voraussetzung der Doppelversicherung getroffen ist.
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12. Wird die doppelversicherte Sache veräußert, so kann der E r w e r b e r Beseitigung der Doppelversicherung verlangen. Die Beseitigung wirkt auch zugunsten des Veräußerers. Der Veräußerer haftet j a nach § 49 Abs. 1 für die Prämie mit dem Erwerber als Gesamtschuldner. Ist die Prämie herabgesetzt, so haftet der Veräußerer nur noch für die herabgesetzte Prämie. Zwar wirken Tatsachen, die das Schuldverhältnis berühren, im allgemeinen nur für den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten (BGB § 425). Aber es handelt sich hier nicht nur um eine Tatsache, die in der Person des Erwerbers eintritt, sondern um die vom Gesetz bestimmte Rechtsfolge einer Veränderung des Schuldverhältnisses, nämlich der Herabsetzung der Versicherungssumme. Daß es gerade der Erwerber ist, der diese Herabsetzung herbeiführt, kommt dabei nicht in Betracht. Würde das Gesetz eine andere Art der Herabsetzung angeordnet haben, so würde die Rechtsfolge für den Erwerber wie für den Veräußerer dieselbe sein müssen. Anders K i s c h Z H R 75. 266 und Mehrfache Versicherung 202: Der Erwerber könne nur für seine Person Herabsetzung der Versicherungssumme und der Prämie verlangen, der Veräußerer könne aber auch (zwar nicht Herabsetzung der Versicherungssumme, wohl aber) Herabsetzung der Prämie verlangen, dann hafte (wenn nicht auch der Erwerber Herabsetzung verlange) der Erwerber für die ganze Prämie und der Veräußerer nur für einen verhältnismäßigen Teil der Prämie: das Ergebnis sei nur auf den ersten Blick befremdlich, denn der Erwerber hafte ja dem Versicherer für die ganze Prämie. Daß der Versicherer hiernach das Nachsehen haben würde, wenn der Erwerber, den doch nicht er, sondern der Veräußerer ausgesucht hat, zahlungsunfähig würde, wird nicht berücksichtigt. — Entsteht die Doppelversicherung erst n a c h der Veräußerung, so gilt das gleiche. Wiederum abweichend K i s c h Z H R 75. 264 und Mehrfache Versicherung 210. Die vom Erwerber herbeigeführte Herabsetzung der Prämie könne dem Veräußerer nicht zugute kommen, der Veräußerer könne in diesem Falle auch nicht seinerseits Herabsetzung der Prämie verlangen. — Der Erwerber kann übrigens die Doppelversicherung auch dadurch beseitigen, daß er das eine Versicherungsverhältnis gemäß § 49 Abs. 4 kündigt ( K i s c h Z H R 75. 264). 13. Abs. 2. Für den Minderungsbetrag kann der Versicherer die Ristornogebühr verlangen. Näheres: § 3 Anm. 29ff. — Höhe der Ristornogebühr: § 18. 14. Abweichende Vereinbarungen sind zulässig. Insbesondere kann vereinbart werden, daß der Versicherungsnehmer keine Beseitigung der Doppelversicherung, oder daß (auch) der Versicherer ihre Beseitigung verlangen kann. 15. § 11 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136, § 6 Anm. 40, § 9 Anm. 16). — Wenn die Vorversicherung Doppelversicherung ist und der Vorversicherte Herabsetzung der Versicherungssumme und Minderung der Prämie verlangt, fällt das rückversicherte Interesse teilweise weg. Hängt die Rückprämie von der Vorprämie ab, so mindert sie sich verhältnismäßig; dagegen erhält der Rückversicherer verhältnismäßigen Anteil an der Ristornogebühr ( § 3 Anm. 34). Sonst entstehen lediglich die Rechtsfolgen des Interessewegfalls (§4). Ist die Vorversicherungssumme soweit herabgesetzt, daß sie das Maximum des Vorversicherers nicht mehr überschreitet, die Vorversicherung also vom Rückversicherungs-Vertrag nicht mehr umfaßt wird, so kann der Rückversicherer nur die Ristornogebühr verlangen ( § 4 Abs. 1). 16. F r e m d e Rechte. Nach e n g l i s c h e m Recht kann der Versicherungsnehmer keine Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen. Er kann von den Doppelversicherern a proportionate part of the premium verlangen. Aber nicht von dem Versicherer, der zu irgendeiner Zeit das Risiko allein getragen hat. Ebensowenig von dem Versicherer, von dem er Zahlung der ganzen Entschädigung erhält. Ebensowenig, wenn er beim Abschluß des Vertrags von der Doppelversicherung Kenntnis hatte. Näheres M I A § 84, A r n o u l d 1225 s. 1249. — Uber das f r a n z ö s i s c h e Recht: § 10 Anm. 33.
§ H Anm. 13
Anm. 14 Anm. 15
Anm. 16
Anm. 17
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§12
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§12 Mitteilung von Doppelversicherungen
Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Mitteilung zu machen. Anm. ι Anm. 2
i . V g l . H G B § 789, V V G § 58. — L i t e r a t u r : § 10 A n m . 2. 2. N a c h § 789 H G B , § 58 V V G muß, wer für ein Interesse gegen dieselbe Gefahr Versicherung nimmt, j e d e m Versicherer von der anderen Versicherung Mitteilung machen. Also nicht nur im Falle einer D o p p e l Versicherung, sondern auch i m Falle einer gewöhnlichen M i t v e r s i c h e r u n g (über diese: V o r b . V vor § 1). Bei der Doppelversicherung hat der Versicherer ein Interesse an der Mitteilung wegen der möglichen Herabsetzung der Versicherungssumme ( § 1 1 ) und wegen der Ausgleichung, bei jeder A r t mehrfacher Versicherung wegen der Möglichkeit gemeinsamer A b w i c k l u n g der Versicherungsverhältnisse, der aus den Bedingungen der anderen Versicherung sich ergebenden Beurteilung des Risikos, der Umstände, die z u r Versicherung bei mehreren Versicherern A n l a ß geben, usw. (vgl. Begr. z. V V G § 58, M a t . 1. 58). — Ebenso, wie § 789 H G B , Ε i g ί ο § 12. Anders § 12 A D S : Die Mitteilungspflicht besteht nur im Falle der D o p p e l Versicherung. Anm. 3 N a c h § 789 H G B , § 58 V V G braucht nur mitzuteilen, wer mehrfach Versicherung nimmt (vgl. M E 44). Also nicht, wer für eigene R e c h n u n g Versicherung nimmt, nachdem schon ein a n d e r e r für seine R e c h n u n g Versicherung genommen hat, oder wer für fremde R e c h n u n g Versicherung nimmt, n a c h d e m schon der V e r s i c h e r t e für eigene R e c h n u n g Versicherung genommen hat (abw. S i e v e k i n g 37). Anders § 12 A D S für den Fall der Doppelversicherung: W e r a u c h i m m e r Versicherung nimmt oder genommen hat, m u ß von der Doppelversicherung Mitteilung machen. Anm. 4
3. Der Versicherungsnehmer m u ß mitteilen. Ü b e r den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. Ü b e r den Fall, d a ß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind, vgl. V o r b . V I vor § 1 . — A u c h i m Falle einer Versicherung für f r e m d e R e c h n i m g m u ß an sich nur der Versicherungsnehmer mitteilen. Nicht der Versicherte. D e n n m a n kann durch V e r t r a g einem dritten z w a r R e c h t e zuwenden, nicht aber V e r bindlichkeiten, deren Verletzung z u m unbeschränkten Schadensersatz verpflichtet (anders K i s c h Mehrfache Versicherung 33). Anders, w e n n der Versicherte der für seine R e c h n u n g genommenen Versicherung zugestimmt hat. Näheres hierüber: § 52 A n m . , § 53 A n m . , auch § 26 A n m . 4. — W i r d die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so m u ß der Erwerber mitteilen, w e n n er von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt (§ 49 Abs. 1). O b die Doppelversicherung vor oder nach der V e r ä u ß e r u n g entstanden ist, ist dafür ohne Bedeutung, wenn nur der Erwerber erst nach der doppelten V e r sicherung von dieser Kenntnis erlangt hat. Anm. 5 4. Der Versicherungsnehmer hat mitzuteilen. Er ist d a z u v e r p f l i c h t e t . Der V e r sicherer kann die Mitteilung verlangen. Z w a r wird er regelmäßig nicht darauf klagen können ( L e n n e 132; anders K i s c h Mehrfache Versicherung 39). D e n n wenn er darauf klagen würde, würde er u m die Doppelversicherung wissen, und, würde er d a r u m wissen, so würde er regelmäßig keinen A n l a ß haben, z u klagen. A b e r der M a n g e l der Leistungsklage schließt nicht aus, d a ß ein Anspruch und eine Verbindlichkeit besteht (Vorb. V I I I vor § 1). Deshalb ist a u c h § 278 B G B a n w e n d b a r ; der V e r sicherungsnehmer m u ß insbesondere das Verschulden v o n Personen, deren er sich z u r Erfüllung der Mitteilungspflicht bedient, gegen sich gelten lassen. Näheres hierüber: § 2 A n m . 17, § 5 A n m . 35. — Die Mitteilungspflicht ist, nach der Natur des SchuldVerhältnisses, B r i n g s c h u l d . Der Versicherungsnehmer m u ß dem Versicherer die
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Mitteilung auf eigene Kosten und Gefahr übermitteln. Kommt sie insbesondere aus Gründen, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, nicht an, so muß der Versicherungsnehmer noch einmal mitteilen (vgl. Vorb. V I I vor § i, §3 Anm. 17). 5. Dem Versicherer ist mitzuteilen, und zwar jedem Versicherer, also nicht nur dem späteren Versicherer, durch dessen Vertrag die Doppelversicherung erst entstanden ist, sondern auch dem früheren Versicherer, bei dessen Vertragsschluß sie noch nicht bestand (Kisch Mehrfache Versicherung 35, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 2 zu § 12 ADS; anders die Vorauflage dieses Kommentars; vgl. auch oben Anm. 4). — Ist der Versicherer gesetzlich vertreten, so ist regelmäßig dem gesetzlichen V e r t r e t e r mitzuteilen. Ist der Versicherer rechtsgeschäftlich vertreten, so kann auch dem V e r t r e t e r mitgeteilt werden. Auch dem Agenten des Versicherers, selbst wenn er nur vermittelt hat (HGB § 86 Abs. 2; vgl. V V G §§ 43 Nr. 2, 47). — Ist der Versicherer durch Gesamt Vertreter vertreten, so genügt Mitteilung an nur einen Gesamtvertreter (vgl. R G 53. 231). — Sind an der Versicherung mehrere Versicherer beteiligt, so ist allen mitzuteilen. Auch dann, wenn über die mehreren Versicherungen nur eine Police ausgestellt ist. Ist ein Versicherer „Führer", so ist Mitteilung an ihn genügend, aber auch erforderlich (näheres: Vorb. V vor §1). 6. Sobald der Versicherungsnehmer von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt hat, muß er mitteilen. — Uber den Begriff der K e n n t n i s e r l a n g u n g : §2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht Kennenmüssen. Der Versicherungsnehmer hat keine Erkundigungspflicht (Mat. 1. 58). Ist der Versicherungsnehmer gesetzlich vertreten, so kommt es regelmäßig nur auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an. Soweit der gesetzlich vertretene Versicherungsnehmer für sein Verhalten verantwortlich ist, kommt es aber auch auf seine Kenntnis an (näheres § 3 Anm. 19). Auch die Kenntnis d r i t t e r kommt in Betracht, wenn sich der Versicherungsnehmer ihrer Hilfe bei seinen Versicherungsangelegenheiten bedient hat (näheres: §3 Anm. ig). Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommt es für den Versicherungsnehmer auf die Kenntnis auch des Versicherten an, wenn der Versicherte zu jenen dritten gehört (näheres: § 3 Anm. 19), für den Versicherten auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers, wenn dieser zu jenen dritten gehört (vgl. oben Anm. 4). — Von der D o p p e l v e r s i c h e r u n g muß der Versicherungsnehmer Kenntnis gehabt haben. Uber den Begriff der Doppelversicherung: § 10 Anm. 8ff. Insbesondere genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer von der anderen Versicherung Kenntnis erlangt hat. Er muß auch davon Kenntnis erlangt haben, daß die andere Versicherung dasselbe Risiko, ganz oder teilweise, deckt. Vgl. auch § 1 1 Anm. 7. 7. Unverzüglich nach Kenntniserlangung ist mitzuteilen. Das bedeutet: ohne s c h u l d h a f t e s Z ö g e r n (BGB § 121 Abs. 1; näheres: § 3 Anm. 20). Insbesondere wird es regelmäßig nicht fahrlässig sein, wenn der Versicherungsnehmer zögert, weil er weiß oder annimmt und annehmen darf, daß der Versicherer die Doppelversicherung kennt. Auch würde es oft nicht fahrlässig sein, wenn der Versicherungsnehmer nicht erkennt, daß die eine Versicherung teilweise dasselbe Risiko deckt, wie die andere (vgl. § 10 Anm. 8 ff., § 11 Anm. 3); aber in diesem Falle ist er überhaupt noch nicht verpflichtet, mitzuteilen (oben Anm. 7). 8. Der Versicherungsnehmer hat mitzuteilen. Die Mitteilung ist, ihrem natürliehen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Wissenserklärung. Näheres hierüber: § 3 Anm. 21. — V o n der Doppelv e r s i c h e r u n g ist Mitteilung zu machen. Über den Begriff der Doppelversicherung: § 10 Anm. 8 ff. Insbesondere braucht der Versicherungsnehmer nicht mitzuteilen, wenn die andere Versicherung unwirksam ist. Wohl aber, wenn der andere Versicherer wegen Verletzung der Anzeigepflicht oder aus anderen Gründen nur „von der Ver-
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§ 1 2 pflichtung zur Leistung frei" ist (vgl. § 10 Anm. 12; ebenso G e r h a r d 280, wenn auch mit unzutr. Begr.). Für den Inhalt der Mitteilung ist das Interesse des Versicherers maßgebend, das den § 12 veranlaßt hat. Der Versicherungsnehmer darf sich natürlich nicht darauf beschränken, mitzuteilen, daß Doppelversicherung bestehe. Von der Doppelversicherung muß er Mitteilung machen. Er muß mitteilen, welche andere Versicherung noch besteht, und inwieweit sie dasselbe Risiko deckt (vgl. ME 43). Nur, wenn es sich um zwei Versicherungen handelt, die nach Interesse, Zeit und Gefahr sich vollständig decken, wird es genügen, wenn der Versicherungsnehmer den anderen Versicherer und die andere Versicherungssumme mitteilt (so V V G § 58 Abs. 2). Anm. 10 9. Verletzt der Versicherer schuldhaft die Mitteilungspflicht, so muß er dem Versicherer den dadurch verursachten Schaden ersetzen (BGB § 276, Begr. z. V V G § 58, Mat. 158, OLG Hamburg APV 1916 II 27). Hat der Versicherer von der Doppelversicherung rechtzeitig Kenntnis erlangt, so kann er sich auf die Verletzung der Mitteilungspflicht nicht berufen, denn durch die Verletzung kann kein Schaden entstanden sein. In diesem Sinne noch heute richtig: Eum qui certus est certiorari ulterius non oportet (R 31 in VI de reg. jur. 5. 12). Verlangt der Versicherer Schadensersatz, so muß er beweisen, daß Doppelversicherung besteht, und daß der Versicherungsnehmer ihm nicht oder nicht ohne Zögern Mitteilung gemacht hat. Der Beweis, daß Doppelversicherung besteht, wird im allgemeinen als geführt anzusehen sein, wenn der Versicherer den Abschluß des anderen, sich mit dem seinigen ganz oder teilweise deckenden, Vertrags beweist. Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß keine Doppelversicherung besteht, weil der andere Vertrag unwirksam ist. Ebenso, daß die Unterlassung oder die Verzögerung der Mitteilung nicht verschuldet ist (näheres: § 3 Anm. 24). •— Verschweigt der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrags, daß durch diesen Vertrag eine Doppelversicherung entsteht, so kann sich der Versicherer, wenn jener Umstand für die Übernahme der Gefahr erheblich ist, auf §§ 19, 20 berufen (abw. OLG Hamburg APV 1916 II 27; näheres hierüber: § 19 Anm. 25). Anm. 11 10. § 12 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Ist die Vorversicherung Doppelversicherung, so braucht der Vorversicherer nicht gemäß § 12 Mitteilung zu machen. Wohl aber gemäß §45 Abs. 1, wenn der Rückversicherer zahlt (vgl. jedoch auch § 10 Anm. 31). Anm. 12 ix. Den fremden Rechten ist eine Mitteilungspflicht gleich der des § 12 im allgemeinen unbekannt.
III. Versicherungstreue § Anm. 1 Anm. 2
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Alle Beteiligten haben Treu und Glauben im höchsten Maße zu betätigen. 1. Vgl. BSVB §41 Abs. 1. 2. Literatur: Bruck-Möller Einl. Anm. 67. Enge VersR 1965. 308 = Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe A, Heft 10, 1965 (Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung). Freudenstein AssJB 16. 71 (Über den Einfluß der Bona fides im Versicherungsvertrage). G r a n e r ZfVW 1913. 290 (Treu und Glauben im Versicherungsverkehr), ZfVW 1919. 312 (Die guten Sitten im Versicherungswesen). Herrmann AssJB 22. 58 (Über die guten Sitten im Versicherungsrecht). Herzog ZfVW 1937. 1—22 (Zur Auslegung der Versicherungsverträge, zugleich ein Appell an die Juristenwelt).
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K i s c h Z f V W 1935. 277fr. K r e u t z i g e r VersR 1964. 995 (Zur Seeuntüchtigkeit im § 1 3 Seeversicherungsrecht). M ö l l e r in „Kernfragen der Versicherungs-Rechtsprechung" 1938. 37ff., HansRGZ A 1929. 133—142 (Die versicherungsrechtliche Treupflicht). P r ö l ß V V G Vorbem. I I 3. S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 1 zu § 13 ADS. S c h a c k in „Erwin Bumke zum 65. Geburtstag", 1939. 3 1 3 f r . S c h n e i d e r , Treu und Glauben im Rechte der Schuldverhältnisse, 1902, Z f V W 1 9 1 1 . 125 (Der sog. gute Glaube im Versicherungsrecht), ArchBürgR 25. 269 (Zur Verständigung über den Begriff von Treu und Glauben), AssJB 27. 41 (Die Bedeutung von Treu und Glauben im Versicherungsrecht). S o e r g e l - S i e b e r t I Anm. 86 zu §242. S t a u d i n g e r - W e b e r §242 BGB. Z a l u d AssJB 24. 3 (Treu und Glauben im Versicherungsverkehr). 3. Die Versicherung ist nicht auf Interessenausgleichung, sondern auf Interessen- Anm. 3 Verbindung gerichtet. Solche Verhältnisse sind besonders empfindlich. Sie verlangen, daß der eine auf den anderen eine sonst nicht notwendige und gewöhnliche Rücksicht nimmt. Man ist sich dessen von Anfang an bewußt gewesen. Die florentinische Police von 1393 (bei B e n s a 154) hebt schon hervor, der Vertrag solle secundum bonam fidem et consuetudinem mercatorum beurteilt werden. Seitdem sind Gesetze, Bedingungen, Policen, Rechtslehre und Rechtsprechung nicht müde geworden, mit fast phantastischem Aufwand an Ausdrucksmitteln den Gedanken der Assekuranztreue zu verkünden, aus dem man ursprünglich alle die Pflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme, die Offenbarungs-, Anzeige-, Mitteilungs-, Gefahrstands-, Schadenverhütungs-, Schadenabwendungs-, Schadenfeststellungs-Pflichten usw. ableitete, und in dem man heute, in der Hauptsache wenigstens, diese inzwischen besonders bestimmten Pflichten betrachtet und behandelt. Der Versicherungsvertrag ist contractus uberrimae fidei ( N o l t e 2. 2, V o i g t 183, A r n o u l d 522 s. 550), a contract based upon the utmost good faith (MIA § 17), „ein Contract, welcher auf der Grundlage der gegenseitigen guten Treue beruht" (AllgPlan 1847 § 1 3 ; ähnlich BSVB § 41, M E X X I I ) , ein Vertrag, der „in ganz besonderem Maße von dem Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird" ( R G 19. 227, J W 1909. 199, L Z 1910. 695, A P V 1908 I I 53, R G H G Z 1895. 7), der „in besonders hohem Maße auf Treue und Redlichkeit der Beteiligten" ( R G 16. 122), „in eminentem Sinne auf der bona fides" ( R G 3. 23), „ganz besonders auf den Grundsätzen der guten Treue, und zwar beider Kontrahenten, beruht" (HGZ 1888. 287), der „die vollkommene Redlichkeit beider Kontrahenten voraussetzt" und „noch mehr als jeder andere Vertrag von der bona fides beherrscht wird", „ein contractus uberrimae fidei, un contrat sui generis essentiellement de bonne foi (HGZ 1891. 166), nach dessen Natur „die Kontrahenten sich gegenseitig ganz besondere Treue und Aufrichtigkeit schulden" ( R O H G 9. 286, R G 7. 3), der „durchweg gegenseitige Loyalität zur Grundlage hat" ( R G 10. 132), der „in besonderem Maße auf gegenseitiges Vertrauen gegründet" ist, und bei dessen „Ausführung auf Treu und Glauben eine besonders sorgfältige Rücksicht genommen werden muß" (HGZ 1918. 179; siehe auch HansOLG HansRGZ 1928 A 103, Β 51 = H R R 1928 Nr. 1908 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse Nr. 377) — die Frauen, von denen viel gesprochen wird, sind gewöhnlich nicht die besten. Man hat eingewandt, daß es „eine Steigerung von Treu und Glauben gar nicht Anm. 4 geben könne", daß „eine Handlungsweise loyal, nicht aber noch loyaler sein könne" ( S c h n e i d e r Z f V W 1 9 1 1 . 125 und MittöffFVA 1 9 1 5 . 5 2 gar: „alter Unsinn von der uberrima fides"), daß man „nicht ehrlicher als ehrlich, nicht treuer als treu" sein könne ( S c h w e i g h ä u s e r H R Z 1920. 123), daß „Treue kein steigerungsfahiger Begriff sei" ( B r u c k - M ö l l e r aaO). Das ist richtig vom Standpunkt des Sittengesetzes. Besseres als das „sittliche Gute" kann es nicht geben. Im Leben, das die Dinge verhältnismäßig beurteilt und Durchschnittsmaßstäbe anlegt, gibt es Komparative und Superlative.
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§ 13 Mit solchem Superlativ haben wir es auch hier zu tun. Nicht das Durchschnittsmaß, sondern das „höchste M a ß " von „Treu und Glauben", von gegenseitiger Rücksicht haben die Beteiligten zu betätigen. Siehe auch R G 169. 24 = J R P V 1942. 2 1 : Treu und Glauben verpflichten die Parteien, ihre Erklärungen über den Inhalt des Versicherungsvertrages und über die Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen mit größtmöglicher Klarheit und Bestimmtheit abzugeben. Anm. 5 4. Die Treuepflicht begleitet das Versicherungsverhältnis von der Wiege bis zum Grabe. J a , sie dauert noch darüber hinaus (vgl. ζ. B. §§46, 71 Abs. 4) und besteht schon vorher. Kritisch dazu B r u c k - M ö l l e r aaO, „die Treue lasse sich nicht als Inhalt einer selbständigen Rechtspflicht denken." Siehe dazu das bei B r u c k - M ö l l e r zitierte Urteil des OLG Breslau J R P V 1936. 28: „Ein ganz allgemeiner Rechtssatz dahin, daß jede Verletzung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses seitens des Versicherungsnehmers ein Leistungsverweigerungsrecht für den Versicherer begründet, besteht nicht". Siehe dazu insbesondere auch unten die Anm. 6 und 7. a) Man hat früher die v o r v e r t r a g l i c h e A n z e i g e p f l i c h t des V e r s i c h e r u n g s nehmers aus der Treuepflicht abgeleitet. Heute, wo die Anzeigepflicht als besondere Verbindlichkeit geordnet ist (§§ 19—22), muß der Versicherungsnehmer sie nach § 242 BGB so erfüllen, „wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern", nach § 13 ADS so, wie das höchste Maß von Treu und Glauben es verlangt. Siehe R G 169. 35, wonach der Versicherte die Pflicht hat, den Versicherer auf das erhöhte Risiko bei Blockadefahrten aufmerksam zu machen. Der Versicherungsnehmer ist auch nicht durch die ihm drohende Entdeckung einer strafbaren Handlung von seiner Anzeigepflicht befreit. Will er einer solchen Konfliktslage entgehen, darf er den Versicherer nicht in Anspruch nehmen (LG Passau NJW 1957. 1285 m. Anm. Grell). •— Man hat wohl früher angenommen, daß, „wie in jedem Contracte, so auch in dem Assekuranzvertrage das Verhältnis der Kontrahenten ganz gleich" sei, daß „der Versicherer daher dieselbe Verpflichtung zur Anzeige habe, wie der Versicherte, und man mit Recht von jenem denselben guten Glauben fordere, wie von diesem" (Pohls 4. 558; vgl. auch Prot. 3144, auch fimerigon ch. 15 s. 3). Heute, wo Gesetz und ADS die vorvertragliche Anzeigepflicht besonders regeln und nur dem Versicherungsnehmer auflegen, läßt sich jene Auffassung jedenfalls nicht mehr rechtfertigen (näheres: § 19 Anm. 14). Wohl aber darf und muß aus der Treuepflicht des Versicherers die Verpflichtung abgeleitet werden, bei der Schließung des Vertrags ihm bekannte U m s t ä n d e , die f ü r den Entschluß des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s , überhaupt oder unter diesen Bedingungen Versicherung zu nehmen, von e r k e n n b a r entscheidender Bedeutung sind, nicht zu verheimlichen. Good faith forbids either party, by concealing what he privately knows, to draw the other into a bargain from his ignorance of that fact, and from his believing the contrary (Lord Mansfield Carter v. Boehm 1765 bei C h a l m e r s 25; vgl. auch A r n o u l d 557 s. 590). J e condamne trds-fort la doctrine scandaleuse du Jesuite Lessius, . . . qui soutient qu'un Assureur, pour profiter d'une prime avantageuse, peut dissimilier les faits dont il est instruit en son particulier (fimerigon ch. 15 s. 3; unrichtig Pohls 4.558: Lessius habe nur gemeint, der Versicherer brauche nicht mitzuteilen, was er aus der Sternenkunde erfahren habe; denn Lessius fügt hinzu: vel aliunde). Vgl. ferner Benecke 3. 97, E h r e n b e r g 331, G e r h a r d 90, R o e l l i 57, S i e v e k i n g 54, V o i g t 186, R O H G 8. 232; abw. K i s c h 2. 192. Versichert der Reeder sein überfälliges Segelschiff für die Reise von Mobile nach Hamburg, so darf der Versicherer, der weiß, daß das Schiff bereits Cuxhaven passiert hat, dies nicht verheimlichen (HGZ 1901. 167; vgl. hierzu aber auch § 5 Anm. 17). Mit Treu und Glauben ist es nicht vereinbar, daß der Versicherer eine als unzureichend erkannte Anzeige (§ 19) ohne Erkundigungen stillschweigend hin-
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nimmt und sich dann auf Verletzung der Anzeigepflicht beruft ( H a n s O L G H a n s R G Z § 1 3 1928 A 103, Β 5 1 = H R R 1928 Nr. 1908 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse Nr. 377). — Auch f ü r die Frage, ob der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand infolge von „ g r o b e r F a h r l ä s s i g k e i t " nicht kannte (§ 20 Abs. 1 Satz 2) oder „ o h n e V e r s c h u l d e n " nicht angezeigt hat (§ 20 Abs. 2), kann nicht außer Betracht bleiben, daß die Beteiligten T r e u und Glauben im höchsten Maße zu betätigen haben. Ebenso für die Frage, ob die eine Partei die andere „ a r g l i s t i g " getäuscht hat ( B G B § 123). — Nach § 1 5 7 B G B sind Verträge so a u s z u l e g e n , wie „ T r e u und G l a u b e n " mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, nach § 1 3 A D S : wie das höchste Maß von T r e u und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordert (vgl. R G 3. 23, 16. 122, 19. 134, 3 1 . 1 3 1 , J W 1909. 199, H a n s O L G H a n s R G Z 1928 Α χ 03, Β 51 = H R R 1928 Nr. 1908 = J R P V 1928. 30, 73 = Sasse Nr. 377, R G H G Z 1925 Η Nr. 82 = J R P V 1925. 2 1 5 = A P V 1925. 1 5 5 = Sasse Nr. 1 0 : T r e u und Glauben erfordern, daß der Inhalt der Police, vorangegangene mündliche Besprechungen und Vereinbarungen insgesamt zur Auslegung des Versicherungsvertrags herangezogen werden). Dabei darf man freilich nicht so weit gehen, eindeutige Vertragsbestimmungen unter Berufung auf T r e u und Glauben in ihr Gegenteil zu verkehren ( H e r r m a n n AssJB 22. 79, S c h n e i d e r AssJB 27. 43) oder durch Auslegung den Vertrag willkürlich umgestalten ( S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 5 zu § 13 A D S ; siehe aber auch den besonderen Fall R G J P R V 1925. 1 7 5 = Sasse Nr. 9). Das wäre selbst gegen T r e u und Glauben. So läßt sich etwa noch durch Berufung auf die besondere Treue-Natur des Versicherungsvertrags feststellen, daß eine Verwirkungsklausel nur dann die Verwirkung der Entschädigung herbeiführt, wenn der Versicherungsnehmer die durch die Klausel gesicherte Obliegenheit schuldhaft verletzt ( § 4 1 Anm.). Aber wenn der Versicherungsnehmer nach dem Vertrag bei Vermeidung der Verwirkung des Entschädigungsanspruchs binnen 10 T a g e n nach dem Versicherungsfall ein Wertverzeichnis einzureichen hat und, nach dem Versicherungsfall verhaftet, es erst 13 T a g e nach der Haftentlassung einreicht, kann man nicht unter Berufung auf die Assekuranztreue annehmen, das Verzeichnis sei rechtzeitig eingereicht, weil dem Versicherungsnehmer „volle von jeder Erschwerung befreite 10 T a g e " zur Verfügung gestellt seien, oder weil er nur bei „besonderem Verschulden" die Entschädigung habe verwirken sollen ( R G 16. 122 gegen O L G Kiel). U n d wenn der Versicherungsnehmer nach dem Vertrag bei Vermeidung der Verwirkung des Entschädigungsanspruchs den Versicherungsfall binnen 36 Stunden anzuzeigen hat, kann man nicht unter Berufung auf die Assekuranztreue annehmen, daß der Versicherungsnehmer auch noch nach Fristablauf anzeigen dürfe, wenn nur der mit der Anzeige erstrebte Zweck (die beweissichere Feststellung der Schadensursache) sich noch erreichen lasse (so J W 1909. 199). Ist die Gültigkeit des Vertrags davon abhängig gemacht, daß der Versicherungsnehmer „ a u f Verlangen des Versicherers ein Stauattest der Besichtiger des Newyorker Board of Underwriters f ü r die versicherte L a d u n g vorlegt", so kann man nicht unter Berufung auf die Assekuranztreue annehmen, daß der Versicherungsnehmer auch ein anderes, wenn auch „ n o c h so zweckentsprechendes Attest" vorlegen darf ( R G 19. 228). H a t der Versicherer sich verpflichtet, im Falle des „Abhandenkommens" der versicherten Güter zu entschädigen, so kann man nicht unter Berufung auf die Assekuranztreue annehmen, daß der Ausdruck „ A b h a n d e n k o m m e n " etwas anderes bedeute, als was er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts allgemein bedeutet, nämlich den Verlust des Besitzes ohne den Willen des unmittelbaren Besitzers, den Versicherer also ζ. B. nicht haftbar machen, wenn der Frachtführer die Güter an einen Betrüger ausliefert ( R G 1 0 1 . 225 gegen O L G Nürnberg). Ist die T a x e erheblich übersetzt und dem Versicherer dies beim Vertragsschluß bekannt gewesen, so kann man natürlich nicht unter Berufung 18
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 13
auf die Assekuranztreue annehmen, daß der Versicherer keine Herabsetzung der T a x e verlangen könne ( R G 94. 269 gegen H G Z 1 9 1 8 . 1 3 5 ; vgl. § 6 Anm. 37). Hat der Versicherer in früheren Versicherungsfällen Schäden „ k u l a n t " , nachsichtig gegen Vertragsverletzungen des Versicherungsnehmers reguliert, so kann man natürlich nicht unter Berufung auf die Assekuranztreue annehmen, daß der Versicherungsnehmer auch ferner seine Vertragspflichten verletzen dürfe (vgl. hierüber Vorb. vor § 1 A n m . 1 5 ) . Auch die aus § 157 B G B sich ergebende Folge, daß Schweigen als Zustimmung gilt, wenn zu reden nach T r e u und Glauben Pflicht ist, muß im Lichte des § 13 betrachtet werden; näheres hierüber: V o r b . vor § 1 Anm. 17, 18, § 9 7 A n m . ; vgl. auch R O H G 8. 2 3 1 : Wenn jemand irrtümlich f ü r die direkte Reise von H a m b u r g nach Savanilla Güterversicherung genommen hat statt für die Reise Hamburg-Greytown-Savanilla und der Versicherer bei Unterzeichnung der Police (oder später) von dem Irrtum Kenntnis erlangt, ohne den Versicherungsnehmer über den Irrtum aufzuklären, wird es so angesehen, wie wenn er mit der Versicherung der Reise Hamburg-GreytownSavanilla einverstanden wäre (ebenso im Ergebnis, aber mit anderer Begründung: R O H G und V o i g t 187). Vgl. ferner H G Z 1 9 1 8 . 4 4 : Wenn jemand Güter f ü r die Reise von Kopenhagen „ n a c h Corral, Antofagasta und Mollendo (englische Häfen nicht anlaufend)" versichert und demnächst dem Versicherer mitteilt, das Schiff werde doch zur Bekohlung Newcastle anlaufen, so wird es, wenn der Versicherer schweigt, so angesehen, als ob er mit der Änderung einverstanden wäre. — § 1 3 ändert normalerweise den Begriff der Seeuntüchtigkeit (§ 58) nicht ab. Anders möglicherweise dann, wenn die Parteien des Seeversicherungsvertrags dem Begriff der Seeuntüchtigkeit einen besonderen, von den allgemeinen Anschauungen abweichenden Inhalt geben ( K r e u t z i g e r V e r s R 1964. 997).
Anm. 6
b) Nach § 242 B G B muß der Schuldner so l e i s t e n , wie T r e u und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, nach § 1 3 A D S so, wie das höchste M a ß von Treu und Glauben es erfordert (vgl. oben A n m . 5). Dies gilt insbesondere für alle Verbindlichkeiten, die den Beteiligten für die Zeit nach dem Vertragsschluß besonders aufgelegt sind, nicht nur für die Hauptverbindlichkeiten, sondern auch für die Nebenverbindlichkeiten, die Gefahrstandspflicht, die Schadenverhütungs-, die Schadenabwendungs-Pflicht usw. ( L Z 1907. 599). Insbesondere besteht die auf der Versicherungstreue beruhende Pflicht des Versicherungsnehmers, zur Verringerung des Versicherungsschadens beizutragen, auch noch während der Schadensliquidation (vgl. R G 109. 363 = H G Z 1925 Η Nr. 43 = J R P V 1925. 25 = Sasse Nr. 8). Siehe ebendort über die Pflicht des Versicherungsnehmers, den Versicherer von Ort und Zeit der Versteigerung der beschädigten Sachen zu benachrichtigen. —• Die Treuepflicht gibt aber nicht nur den übrigen versicherungsrechtlichen Verbindlichkeiten einen besonderen Anstrich, sondern bildet auch eine V e r p f l i c h t u n g f ü r s i c h , die durch die Umstände des Falles ihren besonderen Inhalt erhält (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 1 zu § 1 3 A D S ; anders B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 67 und O L G Breslau J R P V 1936. 28; J . v. G i e r k e L Z 1909. 734; vgl. unten Anm. 7). Der Versicherungsnehmer darf ζ. Β. nicht treuewidrig gegen den (richtigen) Inhalt der ihm ausgehändigten Police Widerspruch erheben (§ 1 5 Anm. 1 1 , K i s c h J e h J 68. 249) oder den Versicherungsschaden treuewidrig übersetzen (vgl. hierfür E h r e n b e r g 489, G e r h a r d 260). Der Versicherer darf nicht bei Schließung des Vertrags Umstände von entscheidender Bedeutung treuewidrig verheimlichen (oben A n m . 5). Der Versicherer darf nicht treuewidrig bei der Versteigerung der beschädigten Güter mitbieten, um den Erlös so in die Höhe zu treiben, daß die Franchise nicht erreicht wird (näheres: § 93 Anm.). Siehe auch H a n s O L G H a n s R G Z 1940 Β 226 = J R P V 1940. 127 = Sasse Nr. 4 5 2 : Jedenfalls dann, wenn der Mieter zahlungsunfähig ist, hat der Vermieter einer Schute sich seinem Kaskoversicherer
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gegenüber als verpflichtet anzusehen, sich zu vergewissern, daß sein Mieter eine Haft- § 1 3 Pflichtversicherung abgeschlossen hat. Die Parteien müssen sich auch nach Vertragsschluß Umstände mitteilen, die für den anderen von erkennbar entscheidender Bedeutung sind (Voigt 187; vgl. auch R O H G 8. 233), der Versicherungsnehmer ζ. B. nicht nur gemäß § 40 gefahrerhebliche Unfälle, sondern auch sonstige gefahrerhebliche Umstände, die der Versicherte ihm zwar so schnell, wie tunlich, aber doch zu spät mitgeteilt hat (vgl. § 57 Abs. 3 Satz 2). — Selbst vor dem P r o z e ß macht die Assekuranztreue nicht halt. Even in litigation both parties must play with the cards on the table ( C h a l m e r s 26). Unter dem Gesichtspunkte der Assekuranztreue ist es ζ. B. zu würdigen, wenn im Prozeß die eine Partei Auskunft zu erteilen oder Urkunden vorzulegen sich weigert, obgleich sie dazu (zwar nicht verpflichtet, wohl aber) ohne Schwierigkeiten imstande ist (vgl. Z P O § 286; englische Rechtsprechung bei C h a l m e r s 26). Deshalb unrichtig R O H G 8. 72: „Der Streitzustand dränge das auf Treue und Vertrauen beruhende Verhältnis, wie es durch den Versicherungsvertrag hervorgerufen sei, in den Hintergrund; Versicherter und Versicherer ständen sich . . . als Prozeßparteien gegenüber, deren Recht auf Wahrhaftigkeit des Gegners, und deren Pflicht, selbst der Wahrheit die Ehre zu geben, nach den Grundsätzen des Prozeßrechts sich beurteile" (dagegen auch E h r e n b e r g 490, G e r h a r d 260). Aus der Treuepflicht ergibt sich jedoch nicht, daß der Versicherer, der die Entschädigungsklage zunächst mit unbegründeten Einwendungen abzuwehren versucht hat, nicht demnächst noch begründete Einwendungen erheben darf (Recht 1910 Nr. 1677). Siehe B G H N J W 1964.645: Die Berufung des Versicherers auf die Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung kann aus besonderen Gründen nach § 242 BGB unzulässig sein, so daß die Entschädigung ganz oder teilweise zu zahlen ist. Vgl. in diesem Sinne auch R G 150. 147. Siehe B r u c k M ö l l e r Anm. 58 zu § 34 V V G , ferner O L G Neustadt M D R i960. 589: Versagung des Versicherungsschutzes wegen relativ geringer Beitragsrückstände als Verstoß gegen Treu und Glauben. 5. Die besondere Pflicht der Assekuranztreue ist also nicht nur eine Quelle der Anm. 7 Erkenntnis für die Bedeutung der Bestimmungen des Gesetzes und des Vertrags, nicht nur die Begleiterin der vor oder nach Vertragsschluß zu erfüllenden Verbindlichkeiten, sondern auch eine Verpflichtung eigenen Inhalts, alles vorzukehren, was die durch die Interessenverbindung gebotene, gegenseitige Rücksicht sonst noch verlangt, und alles zu unterlassen, was sich damit nicht verträgt ( G e r h a r d 261, H e r r m a n n AssJB 22. 68, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 1 zu § 13 ADS). Anders B r u c k - M ö l l e r Einl. Anm. 67, O L G Breslau J R P V 1936 Ziff. 28, J . v. G i e r k e L Z 1909. 734: Die Treue sei eine bloße Eigenschaft und könne deshalb nicht Gegenstand einer Verpflichtung sein. Dieser Einwand wäre begründet, wenn die Treuepflicht die Verpflichtung wäre, Treue zu haben, treu zu sein. Sie ist aber etwas anderes, nämlich die Verpflichtung, Treue zu zeigen, zu bestätigen, die Verpflichtung, so zu handeln, wie es der Assekuranztreue entspricht, wie es die in diesem Ausdruck zusammengefaßten Normen verlangen, ohne alle Rücksicht darauf, ob die Beteiligten dabei die Eigenschaft der Treue besitzen oder nicht. So jedenfalls nunmehr ausdrücklich und absichtlich § 13. Vgl. auch R G J W 1938. 876 = Sasse Nr. 54. 6. Nach V o i g t N A f H R 4. 159 enthält eine Bestimmung gleich der des § 13 nur Anm. 8 eine Erinnerung daran, daß in Versicherungsangelegenheiten „sehr viel der Gewissenhaftigkeit der Kontrahenten, insbesondere des Versicherung-Suchenden überlassen sei". „ S o aufgefaßt habe sie eine gute", dagegen „juristisch habe sie keine Bedeutung. Denn der Assekuranzkontrakt habe vor anderen Kontrakten darin nichts voraus, daß er dem Dolus keinen Raum gestatte". Die Auffassung wäre richtig, wenn die Treuepflicht nichts 18*
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§ 1 3 anderes bedeutete als die Verpflichtung, nicht zu betrügen. Sie bedeutet, wie nachgewiesen, nicht nur mehr, sondern auch etwas ganz anderes. Sie hilft übrigens schließlich auch mit zu der Erkenntnis, daß die sogenannten Obliegenheiten der Vertragsparteien, insbesondere die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, die Anzeige-, Schadenverhütungs-, Schadenabwendungs-Pflichten usw., wirkliche Verbindlichkeiten sind (Vorb. vor § ι Anm. 63), daß dem Versicherungsnehmer insbesondere „eine Diligenz in eigenen Angelegenheiten zur Pflicht gemacht ist", „die römische Regel: nullus videtur dolo facere, qui jure suo utitur ( 1 . 5 5 D. de R . J . 50.17) für das Versicherungsrecht nicht gilt" ( M o l t 17). Anm. 9 7. Die R e c h t s f o l g e n e i n e r V e r l e t z u n g d e r T r e u e p f l i c h t lassen sich nicht allgemein bestimmen. Nach § 1 7 M I A , if the utmost good faith be not observed by either party, the contract may be avoided by the other party. Diese Vorschrift ist die erste eines Disclosure and Representations überschriebenen Abschnitts. Man wird sie deshalb auch wohl nur auf den Fall einer Verletzung der Offenbarungs- und der Anzeigepflicht beziehen dürfen (vgl. auch Mat. 1. 61, wonach Anträge, den § 13, wie auch M E X X I I wollte, in den Abschnitt über die Anzeigepflicht einzuordnen, abgelehnt sind). Das Recht, den Vertrag unwirksam zu machen, würde auch nicht immer der Interessenlage entsprechen. Nach deutschem Recht ist zu unterscheiden. a) Soweit die Treuepflicht auf die A u s l e g u n g des Gesetzes oder des Vertrags Einfluß ausübt, hat es bei der so beeinflußten Auslegung natürlich sein Bewenden. Bei der Auslegung nach Treu und Glauben ist insbesondere auch der Handelsbrauch zu berücksichtigen. Mit Nichtkenntnis der Ortsüblichkeit, die als vereinbart zu gelten hat, kann sich der Vertragspartner nicht entschuldigen ( K G J R P V 1924. 85 = Sasse Nr. 325). Vgl. HansOLG HansRGZ 1930 Β 131 = Sasse Nr. 401: Bei der Klausel „Innerer Verderb infolge von Verzögerung, hervorgerufen durch Maschinendefekt, gilt als versichert. Der Schaden wird nur dann ersetzt, wenn die Heringe durch Verzögerung des Dampfers 24 Stunden über die übliche Zeit hinaus eintreffen" kann der Versicherer nicht einwenden, daß nicht versicherte, gewöhnliche Verzögerungsursachen das verspätete Eintreffen des Dampfers im Bestimmungshafen mitverursacht haben. b) Soweit sich die Treue bei der E r f ü l l u n g besonderer versicherungsrechtlicher Verbindlichkeiten zu bewähren hat, bestimmen sich die Rechtsfolgen ihrer Verletzung nach den besonderen Bestimmungen, so etwa nach § 20, wenn der Versicherungsnehmer treuewidrig die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, nach § 33, wenn er treuewidrig den Versicherungsfall herbeiführt, nach § 4 1 , wenn er treuewidrig unterläßt, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Neben diesen besonderen Bestimmungen kommt unter Umständen auch die gemeinrechtliche Vorschrift in Betracht, daß der Schuldner den Schaden ersetzen muß, den er vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat (BGB § 276, näheres: Anm. zu §§ 19, 33, 41 usw.). c) Soweit die Treuepflicht s e l b s t ä n d i g zu e r f ü l l e n ist, hat ihre Verletzung die allgemeine Rechtsfolge der Verpflichtung zum S c h a d e n s e r s a t z (BGB § 276; K i s c h J e h J 68. 249). Dies gilt ζ. B., wenn der Versicherer Umstände von entscheidender Bedeutung, die zwar ihm, aber erkennbar nicht dem Versicherungsnehmer bekannt sind, diesem bei der Schließung des Vertrags verheimlicht (vgl. oben Anm. 5, 6). Wenn Versicherungsnehmer und Versicherer und, bei der Versicherung für fremde Rechnung, der Versicherte (vgl. Anm. 10) nicht alle Erklärungen vor und während des Vertrags so klar und deutlich verlautbart haben, daß Mißverständnisse nach aller Möglichkeit ausgeschlossen sind ( R G 163. 24, HansOLG H R Z 1925. 516 = H G Z 1925 Η Nr. 56 = Sasse Nr. 337). Wenn der Reeder das überfällige Segelschiff für die Reise von Mobile nach Hamburg versichert und der Versicherer die ihm, aber erkennbar nicht dem Reeder bekannte Tatsache nicht mitteilt, daß das Schiff bereits Cuxhaven passiert hat, muß er dem
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Versicherungsnehmer den durch die Verletzung der Treuepflicht entstandenen Schaden § 1 3 ersetzen, also ihm insbesondere den Unterschied zwischen der vereinbarten und derjenigen Prämie ersetzen, die vereinbart wäre, wenn auch der Reeder gewußt hätte, daß das Schiff bereits Cuxhaven passiert hatte (HGZ 1901. 167, G e r h a r d 90, Voigt 186). Der Einwand von K i s c h 2. 193, der auch schon in Prot. 4295 erhoben wird, es sei „nicht ersichtlich, welche Rechtsfolgen sich an die Verletzung jener angeblichen Anzeigepflicht des Versicherers knüpfen sollten", ist also unbegründet, begründet nur sein gegen G e r h a r d usw. gerichteter Einwand, daß dem Versicherungsnehmer kein Rücktrittsrecht und kein Recht auf Prämienminderung zustehe, an und für sich begründet auch seine Auffassung, daß „die fahrlässige und sogar vorsätzliche (aber nicht arglistige) Verschweigung eines gefahrmindernden Umstandes . . . durch den Versicherer dem Versicherungsnehmer nicht das Recht gebe, sich vom Vertrage loszulösen" (vgl. auch Z a l u d AssJB 24. 3). Die Verletzung der Treuepflicht kann aber auch so schwer sein, daß dem anderen Teile nicht zuzumuten ist, im Versicherungsverhältnis zu bleiben, und ihm neben dem Rechte auf Schadensersatz das Recht nicht vorenthalten werden kann, das Versicherungsverhältnis aus „wichtigem Grunde" ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen (näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 22; vgl. auch über frühere Auffassungen: E h r e n b e r g 73). d) Liegen die auch für das Seeversicherungsrecht geltenden Voraussetzungen der V e r w i r k u n g vor (wenn nämlich seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs längere Zeit verstrichen ist und nach Lage des Einzelfalls die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird: vgl. R G 155. 152, 158. 105, BGHZ 21. 78, 26. 65), so gelten die für diese entwickelten Grundsätze. Ein Fall der Verwirkung (abgelehnt) findet sich für das Seeversicherungsrecht in R G APV 1929. 263. 8. ,,Die Beteiligten" haben die Treuepflicht zu erfüllen. In erster Linie natürlich Anm. Versicherer und Versicherungsnehmer. Bei der Versicherung für fremde Rechnung in weitem Umfang auch der Versicherte. Zwar kann man durch Vertrag einem dritten wohl Rechte, im allgemeinen aber keine Pflichten zuwenden. Aber die Vertragsparteien können einem dritten Rechte mit der Maßgabe zuwenden, daß die Rechte nur dann entstehen, bestehen, sich entwickeln oder geltendgemacht werden können, wenn der Berechtigte gewisse Pflichten erfüllt, und mit dieser Maßgabe dem Berechtigten die Pflichten auflegen. Und man muß annehmen, daß, wenn der Versicherer dem Versicherten Rechte nur mit der Maßgabe einräumt, daß gewisse Pflichten erfüllt werden müssen und der unveränderte Fortbestand der Rechte von der Erfüllung dieser Pflichten abhängig sein soll, auch den Versicherten, den Hauptbeteiligten, die Pflichten treffen sollen. Deshalb ist der Versicherte jedenfalls insoweit zur Betätigung der Assekuranztreue verpflichtet, als von ihrer Erfüllung seine Rechte abhängen. Aber auch soweit die Verletzung der Treuepflicht die allgemeine Schadensersatz-Pflicht zur Folge hat, ist der Versicherte verpflichtet, wenn er der Versicherung zugestimmt hat. Näheres hierüber: § 52 Anm., § 53 Anm. — Auch D o p p e l v e r s i c h e r e r sind einander durch das Ausgleichsverhältnis des § 10 Abs. 2 zur Betätigung der Assekuranztreue verpflichtet. Ebenso gewöhnliche M i t v e r s i c h e r e r , soweit unter ihnen ein besonderes Rechtsverhältnis besteht (vgl. Vorb. V vor § 1 ) . — Auch H i l f s p e r s o n e n der Beteiligten dürfen die Treuepflicht nicht verletzen. Insbesondere nicht der Makler des Versicherungsnehmers (vgl. P a u l y H R Z 1922. 92). § 278 BGB ist anwendbar (Vorb. V I I I vor § 1). 9. § 13 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Man bezeichnet Anm. mit Recht die Rückversicherung, insbesondere die Rückversicherung mit Abwicklungsrecht des Vorversicherers, als ein auf „ganz ungewöhnlichem" oder gar „unerhört großem Vertrauen" beruhendes Verhältnis (ζ. B. E h r e n b e r g R V 14, R V R 4, ROHG
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§ 1 3 20. 134, H G Z 1898. 263, 1918. 179, H K Berlin I T V M i t t 1914. 9). A b e r in noch höherem als „ h ö c h s t e m " M a ß e werden auch V o r - und Rückversicherer T r e u und G l a u b e n nicht betätigen können.
IV. Police. Prämie. Ristornogebüht § 14 Police (1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer auf Verlangen eine von ihm unterzeichnete Urkunde über den Versicherungsvertrag
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auszu-
händigen. (2) Ist eine Police ausgestellt, so ist der Versicherer nur gegen Vorlegung der Police zur Zahlung verpflichtet. Durch die Zahlung an den Inhaber der Police wird er befreit. (3) Ist die Police abhanden gekommen oder vernichtet, so ist der Versicherer zur Zahlung verpflichtet, wenn die Police für kraftlos erklärt oder Sicherheit geleistet ist; die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. Das Gleiche gilt von der Verpflichtung des Versicherers zur Ausstellung einer Ersatzurkunde; die Kosten der Ersatzurkunde hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Anm. 1
1. V g l . H G B § 784, A S V B §§ 7, 150 Abs. 2, B S V B § 41 Abs. 3 — 6 . Frühere H a m burger Kasko-Reisepolice: M a t . 2. 106, frühere H a m b u r g e r Kasko-Zeitpolice: M a t . 2. 102, frühere H a m b u r g e r Güterpolice: M a t . 2. 99. Die i m A n h a n g wiedergegebenen heutigen Policen. Anm. 2 2. Literatur. B l u m h a r d t R e c h t 1910. 738 (Rechtliche Bedeutung des V e r sicherungsscheins usw.). B r u c k - M ö l l e r z u § 3 V V G . J . v. G i e r k e V S R I I 145fr. H a g e n K G B 1 1904. 69 (Die Bedeutung der vorbehaltlosen Einlösung des Versicherungsscheins), S V R 7 9 — 8 1 . J a c o b i , Der Versicherungsschein, Diss. 1 9 1 1 . J o s e f M i t t ö f f F V A 1921. 109 (Versicherungsforderung und Versicherungsschein), OestZ 1913. 136 (Abweichungen des Versicherungsscheins v o m Versicherungsantrag), OestZ 1920. 522 (Die verbindliche K r a f t des Versicherungsscheins). K i s c h JehJ 68. 233 (Die verbindliche K r a f t des Versicherungsscheins), L Z 1919. 6 (Das R e c h t a m Versicherungsschein), Der Versicherungsschein, 1952. K r e u t z i g e r , Die K o m m a n d o b r ü c k e 1964. 4 5 — 4 7 (Seeversicherungspolice). M a l s s Z H R 13. 51 (Charakter der Policebedingungen). M i c h a e l s , Die Bedeutung der Orderklausel für die Seeversicherungs-Police, Diss. 1905. N o t h m a n n , Das Versicherungszertifikat, Diss. H a m b u r g 1932. O b e r s t , Rechtliche Natur der Versicherungspolice, 1909. V o n O e r t z e n , Der Versicherungsschein, Diss, i g n (auch Z f V W 1911. 822, 1001). P r ö l ß z u § 3 V V G , H a n s R G Z 1931 A 439 (Einwendungen des Versicherers gegenüber dem redlichen Inhaber eines Blankozertifikats). S a a l b e r g , Die rechtliche Bedeutung des Versicherungsscheins, Diss. Erlangen 1934. S c h r o e d e r H R Z 1919. 405 (Gläubigersicherung durch Ü b e r g a b e von Versicherungsscheinen). S k o u f i s V e r s R 1 9 6 2 . 4 9 2 — 4 9 5 (Der Versicherungsschein und Rechtsgeschäfte über die versicherte Sache oder über die Versicherungsforderung), V e r s A r c h 1958. 367 (Die Bedeutung des Versicherungsscheins für die Einziehung der Versicherungsforderung). T s i r i n t a n i s , Die Orderpolice, Diss. H a m b u r g 1930. V i v a n t e BaumgartnersZ 2. 217 (Die Versicherungspolice auf den Inhaber). W e r n e b u r g Masius Rundschau 1920. 153, 161 (Divergenz zwischen V e r t r a g und Police usw.).
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Wolff LZ 191g. 1097, 1160 (Die widerspruchslose Annahme des Versicherungsscheins § usw.). W o r m s ZfVW 1909. 531 (Versicherungsantrag und Versicherungsschein usw.). — Weitere Literatur: Vorb. vor § 1 Anm. 31. 3. A b s . 1. Versicherungsverträge können formlos geschlossen werden (Vorb. vor Anm. 3 § 1 Anm. 41). Der Versicherer muß aber über den Vertrag eine Police ausstellen, mag der Vertrag formlos oder förmlich geschlossen sein. Ist aber der Vertrag förmlich, ζ. B. durch Unterzeichnung beider Vertragsparteien auf derselben Urkunde, geschlossen, so wird regelmäßig anzunehmen sein, daß der Versicherer nicht noch eine Police auszustellen braucht (so ζ. B. nicht, wenn Rückversicherer und Rückversicherter eine Urkunde über den Rückversicherungs - Vertrag unterzeichnet haben; vgl. unten Anm. 31). Siehe über den Fall, daß der Versicherer den Vertragsantrag durch Übersendung einer Police annimmt, § 16 Anm. 14. — Uber M i t v e r s i c h e r u n g e n wird gewöhnlich nur eine Police ausgestellt (Vorb. vor § 1 Anm. 44). Der Versicherungsnehmer kann diesem Handelsgebrauch gemäß auch nur eine Police verlangen. Andererseits müssen aber auch die Mitversicherer diesem Handelsgebrauch gemäß eine gemeinschaftliche Police ausstellen. Der Versicherungsnehmer hat an der Ausstellung einer gemeinschaftlichen Police insbesondere im Falle der Güterversicherung regelmäßig ein berechtigtes Interesse. Denn die Güterpolice ist regelmäßig Verkehrspapier. Die Mitversicherer haften für die Ausstellung der gemeinschaftlichen Police als Gesamtschuldner (BGB § 431). 4. Der Versicherer hat eine Police auszuhändigen. Er ist dazu v e r p f l i c h t e t . Anm. 4 Die Verpflichtung ist eine Nebenverpflichtung. Der Versicherungsnehmer kann auf Erfüllung klagen (Vollstreckung gemäß § 888 Abs. 1 ZPO bzw. §§ 883, 886 ZPO, nicht gemäß § 887 ZPO). Er kann, wenn der Versicherer im Verzug ist, Schadensersatz verlangen (BGB § 286). Er kann aber nicht gemäß § 326 BGB wegen des Verzugs das Versicherungsverhältnis rückgängig machen. Denn § 326 BGB ist unanwendbar, sowohl weil es sich um eine bloße Nebenverpflichtung handelt (vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 3 VVG, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 14 ADS), ab auch weil die Verpflichtung des Versicherers zur Aushändigung der Police und die Verpflichtungen des Versicherungsnehmers nicht in dem von § 326 BGB vorausgesetzten Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (Vorb. vor § 1 Anm. 22). Der Versicherungsnehmer kann aber, wenn er eine Police verlangt hat, eine angemessene Frist verstrichen und damit sein Anspruch auf Aushändigung der Police fällig geworden ist, die Prämie zurückbehalten, bis ihm die Police ausgehändigt wird (BGB § 273, S c h l e g e l b e r g e r Bern. 3 zu § 14 ADS; vgl. auch B r u c k - M ö l l e r aaO und unten Anm. 6), — wie auch der Versicherer die Police zurückbehalten kann, bis ihm die fällige Prämie gezahlt wird. — Die §§ l4> !5> 53, 97 3, 4 sprechen von „ A u s h ä n d i g u n g " , die §§ 49 Abs. 1, 2, 54 Abs. 2 von „ A u s s t e l l u n g " einer Police. Gemeint ist in allen Fällen beides: Ausstellung (einer Police) u n d Aushändigung (der Police). Nur wenn eine reine Inhaberpolice ausgstellt wäre und gegen den Willen des Versicherers in den Verkehr käme, wäre die Ausstellung ohne Aushändigung von Bedeutung (BGB § 794 Abs. 1). — A u s h ä n d i g u n g ist dem Wortsinne nach dasselbe wie Auslieferung oder Ablieferung, d. h. Ubergabe und Übernahme der Police in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Versicherungsnehmers oder einer von ihm ermächtigten oder auch nur sonstwie damit betrauten oder nach der Verkehrsanschauung als damit betraut geltenden Person (vgl. HGB § 377, BGB § 477 und hierzu R o e l l i 275, ferner B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 3 VVG, K i s c h Versicherungsschein 21). Zu diesen Personen gehört im hansestädtischen Versicherungsverkehr insbesondere der Makler, der als Interessenvertreter des Versicherungsnehmers angesehen wird (Vorb. vor § 1 Anm. 42, P a u l y HRZ 1922. 92; s. auch RG HGZ 1925 Nr. 82 = J R P V 1925. 215 = APV 1925. 155 = Sasse Nr. 10). § 43 VVG, nach welchem der Versicherungsagent, auch wenn er nur Vermittlungsagent ist, als ermächtigt gilt, den
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Versicherungsschein auszuhändigen, ist entsprechend anzuwenden ( S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 4 zu § 14 ADS). Der Versicherer hat dort auszuhändigen, wo für ihn im allgemeinen der E r f ü l l u n g s o r t ist (vgl. Vorb. V I I vor § 1). Wohnt der Versicherungsnehmer an einem anderen Orte, so hat der Versicherer die Police nach der Verkehrssitte dem Versicherungsnehmer zu übersenden. Gefahr und Kosten der Übersendung trägt der Versicherungsnehmer (vgl. für den Kauf: BGB § 447). Aber auch im übrigen trägt der Versicherungsnehmer die Kosten sowohl der Ausstellung wie der Aushändigung, insbesondere die Stempelkosten. Denn diese Kosten sind Nebenkosten, die der Versicherungsnehmer nach § 16 Abs. 1 zu ersetzen hat (§ 16 Anm. 12). Für die Kosten der bloßen Ausstellung wird im Binnenland eine „Policengebühr" erhoben, in den Hansestädten herkömmlicherweise nicht. — Der Anspruch auf Aushändigung der Police kann für sich allein, also ohne die Hauptforderung a b g e t r e t e n werden (Roelli 151, B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 3 V V G , Prölß Anm. 8 zu § 3 VVG). Er kann aber nicht für sich allein verpfändet oder gepfändet werden, — sowenig und aus teilweise denselben Gründen, wie die Police nicht für sich allein, ohne die Entschädigungsforderung, verpfändet oder gepfändet werden kann (vgl. unten Anm. 15). Anm. 5 5. Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Police auszuhändigen. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer an der Versicherung beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Der Versicherer braucht insbesondere nur eine Police auszustellen (abw. ohne Grund R o e l l i 151 für den Fall, daß die mehreren Versicherungsnehmer nicht gemeinschaftlich vertreten sind). Wem der Versicherer die Police auszuhändigen hat, richtet sich nach der Art der die Versicherungsnehmer verbindenden Gemeinschaft. Kann keiner der mehreren Versicherungsnehmer allein die Aushändigung verlangen, so kann der Versicherer nur an alle aushändigen, jeder einzelne Versicherungsnehmer nur die Aushändigung an alle verlangen (BGB § 432). — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kann nur der Versicherungsnehmer Aushändigung einer Police verlangen. Der Versicherte kann auch nicht Aushändigung an den Versicherungsnehmer verlangen (abw. ohne Grund L e n n e 173). Anm. 6 6. Der Versicherer hat die Police auf Verlangen auszuhändigen. Er ist nicht ohne weiteres verpflichtet, eine Police auszuhändigen (anders V V G § 3). Der Anspruch auf Aushändigung einer Police wird erst fällig, wenn der Versicherungsnehmer die Aushändigung verlangt. Der Versicherer kommt nicht schon in Verzug, wenn der Versicherungsnehmer die Aushändigung verlangt, sondern erst, wenn er binnen angemessener Frist dem Verlangen nicht entspricht und der Versicherungsnehmer mahnt (BGB § 284). — Das Verlangen ist (ähnlich der Mahnung) eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende Willenserklärung. Näheres über solche Erklärungen: Vorb. IV vor § 1. Uber Erklärungen gegenüber einem Vertreter, insbesondere einem Gesamtvertreter des Versicherers: § 3 Anm. 18. — Der Versicherungsnehmer kann auch noch nach Zahlung der Prämie Aushändigung einer Police verlangen. Sogar noch nach Beendigung der Versicherung ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 3 VVG, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 14 ADS; anders Prölß Anm. 8 zu § 3 VVG). Aber er kann nicht nur, um den Versicherer zu schädigen, eine Police verlangen (BGB § 226). Auch kann er keine Police mehr verlangen, wenn dem Versicherer mangels der nötigen Unterlagen nicht mehr zuzumuten und demgemäß nicht mehr möglich ist, eine Urkunde über den Versicherungsvertrag auszustellen (wie etwa der Prinzipal dem Angestellten kein Zeugnis mehr auszustellen braucht, wenn so lange Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses verstrichen ist, daß er das Zeugnis nicht mehr ordnungsgemäß ausstellen kann). — Der Anspruch auf Aushändigung einer Police verjährt in 5 Jahren (§ 48).
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7. Der Versicherer hat eine Police auszuhändigen (police, policy of insurance, § 14 marine policy: MIA, polizza d'assicurazione, von pollicitatio, vgl. R . E h r e n b e r g Z f V W Anm. 7 i. 377, G o l d s c h m i d t Universalgeschichte 374, andere Ableitung: L i t t r e , Diction, de la langue Frang. unter Police: von pollex, polegium, poleticum, polyptechum; V V G § 3: Versicherungsschein), d. h. eine von ihm u n t e r z e i c h n e t e U r k u n d e über den Versicherungsvertrag. Urkunden sind durch Schriftzeichen geäußerte Gedanken. Die Schriftzeichen sind im Zweifel der am Erfüllungsort gesprochenen Sprache zu entnehmen und können (von der Unterschrift abgesehen) durch Handschrift, Druck, Stempel oder sonstwie hergestellt werden. Da die Police, insbesondere die Güterpolice, Verkehrspapier ist, muß der Stoff der Urkunde so beschaffen sein, daß die Police sich leicht befördern läßt. — Die Urkunde muß v o m V e r s i c h e r e r unterzeichnet sein. Wie der Versicherer zu unterzeichnen hat, richtet sich nach allgemeinem bürgerlichem Recht und Handelsrecht. Wenn mehrere Versicherer beteiligt sind, ist von allen zu unterzeichnen, insbesondere nicht nur vom Führer (Vorb. V zu § 1), wenn nicht dieser dazu besondere Vollmacht hatte. E i g e n h ä n d i g (BGB § 126 Abs. 1). Mechanische Vervielfältigung, Stempelung, Faksimile, Herstellung der Unterschrift mit Schreibmaschine genügen nicht (anders § 3 Abs. 1 Satz 2 V V G , der eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift genügen läßt, eine Vorschrift, die S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 14 ADS auf § 14 entsprechend anwenden will, damit auch R G 125. 73, wonach die Nachbildung auch im Druckverfahren hergestellt werden kann. Doch ist das abzulehnen. Unrichtig auch B l u m h a r d t Recht 1910. 738: Faksimile sei zulässig). Unterzeichnet ein V e r t r e t e r des Versicherers, so kann er mit dem Namen des Versicherers und einem Vertretungszusatz unterzeichnen, insbesondere dem Stempel der Firma des Versicherers handschriftlich den eigenen Namen hinzufügen. Er kann auch nur mit dem Namen des Versicherers unterzeichnen (RG 74. 69, 81. 1). Er kann auch nur mit dem eigenen Namen unterzeichnen, doch muß in diesem Falle aus der Police erkennbar sein, daß er für denVersicherer unterzeichnet hat. Der Abschlußagent (§ 45 V V G ) ist als solcher zur Unterzeichnung als legitimiert anzusehen ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 11 zu § 3 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 14 ADS). Dagegen bedürfen Vermittlungsagenten und Versicherungsmakler (s. für diese HansOLG HansRGZ 1928 Β 5 = Sasse Nr. 198) einer besonderen Vollmacht. L e s e r l i c h braucht die Unterschrift nicht zu sein. Aber sie muß erkennbare Buchstaben enthalten (Hecke L Z 1 9 1 1 . 739, R O H G 22. 407). — Die Unterschrift muß den Text decken. Sie muß also regelmäßig u n t e r dem T e x t stehen. Wird der Text verändert, so muß erkennbar sein, daß die Unterschrift später geleistet ist oder auch die Veränderung decken soll; denn sonst kann die Police ihren Zweck, als Beweisurkunde zu dienen, nicht erfüllen. Daß die Schriftform trotz irgendwelcher Textveränderung gewahrt ist, entscheidet nicht (vgl. hierüber und über die Beweislage R G 27. 271, 29. 431, J W 1909. 160). 8. Es muß eine Urkunde über den Versicherungsvertrag sein. Die Police Anm. 8 muß erkennen lassen, wer den Vertrag geschlossen hat, und was vereinbart ist. Ist vereinbart, daß die ADS dem Vertrag zugrunde liegen sollen, so braucht also nur dies in der Police gesagt zu sein; es brauchen also nicht die ganzen ADS in die Police aufgenommen zu werden ( B l u m h a r d t Recht 1910. 739, R o e l l i 153, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu § 14 ADS; s. auch R G J R P V 1928. 370 = J W 1929. 931 = APV 1929. 258 = Sasse Nr. 33). Demgemäß haben auch die im hansestädtischen Versicherungsverkehr üblichen Policen seit langem nur auf die Allgemeinen Bedingungen Bezug genommen (Mat. 2. 29, 102, 106). Anders im binnenländischen Seeversicherungs-Verkehr; hier wird für Güterversicherungen ein Policenmuster benutzt, das zwar auch auf die ADS Bezug nimmt, aber auch einen umfangreichen „Auszug" aus den ADS enthält. Diesen Allgemeinen Bedingungen gehen die in die Police aufgenommenen, mit Maschinenschrift
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geschriebenen Sonderklauseln vor (RG J R P V 1928. 370 = J W 1929. 931 = APV 1929. 258 = Sasse Nr. 33). — Die Urkunde braucht sich nicht gerade als „ P o l i c e " zu bezeichnen. Aber es muß doch eine Urkunde über den Versicherungsvertrag und nur über ihn in der verkehrsüblichen Form sein; insbesondere die Güterpolice, die regelmäßig negotiabel sein muß. Ein bloßes Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer würde also, selbst wenn es alles enthielte, was eine Police enthalten soll, nicht genügen. Daß ein solches Schreiben der Schriftform der §§ 126, 127 BGB genügen würde, ist nicht entscheidend. — Wird, was in der Police als vereinbart beurkundet ist, nachträglich g e ä n d e r t , so wird der Versicherungsnehmer regelmäßig nur verlangen können, daß der Versicherer die Änderung in der Police vermerkt (Roelli 151). Anm. 9 9. Bedeutung der Police. a) Die Police ist Beweisurkunde (s. auch R G HGZ1925 Nr. 82 = J R P V 1925.215 = APV 1925. 155 = Sasse Nr. 10, OLG Hamburg VersR 1952. 113, K i s c h Versicherungsschein 30, B r u c k - M ö l l e r Anm. 22 zu § 3 V V G , beide mit weiteren Nachweisen). Da der Versicherungsvertrag formlos geschlossen werden kann, ist deshalb die Police bei der Auslegung eines solchen nicht in allen Fällen ohne weiteres allein entscheidend, vielmehr sind unter Umständen auch vorangegangene Verhandlungen und Vereinbarungen von maßgeblicher Bedeutung (RG aaO). Siehe R G ebendort über die etwaige Heranziehung von Mitversicherern, dazu aber auch die vom R G aufgehobene Vorentscheidung HansOLG HGZ 1924 Nr. 52 = H R Z 1924. 419 = Sasse Nr. 316. Da die Police nur eine vom Versicherer unterzeichnete Urkunde ist, beweist sie zunächst natürlich nur gegen den V e r s i c h e r e r , daß vereinbart ist, was in der Police steht, nicht mehr, nicht weniger, nichts anderes. Der Versicherer muß also den Gegenbeweis führen, wenn er behauptet, daß die Police unrichtig oder unvollständig sei. Anm. 10 b) Ist die Police u n r i c h t i g oder u n v o l l s t ä n d i g , so bedeutet sie oder ihre Aushändigung aber noch mehr, hat sie auch eine besondere privatrechtliche Bedeutung. Ist die Police u n r i c h t i g , so enthält sie nach der Verkehrsanschauung auch einen Antrag auf Änderung des Vertrags, den der Versicherungsnehmer ablehnen oder (ausdrücklich oder stillschweigend) annehmen kann (wenn es sich nicht etwa um ein erkennbares Versehen handelt, das der Versicherungsnehmer nicht ausbeuten kann, ohne sich der Exceptio oder Replica doli auszusetzen). Ist die Police u n v o l l s t ä n d i g , so gilt dasselbe, wenn der Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte annehmen darf und muß, daß der Versicherer die Unvollständigkeit gewollt, das Weggelassene nicht gewollt und aus diesem Grunde weggelassen hat. Denn dies entspricht den Grundsätzen, die nach der Verkehrsanschauung und der auf ihr beruhenden Rechtsprechung für die Wirkung unrichtiger oder unvollständiger Bestätigungsschreiben gelten, d. h. solcher Schreiben, die erkennbar dazu bestimmt sind, mündliche oder sonstwie getroffene Vereinbarungen festzustellen und zu bewahren (vgl. auch § 15 Anm. 3). Ein solches Bestätigungsschreiben ist auch die Police. Ist ζ. B. zwar vereinbart, aber in die Police nicht aufgenommen, daß die Versicherung nur dann wirksam sein soll, wenn eine andere Versicherung aufgehoben wird, so darf und kann der Versicherungsnehmer nicht annehmen, daß der Versicherer die Aufhebung der Vereinbarung gewollt hat, und sich deshalb auch nicht damit (ausdrücklich oder stillschweigend) einverstanden erklären; die Vereinbarung wird durch Aushändigung und Annahme der Police nicht berührt (LZ 1909. 324). Ist ein für allemal vereinbart, daß die Versicherung nur dann wirksam sein soll, wenn der Versicherungsnehmer „ein Stauattest der Besichtiger des Newyorker Board of underwriters für die versicherte Ladung vorlegt", diese Vereinbarung aber in eine Police nicht aufgenommen, so darf und kann der Versicherungsnehmer nicht annehmen, daß der Versicherer
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keinen Wert mehr auf die Vereinbarung lege, und sich deshalb auch nicht mit ihrer § Aufhebung (ausdrücklich oder stillschweigend) einverstanden erklären (RG 19. 227). Wenn der Versicherungsnehmer für 5500 Versicherung genommen hat und die Police infolge eines Rechenfehlers auf 550 lautet, kann sich der Versicherer nicht auf die Police berufen (BayObLG SA 37 Nr. 287). Weitergehend und insoweit unrichtig HGZ ig 18. 44: Güter sind für die Reise von Kopenhagen „nach Corral, Antofagasta und Mollendo (englische Häfen nicht anlaufend)" versichert und dies nicht nur mündlich vereinbart, sondern auch noch in Schlußnoten beurkundet; in der Police wird die Klausel „(englische Häfen nicht anlaufend)", offenbar versehentlich, weggelassen; nach Ansicht des OLG Hamburg wird „durch Nichtaufnahme vorher mündlich besprochener Bestimmungen der Wille zum Ausdruck gebracht, solche nicht zum Gegenstand des Vertrags zu machen; vom Policeninhalt abweichende Bestimmungen, auch wenn sie beim mündlichen Abschluß beredet und in der Schlußnote zum Ausdruck gebracht seien, müßten daher außer Betracht bleiben, es sei denn, daß die Vertragsparteien bei Ausstellung der Police die Maßgeblichkeit derartiger Abreden besonders vereinbart hätten" (vgl. zu diesem Falle aber auch § 13 Anm. 15). Jedenfalls kann der Versicherer, der eine unvollständige oder unrichtige Police ausgehändigt hat, die darin etwa liegende Willenserklärung, den darin liegenden Antrag auf Abschluß eines, dem abgeschlossenen Vertrag widersprechenden, Vertrags wegen Irrtums usw. anfechten. Die berechtigte Anfechtung würde die Wirkung haben, daß nunmehr gilt, was wirklich vereinbart ist, nicht mehr, was nach der Police vereinbart zu sein schien. — Ist die Police so unvollständig, daß sie auch im Wege der Auslegung nicht ergänzt werden kann, so kann aus ihr auch nicht entnommen werden, ob ein gültiger Vertrag zustande gekommen ist (HansOLG HGZ 1924 Nr. 52 = HRZ 1924. 419). c) Die Police beweist zunächst nicht g e g e n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Anm. Anders, wenn dieser nicht unverzüglich widerspricht. Dann gilt ihr Inhalt sogar als vom Versicherungsnehmer genehmigt (§ 15). d) Die Police ist Schuldschein im Sinne der §§ 371, 952 Abs. 1 BGB ( B r u c k - Anm. M ö l l e r Anm. 28 zu § 3 VVG, G e r h a r d 34. 319, K i s c h LZ 1919. 7 und Versicherungsschein I4f., K o h l e r 421, v. O e r t z e n Z f V W 1911. 822, 837, J W 1907.152, P r ö l ß Anm. 6 zu § 3 VVG, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 6 zu § 14 ADS, RG 66. 163, OLG Hamburg HansRGZ 1937 A 93, LZ 1910. 252 usw.; abw. J o s e f MittöffFVA 1921. 10g, L e n n e 173, der auf § 952 Abs. 2 BGB verweist, ebenso RG 51. 85; vgl. auch die neben § 371 BGB auffällige Vorschrift des § 4 Abs. 2 VVG und Begr. zu VVG §§ 3> 4)· Zwar bescheinigt die Police nicht nur die Schuld des Versicherers. Aber die Bescheinigung dieser Schuld ist doch ihr Hauptzweck ( K i s c h LZ 1919. 7, OLG Hamburg LZ 1910. 252). α) Nach §§ 371, 368 BGB braucht der Schuldner n u r g e g e n R ü c k g a b e Anm. d e s S c h u l d s c h e i n s , brauchte der Versicherer also nur gegen Rückgabe der Police zu zahlen. Die Vorschrift ist ersetzt durch § 14 Abs. 2 (unten Anm. 18). ß ) Nach § 952 Abs. 1 BGB steht das E i g e n t u m a m S c h u l d s c h e i n dem Anm. Gläubiger, das Eigentum an der Police also dem Versicherungsnehmer, bei der Versicherung für fremde Rechnung dem Versicherten zu. Eigentum und Forderung sind unzertrennlich (bis die Forderung erlischt). Und zwar folgt das Eigentum der Forderung, das Recht am Papier dem Rechte aus dem Papier. Das Eigentum kann auf keinen anderen als den Gläubiger übergehen, insbesondere übertragen werden ( G e r h a r d 34, K i s c h LZ 1919. 8, S t r o h a l Recht 1901. 158, OLG Dresden Rspr4. 335; abw. S c h r o e d e r HRZ 1919. 405, RG 51. 85, OLG Hamburg LZ 1910. 252 unter Hinweis auf Mot. 3. 644). Denn über die Art der Entstehung, Endigung und Übertragung von Sachenrechten bestimmt das Gesetz; die Beteiligten
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können nur in den Grenzen des Gesetzes verfügen. Auch guter Glaube des Papiererwerbers nützt nicht ( O L G Hamburg L Z 1910. 252). Das Eigentum an der Police allein kann also auch nicht als bloßes Sicherungseigentum auf einen anderen übertragen werden. Wird die Forderung sicherungsweise auf einen anderen übertragen, so folgt ihr das Eigentum an der Police ( A P V 1908 II 15). Wird die versicherte Sache veräußert, so geht die Versicherungsforderung und damit auch das Eigentum an der Police auf den Erwerber über (v. O e r t z e n Z f V W 1911. 843). Ist das versicherte Interesse nur teilweise übertragen, teilweise beim Veräußerer geblieben, so entsteht zwischen Veräußerer und Erwerber ein Gemeinschaftsverhältnis (BGB §§ 741, 1008, 432), — ebenso, wie etwa zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem, wenn die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, teils eigenes teils fremdes Interesse deckt (vgl. § 1 Anm. 12), oder zwischen Versicherungsnehmer und Zessionar, wenn der Versicherungsnehmer die Forderung nur teilweise abtritt (§ 49 Anm.).
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γ) Ähnlich, wie mit dem Eigentum, ist es mit dem P f a n d r e c h t . Das Pfandrecht an der Police hat derjenige, der das Pfandrecht an der Forderung hat. Die Police allein kann nicht verpfändet oder gepfändet werden. Vgl. ζ. B. B e h r e n d Z H R 55. 78, G e r h a r d 34, B r u c k - M ö l l e r Anm. 9 zu § 4 V V G , K i s c h L Z 1919.8, R o e l l i 159, R G 51. 86, Gruchot 47. 957, Recht 1909 Nr. 624 (mit teilweise abw. Gründen). Verpfändung und Pfändung der Forderung lassen ohne weiteres auch das Pfandrecht an der Police entstehen. O b die Verpfändung der Police (mit Anzeige an den Versicherer: BGB § 1280) als Verpfändung auch der Forderung auszulegen ist, ob die (unwirksame) Verpfändung der Police und der Forderung ohne Anzeige an den Versicherer gemäß § 140 BGB als Sicherungsübertragung aufrechterhalten werden kann, und ob die (unwirksame) Verpfändung der Police gemäß § 140 BGB als Einräumung eines Zurückbehaltungsrechts aufrechterhalten werden kann, ist Tatfrage (vgl. ζ. B. K i s c h L Z 1919. 10, R O H G 14. 29, R G 51. 87, 66. 26, Recht 1908 Nr. 1333, 1909 Nr. 624, O L G Hamburg Rspr 8. 86; vgl. auch unten Anm. 16 und S k o u f i s VersR 1962. 495). — Wird die versicherte Sache verpfändet oder gepfändet, so entsteht kein Pfandrecht an der Forderung, also auch kein Pfandrecht an der Police (§ 51 Anm., vgl. auch S k o u f i s VersR 1962. 493).
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6) Der Besitzer der Police kann nach dem Gesetz zur Z u r ü c k b e h a l t u n g der Police berechtigt sein. Er kann nach § 273 BGB die Herausgabe der Police verweigern, wenn er einen fälligen Gegenanspruch aus demselben Verhältnis hat, ζ. B. den Anspruch auf Erstattung verauslagter Prämie, oder wenn er etwas (ζ. B. Stempelbeträge) auf die Police verwendet hat, oder wenn er durch die Police (etwa durch ihr anhaftende Krankheitskeime) Schaden erlitten hat (vgl. O L G Hamburg WallmannsZ 39. 2281). Das Zurückbehaltungsrecht kann auch (etwa zur Sicherung einer Darlehnsforderung) v e r e i n b a r t sein. Es hat in jedem Falle n u r o b l i g a t o r i s c h e W i r k u n g e n . Dingliche Wirkungen können ihm auch durch Vertrag nicht beigelegt werden ( K i s c h L Z 1919. 11, R G 51. 86). Es kann nur gegenüber demjenigen geltend gemacht werden, dem gegenüber es nach Gesetz oder Vertrag besteht. Uberträgt der Versicherungsnehmer die Forderung und damit das Eigentum an der Police auf einen dritten, so kann dieser trotz des Zurückbehaltungsrechts vom Besitzer Herausgabe verlangen ( K i s c h L Z 1919. n , O L G Hamburg L Z 1910. 252; vgl. auch Baumgartners Praxis Nr. 467). Der Besitzer der Police kann sich insbesondere nicht auf § 986 Abs. 2 BGB berufen, wonach der Besitzer demjenigen, der durch Abtretung des Herausgabeanspruchs Eigentümer geworden ist, entgegenhalten kann, was er gegen den abgetretenen Anspruch einwenden kann (abw. S c h r o e d e r H R Z 1919. 405). Denn der neue Gläubiger ist nicht durch Abtretung des Herausgabeanspruchs Eigentümer geworden. Der Eigentumserwerb
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ist vielmehr die gesetzliche Folge des Ubergangs der Versicherungsforderung. Auch auf Billigkeitsgründe kann man sich nicht berufen. Wenn sich jemand einen Schuldschein (insbesondere eine Police oder ein Sparkassenbuch) hat verpfänden lassen, die vom § 1280 BGB geforderte Verpfändungsanzeige an den Schuldner aber unterbleibt, und die Verpfändung gemäß § 140 BGB als Einräumung eines Zurückbehaltungsrechts bei (wenngleich schwächeren) Kräften erhalten will, soll es unbillig sein, dem Besitzer die Einrede des Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem dritten Eigentümer zu rauben ( S c h r o e d e r H R Z 1919. 405). Aber wenn man schon mit Hilfe des § 140 BGB einer lästigen Gesetzesvorschrift, wie derjenigen des § 1280 BGB, ein Schnippchen schlägt, soll man es nicht für unbillig halten, daß sich kein zweites schlagen läßt. — Das Zurückbehaltungsrecht versagt im Konkurse desjenigen, dem gegenüber es besteht (vgl. K O § 49 Nr. 3, 4). Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB, das auch dem Konkurse standhält, kann an der Police nicht bestehen. Denn es kann nur an Wertpapieren und beweglichen Sachen bestehen. Policen sind aber auch dann keine Wertpapiere, wenn sie Legitimationspapiere sind (vgl. z. B. R O H G 9. 242, 14. 28, R G 22. 218, 29. 301). Ebensowenig sind sie „bewegliche Sachen" im Sinne des § 369 HGB (vgl. ζ. B. R G 10. 40, 29. 302). ε) Besondere Bedeutung der Police im Falle der V e r ä u ß e r u n g der versicherten Sache; § 49 Abs. 1, 2, und im Falle der Versicherung für f r e m d e Rechnung: §§ 53, Abs. 2, 54 Abs. 1, 55. 10. A b s . 2, Satz 1. Der Versicherer braucht nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen. — Fällig wird die Zahlung, auch ohne daß die Police vorgelegt wird. Aber der Versicherer kommt nicht in Verzug, wenn der Versicherungsnehmer nicht die Police vorlegt (vgl. BGB § 285). Der Versicherer kann auch ohne Vorlegung der Police verklagt werden; aber er kann nur verurteilt werden, Zug um Zug gegen Vorlegung der Police zu zahlen (BGB § 274). Sind m e h r e r e Mitversicherer beteiligt, so braucht jeder nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen; auch dann, wenn einer von ihnen „ F ü h r e r " ist (vgl. Vorb. V vor § 1). 11. Der Versicherungsnehmer braucht die Police nur v o r z u l e g e n . Er braucht sie nicht auszuhändigen, nicht zurückzugeben (vgl. V V G § 4 Abs. 2, Ε i g i o § 15 Abs. 1: Rückgabe). Denn der Versicherungsnehmer kann die Police noch für andere Versicherungsfalle oder für andere Mitversicherer oder zu Beweiszwecken brauchen. — Der Versicherer kann auch zwar eine Q u i t t u n g über die Zahlung verlangen (BGB §368), aber nicht auf der Police. Er darf auch nicht selbst die Zahlung auf der Police vermerken (anders BSVB § 41 Abs. 5: „vollständige Zahlung unter Tilgung seiner Unterschrift, Teilzahlungen gegen Abschreibung auf der Police"). — Der Versicherer hat allerdings ein Interesse an der Rückgabe der Police. Denn mit der Police in der Hand wird er regelmäßig am einfachsten beweisen, daß er an den „Inhaber der Police" gezahlt und deshalb und gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 befreit ist. Deshalb wird er aber auch ein Recht darauf haben, daß in der Quittung bescheinigt wird, daß er gegen die Police gezahlt hat. 12. Nach § 811 BGB sind die nach § 810 BGB vorzulegenden Urkunden dort vorzulegen, wo sie sich befinden. Die sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift verbietet sich. Denn der Versicherer muß gegen die Police zahlen; der für den Versicherer maßgebende Zahlungsort muß also auch für die Vorlegung der Police maßgebend sein. Die Police ist also vorzulegen, w o d e r V e r s i c h e r e r z u z a h l e n h a t . Nun sind Geldschulden freilich im Zweifel Bringschulden. Der Schuldner muß Geld im Zweifel auf eigene Gefahr und Kosten dem Gläubiger übersenden (BGB § 270 Abs. 1). Der Versicherer müßte hiernach im Ergebnis am Orte des Wohnsitzes oder der Niederlassung
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§ 14 des Versicherungsnehmers zahlen. Der Versicherungsnehmer würde hiernach auch nur an diesem Orte die Police vorzulegen brauchen. Und jedenfalls würde ihm zu gestatten sein, die Police zu übersenden und dagegen Übersendung des Geldes zu verlangen. Das entspricht aber nicht der Auffassung, von der sich der Urheber des Gesetzes hat leiten lassen, indem er den Aussteller einer Inhaber-Schuldverschreibung oder eines Legitimationspapiers zur Zahlung „nur gegen Aushändigung" verpflichtete (BGB §§ 797, 808 Abs. 2 usw., Mot. ζ. BGB 2. 698). Schulden, die „nur gegen Aushändigung" der Schuldurkunde zu erfüllen sind, betrachten Gesetz und Verkehrsauffassung als „Holschulden" (vgl. Komm, zum § 797 BGB). Das muß natürlich erst recht gelten, wenn der Schuldner „nur gegen Vorlegung" der Vertragsurkunde zu zahlen braucht. Der Versicherungsnehmer muß also das Geld beim Versicherer abholen und dabei die Police vorlegen. Übersendet er dem Versicherer die Police, läßt er sich vom Versicherer das Geld übersenden, so reisen Police und Geld auf seine Gefahr und Kosten. Anm. 21
13. Der Versicherer braucht alles, was er auf Grund des Versicherungsverhältnisses zu zahlen hat, nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen. Nicht nur die Entschädigung für Schäden und Aufwendungen, sondern auch ζ. B. Schadensersatzbeträge, insbesondere Verzugszinsen. — A n d e r e L e i s t u n g e n kann er von der Vorlegung der Police nicht abhängig machen. Ζ. B. muß er seine Verpflichtung, bei der Schadenfeststellung mitzuwirken, auch ohne Vorlegung der Police erfüllen. Anm. 22 14. Die Police ist Präsentationsurkunde nur in dem Sinne, daß der Versicherer nur gegen ihre Vorlegung zu zahlen braucht. Der Versicherungsnehmer kann Zahlung nur mit der Police in der Hand verlangen. Im ü b r i g e n ist er in der Geltendmachung, Übertragung, Verpfändung usw. seiner Rechte vom Besitz der Police nicht abhängig. Er kann ζ. B. den Schaden ohne Vorlegung der Police gemäß § 49 andienen, das Versicherungsverhältnis ohne Vorlegung der Police gemäß § 49 Abs. 4 kündigen, gemäß § 35 Abs. 2, 3 die Aufrechterhaltung der sonst erlöschenden Versicherung ohne Vorlegung der Police erklären, gemäß §§ 67, 68 die Verlängerung der Kaskoversicherung ohne Vorlegung der Police ausschließen, gemäß § 71 Abs. 1 im Falle des Totalverlustes ohne Vorlegung der Police die Versicherungssumme „verlangen", die Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis ohne Ubergabe der Police abtreten usw. Anm. 23 15. Der Versicherer b r a u c h t nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen. Er darf auch ohne Vorlegung der Police zahlen. Er wird durch Zahlung an den Berechtigten frei, auch wenn die Police nicht vorgelegt wird (Ausnahme: § 53 Abs. 2). Auch dann, wenn er weiß, daß der Versicherungsnehmer die Police nicht besitzt (abw. ohne Begr. Bendix ZfVW 1903. 270, G e r h a r d 34). — Anders natürlich, wenn vereinbart ist, daß der Versicherer nur gegen Vorlegung der Police zahlen darf (sog. verstärkte Einlösungsklausel, vgl. hierüber G e r h a r d 32, v. Oertzen ZfVW 1911. 1010, R o e l l i 161). Zahlt der Versicherer dem Berechtigten, ohne sich die Police vorlegen zu lassen, so muß er dem gutgläubigen Policeninhaber den dadurch entstandenen Schaden ersetzen. Zahlt er dem Nichtberechtigten, ohne sich die Police vorlegen zu lassen, so gilt dasselbe; überdies wird der Versicherer natürlich dem Berechtigten gegenüber nicht befreit. Die Police hat also in gewissem Umfang inhaberpapier-rechtliche Wirkungen. Anm. 24 16. Abs. 2 Satz 2. Der Versicherer wird durch Zahlung an den Inhaber der Police befreit. Die Police ist Legitimationspapier (vgl. BGB § 808, R G 94. 26, 145. 352, BGH VersR 1962. 659 = Hansa 1962. 1805 = MDR 1962. 719: Auch eine Seeversicherungspolice mit Inhaberklausel ist im Zweifel nur Legitimationspapier, nicht Inhaberpapier). Sie legitimiert zwar nicht den Inhaber; der Versicherer kann verlangen, daß der Inhaber sich als den Berechtigten ausweise. Aber sie legitimiert den Versicherer; der Versicherer braucht die Berechtigung des Inhabers nicht zu prüfen ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 13 zu § 4 V V G ; a. A. M a m p e l J R 1950. 7i3f.), kann an den Inhaber zahlen
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und kann die Zahlung auch dem Berechtigten gegenüber einwenden. — Der Ver- § sicherer wird durch Zahlung an den Inhaber auch d a n n frei, wenn er sich die Police nicht hat vorlegen lassen. Es genügt, daß der Zahlungsempfänger sie in H ä n d e n hatte. — O b der Inhaber der Police auch ihr Besitzer im Rechtssinne war, ist ohne Bedeutung. — O h n e Bedeutung ist auch, ob der Versicherer bei der Zahlung weiß oder wissen m u ß oder ohne grobe Fahrlässigkeit wissen müßte, daß der Inhaber nicht der Berechtigte ist ( H G Z 1909. 255). Aber er darf nicht zahlen, wenn er weiß, daß der Inhaber nicht der Berechtigte und daß der Inhaber dem Berechtigten gegenüber auch nicht berechtigt ist, sich zahlen zu lassen. Denn das würde gegen die guten Sitten verstoßen und demgemäß und gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichten. Handelt es sich nämlich u m Schuldverhältnisse, die zu erfüllen sind, so m u ß die Frage, was unter einem Verstoß gegen die guten Sitten zu verstehen ist, im Lichte des Grundsatzes betrachtet werden, d a ß der Schuldner nach Treu und Glauben verfahren m u ß (BGB § 242) und bei Versicherungsverhältnissen im Lichte der besonderen Assekuranztreue (§ 13 Anm. 5, 6). D a ß bei solcher Betrachtung die Zahlung an den Inhaber der Police gegen die guten Sitten verstößt, wenn der Versicherer weiß, daß der Inhaber nicht der Berechtigte und dem Berechtigten gegenüber auch nicht zum Empfang der Zahlung berechtigt ist, versteht sich von selbst (vgl. R G 89.403, B r u c k - M ö l l e r Anm. 13 zu § 4 V V G : ein Fall des treuwidrigen Verhaltens). Der bloße Widerspruch des Berechtigten gegen die Zahlung an den Inhaber braucht also den Versicherer nicht abzuhalten, an den Inhaber der Police zu zahlen ( O G H a m b u r g H G Z 1868. 112). — Durch Zahlung an geschäftsunfähige oder nur beschränkt geschäftsfähige Inhaber der Police wird der Versicherer nicht befreit. — Der Zahlung stehen Zahlungssurrogate (Hingabe an Zahlungs Statt: BGB § 364, Hinterlegung: BGB § 372, Aufrechnung: BGB § 387, E r l a ß : BGB § 397, Giroüberweisung: Recht 1909 Nr. 2789) gleich. Sonstige Rechtsgeschäfte zwischen Versicherer und Policeninhaber (ζ. B. Stundung) braucht der Berechtigte nicht gegen sich gelten zu lassen. 17. A b s . 3. Die Police ist Legitimationspapier (oben Anm. 24). Sie kann daher Anm. im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden, wenn sie abhandengekommen oder vernichtet ist (BGB § 808 Abs. 2). — Als v e r n i c h t e t ist die Police schon dann anzusehen, wenn ihr wesentlicher Inhalt nicht mehr sicher zu erkennen ist (vgl. BGB § 798, H G B § 229, K i s c h Versicherungsschein 35). Als a b h a n d e n g e k o m m e n ist sie anzusehen, wenn der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen (oder ohne sein Zutun) den Besitz verloren h a t (RG 101. 225; vgl. auch BGHZ 4. 34). Uber das A u f g e b o t s v e r f a h r e n : Z P O §§ 946, 1003fr. Landesgesetze können abweichendes bestimmen (EGzBGB Art. 102 Abs. 2; vgl. ζ. B. H a m b . A G z Z P O § 4). — Antragsberechtigt ist, wer das Recht aus der Police geltendmachen kann (ZPO § 1004 Abs. 2; s. dazu auch H a n s O L G H a n s R G Z 1928 Β 5 = Sasse Nr. 375). Das ist bei der Versicherung für fremde Rechnung regelmäßig der Versicherungsnehmer (§ 54). Der Versicherte kann regelmäßig n u r mit Zustimmung des Versicherungsnehmers den Antrag stellen (§ 53 Abs. 2). Anders wohl, wenn der Versicherte im Besitz der Police gewesen ist und sie ihm abhandengekommen oder vernichtet ist (vgl. § 53 Abs. 2). — Der Versicherer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Antragsteller durch Erteilung von Auskunft usw. zu unterstützen (anders BGB § 799). Doch wird der Versicherer nach § 13 dazu verpflichtet sein, wenn die ihm angesonnene Mühe gering ist. — Zuständig ist das Amtsgericht, bei dem der Versicherer seinen allgemeinen Gerichtsstand hat ( Z P O §§ 13fr., 1005; § 127 ADS ist nicht maßgebend). — Das Gericht bietet die Police auf ( Z P O §§ 1008, 100g). Nach fruchtlosem Ablauf der Aufgebotsfrist ergeht das Ausschlußurteil ( Z P O § 1017). — Der Aufbieter kann nunmehr die in der Police beurkundeten Rechte geltendmachen, wie wenn er Inhaber der
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Police wäre ( Z P O § 1018). Das Ausschlußurteil überhebt ihn also nicht des Nachweises seiner Berechtigung (vgl. O L G Rostock R J A 8. 158). Der Versicherer braucht nur gegen Vorlegung des Ausschlußurteils zu zahlen ( § 1 4 Abs. 2 Satz 1). Durch die Zahlung an den Inhaber des Ausschlußurteils wird der Versicherer befreit (§ 14 Abs. 2 Satz 2). Anm. 26 18. Der Versicherungsnehmer kann aber auch ohne Ausschlußurteil Zahlung verlangen, wenn er Sicherheit leistet (vgl. dazu H G B § 365 Abs. 2 Satz 2). Der Versicherungsnehmer oder der sonst Berechtigte, etwa der E r w e r b e r der versicherten Sache oder bei der Versicherung für fremde Rechnung der V e r s i c h e r t e , der die Police verloren hat (vgl. oben A n m . 25). — Der Versicherungsnehmer wird in diesem Falle eine A b s c h r i f t der Police beibringen oder den wesentlichen Inhalt der Police und alles angeben müssen, was zu ihrer vollständigen Erkennbarkeit erforderlich ist (vgl. Z P O § 1007 Nr. 1, •— natürlich nur, soweit darüber überhaupt Zweifel bestehen). Er wird ferner die V e r n i c h t u n g usw. der Police g l a u b h a f t machen müssen ( Z P O § 1007 Nr. 2). Die Sicherheitsleistung überhebt ihn ebensowenig wie das Ausschlußurteil der Notwendigkeit des Nachweises, daß er der B e r e c h t i g t e ist. Es genügt nicht etwa nur die Glaubhaftmachung der Tatsachen, von welchen seine Berechtigung abhängt, das Aufgebotsverfahren zu beantragen (vgl. Z P O § 1007 Nr. 2). — Über S i c h e r h e i t s l e i s t u n g : BGB §§ 232—240. Nach § 232 Abs. 2 BGB würde auch ein tauglicher B ü r g e gestellt werden können. Diese Möglichkeit schließt § 14 Abs. 3 Satz 1 aus (mit Unrecht, weil der Versicherungsnehmer seine Berechtigung nachweisen muß, es sich nur um Sicherheit für den Fall eines Irrtums handelt, und ζ. B. Bankbürgschaft eine verkehrsübliche Sicherheit bildet). — Die H ö h e der Sicherheit wird dem Betrag der Zahlung entsprechen müssen. — Der Versicherer muß in die R ü c k g a b e der Sicherheit willigen, wenn Police oder Ausschlußurteil vorgelegt wird oder sonstwie sicher ist, daß er nicht noch einmal zu zahlen hat. Anm. 27
19· Wenn die Police abhandengekommen oder vernichtet ist und entweder die Police für kraftlos erklärt oder Sicherheit geleistet ist, muß der Versicherer eine Ersatzurkunde ausstellen. Natürlich nur auf Verlangen des Berechtigten (vgl. V V G § 3 Abs. 2). U n d auf Kosten des Versicherungsnehmers, genauer: des Berechtigten, der die Ersatzpolice verlangt, also etwa nach Veräußerung der versicherten Sache: des Erwerbers oder bei der Versicherung für fremde Rechnung: des Versicherten, der die Police verloren hat (vgl. oben Anm. 25). Die Kosten brauchen nicht vorgeschossen zu werden (anders V V G § 3 Abs. 4, BGB § 800, H G B § 228). Der Versicherer kann aber Erstattung der Kosten gegen Aushändigung der Ersatzpolice verlangen. —· Die Höhe der Sicherheit wird nach den Nachteilen zu bemessen sein, die dadurch entstehen können, daß der Versicherer auf Grund der einen Police zahlt und auf Grund der anderen Police noch einmal zahlen muß. Allerdings scheinen solche Nachteile kaum möglich. Denn der Versicherer wird j a durch Zahlung an den Inhaber einer der beiden Policen befreit. Aber die Bedeutung der Bestimmung scheint zu sein, daß diese Befreiung gegenüber dem Inhaber der Ersatzpolice nicht wirkt. Der Versicherer braucht zwar auch nach Ausstellung einer Ersatzpolice die Berechtigung des Inhabers der alten Police nicht zu prüfen. Wenn er aber diesem mit Unrecht zahlt, muß er dem berechtigten Inhaber der Ersatzpolice von neuem zahlen. Hierfür findet er Ersatz in der Sicherheit (nur in der Sicherheit, — nicht in dem sonstigen Vermögen des Bestellers der Sicherheit, wenn die Sicherheit etwa nicht ausreichen sollte).
Anm. 28
20. Orderpolicen. Die Police kann an Order gestellt werden ( H G B § 363 Abs. 2). Der Versicherer ist hierzu aber nur verpflichtet, wenn es besonders vereinbart ist. — Die Orderpolice ist, wie die gewöhnliche Police, Beweisurkunde. Sie ist aber kein Schuldschein im Sinne des § 952 Abs. 1 BGB. Sie ist Wertpapier (insbesondere auch im Sinne des § 36g HGB). Auch § 14 gilt nicht. Orderpapiere sind lediglich nach den
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für Wertpapiere im allgemeinen und für Orderpapiere im besonderen geltenden § 1 4 Vorschriften zu behandeln (vgl. für die Orderpolice insbesondere B r u c k - M ö l l e r Anm. 19 zu § 4 V V G ) . — Eigentum an der Police und Forderung axis der Police sind auch in diesem Falle unzertrennlich. Aber das Eigentum an der Police folgt nicht der Forderung. Der Übergang der Forderung ist vielmehr vom Übergang des Eigentums an der Police abhängig. Mag die Orderpolice durch Indossament oder durch Zession übertragen werden, der Übergang des Eigentums am Papier muß hinzukommen. Auch für die Bestellung eines Pfandrechts genügt die Verpfändung der Forderung nicht. Die Verpfändung der Police muß hinzukommen, mag es sich um Verpfändung durch Indossament (BGB § 1292) oder um eine solche durch gewöhnlichen Pfandvertrag handeln. — Der Versicherer braucht nur gegen Aushändigung der quittierten Police zu zahlen (HGB § 364 Abs. 3). Bei Teilzahlungen kann er nur Quittung auf der Police verlangen. Ebenso bei Zahlungen vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses. — Der Versicherer wird frei, wenn er an denjenigen zahlt, der durch eine zusammenhängende Reihe von Indossamenten legitimiert ist (HGB § 365 Abs. 1). Abhandengekommene oder vernichtete Policen können im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden (HGB § 365 Abs. 1). Der Versicherungsnehmer kann nicht, statt dessen, Zahlung gegen Sicherheitsleistung verlangen. Aber er kann, wenn das Aufgebotsverfahren eingeleitet ist und er bis zur Kraftloserklärung Sicherheit leistet, Zahlung verlangen (HGB § 365 Abs. 2). — Der Versicherer kann dem legitimierten Besitzer der Police nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit seiner Erklärung in der Police betreffen oder sich aus dem Inhalt der Police ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Besitzer der Police zustehen (HGB § 364 Abs. 2; näheres hierüber: § 49 Anm.). 21. Inhaberpolicen. Die Police kann auf den Inhaber gestellt werden (anders Anm. 29 nach Binnenversicherungs-Recht: V V G § 4 Abs. 1 ; aber § 4 V V G gilt nach § 186 V V G nicht für die Seeversicherung; vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 32 zu § 3 V V G , BGH Hansa 1962. 1805 = M D R 1962. 719 = N J W 1962. 1436 = VersR 1962. 659 = Sasse Nr. 69; anders anscheinend K i s c h Versicherungsschein 33f.). Die Ausstellung bedarf auch nicht etwa staatlicher Genehmigung (Begr. z. V V G § 3; abw. G e r h a r d 31, L e n n e 187). Allerdings dürfen Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, nach § 795 BGB nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden. In der Police wird aber nicht die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen. Versprochen wird nur der Ersatz eines Schadens, von dem unbestimmt ist, ob er entstanden ist oder entstehen wird, und wie groß er ist oder sein wird ( M i c h a e l s 35; anders bei einer auf eine bestimmte Geldsumme lautenden Lebensversicherungspolice: Begr. z. V V G § 3).Insbesondere darf nicht etwa deshalb, weil der Versicherungsnehmer in gewissen Fällen ohne weiteres die (bestimmte) Versicherungssumme verlangen kann (vgl. § 71 usw.), angenommen werden, daß in der Police die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird. Solche Auffassung würde an der äußeren Erscheinung der Versicherungssumme haften und ihr Wesen völlig verkennen (vgl. § 6 Anm. 9, auch V o i g t 72). — Der Versicherer ist aber nur verpflichtet, die Police auf den Inhaber zu stellen, wenn es besonders vereinbart ist. — Die Inhaberpolice ist, wie die gewöhnliche Police, Beweisurkunde. Sie ist aber kein Schuldschein im Sinne des § 952 Abs. 1 BGB. Sie ist Wertpapier (insbesondere auch im Sinne des § 369 HGB). Auch § 14 ist nicht anwendbar. Inhaberpolicen sind lediglich nach den für Wertpapiere im allgemeinen und für Inhaberpapiere im besonderen geltenden Vorschriften zu behandeln. — Übertragung und Verpfändung der Inhaberpolice richten sich nach sachenrechtlichen Grundsätzen (BGB §§ 935 Abs. 2, 1293, 1207). — Der Versicherer braucht nur gegen Aushändigung der Police zu zahlen (BGB § 797). Durch 19 R i t t e r . A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 1 4 Zahlung an den Inhaber wird er befreit (BGB § 793 Abs. 1). — Abhandengekommene oder vernichtete Inhaberpolicen können für kraftlos erklärt werden; der Versicherer muß dem bisherigen Inhaber dabei helfen (BGB § 799). Der Aufbieter kann eine Ersatzpolice verlangen (BGB § 800). Ebenso, wenn die Police beschädigt oder verunstaltet und deshalb nicht mehr zum Umlauf geeignet ist (BGB § 798). — Der Versicherer kann einwenden, was die Gültigkeit der Ausstellung betrifft, was sich aus der Police ergibt, und was er unmittelbar dem Inhaber einwenden kann (BGB § 796; näheres hierüber: § 49 Anm.). Tatsächlich kamen und kommen Inhaberpolicen in diesem Sinne sehr selten vor, (vgl. zu einem Fall einer Inhaberpolice L G Berlin J R P V 1928. 219 = Sasse Nr. 712). Die Klausel „claims payable to the holder of this policy" kennzeichnet die Urkunde als Legitimationspapier, L G Hamburg Sasse Nr. 734). Wohl wurden früher vielfach die Policen „an Inhaber" gestellt (Pohls 4. 140) oder „an Zeiger dieses" (AHO 1731 I 4, PreußAHO 2. 7). Aber diese Inhaber- oder Zeigerklausel sollte nur anzeigen, daß die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, genommen war (J. S i e v e k i n g , Von der Assecuranz 17; vgl. auch HH 739: „Auf Inhaber für Rechnung, wen es angeht"). Später hat man (wie im Binnenversicherungs-Verkehr) Policen mit der Inhaberklausel immer nur als Legitimationspapiere betrachtet (Meyer Anzeigepflicht 76, Sieveking 27, H a g e n SVR 81, ROHG 3. 342, 9. 242, Gruchot 27. 968, Bolze 5 Nr. 471, OLG Oldenburg, Hamburg Rspr 8. 86, 87). Soll die Police Inhaberpapier sein, so wird dies also schon besonders zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH aaO). Dies geschieht auch hin und wieder bei der Versicherung von Seemannseffekten, um Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, die in gewissen Versicherungsfällen (ζ. B. im Falle der Verschollenheit des Schiffes) mit der Legitimation des Entschädigungsberechtigten verbunden sein können. Aus einer solchen Police: „Ich, der Unterzeichnete, bekunde hierdurch, daß ich für 800,— DM Versicherung übernommen habe an Herrn I n h a b e r dieser Police auf SeemannsefTekten und Ausrüstung des Steuermanns J a n Maat . . .". Anm. 30 22. Über Laufende Policen: § 97 Anm. Anm. 31 23. § 14 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Uber laufende Rückversicherungen werden aber regelmäßig keine Policen, sondern Vertragsurkunden ausgestellt, die von beiden Parteien unterzeichnet werden (vgl. § 1 Anm. 131, 132). Anm. 32 24. Fremde Rechte, a) Englisches Recht. Der Versicherungsvertrag ist nur gültig, wenn it is embodied in a marine policy accordance with this Act (MIA § 22; vgl. aber auch Vorb. vor § ι Anm. 41). A marine policy must specify: 1) The name of the assured, or of some person who effects the insurance on his behalf, 2) The subjectmatter insured and the risk insured against, 3) The voyage, or period of time, or both as the case may be, covered by the insurance, 4) The sum or sums insured, 5) The name or names of the insurers (MIA § 23), and must be signed by or on behalf of the insurer, provided that in the case of a corporation the corporate seal may be sufficient (MIA § 24). Hartnäckig (with persevering tenacity) hält man fest to the old and hardly intelligible form which was introduced at an early period into England; and although this has always been regarded by our Courts of Law as an absurd and incoherent instrument, yet length of time and a variety of decisions have now given it such a degree of certainty that it is likely now to be retained among the chief instruments of English commerce, especially as it is recognized in the MIA as the standard form of policy, and is printed in the First Schedule, with a series of rules for its construction (Arnould 15 s. 13; Lloyd's S. G. Policy; S. G. bedeutet wahrscheinlich Ship and Goods, nach anderer Ansicht Salutis Gratia). Im übrigen behilft man sich mit Klauseln (Chalmers 140). Lloyd's Police stammt aus einer Zeit, in welcher der Kaufmann seine Güter mit seinen eigenen Schiffen zu befördern pflegte, und lautet deshalb upon any kind of goods
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and merchandises, and also upon the body, tackle, apparel, ordnance, munition, artillery, § 1 4 boat, and other furniture, of and in the good ship and vessel called . . . . Die Police wird auch nicht verändert, wenn ζ. Β. Fracht versichert wird; es wird nur an geeigneter Stelle beigefügt: on freight oder on profits oder on disbursements usw. (Arnould 26 s. 25). — Die Police bleibt gewöhnlich in den Händen des Maklers, der dadurch ermächtigt wird, die Entschädigung einzuziehen. Zahlt der Versicherer an einen anderen ohne Vorlegung der Police, so tut er es auf seine Gefahr. Anm. 33 b) Französisches Recht. Güterpolice Art. 25: Zahlung erfolgt 30 Tage, au plus tard, apr£s la remise complite des piices justicatives, au porteur de ces pieces, sans qu'il soit besoin de procuration, et contre remise de Poriginal de la police ou de l'avenant d'application, ou apres mention du paiement sur ces documents. Kaskopolice Art. 30 Abs. 1: Toutes pertes et avaries ä la charge des assureurs sont payees comptant, trente jours apr£s la remise complete des pieces justificatives, au porteur de ces pieces et de la presente police, sans qu'il soit besoin de procuration. — Nach Art. 332 C. de comm. le contrat d'assurance est redige par ecrit . . . II ne peut contenir aucun blanc . . . II exprime usw. Gleichwohl ist der Vertrag auch gültig, wenn keine Police ausgestellt wird. Aber der Abschluß des in keiner Police beurkundeten Vertrags kann nicht durch Zeugen bewiesen werden ( R i p e r t Nr. 2448). Les modifications aux clauses du contrat doivent etre redigees par ecrit, puisqu'elles viennent detruire partiellement la police primitive (sog. avenants, R i p e r t Nr. 2449).
§ 1 5 Inhalt der Police
Der Inhalt der Police gilt als von dem Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht unverzüglich nach der Aushändigung widerspricht. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Genehmigung wegen Irrtums anzufechten, bleibt unberührt. 1. Vgl. V V G § 5. •— L i t e r a t u r : § 14 Anm. 2. — Während § 5 V V G sich auf die Anm. 1 beiden Fälle bezieht, daß die Aushändigung der Police dem Abschluß des Versicherungsvertrags nachfolgt oder daß die Police dem Versicherungsnehmer als Anwort auf einen Versicherungsantrag ausgehändigt war, betrifft § 15 nur den ersten Fall (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 2 zu § 15 ADS). Siehe für den zweiten Fall unten Anm. 14. 2. Die P o l i c e z e u g t g e g e n ihren Urheber, d e n V e r s i c h e r e r , mag sie u n - Anm. 2 r i c h t i g , mag sie u n v o l l s t ä n d i g sein (§ 14 Anm. 9). Sie beweist zunächst nicht gegen den Versicherungsnehmer. Die Police beweist aber nicht nur gegen den Versicherer. Ist sie u n r i c h t i g , so enthält sie nach der Verkehrsanschauung regelmäßig auch einen A n t r a g des Versicherers a u f Ä n d e r u n g des V e r t r a g s , den der Versicherungsnehmer ablehnen oder (ausdrücklich oder stillschweigend) annehmen kann (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 15 ADS). Ist sie u n v o l l s t ä n d i g , so gilt dasselbe, wenn der Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte annehmen muß, daß der Versicherer die Unvollständigkeit gewollt, das Weggelassene nicht gewollt und eben aus diesem Grunde weggelassen hat. Vgl. § 14 Anm. 10, auch K i s c h , JehJ 68. 257, W o l f f L Z 1919. 1099. 3. Die P o l i c e b e w e i s t auch g e g e n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , w e n n er Anm. 3 n i c h t w i d e r s p r i c h t , mag die Police u n r i c h t i g oder u n v o l l s t ä n d i g sein. Insbesondere auch wenn sie unvollständig ist; denn Policen sollen vollständig sein (§ 14 Anm. 8; s. auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 26 zu § 3 V V G ) . 19*
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Die Police beweist nicht nur gegen den Versicherungsnehmer. Der in der unrichtigen oder unvollständigen Police liegende A n t r a g des Versicherers a u f Ä n d e r u n g d e s V e r t r a g s gilt als a n g e n o m m e n , w e n n d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n i c h t u n v e r z ü g l i c h w i d e r s p r i c h t , — wobei daran zu erinnern ist, daß in der u n v o l l s t ä n d i g e n Police nur dann ein Antrag auf Änderung des Vertrags erblickt werden kann, wenn der Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte annehmen muß, daß der Versicherer die Unvollständigkeit gewollt, das Weggelassene nicht gewollt und eben deswegen weggelassen hat. Allerdings gilt Stillschweigen auf eine Willenserklärung nicht allgemein als Zustimmung. Allerdings gilt es insbesondere nicht als Zustimmung, wenn die andere Vertragspartei die Änderung des Vertrags verlangt (vgl. J W 1898. 482). Aber nach § 157 BGB muß Schweigen dann als Zustimmung angesehen werden (nicht nur, wenn darin die wirkliche Zustimmung, der Wille zur Annahme des Vertragsantrags, zum Ausdruck kommt, sondern auch, wenn überhaupt), wenn nach Treu und Glauben zu reden Pflicht ist (Vorb. vor § 1 Anm. 15, 1 7> § 1 3 Anm. 5). Zu widersprechen ist aber gerade im kaufmännischen Verkehr üblich und nötig, wenn man die schriftliche, zusammenfassende Bestätigung einer mündlich oder sonstwie getroffenen Vereinbarung erhält und mit ihr nicht einverstanden ist oder nicht einverstanden zu sein braucht (RG 95. 50, BGHZ 7. 187, 11. 3; durchgängige Meinung). Ein solches Bestätigungsschreiben ist aber gerade auch die Police (§ 14 Anm. 10). Diesen Gedanken bringt § 15 (im Anschluß an § 5 VVG) zum Ausdruck. Z u m Teil in verkürzter Form; denn § 1 5 bezieht sich nur auf unrichtige, nicht auf unvollständige Policen. Zum Teil in erweiterter Form; denn § 15 gilt nicht nur im kaufmännischen Verkehr, sondern in allen Fällen in denen die ADS dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt sind.
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4. Der Inhalt der Police gilt als genehmigt. Was außerdem vereinbart ist, bleibt an und für sich unberührt. Auf u n v o l l s t ä n d i g e Policen bezieht § 15 sich n i c h t ( K i s c h JehJ 68.263, 266 in Vbdg. mit 233,242, v. O e r t z e n Z f V W 1911.834; abw. J o s e f OestZ 1920. 526, P r ö l ß Anm. 2 zu § 5 VVG, auch wohl S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 2 zu § 15 ADS: „wenn Vertragsklauseln ausgelassen sind"). Mit gutem Grunde. Denn Unvollständigkeiten kommen leichter vor und sind leichter zu übersehen als Unrichtigkeiten. Versicherer und Versicherungsnehmer dürfen deshalb nicht ohne weiteres auf bloße Unvollständigkeiten der Police festgenagelt werden. Sind Policen so unvollständig, daß der Vertragswille nicht erkennbar ist, so wird regelmäßig der in ihnen wiedergegebene Vertrag nichtig sein, so daß er auch durch Genehmigung oder Unterlassen eines Widerspruchs für den Versicherungsnehmer nicht bindend wird. Siehe als Beispiel HansOLG H R Z 1924.419 = H G Z 1924 Nr. 52 = Sasse Nr. 316 (anders die Revisionsentscheidung R G H G Z Nr. 82 = J R P V 1925. 215 = Sasse Nr. 10 unter anderweitiger Beurteilung der Vorverhandlungen). Anders, wenn der Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte annehmen darf und muß, daß der Versicherer das Weggelassene nicht gewollt und es eben deshalb weggelassen hat (oben Anm. 2). Ist ζ. B. vereinbart, aber in der Police nicht beurkundet, daß die Versicherung nur wirksam sein soll, wenn eine andere Versicherung aufgehoben wird, so ist nicht anzunehmen, daß diese Vereinbarung aufgehoben sein soll, weil die Police sie nicht enthält (LZ 1909. 324; weitere Beispielfälle: § 14 Anm. 10). — O b die Police gewöhnliche oder Order- oder Inhaberpolice ist, gilt gleich. — Der Versicherer braucht nach den ADS den Versicherungsnehmer auf die Unrichtigkeit der Police nicht hinzuweisen (abw. W o l f f LZ 1919. 1099). In besonderen Fällen aber wird der Versicherer nach § 13 verpflichtet sein, den Versicherungsnehmer auf die Unrichtigkeit aufmerksam zu machen. Insoweit kann also im Einzelfall eine entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 2 V V G a. E., nach welchem auf die einzelnen Abweichungen besonders
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aufmerksam zu machen ist, in Betracht kommen. Doch ist die generelle analoge Anwendurig dieser Vorschrift für die ADS abzulehnen. Vgl. zu der Frage auch S c h l e g e l berger S V R Bern. 2 zu § 15 ADS. Auch nicht eindeutige Policen können auf einen nichtigen Vertrag schließen lassen, wenn es sich um eine sehr erhebliche Mehrdeutigkeit handelt. OLG Celle J R P V 1941. gi = Sasse Nr. 454 hat den Ausdruck „Versicherung gegen alle Gefahren", der bedeute, daß der Versicherungsnehmer jedes Risiko ohne Einschränkung versichert haben wolle, zutreffend für eindeutig erklärt (vgl. S c h l e g e l berger S V R Bern. 1 zu § 15 ADS). Mit Maschinenschrift geschriebene Klauseln gehen dem gedruckten Text vor (vgl. R G J R P V 1928. 370 = J W 1929. 931 = Sasse Nr. 33; HansOLG HansRGZ 1929. 157 = Sasse Nr. 391: Der mit Maschinenschrift beigefügte Text „Diebstahlschäden gehen nicht zu Lasten der Versicherung" hat den Vorrang vor dem in der Police gedruckten Text „Der Versicherer haftet für einen durch Diebstahl verursachten Schaden nur im Strandungsfall". 5. Der Inhalt der Police gilt als genehmigt. Er ist genehmigt, wenn der VerSicherungsnehmer im Bewußtsein der Unrichtigkeit schweigt. Sonst gilt er als genehmigt; es wird so angesehen, wie wenn der Versicherungsnehmer im Bewußtsein der Unrichtigkeit geschwiegen hätte. a) Von einer G e n e h m i g u n g im gewöhnlichen Sinne ist freilich nicht die Rede. Denn man versteht darunter die nachträgliche Zustimmung eines dritten (vgl. BGB §§ 182, 184). Es handelt sich vielmehr um die (fingierte) Annahme eines Antrags des Versicherers auf Änderung des Vertrags mit rückwirkender Kraft (vgl. oben Anm. 2, 3, Behrend ZHR 55. 79, K i s c h JehJ 68. 257 und Versicherungsschein 94, Wolff LZ 1919. 1098; anders M ö l l e r ArchfcivPrax 1953. 394f. und in B r u c k - M ö l l e r Anm. 15 zu § 5 V V G : „unwiderlegbare Vermutung"). Das Gesetz gebraucht den Ausdruck in ähnlichem Sinne ja auch sonst (vgl. HGB § 377: Genehmigung mangelhafter Ware mangels unverzüglicher Anzeige). b) Nunmehr ist nicht der Inhalt des Vertrags m a ß g e b e n d , sondern der I n h a l t der Police. Maßgebend für die in der Police bezeichneten, nicht für die nach dem Vertrag in Betracht kommenden Personen. Maßgebend schließlich auch fur die Tatsache des Vertragsschlusses; der Versicherungsnehmer kann nicht mehr einwenden, daß kein Vertrag zustande gekommen sei (Kisch JehJ 68. 262). c) Gilt Schweigen als Genehmigung, so muß auch die Genehmigung als das gelten, was sie sonst ist: eine Willenserklärung, die, an sich empfangsbedürftig, in diesem besonderen Falle nicht besonders kundgegeben zu werden braucht (vgl. BGB § 151). Die Genehmigung ist daher auch wie andere Willenserklärungen zu behandeln. Das Schweigen des geschäftsunfähigen oder nur beschränkt geschäftsfähigen Versicherungsnehmers ist daher unwirksam. Insbesondere kann der Versicherungsnehmer die Genehmigung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung anfechten (BGB §§ 119, 123; vgl. V V G § 5, wo dies ohne weiteres vorausgesetzt wird). Der Bestimmung des § 15 Satz 2, daß das Recht des Versicherungsnehmers zur Anfechtung wegen Irrtums „unberührt bleiben" soll, hätte es daher nicht bedurft. — Wegen I r r t u m s kann der Versicherungsnehmer nach § 119 BGB anfechten, wenn er die Genehmigung nicht erteilen wollte oder über den Inhalt der Genehmigung im Irrtum war. Darauf, daß er die Genehmigung nicht erteilen wollte, kann der Versicherungsnehmer sich nicht berufen; denn für diesen Fall wird die Genehmigung ja gerade fingiert (vgl. Behrend ZHR 55. 81, auch K i s c h JehJ 68. 274 mit Beispielfällen, die jedenfalls für § 15 nicht in Betracht kommen, auch J o s e f OestZ 1920. 529). Der Versicherungsnehmer kann aber anfechten, weil er über den I n h a l t der G e n e h m i g u n g im Irrtum war, weil er etwa die Police nicht gelesen, angenommen hatte, daß ihr Inhalt mit dem Inhalt des Vertrags übereinstimme, und mithin genehmigt hat, was er nicht genehmigen wollte,
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Anm. 7
Anm. 8
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Anm. 9
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oder weil er die Police zwar gelesen, aber mißverstanden, nämlich angenommen hatte, daß sie mit dem Vertrag übereinstimme. Hat er die Police gelesen und richtig verstanden, aber irrtümlich geglaubt, es sei eben das, was die Police beurkundet, auch vereinbart, so kann er die Genehmigung nicht anfechten. Sein Irrtum ist nur, rechtlich unbeachtlicher, Irrtum im Beweggrund (ansch. ebenso K i s c h JehJ 68. 276). Der Versicherungsnehmer kann wegen Irrtums auch nur anfechten, wenn er bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles widersprochen haben würde (BGB § 119 Abs. 1). O b sein Irrtum fahrlässig oder gar grobfahrlässig war, der Versicherungsnehmer etwa die Police gar nicht gelesen hat, ist ohne Bedeutung ( K i s c h JehJ 68. 277). Insbesondere darf natürlich nicht angenommen werden, daß der Versicherungsnehmer, wenn er die Police nicht durchliest, sich ihr stillschweigend unterwirft (so J W 1904. 74; richtig O L G Stuttgart A P V 1906 I I 85). Der Versicherungsnehmer muß u n v e r z ü g l i c h anfechten, „ohne schuldhaftes Zögern" (BGB § 121). Die berechtigte Anfechtung macht die G e n e h m i g u n g u n w i r k s a m . Nicht der Inhalt der Police gilt, sondern der Inhalt des Vertrags. In der Anfechtung liegt zugleich der vom § 15 verlangte Widerspruch ( K i s c h JehJ 68. 27g). Aber der irrende Versicherungsnehmer muß dem Versicherer den V e r t r a u e n s s c h a d e n e r s e t z e n , ζ. B. den Schaden, den der Versicherer dadurch erleidet, daß er im Vertrauen auf das Schweigen des Versicherungsnehmers eine dem Inhalt der unrichtigen Police entsprechende Rückversicherung genommen hat (anders nach § 122 BGB, wenn der Versicherer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, was kaum j e zu beweisen sein wird). -— Bei der Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g kann nur der Versicherungsnehmer anfechten, nicht der Versicherte (vgl. auch unten Anm. 13). — Hat der Versicherungsnehmer die versicherte Sache inzwischen v e r ä u ß e r t , so kann nur der Veräußerer, nicht der Erwerber anfechten (vgl. auch unten Anm. 13). — Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die (wirkliche oder nur fingierte) Genehmigung b e s t ä t i g t (BGB § 144). Die Bestätigung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten an den T a g gelegt werden, ζ. B. durch Zahlung der höheren Prämie ( K i s c h JehJ 68. 278). — Mit der Anfechtung der Genehmigung ist die A n f e c h t u n g d e s V e r t r a g s , der dem ursprünglichen Vertrag zugrunde liegenden Willenserklärung, nicht zu verwechseln. Jene richtet sich nur gegen die Genehmigung, zerstört sie und bewirkt, daß es beim Vertrag bleibt. Diese zerstört den Vertrag. Sie wird vom § 15 nicht berührt. Die Genehmigung der Police durch Schweigen ist insbesondere nicht ohne weiteres auch eine Bestätigung des anfechtbaren Vertrags im Sinne des § 144 BGB.
6. Der Inhalt der Police gilt als vom Versicherungsnehmer genehmigt. Über den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. — Uber den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Wenn insbesondere eine im Miteigentum der mehreren Versicherungsnehmer stehende Sache gemeinschaftlich versichert wird, schadet das Schweigen (und nützt der Widerspruch) des einen Versicherungsnehmers den übrigen nicht. Anm. 10 7. Schweigen bedeutet: nicht unverzüglich widersprechen. Der Inhalt der Police gilt nur dann als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht unverzüglich nach Aushändigung der Police widerspricht. Bei der Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g schadet das Schweigen (und nützt der Widerspruch) des Versicherten an und für sich nicht. Auch dann nicht, wenn der Versicherte im Besitz der Police und demgemäß und gemäß § 53 Abs. 2 berechtigt ist, über seine Rechte zu verfügen (und sie geltendzumachen). Denn der Besitz einer unrichtigen Police berechtigt den Versicherten nicht, über die nicht aus der Police, sondern aus dem Vertrag sich ergebenden Rechte durch sein Schweigen zu verfügen (oder die nicht aus der Police, sondern aus
Police
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dem Vertrag sich ergebenden Rechte durch Widerspruch geltendzumachen). Vgl. aber § 1 5 auch unten A n m . 1 3 . a) Der W i d e r s p r u c h ist, seinem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbe- Anm. 11 dürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende; anders im Falle des § 5 Abs. 1 V V G : Schriftform) rechtsgestaltende, nämlich rechterhaltende Willenserklärung (näheres über solche Erklärungen: Vorb. I V vor § 1 ; vgl. auch B r u c k - M ö l l e r A n m . 14 zu § 5 V V G , K i s c h Versicherungsschein 83, P r ö l ß A n m . 3 zu § 5 V V G ) . — Ü b e r Erklärungen gegenüber einem V e r t r e t e r , insbesondere einem Gesamtvertreter: § 3 A n m . 18. — Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, so kann und muß der Versicherungsnehmer jedem einzelnen gegenüber widersprechen. Auch dann, wenn einer der mehreren Versicherer „ F ü h r e r " ist (anders B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 5 V V G , P r ö l ß A n m . 3 zu § 5 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 1 5 A D S ) . Näheres: V o r b . V vor § 1 . — Der Widerspruch muß (gleich allen rechtsgestaltenden Willenserklärungen) b e s t i m m t sein. Der Versicherer muß wissen, woran er ist. Hieraus folgt aber n i c h t , daß der Widerspruch b e g r ü n d e t werden, die Angabe enthalten müßte, inwiefern die Police unrichtig ist ( G e r h a r d 4 1 , K i s c h J e h J 68. 244). Der K ä u f e r einer Ware muß zwar nach § 377 H G B und allgemeiner Ansicht unverzüglich die (einzelnen) Mängel anzeigen, widrigenfalls die Ware als genehmigt gilt. Ihm ist aber auch eine besondere Untersuchungspflicht auferlegt, die dem Versicherungsnehmer nicht obliegt. Nach T r e u und Glauben, die der Versicherungsnehmer nach § 1 3 „ i m höchsten M a ß e " bestätigen muß, ist der Versicherungsnehmer jedoch auf Verlangen des Versicherers verpflichtet, den Widerspruch zu begründen. Der Widerspruch braucht auch n i c h t gerade a u s d r ü c k l i c h (unzweideutig durch Worte: R G 63. 30) erklärt zu werden. Schlüssiges Verhalten genügt (abw. K i s c h J e h J 68. 243). O b insbesondere die bloße Zurücksendung der Police als Widerspruch zu betrachten ist, ist Tatfrage (bejaht von H G Z 1905. 180 für den Fall der bloßen Rücksendung eines gewöhnlichen Bestätigungsschreibens). Nimmt der Versicherungsnehmer die Police „unter Vorbehalt" oder „unter V e r w a h r u n g " an, so ist er der Notwendigkeit des Widerspruchs nicht überhoben ( K i s c h J e h J 68. 253, R o e l l i 184). Aber in einer „ V e r w a h r u n g " nach Aushändigung der Police wird natürlich regelmäßig ein Widerspruch zu erblicken sein. — Der Versicherungsnehmer kann den Widerspruch auf einzelne T e i l e d e r P o l i c e beschränken. Dann kann er später wegen anderer Teile keinen Widerspruch mehr erheben (abw. K i s c h J e h J 68. 246). Denn § 1 5 läßt auch teilweisen Widerspruch zu und läßt nicht erkennen, daß der teilweise Widerspruch größere Wirkungen haben soll, als der Versicherungsnehmer ihm beigemessen wissen will. — Der Versicherungsnehmer kann den Widerspruch n i c h t z u r ü c k n e h m e n und damit den Inhalt der Police wirklich genehmigen (abw. P r ö l ß Anm. 5 zu § 5 V V G ; wie hier B r u c k M ö l l e r A n m . 14 zu § 5 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern 2 zu § 1 5 A D S , auch K i s c h Versicherungsschein 82 — anders K i s c h J e h J 68. 248). Der Widerspruch hat die Aushändigung der unrichtigen Police, den Antrag des Versicherers auf Änderung des Vertrags unwirksam gemacht. Der Antrag ist abgelehnt und kann nicht mehr angenommen werden (BGB § 146). So natürlich insbesondere, wenn die Rechtslage für den Versicherer nach dem Vertrag besser ist, als nach der Police; der Versicherungsnehmer kann nur die im Widerspruch liegende Willenserklärung wegen Irrtums usw. anfechten. Ist die Rechtslage für den Versicherungsnehmer nach dem Vertrag besser als nach der Police, so wird freilich in der Zurücknahme des Widerspruchs regelmäßig ein rechtswirksamer Verzicht zu erblicken sein. — Ist der Widerspruch u n b e r e c h t i g t u n d t r e u e w i d r i g , so muß der Versicherungsnehmer dem Versicherer den dadurch entstandenen S c h a d e n e r s e t z e n ( B G B § 276, § 1 3 Anm. 6, K i s c h J e h J 68. 249).
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§ 15 b) Der Versicherungsnehmer muß unverzüglich „ n a c h d e r A u s h ä n d i g u n g " Anm. 12 d e r P o l i c e widersprechen. Die Widerspruchsfrist beginnt also nicht etwa erst, wenn der Versicherungsnehmer von der Unrichtigkeit der Police Kenntnis erlangt. Unterläßt er also, die Police durchzulesen, so tut er es auf seine Gefahr (vgl. aber auch oben Anm. 8.) — „Aushändigung" ist dem Wortsinne nach dasselbe wie Auslieferung oder Ablieferung, d. h. U b e r g a b e u n d Ü b e r n a h m e der Police in d i e V e r f ü g u n g s g e w a l t des Versicherungsnehmers oder einer von ihm ermächtigten oder auch nur sonstwie damit betrauten oder nach der Verkehrsanschauung als damit betraut geltenden Person (vgl. H G B § 377, BGB § 477; anders § 5 V V G : Empfangnahme). Zu diesen Personen gehört im hansestädtischen Versicherungsverkehr insbesondere der Makler, der als Interessenvertreter des Versicherungsnehmers angesehen wird (Vorb. vor § 1 Anm. 42, P a u l y H R Z 1922. 92). Anm. 13 c) Der Versicherungsnehmer muß „ u n v e r z ü g l i c h " widersprechen (anders § 5 Abs. 1 V V G : innerhalb eines Monats). D.h. o h n e s c h u l d h a f t e s Z ö g e r n (BGB § 121 Abs. 1), sobald wie bei sorgfältiger Prüfung der Police möglich. Näheres hierüber: § 3 Anm. 20. Der Versicherungsnehmer ist insbesondere nicht entschuldigt, wenn er zu widersprechen versäumt, weil er weiß oder annimmt und annehmen darf, daß der Versicherer die Unrichtigkeit der Police kennt, und sich auch, wenn er aus anderen Gründen zu widersprechen unterläßt, nicht darauf berufen, daß der Versicherer die Unrichtigkeit kennt. Denn diese Kenntnis ist j a nach der Bedeutung, welche die Aushändigung einer unrichtigen Police hat, gerade vorausgesetzt oder doch unterstellt (vgl. oben Anm. 2, 3). Überdies handelt es sich (wie bei der Anfechtung wegen Irrtums usw.) nicht darum, den Gegner in Kenntnis zu setzen, sondern darum, einen bestimmten Willen zu erklären; Kenntnis oder Unkenntnis des Gegners ist dafür ohne Bedeutung. — Das V e r s c h u l d e n seines g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s und s e i n e r H i l f s p e r s o n e n muß der Versicherungsnehmer in den Grenzen des § 278 BGB gegen sich gelten lassen. Über die sinngemäße Anwendung des § 278 BGB vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 67, auch J o s e f OestZ 1920. 527 und K i s c h J e h J 68. 274 (wobei aber die abweichende Fassung des § 5 V V G zu berücksichtigen ist). Wenn insbesondere der Versicherungsnehmer das Widerspruchsschreiben durch die Post befördern läßt und die Post es nicht bestellt, kann der Versicherungsnehmer noch widersprechen; er muß es aber wiederum unverzüglich tun (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 62). — Bei der Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g kommt auch das Verschulden des Versicherten in Betracht (§ 57). Zwar stehen Versicherer und Versicherungsnehmer nicht in Verhandlungen über die „Schließung des (ursprünglichen) Vertrags", sondern in Verhandlungen über die Schließung eines Anderungsvertrags; aber dies ist für die Anwendung des § 57 ohne Bedeutung. Auch handelt es sich nicht um einen der besonderen Fälle des § 57; aber die sinngemäße und der Interessenlage entsprechende Anwendung des § 57 ist geboten. Ähnliches wird auch dann gelten müssen, wenn der Versicherungsnehmer inzwischen die versicherte Sache v e r ä u ß e r t hat, aus der ursprünglichen Eigenversicherung also eine Fremdversicherung geworden ist (vgl. § 49 Anm.). Anm. 14
8. Ist der Widerspruch berechtigt, die Police also wirklich unrichtig, so kann der Versicherungsnehmer B e r i c h t i g u n g der Police verlangen. Denn der Versicherungsnehmer kann nach § 14 Abs. 1 Aushändigung einer Police verlangen, und zwar selbstverständlich einer richtigen Police. Wird die Police durch die Berichtigung unübersichtlich, so kann der Versicherungsnehmer Aushändigung einer neuen Police verlangen. Anm. 15 9· B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß beweisen, daß die Police ausgehändigt ist, der Versicherungsnehmer, daß er widersprochen hat, der Versicherer, daß die Erhebung des Widerspruchs verzögert ist, der Versicherungsnehmer, daß ihn nicht die Schuld an der Verzögerung trifft (vgl. R G 49. 395, J W 1904. 196). Hat der Versicherungsnehmer
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widersprochen, so m u ß die Partei, die aus dem Vertrag Rechte herleitet, den Inhalt § 1 5 des Vertrags beweisen, insbesondere also der Versicherer, wenn er die Prämie verlangt und der Versicherungsnehmer die Unrichtigkeit der in der Police beurkundeten Vereinbarung über die Prämie behauptet, der Versicherungsnehmer, wenn er Entschädigung verlangt und der Versicherer die Richtigkeit der in der Police beurkundeten V e r einbarung über die Entschädigung behauptet. — H a t der Versicherungsnehmer die Genehmigung angefochten, so m u ß er beweisen, d a ß die Anfechtung berechtigt ist. Hat er wegen Irrtums angefochten, so muß er beweisen, d a ß er sich über den Inhalt der Genehmigung geirrt hat, und d a ß er bei Kenntnis der Sachlage und verständiger W ü r d i g u n g des Falles nicht genehmigt haben w ü r d e ; er muß also a u c h beweisen, was wirklich vereinbart ist ( G e r h a r d 42, K i s c h JehJ 68. 283). 10. § 15 ist unanwendbar, wenn der Versicherer den V e r t r a g s a n t r a g d u r c h A n m . 16 Ü b e r s e n d u n g e i n e r P o l i c e a n n i m m t , deren Inhalt sich nicht mit dem Vertragsantrag deckt ( R o e l l i 180, S c h l e g e l b e r g e r S V R A n m . 2 z u § 15 A D S ) . Denn die Police ist die U r k u n d e über den bereits abgeschlossenen V e r t r a g (§ 14 A n m . 3). Der Versicherer lehnt durch die Übersendung der Police den Vertragsantrag des Versicherungsnehmers a b und macht seinerseits einen neuen Vertragsantrag, den der V e r sicherungsnehmer ablehnen oder annehmen kann ( B G B § 150 Abs. 2, J o s e f OestZ 1913. 136; abw. W o l f f L Z 1919. 1103). Die A n n a h m e kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Längeres Schweigen, Z a h l u n g der Prämie usw. können den Schluß auf A n n a h m e rechtfertigen ( L Z 1908. 958, J W 1894. 114, 1903.52, 1 9 0 4 . 7 4 ; abw. W o l f f L Z 1919. 1103). 11. § 15 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 A n m . 136; vgl. aber auch § 14 A n m . 17 A n m . 31). § 1 6 Fälligkeit der Prämie und der Nebenkosten. Sicherheitsleistung (1) Der Versicherungsnehmer hat die Prämie und die Nebenkosten sofort nach dem Abschlüsse des Vertrags zu zahlen. Die Prämie und die Nebenkosten sind insbesondere auch dann sofort fällig, wenn sie nach der Verkehrssitte oder nach der im Verkehr zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bestehenden Ü b u n g erst später gezahlt werden. (2) Ist im Vertrage für die Zahlung der Prämie eine Zeit bestimmt oder die Zahlung der Prämie gestundet, so kann der Versicherer die Zahlung sofort verlangen,
wenn
die Versicherung
endigt.
Der
Versicherungsnehmer
kann
jedoch, wenn er aus demselben Versicherungsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung zur Zahlung der Prämie beruht, eine Entschädigungsforderung gegen den Versicherer hat, diese Forderung, auch wenn sie noch nicht fällig ist, gegen die Forderung des Versicherers aufrechnen. (3) Ist im Vertrage für die Zahlung der Prämie eine Zeit bestimmt oder die Zahlung der Prämie gestundet, so kann der Versicherer Sicherheitsleistung verlangen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Prämie gefährdet wird. 1. V g l . H G Β § 812, A S V B §§ 59, 162 Abs. 2, B S V B § 2, V V G §§ 3 5 — 3 7 . Anm. 1 2. Literatur. A d l e r Z H R 34. 162 (Die Prämienvorleistung bei der Versicherung). A n m . 2 B l u m h a r d t NeumannsZ 1910. 477 (Gesetzliche Folgen der Nichtzahlung der Prämie).
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Prämie
§ 1 6 B o u e k e , Der Prämienverzug nach deutschem, österreichischem und schweizerischem Versicherungsvertragsgesetz, Diss. Göttingen 1927. B r o c k m a n n VersR 1954. 449—450 (Zur Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 39 Abs. 2 V V G ) , VersR i960. 678 (Zum Wiederaufleben des Versicherungsvertrags durch Zahlungsnachholung des Versicherungsnehmers gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 V V G ) . B r u c k - M ö l l e r zu §§ 35—37 V V G . B u e r s c h a p e r , Einfluß des Konkurses auf schwebende Versicherungsverhältnisse usw., Diss. 1 9 1 1 . D r u b e WallmannsZ 55. 532 (Zur Lehre von der Unteilbarkeit der Prämie). E h r e n z w e i g V V 1 3 1 — 1 4 7 , VersR 1954. 526f. (Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 39 Abs. 3 V V G ) , VersR 1955. 68—70 (Noch einmal Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 39 Abs. 2 V V G ) . G ä r t n e r , Der Prämienzahlungsverzug, eine rechtsvergleichende Darstellung, 1962 (Veröffentlichungen des Seminars für Versicherungswissenschaft an der Universität Hamburg und des Versicherungswissenschaftlichen Vereins in Hamburg e. V., Neue Folge Heft 18). G r ä b e r , Erstprämienzahlung und Haftungsbeginn nach dem V V G und den üblichen Vertragsklauseln, Diss. Köln 1938. J . v. G i e r k e V S R I I 169—175. H e i n e OestZ 1915. 274 (Einfluß des Konkurses des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsvertrag). J o s e f H R Z 1921. 165 (Die Wirkung späterer Prämienzahlungen auf die Leistungsfreiheit des Versicherers), MittöffFVA 1 9 1 1 . 639 (Konkurs des Versicherungsnehmers), K i r c h b e r g e r Z H R 68. 162 (Einfluß des Konkurses auf schwebende Versicherungsverhältnisse). K ü b e l Z f V R 2. 20 (Bestimmung der Prämie), Z f V R 2. 29 (Folgen der Nichtzahlung der Prämie). M a l s s Z H R 6. 365, 13. g4 (Die Prämie). P f u n d Z f V W 1918. 91, 1920. 238 (Verzug in der Zahlung der Prämie). P r ö l ß zu §§ 35—37 V V G . S c h w e i g h ä u s e r MittöffFVA 1921. 209 (Verzug des Versicherungsnehmers mit der Prämienzahlung). S e u f f e r t L Z 1909. 97 (Die konkursrechtlichen Vorschriften des V V G ) . T h e e s DJust 1942. 757—760 (Einige Bemerkungen über die Prämie und die Folgen ihrer Nichtzahlung in der Vertragsversicherung). V o g e l Z f V W 1919. 87 (Verzug in der Zahlung der Prämie). Weil Z f V W 1 9 1 1 . 229 (Unterlassene und verspätete Prämienzahlung). W e r n e b u r g OestRev 1918. 62 (Die Fristsetzung zur Prämienzahlung). Anm. 3
3. Der Versicherungsvertrag ist seinem Begriff nach entgeltlich (Vorb. vor § 1 Anm. 21). Das Entgelt kann in Geld oder in anderem bestehen. Durchweg besteht es in Geld. Das Geld ist der Versicherungspreis, wie das Geld beim Kauf der Kaufpreis. Daher der Ausdruck „Prämie" (premium, prime), der nicht von primo (vorauszuzahlendes Entgelt) stammt, sondern von pretium, prezo, premio ( G o l d s c h m i d t Universalgeschichte 367, R e a t z Geschichte 135; noch zweifelnd £ m e r i g o η ch. 3 s. 1 ; vgl. auch C. de com. Art. 342: coüt de l'assurance; früher pecunia, cost, costo). — Man unterscheidet: Anm. 4 a) Brutto- (oder Tarif-) Prämie und Netto- (oder Risiko-) Prämie. Die N e t t o p r ä m i e ist der Teil der Bruttoprämie, der, nach der Erfahrung bemessen, zur Deckung der Entschädigungen bestimmt ist. Die Differenz zwischen Brutto- und Nettoprämie (surcharge de la prime) setzt sich aus einem Anteil an den allgemeinen Geschäftsunkosten, Makler- und Agentenprovision und Gewinn zusammen. Im Zweifel ist unter dem Ausdruck Prämie die Bruttoprämie zu verstehen. — Im R ü c k v e r s i c h e r u n g s Verkehr versteht man unter Bruttoprämie die Originalprämie, unter Nettoprämie die Originalprämie nach Abzug gewisser, meist im Rückversicherungs-Vertrag besonders bestimmter Beträge (unten Anm. 28). Anm. 5 b) Einheitliche Prämie (Mise) und laufende oder periodische Prämie. Die e i n h e i t l i c h e Prämie wird einheitlich nach der ganzen Versicherungsdauer bemessen, die l a u f e n d e Prämie nach Versicherungsperioden (vgl. Begr. z. V V G § 9). Die Seeversicherung, auch die See-Zeitversicherung, arbeitet durchweg mit der einheitlichen Prämie. Auch wenn vereinbart ist, daß die Prämie für das zeitversicherte Schiff in vierteljähr-
Prämie
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liehen Teilbeträgen zu zahlen ist, ist die Prämie einheitliche Prämie; geht das Schiff § 16 während des ersten Vierteljahres unter, so ist doch die ganze Prämie zu zahlen (§ 4 Anm. 15). c) Prämie, Zuschlagsprämie und Prämienzulage. Z u s c h l a g s p r ä m i e n sind Zu- Anm. 6 schlage zur Prämie, die in gewissen Fällen zu zahlen sind, wenn die Gefahr größer ist oder wird, als die bei der Bemessung der Prämie zugrunde gelegte Gefahr, und der Versicherer gleichwohl von der Verpflichtung zur Entschädigung nicht frei wird (vgl. §§ 20, 25, 35,60, 85, 121, 122; surprimes, augmentations de prime, vgl. R i p e r t Nr. 2457, additional premium: M I A § 31 Abs. 2). — P r ä m i e n z u l a g e n sind Erhöhungen der Normalprämie, die in den Tarifen oder allgemein üblichen Klauseln für gewisse Fälle über das gewöhnliche hinausreichenden Versicherungsschutzes bestimmt sind. Doch ist der Sprachgebrauch nicht sicher: Prämienzulagen werden hin und wieder auch Zuschlagsprämien genannt und umgekehrt (vgl. ζ. B. die DTV-Klauseln, Vorb. vor § 113). Auch kommen in gewissen Fällen der Verlängerung der Versicherung Prämienerhöhungen vor, die weder Prämienzulagen noch Zuschlagsprämien im gewöhnlichen Sinne sind (vgl. §§ 67, 68, 77). — Den Prämienzulagen entsprechen P r ä m i e n a b s c h l ä g e , die für gewisse Fälle vereinbart werden, so ζ. B. mit der Liegeklausel der D T V Kaskoklauseln (Vorb. vor § 1:3) für den Fall, daß das zeitversicherte Schiff mehr als 14 Tage in einem Hafen ohne Ladung unbeschäftigt liegt (vgl. auch R i p e r t Nr. 2457, auch A D S § 50 Abs. 2). 4. A b s . 1 Satz 1. Der Versicherungsnehmer hat die Prämie zu zahlen. Uber Anm. 7 den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1 . — Auch bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung muß der Versicherungsnehmer die Prämie zahlen. Der Versicherte braucht sie nicht zu zahlen. Auch dann nicht, wenn er der Versicherung zugestimmt hat (§ 52 Anm., § 53 Anm.). Auch dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig geworden ist und die Prämie noch nicht vom Versicherten erhalten hat (anders nach H G B a. F. § 812 Abs. 3, A S V B § 59 Abs. 3). Aber der Versicherer kann, ausnahmsweise, die Prämienforderung gegen die Entschädigungsforderung des Versicherten aufrechnen (§ 56); insbesondere auch dann, wenn der Versicherte die Prämie bereits dem Versicherungsnehmer gezahlt hat ( S i e v e k i n g 66, jedoch mit dem unrichtigen Zusatz: „ a . M. M a k o w e r S. 548 Anm. 3 b " ; denn M a k o w e r H G B 2. 233 leitete aus der früheren Fassung des H G B §§ 812, 890 mit Recht ab, daß der Versicherer die Prämienforderung gegen die Entschädigungsforderung des Versicherten nicht habe aufrechnen können, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie bereits vom Versicherten erhalten habe.) — Ist die versicherte Sache veräußert, so schuldet grundsätzlich auch der E r w e r b e r die Prämie (§ 49 Abs. 1). — Z e s s i o n a r und Pfandgläubiger der Entschädigungsforderung schulden die Prämie natürlich nicht ( R o e l l i 259, R i p e r t 2462). — Ebensowenig der M a k l e r ; anders früher: A H O 1731 X X I I I . 7, 8, K i e ß e l b a c h 126, 152, K l e f e c k e r 356; anders auch noch heute in England: unten Anm. 3 4 . — Hat ein V e r t r e t e r des Versicherungsnehmers den Vertrag geschlossen, so schuldet nur der Versicherungsnehmer die Prämie, nicht der Vertreter. Anders früher nach § 59 Abs. 4 A S V B . Hiernach „ w a r auch der für ihn abschließende Vertreter hierzu solidarisch verbunden, wenn der Versicherte nicht der Gerichtsbarkeit des Abschlußortes unterworfen" war. M a n betrachtete aber diese Bestimmung als „eine den allgemeinen Rechtsprinzipien zuwiderlaufende Singularität", legte sie eng aus und entkleidete sie damit aller Bedeutung (HG Hamburg 1874. 3^9)· Daß auch der Vertreter im Versicherungsvertrag eine eigene Verpflichtung übernimmt, läuft natürlich nicht „den allgemeinen Rechtsprinzipien zuwider", sondern höchstens der Übung. Im übrigen haftet der Vertreter nur, wenn er keine Vertretungsmacht gehabt hat und der Vertretene nicht zu-
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stimmt. Er ist gemäß § 179 BGB nach Wahl des Versicherers „zur Erfüllung oder zum Schadensersatze verpflichtet". Da der PseudoVertreter kein Interesse hat, kann die Erfüllung nur darin bestehen, daß er gutgläubig die Ristornogebühr (§ 3 Abs. 3), schlechtgläubig die Prämie zu zahlen hat. Vom gutgläubigen Pseudovertreter kann der Versicherer Ersatz des Vertrauensschadens, vom schlechtgläubigen Pseudovertreter Ersatz des ganzen Schadens verlangen (BGB § 179 Abs. 2). — Für den Versicherungsnehmer kann ein d r i t t e r (ζ. B. der Versicherte) zahlen. Der Versicherer kann aber die Zahlung des dritten ablehnen, wenn der Versicherungsnehmer der Zahlung widerspricht (BGB § 267). Der Widerspruch ist jedoch unbeachtlich im Falle des § 38 Abs. 1 SchRG (s. die Wiedergabe im Anhang zu § 51 ADS). Danach muß der Versicherer fällige Prämien oder sonstige ihm auf Grund des Versicherungsvertrags gebührende Zahlungen vom Versicherten (bei Versicherung für fremde Rechnung) und vom Hypothekengläubiger auch dann annehmen, wenn er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Zahlung zurückweisen könnte. Nach S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 2 zu § 16 ADS verletzt der Versicherungsnehmer seine Treupflicht, wenn er im Hinblick auf § 267 Abs. 2 BGB ohne überzeugenden Grund der Annahme der Zahlung widerspreche und damit den Versicherungsschutz gefährde. Er verhindere durch seinen Widerspruch die Tilgung der Prämienschuld, sei aber dem Versicherer gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Dem ist zuzustimmen. Vgl. auch den — auf die ADS nicht anwendbaren — § 35 a VVG. — H a t der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt, ohne daß er sie schuldete, so kann er sie z u r ü c k v e r l a n g e n (BGB § 812). Ebenso, wenn ein dritter sie in seinem Namen gezahlt hat. Anders, wenn ein dritter sie im eigenen Namen gezahlt hat (RG 60. 287). H a t also im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherungsnehmer oder in seinem Namen der Versicherte gezahlt, so kann nur der Versicherungsnehmer, hat der Versicherte im eigenen Namen gezahlt, so kann (nur) der Versicherte Rückzahlung verlangen (HGZ 1898. 209).
Anm. 8
5. Der Versicherungsnehmer hat die Prämie zu zahlen. Die v e r e i n b a r t e Prämie (vgl. V V G § 1 Abs. 2). Wenn keine bestimmte Prämie vereinbart ist, die ü b l i c h e Prämie, insbesondere die in den üblichen Tarifen bestimmte Prämie (vgl. BGB §§ 157, 242, O L G Dresden LZ 1908. 957). Wenn es auch keine übliche Prämie gibt, hat der V e r s i c h e r e r die Prämie n a c h b i l l i g e m E r m e s s e n zu bestimmen (BGB §§ 3 : 5> 3 1 6, O L G Dresden LZ 1908. 957). Dies gilt aber nicht etwa für die Zuschlagsprämie. Die Zuschlagsprämie ist zwar kein bestimmter oder üblicher Zuschlag. Aber sie ist ein nach objektiven Merkmalen bestimmbarer Zuschlag, nämlich „die der höheren Gefahr entsprechende höhere Prämie" (§ 20 Abs. 3). Sie ist im Streitfall vom Gericht (wenn nötig, mit Hilfe von Sachverständigen) zu ermitteln. Nach der D T V - R a b a t t klausel für Prämienauszahlung bei Zeitversicherungen wird für die Vorauszahlung der Prämie für je drei Monate ein R a b a t t von 7,5% gewährt. Voraussetzung ist, daß die Prämie der fälligen Rate im voraus, spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Beginn der Dreimonatsperiode, von dem Versicherungsnehmer bezahlt worden und bei dem Versicherer eingegangen ist. — Die Parteien können auch vereinbaren, daß ein d r i t t e r die Prämie bestimmen soll. In solchen Fällen hat der dritte die Prämie nach billigem Ermessen zu bestimmen (BGB § 317). Versicherer und Versicherungsnehmer können die Bestimmung der Prämie wegen Irrtums, Drohung oder arglistiger Täuschung anfechten (BGB §318"). Die Bestimmung ist unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist (BGB §319; vgl. auch § 74 Anm.). — Oft wird im Vertrag bestimmt, daß die Prämie oder doch gewisse Teile der Prämie n o c h v e r e i n b a r t w e r d e n sollen. So ζ. B. „Abweichungen oder Veränderungen der versicherten Reise sind mitgedeckt gegen Prämienregulierung nach Billigkeit" (HGZ 1885. 159, 1887. 13g, 1909. 265; vgl. auch § 23 Anm. 72). Nach § 154 Abs. 1 BGB ist „im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, solange nicht die Parteien
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sich über alle Punkte des Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur § 1 6 einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll". Davon kann hier natürlich keine Rede sein (vgl. auch R G 4. 47, H G u. O L G Hamburg H G Z 1879. 266). Ebensowenig bedeuten solche Klauseln, daß, wenn die Parteien sich nicht einigen können, der Versicherer die Prämie oder den Zuschlag nach billigem Ermessen bestimmen soll. Sie bedeuten vielmehr, daß, wenn die Parteien sich nicht einigen können, die übliche oder die angemessene Prämie usw. zu zahlen ist (HG u. O L G Hamburg H G Z 1879. 266; vgl. auch O L G Hamburg SA 53 Nr. 220: Sei ein Darlehn „nach Ubereinkunft zu verzinsen", so seien mangels Ubereinkunft angemessene Zinsen zu entrichten; ebenso wohl auch S i e v e k i n g 66: Die Höhe der Prämie sei mangels Ubereinkunft „durch Gutachten Sachverständiger festzustellen", ausdrücklich M I A § 3 1 : Where an insurance is effected at a premium to be arranged, and no arrangement is made, a reasonable premium is payable, und where an insurance is effected on the terms that an additional premium is to be arranged in a given event, and that event happens but no arrangement is made, then a reasonable additional premium is payable, — hierzu C h a l m e r s 45: Diese Bestimmung is hardly covered by express decision, but it accords with the mercantile understanding). Anders natürlich, wenn etwa vereinbart ist: „Wenn das Schiff eine andere Bestimmung bekommen möchte, als hier oben umschrieben, nehmen wir an, den Risiko zu bleiben durchlaufend; doch soll alsdann die Prämie durch gegenseitige Übereinkunft oder nötigenfalls durch arbiters reguliert werden" (HG u. O G Hamburg, O A G Lübeck H G Z 1868. 161). In solchen Fällen haben die arbitri als dritte gemäß §§317—319 BGB die Prämie nach billigem Ermessen zu bestimmen (OAG Lübeck H G Z 1868. 168: die Prämie sei „durch das arbitrium Sachverständiger festzustellen"; unrichtig oder ungenau H G Hamburg H G Z 1868. 163: „durch Schiedsrichter zu regulieren"). 6. D e m V e r s i c h e r e r ist die Prämie zu zahlen oder einem annahmeberechtigten Anm. 9 Dritten. Agenten des Versicherers sind nicht ohne weiteres annahmeberechtigt (HGB §§ 92, 86; vgl. V V G § 43 Nr. 4: Ein Versicherungsagent gilt, auch wenn er nur mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraut ist, als bevollmächtigt, in dem Versicherungszweige, für den er bestellt ist, Prämien nebst Zinsen und Kosten anzunehmen, sofern er sich im Besitz einer vom Versicherer unterzeichneten Prämienrechnung befindet; s. dazu B r u c k - M ö l l e r Anm. 32 zu § 43 V V G ) . Ebensowenig der Makler ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 63, 70 vor § 43 V V G , P a u l y H R Z 1922.92; anders früher: A H O 1731 X X I I I 7, 8, K i e ß e l b a c h 126, 152). Mitversicherer sind nicht berechtigt, für einander anzunehmen; auch der „Führer" ist nicht ermächtigt, für die anderen Mitversicherer anzunehmen (Vorb. V vor § 1 ) . 7. Die Prämie ist sofort nach dem Abschluß des Vertrags zu zahlen. Auch Anm. 10 die Zuschlagsprämie oder die Prämienzulage (vgl. oben Anm. 6), ζ. B. die Zuschlagsprämie des § 20 Abs. 3. Aber solche Zuschläge sind natürlich dann nicht sofort zu zahlen, wenn die Zahlungspflicht noch bedingt ist, wenn der Zuschlag ζ. B. nur für den Fall der Gefahrerhöhung (§§ 25, 35 Abs. 4) oder der Verlängerung der Versicherung (§§ 67 Abs. 1 Satz 3, 68 Satz 3) zu zahlen ist. In solchen Fällen wird der Zuschlag sofort nach dem Eintritt der Bedingung zu zahlen sein (näheres: § 25 Anm. 3). — Ob die Versicherung mit dem Vertragsschluß oder früher oder später beginnen soll oder für ein künftiges Interesse genommen ist, gilt gleich (Weil Z f V W 1 9 1 1 . 230). Anders, wenn die Versicherung für ein k ü n f t i g e s I n t e r e s s e so genommen ist, daß sich die Prämie noch nicht feststellen läßt. In solchen Fällen wird im allgemeinen die Prämie zu zahlen sein, wenn das Interesse entsteht und sich demgemäß die Prämie berechnen läßt; anders nach der besonderen Bestimmung des § 97 Abs. 5 bei der laufenden Versicherung: Die Prämie ist erst beim Beginn der Versicherung zu zahlen. — „ S o f o r t " bedeutet nicht: ohne Zögern. Noch weniger: ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 3 Anm. 20). Unmittelbar
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nach Vertragsschluß ist zu zahlen, ohne Rücksicht darauf, ob die Zahlung objektiv möglich ist und ob den Versicherungsnehmer ein Verschulden trifft oder nicht ( B r u c k M ö l l e r Anm. 30 zu § 35 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu § 35 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. I I 1 zu § 16 ADS). Mit dem Vertragsschluß wird die Prämie ohne weiteres fällig. Die Fälligkeit bewirkt nicht den Verzug; dazu bedarf es regelmäßig noch der M a h n u n g (BGB § 284), und auch sie versagt, wenn der Versicherungsnehmer unvertretbar nicht zahlen, ζ. B. infolge von U n r u h e n das Geld nicht übersenden kann (BGB § 285). Aber die Fälligkeit bewirkt, daß der Versicherungsnehmer 5 % Zinsen zahlen m u ß (HGB §§ 352> 353 : wenn der Versicherungsvertrag auf beiden Seiten Handelsgeschäft ist). Sie bewirkt regelmäßig, d a ß der Versicherer den Versicherungsnehmer mahnen und dadurch in Zahlungsverzug bringen, selbst von der Entschädigungspflicht frei werden kann (BGB § 284, ADS § 17), daß der Versicherungsnehmer dem Versicherer Zahlung anbieten und ihn dadurch in Annahmeverzug bringen kann (BGB § 293). — Der Versicherungsnehmer m u ß auch sofort zahlen, wenn noch keine Police ausgehändigt ist. Auch, wenn er eine Police verlangt hat. Er darf nicht warten, bis seinem Verlangen entsprochen ist. Aber wenn er eine Police verlangt hat, angemessene Zeit verstrichen und damit auch der Anspruch auf Aushändigung der Police fällig geworden ist, kann er die Prämie z u r ü c k b e h a l t e n , bis ihm die Police ausgehändigt wird (BGB § 273; vgl. auch § 14 Anm. 4), — wie auch der Versicherer die Police zurückbehalten kann, bis ihm die Prämie gezahlt wird. Vgl. aber auch unten Anm. 11 und § 17 Anm. 3.
In den DTV-Kaskoklauseln ist folgende P r ä m i e n z a h l u n g s k l a u s e l enthalten: „ W i r d die Prämie oder eine Prämienrate nicht innerhalb einer Frist von 15 Tagen nach dem Fälligkeitstage an den Versicherer bezahlt, so endigt die Versicherung mit Ablauf der vorstehenden Frist unter A u f h e b u n g der Bestimmungen der §§ 67, 68 ADS, frühestens jedoch 5 Werktage nach Zustellung einer auf die Rechtsfolgen dieser Klausel hinweisenden Benachrichtigung durch eingeschriebenen Brief seitens des führenden Versicherers an den Versicherungsnehmer; es sei denn, daß die Versicherung auf G r u n d der Police, oder aus einem anderen Grunde schon vorher endigt. Sofern die Versicherung endigt, ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Prämie pro rata bis zum Tage der Beendigung der Versicherung und die Ristornogebühr gemäß § 18 ADS sofort zu bezahlen. § 17 ADS bleibt aufrechterhalten. Eine Wiederinkraftsetzung der Versicherung kann nur mit schriftlicher Genehmigung jedes Versicherers für seinen Anteil erfolgen. Eine Zahlung an den Versicherungsmakler gilt nicht als Zahlung an den Versicherer. Eine Aufrechnung mit noch nicht fälligen Forderungen des Versicherungsnehmers aus gleichviel welchem Grunde gegen die Prämienforderung des Versicherers kann nur erfolgen, falls der Versicherer vor Ablauf der 1 stägigen Frist schriftlich zustimmt. § 16 Abs. 2 Satz 2 ADS wird insoweit aufgehoben. Die Versicherer sind berechtigt, fällige Schäden gegen die nächste fällig werdende Prämienrate zu verrechnen." Anm. 11 8. Der Versicherungsnehmer hat die Prämie z u z a h l e n . In welcher W ä h r u n g richtet sich nach dem Vertrag und §§ 244, 245 BGB, § 361 HGB. Die Devisenklausel 25 der Zusatzbestimmungen zu den A D S für die Güterversicherung (1947) bestimmt, d a ß bei den in fremden W ä h r u n g e n geschlossenen Versicherungen Leistung und Gegenleistung in der W ä h r u n g der Versicherungssumme zu berechnen sind. Eine Ä n d e r u n g dieser Klausel ist durch die D T V - D M - K l a u s e l erfolgt. Danach erfolgt die Prämienzahlung zum Gegenwert in Deutscher Mark. Die Umrechnung erfolgt nach dem letzten vom D T V bekanntgegebenen Briefkurs der Hamburger Börse zum Zeitpunkt des Eingangs der im üblichen Geschäftsgang abgesandten definitiven Deklaration. Doch kann diese Vereinbarung von jedem Vertragspartner für noch nicht deklarierte Risiken
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jederzeit durch einseitige formlose Erklärung aufgehoben werden. — A n welchem Ort § 1 6 zu zahlen ist, richtet sich nach § 269 B G B . E r f ü l l u n g s o r t ist hiernach der Ort, an dem der Versicherungsnehmer zur Zeit der Entstehung des Versicherungsverhältnisses (nicht: zur Zeit des Beginns der Versicherung) seinen Wohnsitz oder, wenn die Versicherung in seinem Gewerbebetriebe genommen ist, seine gewerbliche Niederlassung hatte, — sofern nicht etwas anderes vereinbart ist oder sich aus den Umständen ergibt (anders V V G § 3 6 : der jeweilige Wohnsitz oder die jeweilige Niederlassung). Aber der Versicherungsnehmer muß die Prämie auf seine Gefahr und Kosten dem Versicherer an dessen gewerbliche Niederlassung ü b e r s e n d e n ( B G B § 270; näheres: Vorb. vor § 1 A n m . 58). — Der Zahlung stehen die Z a h l u n g s s u r r o g a t e gleich: Annahme an Zahlungs Statt ( B G B § 364), Hinterlegung ( B G B § 372), Aufrechnung ( B G B § 387), Giroüberweisung (Recht 1909 Nr. 2789). Insbesondere ist A u f r e c h n u n g nur zulässig, wenn die Gegenforderung fällig ist ( B G B § 387). Der Versicherungsnehmer kann deshalb im Versicherungsfall die Entschädigungsforderung nicht gegen die Prämienforderung aufrechnen. Denn die Entschädigungsforderung wird erst später fällig (§ 44; vgl. auch H G H a m b u r g Seebohm 188: es sei „ a u f prompte Bezahlung der Prämien um so mehr zu halten, da das Wesen der Assekuranz bedinge, daß die Schäden aus den Prämien, nicht aber, daß die Prämien aus den Schäden bezahlt w ü r d e n " ; anklingend: O L G Frankfurt A P V 1908 I I 43). Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kann der Versicherungsnehmer nicht Gegenforderungen des Versicherten aufrechnen. Auch der Versicherte kann solche Gegenforderungen nicht aufrechnen. Der Versicherte kann auch nicht hinterlegen. E r kann nur zahlen ( B G B § 267). Ist vereinbart, daß „die Prämie gegen Auslieferung der Police bar zu zahlen ist", so kann überhaupt nicht aufgerechnet werden ( H R Z 1 9 2 1 . 703). 9. N e b e n k o s t e n . § 1 Abs. 2 V V G , § 8 1 2 Abs. 2 H G B bestimmen ausdrücklich, d a ß Anm. der Versicherungsnehmer die P r ä m i e zu zahlen hat. Die A D S halten dies für selbstverständlich (Begr. ζ. Ε i g i o §§ 17, 18). Sie bestimmen deshalb nur, w a n n der Versicherungsnehmer die Prämie zu zahlen hat. Sie bestimmen deshalb auch nur, w a n n der Versicherungsnehmer die N e b e n k o s t e n zu zahlen hat. Hieraus folgt, d a ß der Versicherungsnehmer auch die Nebenkosten zu zahlen hat. •— N e b e n k o s t e n sind die besonderen, durch die Schließung und Beurkundung des Versicherungsvertrags dem Versicherer entstandenen Kosten, ζ. B. Portokosten, Kosten der Ausstellung und Aushändigung der Police, insbesondere Stempelkosten. I m einzelnen entscheidet die Verkehrssitte. 10. A b s . 1 S a t z 2 . Prämien ähneln den Steuern. Sie müssen auch heute noch Anm. oft „ m ü h - und langsahm mit Verdruß eingebracht werden" (Vergleich von 1 6 7 7 : Vorb. vor § 1 A n m . 3). Die „ K u l a n z " des Versicherers soll sich auch an der Prämie bewähren. Sie tut es auch. So findet sich vierteljährige Abrechnung ( C r u c i g e r 59). Nach § 2 B S V B war die Prämie erst nach 3 Monaten zu zahlen; doch konnte der Versicherer einen Wechsel verlangen. K u l a n z ist unter Umständen gefährlich (näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 1 5 ) . Wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der Prämie wiederholt säumig ist, etwa regelmäßig nur vierteljährlich zahlt und der Versicherer dies hingehen läßt, könnte daraus geschlossen werden, daß „ d e r Versicherer mit dem wiederholt eingeschlagenen Verfahren einverstanden sei", also stillschweigend f ü r alle Fälle spätere Prämienzahlung vereinbart oder Stundung gewährt sei ( H G Z 1909. 80; vgl. aber auch Recht 1 9 1 0 Nr. 4182). Gegen solche Auffassung verwahrte sich schon § 59 Abs. 2 A S V B . Gegen sie verwahrt sich § 16 Abs. 1 Satz 2 : Wenn auch n a c h d e r (allgemeinen) V e r k e h r s s i t t e o d e r nach der (besonderen) Ü b u n g zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer die Prämie nicht sofort, sondern erst s p ä t e r g e z a h l t wird, so soll dies nichts daran ändern, daß die Prämie s o f o r t zu z a h l e n , mit
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§ 16 dem Vertragsschluß fällig und demgemäß regelmäßig seitdem zu verzinsen ist, gemahnt, geklagt usw. werden kann. Das ist auch nicht etwa eine unwirksame protestatio facto contraria, wie R o e l l i 174 anzunehmen scheint. Selbstverständlich können die Parteien vereinbaren, daß nicht eine bestimmte Verkehrssitte maßgebend sein, sondern etwas anderes gelten soll. U n d die Vereinbarung, daß trotz tatsächlicher entgegengesetzter Ü b u n g die Prämie sofort fällig sein soll, will und soll n u r verhindern, d a ß aus einem tatsächlichen Verhalten falsche, nämlich dem wirklichen Willen der Parteien widersprechende Schlußfolgerungen gezogen werden (vgl. auch V V G § 37). Sie kann nicht bedeuten und bedeutet natürlich auch nicht, d a ß eine nach Vertragsschluß getroffene Vereinbarung über die spätere Zahlung der Prämie als unwirksam angesehen werden soll. Anm. 14 I i . A b s . 2. Verkehrssitte und Ü b u n g können nach Abs. 1 Satz 2 nicht verhindern, daß die Prämie mit dem Abschluß des Vertrags fällig wird. Aber es kann im Vertrag bestimmt (oder auch später vereinbart) sein, daß die Prämie später zu zahlen ist; und es wird ζ. B. bei der Zeit-Kaskoversicherung regelmäßig im Vertrag bestimmt, daß die Prämie in vierteljährlichen Teilbeträgen zu zahlen ist. Auch kann die Prämie gestundet sein. I n beiden Fällen wird die Prämie erst später fällig. Inzwischen kann aber eine Entschädigungsforderung fällig geworden sein. Der Versicherer würde gegen sie die Prämienforderung nicht aufrechnen, die Prämie von der Entschädigung nicht abziehen können, weil man nur fällige Forderungen aufrechnen kann (BGB § 387). Deshalb soll nach Abs. 2 Satz 1 die Prämie jedenfalls fällig werden, wenn die Versicherung endigt. Anm. 15 a) Die Versicherung kann a u f g e w ö h n l i c h e W e i s e endigen, ζ. B. die Kaskoversicherung mit Ablauf der Versicherungszeit oder gemäß §§ 67, 68, die Güterversicherung gemäß § 88. Die Bestimmung hat in diesen Fällen keinen rechten Zweck. Aber sie gilt natürlich gleichwohl. Anders, wenn die Parteien abweichendes vereinbart haben. Wenn ζ. B. vereinbart ist, daß die Prämie zu einer Zeit zu zahlen ist, in der die Versicherung aller Voraussicht nach abgelaufen ist. Ebenso, wenn der Versicherer die Prämie bis zu einem solchen Zeitpunkt gestundet h a t (Begr. ζ. Ε 1910 §§ 17, i8). Anm. 16 b) Die Versicherung kann a u f u n g e w ö h n l i c h e W e i s e e n d i g e n . Das Interesse kann wegfallen (vgl. auch H a n s R G H R Z 1924. 857 = Sasse Nr. 321), die Gefahr kann wegfallen (vgl. L G H a m b u r g VersR 1951. 200), das versicherte Schiffkann ζ. B. infolge eines versicherungsmäßigen oder versicherungsfreien Ereignisses total verlorengehen, der Versicherungsnehmer die versicherte Unternehmung abbrechen. Für den Fall, daß die Versicherung infolge eines Versicherungsfalls vor der Zeit endigt, ist die Bestimmung des Abs. 2 gerade getroffen (Begr. ζ. Ε 191 ο §§ 17, i8). Der Versicherer kann n u n die Prämienforderung gegen die Entschädigungsforderung aufrechnen. Er kann auch sofort Zahlung der Prämie verlangen. Der Versicherungsnehmer könnte nicht aufrechnen, weil zwar die Prämienforderung fällig geworden, seine Entschädigungsforderung aber noch nicht fällig und insbesondere nicht durch die Beendigung der Versicherung fällig geworden ist (§ 44). Deshalb bestimmt § 16 Abs. 2 Satz 2, d a ß der Versicherungsnehmer die noch nicht fällige Entschädigungsforderung (ohne Abzug von Zwischenzinsen) gegen die Prämienforderung aufrechnen kann. Das macht j a auch keine Schwierigkeiten, weil der Versicherungsnehmer im Falle des Totalverlustes regelmäßig ohne weiteres die Versicherungssumme verlangen kann (§§ 7'> 9 1 ) · Die Prämie wird in diesem Falle auch dann fällig, wenn die Parteien vereinbart haben, daß die Prämie erst nach Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen ist oder der Versicherer die Prämie bis dahin gestundet hat. — Für den Fall, d a ß das Interesse aus einem anderen Grunde wegfällt (ζ. B. das „Frei von Kriegsgefahr" versicherte Schiff infolge eines Kriegsereignisses total verlorengeht), und für den Fall,
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d a ß die Gefahr wegfällt (ζ. B. der Versicherungsnehmer die versicherte Unternehmung vor der Zeit aufgibt), hat die Bestimmung wiederum keinen rechten Zweck. Aber sie gilt natürlich gleichwohl (oben Anm. 15). c) Die Versicherung kann t e i l w e i s e e n d i g e n . Die versicherten Güter können teilweise in einem Zwischenhafen abgeliefert werden (§88 Abs. 3), das versicherte Schiff oder die versicherten Güter einen Teilschaden erleiden, die versicherte Unternehmung teilweise aufgegeben werden. M a n hat keine Ursache, anzunehmen, daß § 16 Abs. 2 in solchen Fällen nicht gilt. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 wird auch regelmäßig keine Schwierigkeiten machen, wenn ζ. B. das versicherte Schiff oder die versicherten Güter infolge eines Versicherungsfalls beschädigt werden. Die Entschädigung wird regelmäßig die Prämie übersteigen; der Versicherer zahlt den Unterschied. I m übrigen wird ein verhältnismäßiger Teil der Prämie fällig werden müssen, wenn nicht etwa (wie regelmäßig im Falle der versicherungsfreien Beschädigung des versicherten Schiffes) der teilweise Wegfall des Interesses durch seine Wiederherstellung (ζ. B. durch Ausbesserung des Schiffes) wieder wettgemacht werden kann, die teilweise Beendigung der Versicherung nur vorübergehend und nur durch die Wiederherstellung bedingt war (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 42, 43). d) I m Falle einer l a u f e n d e n Versicherung kann der Versicherungsnehmer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 gegen die für ein Interesse fällig gewordene Prämienforderung auch solche nicht fällige Entschädigungsforderung aufrechnen, die ein anderes, von der laufenden Versicherung umfaßtes Interesse betrifft. e) Abs. 2 Satz 2 bezieht sich nur auf den Fall des Abs. 2 Satz 1. Ist die Prämie f ä l l i g , insbesondere sofort nach Abschluß des Vertrags zu zahlen, so kann der Versicherungsnehmer noch nicht fällige Entschädigungsforderungen gegen die Prämienforderung nicht aufrechnen. Das ergibt sich ohne weiteres aus der Zusammenfassung der beiden Sätze des Abs. 2 zu einer Bestimmung. f ) Abs. 2 ist nicht anwendbar, wenn die N e b e n k o s t e n nach dem Vertrag später zu zahlen oder gestundet sind. 12. A b s . 3. Aus den Prämien werden die Schäden bezahlt. Technik und Recht der Versicherung müssen daher dafür sorgen, d a ß entweder die Prämien „ p r o m p t " bezahlt werden oder keine Schäden bezahlt zu werden brauchen. Dafür sorgen im allgemeinen die §§ 16, 17 durch die Bestimmung, daß die Prämie sofort zu zahlen, und daß der Versicherer frei ist, wenn der Versicherungsnehmer nicht zahlt, gemahnt wird und die ihm gesetzte Zahlungsfrist fruchtlos verstreichen läßt. Der Versicherer ist aber übel daran, wenn er die Prämie kreditiert hat und der Versicherungsnehmer kreditunfähig i s t oder w i r d . Der Versicherer m u ß das Risiko weiter laufen, obgleich er keine Aussicht hat, die Prämie zu erhalten, oder diese Aussicht mehr und mehr schwinden sieht. Für den ersten Fall (daß der Versicherungsnehmer schon bei der Gewährung des Kredits kreditunwürdig ist) sorgen die ADS nicht. Wohl aber für den zweiten Fall, daß nach der Kreditgewährung die Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers sich gefahrdrohend verschlechtern. a) Vorausgesetzt ist, daß die Prämie kreditiert, nicht „sofort nach dem Abschlüsse des Vertrags zu zahlen" ist, daß im Vertrag (oder in einer späteren Vereinbarung) für die Zahlung der Prämie eine (spätere) Zeit bestimmt oder die Prämie gestundet ist. b) Vorausgesetzt ist ferner, daß in den Vermögensverhältnissen des VerSicherungsnehmers eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Prämienanspruch gefährdet wird. Es ist dieselbe Voraussetzung, unter der nach § 321 BGB allgemein die vorleistungspflichtige Partei die Leistung verweigern darf, bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit geleistet ist. § 321 BGB wäre an und 20
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 16 für sich auch hier anwendbar. Denn der Versicherer hat während der ganzen Dauer der Versicherung Schutz zu gewähren und mithin, wenn er die Prämie kreditiert hat, vorzuleisten. Aber die Anwendbarkeit des § 321 BGB ist streitig (Vorb. vor § 1 Anm. 22), der Fall deshalb in den §§ 16, 17 besonders geordnet, und § 321 BGB aus diesem Grunde unanwendbar. — Ob die Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers sich wesentlich und gefahrdrohend v e r s c h l e c h t e r t haben, ist Tatfrage (vgl. SA 63 Nr. 151, K G Rspr 18. 59). Waren die Verhältnisse schon zur Zeit der Gewährung des Kredits schlecht, aber noch nicht gefahrdrohend, so kann schon eine absolut unwesentliche, die Gefahr des Prämienverlustes herbeiführende Verschlechterung genügen. Denn der Begriff des „Wesentlichen" ist natürlich relativ zu nehmen. — Die Vermögensverschlechterung muß „eintreten", erst nach dem Abschluß des Vertrags oder der späteren Vereinbarung oder der späteren Stundung entstehen. Im anderen Falle (daß der Versicherungsnehmer schon bei der Kreditgewährung kreditunwürdig ist) ist der Versicherer nicht geschützt, kann er keine Sicherheit verlangen. Er kann zwar gegebenenfalls den Vertrag oder die spätere Vereinbarung oder die spätere Stundung wegen arglistiger Täuschung anfechten (BGB § 123; vgl. R G 69. 13). Aber er kann regelmäßig nicht gemäß § 1 ig BGB wegen Irrtums über die Kreditwürdigkeit des Versicherungsnehmers anfechten. Denn solcher Irrtum ist regelmäßig nur rechtsunerheblicher Irrtum im Motiv (vgl. ζ. B. OLG Hamburg Rspr 20. 40, OLG Stuttgart Recht 1909 Nr. 415). Anders wenn er für die Kreditfähigkeit des Versicherungsnehmers einen besonderen, für ihn maßgebenden Anhalt gehabt, ζ. B. Auskunft eingeholt und gute Auskunft erhalten hat (vgl. ζ. B. OLG Hamburg, Preuß. OVG Rspr 20. 40, 22. 129, OLG Stuttgart Recht 1909 Nr. 415). — Die Vermögensverhältnisse des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s müssen sich verschlechtert haben. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers: §3 Anm. 4, oben Anm. 7. Haften mehrere Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner, so kann der Versicherer nur von demjenigen Sicherheit verlangen, dessen Verhältnisse sich wesentlich verschlechtert haben, und auch von diesem nur dann, wenn auch von den übrigen nichts zu holen ist; denn nur dann ist die Prämie durch die Verschlechterung gefährdet. Ebenso, wenn die versicherte Sache v e r ä u ß e r t wird und Veräußerer und Erwerber für die Prämie als Gesamtschuldner haften (§49 Anm.). — Werden die Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers wieder besser, so fällt das Recht des Versicherers, Sicherheit zu verlangen, wieder weg (vgl. aber auch O e r t m a n n Gruchot 52. 408: Der Versicherungsnehmer muß den Versicherer davon in Kenntnis setzen). Anm. 24
Anm. 25
c) Der Versicherer kann Sicherheit verlangen. Wenn mehrere Versicherer beteiligt sind, jeder einzelne, nicht der eine für den anderen, insbesondere nicht der „Führer" für die übrigen (Vorb. V vor §1). — Über die Art der Sicherheit: BGB §§ 232 fr. Insbesondere kann der Versicherungsnehmer nach § 232 Abs. 2 BGB einen tauglichen Bürgen stellen, wenn die Sicherheit anders nicht geleistet werden kann. — Der Versicherer kann nur Sicherheit, keine Prämie verlangen. Wird die Prämie fällig, so kann er nur diese, keine Sicherheit verlangen.
d) Abs. 3 ist unanwendbar, wenn oder soweit die Nebenkosten kreditiert sind, e) Über den K o n k u r s des Versicherungsnehmers: § 17 Anm. 29. Anm. 26 f) Uber die Rechtsfolgen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des V e r s i c h e r e r s : §47 Anm. Anm. 27 13. Man spricht vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie. Nach solchem Grundsatz würde, wenn überhaupt Prämie geschuldet wird, immer die ganze, unteilbare und ungeteilte, Prämie geschuldet sein. Gewöhnlich beschränkt man sich auf die Behauptung, daß die Prämie auch dann ganz geschuldet wird, wenn die Versicherung,
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der Versicherungsschutz, vor der Zeit, vor dem von den Parteien f ü r die Beendigung § 16 der Versicherung in Aussicht genommenen Zeitpunkt, aufhört. Vgl. ζ. B. E h r e n b e r g 353, Z f V W 1906. 387, H e c k e r 100, L e w i s Versicherungsrecht 175, M a l s s Z H R 6-373, 13-94, R O H G 1. 118, R G 2 1 . 3 3 0 , 95.227, 1 0 0 . 2 1 7 , H R Z 1921. 177, R G H G Z 1917. 106, 1919. 1 1 8 , H G Z 1 9 1 7 . 2 0 , 65, 1 9 1 9 . 9 5 , R G 1 0 0 . 2 1 7 , LG u. O L G H a m b u r g NeumannsZ 1906. 126, Entsch. bei Finger LZ 1908. 152; dagegen G e r h a r d 323, B r u c k - M ö l l e r Anm. 4, 5 zu § 40 V V G , P r ö l ß Anm. 1 zu § 40 V V G , J . v. G i e r k e VSR II I73f., H e r r m a n n d ö r f e r 256, P r a n g e KritBetr320, Z f V W 1 9 3 7 . 3 3 3 , T h e e s VersPrax 1941. 5—7, W ö r n e r 69; vgl. insbesondere auch G r i e s h a b e r 54. Die Begründung fällt verschieden aus. Nach der einen Ansicht ergibt sich der Grundsatz von der Unteilbarkeit der Prämie aus der angeblichen U n t e i l b a r k e i t oder Einheitlichkeit d e r G e f a h r , aus dem Umstände nämlich, daß die Gefahr in jedem Augenblick der Versicherungsdauer einschlagen könne und die Gefahr nur eines einzigen Augenblicks deshalb ebensoviel bedeute, wie die Gefahr, die länger dauere (ζ. B. L e w i s , M a l s s , vgl. auch N o l t e 1. 336, 350). Die Schlußfolgerung ist offenbar unrichtig. Sonst würden die Versicherer für kurzfristige Versicherungen dieselben Prämien nehmen, wie für langfristige. Vgl. auch die widerspruchsvolle Erwägung bei A r n o u l d 1211 s. 1235: If an entire risk has once commenced, there shall be no apportionment or return of premium afterwards; for though the premium is estimated and the risk depends on the nature and lenght of the voyage, yet, if it was commenced, though it be only for twenty-four hours or less, the risk is r u n ; the contract is for the entire risk, and no part of the consideration shall be returned. Nach einer anderen Ansicht ergibt sich der Grundsatz von der Unteilbarkeit der Prämie aus a s s e k u r a n z t e c h n i s c h e n B e d ü r f n i s s e n (vgl. E h r e n b e r g Z f V W 1906. 387, H e c k e r 100, G r i e s h a b e r 55). Da die Prämien zur Deckung der Entschädigungen bestimmt seien, könnten sie, nachdem der Versicherer sie hierfür einmal verwendet oder doch bereitgestellt habe, ihrer Bestimmung nicht mehr entfremdet, dem Versicherungsnehmer nicht wieder zurückgegeben werden. Der Gedanke ist richtig, aber nur als gesetzgeberisches Motiv verwendbar und als solches j a auch verwendet. Aber keineswegs verwendet zur Aufstellung eines allgemeinen Grundsatzes von der Unteilbarkeit der Prämie. Von Anfang an kam es nur darauf an, den dringlichsten Bedürfnissen des Versicherungsgeschäfts Rechnung zu tragen und dem Versicherer die Prämie auch dann zu lassen, wenn die Versicherung vor der Zeit endigt, weil das Interesse oder die Gefahr oder die Versicherbarkeit des einen oder des anderen wegfällt (engl. Merkwort: once attached — always attaching). So ζ. Β. schon, ähnlich wie heute, die Ordonnance de la marine 3 V I 27, 35, 36; vgl. dazu fimerigon ch. 3 s. 1: L a diminuation de la duree du risque ne fait pas decroitre la prime. Elle est due en entier, des que le risque est commence, et dans le cas meme oü il n'eut dure qu'un instant . . . C'est alors une circonstance favorable dont les Assureurs profitent, en compensation des accidents fächeux auquels ils pouvoient 6tre exposes . . . II seroit d'ailleurs bien difficile de trouver sur ce point une proportion geometrique. Le Navire peut courir plus de danger dans un moment, que pendant la plus longue navigation (vgl. auch R i p e r t Nr. 2456 über die invariabilite de la prime und V a l i n 2. 86). Das deutsche Recht ist nur zögernd gefolgt. Nach A H O 1731 X I V 2 sollte die Prämie bis auf 54% ristorniert werden, wenn die versicherte Unternehmung vor Beginn der Versicherung aufgegeben war (vgl. auch X I V 15). Wird aber die „Reise verkürzet, ist der Risiko geendiget, und die Prämie verdienet" (VII 5). Anders, wenn das Schiff in den Abgangshafen zurückkehren muß und die Reise nicht von neuem antreten k a n n ; in diesem Falle „ist zwar die Assecuranz . . . geendiget: es soll aber die Zurückgebung der Prämie, der Billigkeit nach, von guten M ä n n e r n reguliret, und insonderheit auf die Gefahr, welche die Assecuradeurs desfalls 20*
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§ 1 6 schon getragen haben, gesehen werden" (V. 17, vgl. auch AllgPIan 1800 § 3 3 : Rückzahlung der Prämie für unbeschädigte Güter weniger 1 % ) . Auch im Falle der Uberversicherung und Doppelversicherung sollte die Prämie bis auf y 2 % ristorniert werden ( V I 1, 3). Wird der Versicherer „schlecht", so kann der Versicherungsnehmer anderweit Versicherung nehmen und vom Versicherer die ganze Prämie zurückverlangen ( X V I I I 2). Auch dem geltenden deutschen Versicherungsrecht ist ein allgemeiner Grundsatz von der Unteilbarkeit der Prämie fremd (so auch B r u c k - M ö l l e r A n m . 4, 5 zu § 4 0 V V G , J . v. G i e r k e V S R I I i 7 3 f . , P r ö l ß Anm. 1 zu § 40 V V G ) . Es hat ihn ausdrücklich a b g e l e h n t . „ D i e Unteilbarkeit der Prämie könne gesetzlich nicht allgemein als Grundsatz ausgesprochen werden" (Begr. zu V V G §40). Der sogenannte Grundsatz von der Unteilbarkeit der Prämie könne „ n u r insoweit, als er am Platze erscheine, durch Einzelbestimmungen zur Geltung gebracht" werden (Begr. z. V V G § 40). Auf diesem Standpunkt stehen auch die A D S . Die Prämie ist nur in den Fällen unteilbar, in denen dies bestimmt ist. Die Prämie ist ζ. B. zu teilen, wenn der Versicherungsnehmer nach dem Beginn der Versicherung wegen Zahlungsunfähigkeit des Versicherers gemäß § 4 7 vom Vertrag zurücktritt (§47 Anm.). Oder wenn der Vertrag wegen teilweisen Interessemangels gemäß § 2 teilweise unwirksam ist ( § 2 A n m . 22; vgl. auch § 5 A n m . 5f.). Oder wenn bei einer teils für die Vergangenheit teils für die Zukunft genommenen Versicherung Versicherer und Versicherungsnehmer wissen, daß der Teilschaden schon entstanden und demgemäß die Versicherung f ü r die Vergangenheit unwirksam ist ( § 5 A n m . 9). Dagegen kann der Versicherer (im Widerspruch zu den Vorschriften des gemeinen Rechts über das Aquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung) die ganze Prämie verlangen, wenn nach dem Beginne der Versicherung das Interesse wegfällt (§ 4 Abs. 2) oder unversicherbar wird (§ 4 Anm. 14), oder die Gefahr wegfällt oder unversicherbar wird (§ 5 Anm. 5), wenn der Versicherer wegen Nichtzahlung der Prämie kündigt (§ 17 Satz 2), in den zahlreichen Fällen, in denen der Versicherer (nur er) „ v o n der Verpflichtung zur Leistung f r e i " ist. Ebenso selbstverständlich, wenn die Versicherung „ e n d i g t " , mag sie auch früher „endigen", als die Parteien im allgemeinen vorausgesetzt haben, mögen ζ. B. die versicherten Güter nicht am Bestimmungsort, sondern schon früher in einem Zwischenhafen „abgeliefert" werden (§ 88 Abs. 3). Denn auch in diesen Fällen endigt die Versicherung in dem von den Parteien, wenn auch nur bedingt, vorausgesetzten Zeitpunkt (vgl. auch § 50 Abs. 2, der auf eben dieser Erwägung beruht). Wird der Vertrag wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung angefochten und demgemäß nichtig, so kann der Versicherer sich nicht auf den sogenannten Grundsatz von der Unteilbarkeit der Prämie berufen, mag vor oder nach Beginn der Versicherung, mag wegen Irrtums oder Täuschung über gefahrerhebliche Umstände, oder wegen eines Irrtums usw. anderer Art angefochten sein; der Versicherungsnehmer schuldet keine Prämie, freilich auch keine Prämie für die Zeit vom Beginn der Versicherung bis zur Anfechtung (siehe aber § 40 Abs. 1 V V G seit der Fassung v. 19. Dezember 1939). Anm. 28
Höchstens kann man von einem Grundsatz der U n t e i l b a r k e i t d e r G e f a h r sprechen (so auch, freilich im Sinne des sog. Grundsatzes der Unteilbarkeit der Prämie: R G 95. 227, 100. 2 1 7 ) . I n dem Sinne nämlich, daß die Verminderung der Gefahr im allgemeinen oder der Wegfall einzelner Gefahren im besonderen, ζ. B. der Wegfall der Kriegsgefahr im Falle einer die Kriegsgefahr einschließenden Versicherung, keinen Einfluß auf die Prämie hat (vgl. auch § 5 A n m . 5 und oben Anm. 6), und daß die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder der Gefahrstandspflicht den Versicherer auch dann befreit, wenn sie sich nur auf einen Teil der versicherten Gefahren bezieht (Ausnahme: § 1 2 2 Abs. 2 ; vgl. auch § 9 7 Abs. 10 Satz 2 : Kündigung der laufenden Versicherung nur, soweit sie sich auf die Kriegsgefahr bezieht; vgl. aber
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auch § 5 Anm. 17; siehe für das V V G dessen § 41 a, der durch die V O v. 19. Dezember § 1 6 1939 eingefügt wurde). 14. § 16 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Grund, Höhe Anm. 29 und Fälligkeit der R ü c k p r ä m i e usw. bestimmen sich grundsätzlich nur nach dem Rückversicherungs-Vertrag ( E h r e n b e r g R V 169, R V R 3 1 , Z f V W 3. 210, S t u t z 34, O A G Lübeck K i e r u l f f 3 · 534, R G H G Z 1895. 300, H G Z 1892. 223, 1895. 165). Regelmäßig bildet die Rückprämie einen verhältnismäßigen, der Teilung des Risikos entsprechenden Teil der Vorprämie oder Originalprämie. Deshalb ist auch, wenn über die Rückprämie nichts besonders vereinbart ist, anzunehmen, daß die Vorprämie verhältnismäßig geteilt werden soll ( S t u t z 30). Dies gilt um so mehr, wenn der Rückversicherungs-Vertrag die übliche Klausel enthält, daß die Bedingungen der Vorversicherung für die Rückversicherung maßgebend sein sollen (§ 1 Anm. 148). Der Rückversicherer erhält dann im Zweifel den verhältnismäßigen Teil der ganzen Vorprämie (der sog. Bruttoprämie; H e r r m a n n s d o r f e r 218). Tatsächlich wird er regelmäßig auf die Nettoprämie gesetzt. Die Nettoprämie wird durch gewisse Abzüge von der Bruttoprämie gebildet. Was abzuziehen ist, wird in den Rückversicherungs-Verträgen regelmäßig besonders bestimmt, ζ. B. „Courtagen, Rabatte, Rückversicherungsund Agenturprovisionen", unter Umständen auch sonstige Vergütungen oder „sonstige Kosten", diese „in Form von festen Abzügen". Unkosten-, Teuerungs- oder Verwaltungszuschläge, die neben der Vorprämie erhoben werden, bilden keine Nebenkosten, sondern sind zur Vorprämie zuzuschlagen ( H e r r m a n n s d o r f e r 216). Ist, ausdrücklich oder stillschweigend, die Rückprämie n a c h der V o r p r ä m i e be- Anm. 30 stimmt, so teilt sie im Zweifel deren Schicksal, im Guten wie im Bösen (vgl. auch § 3 Anm. 34). Insbesondere kommen Prämienzulagen, Zuschlagsprämien und sonstige Prämienerhöhungen, die der Vorversicherte zahlen muß, auch dem Rückversicherer zugute. Enthält der Vorversicherungs-Vertrag die Liegeklausel (Vorb. vor § 1 1 3 ) , so muß sich der Rückversicherer ebenso wie der Vorversicherer eine Prämienermäßigung gefallen lassen, wenn das versicherte Schiff längere Zeit ohne Ladung unbeschäftigt liegt (abw. H G Z 1892. 225, weil dem Rückversicherer die Liegeklausel nicht bekannt gewesen sei; vgl. hierzu § 1 Anm. 149). Regelmäßig wird das auch noch besonders vereinbart; ζ. B. „ . . . Rückversicherung übernommen an Assecurantia, VersicherungsAktiengesellschaft, für 15000 D M auf diverse Waren nach Usance per Petropolis für die Reise Santos—Hamburg . . . valedierend zu den Bedingungen der Originalpolice und mit den Prämien-Zulagen und Rückgaben derselben". — Sind die „Originalbedingungen" maßgebend, so sind es auch die für die Vorversicherung geltenden Z a h l u n g s b e d i n g u n g e n . Aus der Maßgeblichkeit der Zahlungsbedingungen folgt aber natürlich nicht, daß auch die Zahlungsunfähigkeit des Vorversicherten für den Rückversicherer maßgebend ist. Wenn auch die Zahlungsunfähigkeit des Vorversicherten für den Rückversicherer maßgebend sein soll, wird es deshalb auch ausdrücklich bestimmt, so, wenn es etwa im Rückversicherungs-Vertrag heißt: „Ferner nimmt der Rückversicherer gemäß seiner Beteiligung an etwaigen durch Zahlungseinstellungen oder sonstwie verursachten Prämienausfällen teil". Anders H G Z 1897.42: Aus der Sozietätsnatur des Exzedentenvertrags ergebe sich in jedem Falle, daß der Rückversicherer die Rückprämie nur dann erhalte, wenn der Vorversicherer die Vorprämie erhalte; denn „bei einer Societät sei . . . der Verlust des einen Socius durch Insolventwerden seines Schuldners vom anderen Socius mitzutragen". Vgl. hierzu B a c h e in Nordisk ForsäkrTidskr. 1922 Nr. 1: „Der Rückversicherer übernimmt gegen ein bestimmtes Entgelt ein bestimmtes Risiko. Auf dieses Entgelt hat der Rückversicherer natürlich Anspruch, gleichviel ob der Vorversicherer seine Prämie erhält oder nicht. In einigen, insbesondere deutschen Verträgen heißt es, der Vorversicherer laufe das
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§ 16 Delkredere für die Prämien. Das ist eine ganz unrichtige Ausdrucksweise. Der Vorversicherer ist nicht der Kommissionär des Rückversicherers, er zieht die Prämien nicht für den Rückversicherer ein, die Prämien gehören nur ihm. Vorversicherer und Rückversicherer stehen einander allein als Kontrahenten gegenüber; wenn das Entgelt des Rückversicherers durch einen verhältnismäßigen Teil der Vorprämie bestimmt wird, so handelt es sich nur um eine Berechnungsart. Es ist also für den Rückversicherer ohne Zweifel gleichgültig, ob der Vorversicherer die Vorprämie erhält oder nicht. In der deutschen Rechtslehre ist oft behauptet, daß der Rückversicherungs-Vertrag ein Gesellschaftsvertrag sei. Wäre er es, so läge die Sache freilich anders. Aber jene Behauptung ist j a nur graue Theorie. Der Rückversicherungs-Vertrag ist j a ganz offenbar Versicherungsvertrag, auch . . . der sog. Quotenvertrag. Er kann natürlich seinem Inhalt nach . . . einem Gesellschaftsvertrag ganz nahe kommen. Dann ist auch eine Bestimmung am Platze, daß der Rückversicherer nur Anteil an den wirklich eingehenden Prämien erhält. Aber selbst in diesem Falle müßte es ausdrücklich bestimmt sein. Eine solche Bestimmung würde ζ. B. nicht schon in der üblichen Klausel zu erblicken sein, nach welcher ,der Rückversicherer in jeder Beziehung das Schicksal des Vorversicherers teilt'. Diese Klausel ist eine abgedroschene Redensart, aus der sich bestimmte Rechtsfolgen nicht ableiten lassen." Ebenso dänische Assurander-Societet ( I T V M i t t 192a. 69). Anm. 31
Anm. 32
Ist die Rückversicherung (ausnahmsweise) keine Summenversicherung, das Risiko also nicht verhältnismäßig geteilt, die Rückversicherung insbesondere bloße GefahrenRückversicherung, so muß natürlich die Rückprämie b e s o n d e r s v e r e i n b a r t werden, — sei es wie bei der Direktversicherung, sei es auch in der Form eines verhältnismäßigen nach der Schwere der Gefahren berechneten Anteils an der Vorprämie. Wird die vorversicherte Gefahr erhöht und die Zuschlagsprämie des § 25 fällig, so gebührt diese dem Rückversicherer ganz, wenn nur die von ihm übernommenen Gefahren erhöht werden, dem Vorversicherer ganz, wenn nur die von diesem übernommenen Gefahren erhöht werden. Sind jene wie diese erhöht, so ist die Zuschlagsprämie angemessen, regelmäßig im Verhältnis der Schwere der Gefahren, zu teilen. Dasselbe wird (trotz anderer Rechtslage, wegen gleicher Interessenlage) dann gelten müssen, wenn (nur) der Vorversicherte die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat, ihn aber kein Verschulden trifft, und der Vorversicherer haftet, dafür aber die Zuschlagsprämie des § 20 Abs. 3 erhält.
Regelmäßig wird die Rückprämie im K o n t o k o r r e n t verrechnet. Dann ist sie dem Rückversicherer zuzuschreiben, wenn sie zu zahlen gewesen wäre ( H e r r m a n n s d o r f e r 227). Anm. 33 Die dem abwicklungsberechtigten Vorversicherer gebührende P r o v i s i o n (§ 1 Anm. 165) wird regelmäßig und im Zweifel von der Nettoprämie berechnet ( S t u t z 30). Sie gilt also, auch wenn der Rückversicherung die Originalbedingungen zugrunde liegen, nicht etwa als Delkredereprovision ( H G Z 1897. 43; vgl. auch oben Anm. 30). Anm. 34 15. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s R e c h t (vgl. auch oben Anm. 8, 27). Nach § 52 M I A ist die Prämie gegen Aushändigung der Police zu zahlen. Handelsgebräuchlich ist aber die Prämie erst am achten Tage des auf die Aushändigung der Police folgenden Monats zu zahlen (und zwar mit 1 0 % Diskont; A r n o u l d 139 s. 159). — Regelmäßig wird der Vertrag durch Makler vermittelt. Dann the broker is directly responsible to the insurer for the premium, and the insurer is directly responsible to the assured for the amount which may be payable . . . in respect of returnable premium ( M I A § 5 3 Abs. 1). Daneben wäre an und für sich auch der Versicherungsnehmer Prämienschuldner. Aber Lloyd's Police enthält das Bekenntnis: confessing ourselves paid the consideration due unto us for this assurance by the assured, at and after the
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rate o f . . . Und such acknowledgment is in the absence of fraud, conclusive as between § 1 6 the insurer and the assured, but not as between the insurer and broker (MIA § 54). Der Versicherer kann sich also nur an den Makler halten. Ebenso nach neuerer Übung und Rechtsprechung selbst dann, wenn die Police kein Empfangsbekenntnis enthält. By a fiction the broker is deemed to have paid the underwriter, and to have borrowed from him the money with which he pays (Collins, J . , bei A r n o u l d 143 s. 163). — Lloyd's Underwriters und Makler stehen gewöhnlich im Kontokorrentverhältnis, das auch die Entschädigungen umfaßt, und rechnen vierteljährlich ab (näheres: A r n o u l d 140 s. 161). — Der Versicherungsnehmer muß dem Makler die Prämie (abzüglich der 1 0 % Diskont) sofort zahlen ( A r n o u l d 143 s. 163). The broker has, as against the assured, a lien upon the policy for the amount of the premium and his charges in respect of effecting the policy . . . (MIA § 53 Abs. 2). — Der Makler erhält 5 % Provision. Wird der Vertrag nicht durch einen Makler vermittelt, so werden die 5 % dem Versicherungsnehmer vergütet ( A r n o u l d 13g s. 159, C h a l m e r s 71). — Die VerSt. von A m e r i k a sind England nicht gefolgt. Der Versicherungsnehmer schuldet die Prämie auch dann, wenn ein Makler den Vertrag vermittelt hat ( P h i l l i p s s. 508). Der Makler haftet auch für die Prämie nicht ( P h i l l i p s aaO; anders, aber irrtümlich, Fairplay in I T V M i t t 1919. 79). b) F r a n z ö s i s c h e s R e c h t . Vgl. Art. 13 Abs. 1 der Güterpolice: L a prime entiere Anm. 35 est acquise aux assureurs d£s que les risques ont commences ä courier. Elle est payable comptant entre les mains des assureurs au lieu de la souscription de l'assureur, au moment de la remise ä l'assure ou ä ses representants ou ayants droit de l'acte dans lequel eile est ressortie. Art. 14 der Güterpolice: Les taxes, droits et impöts existant ou pouvant etre etablis, ainsi que le coüt de la police, sont ä la charge de l'assure et sont payables dans les meines conditions que la prime. Art. 14 Abs. ι und 2 Kaskopolice: Dans 1'assurance au voyage, la prime est payable comptant, les risques des assureurs ne commen9ant en aucun cas ä courir avant son complet paiement. Dans l'assurance ä terme, la prime est payable ä trente jours de la prise des risques. Toutefois, si l'assurance est faite pour douze mois, l'assure aura la faculte, mais ä la condition d'avoir opte pour ce mode de liberation avant le commencement des risques, de payer la prime en quatre quarts, ä savoir: Le ier quart, ä trente jours de la prises des risques; le 2e quart, ä trois mois de la prise des risques; le 3e quart, ä six mois de la prise des risques; le 4ε quart, ä neuf mois de la prise des risques. — Der Versicherer hat für die Prämie ein Vorzugsrecht vor anderen Gläubigern (C. de com. Art. 191 Nr. 10; näheres über dieses bekämpfte und umstrittene Recht: R i p e r t Nr. 2469fr.).
§ 1 7 Nichtzahlung der Prämie. Nichtleistung der Sicherheit W i r d auf eine nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgende M a h n u n g des Versicherers nicht binnen einer bei der M a h n u n g zu bestimmenden, angemessenen Frist die Prämie gezahlt oder die Sicherheit geleistet, so ist der V e r sicherer v o n der V e r p f l i c h t u n g zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall v o r der Zahlung oder der Sicherheitsleistung eintritt. Der Versicherer kann auch in diesem Falle, w e n n der Versicherungsnehmer mit der Zahlung oder mit der Sicherheitsleistung im V e r z u g ist, das Versicherungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen; wird das Versicherungsverhältnis gekündigt, so
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§
gebührt dem Versicherer bei Reiseversicherungen gleichwohl die Prämie, bei Zeitversicherungen die Ristornogebühr.
Anm. ι
i. Vgl. ASVB § 160 Abs. 2, BSVB § 2 Abs. 2, V V G §§ 38, 39, 40 Abs. 2. — L i t e r a t u r : § 16 Anm. 2.
Anm. 2
2. Satz 1 . N a c h Fälligkeit der P r ä m i e kann der Versicherer den Versicherungsnehmer mahnen. Mahnung vor Fälligkeit ist im allgemeinen wirkungslos (vgl. aber auch Gruchot 28. 1064, LZ 1908. 162).
Anm. 3
a) Die Prämie ist f ä l l i g , wenn der Versicherer sie verlangen kann (§ 16 Anm. 10). Sie ist insbesondere auch dann fällig, wenn der Versicherungsnehmer nur gegen Aushändigung der (verlangten) Police zu zahlen braucht ( § 1 6 Anm. 10; vgl. auch J W igo8. 135). Der Versicherungsnehmer muß die Prämie gegen die Police anbieten; nimmt der Versicherer die Prämie nicht an, oder will er zwar die Prämie nehmen, aber keine Police aushändigen, so kommt er in Annahmeverzug (BGB § 298) und kann bis zur Wiederherstellung seiner Leistungsbereitschaft nicht die Folgen der Fälligkeit ziehen, insbesondere keine Fälligkeitszinsen verlangen (BGB § 3 0 1 ; vgl. auch G e r h a r d 167, R O H G 15. 41). Anm. 4 b) Die Fälligkeit der Prämie bringt den Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres in Z a h l u n g s v e r z u g . Der Versicherungsnehmer kommt in Zahlungsverzug, wenn er die fällige Prämie nicht zu der kalendermäßig bestimmten Zeit zahlt oder trotz Mahnung nicht zahlt und die Nichtzahlung zu vertreten hat (BGB §§ 284, 285). Dann muß er dem Versicherer den Verzugsschaden ersetzen (BGB §§ 286, 288). Dann könnte der Versicherer auch dem Versicherungsnehmer gemäß §§ 326, 327 BGB eine angemessene Zahlungsfrist setzen und erklären, daß er nach fruchtlosem Fristablauf Zahlung nicht mehr annehme, und nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder zurücktreten (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 22, S i e v e k i n g 66). Die §§ 326, 327 BGB sind aber durch § 17 ADS ersetzt (wie für das Binnen-Versicherungsrecht durch §§38, 39 V V G : G e r h a r d 166, 172). Der Versicherer kann nicht nach den §§ 326, 327 BGB verfahren, sondern nur nach § 17 ADS (vgl. HGZ 1920. 4). Anm. 5 c) Über den Begriff der P r ä m i e : § 16 Anm. 3, 8. Auch Z u s c h l a g s p r ä m i e n sind Prämien (§ 16 Anm. 6). Ob die Prämie g r o ß o d e r k l e i n , insbesondere der rückständige Teil der Prämie groß oder klein ist (LZ 1918. 635 = J W 1918. 226; doch sind bei ganz geringfügigen Rückständen Ausnahmen zu machen, ζ. B. wenn die Folgeprämie mit 439,78 D M bezahlt war, jedoch 7,68 D M Verzugszinsen fehlten. Das ergibt sich aus Treu und Glauben; vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 8 zu § 38 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu § 38 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 17 ADS), ob die Prämie vor oder nach dem Beginn der Versicherung zu zahlen ist (vgl. V V G §§ 38, 39 und dazu W e i l Z f V W 1911.239), gilt gleich. Der Versicherungsnehmer kann sich auch nicht darauf berufen, daß einzelne b e s o n d e r s t a x i e r t e Gegenstände nach § 7 als besonders versichert gelten und ein Teil der Prämie gezahlt sei. Denn für die einzelnen besonders taxierten Gegenstände wird keine Prämie besonders bestimmt; solche Prämien gelten daher auch nicht als besonders vereinbart. — Z i n s e n stehen, als bloßer Ersatz für den Nichtgenuß der Prämie, der Prämie gleich (vgl. auch § 39 V V G , wo dies ohne weiteres vorausgesetzt ist). Anm. 6 d) N e b e n k o s t e n stehen der Prämie nicht gleich (§ 16 Anm. 12, 20, 25). Kommt der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der Nebenkosten in Verzug, so kann der Versicherer nur Schadensersatz, insbesondere Zinsen verlangen (BGB § 286, 288). Er kann auch nicht gemäß § 326 BGB eine Zahlungsfrist setzen und für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist die Erfüllung ablehnen. Denn die Zahlung der Nebenkosten steht zur Gewährung des Versicherungsschutzes nicht in dem Gegenseitigkeits-
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Verhältnis, das § 326 BGB voraussetzt (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 22). Aber wenn der Versicherungsnehmer einen zur Tilgung von Prämie und Nebenkosten nicht ausreichenden Betrag zahlt, kann der Versicherer den Betrag zunächst auf die Nebenkosten verrechnen und, wenn der Versicherungsnehmer hiermit nicht einverstanden ist, die Annahme der Zahlung ablehnen (BGB §367) und gemäß § 17 mahnen und kündigen. e) Dagegen stellt § 17 der Prämie ausdrücklich die S i c h e r h e i t gleich, die der Versicherer gemäß § 16 Abs. 3 verlangen kann. Der Versicherer kann zu gleicher Zeit die Sicherheit verlangen, mahnen und kündigen (vgl. auch unten Anm. 19). 3. Der Versicherer kann mahnen. Im Falle einer Mitversicherung kann jeder einzelne Versicherer nur für sich, nicht auch für die übrigen Versicherer mahnen. Auch der „Führer" kann nicht für die übrigen Versicherer mahnen. Näheres: Vorb. V vor § 1. — Mahnung durch Vertreter: BGB §§ 174, 180. 4. D e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann der Versicherer mahnen. Über den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. — Uber den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Sind die mehreren Versicherungsnehmer Gesamtschuldner, so wirkt Mahnung gegenüber dem einen nicht auch gegen die übrigen (BGB § 425). — Hat der Versicherungsnehmer die (unbedingte oder noch bedingte) Entschädigungsforderung a b g e t r e t e n , so muß und kann nur er, nicht der Zessionar, gemahnt werden. Der Zessionar auch dann nicht, wenn dem Versicherer die Zession bekannt ist. Durch die Abtretung der Entschädigungsforderung kann die Rechtslage des Versicherers nicht beeinträchtigt werden. Freilich hat die Mahnung unter Umständen Rechtsfolgen, die auf die Entschädigungsforderung übergreifen. Aber der Erwerber einer Forderung aus einem gegenseitigen Vertrag erhält die Forderung nur mit der Gebundenheit, die sich aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von selbst ergibt (vgl. Komm, zum § 398 BGB, auch R o e l l i 282). — Hat der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung v e r p f ä n d e t , so muß und kann natürlich ebenfalls nur er, nicht der Pfandgläubiger, gemahnt werden (APV 1908 II 77). Der gutgläubige Pfandgläubiger wird aber, wenn eine Police ausgestellt ist, durch § 51 geschützt. — Auch bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung ist nur der Versicherungsnehmer zu mahnen. Der Versicherte schuldet die Prämie nicht; auch dann nicht, wenn er der Versicherung zugestimmt hat (§ 53 Anm., § 54 Anm.). Der Versicherungsnehmer ist auch dann zu mahnen, wenn er nicht im Besitz der Police ist (vgl. auch § 54). Freilich kann infolge der Mahnung der Versicherer frei werden. Aber der Versicherte hat eben nur eine Entschädigungsforderung, die solcher Gefahr ausgesetzt ist. Man hätte den Versicherten wenigstens für den Fall, daß eine Police ausgestellt ist, schützen können, wie man den Erwerber der versicherten Güter durch §49 Abs. 1 Satz 2 geschützt hat. Man hat es aber nicht getan. Vgl. auch K i s c h JehJ 63. 415. — Auch nach V e r ä u ß e r u n g der versicherten Sache ist der Versicherungsnehmer, der Veräußerer zu mahnen. Der Versicherer kann aber auch den Erwerber mahnen, der gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 als Gesamtschuldner für die Prämie haftet. Die Mahnung gegenüber dem Versicherungsnehmer wirkt auch gegenüber dem Erwerber (trotz §425 BGB; näheres: §49 Anm.). Ist über die versicherten Güter eine Police ausgestellt, so kann der Versicherer den Erwerber nicht mahnen; er kann nur den Versicherungsnehmer mahnen und auch diesen nicht mit der Wirkung, daß der Versicherer gemäß § 17 frei wird, und natürlich ebensowenig mit der Wirkung, daß der Versicherer gemäß §§ 326, 327 BGB frei wird (§ 49 Abs. 1 Satz 2). — Mahnung gegenüber einem V e r t r e t e r , insbesondere gegenüber einem Gesamtvertreter: vgl. § 3 Anm. 18. Mahnung gegenüber dem Makler genügt nicht (vgl. § 16 Anm. 7).
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Anm. 8
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§ 17 5. Der Versicherer kann mahnen. Die Mahnung ist eine einseitige, empfangsAnm. 10 bedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Aufforderung, die richtiger Ansicht nach keine Willenserklärung darstellt (weil der Mahnende keinen Geschäftswillen zu haben braucht), sondern nur eine bloße, allerdings einer Willenserklärung analog zu behandelnde Rechtshandlung (vgl. im einzelnen Schrifttum zu § 284 BGB). Vgl. auch Vorb. IV vor § 1 . — Die Mahnung muß eine bestimmte Zahlungsaufforderung enthalten. Der Versicherungsnehmer muß wissen, woran er ist. Sie braucht den Betrag der Prämie nicht anzugeben; anders, wenn der Betrag dem Versicherungsnehmer nicht bekannt ist und nicht bekannt zu sein braucht (wie insbesondere bei Zuschlagsprämien). — Verlangt der Versicherer mehr, als er verlangen kann, so ist die Mahnung im allgemeinen für den wirklich geschuldeten Betrag wirksam. Ebenso, wenn er Zahlung am unrichtigen Ort oder sonst unter anderen als den vereinbarten Bedingungen verlangt. Anders, wenn hierunter die Bestimmtheit der Mahnung leidet, oder wenn der Versicherer erkennen läßt, daß er nur das wirklich Geschuldete nicht annehmen werde (ebenso Prölß Anm. 5 zu § 39 VVG, B r u c k - M ö l l e r Anm. 11 zu § 39 VVG). — Die Mahnung kann also auch durch Zustellung einer K l a g e oder eines Zahlungsbefehls erklärt werden. Nur muß die Klage usw. natürlich alle Erfordernisse des § 17 (insbesondere auch Fristbestimmung) enthalten. — Die Mahnung braucht nicht die R e c h t s f o l g e n anzugeben, die mit ihr und insbesondere mit dem fruchtlosen Ablauf der gleichzeitig gesetzten Zahlungsfrist verbunden sind (anders V V G § 39 Abs. 1 ; vgl. zu § 284 BGB R G 93. 300, wonach die Mahnung erkennen lassen muß, daß das Ausbleiben der Leistung Folgen haben werde, ohne daß bestimmte Folgen angedroht zu werden brauchen). Sie braucht auch nicht daraufhinzuweisen, daß der Versicherungsnehmer nur gegen Aushändigung der (verlangten) Police zu zahlen braucht. Anm. 11 6. Bei (zugleich mit) der Mahnung muß der Versicherer eine Zahlungsfrist bestimmen, eine Frist, in der zu zahlen der Versicherungsnehmer gemahnt wird. Weil mit ihr keine Fristbestimmung verbunden ist, reicht deshalb eine stillschweigende Mahnung, etwa durch wiederholte Rechnungsübersendung, nicht aus ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 11 zu § 39 VVG). Die Frist muß angemessen sein. Welche Frist als angemessen anzusehen ist, ist Tatfrage. Ist die Frist länger als nötig, so ist der Versicherer an sie gebunden. Ist sie zu kurz, so setzt sie ohne weiteres die wirklich angemessene Frist in Lauf (vgl. R G 62. 68). Der Versicherer kann sich auch darauf beschränken, eine „angemessene" Frist zu setzen (vgl. Komm. z. §§ 250, 326 BGB). Anm. 12 7. Rechtsfolgen der Mahnung und Fristsetzung: a) Der Versicherungsnehmer kommt in Z a h l u n g s v e r z u g . Auch, wenn keine Zahlungsfrist gesetzt ist. Aber nur, wenn er die Nichtzahlung zu vertreten hat (BGB § 285). Der Versicherer kann Ersatz des Verzögerungsschadens, insbesondere Verzugszinsen verlangen (BGB §§ 286, 288). Anm. 13 b) Der Versicherer ist frei, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Frist zahlt. α) Uber den Begriff der Z a h l u n g : § 16 Anm. 11. Insbesondere genügt rechtzeitige (und natürlich auch sonst gehörige, insbesondere auch vollständige) Absendung der Prämie (Recht 1909 Nr. 2231, K G Rspr 32. 208, K G u. OLG Karlsruhe APV 1914 II 45, 73). Freilich reist die Prämie auf Gefahr des Versicherungsnehmers (BGB § 270). Aber dies bedeutet nur, daß der Versicherungsnehmer die Prämie noch einmal zahlen muß, wenn sie beim Versicherer (ohne daß dieser es zu vertreten hat) nicht eintrifft. Der Versicherungsnehmer wird aber in diesem Falle unverzüglich noch einmal absenden müssen. — Der rechtzeitigen Zahlung stehen rechtzeitige Giroüberweisung (Recht 1909 Nr. 2789), Annahme an Zahlungs Statt
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(BGB § 364), Hinterlegung (BGB § 372) gleich. Auch rechtzeitige Aufrechnung § 17 (§ 16 Anm. J1). Nach § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, daß die sich deckenden Forderungen als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in dem sie einander aufrechenbar gegenübergetreten sind. Danach würde der Versicherungsnehmer auch noch nach Ablauf der Zahlungsfrist mit Rückwirkung aufrechnen können, wenn nur seine Forderung und die Prämienforderung sich vor Ablauf der Frist aufrechenbar gegenübergestanden haben. Anders APV 1905 II 30 für den Fall, daß die Versicherungsbedingungen bestimmen, daß die Prämie in der Frist „tatsächlich gezahlt" sein müsse. Hieraus würde, wenn überhaupt etwas, freilich nur folgen, daß überhaupt nicht, weder nachher noch auch vorher, aufgerechnet werden kann. Anders auch R o e l l i 289 ohne Begründung. Anders auch Weil ZfVW 1911. 238: Wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gezahlt sein müsse, müsse eben auch tatsächlich gezahlt sein. Das ist keine Begründung. Es gibt auch keine bessere. Vielmehr bewendet es beim § 389 BGB. Erhebliche Unzuträglichkeiten sind auch von der nachträglichen Aufrechnung von Forderungen, die der Prämienforderung schon früher aufrechenbar gegenüberstanden, nicht zu befürchten. β) Der Versicherer ist frei. Ohne weiteres; insbesondere ohne daß es einer Anm. entsprechenden Erklärung oder Anzeige an den Versicherungsnehmer bedarf. Auch dann, wenn er bereits eine Police ausgehändigt hat (Begr. z. V V G §§ 38, 39; Ausnahmen: §§49 Abs. 1 Satz 2, 51). Auch dann, wenn für die Prämie Sicherheit geleistet ist. Auch dann, wenn der Versicherungsnehmer nicht im Zahlungsverzug ist, weil er, unvertretbar, nicht hat zahlen können. § 285 BGB ist nicht anwendbar. Ebensowenig die von der Rechtsprechung aufgestellte Regel, daß die entschuldbare Versäumung einer Frist nicht schadet (näheres: §42 Anm.); sie ist hier erkennbar abgelehnt (§ 17 Satz 2). — Der Versicherer ist nur f ü r die Z u k u n f t frei. Nicht für die Zeit bis zum Ablauf der Zahlungsfrist. Und auch für die Zukunft nur, bis die Prämie gezahlt wird. Die Versicherung wird also nur unterbrochen. Tritt der V e r s i c h e r u n g s f a l l in der Z w i s c h e n z e i t ein, so haftet der Versicherer trotz späterer Zahlung nicht. Uber den Begriff des Versicherungsfalls: § 5 Anm. 26. — Für welche S c h a d e n s f o l g e n des Versicherungsfalls der Versicherer nicht haftet, richtet sich nach den besonderen Grundsätzen der versicherungsrechtlichen Kausalität. Näheres hierüber: § 28 Anm. Wenn ζ. B. das versicherte Schiff in der Zwischenzeit gestrandet ist, kann der Versicherungsnehmer die Prämie nicht mit der Wirkung zahlen, daß der Versicherer den nach der Zahlung durch die Strandung unvermeidlich entstehenden Schaden ersetzen muß. — Beweislast: Die Voraussetzungen der Befreiung muß der Versicherer beweisen. Der Versicherungsnehmer muß aber beweisen, daß und wann er die Prämie gezahlt hat (Gerhard 167). Steht fest, daß die Versicherung unterbrochen war, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß der Schaden zu einer Zeit entstanden ist, während welcher der Versicherer die Gefahr trug (§ 28 Anm.). — Solange der Versicherer frei ist, braucht er auch keine Police auszuhändigen. Um so mehr, als er sonst in die Lage kommen könnte, demjenigen zahlen zu müssen, der die versicherte Sache oder ein Pfandrecht an der Entschädigungsforderung gutgläubig erworben hat (§§ 49 Abs. 1 Satz 2, 51). — Bei der l a u f e n d e n Versicherung ist der Versicherer nur für die Einzelversicherung frei, für welche die Prämie nicht gezahlt ist, nicht für die laufende Versicherung. y) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist nicht frei. Nicht frei von der Prämien- Anm. pflicht (RG 100. 217, HGZ 1920. 4). Auch nicht frei von anderen Verbindlichkeiten. Aber diese anderen Verbindlichkeiten werden doch durch die Befreiung des Versicherers von der Entschädigungspflicht vielfach beeinflußt. Soweit nämlich von
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ihrer Erfüllung die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, werden sie mit dem Wegfall und für die Dauer des Wegfalls der Entschädigungspflicht gegenstandslos. A n m . 16 8. Mahnung und Fristsetzung sind auch dann nötig, wenn f ü r die Z a h l u n g der Prämie eine Z e i t nach dem Kalender bestimmt ist. Allerdings kommt in diesem Falle der Versicherungsnehmer zur bestimmten Zeit ohne Mahnung in Verzug ( B G B § 284). Aber § 17 Abs. 1 bestimmt nicht, daß der Versicherer mit dem Zahlungsverzug und dem Ablauf einer angemessenen Frist, sondern daß er nach Mahnung und Fristablauf frei sein soll. A n m . 17 9. Der Versicherer kann auf die Befreiung v e r z i c h t e n . Ausdrücklich und stillschweigend. Aber Verzichte sind nach allgemeiner Regel nicht zu vermuten. N i m m t der Versicherer nachträglich und vorbehaltlos die ihm, ohnedies geschuldete, Prämie an, so liegt darin natürlich kein Verzicht auf die Befreiung (vgl. R G J W 1926. 1 3 2 9 = Sasse Nr. 16: Fall „ L e m k e n h a f e n " ; siehe auch die Vorinstanz H a n s O L G H G Z 1925 Nr. 56 = H R Z 1925. 5 1 6 = A P V 1925. 162 = Sasse Nr. 337. Das genannte Segelschiff w a r für bestimmte Reisen versichert. Die Prämie w a r vierteljährlich zahlbar mit der Klausel „ D i e Gültigkeit der Versicherung ist davon abhängig, daß die Prämie jeweils spätestens 10 T a g e nach Quartalsschluß bezahlt w i r d " . Das Schiff ging a m 4. J u n i 1924 unter und die Prämie wurde nunmehr am 6. J u n i 1924 prompt beim Makler bezahlt. Nach den Darlegungen des Reichsgerichts kann die Klausel entweder den Sinn haben, daß die feste Frist von 10 Tagen an Stelle der Fristsetzung und Mahnung des Versicherers trete, also mit dem Ablauf die Leistungsfreiheit des Versicherers ohne weiteres herbeiführe, oder daß die Gültigkeit der Versicherung aufhöre, sobald nach Vierteljahrsschluß 10 T a g e ohne Zahlung der rückständigen Prämie abgelaufen seien. In beiden Fällen sei der Entschädigungsanspruch hinfällig geworden. Die Annahme der Prämie durch den Makler sei für den Versicherer unschädlich), insbesondere dann nicht, wenn inzwischen der Versicherungsfall eingetreten ist und der Versicherer hiervon keine Kenntnis hat (vgl. J W 1910. 36, O L G H a m m WallmannsZ 52. 235). A u c h dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer regelmäßig die Prämie zu spät gezahlt, der Versicherer die nachträglich gezahlten Prämien regelmäßig vorbehaltlos angenommen hat (vgl. Recht 1 9 1 0 Nr. 4 1 8 2 ) . Wenn dagegen der Versicherungsnehmer (ζ. B. im Falle einer Zeit-Kaskoversicherung) zwar nicht die erste, fällige und angemahnte Prämienrate, wohl aber die zweite fällige Prämienrate zahlt und der Versicherer sie vorbehaltlos annimmt, kann darin unter Umständen ein Verzicht auf die Befreiung erblickt werden (vgl. O L G H a m m A P V 1 9 1 5 I I 20 und hierzu P e t e r s e n Z f V W 1 9 2 1 . 252, P f u n d Z f V W 1 9 1 8 . 92, 1920. 238, V o g e l Z f V W 1 9 1 9 . 87). A n m 18
10. Der Schuldner kommt im allgemeinen auch ohne Mahnung in Verzug, wenn er die geschuldete Leistung bestimmt weigert (vgl. ζ. B. R G 5 1 . 349, 52. 1 5 1 , 53. 1 2 , 57. 1 1 2 , 67. 3 1 7 ) . Denn in solchem Falle hätte die Mahnung keinen vernünftigen Sinn. Aus demselben Grunde braucht der Gläubiger, der gemäß § 326 B G B die Erfüllung ablehnen will, dem Schuldner, der die Leistung bestimmt weigert, keine Leistungsfrist zu setzen (vgl. ζ. B. R G 52. 1 5 2 , 53. 12, 166, 57. 1 1 3 , 6 6 . 4 2 1 , 4 3 1 , aber auch R G 90. 3 1 7 ) . Aus demselben Grunde braucht der Versicherer nicht zu mahnen und keine Zahlungsfrist zu setzen, wenn der Versicherungsnehmer die Z a h l u n g d e r P r ä m i e b e s t i m m t w e i g e r t , etwa weil er mit Unrecht bestreitet, den Versicherungsvertrag geschlossen zu haben (vgl. R G 67. 3 1 7 , B r u c k - M ö l l e r Anm. 1 5 zu § 39 V V G ) . Damit ist aber nicht gesagt, daß der Versicherer ohne weiteres frei wird. Wie der Gläubiger nach § 326 B G B , um frei zu werden, dem Schuldner jedenfalls erklären muß, daß er die Annahme der geschuldeten Leistung ablehne, so muß der Versicherer im Interesse der Rechtssicherheit, wenn er nicht mahnen und keine Frist setzen will, jedenfalls e r k l ä r e n , daß er bis zur Zahlung frei sei.
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1 1 . S a t z 2. Der V e r s i c h e r e r k a n n k ü n d i g e n , wenn zwei Voraussetzungen § 1 7 erfüllt sind: Anm. 19 a) wenn e r g e m a h n t u n d der Versicherungsnehmer n i c h t vor Ablauf der Zahlungsfrist g e z a h l t hat (verb, „ i n diesem Falle"). Mahnung und Kündigung können v e r b u n d e n werden. Wie der Gläubiger, der nach § 3 2 6 B G B die Erfüllung ablehnen will, die Ablehnung mit der Mahnung verbinden kann (vgl. z. B. R O H G 10. 2 4 1 , 12. 285, 23. 170, R G 50. 262, 6 1 . 1 3 1 , 69. 305, J W 1904. 536, 1 9 1 0 . 332), so muß auch der Versicherer Mahnung und Kündigung verbinden können. — U n d
b) w e n n der Versicherungsnehmer mit der Zahlung i m Verzug ist. Der Versicherungsnehmer kommt in Verzug, wenn für die Zahlung eine Zeit nach dem K a l e n d e r bestimmt ist und er zu dieser Zeit nicht zahlt ( B G B § 284 Abs. 2). E r kommt jedenfalls mit der Mahnung in Verzug ( B G B § 284 Abs. 1). E r kommt gleichwohl nicht in Verzug, solange er infolge eines Umstandes nicht zahlt, den er nicht zu vertreten hat ( B G B § 285), wenn ζ. B. infolge von bürgerlichen Unruhen die Absendung der Prämie unmöglich ist. — Der Versicherer kann nicht mehr kündigen, wenn der Verzug geheilt, ζ. B. der Versicherungsnehmer gezahlt oder Zahlung gehörig angeboten hat. 12. Die K ü n d i g u n g ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich rechtsaufhebende, Willenserklärung. Uber empfangsbedürftige Willenserklärungen: Vorb. I V vor § 1. a) Der V e r s i c h e r e r kann kündigen. I m Falle einer Mitversicherung jeder einzelne Versicherer. Näheres: oben Anm. 8, V o r b . V vor § 1 . — Kündigung durch Vertreter: B G B §§ 174, 180. b) D e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist zu kündigen. U b e r den Begriff des VerSicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. — Ü b e r den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: oben A n m . 9, Vorb. V I vor § 1. — Auch wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung abgetreten oder verpfändet hat, ist nur ihm zu kündigen. Näheres: oben Anm. 9. — Auch bei der Versicherung für fremde Rechnung ist nur dem Versicherungsnehmer zu kündigen. Näheres: oben Anm. 9. — Auch nach Veräußerung der versicherten Sache ist dem Versicherungsnehmer zu kündigen. Der Versicherer kann aber auch dem Erwerber kündigen, wenn er ihn gemahnt hat und der Erwerber im Verzug ist (§49 Abs. 1 Satz 1), oder wenn der Versicherungsnehmer vor der Veräußerung gemahnt und in Verzug geraten ist. Die Kündigung gegenüber dem Versicherungsnehmer wirkt auch gegenüber dem Erwerber (trotz § 425 B G B ; § 49 Anm.). Ist über die versicherten Güter eine Police ausgestellt, so kann der Versicherer nicht dem Erwerber und regelmäßig auch nicht dem Versicherungsnehmer kündigen (§ 49 Abs. 1 Satz 2, oben A n m . 9). — Kündigung gegenüber einem Vertreter, insbesondere einem Gesamtvertreter des Versicherungsnehmers: vgl. § 3 Anm. 18. c) Die Kündigung muß die b e s t i m m t e Erklärung des Versicherers enthalten, daß das Versicherungsverhältnis aufgehoben sein soll. Selbstverständlich, — alle Rechtsgestaltungs-Erklärungen müssen bestimmt sein. Der Versicherungsnehmer muß wissen, woran er ist. Die Kündigung darf deshalb nicht bedingt sein, wenn die Bestimmtheit unter der Bedingtheit leidet. Dies ist ζ. B. nicht der Fall, wenn der Versicherer für den Fall kündigt, daß der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter weiterer Frist zahlt. d) Der Versicherer kann kündigen, sobald die Voraussetzungen der Kündigung vorliegen. E r kann auch die Kündigung mit der Mahnung verbinden (oben Anm. 18). E r kann auch warten. Das Kündigungsrecht des Versicherers ist an keine Ausübungsfrist gebunden. Aber er darf nicht so lange warten, daß die Kündigung als eine Verletzung von T r e u und Glauben erscheinen würde (vgl. den entsprechenden, f ü r § 326 B G B geltenden Grundsatz). — Nimmt der Versicherer nach der Kündigung die
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§ 17 Prämie vorbehaltlos an, so verzichtet er damit nicht auf die Folgen der Kündigung (näheres: oben Anm. 17). Anders, wenn er bei Zeitversicherungen sich nicht nur die Ristornogebühr, sondern die ganze Prämie vorbehaltlos zahlen läßt (vgl. W e i l Z f V W 1911. 241). Denn solche Zahlung kann nur als Antrag auf Wiederaufnahme der Versicherung, die vorbehaltlose Annahme nur als Zustimmung zu diesem Antrag verstanden werden. Anm. 25 e) Der Versicherer kann ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Natürlich auch auf einen späteren Zeitpunkt (vgl. O L G Kiel Rspr. 7. 384). Ist ein Zeitpunkt bei der Kündigung nicht angegeben, so wirkt die Kündigung sofort. Anm. 26 f) R e c h t s f o l g e d e r b e r e c h t i g t e n K ü n d i g u n g . Die V e r s i c h e r u n g e n d i g t . Damit müßte auch die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers für die Zukunft endigen. Denn es gibt keinen allgemeinen Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie ( § 1 6 Anm. 27). Hier freilich ist die Unteilbarkeit der Prämie angeordnet. Für Reiseversicherungen ganz, für Zeitversicherungen teilweise. Bei Reiseversicherungen bleibt die Prämienpflicht des Versicherungsnehmers vollständig unberührt. Bei Zeitversicherungen erhält der Versicherer von der auf die Folgezeit entfallenden Prämien nur die (nach § 18 zu bemessende) Ristornogebühr (Einfluß auf die Maklerprovision: § 18 Anm. 6). Hierüber hinaus kann der Versicherer E r s a t z d e s ihm durch die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses entstandenen S c h a d e n s nicht verlangen. Dagegen wird sein Anspruch auf Ersatz des durch die Verzögerung der Prämienzahlung entstandenen Schadens, insbesondere der Zinsanspruch (BGB §§ 286, 288), durch die Kündigung natürlich nicht berührt. — Uber den B e g r i f f der Reise- und der Zeitversicherung: § 39 Anm. — Der Versicherer kann die Kündigung nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers z u r ü c k n e h m e n . Schweigt der Versicherungsnehmer auf die Rücknahmeerklärung, so wird darin regelmäßig Zustimmung zu erblicken sein (vgl. BGB § 151). — Bei der l a u f e n d e n Versicherung endigt nur die Einzelversicherung, nicht die laufende Versicherung. Über Kündigung der laufenden Versicherung aus wichtigem Grunde: Vorb. vor § 1 Anm. 22. Anm. 27
g) R e c h t s f o l g e d e r u n b e r e c h t i g t e n K ü n d i g u n g . Die Versicherung endigt nicht. Der Versicherungsnehmer kann wegen positiver Vertragsverletzung Schadensersatz verlangen und seinerseits wegen wichtigen Grundes kündigen (Vorb. vor § 1 Anm. 22). Anm. 28 h) B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß im allgemeinen die Voraussetzungen des Kündigungsrecht beweisen. Der Versicherungsnehmer muß aber beweisen, daß er rechtzeitig gezahlt hat (oben Anm. 14), oder daß er infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes nicht hat zahlen können (BGB § 285). Anm. 29 13. Zulässig sind von § 17 abweichende Vereinbarungen. Siehe H a n s O L G H R Z 1925. 516 = Sasse Nr. 337 und R G J W 1926. 1329 = J R P V 1926. 85 = Sasse Nr. 16 für die Klausel „ D i e Gültigkeit der Vereinbarung ist davon abhängig, daß die Prämie jeweils spätestens 10 Tage nach Quartalsschluß bezahlt ist", worin eine derartige Vereinbarung gesehen wurde. Anm. 30 14. Konkurs des Versicherungsnehmers. Die Prämienforderung des Versicherers ist Konkursforderung. Dabei hat es sein Bewenden, wenn der Versicherungsvertrag vom Versicherer vollständig erfüllt ist. Schuldet der Versicherer noch Entschädigung, so kann er die Prämienforderung gegen die Entschädigungsforderung aufrechnen. Im übrigen ist § 17 K O anzuwenden. Der Konkursverwalter kann Erfüllung oder Nichterfüllung wählen. Wählt er Erfüllung, so ist die Prämienforderung Masseforderung ( K O § 59 Nr. 2), einerlei, ob die Prämie vor oder nach der Konkurseröffnung fällig geworden ist oder wird (abw. ohne Begr. K i r c h b e r g e r Z H R 68. 174). Wählt er Nichterfüllung, so kann der Versicherer als Konkursgläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen ( K O § 26). Der Erfüllungsanspruch des Versicherers löst sich in
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einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf. Auch der Versicherungs- § 1 7 nehmer kann nicht mehr Erfüllung verlangen. Wählt der Konkursverwalter Erfüllung, so kann der Versicherer mit Frist mahnen; nach fruchtlosem Fristablauf wird er frei und kann kündigen. Der Versicherer braucht aber den Konkursverwalter nicht zur Erklärung über die Erfüllung aufzufordern. E r kann ohne weiteres gemäß § 17 A D S mit Frist mahnen, wird nach Fristablauf frei und kann kündigen. Allerdings ist § 17 K O zwingendes Recht ( R G 56. 247, 64. 338). Der Versicherer kann nicht Erfüllung verlangen. Aber das ist hier auch weder der Zweck der Mahnung noch der Zweck der Kündigung. Der Versicherer will nur frei werden. Der Fall liegt ebenso, wie wenn dem Versicherer für den Fall der Nichtzahlung ein Rücktrittsrecht eingeräumt wäre, was zulässig und im Konkurse wirksam ist. Wählt der Konkursverwalter auf die Mahnung Erfüllung, so muß er fristgemäß zahlen; sonst wird der Versicherer frei und kann kündigen. Wählt der Konkursverwalter Nichterfüllung, so kann der Versicher nur Schadensersatz verlangen. T u t der Konkursverwalter nichts, so wird der Versicherer frei und kann kündigen; doch wird unter Umständen in der Mahnung eine Aufforderung zur Erklärung über die Erfüllung zu erblicken sein; dann wird es nach § 17 Abs. 2 Satz 2 K O so angesehen, wie wenn der Konkursverwalter die Erfüllung abgelehnt hätte. Wenn der Konkursverwalter sich nicht erklärt, auch nicht zur Erklärung aufgefordert oder zur Zahlung der Prämie gemahnt wird, bleibt das Versicherungsverhältnis unberührt. Tritt der Versicherungsfall ein, so wird der Konkursverwalter Erfüllung verlangen. Tritt der Versicherungsfall nicht ein, so wird er Erfüllung ablehnen. — Ebenso kann der Versicherer im Falle des § 16 Abs. 3 A D S zur Sicherheitsleistung mahnen, wird nach fruchtlosem Fristablauf frei und kann kündigen. Erklärt in diesem Falle der Konkursverwalter, erfüllen zu wollen, so kann dies die Wirkung haben, daß die Prämienforderung, weil sie nun Masseforderung ist, nicht mehr gefährdet ist und damit eine der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 A D S und hiermit der Anspruch des Versicherers auf Sicherheitsleistung wegfällt. — Bei der Versicherung für fremde Rechnung hat der Konkursverwalter des Versicherungsnehmers zwischen Erfüllung und Nichterfüllung zu wählen ( K i r c h b e r g e r Z H R 68. 177). — Die Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers gehört zur Konkursmasse. O b der Versicherungsfall vor oder nach der Konkurseröffnung eintritt, ist gleichgültig ( R O H G 25. 40). Anders natürlich, wenn der Konkursverwalter Erfüllung ablehnt. Dann bricht das Schuldverhältnis für die Zukunft zusammen; es bleibt nur der Schadensersatzanspruch des Versicherers aus § 26 K O übrig. 15. § 17 gilt auch f ü r die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136), wird aber von den Anm. 3 1 Abrechnungs- und Kontokorrentvereinbarungen beeinflußt, die sich in den laufenden Rückversicherungs-Verträgen regelmäßig finden (vgl. H e r r m a n n s d o r f e r 227). — I s t der V o r v e r s i c h e r e r gemäß § 17 Satz 1 vorläufig f r e i , so kommt dies ohne weiteres auch dem Rückversicherer zugute (soweit nicht der Vorversicherer auf Grund seines Abwicklungsrechts auf die Einwendung der Befreiung verzichtet). — H a t der Vorversicherer gemäß § 17 Satz 2 die Vorversicherung v o r Beginn der Rückversicherung g e k ü n d i g t , so ist damit vor dem Beginn der Rückversicherung das rückversicherte Interesse weggefallen. Der Rückversicherer kann nach § 4 Abs. 1 nur die Ristornogebühr verlangen; anders, wenn die Rückprämie von der Vorprämie abhängt und der Vorversicherer die Prämie erhält. — H a t der Vorversicherer gemäß § 1 7 Satz 2 die Vorversicherung n a c h dem Beginn der Rückversicherung g e k ü n d i g t , so gebührt dem Rückversicherer nach § 4 Abs. 2 gleichwohl die Rückprämie. A n und für sich auch dann, wenn der Vorversicherer (bei Zeitversicherungen) nur die Ristornogebühr erhält. Aber wenn die Rückprämie von der Vorprämie abhängt, erhält der Rückversicherer natürlich nur Anteil an der Ristornogebühr (vgl. S m e d a l I T V M i t t 1 9 2 1 . 86). U n d auch sonst (wenn die Rückprämie nicht von der Vorprämie abhängt) wird man als Absicht der Parteien an-
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§ 17 nehmen müssen, daß der Rückversicherer nur die Ristornogebühr erhalten soll. — Lehnt im Falle des K o n k u r s e s d e s V o r v e r s i c h e r t e n der Konkursverwalter die Erfüllung nach § 17 K O ab, so fällt das rückversicherte Interesse weg. Der Rückversicherer kann nach § 4 Abs. 2 ADS die Prämie, nach § 4 Abs. 1 ADS die Ristornogebühr verlangen. Anders, wenn die Rückprämie von der Vorprämie abhängt. — Uber den Konkurs des Vorversicherers: § 47 Anm. § 1 8 Ristornogebühr
Die Ristornogebühr beträgt die Hälfte der Prämie, jedoch höchstens 1 / 8 °/ 0 der Versicherungssumme. Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
Anm. 5
1. Vgl. H G B § 894 Abs. 2, ASVB § 154 Abs. 2, BSVB § 67, V V G §§ 40 Abs. 2, 60 Abs. 3, 68 Abs. 1. — L i t e r a t u r : § 3 Anm. 2. 2. In gewissen Fällen ist Ristornogebühr zu zahlen (§§ 3, 4, 9, 11, 17; V V G : „Geschäftsgebühr"). Die Gebühr beträgt die halbe Prämie, jedoch höchstens 1 / B % der Versicherungssumme. Nach § 894 Abs. 2 beträgt sie 1 / 2 % der Versicherungssumme und, wenn die Prämie weniger als 1 % beträgt, die halbe Prämie; nach C. de com. Art. 349, 358—361: 1 / 2 % der Versicherungssumme. Nach englischem Recht ist keine Ristornogebühr zu zahlen. — Uber den Begriff des Ristornos: § 3 Anm. 29. 3. Die Ristornogebühr ist eine vereinbarte V e r g ü t u n g f ü r Z e i t , M ü h e und allgemeine G e s c h ä f t s k o s t e n , die auf den Abschluß des Vertrags und auf die weitere Behandlung des Risikos verwendet sind. Sie soll also nicht zum Ersatz positiven Schadens dienen (abw. P o t h i e r Nr. 181, V o i g t 788). Die Versicherer erhalten sie nicht pour dommages et interets de l'inexecution du Contrat d'Assurance par le fait de l'Assure, . . . mains bien pour la peine d'avoir signe et couche la partie sur leurs livres; so schon fimerigon ch. 16 s. 6. Sie ist auch keine Vertragsstrafe und kann deshalb nicht gem ä ß § 343 BGB herabgesetzt werden (Gerhard 322). Sie ist auch kein Ersatz für Nebenkosten, insbesondere Stempelkosten (vgl. § 16 Anm. 12); der Anspruch auf Ersatz der Nebenkosten besteht daneben. Sie ist auch keine Prämie. Aber sie tritt doch a n d i e S t e l l e d e r P r ä m i e und soll im wesentlichen f ü r den Teil der Prämie eintreten, der nicht für die Deckung von Entschädigungen bestimmt ist, für die Differenz zwischen Brutto- und Nettoprämie, die surcharge de la prime (vgl. § 16 Anm. 3). Die Ristornogebühr ist daher auch von demjenigen zu zahlen, der die Prämie zu zahlen hat, und d a n n dort zu zahlen, wann und wo die Prämie zu zahlen ist. Näheres hierüber: § 16 Anm. 7 ff. 4. § 18 bestimmt nur über die H ö h e der Ristornogebühr. Nicht über den G r u n d des Anspruchs auf die Gebühr; über diesen bestimmen die §§ 3, 4, 9, 11, 17. Insbesondere folgt aus § 18 n i c h t etwa, daß der Versicherungsnehmer die Versicherung jederzeit g e g e n d i e R i s t o r n o g e b ü h r r ü c k g ä n g i g m a c h e n u n d das Risiko selbst laufen oder anderweit decken kann. Solchem Mißverständnis trat schon A H O 1731 VI 4 entgegen: „ W e n n eine Assekuranz einmal geschlossen, so kann solche aus der Ursache, daß sie hernach zu einer geringeren Prämie etwa zu erhalten wäre, durch Ristorno nicht wieder aufgehoben werden". Nur mittelbar kann der Versicherungsnehmer den Ristornofall herbeiführen. So etwa, indem er das Interesse wegfallen oder das künftige Interesse gar nicht erst entstehen läßt, die versicherte Unternehmung nicht ins Werk setzt, eine zweite Versicherung nimmt usw. 5. Nicht selten wird die Ristornogebühr wegbedungen (was wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen ist: § 3 Anm. 32). So etwa mit der Klausel: „Etwaiger Ristorno ge-
Anzeigepflicht
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schieht franko" oder „ R i s t o r n o f r a n k o " . Solche (offenbar an das englische Recht § 18 anknüpfenden) Klauseln berechtigen natürlich den Versicherungsnehmer erst recht nicht, die Versicherung rückgängig zu machen. Anders anscheinend R G 23. 88: nach diesen Klauseln „bleibe es dem Versicherten völlig freigestellt, ob und in welchem Momente er die Versicherung rückgängig machen wolle" (Vorinstanz: H G Z 1888. 245). Es handelte sich in diesem Falle jedoch um einen Vertrag, in dem sich der Versicherte vorbehalten hatte, die Versicherung franko zu ristornieren, falls er die Güter ,,Kost und Fracht" verkaufen werde, der Käufer mithin Versicherung zu nehmen habe. Auch in einem solchen Falle ist dem Versicherungsnehmer nicht „völlig freigestellt", die Versicherung rückgängig zu machen, wohl aber ist für einen bestimmten Fall vereinbart, daß der Vertrag ganz unwirksam sein soll. Vgl. auch P o h l s Ashers Rechtsfälle 1834 II 20g. 6. Ist nur Ristornogebühr zu entrichten, so wird die nach der Prämie bemessene Anm. 6 M a k l e r p r o v i s i o n nach der Verkehrssitte verhältnismäßig ermäßigt. Vorb. vor § 1 Anm. 42. 7. § 18 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136). Näheres: § 3 Anm. 7 Anm. 34.
V. Anzeigepflicht. Gefahränderung § 1 9 Anzeigepflicht (1) D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r h a t bei der S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s alle i h m b e k a n n t e n U m s t ä n d e , die f ü r die Ü b e r n a h m e der G e f a h r erheblich sind, d e m Versicherer a n z u z e i g e n , es sei denn, d a ß die U m s t ä n d e allgemein b e k a n n t sind. E r h a t insbesondere N a c h r i c h t e n , die i h m z u g e g a n g e n u n d für die Ü b e r n a h m e der G e f a h r e r h e b l i c h sind, d e m Versicherer mitzuteilen, u n d z w a r a u c h d a n n , w e n n er die N a c h r i c h t f ü r u n b e g r ü n d e t oder unzuverlässig hält. (2) U m s t ä n d e , v o n denen der Versicherungsnehmer v o r der A n n a h m e eines auf die S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s gerichteten A n t r a g s K e n n t n i s erlangt, sind so schnell, w i e dies i m o r d n u n g s m ä ß i g e n Geschäftsgange tunlich ist, jedenfalls a b e r in derselben oder in ähnlicher Weise a n z u z e i g e n , in welcher der A n t r a g überm i t t e l t ist. 1. Vgl. H G B § 806 Abs. 1, A S V B §§ 29 Abs. 1, 58, BSVB §§ 42 Abs. 1, 49, V V G Anm. 1 § 16 Abs. 1. 2. Literatur. A m s l e r , Gefahranzeigepflicht und Gefahrerhöhung usw. Diss. 1915. Anm. 2 B a c h e , Uber die Anzeigepflicht des Versicherten, 1903. B l u m h a r d t NeumannsZ 1910. 297 (Verletzung der Anzeigepflicht usw.). B r u c k NeumannsZ 1920. 48, 59 (Die Anzeigepflicht nach den A S V B und den A D S ) , H R Z 1925. 178—183 (Die Lehre von der vorvertraglichen Anzeigepflicht). B r u c k - M ö l l e r zu § 16 V V G . B r u s c h e t t i n i AssJB 24. 48 (Betrachtungen über die Verletzung der Anzeigepflicht usw.). C r o m e Z H R 28. 1 (Die Seetüchtigkeit des Schiffes unter dem Gesichtspunkt der Anzeigepflicht usw.). D a m m M i t t ö f f F V A 1911. 49, 187, 217 (Die Anzeigepflicht usw.). D e C o u r c y Questions de droit mar. 1. 301 (La reticence et l'erreur). E h r e n z w e i g AssJB 12. 108 (Die Unanfechtbarkeit der Versicherungsverträge usw.). E l s t e r , Die Anzeigepflicht bei der Seeversicherung, Diss. Leipzig 1931. E n g e VersR 1965. 308 = Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe Α Heft 10, 1965 21 R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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Anzeigepflicht
§ 19 (Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung). F a l k , Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Vertragsschluß, Diss. i g n . F i r m e r y , Die Verletzung der vertraglichen Anzeigepflicht im Versicherungsvertrag, Diss. Köln 1934. F u l d AssJB 30. 3 (Verwirkungsklausel und Verschuldung). J . v. G i e r k e V S R II 159—164. H a g e n J e h J 47. 193 (Gefahranzeige usw.). H a y m a n n J R P V 1934. 177—185 und VersArch Bd. 4. 945—982, 1061—1088. H i l l e b r e c h t , Die Verletzung der Anzeigepflicht nach dem VVG, Diss. 1910. H u p p e r t , Der Lebensversicherungsvertrag, falsche Angaben und Verschweigungen beim Abschluß desselben. 1896. H y l l a , Die Anzeigepflicht bei Binnenversicherungen, Diss. 1901. J o s e f AssJB 31. 37 (Änderung der Sachlage zwischen Versicherungsantrag und Annahme), AssJB 38. 12 (Rücktritt und Anfechtung wegen unrichtiger Gefahranzeige). K e u p WuRVers 1912. 1 (Inwiefern ist die Sachschadenversicherung wegen Irrtums usw. anfechtbar?). K i r s t e i n , Anzeigepflicht beim Abschluß des Versicherungsvertrags, Diss. 1914. K i s c h WuRVers 1915. 30 (Rücktritt und Anfechtung wegen unrichtiger Gefahranzeige beim Versicherungsvertrage), LZ 1918. 600 (Beweislast bei verletzter Gefahranzeigepflicht), HB 2. 172—443. K l e i n w o r t AfHR 2. 304 (Folgen falscher Anzeigen in Policen). K ö n i g , Über die Behandlung der falschen Angaben und der Verschweigung usw., Diss. 1899. K o o p s , Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, 1934. K ü b e l Z f V R 2. 7 (Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers bei der Schließung des Vertrages nach dem VVG, Diss. Erlangen 1912. K r e u t z i g e r VersR 1964. 995—1003 (Die Seeuntüchtigkeit im Seeversicherungsrecht), Die Kommandobrücke 1965. 42—47 (Die vorvertragliche Anzeigepflicht im Seeversicherungsrecht). K ü p p e r - F a h r e n b e r g , Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch Dritte im Versicherungsrecht, Diss. Köln 1937. M a l ß Z f V R 2. 147 (Umfang der Anzeigepflicht usw.), ZHR 13. 101 (Die Anzeigepflicht). M a t h e y , Die Anzeigepflicht beim Abschluß des Versicherungsvertrages nach dem Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Diss. Zürich 1945. M e y e r , Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, 1897. M ö l l e r WuRVers 1938 Heft 1 (Wissenszurechnung und Wissenserklärung-Vertretung im Versicherungsvertragsrecht), Die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für Dritte, 1939. N e u m a n n , Die Rechtsnatur der vorvertraglichen Anzeige über gefahrerhebliche Umstände, Diss. Köln 1934. P a u l i ZHR 1. 375 (Uber die Anzeigepflicht des Versicherten). P r ö l ß Anm. zu §§ 16, 17 VVG. R . . . Ashers Rechtsfälle 1835 III 69 (Folgen der unrichtigen Benennung des Schiffers in der Police). R y n e r t , Uber die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers beim Abschluß des Versicherungsvertrags nach Binnenversicherungsrecht, Diss. 1908. V a n S c h e v i c h a v e n AssJB 16. 120 (Unrichtige Angaben im Versicherungsanträge). R e i m e r S c h m i d t , Obliegenheiten 132—145. F. S i e v e k i n g ZHR 55. 165 (Anzeigepflicht). S ü ß VersR 1952. 185fr. V o i g t , Die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, Diss. Göttingen 1933. W a g e n m a n n , Grund und rechtliche Struktur der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers usw., Diss. 1914. W e i l , De la reticence commise sans fraude par l'assure. W e r n e b u r g AnnVers 1915. 525, 533, 541 (Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers), OestRev 1917. 31, 45, 257 (Anzeigepflicht usw.). W o l f f ZfVR 2. 338 (Die Anzeigepflicht usw.). — Literatur über das W i r k s a m w e r d e n von A n z e i g e n : Vorb. vor § 1 Anm. 31,über die V e r a n t w o r t l i c h k e i t des Versicherungsnehmers für d r i t t e auch: Vorb. vor § I Anm. 59. Anm. 3
3· Der Versicherungsnehmer muß v o r dem Abschluß des Vertrags gefahrerhebliche Umstände (richtig) anzeigen, n a c h dem Abschluß des Vertrags Gefahrerhöhung (§ 26) und gefahrerhebliche Unfälle (§ 40) anzeigen. Alle diese Anzeigepflichten sind nach ihrem Inhalt, nach ihren Voraussetzungen und nach den Rechtsfolgen ihrer Verletzung voneinander verschieden. Aber sie sind sämtlich Pflichten, die auf dem Versicherungs-
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vertrag beruhen, also auf Grund des Vertrags zu erfüllen sind (ebenso H a y m a n n VersArch 4. 945fr., I05iff., J. v. G i e r k e V S R isof., P r ö l ß Anm. 4 zu §§ 16, 17 V V G , E h r e n z w e i g V V 9 9 , E l s t e r a. a. O . 15, K ü p p e r - F a h r e n b e r g 16ff., insbesondere für die A D S K r e u t z i g e r , Die Kommandobrücke 1963.43, E n g e a . a . O . und S c h l e g e l b e r g e r S V R Vorb. III 3; anders („gesetzliche Obliegenheit") B r u c k - M ö l l e r Anm. 5 zu § 16 V V G , M ö l l e r , Die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für Dritte ia, S c h m i d t , Obliegenheiten 140, Κ o o p s a. a. Ο . 11, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (s. B G H VersR 1958. 533 und weitere Angaben Vorb. vor § 1 Anm. 68), überwiegend auch, aber kritisch H a g e n S V R 106, 107). Hieraus ergibt sich insbesondere, daß der Versicherungsnehmer in allen Fällen das Verhalten dritter in den Grenzen des § 278 BGB zu vertreten hat (näheres: unten Anm. 11). — Unter „Anzeigepflicht" wird im Verkehr gewöhnlich nur die v o r Abschluß des Vertrags zu erfüllende, die v o r v e r t r a g l i c h e Anzeigepflicht verstanden. So auch die A D S in der Uberschrift vor § 19 (ebenso V V G in der Uberschrift vor § 16). Nur von dieser Anzeigepflicht ist hier die Rede. Gesetz und A D S unterscheiden die N i c h t a n z e i g e (non-disclosure, concealment, reticence) und die unrichtige Anzeige ( F a l s c h a n z e i g e , misrepresentation, fausse declaration). § 19 behandelt nur die Nichtanzeige. Übrigens hat die Anzeigepflicht infolge der Entwicklung des SeeversicherungsGeschäfts a n B e d e u t u n g erheblich v e r l o r e n . In der Kaskoversicherung hat sich die Zeitversicherung, in der Güterversicherung die laufende Versicherung mehr und mehr eingebürgert. Im Falle einer Zeitversicherung und erst recht im Falle einer laufenden Versicherung sind die besonderen Gefahrumstände natürlich weit weniger zahlreich, als im Falle der Versicherung einer einzelnen Unternehmung, (vgl. zur laufenden Versicherung auch R G 94. 300, 169. 1). Die hierdurch zu Ungunsten des Versicherers verschobene Interessenlage ist dadurch wieder halbwegs zurechtgerückt, daß die vertragsmäßige Haftung des Versicherers mehr und mehr beschränkt ist (vgl. insbesondere §§ 58—63, 83—87). D a diese Haftungsbeschränkungen aber nicht auf die Zeitversicherung und auf die laufende Versicherung beschränkt sind, ergibt sich auch für die Einzelversicherung eine gewisse Abschwächung der Anzeigepflicht (näheres über das Verhältnis der Anzeigepflicht zur vertragsmäßigen Beschränkung des Risikos: unten Anm. 26). Schließlich hat die Anzeigepflicht noch dadurch an Bedeutung eingebüßt, daß sich die, ursprünglich mit ihr verbundene, Offenbarungspflicht des § 5 von ihr abgelöst hat (näheres hierüber: § 5 Anm. 25). 4. Grund der Anzeigepflicht. a) Er ist streitig. Eine Meinung nimmt an, die Parteien hätten sich im Versicherungsvertrag ü b e r d e n U m f a n g d e r G e f a h r g e e i n i g t , der Versicherer hafte nur in diesem vereinbarten Umfang, der Versicherungsnehmer müsse also diesen Umfang der Gefahr klarstellen ( B e n e c k e 3. 90, 102, E n d e m a n n Z H R 10. 308, M a l s s Z f V R 1. 108; dagegen ζ. B. E h r e n z w e i g AssJB 12. I i i , R o e l l i 57). — Eine zweite Meinung: Die Parteien hätten sich im Versicherungsvertrag, wenn auch nicht über den U m f a n g der Gefahr überhaupt, so doch ü b e r d i e dem Versicherungsnehmer b e k a n n t e n G e f a h r u m s t ä n d e g e e i g n e t ( K ö n i g Behandlung 21, L e w i s Versicherungsrecht 24, 71, R e a t z in EndemannsHdbch 4. 1. 386; ähnlich der Standpunkt des Urhebers des C. de comm.: B o u l a y - P a t y 2.88; dagegen z.B. G i e r k e Z H R 65.318. Siehe weitere Nachweise bei S c h m i d t , Obliegenheiten 137). — Eine dritte Meinung: Die Anzeigepflicht sei nur ein Ausfluß der Grundsätze über die R e c h t s f o l g e n d e s I r r t u m s und der arglistigen Täuschung ( K ö h l e r 365,425, W e i l Nr. 99). Siehe dazu kritisch S c h m i d t Obliegenheiten 138. Eine vierte Meinung: Die Anzeigepflicht habe ihren Grund in der allgemeinen G e w ä h r l e i s t u n g s p f l i c h t des Schuldners ( C o h n 21»
§19
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1 9 Versicherungsvertrag 48) oder sei doch der Gewährleistungspflicht des Verkäufers analog ( L a b a n d Z H R 19. 648; vgl. auch L e w i s Versicherungsrecht 24). Kritisch dazu S c h m i d t Obliegenheiten i38f. — Eine fünfte Meinung: Die Anzeigepflicht ergebe sich aus d e m a l e a t o r i s c h e n C h a r a k t e r des Versicherungsvertrags (Prot. 3143, G o l d s c h m i d t AnnVers 1870. 2 1 3 , L e w i s 2. 316, N o l t e 2. 1, V o i g t 181, H A G Nürnberg BuschsA 9. 325; weitere Angaben bei S c h m i d t Obliegenheiten 133 Note 649). — Eine sechste Meinung: Die Anzeigepflicht folge aus dem Charakter des Versicherungsvertrags als eines c o n t r a c t u s u b e r r i m a e f i d e i ( M a k o w e r 228, W o l f f Z f V R 2. 344, R O H G 9. 286, R G 7. 3, PucheltsZ 20. 223, R G H G Z 1897. 175, H G Z 1897. 5, O L G Colmar GerhardsPraxis 2. 1 1 2 ; vgl. ferner PreußALR I I 8. 2024: „Bei Schließung des Versicherungsvertrags" sind beide Teile zu besonderer Treue usw. verpflichtet und M I A § 17 unter der Uberschrift Disclosure and representations: A contract of marine insurance is a contract based upon the utmost good faith; dazu: § 13 Anm. 4, 5). — Eine siebente Meinung: Die Anzeigepflicht gelte wegen der besonderen Natur des Versicherungsvertrags als s t i l l s c h w e i g e n d ü b e r n o m m e n ( K ü b e l Z f V R 2. 7, W o l f f Z f V R 2. 344). — Eine achte Meinung will die Anzeigepflicht aus den t e c h n i s c h e n G r u n d l a g e n des Versicherungsgeschäfts ableiten und der in der Gewährleistungspflicht des Verkäufers (angeblich) enthaltenen Mitteilungspflicht verglichen wissen ( M e y e r Anzeigepflicht 53; auch H e c k ArchBürgR 4. 34; ähnlich auch R o e l l i Entwurf 5 1 , Komm. 56: „wegen der technisch gebotenen Risikenauswahl"; vgl. auch M o l t 10, 20 richtig: „Aus den Bedürfnissen des Versicherungsverkehrs habe sich das Versicherungsrecht entwickelt"). Ahnlich B r u c k - M ö l l e r Anm. 4 zu § 16 V V G : Aus versicherungstechnischen Gründen müsse der Versicherer genaueste Kenntnis von der Beschaffenheit der individuellen gefahrerheblichen Umstände haben, andernfalls könne er die Einordnung eines von ihm zu tragenden Risikos in eine Gefahrengruppe nicht vornehmen. Vgl. auch P r ö l ß V V G Vorb. I I und Z f V W 1939. 70fr. Weitere Angaben bei S c h m i d t Obliegenheiten 133 Note 650, 651. . 7
b) Nun ist die Anzeigepflicht durch das Gesetz bestimmt. Der Grund der Anzeigepflicht ist also nur für die Auslegung des Gesetzes von Bedeutung. Von welcher Auffassung ist der Urheber des Gesetzes ausgegangen? Natürlich von derjenigen, von der — zugegeben oder nicht zugegeben — jeder Urheber eines Gesetzes, das über Interessengegensätze aussagen soll, ausgeht. Der Käufer einer Ware kann im allgemeinen den Wert der Ware schätzen und danach die wirtschaftlich gebotene Gegenleistung abmessen (wo er es, erkennbar, nicht kann, wird man auch in bewußter oder unbewußter Interessenabwägung geneigt sein, vom Verkäufer Offenbarung zu verlangen). Daß Maß der Gefahr und demgemäß die Rätlichkeit ihrer Übernahme und die Höhe der Prämie zu bestimmen, ist der Versicherer nur für die allgemeinen, nicht für die besonderen Gefahrumstände imstande. Diese Lage ist schon für den einzelnen Versicherer unerträglich. Um wieviel mehr für das Versicherungsgewerbe, das auf die Ausgleichung möglichst vieler und möglichst gleichartiger Interessen gerichtet ist und mithin nur bei einer möglichst gleichmäßigen Behandlung der Risiken bestehen kann (vgl. Begr. z. V V G §§ 16—22). L'assureur (meinte daher schon der Guidon de la mer I I 15 mit einiger Ubertreibung) en tout se confie ä la prud'homie de son assure . . . il est comme le pupille, la veuve, l'absent qui ne peuvent ou ne doivent etres trompes. Deshalb muß die I n t e r e s s e n l a g e ins G l e i c h g e w i c h t gebracht werden. Dies zu besorgen, ist Grund und Sinn der Anzeigepflicht (vgl. M o l t 9, Η ec k ArchBürgR 4. 34). Hieraus würde sich dann etwa schon ergeben, daß eine entsprechende Anzeigepflicht des Versicherers aus § 19 mangels Gleichheit des Grundes nicht abgeleitet werden kann (näheres hierüber: unten Anm. 14, § 13 Anm. 5).
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c) Die vorvertragliche Anzeigepflicht beruht also a u f d e m G e s e t z , der dis- § 1 9 positiven, vertragergänzenden Vorschrift des Gesetzes (s. auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 5 Anm. 8 zu § 16 V V G , R a i s e r , Kommentar der Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 2. Auf. 1937, Anm. 1 zu § 5). Ähnlich etwa, wie die Haftung des Verkäufers für zugesicherte Eigenschaften der Kaufsache auf dem Gesetz beruht. Man hat hieraus geschlossen, daß die Anzeigepflicht n u r auf dem Gesetz, n i c h t auf dem Versicherungsvertragberuht ( K i s c h 2.175, B r u c k - M ö l l e r a. a. O.). Gewiß mit Unrecht. Denn ohne Vertrag keine Anzeigepflicht (vgl. auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 5 zu § 16 V V G : „Jedoch ergeben sich Rechtsfolgen aus der Verletzung nur, wenn der Versicherungsvertrag zustandekommt"). Es muß deshalb schon a u c h der Vertrag die Rechtsgrundlage der Anzeigepflicht sein. Mit demselben Rechte, mit dem man behauptet, daß die Anzeigepflicht nicht auf dem Vertrag beruhe, ließe sich auch behaupten, daß im Falle einer Vergangenheitsversicherung alle vom Versicherungsbeginn bis zum Vertragsschluß zu erfüllenden Pflichten des Versicherungsnehmers nicht auf dem Versicherungsvertrag, sondern auf dem Gesetz oder etwas anderem beruhten. Der hergebrachten juristischen Konstruktion bereitet der Umstand, daß die Anzeigepflicht v o r dem Vertragsschluß erfüllt werden muß, Schwierigkeiten (vgl. auch B r o d m a n n J e h J 58.287, L e o n h a r d 2 1 , O e r t m a n n L Z 1914. 513). Als ob man durch einen Vertrag nicht auch in die Vergangenheit hinein Pflichten begründen könnte. Als ob nicht der Bankier, der auf Grund fahrlässiger Raterteilung haftet, auf Grund des Vertrags haftete. Als ob der Verkäufer nicht für die bei der Schließung des Kaufvertrags (positiv oder negativ) zugesicherten Eigenschaften der Kaufsache auf Grund des Kaufvertrags haftete. Als ob der Verkäufer, der Bankier, der Versicherungsnehmer hafteten, wenn k e i n Vertrag geschlossen wird. Vgl. auch H G Z 1887. 140, wo ohne weiteres vorausgesetzt wird, daß der Versicherer im Falle schuldhaft unrichtiger Anzeige gefahrerheblicher Umstände (zwar nach der besonderen Lage nicht frei sei, aber) auf Grund des Versicherungsvertrags Schadensersatz erlangen könne. — Für die A D S kommt noch in Betracht, daß die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nicht nur in einem Versicherungs-„Vertrags"-Gesetz, sondern sogar in ihnen, also im V e r t r a g s e l b s t bestimmt, vereinbart ist. — Aus der Tatsache, daß die Anzeigepflicht auf dem Vertrag beruht, folgt natürlich nicht (wie K i s c h a . a . O . befürchtet), daß die richtige Anzeige zu den Leistungen gehören müßte, die im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den Leistungen des Versicherers stände (vgl.Vorb. I I I vor § 1). Und ebensowenig folgt daraus (wie K i s c h a. a. O. ferner glaubt), daß die Verletzung der Anzeigepflicht den Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichten müßte (vgl. hierüber § 20 Anm. 40). Wohl aber folgt daraus natürlich, daß der Versicherer im Falle der Anzeigepflicht-Verletzung nicht auf Grund § 823 Abs. 2 BGB, d. h. wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz, Schadensersatz verlangen kann (vgl. die aussichtslosen Bemühungen K i s c h s 2. 181, die von seinem Standpunkt aus unbestreitbare Anwendbarkeit des § 823 Abs. 2 BGB fortzudeuten). Gar ins Gedränge kommt die hier bekämpfte Ansicht in der Frage der Schuldfähigkeit des Versicherungsnehmers. Sie muß diese schon nach den Regeln der Deliktsfähigkeit bestimmen ( K i s c h 2. 185, 277 usw.). Da die Billigkeitshaftung des § 829 BGB aber doch gar zu wenig paßt, wird sie kurzweg und ohne weitere Begründung „ausgeschieden" ( K i s c h a.a.O.). 5. A b s . 1 . Der Versicherungsnehmer „ h a t " anzuzeigen. Er hat die „Anzeige- Anm. 9 pflicht". Er ist „verpflichtet", anzuzeigen (HGB § 806). Die Anzeigepflicht ist jedenfalls für die A D S die V e r b i n d l i c h k e i t eines S c h u l d n e r s (vgl. die Angaben oben Anm. 3, weiter K o h l e r 432, K ü b e l Z f V R 2. 7, O s t e r t a g 107, auch R o e l l i 57 unter gut begründeter Aufgabe seiner früheren Ansicht Entwurf 56, V o i g t 212, K G Gerhards Praxis 3. 105). Die herrschende Ansicht nimmt dagegen unter Ausrichtung auf das W G das Gegenteil an (vgl. die Zitate oben Anm. 3) und meint, den Bedürfnissen des Ver-
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§ 19 kehrs sei genügt, wenn man die Anzeigepflicht als „bloße Obliegenheit" betrachte (Vorb. vor § ι Anm.63). Demgegenüber ist zu sagen, daß der Versicherer das dringendste Interesse daran hat, daß die Anzeigepflicht eine Anzeigepflicht ist, schon deshalb, weil der Versicherungsnehmer sonst nicht für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen brauchte und sich hinter dem Rücken seiner Leute verschanzen könnte (unten Anm. 1 1 , Vorb. V I I I vor § 1). Daß die Anzeigepflicht keine „wirkliche Verpflichtung" ist, soll sich weiter daraus ergeben, daß sonst der Versicherer im Falle der Pflichtverletzung Schadensersatz verlangen könnte (Kisch 2. 180). Als ob nur diejenigen Verpflichtungen „wirkliche Verpflichtungen" wären, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet (Vorb. V I I I vor § I). Die Anzeigepflicht ist so wenig eine einfache Obliegenheit, daß sie vielmehr als eine besonders schwere V e r b i n d l i c h k e i t ausgestattet ist. Anm. 10 6. Der Versicherungsnehmer muß anzeigen. a) Uber den B e g r i f f des „Versicherungsnehmers": § 3 Anm. 4. — Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Haben insbesondere Miteigentümer die Sache gemeinschaftlich versichert, so müssen alle anzeigen. Zeigt nur einer an, so können die übrigen sich nicht darauf berufen oder doch nur gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, wenn der Versicherer vom Inhalt der Anzeige wirklich Kenntnis erlangt hat, oder gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2, wenn sie sich auf die Erstattung der Anzeige verlassen durften, oder etwa, wenn der anzeigende Versicherungsnehmer auch für sie mit angezeigt hat (unten Anm. 12; abw. K i s c h 2. 256 ohne Begründung: die Anzeige des einen Versicherungsnehmers genüge; wie hier S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 9 zu § 19 ADS, B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 16 VVG, Prölß Anm. 4 zu § 16 VVG). Anm. 11 b) Der Versicherungsnehmer muß das Verhalten seines gesetzlichen V e r treters gegen sich gelten lassen (BGB § 278; Vorb. V I I I vor § 1). Er haftet aber auch in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit für sein eigenes Verhalten (Vorb. V I I I vor § 1). Bedient sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung der Anzeigepflicht eines d r i t t e n , läßt er insbesondere den Vertrag durch einen Vertreter schließen, so muß er das Verhalten des dritten wie sein eigenes vertreten (Vorb. V I I I vor § 1 ) . Hat ζ. B. der Prokurist des Versicherungsnehmers den Vertrag geschlossen und einen gefahrerheblichen Umstand nicht angezeigt, so haftet der Versicherer nur, wenn weder den Versicherungsnehmer noch den Prokuristen ein Verschulden trifft. Hat der Prokurist über einen gefahrerheblichen Umstand eine Falschanzeige gemacht, so ist der Versicherer ohne weiteres frei (§ 20 Abs. 1; § 20 Anm. 30). — Personen, die mit der versicherten Unternehmung zu tun haben, sind darum natürlich noch nicht dritte, deren sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht bedient (näheres: Vorb. V I I I vor § I; vgl. Prölß Anm. 7 zu § 6 VVG). Der dritte muß gerade mit der Erfüllung der Anzeigepflicht oder der in den Grenzen des § 20 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Erkundigungspflicht betraut sein (nach der jedenfalls für das V V G herrschenden Voraussetzungstheorie — vgl. oben Anm. 3 —, die in der Anzeigepflicht nur eine gesetzliche Obliegenheit sieht, haftet der Versicherungsnehmer für Hilfspersonen nicht nach § 278 BGB, sondern nur für den engeren Kreis der sog. Repräsentanten; vgl. ζ. B. S c h m i d t Obliegenheiten 140). Sei es, daß er allgemein beauftragt ist, die (oder auch die) mit der Versicherung zusammenhängenden Angelegenheiten oder einzelne von ihnen zu erledigen, und damit für die Erfüllung der aus der Versicherung sich ergebenden Verpflichtungen an die Stelle des Versicherungsnehmers gesetzt ist. Vgl. HansOLG Nr. 66 = H R Z 1927. 2 I 4 = J R P V 1926. 235 = Sasse Nr. 356. S. auch H a g e n S V R 1 1 4 : Maßgebend sei, daß der Versicherungsnehmer sich auf das Wissen seiner Hilfspersonen an Stelle fehlenden eigenen Wissens bezogen und sie in diesem Sinne beauftragt habe, für ihn Auskunft zu erteilen, und daß diese Personen solche dann auch in
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diesem Sinne und in dieser Eigenschaft erteilt haben). Sei es, daß er b e s o n d e r s damit § 1 9 beauftragt ist. Deshalb hat man auch ζ. B. den Versicherungsnehmer für die Verletzung der Anzeigepflicht verantwortlich gemacht, die sein Makler sich hat zuschulden kommen lassen, wenn dieser jedenfalls bezüglich der Anzeigepflicht als beauftragt anzusehen war (weiter die V o r a u f l a g e : „die sein nicht mit seiner Vertretung, sondern nur mit der Vorermittlung betrauter M a k l e r " ; s. dazu H G Z 1908. 2 7 1 , Ο A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 3 5 1 , L G Hamburg H G Z 1880. 6g, H a n s O L G H G Z 1926 Nr. 66 = H R Z 1927. 2 1 4 = Sasse Nr. 356; vgl. B r u c k - M ö l l e r vor §§ 43—48 V V G Anm. 48, C h a l m e r s 28, A r n o u l d 653 s. 5g6, W a l d s t e i n , Der Versicherungsmakler, 1928, 4 2 — 4 4 ; vgl. auch V o r b . vor § 1 A n m . 42). c) Die Anzeigepflicht kann auch v o n e i n e m d r i t t e n e r f ü l l t werden ( B G B Anm. § 267 Abs. 1). Dabei muß aber erkennbar sein, daß die Anzeige in Erfüllung der Anzeigepflicht gemacht wird. Sonst würde der Versicherungsnehmer sich auf die Anzeige nur berufen können, wenn der Versicherer von ihrem Inhalt Kenntnis erlangt hat und ihm dadurch der gefahrerhebliche Umstand im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 bekannt geworden ist. — Uber die Erfüllung der Anzeigepflicht durch Agenten des Versicherers vgl. K i s c h 2. 257, B r u c k - M ö l l e r vor §§ 43—48 Anm. 218. d) I m Falle einer Versicherung für f r e m d e Rechnung muß nicht nur der Ver- Anm. Sicherungsnehmer, sondern auch der Versicherte anzeigen. Die Anzeigepflicht trifft auch den Versicherten ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 16 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 9 zu § 19 A D S , H a n s O L G J R P V 1936 Z. 1 3 = Sasse Nr. 439 und H a n s R G Z 1939 Β 89 (Anm. M ö l l e r ) = Sasse Nr. 4 5 1 ; ansch. abw. K i s c h 2. 256). Z w a r kann man durch Vertrag einem dritten im allgemeinen nur Rechte zuwenden, keine Pflichten auferlegen. Aber die Vertragsparteien können einem dritten Rechte mit der Maßgabe zuwenden, daß diese Rechte nur dann entstehen, wenn der Berechtigte gewisse Pflichten erfüllt hat, und mit dieser Maßgabe auch dem Berechtigten selbst diese Pflichten auferlegen. U n d man muß annehmen, daß, wenn der Versicherer dem Versicherten Rechte nur unter der Voratissetzung einräumt, daß die Anzeigepflicht erfüllt wird, auch den Versicherten die Anzeigepflicht treffen soll. Hieraus würde sich ergeben, daß auch der Versicherte anzeigen muß, was dem Versicherungsnehmer bekannt ist. Hieraus würde aber (vielleicht) nicht zu folgern sein, daß der Versicherte auch anzeigen muß, was er selbst weiß. Deshalb bestimmt dies § 57 Abs. 1 besonders. Vgl. für das V V G dessen § 79 Abs. 1. Nach diesem kommt, soweit nach dem V V G die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist, bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten in Betracht. Aus § 79 Abs. 1 V V G ist grundsätzlich ein allgemeines Prinzip zu entnehmen, daß da, wo an Kenntnis oder Verhalten des Versicherungsnehmers Rechtsfolgen geknüpft werden, der Versicherte dem Versicherungsnehmer gleichsteht ( P r ö l ß Anm. 1 zu § 79 V V G ) . — Es kann aber doch nicht ganz unberücksichtigt bleiben, daß der Versicherte nicht Vertragspartei ist. H a t der Versicherte dem Versicherer angezeigt, so haftet freilich der Versicherer, sei es deshalb, weil der Versicherte nicht nur seine eigene, sondern auch die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers erfüllt hat, sei es deshalb, weil er nur seine eigene Anzeigepflicht erfüllt hat, hierdurch aber dem Versicherer der gefahrerhebliche Umstand bekannt geworden ist (§ 20 Abs. 2 Satz 1). Hat aber etwa der Versicherte dem Versicherer die Anzeige übersandt, der Versicherer das Schreiben auch vor Abschluß des Vertrages erhalten, aber keine Veranlassung, in dem Schreiben eine Anzeige zu vermuten und deshalb erst nach Vertragsschluß vom Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen, so haftet der Versicherer nicht; das Schreiben könnte in solchem Falle nicht schon dann als zugegangen gelten, wenn es nur in verkehrsüblicher Weise in die Verfügungsgewalt des Versicherers gelangt ist.
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§ η. Der Versicherer braucht gefahrerhebliche Umstände nicht anzuzeigen. Anders Anm. 14 früher ζ. B. Benecke 3. 97, Pohls 4. 558, von neueren Schriftstellern E h r e n b e r g 331, Voigt 186, NAfHR 4. 159 (der Versicherungsnehmer könne vom Versicherer, der die Anzeigepflicht verletze, Minderung der Prämie verlangen), G e r h a r d 90 (der Versicherungsnehmer könne, wenn der Versicherer die Anzeigepflicht verletze, zurücktreten). Der Urheber des Gesetzes hat es ausdrücklich abgelehnt, den Versicherer zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände zu verpflichten (Prot. 3144, 3147, 4294)· Diese Absicht kommt in der Behandlung einerseits der Offenbarungspflicht (§ 5), andererseits der Anzeigepilicht (§§ 19, ao) zu unmißverständlichem Ausdruck. Schließlich beruht diese Behandlung auch auf verständiger Abwägung der beteiligten Interessen (Prot. 4295, oben Anm. 7). Aber freilich folgt aus der Treuepflicht des § 13, daß der Versicherer Umstände, die für den Entschluß des Versicherungsnehmers, überhaupt oder unter diesen Bedingungen Versicherung zu nehmen, von e r k e n n b a r entscheidender Bedeutung sind, nicht verheimlichen darf. Versichert der Reeder sein überfälliges Segelschifffür die Reise von Mobile nach Hamburg, so darf der Versicherer, der weiß, daß das Schiff bereits Cuxhaven passiert hat, dies nicht verschweigen (HGZ 1901. 167; vgl. hierzu aber auch § 5 Anm. 17); er muß, wenn er es doch verschweigt, den Versicherungsnehmer gemäß § 276 BGB schadlos halten. Ungenau: Voigt 186: Der Versicherer dürfe den Versicherungsnehmer „über die Nichtexistenz eines von diesem als vorhanden angenommenen, eine Erhöhung der Prämie bewirkenden Umstandes nicht wissentlich im Irrtum lassen", und HGZ 1901. 167: Der Versicherungsnehmer habe „nach der Natur des Geschäfts" ein Recht darauf, „daß der Versicherer bei der Bemessung der Prämie nicht unredlich verfahre, d. h. sich nicht offenbare Unkenntnis des Versicherungsnehmers von einem das Risiko erheblich verringerndem Umstände, den er durch Zufall schon kenne, arglistig zunutze mache". Näheres: § 13 Anm. 5, 6, 9. Anm. 15 8. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer anzeigen. Ist der Versicherer gesetzlich v e r t r e t e n , dem Vertreter. Ist der Versicherer r e c h t s g e s c h ä f t l i c h v e r t r e t e n , so kann auch dem Vertreter angezeigt werden. Auch dem an den Verhandlungen beteiligten Vermittlungsagenten des Versicherers (vgl. V V G § 43 Nr. 1 ; B r u c k - M ö l l e r Anm. 7 zu § 16 VVG, HansOLG H R Z 1927. 939 = HGZ 1927 Η Nr. 130 = Sasse Nr. 373; abw. K i s c h 2. 258; dagegen nicht dem Makler). Ist der Versicherer durch Gesamtvertreter vertreten, so genügt Anzeige an nur einen Gesamtvertreter (vgl. R G 53. 231). — Sind mehrere Versicherer beteiligt, so ist jedem einzelnen anzuzeigen. Auch dann, wenn nur eine Police ausgestellt, auch dann, wenn ein Versicherer „Führer" ist (Sieveking 54, Voigt 197, Ο AG Lübeck HambS 2. 161; anders nur bei entsprechender Ausgestaltung oder Auslegungsmöglichkeit der Führungsklausel: B r u c k - M ö l l e r a.a. O., S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 9 zu § 19 ADS). Andererseits wirkt die Verletzung der Anzeigepflicht gegenüber einem Mitversicherer nicht auch gegenüber den übrigen; auch dann nicht, wenn die Anzeigepflicht gegenüber dem „Vorzeichner" oder dem „Führer" verletzt ist. Näheres: Vorb. V vor § 1. Anm. 16 9. Der Versicherungsnehmer muß bei der Schließung des Vertrags anzeigen. a) Das Gesetz sagte früher: „bei dem Abschlüsse des Vertrags" oder „zur Zeit des Abschlusses" (so auch noch HGB §§ 785, 806; anders V V G nach dem Vorgang des BGB §§ 145, 307 usw., das aber nicht immer folgerichtig verfährt, vgl. ζ. B. BGB § 109). Gemeint ist mit den Worten „Abschluß" und „Schließung" dasselbe: nicht sowohl (was im Ausdruck „Abschluß" hervortritt) das Zustandekommen des Vertrags, das Ergebnis der auf das Zustandekommen gerichteten Tätigkeit, als vielmehr (worauf das Tätigkeitswort „Schließung" hindeutet) eben diese T ä t i g k e i t (so auch Bruck H R Z 1925. 178). Bei den V e r h a n d l u n g e n , die zum Abschluß geführt haben, during the negotiations for the contract (MIA § 20 Abs. 1), alle gefahrerheblichen Umstände, die ihm bis zum
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Abschluß des Vertrags bekannt werden (oder bei auch nur geringer Sorgfalt bekannt § 19 werden müssen: § 20 Abs. 1 Satz 2), muß der Versicherungsnehmer anzeigen (vgl. auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 8 zu § 16 V V G , Prölß Anm. 3 zu §§ 16, 17 VVG). Gleiches gilt, wenn richtig angezeigte Gefahrumstände sich während dieses Zeitraums ändern (RG 134. 148, OLG Hamm VersR 1961. 842, L G Landau VersR 1964. 1228, Prölß aaO). — Wird der Vertrag unter A b w e s e n d e n geschlossen, so kann der Versicherungsnehmer nicht anzeigen, was ihm zwar noch vor Abschluß des Vertrags, aber so spät bekannt wird, daß der Abschluß nicht mehr aufzuhalten ist; wenigstens, worauf es ankommt, nicht mehr rechtzeitig. Er braucht es deshalb auch nicht gemäß § 19 anzuzeigen (wohl aber gegebenenfalls gemäß § 26: unten Anm. 52). Anders B r u c k - M ö l l e r und Prölß a. a. O., nach welchen der Zeitpunkt des Zugehens der Anzeige beim Anzeigeempfänger belanglos ist, sofern sie nur ordnungsgemäß vor dem formellen Vertragsbeginn abgesendet ist. Die Absendung müsse auch dann geschehen, wenn der Entschluß des Versicherers nicht mehr beeinflußt werden könne. Es sei dann aber (für das VVG) zur Ausgleichung der beiderseitigen Interesselage § 41 V V G entsprechend anzuwenden, wenn nicht die Bestimmungen über die Gefahrerhöhung eingriffen. Eine ähnliche (und ebenso zu beurteilende Lage) wie beim Vertragsschluß unter Abwesenden kann übrigens auch entstehen, wenn der Vertrag unter Anwesenden geschlossen wird. Dann nämlich, wenn ein Vertreter den Vertrag abschließt und der Versicherungsnehmer vor Abschluß des Vertrags Kenntnis erhält, aber den Abschluß nicht mehr aufhalten kann (vgl. § 5 Anm. 38), oder auch, wenn Versicherung für fremde Rechnung genommen wird, und der Versicherte vor Abschluß des Vertrags Kenntnis erhält, aber den Abschluß nicht mehr verhindern kann (vgl. § 57 Abs. 3 Satz 2). — Bei der vorläufigen Deckungszusage besteht die Anzeigepflicht für den vorläufigen und für den endgültigen Abschluß jeweils besonders, denn bei der vorläufigen Deckungszusage handelt es sich gegenüber dem endgültigen Vertrag um einen selbständigen Vertrag (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 40; B r u c k - M ö l l e r Anm. 9 zu § 16 VVG, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 10 zu § 19 ADS). b) Im übrigen ist zu unterscheiden: Anm. 17 α) Der Versicherer hat den V e r t r a g s a n t r a g gemacht. An diesen Antrag ist er gebunden (BGB § 145). Der Versicherungsnehmer wird den Antrag ablehnen, wenn er erfährt, daß die Unternehmung einen günstigen Verlauf zu nehmen scheint und deshalb die Aufwendung der Versicherungskosten nicht mehr nötig ist. Er wird den Antrag annehmen, wenn er erfährt, daß die Unternehmung einen ungünstigen Verlauf zu nehmen droht, wenn er insbesondere gefahrerhebliche Umstände erfährt. Würde er annehmen und gleichzeitig diese Umstände anzeigen, so würde doch der Vertrag zustande gekommen sein. Der Versicherungsnehmer würde also bis zum Ablauf der Annahmefrist auf dem Rücken des Versicherers spekulieren und selbst dann annehmen können, wenn er schon vor dem Empfang des Antrags ungünstige Nachrichten erhalten hätte. Er würde wohl gar, wenn es sich um eine Vergangenheitsversicherung handelt, den Antrag noch dann annehmen können, wenn er erfahren hat, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Von alledem kann natürlich keine Rede sein. Das Ergebnis würde der Verkehrsanschauung ebensosehr widersprechen, wie der Interessenlage. Das Verhältnis ist demjenigen ähnlich, das bei der laufenden Versicherung besteht, die für den Versicherer bindend (obligatorisch), für den Versicherungsnehmer freibleibend (fakultativ) ist. Die ADS behandeln dies Verhältnis nur im § 102: Ist die laufende Versicherung beiderseits obligatorisch und imaginärer Gewinn eingeschlossen, so kann der Versicherungsnehmer auch einen höheren als den vereinbarten Gewinn deklarieren, aber nur, wenn er nicht weiß oder wissen muß, daß die Reise einen ungünstigen Verlauf genommen
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hat. Dieser Grundsatz ist auf alle laufenden Versicherungen anzuwenden, die (oder soweit sie) für den Versicherer obligatorisch, für den Versicherungsnehmer fakultativ sind (§ ι A n m . 1 3 2 , § 97 Anm.). E r wird sinngemäß auch dann anzuwenden sein, wenn es sich um eine Einzelversicherung handelt, die für den Versicherer obligatorisch, für den Versicherungsnehmer fakultativ ist, wenn der Versicherer an seinen Antrag gebunden ist und der Versicherungsnehmer den Antrag ablehnen oder annehmen kann. Der Versicherungsnehmer kann nicht annehmen, wenn er weiß (oder bei nur geringer Sorgfalt wissen müßte: § 20 Abs. 1 Satz 2), daß Umstände bestehen, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, oder doch nur annehmen, anzeigen und abwarten, ob der Versicherer trotz der Anzeige mit der Versicherung einverstanden ist (vgl. B G B § 150 Abs. 2). Ebenso O G Hamburg, O A G Lübeck, teilweise anders H G Hamburg, Ashers Rechtsfälle 1835 I I I 80: A m 26. M ä r z offeriert der Makler im Namen des Versicherungsnehmers dem Versicherer die Vergangenheitsversicherung des Schiffes, das am 8. März in See gegangen sei und seitdem keine Nachricht gegeben habe. Der Versicherer nimmt zu 4 % Prämie an; doch behält sich der Makler wegen der Höhe der Prämie die Zustimmung des Reeders vor. Dieser hatte inzwischen vom Untergang des Schiffes Kenntnis erhalten, machte keine Anzeige und stimmte dem Vertrag zu. Ebenso auch V o i g t 68, auch wohl R o e l l i 8 3 ; ferner S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 12 zu § 19 A D S (Der Versicherungsnehmer sei kraft der Versicherungstreue des § 13 verpflichtet, dem Versicherer alsbald die Anzeige zu erstatten und abzuwarten, ob der Versicherer bei seinem Gegenangebot verbleibt); wohl nicht abweichend E h r e n b e r g 340 und (folgend) M e y e r Anzeigepflicht 67, 73, O L G Colmar Gerhards Praxis 2. 1 1 2 . Siehe ferner B r u c k H R Z 1925. 1 8 1 , auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 10 zu § 16 V V G , der es zweifelhaft läßt, ob der an sich gebundene Versicherer nunmehr seinen Antrag widerrufen oder sonstwie die Annahme des Antrages verhindern könne. Verneinendenfalls sei f ü r das V V G § 41 V V G analog anzuwenden. Wegen solcher Umstände, die der Versicherungsnehmer zwar noch vor dem Abschluß des Vertrags, aber so spät erfährt, daß die Anzeige erst nach der Ankunft der Annahme beim Versicherer eintreffen würde, vgl. oben A n m . 16. Umstände, die der Versicherungsnehmer zwar noch vor dem Abschluß des Vertrags, aber so spät erfährt, daß die Anzeige erst nach der Ankunft der Annahme beim Versicherer eintreffen würde, braucht der Versicherungsnehmer nicht gemäß § 19 anzuzeigen (wohl aber gegebenenfalls gemäß § 26: unten Anm. 52). Umstände, die der Versicherungsnehmer nach Absendung der Annahmeerklärung erfährt, sind also keineswegs ohne weiteres Umstände, die nicht mehr angezeigt zu werden brauchen. Erfährt sie der Versicherungsnehmer so rechtzeitig, daß er noch telephonisch, telegraphisch oder sonstwie, anzeigen kann, bevor die Annahmeerklärung beim Versicherer eintrifft, so muß er gemäß § 19 anzeigen. — Dasselbe wird gelten müssen, wenn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht für den Versicherungsnehmer abgeschlossen hat und demgemäß die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Versicherungsnehmers abhängt, oder wenn die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung eines dritten abhängt (§ 5 Anm. 38).
Anm. j 8
β) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r h a t d e n V e r t r a g s a n t r a g gemacht. E r muß anzeigen, was so rechtzeitig angezeigt werden kann, daß der Abschluß des Vertrags noch verhindert werden kann, daß insbesondere der Versicherer die etwa bereits abgesandte Annahmeerklärung noch widerrufen kann (vgl. B G B § 130 Abs. 1, auch R o e l l i 8 3 : „bis zu dem Momente, in dem die Möglichkeit einer abweichenden Willensentschließung des Versicherers wegfällt." Anders B r u c k - M ö l l e r Anm. 8 zu § 16 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu §§ 16, 17 V V G , K i s c h 2. 233 der sich zu Unrecht
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dafür auf L Z 1916. 1246 beruft. Denn in diesem Falle hatte der Versicherungs- § 19 nehmer, nachdem ihm der gefahrerhebliche Umstand bekannt geworden war, noch acht Tage Zeit gehabt, den Umstand anzuzeigen; die Versäumung der Anzeige war also ohne Zweifel eine grobe Verletzung der Anzeigepflicht. — Näheres zu der Frage: § 5 Anm. 22. — Der Versicherungsnehmer, muß damit rechnen, daß sein Antrag in verkehrsmäßiger Zeit angenommen wird (BGB § 147 Abs. 2), und mit größter Gewissenhaftigkeit prüfen, ob der Versicherer noch telephonisch, telegraphisch oder sonstwie benachrichtigt werden und in diesem Falle den Vertragsschluß verhindern kann. Eine Anleitung hierfür gibt § 19 Abs. 2: Der Versicherungsnehmer muß so schnell, wie im ordnungsmäßigen Geschäftsgang tunlich, anzeigen, jedenfalls aber ebenso oder ähnlich, wie er den Antrag übermittelt hat. „Jedenfalls" („mindestens": § 57 Abs. 3 Satz 2): In der Regel wird sich der Versicherungsnehmer des schnellsten noch verkehrsmäßigen Anzeigemittels bedienen müssen. — § 19 Abs. 2 betrifft, erkennbar, nur den Fall, daß der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r den Antrag gestellt hat, n i c h t den Fall, daß der V e r s i c h e r e r den Antrag gestellt hat. Daß der Versicherungsnehmer auch im letzteren Falle anzeigen muß, versteht sich indessen von selbst. M a n hat diesen Fall nur deshalb nicht besonders behandelt, weil der Vertragsantrag regelmäßig vom Versicherungsnehmer ausgeht. M a n hat dabei aber doppelt geirrt. Denn der „ A n t r a g " des Versicherungsnehmers ist in aller Regel kein Vertragsantrag im Sinne des Gesetzes, kein Antrag, der durch bloße Annahme zum Vertragsschluß führen kann, sondern eine Aufforderung, Versicherungsofferte zu machen. Und auch wenn er ein Antrag ist, wird der Versicherer ihn oft nur unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen annehmen; eine solche Annahme aber gilt als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag (BGB § 150 Abs. 2). — c) Ä n d e r u n g e n , E r g ä n z u n g e n , V e r l ä n g e r u n g e n oder E r n e u e r u n g e n Anm. 19 des Vertrags, insbesondere sogenannte N a c h v e r s i c h e r u n g e n oder Z u s a t z v e r s i c h e r u n g e n (Versicherung des durch eine Erstversicherung nicht gedeckten Teiles des Interesses oder der Gefahren), stehen natürlich der „Schließung" gleich (§ 5 Abs. 22, E h r e n b e r g 340, K i s c h 2. 235, B r u c k - M ö l l e r Anm. 9 zu § 16 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu § 16, 17 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 19 A D S , V o i g t 198, B o l z e 22 Nr. 476, A P V 1908 II 52, O A G Lübeck HambS 2. 475, R G O L G L G München Gerhards Praxis 1. 64, H G u. O G Hamburg H G Z 1871. 5,88; vgl. auch unten Anm. 33 unter b und H a n s O L G H G Z J927 Η Nr. 65 = H R Z 1927. 527 = Sasse Nr. 370, ferner H a n s O L G H a n s R G Z 1939 Β 8g = Sasse Nr. 451). Insbesondere auch dann, wenn etwa der Versicherer v e r p f l i c h t e t ist, in die Verlängerung der Versicherung usw. einzuwilligen, der Versicherungsnehmer dagegen freie Hand hat. Auch in solchem Falle ist der Grundsatz, der im § 102 zum Ausdruck kommt, anzuwenden (vgl. oben Anm. 17). Der Versicherungsnehmer muß anzeigen, daß inzwischen gefahrerhebliche Umstände bekannt geworden sind. Der Versicherer braucht sich unter den in der Anzeige bezeichneten, veränderten Verhältnissen auf die Verlängerung usw. nicht einzulassen. Eine Ausnahme ist nur bei stillschweigender Verlängerung eines Vertrags zu machen, der eine Verlängerungsklausel enthält ( R G 112. 384, B r u c k - M ö l l e r Anm. 9 zu § 8 V V G , Anm. 9 zu § 16 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu §§ 16, 17 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 19 A D S ) . d) Umstände, die der Versicherungsnehmer n a c h dem hiernach maßgebenden Anm. 20 Zeitpunkt erfährt, braucht er nicht gemäß § 19 anzuzeigen (Begr. z. V V G §§ 16—22, B r u c k - M ö l l e r Anm. 8 zu § 16 V V G , K i s c h 2. 233, H G Hamburg Seebohm 467). Wohl aber gegebenenfalls gemäß § 26, wenn sie eine Gefahrerhöhung herbeigeführt haben (unten Anm. 52, § 26 Anm. 10).
332 § Ι' Anm. 21
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ίο. Der Versicherungsnehmer hat anzuzeigen. a) Die Anzeige ist, ihrem natürlichen Begriff nach, eine e m p f a n g s b e d ü r f t i g e (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Wissenserklärung. Sie muß also unter Anwesenden dem Versicherer gegenüber so gemacht werden, daß dieser sie vernimmt oder doch, wenn er nur wollte, vernehmen müßte. Unter Abwesenden muß sie dem Versicherer zugehen (anal. BGB § 130). Näheres über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33. — Bloße Absendung der Anzeige genügt also nicht (anders ausdrücklich: BGB §§ 121, 478, HGB § 377, ADS § 97 Abs. 6 Satz 2; zweifelnd Brodmann JehJ 58. 289). Die Anzeige muß zugehen (Kisch 2. 254, B r u c k - M ö l l e r Anm. 12 zu § 16 VVG). Die Anzeige reist auf Kosten und Gefahr des Versicherungsnehmers. Aber wenn sie ohne Schuld des Versicherungsnehmers nicht ankommt, schadet es nicht (ansch. abw. K i s c h 2. 261; vgl. B r u c k - M ö l l e r a.a.O.: „Die Gefahr, daß ein Brief verlorengeht, geht allerdings zu Lasten des Versicherungsnehmers, jedoch kann ein Verschulden solchenfalls entfallen"). Der Versicherungsnehmer garantiert nicht die Anzeige überhaupt, sondern nur ihre Richtigkeit (§ 20 Abs. 1 u. 2 Satz 2, § 20 Anm. 32). Er muß den Versuch der Anzeige nur, wenn und sobald wie tunlich, erneuern (Vorb. vor § 1 Anm. 58, 62). Aber er muß, wenn die Anzeige nunmehr ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig zugeht, gemäß § 20 Abs. 3 eine Zuschlagsprämie zahlen. Anm. 22 b) Der gefahrerhebliche Umstand muß so angezeigt werden, daß die Bedeutung des Umstandes für die Übernahme der Gefahr e r k e n n b a r ist. Ist dies der Fall, so bedarf es weiter keiner Einzelheiten. The assured complies with the rule if he discloses sufficient to call the attention of the underwriter to the matter in such a way that, if the latter desires further information, he can ask for it (Arnould 576 s. 608). — Uber die Bedeutung des Striches neben einer Frage des Antragsmusters: K i s c h 2. 252, B r u c k - M ö l l e r Anm. 41 zu § 16 V V G , Prölß Anm. 6 zu §§ 16, 17 V V G , OLG Hamburg H R Z 1922. 62, HGZ 1900. 136; vgl. auch R G 9. 238, OLG Stettin APV 1909 II 49, auch unten Anm. 33 unter ff. Anm. 23 1 1 . Der Versicherungsnehmer hat alle Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, anzuzeigen (ebenso V V G § 1 6 Abs. 1 ; über die Ableitung des Wortes „erheblich": H a g e n DJZ 1904. 859). a) U m s t ä n d e sind Tatsachen jeder Art (Ehrenberg 329, K i s c h 2. 194, BruckM ö l l e r Anm. 16 zu § 16 V V G : Tatsachen, von denen eine Kausalkette hin zum Versicherungsfall führen kann). Vergangene, gegenwärtige oder künftige. Positive oder negative. Äußere oder innere: ζ. B. die Absicht, die Zollgesetze zu übertreten (Voigt 182; vgl. aber auch § 1 Anm. 18). Die Absicht vom Reisewege abzuweichen (ROHG 8. 231, L G Hamburg HGZ 1892. 227). Die Absicht, Perlenfischerei zu treiben (OAG Lübeck HambS 2. 474). Die Absicht, auf die auch Deckladung einschließende, laufende Police fast ausschließlich Decksgüter zu deklarieren (HGZ 1905. 115). Die Absicht, die versicherten Güter im Zwischenhafen umschlagen zu lassen (HG u. OG Hamburg HH 145). Die Absicht, das bisher als Personendampfer benutzte Schiff als Frachtdampfer zu benutzen (vgl. AnnVers 1915. 41). Die Absicht, einen tüchtigen Kapitän durch einen untüchtigen zu ersetzen (HG Hamburg HGZ 1873. 336). Die Absicht, das Schiff einen außerhalb des versicherten Reiseweges liegenden Hafen anlaufen zu lassen (Middlewood v. Blakes 1797 bei A r n o u l d 417 s. 443). Die Absicht des Vorversicherers, den Selbstbehalt anderweit zu decken (§ 1 Anm. 170). Die Absicht, Alkoholschmuggel zu betreiben: OLG Hamburg H R Z 1925. 193 = J R P V 1925. 112 = HGZ 1925 Nr. 14 = Sasse Nr. 327 (vgl. über „Absichten" auch M ö l l e r HansRGZ 1929 A 553f. und 1931 A 19—28, ferner B r u c k - M ö l l e r Anm. 19 zu § 16 VVG). Zwischen Tatsachen und Besorgnissen zu unterscheiden (so E h r e n b e r g 333 und M e y e r Anzeigepflicht 56, dieser unter unzutreffender Berufung auf OAG Lübeck KierulfF6.136, HambS 2.1067), besteht
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also kein Grund ( K i s c h 2. 198). Auch bloße Besorgnisse können gefahrerheblich, § 19 werden es aber natürlich in der Regeln nicht sein ( B e n e c k e 3.99, K i s c h 2. 198, N o l t e 2. 24, 115, R G 13. HI, O A G Lübeck Kierulff 6. 136, HambS 2. 1067, Thöls Entscheidungsgründe 345, 346, H G Hamburg H G Z 1868. 224; vgl. auch unten Anm. 31, 39, § 20 Anm. 26, 27). — Einen Umstand bildet insbesondere die Tatsache, daß der Versicherungsnehmer eine N a c h r i c h t erhalten hat: § ig Abs. 1 Satz 2; vgl. M I A § 18 Abs. 5 : T h e term circumstances includes any communication made to, of information received by, the assured. b) Die Umstände müssen f ü r d i e Ü b e r n a h m e d e r G e f a h r e r h e b l i c h sein. Anm. 24 Sie müssen mit der Gefahr zusammenhängen, „ z u r richtigen Schätzung der Gefahr dienen" (BSVB § 42 Abs. 1). Also sind nicht etwa alle für die Schließung des Vertrags erheblichen Umstände auch für die Übernahme der Gefahr erheblich. Für die Schließung des Vertrags können (auch) die geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen der Beteiligten, die Erwartung weiterer Geschäfte, die Zahlungsfähigkeit des Versicherungsnehmers, Konkurrenzrücksichten maßgebend sein ( H G Z 1887. 139). Für die Anzeigepflicht des § 19 sind alle diese Umstände ohne Bedeutung. Dasselbe gilt von Umständen, welche die Art oder den Umfang des Interesses betreffen ( K i s c h 2. 206, H G u. O G Hamburg Ullrich Nr. 346, H a n s O L G H a n s R G Z 1929 Β 35 = Sasse Nr. 392: Überversicherung). Der Versicherer ist dadurch geschützt, daß das Interesse richtig bezeichnet werden muß ( § 1 ) und nicht überversichert werden darf (§9). Umstände, die den Umfang des Interesses betreffen, können aber nach Lage des Falles auch auf die Gefahr Bezug haben, Anzeichen einer besonderen Gefährlichkeit der versicherten Unternehmung bilden (vgl. unten Anm. 25: verdächtige Übersetzung der Taxe). c) G e f a h r ist die Möglichkeit der Entstehung von Schäden (näheres: § 28 Anm.). Anm. 25 In diesem Umfang übernimmt kein Versicherer die Gefahr. Auch der Transportversicherer nicht. Zwar trägt er „alle Gefahren" (§ 28). Aber er haftet niemals für alle aus allen Gefahren möglicherweise entstehenden Schäden (§ 28 Anm.). Deshalb ist nicht anzuzeigen, was für die Übernahme der Gefahr als solcher, der Haftung für Schäden jeder Art und jeden Umfangs erheblich ist. Anzuzeigen ist nur, was für die aus der ü b e r n o m m e n e n Gefahr entspringenden und vom Versicherer zu e r s e t z e n d e n Schäden in Betracht kommt. Da der Versicherer ζ. B. nach § 35 die Kriegsgefahr nicht trägt, braucht der Versicherungsnehmer auch im allgemeinen Umstände nicht anzuzeigen, die für die Entstehung von Kriegsschäden erheblich sind (vgl. aber auch unten Anm. 26 und § 35 Anm.). Da der Versicherer ζ. B. nach § 28 bloß mittelbare Schäden nicht zu ersetzen hat, braucht der Versicherungsnehmer auch im allgemeinen nicht anzuzeigen, was für die Entstehung bloß mittelbarer Schäden in Betracht kommt, ζ. B. nicht, daß im Falle der Beschädigung oder des Verlustes des zu versichernden Schiffes ein ungewöhnlich großer Gewinnausfall droht. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 V V G sind die Gefahrumstände erheblich, die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluß auszuüben (siehe über die Gefahrerheblichkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 2 V V G B r u c k - M ö l l e r Anm. 25 zu § 16 V V G , der meint, eine rein objektive Beurteilung der Erheblichkeit sei nach der Einfügung des § 16 Abs. 1 Satz 2 in das V V G nicht mehr möglich; anders O G H VersR 1950. 18, E h r e n z w e i g V V 81, S ü s s VersR 1952. 185, P r ö l ß Anm. 2 zu §§ 16, 17 V V G , S c h m i d t Obliegenheiten 135). Vgl. auch §806 Abs. 1 H G B : Der Versicherungsnehmer . . . ist verpflichtet, bei dem Abschluß des Vertrags dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, die wegen ihrer Erheblichkeit für die Beurteilung der von dem Versicherer zu tragenden Gefahr geeignet sind, auf den Entschluß des letzteren, sich auf den Vertrag über-
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§ 1 9 haupt oder unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben (ähnlich schon P r e u ß A L R I I 8. 2026). Siehe auch B S V B § 4 2 Abs. 2 : Umstände, „welche nach vernünftigem Ermessen auf den Entschluß des Versicherers, sich überall, oder so wie geschehen, auf die Versicherung einzulassen, von Einfluß sein konnten", und, fast wörtlich ebenso, M I A § 18 Abs. 2 : Umstände, which would influence the judgment of a prudent insurer in fixing the premium, or determining whether he will take the risk, — solche Umstände können natürlich nur Umstände sein, welche die Möglichkeit zu ersetzender Schäden betreffen. M a n darf aber diesen Gedanken nicht über sich selbst und über die ihm zugrunde liegende Interessenabwägung hinaus strecken. Der Versicherer haftet nicht f ü r Schäden, die nach einer Gefahränderung entstehen, die durch das Verschulden des Versicherungsnehmers herbeigeführt werden, die auf der Seeuntüchtigkeit des versicherten Schiffes beruhen usw. M a n kann nicht sagen, daß Umstände, die für die Entstehung solcher ersatzunfähigen Schäden erheblich sind, überhaupt nicht angezeigt zu werden brauchen. M a n hat es auch im allgemeinen nicht gesagt. M a n hat ζ. B. den Umstand für gefahrerheblich und anzeigepflichtig gehalten, daß der Versicherungsnehmer beabsichtigt, die Gefahr zu ändern, Perlenfischerei zu treiben ( O A G Lübeck H a m b S 2. 474), vom Reiseweg abzuweichen ( R O H G 8. 2 3 1 , L G H a m b u r g H G Z 1892. 227), einen außerhalb des versicherten Reisewegs liegenden Hafen anzulaufen (Middlewood v. Blakes bei A r n o u l d 4 1 7 s. 443), weiter die Verschweigung einer unversicherten Vorreise ( H a n s O L G H G Z 1927 Nr. 1 3 0 = H R Z 1929. 939 = Sasse Nr. 373). Weiter den Umstand, daß die versicherten Güter beschädigt sind oder eine Reise gemacht haben, auf der sie beschädigt sein könnten ( O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 1. 373, 377, 2. 262, H H 646; vgl. dazu V o i g t 268) oder bereits längere Zeit im Schiffe gelagert haben ( H G u. O G H a m b u r g Seebohm 53, H H 9 1 ) . Ebenso den Umstand, daß der Versicherungsnehmer frühere Schadensfälle vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat ( K i s c h 2. 198, B r u c k - M ö l l e r A n m . 16 zu § 16 V V G und dort angeführte Entscheidungen; vgl. auch die Entscheidungen bei P e t e r s e n Z f V W 1 9 2 1 . 245 über Nichtanzeige oder Falschanzeige früherer Schadensfälle, aber auch unten A n m . 33 unter w ; beachtenswert auch H a n s O L G H a n s R G Z 1932 Β 1 1 5 = Sasse Nr. 420, wonach sich nicht begründen läßt, daß ein K a u f m a n n gegenüber Versicherern, welche über die allgemeinen Verhältnisse geschäftlich orientiert seien, verpflichtet sei, alle früheren Schadensfälle dieses Geschäftszweiges noch nach J a h r e n mitzuteilen). Ebenso den Umstand, daß der 1. Maschinist des Schiffes, der zugleich Geschäftsführer der Reederei war, zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteilt war ( H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 707 = A P V 1935. 36 = Sasse Nr. 4 3 4 ; vgl. K o o p s , Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, 1934, i6f.). Ebenso den Umstand, daß andere Versicherer den Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers abgelehnt oder das Versicherungsverhältnis vor der Zeit aufgelöst haben ( K i s c h 2. 200 und dort angeführte Entscheidungen, B r u c k - M ö l l e r a . a . O . ) ; mit Recht bezeichnet K i s c h a . a . O . als bedenklich H G Z 1905. 1 1 6 : Der U m stand, daß die frühere (laufende) Versicherung vom Versicherer wegen „andauernd großer Schäden" gekündigt sei, sei nicht gefahrerheblich und deshalb nicht anzuzeigen (vgl. aber auch unten A n m . 33 unter w, § 20 Anm. 28 unter aa). Ebenso den Umstand, daß die T a x e übermäßig und in Verdacht erregender Weise übersetzt ist (Jonides v. Pender 1874 bei A r n o u l d 573 s. 605; vgl. aber auch § 6 A n m . 38). Ebenso im Falle einer Frachtversicherung der Umstand, daß die L a d u n g leicht verdirbt (vgl. A S V B § 4 0 Abs. 1, Begr. ζ. Ε i g i o §§ 2 1 — 2 4 ) . Ebenso im Falle einer Rückversicherung den Umstand, daß der Vorversicherer zu ungewöhnlichen Bedingungen versichert hat (§ 1 A n m . 149), oder daß der Selbstbehalt gedeckt ist (§ 1 A n m . 1 6 7 ; vgl. auch § 8 Anm. 6); § 58 A S V B bezeichnete auch das Datum der Originalversicherung als gefahr-
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erheblichen Umstand (vgl. dazu unten Anm. 58). Das ist alles ganz natürlich. Denn § 19 für die Übernahme der Gefahr für den Entschluß des Versicherers, sich auf die Versicherung einzulassen oder unter bestimmten Bedingungen einzulassen, ist nicht nur die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit der Entstehung e r s a t z f ä h i g e r Schäden maßgebend, sondern auch die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Bestehens oder der Entstehung solcher e r s a t z u n f ä h i g e r Schäden, die der Versicherer ersetzen muß, wenn und weil der ihm obliegende Befreiungsbeweis mißlingt (so auch R G 1 1 2 . 149 = J R P V 1926. 66), unter Umständen sogar solcher ersatzunfähiger Schäden, die der Versicherer ersetzen muß, wenn und weil an den dem Versicherungsnehmer obliegenden Beweis der Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen gestellt zu werden pflegen und dem Versicherer der Gegenbeweis mißlingt. Deshalb können auch solche Umstände erheblich sein, welche die Entstehung ersatzfähiger Schäden nur insofern betreffen, als sie die dem Versicherer zugute kommenden Möglichkeiten der Schadensausgleichung beeinträchtigen ( R G H G Z 1883.208; vgl. auch R G H G Z 1892.57, §45 Anm., §87 Anm., Ballastschiff: §23 Anm. 9 unter dd, § 63 Anm.). So hat man ζ. B. im Falle der Versicherung einer Frachtforderung aus einem Frachtvertrag über Güter aller Art angenommen, daß der Versicherungsnehmer eine Falschanzeige über einen gefahrerheblichen Umstand gemacht habe, weil er angezeigt habe, daß die Fracht für eine Kaffeeladung geschuldet werde, obgleich sie tatsächlich für eine Holzladung geschuldet wurde, und weil eine Holzladung weit weniger wert ist als eine Kaffeeladung und deshalb auch im Falle der großen Haverei weit weniger beiträgt (HGZ 1885. 161, 1886. 28, 1887. 134, L G Hamburg H G Z 1885. 159; vgl. aber auch § 1 Anm. 185, § 20 Anm. 26, 28, § 23 Anm. 9, § 1 0 5 Anm.). Gesetz und A D S lassen eben, verständigerweise, nicht die Erheblichkeit des Umstandes für den E i n t r i t t der Gefahr, sondern die Erheblichkeit für die U b e r n a h m e der Gefahr entscheiden; nicht die Erheblichkeit für die Entstehung ersatzfähiger Schäden, sondern für die Übernahme der Haftung für solche Schäden (so richtig K i s c h 2. 32, 307, der aber nicht immer, so ζ. B. nicht 2. 199 Anm. 7, 2. 208 Anm. 4, hieraus die nötigen Folgerungen zieht). Als Ochsenhäute, Holz und Kupfer für die Reise von Havana nach Hamburg versichert waren, erklärten H G u. OG Hamburg, Ο A G Lübeck schon 1844 die Anzeigepflicht für verletzt, weil nicht angezeigt war, daß die Güter eine Vorreise (siehe über die Gefahrerheblichkeit einer Vorreise auch L G Hamburg HansRGZ 1934 Β 276 = Sasse Nr. 719) von Veracruz nach Havana gemacht hatten (HambS 1. 371). O A G Lübeck hielt diesen Umstand insbesondere deshalb für gefahrerheblich und anzeigepflichtig, weil „den Versicherern, wenn sie gewußt hätten, daß es sich nur um die Fortsetzung einer schon begonnenen Reise handle, mit Grund ein Zweifel darüber hätte entstehen können, ob die Güter auch in unbeschädigtem Zustand in Havana wieder eingeladen seien, und ihnen daher, wenn auf der weiteren Reise eine fernere Beschädigung derselben entstände, nicht zugleich ein alter, von ihnen nicht versicherter Schaden aufgebürdet werden könne". Demgemäß erklärte später § 22 AllgPlan 1847 unter der Uberschrift des dritten Titels „Was bei der Versicherung angezeigt werden muß" für anzeigepflichtig, daß die Güter vom Versicherungsnehmer „beschädigt abgeladen oder ihm als beschädigt gesandt" würden, und § 23 AllgPlan 1847 für anzeigepflichtig, daß die Güter „aus einem andern Seeschiffe, ohne vorher ans Land gebracht und untersucht zu sein, übergeladen worden oder werden sollten". Demgemäß wurden auch diese letzteren Bestimmungen als §§ 49, 50 in den zweiten („Anzeigen bei dem Abschluß des Vertrages" überschriebenen) Abschnitt der A S V B übernommen (vgl. jetzt ADS §§ 83 Abs. 1, 84). Für V o i g t 268 verstand es sich denn auch ohne weiteres von selbst: „Nach den im allgemeinen geltenden Grundsätzen (ASVB §§ 29, 33) würde in der Nichtanzeige des Umstandes, daß Güter,
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§ 19 aufweiche ohne Bevorwortung einer Bedenken erregenden Beschaffenheit Versicherung genommen worden wäre, beschädigt abgeladen worden seien, ein Grund der Unverbindlichkeit des Vertrags für den Versicherer liegen. Nach dem § 49 A S V B solle dieser Fall milder behandelt werden" (ebenso V o i g t 270 zum § 50 A S V B ; vgl. auch V o i g t 181: Anzeigepflichtig seien „ f ü r den Ausgang des Geschäfts erhebliche — unmittelbar oder mittelbar erhebliche — Umstände"; vgl. auch G o t t s c h a l k M i t t ö f f F V A 1921. 146). Auch die §§ 44, 45 A S V B (Anzeige, daß das Schiff am Abgangsort der versicherten Reise noch nicht angekommen oder von dort bereits abgegangen oder dorthin zurückgekehrt ist, oder daß der Abgangsort ein Zwischenhafen ist) beruhten „insbesondere auf der Erwägung, daß die Unklarheit darüber, auf welche Ursache oder Ursachen später sich zeigende Schäden zurückzuführen seien, vermieden werden müsse" ( V o i g t 259). All facts are material which would effect the mind of a rational underwriter, governing himself by the principles on which underwriters in practice act, as to either of the following points: I st , whether he will take the risk at all; 2 n d , at what premium he will take it ( A r n o u l d 571 s. 603). Die deutsche Rechtsprechung ist, wie gesagt, im allgemeinen hiernach verfahren. Sie ist aber auch hin und wieder, im Banne der Konstruktion, auf Abwege geraten. Nach H G Z 1911. 234 ist im Falle einer Frachtversicherung der Umstand, daß der als „ F ü h r e r " bezeichnete Versicherer nur Kaskoversicherer, nicht auch Frachtversicherer ist, nicht gefahrerheblich, weil „das M a ß der vom Versicherer übernommenen Gefahr gar nicht berührt" werde. Nach H G Z 1905. 154 ist der Umstand, daß die versicherten Güter sogenannte Retourwaren sind, nicht gefahrerheblich, weil „nicht einzusehen sei, weshalb der Umstand, daß der versicherte Tabak längere Zeit vorher von demselben Kaufmann, an den er jetzt zurückgegangen sei, von Samos nach Hamburg geschickt worden sei, um hier kommissionsweise verkauft zu werden, für die Beurteilung der dem Tabak auf der Rückreise drohenden Seegefahr im Sinne der A S V B erheblich sein sollte" (vgl. jetzt A D S § 83 Abs. 2). Nach O G Hamburg H G Z 1869. 290 ist es im Falle einer Rückversicherung unerheblich, wenn der Vorversicherer die Originalprämie unrichtig angibt (vgl. auch § 1 Anm. 169, § 21 Anm. 16). Nach O L G Hamburg A P V 1917 II 27 ist der Umstand, daß die zu versichernde Sache bereits anderweit versichert ist, unerheblich, weil die „allgemeine Anzeigepflicht sich nur auf solche Umstände beziehe, die für die Beurteilung der Gefahr selbst erheblich seien, die sich also auf Art und Größe der Gefahr bezögen, wie ζ. B. bei der Feuerversicherung die Art und Lage der betreffenden Baulichkeiten, bei der Lebensversicherung der Gesundheitszustand der in Betracht kommenden Person"; diese Entscheidung ist im Ergebnis natürlich richtig, aber nicht aus dem angeführten Grunde, sondern deshalb, weil Doppelversicherung das Risiko nicht vergrößert, sondern vermindert, dem Versicherer nämlich eine Ausgleichsmöglichkeit verschafft, auf die er gewöhnlich nicht rechnen kann. Anders, wenn etwa dem Versicherungsnehmer im Falle einer zweiten Versicherung für fremde Rechnung Tatsachen bekannt sind, die den Verdacht eines Versicherungsbetrugs rechtfertigen (vgl. O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 345: Dem Versicherer wird nachgelassen zu beweisen, daß dem Versicherten „ z u r Zeit der erteilten Order zur Assekuranz bestimmte Verdachtsgründe darüber, daß bei der Expedition des Schiffes Dorothea eine betrügliche Absicht vorgewaltet habe, bekannt gewesen seien"). Siehe auch H a n s O L G H a n s R G Z 1929 Β 35 = H R R 1929 Nr. 745 = Sasse Nr. 392, wonach die Überversicherung nicht anzeigepflichtig ist, denn für die Anzeigepflicht nach § 19 seien solche Umstände ohne Bedeutung, welche Art und Umfang des Interesses betreffen. Solche Umstände seien in der Regel „für die Übernahme der Gefahr" ohne Bedeutung. Sollten sie es im Einzelfall dennoch sein, so würden sie allerdings auch der Anzeigepflicht nach § 19 unterliegen.
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d) Hieraus ergibt sich zugleich das V e r h ä l t n i s d e r Bestimmungen über die § 1 9 A n z e i g e p f l i c h t z u den Bestimmungen über die v e r t r a g s m ä ß i g e B e s c h r ä n k u n g Anm. 26 d e s R i s i k o s (des Umfangs der Gefahr), insbesondere über die objektive Beschränkung des Risikos. Umstände, die nach dem Vertrag das Risiko beschränken, brauchen im allgemeinen nicht angezeigt zu werden ( K i s c h 2. 207, vgl. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1929 Β 35 = Sasse Nr. 392). Sind ζ. B. die versicherten Güter auf Deck verladen und verlorengegangen, so haftet der Versicherer gemäß § 85 Abs. 1 nur beschränkt; er kann nicht einwenden, daß ihm die Verladung auf Deck hätte angezeigt werden müssen ( H G Z 1892. 299). Anders, wenn die Umstände für die (beschränkte) Haftung des Versicherers gefahrerheblich sind, oder wenn sie die Gefahr begründen, daß dem Versicherer auch solche Schäden mit Erfolg zur Last gelegt werden können, von denen der Versicherer sich freigezeichnet hat ( N o l t e 2. 1 1 2 ; vgl. auch § 3 5 Anm.). Weiß ζ. B. der Versicherungsnehmer, daß die zu versichernden Güter auf Deck verladen werden sollen, so ist dies trotz der im § 85 bestimmten Beschränkung der Haftung des Versicherers dann ein gefahrerheblicher und deshalb anzuzeigender Umstand, wenn die Güter, auf Deck verladen, für das Schiff gefährlicher sind, als wenn sie im R ä u m e verladen würden (vgl. H G Z 1 8 9 1 . 144, 1904. 130), und wenn demgemäß und weil der Versicherer nach § 85 Abs. 1 im Falle eines Totalverlustes des Schiffes haftet, die Gefahr auch f ü r den Güterversicherer größer ist, als wenn die Güter im R ä u m e verladen werden. Anders ohne Begründung S i e v e k i n g 57: Der Umstand, daß die zu versichernden Güter auf Deck verladen seien oder verladen werden sollten, sei trotz § 8 5 anzuzeigen. E r beruft sich auf H G Z 1 8 9 1 . 143, — die Entscheidung behandelt eine Frage des Frachtrechts und bemerkt nur beiläufig, aber richtig, daß nach dem H G B , das eine Bestimmung gleich derjenigen des § 85 A D S n i c h t enthält, Verladung auf Deck angezeigt werden müsse. E r beruft sich ferner auf H G Z 1905. 1 1 5 . Diese Entscheidung behandelt folgenden Fall. Eine laufende Police enthielt die Klausel: „ W a r e n auf Deck verladen valedieren inklusive des Risikos des Überbordwerfens oder -spülens . . . gegen dreifache Prämie". Der Versicherungsnehmer deklarierte auf diese Police überwiegend Deckladungen leerer Fässer. Der Versicherer wandte ein, ihm habe angezeigt werden müssen, daß überwiegend leere Fässer auf Deck verladen werden sollten. Das Gericht nahm mit Recht an, daß dies anzuzeigen gewesen sei. Weiß der Versicherungsnehmer im Falle einer Vergangenheitsversicherung, daß die zu versichernden Güter ohne seine Zustimmung auf Deck verladen sind, so muß er dies unter allen Umständen anzeigen, weil der Versicherer nach § 85 Abs. 2 unbeschränkt haftet; die Anzeigepflicht fällt auch nicht etwa deshalb fort, weil der Versicherer im Falle des § 8 5 Abs. 2 eine Zuschlagsprämie erhält. Siehe auch R G 1 1 2 . 149, daß für die Frage, welche Umstände nach § 19 anzeigepflichtig sind, nicht nur die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit der Entstehung ersatzfähiger Schäden erheblich ist, sondern auch die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Bestehens oder der Entstehung solcher ersatzfähiger Schäden, die der Versicherer doch ersetzen muß, wenn der ihm obliegende Befreiungsbeweis mißlingt. — F ü r die Kaskoversicherung ergibt sich insbesondere, daß der Versicherungsnehmer die Seeuntüchtigkeit des Schiffes nicht etwa deshalb verschweigen darf, weil der Versicherer nach § 58 im Falle der Seeuntüchtigkeit nur beschränkt haftet ( H a n s O L G H G Z 25 Nr. 64 = H R Z 1925. 731 = J R P V 1926. 273 = Sasse Nr. 3 3 8 ; vgl. auch den Fall H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 707 = Sasse Nr. 434, ferner S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 5 zu § 19 A D S , K r e u t z i g e r V e r s R 1964. 997f.). Denn der Versicherer haftet auch im Falle der Seeuntüchtigkeit regelmäßig, wenn er nicht beweist, daß der Schaden durch die Seeuntüchtigkeit verursacht ist. Deshalb ist trotz der im § 58 bestimmten Beschränkung seiner Haftung der Umstand, daß das Schiff" seeuntüchtig ist, allerdings ein Umstand, 22
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 1 9 der für die Übernahme der Gefahr erheblich, und zwar sehr erheblich ist ( N o l t e 2. 75, S i e v e k i n g 102, R O H G 7 . 3 9 7 , 1 6 . 6 1 ; ansch. abw. K i s c h 2 . 4 0 9 , L e w i s 2 . 3 1 8 ) . Anders nach englischem Rechte bei Reiseversicherungen, weil bei diesen die Seetüchtigkeit des Schiffes an implied warranty ist, weil der Versicherer im Falle des Bruches einer warranty ohne weiteres frei wird, und weil any circumstance which is superfluous to disclose by reason of any express or implied warranty needs not to be disclosed ( M I A § 18 Abs. 3, § 33 Abs. 3 ; vgl. dazu A r n o u l d 658 s. 695). Übrigens ist die Seeuntüchtigkeit des Schiffes nicht immer f ü r die Übernahme der Gefahr erheblich und anzuzeigen. Ist das Schiff von einer Reise zurückgekehrt, beschädigt und infolgedessen seeuntüchtig (aber nicht hafenuntüchtig), so ist dies unerheblich, wenn das Schiff wieder gehörig instandgesetzt werden soll (vgl. R O H G 16. 6ο, Ο A G Lübeck H a m b . S. 2. 263, auch unten A n m . 33 unter d). Anders, wenn der Reeder beabsichtigt, das Schiff nicht wieder gehörig herstellen zu lassen; dann wäre schon diese Absicht ein anzeigepflichtiger Umstand (oben Anm. 23). — Nach S i e v e k i n g 55 braucht der Versicherungsnehmer nicht anzuzeigen, daß das „ F r e i von Kriegsgefahr" versicherte Schiff Konterbande geladen hat. Das ist ebenso unbegründet wie die Berufung auf H G Z 1898. 2 2 1 . Auch im Falle einer „ F r e i von Kriegsgefahr"-Versicherung des Schiffes ist der Umstand, daß Konterbande geladen ist, von größter Bedeutung. Denn dieser Umstand kann dazu führen, daß die Versicherung später endigt, als sie sonst beendigt sein würde, Versicherungsschäden entstehen, die sonst nicht entstanden wären ( H G B § 8 4 9 ; R G H G Z 1908. 2 2 3 ; vgl. auch N o l t e 2. 1 1 2 ) . O L G H a m b u r g ( H G Z 1908. 2 2 1 ) hat dies keineswegs verkannt; es spricht, im Gegenteil, ausdrücklich aus, daß die Verladung von Konterbande „eine höhere Seegefahr und eine Erhöhung des Risikos für den Versicherer bewirke" (ebenso R G H G Z 1908. 223). Wenn es gleichwohl in der Unterlassung der Anzeige keine Verletzung der Anzeigepflicht erblickte, so lediglich deshalb nicht, weil es auf Grund des § 54 A S V B und der Zusätze hierzu (Mat. 2. 103, 107) annahm, daß die Verpflichtung zur Anzeige der Verladung von Konterbande wegbedungen w a r (ebenso schon O G H a m b u r g H H 731 auf Grund des § 66 AllgPlan 1847). — Alles dies gilt insbesondere auch in denjenigen Fällen, in denen gerade die Nichtanzeige des Umstandes die Beschränkung der Haftung des Versicherers zur Folge hat (vgl. §§ 63, 83, 84). Selbst die Falschanzeige eines solchen Umstandes würde regelmäßig nur die besonderen, in den §§ 63, 83, 84 bestimmten Folgen haben, nicht die im § 20 bestimmte Folge der vollständigen Befreiung des Versicherers. Deshalb bestimmte § 15 AllgPlan 1847 besonders, daß zwar die Nichtanzeige im allgemeinen die Versicherung „annulliere", dies aber „natürlich nur von denjenigen Anzeigen gelte, auf deren Unterlassung nicht andere Präjudize ständen" (vgl. dazu O G H a m b u r g , O A G Lübeck H H 689, auch H a m b S 2. 701). Diese besondere Bestimmung ist schon in die A S V B nicht übernommen; ohne Begründung, aber wohl deshalb nicht, weil man sie für selbstverständlich hielt. Anm. 27
e) Der Umstand braucht, um gefahrerheblich zu sein, auch n i c h t u n m i t t e l b a r a u f d i e v e r s i c h e r t e U n t e r n e h m u n g B e z u g zu haben. Es genügt, daß er einen Schluß auf ihre Gefährlichkeit zuläßt. Ist ζ. B. im Falle einer Vergangenheitsversicherung bekannt, daß andere Schiffe unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen Schaden genommen haben, so muß der Versicherungsnehmer anzeigen ( R O H G 16. 76; vgl. N o l t e 2. 89, auch unten A n m . 33 unter hh). A n m . 28 f ) Hiernach könnte es scheinen, als ob auch solche Umstände angezeigt werden müßten, die zwar geeignet sind, den Entschluß des Versicherers zu b e e i n f l u s s e n , aber i n e i n e m d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r g ü n s t i g e n S i n n e , insbesondere U m stände, die den Versicherer, wenn er sie gekannt hätte, veranlaßt haben würden, eine geringere Prämie zu verlangen. Davon kann natürlich keine Rede sein ( E h r e n b e r g
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334, K i s c h 2. 209, B r u c k - M ö l l e r Anm. 26 zu § 16 V V G ) . Das ergibt sich schon § 1 9 aus der Art des Interessengegensatzes, den ins Gleiche zu bringen § ig bestimmt ist (oben Anm. 7). Umstände, welche die Gefahr kleiner erscheinen lassen, als sie dem Versicherer zu sein scheint, sind für den Versicherungsnehmer, nicht für den Versicherer, nicht für die „Übernahme der Gefahr" erheblich. Ausdrücklich: M I A 18 Abs. 3: . . . need not be disclosed: any circumstance which diminishes the risk. g) „ A l l e " gefahrerheblichen Umstände sind anzuzeigen. Eindringlich fordern Anm. 29 Gesetz und ADS den Versicherungsnehmer auf, auch nicht einen gefahrerheblichen Umstand („nichts": AllgPlan 1847 § 15) zu verschweigen. Auch wenn nur ein Umstand verschwiegen wird und der Versicherungsfall mit dem Umstand nichts zu tun hat, ist der Versicherer nach § 20 Abs. 1 frei. — Andererseits wollen Gesetz und A D S auch nicht wörtlich genommen sein. Was zum Bestände des Durchschnittswissens oder des beim Seeversicherer vorauszusetzenden Fachwissens gehört, braucht der Versicherungsnehmer natürlich nicht „anzuzeigen", n i c h t d i e sogenannten a l l g e m e i n e n T a t s a c h e n oder Erfahrungssätze, also die aus der Induktion gewonnenen Sätze der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. auch K i s c h 2. 201, B r u c k - M ö l l e r Anm. 26 zu § 16 V V G , R G 123. 14 = HansRGZ 1929 Β 1 3 1 ; siehe dazu auch unten Anm. 49), nicht die Tatsachen, die aus der Natur des Risikos resultieren ( R o e l l i 82), nicht general topics of speculation, or every cause which may occasion natural perils, as the difficulty of the voyage, kind of seasons, probability of hurricanes, earthquakes, etc.; or every cause of which may occasion political perils, from the rupture of states, from war, and the various operations of it, upon the probability of safety, from the continuance and return of peace, or from the imbecility of the enemy (Lord Mansfield bei A m o u l d 589 s. 622). Nicht die Umstände, die (aus diesen Gründen) „als dem Versicherer bekannt vorausgesetzt werden durften" (HGB a. F. § 808 Abs. 2). Vgl. auch M I A § 18 Abs. 3 b : The insurer is presumed to know matters . . . which an insurer in the ordinary course of his business, as such, ought to know; auch kalif. BGB § 2566: Each party is bound to know all the general causes . . ., which may effect either the political or material perils contemplated, and all general usages of trade; auch AllgPlan 1847 § 1 5 : Der Versicherte darf nichts „verschweigen, was . . . als u n g e w ö h n l i c h auf des Versicherers Entschluß Einfluß haben konnte". Daß zur Zeit und in der versicherten Reise gefährliche Winde zu wehen pflegen, muß der Seeversicherer wissen, braucht der Versicherungsnehmer nicht anzuzeigen; daß aber in der Gegend der für die Vergangenheit versicherten Reise ein außergewöhnlicher Sturm geherrscht hat, muß angezeigt werden ( R O H G 16. 78, Ο A G Lübeck Kierulff 6. 136). Daß Eisgefahr besteht, wenn Güter im Dezember für eine Leichterreise von Königsberg nach Pillau versichert werden, muß der Versicherer wissen, braucht der Versicherungsnehmer nicht anzuzeigen; daß das Eis feststeht, die Leichterschiffer sich geweigert haben, das Eis mit dem Schlepper zu forcieren, und nur durch besondere Vergütung hierzu zu bewegen gewesen sind, muß angezeigt werden ( V o i g t 226 zum Falle HambS 3. 1 1 3 ) . Ist angezeigt, daß das für den Fischfang im Eismeer versicherte Schiff Ende März von Tromsoe segeln werde, so muß der Versicherer (nach R O H G 4. 87) damit rechnen, daß es den nautischen Verhältnissen zufolge an einem dem Eismeer nahe gelegenen Platze die geeignete Zeit und das geeignete Wetter wird abwarten müssen. Daß Leder auf der Seereise Stockflecken annehmen kann, braucht der Versicherungsnehmer dem Versicherer, der (entgegen dem § 86) auch die Haftung für Stockflecken-Schäden übernimmt, nicht anzuzeigen; aber wenn der Versicherungsnehmer auf die Frage des Versicherers, ob Stockflecken-Schäden häufig seien, die unrichtige Antwort gibt: „ A c h wo, ab und zu mal in den heißen Monaten", so hat der Versicherer zu erkennen gegeben, daß er den Umstand als einen besonderen betrachte, 22*
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d e r Versicherungsnehmer sich dieser Auffassung angeschlossen ( L Z 1910. 234; vgl. jetzt § 21). Ist die besondere Feuersgefahr der zu versichernden G ü t e r n u r d e m Versicherungsnehmer, nicht allgemein bekannt, so bildet sie natürlich keine „allgemeine T a t s a c h e " , keinen „ a l l g e m e i n e r " E r f a h r u n g zugänglichen U m s t a n d u n d ist mithin anzuzeigen (ebenso, mit anderer Begründung, K i s c h 2. 203). Bei d e r Seeversicherung f ü r wilde Tiere (Tiger), die im Kohlenbrückendeck u n t e r g e b r a c h t w a r e n , h a t das H a n s O L G H G Z 1925 N r . 52 = H R Z 1925. 433 = Sasse N r . 336 ausgeführt, als allgemein b e k a n n t m ü ß t e n a u c h U m s t ä n d e b e t r a c h t e t werden, die sich f ü r den gesunden Menschenverstand als selbstverständlich ergäben. Der beklagte Versicherer m ü ß t e sich gesagt h a b e n , d a ß wilde Tiere nicht in den L a d e r a u m verstaut werden könnten, er m ü ß t e sich ferner gesagt h a b e n , d a ß besondere bauliche Einrichtungen des Liniendampfers unter Deck f ü r den T r a n s p o r t von wilden Tieren nicht zu erwarten seien; er m ü ß t e d a h e r auch mit einer U n t e r b r i n g u n g der Käfige in der fraglichen Art gerechnet h a b e n . In H a n s O L G H a n s R G Z 1928 Β 179 = H R R 1928 Nr. 2124 = J W 1 gag. 931 = Sasse N r . 381 heißt es: „ U b e r die Beschaffenheit einer b e k a n n t e n W a r e wie K o p r a u n d über den Einfluß des Transports von I n d i e n nach E u r o p a auf das Gewicht b r a u c h t e die Klägerin d e r Beklagten ebensowenig Belehrung zu erteilen wie etwa über die Gefahren einer bestimmten gewöhnlichen Seereise". I n der Revisionsentscheidung R G 123. 14 = H a n s R G Z 1929 Β 131 = H R R 1929 N r . 639 = J R P V Ι 2 9 9 · 3 2 = J W I 9 2 9 · 93° = Sasse Nr. 35 ist ausgeführt, zu den allgemein b e k a n n t e n U m s t ä n d e n gehörten jedenfalls solche, die in den beteiligten Fachkreisen allgemein b e k a n n t seien. D a z u pflegte der regelmäßige Gewichtsschwund zu gehören, die die W a r e auf der Reise erleide. Siehe ferner H a n s O L G H G Z 1927 N r . 73 (vgl. auch die Revisionsentscheidung R G 116. 224 = H G Z 1927 Nr. 73 = J R P V 1927. 108 = J W 1927. 1359), d a ß als n o r m a l e G e f a h r anzusehen ist, d a ß verzinkter Eisendraht u n d Blechwaren auf langen Seereisen leicht rosten. N a c h O L G Stettin H R Z 1927. 14 = J R P V 1927. 293 = Sasse N r . 362 ist d e r U m s t a n d , d a ß die T a n k d e c k e n bei einer K o h l e n l a d u n g nicht d u r c h Bodengarnier geschützt waren, unerheblich, weil der Versicherer wisse, d a ß K o h l e n d a m p f e r zur Versicherung angeboten w ü r d e n , bei denen das verkehrsübliche Bodengarnier fehle u n d d a ß Greiferschäden a u c h beim Vorhandensein eines Garniers auftreten könnten. A n m . 30 h) Der U m s t a n d m u ß f ü r die Ü b e r n a h m e der Gefahr e r h e b l i c h sein. E r m u ß „geeignet sein, auf d e n Entschluß des Versicherers, sich auf den Vertrag einzulassen", auf seinen Vertragswillen, „ E i n f l u ß z u ü b e n " . So H G B § 806. H i e r a n h a b e n die A D S nichts ä n d e r n wollen. — Der Einfluß k a n n sich d a r i n äußern, d a ß der Versicherer die Versicherung a b l e h n t . O d e r darin, d a ß er b e s o n d e r e B e d i n g u n g e n s t e l l t (ζ. B. höhere Prämie verlangt, zeitlich, örtlich oder sachlich seine H a f t u n g beschränkt). Der U m s t a n d darf also nicht n u r geeignet sein, d e n Versicherer zu sonstigen Schutzmaßregeln zu veranlassen, ζ. B. Rückversicherung zu n e h m e n ( K i s c h 2 . 2 1 0 ) . G e n a u e r also H G B §806: „geeignet, auf den Entschluß des Versicherers, sich auf den V e r t r a g ü b e r h a u p t oder u n t e r d e n s e l b e n B e s t i m m u n g e n einzulassen, Einfluß zu ü b e n " . Ähnlich BSVB § 42 Abs. 2 (nach d e m V o r g a n g des AllgPlans 1847 § 15): „ . . . ü b e r a l l , oder so w i e g e s c h e h e n , auf die Versicherung einzulassen". Vgl. auch die d u r c h die V O v. 19. D e z e m b e r 1939 geschaffene jetzige Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 2 V V G : Erheblich sind die G e f a h r u m s t ä n d e , die geeignet sind, auf den Entschluß des Versicherers, d e n V e r t r a g ü b e r h a u p t oder zu d e m vereinbarten I n h a l t abzuschließen, einen Einfluß auszuüben. Siehe R G 112. 149, 123. 10 = H a n s R G Z 1929. 1383 = J W 1929. 933, H a n s O L G H a n s R G Z 1928 Β 435 u n d 1935 Β 615. Vgl. a u c h M I A § 18 Abs. 2 . . . in fixing the p r e m i u m , or determining whether he will take the risk. Nicht hierher gehören U m s t ä n d e , die Art § 19
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und U m f a n g des versicherten Interesses betreffen (vgl. oben Anm. 24), deshalb auch § 1 9 nicht die Überversicherung ( H a n s O L G H a n s R G Z 1929 Β 35 = Sasse Nr. 392). i) Der Umstand muß also „ g e e i g n e t " sein, auf den Entschluß des Versicherers Anm. 31 Einfluß zu üben ( H G B § 806 Abs. 1 ; ähnlich § 16 Abs. 1 Satz 1 V V G ; siehe dazu auch H a n s O L G H a n s R G Z Β ηοη — Sasse Nr. 434). E r muß „ a u f den Entschluß des Versicherers von Einfluß sein k ö n n e n " ( B S V B § 4 2 Abs. 2; ebenso bereits P r e u ß A L R I I 8. 2026, AllgPlan 1847 § 15). Nichtanzeige und Entschluß müssen in einem bestimmten ursächlichen Z u s a m m e n h a n g stehen, und zwar in einem Zusammenhang, der sich dadurch auszeichnet, daß sein Beweis erleichtert ist (vgl. auch O L G Colmar L Z 1 9 1 1 . 879). Der Versicherer braucht nicht zu beweisen, daß die Anzeige ihn beeinflußt haben w ü r d e oder die Nichtanzeige ihn beeinflußt h a t . E r braucht nur zu beweisen, daß die Anzeige ihn h ä t t e beeinflussen k ö n n e n , die Nichtanzeige ihn h a t beeinflussen k ö n n e n , daß er m ö g l i c h e r w e i s e den Vertrag „überall nicht, oder nicht so wie geschehen" geschlossen haben würde, wenn der Umstand angezeigt wäre (vgl. auch § 24 Abs. 2, § 24 Anm. 29). Immerhin wäre dazu nötig, daß der Versicherer die Grundsätze darlegte und bewiese, die gerade für ihn und nur für ihn bei der Übernahme von Versicherungen maßgebend sind. U n d die Anzeigepflicht würde verletzt, der Versicherer frei sein, wenn ihm gelänge zu beweisen, daß er nach seinen Grundsätzen möglicherweise den Vertrag nicht oder anders geschlossen haben würde, falls der Umstand angezeigt worden wäre, — mögen seine Grundsätze auch noch so sehr von den sonst üblichen abweichen. Beides ist abzulehnen. Schon das P r e u ß A L R I I 8. 2026 hob hervor, daß die Umstände anzuzeigen seien, die „ n a c h v e r n ü n f t i g e m E r m e s s e n des Sachkundigen" Einfluß üben könnten. Ebenso AllgPlan 1847 § 15. V o n demselben Gedanken waren die Urheber des A D H G B geleitet (Prot. 3146) und diejenigen des V V G (Begr. z. V V G §§ 16—22). Nach § 18 Abs. 2 M I A ist jeder Umstand gefahrerheblich, which would influence the judgment of a p r u d e n t insurer . . . Der Versicherer muß beweisen und braucht nur zu beweisen, daß der Umstand „objektiv" nach der Verkehrsanschauung geeignet ist, e i n e n Versicherer zu beeinflussen ( E h r e n b e r g 3 3 5 , K i s c h 2. 2 1 3 , Ehrenzweig V V 8 1 , P r ö l ß A n m . 2 zu §§ 16, 17 V V G , R G 13. 1 1 0 , 73. 3 6 1 , J W 1884. 2 1 4 , Recht 1 9 1 0 Nr. 1453, H G Z 1887. 139, O A G Lübeck H a m b S 2. 261, 3. 389, O G H Z V e r s R 1950. 1 0 1 ) . Auf die besonderen Anschauungen oder geschäftiichen Grundsätze gerade dieses Versicherers kommt es nicht an (a. M . B r u c k - M ö l l e r Anm. 25 zu § 16 V V G im Hinblick auf die Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 2 durch die V O v. ig. Dezember 1939: es komme auf den Standpunkt des einzelnen Versicherers an. Ein Versicherer mit vorsichtiger Risikoauslesepraxis werde eher einen Vertragsabschluß scheitern lassen oder einen Prämienzuschlag oder eine Risikobeschränkung vereinbaren als ein „großzügiger" Versicherer. Eine rein objektive Beurteilung der Erheblichkeit sei nach der Einfügung des § 16 Abs. 1 Satz 2 V V G nicht mehr möglich; S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 19 A D S ; siehe auch unten A n m . 32). Daß in vereinzelten Fällen andere Versicherer sich durch den Umstand haben beeinflussen lassen oder, umgekehrt, sich nicht haben beeinflussen lassen, ist ohne Bedeutung ( R G 13. 1 1 1 , H G Z 1887. 139). So wird insbesondere auch R G 13. i n zu verstehen sein (abw. L G Hamburg H G Z igog. 153). Nach R G 13. 1 1 1 brauchen solche Tatsachen nicht angezeigt zu werden, „welche nur dazu geeignet sind, in der Vorstellung des Versicherers einen Verdacht zu erregen". Die Entscheidung fährt jedoch fort: „ i n der Vorstellung des b e t r e f f e n d e n Versicherers", also wohl in der Vorstellung gerade d i e s e s Versicherers. Umstände, die geeignet sind, in der Vorstellung e i n e s Versicherers, des prudent insurer, Verdacht zu erregen, sind natürlich anzuzeigen ( O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 346). O b ein Umstand gefahrvoll ist, richtet sich „ n a c h der gesamten Sachlage" (Begr. z. V V G §§ 1 6 — 2 2 ; B r u c k -
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§ 1 9 M ö l l e r Anm. 25 zu § 16 V V G : Gesamtheit aller Umstände, und eine Mehrzahl geringfügiger Umstände kann doch in ihrer Summe den Entschluß des Versicherers beeinflussen), n a c h d e r L a g e des F a l l e s u n d n a c h d e r V e r k e h r s a n s c h a u u n g . Whether any particular circumstance . . . be material or not is, in each case, a question of fact (MIA § 18 Abs. 4). Uber die Verkehrsanschauung kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen Sachverständige hören (ZPO § 144; Begr. z. V V G §§ 16—22, O G Hamburg H H 33). — Ob der Versicherungsnehmer den objektiv gefahrerheblichen Umstand für gefahrerheblich oder für gefahrunerheblich hält, ist natürlich auch ohne Bedeutung (vgl. K i s c h 2. 248 und die dort angeführten Entscheidungen, O A G Lübeck HambS 2. 1065, HansOLG HansRGZ 1928 Β 435 = Sasse Nr. 389). Ebenso, daß er einen gefahrunerheblichen Umstand für gefahrerheblich hält. Selbst absichtliche Verschweigung eines gefahrunerheblichen Umstandes wäre ohne Bedeutung ( M e y e r Anzeigepflicht 57, O A G Lübeck HambS 2. 1065), wenn nicht § 21 absichtlich verschwiegene Umstände für ohne weiteres gefahrerheblich erklärte. Hat der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand ohne Verschulden für gefahrunerheblich gehalten und deswegen nicht angezeigt, so ist der Versicherer nicht frei, erhält aber dafür eine Zuschlagsprämie (§ 20 Abs. 2, 3). Anm. 32 k) Unerheblich ist also ein Umstand, der zwar nach Lage des Falles und nach der Verkehrsanschauung ungeeignet ist, den Entschluß des Versicherers zu beeinflussen, der aber, aus welchen Gründen immer, tatsächlich diesen Versicherer beeinflußt, abgehalten haben würde, die Versicherung, sei es überhaupt, sei es zu diesen Bedingungen, zu übernehmen (auch bei B r u c k - M ö l l e r Anm. 25 zu § 16 V V G heißt es: „Richtig ist nur, daß Umstände, die — objektiv betrachtet — ganz indifferent sind, auch dann nicht berücksichtigt werden können, wenn unverständlicherweise ein Versicherer auf sie Gewicht legt). Es liegt daher nahe, auch, umgekehrt, anzunehmen, daß Umstände gefahrerheblich sind, die zwar nach Lage des Falles und nach der Verkehrsanschauung geeignet sind, den Entschluß des Versicherers zu beeinflussen, die aber, aus welchen Gründen immer, tatsächlich d i e s e n V e r s i c h e r e r n i c h t b e e i n f l u ß t , nicht abgehalten haben würden, die Versicherung zu übernehmen. Das ist auch ζ. B. die Auffassung von P a u l i Z H R 1. 377, P h i l l i p s s. 681, O G Zürich Samml. V rechtl. Urt. Nr. 77, auch wohl R G Recht 1910 Nr. 1453, O A G Lübeck HambS 3. 108, O L G Colmar L Z 1 9 1 1 . 879. Das Ergebnis wäre seltsam. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung würde nur Erfolg haben, wenn der Getäuschte durch die Täuschung bestimmt, beeinflußt ist (BGB § 123). Auf die Nichtanzeige würde der Versicherer sich auch dann berufen können, wenn er durch sie nicht beeinflußt ist. Der Interessengegensatz, den § 19 ausgleichen will (oben Anm. 7), wird von dieser Frage gar nicht berührt. Der Versicherungsnehmer kann daher einwenden, daß der Umstand zwar im allgemeinen gefahrerheblich sei, aber gleichwohl diesen Versicherer nicht abgehalten haben würde, die Versicherung zu diesen Bedingungen zu übernehmen. Ebenso R G 1 1 2 . 149 = J R P V 1926. 66 = Sasse Nr. 12, E h r e n b e r g 335, M e y e r Anzeigepflicht 60, S i e v e k i n g 55, A P V 1 9 0 4 . 7 1 , Bolze 11 Nr. 416, O L G Naumburg Gerhards Praxis 2. 92, WallmannsZ 47. 665. Ebenso auch V o i g t 189, der freilich ohne Grund annimmt, daß der Versicherungsnehmer die exceptio doli habe (ebenso Roelli 74) und sich mit Unrecht auf O A G Lübeck HambS 2. 154 beruft (wo nur ausgeführt wird, daß „selbst wenn man es zugebe, daß . . . der Versicherte sich der Replik des Dolus würde bedienen können", diese doch nach Lage des Falles nicht begründet sei). Auch K i s c h 2. 216, der das Gesetz so auslegt, wie wenn es lautete: „Umstände, die für die Übernahme der Gefahr durch den (diesen) Versicherer erheblich sind", oder „die geeignet sind, auf den Entschluß des (dieses) Versicherers Einfluß zu üben"; eine nicht unbedenkliche Auslegung, weil sie zu der Annahme führen müßte, daß der Ver-
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sicherer auch einwenden kann, der Umstand sei zwar objektiv gefahrunerheblich, aber § 1 9 für ihn, nach seinen besonderen Anschauungen oder Grundsätzen, gefahrerheblich. Auch B r u c k - M ö l l e r A n m . 25 zu § 16 V V G (vgl. oben A n m . 3 1 ) . Übrigens muß der Versicherungsnehmer b e w e i s e n , daß der Versicherer auch im Falle der Anzeige des objektiv gefahrerheblichen Umstandes die Versicherung übernommen haben würde. Dieser Beweis wird ihm kaum j e gelingen. Denn es würde nicht genügen, wenn er behaupten und beweisen würde, daß der Versicherer in anderen Fällen den objektiv gefahrerheblichen Umstand als unerheblich betrachtet und behandelt hat ( V o i g t 190, Recht 1 9 1 0 Nr. 1453, O L G Naumburg Gerhards Praxis 2. 92, R o e l l i 75). E r würde beweisen müssen, daß der Versicherer den Umstand auch in d i e s e m Falle als unerheblich behandelt haben würde, oder daß er ihn nach seinen geschäftlichen Grundsätzen a l l g e m e i n als unerheblich behandelt. 12. § 21 führt einige B e i s p i e l e gefahrerheblicher Umstände an. Absichtlich ver- Anm. 33 schwiegene Umstände gelten ohne weiteres als gefahrerheblich. Der Versicherungsnehmer wird in diesem Falle sogar nicht einmal zu dem Beweise zugelassen, daß der absichtlich verschwiegene Umstand objektiv nicht gefahrerheblich sei (wohl aber zu dem Beweise, daß der Umstand subjektiv gefahrunerheblich sei: § 21 A n m . 3). — Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat, gelten nur „ i m Z w e i f e l " als gefahrerheblich. Der Versicherungsnehmer wird (auch) zu dem Beweise zugelassen, daß der Umstand objektiv nicht gefahrerheblich sei. — Weitere Beispielfälle gefahrerheblicher und gefahrunerheblicher Umstände: a) H G H a m b u r g Ullrich Nr. 16g. Kaskoversicherung. Gefahrerheblich, daß der Reeder das Schiff einem Kapitän anvertraut, der bereits einmal sein Schiff absichtlich weggesetzt hat; die Tatsache, daß der leitende Maschinist mit vier J a h r e n Zuchthaus bestraft w a r und zur Zeit der Reise ein fünfjähriger Ehrverlust noch nicht abgelaufen war ( H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 707 = A P V 1935. 36 = Sasse Nr. 434). b) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 2. 1060. Nachversicherung von Kasko und Fracht für die Reise von Konstantinopel nach London. Auf der Vorreise von Odessa nach Konstantinopel hatte das Schiff Stürme bestanden und w a r unerheblich beschädigt worden. I n Konstantinopel war es mit einem anderen Schiffe zusammengestoßen und wieder unerheblich beschädigt worden. Der Kapitän hatte infolge dieser Ereignisse geschrieben, daß er zu unruhig sei, um ohne vollständige Versicherung die Reise fortzusetzen, und die Nachversicherung veranlaßt. Die Beschädigungen waren beseitigt. Die Umstände wurden für nicht gefahrerheblich angesehen; auch nicht in Verbindung mit dem Umstand, daß es sich um eine Nachversicherung handelte. c) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 2. 258. Das für die Reise von Stockholm nach Marseille bestimmte Schiff wurde unterwegs beschädigt, lief Helsingör als Not- und Reparaturhafen an, wurde vollständig wiederhergestellt und für die Reise Helsingör—Marseille versichert. Gefahrunerheblich, daß die L a d u n g bereits in Stockholm eingenommen war, und daß das Schiff beschädigt worden war und Helsingör als Nothafen angelaufen hatte. Vgl. aber auch § 45 A S V B und dazu unten unter ii. d) R O H G 16. 58. Das Schiff war auf der Reise von Petersburg nach Schottland in Kopenhagen schwer beschädigt. Nach Taucherbesichtigung nahm der Reeder für die Reise von Kopenhagen nach M a c d u f f Versicherung. Die schwere Beschädigung, deren Tragweite nicht vollständig zu übersehen war, und deren Folgen nur oberflächlich beseitigt waren, bildete einen gefahrerheblichen Umstand. Anders, wenn der Schaden vollständig beseitigt worden wäre oder werden sollte oder nur unerheblich gewesen wäre. V g l . hierzu H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 2. 258 (oben unter c), 2. 1060 (oben unter b), H G H a m b u r g H H 22 (unten unter e), H G Z 1873. 347, 349. — Nach § 47 A S V B mußte angezeigt werden, daß das Schiff „noch in er-
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§ 1 9 heblicher Reparatur liegt". Der Grund dieser Bestimmung war aber wohl nur die Gefahrerheblichkeit der von der Reparatur erwarteten Verzögerung (vgl. V o i g t 264, H G Z 1889. 6). In diesem Sinne ist der Umstand natürlich auch jetzt noch gefahrerheblich (vgl. § 23 Abs. 2 Nr. 1). Ε i g i o § 23 Nr. 4 bestimmte zwar besonders, daß Umstände anzuzeigen seien, die eine Verzögerung der versicherten Reise herbeizuführen geeignet seien. U n d diese Bestimmung ist gestrichen. Aber nicht deshalb, weil die Umstände nicht als gefahrerheblich anzusehen sind, sondern weil die Gefahrerheblichkeit nach L a g e des Falles beurteilt werden soll. e) H G u. O G H a m b u r g H H 22. Frachtversicherung. Das Schiff hatte nach Einnahme der L a d u n g und kurz vor dem Vertragsschluß einen Zusammenstoß, wurde vom Gegensegler arrestiert, infolgedessen im Abgangshafen Buenos Aires zurückgehalten, hier nach Beginn der Versicherung vom Sturm überrascht und strandete. Gefahrerheblich w a r der Umstand, daß der Gegensegler Schadensersatzansprüche erhob. Gefahrerheblich auch schon der Umstand, daß das Schiff zusammengestoßen w a r und deshalb Gefahr lief, vom Gegensegler in Anspruch genommen zu werden. Gefahrerheblich auch der Umstand, daß das Schiff beim Zusammenstoß erheblich beschädigt war. Vgl. auch oben unter d. f ) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 2. 140. Kaskoversicherung für die Reise von Hull nach Riga. Gefahrerheblich, daß das Schiff ein nur 2 y 2 Fuß engl, tief gehender, für den Verkehr zwischen R i g a und Mitau bestimmter Flußschlepper war. — Ist das Schiff dem Versicherer nach Größe, Tiefgang, Wert usw. so beschrieben, daß die Eigenschaft des Schiffes als eines Flußschiffes ohne weiteres erkennbar ist, so kann dem Versicherer überlassen bleiben, die Schlußfolgerung zu ziehen ( H G u. O G Hamburg H G Z 1873. 346). g) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H H 404. Kaskoversicherung für die Reise von K i e l nach H a m b u r g in Ballast und/oder in Ladung. Gefahrunerheblich, daß das Schiff die versicherte Reise erst nach einigen Wochen antreten soll. h) H G H a m b u r g H G Z 1870. 229. Kaskoversicherung für die Vergangenheit. Gefahrerheblich, daß in Schiffahrtsnachrichten über den Untergang eines Schiffes berichtet war, das möglicherweise das zu versichernde ist. Vgl. auch Morrison v. Universal M a r . Ins. Co. 1873 bei A r n o u l d 582 s. 614. i) H G u. O G Hamburg H G Z 1874. 220. Kaskoversicherung. Nicht gefahrerheblich, daß das Schiff nicht klassifiziert ist. Vgl. dazu V o i g t 220: Gefahrerheblich, daß ein anerkanntes Klassifikationsinstitut die Erteilung einer Klasse abgelehnt hat. Auch L G H a m b u r g J R P V 1926. 254 = Sasse Nr. 706 hat die Nichtklassifizierung eines erstklassigen Schiffes nicht als gefahrerheblichen Umstand angesehen. k) R G 19. 3. Kaskoversicherung. Gefahrerheblich, daß der Reeder den K a p i t ä n angewiesen oder ermächtigt hat, dort, wo Lotsenzwang besteht oder nach seemännischem Herkommen ein Lotse angenommen wird, ohne Lotsen zu fahren. 1) O A G Lübeck W u n d e r l i c h 1. 337. Kaskoversicherung für Rechnung eines ungenannten Dritten. Nicht gefahrerheblich, daß der Versicherte K a p i t ä n ist, das (zu hoch) versicherte Schiff aber nicht selbst führt. Ebenso, daß das Schiff dem Versicherungsnehmer verpfändet war. Vgl. auch unten unter dd. m) Die Staatszugehörigkeit des zu versichernden Schiffes ist im allgemeinen gefahrunerheblich. Vgl. auch M I A 3 7 : There is no implied warranty as to the nationality of a ship . . . Anders nach L a g e des Falles, so etwa, wenn die Staatszugehörigkeit durch einen Scheinkauf begründet ist (Hutchinson & Co. v. Aberdeen Sea J . Co. 1876 bei A r n o u l d 530 s. 560), oder wenn das Schiff unter falscher Flagge fährt ( R G 7. 15). n) H G Hamburg H G Z 1878. 205. Versicherung eines Kahns für die Reise von H a m b u r g nach Berlin, auch für die Vergangenheit. Gefahrerheblich, daß der K a h n bis
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Müggendorf gekommen und von dort wegen der Eisgefahr nach Schnackenburg zurück- § 1 9 gekehrt war. o) H G Z 1880. 3 6 1 . Frachtversicherung. Gefahrunerheblich, daß das Schiff verbodmet war. Ebenso, daß nach dem Bodmereibrief die Bodmereiforderung schon im Nothafen fällig war. Denn der Versicherer haftet (gemäß § 46) nicht, wenn der Bodmereigläubiger die Versteigerung des Schiffes im Nothafen herbeiführt. Unrichtig H G Z 1880. 3 6 1 : Gefahrunerheblich, weil „ n a c h § 137 Abs. 2 A S V B . . . der durch Verkauf des Schiffes bewirkte Frachtverlust nur dann zu Lasten des Versicherers sei, wenn der Verkauf wegen . . . Reparaturunfähigkeit des Schiffes stattgefunden h a b e " ; denn diese Bestimmung ließ die Haftung des Versicherers für den durch dritte herbeigeführten Frachtverlust unberührt. — Mißverständlich auch H G H a m b u r g H G Z 1 8 7 1 . 2 2 5 : Die Verbodmung der Fracht sei anzuzeigen, „weil der Bodmereibrief den Gegenstand der Assekuranz angreife". Gemeint ist wohl, daß das Frachtinteresse durch die Verbodmung der Fracht beeinträchtigt wird und deshalb im allgemeinen nur der Bodmereigläubiger, nicht mehr der Frachtgläubiger versichern kann (§ 1 Anm. 106). p) Mercantile Steamship Co. v. Tyser 1881 ( A r n o u l d 588 s. 620). Frachtversicherung. Gefahrerheblich, daß die Chartepartie die cancelling clause enthielt, also die Klausel, daß der Charterer das Frachtverhältnis aufheben kann, wenn das Schiff nicht zur bestimmten Zeit im Abladehafen eintrifft. Anders Inman Steamship Co. v. Bischoff 1882 und A r n o u l d a. a. O . : Der Versicherer hafte nicht, weil die Fracht not by any perils insured against, but by the exercise of the option verlorengegangen sei. — Ebenso, wenn die Chartepartie die Klausel enthält, daß der Frachtvertrag ohne weiteres als aufgehoben gelten soll, wenn das Schiff nicht zur bestimmten Zeit im Abladehafen eintrifft. V g l . A r n o u l d a. a. O., der in diesem Falle den Versicherungsnehmer fur anzeigepflichtig hält, weil, if in consequence of a peril insured against, the ship did not arrive on that day, there would be a loss of freight caused directly by such a peril. q) T h e Alps 1893, T h e Beduin 1894 ( A r n o u l d 726 s. 770). Bei der ZeitfrachtVersicherung braucht nicht angezeigt zu werden, daß der Frachtvertrag eine Klausel enthält, wonach, solange das Schiff nicht betriebsfähig ist, keine Fracht gezahlt zu werden braucht. Denn derartige Klauseln (wie ζ. B. auch die twenty-four-hours-Klausel, wonach, wenn das Schiff mehr als 24 Stunden betriebsunfähig ist, keine Fracht gezahlt zu werden braucht) sind verkehrsüblich. Die Frage ist übrigens vom Standpunkt der A D S ohne Bedeutung: § 105 Abs. 5. r) R O H 7. 395, H G u. O G Hamburg 1 8 7 1 . 396, 1872. 143. Versicherung von Überfahrtsgeld für die Reise von Antwerpen nach Hamburg. Nicht gefahrerheblich, daß das Schiff in Antwerpen an einer zwar gefährlichen, aber von Hafenbeamten angewiesenen Stelle (Devils hole) lag, „ d e r vollen K r a f t des Windes und der Tide, verstärkt durch besondere Wirbel und Gegenströmungen," ausgesetzt und vorübergehend festgeraten war. s) H G u. O G Hamburg H H 9 1 . Eisenbleche, die seit Oktober im Schiffe lagen, wurden im M a i folgenden J a h r e s für die Reise von Kronstadt nach Newyork versichert. Gefahrerheblich, daß die Bleche während des ganzen Winters im Schiffe gelegen hatten. Ebenso O G Hamburg, O A G Lübeck Seebohm 53. t) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 3. 1 1 3 . Es wurde im Dezember Weizen für die Reise von Pillau nach Grangemouth inklusive Leichterbeförderung von Königsberg nach Pillau versichert und angezeigt, daß der Weizen mit den Leichtern verladen sei. Daß Eisgefahr besteht, ist zwar gefahrerheblich, aber im Dezember eine T a t sache allgemeiner Erfahrung. Die Anzeigepflicht würde verletzt sein, wenn die Eisgefahr besonders groß gewesen wäre, und die Leichterschiffer nur durch besondere Belohnung veranlaßt worden wären, sich ihr auszusetzen (vgl. ( V o i g t 226).
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u ) H G U. O G Hamburg H H 143. Güterversicherung für die Reise von Hamburg nach Glasgow via Grangemouth. Der Umstand, daß die Güter in Grangemouth in Leichter umgeladen und auf dem Kanal weiterbefördert werden, ist gefahrerheblich, aber Erfahrungstatsache. Letzteres wäre nicht der Fall, wenn wegen der Umladung regelmäßig eine Prämie gefordert würde und diese nicht gefordert ist. v) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H H 646. Güterversicherung für die Reise von London nach Hamburg. Gefahrerheblich, daß die Güter schon in Malaga eingenommen waren und das Schiff London als Nothafen angelaufen hatte. Denn es seien „Zweifel zulässig, ob die Güter auch in unbeschädigtem Zustand in London gewesen, und ob nicht, wenn auf der ferneren Reise eine Beschädigung entstände, nicht zugleich ein alter, von den Assekuradeurs nicht versicherter Schaden ihnen aufgebürdet werden könne". Siehe über das Anlaufen eines Nothafens auch H a n s O L G H G Z 1927 Nr. 130 = H R Z 1927. 939 = Sasse Nr. 373. w) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H G Z 1868. 222, 331, 1870. 153, R O H G 3. 234. Güterversicherung für eine Reise von Demerara nach Newyork, und zwar auch für die Vergangenheit. Das Schiff war am 10. März gesegelt. Seit dem 8. April versuchte der Interessent, die Güter in Newyork zu versichern; aber ohne Erfolg, da die Assekuradeure der Meinung waren, das Schiff sei bereits über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben. A m 15. April gelang die Versicherung über London in Hamburg. Gefahrerheblich, daß das Schiff überfällig war; doch genügt insoweit die Anzeige, wann das Schiff segelfertig gewesen ist; dem Versicherer bleibt überlassen, hieraus die nötigen Schlüsse zu ziehen. Gefahrerheblich, daß im März und April auf der Reisestrecke gefährliche Winde geherrscht haben, aber Erfahrungstatsache (vgl. aber auch unten unter hh, Anm. 35 und Anm. 38 unter c). Gefahrunerheblich, daß andere Assekuradeure abgelehnt hatten, die Versicherung zu übernehmen; denn im Seeversicherungs-Verkehr wird auf diesen Umstand im allgemeinen ebensowenig Gewicht gelegt, wie auf frühere Schäden (ebenso R G 13. I i i , H G Hamburg H G Z 1873.347; anders im Binnenversicherungs-Verkehr: R G 13. 110, oben Anm. 25).
x) H G Z 1905. 116. Laufende Güterversicherung. Gefahrunerheblich, daß dem Versicherungsnehmer „ v o n seiner bisherigen Versicherungsgesellschaft mit Rücksicht auf die andauernd großen Schäden an Faßverladungen nach Malaga die (laufende) Versicherung gekündigt" ist. Vgl. aber auch oben Anm. 25. y) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck HambS 1. 371. Güterversicherung für die Reise von Havana nach Havre. Gefahrerheblich, daß die Güter in Veracruz verladen waren, das Schiff Havana als Not- und Reparaturhafen angelaufen hatte und demgemäß in Havana keine Konnossemente gezeichnet waren. „Einmal frage es sich schon, ob die Assekuradeure, wenn sie gewußt hätten, daß die Güter bis . . . Havana unversichert gewesen seien, aus dem auffallenden Umstand, daß für die weitere Reise Versicherung genommen werde, nicht ein Bedenken geschöpft haben würden. Zweitens aber hätte den Versicherern . . . mit Grund ein Zweifel darüber entstehen können, ob die Güter auch in unbeschädigtem Zustand in Havana wieder eingeladen seien und ihnen daher, wenn auf der weiteren Reise eine fernere Beschädigung derselben entstände, nicht zugleich ein alter, von ihnen nicht versicherter Schaden aufgebürdet werden könne". Vgl. auch oben unter v. z) H G Hamburg H G Z 1870. 202. Güterversicherung für die Vergangenheit. Gefahrerheblich, daß das Schiff wegen schlechten Wetters einen Zwischenhafen aufgesucht und dort einen Frachtvorschuß aufgenommen hat. Vgl. auch H G Marseille bei N o l t e 2. 19. aa) O L G Hamburg R G H G Z 1902. 55. Güterversicherung ab Bord Sewastopol nach Orechowa. Gefahrerheblich, daß bei der Verzollung in Sewastopol die Güter längere Zeit im Freien lagern müßten. Aber es handle sich um eine Tatsache der
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allgemeinen Erfahrung. „ D e r gewerbsmäßige Versicherer sei in der Lage, sich von . . . 8 1 9 allgemeinen, das . . . Risiko beeinflussenden Umständen Kenntnis zu verschaffen (worauf es offenbar nicht ankommt, vgl. § 20 A n m . 1 5 und K i s c h 2. 203); der Versicherungsnehmer dürfe gutgläubig davon ausgehen, daß dem Versicherer . . . solche Umstände bekannt seien. Wenngleich die bona fides erfordere, daß der Versicherungsnehmer, der . . . gewahr werde, daß der Versicherer sich dennoch über den U m f a n g des Risikos in Unkenntnis befinde, denselben aufkläre, so liege ein solcher Fall doch hier nicht vor. Es handle sich um . . . das in Sewastopol übliche Verfahren beim Transport von Massengütern . . . Sewastopol sei der bedeutendste Platz Südrußlands . . . Bei einem gewerbsmäßigen Versicherer müsse vorausgesetzt werden", daß er jenes Verfahren kenne. Daß frühere Versicherer sich gegen die besondere Gefährlichkeit des Verfahrens durch besondere Klauseln geschützt hätten, sei unerheblich. bb) H G u. O G Hamburg H G Z 1 8 7 1 . 226. Güterversicherung. I m allgemeinen ist gefahrunerheblich, daß Schiff und Fracht verbodmet sind. Anders, wenn Arrest in das Schiff droht oder schon vollstreckt ist und hiervon eine Verzögerung oder Verhinderung der versicherten Reise zu befürchten ist. cc) R G 9. 1 1 9 , H G Z 1883. 73, T a t e v . Hyslop 1885 ( A r n o u l d 587 s. 620). Güterversicherung mit Einschluß des Leichterrisikos. Gefahrerheblich, daß im Leichtervertrag die Haftung des Leichterschiffers über das übliche M a ß hinaus beschränkt ist. Näheres: § 87 Anm. dd) O A G Lübeck L ü b S 1. 281. Güterversicherung. Nicht gefahrerheblich, daß der Kapitän Eigentümer der Güter ist. Anzeige davon nicht üblich. Vgl. § 20 A n m . 28 unter kk. ee) H G Hamburg Ullrich Nr. 249. Güterversicherung für die Vergangenheit. Gefahrerheblich, daß die Kapitäne anderer Schiffe berichtet hatten, das Schiff, in dem die Güter verladen waren, würde bereits eingetroffen sein, wenn das K u p f e r sieht nicht vom Schiff gelöst hätte und das Schiff deshalb verhindert gewesen sei, schnell zu segeln. ff) H G Z igoo. 136. Nachversicherung auf „imaginären Gewinn resp. Mehrwert" von Baumwolle auch f ü r die Vergangenheit am 28. J a n u a r 1899. Gefahrerheblich, daß die Durchkonnossemente (ab Portsmouth in den VerSt. von Amerika) schon Ende Oktober oder Anfang November am Bestimmungsort eingetroffen waren, über den Verbleib der (tatsächlich schon am 16. November 1899 vor der Elbe mit dem Schiffe verunglückten) Güter aber nichts bekannt geworden war. Erschwerend, daß die Police neben dem Vordruckvermerk: „ A l s letzte Nachricht wurde aufgegeben:" einen Strich enthielt, und daß der Versicherungsnehmer die Frage des Versicherers, ob etwas „präjudizierlich bei der Versicherung sei", verneint hatte. — In Wirklichkeit kam es auf alles dies nicht an. Die Versicherung war gar nicht für die Vergangenheit genommen. Der Versicherer mußte vielmehr „annehmen, daß . . . die Ware erst nach Abschluß der Police (richtiger: des Vertrags) werde verladen werden". Der Versicherer haftete nicht, weil der Versicherungsfall schon vorher eingetreten war. gg) H G u. O G H a m b u r g H H 386. Bodmereigelder-Versicherung für die Reise von Helsingör nach Riga. Gefahrerheblich, daß das Ballastschiff beabsichtigte, Danzig und Memel anzulaufen, um L a d u n g zu suchen. hh) R O H G 16. 77. Rückversicherung zweier in chinesischen Gewässern fahrender Schiffe für die Vergangenheit. Gefahrerheblich ist der einer Zeitung entnommene U m stand, daß nach Abfahrt der Schiffe in den chinesischen Gewässern ein orkanartiger Sturm geherrscht hatte, viele Schiffe dadurch verlorengegangen und zwei andere Schiffe entmastet zurückgekehrt waren. — Vgl. dazu Ely v. Halett 1804 ( A r n o u l d 583 s. 6 1 5 ) . Der Versicherungsnehmer hatte bestimmte Nachrichten über einen heftigen Sturm, in den das Schiff hineingeraten war, sich aber darauf beschränkt anzuzeigen, daß there had been blowing weather and severe storms on the coast.
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ii) Nach § 43 ASVB galt, wenn die Versicherung nicht a m Orte des Reiseantritts genommen war, als gefahrerheblich, daß der Versicherungsauftrag oder die Benachrichtigung nicht „direkt mit der letzten Post" vom Orte des Reiseantritts gekommen war, und daß das Schiff zur Zeit des Versicherungsauftrags oder der Benachrichtigung nicht mehr an jenem Orte gelegen hatte (vgl. dazu H G H a m b u r g H G Z 1872. 247). Denn es ist f ü r den Versicherer von Bedeutung zu wissen, wann ungefähr die Versicherung begonnen hat oder beginnen wird. — Nach § 44 ASVB galt es als gefahrerheblich, d a ß das Schiff a m O r t e des Reiseantritts noch nicht angekommen war. Denn es ist f ü r den Versicherer von Bedeutung zu wissen, wann ungefähr die Versicherung beginnt. Auch können vor der Ankunft des Schiffes a m Orte des Reiseantritts Schäden entstanden sein, die leicht dem Versicherer zur Last gelegt werden können (vgl. oben Anm. 25 und unter v, y). — Nach § 45 ASVB galt als gefahrerheblich, daß das Schiff bereits vom Orte des Reiseantritts abgefahren oder aus See dorthin zurückgekehrt, oder daß der Ort, an dem die Versicherung beginnen soll, ein O r t war, den das Schiff unterwegs angelaufen hatte (vgl. hierzu H G u. O G H a m b u r g H G Z 1870. 154, 185; ähnlich BSVB § 42 Nr. 4). — Ε i g i o § 23 hatte diese Bestimmungen teilweise übernommen. Sie sind weggelassen, — nicht etwa, weil m a n die bezeichneten Umstände f ü r allgemein gefahrunerheblich hielt, sondern weil sie unter den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr als allgemein gefahrerheblich angesehen werden können, die Gefahrerheblichkeit vielmehr nach Lage des Falles beurteilt werden soll. — Der Umstand, daß das Schiff die versicherte Reise bereits angetreten hat, ist insbesondere im Falle einer Vergangenheitsversicherung dann gefahrerheblich, wenn seitdem so lange Zeit verstrichen ist, d a ß „eine ungünstige Vermutung entstehen m u ß " ( H G H a m b u r g H G Z 1873. 202). Vgl. auch oben unter w, ff, unten Anm. 38 unter a. kk) Nach § 41 ASVB mußte bei der Versicherung von Bodmereigeldern angezeigt werden, „ d a ß der Bodmereibrief f ü r eine ältere vor Antritt der versicherten Reise entstandene Schuld gezeichnet" w a r ; mangels solcher Anzeige sollte „die Versicherung für den Versicherer unverbindlich und die Prämie verfallen" sein (ebenso BSVB § 50 Abs. 4, Ε 1910 § 23 Abs. 4 und schon AllgPlan 1847 § 4). Daß es sich um eine ältere Bodmereischuld handelt, ist indessen für die Ü b e r n a h m e der Gefahr im allgemeinen unerheblich. Erheblich ist dagegen, daß jüngere und der versicherten Bodmereiforderung deshalb vorgehende Rechte Dritter bestehen und die Deckung der Bodmereigelder schmälern. Deshalb m u ß vielmehr „ausdrücklich angegeben werden, wenn auf demselben Schiffe mit Wissen des Versicherten noch ein späterer Bodmereibrief oder später entstandene Schiffsschulden haften" (so mit Recht BSVB § 50 Abs. 2). Deshalb ist § 41 ASVB in die ADS nicht übernommen. Ist der Deckungsgegenstand übrigens infolge der späteren und vorhergehenden Rechte weniger wert geworden als die versicherte Bodmereiforderung, so ist die Versicherung für den Unterschied wegen Interessemangels unwirksam (§ 110 Anm.). 11) Als anzeigepflichtige, gefahrerhebliche Umstände sind von der Rechtsprechung weiter angesehen worden: die Strandung des Schiffes ( H a n s O L G J R P V 1933. 240 = Sasse Nr. 429), die ungewöhnliche Einnahme von Wasserballast ( H a n s O L G J R P V 1936 Ζ 13 = Sasse Nr. 439), übermäßig langes Lagern der Güter (HansOLG H R Z 1925. 274 = Sasse Nr. 329, R G 112. 149 = J R P V 1926. 66 = Sasse Nr. 12), die Absicht, das Schiff zu Schmugglerfahrten zu benutzen ( H a n s O L G H G Z 1925 Nr. 14 = H R Z 1925. 193 = J R P V 1925. 112 = Sasse Nr. 327, L G Berlin J R P V 1929. 207), die Verwendung eines Binnenschiffs statt eines Seeschiffs für die Küstenfahrt sowie die Besetzung eines solchen Schiffes mit einem Schiffer ohne Patent für Küstenfahrt ( H a n s O L G H G Z 1925 Nr. 64 = H R Z 1925. 731 = J R P V 1926. 273 = Sasse Nr. 338).
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mm) Abgelehnt wurde die Annahme eines gefahrerheblichen Umstands bei Retourwaren (OLG Hamm HansRGZ 1931 Β 403 = Sasse Nr. 415), bei Umzugsgut mit der Klausel „Von Haus zu Haus" nach einer überseeischen, noch nicht fertig eingerichteten Siedlung (OLG HansRGZ 1935 Β 615 = Sasse Nr. 436). — Siehe R G 115. 97 = H G Z 1927 Nr. 15 = J R P V 1927. 25 = J W 1927. 790 (Anm. H a g e n ) zu der Frage, welche Wirkung Einfuhrverbote überseeischer Länder auf die Anzeigepflicht des Versicherers haben. Hat der Versicherer gefragt, ob der Versicherungsnehmer für die Ausfuhr von Waffen im Besitz einer Ausfuhrbewilligung ist, so bedeutet das nicht notwendig, daß eine Auskunft darüber gewünscht wurde, ob die Ausfuhr für diesen Einzelfall ausdrücklich bewilligt sei. 13. A b s . 1 Satz 2. Der Versicherungsnehmer muß insbesondere Nachrichten, die i h m z u g e g a n g e n u n d gefahrerheblich sind, dem Versicherer mitteilen. Natürlich. Denn, daß dem Versicherungsnehmer eine Nachricht über gefahrerhebliche Umstände zugegangen ist, ist selbst ein gefahrerheblicher Umstand (oben Anm. 23). Überdies ist der gefahrerhebliche Umstand, von dem der Versicherungsnehmer durch die Nachricht Kenntnis erhält, dem Versicherungsnehmer eben durch die Nachricht „bekannt" geworden. Es handelt sich also um einen Beispielfall des im § ig Abs. 1 Satz 1 enthaltenen Grundsatzes (verb, „insbesondere"). a) Aber es handelt sich um mehr als einen bloßen Beispielfall. Auch der Gesetzgeber verfährt ja oft so, daß er besonders wichtige Beispielfälle anführt und damit selbständige Rechtssätze verbindet. Handelt es sich um einen bloßen Beispielfall, so würde nur die Beweislage zugunsten des Versicherers verschoben sein. Der Versicherungsnehmer könnte einwenden, daß er die Nachricht für unbegründet oder unzuverlässig gehalten habe und nach Lage des Falles habe halten dürfen, daß ihm also auch der gefahrerhebliche Umstand, von dem er Nachricht erhalten hat, nicht „bekannt" geworden sei. Das würde der Verkehrsanschauung widersprechen. Deshalb soll er die ihm zugegangenen Nachrichten auch dann mitteilen, w e n n er sie für unbegründet oder unzuverl ä s s i g hält (so schon A S V B § 29 Abs. i, AllgPlan 1847 § 15, PreußALR II 8. 2027). Aus welchem Grunde er die Nachrichten für unbegründet oder unzuverlässig hält, ob die Nachricht tatsächlich unbegründet oder unzuverlässig gewesen ist, ist gleichgültig. „Die Entschuldigung, daß die Nachricht unzuverlässig oder zweifelhaft gewesen sei, findet keine statt" (AllgPlan 1847 § 15). Es „soll dem Versicherten die Entschuldigung, daß die erhaltene und verschwiegene Nachricht noch unzuverlässig oder zweifelhaft gewesen sey, nicht zu statten kommen" (PreußALR II 8. 2027). It is not for the assured to judge whether the news be true or false ( A r n o u l d 582 s. 614). Nachrichten sind immer dann mitzuteilen, wenn sie an und für sich gefahrerhebliche Umstände betreffen. Erhält der Versicherungsnehmer die Nachricht, daß auf dem Wege der Reise des auch für die Vergangenheit zu versichernden Schiffes ein schwerer Sturm geherrscht hat, so muß er dies anzeigen, auch wenn er „weiß", daß kein Sturm geherrscht hat; weiß er dagegen, daß das Schiff vom Reisewege abgewichen und die Stelle, wo der Sturm geherrscht haben soll, gar nicht berührt hat, so betrifft die Nachricht keinen gefahrerheblichen Umstand; sie braucht deshalb auch nicht mitgeteilt zu werden (vgl. R O H G 16. 78). b) Teilt der Versicherungsnehmer dem Versicherer die Nachricht von einem g e f a h r m i n d e r n d e n Umstand mit, obgleich ihm Umstände bekannt sind, welche die Nachricht als u n r i c h t i g erscheinen lassen, so verschweigt er nicht nur diesen gefahrerheblichen Umstand, sondern macht auch eine Falschanzeige (vgl. HG u. OG Hamburg H G Z 1872. 7, 56, § 20 Anm. 25 und Anm. 20 unter hh). c) Nachrichten sind nicht nur mündliche oder schriftliche Mitteilungen eines anderen, sondern auch Z e i t u n g s n a c h r i c h t e n ( M e y e r Anzeigepflicht 66). Solche
§ 19
Anm. 34
Anm. 35
Anm. 36
Anm. 37
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§ 19 Nachrichten sind dem Versicherungsnehmer auch „zugegangen", mag ein anderer sie ihm zugestellt, mag der Versicherungsnehmer ohne solche Vermittlung von ihnen Kenntnis genommen haben. Anm. 38 14. Beispiele gefahrerheblicher Nachrichten (vgl. auch R G 123. 10): a) HG u. OG Hamburg HH 654. Kaskoversicherung für fremde Rechnung und für die Vergangenheit. Der Versicherungsnehmer teilt die Nachricht des Versicherten nicht mit, daß das Schiff eine sehr lange Reise zum nächsten Hafen (Shanghai) mache, für die man keine andere Erklärung habe, als die, daß das Schiff wegen stürmischen Wetters nach Hakodadi zurückgekehrt sei. b) HG Hamburg HGZ 1875. 65. Frachtversicherung für die Reise von Santos nach Hampton Road. Der Kapitän hatte am 31. Juli aus Santos mitgeteilt, das (Segel-) Schiff sei segelfertig, in einem zweiten Schreiben vom selben Tage, es habe „Santos verlassen, liege stückweges den Revier herunter, der Wind komme augenblicklich von Süden, das Kreuzen gehe nicht so recht, dem Anschein nach komme Nordwind". Bei der Schließung des Vertrags hatte der Versicherungsnehmer mitgeteilt, daß „laut Brief des Kapitäns vom 31. Juli aus Santos das Schiff segelfertig sei und bereits abgegangen sein dürfte". Die Gerichte hielten diese Mitteilung für ausreichend. — Über die Notwendigkeit, bei Vergangenheitsversicherungen insbesondere Nachrichten über die Zeit oder die wahrscheinliche Zeit des Antritts der versicherten Reise mitzuteilen, vgl. auch OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 346, 349, auch oben Anm. 33 unter ii. c) OG Hamburg, OAG Lübeck HGZ 1868. 331, 1870. 153 (vgl. oben Anm. 33 unter w). Güterversicherung für fremde Rechnung und für die Vergangenheit. Der Versicherte hatte dem Versicherungsnehmer mitgeteilt, daß nach Antritt der Reise und auf der Reisestrecke „gefährliche Winde" geherrscht hätten und dies „der Hauptgrund für die gesuchte Versicherung" sei. Der Versicherungsnehmer hatte diese Nachricht verschwiegen. Nach Ansicht der Gerichte hat er sie verschweigen dürfen, „weil die allgemeine Beschaffenheit des Meeres zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche in den westindischen Gewässern den Versicherem vollständig bekannt sein müsse". Das wäre richtig, wenn der Versicherungsnehmer geschrieben hätte, daß auf der Reisestrecke gefährliche Winde zu herrschen pflegten. Es ist unrichtig, weil er geschrieben hatte, daß gefährliche Winde geherrscht hätten, und daß eben diese besondere und gefahrerhebliche Tatsache ihn veranlaßt habe, Versicherung zu nehmen. Vgl. auch unten unter d und den bei Nolte 2. 64 berichteten Fall Moses v. Delaware Ins. Comp, aus der amerikanischen Rechtsprechung. Der Versicherer hatte in diesem Falle sogar gewußt, daß in der Gegend der versicherten Reise heftige Stürme geherrscht hatten und mehrere Schiffe verlorengegangen waren, der Versicherungsnehmer andererseits die Nachricht erhalten und verschwiegen, daß ein Sturm „viel furchtbarer, als man je zuvor erlebt hätte," geherrscht habe. Der Richter erklärte: Zwischen der durch die Nachricht vermittelten Kenntnis des Versicherten und der allgemeinen Kenntnis des Versicherers sei ein bedeutender Unterschied und die Verschweigung der Nachricht laufe auf eine verwerfliche Verheimlichung hinaus. d) HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck HambS 3. 377. Güterversicherung für fremde Rechnung, für die Vergangenheit, für die Reise von Haiti nach Gibraltar. Der Versicherte hatte dem Versicherungsnehmer geschrieben, das Schiff Lummina schicke sich an, unter Segel zu gehen. Eine Nachschrift vom folgenden Tage lautete: Le vent contraire empeche le navire de partir. Le vent du nord devient mauvais; le navire peut courir des risques. II ne faut pas perdre un moment pour les assurances. Am selben Tage ging das Schiff im Sturm verloren. Dem Versicherer war nur mitgeteilt, daß die Güter seien on board of the „Lummina", a very good Dutch vessel, which we
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expect will have left Hayti direct for Gibraltar about . . . Die Gerichte erklärten mit Recht die Anzeigepflicht für verletzt. 15. Der gefahrerhebliche Umstand muß dem Versicherungsnehmer bekannt sein. a) K e n n t n i s eines Umstandes ist die gegenwärtige Überzeugung von seinem Bestehen (vgl. R O H G 2. 35). Die Uberzeugung muß gegenwärtig, braucht aber nicht bewußt zu sein. Man ist von vielen Dingen überzeugt, kennt viele Dinge, ohne daß man sich dessen stets bewußt ist oder auch nur bewußt sein kann, ohne daß man an sie „denkt". Der Versicherungsnehmer kann nicht einwenden, er habe den Umstand zwar „gekannt", aber im entscheidenden Augenblick nicht an ihn „gedacht"; er könnte es freilich auch deshalb nicht, weil er nach § 20 Abs. 1 Satz 2 auch grobfahrlässige Unkenntnis vertreten muß, und es jedenfalls grobfahrlässig wäre, im entscheidenden Augenblick nicht an gefahrerhebliche Umstände zu „denken" (deshalb näheres: § 20 Anm. 10). Dagegen genügt nicht ein früheres, der Erinnerung vollständig oder für die entscheidende Zeit vollständig entschwundenes Wissen (vgl. R O H G 12. 1 7 1 , Recht 1910 Nr. 218, O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 347, OG Hamburg bei R O H G 2. 35, K G J R P V 1926. 33, B r u c k - M ö l l e r Anm. 32 zu § 16 V V G ) . Auch nicht ein früheres, durch spätere Nachrichten überholtes und deshalb der gegenwärtigen Überzeugung nicht mehr zugrunde liegendes Wissen. Auch nicht die bloße, sich nicht auf besondere Umstände stützende Ansicht (vgl. J W 19 J 1 . 64g). Anders, wenn die Ansicht, die Besorgnis, der Verdacht sich auf bestimmte Umstände stützt (OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 346; vgl. auch oben Anm. 23, 3 1 ) . b) Die Kenntnis kann dem Versicherungsnehmer durch eigene Wahrnehmungen oder durch „Nachrichten" vermittelt sein. Ist die K e n n t n i s d u r c h N a c h r i c h t e n vermittelt, so hat der Versicherungsnehmer die Wahl. Er kann den Umstand als ihm bekannt anzeigen. Er kann auch nur die Nachricht mitteilen. Ob er das eine oder das andere wählt, ist nicht gleichgültig. Zeigt er den Umstand als ihm bekannt an, so ist, wenn er sich irrt, die Anzeige unrichtig, und, wenn die Unrichtigkeit gefahrerheblich ist, der Versicherer gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 frei. Zwar wird die Unrichtigkeit regelmäßig nicht gefahrerheblich sein. Denn wenn die Anzeige des „gefahrerheblichen" Umstandes, der durch die Nachricht bekannt geworden ist, unrichtig ist, wird die Gefahr regelmäßig geringer sein, als es den Anschein hatte (vgl. oben Anm. 28). Immerhin wird der Versicherungsnehmer gut tun, sich auf die bloße Mitteilung der ihm zugegangenen Nachrichten zu beschränken. Wenn er von der Richtigkeit der Nachricht nicht überzeugt ist, die Nachricht ihm also die Kenntnis des gefahrerheblichen Umstandes nicht vermittelt hat, darf er ohnehin nur die Nachricht weitergeben. c) Da „bei der Schließung des Vertrags" anzuzeigen ist, kommt es nur auf die Umstände an, die dem Versicherungsnehmer b e i d e r S c h l i e ß u n g des V e r t r a g s bekannt sind. Hierüber oben Anm. 16—18. d) Sind m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt, so schadet die Kenntnis des einen nicht ohne weiteres auch dem anderen. Das Verhältnis der Versicherungsnehmer zueinander entscheidet. Sind sie ζ. B. Bruchteilseigentümer der zu versichernden Sache, so besteht kein Grund, die Kenntnis des einen dem anderen zuzurechnen (abw. K i s c h 2. 240, B r u c k - M ö l l e r Anm. 66 zu § 6 V V G für den Fall, daß alle Miteigentümer zusammen als Versicherungsnehmer auftreten, R G 1 1 5 . 314, wenn nicht jeder Miteigentümer nur seinen Bruchteil versichert hat oder wenn dem einzelnen Versicherten nicht nur ein Bruchteil der Versicherungssumme zusteht). Anders, wenn sie im Gesamthandsverhältnis stehen ( R G 1 1 5 . 314, B r u c k - M ö l l e r Anm. 65, 66 zu § 6 Selbstverständlich auch anders, wenn der andere vom einen vertreten wird. Näheres: V V G ) . Vorb. V I vor § 1.
§ 19 Anm. 39
Anm. 40
Anm. 41
Anm. 42
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§ 19 des Versicherungse ) W i r d der V e r t r a g von einem g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r A n m . 43 nehmers geschlossen, so k o m m t es nach § 166 Abs. ι BGB auf die K e n n t n i s des Vertreters a n . Aber es k o m m t unter U m s t ä n d e n auch auf die Kenntnis des gesetzlich vertretenen Versicherungsnehmers a n (bestr.; anders insbesondere B r u c k - M ö l l e r A n m . 7 zu § 19 V V G , P r ö l ß A n m . 1 zu § 19 V V G , S ü ß VersR 1952. 187). Die Frage h ä n g t eng mit der anderen zusammen, inwieweit der gesetzlich vertretene Versicherungsn e h m e r bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus d e m Versicherungsvertrag eigenes Verhalten gegen sich gelten lassen m u ß . D e n n die Kenntnis des gefahrerheblichen U m standes ist die Voraussetzung f ü r die Anzeigepflicht, die Anzeigepflicht aber eine auf d e m Versicherungsvertrag b e r u h e n d e Verbindlichkeit (oben A n m . 8, 9). Bei der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten aber m u ß der Versicherungsnehmer in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit a u c h eigenes Verhalten gegen sich gelten lassen (Vorb. vor § 1 A n m . 61). I n diesen Grenzen m u ß er deshalb a u c h eigene K e n n t n i s vertreten. A n m . 44 f ) W i r d der V e r t r a g von einem B e v o l l m ä c h t i g t e n des Versicherungsnehmers oder einem Vertreter ohne V e r t r e t u n g s m a c h t geschlossen, so k o m m t es auf die K e n n t n i s des Bevollmächtigten u n d im Falle des § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB auch auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers an. Näheres § 22 A n m . Siehe auch B r u c k - M ö l l e r A n m . 37 zu § 16 V V G . Mit R e c h t sind dort O L G Köln J R P V 1927. 99 u n d O L G H a m m VersR 1951. 39, wonach die Kenntnis des Angestellten eines Abschlußagenten nicht ausreichen soll, als bedenklich bezeichnet worden. A n m . 45 g) Aber a u c h auf die K e n n t n i s eines sonstigen d r i t t e n k o m m t es unter U m s t ä n d e n an. Die Frage h ä n g t eng mit der a n d e r e n F r a g e z u s a m m e n , inwieweit der Versicherungsn e h m e r bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus d e m Versicherungsvertrag das Verhalten dritter gegen sich gelten lassen m u ß (hierüber V o r b . V I I I vor § 1). D e n n die Kenntnis des gefahrerheblichen U m s t a n d e s ist die Voraussetzung f ü r die Anzeigepflicht, die Anzeigepflicht aber eine auf d e m Versicherungsvertrag b e r u h e n d e Verbindlichkeit. Bei der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten aber m u ß der Versicherungsnehmer in gewissen Grenzen a u c h das Verhalten dritter gegen sich gelten lassen. I n d e n Grenzen des § 278 BGB nämlich. E r m u ß also die K e n n t n i s derjenigen vertreten, d e r e n er sich zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht bedient (so auch P r ö l ß A n m . 5 zu §§ 16, 17 V V G ) . H a t ζ. B. der Versicherungsnehmer die V e r h a n d l u n g e n , die z u m Abschluß des Vertrags f ü h r e n sollen, von einem Angestellten f ü h r e n lassen u n d sich d a r a u f beschränkt, das i h m vom Angestellten vorgelegte Schreiben, d u r c h das der V e r t r a g s a n t r a g des Versicherers a n g e n o m m e n wird, zu unterzeichnen, so k a n n er nicht einwenden, d a ß z w a r der Angestellte, nicht aber er selbst den gefahrerheblichen U m s t a n d gekannt habe. — Personen, die mit der versicherten U n t e r n e h m u n g zu t u n h a b e n , sind aber d a r u m allein natürlich noch nicht dritte, deren sich der Versicherungsnehmer z u r Erfüllung seiner Anzeigepflicht bedient. Der dritte m u ß gerade mit der Erfüllung der Anzeigepflicht b e t r a u t sein. Sei es, d a ß er a l l g e m e i n b e a u f t r a g t ist, die (oder a u c h die) mit der Versicherung zus a m m e n h ä n g e n d e n Angelegenheiten oder einzelne von ihnen zu erledigen, u n d d a m i t f ü r die Erfüllung der aus der Versicherung sich ergebenden Obliegenheiten a n die Stelle des Versicherungsnehmers gesetzt ist. Sei es, d a ß er b e s o n d e r s d a m i t b e a u f t r a g t ist. U n t e r diesen Voraussetzungen m u ß der Versicherungsnehmer auch die Kenntnis des vermittelnden M a k l e r s gegen sich gelten lassen (so wohl a u c h P r ö l ß A n h . zu §§ 43 bis 48 V V G ; anders f ü r den regelmäßigen Fall B r u c k - M ö l l e r A n m . 57 vor §§ 43—48 V V G ) . Näheres über alles dies: § 5 A n m . 35. Ähnlich R G 43. 132 (näheres: § 5 A n m . 36) u n d das englische R e c h t (näheres: § 5 A n m . 37, u n t e n A n m . 59). Siehe sodann insbesondere R G 101. 403 f ü r den Fall der Kenntnis von G e f a h r e r h ö h u n g e n , wenngleich aus freier H a n d : „ W e n n der verantwortliche Leiter eines geschäftlichen U n t e r n e h m e n s dessen I n n e n b e t r i e b in der Weise regle, d a ß Tatsachen, deren Kenntnis von Rechts-
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erheblichkeit sei, nicht von ihm selbst, sondern von einem bestimmten Angestellten zur Kenntnis genommen würden, so müsse er sich im Verhältnis zu einem dritten, der aus der Tatsachenkenntnis Rechte herleite, die Kenntnis des Angestellten wie eine eigene anrechnen lassen", den Fall des sog. „Wissensvertreters". Anders K i s c h 2. 248, der auch „sachlich keinen Grund" sieht, „den Versicherungsnehmer für das Mißverhalten seiner Agenten büßen zu lassen." h) Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommt es regelmäßig nicht nur auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers, sondern auch auf die Kenntnis des Versicherten an: § 57 Abs. 1, 3, 4. i) Wenn der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand kennt, zu kennen glaubt, sich aber i r r t , der Umstand in Wirklichkeit gar nicht besteht, so kann die Nichtanzeige nicht schaden. Denn ein Umstand, der nur in der Einbildung besteht, ist kein „Umstand" und von seiner „Kenntnis" kann keine Rede sein. Auch wenn der Versicherungsnehmer den „Umstand" arglistig verschweigt, schadet es ihm nicht (Kisch 2. 213). Hat aber der Versicherungsnehmer die N a c h r i c h t von einem gefahrerheblichen Umstand erhalten, so kommt es nicht darauf an, ob dieser Umstand besteht oder nicht, die Nachricht richtig oder unrichtig ist. Die Nachricht selbst bildet einen gefahrerheblichen Umstand, der nach § ig angezeigt werden muß (oben Anm. 34, K i s c h 2. 232). 16. Der Versicherungsnehmer muß auch dann anzeigen, wenn der Umstand dem V e r s i c h e r e r bekannt ist (anders B r u c k - M ö l l e r Anm. 36 zu § 16 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 19 ADS, OLG Stettin H R Z 1927. 14 = Sasse Nr. 763, L G Hamburg HansRGZ 1934 Β 276 = Sasse Nr. 719; vgl. auch R i p er t Nr. 2421 und S c h m i d t Obliegenheiten 135). Er hat in diesem Falle nur eine Einwendung (§ 20 Abs. 2 Satz 1). Der Versicherer, der sich auf die Nichtanzeige beruft, braucht nicht zu beweisen, daß der Umstand ihm unbekannt war. 17. Der Versicherungsnehmer muß auch dann anzeigen, wenn er (irrtümlich) annimmt und nach Lage des Falles annehmen darf, daß der Umstand dem Versicherer bekannt ist. Er hat auch in diesem Falle nur eine Einwendung (§ 20 Abs. 2 Satz 2) und muß den Irrtum überdies mit einer Zuschlagsprämie bezahlen (§ 20 Abs. 3). 18. Der Versicherungsnehmer müßte also auch dann anzeigen, wenn der Umstand allgemein bekannt ist und er deshalb (irrtümlich) annimmt und annehmen darf, daß der Umstand auch dem Versicherer bekannt ist (anders natürlich, wenn es sich nicht um einen besonderen gefahrerheblichen Umstand, sondern um eine Tatsache allgemeiner Erfahrung handelt: oben Anm. 29). Er braucht aber nach § 19 Abs. 1 Satz 1 in diesem Falle nicht anzuzeigen (vgl. dazu auch R G 123. 14 — Gewichtsverlust von Kopra —, 169. 1). Dies hat freilich nicht zur Folge, daß der Versicherer, der sich auf die Nichtanzeige beruft, beweisen muß, daß der gefahrerhebliche Umstand nicht allgemein bekannt ist. Der Versicherungsnehmer muß beweisen (verb, „es sei denn"). Die Folge ist nur, daß, wenn dem Versicherungsnehmer der Beweis gelingt, keine Zuschlagsprämie zu zahlen ist (Mat. 1.80). — Nach §31 ASVB brauchten „allgemein-notorische oder doch börsen-notorische Umstände" nicht angezeigt zu werden. Aber was „börsen-notorisch" ist, ist (in diesem Zusammenhang wenigstens) auch „allgemeinnotorisch". Denn „allgemein-notorisch", allgemein bekannt ist in diesem Zusammenhang natürlich, was in den beteiligten Kreisen bekannt ist. Aus diesem Grunde spricht § 19 Abs. 1 nur von „allgemein bekannten" Umständen (vgl. MIA § 18 Abs. 3b: of common notoriety or knowledge). — Nach § 31 ASVB sollte „die bloße Tatsache, daß eine Nachricht in den S c h i f f a h r t s b e r i c h t e n der Zeitungen mitgeteilt oder in einem öffentlichen Geschäftslokale durch A n s c h l a g bekanntgemacht worden ist, nicht genügen, um (Kenntnis des Versicherers von derselben oder) Notorietät an23
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
§ 19
Anm. 46 Anm. 47
Anm. 48
Anm. 49
Anm. 50
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§ 19 zunehmen". Die Bestimmung ist weggelassen, weil sie sich von selbst versteht. Die darin bezeichneten „bloßen Tatsachen" begründen nicht ohne weiteres „Notorietät" (vgl. ROHG 2. 32, Morisson v. Universal Mar. Ins. Co. 1873 bei A r n o u l d 582 s. 615). Denn der Versicherungsnehmer darf nicht voraussetzen, daß der Versicherer alles „dasjenige im Gedächtnis bewahre, was er hinsichtlich des ihn zur Zeit der Lektüre (der Zeitung) gar nicht interessierenden Schiffes gelesen haben mag" (OG Hamburg HGZ 1871. 119, HG Hamburg HGZ 1870.229, ROHG 2.34, 16.80, R o e l l i 133, S i e v e k i n g 60). Anders, wenn der Umstand (ζ. B. der Umstand, daß mit dem zu versichernden Schiffe eine wissenschaftliche Expedition ausgeführt werden soll: HGZ 1892. 226) von allen größeren Zeitungen bekanntgemacht und infolgedessen allgemein bekannt geworden ist. Ob ein Umstand allgemein bekannt ist, ist also lediglich Tatfrage. Weiß der Versicherungsnehmer, daß der Versicherer den allgemein bekannten Umstand nicht kennt, so braucht er den Umstand dennoch nicht anzuzeigen (HGZ 1892.56); gegebenenfalls wird aber der Versicherer die exceptio doli haben (BGB § 826) oder den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten können (vgl. auch oben Anm. 33 unter aa). Anm. 51 Anm. 52
Anm. 53 Anm. 54 Anm. 55 Anm. 56
Anm. 57
19· Es genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer den gefahrerheblichen Umstand kennen mußte, d. h. infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (BGB § 122). Wohl aber genügt, daß er ihn infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 20 Abs. 1 Satz 2). 20. Was dem Versicherungsnehmer nicht bekannt ist (und ohne grobe Fahrlässigkeit nicht bekannt zu sein braucht), braucht nicht angezeigt zu werden (vgl. auch HansOLG H R Z 1927. 214 = Sasse Nr. 356). Wenigstens gemäß § 19 nicht. Wohl aber gegebenenfalls gemäß § 26 (Hecht DfVWVeröff 2. 188; abw. K i s c h 2. 234 — vgl. auch oben Anm. 16 — der sich an den Wortlaut des Gesetzes hält). Denn an die vorvertragliche Anzeigepflicht schließt sich unmittelbar an die Verpflichtung, die Gefahr nicht zu ändern und Gefahrerhöhungen anzuzeigen. Wenn die Anzeigepflicht des § 19 aufhört, muß also auch die des § 26 beginnen. Der Versicherungsnehmer muß gemäß § 26 Gcfahrerhöhu.igcn anzeigen, die zwar noch vor dem Vertragsschluß, aber so spät entstanden sind, daß sie gemäß § 19 nicht mehr angezeigt werden konnten. Nicht auch Gefahrerhöhungen, die früher entstanden, aber dem Versicherungsnehmer so spät bekannt geworden sind, daß sie nicht mehr rechtzeitig angezeigt werden konnten. Auch nicht Gefahrerhöhungen, die früher entstanden, aber dem Versicherungsnehmer erst nach dem Vertragsschluß bekannt geworden sind. 21. Anzeigepflicht bei der l a u f e n d e n Versicherung: § 97 Anm. 22. Beweislast: § 20 Anm. 4. 23. R e c h t s f o l g e n der N i c h t a n z e i g e : § 20. Besondere Rechtsfolgen: §§ 63, 83, 84. 24. § 19 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136, ROHG 16. 77, HG u. OG Hamburg HGZ 1870. 94, 154, 185, 229, 1876. 156, 1877. 116). AHO 1731 X V I I I 1 legte dem Vorversicherer noch besonders ans Herz, „daß er seine von dem durch ihn versicherten Schiffe und Gütern habende Wissenschaft demjenigen Assecuradeur, der die Reassecuranz übernimmt, getreulich entdecke". Die Begr. z. V V G § 186 meint freilich, daß „für die grundlegenden Bestimmungen über die Anzeigepflicht bei dem Abschlüsse des Vertrags . . . bei der Rückversicherung regelmäßig kein Raum sei". Der Zusammenhang ergibt aber, daß dabei an „die umfassenden Verträge für alle Versicherungen von bestimmter Art und Höhe", d. h. an die laufenden RückversicherungsVerträge gedacht ist, bei denen allerdings die vorvertragliche Anzeigepflicht eine geringe Rolle spielt (§ 97 Anm.; vgl. auch § 1 Anm. 136). a) § 58 ASVB bestimmte über die Anzeigepflicht des Vorversicherers besonders. Man hat aber aus dieser Bestimmung den unrichtigen Schluß gezogen, daß der Vorver-
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sicherer nur die im § 58 A S V B besonders bezeichneten Umstände, daß er insbesondere § 1 9 nicht anzuzeigen brauche, wenn er von dem Risiko nichts zurückbehalte (§ 1 Anm. 168). Deshalb ist § 58 A S V B in die ADS nicht übernommen. b) Der Vorversicherer muß alle Umstände anzeigen, die für die Übernahme der Anm. 58 Haftpflichtgefahr erheblich sind. Dies können Umstände sein, die auch bei der Schließung des Vorversicherungs-Vertrags anzuzeigen waren, und andere Umstände. a) D i e b e i d e r S c h l i e ß u n g des V o r v e r s i c h e r u n g s - V e r t r a g s a n z u z e i g e n d e n U m s t ä n d e sind regelmäßig auch bei der Schließung des Rückversicherungs-Vertrags anzuzeigen ( R O H G 16. 77, H G u. OG Hamburg H G Z 1870. 154, 185; vgl. auch O A G Lübeck Wunderlich 1. 182; Der Vorversicherer habe „in den Nachrichten, die ihm selbst bei der ersten Assekuranz mitgeteilt seien, einen sicheren Maßstab für dasjenige, was er seinem Rückversicherer mitteilen müsse"). Aber nicht notwendig alle. Ζ. B. im allgemeinen nicht solche Umstände, die für die Übernahme der Haftpflichtgefahr deshalb nicht erheblich sind, weil der Rückversicherer beschränkter haftet als der Vorversicherer, die Rückversicherung etwa „ N u r für Kriegsgefahr" oder „Nur für Totalverlust" genommen ist (§ 1 Anm. 148; vgl. jedoch über das Verhältnis der Anzeigepflicht zur vertraglichen Beschränkung der Haftung auch oben Anm. 26). Die Verhältnisse können sich auch inzwischen geändert haben, erhebliche Umstände unerheblich geworden sein. Umstände, nach denen der Vorversicherer ausdrücklich gefragt hat, die dem Vorversicherer absichtlich verschwiegen oder unrichtig angezeigt sind, deren Richtigkeit dem Vorversicherer zugesichert ist, gelten zwar im Verhältnis des Vorversicherers zum Vorversicherten als gefahrerheblich ( § 2 1 ) , brauchen es aber tatsächlich nicht zu sein und dann auch dem Rückversicherer nicht angezeigt zu werden. Angaben, die dem Vorversicherer vom Vorversicherten bei der Schließung des VorversicherungsVertrags gemacht und für die Übernahme der Haftpflichtgefahr erheblich sind, muß der Vorversicherer dem Rückversicherer auch dann mitteilen, wenn er die Angaben für unbegründet oder unzuverlässig hält ( § 1 9 Abs. 1 Satz 2). ß ) A n d e r e U m s t ä n d e . Ζ. B. Umstände, die an und für sich bei der Schließung des Vorversicherungs-Vertrags anzuzeigen gewesen wären, aber deshalb nicht angezeigt sind, weil sie dem Vorversicherer bekannt waren (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1). Oder Umstände, die inzwischen, zwischen dem Abschluß des VorversicherungsVertrags und dem Abschluß des Rückversicherungs-Vertrags, bekannt geworden sind, insbesondere inzwischen dem Vorversicherer zugegangene Nachrichten von Erheblichkeit, selbst wenn der Vorversicherer sie für unbegründet oder unzuverlässig hält. Oder der Umstand, daß die Vorversicherungs-Prämie niedriger ist als die Rückversicherungs-Prämie ( E h r e n b e r g R V 8 1 ; abw. ohne Begründung O b e r m a y e r 29; vgl. H G Hamburg H G Z 1869. 290, das zwar in der unrichtigen Angabe der, in Wirklichkeit höheren, Vorprämie eine Verletzung der Anzeigepflicht erblickt, aber nicht eine solche Verletzung, welche die Rückversicherung unwirksam mache, sondern eine solche, welche den Vorversicherer zur Vergütung der Prämiendifferenz verpflichte, — eine Auffassung, die sowohl in jener wie in dieser Beziehung unrichtig ist). Oder der Umstand, daß die Vorversicherung zu ungewöhnlichen, und zwar zu schwereren Bedingungen geschlossen ist, als der Rückversicherer erwarten durfte (§ ι Anm. 149). Oder der Umstand, daß der Vorversicherer mit dem Abschluß des Rückversicherungs-Vertrags das ganze Risiko oder den ihm etwa verbliebenen Rest des Risikos unter Rückversicherung bringt und damit jedes Interesse verliert (näheres: § 1 Anm. 167). Die übliche Klausel: „Diese Rückversicherung valediert zu den Bedingungen der Originalpolice" (§ 1 Anm. 130) befreit nicht von der Verpflichtung, ungewöhnliche Bedingungen der Originalpolice anzuzeigen ( E h r e n 23'
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b e r g R V 88; abw. H G Z 1881. 22, wonach der Rückversicherer mit jener Klausel „selbst die exorbitantesten Bedingungen der Originalpolice im voraus genehmigt", — eine unhaltbare Auffassung, die jedenfalls mit derjenigen, daß das Rückversicherungs-Verhältnis ein „ a u f ganz ungewöhnlichem Vertrauen beruhendes" Verhältnis ist, unvereinbar ist). — Nach § 58 A S V B mußte der Vorversicherer bei der Schließung des Rückversicherungs-Vertrags „den T a g des Abschlusses der ursprünglichen Versicherung angeben", im Falle einer Retrozession auch den T a g der früheren Rückversicherung: E h r e n b e r g R V 81, S t u t z 32. Die Bestimmung hatte längt ihre Bedeutung verloren. Die Rückversicherungs-Verträge bestimmten durchweg, „es präjudiziere nicht, falls das Datum der Originalversicherung resp. der ersten oder ferneren Rückversicherung nicht angegeben sei" (§ 1 Anm. 130, S t u t z 32, H G Z 1875. 342, 1881. 19 usw.). Auch aus diesem Grunde ist § 58 A S V B in die A D S nicht übernommen (oben Anm. 25, 57). Nach Lage des Falles kann das Datum der Vorversicherung natürlich einen gefahrerheblichen Umstand darstellen, insbesondere die Angabe eines unrichtigen Datums eine unrichtige Anzeige im Sinne des § 20 Abs. 1 sein ( E h r e n b e r g R V 82; abw. ohne Grund O b e r m e y e r 28). 25. Fremde Rechte
(vgl. auch oben Anm. 22, 23, 25, 26, 28—33, 35, 38,
39» 50, 58). a) E n g l i s c h e s R e c h t . Nach § 18 M I A muß der Versicherungsnehmer anzeigen every material circumstance which is known to the assured, and the assured is deemed to know every circumstance which, in the ordinary course of business, ought to be known by him. If the assured fails to make such disclosure, the insurerer may avoid the contract. Gefahrerheblich ist jeder Umstand, which would influence the judgment of a prudent insurer in fixing the premium, or determining whether he will take the risk. Wenn der Versicherer nicht fragt, braucht der Versicherungsnehmer nicht anzuzeigen: 1. any circumstance which diminishes the risk; 2. any circumstance which is known or presumed to be known to the insurer. T h e insurer is presumed to know matters of common notoriety of knowledge, and matters which an insurer in the ordinary course of his business, as such, ought to know; 3. any circumstance as to which information is waived by the insurer; 4. any circumstance which it is superfluous to disclose by reason of any express or implied warranty. O b ein Umstand gefahrerheblich ist oder nicht, is, in each case, a question of fact. Der Ausdruck circumstance umfaßt any communication made to, or information received, by the assured. Anm. 60
b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Nach Art. 348 C. de comm. toute reticence, toute fausse declaration de la part de l'assure, tout difference entre le contrat d'assurance et le connaissement, qui diminueraient l'opinion du risque et en changeraient le sujet, annulent l'assurance. Rechtslehre und Rechtsprechung wenden diese Vorschrift sogar für die Zeit nach dem Vertragsschluß an. M a n beruft sich auf den Wortlaut des Gesetzes und darauf, daß Art. 348 nicht sowohl sur le vice du consentement de l'assureur beruhe, sondern sur cette idee que la nullite du contrat doit etre la reparation de la faute commisse par l'assure. In diesen Fällen nachträglicher Verletzung der Anzeigepflicht il n'y a pas ä proprement parier nullite de l'assurance, mais resolution du contrat par l'application de l'article 1184 du C. civil, parce que l'assure n'a pas rempli l'une des obligations lui incombant ( R i p e r t Nr. 2425). Der Versicherungsnehmer muß alle gefahrerheblichen Umstände anzeigen, bekannte und unbekannte; aber es schadet nicht, que l'assure ignorait le fait qu'il n'a pas revele, pourvu toutefois qu'il n'y ait pas eu faute de sa part ä ne le point connaitre ( R i p e r t Nr. 2420). L'assure n'est pas oblige
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de porter ä la connaissance de l'assureur les faits de notoriete publique qui sont presumes § 1 9 connus et les faits que l'assureur doit connaitre normalement ( R i p e r t Nr. 2421). I m Falle der Versicherung par mandataire kommt es auf die Kenntnis usw. des M a n d a n t e n wie des Mandatars a n ; im Falle der Versicherung par commissionnaire ebenso; im Falle der Versicherung par compte nur auf die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers ( R i p e r t Nr. 2422; über die Unterscheidung der Versicherung par commissionnaire und par compte: § 5a A n m . ) . V g l . auch § 5 A n m . 47.
§ 2 0 Verletzung der Anzeigepflicht (1) Ist den Bestimmungen des § 19 zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben oder ist über einen erheblichen Umstand eine unrichtige Anzeige gemacht worden, so ist der Versicherer, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, von der Verpflichtung zur Leistung frei. Das Gleiche gilt, wenn die Anzeige eines erheblichen Umstandes deshalb unterblieben ist, weil der Versicherungsnehmer
den Umstand
infolge von grober Fahrlässigkeit
nicht
kannte. (2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand oder die Unrichtigkeit kannte. Das Gleiche gilt, wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers
unter-
blieben ist. (3) Bleibt die Verpflichtung des Versicherers gemäß Absatz 2 Satz 2 bestehen, so gebührt dem Versicherer eine der höheren Gefahr entsprechende höhere Prämie (Zuschlagsprämie). 1. V g l . H G Β §§ 8o8, 809, 8 1 1 — 811 b, A S V B §§ 31, 32, 34, B S V B § 40 Abs. 2, V V G §§ 16 Abs. 2, 3, 17, 20—22, 40 Abs. 1, 41. 2. L i t e r a t u r : § 19 A n m . 2.
Anm. Anm.
a) Folgen der Nichtanzeige 3. A b s . 1 Satz 1. Der Versicherer ist frei. O h n e weiteres. Insbesondere, ohne A n m . d a ß es einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer bedarf (Mat. 1. 74). Anders H G B § 808, V V G § 16: „ D e r Versicherer kann von dem V e r t r a g e zurücktreten", M I A § 18 Abs. 1: T h e insurer m a y avoid the contract (vgl. a u c h J W 1915. 334: H G B § 808 enthalte selbstverständlich nachgiebiges R e c h t ) . —• Der V e r sicherer ist auch dann frei, wenn der nicht angezeigte Umstand k e i n e n E i n f l u ß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder auf den U m f a n g der Leistung des Versicherers gehabt hat ( R O H G 9. 286, H G Z 1916. 293; anders H G B § 8 1 1 Abs. 3, V V G § 21, vgl. dazu die Kritik und Kontroversen bei D r u b e WallmannsZ 54. 625, 1206, G o t t s c h a l k L Z 1917. 1297, N e u m a n n s Z 1 9 1 6 . 4 4 , M i t t ö f f F V A 1921. 126, 145, K i s c h 2 . 3 3 9 , L Z 1 9 1 7 . 1 6 , 1 3 0 3 , R u W V e r s 1 9 1 5 . 5 4 , R e i n h o l d L Z 1920.680, M i t t ö f f F V A 1921. 4, S c h w e i g h ä u s e r N e u m a n n s Z 1919. 339; ausdrücklich C . de c o m m . A r t . 348: L'assurance est nulle, meme dans le cas oü la reticence . . . n'aurait pas influe sur le d o m m a g e ou la perte de l'objet assure). — Der Versicherer ist a u c h dann frei, wenn der nicht angezeigte Umstand zwischen d e m A b s c h l u ß des Vertrags und d e m Beginn der Versicherung oder d e m Versicherungsfall w e g g e f a l l e n ist, wenn ζ. B. das Schiff überladen war, der Güterversicherte dies wußte, das Schiff in einem Zwischenhafen andere Güter aus-
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§ 2 0 geladen hat und die Uberladung dadurch beseitigt ist. •— D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r i s t n i c h t f r e i . Insbesondere m u ß er die Prämie zahlen. Natürlich nicht als „ K o n ventionalstrafe" (so H G u. O G H a m b u r g H G Z 1868. 247; vgl. auch R G 13. i n ) . Sondern wegen der assekuranztechnischen Bedeutung der Prämie, die der gewerbsmäßige Versicherer seinem Entschädigungsfonds zugeführt hat und deshalb nicht wieder herausgeben darf (vgl. § 16 Anm. 27). — Der Versicherungsnehmer ist auch nicht frei von seinen sonstigen Verbindlichkeiten (zur Verhütung und Abwendung des Schadens usw.). Aber diese anderen Verbindlichkeiten werden doch durch die Befreiung des Versicherers von der Entschädigungspflicht vielfach beeinflußt. Soweit nämlich von ihrer Erfüllung die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, werden sie mit dem Wegfall der Entschädigungspflicht gegenstandslos (vgl. R O H G 8. 232). — Siehe über die Bedeutung der Worte „soweit nicht ein anderes bestimmt ist" R G 112. 149 = J R P V 1926. 66. Anm. 4 4. B e w e i s l a s t . Verlangt der Versicherungsnehmer Entschädigung, so m u ß der Versicherer, der sich auf §§ 19, 20 beruft, beweisen, d a ß bei der Schließung des Vertrags gefahrerhebliche Umstände bestanden haben, u n d daß der Versicherungsnehmer sie gekannt hat (RG 112. 14g = J R P V 1926. 66, K i s c h 2. 251, B r u c k - M ö l l e r Anm. 43 zu § 16 V V G , R G 128. 1 1 6 f ü r das V V G ; anders P r ö l ß Anm. 9 zu §§ 16, 17 V V G , wonach der Versicherungsnehmer seine mangelnde Kenntnis zu beweisen habe, vgl. auch O L G H a m b u r g VersR 1953. 190, O L G Schleswig VersR 1953. 395). Denn die Anzeige ist keine Voraussetzung der Entschädigungspflicht und des Entschädigungsanspruchs (§ 19 Anm. 9). Die Anzeigepflicht ist eine bloße Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers. Allerdings m u ß im allgemeinen der Schuldner beweisen, d a ß er erfüllt hat. Aber nur, wenn er aus der Erfüllung Ansprüche oder Einwendungen herleitet. Davon ist hier nicht die Rede. Der Versicherer kann insbesondere nicht die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags geltendmachen u n d deswegen und gemäß § 320 BGB die Entschädigung verweigern. Die Anzeigepflicht ist entweder erfüllt, — oder sie ist nicht erfüllt und dann auch nicht mehr erfüllbar und nicht mehr zu erfüllen. — Beweisen setzt die Behauptung bestimmter Tatsachen (sei es äußerer, sei es innerer) voraus. Der Versicherer kann sich im allgemeinen darauf beschränken, zu behaupten, daß der Versicherungsnehmer einen bestimmten gefahrerheblichen U m stand bei der Schließung des Vertrags „gekannt" habe. Er kann sich aber nicht darauf beschränken, zu behaupten, daß der Versicherungsnehmer „gefahrerhebliche U m stände" gekannt habe. Auch nicht, daß der Versicherungsnehmer „Nachrichten besessen habe, die das Risiko als ein besonders gefährdetes erscheinen ließen" ( H G H a m b u r g H G Z 1873. 309). — Der Versicherer m u ß insbesondere beweisen, daß der Umstand objektiv gefahrerheblich ist, und kann sich insoweit allgemein auf Sachverständige berufen ( § 1 9 Anm. 3 1 ; Ausnahmen: §21). Die subjektive Gefahrunerheblichkeit des objektiv gefahrerheblichen Umstandes m u ß dagegen der Versicherungsnehmer beweisen; denn sie ist die Ausnahme (§ 19 Anm. 32; R o e l l i 75 und O A G Lübeck H a m b S 2. 154 verlangen sogar einen „bündigen Beweis", ohne G r u n d , die allgemeinen Beweisgrundsätze entscheiden und genügen). — Ist streitig, ob der gefahrerhebliche Umstand allgemein bekannt ist, so m u ß der Versicherungsnehmer beweisen (verb, „es sei d e n n " ) . Ist jedoch streitig, ob der gefahrerhebliche Umstand den Gegenstand eines Erfahrungssatzes bildet, so hat weder der Versicherer noch der Versicherungsnehmer zu beweisen; der Richter hat, wenn nötig, nach Anhörung von Sachverständigen oder Feststellung von Einzelfällen, zu entscheiden. — Ist unstreitig, daß ein gefahrerheblicher Umstand dem Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrags bekannt gewesen ist, aber streitig, ob er angezeigt ist, so m u ß der Versicherer beweisen, daß er nicht angezeigt ist ( K i s c h 2. 301 und LZ 1918.600, S i e v e k i n g 62, R G , O L G Stuttgart Gerhards Praxis 2. 119, O L G J e n a LZ 1909. 956, L G Berlin, K G Gerhards
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Praxis ι. 61). Anders L e w i s 2. 341, V o i g t 177, R O H G 1. 112, 2. 247, 11. 133, R G § 20 1. 304, 23. 139, O A G Lübeck H G Z 1873. 349, H a m b S 2. 155, Thöls Entscheidungsgründe 352, teilweise freilich für andere, aber im Entscheidungsgrunde gleichliegende Tatbestände. Auch die englische Rechtsprechung verlangt vom Versicherungsnehmer, der behauptet, angezeigt zu haben, den Beweis, N o l t e 2. 149. In Wirklichkeit ist der Unterschied der Ansichten nicht so groß, wie es scheint. Denn jedenfalls hat der Versicherungsnehmer die prozeßrechtliche Behauptungslast. Er m u ß nicht nur behaupten, daß er angezeigt hat, sondern auch, wann, wie und wo er angezeigt hat. 5. H a t der Versicherer gezahlt, obgleich er frei ist, so kann er nach §§ 812 ff. BGB Anm. 5 kondizieren (vgl. auch Supr. Court of New Zealand in I T V M i t t 1922. 74: Der Versicherungsnehmer kann nicht einwenden, „die Schadensregulierung sei nur wegen arglistiger Täuschung anfechtbar"). W a r die Versicherung für fremde Rechnung genommen, so kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer kondizieren, wenn er diesem gezahlt hat. Ist der Versicherungsnehmer nicht mehr bereichert, weil er die Entschädigung an den Versicherten weitergegeben hat, so kann der Versicherer nach §§818, 819 BGB vom Versicherungsnehmer nur kondizieren, wenn der Versicherungsnehmer die Befreiung kannte. So ist auch wohl H G H a m b u r g H G Z 1878. 204 zu verstehen: Der Versicherungsnehmer könne den Versicherer nicht an den Versicherten verweisen, weil „es der Versicherungsnehmer selbst, nicht sein Kommittent, gewesen sei, dem die Kenntnis, von welcher dem Assekuradeur hätte Mitteilung gemacht werden sollen, beigewohnt habe". 6. Der Versicherer kann auf die Befreiung, auf sein Einwendungsrecht v e r z i c h t e n Anm. 6 (vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 53 zu § 16 V V G , P r ö l ß Anm. 8 zu §§ 16, 17 V V G ; siehe dazu S c h m i d t Obliegenheiten 271·—274, auch H a n s O L G H a n s R G Z 1939 Β 89 = Sasse Nr. 451). Er kann i m v o r a u s verzichten (sog. unanfechtbare Police; vgl. M I A 18 Abs. 3: . . . need not be disclosed . . . any circumstance as to which information is waived by the insurer, vgl. jedoch auch über die besondere Bedeutung dieses Grundsatzes : A r η ο u 1 d 589 s. 621). Vorausverzichte sind in der Seeversicherung nicht üblich. Immerhin kommen sie auch hier vor. H a t ζ. B. der Auswanderungsunternehmer für Rechnung der Auswanderer Versicherung genommen, so kann der Versicherer den versicherten Auswanderern regelmäßig nicht entgegenhalten, daß der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht verletzt habe (vgl. § 1 Anm. 105 und unten Anm. 40). — Der Versicherer kann auch später verzichten. Ausdrücklich oder stillschweigend. Aber Verzichte sind nach allgemeiner Regel nicht zu vermuten. Verzichte sind empfangsbedürftige Willenserklärungen (vgl. insbesondere R e i c h e l Recht 1922. 47 über „Verzichte auf Haftungsbeschränkungen"; abw. ohne G r u n d R o e l l i 106). Der Verzicht muß also, ausdrücklich oder stillschweigend, dem Versicherungsnehmer gegenüber erklärt werden. Als Willenserklärung setzt er notwendig voraus, daß der Versicherer die Verletzung der Anzeigepflicht kennt oder ihres „Daseins sich wenigstens als einer Möglichkeit bewußt ist" (RG 68. 400), d a ß er mindestens aus der Vorstellung heraus handelt, es könne ihm ein Rechtsbehelf zustehen ( R G 128. 119; vgl. ferner K G J R P V 1940. 176, Ehrenberg 274, 348, B r u c k - M ö l l e r Anm. 45 zu § 6 V V G , R G 18. 141, L Z 1908. 464, 1910. 877, Recht 1910 Nr. 2478). Er setzt aber nicht voraus, d a ß der Versicherer wirklich verzichten wollte; seine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung gilt auch dann, wenn er „sich insgeheim vorbehält", die Verletzung der Anzeigepflicht einzuwenden (BGB § 116). O b das Verhalten des Versicherers einen Verzicht schlüssig zum Ausdruck bringt, ist Tatfrage. Wenn der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt und nicht unverzüglich oder binnen angemessener Frist, within a reasonable time, erklärt, wegen der Verletzung frei zu sein, so ist darin noch kein stillschweigender Verzicht zu erblicken ( A r n o u l d 523 s. 551,
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§ 20 524 s. 533, obgleich der Versicherer nach M I A § 18 nicht ohne weiteres frei ist, sondern may avoid the contract, also elect either to treat the contract as valid or to repudiate it). Anders, wenn er längere Zeit verstreichen läßt, ohne sich zu erklären, oder wenn er den Vertrag als vollwirksam behandelt, ζ. B. dem Versicherungsnehmer ohne Vorbehalt die Police aushändigt; das erfordern das erkennbare und schwerwiegende Interesse des Versicherungsnehmers an Gewißheit und die Treuepflicht, die auch in solchen Fällen nicht versagen darf (§ 13 Anm. 6). Ebenso A r n o u l d 524 s. 533, wobei freilich wieder zu berücksichtigen ist, daß nach englischem Recht der Versicherer nicht ohne weiteres frei ist, sondern may avoid the contract. Vgl. auch V o i g t 187, R O H G 8. 233 und insbesondere K i s c h 2. 351, 398. —· Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Deklarationsklausel 9 der Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung, nach welcher etwa unterlassene, verzögerte oder fehlerhafte Deklarationen nachgeholt bzw. berichtigt werden können und dann für den Versicherer verbindlich sind, wenn der Versicherungsnehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht außer acht gelassen hat. Anm. 7 7. A b s . 1 Satz 2. Der Versicherer 1st auch dann frei, w e n n der Versicherungsnehmer zwar den gefahrerheblichen Umstand nicht kannte und ihn deshalb auch nicht angezeigt hat, diese U n k e n n t n i s aber auf g r o b e r F a h r l ä s s i g k e i t beruht. Anders V V G § 16 Abs. 2, HGB §808 Abs. 1: Nur die Kenntnis kommt in Betracht und die Unkenntnis, die darauf beruht, daß der Versicherungsnehmer sich der Kenntnis arglistig entzogen hat. Wieder anders MIA § 18 Abs. 1: The assured is deemed to know every circumstance which, in the ordinary course of business, ought to be known by him. Dieser Standpunkt des englischen Rechts entspricht offenbar besser der Interessenlage (§ 5 Anm. 35 fr.). Demgemäß muß j a auch nach § 5 Abs. 1 der Versicherungsnehmer bei der Vergangenheitsversicherung es entgelten, daß er den Versicherungsfall zwar nicht kannte, aber kennen mußte, also infolge gewöhnlicher Fahrlässigkeit nicht kannte. Demgemäß sollte der Versicherer auch nach Ε i g i o § 22 Abs. 1 frei sein, wenn der Versicherungsnehmer den gefahrerheblichen Umstand infolge gewöhnlicher Fahrlässigkeit nicht kannte. Vgl. auch V o i g t 212: Es sei „die Forderung eines gesunden Rechtsgefühls", daß der Versicherungsnehmer fahrlässige Unkenntnis zu vertreten habe, und nur „einem Ubersehen beizumessen", daß die ASVB dies nicht bestimmten. Anm. 8 a) G r o b e F a h r l ä s s i g k e i t ist besonders schwere Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, „ganz besondere Sorglosigkeit" (RG 144. 131). Der Versicherungsnehmer hat also in diesen Grenzen auch die Erkundigungspflicht (vgl. R G 7. 4). Er muß sich erkundigen, wenn es „ganz besonders sorglos" wäre, sich nicht zu erkundigen (ähnlich auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 32 zu § 16 VVG). Abw., folgewidrig und ohne Begründung: R o e l l i 79: Das Gesetz wolle dem Versicherungsnehmer keine Erkundigungspflicht „auferlegen, sondern lediglich sein Erinnern, sein Nachdenken schärfen". Anders HGB und V V G ; denn sie verpflichten den Versicherungsnehmer nur, anzuzeigen, was ihm bekannt ist (vgl. R G 7. 4). Sie wollen „dem Versicherungsnehmer eine Erkundigungspflicht und mithin eine in dieser Beziehung zu prästierende Sorgfalt nicht auferlegen"; eine sorgfältig zu erfüllende Erkundigungspflicht ist ausdrücklich abgelehnt, der „Anregung des Referenten (der Seerechts-Kommission), ob etwa grobes Verschulden des Nichtwissens der Bekanntschaft mit dem betreffenden Umstände gleich zu behandeln sei, im Gesetz keine Folge gegeben" (RG 7. 4, R O H G 9. 65). — Für die ADS kommt die besondere Treuepflicht des § 13 hinzu. Denn sie bestimmt mit, was als „ganz besonders sorglos" anzusehen ist (§ 13 Anm. 5; vgl. auch LZ 1907. 599). Anm. 9 b) Über grobfahrlässige Unkenntnis des g e s e t z l i c h v e r t r e t e n e n Versicherungsnehmers, von V e r t r e t e r n des Versicherungsnehmers, des Versicherten, eines einzelnen
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von m e h r e r e n Versicherungsnehmern, von D r i t t e n : § 19 Anm. 10, 1 1 . — B e w e i s - δ 2 0 l a s t : oben A n m . 4.
8. Abs. 2 Satz 1. Die Folge der Befreiung tritt nicht ein, wenn der Versicherer Anm.
d e n nicht angezeigten U m s t a n d k a n n t e . E u m qui certus est, certiorari ulterius non oportet (R 31 in V I de reg. jur. 5. 12). a) K e n n t n i s von einem Umstand ist die gegenwärtige Uberzeugung von seinem Bestehen (vgl. R O H G 2. 35). Die Überzeugung muß gegenwärtig, braucht aber nicht bewußt zu sein. M a n ist von vielen Dingen überzeugt, kennt viele Dinge, ohne daß man sich ihrer stets bewußt ist oder auch nur bewußt sein kann, ohne daß man an sie „ d e n k t " . Der Versicherer kann nicht einwenden, er habe den Umstand zwar „ g e k a n n t " , aber im entscheidenden Augenblick nicht an ihn „ g e d a c h t " . So will offenbar auch R O H G 12. 1 7 1 verstanden sein: „ V o n jedem . . . Geschäftsmann werde . . . verlangt, mithin begründeter Weise vorausgesetzt, daß er bei der Behandlung und Erledigung der vorkommenden Angelegenheiten mit Aufmerksamkeit und Nachdenken verfahre, insbesondere auch relevante, ihm bekannte Umstände weder unbeachtet lasse, noch sofort wieder der Vergessenheit übergebe. Demgemäß werde allgemein in der Praxis verfahren. Sei jemandem ein Umstand aus eigener Wahrnehmung bekannt geworden, oder habe ein anderer ihm denselben mitgeteilt, so gelte, wenn es zu seinem Nachteil später auf die K u n d e von dem Umstand ankomme, dieser, falls nicht etwas besonderes entgegenstehe, als ihm bekannt, ohne daß er sich darauf berufen könne, er habe zu der betreffenden Zeit nicht an den Umstand gedacht . . . Die entgegengesetzte Behandlung würde irrationell sein und zu dem Ergebnis führen, daß der Unachtsame und Gedankenlose besser gestellt werde, als der Aufmerksame und Wachsame, was nicht zu billigen wäre (1. 4 Dig. quod vi aut clam 43. 24: Ne melioris sint stulti, quam periti)"; vgl. dazu auch K i s c h 2. 348, aber auch unten A n m . 15. Dagegen genügt nicht ein früheres, der Erinnerung vollständig oder für die entscheidende Zeit vollständig entschwundenes Wissen (vgl. Recht 1 9 1 0 Nr. 2 1 8 , Ο A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 347, O G H a m b u r g bei R O H G 2. 35). Auch nicht ein früheres, durch spätere Nachrichten überholtes und deshalb der gegenwärtigen Uberzeugung nicht mehr zugrunde liegendes Wissen. Auch nicht die bloße, sich nicht auf besondere Umstände stützende Ansicht (vgl. J W 1 9 1 1 . 649). Auch nicht die durch bloße Gerüchte oder unverbürgte Mitteilungen dritter begründete Besorgnis (vgl. Bolze 1 Nr. 1 1 1 8 ) . N u r auf die „wirkliche Wissenschaft" kommt es an, „wohingegen es auf dasjenige, was der Versicherer mit geringerer oder größerer Bestimmtheit vermutet oder angenommen haben mag, nicht ankommt" ( O A G Lübeck Kierulff 2. 36; vgl. Ο A G Lübeck H H 653, H G Z 1885. 162). Doch wird in solchem Falle der „ V e r m u t u n g " der Versicherungsnehmer sich leicht darauf berufen können, daß der nicht angezeigte Umstand subjektiv gefahrunerheblich ist (§ 19 A n m . 32). b) Die Kenntnis muß d e n n i c h t a n g e z e i g t e n U m s t a n d zum Gegenstand Anm. haben (siehe dazu auch R G 128. 1 1 7 ) . Weiß der Versicherer, daß ihm Umstände verschwiegen werden, aber nicht welche, so hat er den nicht angezeigten Umstand nicht gekannt. H a t der Versicherungsnehmer Nachricht von einem gefahrerheblichen Umstand erhalten, so hat der Versicherer den gefahrerheblichen Umstand gekannt, mag er von der Nachricht und ihrem Gegenstand oder nur von ihrem Gegenstand Kenntnis gehabt haben. H a t der Versicherer gewußt, daß der Versicherungsnehmer eine gefahrerhebliche Nachricht erhalten hat, aber nicht welche, so hat er den gefahrerheblichen Umstand, der den Gegenstand der Nachricht bildet, nicht gekannt. c) Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, so kommt es auf die Kenntnis jedes ein- Anm. zelnen an. Insbesondere kann der Versicherungsnehmer die Kenntnis des „ F ü h r e r s "
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§ 2 0 oder des Vorzeichners nicht auch den übrigen Mitversicherern entgegenhalten. Näheres: V o r b . V vor § i. A n m . 13 d) H a t ein V e r t r e t e r des Versicherers den Vertrag geschlossen, so k o m m t es nicht auf die Kenntnis des Versicherers, sondern auf die Kenntnis des Vertreters an (BGB § 166 Abs. 1). H a t jedoch ein B e v o l l m ä c h t i g t e r des Versicherers n a c h dessen bestimmten Weisungen den V e r t r a g geschlossen, so k o m m t es auch auf die Kenntnis des Versicherers a n (BGB § 166 Abs. 2). — H a t ein U n t e r b e v o l l m ä c h t i g t e r des Versicherers den Vertrag geschlossen, so k o m m t es auf seine Kenntnis a n ; auf die Kenntnis auch des Hauptbevollmächtigten oder des Versicherers d a n n , wenn er nach deren bestimmten Weisungen den Vertrag geschlossen h a t (anal. BGB § 166 Abs. 2). — Auf die Kenntnis von Vertretern des Versicherers, die b e i m Vertragsschluß n i c h t b e t e i l i g t sind, k o m m t es nicht an (vgl. hierzu den Fall O L G N a u m b u r g J W 1921. 687 und dazu G e r h a r d J W 1921. 687, J o s e f H R Z 1921. 796). — H a b e n mehrere G e s a m t vertreter des Versicherers den V e r t r a g geschlossen, so genügt die Kenntnis n u r eines von ihnen (vgl. R G 53. 231, J W 1893. 429, 1899. 47, 305 usw., auch H u p k a Vollm a c h t 375). Die Kenntnis eines nicht beteiligten Gesamtvertreters genügt nicht (vgl. H G H a m b u r g H G Z 1879. 99); doch kann die Verschweigung d e n T a t b e s t a n d einer unerlaubten H a n d l u n g bilden (BGB §§ 823 Abs. 2, 826), der Versicherer d a f ü r gemäß § 31 oder 831 BGB einstehen müssen (vgl. R G 43. 106, 57. 94, J W 1893. 429, 1899. 47, 305 usw.). — § 166 BGB ist regelmäßig auch d a n n a n w e n d b a r , wenn der V e r t r a g durch einen A g e n t e n des Versicherers nicht abgeschlossen, sondern n u r vermittelt ist. D e n n der Vermittlungsagent h a t als ständiger Geschäftsvermittler des Versicherers (im Gegensatz z u m Gelegenheitsvermittler), wenngleich keine Abschlußvollmacht, so doch eine Handlungsvollmacht beschränkteren Umfangs. Er n i m m t im N a m e n des Versicherers die Versicherungsofferte des Versicherungsnehmers entgegen u n d bewirkt hierdurch, d a ß der Versicherungsnehmer gemäß §§ 145, 146, 147 Abs. 2 BGB g e b u n d e n wird. Hieraus folgt, d a ß der Versicherer das von i h m gebilligte u n d abgeschlossene Geschäft so, wie der Agent es mit d e m Versicherungsnehmer beredet hat, gegen sich gelten lassen m u ß (vgl. R G 30. 28, 2 1 7 , 36. 247, 5 1 . 150, J W i8g8. 360, 1899. 50 usw.) u n d
insbesondere, d a ß § 166 BGB a n w e n d b a r ist (vgl. R G 30. 30, 214, J W 1893. 25> 1898. 360). Deshalb bestimmt auch § 44 V V G f ü r die Binnenversicherung ausdrücklich, d a ß die Kenntnis des Vermittlungsagenten der Kenntnis des Versicherers nicht gleichgeachtet werden soll (freilich auch im Anschluß an die f r ü h e r herrschende Rechtsprechung in Versicherungssachen: K i s c h 2. 350). A n m . 14
e) Der Versicherer m u ß b e i d e r S c h l i e ß u n g d e s V e r t r a g s gekannt haben. Gesetz u n d A D S sagen es nicht besonders. Aber es ergibt sich von selbst aus d e m Zwecke der Anzeigepflicht u n d d e m Z u s a m m e n h a n g der §§5, 19, 20 (vgl. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1939 Β 89 = Sasse N r . 451). — U b e r den Begriff der „Schließung des V e r t r a g s " : § 2 A n m . 20, § 5 A n m . 22, § 19 A n m . 16—19. A n m . 15 f) Nicht genügt, d a ß der Versicherer den nicht angezeigten U m s t a n d k e n n e n m u ß t e , d a ß er ihn fahrlässigerweise nicht kannte. Anders wiederum M I A § 18 Abs. 3: T h e insurer ist presumed to know . . . matters which an insurer in the ordinary course of his business, as such, ought to know. — Der Versicherer hat also insbesondere keine Erkundigungspflicht ( E h r e n b e r g 349, K i s c h 2. 345, M e y e r Anzeigepflicht 83, S i e v e k i n g 60, V o i g t 188, R O H G 6. 424, R G 18. 141, R G H G Z 1905. 7, O A G Lübeck H a m b S 2. 150, H G Z 1904. 130; teilw. abw. f r ü h e r R G 10. 159, Bolze 21 N r . 511). Vielmehr „ist es Sache des Versicherungsnehmers ihn über alles Wissenswerte zu informieren" ( M a t . 1. 79). Es genügt also auch nicht, d a ß d e m Versicherer „ d e r U m s t a n d in einer Weise bekannt geworden war, d a ß er sich seiner verständiger Weise noch erinnern m u ß t e " (so E h r e n b e r g 349, M e y e r Anzeigepflicht 83; vgl. aber auch
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oben Anm. 10). Doch wird in Fällen dieser Art zunächst die Kenntnis als bewiesen § 20 gelten und der Versicherer den Gegenbeweis führen müssen. Denn als bewiesen gilt, was nach der Wahrscheinlichkeit, die angesichts der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis als Gewißheit hingenommen werden muß, anzunehmen ist. U n d mit solcher Wahrscheinlichkeit darf m a n rechnen, wenn dem Versicherer „der Umstand so bekannt geworden war, daß er sich seiner verständiger Weise noch erinnern mußte". — Wenn ζ. B. der Versicherer die Versicherung von Eisenblechen übernimmt, braucht er nicht „mit einem so treuen Gedächtnis begabt" zu sein, um sich zu vergegenwärtigen, d a ß er vor längerer Zeit schon einmal die Versicherung von Hanf im selben Schiffe übernommen hat, und daraus den Schlüß zu ziehen, daß die Bleche schon längere Zeit im Schiffe gelegen haben müssen ( H G u. O G H a m b u r g H H 91; vgl. § 19 Anm. 33 unter s). W e n n der Versicherer die Versicherung f ü r Nudeln übernimmt, braucht ihm nicht gegenwärtig zu sein, d a ß er auch die Kaskoversicherung übernommen hat, daß ihm das Schiff aus diesem Grunde bekannt ist, und daß es für die Menge der Nudeln zu klein ist; der Versicherer braucht keine „Nachforschungen" anzustellen, seine „Register (über die Versicherungswürdigkeit von Schiffen) nicht einzusehen", keine „besondere Berechnung auf Grund der Größen- und Raumverhältnisse des Schiffes und der Menge, Gewicht und Verpackung der W a r e " zu machen; er „darf sich darauf verlassen, daß der Versicherte einen ihm bekannten gefahrerhöhenden Umstand anzeigt" (RG H G Z 1905. 8, H G Z 1904. 130). Es genügt also auch „die bloße Tatsache, d a ß eine Nachricht in den Schiffahrtsberichten der Zeitungen mitgeteilt oder in einem öffentlichen Geschäftslokale (insbesondere der Börse) durch Anschlag bekannt gemacht worden ist, nicht, u m Kenntnis des Versicherers von derselben . . . a n z u n e h m e n " (so ausdrücklich ASVB § 31). Vgl. auch R O H G 16. 80: Auch wenn der Versicherer „die Schiffsberichte der , Börsenhalle' täglich durchläse, so wäre doch die A n n a h m e mehr als bedenklich, daß, als . . . über die Versicherung unterhandelt wurde, dem Versicherer dasjenige hätte gegenwärtig sein können, was fast sechs Wochen vorher in jenem Blatte über ein Ereignis und . . . von Schiffen gemeldet worden war, bei welchen der Versicherer weder beteiligt war, noch vermuten konnte, daß er später bei denselben würde beteiligt werden". Anders, wenn der Umstand „allgemein bekannt" geworden ist (§19 Abs. 1 Satz 1). — Dagegen kann der Versicherer sich auf seine Unkenntnis nicht berufen, wenn er sich der Kenntnis arglistig entzogen hat (§ 5 Anm. 19). g) Die Kenntnis des Versicherers m u ß der Versicherungsnehmer b e w e i s e n . Anm. 16 Abs. 1 und 2 des § 20 stehen deutlich erkennbar im Verhältnis der Regel zur Ausnahme. 9. A b s . 2 Satz 2. Die Folge der Befreiung tritt, zweitens, nicht ein, wenn die Anm. 17 Anzeige des dem Versicherungsnehmer bekannten gefahrerheblichen Umstandes ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist. Der Versicherungsnehmer kann nicht auch einwenden, daß er zwar den gefahrerheblichen Umstand grobfahrlässig nicht gekannt habe, aber, wenn er ihn gekannt haben würde, ihn ohne Verschulden nicht angezeigt haben würde (abw. Begr. ζ. Ε 1910 §§ 2i—24). U n d , könnte er es, so würde ihm doch niemals der Beweis gelingen können, daß er den U m stand ohne Verschulden nicht angezeigt haben würde. a) A n d e r s n a c h f r ü h e r e m R e c h t . Die Nichtanzeige machte den Versicherer ohne weiteres frei. Nur eine Ausnahme war zugelassen: Der Versicherungsnehmer konnte einwenden, daß er den nicht angezeigten Umstand als dem Versicherer bekannt habe voraussetzen dürfen (HGB a. F. § 808 Abs. 2). I m wesentlichen ebenso die fremden Rechte (vgl. M I A § 18, C. de comm. Art. 348 und dazu D r o z 1. 329, belg. H G B 1 X 9 , Schweiz. V V G Art. 4, 8). Der Standpunkt des neuen Rechts (HGB §808 Abs. 2,
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§ 20 VVG § 16 Abs. 3, ADS § 20 Abs. 2 Satz 2) ist, wenn auch vielleicht nicht gerade „unbrauchbar" (so ME 79, Mat. 1. 77 und OLG Hamburg daselbst) oder „revolutionär" (so OAG Lübeck HambS 3. 390), so doch unzweckmäßig. Der Versicherer kann nach der Interessenlage das Risiko nur so übernehmen, wie es bekannt ist oder bekannt sein muß; er will und soll es nur so übernehmen. Demgemäß wäre nur zu bestimmen gewesen, daß der Versicherer frei ist, wenn gefahrerhebliche Umstände nicht angezeigt sind, die dem Versicherungsnehmer bekannt waren oder bekannt sein mußten, nicht frei ist, wenn die Umstände ihm bekannt waren oder bekannt sein mußten. Anm. 18 b) V e r s c h u l d e n ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit (BGB § 276 Abs. 1 Satz 1). α) V o r s a t z ist bewußtes Handeln. Der Versicherungsnehmer zeigt vorsätzlich nicht an, wenn er sich der Anzeigepflicht (nicht notwendig gerade der §§ 19, 20 ADS) bewußt ist und den gefahrerheblichen Umstand gleichwohl nicht anzeigt. Auf das Motiv der Nichtanzeige kommt es nicht an (ROHG 9. 65, 350, J W 1 9 1 2 . 544).
ß ) F a h r l ä s s i g k e i t ist Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (BGB § 276 Abs. 1 Satz 2), insbesondere Außerachtlassung kaufmännischer Sorgfalt, wenn das Geschäft für den Versicherungsnehmer ein Handelsgeschäft ist (HGB § 347 Abs. 1). Ob die Nichtanzeige hiernach fahrlässig war, ist Tatfrage. Sie war es ζ. B. nicht, wenn der Versicherungsnehmer einen Umstand nicht anzeigte, den er „als dem Versicherer bekannt voraussetzen durfte" (HGB a. F. § 808 Abs. 2; MI A § 18 Abs. 3 b: which an insurer in the ordinary course of his business, as such, ought to know). Sie war es ζ. Β. regelmäßig auch dann nicht, wenn der Versicherer die Nichtanzeige (absichtlich oder unabsichtlich, etwa durch die Äußerung einer Ansicht oder einer Frage) v e r a n l a ß t hat (vgl. E h r e n b e r g 3 4 8 , K i s c h 2. 352, M e y e r Anzeigepflicht 81). — Der Versicherungsnehmer kann sich also auch darauf berufen, daß er einen gefahrerheblichen Umstand e n t s c h u l d b a r f ü r g e f a h r u n e r h e b l i c h g e h a l t e n habe. Tatsächlich wird es ihm freilich nur selten gelingen können, zu beweisen, daß er einen Umstand, der nach Lage des Falles und der Verkehrsanschauung gefahrerheblich ist, ohne Verschulden für n i c h t gefahrerheblich gehalten hat (vgl. auch K i s c h 2. 282 und die dort angeführten Entscheidungen). Anm. 19 c) Sind m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt, so schadet das Verschulden des einen nicht ohne weiteres dem anderen. Das Verhältnis der Versicherungsnehmer zueinander entscheidet. Sind sie ζ. B. Bruchteilseigentümer der zu versichernden Sache, so besteht kein Grund, das Verschulden des einen dem anderen zuzurechnen (abw. K i s c h 2. 299, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 4 zu § 20 ADS, B r u c k - M ö l l e r Anm. 66 zu § 6 VVG). Anders, wenn sie im Gesamthandverhältnis stehen (RG 157.314). Selbstverständlich auch anders, wenn der andere durch den einen vertreten wird. Näheres: Vorb. VI vor § 1. Anm. 20 d) Ist der Versicherungsnehmer g e s e t z l i c h v e r t r e t e n , so muß er das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters gegen sich gelten lassen (BGB § 278), außerdem eigenes Verschulden in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit (BGB § 276; näheres: § 19 Anm. 10, Vorb. VIII vor § 1). •— Das Verschulden s o n s t i g e r V e r t r e t e r oder H i l f s p e r s o n e n muß er gleichfalls gemäß § 278 BGB gegen sich gelten lassen. Näheres: § 19 Anm. 11, Vorb. VIII vor § 1 . — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommt es regelmäßig auch auf das Verschulden des Versicherten an: § 57. Anm. 21 e) A b s . 3. Der Versicherer ist also nicht frei, wenn dem Versicherungsnehmer zwar ein gefahrerheblicher Umstand bekannt war, die Anzeige aber ohne sein Verschulden unterblieben ist. Auch dann nicht, wenn er die höhere Gefahr nach seinen geschäftlichen Grundsätzen selbst für eine höhere Prämie nicht übernommen haben
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würde (anders V V G § 41 Abs. 2: Kündigung mit Monatsfrist), oder wenn überhaupt § 20 kein verständiger Versicherer sie übernommen haben würde. Dafür gebührt dem Versicherer eine Z u s c h l a g s p r ä m i e , — ein offenbar unzureichender Ersatz, da die Nichtanzeige gefahrerheblicher Umstände durchweg (wenn überhaupt) nur im Entschädigungsfall bekannt wird, der Versicherer also in allen anderen Fällen auf keine Zuschlagsprämie rechnen kann. aa) Die Zuschlagsprämie ist eine Vergütung, welche die Vertragsprämie (mit Einschluß von Prämienzulagen) um e b e n s o v i e l übersteigt, w i e die G e f a h r infolge des nicht angezeigten Umstandes g r ö ß e r i s t , a l s s i e ohne den Umstand sein würde, als sie mithin zu sein s c h i e n . U m irgendetwas muß die Gefahr immer größer sein, irgendeine Zuschlagsprämie ist also, wenn die Anzeigepflicht verletzt ist und der Versicherer gleichwohl haftet, immer zu entrichten. Denn gefahrerheblich sind j a nur Umstände, welche die Gefahr erhöhen. — Ob ein Umstand gefahrerheblich und wie erheblich er ist, kann natürlich nur vom Standpunkt der Verhältnisse aus beurteilt werden, unter denen der Vertrag geschlossen wurde (§ 19 Anm. 31). Die Gefahr braucht also auch gar keine größere zu sein, als zur Zeit des Vertragsschlusses (abw. K i s c h 2. 360). Es kommt nur darauf an, ob sie m i t dem Umstände als eine größere erschienen wäre, als sie o h n e den Umstand erschienen ist. Der Versicherer kann ζ. B. Zuschlagsprämie verlangen, wenn der Versicherungsnehmer eine gefahrerhebliche Nachricht nicht mitgeteilt hat und diese Nachricht sich später als unrichtig erweist. Deshalb kann der Versicherer auch dann Zuschlagsprämie verlangen, wenn die (an und für sich zu hohe) Vertragsprämie für die größere Gefahr gerade angemessen ist (anders für § 41 V V G : K i s c h 2. 361, auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 5 zu § 20 A D S ) . Beträgt die Vertragsprämie 1 %, die im Verkehr übliche und angemessene Prämie y2 %, so beträgt die Zuschlagsprämie, wenn die Gefahr um 2 5 % größer ist (oder doch unter Berücksichtigung des verschwiegenen Umstandes erschienen wäre), Vi%> auch nicht etwa 1 / 8 %- — Ebensowenig ist von Bedeutung, ob der verschwiegene Umstand auf den Eintritt des Versicherungsfalls von Einfluß gewesen oder gar zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn oder Versicherungsfall weggefallen ist. Der „tatsächliche Gefahrablauf" kommt nicht in Betracht ( O L G H a m m bei H a s s e l m a n n 82). — Nach diesen Grundsätzen muß die Zuschlagsprämie auch dann bemessen werden, wenn der Versicherer die größere Gefahr überhaupt nicht übernommen haben würde. bb) Die Zuschlagsprämie gebührt dem Versicherer o h n e w e i t e r e s . Er hat nicht bloß (wie K i s c h 2. 367 für §41 V V G meint) „die Befugnis, eine Erhöhung der Prämie herbeizuführen". Die Zuschlagsprämie gebührt dem Versicherer von vornherein. Sie ist gemäß § 16 Abs. 1 „ s o f o r t nach dem Abschlüsse des Vertrags zu zahlen", sofort fällig und demgemäß ζ. B. auch nach §§ 352, 353 H G B sofort zu verzinsen (§ 16 Anm. 10). — Wenn der Versicherungsnehmer nicht zahlt, kann der Versicherer gemäß § 17 Satz 1 mahnen und eine Zahlungsfrist setzen; zahlt der Versicherungsnehmer gleichwohl nicht, so ist der Versicherer (für die Zukunft) frei. Wenn und soweit der Versicherungsnehmer die Höhe der Zuschlagsprämie entschuldbar nicht kennt, ist er jedoch nicht im Zahlungsverzug, kann also der Versicherer auch nicht gemäß § 17 Satz 2 kündigen. — Die Vorschrift des § 811 a Abs. 2 HGB, wonach der Anspruch auf die Zuschlagsprämie erlischt, wenn er nicht binnen bestimmter Frist geltendgemacht wird, findet keine Anwendung (§ 126). cc) S c h u l d n e r der Zuschlagsprämie ist der Versicherungsnehmer. Auch im Falle der Versicherung für fremde Rechnung. Im Falle der Veräußerung schulden Veräußerer und Erwerber die Zuschlagsprämie (§49 Abs. 1 Satz 1). Im Falle der
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V e r ä u ß e r u n g versicherter G ü t e r schuldet j e d o c h der E r w e r b e r die Zuschlagsprämie nicht, wenn eine Police ausgestellt ist ( § 4 9 Abs. 1 Satz 2). Näheres: § 16 A n m . 7. dd) D e m Versicherer g e b ü h r t (ausnahmsweise) keine Zuschlagsprämie, w e n n d e n Versicherungsnehmer deshalb kein Verschulden trifft, weil der nicht angezeigte U m s t a n d a l l g e m e i n b e k a n n t war, u n d d e r Versicherungsnehmer aus diesem G r u n d e voraussetzen durfte, d a ß d e r U m s t a n d auch d e m Versicherer b e k a n n t sei (§ 19 A n m . 50). ee) D e m Versicherer g e b ü h r t keine Zuschlagsprämie, wenn er d e n nicht angezeigten U m s t a n d k a n n t e u n d aus diesem G r u n d e nicht frei wird. Ebenso, w e n n er auf sein Recht, die Befreiung von der Entschädigungspflicht einzuwenden, verzichtet h a t . Näheres über diese Fälle oben A n m . 6, 10. f f ) N a c h § 8 1 1 a Abs. 1 Satz 2 H G B k a n n der Versicherer a u c h d a n n eine Zuschlagsprämie verlangen, w e n n die A n z e i g e u n t e r b l i e b e n ist, w e i l der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r d e n gefahrerheblichen U m s t a n d n i c h t k a n n t e (ebenso V V G § 41 Abs. 1 Satz 2). Ebenso bestimmte Ε i g i o § 22 Abs. 3 Satz 2. Die Bes t i m m u n g ist wegen der dagegen erhobenen Vorstellungen der Versicherten gestrichen w o r d e n ( M a t . 1. 80). W o h l mit R e c h t . Z w a r wird n a c h der Begr. z. V V G § 41 d e r Versicherer „benachteiligt, w e n n er beim Vertragsschlusse, entsprechend der Gefahr, wie er sie damals voraussetzen durfte, eine P r ä m i e bewilligt hat, die niedriger ist, als diejenige, welche sich aus der wirklichen Sachlage ergibt", verlangt also „ d i e Billigkeit, d a ß hier d e m Versicherer Gelegenheit geboten wird, die Prämie . . . zu e r h ö h e n " . Aber der Versicherer h a t von j e h e r die Ungewißheit, jedenfalls die schuldlose Ungewißheit über die Erheblichkeit d e r G e f a h r mit in d e n K a u f g e n o m m e n . Sonst m ü ß t e j a a u c h im Falle einer Vergangenheitsversicherung der Versicherungsnehmer, der nicht weiß u n d nicht z u wissen b r a u c h t , d a ß die versicherte Sache bereits d u r c h ein Gefahrereignis total verlorengegangen ist, folgerichtigerweise eine Zuschlagsprämie bezahlen, die z u s a m m e n m i t der Vertragsp r ä m i e der Versicherungssumme gleichkäme (was freilich in einem nicht gleichen, aber ähnlichen Falle das L G Essen f ü r möglich h ä l t : H a s s e l m a n n 81). W o h l b e m e r k t : folgerichtigerweise. Die Ansicht, d a ß der Versicherer g e m ä ß § 8 1 1 a H G B im Falle einer Vergangenheitsversicherung eine Zuschlagsprämie verlangen könne, wenn der Versicherungsfall schon eingetreten, dies aber d e m Versicherungsnehmer u n b e k a n n t gewesen sei (so anscheinend S i e v e k i n g 65; vgl. aber a u c h § 5 A n m . 31), ist u n h a l t b a r . Auf diesen Fall findet § 785 H G B A n w e n d u n g , nicht §811 a HGB.
A n m . 22
f ) B e w e i s l a s t . H a t der Versicherer bewiesen, d a ß der Versicherungsnehmer d e n gefahrerheblichen U m s t a n d gekannt hat, so m u ß der Versicherungsnehmer beweisen, d a ß die Anzeige ohne Verschulden unterblieben ist ( H a n s O L G J R P V 1933. 240 = Sasse N r . 429). D e n n § 20 Abs. 1 u n d 2 stehen deutlich e r k e n n b a r im Verhältnis der Regel zur Ausnahme. Vgl. auch K i s c h 2. 203, B r u c k - M ö l l e r A n m . 5 1 zu § 16 V V G , P r ö l ß A n m . 9 zu §§ 16, 17 V V G , O L G H a m m , K G Gerhards Praxis 3. 89, 91, O L G Stuttgart, F r a n k f u r t L Z 1 9 1 1 . 2 4 6 , 797, O L G Karlsruhe BadRspr 1911. 33, O L G H a m b u r g VersR 1953. 190, O L G Schleswig VersR 1953. 395, R G D R 1945. 59, Begr. z. V V G §§ 16—22. — Verlangt der Versicherer Zuschlagsprämie, so m u ß er beweisen, d a ß der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen U m s t a n d nicht angezeigt hat, d a ß der Versicherungsnehmer d e n U m s t a n d gekannt h a t , d a ß d e n Versicherungsnehmer kein Verschulden trifft u n d er selbst deshalb nicht frei ist, u n d u m wieviel die Gefahr größer ist oder als größer erschienen wäre. Die Schuldlosigkeit des Versicherungsnehmers b r a u c h t er natürlich nicht zu beweisen, w e n n der Versicherungsn e h m e r sie b e h a u p t e t .
Anzeigepflicht b) Die Falschanzeige
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io. Abs. 1 Satz 1. Der Versicherungsnehmer darf nicht ,,über einen er- Anm. 23 heblichen U m s t a n d eine unrichtige Anzeige m a c h e n " . Gemeint ist etwas anderes: Der Versicherungsnehmer darf keine g e f a h r e r h e b l i c h u n r i c h t i g e A n z e i g e machen, keine Anzeige, die geeignet ist, den Vertragswillen des Versicherers zu beeinflussen (HGZ 1887. 135). Every m a t e r i a l representation must be true (MIA § 20 Abs. 1). Nicht darauf kommt es an, daß der Umstand, auf den die Falschanzeige sich bezieht, erheblich ist, sondern darauf, daß der Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit, Richtigem und Unrichtigem, the difference between what is represented and what is actually correct, erheblich ist (MIA § 20 Abs. 4). Es wäre deshalb auch ohne Bedeutung, ob der Umstand, auf den die Falschanzeige sich bezieht, gefahrerheblich oder gefahrunerheblich ist. Aber, wenn der Umstand gefahrunerheblich ist, wird in der Regel auch die Unrichtigkeit gefahrunerheblich sein (vgl. aber auch unten Anm. 26 über unrichtige Ansichtsäußerungen). a) Die Falschanzeige kann sich auf U m s t ä n d e aller A r t beziehen, vergangene, Anm. 24 gegenwärtige oder künftige, positive oder negative, äußere oder innere (näheres: § 19 Anm. 23). MIA 20 Abs. 3 unterscheidet: A representation may be either a representation as to a matter of fact, or as to a matter of expectation or belief (vgl. dazu unten Anm. 26). b) Die U n r i c h t i g k e i t kann gleichfalls von j e d e r Art sein. Unwirkliches kann Anm. 25 behauptet, Wirkliches geleugnet oder anders oder schief dargestellt sein. Unvollständige oder zweideutige Anzeigen sind unrichtig, wenn daraus bei objektiver Beurteilung unrichtige Schlüsse gezogen werden müssen. Sind sie erkennbar mehrdeutig, so muß der Versicherer fragen (Kisch 2. 26g, SA 40 Nr. 94, B r u c k - M ö l l e r Anm. 40 zu § 16 V V G , R G APV 1927. 235). Ebenso, wenn der Versicherer in anderen Fällen die Unvollständigkeit oder Mehrdeutigkeit erkannt hat (§ 20 Abs. 2 Satz 1 ; zur Fragepflicht des Versicherers vgl. auch die teilweise bedenkl. Entsch. ROHG 9. 291, ROHG Baumgartners Praxis Nr. 247, HGZ 1905. 116, OLG Jena SA 38 Nr. 59). Im übrigen entscheidet in erster Linie die Bedeutung, die der Anzeige — für den Versicherungsnehmer bei objektiver Betrachtung erkennbar — vom Versicherer beigemessen werden muß, in zweiter Linie der Sprachgebrauch, der am Orte und in den Kreisen des Versicherungsnehmers gewöhnlich ist (SA 40 Nr. 94). The primary rule is to take the words in their plain and obvious meaning and in that sense, in which it is most reasonable to conclude that they were understood by the underwriter (Arnould 551 s. 582). Unrichtig ist ζ. Β. die Anzeige, daß frühere Schadensfälle nicht vorgekommen seien, wenn die versicherte Sache zwar nicht im Besitz des Versicherungsnehmers, wohl aber im Besitz der offenen Handelsgesellschaft, deren Mitinhaber der Versicherungsnehmer war, beschädigt worden ist (Bolze 21 Nr. 508). Unrichtig im Falle einer Vergangenheitsversicherung die Anzeige, daß das am 20. Juli von Ibraila nach Hamburg versicherte Schiff am 29. Juni Sulina passiert habe, wenn es an diesem Tage infolge eines Unfalls Sulina angelaufen hat und am 9. Juli ausgelaufen ist (HG Hamburg HGZ 1870. 202). Unrichtig die Anzeige, that the ship was on the coast the 2nd of October, wenn der Versicherungsnehmer Nachricht hatte, daß das Schiff an diesem Tage die afrikanische Küste verlassen hatte (Ratcliffe v. Shoolbred 1780 bei A r n o u l d 551 s. 582). Unrichtig im Falle einer Vergangenheitsversicherung von Frachtüberschuß die Anzeige: „Das Schiff kann gesegelt sein", wenn es schon vor mehr als zwei Monaten gesegelt ist (HG HGZ 1861. 289). Ist vereinbart „Ohne Präjudiz, falls das Schiff schon gesegelt sein sollte", so liegt darin eine Falschanzeige, wenn der Versicherungsnehmer weiß, daß das Schiff schon gesegelt ist, nämlich die unrichtige Anzeige, daß dem
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§ 2 0 Versicherungsnehmer über die A b f a h r t des Schiffes nichts b e k a n n t ist ( S i e v e k i n g 55, H G H a m b u r g Η G Z 1877. 49)· A n m . 26 Die Anzeige k a n n sich insbesondere auf k ü n f t i g e U m s t ä n d e beziehen (vgl. oben A n m . 24, § 19 A n m . 23). Der Versicherungsnehmer k a n n ζ. B. anzeigen, d a ß das zu versichernde Schiff K a f f e e laden, neutrale L a d u n g befördern, a n einem bestimmten T a g e die versicherte Reise antreten werde, d a ß die zu versichernden G ü t e r einstweilen im Schiffe lagern bleiben w ü r d e n usw. Bei solchen Anzeigen k a n n es sich u m bloße A n s i c h t s ä u ß e r u n g e n handeln. Die Anzeige ist Falschanzeige, wenn der Versicherungsnehmer eine a n d e r e Ansicht hat, w e n n er ζ. B. anzeigt: „ D a s Schiff wird demnächst segeln" u n d weiß, d a ß das Schiff nicht demnächst segeln k a n n u n d wird ( O A G Lübeck L ü b S 1454). — Bei solchen Anzeigen k a n n es sich auch u m die Anzeige einer A b s i c h t h a n d e l n . Die Anzeige ist Falschanzeige, wenn der Versicherungsnehmer die angezeigte Absicht nicht h a t . — Bei solchen Anzeigen k a n n es sich endlich auch u m V e r e i n b a r u n g e n ü b e r d a s v e r s i c h e r t e R i s i k o u n d mithin ü b e r die Grenzen der H a f t u n g des Versicherers h a n d e l n . Vgl. ζ. B. H G Z 1917. 205, 1918. 124: „ L a g e r n d im D a m p f e r M o m b a s s a im L o n d o n e r H a f e n " , H G Z 1 9 1 7 . 93: „ D i e V e r l a d e p a p i e r e dürfen keine N a m e n deutscher . . . Staatsangehöriger e n t h a l t e n " . — Ähnlich u n t e r schieden Rechtslehre u n d R e c h t s p r e c h u n g in E n g l a n d zwischen affirmative representation u n d promissory representation. A f f i r m a t i v e representation ist die Anzeige eines gegenwärtigen oder vergangenen Umstandes, ζ. B. i m Falle einer V e r g a n g e n heitsversicherung die Anzeige: „ D a s Schiff ist a m 1. M a i gesegelt". Die p r o m i s s o r y representation zerfällt in p o s i t i v e promissory representation (ζ. Β.: Der Makler n i m m t a m 18. J u n i Vergangenheitsversicherung u n d zeigt d e m Versicherer ein Schreiben des Versicherten v o m 2. April, in d e m mitgeteilt wird, the ship will sail on the i 9 t of M a y ; tatsächlich war es a m 23. April gesegelt; Dennistoun v. Lillie 1821 bei A r n o u l d 5 3 1 s · 56 1 ) 534 s · 565) u n d s t a t e m e n t s of e x p e c t a t i o n (z. B.: Der Makler spricht die E r w a r t u n g aus, d a ß die L a d u n g f ü r das zu versichernde Schiff im Abgangshafen bereit liege, ohne hierfür einen stichhaltigen G r u n d zu h a b e n u n d u m das Risiko als ein Sommer-Risiko erscheinen zu lassen: H u b b a r d v. Glover 1 8 1 2 bei A r n o u l d 541 s. 5 7 1 , — eine den Versicherer verurteilende u n d u m so bedenklichere Entscheidung, als der Makler nicht n u r seine E r w a r t u n g ausgesprochen, sondern positiv u n d unrichtig angezeigt h a t t e : T h e r e is a cargo for her). In Sachen J o r d e n v. M o n e y 1854 erklärte j e d o c h Mellish, L. J . : T h e r e is a clear difference between a misrepresentation in p o i n t of f a c t , a representation t h a t something exists at the m o m e n t which does not exist, a n d a representation t h a t something will be d o n e i n t h e f u t u r e . Of course, that something will be done in the f u t u r e cannot either be true or false at the m o m e n t it is m a d e ( ? ) , a n d although you m a y call it a representation, if it is anything, it is a contract or promise (bei A r n o u l d 536 s. 567). N u n m e h r bestimmt M I A § 20 Abs. 4: A representation as to a m a t t e r of f a c t is true, if it b e s u b s t a n t i a l l y c o r r e c t , t h a t is to say, if the difference between w h a t is represented a n d w h a t is actually correct would not be considered material by a p r u d e n t insurer, u n d M I A § 20 Abs. 5 : A representation as to a m a t t e r of e x p e c t a t i o n o r b e l i e f is true, if it be m a d e i n g o o d f a i t h . Als drittes stehen die V e r e i n b a r u n g e n über die Beschränkung des Risikos, die freilich, weil n a c h englischem R e c h t e Versicherungsverträge schriftlich geschlossen w e r d e n müssen, a u c h ihrerseits der Schriftform bedürfen. D a m i t scheint das englische R e c h t i m wesentlichen auf d e m Boden des deutschen zu stehen. Anders freilich A r n o u l d 539 s · 57°) der meint, that the doctrine of promissory representations . . . has ceased to exist since the M I A c a m e into force. A n m . 27
c) Die U n r i c h t i g k e i t m u ß f ü r die Ü b e r n a h m e der Gefahr erheblich sein. — F ü r d i e Ü b e r n a h m e d e r G e f a h r . D a h i n gehören a u c h Unrichtigkeiten, die n u r
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m i t t e l b a r mit der Gefahr zusammenhängen. Unrichtige Angaben über frühere § 20 Schäden, über frühere Versicherungen, über Vorreisen, über den schadhaften Zustand der zu versichernden Sache usw. — E r h e b l i c h muß die Unrichtigkeit sein. O b j e k t i v geeignet, auf den Vertragswillen des Versicherers Einfluß zu üben. A representation is material, which would influence the judgment of a prudent insurer in fixing the premium, or determining whether he will take the risk (MIA § 20 Abs. 2) und whether a particular representation be material or not is, in each case, a question of fact (MIA § 20 Abs. 7). Falschanzeigen, die das Risiko größer erscheinen lassen, als es wirklich ist, schaden nicht (HGZ 1893. 203). — Ob der Versicherungsnehmer die Unrichtigkeit der Anzeige für erheblich g e h a l t e n hat oder nicht, ist ohne Bedeutung. — Unrichtigkeiten, die zwar objektiv erheblich sind, aber nachweisbar auf d i e s e n Versicherer keinen Eindruck gemacht haben würden, wenn er sie gekannt hätte, schaden nicht. — Näheres über alles dies: § 19 Anm. 24ff. Erheblich können nach Lage des Falles insbesondere auch unrichtige A n s i c h t s ä u ß e r u n g e n sein (oben Anm. 26, K i s c h 2. 264). Es ist etwas anderes, eine bloße Ansicht oder Besorgnis nicht anzuzeigen, etwas anderes, sie unrichtig darzustellen. — Natürlich kann sich die Falschanzeige auch auf eine dem Versicherungsnehmer zugegangene N a c h r i c h t beziehen. Aber die Unrichtigkeit ist nicht etwa ohne weiteres deshalb erheblich, weil die Nachricht einen gefahrerheblichen Umstand betrifft (oben Anm. 23). — Absichtlich unrichtige, insbesondere auch absichtlich zweideutige Angaben gelten nach § 21 ohne weiteres als gefahrerheblich. Ebenso unrichtige Angaben, deren Richtigkeit der Versicherungsnehmer z u g e s i c h e r t hat. Ebenso im Zweifel unrichtige Angaben auf ausdrückliche F r a g e n des Versicherers. Weitere d) B e i s p i e l e gefahrerheblicher und gefahrunerheblicher Unrichtigkeiten (vgl. auch Anm. 28 § 19 Anm. 33): aa) SA 24 Nr. 273, RG u. OLG Posen APV 1904. 146, 1905 II 21, OLG Jena SA 38. 59. Unrichtige Angaben über frühere Versicherungen und frühere Versicherungsfälle sind regelmäßig erheblich. Vgl. auch K i s c h 2. 198 und dort angef. weitere Entscheidungen. Brauchen auch nach den im Seeversicherungs-Verkehr herrschenden Anschauungen frühere Schäden usw. nicht angezeigt zu werden (§ 19 Anm. 33 unter w), so folgt doch daraus nicht, daß darüber unrichtige Angaben gemacht werden dürfen. bb) HG u. OG Hamburg, Ο AG Lübeck HambS 2. 474. Zeit-Kaskoversicherung. Die Angabe, daß das Schiff für eine Reise „von Lima nach der Insel Cocus im stillen Meere . . . während seines Aufenthalts dort für irgendeinen Zweck und nachher entweder nach Panama . . . oder nach Hause" versichert sein soll, ist zweideutig und unrichtig, die Unrichtigkeit gefahrerheblich, wenn das Schiff im stillen Meere Perlenfischerei treiben soll. cc) HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck Kierulff 2. 533. Kaskoversicherung. Die Angabe, daß das Schiff mit Stückgut beladen sei, obwohl es mit Steinen und Ton beladen war, ist nach HG Hamburg erheblich unrichtig, nach OG Hamburg (aus den besonderen Gründen der §§ 18, 19 AllgPlan 1847) richtig. — Vgl. auch HG u. OG Hamburg Seebohm 445: Die Anzeige, daß das Schiff Stückgut geladen habe, sei richtig, wenn zwar Eisenbahnschienen geladen seien, überwiegend aber andere Güter. dd) HGZ 1908. 271. Kaskoversicherung. Die Anzeige: „Jahr der Erbauung des Schiffes: 1 8 8 1 " , ist unrichtig, wenn das Schiff i860 gebaut, 1881 „umgebaut" ist. ee) HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck HGZ 1868.209. Kaskoversicherung. Das Schiff war umgebaut. Der Schiffsbaumeister hatte bezeugt, daß das Schiff nunmehr „erster Klasse" sei. Der Versicherungsnehmer hatte angezeigt, daß das Schiff „A I klassifiziert" sei. „A I" war das Klassenzeichen von Lloyd's Register of Β. and F. Shipping. 24
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§ 2 0 Die Anzeige ist erheblich unrichtig. —• N a c h dem gegenwärtigen Stande des Klassifikationswesens, der Verkehrsanschauung und dem Sprachgebrauch bedeutet die Angabe einer bestimmten Klasse ohne weiteres, d a ß das Schiff die Klasse von einer der anerkannten Schiffsklassifikations-Anstalten erhalten h a t (noch dahingestellt von O A G Lübeck H G Z 1868. 2 1 2 ; abw. noch O G H a m b u r g H G Z 1868. 211). Vgl. auch L G H a m b u r g H G Z 1880. 169: Güterversicherung; Falschanzeige, daß die Zille, in der die Güter befördert werden sollen, ein Revisionsattest besitze; die Unrichtigkeit ist gefahrerheblich; d a ß die Zille später ein Revisionsattest erhalten hat, ist ohne Bedeutung. ff) H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H a m b S 2. 140. Kaskoversicherung. Die Anzeige „ M i t oder ohne L a d u n g " ist erheblich unrichtig, wenn das Schiff überhaupt kein Frachtschiff, sondern ein kleiner Bugsierdampfer ist. gg) H G u. O G H a m b u r g A f H R 2. 306. Kaskoversicherung f ü r die Vergangenheit. Dem Versicherer wird angezeigt, daß das Schiff am 21. November segelfertig gewesen sei. Tatsächlich war es bereits am 20. November in See gegangen und in einem a m 21. November einsetzenden Sturm total verlorengegangen. Gefahrerhebliche Unrichtigkeit. H G u. O G H a m b u r g haben den Versicherer gleichwohl zur Entschädigung verurteilt, weil bona fides beim Versicherungsnehmer und seinem Auftraggeber unbestreitbar gewesen sei (und dies nach A H O 1731 genüge). hh) H G u. O G H a m b u r g H G Z 1872. 7, 56. Kriegsversicherung eines Schiffes f ü r die Reise van Maracaibo nach H a m b u r g auch f ü r die Vergangenheit, und zwar zwei Tage vor der französischen Kriegserklärung unter Bezugnahme auf eine Börsenliste, nach der das Schiff am 11. J u n i 1870 von Maracaibo abgefahren sein sollte. Gefahrerheblich, d a ß die Börsenliste unrichtig, das Schiff erst später gesegelt war. Vgl. aber auch § 19 Anm. 36, 40. ii) H G H a m b u r g H G Z 1878. 205. Versicherung eines Kahns. Die Anzeige, daß der (später durch Eis beschädigte) K a h n an der Buhne in Schnackenburg „gegen jede Eisgefahr gesichert sei", ist nicht unrichtig. Sache des Versicherers sei es, zu beurteilen, wieweit der K a h n dort tatsächlich sicher gewesen sei. kk) O A G Lübeck LübS 1. 286. Güterversicherung. Die unrichtige Anzeige, daß die Güter nicht dem Kapitän gehörten, ist gefahrerheblich (vgl. auch § 19 Anm. 33 unter dd). Die bloße Anzeige, daß „das Konnossement vom 17. Oktober sei", enthält aber noch keine Anzeige, daß die Güter nicht dem Kapitän gehören. 11) H G Z 1916. 293. Kriegsversicherung von Gütern. Die Angabe, d a ß die Güter neutrales Eigentum seien, ist unrichtig, wenn zwar eine im neutralen Ausland ansässige Handelsgesellschaft Eigentümerin ist, diese Gesellschaft aber aus einem Neutralen und vier Angehörigen eines kriegführenden Staates besteht. Die Unrichtigkeit ist auch gefahrerheblich. mm) H G H a m b u r g H G Z 1870. 202. Vergangenheitsversicherung von imaginärem Gewinn für die Reise von Ibraila nach H a m b u r g . Der Versicherungsnehmer zeigt a m 20. Juli an, daß das Schiff a m 29. J u n i Sulina passiert habe, obgleich das Schiff infolge einer Beschädigung Sulina angelaufen hat, hier repariert ist und erst am 9. Juli die Reise fortgesetzt hat. Gefahrerhebliche Unrichtigkeit. nn) H G u. O G H a m b u r g Ullrich Nr. 214. Frachtversicherung für die Vergangenheit. Der Versicherungsnehmer zeigt a m 13. April 1854 an, d a ß das Schiff a m 27. Februar mit der Weizenladung aus Odessa ausklariert sei, obgleich das Schiff, an diesem Tage auf die Reede gelegt, wegen eines Leckes hatte zurückkehren und reparieren müssen, und a m 1. März russisches Getreide-Ausfuhrverbot erlassen war. Gefahrerhebliche Unrichtigkeit. 00) H G u. O G H a m b u r g Ullrich Nr. 359, Frachtversicherung. Die Anzeige, daß die L a d u n g aus Salz und Stückgut bestehe, ist nicht unrichtig, wenn und weil in der H a u p t -
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sache Salz geladen war, die Stückgüter nur Beiladung bildeten. Vgl. auch oben unter cc § 2 0 und unten unter uu. pp) HG Hamburg HGZ 1861. 289. Vergangenheitsversicherung von Frachtüberschuß. Der Versicherungsnehmer zeigt am 18. Februar 1861 an: „das Schiff kann gesegelt sein", obgleich ihm am J1. Februar von seinem Auftraggeber mitgeteilt war, das Schiff sei gesegelt, man habe aber keine Angabe des Tages der Abreise erhalten. Tatsächlich war das Schiff schon am 1. November i860 gesegelt (und am 17. Januar 1861 untergegangen). Gefahrerhebliche Unrichtigkeit. qq) HG u. OG Hamburg, ROHG HGZ 1872. 206, 343, 1873. 292. Versicherung von Vorschußgeldern. Der Versicherungsnehmer hatte angezeigt: „Vom Kapitän ist ein Dampfer engagiert worden, um das Schiff von Glückstadt nach Cuxhaven zu bugsieren". Wäre die Anzeige falsch gewesen, so wäre die Unrichtigkeit erheblich gewesen. Es war aber tatsächlich ein Schlepper angenommen, das Schiff freilich abgefahren, ohne auf den Schlepper zu warten. rr) OAG Lübeck Wunderlich 1. 182. Rückversicherung des Schiffes. Die Angabe, daß das Schiff „erst in neuerer Zeit" von Havre abgegangen sei, obgleich es bereits vor sechs Wochen abgegangen war, ist unrichtig, die Unrichtigkeit gefahrerheblich. — Ebenso die Angabe, daß das Schiff „mehrere Häfen der Campechebay" anlaufen dürfe, wenn es in Veracruz keine Ladung finden würde, obgleich das Schiff nach der Originalpolice unbeschränkt „mehrere Plätze" anlaufen durfte, sowie die Angabe, daß das Schiff von Vercaruz direkt nach Havre zurückkehre, obgleich es nach der Originalpolice über Carmen zurückkehren durfte. Vgl. jedoch auch § 1 Anm. 148 und unten unter uu. ss) HG Hamburg HGZ 1877. 49. Rückversicherung der Güter für die Vergangenheit. In der Klausel „Ohne Präjudiz, falls das Schiff gesegelt ist" oder „Ohne Präjudiz, falls das Schiff schon gesegelt sein sollte" liegt die Angabe, daß dem Versicherungsnehmer unbekannt ist, ob das Schiff schon gesegelt ist. Die Angabe ist also unrichtig, wenn der Versicherungsnehmer weiß, daß das Schiff schon gesegelt ist (und demgemäß auch unrichtig, wenn er weiß, daß das Schiff noch nicht gesegelt ist). Vgl. auch HGZ 1889. 7. tt) Die §§ 35, 36 ASVB behandelten unter dem Gesichtspunkte der Anzeigepilicht unrichtige Angaben über den Gegenstand der Versicherung, den Namen des Schiffes und des Kapitäns, den Abgangs- und den Bestimmungsort. Mit Unrecht. Denn diese Angaben sind regelmäßig nicht Anzeigen gefahrerheblicher Umstände, sondern wesentliche Bestandteile des Versicherungsvertrags, Angaben, welche die versicherte Unternehmung individualisieren (Droz 1 . 3 2 1 ) . Wer Kaffee versichert, kann nicht erwarten, daß sein Interesse an einer Reisladung gedeckt ist. Hat er an einer Kaffeeladung kein Interesse gehabt, so ist, wenn überhaupt ein Vertrag zustande gekommen oder der zustande gekommene Vertrag nicht wegen Irrtums anfechtbar und angefochten ist, nach den Grundsätzen zu verfahren, die anzuwenden sind, wenn dem Vertrag ein Interesse nicht zugrunde liegt. Wer das Schiff Luise versichert, hat nicht das Schiff Justus versichert. Wenn 500 Sack Kaffee im Schiffe Luise versichert sind, sind nicht 500 Sack Kaffee im Schiffe Justus versichert (vgl. auch § 95 Anm. und V o i g t 232). Wenn 500 Sack Kaffee für eine Reise von Rio de Janeiro nach Hamburg versichert sind, sind sie nicht für eine Reise von Puerto Caballos nach Hamburg versichert. Wenn sie für eine Reise von Rio nach Hamburg versichert sind, sind sie nicht für eine Reise von Rio nach Triest versichert (Voigt 232; doch wird dieser Fall, ausnahmsweise, gemäß § 23 Abs. 3 als Fall einer Gefahränderung behandelt: § 23 Anm. g, 62). Wenn die Fracht für eine Kaffeeladung versichert ist, ist keine Fracht für eine Zedernholz-Ladung versichert (LG Hamburg HGZ 1885. 159; abw. HGZ 1885. 160, j886. 28; vgl. auch § 1 Anm. 185, § 19 Anm. 25, § 23 Anm. 9 unter nn). Wenn dagegen 24»
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§ 20 Fracht für unbestimmte Güter versichert ist und der Versicherungsnehmer anzeigt, daß die Ladung aus Kaffee besteht, obgleich sie aus Zedernholz besteht, ist eine unrichtige Anzeige gemacht und der Versicherer gemäß § 20 Abs. 1 frei, falls es sich um eine gefahrerhebliche Unrichtigkeit handelt, die eine Ware (Kaffee) ζ. B. erheblich wertvoller ist als die andere (Holz) und deshalb ζ. B. in Havariegrosse erheblich mehr beiträgt als die andere ( L G u . O L G Hamburg H G Z 1885. 159, 1886. 28, 1887. 134; vgl. auch § 105 Anm.). O b die Person des Kapitäns zur Individualisierung der versicherten Unternehmung dient, ist Tatfrage; meist wird es gegenwärtig nicht der Fall, oft die Person des Kapitäns nicht einmal ein für die Übernahme der Gefahr erheblicher Umstand sein (vgl. auch § 23 Anm. 9 unter kk). Sind Versicherer und Versicherungsnehmer über das Schiff einig, so schadet natürlich auch die unrichtige Bezeichnung des Schiffes regelmäßig nicht. uu) Über die Unanwendbarkeit der §§ 19, 20 in den Fällen übersetzter oder untersetzter Taxen: § 6 Anm. 26, 38. Anm. 29 11. Die Falschanzeige muß b e i d e r S c h l i e ß u n g d e s V e r t r a g e s gemacht sein. Das ergibt der Zusammenhang der §§ 19, 20. Näheres über diesen Begriff: § 2 Anm. 20, § 5 Anm. 22, § 19 Anm. 16—19. — Daß nach dem Abschluß des Vertrags ein der unrichtigen Anzeige entsprechender Zustand eintritt, die unrichtige Anzeige also richtig wird, ist ohne Bedeutung. Anm. 30 12. Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind, über die Haftung des Versicherungsnehmers für V e r t r e t e r und H i l f s p e r s o n e n : §19 Anm. 10, 11. Der Versicherungsnehmer muß insbesondere die Falschanzeigen Dritter, derer er sich zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht bedient, wie eigene gelten lassen, namentlich auch diejenigen seines Maklers (§ 19 Anm. 11, LG Hamburg H G Z 1880. 169, H u b b a r d ν. Glover 1812 bei A r n o u l d 541 s. 571; bedenklich H G u. O G Hamburg H G Z 1871. 38, 96: Die unrichtige „Äußerung des Maklers sei irrelevant, indem . . . der Makler diese Äußerung aus eigenem Antriebe und, ohne zu derselben vom Versicherungsnehmer veranlaßt zu sein, gemacht und dieses auch keineswegs in der Weise getan habe, daß der Versicherer habe glauben müssen, derselbe sei vom Versicherungsnehmer zu der Äußerung veranlaßt"). Zwar hat nach § 278 BGB der Schuldner nur das „Verschulden" seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Zwar kommt es bei der Falschanzeige auf Verschulden oder Nicht-Verschulden nicht a n ; der Versicherungsnehmer garantiert die Richtigkeit seiner Anzeige. Aber hieraus folgt natürlich nicht, daß der Versicherungsnehmer die Falschanzeigen seiner Erfüllungsgehilfen weniger zu vertreten hätte als ihre bloßen Nichtanzeigen. Die Anzeigepflicht ist für das Gebiet der Falschanzeige verschärft, und der Schuldner muß daher erst recht das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen gegen sich gelten lassen. Anm. 31 13. Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommen unmittelbare Anzeigen, also auch Falschanzeigen der Versicherten praktisch nicht in Betracht. Grundsätzlich ist aber auch der Versicherte verpflichtet, richtig anzuzeigen. Dies hat übrigens auch mit der (im Ausdruck freilich verfehlten) Bestimmung des § 57 Abs. 1 erklärt werden sollen, wonach „für die im Falle . . . der unrichtigen Anzeige . . . eintretenden Rechtsfolgen . . . auch die Kenntnis . . . des Versicherten in Betracht kommt". Näheres: § 19 Anm. 13, § 57 Anm. Anm. 32 14. Folge der Falschanzeige. Der Versicherer ist frei. Ohne weiteres. Insbesondere, ohne daß es einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer bedarf (anders HGB § 809 Abs. 1, V V G § 17 Abs. 1: „Der Versicherer kann von dem Vertrage zurücktreten", M I A § 20 Abs. 1: The insurer may avoid the contract). Auch dann, wenn der falsch angezeigte Umstand k e i n e n E i n f l u ß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder auf den Umfang der Entschädigungspflicht des Versicherers
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gehabt h a t ( R O H G 9. 286; anders H G Β § 8 i 1 Abs. 3, V V G § 21 u n d — im b e w u ß t e n § 2 0 Gegensatz z u m H G B a. F. ·— die f r ü h e r e Rechtsprechung in BinnenversicherungsS a c h e n : R G 10. 158, 20. 138, 22. 206, 27. 1 5 1 usw.). — Auch d a n n , w e n n die Anzeige o h n e V e r s c h u l d e n des Versicherungsnehmers unrichtig gemacht ist. D e n n wenn d e r Versicherungsnehmer d u r c h Falschanzeige sogar positiv mitgewirkt hat, d a ß d e r Versicherer sich vom U m f a n g der Gefahr ein falsches Bild gemacht hat, m u ß der Versicherungsnehmer jedenfalls die Folgen tragen (Begr. ζ. Ε l g i o §§ 21—24). Insbesondere k a n n sich der Versicherungsnehmer nicht etwa auf die von der Rechtsprechung aufgestellte Regel berufen, d a ß die Folge von Verwirkungsklauseln n u r d a n n eintritt, wenn d e n Berechtigten ein Verschulden trifft (näheres: § 42 A n m . ) . D e n n diese Regel ist hier, wie der Z u s a m m e n h a n g des § 20 Abs. 1 u n d des § 20 Abs. 2 deutlich ergibt, der Interessenlage g e m ä ß abgelehnt. Der Versicherungsnehmer m u ß d a h e r seine Anzeigen mit größter Sorgfalt auf ihre Richtigkeit prüfen. Insbesondere „ d a r f er das, was er nicht bestimmt weiß, sondern n u r aus d e n i h m b e k a n n t e n T a t s a c h e n folgert, nicht als positives F a k t u m a n f ü h r e n , sondern er m u ß die T a t s a c h e n selbst anzeigen u n d h a t die d a r a u s zu ziehenden Folgerungen d e m Versicherer zu überlassen" ( O A G Lübeck W u n d e r l i c h 1. 182). Deshalb ist a u c h hier grundsätzlich ohne Bedeutung, d a ß die Falschanzeige d u r c h die Fragen des Versicherers veranlaßt ist (vgl. R O H G 9. 290, a u c h oben A n m . 18). 15. Sind m e h r e r e V e r s i c h e r e r a n der Versicherung beteiligt, so ist n u r d e r Versicherer frei, d e m die Falschanzeige gemacht ist. Insbesondere wirkt die d e m „ F ü h r e r " oder Vorzeichner gemachte Falschanzeige nicht ohne weiteres a u c h gegenüber a n d e r e n . Näheres: V o r b . V vor § 1. Anders natürlich, wenn der F ü h r e r oder Vorzeichner die Anzeige a u c h für die anderen Versicherer entgegengenommen hat, sei es als ihr Vertreter, sei es als bloßer Überbringer. A u c h kann n a c h Lage des Falles die Tatsache, d a ß d e m F ü h r e r oder Vorzeichner eine Falschanzeige gemacht ist, einen gefahrerheblichen U m s t a n d bilden, der den anderen Versicherern h ä t t e angezeigt werd e n müssen u n d dessen Nichtanzeige deshalb auch sie befreit. 16. B e w e i s l a s t . Der Versicherer m u ß beweisen, d a ß u n d was angezeigt, d a ß das Angezeigte unrichtig u n d d a ß die Unrichtigkeit objektiv gefahrerheblich gewesen ist; der Versicherungsnehmer, d a ß die Unrichtigkeit subjektiv gefahrunerheblich gewesen ist. N ä h e r e s : oben A n m . 4. 17. H a t d e r Versicherer gezahlt, obgleich er frei ist, so k a n n er g e m ä ß §§ 8 1 2 ff. BGB k o n d i z i e r e n . N ä h e r e s : oben A n m . 5. 18. Der Versicherer k a n n auf die Befreiung, auf sein Einwendungsrecht v e r z i e h t e n . Näheres: oben A n m . 6. 19. A b s . 2 S a t z 1. Der V e r s i c h e r e r wird n i c h t f r e i , w e n n e r d i e U n r i c h t i g k e i t k a n n t e . Näheres: oben A n m . 10—16. — Es genügt, d a ß der Versicherer die U n r i c h t i g keit kannte. Nicht erforderlich ist, d a ß er die unrichtig angezeigte T a t s a c h e richtig gekannt h a t . Aber w e n n diese Tatsache gefahrerheblich ist u n d d e m Versicherungsn e h m e r b e k a n n t war, ist d e r Versicherer wegen Nichtanzeige frei. — H a t der Versicherer zwar nicht die Unrichtigkeit erkannt, wohl aber die unrichtig angezeigte T a t s a c h e richtig gekannt, so ist er gleichfalls nicht frei ( K i s c h 2. 268).
A n m . 33
A n m . 34
A n m . 35 A n m . 36 A n m . 37
c) A n f e c h t u n g . S c h a d e n s e r s a t z . R ü c k v e r s i c h e r u n g . F r e m d e R e c h t e 20. A n f e c h t u n g § 22 V V G , K i s c h J o s e f AssJB 38. 12, Versicherer frei ist,
w e g e n I r r t u m s (vgl. insbesondere B r u c k - M ö l l e r A n m . 6 zu A n m . 38 2.82, 416 und WuRVers 1915.30, K e u p WuRVers 1913.38, R G 132. 389). Soweit der Versicherungsvertrag unwirksam, der k a n n der V e r t r a g natürlich nicht angefochten werden. W a s un-
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§ 2 0 wirksam ist, kann nicht unwirksam gemacht werden. Soweit dagegen der Vertrag wirksam ist, kann seine Wirksamkeit durch Anfechtung beseitigt werden. So kann ζ. B. jede Partei anfechten, wenn sie den Vertrag gerade mit Rücksicht auf die ihr bestätigte Kreditwürdigkeit der anderen Partei geschlossen und sich d a r ü b e r geirrt h a t (vgl. § 17 Anm. 23, B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 22 V V G , Anm. 27 zu § 16 V V G ; s. ferner O L G Düsseldorf A P V 1928. 263: Schreibfehler). Aber keine Partei kann wegen I r r t u m s über gefahrerhebliche Umstände anfechten. Denn der Versicherer soll u n d will j a nicht n u r die Ungewißheit über den Ablauf der versicherten U n t e r n e h m u n g , sondern auch die Ungewißheit über die Gefahrerheblichkeit der Lage beim Vertragsschluß übernehmen (vgl. auch oben Anm. 21 unter 6; s. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 707). Dieser Gesichtspunkt versagt freilich, wenn der Versicherungsnehmer den nichtangezeigten U m stand grobfahrlässig nicht gekannt, sich grobfahrlässig geirrt hat und der Versicherer aus diesem G r u n d e frei ist, oder wenn er irrtümlich eine Falschanzeige gemacht hat und der Versicherer aus diesem G r u n d e frei ist; m a n könnte d a r a n denken, d e m Versicherungsnehmer in solchen Fällen die Anfechtung wegen Irrtums zu gestatten. Dieser Gesichtsp u n k t versagt ferner, wenn der Versicherungsnehmer den gefahrerheblichen U m s t a n d zwar gekannt hat, aber ihn ohne Verschulden nicht angezeigt h a t und der Versicherer aus diesem G r u n d e nicht frei ist; m a n könnte d a r a n denken, in solchem Falle d e m Versicherer die Anfechtung wegen I r r t u m s zu gestatten. M a n h a t für diesen letzten Fall behauptet, der Versicherer hat sich nicht über den „ I n h a l t " des Vertrags geirrt, sondern nur im Beweggrund. E r habe gewußt, was er im Versicherungsfall zu zahlen haben würde, und diese Zahlung auch gewollt. Mit Unrecht. Der Versicherer hat nur bedingungsweise gewollt. Er hat sich über die Bedingung geirrt. Er h a t nur in der F o r m der Gef a h r ü b e r n a h m e gewollt, sich über das M a ß der Gefahr u n d damit über den „ I n h a l t " des Vertrags geirrt. Gleichwohl kann weder im einen Falle der Versicherungsnehmer noch im anderen der Versicherer anfechten. Denn die Folgen der AnzeigepflichtVerletzung sind besonders geregelt, und die besondere Regel geht nach allgemeinen Auslegungs-Grundsätzen der allgemeinen Regel des § 1 1 9 BGB vor, — wie etwa die besonderen Regeln des Gewährschaftsrechts beim Kauf der allgemeinen Regel des § 1 1 9 BGB vorgehen. Ebenso im Ergebnis, teilweise abweichend in der Begründung: Begr. z. V V G §§ 16—32, G e r h a r d 90, B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 22 V V G , K i s c h 2. 90, L e n n e 1 1 5 , R O H G 11. 134, J W 1906. 146, 1910. 155, L G O L G M ü n c h e n , R G Gerhards Praxis r. 82, K G A P V 1911 I I 10, O L G Braunschweig, H a m b u r g Rspr 22. 82, 38. 231, O L G Karlsruhe BadRspr 1 9 1 1 . 33, R G J W 1910. 155 = A P V 1910 Nr. 494, R G 132. 389, R G J W 1938. 589 = A P V 1937. 232. Anm. 39
21. Anfechtung w e g e n a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g (vgl. insbesondere K i s c h , K e u p , J o s e f oben Anm. 38, B r u c k - M ö l l e r Anm. 7 zu § 22 V V G ) . N a c h § 8 1 1 b HGB, § 22 V V G „bleibt das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung (über gefahrerhebliche Umstände) anzufechten, u n b e r ü h r t " . Der Vorbehalt schien nötig, weil der Versicherer nach H G B und V V G im Falle der Nichtanzeige oder Falschanzeige nur in gewissen Grenzen zurücktreten kann. Die ADS bedurften solchen Vorbehalts nicht. Denn der Versicherer, der über gefahrerhebliche U m s t ä n d e arglistig getäuscht ist, ist ohne weiteres frei. E r braucht nicht anzufechten und kann nicht anfechten (oben Anm. 38). Der Versicherer kann aber anfechten, soweit er nicht frei ist. So etwa, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer über seine Kreditwürdigkeit arglistig getäuscht hat (vgl. oben Anm. 38). Er könnte auch anfechten, wenn der Versicherungsnehmer ihn über einen gefahrunerheblichen Umstand arglistig getäuscht u n d der Versicherer trotz der Unerheblichkeit des Umstandes den Vertrag nicht geschlossen haben würde, wenn er den U m s t a n d gekannt hätte. Er kann es im allgemeinen gleichwohl nicht, weil nach § 21 absichtlich verschwiegene oder falsch angezeigte U m s t ä n d e
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ohne weiteres als gefahrerheblich gelten; er könnte es nur etwa, wenn die Anzeige des absichtlich verschwiegenen Umstandes ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben und der Versicherer deshalb und gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 nicht frei sein würde (ein Fall, der kaum denkbar ist). — Hat im Falle einer Versicherung für f r e m d e Rechnung der Versicherte die arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers gekannt oder kennen müssen oder gar selbst verübt, so kann der Versicherer gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2, § 143 Abs. 2 BGB gegenüber dem Versicherten anfechten. — Das Recht des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s , den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über gefahrerhebliche Umstände anzufechten, wird durch die ADS überhaupt nicht berührt. 22. Schadensersatz-Pflicht des Versicherungsnehmers wegen schuldhafter Nichtanzeige oder Falschanzeige. Die Anzeigepflicht ist eine auf dem Versicherungsvertrag beruhende Verbindlichkeit (§ 19 Anm. 8, 9). Der Versicherungsnehmer ist Schuldner. Er hat daher gemäß § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten und Schadensersatz zu leisten, wenn er schuldhaft nicht oder falsch anzeigt. So, an und für sich mit Recht, K G Gerhards Praxis 3. 105 (zust. Gottschalk MittöffFVA 1921. 104). Hat ζ. B. der Auswanderungsunternehmer für Rechnung der Auswanderer Versicherung genommen, und zwar derart, daß die versicherten Auswanderer sich Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers, insbesondere die Einwendung der verletzten Anzeigepflicht, nicht gefallen zu lassen brauchen, so kann der Versicherer, der den Auswanderern zahlen muß, vom Versicherungsnehmer Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft die Anzeigepflicht verletzt hat (näheres: § 1 Anm. 105). Ist dagegen der Versicherer gemäß § 20 frei, so hat es dabei sein Bewenden (ebenso, aber mit verschiedener Begründung: G e r h a r d 96, K i s c h 2. 180 usw.; abw. K G Gerhards Praxis 3. 105, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. II 2 zu § 20 ADS). Die besondere Regel des § 20 geht nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der allgemeinen Regel des § 276 BGB vor (vgl. auch oben Anm. 38). Nur wenn die Nichtanzeige oder die Falschanzeige den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt, kann der Versicherer (auch ) Schadensersatz verlangen (vgl. BGB §§ 823 Abs. 2, 826 und dazu insbesondere K i s c h 2. 181). 23. § 20 gilt auch für die Rückversicherung (§ r Anm. 136, § 19 Anm. 56). Dabei kommt besonders in Betracht, daß der Rückversicherte ein „Mann vom Fach" ist (OAG Lübeck Wunderlich 1. 182), der sich der ganzen assekuranztechnischen Bedeutung der Anzeigepflicht bewußt ist. — Ist der Vorversicherer nach § 20 Abs. 1 frei, so liegt der Rückversicherung kein Interesse zugrunde. Die Rechtsfolgen richten sich nach den §§ 2, 3; anders, wenn die Rückprämie (wie regelmäßig) nach der Vorprämie bestimmt ist. — Ist der Vorversicherer (wie regelmäßig) abwicklungsberechtigt, so ist die Unwirksamkeit der Rückversicherung nicht vollständig. Der Vorversicherer braucht sich auf die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu berufen, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer sich verständiger und billiger Weise nicht darauf berufen hätte (§ 1 Anm. 154). In diesen Grenzen ist deshalb die Rückversicherung wirksam (vgl. auch § 2 Anm. 23 usw.). — Gebührt nach § 20 Abs. 3 nur dem Vorversicherer, nicht auch dem Rückversicherer eine Zuschlagsprämie, so hat der Rückversicherer an der Zuschlagsprämie keinen Anteil. Anders, wenn die Rückprämie (wie regelmäßig) nach der Vorprämie bestimmt ist (vgl. § 16 Anm. 30). 24. Fremde Rechte (vgl. auch oben Anm. 3, 4, 6, 7, 15, 17, 18, 23—28, 30, 32, § 19 Anm. 59). a) Englisches Recht. Im Falle der Nichtanzeige oder Falschanzeige the insurer may avoid the contract (MIA §§ 18 Abs. 1, 20 Abs. 1). Every material representation . . . must be true. A representation is material which would influence the judgement of a prudent insurer in fixing the premium, or determining whether he will take the risk. A representation may be either a representation as to a matter of fact, or as to a matter of
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§ 2 0 expectation of belief. A representation as to a m a t t e r of fact is true, if it be substantially correct, t h a t is to say, if the difference between w h a t is represented and w h a t is actually correct would not be considered material b y a p r u d e n t insurerer. A representation as to a m a t t e r of expectation or belief is true, if it be m a d e in good faith. A representation m a y b e w i t h d r a w n or corrected before the contract is concluded. W h e t h e r a particular representation be material or not is, in each case, a question of fact. So M I A § 20. A n m . 43 b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. W i r d die Anzeigepflicht verletzt, ist der V e r t r a g nichtig (C. de c o m m . Art. 348). I m Falle der Falschanzeige ist der V e r t r a g nichtig, m a g den Versicherungsnehmer ein Verschulden treffen oder n i c h t ; il est responsable de sa declaration inexacte m e m e si sa b o n n e foi est complete ( R i p e r t Nr. 2419). Ebenso im Falle der Nichtanzeige b e k a n n t e r U m s t ä n d e (§ 19 A n m . 60). Der V e r t r a g ist gültig, w e n n der Versicherer den nicht angezeigten U m s t a n d oder die Unrichtigkeit der Falschanzeige kennt oder doit connaitre n o r m a l e m e n t ( R i p e r t Nr. 2421). Nicht n u r der Versicherer ist frei, sondern a u c h der Versicherungsnehmer. Cette solution n'est pas tr£s satisfaisante p o u r l'assureur qui n'est pas indemnise. II peut obtenir des d o m mages-interets en reclamant l'application de l'article 1382 d u C. civil, mais il faut qu'il etablisse la f r a u d e ou la faute de l'assure et le prejudice qui lui a ete cause. L ' i n demnite alloue doit etre egale a u prejudice souffert, et le G. de commerce ne contient a u c u n e tarification de Pindemnite. II y a lä u n oubli des redacteurs d u Code ( R i p e r t N r . 2427). § 2 1 Gefahrerhebliche U m s t ä n d e
Als erheblich gelten insbesondere Umstände, die der Versicherungsnehmer unrichtig angegeben hat, wenn er die Richtigkeit der Anzeige zugesichert hat, und Umstände, die der Versicherungsnehmer absichtlich verschwiegen oder absichtlich unrichtig angegeben hat, sowie im Zweifel auch Umstände, nach denen der Versicherer ausdrücklich gefragt hat. Anm. 1 Anm. 2
1. Vgl. ASVB § 35 Abs. 2, V V G § 18. — L i t e r a t u r : § 19 A n m . 2. 2. § 21 f ü h r t vier B e i s p i e l e gefahrerheblicher U m s t ä n d e u n d gefahrerheblicher Unrichtigkeiten a n (verb, „insbesondere"). D u r c h die A n f ü h r u n g von Beispielen wird gewöhnlich die Beweislage verschoben. So a u c h hier. H a t der Versicherer ausdrücklich n a c h gewissen U m s t ä n d e n gefragt, so gelten diese U m s t ä n d e , gelten etwaige Unrichtigkeiten d e r Anzeige ohne weiteres als gefahrerheblich. Behauptet der Versicherungsnehmer, d a ß der U m s t a n d oder d a ß die Unrichtigkeit nicht gefahrerheblich sei, so m u ß er es b e w e i s e n . Dieser Beweis wird i h m andererseits aber a u c h nicht abgeschnitten. Dies bringt § 21 d a d u r c h besonders z u m Ausdruck, d a ß er bestimmt, ausdrücklich gefragte U m s t ä n d e sollten n u r „ i m Zweifel" als gefahrerheblich gelten. F ü r die übrigen drei Beispielfälle fehlt diese Bestimmung. I n diesen Fällen sollen also die U m s t ä n d e oder Unrichtigkeiten als gefahrerheblich gelten, ohne d a ß d e m Versicherungsnehmer der Beweis nachgelassen wird, d a ß sie nicht gefahrerheblich seien. F ü r diese Fälle h a b e n die Parteien im § 21 vereinbart, d a ß die U m s t ä n d e oder Unrichtigkeiten auch d a n n als gefahrerheblich betrachtet u n d behandelt werden sollen, wenn sie es tatsächlich nicht sind. Es h a n d e l t sich also in diesen drei Fällen u m mehr, als die A n f ü h r u n g von Beispielen u n d die Aufstellung von Beweisregeln. Auch der Gesetzgeber verfährt j a oft so, d a ß er besonders wichtige Beispielfälle a n f ü h r t u n d d a m i t nicht n u r Beweisregeln, sondern auch m a t e r i e l l e R e c h t s s ä t z e verbindet. — V e r e i n b a r u n g e n , d u r c h die objektiv unerhebliche U m s t ä n d e usw. zu erheblichen erhoben werden, sind natürlich
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zulässig. Anders VVG § 3 1 ; vgl. auch J W 1915. 334, für das frühere BinnenversicherungsRecht insbesondere OAG Lübeck H G Z 1862. 359 und hierzu die Kritik von K i s c h 2. 224. 3. Wenn der Versicherungsnehmer also in den ersten drei Beispielfällen nicht einwenden kann, daß der Umstand oder die Unrichtigkeit objektiv gefahrunerheblich ist, — kann er wenigstens einwenden, daß sie s u b j e k t i v g e f a h r u n e r h e b l i c h sind, daß der Umstand oder die Unrichtigkeit diesen Versicherer, wenn er sie gekannt hätte, tatsächlich nicht abgehalten haben würde, diesen Vertrag unter diesen Bedingungen zu schließen? M a n wird diese Frage grundsätzlich bejahen müssen. Freilich, so scheint es, könnte der Versicherungsnehmer sich dann auch darauf berufen, daß der Umstand oder die Unrichtigkeit objektiv gefahrunerheblich ist und eben aus diesem Grunde mutmaßlich auch diesen Versicherer nicht beeinflußt haben würde. Aber da es doch eben so angesehen werden soll, wie wenn die Umstände usw. objektiv gefahrerheblich wären und deshalb als solche auch diesen Versicherer beeinflußt haben würden, würde der Versicherungsnehmer doch nur zum Beweise zugelassen werden dürfen, daß noch besondere Gründe vorliegen, die gerade diesen Versicherer trotz objektiver Gefahrerheblichkeit nicht abgehalten haben würden, den Vertrag zu schließen. I m übrigen fehlen ausreichende Gründe für die Annahme, daß der Begriff der Gefahrerheblichkeit im § 21 in anderem Sinne gebraucht ist, als in den §§ 19, 20, und daß mithin dem Versicherungsnehmer der Beweis der subjektiven Gefahrunerheblichkeit versagt sein soll (über die objektive Bedeutung des Ausdrucks in den §§ 19, 20: § 19 Anm. 31). — Aus demselben Grunde ist anzunehmen, daß Umstände, die in einem dem Versicherungsnehmer günstigen Sinne, Unrichtigkeiten, die in einem dem Versicherungsnehmer ungünstigen Sinne wirken, gleichfalls nicht in Betracht kommen (§ 19 Anm. 28). 4. E r s t e r F a l l . Der Versicherungsnehmer hat die Richtigkeit der Anzeige zugesichert. Die Unrichtigkeit gilt, unwiderleglich, als objektiv gefahrerheblich. a) Die Richtigkeit kann a u s d r ü c k l i c h oder s t i l l s c h w e i g e n d zugesichert sein. Aber es muß die Gewähr für die Richtigkeit übernommen, eine besondere Nebenberedung getroffen sein (vgl. BGH BB 1958. 284), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (OLG H a m m HansRGZ 1931 A 663, Β 403 = Sasse Nr. 415) — wie etwa der Verkäufer bestimmte Eigenschaften der Kaufsache „zusichert", d. h. durch Nebenvertrag die Gewähr für die Eigenschaften übernimmt (BGB §§ 459 Abs. 2, 480 Abs. 2). Die Zusicherung ähnelt der express warranty des englischen Rechts, die affirms or negatives the existence of a particular state of facts (MIA § 33 Abs. 1); ζ. Β. warranted well December 9" 1 1784 (Blackhurst v. Cockell 1789 bei A r n o u l d 606 s. 639; vgl. dazu M I A § 38: Where the subject-matter insured is warranted „well" or "in good safety" in a particular day, it is sufficient if it be safe at any time during the day), oder im Falle einer Versicherung at and from Hamburg to Vigo: warranted in port on the 19 th October 1825 (Colby v. Hunter 1827 bei A r n o u l d 619 s. 653). Aber es bestehen auch gewisse Unterschiede, und zwar in der Form wie im Inhalt. Die express warranty must be included in, or written upon, the policy, or must be contained in some document incorporated by reference into the policy (MIA § 35 Abs. 2), — was freilich nichts besonderes ist, weil nach englischem Recht der Versicherungsvertrag überhaupt beurkundet werden muß (§ 14 Anm. 32). Wichtiger ist, daß die Unrichtigkeit den Versicherer befreit, ohne daß der Versicherungsnehmer einwenden kann, daß sie ihm ungünstig sei, oder daß sie tatsächlich den Versicherer nicht beeinflußt habe: A warranty . . . is a condition which must be exactly complied with, whether it be material to the risk or not. If it be not so complied with, then . . . the insurer is discharged from liability . . . (MIA § 33 Abs. 3; näheres über warranties: § 20 Anm. 26, § 23 Anm. 74). — Nicht hierher gehört der von U l r i c h ADS 39 angeführte Fall: Der Reeder eines Fischdampfers sichert zu, daß das Schiff
§ 21
Anm. 3
Anm. 4 Anm. 5
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§ 21 nicht nach Island fahren wird, und schickt das Schiff gleichwohl nach Island. Dabei würde es sich vielmehr um eine Zusicherung handeln, die M I A § 33 Abs. 1 behandelt als a warranty by which the assured undertakes that some particular thing . . . shall not be done. Die Anzeigepflicht wäre nur verletzt, wenn etwa der Reeder schon bei der Schließung des Vertrags die Absicht gehabt hätte, das Schiff nach Island zu schicken (§ 19 Anm. 23). Anm. 6 b) Da also die Zusicherung ein Nebenvertrag ist, würden auch nur Zusicherungen des Versicherungsnehmers selbst oder seines Vertreters in Betracht kommen können, nicht die Z u s i c h e r u n g v o n d r i t t e n , insbesondere von Hilfspersonen des Versicherungsnehmers. Aber solche Konstruktion würde dem Leben Gewalt antun. Wenn der Versicherungsnehmer die Verhandlungen, die zum Abschluß des Vertrags führen, nicht selbst führt, sondern durch andere führen läßt und sich selbst nur den Abschluß vorbehält, muß er auch Zusicherungen jener anderen gegen sich gelten lassen, die eben, nach der Auffassung des Verkehrs, (zwar keine Abschlußvollmacht, wohl aber) eine beschränkte Vollmacht ähnlichen Inhalts haben, wie sie etwa der Vermittlungsagent hat (vgl. § 20 Anm. 13). Der Versicherungsnehmer muß also die unrichtigen Zusicherungen im selben Umfang gegen sich gelten lassen, wie die bloße Falschanzeige (hierüber § 20 Anm. 30, § 19 Anm. 11). Anm. 7 c) Sind m e h r e r e V e r s i c h e r e r beteiligt, so kann dem einen zugesichert sein, den anderen nicht. Insbesondere wirkt die dem „Führer" oder Vorzeichner gegebene Zusicherung nicht auch ohne weiteres für die übrigen Versicherer. Vgl. Vorb. V vor § 1, aber auch § 20 Anm. 33. Anm. 8 5. Z w e i t e r F a l l . Der Versicherungsnehmer hat absichtlich unrichtig angezeigt. Die Unrichtigkeit gilt, unwiderleglich, als objektiv gefahrerheblich. Der Versicherungsnehmer kann aber beweisen, daß der Versicherer sich aus besonderen Gründen tatsächlich nicht hat beeinflussen lassen (oben Anm. 3). — Anders das gesetzliche Versicherungsrecht des Kontinents ( R o e l l i Entwurf 38, V o i g t 183, OAG Lübeck HambS 2. 1065, H G u. OG Hamburg 1869. 290). Ähnlich dagegen die englische Auffassung, die dabei freilich wesentlich den Fall der arglistigen Täuschung im Auge zu haben scheint. If the representation be made with the intention to deceive, any want of correspondence between the facts as they occur and the facts as stated, however trivial, or however immaterial to the nature of the risk, will entitle the underwriter to avoid the policy, on the ground of fraud, unless it be clearly prooved that the representation did not influence him ( A r n o u l d 548 s. 579). Anm. 9 a) „ A b s i c h t l i c h " ist nicht dasselbe, wie „vorsätzlich" oder „willentlich" oder „wissentlich". Es genügt also nicht, daß der Versicherungsnehmer den Erfolg gewollt, sich die Erregung einer falschen Vorstellung im Versicherer vorgenommen hat. Es genügt ζ. B. nicht, daß der Versicherungsnehmer die Falschanzeige macht, um eine geschäftliche Spekulation zu verdecken und ohne sich bewußt zu sein, daß die Falschanzeige und die dadurch hervorgerufene Vorstellung auf den Vertragswillen des Versicherers Einfluß haben könnte. Andererseits braucht die Falschanzeige nicht arglistig gemeint zu sein. Der Versicherungsnehmer braucht nicht beabsichtigt zu haben, den Versicherer zu betrügen, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (vgl. J W 1912. 545). Er braucht nicht in „böser" Absicht und überhaupt nicht aus unehrenhaften Motiven gehandelt zu haben (vgl. auch R O H G 9. 67, 353, 17. 25, O L G Braunschweig Rspr 22. 83). Der Begriff der Absichtlichkeit steht etwa in der Mitte. Der Versicherungsnehmer muß nicht nur den nächsten Erfolg, die Erregung einer falschen Vorstellung, sondern auch den weiteren Erfolg der dadurch herbeigeführten Geneigtheit des Versicherers zum Abschluß des Vertrags gewollt haben oder sich doch der Möglichkeit eines solchen Erfolges bewußt gewesen sein, — fearing the effect of
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the whole truth on the mind of the underwriter ( A r n o u l d 548 s. 579; s. auch H a n s O L G § 2 1 H a n s R G Z 1934 Β ηοη = Sasse Nr. 434). b) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r muß die Unrichtigkeit beabsichtigt haben. Anm. Ü b e r den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. — Sind m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt, so schadet die Absicht des einen nicht ohne weiteres dem anderen (näheres: § 20 A n m . 30). — Ist der Versicherungsnehmer gesetzlich v e r t r e t e n , so muß er die Absicht seines gesetzlichen Vertreters gegen sich gelten lassen, außerdem die eigene Absicht in den Grenezen seiner Verantwortlichkeit ( B G B §§ 276, 278; näheres: § 20 Anm. 30). Die Absicht sonstiger Vertreter und Hilfspersonen muß er gleichfalls gemäß § 278 B G B gegen sich gelten lassen (§ 20 Anm. 30). Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommt es auch auf die Absicht des Versicherten an (§ 20 A n m . 3 1 ) . 6. D r i t t e r F a l l . Der Versicherungsnehmer hat absichtlich v e r s c h w i e g e n . Anm.
Der verschwiegene Umstand gilt, unwiderleglich, als objektiv gefahrerheblich
(s. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 707 = Sasse Nr. 434). Der Versicherungsnehmer kann aber beweisen, daß der Versicherer sich tatsächlich durch die Verschweigung nicht hat beeinflussen lassen (oben A n m . 3). — Anders das gesetzliche Versicherungsrecht des Kontinents. Ähnlich die englische Auffassung. Vgl. oben A n m . 8. a) V e r s c h w e i g u n g eines Umstandes ist im allgemeinen Nichtanzeige, obgleich man den Umstand kennt oder doch mit der Möglichkeit seines Daseins rechnet (vgl. ζ. Β. B G B §§ 443, 460, 476, 478—480, H G B § 377 und dazu B e e r D J Z 1904. 88, S ü ß h e i m SeuffBl 66. 205, J W 1909. 48, Recht 1909 Nr. 653). § 79 V V G ( = § 57 A D S ) gebraucht den Ausdruck in etwas anderer Bedeutung: Nichtanzeige eines Umstandes, den man kennt oder dessen Kenntnis man sich arglistig entzogen hat. Demgemäß und gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 bedeutet auch im § 57 Abs. 1 A D S der Ausdruck „ V e r schweigung" : Nichtanzeige eines Umstandes, den man kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. In diesem Sinne wäre also der Ausdruck an und für sich auch im § 21 zu verstehen. Aber die Verschweigung muß hier absichtlich sein. Umstände, die man, sei es auch grobfahrlässig, nicht kennt, kann man nicht „absichtlich" verschweigen. Es kommt deshalb nur die absichtliche Verschweigung von Umständen in Betracht, die der Versicherungsnehmer kennt. Selbst die absichtliche Verschweigung eines U m standes, dessen Kenntnis der Versicherungsnehmer sich arglistig entzogen hat, würde nicht in Betracht kommen können. Aber schon die absichtliche Verschweigung des U m standes, daß der Versicherungsnehmer sich der Kenntnis arglistig entzogen hat, würde genügen. b) U b e r den Begriff der „ A b s i c h t l i c h k e i t " : oben Anm. 9. — U b e r den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind, oder V e r t r e t e r oder H i l f s p e r s o n e n des Versicherungsnehmers oder der Versicherte absichtlich verschwiegen haben: oben Anm. 10. 7. V i e r t e r F a l l . Der Versicherer hat nach Umständen ausdrücklich g e f r a g t , A n m . der Versicherungsnehmer gleichwohl nicht oder unrichtig angezeigt. Der nicht a n gezeigte U m s t a n d oder die Unrichtigkeit gilt als objektiv gefahrerheblich. Aber nicht unwiderleglich. Sondern nur „ i m Z w e i f e l " . Es handelt sich nur um eine Beweisregel, um die Verschiebung der Beweislast. Der Versicherungsnehmer muß und kann (nicht nur beweisen, daß der Versicherer sich tatsächlich nicht hat beeinflussen lassen, sondern auch) beweisen, daß der Umstand oder die Unrichtigkeit objektiv gefahrunerheblich ist. — Dies alles folgt schon aus der Natur der Sache. Deshalb haben schon immer gefragte Umstände im Zweifel als gefahrerheblich gegolten ( E h r e n b e r g 3 3 5 , K i s c h 2. 2 1 8 , N o l t e 2. 1 1 3 , Rechtspr bei B r u c k - M ö l l e r A n m . 40 zu § 16 V V G ; vgl. V V G § 18 Abs. 1). Ähnlich das englische Recht ( M I A § 18 Abs. 3 ) ; vgl.
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§ 2 1 dazu A r n o u l d 600 s. 633: If the underwriter . . . particularly calls for information on the subject, then the assured must disclose truly all that he knows in the respect required. Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 3 MIA sogar: any circumstance which diminishes the risk usw. Aber das ist offenbar nicht gemeint. Nur wenn der Versicherungsnehmer should withhold, on being asked for it, any material part of such required information, his policy could not be sustained . . . (Lord Ellenborough bei A r n o u l d 600 s. 633). Anm. 13 a) Der V e r s i c h e r e r muß den Versicherungsnehmer gefragt haben. Sind mehrere Versicherer beteiligt, so wirkt die Frage des einen, insbesondere des „Führers" oder Vorzeichners, nicht ohne weiteres zugunsten auch der übrigen Versicherer (Vorb. V vor § 1). — Die Frage ist an den V e r s i c h e r u n g s n e h m e r zu richten. Sind mehrere Versicherungsnehmer beteiligt, so gilt die Frage an den einen nicht ohne weiteres auch als Frage an den anderen (näheres: § 19 Anm. 1 1 , § 20 Anm. 30). — Ist der Versicherungsnehmer gesetzlich vertreten, so muß er die Fragen an den gesetzlichen Vertreter gegen sich gelten lassen, aber auch die Fragen an sich selbst in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit (BGB §§ 276, 278; näheres: § 19 Anm. 11, § 20 Anm. 30). Ebenso die Frage an sonstige Vertreter oder Hilfspersonen des Versicherungsnehmers (BGB § 278, näheres: § 19 Anm. 11, § 20 Anm. 30, abw. K i s c h 2. 220). Auch im Falle der Falschanzeige handelt es sich nur um die Erfüllung der, hier verschärften, Anzeigepflicht. Deshalb kommt bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Frage an den Versicherten in Betracht (§ 20 Anm. 3 1 ; abw. auch hier K i s c h 2. 220: weil der Versicherte nicht der „ V e r t r a g s k o n t r a h e n t " sei). Anm. 14 b) Der Versicherer muß „ a u s d r ü c k l i c h " gefragt haben. Das bedeutet „unzweideutig durch Worte" (RG 63. 30, Bruck- M ö l l e r Anm. 29 zu § 16 VVG). Nicht notwendig schriftlich (so V V G § 18 Abs. 1). Zweideutigkeiten gehen zu Lasten des Versicherers. Hat aber der Versicherungsnehmer die zweideutige Frage richtig verstanden, so wird die Frage natürlich als eindeutig behandelt. Ob die Frage ein- oder mehrdeutig ist, richtet sich in erster Linie nach der Bedeutung, die ihr — für den Versicherungsnehmer bei objektiver Betrachtung erkennbar — vom Versicherer beigemessen wird, in zweiter Linie nach dem Sprachgebrauch, der am Ort und in den Kreisen des Versicherungsnehmers gewöhnlich ist (§ 20 Anm. 25, K i s c h 2. 271, R o e l l i 86). Anm. 15 c) Selbstverständlich gilt nicht auch das Umgekehrte: Umstände gelten nicht etwa deshalb als gefahrunerheblich, weil der Versicherer nach ihnen nicht (oder zwar nach anderen, aber nicht gerade nach ihnen) gefragt hat (Kisch 2. 227). Anm. 16 8. § 21 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136, § 19 Anm. 56). Vgl. HGZ 1869. 290: Der Vorversicherer gab bei der Schließung des RückversicherungsVertrags ah, daß eine andere Rückversicherung zu 27 sh für 100 £ geschlossen sei, obgleich sie zu 30 sh für 100 £ geschlossen war, und erreichte hierdurch, daß der Rückversicherer sich mit einer Prämie von 27 sh für 100 £ begnügte (vgl. hierzu § 19 Anm. 25). Anm. 17 g. F r e m d e R e c h t e : oben Anm. 5, 8, 9, 1 1 , 12.
§ 2 2 Anzeigepflicht bei Vertragsschließung durch Vertreter Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, so kommt für die Befreiung des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung nicht nur die Kenntnis und das Kennenmüssen des Vertreters, sondern auch die Kenntnis und das Kennenmüssen des Versicherungsnehmers in Betracht.
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ι. Vgl. HGB § 806 Abs. 2, ASVB § 29 Abs. 2, BSVB § 41 Abs. 1, 2, VVG § 19 Satz 1. — L i t e r a t u r : § ig Anm. 2. 2. Nach § 19 muß der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände, die ihm b e k a n n t sind, anzeigen. Sonst ist der Versicherer frei (§ 20 Abs. 1 Satz 1). — Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ist der Versicherer auch dann frei, wenn der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand g r o b f a h r l ä s s i g n i c h t k a n n t e und ihn deswegen nicht angezeigt hat. 3. Nach § 166 Abs. 1 BGB kommt, soweit die Rechtsfolgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis von gewissen Umständen beeinflußt werden, nur die Person des Vertreters, nicht die des Vertretenen in Betracht. Anders nur, wenn der Vertreter ein Bevollmächtigter ist und nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers handelt (BGB § 166 Abs. 2). Hieraus könnte geschlossen werden, daß es grundsätzlich nur auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Vertreters, nicht auch auf die des Versicherungsnehmers ankommt. Der Schluß wäre verfehlt. Denn es handelt sich hier nicht nur um die Bestimmung der Rechtsfolgen einer Willenserklärung, sondern auch um die Erfüllung einer Verpflichtung, nämlich der vorvertraglichen Anzeigepflicht (§ 19 Anm. 9), und um die Bestimmung der Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, gefahrerhebliche Umstände, die ihm bekannt oder grobfahrlässig unbekannt sind, anzuzeigen. Von dieser Anzeigepflicht wird er natürlich nicht dadurch befreit, daß ein Vertreter abschließt. Nach Begr. z. VVG §§ 16—22 „verstehe sich ohne weiteres", daß Umstände, die der Vertreter kennt usw., angezeigt werden müssen. Aber es versteht sich vielmehr „ohne weiteres", daß Umstände, die der Versicherungsnehmer kennt usw., angezeigt werden müssen. Nicht nur aus Gründen des Interessenausgleichs: „da sonst der Versicherer gegen eine unredliche Handlungsweise des Versicherungsnehmers schutzlos wäre" (Begr. z. VVG §§ 16—22). Sondern auch aus dem Wesen der Anzeigepflicht (in diesem Sinne ist Anm. 33 zum § 5 zw ergänzen). Die Begr. z. VVG § 2 hat dies verkannt. Sie hält ausdrückliche Bestimmungen gleich denen der §§ 5 Abs. 2, 22 für nötig, weil sonst nur § 166 BGB in Betracht komme und der Versicherungsnehmer unterlassen möchte, seinen „Prokuristen oder sonstigen Generalbevollmächtigten" von den ihm bekannten Gefahrumständen zu benachrichtigen, und später „versuchen" könnte, aus der für ihn „genommenen Versicherung Rechte herzuleiten". Die Bestimmung des § 22 ADS ( = HGB § 806 Abs. 2, VVG § 19 Satz 1) ist vielmehr gerade so überflüssig, wie die, im HGB sowohl wie in den ADS fehlende, Bestimmung des § 19 Satz 2 VVG, wonach der Versicherungsnehmer sich auf den Mangel eines Verschuldens nur berufen kann, wenn weder seinen Vertreter noch ihn selbst ein Verschulden trifft (hierüber unten Anm. 11). a) Nach § 24 Abs. 1 Ε igio sollte die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers nur dann von Bedeutung sein, wenn der Vertrag „von einem Bevollmächtigten oder einem Vertreter ohne Vertretungsmacht" geschlossen ist (vgl. VVG § 2 Abs. 3, § 19). Eine sachliche Änderung ist nicht beabsichtigt (Mat. 1. 37,42). Man hat nur einen verkehrsfremden, schwerfälligen Ausdruck vermeiden wollen. § 22 ist deshalb im Sinne des § 24 Ε ig ίο zu verstehen: Wird der Vertrag von einem Bevollmächtigten oder einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen, so kommt es (auch) auf die Kenntnis usw. des Versicherungsnehmers selbst an; wird der Vertrag von einem g e s e t z l i c h e n Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, so kommt es in der Regel nur auf die Kenntnis usw. des Vertreters an (vgl. auch Begr. z. VVG § 2, J o s e f ZfVW i g n . 202, K i s c h 2. 237, R o e l l i 91, S c h n e i d e r LZ 1910. 106, B r u c k M ö l l e r Anm. 7 zu § 18 VVG, P r ö l ß Anm. 1 zu § 19 VVG, S ü ß VersR 1952. 186, S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 1 zu § 22 ADS).
§ 22 Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
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Anzeigepflicht
§ 22 b) Nicht als ob es auf die K e n n t n i s usw. des g e s e t z l i c h v e r t r e t e n e n V e r Anm. 5 S i c h e r u n g s n e h m e r s überhaupt nicht ankäme. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, anzuzeigen. Er m u ß daher auch in den Grenzen seiner Veranwortlichkeit eigene Kenntnis usw. gegen sich gelten lassen (näheres: § ig Anm. 43). Aus demselben Grunde m u ß der Versicherungsnehmer die Kenntnis usw. derjenigen vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner Anzeigepflicht b e d i e n t (näheres: § ig Anm. 45). Anm. 6 c) D e m Versicherungsnehmer schadet also eigene Kenntnis (und grobfahrlässige Unkenntnis) auch dann, wenn der Vertreter, insbesondere der Bevollmächtigte, den gefahrerheblichen Umstand nicht kannte (und nicht zu kennen brauchte). Aber wenn m a n anerkennt, d a ß dem selbst abschließenden Versicherungsnehmer Kenntnis nicht schadet, wenn sie so spät kommt, daß der Abschluß des Vertrags nicht mehr verhindert werden kann (§ ig A n m : 16—18), so m u ß m a n auch hier eine Ausnahme machen. K o m m t die Kenntnis so s p ä t , d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r seinem Vertreter (und natürlich auch dem Versicherer) n i c h t m e h r r e c h t z e i t i g a n z e i g e n k a n n , so schadet sie nicht (näheres: § 5 Anm. 38; vgl. auch § 57 Abs. 3 Satz 2). Anm. 7 d) Hatte der Vertreter keine Vertretungsmacht, so daß der V e r t r a g v o m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r g e n e h m i g t werden muß, so m u ß der Versicherungsnehmer auch vertreten, was er bis zur Genehmigung erfährt oder grobfahrlässig nicht erfährt (vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 19 V V G ) . Ensprechendes wird in allen Fällen gelten müssen, in denen die Wirksamkeit des Vertrags von einer Genehmigung a b h ä n g t ; würde ζ. B. der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen haben, so würde er gegen sich gelten lassen müssen, d a ß der gesetzliche Vertreter bei der Genehmigung den gefahrerheblichen Umstand kannte oder grobfahrlässig nicht kannte. Näheres: § 5 Anm. 38, § 19 Anm. 17. Anm. 8 e) H a t ein U n t e r v e r t r e t e r den Vertrag geschlossen, so kommt es gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis usw. des Untervertreters an (ζ. B. auf die Kenntnis des Kommis, den der Prokurist bevollmächtigt hat, Versicherung zu nehmen). Aber auch die Kenntnis usw. des Hauptbevollmächtigten ist von Bedeutung. Denn nach § 166 Abs. 2 BGB kommt es, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, auch auf die Kenntnis des Vollmachtgebers, d. h. im Falle der Untervollmacht: des Hauptbevollmächtigten, an, und an die Stelle dieser Vorschrift ist eben hier die Bestimmung getreten, daß es immer, d. h. auch dann, wenn der Vertreter nicht nach bestimmten Weisungen gehandelt hat, auf die Kenntnis usw. des Vertretenen, d. h. im Falle der Untervollmacht: auch des Hauptbevollmächtigten, ankommt. — U m so mehr kommt es auf die Kenntnis usw. auch des Hauptvertreters an, wenn dieser gesetzlicher Vertreter ist, oder wenn ein Untervertreter ohne Vertretungsmacht den Vertrag abschließt. — Von dem oben Anm. 3 und 5 vertretenen Standpunkt aus versteht sich auch dies alles natürlich von selbst. Anm. 9 f ) Auf die Kenntnis usw. von V e r t r e t e r n , d i e bei der Schließung des Vertrags n i c h t b e t e i l i g t sind, kommt es nicht an. Näheres: § 5 Anm. 40; vgl. aber auch oben Anm. 5 über die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers f ü r Hilfspersonen. Anm. 10 g) Wird der Vertrag durch mehrere G e s a m t v e r t r e t e r der Versicherungsnehmers geschlossen, so genügt die Kenntnis usw. n u r eines der mehreren Gesamtvertreter. Die Kenntnis eines nicht beteiligten Gesamtvertreters genügt nicht. Näheres: § 5 Anm. 40. Anm. 11 4. Nach § 19 Satz 2 V V G kann sich der Versicherungsnehmer, für den ein Bevollmächtigter oder ein Vertreter ohne Vertretungsmacht den Vertrag geschlossen hat, darauf, d a ß die A n z e i g e o h n e V e r s c h u l d e n u n t e r b l i e b e n ist, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch ihm selbst ein Verschulden zur Last fällt. Das H G B bestimmt darüber nichts besonderes. § 22 ADS ebensowenig. Mit Recht. Die Vorschrift des
Gefahränderung
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§ 19 Satz 2 V V G ist überflüssig. Daß der Versicherungsnehmer sein eigenes Verschulden zu vertreten hat, versteht sich von selbst. D a ß der Versicherungsnehmer das Verschulden seines Vertreters gegen sich gelten lassen muß, versteht sich aber auch von selbst, mag der Vertreter ein gesetzlicher Vertreter, ein Bevollmächtigter oder ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gewesen sein. Näheres: § 19 Anm. 11, § 20 Anm. 20; vgl. auch Ε i g i o § 24 Abs. 2 und dazu Mat. 1. 91. 5. Wenn ein Vertreter des Versicherungsnehmers die Richtigkeit einer Anzeige zusichert oder einen gefahrerheblichen Umstand arglistig verschweigt oder unrichtig anzeigt, oder wenn der Versicherer an ihn ausdrücklich eine Frage gerichtet hat, ist § 21 anwendbar (§ 21 Anm. 6, 10, 11, 13). Ebenso natürlich, wenn der Versicherungsnehmer zwar nicht selbst abgeschlossen, aber selbst zugesichert oder absichtlich verschwiegen hat usw. (LZ 1918. 47). 6. § 22 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). 7. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Der Vertreter (agent) des Versieherungsnehmers muß anzeigen: 1. Every material circumstance which is known to himself, and an agent to insure is deemed to know every circumstance which in the ordinary course of business ought to be known by, or to have been communicated to, him; and 2. Every material circumstance which the assured is bound to disclose, unless it come to his knowledge too late to communicate it to the agent. Unrichtige Anzeigen des Vertreters muß der Versicherungsnehmer natürlich gegen sich gelten lassen. M I A § 20 Abs. 1. b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Vgl. § 19 Anm. 60
§ 22
Anm. 12
Anm. 13 Anm. 14
§ 2 3 Gefahränderung (1) Nach dem Abschlüsse des Vertrags darf der Versicherungsnehmer nicht ohne Einwilligung des Versicherers die Gefahr ändern, insbesondere erhöhen, oder die Änderung durch einen Dritten gestatten. (2) Als eine Gefahränderung ist es insbesondere anzusehen: 1. wenn der Antritt oder die Vollendung der versicherten Reise erheblich verzögert wird; 2. wenn von dem angegebenen oder üblichen Reisewege abgewichen wird, jedoch kommt eine nur unerhebliche Abweichung nicht in Betracht; 3. wenn das Schiff andere, als die angegebenen Zwischenhäfen oder wenn es die angegebenen Häfen in anderer als der angegebenen oder üblichen Reihenfolge anläuft; die Angehung von Zwischenhäfen kommt jedoch nicht in Betracht, wenn sie zur Ordereinholung erfolgt und zu diesem Zwecke üblich ist. (3) Als eine Gefahränderung ist es auch anzusehen, wenn die Reise nach einem anderen als dem angegebenen Bestimmungsorte gerichtet wird. 1. Vgl. H G Β §§ 8i3, 814, 832, 833, ASVB §§ 37, 60—61, 77 Abs. 3, 78, 81, 82 und Anm. 1 AlteGP zu §§ 60, 61: Mat. 1. 100, BSVB §§ 7, 32, 33, 39, 40, 42 Abs. 1 Nr. 3, 53, V V G §§ 23 Abs. 1, 29.
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Gefahränderung
§23 2. L i t e r a t u r . A m s l e r , Gefahranzeigepflicht und Gefahrerhöhung usw., Diss. 1915. Anm. 2 B e s s e r , Die nachträgliche Gefahrerhöhung im Versicherungsrecht, Diss. Köln 1934. B i e d e r m a n n MittöffFVA 1911. 723 (Gefahrerhöhungen). B r u c k - M ö l l e r zu §§ 23, 29 V V G . C r u s i u s OestRev 1917. 275 (Gefahrerhöhung und Herbeiführung des Versicherungsfalles). D y h r e n f u r t h OestRev 1912. 227, 234 (Der Einfluß der Gefahrerhöhung usw.). E h r e n z w e i g V V 116—124. E n g e VersR 1965. 308 (Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung). F ö r s t e r , Gefahrerhöhung in der Privatversicherung, Diss. 1916. J . v. G i e r k e V S R I I 164—168. H a g e n J e h J 47. 193 (Gefahranzeige und Gefahrerhöhung usw.), S R V 86. V o n d e r H a g e n , Der Begriff der Gefahrerhöhung, Diss. Köln 1934. H o l t z M D R 1952. 713—716. K i s c h 2. 446—592. K o s e g a r t e n A f H R 2. 557 (Einfluß einer Abweichung von der versicherten Reise). K r e u t z i g e r , Kommandobrücke 1964. 199—212 (Die Gefahrstandspflicht im Seeversicherungsrecht). K ü b e l Z f V R 2. 33 (Veränderung der Gefahr im Laufe der Versicherung), K . MittöffFVA 1916. 170 (Von der Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 V V G ) . L a n g e , Die Gefahrerhöhung bei Versicherungsverhältnissen usw., Diss. 1911. L ü b s t o r f f DVPresse 1916. 97, 106 (Die Gefahrerhöhung). v. O t a v s k y GrünhutsZ 28. 569 (Begriff u n d rechtliche Bedeutung der Gefahränderung beim Versicherungsvertrag). P r ö l ß J R P V 1934. 241—244 und zu §§ 23, 29 V V G . R o m m e l Z f V W 1919. 229 (Die Gefahrerhöhung im . . . Versicherungsvertragsrecht). S t e l z e r , Die Gefahrerhöhung und ihre Rechtsfolgen nach dem VVG, Diss. 1921. V i c t o r , Wirkungen der Gefahrerhöhung bei schwebenden Versicherungen, Diss. 1904. W e i l a n d MittöffFVA 1911. 57 (Recht auf Prämienerhöhung usw). W e r n e b u r g HessRspr 1921. 90 (Gefahrerhöhung im Versicherungsrecht). —Literatur über die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das V e r h a l t e n d r i t t e r : Vorb. vor § 1 Anm. 59. Anm. 3
3· A b s . 1. Der Versicherungsnehmer m u ß v o r dem Abschluß des Vertrags alle Umstände anzeigen, die für die Ü b e r n a h m e erheblich sind (vorvertragliche A n z e i g e p f l i c h t : §§ 19—22), n a c h dem Abschluß die Gefahr unverändert lassen, stehen lassen ( G e f a h r s t a n d s p f l i c h t : §§ 23,24), — zwei zeitlich u n d begrifflich zusammengehörende, deshalb vom V V G und von den ADS in einem Unterabschnitt zusammengefaßte und in dieser Zusammengehörigkeit und Zusammenfassung zu verstehende Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers. Anm. 4 4. G e f a h r ist die Möglichkeit der Entstehung von Schäden, und zwar, auf die einzelne Versicherung hingesehen, die Möglichkeit der Entstehung von Versicherungsschäden (näheres: § 28 Anm. 4). Diese Möglichkeit ist zunächst eine aus den b e i m V e r t r a g s s c h l u ß v o r h a n d e n e n U m s t ä n d e n , der A r t d e r v e r s i c h e r t e n U n t e r n e h m u n g und der E r f a h r u n g resultierende Größe. Nach dieser Größe bestimmt sich insbesondere im allgemeinen die für die Ü b e r n a h m e der Gefahr zu entrichtende Vergütung, die Prämie (wobei freilich wegen der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis die erkennbaren Umstände als die wirklich vorhandenen hingenommen werden müssen). Anm. 5 a) Diese Größe kann sich im Laufe der Versicherungszeit ä n d e r n . — Die E r f a h r u n g kann sich ändern. Aber diese Änderung hat n u r tatsächliche, keine rechtliche Bedeutung. Die Änderung der Erfahrung berichtigt nur die Auffassung von der Gefahr (und zwar, wieder wegen der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis, auch dann, wenn sie unrichtig ist). — Von rechtlicher Bedeutung dagegen ist, wenn die beim Vertragssehl uß vorhandenen U m s t ä n d e sich ändern, oder wenn die versicherte U n t e r n e h m u n g sich ändert. Diese Änderungen können so beschaffen sein, d a ß ihnen zum Trotz, trotz der Änderung einer oder beider Resultanten, die Resultierende, die Gefahr, e b e n s o g r o ß bleibt wie zuvor. Sie kann aber auch so beschaffen sein, daß die Mög-
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lichkeit der Entstehung von Versicherungsschäden, die Gefahr, g r ö ß e r oder k l e i n e r § 2 3 wird. W i r d sie größer, so spricht m a n von einer „ V e r g r ö ß e r u n g " ( H G B § 814) oder „ E r h ö h u n g " ( V V G § 23) der Gefahr, — m a g die V e r g r ö ß e r u n g oder E r h ö h u n g auf einer Ä n d e r u n g der beim Vertragsschluß v o r h a n d e n e n U m s t ä n d e oder auf einer Ä n d e r u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g b e r u h e n . b) Dieser S t a n d p u n k t ist offenbar auch d e r d e s V V G . D e m V V G ist der Begriff A n m . 6 d e r G e f a h r ä n d e r u n g f r e m d . Es k e n n t n u r d e n Begriff der G e f a h r e r h ö h u n g . Dieser Begriff ist enger als derjenige der G e f a h r ä n d e r u n g . Aber n u r seinem U m f a n g , nicht seiner A r t nach. G e f a h r ä n d e r u n g e n k o m m e n n u r soweit in Betracht, wie sie die Gefahr erhöhen ( K i s c h 2. 452). D a ß das V V G im übrigen mit d e m Ausdruck „ G e f a h r e r h ö h u n g " etwa n u r die Ä n d e r u n g der beim Vertragsschluß v o r h a n d e n e n U m s t ä n d e , d a gegen nicht die Ä n d e r u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g h a t erfassen wollen, läßt sich nicht nachweisen. M a n darf deshalb nicht d e m U r h e b e r des V V G vorwerfen, d a ß er den Fall der Abweichung v o m Reiseweg übersehen h a b e (so: G e r h a r d 533; vgl. Begr. z. V V G §§ 23—29), u n d ebensowenig etwa den Fall der ungebührlichen Reiseverzögerung d e m Falle gleichstellen, d a ß das Schiff eine andere Reise u n t e r n i m m t , als es nach d e m Versicherungsvertrag u n t e r n e h m e n soll, u n d beide Fälle n a c h d e n G r u n d sätzen b e h a n d e l n , die f ü r die vertragsmäßige Beschränkung des Risikos gelten (so: G e r h a r d 529). Es h a n d e l t sich sowohl i m Falle der Abweichung v o m Reiseweg wie im Falle d e r ungebührlichen Reiseverzögerung u m Ä n d e r u n g e n (zwar nicht der beim Vertragsschluß v o r h a n d e n e n U m s t ä n d e , wohl aber) der versicherten U n t e r n e h m u n g u n d aus diesem G r u n d e u m eine Ä n d e r u n g der Möglichkeit der Entstehung von Versicherungsschäden, u m eine Ä n d e r u n g der Gefahr. Diese Ä n d e r u n g d e r Gefahr wird als solche v o m V V G nicht berücksichtigt. Sie k o m m t n u r d a n n in Betracht, wenn die Gefahr, wie sie sich infolge der Ä n d e r u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g darstellt, größer ist, als die Gefahr, wie sie sich vorher darstellte. Abweichungen v o m Reisewege k o m m e n d a h e r n a c h d e m V V G ü b e r h a u p t nicht in Betracht, wenn diese G e f a h r ä n d e r u n g nicht a u c h eine G e f a h r e r h ö h u n g bildet (Begr. z. V V G 23—29). Die Verzögerung der versicherten Reise verlängert freilich stets die D a u e r der Gefahr u n d bildet d e m g e m ä ß a u c h regelmäßig eine Gefahrerhöhung. c) Dieser S t a n d p u n k t ist auch der d e s H G B . Allerdings läßt das H G B d e n A n m . 7 Versicherer frei, w e n n der Versicherungsnehmer „eine Vergrößerung oder V e r ä n d e r u n g d e r Gefahr v e r a n l a ß t " h a t ( H G B § 8 1 4 Abs. 1). Es unterscheidet also zwischen Gefahre r h ö h u n g u n d G e f a h r ä n d e r u n g . N a c h welchen Gesichtspunkten, ist weder aus d e m Gesetz noch aus seinen Vorarbeiten zu erkennen. M a n könnte d a h e r geneigt sein, das Unterscheidungsmerkmal in den verschiedenen Bestandteilen des Gefahrbegriffs zu suchen, also etwa a n z u n e h m e n , d a ß die „ V e r ä n d e r u n g der G e f a h r " die Ä n d e r u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g bezeichnet, die „ V e r g r ö ß e r u n g der G e f a h r " dagegen die Ä n d e r u n g d e r beim Vertragsschluß vorhandenen U m s t ä n d e , u n d zwar solche Ä n d e r u n g , welche die Gefahr größer m a c h t . D a n n w ü r d e n also alle Ä n d e r u n g e n der beim Vertragsschluß vorhandenen U m s t ä n d e a u ß e r Betracht bleiben, welche die Gefahr n u r ebenso groß oder kleiner erscheinen lassen, als sie vorher war. Aber irgendein bestimmter A n h a l t dafür, d a ß das Gesetz so unterschieden wissen will, besteht nicht. Insbesondere bildet die V e r w e n d u n g der Disjunktivpartikel „ o d e r " solchen Anhalt nicht. I m Gegenteil; h ä t t e der U r h e b e r des Gesetzes die Begriffe der „ V e r g r ö ß e r u n g " u n d der „ V e r ä n d e r u n g " der Gefahr als wesensverschieden angesehen, so h ä t t e er nach den R e geln der Syntax den unbestimmten Artikel wiederholen müssen („eine V e r g r ö ß e r u n g oder eine V e r ä n d e r u n g der G e f a h r " ) . Schließlich spricht dagegen die Tatsache, d a ß das Gesetz als Beispielfälle „einer Vergrößerung oder V e r ä n d e r u n g der G e f a h r " die Verzögerung der Reise, die Abweichung vom Reiseweg u n d den Besuch vertragsfremder 25
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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Gefahränderung
§ 2 3 Häfen anführt, — alles Fälle nicht sowohl einer Änderung der beim Vertragsschluß vorhandenen Umstände als vielmehr Fälle einer Änderung der versicherten Unternehmung. M a n m u ß also annehmen, daß auch der Urheber des H G B den Begriff der „Veränderung der Gefahr" als den allgemeinen, den der „Vergrößerung der G e f a h r " als den besonderen angesehen hat, daß also die „Veränderung der G e f a h r " jede Änderung der beim Vertragsschluß vorhandenen Umstände oder der versicherten Unternehmung ist, die „Vergrößerung der G e f a h r " dagegen diejenige „Veränderung der G e f a h r " , welche die Gefahr größer macht. So betrachten jedenfalls auch die ADS das Verhältnis. Denn sie sprechen von „Gefahränderungen, insbesondere Gefahrerhöhungen" (§ 23 Abs. 1), behandeln also ausdrücklich die Gefahrerhöhung als einen Beispiel- und Unterfall der Gefahränderung. Hieraus folgt ζ. B., daß dort, wo die ADS nicht sowohl an Gefahränderungen, als vielmehr an Gefahrerhöhungen Folgen knüpfen, nämlich im Falle des § 26, nicht nur solche Gefahränderungen in Betracht kommen, die eine Änderung der beim Vertragsschluß vorhandenen Umstände bilden, sondern auch solche, die eine Änderung der versicherten Unternehmung bilden (vgl auch § 25). Anm. 8 d) Näher liegt die Erwägung, ob es überhaupt n ö t i g ist, auch die Ä n d e r u n g d e r versicherten U n t e r n e h m u n g als G e f a h r ä n d e r u n g zu behandeln. Zu den gefahrerheblichen Umständen, die beim Vertragsschluß angezeigt werden müssen, gehören auch bloße Absichten, insbesondere also die Absicht, die versicherte Unternehmung in bestimmter Weise ins Werk zu setzen (§ 19 Anm. 33). M a n könnte daher meinen, d a ß die Änderung der versicherten U n t e r n e h m u n g auf einer Ä n d e r u n g d e r beim Vertragsschluß vorhandenen A b s i c h t beruht, also die Änderung eines beim Vertragsschluß vorhandenen Umstandes bildet und schon aus diesem Grunde eine Gefahränderung ist. Aber das wäre verfehlt. In besonderen Fällen mag zwar schon die bloße Änderung einer Absicht eine Gefahränderung, insbesondere eine Gefahrerhöhung, bilden. I m allgemeinen will das Gesetz offenbar die bloße Änderung einer Absicht noch nicht als Gefahränderung angesehen wissen. Das kommt wieder in den Beispielfällen des § 814 Abs. 1 H G B (Verzögerung der Reise, Abweichung vom Reiseweg, Besuch vertragsfremder Häfen) zum Ausdruck, besonders auch in der Vorschrift des § 813 Abs. 3 HGB, daß die Reise erst dann als verändert angesehen werden soll, wenn der „Entschluß", sie zu ändern, „zur Ausführung gebracht wird". Ebenso ist auch nach § 45 Abs. 2 M I A der Versicherer im Falle einer Veränderung der Reise frei from the time when the determination to change it is manifested, während im Falle einer Abweichung vom Reiseweg the intention to deviate is immaterial, there must be a deviation in fact ( M I A § 46 Abs. 3). Anm. 9 e) D a ß der Versicherungsnehmer die Gefahr nicht ändern darf, ist ein alter internationaler Grundsatz des Seeversicherungs-Rechts, wenn auch das ältere Recht sich n u r mit den gewöhnlichen Änderungen (Verzögerung der Reise, Abweichung vom Reiseweg usw.) beschäftigte (vgl. ζ. B. P o h l s 4. 397). Dieser Grundsatz ist insoweit ein p o s i t i v e r G r u n d s a t z des Versicherungsrechts, als es sich u m das V e r b o t e i n e r Ä n d e r u n g d e r beim Vertragsschluß vorhandenen U m s t ä n d e handelt. Aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt sich dieses Verbot nicht, ergibt sich ζ. B. nicht, daß der Versicherungsnehmer nicht in dem Gebäude, das dem gegen Feuer versicherten benachbart ist, einen feuergefährlichen Betrieb einrichten darf (insoweit zutreffend G e r h a r d 122, K i s c h 2.449). Wohl aber ergibt sich a u s a l l g e m e i n e n R e c h t s g r u n d s ä t z e n , daß der Versicherungsnehmer die v e r s i c h e r t e U n t e r n e h m u n g n i c h t ä n d e r n darf. Denn wenn er die versicherte Unternehmung ändert, entzieht er dem Versicherungsverhältnis den Boden. Die alte Unternehmung ist nicht mehr d a ; auf die neue bezieht die Versicherung sich nicht. Wenn gleichwohl auch Fälle dieser Art (insbesondere Abweichung vom Reiseweg, Besuch vertragsfremder
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Häfen, Sendung nach einem vertragsfremden Bestimmungshafen: § 23 Abs. 2, 3) als § 2 3 Fälle der Gefahränderung behandelt werden, so beruht dies auf Rücksichten der Billigkeit und Zweckmäßigkeit (insoweitzutreffend B r o d m a n n 186, G e r h a r d 530). Aber es ist immer zu berücksichtigen, daß es sich um Ausnahmefälle handelt. Nur wenn es sich um eine bloße Ä n d e r u n g der versicherten Unternehmung handelt, kann noch von einer Gefahränderung die Rede sein. Nicht mehr, wenn die versicherte Unternehmung u m g e s t a l t e t wird, wenn „eine andere Gefahr" entstanden ist ( K i s c h 2 . 4 5 2 ) , eine „wirkliche Veränderung des Risikos" ( P o h l s 4. 382). Die G r e n z e n zwischen der bloßen Änderung und der Umgestaltung der versicherten Unternehmung zu bestimmen, ist nicht immer leicht. Das beweisen ζ. B. die Entscheidungen, die sich mit der Auslegung gewisser Gefahränderungs-Klauseln zu beschäftigen hatten (ζ. B. der Klauseln: „Gänzliche Veränderung der versicherten Reise soll nicht präjudicieren" oder „Veränderungen des versicherten Risikos sind stillschweigend mitgedeckt": unten Anm. 72). Dazu kommt, daß diese beiden Gebiete sich von einem dritten, dem der vertragsmäßigen B e s c h r ä n k u n g des R i s i k o s , zwar grundsätzlich, nicht aber immer tatsächlich scharf abheben (vgl. auch unten Anm. 35). In vielen Fällen wird, um das Risiko zu vermindern, im Vertrag bestimmt, daß die versicherte Unternehmung auf eine gewisse Art ins Werk gesetzt werden muß, daß ζ. B. das versicherte Schiff bei der Inseesendung seetüchtig sein muß, oder daß die versicherten Güter nicht auf Deck verladen werden dürfen. Zuwiderhandlungen würden an und für sich Gefahränderungen, Änderungen der versicherten Unternehmung, wenn nicht gar Umgestaltungen der versicherten Unternehmung bedeuten und mithin einerseits den Versicherer von der Entschädigungspflicht befreien, andererseits in den Ausnahmefällen des § 24 Abs. 2, sowie in allen Fällen, in denen die Änderung unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintritt, eine solche Befreiung nicht herbeiführen. Herkömmlicherweise werden jedoch an die Verletzung dieser Vorschriften diese Folgen nicht geknüpft; vielmehr wird regelmäßig bestimmt, einerseits, daß der Versicherer nicht schlechthin für die Zukunft frei sein soll, andererseits, daß er für den Schaden, der aus der Überschreitung der vertragsmäßigen Grenzen des Risikos entsteht, schlechthin, also gleichgültig, ob die Überschreitung dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist, nicht haften soll. Unter Umständen aber können auch an die Verletzung solcher Vorschriften die Rechtsfolgen der Gefahränderung oder auch die des Gefahrwegfalls geknüpft sein (vgl. H G B § 8 1 4 : Nichterfüllung „besonderer Zusagen", V V G § 3 2 : Nichterfüllung von „Obliegenheiten zum Zwecke der Verminderung der Gefahr oder zum Zwecke der Verhütung von Gefahrerhöhungen"; vgl. auch unten unter bb, gg, mm und Anm. 16, 35. — B e i spielfälle: aa) Wenn das feuerversicherte Gebäude in ungefährlicher Gegend lag und nebenan ein feuergefährlicher Betrieb eingerichtet wird, sind die Gefahrumstände geändert (vgl. R O H G 5. 120). — Ebenso, wenn im feuerversicherten Gebäude Kaltfabrikation betrieben wurde und die Fabrikation bei offenem Feuer eingerichtet wird (Begr. z. V V G §§ 2 3 — 2 9 ; vgl. O L G Hamburg A P V 1905 I I 76). — Ebenso, wenn der Schuppen, an dem das seeversicherte Schiff ladet, mit explosionsgefährlichen Waren belegt wird, oder wenn im Fahrwasser des versicherten Schiffes ein anderes Schiff sinkt und das Fahrwasser zwar nicht sperrt, wohl aber gefährlicher macht, oder wenn in der Gegend, die das Schiff passieren muß, Seebeben auftreten. bb) Wenn das Schiff vom angegebenen oder üblichen Reiseweg abweicht, ist die versicherte Unternehmung geändert. Nach der Verkehrsanschauung und dem danach zu unterstellenden Willen der Parteien ist nicht nur die Fahrt von einem zum anderen Orte versichert, sondern die Fahrt auf einem bestimmten, sei es dem angegebenen, sei es dem üblichen, Wege versichert ( P o h l s 4. 400). Ist ζ. B. die Reise von Hamburg durch 25»
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§ 23 den Nord-Ostsee-Kanal nach Reval versichert, so ist die versicherte Unternehmung und damit die Gefahr geändert, wenn die Reise durch den Sund geht, — falls man in solchem Falle überhaupt noch von einer Abweichung vom Reiseweg sprechen kann. Natürlich können die Umstände auch so beschaffen sein, daß die Abweichung keine Gefahränderung bildet. Ist ζ. B. die Reise von Hamburg durch den Sund nach Reval versichert, so ist regelmäßig die versicherte Unternehmung nicht geändert, die Gefahr nicht geändert, wenn die Reise durch den Nord-Ostsee-Kanal geht. Denn die im Vertrag enthaltene Angabe, daß die Reise durch den Sund gehe, soll nach der Verkehrsanschauung regelmäßig nur feststellen, daß die Reise auf dem weiteren und gefährlicheren Weg ausgeführt werden darf, nicht etwa auch, daß die Reise nicht auch durch den Nord-Ostsee-Kanal gehen darf. Natürlich können die Umstände auch so beschaffen sein, daß die Änderung der versicherten Unternehmung sich als eine vollständige Umgestaltung darstellt. So etwa, wenn das versicherte Segelschiff anstatt durch den Suezkanal um das Kap der guten Hoffnung fährt und infolgedessen in den an der Ostküste Afrikas zu bestimmten Zeiten herrschenden Monsun geraten muß. Oder wenn das Schiff für „regelmäßige Fahrt" zwischen Hamburg und Häfen der Ostküste Südamerikas versichert ist und das Schiff aus kriegsbedingten Gründen ohne Eisverstärkung und Scheinwerferanlage die Polargegenden befährt ((HansOLG HansRGZ 1941 Β igo = J R P V 1941. J03 = Sasse Nr. 456; s. auch LG Hamburg HansRGZ 1940 Β 364 = J R P V 1941. 7 = Sasse Nr. 722; vgl. auch K G J R P V 1927. 63: Einschluß des Wener-Sees in Schweden in den Begriff „Alle Häfen der Nord- und Ostsee" nach dem Vertragswillen und den Umständen des Vertrags, OLG Hamburg H R Z 1926. 895: Ballastreise nach einem Zwischenhafen oder unversicherte selbständige Zwischenreise, O L G Hamburg HansRGZ 1928 A 405: indirekte Reise deckt auch kurze Zwischenreise). Und schließlich können die Umstände auch so beschaffen sein, daß sich die Abweichung vom Reiseweg nur als Überschreitung der Grenzen des versicherten Risikos darstellt. So etwa, wenn vereinbart ist, daß der Versicherer für den Schaden nicht haftet, der durch die Überschreitung bestimmter Breiten- oder Längengrade entsteht. cc) Wenn die versicherte Reise verzögert wird, ist die versicherte Unternehmung geändert. Denn nach der Verkehrsanschauung gehört zur versicherten Unternehmung, daß die Reise in der im Vertrag angegebenen oder in angemessener Zeit angetreten und vollendet wird. The voyage in the commencement or prosecution of which any unreasonable delay takes place, becomes a voyage at a different period of the year, at a more advanced age of the ship, and, in short, a different voyage than if it had been prosecuted with reasonable and ordinary diligence; the risk is altered from that which was intended by all parties when the policy was effected (Tindal, C. J . , in Mount v. Larkins 1831 bei A r n o u l d 435 s. 464; vgl. auch unten Anm. 39). So etwa, wenn die Reise verzögert wird, weil im Abfahrts- oder im Bestimmungshafen ein Streik der Hafenarbeiter ausbricht, oder weil am Bestimmungsort ein Brand die Lagerschuppen, Speicher oder Zollhäuser vernichtet, oder weil aus anderen Gründen die Lade-, Löschoder Lagereinrichtungen im Abfahrts- oder im Bestimmungshafen unzulänglich werden, oder weil die in durchstehendem Risiko von Hamburg nach Port Limon und von dort nach San Jose versicherten Güter wegen Zerstörung des Port Limon und San Jose verbindenden Eisenbahndamms mehrere Monate in Port Limon liegen bleiben müssen (ME 199), oder weil ein Krieg ausbricht oder politische Unruhen entstehen oder der Bestimmungshafen blockiert wird oder Quarantänemaßnahmen angeordnet werden usw. Wie man sieht, wird oft die Änderung der beim Vertragsschluß vorhandenen Umstände die mittelbare oder unmittelbare Ursache bilden, daß die Reise verzögert und damit die versicherte Unternehmung und damit die Gefahr geändert wird. Teilw. abw.: K i s c h 2. 461, wohl unter dem Einfluß der wenig glücklichen Fassung des § 27 VVG.
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dd) Wenn das versicherte Frachtschiff auf der versicherten Reise in Ballast fährt, § 23 ist die versicherte Unternehmung geändert. Ballastschiffe können insbesondere in Havariegrosse-Fällen nicht auf Schadenausgleichung rechnen. Deshalb gehört nach der Verkehrsanschauung zur versicherten Unternehmung, daß das Schiff mit Ladung fährt. Diese Verkehrsanschauung kam in den §§ 38, 41, 42 ASVB zum Ausdruck, in den Klauseln, die ausdrücklich gestatteten, in Ballast zu fahren (vgl. HGZ 1907. 205, 1908. 261, 1909. 265: „Das Schiff hat Freiheit, in Ballast zu segeln", „Abänderung der Beladungsweise ist eingeschlossen gegen seiner Zeit nach Billigkeit zu regulierende Prämie"), im § 23 Abs. 2 Ε 1910, wonach der Versicherungsnehmer beim Vertragsschluß anzuzeigen hatte, wenn das Schiff in Ballast fährt oder fahren soll. Jetzt ist der Gegenstand unter dem Gesichtspunkt der vertragsmäßigen Beschränkung des Risikos behandelt: § 63, näheres unten Anm. 35, § 63 Anm. ee) Wird das Schiff seeuntüchtig, so ist die versicherte Unternehmung (und regelmäßig auch der frühere Gefahrzustand) geändert. Denn die Seetüchtigkeit des Schiffes wird natürlich regelmäßig für die seeversicherte Unternehmung vorausgesetzt (Prot. 3170, 3175, RG 43. 5). Bei der Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, ist freilich das Risiko des Versicherers nach §§ 58, 79 vertragsmäßig beschränkt: Der Versicherer haftet nicht für den Schaden, der dadurch entsteht, daß das Schiff seeuntüchtig in See gesandt ist. Die vertragsmäßige Beschränkung des Risikos schließt indessen die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Gefahränderung nicht aus. Sowenig wie der Versicherungsnehmer die Seeuntüchtigkeit des Schiffes beim Vertragsschluß verschweigen darf (§ 19 Anm. 26), sowenig darf er das Schiff seeuntüchtig in See senden. Näheres: unten Anm. 35, § 58 Anm. ff) Wenn das Schiff für die Dauer seines Umbaus im Dock gegen Feuer versichert ist und einzelne zum Schiffe gehörende Gegenstände an Land gebracht oder gar über Land zur Ausbesserung befördert werden, ist die Gefahr für diese Gegenstände nicht überschritten. Das durch den Vertrag räumlich beschränkte Risiko ist überschritten (vgl. § 1 Anm. 37, LZ 1909. 937). Werden die Gegenstände am Lande durch Feuer beschädigt, so haftet der Versicherer nicht. Werden sie später in das Schiff zurückgebracht, so sind damit die Grenzen des versicherten Risikos wiederhergestellt, haftet also der Versicherer für den nunmehr an den Gegenständen durch Feuer entstehenden Schaden (Pearson v. Commercial Union Ass. Co. 1873 bei A r n o u l d 507 s. 588, offenbar ebenso: LZ 1909. 937). gg) Wenn das versicherte, von Elbing nach Rotterdam zu schleppende Flußschiff nach dem Versicherungsvertrag nur bei günstigem Wetter überführt werden darf und die Reise bei ungünstigem Wetter antritt oder durchführt, ist die versicherte Unternehmung geändert (HGZ 1898. 254). Die Beteiligten können natürlich auch etwas anderes, insbesondere die Beschränkung des Risikos, gemeint haben. hh) Ist das Schiff für eine bestimmte Reise versichert, so ist die versicherte Unternehmung geändert, wenn es unterwegs Taucherversuche macht, um aus verunglückten Schiffen Kostbarkeiten zu bergen. OAG Lübeck HambS 2. 477. ii) Werden die versicherten Güter auf Deck verladen, so ist an und für sich die versicherte Unternehmung geändert. Denn üblicherweise sind Güter unter Deck zu verladen (vgl. HGB §§ 566, 708, ADS § 85). Gleichwohl ist im allgemeinen die versicherte Unternehmung nicht als geändert zu betrachten. Denn für den Fall der Verladung auf Deck ist das Risiko des Versicherers durch § 85 Abs. 1 so beschränkt, daß die Änderung der versicherten Unternehmung wieder ausgeglichen wird. Anders, wenn die Verladung auf Deck auch für die durch § 85 Abs. 1 beschränkte Haftung des Versicherers von Bedeutung ist, wenn ζ. B. die Güter, auf Deck verladen, für das Schiff gefährlicher sind, als wenn sie im Raum verladen wären, und wenn demgemäß und,
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§ 2 3 weil der Versicherer nach § 85 Abs. 1 im Falle eines Totalverlustes des Schiffes haftet, die Gefahr auch für den Güterversicherer größer ist, als wenn die Güter im R a u m verladen wären (näheres: unten Anm. 35, § 19 Anm. 26). — Werden, umgekehrt, Güter, die auf Deck verladen werden sollen, im R ä u m e verladen, so ist die versicherte Unternehmung regelmäßig nicht geändert. Denn die Angabe, daß die Güter auf Deck verladen werden sollen, bedeutet in der Regel nur, daß die Güter auf dem (regelmäßig gefährlicheren) Deck verladen werden dürfen, nicht, daß sie dort verladen werden müssen. I n der Regel; die Umstände können auch ein anderes ergeben. Sind die Güter (ζ. B. Bananen) so beschaffen, d a ß sie gerade auf Deck verladen werden müssen, u m vor Versicherungsschaden geschützt zu sein, so ist, wenn sie im R ä u m e verladen werden, die versicherte Unternehmung geändert. kk) Wenn an Stelle des im Vertrag angegebenen Kapitäns ein anderer K a p i t ä n die F ü h r u n g des Schiffes erhält, so ist die versicherte Unternehmung in der Regel nicht geändert ( K G H R Z 1927. 135 = J R P V 1927. 63 = Sasse Nr. 367). Denn nach der Verkehrsanschauung ist die Person des Schiffers als solche im allgemeinen für die versicherte Unternehmung nicht mehr von Bedeutung (vgl. H G B § 815, O L G Stettin A P V 1904. 156, auch § 20 Anm. 28 unter uu). Dagegen versteht sich von selbst, daß ein tüchtiger K a p i t ä n mit der F ü h r u n g des Schiffes betraut wird; die versicherte Unternehmung, die Gefahr ist geändert, wenn ein untüchtiger, insbesondere ein unzuverlässiger Kapitän die Führung des Schiffes erhält ( H G u. O G H a m b u r g H G Z 1873. 336, 1874. 161). Überdies ist in solchem Falle das Schiff „nicht gehörig b e m a n n t " und der Versicherer auch nach § 58 Abs. 1 frei (vgl. H G H a m b u r g H G Z 1873. 336). 11) Werden die versicherten Güter in anderer Art als mit dem Schiffe befördert, mit welchem sie nach dem Versicherungsvertrag befördert werden sollen, so ist die versicherte Unternehmung nicht n u r geändert, sondern umgestaltet. Der Fall wird jedoch in einzelnen Beziehungen im § 95 besonders behandelt. Näheres: § 95 Anm. mm) W e n n ein Bagger für seine Uberführung von Bremerhaven nach Papenburg versichert und vereinbart ist, d a ß er von einem bestimmten Schlepper oder von Schleppern eines bestimmten Reeders geschleppt werden soll, so liegt es am nächsten, anzunehmen, d a ß damit die versicherte Unternehmung bestimmt sein soll, die versicherte Unternehmung also umgestaltet (nicht nur geändert) ist, wenn der Bagger von anderen Schleppern oder von Schleppern eines anderen Reeders überführt wird (vgl. § 95 Abs. 1). Dann würde, wenn der Bagger von einem anderen Schlepper oder von Schleppern eines anderen Reeders überführt, also die versicherte Unternehmung umgestaltet, aufgegeben und durch eine andere ersetzt werden würde, § 4 sinngemäß anwendbar sein (§ 4 Anm. 5, § 5 Anm. 5, 15). Weniger nahe liegt die Annahme, daß die vertragsmäßige Beschränkung der Haftung des Versicherers bezweckt ist. Dann würde der Versicherer, wenn der Bagger von vertragsfremden Schleppern geschleppt würde, nicht haften, aber gleichwohl die Prämie erhalten. A m unwahrscheinlichsten ist die Annahme, daß die Überf ü h r u n g des Baggers durch vertragsfremde Schlepper eine Gefahränderung darstellt (so H G Z 1896. 232, — zumal wenn, wie hier, angenommen wird, daß die Uberführung durch bestimmte Schlepper „ z u einer eigentlichen Bedingung oder zu einer beiden Teilen erkennbaren Voraussetzung f ü r die Gültigkeit des Versicherungsgeschäfts erhoben" ist). nn) Wenn die versicherte Unternehmung aufgegeben und statt ihrer eine andere, wenngleich ähnliche, ins Werk gesetzt wird, ist von einer bloßen Änderung der versicherten Unternehmung und mithin von einer bloßen Gefahränderung nicht mehr die Rede. Aus der Möglichkeit, daß ersatzfähige Schäden entstehen, ist Unmöglichkeit geworden (vgl. § 4 Anm. 5, § 5 Anm. 5, 15, auch §§ 66, 68). O b die Veränderung mit oder „ohne Z u t u n " (vgl. H G B § 894) des Versicherungsnehmers erfolgt ist, gilt gleich. Ist etwa
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T a b a k versichert u n d statt dessen Kaffee auf die versicherte Reise geschickt, so haftet § 2 3 der Versicherer nicht; der Versicherer h a t n a c h § 4 Abs. 1 die P r ä m i e oder die Ristornog e b ü h r zu zahlen (§ 5 A n m . 1 5 ; vgl. V o i g t 232). Ebenso, w e n n F r a c h t f ü r T a b a k versichert ist u n d K a f f e e auf die versicherte Reise geschickt wird (näheres: § 105 A n m . ; vgl. a u c h § 1 A n m . 185). Ebenso, wenn das Schiff f ü r eine Reise von Philadelphia nach A n t w e r p e n versichert ist u n d anstatt in Philadelphia vielmehr in New York L a d u n g e i n n i m m t u n d n a c h A n t w e r p e n f ä h r t ( R G 4. 20; vgl. a u c h u n t e n A n m . 71). Dasselbe m ü ß t e auch d a n n gelten (und gilt auch grundsätzlich n a c h §§ 813, 894 H G B ) , wenn etwa das versicherte Schiff oder die versicherten G ü t e r im vertragsmäßigen Abfahrtshafen auf eine andere als die versicherte Reise geschickt werden, w e n n etwa K a f f e e f ü r eine Reise von Rio n a c h H a m b u r g versichert ist u n d (mit oder ohne Z u t u n des Versicherungsnehmers) in ein von Rio n a c h Triest fahrendes Schiff verladen wird (vgl. V o i g t 232). O d e r w e n n G ü t e r von Mersey n a c h einem O r t e der Westküste Spaniens oder Portugals u n d von hier ins I n l a n d Spaniens versichert sind u n d die Güter verladen werden, u m n a c h der Ostküste Spaniens u n d von hier nach M a d r i d zu fahren (Simon Israel & Co. v. Sedgwick 1893 bei A r n o u l d 406 s. 433). Hier weichen die A D S von der Überlieferung ab. N a c h der besonderen Vorschrift des § 23 Abs. 3 scheiden alle Fälle, in d e n e n die Reise n a c h einem anderen als d e m versicherten Bestimmungsort gerichtet wird, aus d e m Gebiet der Fälle der Umgestaltung der versicherten U n t e r n e h m u n g oder des Wegfalls der G e f a h r aus u n d werden vielmehr den Fällen der G e f a h r ä n d e r u n g zugeschlagen, m a g d e r Entschluß zu der V e r ä n d e r u n g vor oder nach d e m Beginn der Versicherung gefaßt sein (vgl. a u c h u n t e n A n m . 62). f) O b d i e b e i m V e r t r a g s s c h l u ß v o r h a n d e n e n U m s t ä n d e g e ä n d e r t s i n d , Anm. richtet sich n a c h der Lage des Falles u n d n a c h der Verkehrsanschauung. Das o b j e k t i v e Urteil entscheidet beim Vergleich der jetzigen u n d der f r ü h e r e n Situation (wie das objektive Urteil d a r ü b e r entscheidet, ob U m s t ä n d e gefahrerheblich u n d deshalb b e i m Vertragsschluß anzuzeigen sind: § 19 A n m . 3 1 ; vgl. K i s c h 2 . 4 7 3 , B r u c k - M ö l l e r A n m . 14 zu § 23 V V G , R G 73. 361, 150. 50, 161. 23, 168. 372). Wie sich die Parteien die jetzige Situation vorstellen, die f r ü h e r e Situation oder ihre Entwicklung vorgestellt h a b e n , ist ohne Bedeutung. g) O b d i e v e r s i c h e r t e U n t e r n e h m u n g g e ä n d e r t i s t , m u ß n a c h a n d e r e n A n m . Gesichtspunkten beurteilt werden. D e n n welche U n t e r n e h m u n g versichert ist, m u ß j a der Vertrag, die A u s l e g u n g des Vertrags ergeben. Die Auslegung richtet sich nach d e n allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB, § 13 A D S . Sie ergibt ζ. B., d a ß die Gefahr nicht geändert ist, wenn das versicherte Schiff d e n weniger gefährlichen F l u ß verläßt u n d die eigentliche Seefahrt beginnt. O d e r w e n n es sich im Laufe der Reise im gewöhnlichen U m f a n g a b n ü t z t u n d d a d u r c h an Widerstandskraft verliert. O d e r wenn es im Falle einer Zeitversicherung Reisen bei Treibeis (im übrigen a b e r in verkehrsüblicher Weise) u n t e r n i m m t . Vgl. H G Z 1892. 24, a u c h J W 1910. 245. Vgl. auch H G Z i8g2. 301 im Falle der Zeitversicherung eines d u r c h Treibeis beschädigten Leichters: „ W e l c h e n Gefahren das Schiff ausgesetzt werden dürfe, ergebe sich aus d e r Art u n d Bestimmung des versicherten Fahrzeugs, u n d das M a ß , bis zu welchem dasselbe solchen G e f a h r e n ausgesetzt w e r d e n dürfe, ergebe sich aus d e m M a ß e der von einem ordentlichen R e e d e r bei V e r w e n d u n g von Fahrzeugen der fraglichen Art gewöhnlich geübten Vorsicht. E r könne d u r c h die Rücksicht auf d e n Versicherer nicht verpflichtet sein, von U n t e r n e h m u n g e n abzustehen, welche, obwohl gefährlich, dennoch einen ordentlichen Reeder, auch wenn er nicht versichert sei, rätlich scheinen würden, weil d a b e i ein der G e f a h r entsprechender Gewinn zu m a c h e n sei, u n d er d ü r f e andererseits nicht leichtsinnig Gefahr laufen mit Rücksicht darauf, d a ß der Gewinn i h m zukomme, d e r Schade aber die Assekuradeurs treffe" (vgl. j e d o c h a u c h § 33 Anm.). An u n d f ü r sich
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§ 2 3 ist die Gefahr nicht einmal d a n n geändert, wenn das zeitversicherte Schiff vermietet wird ( O L G Stettin A P V 1904. 155). I m übrigen ist ohne Bedeutung, ob die Änderung der versicherten U n t e r n e h m u n g erheblich ist oder nicht; anders jedoch in den Fällen des § 23 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 (vgl. jedoch auch unten Anm. 39). Anm. 12 h) Die beim Vertragsschluß vorhandenen U m s t ä n d e sind immer d a n n geändert, wenn sie i r g e n d w i e a n d e r s geworden sind. Aber nicht jede solche Änderung befreit den Versicherer. Vorvertragliche Anzeigepflicht und Gefahrstandspflicht stehen in engem, äußeren und inneren, Zusammenhang (oben Anm. 3). Nur gefahrerhebliche Umstände, nur Umstände, die für die Ü b e r n a h m e der Gefahr erheblich sind, brauchen nach § 19 angezeigt zu werden. N u r gefahrerhebliche Unrichtigkeiten der Anzeige machen den Versicherer nach § 20 frei. N u r g e f a h r e r h e b l i c h e Ä n d e r u n g e n d e r U m s t ä n d e befreien den Versicherer nach §§ 23, 24 von der Entschädigungspflicht. Diese Änderungen können eine Gefahrerhöhung bilden. D a n n kommen schon u n e r h e b l i c h e , d. h. in diesem Sinne geringfügige Änderungen in Betracht. Denn zwar das V V G (§ 29), nicht aber H G B und ADS enthalten eine Bestimmung, d a ß geringfügige Gefahrerhöhungen ohne Bedeutung sein sollen. J e n e Änderungen können aber auch bloße Gefahränderungen, also Änderungen sein, welche die Gefahr nicht größer, sondern nur s o n s t w i e a n d e r s erscheinen lassen. Solche Änderungen müssen, mindestens wie geringfügige Gefahrerhöhungen, g e f a h r e r h e b l i c h sein, also derart, d a ß der Versicherer die veränderte Gefahr überhaupt nicht oder doch nicht unter den gleichen Bedingungen übernommen haben würde. Wenn der Reeder Einrichtungen des versicherten Schiffes durch andere, etwa bessere, ersetzt, Sicherheitsvorrichtungen vermehrt, neue Kabinen einbauen läßt usw., so sind dies zwar Änderungen von Gefahrumständen, aber keine gefahrerheblichen Änderungen, Änderungen, die f ü r die vom Versicherer übernommene Gefahr nicht von Bedeutung oder doch nur etwa von einer die Gefahr vermindernden und deshalb rechtsunerheblichen Bedeutung sind. I m Ergebnis ebenso R G 43. 5, jedoch mit der unrichtigen Begründung: Es sei nur „ a n Handlungen oder Unterlassungen des Versicherten gedacht, wodurch die Gefahr eine größere oder andere werde, als der Versicherer bei dem Abschluß des Vertrags voraussetzen m u ß t e " (vgl. hierzu auch oben Anm. 10). Siehe auch R G 123. 10. Anm. 13
i) Zu dem Begriff der Gefahrerhöhung hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 7. 3 1 1 (vgl. auch BGHZ 2. 363; 23. 142) ausgeführt, dem Versicherungsabschluß liege eine ganz bestimmte Gefahrenlage zugrunde. Sie werde als f ü r die Versicherungsdauer ruhend betrachtet, solle sie doch die Grundlage des ganzen Versicherungsverhältnisses bilden. Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung regelten nur die Rechtsfolgen f ü r den Fall, daß sich die Grundlagen zuungunsten des Versicherers verschöben. Der Gegenstand dieser Regelung sei also ein Rechtsvorgang, der die Änderung der Geschäftsgrundlage im allgemeinen Vertragsrecht entspreche. Ebensowenig wie bei dieser könne aber auch hier bei nur gelegentlichen, in ihrer Wirkung nicht fortdauernden Schwankungen der genannten Art von einer Verschiebung der Grundlage gesprochen werden. Eine solche erfordere vielmehr auch hier, daß der Zustand als solcher verschoben werde. Das bedeute, daß der bisherige Gefahrenstand in einen neuen Zustand vertauscht werde, derart, daß nunmehr in ihm die Gefahr stehen zu bleiben und zu ruhen geeignet ist, daß also die Gefahrenlage auf ein neues höheres Niveau emporsteige, auf dem sie sich ebenso wie auf dem bisherigen stabilisieren und die Grundlage eines neuen, natürlichen Gefahrenverlaufs bilden könne. Hiernach könnten in den Begriff der Gefahrerhöhung schon ihrem Wesen nach nicht auch einmalige Gefährdungshandlungen einbezogen werden, bei denen von vornherein feststehe, daß sie den bestehenden Gefahrenzustand nicht durch einen neuen ersetzen, sondern n u r für die absehbare kurze Zeit ihrer Vornahme in Form einer Gefahrensteigerung unterbrechen
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(zustimmend B r u c k - M ö l l e r Anm. 9 zu § 23 V V G mit weiteren Angaben aus Literatur § 23 und Rechtsprechung, für die A D S S c h l e g e l b e r g e r S V R A n m . 6 zu §23 A D S ; ablehnend insbesondere P r ö l ß Anm. 3 zu § 23 V V G mit weiteren Angaben). Doch besagt die Begriffsbestimmung des Bundesgerichtshofs nicht etwa, daß die Gefahränderung eine dauernde sein müsse (anders R G 156. 117: „eine Gefahrerhöhung setze einen dauernden Zustand voraus"). Vielmehr kann es genügen, daß die Gefahr vorübergehend geändert wird ( B r u c k - M ö l l e r Anm. 10 zu § 2 3 V V G , B G H Z 7. 3 1 1 : „ D e r erkennende Senat hat in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts — R G 150. 48, 156. 113 — bereits mehrfach ausgeführt, daß unter Gefahrerhöhung nur solche Gefährdungsvorgänge verstanden werden können, die einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schaffen, wobei dieser mindestens von der Dauer sein muß, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell zu fördern geeignet ist — B G H Z 2. 360, VersR 1951. 67. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß es aus den schon dargelegten Gründen nicht darauf ankommt, wie lange der Zustand der erhöhten Gefahr t a t s ä c h l i c h angehalten hat, sondern lediglich darauf, ob er seiner Natur nach entsprechend lange anzudauern geeignet w a r " , B G H Z 23. 142: „Hierbei ist es unerheblich, ob und wie schnell die Gefahrerhöhung im Einzelfall tatsächlich zu einem Versicherungsfall geführt hat. Maßgebend ist nur, ob die Gefahrensteigerung ihrer Natur nach die Voraussetzungen einer Gefahrerhöhung erfüllt. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der gefahrerhöhende Umstand erst kurze Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalles oder schon früher eingetreten ist." Siehe auch B G H VersR 1962. 368, 1963. 741, 1964. 1289, O L G Köln VersR 1965. 229, O L G Celle VersR 1961. 818, O L G Düsseldorf VersR 1961. 991, 1962. 1170, O L G Nürnberg VersR 1963. 669). O b die Gefahr also dauernd oder nur vorübergehend geändert ist, ist also grundsätzlich ohne Bedeutung ( K i s c h 2. 483; abw. R o e l l i 333). Wenn das versicherte Schiff vom Reiseweg (erheblich) abweicht, ist der Versicherer frei. Auch, wenn das Schiff bald darauf auf den Reiseweg zurückkehrt, bleibt der Versicherer frei. So schon fimcrigon ch. 13 s. 16: Le voyage determine par le Contrat, est definitivement rompu, et non simplement suspendu. Aber der Versicherungsnehmer wird bei nur vorübergehenden Gefahränderungen natürlich leichter als bei anderen beweisen können, daß die Gefahränderung auf den Eintritt des Versicherungsfalls usw. keinen Einfluß hat üben können und der Versicherer deshalb trotz der Gefahränderung nach § 24 Abs. 2 haftet. Verläßt das zeitversicherte Schiff die ihm im Versicherungsvertrag räumlich gesteckten Grenzen, so ist der Versicherer frei ( R O H G 4. 86, Ο A G Lübeck HambS 2. 479). Kehrt das Schiff ins gedeckte Gebiet zurück, so bleibt der Versicherer frei; aber der Versicherungsnehmer wird vielleicht beweisen können, das der Ausflug ins ungedeckte Gebiet auf den Eintritt des Versicherungsfalls keinen Einfluß hat üben können. Anders O L G Stettin A P V 1904. 155: „ N a c h der Rückkehr in's Versicherungsgebiet habe das Schiff ohne weiteres der auf Zeit genommenen Versicherung wieder unterstanden; diese Auslegung entspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben im Versicherungsverkehr (BGB § 157)". Dem Gericht wird der Gesichtspunkt des vertragsgemäß räumlich beschränkten Risikos vorgeschwebt haben. Er würde freilich gleichfalls nicht verwendbar gewesen sein, aber immerhin verwendbarer, als die billige Verweisung auf § 157 BGB. 5. Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht ändern. Er ist v e r p f l i c h t e t , Anm. sie nicht zu ändern. Die Gefahrstandspflicht ist (wie die ihr verwandte vorvertragliche Anzeigepflicht: § 19 Anm. 9) die V e r b i n d l i c h k e i t eines Schuldners. Vgl. B r o d m a n n JehJ 58. 283, J . v. G i e r k e L Z 1909. 739, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 24 A D S , K r e u t z i g e r Kommandobrücke 1964. 199, R G 3. 143, H G Z 1898. 254;
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§ 23 anders R G H G Z 1905. 160: keine Verbindlichkeit im Sinne des § 278 BGB (hierüber unten Anm. 21). So auch K i s c h 2. 449: „Dem Versicherungsnehmer sei eine Unterlassungspflicht auferlegt"; anders dagegen 2. 5 1 1 : Dem Versicherungsnehmer „scheine eine förmliche Pflicht auferlegt zu sein", in Wirklichkeit sei es nur eine „Obliegenheit", die Gefahränderung nur ein „ungünstiger Tatbestand", für die Seeversicherung könne das „gar nicht zweifelhaft sein", denn das HGB untersage die Unterlassung von Gefahränderungen nicht „in imperativer Form". Dabei rechnet das HGB diese „Obliegenheit" ausdrücklich zu den „Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage" (Uberschrift vor §812 HGB). Ist freilich der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, die Gefahränderung nur ein„ungünstiger Tatbestand", so braucht der Versicherungsnehmer auch etwa nicht willensfähig zu sein, ist der Versicherer auch dann frei, wenn der wahnsinnige oder unmündige Versicherungsnehmer die Gefahr geändert hat (so auch K i s c h 2. 487, obwohl das Gesetz selbst — vgl. V V G § 27 ·— die vom Versicherungsnehmer vorgenommene Gefahränderung als von seinem „Willen abhängig" bezeichnet). Näheres: Vorb. V I I I vor § 1; vgl. auch § 19 Anm. 9. Anm. 15
6. Der Versicherungsnehmer darf „ n a c h d e m A b s c h l u ß des V e r t r a g e s " die Gefahr nicht ändern usw. (vgl. für das VVG indessen dessen § 29 a). a) Uber Begriff und Zeitpunkt des „ A b s c h l u s s e s " : Vorb. I V vor §1, § 19 Anm. 16—18. — Der Versicherungsnehmer darf also insbesondere z w i s c h e n V e r t r a g s s c h l u ß u n d V e r s i c h e r u n g s b e g i n n die Gefahr nicht ändern. So kann es kommen, daß der Versicherer von vornherein frei ist und doch die (ganze) Prämie erhält. So etwa, wenn die Versicherung mit der Abfahrt beginnen soll (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1) und der Versicherungsnehmer die Abfahrt erheblich verzögert. Der Versicherer ist in solchen Fällen nicht etwa gemäß § 4 Abs. 1 auf den Anspruch auf die Ristornogebühr beschränkt. b) V o r d e m V e r t r a g s s c h l u ß darf der Versicherungsnehmer natürlich die Gefahr ändern (siehe aber für das V V G dessen § 29 a). Den Versicherer schützt regelmäßig die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers. Regelmäßig; nicht immer, nämlich nicht während eines bestimmten, meist kurzen Zeitraums. Beim Vertragsschluß unter Abwesenden bleibt zwischen dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände anzeigen kann und muß, und dem Zeitpunkt des Abschlusses ein Zeitraum, in dem der Versicherer durch die Anzeigepflicht nicht geschützt ist (§19 Anm. 16). Der Versicherungsnehmer hat natürlich während dieses Zeitraums nicht freie Hand. Er darf ζ. B. nicht während dieses Zeitraums das versicherte Schiff, das bisher an einem sicheren Platze lag, an einen ungewöhnlichen und gefährlichen Liegeplatz bringen und damit die Gefahr erheblich erhöhen. Die Gefahrstandspflicht beginnt, wenn die Anzeigepflicht aufhört (vgl. aber für das V V G dessen § 29 a, nach welchem die Vorschriften der §§ 23 bis 29 V V G auch Anwendung finden auf eine in der Zeit zwischen Stellung und Annahme des Versicherungsantrags eingetretene Gefahrerhöhung, die dem Versicherer bei der Annahme des Antrags nicht bekannt war). — I m Falle einer Vergangenheitsversicherung entscheidet nicht der Abschluß des Vertrags, sondern der Beginn der Versicherung ( § 5 Anm. 9; abw. K i s c h 2.450). So jetzt ausdrücklich: §24 Abs. 1 Satz 2. Über den Anlaß zu dieser Bestimmung vgl. Mat. 1. 93. Näheres: § 24 Anm. 9. c) H a t der Versicherungsnehmer schon b e i m V e r t r a g s s c h l u ß die A b s i c h t , d i e G e f a h r z u ä n d e r n , ζ. B. vom Reiseweg abzuweichen oder das Schiff nach einem anderen Bestimmungsort zu leiten, so muß er hiervon regelmäßig Anzeige machen ( R O H G 8. 232, H G Z 1892. 227, O A G Lübeck H a m b S 2. 474, H G u. O G Hamburg H G Z 1873. 336, 1874. 161, LG H a m b u r g H G Z 1892. 227; anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 7 zu § 23 ADS; näheres: § 19 Anm. 23). Allerdings wird der Ver-
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sicherer, wenn der Versicherungsnehmer die Absicht ausführt, die Gefahr ändert, § 23 gemäß § 24 Abs. 1 frei. Gleichwohl ist die Absicht, die Gefahr zu ändern, ein gefahrerheblicher Umstand; denn der Versicherer muß befürchten, daß ihm, wenn die Absicht ausgeführt, die Gefahr geändert wird, mit Erfolg Schäden zur Last gelegt werden, die er nicht zu ersetzen braucht (vgl. auch § 19 Anm. 25, 26). Überdies offenbart der Versicherungsnehmer, der schon beim Vertragsschluß die Gefahr zu ändern (oder etwa gar den Versicherungsfall herbeizuführen) beabsichtigt, regelmäßig Charaktereigenschaften, die schon als solche für die Übernahme der Gefahr erheblich sind. Der Versicherungsnehmer, der die Anzeigepflicht verletzt hat, kann also nicht gemäß § 24 einwenden, daß der Versicherungsfall schon vor der Gefahränderung eingetreten oder daß er von der Gefahränderung nicht beeinflußt sei. — Ist der Versicherer wegen Nichtanzeige der Gefahränderungs-Absicht gemäß § 20 Abs. 1 frei, so kann er natürlich nicht mehr gemäß § 24 frei werden (vgl. § 20 Anm. 38). Ist er trotz Nichtanzeige der Gefahränderungs-Absicht nicht frei, so wird er gemäß § 24 frei. So etwa, wenn der Versicherungsnehmer ohne Verschulden nicht angezeigt hat (§ 20 Abs. 2 Satz 2). Ebenso auch, wenn der Versicherer beim Vertragsschluß die GefahränderungsAbsicht kannte (§ 20 Abs. 2 Satz 1). Aber in diesem letzten Falle wird regelmäßig anzunehmen sein, daß der Versicherer mit der Gefahränderung einverstanden war, oder genauer: daß die Versicherung auch die andere Gefahr decken soll. Wenn für eine Reise von Hamburg nach Savanilla Versicherung genommen wird, der Versicherungsnehmer beabsichtigt über Curasao nach Greytown und von dort zurück nach Savanilla zu fahren, und der Versicherer dies weiß, wird regelmäßig die Reise Hamburg-CuragaoGreytown-Savanilla als versichert gelten müssen (vgl. R O H G 8. 231). 7. Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht ändern (VVG § 23: die Gefahr- Anm. 16 änderung nicht „vornehmen") und nicht die Änderung einem dritten gestatten. a) Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht s e l b s t ändern. Diese Verpflichtung ist k e i n e b l o ß e U n t e r l a s s u n g s p f l i c h t , — so wenig, wie seine Verpflichtung, den Versicherungsfall nicht herbeizuführen, eine bloße Unterlassungspflicht ist ( § 3 3 Anm.). Gesetz (VVG § 23) und ADS deuten dies hier noch besonders an, indem sie dem Versicherungsnehmer auch verbieten, zu gestatten, daß ein dritter die Gefahr ändert; denn diese Gestattung wird sich oft gerade als Unterlassung darstellen (unten Anm. 17). Der Versicherungsnehmer hat auch die V e r p f l i c h t u n g z u p o s i t i v e n H a n d l u n g e n , nämlich auch die Verpflichtung, vorzukehren, was nach dem ausgesprochenen oder unausgesprochenen Willen der Parteien (BGB § 133) oder nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (BGB § 157) oder nach der besonderen Versicherungstreue (ADS § 13) vorgekehrt werden muß, damit die Gefahr unverändert bleibt oder nicht noch mehr geändert wird (§ 33 Anm.). Insbesondere muß er „Zusagen erfüllen", die er etwa „in dieser Beziehung erteilt" hat, die auf die „Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr Bezug" haben und durch positive Handlungen zu erfüllen sind (HGB § 814 Abs. 1). Er muß den unabhängig von seinem Willen herbeigeführten, gefahrändernden Zustand wieder beseitigen, wenn und soweit es möglich ist ( B e h r e n d Z H R 55. 83). Unmögliches kann natürlich vom Versicherungsnehmer so wenig, wie von einem anderen Schuldner verlangt werden. Und unmöglich ist (nach herrschender und richtiger Ansicht) nicht nur, was absolut unmöglich ist, sondern schon, was zu leisten dem Schuldner nach Sinn und Zweck des Schuldverhältnisses und nach Lage des Falles nicht zuzumuten ist. Der Versicherungsnehmer ändert also ζ. B. die Gefahr, wenn er unterläßt, das Schiff mit den im Versicherungsvertrag „zugesagten" Schotten zu versehen, oder wenn er es unterläßt, das infolge eines Unfalls vom Reiseweg abgewichene Schiff wieder auf den Reiseweg zu bringen, oder wenn er es unterläßt, mit dem unterwegs seeuntüchtig gewordenen Schiffe einen Not-
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§ 23 und Reparaturhafen anzulaufen (HGZ 1891. 279), oder wenn er es unterläßt, den mit der Beförderung der „Von Haus zu Haus" versicherten Güter betrauten, saumseligen Unternehmer zu unverzüglicher Beförderung anzuhalten (vgl. den Fall HGZ 1904. 262).
Anm. 17
b) Der Versicherungsnehmer darf auch nicht gestatten, daß ein anderer die Gefahr ändert. Das „Gestatten" kann mit einer Willenserklärung verbunden sein. Es braucht aber nicht notwendig damit verbunden sein. Es ist insbesondere nicht dasselbe wie „einverstanden sein", „einwilligen", „zustimmen" oder gar „beauftragen". Es ist ein bewußtes Verhalten tatsächlicher Art: einen anderen tun lassen, was man verhindern könnte (vgl. OAG Lübeck Kierulff 1. 405). Gefahränderungen „gestatten" ist also im „Gefahränderungen vornehmen" oder „die Gefahr ändern" enthalten. Es handelt sich also in Wirklichkeit nur um einen Beispielfall der G e f a h r ä n d e r u n g , — wenigstens, wenn man in der Verpflichtung, die Gefahr nicht zu ändern, keine bloße Unterlassungspflicht, sondern auch eine Pflicht zu positiven Handlungen erblickt (oben Anm. 16; vgl. auch § 24 Anm. 2). •— Schon im Sinne des Ausdrucks „gestatten" liegt, daß vor oder bei der Gefahränderung gestattet sein muß (vgl. RG HansRGZ 1930 Β 19 = Sasse Nr. 44). Die bloße (nachträgliche) Genehmigung ist kein „Gestatten". Wenn etwa der versicherte Reeder die Gefahränderung des Kapitäns mit der Wirkung genehmigt, daß sein Schadensersatz-Anspruch gegen den Kapitän erlischt, so hat der Reeder die Gefahränderung nicht „gestattet", ist also der Versicherer nicht gemäß § 24 frei (abw. ohne Begründung: Voigt 323, folgend: Sieveking 68). Der Versicherer würde nur gemäß § 45 Abs. 2 von seiner Entschädigungspflicht insoweit frei, als er vom ersatzpflichtigen Kapitän hätte Ersatz erlangen können. Anders, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahränderung hätte verhindern oder wieder beseitigen können und dies zu tun unterlassen hat; dann würde er selbst die Gefahr geändert haben (oben Anm. 16, unten Anm. 24). —• Von besonderer Bedeutung ist das „Gestatten" von Gefahränderungen in F r a c h t v e r t r ä g e n (bei der Güterversicherung), in S c h l e p p v e r t r ä g e n (bei der Kaskoversicherung), in Vorversicherungs-Verträgen (bei der Rückversicherung). Da aber dem Versicherungsnehmer oft nichts anderes übrig bleibt, als solche Gefahränderungen zu „gestatten", wenn er überhaupt Frachtverträge, Schleppverträge oder Vorversicherungs-Verträge schließen will, so ist er auch dem Versicherer gegenüber in den verkehrsüblichen Grenzen dazu berechtigt (OLG Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = JRPV 1934. 29 = Sasse Nr. 430). Die gestatteten Gefahränderungen gelten als in die versicherte Unternehmung eingeschlossen (oben Anm. 11; näheres §87 Anm.; über das „Gestatten" in Vorversicherungs-Verträgen: § 1 Anm. 149, 161). — Wenn der Versicherungsnehmer das versicherte Schiff vermietet, „gestattet" er noch nicht dem Mieter Gefahränderungen. Aber er muß natürlich für Gefahränderungen des Mieters einstehen (unten Anm. 21). Anm. 18 c) Aus welchem Grunde der Versicherungsnehmer die Gefahr ändert, ist an und für sich ohne Bedeutung. Auch wenn er durch die Umstände gezwungen wird, die Gefahr zu ändern, den Antritt oder die Vollendung der versicherten Reise zu verzögern, vom Reiseweg abzuweichen, vertragsfremde Zwischenhäfen anzulaufen, das Schiff nach einem anderen Bestimmungsort zu richten, hat er die Gefahr geändert. Coactus voluit. § 24 Abs. 2 läßt darüber keinen Zweifel. § 24 Abs. 2 bestimmt aber auch, daß gewisse, vom Versicherungsnehmer vorgenommene oder gestattete Gefahränderungen einflußlos bleiben sollen, wenn die Gefahr aus bestimmten Gründen geändert ist, wenn die Änderung durch das Interesse des Versicherers veranlaßt, oder wenn sie durch ein vertragsmäßiges Ereignis geboten, oder wenn sie durch ein Gebot der Menschlichkeit veranlaßt ist. Wenn ζ. B. das Schiff durch einen Streik der Hafenarbeiter am Bestimmungsort genötigt ist, einen anderen Bestimmungsort aufzusuchen,
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schadet dies nicht. Anders, wenn der Versicherungsvertrag die Streikklausel enthält, § 2 3 der Versicherer also die Streikgefahr nicht trägt. Diese Anordnung des Stoffes ist von Bedeutung für die Beweislast. Der Versicherer braucht nur zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer die Gefahr geändert hat. Der Versicherungsnehmer muß nicht nur beweisen, daß er genötigt war, die Gefahr zu ändern, sondern auch, daß er sie wegen eines versicherungsmäßigen Ereignisses ändern mußte usw. (teilweise anders: H G B § 814 Abs. 2 Nr. 2; näheres: § 24 Anm. 32). 8. Die Gefahr kann m i t o d e r o h n e V e r s c h u l d e n des Versicherungsnehmers Anm. 19 geändert sein. Freilich zwingt die Fassung der §§ 23, 24 nicht zu solcher Auffassung. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die Gefahr nicht zu ändern. Er ist es dem Versicherer schuldig. Als Schuldner hat er nur Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (BGB § 276). Insbesondere würde nicht etwa die Fassung des § 24 Abs. 1 das Gegenteil beweisen. Zwar ist danach der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrstandspflicht „verletzt". Es ist nicht bestimmt, daß der Versicherer frei ist, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrstandspflicht „vorsätzlich oder fahrlässig" verletzt. Aber dies würde ausreichend dadurch erklärt sein, daß nicht der Versicherer das Verschulden des Versicherungsnehmers, sondern der Versicherungsnehmer seine Schuldlosigkeit beweisen müßte. Schließlich fällt auf, daß von den drei eng verbundenen und einander ablösenden Pflichten des Versicherungsnehmers, der Gefahrstandspflicht, der Schadenverhütungs-Pflicht und der Schadenabwendungs-Pflicht die beiden letzten nur schuldhaft verletzt werden können (§§ 33, 41) und es deshalb nur zweckmäßig wäre, die Gefahrstandspflicht ebenso zu behandeln. Gleichwohl muß angenommen werden, daß der Versicherer auch dann frei sein soll, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahr ohne Verschulden ändert. Denn erstens ist es immer so gewesen. Zweitens unterscheidet das V V G , an das sich die ADS in der Fassung anlehnen, ausdrücklich vom gewöhnlichen Falle der Verletzung der Gefahrstandspflicht den Fall, daß „die Verletzung auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht" ( V V G §§ 24, 25). Und schließlich läßt § 24 Abs. 2 erkennen, daß die Entschädigungspflicht des Versicherers nur in bestimmten Fällen schuldloser Verletzung der Gefahrstandspflicht bestehen bleiben soll. — Übrigens ist die Frage nicht von großer Bedeutung. Denn immerhin muß der Versicherungsnehmer doch die Gefahr „geändert", die Gefahränderung „vorgenommen" oder „gestattet" haben, die Gefahränderung „von dem W i l l e n des Versicherungsnehmers abhängig" ( V V G § 27) gewesen sein. Der Versicherungsnehmer braucht die Gefahr nicht vorsätzlich geändert zu haben, insbesondere nicht die positive Gefahrmaßnahme in ihrem rechtsverletzenden Erfolg sich vorgestellt und gebilligt zu haben. Er braucht die Gefahr nicht fahrlässig geändert zu haben, insbesondere die zur Abwendung oder Wiederbeseitigung von Gefahränderungen geeigneten Maßnahmen nicht sorglos unterlassen zu haben. Es genügt, ist aber auch erforderlich, daß er die Gefahrmaßnahme hätte unterlassen, die Abwendungs- oder Beseitigungsmaßnahme hätte treffen können, wenn er g e w o l l t hätte. — In einem Ausnahmefall wird jedoch von Bedeutung sein müssen, ob die Gefahr mit oder ohne Verschulden des Versicherungsnehmers geändert ist. Dann nämlich, wenn der Versicherungsnehmer die G e f a h r b e i d e r F ü h r u n g s e i n e s S c h i f f e s g e ä n d e r t hat. Zwar bestimmt § 3 3 Abs. 1 nur für den Fall der Entstehung von Versicherungsschaden, daß der Versicherer leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers bei der Führung des Schiffes in Kauf nehmen muß. Aber die Gefahrstandspflicht des § 23 und die Schadenverhütungs-Pflicht des § 33 sind einander nahe verwandt. Diese löst jene ab. Wie für diese, muß auch für jene die Erwägung maßgebend sein, daß leichte Versehen bei der Führung des Schiffes gewöhnlich sind und nach der Verkehrsanschauung gerade auch gegen sie die Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. V V G §§ 61, 130). Die Interessenlage ist in beiden
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§ 23 Fällen gleich. Der Grundsatz des § 33 Abs. 1 Satz 2 wird deshalb auch hier anzuwenden sein (vgl. auch unten Anm. 24). Der Versicherungsnehmer braucht Gefahränderungen nicht zu vertreten, wenn er sie bei der Führung des Schiffes vorgenommen oder gestattet hat und ihm kein oder nur leichtes Verschulden zur Last fällt. Noch einen Schritt weiter zu gehen und den Versicherungsnehmer gemäß § 33 überhaupt nur für vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommene oder gestattete Gefahränderungen einstehen zu lassen, hieße die dem Analogieschluß gezogenen Grenzen überschreiten. Anm. 20 9. Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr nicht ändern. a) Über den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. — Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. VI vor § 1. Haben insbesondere Miteigentümer die Sache gemeinschaftlich versichert, so ist jeder einzelne verpflichtet, die Gefahr nicht zu ändern, jeder einzelne insbesondere verpflichtet, positiv vorzukehren, was vorgekehrt werden muß, damit die Gefahr unverändert bleibt (oben Anm. 16). Verletzt einer die Gefahrstandspflicht, so schadet es nicht ohne weiteres auch den übrigen (Vorb. vor § 1 Anm. 54; vgl. auch R O H G 4. 84, HG Hamburg HGZ 1870.341). Anm. 21 b) Der Versicherungsnehmer muß das Verhalten seines g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s gegen sich gelten lassen (BGB § 278, Vorb. V I I I vor § 1). Er haftet aber auch in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit für sein eigenes Verhalten (Vorb. vor § 1 Anm. 61) — Bedient sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Gefahrstandspflicht eines d r i t t e n , so muß er das Verhalten des dritten wie sein eigenes vertreten (BGB § 278, Vorb. V I I I vor § 1). Zwar hat nach § 278 BGB der Schuldner nur das „Verschulden" seines Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Zwar kommt es bei der Gefahrstandspflicht auf Verschulden oder NichtVerschulden im allgemeinen nicht an; der Versicherungsnehmer garantiert die Erfüllung der Gefahrstandspflicht (oben Anm. ig). Aber hieraus folgt natürlich nicht, daß der Versicherungsnehmer Gefahränderungen seiner Erfüllungsgehilfen nicht zu vertreten hätte. Die Gefahrstandspflicht ist gegenüber den Verbindlichkeiten des Schuldners im allgemeinen verschärft. Der Schuldner muß also erst recht das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen gegen sich gelten lassen (vgl. auch § 20 Anm. 30). So auch RG 101. 403: Wenn Angestellte des haftpflichtversicherten Nachtwachunternehmens erfahren, daß der Wachdienst nicht gehörig geübt wird, und nichts vorkehren, die dadurch bewirkte Gefahrerhöhung wieder zu beseitigen, muß der Versicherungsnehmer es gegen sich gelten lassen; denn er hat „den Innenbetrieb so geregelt, daß Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, nicht von ihm selbst, sondern von dem . . . Angestellten zur Kenntnis genommen werden", der Angestellte ist „zum Wissensvertreter bestellt", der Versicherungsnehmer würde „in einem solchen Falle gegen Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr verstoßen, wenn er aus der inneren Geschäftsverteilung dem Versicherer gegenüber den Einwand der Unkenntnis herleiten wollte". Anm. 22 c) Wer leugnet, daß der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, die Gefahr nicht zu ändern, muß natürlich auch die Anwendbarkeit des § 278 BGB leugnen. Wie die dadurch entstehende Lücke zu füllen ist, ist freilich schwer zu sagen und deshalb auch wieder streitig. Nach B r u c k - M ö l l e r Anm. 69 zu § 6 und Anm. 20 zu §23 VVG haftet der Versicherungsnehmer außer für das Verhalten des gesetzlichen Vertreters auch für das seiner Repräsentanten. Nach K i s c h 2. 492 muß der Versicherungsnehmer das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters wie eigenes gelten lassen, weil dieser „im Rechtsverkehr die Stelle des vertretenen Willensunfähigen einnimmt"; wäre dies richtig, so wäre offenbar die Vorschrift des § 278 BGB insoweit ganz überflüssig. „Aus gleichen Erwägungen" soll der Versicherungsnehmer das Verhalten von „Stellvertretern", „Platzhaltern", „Ersatzleuten", „Repräsentanten" zu vertreten haben ( K i s c h
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2. 496). Diese Antwort sei „ a u s der N a t u r der Sache u n d d e m Zweck des Versicherungs- § 2 3 Vertrags unter billiger A b w ä g u n g der einander gegenüber stehenden Interessen zu g e w i n n e n " . Der U r h e b e r des BGB h a t sie auf demselben Wege bereits im § 378 BGB gewonnen. d) D a r ü b e r , wie d e r K r e i s d e r „ P e r s o n e n , deren der Schuldner sich z u r Er- A n m . 23 füllung seiner Verbindlichkeit bedient", zu bestimmen ist, vgl. Vorb. vor § 1 A n m . 62; ähnlich übrigens schon P o h l s 4. 314: „ A u c h f ü r die Versehen solcher Leute, die mit d e m Versicherten e i n e Person bilden, k o m m e der Assekuradeur nicht auf (Guidon de la m e r V . 11). D a h i n gehörten seine Komissionairs, Faktoren u n d alle, die in seinem Auftrage h a n d e l t e n " . W e n n die überseeische „ F a k t o r e i " des versicherten K a u f m a n n s das reiseversicherte Schiff in Apia m o n a t e l a n g liegen läßt, ist der Versicherer frei, — nicht, weil der Versicherungsnehmer der Faktorei „freie H a n d gelassen u n d die Faktorei d e n ihr erteilten Instruktionen nicht zuwidergehandelt h a t " (so H G H a m b u r g H G Z 1879. 99), sondern weil der Schiffsbetrieb ü b e r h a u p t in der H a n d der Faktorei lag, diese „als Beauftragte u n d Vertreterin des Versicherten erschien" ( R G 3. 143). e) Insbesondere die S c h i f f s b e s a t z u n g . Die S c h i f f s m a n n s c h a f t bilden Per- A n m . 24 sonen, deren der Versicherungsnehmer sich natürlich im allgemeinen nicht zur Erfüllung der Gefahrstandspflicht „ b e d i e n t " ( R i t t e r Z f V W 1914. 46, § 33 Anm.). Wohl aber bedient sich der versicherte R e e d e r des K a p i t ä n s , m a g dieser von i h m selbst oder f ü r ihn von einem a n d e r e n (ζ. B. v o m Konsul) bestellt sein oder kraft Gesetzes in seine Funktion eingetreten sein (§ 2 Abs. 3 SeemG). D e n n d e m K a p i t ä n h a t er die V e r w a l t u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g unter weitgehendem Verzicht auf eigene Einwirkung a n v e r t r a u e n müssen u n d anvertraut. Soweit die d e m K a p i t ä n eingeräumte Selbständigkeit reicht, m u ß der Versicherungsnehmer also grundsätzlich auch die v o m K a p i t ä n herbeigeführten G e f a h r ä n d e r u n g e n wie eigene gelten lassen ( R G 19. 2, H G Z 1898. 254). J e d o c h mit einer Ausnahme. Der Versicherungsnehmer b r a u c h t das Verhalten des K a p i t ä n s a l s s o l c h e n nicht zu vertreten. Dies bestimmt § 33 Abs. 3 freilich nur f ü r das Verhalten des Kapitäns bei der Erfüllung der d e m Versicherungsnehmer obliegenden Schadenverhütungs-Pflicht. Aber die Gefahrstandspflicht ist die unmittelbare Vorläuferin der Schadenverhütungs-Pflicht. Bei j e n e r ist die Interessenlage dieselbe, wie bei dieser. Wie f ü r diese, m u ß für j e n e die E r w ä g u n g m a ß g e b e n d sein, d a ß d e m R e e d e r in den meisten Fällen nichts anderes übrig bleibt, als die F ü h r u n g des Schiffes einem K a p i t ä n zu überlassen. Der Grundsatz des § 33 Abs. 3 m u ß deshalb a u c h hier angewendet werden (vgl. auch oben A n m . 19). Der Versicherungsnehmer b r a u c h t Gefahränderungen, die der K a p i t ä n als solcher v o r g e n o m m e n oder gestattet hat, nicht zu vertreten. So a u c h Rechtslehre u n d Rechtsprechung ( V o i g t 318, R O H G 4. 84, R G 19. 2, H G Z 1898. 254, H G H a m b u r g H G Z 1870. 341, 1871. 334). Deshalb bestimmte auch Ε 1 9 1 4 § 4 6 ( M a t . 2 . 2 5 1 ) zweckmäßigerweise allgemein: einerseits, d a ß d e r Versicherungsnehmer bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten i m allgemeinen das Verhalten von Hilfspersonen zu vertreten habe, andererseits, d a ß er das Verhalten des K a p i t ä n s als solchen nicht zu vertreten brauche. — D a r ü b e r , welche Gefahrä n d e r u n g e n als Ä n d e r u n g e n anzusehen sind, die v o m K a p i t ä n „als solchem" vorg e n o m m e n oder gestattet sind, vgl. § 33 A n m . — Der Versicherungsnehmer m u ß aber natürlich diejenigen G e f a h r ä n d e r u n g e n , die der K a p i t ä n „als solcher" vorgen o m m e n oder gestattet hat, vertreten, wenn er sie h ä t t e verhindern oder wenn er sie wieder h ä t t e beseitigen können u n d das eine oder das andere zu t u n unterlassen h a t (oben A n m . 16; G e r h a r d 125, O A G Lübeck Kierulff 1. 404; anscheinend abw. V o i g t 323 u n d folgend S i e v e k i n g 68), oder w e n n er gar mit d e m Verhalten des K a p i t ä n s einverstanden w a r ( R G 19. 3). — Bei der G ü t e r v e r s i c h e r u n g (oder der Bodmereigelder-Versicherung usw.) ist der K a p i t ä n im allgemeinen keine Person, deren d e r
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§ 2 3 Versicherungsnehmer sich z u r Erfüllung seiner Gefahrstandspflicht bedient (worauf schon P o h l s 4. 3 1 5 hingewiesen h a t ; V o i g t 320; ü b e r einen Fall der Versicherung von Bodmereigeldern vgl. H G u. O G H a m b u r g H H 386; anders, w e n n etwa der Versicherungsn e h m e r die G ü t e r d e m K a p i t ä n besonders a n v e r t r a u t h a t , der K a p i t ä n also insoweit die Stellung eines K a r g a d e u r s e i n n i m m t : P o h l s 4. 3 1 5 , H G u. O G H a m b u r g Ullrich N r . 286; näheres: § 33 A n m . ) . Dagegen wird m a n w i e d e r u m aus § 33 Abs. 2 ableiten müssen, d a ß der Versicherungsnehmer bei einer Versicherung, die sich auf die G ü t e r bezieht, G e f a h r ä n d e r u n g e n , die der A b l a d e r oder E m p f ä n g e r der Güter vorgenomm e n oder gestattet h a t , auch d a n n vertreten m u ß , w e n n diese Personen etwa nicht als Erfüllungsgehilfen des Versicherungsnehmers anzusehen sind (näheres: oben A n m . 19, § 33 A n m . ) . A n m . 25 f ) I m Falle einer Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g darf weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherte die G e f a h r ä n d e r n . Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n i c h t : d e n n es besteht kein G r u n d , aus d e m er aus den d u r c h den Versicherungsvertrag ü b e r n o m m e n e n Verbindlichkeiten entlassen erscheinen könnte ( G e r h a r d 369, L e n n e 134, B r u c k - M ö l l e r A n m . 20 zu § 23 V V G ; teilweise abw. E h r e n b e r g 195 u. J e h J 30. 466). ·— Aber a u c h d e r V e r s i c h e r t e nicht ( E h r e n b e r g 195 u. J e h J 30. 466, G e r h a r d 369, K i s c h 2. 504, L e n n e 134, R G u. O L G H a m b u r g SA 45 N r . 269, 46, B r u c k - M ö l l e r a . a . O . ) . Z w a r k a n n m a n im allgemeinen d u r c h V e r t r a g einem dritten keine Pflichten auferlegen. Aber m a n k a n n d u r c h V e r t r a g einem dritten R e c h t e m i t d e r M a ß g a b e zuwenden, d a ß die R e c h t e n u r d a n n entstehen, bestehen, sich entwickeln oder geltend gemacht werden können, w e n n der Berechtigte gewisse Pflichten erfüllt. U n d m a n wird unbedenklich im Zweifel a n n e h m e n können, d a ß , w e n n j e m a n d d u r c h V e r t r a g einem dritten R e c h t e mit der M a ß g a b e einräumt, d a ß die R e c h t e n u r d a n n unbeeinträchtigt bleiben sollen, wenn gewisse Pflichten erfüllt werden, a u c h d e n Berechtigten selbst diese Pflichten treffen sollen, der Berechtigte selbst nicht diejenige Sachlage herbeiführen darf, die f ü r die Rechtslage so bedenklich ist, d a ß d e r das R e c h t E i n r ä u m e n d e ihr d u r c h die Auferlegung einer Pflicht entgegenzuwirken sich genötigt sieht. U n d m a n wird d e m g e m ä ß a n n e h m e n müssen, d a ß , wenn der Versicherer d e m Versicherten R e c h t e mit d e r M a ß g a b e einräumt, d a ß gewisse Pflichten erfüllt werden, u n d d e r u n v e r ä n d e r t e Fortbestand j e n e r R e c h t e von der Erfüllung dieser Pflichten a b h ä n g i g sein soll, a u c h den Versicherten selbst die Pflichten treffen sollen (vgl. a u c h O L G Karlsruhe H a n s R G Z 1934 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse N r . 430). Die Erfüllung der Pflichten gerade d u r c h d e n Berechtigten ist in diesen Fällen f ü r d e n Fortbestand der R e c h t e erkennbar von so großer Bedeutung, d a ß es n a c h den f ü r die Auslegung von Verträgen m a ß g e b e n d e n Grundsätzen selbstverständlich erscheint, d a ß a u c h d e n Berechtigten die mit d e m R e c h t e verknüpften Pflichten treffen, u n d d e m g e m ä ß verständlich, d a ß das Gesetz hierüber nichts besonderes bestimmt (so a u c h Begr. z. V V G § 79, wenigstens mit Bezug auf die SchadenverhütungsPflicht des Versicherungsnehmers). W e n n j e m a n d W a r e n mit d e r M a ß g a b e kauft, d a ß ein dritter u n m i t t e l b a r das R e c h t h a b e n soll, die Lieferung zu fordern, so ist der dritte n a c h § 377 H G B a u c h verpflichtet, die W a r e n unverzüglich n a c h d e r Ablieferung z u untersuchen u n d etwaige M ä n g e l anzuzeigen, unbeschadet d e r Anzeigepflicht des Käufers, deren Nichterfüllung freilich, der N a t u r der Sache nach, nicht schadet, w e n n der dritte rechtzeitig anzeigt, u n d deren Erfüllung die M ä n g e l a n s p r ü c h e des dritten erhält, a u c h w e n n der dritte nicht anzeigt. Dies alles ist so, weil die Parteien es verständigerweise so gewollt h a b e n müssen, u n d ist nicht so, w e n n sich ergibt, d a ß etwas a n d e r e s g e w o l l t ist. So ζ. B. m u ß , w e n n Auswanderergelder versichert sind, g e m ä ß d e n d a r ü b e r bestehenden Vorschriften (AuswG §§ 27—30, Bek v. 14. 3. 1898) etwas anderes gewollt sein. Freilich ist a u c h in diesem Falle der Versicherungsnehmer (der
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Unternehmer) ebenso verpflichtet, wie der Versicherte (der Auswanderer). Aber die § 23 an die Pflichtverletzung geknüpfte Rechtsfolge des Rechtsverlustes darf und soll nur eintreten, wenn der Versicherte die Pflicht verletzt hat, und sie wird selbst in diesem Falle insoweit nicht eintreten dürfen und sollen, als die Behörde für die durch ihr Einschreiten entstandenen Kosten aus der Versicherungssumme sich befriedigen kann (näheres: § ι Anm. 105). — Die Gefahrstandspflicht trifft den Versicherten auch dann, wenn er von der Versicherung keine Kenntnis hat ( E h r e n b e r g 195 u. J e h J 30. 466, F i s c h e r 32, L e n n e 134; ebenso auch wohl G e r h a r d 368, S t o l l e 56, die nur annehmen, daß den Versicherten, der keine Kenntnis hat, kein Verschulden im Sinne der §§ 24, 25 V V G treffen kann, ähnlich J o s e f 164). g) Wird die v e r s i c h e r t e S a c h e v e r ä u ß e r t , so wird der Erwerber verpflichtet, Anm. 26 die Gefahr nicht zu ändern (HGZ 1904. 262). Denn er tritt nach §49 Abs. 1 in die „Pflichten" des Versicherungsnehmers ein, und die Gefahrstandspflicht ist eine „Pflicht", eine Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers (oben Anm. 14; Ausnahme: § 50 Abs. 2). Wenn der Veräußerer die Gefahr ändert, wird der Versicherer an und für sich nicht frei (vgl. aber oben Anm. 21). — Im Falle einer bloßen A b t r e t u n g der noch bedingten Entschädigungsforderung bleibt nur der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Gefahr nicht zu ändern. Der Versicherer kann aber gegenüber dem Zessionar einwenden, daß dieser die Gefahr wider Treu und Glauben geändert hat (vgl. BGB § 162 Abs. 2, A D S § 49 Anm.), gegebenenfalls auch, daß er auf Grund des auf ihn übergehenden Schadensersatz-Anspruchs des Versicherungsnehmers Rückerstattung der von ihm gezahlten Entschädigung würde verlangen können (exceptio doli generalis). 10. Wie die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nicht schadet, wenn Anm. 27 der Versicherer den nicht angezeigten Umstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 20 Abs. 2 Satz 1), so schadet die Verletzung der Gefahrstandspflicht nicht,
wenn der Versicherer zur Gefahränderung seine Einwilligung erteilt. Das
eine versteht sich wohl, wie das andere, von selbst. Aber der Versicherungsnehmer ist an und für sich nicht verpflichtet, die Zustimmung des Versicherers zu Gefahränderungen einzuholen. Der Versicherer könnte daher glauben, daß seine Zustimmung rechtsunerheblich sei und insbesondere die an Gefahränderungen geknüpfte Folge der Befreiung nicht berühre. § 23 Abs. 1 weist ihn darauf hin, daß seine Einwilligung eine Änderung des Versicherungsverhältnisses herbeiführt, daß ζ. B. die Veränderung der Reise gedeckt wird, wenn er auf die ihm erkennbar auf Grund des Versicherungsverhältnisses gemachte Mitteilung, daß die Veränderung der Reise beabsichtigt sei, etwa erwidert: „Meinetwegen". a) Die E i n w i l l i g u n g ist, dem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige Anm. 28 (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) rechtsgestaltende, nämlich rechtsändernde, Willenserklärung (über empfangsbedürftige Willenserklärungen: Vorb. I V vor § 1 ) . Sie kann also ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Unter Umständen genügt schon Stillschweigen auf die bloße Mitteilung, daß eine Änderung der Gefahr beabsichtigt sei ( O L G Königsberg J R P V 1928. 14, K G VersR 1950. 10, B r u c k M ö l l e r Anm. 24 zu § 23 V V G ) . Aber gewöhnlich liegt darin allein natürlich keine Einwilligung. — Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, so muß jeder einzelne einwilligen. Ist ein Versicherer „Führer", so ist seine Einwilligung genügend, die Einwilligung der übrigen regelmäßig unter der Voraussetzung erteilt, daß auch der „Führer" einwilligt. Näheres: Vorb. V vor § 1 . — A g e n t e n des Versicherers sind nicht ohne weiteres ermächtigt, in Gefahränderungen einzuwilligen. Auch nicht Abschlußvertreter (anders für diese B r u c k - M ö l l e r unter Bezugnahme auf § 35 V V G ; wie hier S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 23 ADS). Hat ein Versicherungsvertreter 26
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 23 gleichwohl eingewilligt, so bedeutet das Schweigen des Versicherers, der darum weiß, regelmäßig Zustimmung (JW 1904. 216). Anm. 29 b) Die Einwilligung ist Willenserklärung. Sie kann also wegen Irrtums, arglistiger Täuschung usw. a n g e f o c h t e n werden. Sie ist aber auch eine Willenserklärung, die eine Änderung des Vertrags herbeiführt. Der Versicherer kann also nicht wegen Irrtums über die Gefahrerheblichkeit der Gefahränderung anfechten (§ 20 Anm. 38). Andererseits ist aber auch der Versicherungsnehmer, der die Einwilligung verlangt, verpflichtet, dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände, die für die Einwilligung erheblich sind, richtig anzuzeigen (vgl. § 19 Anm. 19). Anm. 30 c) Die Einwilligung des § 23 ist also keine Einwilligung im Sinne des § 182 BGB, nicht die „Zustimmung eines dritten", von der „die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts abhängt". Sie kann insbesondere n i c h t etwa (wie die gewöhnliche Einwilligung gemäß § 183 BGB) w i d e r r u f e n werden, auch nicht etwa bis zur Gefahränderung (so ohne Grund K i s c h 2. 489). Sie macht das Rechtsverhältnis fest. Der Versicherungsnehmer muß sich darauf verlassen können, selbst wenn sie (was natürlich nicht vorkommt) ohne Verlangen des Versicherungsnehmers erteilt ist. Anm. 31 d) Die Einwilligung kann auch n a c h d e r G e f a h r ä n d e r u n g erteilt werden ( R G L Z 1917. 977; S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 10 zu § 23 A D S ) . Sie deckt dann auch die Zeit von der Gefahränderung bis zur Einwilligung. Dabei ist aber vorausgesetzt, daß der Versicherer bei der Einwilligung um die Gefahränderung weiß. Wie eine Versicherung für die Vergangenheit nur wirkt, wenn sie für die Vergangenheit genommen ist ( § 5 Anm. 8), so wirkt die Einwilligung natürlich auch nur für die Vergangenheit, wenn sie für die Vergangenheit erteilt ist. Die geänderte Gefahr kann j a ein ganz anderes Risiko bilden als die erst noch zu ändernde Gefahr. Nach B r u c k M ö l l e r Anm. 24 zu §23 V V G bedeutet Einwilligung vorherige Zustimmung zur Vornahme oder Gestattung der Gefahrerhöhung. Sei letztere bereits vorgenommen oder gestattet, so habe eine nachträgliche Zustimmung die Bedeutung eines rückwirkenden Verzichts des Versicherers auf die Geltendmachung der Folgen einer bereits erfolgten Verletzung der Gefahrstandspflicht. — Natürlich kann auch die nachträgliche Einwilligung s t i l l s c h w e i g e n d erteilt werden. So etwa, indem der Versicherer die Anzeige des § 26 vorbehaltlos entgegennimmt. Oder indem er in Kenntnis von der Gefahränderung vorbehaltlos die Police aushändigt und die Prämie entgegennimmt ( P h i l l i p s Nr. 1041; vgl. L Z 1907. 357, J W 1904. 216, B o l z e 3 Nr. 754, OTrib. Berlin Z H R 19. 266). Die Entgegennahme der Prämie allein würde den Schluß auf die Einwilligung des Versicherers im allgemeinen noch nicht rechtfertigen, weil die Prämie auch dann geschuldet wird, wenn der Versicherer gemäß § 24 frei ist. Z w a r muß auch der Versicherer die Police aushändigen, obwohl er frei ist ( § 1 4 Anm. 6). Aber die Police ist auch ein Bestätigungsschreiben ( § 1 4 Anm. 10) und der Empfänger daher berechtigt, anzunehmen, daß der Versicherer nicht vorbehaltlos bestätigt haben würde, wenn er nicht einverstanden wäre. — Die nachträgliche Genehmigung kann sich auch als V e r z i c h t auf die Einwendung der Befreiung von der Entschädigungspflicht darstellen. Vgl. hierüber § 24 Anm. 6. Anm. 32
11. G e f a h r ä n d e r u n g e n , d i e d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n i c h t v o r g e n o m m e n oder gestattet hat, die „ u n a b h ä n g i g " vom Willen des Versicherungsnehmers ( V V G § 27) entstehen, „objektive" Gefahränderungen ( K i s c h 2. 485), kommen seeversicherungs-rechtlich im allgemeinen nicht in Betracht (vgl. Prot. 3188, R O H G 5. 120, H G Hamburg H G Z 1870.341; anders V V G § 2 7 : Kündigung mit Monatsfrist). Sie kommen aber nach den §§ 25, 26, 35 Abs. 4 in Betracht. U n d eben deshalb, weil sie sonst nicht in Betracht kommen, den Versicherer nicht befreien, kommen sie doch auch insofern in Betracht, als die Umstände, auf denen sie beruhen,
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gefahrerheblich sein können und dann nach § 19 beim Vertragsschluß angezeigt werden müssen. a) Objektive Gefahränderungen können durch N a t u r e r e i g n i s s e oder durch die G e s e t z g e b u n g (ζ. B. durch Erweiterung der Kollisionshaftung oder durch die Zulassung von Beschlagnahmen; vgl. K i s c h 2. 479, 506, OLG Köln APV 1912 II 107) oder durch P e r s o n e n , deren Verhalten der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, oder auch durch den willensunfähigen (oder auch etwa körperlich genötigten) Versicherungsnehmer selbst (oben Anm. 14) herbeigeführt sein. Sie können durch Ereignisse herbeigeführt sein, die zum Bereich der vertragsmäßigen Gefahren, oder durch Ereignisse, die zum Bereich vertragsfremder Gefahren gehören. Zwar haftet der Versicherer nicht für die Folgen vertragsfremder Gefahrereignisse. Aber er haftet nur für die nächsten Folgen vertragsfremder Gefahrereignisse nicht, wohl aber für entferntere Folgen, ζ. B. im Falle einer die Streikgefahr ausschließenden Versicherung für die Folgen eines Sturmes, der das versicherte Schiff beschädigt und es nicht mehr während der Dauer der Versicherung erreicht haben würde, wenn die Beendigung der Versicherung nicht durch einen Streik am Bestimmungsort verzögert worden wäre (§ 28 Anm. 17fr.). b) Ist die Gefahr unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers geändert, so ist o h n e B e d e u t u n g , d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r sie sonst g e ä n d e r t h ä t t e . Wird das versicherte Schiff durch einen Sturm in einen vertragsfremden Hafen verschlagen, so ist der Versicherer nicht frei, auch wenn der Versicherungsnehmer beabsichtigt hat, den Hafen anzulaufen und damit vom Reiseweg abzuweichen (Kisch 2. 509; darüber, daß die Änderung der Absicht noch keine Gefahränderung ist, vgl. oben Anm. 8; über die versicherungsrechtliche Kausalität: § 28 Anm. 17ff.). —• Hat, umgekehrt, der Versicherungsnehmer die Gefahr geändert, so ist es ohne Bedeutung, daß auch ohnedies, unabhängig von seinem Willen, die Gefahr geändert worden wäre. Der Reederkapitän, der einen vertragsfremden Zwischenhafen anläuft, kann sich also nicht darauf berufen, daß er, wenn er den Hafen nicht angelaufen hätte, vom Sturm überrascht und in denselben oder einen anderen vertragsfremden Zwischenhafen verschlagen worden wäre. — Schließlich ist auch ohne Bedeutung, daß vom Willen des Versicherungsnehmers abhängige und unabhängige Ereignisse zusammen die Gefahr geändert haben oder auch nur zusammen haben ändern können. Ζ. B. die meuternde Mannschaft hätte vom Reederkapitän im vertragsgemäß angelaufenen Zwischenhafen abgemustert werden können und sollen. Der Versicherer kann sich darauf berufen, daß die Gefahr ohne die Mitwirkung des Versicherungsnehmers nicht geändert worden wäre. 12. Verhältnis der Bestimmungen über Gefahränderung zu den Bestimmungen über die vertragsmäßige Beschränkung des Risikos. Der Versicherungsnehmer braucht Umstände, die nach dem Vertrag das Risiko beschränken, beim Vertragsschluß im allgemeinen nicht anzuzeigen (§ 19 Anm. 26). Er kann daher auch im allgemeinen nach dem Vertragsschluß solche Umstände herbeiführen. Sie ändern im allgemeinen die Gefahr nicht. Der Versicherungsnehmer kann das versicherte Schiff auf der versicherten Reise in Ballast fahren lassen, obgleich dies wegen des fehlenden Ausgleichs in Havariegrosse-Fällen an sich gefährlicher ist; die vom Versicherer übernommene Gefahr wird nicht geändert, der Mangel des Ausgleichs durch eine entsprechende Beschränkung der Haftung des Versicherers (§ 63) wieder gutgemacht (oben Anm. 9 unter dd, OAG Lübeck HambS 2. 701). — Das Risiko kann aber auch in der Weise beschränkt sein, daß trotz der Beschränkung der Umstand gefahrerheblich ist und beim Vertragsschluß angezeigt werden muß (§ 19 Anm. 26), seine Herbeiführung nach dem Vertragsschluß die Gefahr ändert. Zwar ist das Risiko des Kaskoversicherers be26*
§ 23 Anm, 33
Anm. 34
Anm. 35
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§ 23 schränkt, wenn das Schiff seeuntüchtig in See gesandt ist (§ 58). Gleichwohl hat der Versicherungsnehmer die Gefahr geändert (oder gar umgestaltet), wenn er das Schiff seeuntüchtig in See sendet oder gestattet, daß es seeuntüchtig in See geht. Denn die Beschränkung ist nicht ähnlich wie im § 63 bestimmt, der Versicherer nicht schlechthin frei, wenn das Schiff seeuntüchtig in See gesandt ist. Der Versicherer haftet nur für den Schaden nicht, der durch die Seeuntüchtigkeit des Schiffes verursacht ist. Er haftet, sein Risiko ist nicht beschränkt (genauer: Er muß zahlen, die Beschränkung des Risikos ist unwirksam), wenn zwar durch die Seeuntüchtigkeit Schaden entsteht, er aber den Kausalzusammenhang nicht beweisen kann. Nach § 24 ist er frei, wenn der Versicherungsnehmer nicht beweist, daß Seeuntüchtigkeit und Schaden in keinem Zusammenhang stehen können, — was ja auch nur der Interessenlage entspricht (vgl. RG 19. 2, 43. 5). Anm. 36 13. V e r h ä l t n i s der Bestimmungen über die Gefahränderung zu d e n B e s t i m m u n g e n ü b e r die H e r b e i f ü h r u n g des V e r s i c h e r u n g s f a l l s : § 33 Anm. und oben Anm. 19, 24. Anm. 37 14· A b s . 2 führt b e i s p i e l s w e i s e (verb, „insbesondere") einige Fälle von Gefahränderungen an, die, vom Versicherungsnehmer vorgenommen oder gestattet, den Versicherer gemäß § 24 befreien. Durch die Anführung von Beispielfällen wird gewöhnlich die B e w e i s l a g e verschoben. So auch hier. Aber es handelt sich um mehr als die Anführung von Beispielen und die Aufstellung von Beweisregeln. Die Parteien haben im §23 Abs. 2 v e r e i n b a r t , daß die hier bezeichneten Änderungen j e d e n f a l l s als Gefahränderungen anzusehen sind, und ferner, daß gewisse Änderungen als Gefahränderungen n i c h t angesehen werden sollen, nämlich die nur unerhebliche Verzögerung der Reise, die nur unerhebliche Abweichung vom Reiseweg, der übliche Besuch von Zwischenhäfen zur Einholung von Orders. Auch das Gesetz verfährt ja oft so, daß es besonders wichtige Beispielfälle anführt und damit nicht nur Beweisregeln, sondern auch materielle Rechtssätze verbindet. Anm. 38 15. A b s . 2 Nr. 1. Verzögerung der Reise (delay in voyage, prolongation de voyage). Der Versicherungsnehmer darf den Antritt oder die Vollendung der Reise nicht erheblich verzögern. a) „ V e r z ö g e r u n g " ist nicht „Verzug" (BGB § 285). Der Ausdruck „Verzögerung" bezeichnet einen nur objektiven Sachverhalt (vgl. HGB §601 Abs. 1, BSchG §36 Abs. 4, VVG § 131 Abs. 2). Wo auf die subjektiv vertretbare Verzögerung abgestellt ist, hat das Gesetz dies besonders zum Ausdruck gebracht (vgl. BGB § 121 Abs. 1: „Schuldhaftes" Zögern, HGB §622 Abs. 4: Verzögerung „ohne Verschulden", HGB §§ 814 Abs. 1, 823 Abs. 2, 824 Abs. 2, VVG § 138 Abs. 1: „ungebührliche" Verzögerung). Verzögerung ist das Nicht-sofort-handeln; nicht handeln, obgleich zu handeln möglich ist (RG 49. 395). Eine solche sofortige Ausführung und Durchführung der versicherten Unternehmung wird jedoch von der Verkehrsanschauung nicht vorausgesetzt. Wohl aber wird vorausgesetzt, daß Ausführung und Durchführung nicht e r h e b l i c h verzögert werden (vgl. oben Anm. 37). Anm. 39 b) Die Verzögerung muß e r h e b l i c h sein; gefahrerheblich; für die Tragung der vom Versicherer übernommenen Gefahr erheblich; geeignet, auf den Entschluß des Versicherers Einfluß zu üben, wenn dieser gegenwärtig den Vertrag zu schließen hätte und wüßte, daß die Ausführung oder Durchführung der versicherten Unternehmung sich so verzögern würde; o b j e k t i v g e f a h r e r h e b l i c h vom Standpunkt der Gegenwart aus (vgl. VVG § 29 u. Begr. z. VVG §§ 23—29, auch RG 73. 361: „objektiv so erheblich, daß sie einem Versicherer vernünftigerweise Anlaß geben kann, das Versicherungsverhältnis aufzuheben oder seinen Fortbestand von einer Änderung der Vertragsbedingungen, insbesondere von der Zahlung einer höheren Prämie, abhängig zu machen",
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ähnlich: J W 1910. 836). Auch dies ergibt sich aus dem nahen, inneren und äußeren, § 23 Zusammenhang der Vorschriften über die Anzeige- und die Gefahrstandspflicht (vgl. oben Anm. 3, 9 unter cc, 12, auch R G H G Z 1889. 119: „Die Reise sei so bald anzutreten, als dies unter Berücksichtigung der Ü b u n g im Verkehr nach der auch dem Versicherer erkennbaren Lage der Sache angezeigt erscheine"). Es ist im Grunde dasselbe, was die §§ 42, 48 M I Α mit den Worten ausdrücken: T h e adventure shall be commenced within a reasonable time, und the adventure insured must be prosecuted throughout its course with reasonable despatch. M e h r kann der Versicherer auch beim Vertragsschluß nicht erwarten. Das aber kann und darf er deshalb auch voraussetzen. Nur u n e r h e b l i c h e Verzögerungen sind demgemäß in Wirklichkeit überhaupt keine Gefahränderungen, insbesondere Gefahrerhöhungen. Sie sind im Zweifel in der versicherten Unternehmung mit enthalten (vgl. auch oben Anm. 11). Der Versicherer muß ζ. B. erwarten, d a ß nicht nur die Durchführung, sondern auch die Einleitung der Reise eines Segelschiffs mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die eines Dampfschiffs ( H G Z 1889. 6: Hinausschiebung des Antritts der Reise eines Segelschiffs u m drei Wochen sei nicht erheblich, bei S i e v e k i n g 70 irrtümlich: u m drei Monate). Bei Reisen auf Aventure, d. h. bei Reisen, auf denen sich das Schiff Frachtverdienst suchen muß, muß der Versicherer gleichfalls mit einer längeren Dauer der Reise rechnen (RG 13. 94). H a t der Versicherer die Klausel bewilligt: „Etwaige Abweichungen von obigen Reisen oder gänzliche Veränderung derselben sollen nicht präjudizieren, diese Versicherung vielmehr vorkommendenfalls in Kraft bleiben gegen Prämienzulage nach Billigkeit", so hat er damit zu erkennen gegeben, daß er auf die unverzögerte Aus- und Durchführung der versicherten Reise kein Gewicht legt, und muß sich (gegen Prämienzulage) einen längeren Aufenthalt in einem Zwischenhafen gefallen lassen (RG 3. 145, H G Z 1889. 8). Allerdings ist das R G , indem es in diesem Falle einen Zwischenaufenthalt von „ n u r " sechs bis sieben Monaten für noch zulässig erklärt hat, über die der Auslegung von Verträgen gesteckten Grenzen hinausgegangen. Die englische Rechtsprechung hat unzulässige Verzögerung der Reise angenommen, als das Schiff von England nach Westafrika during her stay and trade there und zurück nach England versichert war und nach der Beladung einen Monat mit der Rettung der Ladung eines gestrandeten Dampfers verbracht hatte (Comp, of Afr. Merch. v. British Ins. Co. 1873 bei A r n o u l d 405 s. 433). In anderen Fällen hat freilich auch die englische Rechtsprechung die Grenzen des reasonable despatch recht weit gezogen (vgl. A r n o u l d 437 u. 441 s. 466 u. 470). Aber dabei sind offenbar Erwägungen maßgebend gewesen, die mit jenem Begriff nichts zu tun haben. So im Falle Smith v. Surridge 1801 bei A r n o u l d 437 s. 466. Ein in Pillau liegendes Schiff wurde am 15. Mai at and from Pillau to London versichert. Das Schiff mußte jedoch zunächst ausgebessert werden. Die Ausbesserung dauerte bis Ende J u n i . Damals war das Wasser im Hafen so niedrig, daß das Schiff nicht die Barre passieren konnte und bis zum November warten mußte. Die Verzögerung wurde für nicht ausreichend gehalten, den Versicherer zu befreien. Gewiß war sie „erheblich". Aber sie konnte den Versicherer nicht befreien, weil sie teils im Interesse des Versicherers lag, teils vom Versicherungsnehmer nicht vorgenommen oder gestattet war (caused by circumstances beyond the control of the master and his employer, reasonable necessary in order to comply with an implied warranty, reasonable necessary for the safety of the ship: M I A § 49 Abs. 1 b—d). Eine andere Frage wäre gewesen, ob der Versicherungsnehmer nicht beim Vertragsschluß hätte anzeigen müssen, daß das Schiff „in erheblicher Reparatur lag" (vgl. ASVB § 47) oder einer so bedeutenden Reparatur unterzogen werden sollte. Das LG Berlin ( J R P V 192g. 207 = Sasse Nr. 714) hat eine erhebliche Reiseverzögerung bei einem Schiff angenommen, das etwa vier Wochen in einem Schmugglergebiet kreuzte. — Ist das Schiff „in Ballast oder mit L a d u n g " reisever-
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§ 23 sichert und der N a m e des Kapitäns nicht angegeben, so m u ß der Versicherer damit rechnen, „ d a ß darüber, ob das Schiff in Ballast oder mit Ladung gehen werde, noch nichts entschieden sei, mithin über Anschaffung oder Einnahme einer Ladung noch längere Zeit vergehen könne", daß das Schiff noch nicht mit „Matrosen, Maschinisten und Kohlen versehen", und der K a p i t ä n noch nicht „im Abgangsorte eingetroffen" ist (HG H a m b u r g H H 405). — Sind Güter „ V o n Haus zu H a u s " versichert, so ist eine Verzögerung, die der Versicherungsnehmer (oder der Empfänger: oben Anm. 24) dadurch verursacht, d a ß er die Güter nach Beendigung der Seereise bereits am K a i f ü r die Weiterversendung vom Endpunkt der versicherten Reise bearbeiten läßt, regelmäßig ohne weiteres erheblich ( H G Z 1904. 263; vgl. jetzt § 124 Abs. 2 Satz 2). — Der Versicherer m u ß die Erheblichkeit der Verzögerung b e w e i s e n . Er m u ß die Tatsachen angeben und beweisen, die den Vergleich des Zustandes, wie er sein sollte, und des Zustandes, wie er ist, ermöglichen. Diese Tatsachen zu würdigen, sie miteinander zu vergleichen und sich über die Erheblichkeit ein Urteil zu bilden, ist d a n n Sache des Richters. Anm. 40 c) § 814 Abs. 1 H G B knüpft die Rechtsfolge der Gefahränderung nicht an die „erhebliche", sondern an die „ungebührliche" Verzögerung der Reise. M a n versteht hierunter eine Verzögerung, die erheblich ist und „nicht durch genügende Gründe gerechtfertigt" werden kann (Prot. 3187, B r o d m a n n 187, R G 3. 146, R G H G Z 1882. 196, 1889. 1 1 9 ; vgl. auch H G u. O G H a m b u r g H G Z 1870. 96, 264; unrichtig Begr. ζ. Ε i g i o §§ 25—27, Mat. 1. 94: gleichbedeutend mit „erheblich"). Dies letzte Merkmal (der nicht genügend begründeten Rechtfertigung) ist im § 814 Abs. 2 Nr. 2 H G B teilweise noch einmal enthalten, und zwar in der Bestimmung, daß Verzögerungen, die durch einen dem Versicherer zur Last fallenden Notfall verursacht sind, unwirksam sein sollen. In den §§ 23, 24 ADS wird es, teilweise wenigstens, durch die Bestimmung ersetzt, daß Verzögerungen, die durch das Interesse des Versicherers veranlaßt oder durch ein versicherungsmäßiges Ereignis geboten sind, nicht in Betracht kommen. — Wenn „infolge des seit J a h r e n in Costa Rica unerhört schlechten Wetters . . . die Wege so unpassierbar werden und folgeweise ein solcher Mangel an Fuhrwerk herrscht, daß der Transport tatsächlich unmöglich" ist, und die in durchstehendem Risiko nach Punta Arenas und von dort nach San Jose versicherten Güter in Punta Arenas lange Zeit liegen bleiben, so ist die Reise erheblich verzögert, aber die Verzögerung nicht „ungebührlich", auch überhaupt nicht vom Versicherungsnehmer „vorgenommen" oder „gestattet", der Versicherer nicht frei; ebenso, wenn die Güter von Punta Arenas nach San Jose zwar früher hätten befördert werden können, aber nur mit Kosten, die dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten waren ( H G Z 1882. 196; vgl. oben Anm. 16). Anm. 41 d) Ist im Vertrag eine b e s t i m m t e Dauer der Reise oder des Aufenthalts in Zwischenhäfen oder ein bestimmter Zeitpunkt für den Antritt der Reise angegeben, so ist jede Überschreitung ohne weiteres eine „erhebliche" Verzögerung. So etwa, wenn dem Versicherungsnehmer im Vertrag gestattet ist, to wait two months at Montevideo if needful (Doyle v. Powell 1832 bei A r n o u l d 437 s. 466; anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 12 zu § 23 ADS). Anm. 42 e) Der A n t r i t t d e r R e i s e darf nicht erheblich verzögert werden. Weder der „wirkliche Antritt der Reise" ( V o i g t 219), die Abfahrt des Schiffes, noch der Beginn der versicherten Unternehmung überhaupt, ζ. B. bei der Kaskoversicherung die Einn a h m e der Ladung oder des Ballastes (§ 66 Abs. 1). Deshalb genauer: M I A §§ 42, 48: the adventure insured. — Anders natürlich, wenn der Versicherer beim Vertragsschluß mit der Verzögerung rechnen mußte (vgl. auch oben Anm. 39). The implied condition (that the adventure shall be commenced within a reasonable time) may be negatived by showing that the delay was caused by circumstances known to the insurer before
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the contract was concluded, or (selbstverständlich) by showing that h e waived the condition ( M I A § 42 Abs. 2). f ) Die V o l l e n d u n g der Reise darf nicht erheblich verzögert werden. Aber n a c h d e r A n k u n f t a m Bestimmungsort finden besondere Bestimmungen A n w e n d u n g . Die Kaskoversicherung endigt, w e n n der Versicherungsnehmer die Löschung „ u n g e b ü h r l i c h verzögert" (§ 66 Abs. 1 Satz 3; vgl. a u c h § 79); die Bestimmungen ü b e r G e f a h r ä n d e r u n g finden also insoweit keine A n w e n d u n g . Die Güterversicherung endigt, wenn der Versicherungsnehmer die Löschung ungebührlich verzögert, spätestens n a c h zehn T a g e n (§ 88 Abs. 3 Satz 2; vgl. auch §§ 99, 124 Abs. 2 Satz 2); f ü r die A n w e n d u n g der Bestimmungen ü b e r G e f a h r ä n d e r u n g ist insoweit kein R a u m . Die besonderen Bestimmungen gehen d e n allgemeinen vor. g) Bei Z e i t v e r s i c h e r u n g e n k o m m e n Reiseverzögerungen nicht in Betracht (verb, „versicherte Reise", in the case of a voyage policy: M I A § 48). Auch nicht als G e f a h r ä n d e r u n g e n anderer Art. Allerdings k a n n der Versicherungsnehmer d u r c h Verzögerung einer Reise bewirken, d a ß das versicherte Schiff beim Ablauf der Zeit u n t e r wegs ist u n d deswegen die Versicherung verlängert wird (§ 68). Aber dies zu t u n ist sein R e c h t , — wie es sein R e c h t ist, die V e r l ä n g e r u n g auf andere Weise herbeizuf ü h r e n , ζ. B. d a d u r c h , d a ß er kurz vor Ablauf d e r Zeit das Schiff eine neue Reise antreten läßt. Gilt j e d o c h die Zeitversicherung g e m ä ß § 68 als verlängert bis zu d e m Zeitpunkt, in d e m sie n a c h d e n f ü r Reiseversicherungen geltenden Grundsätzen endigen würde, so ist sie auch insoweit zur Reiseversicherung geworden, darf also n u n m e h r die Reise nicht erheblich verzögert werden. h) Sind S e e - u n d B i n n e n r e i s e n z u s a m m e n versichert, so gilt § 23 Abs. 2 N r . 1 auch f u r die Binnenreise (§ 125). Näheres: oben A n m . 40, u n t e n A n m . 54. 16. Die B e s c h l e u n i g u n g d e r v e r s i c h e r t e n R e i s e bildet das Gegenstück z u r Verzögerung. Sie ist gewöhnlich keine Gefahrerhöhung, sondern G e f a h r m i n d e r u n g . Sie ist gewöhnlich ü b e r h a u p t keine G e f a h r ä n d e r u n g , i m Zweifel vielmehr in der versicherten U n t e r n e h m u n g eingeschlossen (vgl. oben A n m . 11). Der Versicherer k a n n sich ζ. B. nicht beklagen, wenn das f ü r die Reise von Südamerika n a c h H a m b u r g versicherte Segelschiff d u r c h d e n Ärmelkanal n a c h H a m b u r g geschleppt u n d hierdurch die Reise crheblich abgekürzt wird ( M a t . 1. 96). Si le voyage est abrege, l'assurance doit etre maintenue, car les risques d e l'assureur se trouvent diminues (worauf es freilich nicht entscheidend a n k o m m t ) . Mais il f a u t qu'il y ait simple raccourcissement d e voyage sans c h a n g e m e n t de direction ( R i p e r t Nr. 2729; vgl. a u c h belg. H G B Art. 218, f r ü h e r 1 9 5 : L'assurance a son entier effet si le voyage est raccourci p o u r v u q u e le capitaine s'arrete dans u n port d'echelle). Deshalb ist § 25 Abs. 3 Ε i g i o gestrichen, w o n a c h es als eine G e f a h r ä n d e r u n g angesehen werden sollte, wenn die Reise d u r c h besondere M a ß r e g e l n beschleunigt wird. Natürlich können Beschleunigungen dieser Art Gef a h r ä n d e r u n g e n darstellen. O b sie es t u n , ist T a t f r a g e . Als einen Beispielfall solcher Beschleunigung bezeichnete Ε 1910 den Fall, d a ß das „Schiff zusammenhängendes Eis d u r c h b r i c h t " . Diesen Fall behandelt jetzt § 61 i m Anschluß a n § 70 A S V B (in der Fassung der A l t e K R P u. A l t e K Z P M a t . 2. 103, 107) als Fall der vertragsmäßigen Beschränkung d e r H a f t u n g des Versicherers. Das erschien (auch) deshalb notwendig, weil der Versicherungsnehmer sich sonst darauf h ä t t e berufen können, d a ß er das Verhalten des K a p i t ä n s n a c h § 33 Abs. 3 nicht zu vertreten b r a u c h e (oben A n m . 24), u n d weil d a m i t die Bestimmung j e d e praktische Bedeutung verloren h a b e n w ü r d e . Siehe auch H a n s O L G H a n s R G Z 1930 Β 755 = Sasse N r . 4 1 1 . — N a c h § 77 A S V B sollten „die mit etwaigen Maßregeln bloßer Beschleunigung v e r b u n d e n e n Kosten, ζ. B. des außerordentlichen Gütertransports, wenn das Schiff zeitweilig d u r c h Eis d a r a n verhindert wird, den Bestimmungshafen zu erreichen, diejenigen des Durch-
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§ 23 eisens und dergleichen den Versicherer niemals treffen". Dies versteht sich aber von selbst (Begr. ζ. Ε i g i o §§ 25—27, V o i g t 503). Der Versicherer ist im allgemeinen frei, wenn der Versicherungsnehmer die Beseitigung eines vorübergehenden Hindernisses nicht abwartet, die versicherte Reise aufgibt und die versicherten Güter anderweit an ihren Bestimmungsort befördern läßt (oben Anm. 9, unter n n ) ; er hat daher auch nicht die Kosten der Umladung, die Kosten der einstweiligen Lagerung und die Mehrkosten der Weiterbeförderung zu tragen. Gleichwohl bestimmte § 25 Abs. 3 Satz 1 Ε ig ίο vorsichtigerweise, daß es als ein Fall der besonderen Reisebeschleunigung und demnach als Gefahränderung angesehen werden solle, wenn die Güter infolge eines vorübergehenden Reisehindernisses auf einem anderen als dem im Vertrag bestimmten oder dem üblichen Wege zum Bestimmungsort befördert würden. Die Bestimmung ist gestrichen. Nunmehr macht (auch) § 95 klar, daß der Versicherer „die mit etwaigen Maßregeln bloßer Beschleunigung verbundenen Kosten" nicht trägt. Anm. 47 17. A b s . 2 N r . 2. A b w e i c h u n g v o m R e i s e w e g (deviation, changement de route, mutazione di rotta). Schon die ältesten italienischen Policen enthielten die Klausel: recto viagio ( B e n s a 192, 194 usw.). Der Fall liegt auf der Grenze der Gebiete, die durch die Umgestaltung und die bloße Änderung der versicherten Unternehmung gekennzeichnet werden. Aber im allgemeinen wird man doch bei einer Abweichung vom Reiseweg von einer bloßen Änderung, nicht von einer Umgestaltung der versicherten Unternehmung sprechen können. Die ADS behandeln den Fall deshalb auch (in Ubereinstimmung mit § 814 HGB) als einen Fall der Gefahränderung. Nicht als ob Abweichungen vom Reiseweg nicht auch Umgestaltungen der versicherten Unternehmung sein könnten und dann auch als solche zu behandeln wären (vgl. auch O L G Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse Nr. 430). Ist ζ. B. die Reise durch den Suezkanal versichert, so ist die Reise um das K a p der guten Hoffnung eine derart andere, ist eine so wesentliche Bestimmung des Vertrags nicht erfüllt, daß von einer bloßen Abweichung vom Reiseweg nicht mehr die Rede sein kann; die versicherte Unternehmung ist umgestaltet, der Versicherungsnehmer kann sich ζ. B. nicht darauf berufen, daß die Änderung im Interesse des Versicherers gelegen habe. Oder wenn das Schiff „für Fischfang in der Nordsee zwischen 50. und 60. nördlichen Breitegrad und bis 8. Breitegrad westlicher Länge" versichert ist, ist die Ausdehnung des Fischfangs nach Island nicht mehr eine bloße Abweichung vom Reiseweg (HGZ 1895. 167; vgl. aber auch unten Anm. 72 unter i). Anders, wenn in Antwerpen verladene Stückgüter mit dem Schiff zunächst nach Schweden und erst dann nach dem überseeischen Bestimmungsort schwimmen (OLG Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = J R P V 1934· 2 9 = Sasse Nr. 430). Anm. 48 a) Eine Abweichung vom Reiseweg ist im übrigen jede Abweichung, die den A u s g a n g s p u n k t u n d den E n d p u n k t der versicherten Reise u n v e r ä n d e r t läßt. The great distinction between a deviation and a change or abandonment of voyage is, that in the former the original voyage, as described in the policy, is not given up or lost sight of, while in the latter it is ( A r n o u l d 408 s. 436). Der große Unterschied zwischen Abweichungen vom Reiseweg und Reiseveränderungen ist (wie nach englischem Rechte, so auch) nach dem Rechte des HGB von erheblicher Bedeutung, insbesondere deshalb, weil die Reiseveränderung bereits wirksam wird, wenn der Entschluß, die Reise nach einem anderen Bestimmungshafen zu richten, ausgeführt wird (HGB § 813 Abs. 3), während die Abweichung vom Reiseweg erst wirksam wird, wenn die Abweichung tatsächlich erfolgt (HGB § 814 Abs. 1). Dagegen ist der Unterschied vom Standpunkt der ADS von geringer Bedeutung, weil die Reiseveränderung und die Abweichung vom Reiseweg in demselben Zeitpunkt wirksam werden. — Von einer Abweichung vom Reiseweg kann keine Rede sein, wenn der E n d p u n k t der versicherten
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Reise ü b e r s c h r i t t e n wird, wenn ζ. B. das Schiff einen von mehreren, zur Auswahl gestellten Bestimmungsorten erreicht hat und nunmehr, sei es auch in der bisherigen Richtung, einen anderen Hafen aufsucht, der, wenn das Schiff nicht bereits einen Bestimmungsort erreicht hätte, ein dem Vertrag entsprechender Bestimmungsort sein würde (RG 13. 90, R G H G Z 1908. 261). b) Der R e i s e w e g kann im Versicherungsvertrag a n g e g e b e n sein (ζ. B. I T V M i t t 1918. 43: Reise von Kopenhagen nach Finnland „bis zur Uberfahrt von Grasö innerhalb der dänischen und schwedischen Hoheitsgewässer"). Weicht das Schiff vom so angegebenen Wege ab, so ist der Versicherer frei ( H G Kopenhagen a. a. O . ; vgl. aber auch unten Anm. 53). — Ist der Reiseweg im Vertrag nicht angegeben, so darf das Schiff nicht vom ü b l i c h e n Reiseweg (the usual and customary course: M I A § 46 Abs. 2) abweichen. But for this purpose the usage must be precise, clear, and established ( A r n o u l d 419 s. 445). In K G J R P V 1927. 63 = Sasse Nr. 367 ist es nicht als Abweichung angesehen worden, wenn ein Schiff, das für Fahrten nach allen Häfen der Nord- und Ostsee, mit alleiniger Ausnahme von Leningrad, versichert war, Fahrten über den Wener See vornahm, weil dieser See mit der Ostsee unmittelbar verbunden sei. Grundsätzlich m u ß das Schiff den g r a d e s t m ö g l i c h e n Weg nehmen: proceed from one terminus of the voyage insured to the other, in a direct course, with all due expedition, and without touching at any interjacent port, or pursuing any intermediate adventure ( A r n o u l d 418 s. 444). D a ß andere Schiffe gelegentlich von diesem graden Wege abweichen (ζ. B. auf der Reise von Liverpool nach Westindien die Isle of M a n anlaufen) begründet noch keine Ublichkeit (Salisbury v. Townson bei A r n o u l d 419 s. 445). Dem üblichen Reiseweg steht in Kriegs- und Nachkriegszeiten der Zwangskurs gleich ( O L G H a m b u r g V R S 1. 158 = Sasse Nr. 464, O G H Z 3. 16 = N J W 1950. 67 = VersR 1950. 37 = V R S 2. 264 = Sasse Nr. 61). c) Die Abweichung vom Reiseweg ist erfolgt und wird demnach w i r k s a m , wenn das Schiff t a t s ä c h l i c h vom Reiseweg a b w e i c h t , also dann u n d dort, wann und wo die beiden Reisewege, der Sollweg (the prescribed course of the voyage insured, iter viagii: ( A r n o u l d 400 s. 428) und der Istweg (the actual voyage of the ship, iter navis) sich trennen (sog. dividing point). D a ß der Entschluß abzuweichen, schon vorher, vor der Abweichung oder vor dem Beginn der Versicherung gefaßt ist, ist ohne Bedeutung. T h e intention to deviate is immaterial; there must be a deviation in fact ( M I A § 46 Abs. 3; vgl. auch oben Anm. 8). d) Nicht nur bei sog. Zielreisen (Reisen mit einem bestimmten örtlichen Ziel) sondern auch bei sog. Z w e c k r e i s e n (d. h. Reisen zu einem anderen Zweck als dem der Erreichung eines bestimmten örtlichen Ziels, ζ. B. zum Aufenthalt in bestimmten Gewässern f ü r wissenschaftliche Untersuchungen oder für den Fischfang) können „Abweichungen vom Reiseweg" vorkommen. Dann nämlich, wenn das Schiff die im Vertrag angegebenen oder die üblichen Grenzen seines Zweckaufenthalts überschreitet ( R O H G 4. 86). Sind solche Grenzen bestimmt (ζ. B. „von Tromsoe auf den Fang nach dem Eismeer, Novaja Semlja usw. und retour nach Tromsoe"), so darf „das Schiff die bezeichneten Meere in allen den Teilen berühren, deren Befahren ordentlicherweise als unmittelbar oder mittelbar für den bezeichneten Zweck dienlich anzusehen ist" ( R O H G 4. 86, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1870. 341, 1871. 119, 334, 384). — Ist ein zum Fischfang in der Nordsee oder im Eismeer bestimmtes Schiff versichert, so darf das Schiff zweckgemäß Nordsee- oder Eismeerhäfen anlaufen ( H G Z 1895. 168, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1870. 341, 1871. 119, 334, 384). — Ist ein Schiff zur Untersuchung des Meeresgrundes und der Strömungen des Golfstroms bestimmt und für die Reise „von Kiel nördlich England/Schottland dampfend, dann via Neufundland nach Bermuda, von dort nach K a p Verdischen Inseln und weiter nach Para und direkt zurück nach Kiel"
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§ 23 versichert, so darf das Schiff zur Untersuchung des Meeresgrundes und der Strömungen des Golfstroms vom direkten Wege abweichen, aber keinen Abstecher nach dem Amazonenstrom machen und diesen nicht zwei Tagesreisen stromaufwärts befahren (LG Hamburg HGZ 1892. 227). Anm. 52 e) Auch bei Z e i t v e r s i c h e r u n g e n können „Abweichungen vom Reiseweg" vorkommen. Denn dabei pflegt vereinbart zu werden, daß die Versicherung nur bestimmte Reisen umfassen soll (ζ. B. nur Reisen zwischen europäischen Häfen und Häfen der Ostküste Nordamerikas). Uberschreitet das Schiff die so vereinbarten Grenzen, so ist es „vom Reiseweg abgewichen" (ROHG 4. 86, OAG Lübeck HambS 2. 479; abw. OLG Stettin APV 1904. 155: oben Anm. 13; vgl. auch unten Anm. 69). Anm. 53 f ) Nach § 814 HGB macht j e d e A b w e i c h u n g vom Reiseweg den Versicherer frei. Ebenso nach englischem Recht; insbesondere müssen die Bestimmungen des Versicherungsvertrags be followed with the most scrupulous and literal exactness, and the slightest failure to comply with them will account to a fatal deviation ( A r n o u l d 421 s. 447; vgl. auch P h i l l i p s Nr. 989, der meint, a delay of an hour, or a deviation of a mile dürfe nicht schaden). Denn „bei jeder Abweichung ist es so schwer, dasjenige Risiko, welches sie etwa herbeiführt, wenn von diesem der Assekuradeur frei sein sollte, von denjenigen Gefahren, die er wirklich übernommen hat, zu sondern, und die eine wirkt in der Regel so sehr auf die andere zurück, daß es zu den Unmöglichkeiten gehört und eine Ungerechtigkeit gegen den Versicherer mit sich führen würde, wenn in jedem einzelnen Falle eine Untersuchung darüber angestellt werden sollte, ob denn nun auch wirklich ein Einfluß auf das Risiko des Assekuradeurs stattgefunden habe oder nicht" ( P o h l s 4. 402; ebenso HG u. OG Hamburg AfHR 2. 558). Gleichwohl anders schon § 60 Abs. 2 ASVB: Nur „ w e s e n t l i c h e " Abweichungen sollten in Betracht kommen. Folgend nunmehr § 23 Abs. 2 Nr. 2: ,,Jedoch kommt eine nur unerhebliche Abweichung nicht in Betracht". — Die Abweichung muß also erheblich sein; gefahrerheblich; für die Tragung der vom Versicherer übernommenen Gefahr erheblich; geeignet, auf den Entschluß des Versicherers Einfluß zu üben, wenn dieser jetzt, angesichts der bevorstehenden Abweichung, den Vertrag zu schließen hätte und wüßte, daß das Schiff so, wie tatsächlich geschehen, abweichen würde; o b j e k t i v g e f a h r e r h e b l i c h vom Standpunkt der Gegenwart aus (vgl. oben Anm. 39, P o h l s 4. 402). Das ist ζ. B. nicht der Fall, wenn der Versicherungsnehmer statt des üblichen gefährlichen Weges einen anderen gefahrloseren wählt (vgl. Prot. 3189) oder bei einer Verlängerung der Reisezeit um vier Stunden infolge der Abweichung (HansOLG HansRGZ 1930 Β 131 = Sasse Nr. 401). Siehe weiter OLG Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse Nr. 430. — Daß die Abweichung „nur unerheblich" ist, muß der Versicherungsnehmer b e w e i s e n . Das ergibt sich aus dem Verhältnis des Vordersatzes zum Nachsatz ohne weiteres. Übrigens ist die Frage der Bewcislast hier ohne große Bedeutung. Der Versicherungsnehmer hat zwar darzutun, daß die Abweichung vom Reiseweg nach der Auffassung des Versicherungsverkehrs nur unerheblich, nicht geeignet war, auf den Entschluß des Versicherers, die Gefahr weiter zu tragen, Einfluß zu üben. Er hat die Tatsachen anzugeben und zu beweisen, die den Vergleich des Soll-Zustandes mit dem Ist-Zustand ermöglichen. Diese Tatsachen zu würdigen, sie miteinander zu vergleichen und sich über die Erheblichkeit des Unterschiedes ein Urteil zu bilden, ist Sache des Richters. Anm. 54 g) Sind S e e - u n d B i n n e n r e i s e n zusammen versichert, so gilt § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 auch für die Binnenreise (§ 125). Die AlteGP (Mat. 2. 100, vgl. auch Anhang IV) unterschied, ob die „Güter auf durchgehende Konnossemente verladen", oder ob sie „für kombinierte Reisen ohne durchgehendes Konnossement verladen" waren. Im ersten Falle sollten die Güter „in allen für den Transport einzuschlagenden
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Richtungen, gleichviel auf welchen Wegen, zu Wasser oder zu Lande, sie transportiert § 23 werden mögen, bis zur Ablieferung am Destinationsplatze für Gefahr der Versicherer" reisen. Im zweiten Falle sollten die Versicherer „auch die Gefahr der Zwischentransporte und des Verweilens in den Zwischenplätzen tragen; die Gefahr des letzteren jedoch nur für den Zeitraum, während dessen ein Verweilen der Güter nicht durch willkürliche Verfügungen der Versicherten oder deren Vertreter ungebührlich verlängert" wurde. Die Unterscheidung war unbegründet. Der Versicherungsnehmer darf in keinem Falle Gefahränderungen vornehmen oder gestatten, insbesondere in keinem Falle Verzögerungen der Reise oder Abweichungen vom Reiseweg gestatten. Dagegen kann er in jedem Falle Beförderungsverträge verkehrsüblichen Inhalts schließen (oben Anm. 17). Damit sind die Interessen beider Parteien im allgemeinen gleichmäßig berücksichtigt. Freilich ist die Gefahr, wenn die Güter auf durchgehendes Konnossement verladen werden, möglicherweise größer, als im anderen Falle; denn der Versicherungsnehmer hat geringere Veranlassung sich selbst um die unveränderte Beförderung zu bekümmern, und der Kreis der Personen, deren Verhalten er nach § 278 BGB zu vertreten hat, ist kleiner als im anderen Falle. Aber im allgemeinen wird dies im Verkehr nicht als besonders gefahrerheblich angesehen, braucht also auch der Umstand, daß auf durchgehendes Konnossement verladen werden soll, beim Vertragsschluß nicht angezeigt zu werden, bildet auch die Verladung der Güter auf Durchkonnossement keine Änderung der versicherten Unternehmung, keine Gefahränderung. — Näheres: § 125 Anm. 18. Abs. 2 N r . 3. Vertragswidriger Besuch von Zwischenhäfen. Anm. 55 a) Wenn das Schiff" andere als die im Versicherungsvertrag angegebenen Zwischenhäfen anläuft, weicht es vom Reiseweg ab. „Selbstverständlich" (Voigt 3 1 3 u. Erl. ζ. Ε 1863. 29, P o h l s 4. 401, Elliot ν. Wilson 1776 A r n o u l d 421 s. 447). Aber § 23 behandelt (ebenso wie § 814 Abs. 1 HGB), diesen Fall als einen besonderen Fall der Gefahränderung. Der Fall soll also insbesondere auch dann als ein Fall der Gefahränderung behandelt werden, wenn der Besuch eines vertragsfremden Hafens k e i n e „ e r h e b l i c h e " A b w e i c h u n g vom Reiseweg darstellt. Where liberty is given in the policy to touch at any one specified intermediate port, it will be a deviation to put into any other than that named in the policy, though calling at such port may be sanctioned by usage apart from the policy, and though neither the risk nor premium would have been increased had such port been substituted for that named in the clause ( A r n o u l d 421 s. 447). Ist Versicherung genommen from Carron to Hull with liberty to call at Leith, so ist der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer das Schiff Morrison's Haven anlaufen läßt, obgleich es üblich ist, diesen Hafen auf dem Wege von Carron nach Hill anzulaufen und der Besuch von Morrison's Haven die Gefahr nicht vergrößert (Elliot ν. Wilson bei A r n o u l d 421 s. 447). Die Deviationsklausel des Konnossements „ship also to have liberty to call at ports in or out of the ordinary route for any purpose and at any time deckt bei einem Stückgutschiff das Anlaufen mehrerer Lösch- oder Ladehäfen, insbesondere auch mitteleuropäischer Häfen, vornehmlich bei einem schwedischen Schiff auch das Anlaufen eines derartigen schwedischen Hafens im Winter (OLG Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = Sasse Nr. 430). — Nach Lloyd's Police it shall be lawful for the said ship, etc., in this voyage, to proceed and sail to and touch and stay at any ports or places whatsoever . . . (Bezeichnung der erlaubten Plätze; bleibt meist unausgefüllt) without prejudice to this insurance. Aber dies does not authorize the ship to depart from the course of her voyage from the port of departure to the port of destination (RCP 6). Das Schiff darf nur solche Häfen besuchen, die auf dem angegebenen oder üblichen Reiseweg liegen, und auch diese Häfen nur, wenn es im Zwecke der versicherten Unternehmung liegt (näheres: A r n o u l d 427 s. 454ff.).
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§ 23 b) Wenn das Schiff die angegebenen Häfen (Zwischenhäfen oder BestimmungsAnm. 56 häfen) in anderer als der angegebenen Reihenfolge anläuft, so weicht es wiederum vom Reiseweg ab (MIA § 47: There is a deviation; vgl. HGB § 833, ASVB §§ 60 Abs. 2, 82). Aber auch diesen Fall behandelt § 23 (ebenso wie § 60 Abs. 2 ASVB) als einen besonderen Fall der Gefahränderung. Der Versicherer ist also gemäß § 24 auch dann frei, wenn die Abweichung von der Reihenfolge k e i n e „ e r h e b l i c h e " A b w e i c h u n g vom Reiseweg darstellt. Wenn ζ. B. das Schiff versichert ist from Liverpool to Palermo, Messina and Naples, braucht der Versicherungsnehmer zwar nicht alle drei Bestimmungshäfen zu besuchen (unten Anm. 65); aber er muß, wenn er sie besucht, sie in der angegebenen Reihenfolge besuchen (Marsden v. Reid 1803 bei A r n o u l d 423 s. 449). Oder wenn das Schiff versichert ist at and from Fisherow to Gothenburg, and back to Leith and Cockenzie, darf es auf der Rückreise nicht zuerst Cockenzie anlaufen und erst dann nach Leith fahren, obgleich der Weg von Gothenburg nach Cockenzie kürzer ist, als der Weg von Gothenburg nach Leith (Beatson v. Haworth bei A r n o u l d 422 s. 449; abw. P h i l i p p s Nr. 1012). — Das Schiff kann aber auch die angegebenen Häfen in der üblichen Reihenfolge anlaufen. Es hat die Wahl. Die versicherte Unternehmung umfaßt den Besuch der angegebenen Häfen in der angegebenen Reihenfolge sowohl wie in der üblichen. Nach § 47 Abs. 1 MIA in the absence of any usage . . . the ship must proceed to them . . . in the order designated by the policy. Hiernach ist zweifelhaft, ob das Schiff die Wahl hat, oder ob es die übliche Reihenfolge einhalten muß, whether it is obligatory or only permissive to observe the order established by usage ( A r n o u l d 423 s. 449). — Nach § 833 Abs. HGB soll die in der Police angegebene Reihenfolge nur maßgebend sein, „soweit nicht ein anderes sich ergibt", nach § 82 Abs. 2 ASVB, Art. 837 Abs. 2 ADHGB: „insoweit nicht ein anderes erhellt". Das versteht sich von selbst. Wenn nach dem „wirklichen Willen" der Parteien (BGB § 133) oder nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (BGB § 157, HGB §346, ADS § 13) sich ergibt, daß die angegebenen Häfen in einer anderen bestimmten Reihenfolge angelaufen werden sollen, so ist dies natürlich maßgebend. Aber wenn nur nach der Verkehrssitte die Häfen in einer bestimmten Reihenfolge angelaufen zu werden pflegen, hat eben das Schiff nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 zwischen dieser üblichen und der angegebenen Reihenfolge die Wahl. Anm. 57 c) Wenn im Versicherungsvertrag nicht bestimmte Häfen, sondern die H ä f e n e i n e s b e s t i m m t e n B e z i r k s als Bestimmungshäfen angegeben sind (MIA § 47 Abs. 2: ports of discharge within a given area, which are not named), so dürfen zwar alle Häfen angelaufen werden (unter Anm. 65); aber sie dürfen, mögen alle oder nur einzelne angelaufen werden, nur in der üblichen Reihenfolge angelaufen werden (HGB § 833: „nach der den Schiffahrtsverhältnissen entsprechenden Reihenfolge"). Wenn eine besondere Ublichkeit nicht besteht, wird als allgemeine Üblichkeit anzusehen sein, daß die Häfen nur in der geographischen Reihenfolge angelaufen werden dürfen (MIA § 47 Abs. 2). Anm. 58 d) § 23 Abs. 2 Nr. 3 ist nicht nur bei Zielreisen, sondern auch bei Z w e c k r e i s e n anwendbar (oben Anm. 51) und nicht nur bei Reiseversicherungen, sondern auch bei Z e i t v e r s i c h e r u n g e n (oben Anm. 52). Anm. 59 e) Wie, wenn im Versicherungsvertrag Z w i s c h e n h ä f e n n i c h t a n g e g e b e n sind? Dann entscheiden natürlich nur die Grundsätze, die für den Fall der Abweichung vom Reiseweg überhaupt maßgebend sind (vgl. Prot. 3190). Soweit üblicherweise Zwischenhäfen angelaufen werden, dürfen sie angelaufen werden. Die versicherte Unternehmung umfaßt den üblichen Besuch von Zwischenhäfen (vgl. oben Anm. 11). Doch muß das Anlaufen von Zwischenhäfen, wenn darüber in der Police nichts bestimmt ist, nautisch und wirtschafdich verständig sein (HansOLG HansRGZ 1930 Β 131 = Sasse
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Nr. 401). Nur soweit die „Angehung (eines Zwischenhafens) als in der versicherten Reise begriffen nicht erachtet werden kann", weicht das Schiff vom Reiseweg ab, ist also der Versicherer gemäß § 24 frei (so ausdrücklich HGB § 814 Abs. 1). Und auch dann nicht, wenn der unübliche Besuch des Zwischenhafens „eine nur unerhebliche Abweichung" vom Reiseweg darstellt (§ 23 Abs. 2 Nr. 2). f ) In einem Falle soll der Besuch anderer als der im Versicherungsvertrag angegebenen Zwischenhäfen nicht „in Betracht kommen", d. h. nicht als Gefahränderung in Betracht kommen (vgl. oben Anm. 53). Dies ist der Fall des B e s u c h s von Orderhäfen. Es war insbesondere vor dem Aufkommen der Funkentelegraphie vielfach üblich, daß Schiffe ihre endgültige Bestimmung erst in einem Hafen erhielten, der vom Weg zum Bestimmungsland aus leicht zu erreichen war. Namentlich erhielten oft Schiffe, die, aus dem Atlantischen Ozean kommend, den Kanal durchführen, in britischen Häfen, die Straße von Gibraltar durchfahrende Schiffe in Gibraltar, den Sund durchfahrende Schiffe in Helsingör oder in Kopenhagen die endgültige Aufgabe ihres Bestimmungsorts (vgl. ASVB § 60 Abs. 5, BSVB § 32 Satz 3). Sind im Vertrag Zwischenhäfen nicht angegeben, so versteht sich von selbst, daß das Schiff in solchen Fällen den Zwischenhafen „für Orders" anlaufen darf; denn der Weg über den Orderhafen ist dann der übliche Reiseweg, der Besuch des Orderhafens in der versicherten Unternehmung mit enthalten (oben Anm. 11). Anders, wenn im Vertrag Zwischenhäfen angegeben sind (oben Anm. 55); deshalb gestattet § 23 Abs. 2 Nr. 3 auch in diesem Falle den Besuch von Orderhäfen. Aber eben nur, wenn das Schiff den Zwischenhafen tatsächlich zur Einholung von Orders anläuft und solcher Besuch üblich ist. Daß das Schiff den Orderhafen auch noch zu anderen Zwecken anläuft, ist dann ohne Bedeutung. g) Ε 19ίο bestimmte noch für einen zweiten Fall, daß der Besuch anderer als der im Vertrag angegebenen Zwischenhäfen nicht in Betracht kommen solle. — Nach § 37 Abs. 1 ASVB mußte beim Vertragsschluß angezeigt werden, „wenn das Schiff Freiheit hat, auf seiner Reise nach dem angegebenen Bestimmungsort andere Häfen oder Reeden an- oder einzulaufen". Frachtdampfer laufen aber oft Zwischenhäfen an, um Stückgüter zu laden oder zu löschen. „Jeder Güter- oder Kontanten-Versicherer muß dies auch ohne ihm davon zu machende Anzeige als eintretend ansehen und bei der Schätzung des Risikos veranschlagen" ( V o i g t 240). Deshalb bestimmte § 37 Abs. 3 ASVB (im wesentlichen, wie schon § 50 AllgPlan 1847), daß der Versicherungsnehmer „bei Versicherungen, welche in Friedenszeiten auf in Dampfschiffe verladene Güter oder Kontanten genommen werden, von der Anzeige des angegebenen Umstandes gänzlich dispensiert sei". I m Anschluß hieran bestimmte Ε igro § 25 Abs. 3 Satz 2, daß der Besuch anderer als der angegebenen Häfen als Gefahränderung nicht angesehen werden solle, wenn die Versicherung sich auf Stückgüter beziehe und der Besuch der anderen Zwischenhäfen die Gefahr nicht erheblich erhöhe. § 37 Abs. 3 ASVB war „gänzlich veraltet" (ME 97). § 25 Abs. 3 Ε i g i o wäre es von vornherein gewesen. Werden bei der Versicherung von Stückgütern Zwischenhäfen angegeben, so kann es nur die Bedeutung haben, daß nur die angegebenen Zwischenhäfen angelaufen werden dürfen. Tatsächlich werden bei der Versicherung von Stückgütern keine Zwischenhäfen angegeben. Tatsächlich darf der Verfrachter nach den verkehrsüblichen FrachtvertragsKlauseln „Häfen innerhalb und außerhalb des gewöhnlichen oder angezeigten Reiseweges in irgendeiner Reihenfolge oder zu irgendeinem Zweck anlaufen" (vgl. auch O L G Karlsruhe HansRGZ 1934 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse Nr. 430). Und diese Klauseln muß auch der Versicherer gegen sich gelten lassen (oben Anm 17, § 87 Anm.). Deshalb ist § 25 Abs. 3 Satz 2 Ε i g i o gestrichen. 19. A b s . 3. Veränderung der R e i s e (change of voyage, changement de voyage, mutazione di viaggio). Die Reise w i r d n a c h e i n e m anderen als dem im Versiehe-
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§ 23 rungsvertrag angegebenen B e s t i m m u n g s o r t gerichtet. Die Gefahr, die Art der versicherten Unternehmung ist nicht geändert. Die Unternehmung ist umgestaltet, ist eine andere als die versicherte Unternehmung geworden. Eine wesentliche Bestimmung des Vertrags, die Bezeichnung der versicherten Reise, trifft nicht mehr zu. Deshalb wird im allgemeinen zwischen der Veränderung der Reise und der Abweichung vom Reiseweg unterschieden (wenngleich auch die bloße Abweichung vom Reiseweg unter Umständen die versicherte Unternehmung umgestaltet: oben Anm. 47). Deshalb behandelt auch das HGB die Veränderung der Reise nicht ab „Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr" (§814), sondern im §813 besonders. Deshalb ist auch diese Art der Behandlung durchaus nicht so „willkürlich", wie R G 3. 145 (zustimmend G e r h a r d 5:2) meint. Deshalb lassen auch die §§ 23, 24 (zwar die Unterschiede in den Rechtsfolgen der Reiseverändernng und der Abweichung vom Reiseweg fallen, aber) deutlich den inneren Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen erkennen. § 23 führt die Veränderung der Reise nicht etwa im Abs. 2 als einen Beispielfall der Gefahränderung an. Sondern: „Als eine Gefahränderung ist es auch a n z u s e h e n , " wenn die Reise verändert wird. Anm. 63 a) § 813 HGB unterscheidet, ob die R e i s e vor oder nach dem Beginn der V e r s i c h e r u n g v e r ä n d e r t wird. Im ersten Falle sind Kasko- und Frachtversicherer frei (und erhalten gemäß § 894 HGB nur die Ristornogebühr); andere Versicherer sind nur frei, wenn der Versicherungsnehmer die Veränderung der Reise zu vertreten hat. Im zweiten Falle ist der Versicherer allgemein nur für die Zukunft frei, und zwar auch nur, wenn der Versicherungsnehmer die Veränderung zu vertreten hat. Ahnlich unterscheidet auch das englische Recht: Where the destination is specified in the policy, and the ship, instead of sailing for that destination, sails for any other destination, the risk does not attach (MIA § 44: der Versicherer erhält keine Prämie: MIA § 84). Nur where, after the commencement of the risk, the destination of the ship is voluntarily changed from the destination, contemplated by the policy, there is said to be a change of voyage (MIA § 45 Abs. 1 ; vgl. hierzu A r n o u l d 410 s. 437). Ähnlich das französische Recht (vgl. unten Anm. 75). Die ADS unterscheiden nicht. Wenn das versicherte Schiff noch vor dem Beginn der Versicherung nach einem vertragsfremden Bestimmungsort abfährt, ist die Reise verändert, die Gefahr als geändert anzusehen, der Versicherer gemäß § 24 frei, die ganze Prämie zu zahlen, § 4 Abs. 1 unanwendbar (vgl. auch § 4 Anm. 5 und oben Anm. 15). Der Fall wird eben besonders, lediglich als GefahränderungsFall, behandelt. Hieraus folgt noch ein zweites: Anm. 64 b) Nach § 813 Abs. 3 HGB gilt die Reise schon dann als v e r ä n d e r t , wenn der E n t s c h l u ß , sie nach einem anderen Bestimmungshafen zu richten, zur Ausf ü h r u n g g e b r a c h t wird, sollten sich auch die Wege nach beiden Bestimmungshäfen noch nicht geschieden haben" (so auch schon früher, vgl. ζ. B. HG u. OH Hamburg Ullrich Nr. 222). Ähnlich MIA § 45 Abs. 2: . . . where there is a change of voyage, the insurer is discharged from liability as from the time of change, that is to say, as from the time when the determination to change it is manifested; and it is immaterial that the ship may not in fact have left the course of voyage contemplated by the policy when the loss occurs. Ähnlich das französische Recht (KassH ZHR 22. 254, 24. 585). Anders die ADS. Es gilt dasselbe, was für wirkliche Gefahränderungen, was insbesondere für bloße Abweichungen vom Reisewg gilt: Der Versicherer wird gemäß § 24 erst frei, wenn die R e i s e tatsächlich nach einem anderen als dem versicherten Bes t i m m u n g s h a f e n gerichtet wird. Wird etwa das versicherte Schiff über eine Reise von Santos nach Hamburg versichert und, sei es vor dem Beginn der Versicherung, sei es zwischen dem Beginn der Versicherung und dem Antritt der Reise, sei es nach dem Antritt der Reise, nach Triest bestimmt, so ist der Versicherungsnehmer bis zum
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Scheidepunkt der Wege Santos-Hamburg und Santos -Triest gedeckt (vgl. auch oben § 23 Anm. 48, 50 und unten Anm. 67). c) die Reise ist verändert, wenn sie nach einem anderen als dem angegebenen Anm. 65 Bestimmungsort gerichtet wird. aa) Der Bestimmungsort muß also angegeben, im Vertrag angegeben sein. Ob im ursprünglichen oder in einem Nachtragsvertrag, ist natürlich ohne Bedeutung. Wenn ζ. B. das versicherte Schiff unterwegs beschädigt wird, Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbaren, daß es nach einer Notreparatur zurückkehren soll, und das Schiff nicht zurückkehrt, sondern die Reise fortsetzt, ist die versicherte Reise verändert (LG Hamburg HGZ 1889. 311). bb) Welcher Bestimmungsort gemeint und ob mithin der neue Bestimmungsort ein anderer ist als der alte, muß die A u s l e g u n g des Vertrags ergeben. Bei der Bezeichnung des Bestimmungsorts kommt es nicht so sehr auf die allgemeingeographische, als vielmehr auf die handelsgeographische Bedeutung der Bezeichnung an (näheres: unten Anm. 71). cc) Beider Versicherung nach dem einen oder dem anderen von mehreren Häfen kann der Versicherungsnehmer nach § 832 HGB wählen. Das folgt ohne weiteres aus allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. BGB § 262, J W 1904. 200). Es ist deshalb in den ADS nicht mehr besonders ausgesprochen. — An § 832 HGB knüpft sich eine Streitfrage. Nach Prot. 3353 ist die Wahl nicht schon dann erfolgt, wenn der Versicherungsnehmer sich entschließt, nach dem einen oder dem anderen Hafen zu fahren, und diesen Entschluß zum Ausdruck bringt, sondern erst dann, wenn er am Scheideweg die Fahrt nach dem einen oder dem anderen Hafen richtet. Umgekehrt, aber ohne Begründung: Lewis 2.400, R e a t z End. Hdbch. 4. 408, S i e v e k i n g 122. Die Ansicht der Protokolle verdient den Vorzug. Die Wahl erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Versicherer (BGB § 263 Abs. 1) oder durch die tatsächliche Ausführung des (unausgesprochen) Gewählten (vgl. Ε ζ. BGB I § 208 Abs. 2). Zwar gilt nach § 813 Abs. 3 HGB die Reise schon als verändert, sobald der Entschluß, sie zu verändern, zur Ausführung gebracht wird, sollten sich auch die Wege nach den beiden Bestimmungshäfen, dem vertragsmäßigen und dem vertragsfremden Hafen, noch nicht geschieden haben. Aber dieser Gesichtspunkt ist für die Frage, wie das Wahlrecht auszuüben ist, belanglos. Für die ADS scheidet er überhaupt aus. Nach den ADS kann also nicht zweifelhaft sein, daß das Wahlrecht durch die bloße, irgendwie in die Erscheinung tretende Ausführung des Entschlusses, die Fahrt nach dem einen oder dem anderen Hafen zu richten, noch nicht ausgeübt ist. Mit dieser Auffassung steht eine Entscheidung des R G (HGZ 1908. 261) wohl in Einklang. Das Schiff war versichert für eine Reise „von Bristol . . . nach Callao und zurück . . . nach einem oder mehreren Häfen des United Kingdom oder des Kontinents zwischen Bordeaux und Hamburg, beide eingeschlossen". Auf der Rückreise wurde dem Schiffe Havre als Bestimmungshafen aufgegeben. Das Schiff löschte in Havre die ganze Ladung, nahm aber die obenauf geladenen Güter wieder ein, fuhr nach Hamburg weiter und wurde auf dieser Fahrt beschädigt. Das R G nahm an, daß das Wahlrecht (nicht schon ausgeübt sei, als das Schiff nach Havre bestimmt worden und diese Bestimmung ausgeführt sei, auch nicht ausgeübt sei, als das Schiff am Scheideweg seine Fahrt nach Havre gerichtet habe, sondern) erst ausgeübt sei, als die Ladung vollständig gelöscht worden sei, und daß „vor beendigter Löschung in zulässiger Weise eine anderer Bestimmungshafen habe substituiert" werden können. Würde das Schiff für die Rückreise nach dem einen oder dem anderen Hafen des Kontinents versichert gewesen sein, so würde das Wahlrecht ausgeübt gewesen sein, als das Schiff am
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Scheideweg die Richtung nach Havre einschlug. Das Schiff war aber für die Rückreise „nach einem oder m e h r e r e n H ä f e n " des Kontinents versichert. Es war nicht am Scheideweg, als es die Richtung nach Havre einschlug. Es konnte Havre als einzigen Bestimmungshafen, aber auch als ersten von mehreren Bestimmungshäfen anlaufen. Der Reeder hatte zwar Havre als einzigen Bestimmungshafen gewählt, aber er hatte diese Wahl noch nicht ausgeführt, noch nicht erklärt. Die Wahl blieb auch so lange unausgeführt, wie Havre erster Bestimmungshafen bleiben konnte. Als solcher kam aber Havre so lange in Betracht, wie die Ladung nicht vollständig gelöscht war. Als die Ladung vollständig gelöscht war, war das Gewählte ausgeführt. Denn die Versicherung endigt, wenn am Bestimmungsort die Ladung gelöscht ist (§ 6 6 ) ; wenn also an einem von mehreren Bestimmungsorten die Ladung vollständig gelöscht ist, muß auch die Wahl getroffen sein. Anders nur, wenn ein Teil der Ladung nur vorläufig, etwa deshalb gelöscht ist, weil sonst die übrige Ladung nicht hätte gelöscht werden können, also nach Löschung der übrigen Ladung wieder eingenommen und weitergefahren werden soll (so auch wohl R G H G Z 1908. 263, das freilich zu großes Gewicht darauf legt, ob dieser Teil der Ladung bereits an den Empfänger „endgültig zur Erfüllung des Frachtvertrags und der Verpflichtung aus dem Konnossement ausgeliefert" war; abw. H G Z 1907. 208). dd) Bei der Versicherung nach einem u n d einem anderen Hafen oder nach einem u n d mehreren anderen Häfen kann der Versicherungsnehmer gemäß § 832 H G B a l l e Häfen besuchen (ζ. B. Marsden v. Reid 1803 bei A r n o u l d 423 s. 449: from Liverpool to Palermo, Messina und Naples). E r kann auch den einen oder anderen a u s l a s s e n ; er ist „zum Besuch aller einzelnen Häfen nicht verpflichtet" ( H G B § 833 Abs. 1); the ship may proceed to all or any of them ( M I A § 47 Abs. 1). Er kann auch, wenn das Schiff in einem Hafen v o l l s t ä n d i g e n t l ö s c h t ist, nach einem anderen Hafen fahren (Prot. 3353, L e w i s 2. 400). Auch dies versteht sich von selbst. Die A D S haben sich deshalb auch hierüber nicht besonders ausgesprochen. ee) Ist im Versicherungsvertrag kein Bestimmungsort, sondern ein ganzer Küstenstrich oder ein sonstiger g e o g r a p h i s c h b e s t i m m t e r B e z i r k als R e i s e z i e l angegeben, so kann der Versicherungsnehmer im Zweifel e i n e n der Häfen des Bezirks als Bestimmungsort wählen ( B e n e c k e 2. 414, L e w i s 2. 401, V o i g t 509 ebenso ausdrücklich B S V B § 7 Abs. 1; abw. P o h l s 4. 396). Anders, wenn als Reiseziele die L ö s c h u n g s h ä f e n des Bezirks bezeichnet sind (ζ. B. from London to her ports of discharge within the Straits of Gibraltar as high as Messina: Clason v. Simmonds 1 7 4 1 , vgl. dazu A r n o u l d 422 s. 448). Dann können a l l e o d e r e i n z e l n e Häfen (in der üblichen Reihenfolge) besucht werden. Where the policy ist to „ports of discharge", within a given area, which are not named, the ship must, in the absence of any usage or sufficient cause to the contrary, proceed to them, or such of them as she goes to, in their geographical order ( M I A § 47 Abs. 2; vgl. auch oben Anm. 57). — Wenn das Schiff für die (Aus-) Reise von Hamburg „nach einem oder mehreren Plätzen der Westküste Afrikas" versichert ist mit der Klausel: „Diese Versicherung valediert bis zur Entlöschung des Schiffes am letzten Bestimmungsplatze der Ausreise an der Westküste Afrikas", so wird der Versicherer nicht frei, wenn das Schiff, bevor es am letzten Bestimmungsort ankommt, Ladung für die Heimreise einnimmt, der letzte Bestimmungsort auch nicht der entfernteste Bestimmungsort ist; „als letzter Bestimmungsort muß derjenige an der Westküste Afrikas belegene Platz angesehen werden, an welchem zuletzt etwas von der Hinladung gelöscht wird oder werden soll, ohne Rücksicht auf das Verhältnis der geographischen Lage dieser Platzes" ( H G Z 1885. 182). — Wenn das Schiff für die Reise
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von „ L o n d o n n a c h M a d r a s , der Küste Coromandel oder Ceylon, mit Erlaubnis alle § 2 3 H ä f e n a n beiden Seiten vom C a p der guten H o f f n u n g anzulaufen", versichert ist, in Ballast n a c h M a d r a s u n d V e z a g a p a t a m fährt, hier einen Teil des Ballastes löscht u n d G ü t e r teils f ü r die Heimreise n a c h London, teils f ü r die Weiterreise n a c h M o n sor-Cotta einnimmt, ist der Versicherer frei. Nicht deshalb, weil das Schiff G ü t e r f ü r die Heimreise eingenommen h a t (vgl. oben). Sondern deshalb, weil das Schiff H ä f e n besucht h a t , u m Güter zu laden u n d in anderen H ä f e n der versicherten Ausreise wieder zu löschen. D e n n „Escalen zu machen, steht . . . d e m Versicherten n u r d a n n zu, wenn er . . . es sich ausbedungen h a t " ( O A G Lübeck H a m b S 2. 702; vgl. a u c h u n t e n A n m . 72 unter e). — W e n n das Schiff f ü r die Reise „ n a c h P a n a m a u n d a n d e r e n H ä f e n des stillen Meeres" versichert ist, darf es n u r wirkliche H ä f e n , nicht bloße Ankerplätze aufsuchen ( O A G Lübeck H a m b S 2. 476). f f ) Die Ausführungen aa—ee gelten übrigens sinngemäß auch d a n n , w e n n nicht sowohl m e h r e r e Bestimmungsorte, als vielmehr m e h r e r e A b g a n g s o r t e im Versicherungsvertrag angegeben sind (Prot. 3288, S i e v e k i n g 123). Ist ζ. B. Versicherung f ü r die Reise von einem o d e r d e m a n d e r e n Abgangsort genommen, so k a n n der Versicherungsnehmer wählen, u n d das W a h l r e c h t ist nicht schon d a n n ausgeübt, wenn er von einem der Abgangsorte a b f ä h r t (denn er k a n n von diesem O r t e a u c h zu einer anderen als der versicherten Reise abfahren), sondern d a n n , wenn er v o m letzten der angegebenen Abgangsorte a b f ä h r t (BSVB § 7 Abs. 2 Satz 1). Ist dagegen Versicherung von d e m einen u n d d e m anderen Abgangsorte genommen, so k a n n der Versicherungsnehmer von allen a b f a h r e n , u n d die Versicherung beginnt a n d e m Orte, von d e m er zuerst a b f ä h r t (BSVB § 7 Abs. 2 Satz 2). d) Die Reise wird a u c h d a n n n a c h einem a n d e r e n Bestimmungsort „gerichtet", A n m . 66 also verändert, wenn sie u n t e r w e g s a u f g e g e b e n wird (vgl. auch A r n o u l d 4 1 6 s. 443). Doch ist zu unterscheiden: aa) W i r d bei einer K a s k o v e r s i c h e r u n g die versicherte Reise aufgegeben, so wird die Reise verändert. Gleichzeitig fällt die Möglichkeit der Entstehung von Schäden, die Gefahr, weg (vgl. § 5 A n m . 5, 15). Aber weder entstehen die Rechtsfolgen der Reiseveränderung noch die Rechtsfolgen des Wegfalls der Gefahr. § 66 Abs. 3 ( = H G B § 823 Abs. 1) regelt den Fall besonders: die V e r s i c h e r u n g e n d i g t an d e m Orte, wo die Reise a u f h ö r t , wie wenn dieser O r t der Bestimmungsort wäre. — V o n einer „ A u f g a b e " der Reise kann m a n eigentlich nicht sprechen, w e n n die Reise unterwegs a u f h ö r t , weil das Schiff d e n Bestimmungsort nicht erreichen k a n n (vgl. § 96 Abs. 1: weil die Reise „ a u s einem anderen G r u n d e " als d e m der A u f g a b e „ n i c h t vollendet w e r d e n " k a n n ) . Ebensowenig, wie m a n in solchem Falle von einer V e r ä n d e r u n g der Reise sprechen kann. „ O h n e Z u t u n des Versicherten wird die versicherte Sache der von d e m Versicherer ü b e r n o m m e n e n G e f a h r nicht (mehr) ausgesetzt" ( H G B § 894 Abs. 1). Aber das Gesetz ( H G B § 828 Abs. 1) spricht auch in diesem Falle von einer („gezwungenen") Aufgabe der Reise u n d behandelt diesen Fall ebenso, wie d e n der „freiwilligen" Aufgabe der Reise: die Versicherung endigt, wo die Reise a u f h ö r t . Ebenso will § 66 Abs. 3 A D S verstanden sein, dessen W o r t l a u t sich an § 138 Abs. 3 V V G anschließt. bb) Gibt bei einer G ü t e r v e r s i c h e r u n g d e r Versicherungsnehmer die Reise u n d d a m i t die versicherte U n t e r n e h m u n g auf, so ist die Reise verändert u n d gleichzeitig die Möglichkeit der Entstehung von Versicherungsschäden, die Gefahr, weggefallen (vgl. § 5 A n m . 5, 15). Aber weder die Rechtsfolgen der Reiseveränderung noch diejenigen des Wegfalls der Gefahr entstehen. Die V e r s i c h e r u n g e n d i g t g e m ä ß §§ 88 Abs. 3, 89. — W i r d die Reise u n d d a m i t die versicherte U n t e r n e h m u n g 27
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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„ g e z w u n g e n " aufgegeben, so ist wieder die Gefahr weggefallen. Aber wieder entstehen nicht die Rechtfolgen des Wegfalls der Gefahr. Die V e r s i c h e r u n g e n d i g t gemäß §§ 68 Abs. 3, 89. Aber auch die §§ 88 Abs. 3, 89 finden keine Anwendung, wenn die versicherte Reise i n f o l g e e i n e s dem Versicherer zur Lastfallenden U n f a l l s oder wegen der A u f g a b e d e r R e i s e d e s S c h i f f e s aufgegeben werden muß, der Versicherungsnehmer jedoch die Beförderung der Güter zum Bestimmungsort nicht aufgibt, die Güter vielmehr anderweit zum Bestimmungsort befördern läßt; dann soll nach § 95 an die Stelle der versicherten Reise die n e u e unversicherte Reise, an die Stelle der versicherten Gefahr die n e u e unversicherte Gefahr treten. cc) Bei a n d e r e n Versicherungen ergeben sich hiernach die Rechtsfolgen der Reiseaufgabe von selbst. dd) Von einer unterwegs erfolgenden Aufgabe der versicherten Reise kann man übrigens n u r sprechen, wenn sie in einem vertragsmäßigen Zwischenhafen, oder wenn sie zwar in einem vertragsfremden Zwischenhafen aufgegeben wird, der Versicherer aber gleichwohl nicht frei ist, weil er in den Besuch des Zwischenhafens eingewilligt hat, oder weil der Versicherungsnehmer die Änderung nicht vorgenommen oder gestattet hat, oder weil einer der Fälle des § 24 Abs. 2 vorliegt. I n anderen Fällen würde der Versicherer schon vorher gemäß § 24 Abs. 1 frei geworden sein. Über den Fall, daß schon vor dem Beginn der Versicherung bestimmt wird, d a ß die versicherte Unternehmung in einem Zwischenhafen aufgegeben werden soll, vgl. oben Anm. 63. e) Die Reise ist erst verändert, wenn sie t a t s ä c h l i c h n a c h e i n e m a n d e r e n als dem vertragsmäßigen B e s t i m m u n g s o r t g e r i c h t e t wird. Es genügt nicht, d a ß die Wahl des anderen Bestimmungsorts sonstwie zum Ausdruck kommt, und erst recht nicht, daß das Schiff lediglich nach einem anderen Orte bestimmt wird. Die Reise ist erst dann und dort verändert, wenn und wo die beiden Reisen, die versicherte u n d die andere, voneinander abzweigen (dividing point). Wenn das Schiff für eine Reise von H a m b u r g nach London versichert ist und nach Einnahme von Ballast die Bestimmung erhält, durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Kopenhagen zu fahren, ist die Reise von H a m b u r g bis zur Wendung in den Nord-Ostsee-Kanal durch die Versicherung gedeckt. Ebenso, wenn Güter, die für eine Reise von H a m b u r g nach London versichert sind, in das im Versicherungsvertrag angegebene Schiff verladen werden und der Reeder sich hierauf entschließt, nach Kopenhagen zu fahren, und demgemäß verfährt. Anders nach § 8 1 3 Abs. 3 H G B (oben Anm. 64). Anders auch nach § 4 5 Abs. 2 M I Α (oben Anm. 64). Der hierfür angeführte Grund (for it is elementary principle in this branch of insurance law that the underwriter cannot be liable for loss, which does not take place in the course of prosecuting the very voyage described in the policy: A r n o u l d 403 s. 431) ist jedenfalls de lege ferenda nicht überzeugend (gegen den Standpunkt des englischen Rechts schon N o l t e 1. 721). — Ist das Schiff für eine Reise von H a m b u r g nach Kopenhagen und Gefle, von dort nach Groningen und von hier nach Elbeplätzen versichert und von Groningen über Brunsbüttel (als Orderhafen) nach Kolding gefahren, so ist die Reise bis Brunsbüttel gedeckt (anders natürlich nach § 813 Abs. 2 H G B : Da das Schiff in Groningen f ü r Kolding ausklariert war, der „Entschluß", die Reise nach Kolding zu richten, also „zur Ausführung geb r a c h t " war, ist der Versicherer frei, — was H G Z 1922. 44 ohne G r u n d und ohne Begründung leugnet). f) § 23 Abs. 3 ist nicht nur bei Zielreisen, sondern auch bei Z w e c k r e i s e n anwendbar (vgl. oben Anm. 51). Unmittelbar, wenn die Heimreise nach einem anderen Orte als dem Abgangsort gerichtet ist, der in solchen Fällen im Zweifel zugleich der
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Bestimmungsort ist (LG Hamburg HGZ 1904. 34). Sinngemäß, wenn der Reise ein anderer Zweck gegeben wird. g) § 23 Abs. 3 ist nicht nur bei Reiseversicherungen, sondern auch bei ZeitV e r s i c h e r u n g e n anwendbar. Denn auch bei Zeitversicherungen pflegt vereinbart zu werden, daß die Versicherung nur Reisen zwischen bestimmten Orten umfassen soll (ζ. B. nur Reisen zwischen deutschen Häfen und Häfen der amerikanischen Ostküste) . Wenn einer Reise ein anderes als eines der im Versicherungsvertrag bestimmten Ziele gegeben, das für Reisen im Atlantischen Ozean und im Mittelmeer zeitversicherte Schiff ζ. B. nach einem Orte jenseits dieser Grenzen bestimmt wird, überschreitet das Schiff nicht nur die Grenzen des versicherten Gebiets, weicht es nicht nur vom „Reiseweg" ab (oben Anm. 52), sondern verändert es die Reise (KassH ZHR 24. 585). Der Versicherer ist gemäß § 24 für die Dauer der veränderten Reise frei. h) Sind See- und B i n n e n r e i s e n zusammen versichert, so gilt § 23 Abs. 3 auch für die Binnenreise (§ 125; vgl. auch oben Anm. 45, 54). Ist die Binnenreise die Vorreise, so hat die Anwendung nichts besonderes. Ist aber die Seereise die Vorreise, so wird eine Reiseveränderung regelmäßig auch dann anzunehmen sein, wenn nur der Seereise ein anderes Ziel gesetzt wird, wenn ζ. B. Güter versichert sind at and from the Mersey or London to any port in Portugal or Spain this side of Gibraltar, and thence by any inland conveyances to any place in the interior of Spain or Portugal, und die Güter nach der Ostküste Spaniens und von hier nach Madrid verladen werden (Simon Israel & Co. v. Sedgwick 1893 bei A r n o u l d 406 s. 433, 410 s. 437; das Gericht erachtete die Versicherung für unwirksam, obgleich die laufende Police die Klausel enthielt: Deviation or change of voyage is to be held covered at a premium to be arranged, und zwar, weil die Reise vor dem Beginn der Versicherung verändert war). Die Frage ist übrigens vom Standpunkt der ADS aus von geringerer Bedeutung. Denn, wenn nur der Seereise ein anderes Ziel gegeben wird und darin keine Reiseveränderung zu erblicken wäre, so würde doch jedenfalls eine Abweichung vom Reiseweg vorliegen, und die ADS behandeln ja die Rechtsfolgen der Reiseveränderung und der Abweichung vom Reiseweg grundsätzlich gleich. Anders nur dann, wenn die Änderung nicht „erheblich" sein würde; denn zwar unerhebliche Veränderungen der Reise, nicht aber unerhebliche Abweichungen vom Reiseweg machen den Versicherer frei. 20. Änderung des Abgangsorts. Als Veränderung der Reise kann man es auch bezeichnen, wenn das Schiff die Reise nach dem angegebenen Bestimmungsort von einem anderen als dem im Vertrag angegebenen Abgangsort antritt. Eine Klausel, welche „Reiseveränderungen" gestattet, gestattet deshalb nicht nur Änderungen des Bestimmungsorts, sondern auch Änderungen des Abgangsorts (HGZ 1887. 139; abw. HGZ 1885. 162). Aber die Änderung des Abgangsorts ist keine Veränderung der Reise im Sinne des §813 HGB (Prot. 3245, L e w i s 2.347, HGZ 1880.208). Zwar scheint §813 Abs. 1 HGB (Reiseveränderung „vor Beginn der Versicherung") auch die Änderung des Abgangsorts zu meinen (verb.: „Wird statt der versicherten Reise . . . eine andere Reise angetreten"). Aber § 813 Abs. 3 HGB läßt wohl (wenngleich nicht zwingend, doch ausreichend) erkennen, daß die Änderung des Abgangsorts nicht mit gemeint ist. a) Die Änderung des Abgangsorts ist ebensowenig wie die Änderung des Bestimmungsorts eine Gefahränderung (HansOLG HGZ 1927 Nr. 130 = H R Z 1927. 939 = Sasse Nr. 373). Und sie wird, anders als die Änderung des Bestimmungsorts, nicht als Gefahränderung behandelt. Die tatsächlich ins Werk gesetzte Unternehmung ist nicht die versicherte Unternehmung. Die versicherte Unternehmung ist (wenn sie nicht etwa noch ins Werk gesetzt werden kann) aufgegeben, die Entstehung des Schadens unmöglich, „die Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls ausgeschlossen", die 27»
§ 23 Anm. 69
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§ 23 G e f a h r w e g g e f a l l e n (§ 5 Anm. 5, 15, B r o d m a n n 186, R G 4. ao). Where the place of departure is specified by the policy, and the ship instead of sailing f r o m that place sails from any other place, the risk does not attach ( M I A § 43), the policy is void ab initio ( A r n o u l d 410 s. 437). O b der Versicherungsnehmer die Änderung des Abgangsorts vorgenommen oder gestattet hat, oder ob sie unabhängig von seinem Willen eingetreten ist, ist ohne Bedeutung. Der Versicherer ist frei, kann aber auch gemäß § 4 Abs. 1 regelmäßig nur die Ristornogebühr verlangen. Siehe auch O L G H a m b u r g Sasse Nr. 476. b) Bei der B e z e i c h n u n g d e s A b g a n g s o r t s kommt es nicht so sehr auf die allgemeingeographische als vielmehr auf die handelsgeographische Bedeutung der Bezeichnung an, darauf, was man im Seeverkehr unter dem im Versicherungsvertrag angegebenen Abgangsort versteht. So hätte m a n ζ. B. wenn H a m b u r g als Abgangsort angegeben ist, zulassen müssen, daß das Schiff oder die Güter von Altona abgehen und umgekehrt (vgl. auch ASVB § 73 in der Fassung der Alte G P Mat. 2. 100 und früher O G gegen H G H a m b u r g H H 70). —· U b e r den Fall, d a ß m e h r e r e Abgangsorte angegeben sind, vgl. oben Anm. 65. Anm. 72 21. Abweichende Vereinbarungen sind in Deutschland wie im Ausland häufig. Auch kann der Versicherer die Abweichung genehmigen. Doch ist in der Unterlassung eines Protestes allein eine Genehmigung nicht zu sehen ( H a n s O L G H R Z 1923. 61 = Sasse Nr. 301). Siehe als Beispiele für abweichende Vereinbarungen: a) Gefahränderungs-Klausel (Ziff. 7 der Zusatzbestimmungen zu den ADS für die Güterversicherung): „Der Versicherungsnehmer darf die Gefahr ändern, insbesondere erhöhen, und die Änderung durch einen Dritten gestatten. Dem Versicherer gebührt im Falle einer Änderung eine Zuschlagsprämie, wenn er nach den ADS mit Rücksicht auf die Änderung von der Verpflichtung zur Leistung frei sein würde". Siehe dazu BGH VersR 1954. 255: Durch eine derartige Klausel werden die Bestimmungen der Fahrtbegrenzungsklausel einer Schiffsversicherung nicht aufgehoben. b) I V C : Held covered in case of deviation or change of voyage provided notice be given and any additional premium required be agreed immediately after receipt of advices. — With leave to sail with or without pilots, and to tow and assist vessels or craft in all situations, and to be towed. c) I C C (sog. Deviation clause): Held covered at a premium to be arranged in case of deviation or change of voyage, or other variation of the risk by reason of the exercise of any liberty granted to the shipowner or charterer under the contract of affreightment, or of any ommission or error in the description of the interest vessel or voyage. d) R G 3. 142, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1879. 97> 251. Das Segelschiff war für die Reise von Liverpool nach Apia und von dort nach San Francisco oder zurück nach einem europäischen Hafen versichert. Erste Klausel: „Etwaige Abweichungen von obigen Reisen oder gänzliche Veränderungen derselben sollen nicht präjudizieren, diese Versicherung vielmehr vorkommenden Falles in Kraft bleiben gegen Prämienregulierung nach Billigkeit, sobald definitive Nachrichten eingehen". Die Klausel deckt auch eine längere Verzögerung der Reise. Ebenso H G Z 1885. 161, O G H a m b u r g H G Z 1879. 251, auch A r n o u l d 405 s. 433 (obgleich M I A ebenso wie § 23 ADS zwischen deviation und delay unterscheidet); abw. H G H a m b u r g H G Z 1879.98. Dagegen deckt die change-of-voyageKlausel nicht delay in the attachment of the risk (Mar. Ins. Co. v. Stearns 1901 bei A r n o u l d 410 s. 437). Vgl. auch oben Anm. 42 und unten unter k. Zweite Klausel: „Es steht dem Schiffe frei, Apia und einen oder mehrere Plätze und/oder Reeden der Südseeinseln, gleichviel in welcher Reihenfolge und eventuell
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nach bereits verlassenen Plätzen zurückkehrend, anzulaufen, mit der Freiheit, überall § 23 auf den Inseln zu löschen und zu tauschen und/oder andere Güter zuzuladen sowie eventuell in Ballast von einem nach dem anderen Platze zu versegeln". Diese sog. E s c a l e n k l a u s e l berechtigt nicht das Schiff längere Zeit (6—η Monate) in Apia unbeschäftigt stilliegen zu lassen. Die Escalenklausel („Mit Erlaubnis Escalen zu m a c h e n " oder mit ähnlichem Wortlaut) war früher besonders im Verkehr zwischen Frankreich und Amerika (de faire escale derouter et retrograder) und zwischen Frankreich und der Levante (de faire echelle) üblich. Näheres: B e n e c k e 2. 368, N o l t e 1. 807, P o h l s 4. 407, 438. e) R G 13. 87, H G Z 1884. 5. Versicherung des Segelschiffs f ü r die Reise „von Montevideo in Ballast und/oder mit Ladung . . . nach Valparaiso oder eventuell einem südlicheren H a f e n Chiles mit Erlaubnis, beliebige Plätze in und außer der Route und gleichviel zu welchem Zwecke anzulaufen: Abweichungen von obiger Reise und/oder andere Bestimmung des Schiffes und/oder sonstige Veränderung des Risikos sind stillschweigend und ohne Unterbrechung des Risikos hier mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit". Das Schiff fuhr in Ballast nach Coronel und San Antonio (südlich Valparaiso), von San Antonio mit Ladung nach Iquique und ging auf dieser Reise verloren. Die Klausel deckt nicht die Weiterreise über den vom Schiff gewählten Bestimmungsort San Antonio. f ) R G H G Z 1888. 172, H G Z 1887. 293, 1888. 25. Laufende Güterversicherung „von Häfen Europas nach Arica und weiter zu Lande nach T a c u a und/oder Mollendo und weiter zu Lande nach Arequipa" mit den Klauseln „ N u r für Seegefahr" und „Direkt oder indirekt". Die nach Mollendo verladenen Güter mußten, da Mollendo blockiert war, nach Arica gefahren werden, mußten in Arica mehrere Monate lagern, wurden dann über Mollendo nach Arequipa befördert und kamen hier beschädigt an. — Die Güter dürfen gemäß der Klausel „Direkt oder indirekt" auch mit Schiffen befördert werden, die nach einem anderen Hafen als dem vertragsmäßigen Bestimmungshafen bestimmt sind, und von diesem Hafen mit demselben Schiffe oder mit anderen Schiffen nach dem vertragsmäßigen Bestimmungshafen weiterbefördert werden. Auch Abweichungen vom Reiseweg oder Besuche von Zwischenhäfen schaden nicht. Alles dies aber nur im R a h m e n des gewöhnlichen Schiffsverkehrs (ebenso auch H G H a m b u r g H G Z 1872. 186 für die Klausel: „Es präjudiziert nicht, wenn das Schiff andere Häfen anläuft"). Reiseabweichungen usw. aus außergewöhnlichen Gründen werden durch die Klausel nicht gedeckt. Sie schaden zwar nicht, wenn der Versicherungsnehmer sie nicht vorgenommen oder gestattet hat, oder wenn er durch Gefahrereignisse genötigt war, sie vorzunehmen usw. Aber die Klausel deckt keine Gefahränderungen, zu denen der Versicherungsnehmer durch vertragsfremde Ereignisse genötigt ist usw., ζ. B. keinen Besuch eines vertragsfremden Zwischenhafens, der durch Kriegsereignisse veranlaßt ist (vgl. jedoch jetzt auch die besondere Bestimmung des § 35 Abs. 3). So auch im wesentlichen R G H G Z 1888. 171, wenngleich mit teilweise unzureichender Begründung (näheres: § 9 7 Anm.). g) R G H G Z 1893. 272, H G Z 1892. 225. Versicherung eines Dampfers für eine Forschungsreise über England „via Neufundland nach Bermuda, von dort nach Cap Verdi'schen Inseln und weiter nach Para und direkt zurück nach Kiel", mit der Klausel: „Anlaufen anderer Plätze präjudiziert nicht". Die Klausel berechtigt nicht, im Amazonendelta zu fischen und zu diesem Zwecke zwei Tagesreisen stromaufwärts zu fahren. Vgl. auch oben Anm. 51. h) R G H G Z 1895. 300, H G Z 1895. 165. Rückversicherung eines dänischen Fischdampfers f ü r „Fischfang in der Nordsee zwischen 50. und 60. nördlichen Breitegrad und bis 8. Grad westlicher Länge. Geht das Schiff außerhalb dieses Umkreises, so
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§ 23 bleibt die Versicherung in Kraft mit einer Zulage-Prämie nach billiger Normierung . . . Abweichungen von der Reise und/oder sonstige Veränderung des Risikos sind stillschweigend mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit". Das Schiff f u h r zum Fischfang nach Island. Die Fahrt war durch die Klausel gedeckt. Sie war nämlich, wenn nicht eine „Abweichung von der Reise", so jedenfalls eine „sonstige Veränderung des Risikos". M a n braucht daraus nicht „die Konsequenz zu ziehen, daß . . . jene Klausel auch auf jede beliebige andere Veränderung des Risikos in räumlicher Hinsicht bezogen werden mußte. Eine f ü r dänische Fischereidampfer, welche die Nordseegewässer befahren, nicht ungewöhnliche . . . Veränderung der Reise darf nicht mit sonstigen Reiseveränderungen auf eine Linie gestellt werden". So das R G . Anders O L G H a m b u r g : U n t e r „sonstigen Veränderungen des Risikos" seien keine „Änderungen der Reise oder der räumlichen Grenzen des versicherten Gebiets" zu verstehen, sondern nur „Änderungen des Risikos der Art n a c h " . Aber die Fahrt nach Island sei noch als „Abweichung von der Reise" anzusehen; denn das entspreche der Verkehrsanschauung in Kopenhagen. Vgl. auch Bolze 11 Nr. 432: Bei der Ermittlung des Sinnes dieser, bei wörtlicher Auslegung „sehr weittragenden Klausel (daß „Änderungen des Risikos irgendwelcher Art stets mitgedeckt" sein sollen) sei sehr vorsichtig zu Werke zu gehen". Vgl. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1941 Β igo — J R P V 1941. 103 = Sasse Nr. 456: „Der Begründung des angefochtenen Urteils, daß die hier streitige Reise durch die Police nicht gedeckt werde, ist zuzustimmen. Es handelt sich nicht um eine „regelmäßige F a h r t " zwischen H a m b u r g und Häfen der Ostküste Südamerikas. Die Zeitumstände, der Mangel einer Eisverstärkung und einer Scheinwerferanlage, die Beschränkungen in der Navigierung des Schiffes (Funkverkehr, Peilungen), die Unmöglichkeit, laufend Eis- und Wetterberichte zu erhalten, der Zwang, Polar- und Eisgegenden aufzusuchen und hierbei wegen der Gefahr einer Meldung an den Feind Ansteuerungspunkte zu meiden, durch welche man den Schiffsort und die einzuschlagenden Kurse hätte bestimmen und kontrollieren können, brachten diese Reise im ganzen auch aus dem Bereiche der „Abweichungen von dieser Route und anderen Reisen", die nach der Police mitgedeckt waren. Trotz des Wortes „stets" in der Klausel kann dieser Satz nur auf Abweichungen und Änderungen, die aus nautischen und/oder kommerziellen Rücksichten vorgenommen werden, nicht aber auf „Blockadebruchreisen" der hier fraglichen Art bezogen werden. D a ß die „etwaigen Touristenfahrten", die in dem vorletzten Absätze der Police als gedeckt erwähnt werden, mit der hier vorliegenden Reise überhaupt nicht zu vergleichen sind, bedarf keiner Ausführung. Eher ist in dieser Klausel eine Abgrenzung zu erblicken, innerhalb deren „Gefahränderungen" im Sinne der §§ 23, 24 ADS von der Beklagten zugelassen werden sollten. Hier handelt es sich aber nicht u m eine so begrenzte Gefahränderung, sondern u m eine völlige Umwandlung der versicherten U n t e r n e h m u n g durch die vorerwähnten besonderen Umstände und durch die bekannte Anordnung der etwaigen Selbstversenkung vor der Nehmung durch Feindeshand." Siehe indessen auch die Revisionsentscheidung R G 169. 24. i) R G H G Z 1908. 261, H G Z 1907. 205. Versicherung eines Segelschiffes mit einer Erz- oder Guanoladung, und zwar mit der Klausel: „Alle und jede Abweichung von der Reise und/oder Ladung und/oder andere Bestimmung des Schiffes und/oder sonstige Veränderungen des Risikos bleiben stillschweigend und ohne Unterbrechung des Risikos gegen eventuell nach Billigkeit zu regulierende Prämie stets mitgedeckt". Die Klausel deckt auch eine Ballastreise von dem Orte, an dem die versicherte Reise angetreten werden soll, zum Abladehafen (die aus § 63 ADS sich ergebende Beschränkung der Haftung des Versicherers würde natürlich unberührt bleiben). Die Klausel gestattet auch dem Reeder, andere als die im Vertrag angegebene Ladung zu fahren,
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also ζ. Β. statt Erz oder Guano vielmehr Holz. Sie deckt aber keine Weiterreise über § 2 3 den Bestimmungsort hinaus (vgl. auch oben Anm. 65). k) H G Z 1885. 1 6 1 , 1887. 1 3 3 . Versicherung von Fracht f ü r die Reise von Guatemala in Ballast nach Punta Arenas und von dort mit K a f f e e nach London. Klausel: „ A b weichungen oder Veränderungen von der versicherten Reise sind mitgedeckt gegen Prämienregulierung nach Billigkeit". Das Schiff fuhr von Punta Arenas nicht mit K a f f e e , sondern mit Holz, und zwar über zwei andere Häfen der Westküste Zentralamerikas nach dem K a n a l for orders, lief Lissabon als Nothafen an und wurde hier durch Kollision beschädigt und kondemniert. — Die Klausel berechtigt den Versicherungsnehmer nicht, Holz statt K a f f e e zu fahren (vgl. auch oben unter i und unten unter m, ferner § 1 A n m . 185, § 19 A n m . 25, § 20 A n m . 26, 28, oben Anm. 9). Der Ausdruck „Veränderung von der versicherten R e i s e " umfaßt sowohl die Änderung des Bestimmungsorts wie die Änderung des Abgangsorts (vgl. oben Anm. 7 1 ) . Der Ausdruck würde auch wohl Abweichungen vom Reiseweg decken (denn in majore minus), wenn die Klausel diese nicht besonders deckte. Teilweise anders Simon, Israel & Co. v. Sedgvick 1893 bei A r n o u l d 4 1 0 s. 437, 4 1 6 s. 442: Die change-of-voyageKlausel gestatte zwar, die Reise unterwegs nach einem anderen Bestimmungsort zu richten, nicht aber, die Reise nach einem anderen Bestimmungsort anzutreten. 1) H G Z 1893. 169. Gewinnversicherung für die behaltene Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe (vgl. § 1 A n m . 48). Klausel: „ I n durchstehendem Landund Wassertransport-Risiko vom Lager des Holzes, Umladung jeglicher Art und beliebiger Aufenthalt überall eingeschlossen, bis zur Ablieferung an den Empfanger a m endgültigen Lagerplatz des Bestimmungsortes". Das Schiff wird kondemniert. Die Güter werden umgeladen und kommen an. Der Versicherer wird gleichwohl zur Entschädigung verurteilt, weil die Güter nicht mit dem bestimmten Schiffe angekommen sind, und weil die Umladungsklausel sich „ n u r auf solche Umladungen beziehe, welche etwa vor der Einladung des Holzes in das Schiff, während des Landtransports, oder nach der Entlöschung des Schiffes auf dem Wege nach dem endgültigen Lagerplatz sich ereignen möchten, oder auch auf etwaiges Aus- und Wiedereinladen in das Schiff selbst (im Nothafen oder dergl.), dagegen nicht auf die U m l a d u n g aus diesem Schiffe in ein anderes Seeschiff". m) L G H a m b u r g H G Z 1909. 265. Das Segelschiff w a r versichert „ z u und von Antwerpen nach San Francisco . . . und von dort zurück oder weiter nach Portland Or und/oder Astoria und/oder einem oder mehreren anderen Plätzen am Columbiaund/oder Willamette-River, oder nach einem oder mehreren Häfen des Puget Sound Vancouver, Chemainus, Burrard Inlet und zu und von dort zurück (mit einer Getreideladung) nach einem oder mehreren Häfen oder Plätzen des United Kingdom oder des Kontinents zwischen Bordeaux und H a m b u r g " . Klausel: „ E t w a i g e Abänderung der Reise oder Beladungsweise ist ohne Unterbrechung des Risikos durch diese Versicherung gedeckt, gegen seiner Zeit nach Billigkeit zu regulierende Prämie". Das Schiff fuhr von San Francisco in Ballast nach Süd-Japan, von dort mit Kohlen nach Hongkong (oder Singapore) und über die ostasiatischen Reishäfen mit Reis nach Europa zurück. Die Ballastreise und die Reisen mit anderer als der im Vertrag angegebenen L a d u n g waren gedeckt durch die Klausel, daß eine „ A b ä n d e r u n g der Beladungsweise" gestattet sei. Die Fahrt über J a p a n usw. w a r gedeckt, weil die Klausel „ j e d e Abänderung der versicherten Reise im weitesten U m f a n g e zulasse. Etwas anderes als eine Abänderung der Rückreise liege aber nicht vor. Anders würde die Sache liegen, wenn bei der angetretenen Reise überhaupt nicht mehr von einer R ü c k r e i s e die R e d e sein könnte". n) Siehe als weitere Beispiele R G 106. 207 = Sasse Nr. 3 : Wenn „Abweichungen von der R e i s e " als mitversichert gelten, so können damit, soweit nicht klar ein anderes
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§ 23 erhellt, nur solche innerhalb der durch den Abgangs- und Bestimmungshafen gegebenen Grenzen gemeint sein. Das gleiche gilt für die Policenbestimmung, nach der dem Schiffe die Freiheit gelassen wird, auf der Aus- wie auf der Rückreise beliebig „auf der Route liegende Häfen und Plätze anzulaufen". Ferner HansOLG HansRGZ 1941 Β 190 = J R P V 1941. 103 = Sasse Nr. 456: „Abweichungen von dieser Route, sowie andere Reisen durch diese Police stets mitgedeckt". Anm. 73 22. § 23 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136; vgl. auch oben Anm. 17). Tatsächlich freilich nur beschränkt. Denn der Vorversicherer hat regelmäßig das Abwicklungsrecht und kann im Rahmen dieses Rechts dem Vorversicherten Gefahränderungen gestatten (näheres: § 1 Anm. 154fr.). ·— Über die Rückdeckung des obligatorischen Selbstbehalts: § 1 Anm. 167. — Gefahränderungs-Klauseln kommen auch in Rückversicherungs-Verträgen vor; vgl. ζ. Β. H H 580: Der Vorversicherer „ist befugt, . . . Veränderungen in Bezug auf die gezeichneten Risikos selbständig zu gestatten, verpflichtet sich aber ausdrücklich von solchen Veränderungen, wenn dadurch die ursprüngliche Aufgabe alteriert wird, dem Rückversicherer in gleicher Weise Aufgabe zu machen, wie dies mit den neuen Versicherungen geschieht"). Solche Klauseln berechtigen auch den abwicklungsberechtigten Vorversicherer nicht, außergewöhnliche Gefahränderungen zu gestatten (vgl. § 1 Anm. 156, 161). Auch dann nicht, wenn die Änderung nur gegen Prämienzulage gestattet werden darf (wie im Falle HGZ 1881. 19: „Eventuelle Abänderungen des Risikos, wenn solche auf der Originalversicherung genehmigt werden, sind ebenfalls durch diese Rückversicherung gegen PrämienRegulierung nach Billigkeit mitgedeckt"). Anm. 74 23. Englisches Recht (vgl. auch oben Anm. 9, 34, 39, 41, 42, 48—50, 53, 55—57, 63—65, 67, 71, 72). Das Gesetz behandelt (ähnlich, wie das ältere deutsche Recht: oben Anm. 9, und wie das französische Recht: unten Anm. 75). Die Gefahränderung kasuistisch, und zwar: a) Zunächst in einem T h e V o y a g e überschriebenen Abschnitt: Where the subject-matter is insured by a policy „at and from" or „from" a particular place, . . . there is an implied condition that the adventure shall be commenced within a reasonable time, and that if the adventure be not so commenced the insurer may avoid the contract. The implied condition may be negatived by showing that the delay was caused by circumstances known to the insurer before the contract was concluded, or by showing that he waived the condition. MIA § 42. Where the place of departure is specified by the policy, and the ship instead of sailing from that place sails from any other place, the risk does not attach. MIA § 43. Where the destination is specified in the policy, and the ship, instead of sailing for that destination, sails for any other destination, the risk does not attach. MIA § 44. Where, after the commencement of the risk, the destination of the ship is voluntarily changed from the destination contemplated by the policy, there is said to be a change of voyage . . . Where there is a change of voyage, the insurer is discharged from liability as from the time of change, that is to say, as from the time when the determination to change it is manifested; and it is immaterial that the ship may not in fact have left the course of voyage contemplated by the policy when the loss occurs. MIA § 45. Where a ship, without lawful excuse, deviates from the voyage contemplated by the policy, the insurer is discharged from liability as from the time of deviation, and it is immaterial that the ship may have regained her route before any loss occurs. — There is a deviation from the voyage contemplated by the policy: (a) Where the course of the voyage is specifically designated by the policy, and that course is departed from; or
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(b) Where the course of the voyage is not specifically designated by the policy, § 23 but the usual and customary course is departed from. T h e intention to deviate is immaterial; there must be a deviation in fact to discharge the insurer from his liability under the contract. M I A § 46. Where several ports of discharge are specified by the policy, the ship may proceed to all or any of them, but, in the absence of any usage or sufficient cause to the contrary, she must proceed to them, or such of them as she goes to, in the order designated by the policy. If she does not there is a deviation. — Where the policy is to „ports of discharge", within a given area, which are not named, the ship must, in the absence of any usage or sufficient cause to the contrary, proceed to them, or such of them as she goes to, in their geographical order. If she does not there is a deviation. M I A § 47. In the case of a voyage policy, the adventure insured must be prosecuted throughout its course with reasonable despatch, and if without lawful excuse it is not so prosecuted, the insurerer is discharged from liability as from the time when the delay became unreasonable. M I A § 48. Deviation or delay in prosecuting the voyage contemplated by the policy is excused (MIA §49): (a) Where authorised by any special term in the policy (vgl. die Klauseln oben Anm. 72); or (b) Where caused by circumstances beyond the control of the master and his employer; Ereignisse, die unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers oder des Kapitäns die Änderung herbeiführen, schaden nicht, mögen sie zu den versicherten oder den unversicherten Gefahren gehören. Weicht aber das Schiff vom Reiseweg ab, um einer unversicherten Gefahr zu entgehen, so ist der Versicherer nach O'Reilly ν. Royal Exch. Ass. Co. 1815 frei (anders A r n o u l d 452 s. 478, insbesondere wegen M I A § 49 Abs. 1 d). Dabei ist zu berücksichtigen, daß dem englischen Rechte das Prinzip der allgemeinen Gefahrendeckung unbekannt ist (§ 28 Anm. 43). Ferner, d a ß der Versicherungsnehmer nach englischem Rechte grundsätzlich das Verhalten des Kapitäns schlechthin, also auch das nautische Verhalten des Kapitäns, wie eigenes vertreten muß, und daß sogar eine Abweichung vom Reiseweg, die durch die Unkenntnis des Kapitäns über die örtlichen Verhältnisse verursacht ist, nicht beyond the control of the master und demnach durch § 49 d nicht gedeckt ist ( A r n o u l d 441 s. 470). O r (c) Where reasonably necessary in order to comply with an express or implied warranty; or (d) Where reasonably necessary for the safety of the ship or subject-matter insured; or (e) For the purpose of saving h u m a n life, or aiding a ship in distress where h u m a n life may be in danger; or (f) Where reasonably necessary for the purpose of obtaining medical or surgical aid for any person on board the ship; or (g) Where caused by the barratrous conduct of the master or crew, if barratry be one of the perils insured against (vgl. hierzu § 33 Anm.). When the cause excusing the deviation or delay ceases to operate, the ship must resume her course, and prosecute her voyage, with reasonable despatch. b) In einem „ W a r r a n t i e s etc." überschriebenen Abschnitt. Warranties sind Zusicherungen oder Zusagen des Versicherungsnehmers über vergangene, gegenwärtige oder künftige Umstände, by which the assured undertakes that some particular thing shall or shall not be done, or that some condition shall be fulfilled, or whereby he affirms or negatives the existence of a particular state of facts (MIA § 33 Abs. 1), also Zu-
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§ 23 Sicherungen oder Zusagen, deren Bedeutung, vom Standpunkt des deutschen Rechts aus betrachtet, teils auf dem Gebiet der vorvertraglichen Anzeigepflicht (vgl. § 20 Anm. 26, § 21 Anm. 5), teils auf dem Gebiet der Gefahrstandpflicht (vgl. auch HGB § 814 Abs. 1: in Beziehung auf die Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr „erteilte besondere Zusagen"), teils auf dem Gebiet der vertragsmäßigen Beschränkung des Risikos liegt. A warranty may be express or implied (MIA § 33 Abs. 2). E x p r e s s warranties (ζ. B. Warranted 50 % uninsured, Warranted not to proceed east of Singapore, Sailing on or after March; Warranted neutral: M I A §36) bedürfen der Schriftform, wie der Versicherungsvertrag überhaupt (MIA § 35 Abs. 2, ADS § 14 Anm. 32, § 21 Anm. 5). — I m p l i e d warranties sind stillschweigende Zusagen. Und zwar: In a voyage policy there is an implied warranty that at the commencement of the voyage the ship shall be seaworthy . . . In a time policy where, with the privity of the assured, the ship is sent to sea in an unseaworthy state, the insurerer is not liable for any loss attributable to unseaworthiness. M I A § 3g; näheres: § 58 Anm. In a voyage policy on goods or other moveables there is an implied warranty that at the commencement of the voyage the ship is not only seaworthy as a ship, but also that she is reasonably fit to carry the goods or other moveables to the destination contemplated by the policy. M I A § 40 Abs. 2; näheres: Vorb. vor § 80. There is an implied warranty that the adventure insured is a lawful one, and that, so far as the assured can control the matter, the adventure shall be carried out in a lawful manner. M I A § 41. A warranty, as above defined, is a condition which must be exactly complied with, whether it be material to the risk or not. If it be not so complied with, then, subject to any express provision in the policy, the insurer is discharged from liability as from the date of the breach of warranty, but without prejudice to any liability incurred by him before that date (MIA § 33 Abs. 2). Where a warranty is broken, the assured cannot avail himself of the defence that the breach has been remedied, and the warranty complied with, before loss (MIA § 34 Abs. 2). Ausnahme: M I A § 34 Abs. ι : Non-compliance with a warranty is excused when, by reason of a change of circumstances, the warranty ceases to be applicable to the circumstances of the contract, or when compliance with the warranty is rendered unlawful by any subsequent law. No implied warranty of nationality: M I A § 37. c) Aber diese Regelung ist nicht erschöpfend. Es ist der englischen Rechtslehre nicht entgangen, daß der Grund für die Befreiung des Versicherers in den Fällen der Reiseverzögerung, der Abweichung vom Reiseweg, der Reiseveränderung usw., ist change of risk, variation of the risk (vgl. auch die Deviation clause oben Anm. 72 unter c). Neben jene besondere Regelung tritt daher der im Gesetz nicht ausgesprochene, aber gleichwohl anerkannte Grundsatz, daß any change of risk accordingly, though not arising from any of the causes hitherto (oben unter a) considered will be a good defence to the action, if the underwriter can show it to have arisen from the fault or with the knowledge of the assured ( A r n o u l d 439 s. 468). In der Grundanschauung stimmt also das englische Recht so ziemlich mit dem deutschen überein, mag es auch in der Anordung des Stoffes und in vielen Einzelheiten abweichen. Anm. 75 24. Französisches Recht (vgl. auch oben Anm. 9, 46, 69, 72). Es beschränkt sich, ähnlich wie der MIA, auf die Behandlung bestimmter Gefahränderungs-Fälle. Tout changement de route, de voyage ou de vaisseau . . . ne sont point ä la charge de l'assureur; et meme la prime lui est acquise, s'il a commence ä courir le risque (C. de comm. Art. 351). Dagegen sont aux risques des assureurs, toutes pertes et dommages qui arrivent aux objets assures, par . . . changements forces de route de voyage ou de vaisseau . . . (C. de comm. Art. 350). Der Versicherer ne faut considerer
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comme changement forces que ceux resultant d'un cas fortuit ou de force majeure § 23 ( R i p e r t Nr. 2738). Insbesondere: L'assureur est decharge des risques, et la prime lui est acquise, si Γ assure envoie le vaisseau en un lieu plus eloigne que celui qui est designe par le contrat, quoique sur la meme route (C. de comm. Art. 364 Satz 1). Aber l'assurance a son entier effet si le voyage est raccourci (C. de comm. Art. 364 Satz 2). Veränderung der Reise zwischen Vertragsschluß und Beginn der Versicherung wird lediglich als Aufgabe der versicherten Unternehmung behandelt; die Versicherung ist unwirksam, der Versicherer erhält '/ 2 % der Versicherungssumme als Entschädigung (C. de comm. Art. 349; vgl. dazu R i p e r t Nr. 2737). § 2 4 Rechtsfolgen der Gefahränderung (1) Verletzt der Versicherungsnehmer die Bestimmungen des § 23, so ist der Versicherer, wenn später der Versicherungsfall eintritt, von der Verpflichtung zur Leistung frei. Das Gleiche gilt, wenn vor dem Abschlüsse des Vertrags die Versicherung beginnt und der Versicherungsnehmer nach dem Beginne die Gefahr geändert oder die Änderung durch einen Dritten gestattet hat; die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers wird hierdurch nicht berührt. (2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn die Gefahränderung durch das Interesse des Versicherers veranlaßt oder durch ein Ereignis, für das der Versicherer haftet, geboten oder durch ein Gebot der Menschlichkeit veranlaßt war oder wenn sie auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder auf den Umfang der Leistung des Versicherers keinen Einfluß hat üben können. 1. Vgl. H G B §§ 813, 814, ASVB §§ 60, 61, BSVB §§ 32, 33, V V G §§ 24—26, 27 Abs. 1, 29, 142 Satz 1, 143 Abs. 1 Satz 1. — L i t e r a t u r : § 23 Anm. 2. 2. Abs. 1. Der Versicherer ist frei, wenn der Versicherungsnehmer „die Bestimmungen des § 23 verletzt", wenn er also ,,die Gefahr ändert oder die Änderung durch einen Dritten gestattet". Im letzten Falle würde also der Versicherer schon frei, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahr gestattet, — nicht erst dann, wenn der dritte die Gefahr ändert, j a sogar ohne Rücksicht darauf, ob der dritte die Gefahr überhaupt ändert. Das ist wohl nicht die Meinung. So wenig, wie im allgemeinen der bloße Entschluß des Versicherungsnehmers, die Gefahr zu ändern, schon eine Gefahränderung ist (§ 23 Anm. 8), wird im allgemeinen die bloße Gestattung des Versicherungsnehmers, die Gefahr zu ändern, genügen, den Versicherer zu befreien. Die §§ 23, 24 gehen, deutlich erkennbar, davon aus, daß der Versicherungsnehmer den Entschluß ausgeführt, der dritte von der ihm erteilten Erlaubnis Gebrauch gemacht hat (vgl. auch unten Anm. 4). — Selbstverständlich ist der Versicherer nicht verpflichtet, den Versicherungsnehmer beim Vertragsschluß darauf hinzuweisen, daß Gefahränderung ihn von der Entschädigungspflicht befreie ( K G APV 1906 II 73). a) Der Versicherer ist o h n e w e i t e r e s frei. Insbesondere ohne daß es einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer bedarf. — Bei der l a u f e n d e n Versicherung ist der Versicherer nur für die Einzelversicherung frei, für welche die Gefahr geändert ist, nicht für die laufende Versicherung. b) Der Versicherer ist aber nicht (wie im Falle des § 20 Abs. 1) überhaupt frei. Es ist nur frei, wenn „ s p ä t e r " , nach der Gefahränderung, der Versicherungsfall eintritt (d. h. das Ereignis, mit dessen Eintritt die Entschädigungspflicht des Versicherers begründet sein würde, wenn der Versicherer nicht frei wäre: § 5 Anm. 29). Er
Anm. 1 Anm. 2
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§ 2 4 i s t vom Zeitpunkt der Gefahränderung an frei. Auch hieraus folgt, daß die bloße Absicht des Versicherungsnehmers, die bloße Erlaubnis des Versicherungsnehmers, die Gefahr zu ändern, den Versicherer nicht befreit (oben Anm. 2). Deutlicher freilich V V G § 35 Abs. 1: Der Versicherer ist frei, wenn der Versicherungsfall „nach der Erhöhung der Gefahr" eintritt. Auch im Falle einer Veränderung der Reise genügt der bloße, sei es auch irgendwie zum Ausdruck gebrachte, Entschluß des Versicherungsnehmers, die Reise nach einem anderen Bestimmungsort zu richten, nicht (§ 23 Anm. 64, 67). I m übrigen ist Tatfrage, ob die Gefahr geändert ist. Insbesondere ist im Falle einer Verzögerung der Reise die Gefahr erst geändert, wenn die Verzögerung „erheblich" zu werden beginnt (§ 23 Abs. 2 Nr. i), when the delay became unreasonable ( M I A § 48). Anm. 5
c) Der Versicher b l e i b t f r e i , auch wenn der Zustand wiederhergestellt wird, der vor der Änderung bestanden hat (teilweise anders V V G § 24 Abs. 2). Insbesondere bleibt der Versicherer im Falle einer Reiseveränderung frei, auch wenn die Reise wieder nach dem im Versicherungsvertrag angegebenen Bestimmungsort gerichtet wird, und im Falle einer Abweichung vom Reiseweg, auch wenn das Schiff „auf den richtigen Weg später zurückkehrt" (Prot. 3487, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 24 A D S ) : It is immaterial that the ship may have regained her route before any loss occurs (MIA § 46 Abs. 1). — Uber den Fall der Zeitversicherung: § 23 Anm. 52, 58, 69. Anm. 6 d) Der Versicherer kann auf die Befreiung, auf sein Einwendungsrecht v e r z i c h t e n . Er kann i m v o r a u s verzichten. Solche Vorausverzichte sind in der Seeversicherung häufig; vgl. die Gefahränderungsklauseln in Anm. 72 zum § 23, auch § 23 Anm. 27 über die Einwilligung des Versicherers in Gefahränderungen. Hat der Auswanderungsunternehmer für Rechnung des Auswanderer Versicherung genommen, so kann der Versicherer den versicherten Auswanderern regelmäßig nicht entgegenhalten, daß der Versicherungsnehmer die Gefahr geändert habe (§ 1 Anm. 105, unten Anm. 10). — Der Versicherer kann auch s p ä t e r verzichten. Ausdrücklich oder stillschweigend. Aber Verzichte sind nach allgemeiner Regel nicht zu vermuten. Verzichte sind empfangsbedürftige Willenserklärungen (vgl. insbesondere R e i c h e l Recht 1922. 47 über „Verzichte auf Haftungsbeschränkungen"). Der Verzicht muß also, ausdrücklich oder stillschweigend, dem Versicherungsnehmer gegenüber erklärt werden. Als Willenserklärung setzt er notwendig voraus, daß der Versicherer die Gefahränderung kennt oder ihres „Daseins sich wenigstens als einer Möglichkeit bewußt ist" (RG 68. 400, 128. 1 1 9 ; vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 45 zu § 6 V V G , K i s c h 2. 530, R G LZ 1908. 464, i g i o . 877, Recht 1 9 1 0 Nr. 2478, J W 1904. 215). Er setzt aber nicht voraus, daß der Versicherer wirklich verzichten wollte; seine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung gilt auch dann, wenn er „sich insgeheim vorbehält", die Gefahränderung einzuwenden (BGB § 116, R G 3. 148). O b das Verhalten des Versicherers einen Verzicht schlüssig zum Ausdruck bringt, ist Tatfrage. Wenn der Versicherer von der Verletzung der Gefahrstandspflicht Kenntnis erlangt und nicht unverzüglich oder binnen angemessener Frist erklärt, wegen der Verletzung frei zu sein, so ist darin noch kein stillschweigender Verzicht zu erblicken. Anders etwa, wenn er längere Zeit verstreichen läßt, ohne sich zu erklären, oder wenn er den Vertrag als vollwirksam behandelt, ζ. B. die Anzeige des Versicherungsnehmers, daß die Gefahr geändert sei (§ 26), oder gar, daß demgemäß eine Zuschlagsprämie zu entrichten sei, vorbehaltlos entgegennimmt (wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß der Versicherer ja immer noch haftet, wenn Versicherungsfall und Entschädigungspflicht durch die Gefahränderung nicht beeinflußt sein können). Das erfordert das erkennbare und schwerwiegende Interesse des Versicherungsnehmers an Gewißheit und die Treuepflicht, die auch in solchem Falle nicht versagen darf (§ 13 Anm. 6, R G 3. 147, 18. 141, J W 1 9 0 4 . 2 1 5 , P h i l l i p s Nr. 1041). — Der Verzicht kann sich auch als G e n e h m i g u n g der Gefahränderung darstellen. Vgl. hierüber § 23 A n m . 3 1 .
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3. Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist n i c h t f r e i . Er muß insbesondere die ganze Prämie zahlen. Er ist auch von seinen sonstigen Verbindlichkeiten nicht frei, von seiner Verpflichtung, die Gefahr nicht weiter zu ändern, Schaden zu verhüten und abzuwenden usw. Aber diese anderen Verbindlichkeiten werden doch durch die Befreiung des Versicherers von der Entschädigungspflicht vielfach beeinflußt. Soweit nämlich von ihrer Erfüllung die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, werden sie mit dem Wegfall der Entschädigungspflicht gegenstandslos (vgl. R O H G 8. 232). Anders natürlich, wenn die Gefahränderung durch das Interesse des Versicherers, durch ein Gefahrereignis oder durch ein Gebot der Menschlichkeit veranlaßt oder geboten war und der Versicherer deshalb nicht frei ist (§ 24 Abs. 2). Und für den Fall, daß die Gefahränderung auf den Versicherungsfall und die Entschädigung keinen Einfluß üben kann, bleiben jene Verbindlichkeiten überhaupt bestehen (§ 24 Abs. 2). 4. Der Versicherer haftet also, wenn der V e r s i c h e r u n g s f a l l v o r d e r G e f a h r ä n d e r u n g eintritt. Versicherungsfall ist das Ereignis, durch das die Entschädigungspflicht des Versicherers begründet wird (§ 5 Anm. 26fr.). Hieraus wäre zu schließen, daß der Versicherer nicht haftet, wenn das Ereignis vor der Gefahränderung eintritt, der Schaden dagegen nach der Gefahränderung entsteht. Der Schluß wäre unrichtig. Der Fall kann nicht anders behandelt werden, als der Fall, daß die Versicherung endigt, das Gefahrereignis vor der Beendigung eintritt, der Schaden nach der Beendigung entsteht. Es kommt also darauf an, ob Gefahrereignis und Schaden in dem besonderen versicherungsrechtlichen Kausalzusammenhang stehen. Ist es der Fall, so haftet der Versicherer; sonst nicht. Näheres: § 28 Anm. 17fr. 5. Das H G B spricht sich im allgemeinen nicht darüber aus, von wann ab der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, die Gefahr nicht zu ändern. Aber es geht offenbar davon aus, daß die Gefahr weder zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn noch nach dem Versicherungsbeginn geändert, daß ζ. B. der Antritt der versicherten Reise nicht verzögert werden darf. Für den Fall, daß die Reise verändert wird, unterscheidet es ausdrücklich, ob die Gefahr für den Versicherer zu laufen begonnen hat oder nicht. Ähnlich das englische Recht (MIA § 45, § 23 Anm. 74). — Die §§ 23, 27 V V G sprechen nur von Gefahrerhöhungen „nach dem Abschluß des Vertrags" (im Anschluß hieran ebenso § 23 ADS). Der Fall, daß die Versicherung v o r dem Vertragsschluß beginnen soll, die V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g , ist dabei nicht berücksichtigt. Vielleicht deshalb nicht, weil im Begriff der Vergangenheitsversicherung ohne weiteres zu liegen scheint, daß das ganze Verhältnis auf den Zeitpunkt des Versicherungsbeginns zurückbezogen werden soll (vgl. § 5 Anm. 9). Vielleicht auch deshalb nicht, weil man den Versicherer durch die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers ausreichend geschützt glaubte. Diese Anzeigepflicht bietet jedenfalls dem Versicherer keinen genügenden Schutz. Allerdings muß dem Versicherer angezeigt werden, was der Versicherungsnehmer, sein Vertreter oder der Versicherte weiß oder grobfahrlässig nicht weiß. Aber wenn dritte, deren Verhalten der Versicherungsnehmer nicht für die Erfüllung der Anzeigepflicht, wohl aber für die Erfüllung der Gefahrstandspflicht gemäß § 278 BGB zu vertreten hat, die Gefahr geändert haben, wenn ζ. B. der Kapitän (nicht „als solcher", sondern als „geschäftlicher Vertreter" des Versicherungsnehmers, — etwa um in einem Zwischenhafen die Ladung zu vervollständigen) vom Reiseweg abgewichen ist, und der Versicherungsnehmer usw. hierum nicht weiß und nicht zu wissen braucht, würde die Anzeigepflicht den Versicherer nicht schützen. Aber auch für den Versicherungsnehmer wären die Folgen unangemessen, wenn die Gefahrstandspflicht nicht auch für die Zeit vom Versicherungsbeginn bis zum Vertragsschluß bestehen würde. Wäre ζ. B. während dieser Zeit die versicherte Reise, aus welchem Grunde immer, verändert, so wäre der Versicherer frei,
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§ 24 auch wenn die Anzeigepflicht nicht verletzt wäre. Denn die veränderte Reise wäre nicht die versicherte Reise und die den Versicherungsnehmer schützende Bestimmung des § 24 Abs. 2 ja nicht anwendbar. § 24 Abs. 1 Satz 2 stellt die Frage außer Streit: Die Gefahr darf auch nicht in der Zeit z w i s c h e n V e r s i c h e r u n g s b e g i n n und V e r t r a g s s c h l u ß geändert w e r d e n ; die Änderung schadet aber nicht, wenn einer der vier Ausnahmefälle des § 24 Abs. 2 vorliegt. Dadurch wird auch außer Streit gestellt, daß der Versicherer gemäß § 25 eine Zuschlagsprämie erhält, wenn die Gefahr zwischen Versicherungsbeginn und Vertragsschluß durch ein versicherungsfreies Ereignis geändert und der Versicherer gleichwohl nicht frei ist (ein Ziel, das § 22 Abs. 3 Satz 2 Ε ig ίο dadurch in vollkommener Weise zu erreichen suchte, daß er — im Anschluß an § 41 Abs. 1 Satz 2 VVG. — dem Versicherer immer dann eine Zuschlagsprämie gewährte, wenn ihm beim Vertragsschluß gefahrerhebliche Umstände nicht angezeigt sind und er gleichwohl haftet). Vgl. auch Redman ν. London 1814 bei A r n o u l d 408 s. 436: Der Versicherer könne sich auf die Abweichung vom Reiseweg selbst dann berufen, wenn sie ihm angezeigt sei (dagegen mit Recht P h i l l i p s Nr. 1041 und die dort angef. amer. Entscheid.). — Die v o r v e r t r a g l i c h e A n z e i g e p f l i c h t des Versicherungsnehmers bleibt d a n e b e n unverändert bestehen. § 24 Abs. 1 Satz 2 sagt es ausdrücklich. Es würde sich gleichfalls wohl von selbst verstehen. Der Versicherungsnehmer kann sich also insbesondere nicht etwa darauf berufen, daß er einen gefahrerheblichen Umstand deshalb für gefahrunerheblich gehalten habe und ohne Verschulden habe halten dürfen, weil dadurch die Gefahr geändert und der Versicherer demgemäß und gemäß § 24 Abs. 1 ohnehin vom Zeitpunkt der Änderung an im allgemeinen frei geworden sei. Anm. 10
6. S c h a d e n s e r s a t z - P f l i c h t d e s V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s wegen schuldhafter Gefahränderung. Die Gefahrstandspflicht des Versicherungsnehmers ist die Verbindlichkeit eines Schuldners (§ 23 Anm. 14). Der Versicherungsnehmer hat daher gemäß § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten und Schadensersatz zu leisten, wenn er schuldhaft die Gefahr ändert. Hat ζ. B. der Auswanderungsunternehmer für Rechnung der Auswanderer Versicherung genommen, und zwar derart, daß die versicherten Auswanderer sich Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers, insbesondere die Einwendung der verletzten Gefahrstandspflicht, nicht gefallen zu lassen brauchen, so kann der Versicherer, der den Auswanderern zahlen muß, vom Versicherungsnehmer Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft die Gefahrstandspflicht verletzt hat (näheres: § 1 Anm. 105). Ist dagegen der Versicherer gemäß § 24 Abs. 1 frei, so hat es dabei sein Bewenden (ebenso K i s c h 2. 513, weil die Gefahränderung keine Verletzung einer Verbindlichkeit, sondern nur „die Verwirklichung eines ungünstigen Tatbestands" sei, vgl. hierüber § 23 Anm. 14). Die besondere Regel des § 24 geht nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der allgemeinen Regel des § 276 BGB vor. Deshalb kann der Versicherer auch dann nicht Schadensersatz verlangen, wenn der Versicherungsnehmer schuldhaft die Gefahrstandspflicht verletzt hat und der Versicherer gleichwohl haftet, weil die Gefahränderung auf den Versicherungsfall und die Entschädigung keinen Einfluß hat üben können. Nur wenn die Verletzung der Gefahrstandspflicht den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen würde, würde der Versicherer (auch) Schadensersatz verlangen können (vgl. BGB § 826). Anm. 11 7· A b s . 2 (die Fassung schließt sich an §§ 25 Abs. 3, 26 V V G an). Der Versicherer i s t i n vier A u s n a h m e fällen nicht frei. E r s t e r F a l l . Die Gefahränderung ist durch das Interesse des Versicherers veranlaßt. Dem HGB ist dieser Fall als solcher unbekannt. Ebenso der zweite Ausnahmefall, der Fall, daß die Gefahränderung „durch ein Ereignis, für das der Versicherer haftet, geboten" ist. Statt dessen läßt es den Versicherer haften, wenn die
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Gefahränderung „durch einen Notfall verursacht ist, es sei denn, daß sich der Notfall auf eine Gefahr gründet, die der Versicherer nicht zu tragen hat" (HGB §§ 813 Abs. 2, 814 Abs. 2 Nr. 2). Hiermit ist aber im wesentlichen dasselbe ausgedrückt, was § 24 Abs. 2 hat ausdrücken wollen (Begr. 2. V V G §§ 23—29). Denn als ein „Notfall, der sich auf eine vom Versicherer zu tragende Gefahr gründet", gilt nicht nur ein „Ereignis, für das der Versicherer haftet", sondern jeder Fall, der von der versicherten Gefahr und von der Not, d. h. dem für den Versicherungsnehmer unabwendbaren Schicksal, herbeigeführt ist oder (wegen der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis:) herbeigeführt zu sein scheint (vgl. Prot. 3180, 4320). Besteht ζ. B. infolge Auflaufens oder erheblicher Übernahme von Wasser der objektiv begründete (wenn auch in Wirklichkeit unbegründete) Verdacht, daß das versicherte Schiff undicht geworden ist, oder daß der Proviant eine gesundheitsgefährliche Beschaffenheit angenommen hat, so ist ein Notfall gegeben, der sich auf eine versicherte Gefahr gründet und den Versicherungsnehmer berechtigt, einen Zwischenhafen anzulaufen. Ebenso, wenn das versicherte Schiff wegen eines am Bestimmungsort ausgebrochenen Streiks der Hafenarbeiter nach einem anderen Bestimmungsort fahren muß. Die Gefahränderung ist durch das Interesse des Versicherers veranlaßt und durch ein Gefahrereignis geboten. Die durch Gefahrereignisse gebotenen Gefahränderungen müssen auch im Interesse des Versicherers liegen, und die durch das Interesse des Versicherers veranlaßten Gefahränderungen können nur durch Gefahrereignisse geboten sein (so auch in dem von K i s c h 2. 550 gebildeten Falle: Feuerversicherte Sachen werden an einen gefährlicheren Ort gebracht, weil am alten Aufbewahrungsort ein Brand „droht"; der „drohende" Zustand kann nur die unmittelbare Folge von Ereignissen sein). Man kann daher wohl zweifeln, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn man dem HGB gefolgt wäre (so G e r h a r d 132; vgl. jedoch auch die abweichende Auffassung in Prot. 3188: „Wenn der Schiffer im Interesse des Versicherers einen anderen als den gewöhnlich benutzten Weg einschlage, so könne dies nur in der Weise geschehen, daß der gewählte ungewöhnliche Weg in dem konkreten Fall der sicherere sei; der sicherere Weg sei aber auch der richtige; wer diesen einschlage, von dem werde niemand sagen, daß er vom Wege abgewichen sei"), oder wenn man sich mit dem ersten Ausnahmefall begnügt hätte. a) Das Interesse des V e r s i c h e r e r s muß der Anlaß gewesen sein. Interesse bedeutet hier soviel wie Vorteil (vgl. § 1 Anm. 7). Der Vorteil kann wirklich, er kann auch nur vermeintlich sein. Die objektive Beurteilung des Falles zur Zeit der Gefahränderung ist maßgebend (Kisch 2. 547). Daß das für undicht gehaltene Schiff sich hinterher als dicht, der für verdorben gehaltene Proviant sich hinterher als verwendbar herausstellt, der Zwischenhafen also in Wirklichkeit nicht hätte angelaufen zu werden brauchen, ist nicht entscheidend. Andererseits kann sich der Versicherungsnehmer natürlich auf das objektive Bild nicht berufen, wenn er es besser wußte. b) Nicht jedes Interesse des Versicherers genügt. Der Versicherungsnehmer darf ζ. B. nicht vom Reiseweg abweichen, um ein anderes bei demselben Versicherer versichertes, festgeratenes Schiff abzubringen. Nur das Interesse des Versicherers am glücklichen A u s g a n g der versicherten U n t e r n e h m u n g kommt in Betracht (Roelli 369, B r u c k - M ö l l e r Anm. 4 zu § 26 V V G ; teilw. abweichend K i s c h 2. 547). Die Tatsache, daß das andere Schiff festgeraten ist, wäre auch kein „Ereignis, für das der Versicherer haftet". Denn mit dieser Haftung ist nur eine solche aus dem mit dem Versicherungsnehmer geschlossenen Vertrag, nicht die Haftung aus einem anderen Vertrag gemeint. c) Das Interesse des Versicherers muß die Gefahränderung v e r a n l a ß t haben. Das erweckt den Eindruck, als ob das Interesse des Versicherers das Motiv, den Beweggrund für den Versicherungsnehmer gebildet haben müßte (so auch R o e l l i 369).
§ 24
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§ 24 Aber es wäre schwer begreiflich, was den Urheber des Gesetzes bewogen haben sollte, auf die Motive des Versicherungsnehmers Gewicht zu legen. Dem Versicherer kann doch nur daran gelegen sein, daß Maßnahmen getroffen werden, die in seinem Interesse liegen. Es handelt sich also nur um einen Mißgriff im Ausdruck. Es genügt, daß die Gefahränderung i m I n t e r e s s e d e s V e r s i c h e r e r s l i e g t oder bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu liegen scheint ( G e r h a r d 132; K i s c h 2. 547: „ v o m Standpunkt des objektiven Beurteilers aus geeignet, den Eintritt oder die Schadensfolgen eines Versicherungsfalls zu verhindern"). —- D a ß die Gefahränderung auch anderen Interessen, insbesondere auch dem Interesse des Versicherungsnehmers (dem etwa infolge Selbstbehalts oder Gewinnentgangs Schaden droht) dient, ist ohne Bedeutung. Anm. 15
d) Hat der V e r s i c h e r e r selbst die Gefahränderung v e r a n l a ß t , so hat er eingewilligt (vgl. § 23 Abs. 1). Der Versicherungsnehmer braucht also nicht zu beweisen, daß die Gefahränderung durch das Interesse des Versicherers veranlaßt war. Anm. 16 e) Der Versicherungsnehmer ist n i c h t v e r p f l i c h t e t , d i e G e f a h r z u ä n d e r n , wenn und weil die Änderung im Interesse des Versicherers liegt. Er ist ζ. B. nicht ohne weiteres verpflichtet, einen vertragsfremden Zwischenhafen anzulaufen, wenn der Verdacht besteht, daß der Proviant gesundheitsgefährlich ist, oder das Schiff nach einem anderen Bestimmungsort zu richten, wenn am Bestimmungsort ein Streik der Hafenarbeiter ausbricht und die Vollendung der Reise zu verzögern droht. Er ist nur dann verpflichtet, die Gefahr zu ändern, wenn die Nichtänderung eine vertretbare Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht (§ 33) oder der Schadenabwendungs-Pflicht (§41) darstellen würde. Der Reeder-Kapitän ist z . B . verpflichtet, einen vertragsfremden Nothafen anzulaufen, wenn das versicherte Schiff unterwegs seeuntüchtig wird, oder die Vollendung der versicherten Reise zu verzögern und das versicherte Schiff ausbessern zu lassen, wenn das Schiff sich im vertragsmäßigen Zwischenhafen als seeuntüchtig herausgestellt hat (vgl. den Fall H G Z 1891. 277). In solchen Fällen ist der Versicherungsnehmer natürlich auf Grund der ersten oder zweiten Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 2 auch berechtigt, die Gefahr zu ändern. A b e r er soll auch nicht (das ist der Sinn der ersten Ausnahmebestimmung) in anderen Fällen, in denen die Gefahränderung im Interesse des Versicherers liegt, wegen der an die Gefahränderung geknüpften Befreiung des Versicherers davor zurückschrecken, die Gefahr zu ändern. Würde er in diesen anderen Fällen nicht berechtigt sein, die Gefahr zu ändern, so würde die Grenze zwischen den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer so verpflichtet wie berechtigt ist, die Gefahr zu ändern, und den Fällen, in denen er hierzu ebensowenig verpflichtet wie berechtigt ist, oft allzu schwer zu finden und keinem von beiden gedient sein, dem Versicherungsnehmer nicht, weil er einen Mißgriff mit dem Verlust seiner Ansprüche bezahlen mußte, dem Versicherer nicht, weil Gefahränderungen, die in seinem Interesse liegen, ihm erwünscht sein müssen. Anm. 17 Z w e i t e r F a l l . Die Gefahränderung ist durch ein Ereignis, für das der Versicherer haftet, geboten. a) Die Begr. z. V V G §§ 23—29 führt den Fall an, daß „das Schiff infolge eines Unfalls, für den der Versicherer haftet, leck wird und der Versicherungsnehmer es absichtlich festfährt, um das Sinken abzuwenden". M a n könnte daher glauben, daß „Ereignisse, für die der Versicherer haftet", nur Versicherungsfälle wären oder wenigstens „ U n f ä l l e " , die zum Bereich der versicherten Gefahren gehören. Das eine wie das andere wäre unrichtig (vgl. auch die Fassung des § 137 Abs. 2 V V G = § 95 Abs. 2 A D S ) . „Ereignisse, für die der Versicherer haftet", sind alle Ereignisse, für deren Folgen der Versicherer einzustehen hat, alle G e f a h r e r e i g n i s s e , insbesondere nicht nur „ U n f ä l l e " , d. h. Nachteile, welche die versicherte Unternehmung immittelbar treffen, sondern auch andere, entferntere Ereignisse, ζ. B. ein Streik der Hafenarbeiter am
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Bestimmungsort, der den Versicherungsnehmer nötigt, das versicherte Schiff nach § 24 einem anderen Bestimmungsort zu richten. •— In England wird die Ansicht vertreten, daß any distinction between a deviation to escape a peril insured against and one to escape a peril for which the insurer would not be liable, sich nach § 49 Abs. ι a MIA nicht mehr rechtfertigen lasse (Arnould 453 s. 478; näheres: § 23 Anm. 74). Uber die Bedenken der ADHGB-Kommission, die nur durch die Stimme des Vorsitzenden erledigt werden konnte, vgl. Prot. 3180, 4320. b) Nach § 26 V V G muß die Gefahränderung durch das versicherungsmäßige Anm. 18 Ereignis „veranlaßt" sein. Der Ausdruck ist hier besser am Platze, als im ersten Ausnahmefall (oben Anm. 14). Auf willkürliche Gefahränderungen kann der Versicherungsnehmer sich nicht berufen, auch wenn sich hinterher herausstellt, daß ein Gefahrereignis sich zugetragen hat, das den Versicherungsnehmer hätte veranlassen dürfen, die Gefahr zu ändern. Die Maßnahme des Versicherungsnehmers muß durch das Gefahrereignis „verursacht" sein (HGB §§813, 814). Zwischen der Maßnahme und dem Ereignis muß also ein Kausalzusammenhang bestanden haben. Das Gefahrereignis muß das Motiv zur Gefahränderung gewesen sein (Kisch 2. 551). ·— Andererseits genügt nicht, daß der Versicherungsnehmer durch das Gefahrereignis veranlaßt worden ist. Der Versicherungsnehmer kann sich nicht darauf berufen, daß er durch das Ereignis veranlaßt ist, obgleich er verständiger Weise sich nicht hätte veranlassen lassen dürfen. Der Versicherer wäre durch die Schadenverhütungs- und die SchadenabwendungsPflicht des Versicherungsnehmers nicht genügend geschützt. Schon deshalb nicht, weil er die Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht usw. beweisen muß und dieser Beweis, wenn der Versicherungsnehmer durch Gefahrereignisse ohne weiteres veranlaßt werden dürfte, die Gefahr zu ändern, und die Gefahr geändert haben würde, viel zu schwierig wäre, als daß er dem Versicherer zugemutet werden kann. Es kommt vielmehr darauf an, wie die Sachlage sich dem objektiven Beurteiler darstellt, daß die Gefahränderung bei o b j e k t i v e r Beurteilung durch das Gefahrereignis v e r a n l a ß t war (näheres: oben Anm. 12). § 24 Abs. 2 bringt diesen Gedanken besser zum Ausdruck: die Gefahränderung muß durch das Gefahrereignis geboten sein. Dieser Gedanke hat auch wohl den Urheber des V V G bei der Wahl des Beispielfalles geleitet: Das Schiff wird infolge eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls leck, der Versicherungsnehmer läßt es auflaufen, um es vor dem Sinken zu bewahren (oben Anm. 17). Ein Gefahrereignis bildet auch ζ. B. der Ausbruch eines Hafenarbeiter-Streiks am Bestimmungsort (oben Anm. 16). Wenn der Versicherungsnehmer deswegen bei objektiver Beurteilung das Schiff nach einem anderen Bestimmungsort richten muß und richtet, hat er die Gefahr geändert. Der Versicherer ist aber nicht frei. Anders, wenn der Streik nur den äußeren Anlaß zur Veränderung der Reise gebildet hat, wenn etwa von ihm eine erhebliche Verzögerung der Vollendung der versicherten Reise nicht zu erwarten war. Stellt sich hinterher heraus, daß der objektive Beurteiler sich geirrt hat, die Gefahränderung in Wirklichkeit durch das Gefahrereignis nicht geboten gewesen wäre, ζ. B. der Streik wider Erwarten schnell beigelegt wird, so kann sich der Versicherer hierauf nicht berufen (oben Anm. 12). Ebensowenig kann sich andererseits der Versicherungsnehmer auf den Standpunkt des objektiven Beurteilers berufen, wenn er wußte, daß die Gefahränderung durch das Gefahrereignis tatsächlich nicht geboten war (oben Anm. 12). —Vgl. ferner oben Anm. 15, 16. Dritter Fall. Die Gefahränderung ist durch ein Gebot der Menschlichkeit Anm. 19 veranlaßt. Im Zweifel ist selbstverständlich nicht eine Unternehmung versichert, bei welcher der Versicherungsnehmer die Gebote der Menschlichkeit außer acht lassen darf, sondern eine solche, bei der er diese Gebote erfüllen darf. Hieraus ergeben sich denn auch leidlich zuverlässige Grenzen der Zulässigkeit von Gefahränderungen. 28
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 24 a) Die Menschen sind, j e nach Zeit und R a u m und Umständen, aufeinander anAnm. 20 gewiesen. Dem wechselseitigen Hilfsbedürfnis entspricht die sittliche Pflicht, das sittliche Gebot zu wechselseitiger Hilfsbereitschaft. Das Gebot findet seine Grenzen im berechtigten Interesse des an sich Verpflichteten. Verlangt kann nach Empfindung und verständiger Überlegung nur werden, daß f r e m d e u n d e r h e b l i c h h ö h e r e , ideelle oder materielle, I n t e r e s s e n unter G e f ä h r d u n g o d e r A u f o p f e r u n g e i g e n e r und e r h e b l i c h g e r i n g e r e r I n t e r e s s e n geschützt werden. Hiernach sind Gefahränderungen zulässig, die den Schutz eines fremden Interesses bezwecken, das von erheblich höherem Werte ist als die in der Gefahränderung hegende teilweise Preisgabe des versicherten Interesses, — wobei natürlich von dem Umstand, daß dies Interesse versichert ist, ganz abgesehen werden muß. Ähnlich K i s c h 2. 553ff. und B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 2 6 V V G . Doch kommen nach beiden auch eigene Interessen des Versicherungsnehmers in Betracht. Wenn es bei B r u c k - M ö l l e r a . a . O . heißt „Das Gebot der Menschlichkeit bedeutet die jede vertragliche Bindung aufhebende sittliche Pflicht. Die moralische Norm wird in die Rechtsordnung übernommen und den gewöhnlichen Rechtsvorschriften vorgeordnet", so kann dem indessen nur dann gefolgt werden, wenn damit nicht die vertraglösende Kraft des Gebots als Wesensmerkmal bezeichnet sein soll und nicht hat ausgesprochen sein sollen, daß die Parteien nicht vereinbaren können, daß der Versicherer für die durch Gebote der Menschlichkeit veranlaßten Gefahränderungen nicht hafte; denn es kann natürlich vereinbart werden, daß der Versicherungsnehmer die an ihn sich richtenden Gebote der Menschlichkeit auf eigene Kosten, nicht auf Kosten des Versicherers zu erfüllen habe. K a u m verwendbar R o e l l i 2 3 5 : „Die Gebote der Menschlichkeit appellierten nicht bloß an Pflichtbewußtsein, sondern an menschliches Solidaritätsgefühl und an menschliches Empfinden überhaupt". Anm. 21
b) Hieraus folgt, daß nicht die Gebote der Menschlichkeit maßgebend sind, wie gerade dieser Versicherungsnehmer sie versteht. Die A u f f a s s u n g s e i n e r Z e i t und s e i n e s V o l k e s entscheidet. — Hieraus folgt auch, daß R e c h t s g e b o t e nicht ohne weiteres auch Gebote der Menschlichkeit sind. Ein Gebot der Menschlichkeit ist zwar das an den Kapitän gerichtete Rechtsgebot, allen Personen, selbst feindlichen, die auf See in Lebensgefahr angetroffen werden, Beistand zu leisten, soweit er dazu ohne ernste Gefahr für sein Schiff und dessen Besatzung und Reisende imstande ist, und zwar insbesondere nach einem Schiffszusammenstoß (Int. Ü b . zur einheitl. Festst. von Regeln über Hilfeleistung und Bergung usw. vom 23. September 1 9 1 0 Art. 11, 12, 14, 15, Int. Ü b . zur einheitl. Festst. von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23. September 1 9 1 0 Art. 8, 9; vgl. weiter insbesondere auch § 5 Abs. 1 der V O zur Sicherung der Seefahrt v. 15. Dezember 1956 (BGBl. I I 1 5 7 9 ) : „Ein Schiffsführer, dem auf See gemeldet wird, daß Menschen sich in Seenot befinden, hat ihnen mit größter Geschwindigkeit zur Hilfe zu eilen und ihnen nach Möglichkeit hiervon Kenntnis zu geben"; siehe die Strafbestimmung in § 3 3 0 c StGB). Aber das an den Kapitän gerichtete Rechtsgebot, nach einem Zusammenstoß auch dem anderen Schiffe, soweit möglich, Beistand zu leisten (Int. Ü b . vom 23. September 1910 Art. 8, 9) ist nicht ohne weiteres auch ein Gebot der Menschlichkeit. Die Befolgung dieses Rechtsgebots und hierdurch veranlaßte Gefahränderungen werden jedoch regelmäßig dem Versicherungsnehmer nicht schaden. Denn die Befolgung solcher Rechtsgebote liegt natürlich im Rahmen der versicherten Unternehmung (oben Anm. 19). Oft wird der Versicherungsnehmer sogar dem Versicherer gegenüber verpflichtet sein, Beistand zu leisten, dann nämlich, wenn das versicherte Schiff an dem Zusammenstoß Schuld hat und der Versicherer für den indirekten Kollisionsschaden haftet (§§ 4 1 , 78). Jedenfalls unrichtig R o e l l i 236: „Der Polizist, der einen die öffentliche Sicherheit gefährdenden
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Pöbelhaufen zu zerstreuen suche", erfülle eine Rechtspflicht und damit ein Gebot der § 2 4 Menschlichkeit. c) Die Begr. z. V V G §§ 23—29 führt den Beispielfall an, daß der Schiffseigner Anm. 22 vom gewöhnlichen Wege abweicht, um M e n s c h e n l e b e n zu retten. Das englische Recht gestattet überhaupt nur für diesen Fall, vom Wege abzuweichen oder die Reise zu verzögern (§ 23 A n m . 74). Die Gebote der Menschlichkeit aber reichen weiter. Ein Gebot der Menschlichkeit kann es sein, einen Menschen vor schwerer, wenn auch nicht lebensgefährlicher, K r a n k h e i t (siehe auch § 4 5 Abs. 1 SeemG) oder Verletzung oder vor der Vernichtung seiner w i r t s c h a f t l i c h e n Existenz zu bewahren, unter U m ständen also auch, S a c h e n zu retten. I m Seeverkehr werden freilich Gefahränderungen zur Rettung von Sachen regelmäßig durch ein Gebot der Menschlichkeit nicht zu rechtfertigen sein. Hiervon ist man auch beim Erlaß des H G B ausgegangen (Prot. 3 1 8 9 ; ebenso früher B e n e c k e 2 . 3 6 4 , P o h l s 4 . 4 0 5 ) . Aber wenn Gefahränderungen zur Rettung von Menschenleben erforderlich sind, schadet es natürlich nicht, daß dabei auch Sachen gerettet werden. I m übrigen wird regelmäßig die Rettung von Sachen, insbesondere des Schiffes, nur dann Gefahränderungen veranlassen dürfen, wenn sie zur Rettung von Menschenleben erforderlich ist. Where the preservation of life can only be effected through the concurrent saving of property, and the bona fide purpose of saving life forms part of the motive which leads to the deviation, the privilege will not be lost by reason of the purpose of saving property having formed a second motive for deviating (amerik. Entscheidung Crocker v. Jackson bei A r n o u l d 450 s. 477). d) Wie, wenn die Gefahr geändert wird, das Schiff ζ. B. einen Zwischenhafen Anm. 23 anläuft, nicht sowohl um das versicherte Schiff, als vielmehr um die nicht versicherte L a d u n g vor Schaden zu bewahren? Es ist kein Gebot der Menschlichkeit, die L a d u n g zu retten (oben Anm. 22). Es liegt auch an und für sich nicht im Interesse des Kaskoversicherers, daß die L a d u n g gerettet und deswegen ein Zwischenhafen angelaufen wird. Ebensowenig ist es durch ein Gefahrereignis geboten, die L a d u n g zu retten und den Zwischenhafen anzulaufen (oben A n m . 13). Ist aber ein Frachtschiff versichert, so gehört es zur versicherten Unternehmung, einen Zwischenhafen anzulaufen, wenn dies zur Rettung der L a d u n g notwendig und der Verfrachter verpflichtet ist, die Ladung zu retten. D a auch die Ladungen durchweg (sei es bei demselben Versicherer, sei es bei anderen) versichert sind, steht diese Auffassung auch mit dem Gesamtinteresse der Assekuradeure in Einklang. e) V o n der Erfüllung eines Gebots der Menschlichkeit kann man nicht sprechen, Anm. 24 wenn der Versicherungsnehmer die Gefahr i m e i g e n e n I n t e r e s s e geändert hat. Wenn der versicherte Reederkapitän erkrankt und, um sein Leben zu retten, einen vertragsfremden Zwischenhafen anläuft, hat er einem Gebot der Selbsterhaltung, keinem Gebot der Menschlichkeit gehorcht (abw. ohne Grund K i s c h 2. 554). Gleichwohl ist der Versicherer nicht frei. Denn auch das gehört natürlich im Zweifel zur versicherten Unternehmung, daß der Versicherte einen Zwischenhafen anläuft, wenn sein eigenes Leben auf dem Spiele steht. Die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über Notwehr und Notstand ( B G B §§ 227, 228) würde zum selben Ergebnis führen. Dann würde das Verhalten des Versicherten nicht widerrechtlich, sondern rechtmäßig, also vertragsmäßig erscheinen. f ) Die Gefahränderung muß durch das Gebot der Menschlichkeit v e r a n l a ß t sein. A n m . 25 Es scheint also, daß das Gebot der Menschlichkeit das Motiv des Versicherungsnehmers gewesen sein müßte (vgl. oben A n m . 14, 18). Das ist aber wohl nicht gemeint. Es handelt sich wohl auch in diesem Falle um einen Mißgriff im Ausdruck (oben A n m . 14, K i s c h 2. 554). Wenngleich sich hier auch f ü r die gegenteilige Auffassung gute Gründe anführen lassen, insbesondere der, daß der Gesetzgeber keinen besonderen Grund 28«
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§ 2 4 gehabt haben mag, nicht gewollte oder gar erzwungene Menschlichkeit mit der Erhaltung des Entschädigungsanspruchs zu belohnen (vgl. auch die Entscheidung oben Anm. 22). Übrigens ist die Frage ohne große Bedeutung. Denn nach allgemeinen Beweisgrundsätzen ist zunächst anzunehmen, daß ein Verhalten, welches nach der Erfahrung als Ausfluß der Menschlichkeit erscheint, es auch ist. Der Versicherer müßte das Gegenteil beweisen. Anm. 26 8. I n allen drei bisher erörterten Ausnahmefällen darf der Versicherungsnehmer die Gefahr natürlich nicht ändern, wenn das damit erstrebte Z i e l a u c h o h n e G e f a h r ä n d e r u n g z u e r r e i c h e n ist. Denn in solchem Falle ist eben die Gefahränderung nicht durch das Interesse des Versicherers veranlaßt oder durch Gefahrereignisse oder Menschlichkeit „geboten". O b dem Versicherungsnehmer solche Wahl offen stand, m u ß die objektive Beurteilung der Sachlage ergeben. Damit erledigen sich wohl die Bedenken von K i s c h 2. 555, der (ohne Anhalt im Gesetz) den Versicherungsnehmer nur für grobes Verschulden verantwortlich gemacht wissen will. — Ebenso versteht sich von selbst, daß die in den drei Ausnahmefällen zulässigen Gefahränderungen n i c h t w e i t e r a u s g e d e h n t werden dürfen, a l s es d u r c h i h r e U r s a c h e b e d i n g t wird (Robinson v. M a r . Ins. Co. 1806 bei A r n o u l d 442 s. 470). Insbesondere m u ß ein vom Reiseweg abgewichenes Schiff sobald wie möglich den alten richtigen Weg zum Bestimmungsort wiederaufnehmen (wenn auch nicht wieder zum Scheidepunkt zurückkehren). When the cause excusing the deviation or delay ceases to operate, the ship must resume her course, and prosecute her voyage, with reasonable despatch (MIA §49 Abs. 2). Die unnötige Ausdehnung der Gefahränderung würde auch als neue Gefahränderung aufzufassen sein ( B e h r e n d Z H R 55. 83). Vgl. auch § 23 Anm. 16 über die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Beseitigung unvertretbarer Gefahränderungen. Anm. 27
9· V i e r t e r A u s n a h m e f a l l . Die Gefahränderung hat auf den Versicherungsfall oder auf den U m f a n g der Leistung des Versicherers keinen Einfluß üben können. Der Versicherer haftet trotz der Gefahränderung, insbesondere trotz der Reiseveränderung (anders H G B §813), wenn Versicherungsfall und Gefahränderung nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen. Eine unnütze Ausnahmevorschrift, die den Versicherungsnehmer nicht der Notwendigkeit überhebt, neue Deckung zu suchen (vgl. E h r e n b e r g 401, auch § 25 Anm. 7, § 26 Anm. 10; anders nach V V G : K i s c h 2. 541). Die Ausnahmevorschrift h a t überdies geringe Bedeutung. D e n n :
Anm. 28
a) Nach allgemeinen B e w e i s g r u n d s ä t z e n würde der Versicherungsnehmer den Kausalzusammenhang bewiesen haben, wenn er dafür die Wahrscheinlichkeit erbracht haben würde, die im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hingenommen wird. Vgl. für § 25 Abs. 3 V V G , wonach die Gefahrerhöhung unwirksam ist, wenn sie keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt h a t , B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 25 V V G : „Der Versicherungsnehmer hat mit aller Bestimmtheit darzutun, daß der Schaden auf jeden Fall und aus einem anderen Umstand als dem der Gefahrerhöhung eingetreten wäre ( O G H Wien Versicherungsrundschau 1953. 265). Allerdings genügt es, wenn der Versicherungsnehmer die Nichtkausalität der Gefahrerhöhung dartut. . . Der Beweis ist als Beweis einer Negative schwer zu führen und wird in der Hauptsache so zu erbringen sein, daß die vom Versicherer angedeuteten Möglichkeiten als nicht in Betracht kommend erwiesen werden", ferner Anm. 11 zu §21 V V G „Es reicht nicht aus, daß der Versicherungsnehmer dartut, möglicherweise könne auch ein anderer Umstand kausal gewesen sein. Vielmehr ist der Beweis dafür zu erbringen, daß der nicht oder falsch angezeigte Umstand nicht kausal war, der Versicherungsfall also auch ohnedem eingetreten wäre . . . Dabei sind die Beweisanforderungen an den Ver-
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Sicherungsnehmer nicht zu überspannen." Siehe zu der gleichen Bestimmung Prölß § 24 Anm. 3 zu § 25 V V G : „In der Hauptsache läuft er (d. h. der Beweis) darauf hinaus, daß die vom Versicherer angedeuteten Möglichkeiten als nicht bestehend bewiesen werden oder die Möglichkeit, daß die Gefahrerhöhung kausal für den Schaden ist, eine so entfernte ist, daß ihre Wiederlegung nicht verlangt werden kann (BGH VersR 1964. 813)". — Strenger § 814 Abs. 2 Nr. 1 HGB, §24 Abs. 2 ADS: Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß die Gefahränderung auf den Versicherungsfall keinen Einfluß hat üben können, daß die Gefahränderung und der Versicherungsfall also unmöglich in ursächlichem Zusammenhang stehen (RG 43. 4; siehe indessen auch HansOLG HansRGZ 1929 Β 211 = Sasse Nr. 395: „Nach dem Wortlaut würde ein Beweis der NichtUrsächlichkeit der Gefahrerhöhung für den vorliegenden Fall (in thesi) nicht zugelassen werden können, vielmehr nur die Verteidigung möglich sein, daß ganz im allgemeinen (in hypothesi) diese Gefahrerhöhung einen Einfluß auf den Eintritt des Schadens nicht hat üben können. Zugunsten der Klägerin mag aber davon ausgegangen werden, daß es auf den einzelnen Fall ankommt. Die Klägerin hätte dann beweisen müssen, daß die Ausstellung der wahrheitsgemäßen Urkunden keinen Einfluß auf die Beschlagnahme der Ladung hat ausüben können"), daß ζ. B. die versicherten Güter unmittelbar nach der vom Versicherungsnehmer aus geschäftlichen Gründen veranlaßten Abweichung vom Reiseweg von der Schiffsbesatzung beraubt worden sind, oder daß das vom Reiseweg abgewichene, aber wieder zu ihm zurückgekehrte, versicherte Schiff einen Unfall erlitten hat, der mit der Abweichung nichts zu tun hat. b) Nach allgemeinen Grundsätzen über den K a u s a l z u s a m m e n h a n g genügt Anm. 29 nicht jeder noch so entfernte ursächliche Zusammenhang, nicht jede Kausalität im natürlichen Sinne, um die an den Kausalzusammenhang geknüpfte Rechtsfolge zu erzeugen, wird vielmehr ein Zusammenhang gefordert, der nach der Lebenserfahrung im allgemeinen noch als Zusammenhang, als innere logische Verknüpfung der mehreren Umstände erscheint (adäquate Kausalität; näheres § 28 Anm. 17fr., insbesondere auch bezüglich der Beeinflussung der allgemeinen Kausalitätslehre durch die causa-proximaLehre). Das Gesetz kennzeichnet diese Zusammenhänge gewöhnlich dadurch, daß es bestimmt, es müsse die eine Tatsache „aus" der anderen „entstanden" oder „durch" die andere „verursacht" sein. Hätten Gesetz und ADS auch hier auf einen der bezeichneten Kausalzusammenhänge abstellen wollen, so hätten sie mithin aussprechen müssen, daß der Versicherer nur frei werde, wenn der Versicherungsfall „durch" ein Ereignis „verursacht" oder „aus" einem Ereignis „entstanden" sei. Sie bestimmen, daß er nur dann frei sein soll, wenn das Ereignis auf den Versicherungsfall „keinen E i n f l u ß gehabt hat" oder „ h a t üben können". Sie bringen hierdurch zum Ausdruck, daß kein auch noch so entfernter K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwischen dem Ereignis und dem Versicherungsfall bestehen darf, wenn der Versicherer haften soll (vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 6 zu § 25 VVG, Prölß Anm. 3 zu § 25 VVG). c) Nach allgemeinen Grundsätzen über den Kausalzusammenhang würde der Anm. 30 Versicherungsnehmer trotz des Zusammenhangs zwischen Gefahränderung und Versicherungsfall wenigstens insoweit Entschädigung verlangen können, als der Schaden auch ohne die Gefahränderung entstanden wäre. Dies schließt § 24 Abs. 2 (ebenso V V G § 25 Abs. 3, auch wohl § 814 Abs. 2 Nr. 1 HGB) aus: die Gefahränderung darf auch auf den U m f a n g der E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des Versicherers keinen E i n f l u ß gehabt haben oder haben üben können (so auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 10 zu §21 V V G , Prölß Anm. 3 zu § 21 V V G ) ; anders R G 123. 320, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 8 zu § 24 ADS, K i s c h 2. 542, der den Wortlaut des Gesetzes nicht gelten lassen und § 28 Abs. 2 V V G gelesen wissen will, wie wenn er lautete: „Die Verpflichtung
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§ 24 des Versicherers bleibt i n s o w e i t bestehen, als die Gefahränderung . . . auf den Umfang der Leistung des Versicherers keinen Einfluß hat üben können" (vgl. 2. 335). Inwieweit indessen eine Gefahränderung auf den Umfang des Schadens und damit der Entschädigungspflicht des Versicherers Einfluß geübt hat (oder hat üben können), wird kaum je festzustellen sein. Deshalb ist aus Gründen der Rechtssicherheit aus mehreren Möglichkeiten der Regelung diese ausgewählt, und in solchen Fällen ist mit Billigkeitserwägungen nicht geholfen. Anm. 31 10. Der V e r s i c h e r e r ist also nicht in jedem Falle einer Gefahränderung durch den Versicherungsnehmer und in keinem ganz frei, bleibt vielmehr noch in g e w i s s e n G r e n z e n v e r p f l i c h t e t . Hieraus folgt, daß seine Zustimmung zu einer Gefahränderung nicht schon ohne weiteres dem Umstand entnommen werden darf, daß er von einer ihn grundsätzlich befreienden Gefahränderung erfährt und gleichwohl einen Vorhalt, Vorbehalt oder Widerspruch unterläßt (vgl. oben Anm. 6). Hieraus folgt ferner, daß der Versicherungsnehmer (nicht nur von der Prämienpflicht, sondern auch sonst) von seinen Verbindlichkeiten nicht vollständig frei ist, wenn er die Gefahr geändert hat (vgl. oben Anm. 7). Anm. 32 I i . B e w e i s l a s t . Verlangt der Versicherungsnehmer Entschädigung, so muß der Versicherer, der sich auf die §§ 23, 24 beruft, beweisen, daß die Gefahr geändert ist, daß die beim Vertragsschluß vorhandenen Umstände sich geändert haben oder daß die versicherte Unternehmung geändert ist. Auch, daß der Versicherungsnehmer die Änderung vorgenommen oder gestattet hat. Denn die Nichtänderung der Gefahr ist keine Voraussetzung der Entschädigungspflicht und des Entschädigungsanspruchs. Die Gefahrstandspflicht ist eine bloße Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers. Allerdings muß im allgemeinen der Schuldner beweisen, daß er erfüllt hat. Aber nur, wenn er aus der Erfüllung Ansprüche oder Einwendungen herleitet. Davon ist hier nicht die Rede. Der Versicherer kann insbesondere nicht die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags erheben und deswegen und gemäß § 320 BGB die Entschädigung verweigern. Die Gefahrstandspflicht ist entweder erfüllt, — oder sie ist nicht erfüllt und dann insoweit auch nicht mehr zu erfüllen. Vgl. auch § 20 Anm. 4. — Gelingt dieser Beweis, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß der Versicherer eingewilligt hat oder daß einer der vier Ausnahmefälle des § 24 Abs. 2 gegeben ist. — Im Falle einer Verzögerung der Reise muß der Versicherer auch beweisen, daß die Reise „erheblich" verzögert ist. — Im Falle einer Abweichung vom Reiseweg braucht der Versicherer nur diese zu beweisen; daß die Abweichung „ n u r unerheblich" ist, muß der Versicherungsnehmer beweisen. Im Falle des Besuchs vertragsfremder Zwischenhäfen ist es ebenso: der Versicherer braucht nur den Besuch zu beweisen; der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß das Schiff den Hafen zur Ordereinholung angelaufen hat und dies der Übung entspricht. — Uber die Beweislast nach den §§ 813, 814 HGB vgl. S i e v e k i n g 68, 73, O A G Lübeck Kierulff 1. 405, auch R G 25. 98. Anm. 33 12. §24 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136). — Ist der Vorversicherer nach § 24 frei, so ist es auch der Rückversicherer nach den §§ 2—4. Ist der Vorversicherer (wie gewöhnlich) abwicklungsberechtigt, so ist die Befreiung nicht vollständig. Der Vorversicherer braucht sich auf seine Befreiung nicht zu berufen, wenn auch ein nicht-rückversicherter Versicherer sich verständiger und billiger Weise nicht darauf berufen hätte (§ 1 Anm. 154). In diesen Grenzen ist deshalb die Rückversicherung wirksam (vgl. auch § 20 Anm. 41). — Auch im Falle vertragswidriger Deckung des obligatorischen Selbstbehalts kann der Vorversicherer sich darauf berufen, daß die dadurch herbeigeführte Gefahränderung auf den Versicherungsfall oder die Entschädigung des Rückversicherers keinen Einfluß habe ausüben können (§ 1 Anm. 167).
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1 3 . Fremde Rechte. Vgl. oben A n m . 5, 9, 17, 19, 22, 26, 27 und insbesondere § 24 § 23 A n m . 74, 75. Anm. 34 § 2 5 Zuschlagsprämie bei Gefahränderungen
Dem Versicherer gebührt eine Zuschlagsprämie, wenn die Gefahr, die er trägt, infolge einer Gefahr, die er nicht trägt, geändert und er durch die Änderung von der Verpflichtung zur Leistung nicht befreit wird. 1. Vgl. A S V B §60 A b s . 4 Satz 1, A l t e G P zu §§ 60, 61 (Mat. 2. 100). — L i t e r a t u r : § 23 A n m . 2. 2. Dem Versicherer gebührt eine wird.
Zuschlagsprämie,
Anm. 1
wenn die Gefahr geändert Anm. 2
a) Zuschlagsprämie ist die d e r h ö h e r e n G e f a h r e n t s p r e c h e n d e höhere P r ä m i e ( § 2 0 Abs. 3). Genauer: eine Vergütung, welche die Vertragsprämie (mit Einschluß von Prämienzulagen) u m ebensoviel übersteigt, wie die Gefahr infolge der Änderung größer ist, als sie ohne die Änderung sein würde. Zuschlagsprämie ist also nicht in jedem Falle einer Gefahränderung zu entrichten (wie nach A S V B §§ 60, 61 und Zusätzen dazu, M a t . 2. 100), sondern nur, wenn die Gefahränderung eine G e f a h r e r h ö h u n g ist. — O b und um wieviel die Gefahr größer geworden ist, ist Tatfrage. Führt insbesondere das Ereignis, das die Gefahr erhöht hat, zugleich eine Gefahrminderung herbei, so sind Gefahrerhöhung und Gefahrminderung natürlich, soweit sie sich decken, abzugleichen. — O b die Vertragsprämie groß oder klein, angemessen oder unangemessen, insbesondere etwa gerade so groß ist, wie die für die größere Gefahr angemessene Prämie, ist ohne Bedeutung. Beträgt die Vertragsprämie 1 % , die im Verkehr übliche und angemessene so beträgt die Zuschlagsprämie, wenn die Gefahr u m 2 5 % größer geworden ist, auch nicht etwa ι /β%· Anm. 3 b) Die Zuschlagsprämie ist natürlich nicht, wie die Prämie im allgemeinen, „sofort nach dem Abschlüsse des Vertrags zu zahlen" (§ 16 Abs. 1). Sie ist „sofort zu zahlen", f ä l l i g , w e n n d i e G e f a h r g e ä n d e r t ist. So etwa, wenn die versicherte Reise nach einem anderen Bestimmungsort gerichtet wird, oder wenn das Schiff vom Reiseweg abweicht. Sie ist daher auch nach diesem Zeitpunkt zu bemessen, nicht nach dem Verlauf, den die Dinge wirklich nehmen. Der „tatsächliche G e f a h r a b l a u f " kommt nicht in Betracht ( O L G H a m m bei H a s s e l m a n n 82). I m Falle einer „erheblichen Verzögerung" der versicherten Reise ist die Gefahränderung natürlich erst abgeschlossen, wenn die Dauer der Verzögerung feststeht. Mehrfache Gefahrerhöhungen machen mehrfache Zuschlagsprämien fallig. — V o m Zeitpunkt der Fälligkeit an hat der Versicherungsnehmer gemäß §§352, 353 H G B Zinsen zu entrichten (§ 16 Anm. 10). — Zahlt der Versicherungsnehmer nicht, so kann der Versicherer gemäß § 17 Satz 1 mahnen und eine Zahlungsfrist setzen. Zahlt der Versicherungsnehmer gleichwohl nicht, so ist der Versicherer (für die Zukunft) frei. Wenn und soweit der Versicherungsnehmer die Höhe der Zuschlagsprämie entschuldbar nicht kennt, ist er jedoch nicht im Zahlungsverzug, kann also der Versicherer nicht gemäß § 1 7 Satz 2 kündigen. Anm. 4 c) S c h u l d n e r der Zuschlagsprämie ist der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Auch im Falle einer Versicherung für f r e m d e Rechnung. I m Falle der V e r ä u ß e r u n g schulden Veräußerer und Erwerber die Zuschlagsprämie; der Erwerber auch dann, wenn die Zuschlagsprämie vor der Veräußerung, der Veräußerer auch dann, wenn sie nach der Veräußerung fällig wird. I m Falle der Veräußerung versicherter Güter schuldet jedoch
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Gefahränderung
§ 25 der Erwerber die Zuschlagsprämie nicht, wenn eine Police ausgestellt ist; auch dann nicht, wenn die Gefahr nach der Veräußerung geändert ist (§ 49 Abs. 1 Satz 2). Näheres: § 16 Anm. 17. — Im Verhältnis zwischen Cif-Verkäufer und Cif-Käufer trägt der K ä u f e r die Zuschlagsprämie ( H o e c k HGZ 1916. 129, M ö l l e r Cifgeschäft und Versicherung i3of., R G 87.403, RG HGZ 1917. 174, HGZ 1917. 51, 103, LG Hamburg u. Schiedsgericht HGZ 1916. 144; abw. HGZ 1916. 119). Anm. 5 3. Dem Versicherer gebührt Zuschlagsprämie nur, wenn „die Gefahr, die er trägt, infolge einer Gefahr, die er nicht trägt," geändert wird (und — selbstverständlich — nur, wenn er haftet). Das ist kurz (und deshalb so ausgedrückt), aber natürlich nicht genau. Der Ausdruck „Gefahr" ist hier in verschiedenem Sinne gebraucht. Die Gefahr, die der Versicherer trägt, ist die Möglichkeit der Entstehung des Schadens (§ 28 Anm. 4). Diese Möglichkeit kann begrifflich nicht durch die bloße Möglichkeit der Entstehung versicherungsfreier Schäden geändert werden. Gemeint ist die Änderung der Gefahr durch Ereignisse, die zu versicherungsfreien Gefahren gehören, d u r c h v e r s i c h e r u n g s f r e i e E r e i g n i s s e (vgl. Ε 1914 §25: Änderung „durch ein Ereignis, für das der Versicherer nicht haftet", und dazu Mat. 1. 106, auch § 28 Anm. 4). — § 25 setzt also auch nicht voraus, daß der Versicherer „eine Gesamtgefahr, also einen ganzen Komplex möglicher schadenstiftender Ereignisse" (Mat. 1. 106), nicht trägt. Der Versicherer kann Zuschlagsprämie auch dann verlangen, wenn „einzelne bestimmte Ereignisse ausgeschlossen sind, weil man auch in diesen letzteren Fällen von einer Gefahr (ζ. B. von der Gefahr von Strandungen) reden kann und muß" (Mat. 1. 106). Anm. 6 a) Dem Versicherer gebührt also in a l l e n F ä l l e n eine Zuschlagsprämie, in d e n e n ein v e r s i c h e r u n g s f r e i e s E r e i g n i s „ u n a b h ä n g i g v o m W i l l e n des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s " die G e f a h r ä n d e r u n g h e r b e i g e f ü h r t , der Versicherungsnehmer die Gefahränderung also nicht, sei es selbst, sei es durch ihm gleichstehende dritte, vorgenommen oder gestattet hat. So etwa, wenn die Streikgefahr ausgeschlossen ist und die versicherte Unternehmung ohne Zutun des Versicherungsnehmers durch einen Streik erheblich verzögert wird, oder wenn der Kapitän „als solcher" wegen des Streiks vom Reiseweg abweicht. Anm. 7 b) Dem Versicherer gebührt ferner eine Zuschlagsprämie, w e n n d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r zwar (sei es selbst, sei es durch ihm gleichstehende dritte) die Gefahr g e ä n d e r t hat, der V e r s i c h e r e r a b e r gleichwohl gemäß § 24 Abs. 2 h a f t e t . Von den vier Ausnahmefällen des § 24 Abs. 2 scheiden aber die beiden ersten (Gefahränderungen, die durch das Interesse des Versicherers veranlaßt oder durch ein Gefahrereignis geboten sind) aus. Denn in diesen Fällen ist ja die Gefahr, die der Versicherer trägt, „infolge einer Gefahr, die er (gleichfalls) trägt", geändert, § 25 also nicht anwendbar (anders nach ASVB §§ 60, 61 und Zusätzen dazu, Mat. 2. 100). — Insbesondere erhält der Versicherer eine Zuschlagsprämie, wenn der Versicherungsnehmer, einem Gebot der M e n s c h l i c h k e i t gehorchend, die Gefahr ändert. Ob die Gefahr, die der Versicherungsnehmer damit von anderen abwenden will, zum Kreise der versicherten Gefahren gehört oder nicht, gilt gleich. Das ist auch um so notwendiger, wenn der Versicherungsnehmer für die Erfüllung der Gebote der Menschlichkeit belohnt wird, insbesondere Berge- oder Hilfslohn erhält (vgl. auch § 64). — Grundsätzlich erhält der Versicherer auch dann eine Zuschlagsprämie, wenn er haftet, weil die Gefahränderung auf Versicherungsfall und Entschädigung k e i n e n E i n f l u ß hat üben können. Aber zunächst ist der Anspruch des Versicherers auf Zuschlagsprämie ebenso bedingt, wie seine Haftung. Der Versicherer würde also, wenn überhaupt, nur im Versicherungsfall eine Zuschlagsprämie verlangen können. Und auch dann wird sich kaum ein Fall vorstellen lassen, in dem die Gefahr, die der Versicherer noch nach der
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Gefahränderung trägt, größer sein würde, als sie vorher gewesen ist. — Dagegen gebührt dem Versicherer ζ. B. keine Zuschlagsprämie, wenn die Streikgefahr ausgeschlossen ist und das Schiff infolge eines am Bestimmungsort ausgebrochenen Streiks nach einem anderen Bestimmungsort gerichtet wird. Zwar ist die Reise infolge eines versicherungsfreien Ereignisses geändert. Aber der Versicherer haftet nicht (§23 Anm. 18). Anders, wenn das Schiff infolge des Streiks überhaupt nicht den Bestimmungsort anlaufen kann und, um nicht Versicherungsschaden zu erleiden, nach einem anderen Bestimmungsort fahren muß. Ungenau: Mat. 2. 106. c) Dem Versicherer gebührt k e i n e Z u s c h l a g s p r ä m i e , w e n n er in die Gefahränderung (vorbehaltlos) e i n g e w i l l i g t hat. Verzichte sind freilich nach allgemeiner Regel nicht zu vermuten. Aber, wenn der Versicherer einwilligt, stimmt er doch einer Änderung des Vertrags zu (§ 23 Anm. 28, 29). Die Gefahr ist also durch ein Ereignis geändert, das zwar früher nicht gedeckt war, nunmehr aber in den Kreis der Versicherungsereignisse einbezogen ist. Vgl. auch unten Anm. 9. d) Dem Versicherer gebührt auch dann k e i n e Z u s c h l a g s p r ä m i e , w e n n er schon i m V e r t r a g sich mit Gefahränderungen e i n v e r s t a n d e n erklärt hat (vgl. die Klauseln § 23 Anm. 72). Auch in diesem Falle muß es so angesehen werden, wie wenn der Versicherer die geänderte Gefahr zu tragen übernommen hätte. Das entspricht auch der Verkehrsanschauung. 4. Wenn die Gefahr sich vermindert, kann der Versicherungsnehmer keinen A b s c h l a g von der Vertragsprämie verlangen (vgl. § 16 Anm. 28). Oft wird aber vereinbart, daß im Falle einer Gefahrminderung keine Prämie zu zahlen ist oder ein Prämienabschlag eintritt. Vgl. insbesondere die Winterlager- und die Stilliege-Klauseln (Vorb. vor § 113, auch § 16 Anm. 6). — Insbesondere kann der Versicherungsnehmer keine Ermäßigung der gemäß § 25 zu zahlenden oder gezahlten Zuschlagsprämie verlangen, wenn die erhöhte Gefahr sich später wieder vermindert (vgl. auch oben Anm. 3). 5. Verlangt der Versicherer Zuschlagsprämie, so muß er b e w e i s e n , daß die Gefahr geändert, und zwar erhöht, und um wieviel sie erhöht ist, daß die Ursache hiervon ein versicherungsfreies Ereignis ist, und daß er hierdurch nicht frei geworden ist. Letzteres braucht er natürlich nicht zu beweisen, wenn der Versicherungsnehmer es behauptet. 6. Der Fall, daß die vom Versicherer übernommene Gefahr d u r c h K r i e g s e r e i g n i s s e g e ä n d e r t wird, ist in den §§ 35 Abs. 4, 122 Abs. 3 besonders behandelt. 7. § 25 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Dem Rückversicherer gebührt ζ. B. grundsätzlich eine Zuschlagsprämie auch dann, wann der Vorversicherer vertragswidrig den obligatorischen Selbstbehalt gedeckt hat und beweist, daß dies auf den Eintritt des Versicherungsfalls usw. keinen Einfluß hat üben können (vgl. § 1 Anm. 167, § 24 Anm. 33; vgl. aber auch oben Anm. 7). — Uber den Anteil des Rückversicherers an der Zuschlagsprämie, die der Vorversicherer erhält: § 16 Anm. 30, 31. 8. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht (vgl. auch § 23 Anm. 74). Im allgemeinen werden Zuschlagsprämien nicht erhoben. Anders nach den GefahränderungsKlauseln (§ 23 Anm. 72). Für diese Fälle bestimmt § 31 Abs. 2 M I A : Where an insurance is effected on the terms that an additional premium is to be arranged in a given event, and that event happens but no arrangement is made, then a reasonable additional premium is payable. b) F r a n z ö s i s c h e s Recht (vgl. auch § 23 Anm. 75). Siehe Art. 8 der Kaskopolice und Art. 11 der Güterpolice.
§ 25
Anm. 8
Anm. 9
Anm. 10
Anm. 11
Anm. 12 Anm. 13
Anm. 14
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§26
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§ 26 Anzeige von Gefahrerhöhungen Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von einer Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen, wenn der Versicherer nicht durch die Erhöhung von der Verpflichtung zur Leistung befreit wird.
Anm. ι
i. Vgl. A S V B § 6o Abs. 4 Satz 2, V V G §§ 23 Abs. 2, 27 Abs. 2, 25 Abs. 2 Satz 2, 142 Satz 2, 143 Abs. 1 Satz 2. Anm. 2 2. Literatur: § 19 Anm. 2, § 23 Anm. 2. L i e s k e AnnVers 1917. 289 (Die Pflicht des Versicherten zur Anzeige gefahrerhöhender Umstände). V a l l e t des B a r r e s MitöfFFVA 1918. 316 (Anzeigepflicht bei Gefahrerhöhung). Wolff Z f V R 2. 355 (Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, Veränderungen zur Anzeige zu bringen). Anm. 3 3. Der Versicherer hat ein Interesse daran, von Gefahrerhöhungen, die ihn nicht befreien, sobald wie möglich zu erfahren. Teils um sein Verhalten gegenüber dem Versicherungsnehmer danach einrichten und sich gegen größere Nachteile durch Rückversicherung schützen zu können. Teils wegen der Zuschlagsprämie, die ihm nach § 25 gebührt. Deshalb muß der Versicherungsnehmer solche Gefahrerhöhung (richtig) anzeigen. — Aufweichen Gegenstand sich die Versicherung bezieht, ist ohne Bedeutung. Insbesondere muß auch der Güterversicherte anzeigen (anders V V G § 142). Anm. 4 4. Der Versicherungsnehmer muß anzeigen. Uber den B e g r i f f des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Uber den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1 . — Im Falle der Versicherung für f r e m d e Rechnung müßte an und für sich nur der Versicherungsnehmer mitteilen. Nicht der Versicherte. Denn man kann durch Vertrag einem Dritten zwar Rechte zuwenden, aber keine Pflichten auferlegen. Aber die Parteien können, wie in Anm. 13 zu § 19 ausgeführt wurde, einem Dritten Rechte mit der Maßgabe zuwenden, daß diese Rechte nur dann entstehen, wenn der Berechtigte gewisse Pflichten erfüllt hat, und mit dieser Maßgabe auch dem Berechtigten selbst diese Pflichten auferlegen. Und man muß annehmen, daß, wenn der Versicherer dem Versicherten Rechte nur unter der Voraussetzung einräumt, daß die Anzeigepflicht erfüllt wird, auch den Versicherten die Anzeigepflicht treffen soll. Das muß gelten für die vorvertragliche Anzeige und für die von Gefahrerhöhungen. Siehe für das V V G dessen § 79 Abs. 1 : „Soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist, kommt bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten in Betracht". In § 79 Abs. 1 V V G ist das allgemeine Prinzip enthalten, daß überall dort, wo an Kenntnis oder Verhalten des Versicherungsnehmers Rechtsfolgen geknüpft werden, der G r u n d s a t z gilt, daß im Rahmen der Fremdversicherung der Versicherte dem Versicherungsnehmer gleich steht (Prölß Anm. 1 zu § 79 V V G ; vgl. B r u c k - M ö l l e r Anm. 20 zu § 23 V V G , Anm. 57, 58 zu § 6 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 26, Bern. 9 zu § 19 ADS, HansOLG HansRGZ 1939 Β 89 = Sasse Nr. 451, HansOLG H R R 1936 Nr. 886 = J R P V 1936 Ζ 13 = Sasse Nr. 439). Im einzelnen Falle kann allerdings die Anzeigepflicht des Versicherten wegbedungen sein, wie es ζ. B. im Falle der Auswanderer-Versicherung anzunehmen sein würde (vgl. § 1 Anm. 105). — Wird die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so muß der Erwerber anzeigen, wenn er von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt (§ 49 Abs. 1). Ob die Gefahr vor oder nach der Veräußerung erhöht ist, ist dafür ohne Bedeutung, wenn nur der Erwerber erst nach der Veräußerung Kenntnis erlangt hat.
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5. Der Versicherungsnehmer hat anzuzeigen. Er ist dazu verpflichtet. Die Anzeigepflicht ist die V e r b i n d l i c h k e i t eines S c h u l d n e r s (vgl. dazu die näheren Ausführungen in Vorb. vor § 1 Anm. 63, 64, § 19 Anm. 3, g; wie hier S c h l e g e l b e r g e r S V R Vorb. I I I 3 S. 4f., E n g e , Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe Α Heft 10, 1965. 3fr., auch K i s c h 2. 555 für einen Fall, wie den des § 26 (dagegen 2. 515 abweichend für die Anzeigepflicht des V V G ) . Der Versicherer kann die Anzeige verlangen. Zwar wird er regelmäßig nicht darauf klagen können ( K i s c h 2. 516, L e n n e 132). Denn wenn er darauf klagen würde, würde er um die Gefahrerhöhung wissen, und würde er darum wissen, so würde er regelmäßig keinen Anlaß haben, zu klagen. Aber der Mangel der Leistungsklage schließt nicht aus, daß ein Anspruch und eine Verbindlichkeit besteht (Vorb. V I I I vor § 1). Deshalb ist auch § 278 BGB anwendbar; der Versicherungsnehmer muß insbesondere das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung des Anzeigepflicht bedient, gegen sich gelten lassen. Näheres hierüber: § 3 Anm. 17, § 5 Anm. 35, § 19 Anm. 1 1 . — Die Anzeigepflicht ist nach der Natur des Schuldverhältnisses B r i n g s c h u l d . Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer die Anzeige auf eigene Kosten und Gefahr übermitteln. Kommt insbesondere die Anzeige aus Gründen, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, nicht an, so muß der Versicherungsnehmer die Anzeige noch einmal versuchen (vgl. § 3 Anm. 17, Vorb. V I I vor § 1 ) . 6. Dem Versicherer ist anzuzeigen. Ist der Versicherer g e s e t z l i c h v e r t r e t e n , so ist regelmäßig dem gesetzlichen Vertreter anzuzeigen. Ist der Versicherer r e c h t s g e s c h ä f t l i c h v e r t r e t e n , so kann auch dem Vertreter angezeigt werden. Auch dem A g e n t e n des Versicherers, selbst wenn er nur vermittelt hat (HGB § 86 Abs. 2; vgl. V V G §§ 43 Nr. 2, 47; L Z 1917. 977, Bolze 4 Nr. 765, 11 Nr.421, O L G München L Z 1917- 147)· — Ist der Versicherer durch G e s a m t Vertreter vertreten, so genügt Anzeige an nur einen Gesamtvertreter (vgl. R G 53. 231). — Sind an der Versicherung m e h r e r e Versicherer beteiligt, so ist allen anzuzeigen. Auch dann, wenn über die mehreren Versicherungen nur eine Police ausgestellt ist. Ist ein Versicherer „Führer", so ist Anzeige an ihn genügend, wenn die Führungsklausel entsprechend auszulegen ist (vgl. Vorb. V vor § 1 ) . 7. Sobald der Versicherungsnehmer von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat, muß er anzeigen. — Über den Begriff der K e n n t n i s e r l a n g u n g : § 2 Anm. 15, § 19 Anm. 39. Insbesondere genügt nicht Kennenmüssen. Ist der Versicherungsnehmer gesetzlich vertreten, so kommt es regelmäßig nur auf die Kenntnis des g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s an. Soweit der gesetzlich vertretene Versicherungsnehmer für sein Verhalten verantwortlich ist, kommt es aber auch auf seine Kenntnis an (näheres: § 3 Anm. 9, § 19 Anm. 43). Auch die Kenntnis d r i t t e r kommt in Betracht, wenn sich der Versicherungsnehmer ihrer Hilfe bei seinen Versicherungsangelegenheiten bedient hat (näheres: § 3 Anm. 19, § 19 Anm. 45). Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommt es für den Versicherungsnehmer auf die Kenntnis auch des Versicherten an, wenn der Versicherte zu jenen dritten gehört (näheres: § 3 Anm. 19), für den Versicherten auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers, wenn dieser zu jenen dritten gehört (vgl. oben Anm. 4). — Von der G e f a h r e r h ö h u n g muß der Versicherungsnehmer Kenntnis gehabt haben. Uber den Begriff der Gefahrerhöhung: § 23 Anm. 5. 8. Unverzüglich nach Kenntniserlangung ist anzuzeigen. Das bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern (BGB § 121 Abs. 1 ; näheres: § 3 Anm. 20). Insbesondere wird es regelmäßig nicht fahrlässig sein, wenn der Versicherungsnehmer zögert, weil er weiß oder annimmt und annehmen darf, daß der Versicherer die Gefahrerhöhung kennt.
§ 26 Anm. 5
Anm. 6
Anm. 7
Anm. 8
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§ 2 6 Dagegen ist es natürlich stets fahrlässig, wenn er sich der Anzeigepflicht als solcher nicht bewußt ist (RG 95. 255). Wenn der Versicherungsnehmer zwar das gefahrerhöhende Ereignis kennt, aber nicht weiß, d a ß es die Gefahr erhöht hat, so hat er eben nur Kenntnis von dem Ereignis, aber nicht von der Gefahrerhöhung (vgl. R O H G 5. ia 1). Die Anzeigepflicht ist überhaupt noch nicht entstanden; die Frage des Verschuldens kommt gar nicht in Betracht. Anm. 9
9. Der Versicherungsnehmer hat anzuzeigen. Die Anzeige ist, ihrem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Wissenserklärung. Sie m u ß also unter Anwesenden dem Versicherer gegenüber so gemacht werden, daß dieser sie vernimmt oder doch, wenn er n u r wollte, vernehmen müßte. Unter Abwesenden m u ß sie dem Versicherer zugehen (anal. BGB § 130). Näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 33. Anm. 10 10. Die Gefahrerhöhung ist anzuzeigen. Über den Begriff der Gefahrerhöhung: §23 Anm. 5 u. 13 und die dort angeführte Entscheidung BGHZ 7.311. Insbesondere braucht der Versicherungsnehmer Gefahrerhöhungen, die im Wesen der versicherten Unternehmung liegen, natürlich nicht anzuzeigen (§ 23 Anm. 11), ebenso nicht Umstände, die in den beteiligten Fachkreisen allgemein bekannt sind ( O L G H a m b u r g VersR 1955.501). — Nur Gefahrerhöhungen, die n a c h dem Vertragsschluß entstehen, brauchen angezeigt zu werden. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der §§ 19—27. Ist der Vertrag unter Abwesenden geschlossen, so m u ß der Versicherungsnehmer aber auch Gefahrerhöhungen anzeigen, die zwar noch v o r dem Vertragsschluß, aber so spät entstanden sind, daß sie vor dem Vertragsschluß nicht mehr angezeigt werden konnten (§ 19 Anm. 52). — I m Falle einer Vergangenheitsversicherung müssen auch Gefahrerhöhungen angezeigt werden, die v o r dem Vertragsschluß entstanden sind. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der §§ 24 und 26 (vgl. auch § 24 Anm. 9). Die vorvertragliche Anzeigepflicht wird hierdurch natürlich nicht berührt (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2). — Auch Gefahrerhöhungen, die bereits wieder b e s e i t i g t sind, müssen angezeigt werden. Zwar gehen sie den Versicherer weniger an. Aber er kann auch ein Interesse daran haben, von ihnen Kenntnis zu erlangen, ζ. B. wegen der Zuschlagsprämie des § 25. U n d § 26 unterscheidet nicht. — Gefahrerhöhungen j e d e r A r t sind anzuzeigen. O b sie mit dem Willen oder unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers entstanden sind, ob die sie herbeiführenden Ereignisse zum Bereich der versicherten Gefahren gehören oder nicht, gilt gleich. Auf alle Gefahrerhöhungen trifft die dem § 26 zugrunde liegende Erwägung zu, d a ß der Versicherer Kenntnis haben muß, um sein Verhalten gegenüber dem Versicherungsnehmer danach einrichten und sich gegen größere Nachteile durch Rückversicherung schützen zu können, auf einzelne Gefahrerhöhungen auch die Erwägung, daß er wegen der Zuschlagsprämie des § 25 Kenntnis haben m u ß (oben Anm. 3). Ebenso gilt gleich, ob die Gefahrerhöhungen erheblich oder nur unerheblich sind. Aber nur unerhebliche Reiseverzögerungen und nur unerhebliche Abweichungen vom Reiseweg sind nach § 23 Abs. 2 als Gefahränderungen und demgemäß auch als Gefahrerhöhungen nicht zu behandeln und deshalb auch nicht nach § 26 anzuzeigen (vgl. auch BGHZ 7. 311). — Nur Gefahrerhöhungen, die den Versicherer nicht befreien, sind anzuzeigen: a) Anzuzeigen sind also alle Gefahrerhöhungen, die u n a b h ä n g i g v o m W i l l e n des Versicherungsnehmers entstanden sind, die der Versicherungsnehmer nicht (sei es selbst, sei es durch ihm gleichstehende Dritte) vorgenommen oder gestattet hat. b) Anzuzeigen sind ferner alle Gefahrerhöhungen, die der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r (oder ein ihm gleichstehender Dritter) v o r g e n o m m e n oder gestattet hat, wenn der V e r s i c h e r e r gleichwohl nach § 24 Abs. 2 n i c h t f r e i wird (teilw. abw. K i s c h 2. 522, wohl mit Rücksicht auf die abw. Fassung des V V G ) . Da der Versicherer
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nach § 24 Abs. 2 trotz grundsätzlicher Befreiung immer noch in dem Ausnahmefalle § 2 6 haftet, daß die Gefahrerhöhung auf Versicherungsfall und Entschädigung k e i n e n E i n f l u ß hat üben können, und sich dieser Fall regelmäßig erst in der Zukunft ergeben kann, bleibt also dem Versicherungsnehmer regelmäßig nichts anderes übrig, als auch Gefahrerhöhungen anzuzeigen, die den Versicherer befreien, — ein weiterer Beweis f ü r die Unzweckmäßigkeit der Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 2. c) Anzuzeigen sind auch Gefahrerhöhungen, in die der V e r s i c h e r e r e i n g e w i l l i g t hat. Denn § 26 macht keinen Unterschied und die ihm zugrunde liegende Erwägung trifft auch dann zu, wenn der Versicherer eingewilligt hat. Freilich wird der Versicherer in solchem Falle oft von der Gefahrerhöhung Kenntnis haben. Dann schadet natürlich die Nichtanzeige dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht (oben A n m . 5, unten Anm. 13). Aber der Fall kann auch (und wird in der Regel) so beschaffen sein, daß der Versicherer keine Kenntnis hat. So insbesondere, wenn er schon b e i m V e r t r a g s s c h l u ß Gefahrerhöhungen zugestimmt hat, etwa mit der Klausel, daß „ d e r Versicherungsnehmer die Gefahr ändern, insbesondere erhöhen, und die Änderung einem dritten gestatten d a r f " , oder daß „alle und jede Abweichung von der Reise gegen eventuell nach Billigkeit zu regulierende Prämie stets mitgedeckt sein sollen" (§ 23 Anm. 72). Anders O L G Hamburg H G Z 1907. 207 unter Billigung des R G H G Z 1908. 262: Enthalte der Vertrag eine solche Klausel und weiche der Versicherungsnehmer von der versicherten Reise ab, so sei diese Abweichung keine Abweichung von der versicherten Reise, weil „ j e d e aus der Abweichungsklausel sich ergebende, demnächst tätsächlich unternommene R e i s e " als versicherse Reise aufzufassen sei. Solche Auslegung tut dem Wortlaut ebensosehr wie dem Sinn der Klausel Gewalt an. Abweichungen vom Reiseweg, die im Vertrag selbst als Abweichungen bezeichnet werden, sind und bleiben Abweichungen und können ihren Charakter als Abweichungen nicht dadurch verlieren, daß für den Fall der Abweichung bestimmt ist, der Versicherer solle nicht frei sein und dafür eine Zuschlagsprämie erhalten. Auch von Gefahrerhöhungen, die unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers entstehen, kann man mit H G Z 1907. 207, 1908. 262 sagen, daß sie in der versicherten Unternehmung einbegriffen und deshalb — keine Gefahrerhöhungen sind. Die Folgewidrigkeit solcher Erwägung liegt auf der Hand. So gut wie Gefahrerhöhungen, die unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers entstehen und deshalb allgemein gedeckt sind, angezeigt werden müssen, müssen Gefahrerhöhungen angezeigt werden, die besonders gedeckt werden. Verzichte sind nicht zu vermuten. D a § 23 ausdrücklich zwischen Gefahränderungen mit Einwilligung und solchen ohne Einwilligung des Versicherers unterscheidet, § 26 dagegen Gefahrerhöhungen ohne Unterschied als anzeigebedürftig bezeichnet, so wird jedenfalls nicht zweifelhaft sein können, daß nach § 26 auch Gefahrerhöhungen anzuzeigen sind, denen der Versicherer irgendwann, sei es bei oder nach Vertragsschluß, und irgendwie, sei es im Vertrag oder außerhalb, zugestimmt hat. Wie hier auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu §26 A D S . 1 1 . G e f a h r e r h ö h u n g e n , d i e d e n V e r s i c h e r e r b e f r e i e n , brauchen nicht Anm. 1 1 angezeigt zu werden. H a t der Versicherungsnehmer zwar von einer Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt, aber entschuldbar geglaubt, daß sie den Versicherer befreie, so hat er die Anzeigepflicht verletzt, aber ohne Verschulden. — Zeigt der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung, die den Versicherer befreit, gleichwohl an, so entstehen keine besonderen Rechtsfolgen. Unter Umständen aber kann, wenn der Versicherer die Anzeige von der befreienden Gefahrerhöhung widerspruchslos entgegennimmt, hierin die Zustimmung zur Gefahrerhöhung oder der Verzicht auf die Befreiung von der Entschädigungspflicht erblickt werden (näheres: § 23 Anm. 3 1 , § 24 Anm. 6).
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Gefahränderung
§ 26 i2. Für den I n h a l t d e r A n z e i g e ist im übrigen das Interesse des Versicherers Anm. 12 maßgebend, das den § 26 veranlaßt hat (oben Anm. 3; vgl. auch § 3 Anm. 22). Der Versicherungsnehmer darf sich natürlich nicht darauf beschränken, anzuzeigen, daß die Gefahr erhöht ist. Er braucht dies andererseits auch nicht anzuzeigen. Er muß den Sachverhalt mitteilen, der ihn zur Anzeige veranlaßt. Die nötigen Schlüsse aus der Anzeige zu ziehen, kann er dem Versicherer überlassen ( K i s c h 2. 518). Zu weiterer Auskunft ist er nicht verpflichtet. Ebensowenig braucht er zu gestatten, daß der Versicherer durch eigene Ermittlung, Besichtigung oder Untersuchung eingreift (arg. e contr.: VVG § 120, wonach der Versicherer versicherte Tiere jederzeit untersuchen und besichtigen kann; ebenso K i s c h 2. 523). Nur unter besonderen Umständen wird sich aus der Treuepflicht des § 13 etwas anderes ergeben. Anm. 13 13. V e r l e t z t d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r vorsätzlich oder fahrlässig die A n z e i g e p f l i c h t , so muß er dem Versicherer den dadurch verursachten S c h a d e n e r s e t z e n (BGB § 276). Hat der Versicherer von der Gefahrerhöhung rechtzeitig anderweit Kenntnis erlangt, so kann er sich auf die Verletzung der Anzeigepflicht regelmäßig nicht berufen (Begr. z. VVG §§ 23—29, oben Anm. 5, 10). Denn durch die Nichtanzeige kann regelmäßig kein Schaden entstanden sein. In diesem Sinne noch heute richtig: Eum qui certus est certiorari ulterius non oportet (R. 31 in VI de reg. jur. 5. 12). — Verlangt der Versicherer Schadensersatz, so muß er b e w e i s e n , daß die Gefahr erhöht ist, daß er nicht frei ist, daß der Versicherungsnehmer nicht oder nicht ohne Zögern angezeigt hat. Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß die Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige nicht verschuldet ist (näheres: § 3 Anm. 24). Anm. 14 14. Der V e r s i c h e r e r ist n i c h t v e r p f l i c h t e t , dem Versicherungsnehmer von Gefahrerhöhungen Mitteilung zu machen, durch die er von der Entschädigungspflicht befreit ist. Dazu besteht auch regelmäßig kein Anlaß. Denn der Versicherer wird ja nur durch solche Gefahrerhöhungen befreit, die der Versicherungsnehmer vorgenommen oder gestattet hat. Der Fall kann aber auch so liegen, daß der Versicherungsnehmer von solchen Gefahrerhöhungen keine Kenntnis hat und dies dem Versicherer bekannt ist; so etwa, wenn ein dritter, dessen Verhalten der Versicherungsnehmer gegen sich gelten lassen muß, die Gefahr erhöht hat. In solchem Falle kann sich aus der Treuepflicht des Versicherers ergeben, daß er von der ihn befreienden Gefahrerhöhung dem Versicherungsnehmer Mitteilung machen und Schadensersatz leisten muß, wenn er diese Verpflichtung schuldhaft verletzt (§ 13 Anm. 6, V o i g t 187). Anm. 15 15· § 26 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Auch der Vorversicherer muß dem Rückversicherer Gefahrerhöhungen unverzüglich anzeigen, wenn der Rückversicherer nicht durch die Erhöhung von der Entschädigungspflicht befreit wird. — Der Vorversicherer ist also nicht verpflichtet, dem Rückversicherer „von jeder Änderung des Risikos Anzeige zu machen" (so E h r e n b e r g R V R 35; näheres: § 1 Anm. 158). Er ist insbesondere nicht verpflichtet, Gefahrerhöhungen anzuzeigen, die der Vorversicherte, nach dem Vorversicherungs-Vertrag und nach dem Rückversicherungs-Vertrag zulässigerweise, vornimmt oder gestattet. Auch von solchen nicht, denen der Vorversicherer im Rahmen seines Abwicklungsrechts zustimmt. Wohl aber von solchen, welche für den Rückversicherer den Anspruch auf Zuschlagsprämie begründen. Anm. 16 16. Fremde Rechte. Eine Anzeigepflicht gleich derjenigen des § 26 ist, wie dem HGB, so auch den fremden Rechten im allgemeinen unbekannt.
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§27
§27
Anzeigepflichtverletzung und Gefahränderung hinsichtlich eines Teiles der versicherten Gegenstände Liegen die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer wegen einer V e r letzung der Anzeigepflicht oder wegen einer Gefahränderung von der V e r pflichtung zur Leistung frei ist, in Ansehung eines Teiles der Gegenstände vor, auf die sich die Versicherung bezieht, so ist der Versicherer in Ansehung des übrigen Teiles nur frei, w e n n anzunehmen ist, d a ß er für diesen allein den V e r t r a g unter den gleichen Bestimmungen nicht geschlossen haben würde. D e r Versicherungsnehmer ist in diesem Falle v o n der V e r p f l i c h t u n g zur Z a h l u n g eines entsprechenden Teiles der Prämie frei; der Versicherer kann j e d o c h insoweit die Ristornogebühr verlangen. 1. Vgl. H G B § 810, A S V B §§ 33,34, V V G §30. — L i t e r a t u r : § 19 Anm. 2, §23 Anm. 1 Anm. 2. 2. Uber mehrere Gegenstände (ζ. B. Hausgerät oder 1000 Sack Kaffee) kann Anm. 2 nur e i n Versicherungsvertrag, es können darüber auch m e h r e r e Versicherungsverträge geschlossen werden. Ob nur ein Vertrag geschlossen ist, oder ob mehrere Verträge geschlossen sind, ist von rechtserheblicher Bedeutung, ζ. B. für die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vertrags (BGB § 139), für die Unter-, Uber- oder Doppelversicherung, für die Franchise usw. Insbesondere auch für die Rechtsfolgen von Verletzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht und der Gefahrstandspflicht. Diese Rechtsfolgen entstehen grundsätzlich nur für das Versicherungsverhältnis, bei dessen Begründung die Anzeigepflicht oder in dessen Verlauf die Gefahrstandspflicht verletzt ist. Anders nur etwa, wenn die Entschädigungspflicht des Versicherers aus dem einen Vertrag erkennbar die Voraussetzung für die Entschädigungspflicht aus dem anderen Versicherungsverhältnis bildet. — O b nur ein Vertrag geschlossen ist, oder ob mehrere Verträge geschlossen sind, ist Tatfrage. Ist n u r e i n e P o l i c e ausgestellt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß nur ein Vertrag geschlossen ist; umgekehrt, wenn mehrere Policen ausgestellt sind. Ist für die mehreren Gegenstände n u r e i n e V e r s i c h e r u n g s s u m m e festgesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß nur ein Vertrag geschlossen ist; umgekehrt, wenn (sei es auch in einer Police) mehrere Versicherungssummen festgesetzt sein. Näheres: § 7 Anm. 2, 3, auch R o e l l i 113. — Wenn der Vertrag sich auf mehrere Gegenstände bezieht, und zwar nur eine Versicherungssumme, aber m e h r e r e T a x e n vereinbart sind, ist im Zweifel anzunehmen, daß nur ein Vertrag geschlossen ist. Die Gegenstände gelten aber nach § 7 zugunsten des Versicherungsnehmers als besonders versichert. Ist nur für einen Teil der Gegenstände die Anzeigepflicht oder die Gefahrstandspflicht verletzt, so entstehen die Rechtsfolgen der Verletzung nur für diesen, in der besonderen Taxe zusammengefaßten Teil, nicht auch für die übrigen Gegenstände (näheres: § 7 Anm. 6 — j o ) . § 27 findet auf diesen Fall keine Anwendung. 3. Satz 1. Ist die Anzeigepflicht oder die Gefahrstandspflicht verletzt, so Anm. 3 ist der Versicherer grundsätzlich frei, mag die Verletzung alle oder nur einzelne der Gegenstände betreffen, auf welche die Versicherung sich bezieht. Von diesem Grundsatz macht § 27 aus Rücksichten der Billigkeit ( R o e l l i 114) eine A u s n a h m e : Wenn die Verletzung nur einen Teil der Gegenstände betrifft, so ist der Versicherer nur für diesen Teil frei; ganz ist er nur dann frei; wenn anzunehmen ist, daß er für den Rest den Vertrag (überhaupt nicht oder doch) nicht unter den gleichen Bedingungen geschlossen haben würde.
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Teilweise Verletzung der Anzeige- und Gefahrstandspflicht
§ 27 Gegena ) Die Versicherung m u ß sich auf „Gegenstände", also auf m e h r e r e Anm. 4 s t ä n d e beziehen. Den Gegensatz bildet die Versicherung eines, eines einzigen Gegenstandes. Ein Gegenstand ist oft aus mehreren wesentlichen oder nicht wesentlichen Bestandteilen zusammengesetzt. Bezieht sich die Versicherung auf e i n e n einzigen, wenngleich a u s m e h r e r e n B e s t a n d t e i l e n b e s t e h e n d e n G e g e n s t a n d , so ist § 27 nicht, auch nicht sinngemäß anwendbar. O b es sich u m mehrere Gegenstände oder u m nur einen, aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Gegenstand handelt, ist Tatfrage. Dadurch, daß mehrere Gegenstände zu einem „ I n b e g r i f f " (vgl. BGB §§ 92 Abs. 2, 260, 1035, V V G §§ 54, 85) vereinigt sind, ζ. B. zu einem Hausrat, verlieren sie noch nicht die Eigenschaft mehrerer Gegenstände. Anders, wenn die Gegenstände zu einer S a c h g e s a m t h e i t vereinigt sind, die zwar auch aus einer Anzahl von an sich selbständigen Sachen besteht, diese aber dergestalt zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfaßt, d a ß das Ganze im Verkehr nur als ein Gegenstand angesehen wird (vgl. auch H G B § 794: „Gesamtheit von Gegenständen", ein Ausdruck, der hier freilich wohl in weiterem Sinne gemeint ist). Das ist regelmäßig beim Hausrat nicht der Fall. Aber es kann bei einer „Möbelgarnitur" der Fall sein (LG Lübeck A P V 1911 I I 78). Es ist regelmäßig nicht bei einer Bibliothek oder einer Sammlung der Fall, wohl aber bei einer „Musterkollektion" oder einem „Sortiment" (LG Lübeck A P V 1911 I I 78, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1870. 53, Seebohm 533). Aus ähnlichen Gründen bildet ein Sack Kaffee, eine lose Ladung Reis oder Kohlen einen einzigen Gegenstand. Aus demselben Grunde bilden auch Zubehörstücke (BGB § 97) mit der Hauptsache einen einzigen Gegenstand. Vgl. auch § 1 Anm. 36, 39, § 94 Anm. Anm. 5
b) „ G e g e n s t ä n d e " sind S a c h e n (BGB § 90: körperliche Gegenstände) und a n d e r e D i n g e , insbesondere Forderungen, ζ. B. Frachtforderungen. Nach der Ausdrucksweise des Gesetzes und der ADS müßte es dabei bewenden. Denn wenn Gesetz und ADS von „Gegenständen, auf die sich die Versicherung bezieht," sprechen, meinen sie gewöhnlich den Gegenstand des versicherten Interesses (ζ. B. das Schiff, die Güter) oder doch den Gegenstand, der das Interesse an der Sache vermittelt (ζ. B. die Frachtoder die Pfandforderung); vgl. §§ 79, 99 usw. „Gegenstände, auf die sich die Versicherung bezieht", können aber begrifflich auch v e r s i c h e r t e I n t e r e s s e n sein. Wie die „Versicherung mehrerer Gegenstände" im Sinne des § 7 auch die Versicherung mehrerer Interessen an einem einzigen Gegenstand umfaßt (§ 7 Anm. 4), so wird m a n im Sinne des § 27 als „Gegenstände, auf die sich die Versicherung bezieht", auch mehrere versicherte Interessen an einem einzigen Gegenstand begreifen müssen (ebenso K i s c h 2. 377, 508). § 27 ist also auch dann anzuwenden, wenn etwa der Lagerhalter durch einen Vertrag zugleich das Eigentümerinteresse für fremde Rechnung und das Haftpflichtinteresse für eigene Rechnung versichert hat. — Hiernach würde § 27 auch dann anwendbar sein, wenn durch einen einzigen Vertrag m e h r e r e B r u c h t e i l s - I n t e r e s s e n a m gemeinschaftlichen Gegenstand versichert würden. Aber wie im Falle des § 7, der besonderen Taxierung der einzelnen Interessen, so ist auch in diesem Falle § 27 unanwendbar. Die aus dem besonderen Verhältnis der Teilinteressenten sich ergebenden besonderen Grundsätze gehen der allgemeinen Bestimmung des § 27 vor (so auch B r u c k M ö l l e r Anm. 14 zu § 30 V V G , P r ö l ß Anm. 1 zu § 30 V V G ) . Näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 54. Anm. 6 c) O b d i e V e r l e t z u n g der Anzeigepflicht oder der Gefahrstandspflicht n u r e i n e n T e i l der mehreren Gegenstände b e t r i f f t , ist Tatfrage. Wird ein Teil der versicherten Güter in unmittelbarer Nähe des Schiffskessels verstaut, so kann dies nur f ü r diesen Teil, es kann aber auch hierdurch f ü r den übrigen Teil der versicherten Güter, j a f ü r Schiff und Ladung überhaupt gefahrerheblich sein (vgl. Prot. 3151, Begr. z. V V G § 30, G e r h a r d 140, K i s c h 2.380, R o e l l i 115). Ist ein Teil der versicherten Güter auf
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Deck verladen, so kann dies überhaupt nicht gefahrerheblich sein, weil das Risiko des Versicherers durch § 85 Abs. 1 beschränkt ist. Es kann aber auch für alle Güter gefahrerheblich sein, wenn die Verladung der Güter auf Deck für Schiff und Ladung gefährlicher ist als die Verladung unter Deck, ·— für die auf Deck verladenen Güter, weil der Versicherer im Falle des Schiffsverlustes haftet (§ 85 Abs. 1), für die unter Deck verladenen Güter, weil das Risiko des Versicherers insoweit überhaupt nicht beschränkt ist. Näheres: § 19 Anm. 26; vgl. auch Prot. 3150. d) Es muß a n z u n e h m e n sein, daß der V e r s i c h e r e r f ü r den ü b r i g e n T e i l allein den Vertrag, sei es überhaupt n i c h t , sei es nicht unter den gleichen Bedingungen geschlossen h a b e n w ü r d e . — Gefahrerheblich und deshalb beim Vertragsschluß anzuzeigen sind nur die (aber auch alle) Umstände, die objektiv, nach der Verkehrsanschauung geeignet sind, einen Versicherer zu beeinflussen (§ 19 Anm. 31). Auf die besonderen Anschauungen oder geschäftlichen Grundsätze gerade dieses Versicherers kommt es nicht an. Dies ergibt zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes und der ADS, wohl aber die Interessenlage, die sie behandeln. Anders hier. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht oder die Gefahrstandspflicht verletzt, so kann dem Versicherer nicht zugemutet werden, ein Verhältnis teilweise durchzuhalten, das er in dieser Gestalt nicht oder, wenn doch, anders eingegangen wäre, insbesondere nicht, wenn er sich nicht mit einem verhältnismäßigen Teil der vereinbarten Prämie begnügt, sondern eine verhältnismäßig höhere Prämie gefordert haben würde. Maßgebend ist also in diesem Falle der s u b j e k t i v e S t a n d p u n k t . Demgemäß kann sich freilich auch der Versicherungsnehmer darauf berufen, daß zwar ein gewöhnlicher Versicherer die Versicherung des Restes nicht oder nicht zu gleichen Bedingungen übernommen hätte, daß aber dieser Versicherer es gleichwohl aus besonderen Gründen getan haben würde. Ebenso G e r h a r d 141, K i s c h 2. 388, R o e l l i 115, B r u c k - M ö l l e r Anm. 18 zu § 30 V V G , P r ö l ß Anm. 3 zu § 30 V V G , Abw. L e w i e s 2. 342 „natürlich durch Sachverständige zu beurteilen", und S i e v e k i n g 62: „Die Gründe, welche den Versicherer vom Abschluß des Vertrags abgehalten hätten, müßten, wie sich aus den Worten ,wenn anzunehmen ist' ergebe, objektiv berechtigt sein". Das ergibt sich aber aus den Worten: „wenn anzunehmen ist" keineswegs (unten Anm. 8). Abw. wohl auch E h r e n z w e i g V V 99 und K G J R P V 1926. 313. e) B e w e i s l a s t . Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß die Verletzung nur einen oder einzelne Gegenstände betrifft, der Versicherer, daß er annehmbarer Weise den Versicherungsvertrag nicht oder nicht ebenso geschlossen haben würde ( G e r h a r d 141, K i s c h 2. 391, S i e v e k i n g 62; S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 27 ADS, Prölß Anm. 3 zu § 30 V V G : „daß er den übrigbleibenden Teil des Vertrages allein nicht geschlossen haben würde", B r u c k - M ö l l e r Anm. 18 zu § 30 V V G : „daß er die Restversicherung ihrer Geringfügigkeit wegen nicht abgeschlossen hätte oder daß er das verbliebene schlechte Risiko üblicherweise nur zusammen mit dem weggefallenen normalerweise guten Risiko decke"; ebenso auch wohl nach § 810 HGB a. F., § 33 ASVB). Doch braucht der Versicherer nur zu beweisen, daß „ a n z u n e h m e n " ist, daß er die Versicherung für den Rest nicht übernommen haben würde. Der Versicherer braucht dies nur wahrscheinlich zu machen, nicht jene Wahrscheinlichkeit zu erbringen, die im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hingenommen wird. Er braucht also nicht nach gewöhnlichen Beweisgrundsätzen zu beweisen, daß er die Versicherung für den Rest nicht übernommen haben würde. 4. Satz 2. Nach § 810 HGB, §§ 33, 34 ASVB, §§ 30, 40 V V G wird die P r ä m i e n pflicht des Versicherungsnehmers dadurch nicht berührt, daß der Versicherer auch für die v o n der Verletzung nicht betroffenen Gegenstände frei wird. Nach § 27 braucht der Versicherungsnehmer hierfür keine P r ä m i e zu zahlen. Die Prämie ist 29
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§ 27 aber nicht etwa nur nach dem Verhältnis der Werte zu teilen, welche die beiden Teilinteressen haben. Der Versicherer ist j a gerade deshalb ganz frei, weil er die Versicherung des Restinteresses unter den gleichen Bedingungen, also insbesondere z u m verhältnismäßigen Teil der Prämie nicht übernommen haben würde. Vielmehr sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (so auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 27 ADS). Sind ζ. B. beide Teilinteressen j e 1 000 wert, so ist die Prämie nicht einfach zu hälften, sondern zu berücksichtigen, daß etwa das eine Teilinteresse in doppelt so großem U m f a n g wie das andere der Möglichkeit der Entstehung von Versicherungsschäden ausgesetzt und bei der Prämienbemessung nach dem Grundsatz der Gefahrausgleichung verfahren ist. — Von dem Teile der Prämie, den der Versicherungsnehmer nicht zu zahlen braucht, m u ß er Ristornogebühr zahlen. Näheres hierüber: § 3 Anm. 29fr., § 18 Anm. Die Klauseln „Ristorno franko" oder ähnlich (§ 3 Anm. 32, § 18 Anm. 5) sind natürlich f ü r Fälle, wie den des § 27, nicht bestimmt. Anm. 10 5. § 27 ist unanwendbar, wenn die Verletzung nur einen T e i l d e r vom Versicherer übernommenen G e f a h r e n , im Falle einer Güterversicherung etwa nur die Diebstahlsgefahr, betrifft ( K i s c h 2. 380, R o e l l i 117, B r u c k - M ö l l e r Anm. 13 zu § 30 V V G , P r ö l ß Anm. 1 zu § 30 V V G ; über den sog. Grundsatz der Unteilbarkeit der Gefahr: § 16 Anm. 28). Ebensowenig ist in solchem Falle § 139 BGB anwendbar. Vielmehr ist der Versicherer frei, wenn die Verletzung auch nur eine der versicherten Gefahren betrifft. Eine Ausnahme macht § 122 Abs. 2 für den Fall, daß die Versicherung „Auch für Kriegsgefahr" genommen ist. Eine weitere Ausnahme wird man für den Fall machen dürfen, daß einzelne Gefahren (ζ. B. die sonst allgemein ausgeschlossenen Repressalienund Diebstahlsgefahren besonders übernommen werden, insbesondere die Prämie für ihre Ü b e r n a h m e besonders bestimmt ist (vgl. § 5 Anm. 5 unter g, Anm. 9 Nr. 6, Anm. 10 Nr. 5). Anm. n 6. Ü b e r die sinngemäße Anwendung des §27, wenn imFalle einer V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g der Versicherer wußte, daß die Möglichkeit des Versicherungsfalls f ü r einen Teil der versicherten Gegenstände schon ausgeschlossen war, oder der Versicherungsnehmer wußte oder wissen mußte, d a ß der Versicherungsfall f ü r einen Teil der versicherten Gegenstände schon eingetreten w a r : § 5 Anm. 17. Anm. 12 7. § 27 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Uber den Fall einer nur teilweisen Befreiung des Vorversicherers: § 2 Anm. 23. Uber die Ristornogebühr des Rückversicherers und seinen Anteil an der Ristornogebühr des Vorversicherers: § 3 Anm. 34. Anm. 13 8. Fremde Rechte. Vgl. § 2 Anm. 27, § 19 Anm. 59, 60.
VI. Umfang und Dauer der Haftung des Versicherers § 2 8 Umfang und Haftung im allgemeinen D e r Versicherer t r ä g t , soweit n i c h t ein a n d e r e s b e s t i m m t ist, alle G e f a h r e n , d e n e n d a s Schiff o d e r die G ü t e r w ä h r e n d d e r D a u e r d e r V e r s i c h e r u n g ausgesetzt sind. E r h a f t e t insbesondere f ü r einen S c h a d e n , d e r d u r c h E i n d r i n g e n v o n Seewasser, S c h i f f s z u s a m m e n s t o ß , S t r a n d u n g , S c h i f f b r u c h , B r a n d , Explosion, Blitzschlag, E r d b e b e n , Eis o d e r d u r c h Diebstahl, S e e r a u b , P l ü n d e r u n g o d e r a n d e r e Gewalttätigkeiten verursacht wird. Er haftet jedoch für einen Schaden n u r in d e m d u r c h diese B e d i n g u n g e n b e s t i m m t e n U m f a n g e , insbesondere n i c h t f ü r d i e
Gefahr
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Belastung des versicherten Gegenstandes mit Schiffsgläubigerrechten oder für § 28 den Schaden, der durch eine Verzögerung der Reise verursacht wird. 1. V g l . H G B §§ 820, 844, A S V B §§ 69, 96, B S V B § 1, V V G § 129. Anm. 1 2. Literatur. A h r e n s , Die Gefahrdeckung in der deutschen und englischen See- Anm. 2 Versicherung, Diss. Hamburg 1957. B u s s e D Ö V 1927. 321 (Der Grundsatz der „nächsten Ursache" im Seeversicherungsrecht), H a g e n S V R 23—27, 54—59. H a g e n s H R Z 1923. 361 (Causa proxima non remota spectatur). H o c h g r ä b e r J R P V 1925. 33 (Die Causa-Proxima-Regel im englischen Seeversicherungsrecht), NeumannsZ 1936. 367 (Ein Bruch und vier Prozesse). J o s e f L Z i g i o . 285 (Vormittag und Nachmittag bei der Versicherung), OestZ 1916. 90 (Eintritt der Versicherungsfalls unmittelbar vor dem Beginn der Versicherung). K i s c h Z f V W 1917. 488 (Uber die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Gefahr im Versicherungsrecht), Wirtschaft und Recht der Versicherung 1926 Nr. 1 (Zum Kausalproblem im Versicherungsrecht). L i e b i s c h H R Z 1922. 269 (Zum Begriff des Seeunfalls). L i n d e n m a i e r Z H R 113. 207 (Adäquate Ursache und nächste Ursache, Zur Kausalität im allgemeinen bürgerlichen Recht und in den A D S ) , J b A K f D R 1938. 117 (Adäquate Verursachung oder nächste Ursache?). L ö t s c h , Die Risikobeschränkungen, 1935 (Hamburger Rechtsstudien Nr. 27). Müllereisert VersArch 1942.421 (Die causa-proxima-Regel im Seeversicherungsrecht). P r ö l ß H a n s R G Z 1942 A 145 (Adäquate, nächste und letzte Ursache). R a u s n i t z NeumannsZ 1916. i n (Haftung des „ N u r für Seegefahr"-Versicherers für die Gefahr der Verfügung von Hoher Hand). R i t t e r Z f V W 1911. 761 (Die Arrestgefahr usw.), Z f V W 1914. 28 (Vom Grundsatz der allgemeinen Gefahrdeckung usw.). R u n g e , Die Causa-proximaLehre nach französischem, englischem, norwegischem und deutschem Recht unter besonderer Berücksichtigung allgemeiner Kausalitätsgrundsätze, Diss. Hamburg 1950. S c h n e i d e r H R Z 1917. 477 (Zum Begriff des mittelbaren Versicherungsschadens). S c h u l t z e VersR 1958. 273 (Das Kausalitätsproblem in der Seeversicherung). V i d a l W u R V e r s 1928 Heft 2 (Die Tatsachengrundlage des Versicherungsverhältnisses und die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges im Privatversicherungsrecht). W e r n e b u r g Z f V W 1919.343 (Der Kausalzusammenhang zwischen Unterlassungen des Versicherungsnehmers und Versicherungsschaden). Y o s h i s a k u VersArch 1957. 205 (Causal Problems in Fire and Marine Insurance). — Weitere Literatur: § 5 Anm. 2 und zur Causa-proxima-Lehre unten Anm. 18. 3. Satz I. Der Versicherer trägt alle Gefahren. Nach altem Brauch: ogni Anm. 3 rischio di Dio e di mare e di gente ed ogni caso e pericolo e fortuna e disastro ο caso sinistro che per niuno modo potesse intervenire, e fosse fatto il caso, ο il pericolo, ο la fortuna, ο il disastro come si volesse, ο di che condizione (älteste pisanische Police von 1385, nach heutiger Zeitrechnung 1384, bei Β ens a 211). Vgl. ferner Police von 1590 bei K i e ß e l b a c h 167, P l a s s 57, Preuß. Seer. 1727 Art. 32, A H O 1731 V 1, Preuß. A H O § 64 usw. 4. Gefahr ist im allgemeinen eine Situation, die in der Vorstellung, im Urteil, Anm. 4 nach der Erfahrung die Möglichkeit der Entstehung von Nachteilen in sich birgt (vgl. auch BGB §§ 6, 229, 254 usw. und dazu K i s c h 2. 2); kürzer (wenngleich ungenauer): die Möglichkeit nachteiliger Ereignisse; auf die Versicherung hingesehen: die Möglichkeit von Versicherungsereignissen, insbesondere von Versicherungsfällen; auf besondere Arten von Nachteilen hingesehen: die Möglichkeit von Schäden; und auf die besondere Art sachversicherungsmäßiger Nachteile hingesehen: d i e M ö g l i c h k e i t v o n V e r s i c h e r u n g s s c h ä d e n (vgl. auch § 5 Abs. 1: „Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls"). In diesem Sinne „übernimmt" der Versicherer Gefahren (verbindet er sie mit seinem Vermögen), „trägt" er Gefahren (hat er sie mit seinem Vermögen 29«
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Gefahr
§ 2 8 v e r b u n d e n ) . I n diesem Sinne g e b r a u c h t der Versicherungsverkehr auch den Ausdruck „ d a s Risiko" oder „ d e r Risiko". „ D e r Assekuradeur trägt allen Risiko u n d Gefahr ( A H O 1731 V 9). I n diesem Sinne g e b r a u c h t die englische Rechtssprache d e n Ausd r u c k risk: to take t h e risk, a circumstance which diminishes the risk, the risk insured against, material to the risk, the subject-matter insured was not at risk, a n y earlier policy has borne the risk ( M I A §§ 18, 20, 23, 33, 75, 84). I n diesem Sinne g e b r a u c h t die französische Rechtssprache d e n Ausdruck le r i s q u e : l'assureur court les risques, est decharge des risques, sont aux risques des assureurs usw. (C. de comm. Art. 350, 362, 364 usw.). I n diesem Sinne „ l ä u f t " , „ d a u e r t " , „ b e g i n n t " , „ e n d i g t " die Gefahr ( H G B §§ 813, 814, 816, 823 usw., A H O 1 7 3 1 V 1 2 : „ D e r Risiko oder die Gefahr beginnet", M I A §§ 16, 36, 37, 43, 44, 84: c o m m e n c e m e n t of the risk, d u r i n g the risk, the risk has attached, t h e risk does not attach, C. de comm. Art. 332, 341 usw.: les risques doivent commencer et finir, le temps des risques, a u c h Art. 363: N a c h d e m Ablauf der Versicherungszeit l'assureur peut faire assurer les nouveaux risques). D e n n j e d e Situation h a t ihre Zeit, oder es wird ihr i m Versicherungsvertrag eine bestimmte Zeit gesetzt. I n diesem Sinne spricht m a n auch von den „ G e f a h r e n der Seeschiffahrt" oder d e n „ G e fahren der See" (§ 1, H G B §§ 778, 882) als der Situation, die infolge der Seeschiffahrt die Möglichkeit d e r Entstehung von Nachteilen in sich birgt, von der „ K r i e g s g e f a h r " oder der „ S e e g e f a h r " oder d e n „ ü b r i g e n G e f a h r e n " (§ 35, H G B §§ 820 Abs. 2, 848, 849), von den „ G e f a h r e n , denen das Schiff oder die G ü t e r . . . ausgesetzt s i n d , " (§ 28, H G B §§ 820 Abs. i, 882 Abs. 2, 894 Abs. 1; vgl. aber a u c h unten A n m . 5), von der „ Ä n d e r u n g " , der „ V e r ä n d e r u n g " , der „ E r h ö h u n g " oder „ V e r g r ö ß e r u n g " der Gefahr (§ 23, H G B § 814), „ g r ü n d e t sich d e r Notfall auf eine G e f a h r " ( H G B § 814). I n demselben Sinne spricht m a n schließlich auch im Verkehr von guten u n d schlechten, gefährlichen u n d ungefährlichen, inländischen u n d ausländischen Risiken (mehr oder m i n d e r nachteiligen, an das I n l a n d oder an das Ausland g e b u n d e n e n Situationen); vgl. E h r e n b e r g 5, a u c h R a u Z f V W 1901. 303. Anm. 5
Die englische Rechtssprache verwendet d a n e b e n den Ausdruck p e r i l . Gemeint sind g e f ä h r l i c h e E r e i g n i s s e , die Ereignisse, die der Situation den ihr charakteristischen Stempel des Wechsels aufdrücken. Die versicherte U n t e r n e h m u n g is exposed to maritime perils; m a r i t i m e perils means the perils consequent on, or incidental to, the navigation of the sea, t h a t is to say, perils of t h e sea, fire usw. ( M I A § 3); the term „perils of the seas" refers only to fortuitous accidents or casualties of the seas ( R C P 7). T h e insurer is liable for any loss proximately caused by a peril insured against ( G e f a h r e r e i g n i s , M I A § 55). W h e r e , by a peril insured against, the voyage is interrupted . . . ( M I A § 59). T h e assured is deprived of the possession by a peril insured against ( M I A § 60). D a m a g e d by a peril insured against ( M I A § 60) usw. Vgl. a u c h C. de c o m m . Art. 374: accidents a u risque des assureurs. Die deutsche Rechtssprache verwendet in diesen Fällen hin u n d wieder den Ausdruck „ G e f a h r " (ADS § 49 Abs. 3, H G B § 899 Abs. 3 : „ G e f a h r e n , die nicht eingetreten sein w ü r d e n , w e n n die V e r ä u ß e r u n g unterblieben w ä r e " , § 25: Ä n d e r u n g der Gefahr „infolge einer Gefahr, die der Versicherer nicht t r ä g t " ) . In der Regel g e b r a u c h t m a n im Versicherungsverkehr d e n (freilich engeren, nämlich n u r eine gewisse Art von Ereignissen bezeichnenden) Ausdruck „ U n f a l l " ( H G B §§ 816, 8 1 7 , 825, 840 usw.), „Unfall, f ü r den der Versicherer h a f t e t " , „ d e m Versicherer zur Last fallender U n f a l l " (§§ 95—97) oder a u c h den (freilich gleichfalls engeren) Ausdruck „Versicherungsfall" (§ 5 A n m . 28). Vgl. im übrigen insbesondere K i s c h 2. 2, der mit R e c h t auf die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks „ G e f a h r " hinweist, aber in der Bestimmung dieser Bedeutungen wohl zu weit geht u n d in den Ausdruck zu viel von d e m hineinlegt, was vielmehr in den mit i h m v e r b u n d e n e n Ausdrücken („übern e h m e n " , „ t r a g e n " , „ v e r ä n d e r n " usw.) enthalten ist.
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5. Gefahr ist also die Möglichkeit nachteiliger Ereignisse. Der Versicherer „ ü b e r - § 2 8 n i m m t " und „ t r ä g t " sie. E r nimmt sie dem Versicherungsnehmer nicht ab, er tritt Anm. 6 nicht an die Stelle des Versicherungsnehmers, — wie der Erwerber an die Stelle des Veräußerers oder der die Gefahr übernehmende K ä u f e r an die Stelle des Verkäufers tritt (Vorb. vor § 1 Anm. 2 1 ) . So wollte es freilich die plastischere Ausdrucksweise früherer Zeit: „ W i r stellen Uns . . . in die Stedt von euch Hans de Schott" (Police von 1590 bei K i e ß e l b a c h 167, L a n g e n b e c k 379, A H O 1 7 3 1 Anhang usw.), „ D i e Versicherer setzen sich an die Stelle des Versicherten" (Policen bei B e n e c k e 3. 193, ebenso noch AllgPlan 1847 § 13). A b e r : „ u m b auch zu entfreien und schadtloss zu halten von allem Verlust und schaden, welche ihnen widerfaren muchten, und komende die Sache änderst als woll mit derselben Kauffmannschafft oder Partey daselbst (dar es Godt behüte) Geloben und vorbinden wir uns zu betzalen und zu uorschiessen euch, oder den bringer dieses, Alle den Verlust und schaden den ihr sollet erlitten haben . . . " (Police von 1590 a a O ; ähnlich AllgPlan 1847 § 13). Z w a r steht nichts im Wege, daß der eine dem anderen die Gefahr abnimmt. Aber das wäre kein Versicherungsvertrag. Z w a r kaufte der Versicherer in den Anfängen des Versicherungswesens vom Versicherungsnehmer die Ware, zahlte den Kaufpreis für die nicht ankommende Ware, erhielt die wider Erwarten wieder zum Vorschein kommende Ware, erhielt dagegen die Ware nicht und brauchte auch nicht zu zahlen, wenn die Ware glücklich ankam (vgl. B e n s a 6). Aber das w a r eben nur ein Scheinkauf, der den Versicherungsvertrag verdeckte. Der Versicherer soll S c h ä d e n e r s e t z e n , welche die Folgen nachteiliger Ereignisse sind. Es hätte also auch nur ausgesprochen zu werden brauchen, daß der Versicherer den durch die nachteiligen Ereignisse verursachten Schaden ersetzen müsse, insbesondere der Seeversicherer den durch alle Arten von Ereignissen der Seeschiffahrt verursachten Schaden. Deshalb spricht auch § 1 V V G aus: „ . . . der Versicherer ist verpflichtet, nach dem Eintritte des Versicherungsfalls den dadurch verursachten Vermögensschaden nach Maßgabe des Vertrags zu ersetzen". I m übrigen sagen Gesetz und A D S , daß der Versicherer „die Gefahr übernimmt", „ d i e Gefahr trägt". Es handelt sich nur um eine andere, kürzere Form des Ausdrucks. Insbesondere kommt darin nicht etwa der Gedanke zum Ausdruck, daß auch Gefahrereignisse, die keinen Schaden verursachen, die nur die Gefahr ändern, zur Verantwortung des Versicherers stehen, daß der Versicherer also Schäden auch dann ersetzen muß, wenn ein Gefahrereignis die Gefahr geändert und ein zur so geänderten Gefahr gehörendes Ereignis den Schaden verursacht hat. Denn zur Verantwortung des Versicherers stehen auch versicherungsfreie Ereignisse, welche die Gefahr ändern (§ 23 32)·
6. W e l c h e n a c h t e i l i g e n E r e i g n i s s e es sind, deren Möglichkeit der Versicherer Anm. 7 „ ü b e r n i m m t " und „ t r ä g t " , welche Ereignisse Versicherungsereignisse, welche Fälle Versicherungsfälle, muß eben die Versicherung, der Versicherungsvertrag ergeben. Nach § 28 sind es a l l e Ereignisse, allemöglichen Ereignisse, da j a der Versicherer alle Gefahren, alle Möglichkeiten nachteiliger Ereignisse trägt. In Wirklichkeit sind es freilich nur grundsätzlich alle Ereignisse, ist fast immer eine Anzahl von Ereignissen ausgenommen (vgl. ζ. Β §§ 3 3 f f . ; s. K G J R P V 1926. 1 1 9 = Sasse Nr. 353, O L G Celle J R P V 1 9 4 1 . 91 = Sasse Nr. 454). Siehe zum Begriff der Totalität der Gefahren M ö l l e r I T V M i t t 1939. 65. a) Insbesondere sind es nicht nur „ Z u f ä l l e " , die zur Verantwortung des Ver- A n m . 8 sicherers stehen ( K i s c h 2. 64; anders früher ζ. B. E h r e n b e r g 4, P o h l s 4. 250; vgl. auch A H O 1 7 3 1 V 1 : „ D e r Assecuradeur trägt allen Risico und Gefahr, Schaden und Verlust, welcher den Schiffen oder Gütern auf eine oder die andere Weise, es sey durch Sturm, Ungewitter . . . zustoßen kann; und überhaupt alle andere bedachte oder unbedachte Zufälle . . . " ; R G H G Z 1884. 2 5 1 : es sei ein „Fundamentalsatz des Versicherungs-
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§ 2 8 rechts, d a ß d e m Versicherer n u r der f ü r d e n Versicherten zufällige Schaden z u r Last f a l l e " ; L G H a m b u r g H G Z 1889. 178: „ D e r Zweck des Versicherungsvertrags sei n u r auf Ersatz des aus casuellen Ereignissen sich ergebenden Schadens gerichtet"). Grundsätzlich steht der Versicherer a u c h f ü r Ereignisse ein, die der Versicherungsnehmer herbeigeführt h a t , f ü r die v o m Versicherungsnehmer herbeigeführte Ä n d e r u n g der G e f a h r u m s t ä n d e ( § 2 3 A n m . 9) u n d f ü r den vom Versicherungsnehmer herbeigeführten Versicherungsfall. Sonst h ä t t e n Gesetz u n d A D S nicht zu bestimmen brauchen, d a ß der Versicherer frei ist, wenn der Versicherungsnehmer die G e f a h r u m s t ä n d e ä n d e r t oder den Versicherungsfall herbeiführt (§§ 23, 24, 3 3 ; vgl. d a z u einerseits R O H G 5. 91, anderseits H G Z 1920. 290). Sonst m ü ß t e der Versicherungsnehmer beweisen, d a ß ein Zufall die G e f a h r geändert, d e n Versicherungsfall herbeigeführt h a t ; aber der Versicherer m u ß beweisen, d a ß der Versicherungsnehmer die Gefahr geändert oder den Versicherungsfall herbeigeführt h a t . Sonst hätte das V V G bestimmen müssen, d a ß der Versicherer a u c h f ü r den d u r c h gewöhnliche Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers verursachten Schaden h a f t e t ; es bestimmt aber, d a ß der Versicherer f ü r den d u r c h Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers verursachten Schaden nicht haftet ( V V G § 61), usw. Anm. 9
b) Insbesondere sind es a u c h nicht n u r „ U n f ä l l e " , die zur V e r a n t w o r t u n g des Versicherers stehen (so G i e r k e Transportversicherung 491, ebenso S i e v e k i n g 89: „ U n f ä l l e , d. h. ä u ß e r e schadenbringende Ereignisse, deren Eintritt als etwas Zufälliges erscheine"; vgl. a u c h oben A n m . 8). Sonst m ü ß t e ζ. B. auch der Versicherungsnehmer b e w e i s e n , d a ß solcher Unfall d e n Schaden verursacht hat. Das w ü r d e der Beweisnotlage des Versicherungsnehmers, z u m a l des Güterversicherten, oft nicht entsprechen. D a v o n k a n n d a h e r a u c h im allgemeinen nicht die R e d e sein. Auf das Gefahrereignis k o m m t es n u r an, wenn es sich ebensowohl w ä h r e n d der Versicherungszeit wie vorher oder n a c h h e r (oder ebensowohl innerhalb wie a u ß e r h a l b des Versicherungsraumes) zugetragen h a b e n k a n n . So auch n a c h d e m H G B . Allerdings m u ß der Versicherte, „ u m d e n Ersatz eines Schadens fordern zu k ö n n e n " , d e m Versicherer eine Schadensrechnung mitteilen u n d d a b e i u. a. „ d e n Unfall, auf d e n der Anspruch gestützt w i r d " , u n d den Schaden „ d u r c h genügende Belege d a r t u n " ( H G B § 882). Allerdings scheinen die Protokolle v o m Versicherungsnehmer, w e n n a u c h nicht den Beweis eines bestimmten Unfalls, so doch d e n irgendeines Unfalls zu verlangen. N a c h Prot. 3553 ist §882 Abs. 2 N r . 3 H G B zwar nicht „ i n strengem S i n n e " auszulegen; aber der Versicherungsnehmer müsse „ j e denfalls die G a t t u n g des Unfalls angeben u n d dürfe sich nicht darauf beschränken, d a ß er erkläre (beweise?), die G ü t e r seien verladen worden, im Bestimmungsort aber nicht a n g e k o m m e n u n d deshalb v o m Versicherer zu v e r g ü t e n " . U n d nach Prot. 4330 „versteht es sich von selbst, d a ß nicht das bloße A b h a n d e n k o m m e n einer Sache u n d die Verm u t u n g , d a ß sie gestohlen sei, schon ausreiche, u m Schadensersatz vom Assekuradeur verlangen zu k ö n n e n " . Allerdings ist die Rechtsprechung z u m Teil dieser Weisung gefolgt. Als Kisten mit Zigarren halbleer a m Bestimmungsort eintrafen, verlangte H G H a m b u r g H G Z 1875. 372 v o m Versicherungsnehmer d e n Nachweis der B e r a u b u n g : Der Versicherungsnehmer müsse nicht gerade „sagen, d u r c h welches der verschiedenen erlebten U n w e t t e r der b e h a u p t e t e Schaden herbeigeführt sein solle, wohl aber, . . . welcher Art der Unfall gewesen sei; das Gesetz h a b e eben bestimmt, d a ß es d u r c h a u s unzulässig sein solle, eine Verantwortlichkeit des Versicherers lediglich d a m i t z u beg r ü n d e n , d a ß m a n sage: 1. Die G ü t e r seien verladen, u n d 2. sie seien nicht a n g e k o m m e n " . Als Warenkollis halbleer a m Bestimmungsort Arequipa a n k a m e n , stellte sich O L G H a m b u r g H G Z 1888. 27 auf einen ähnlichen S t a n d p u n k t : „ D e r Nachweis, d a ß die fraglichen W a r e n in E u r o p a verladen seien, u n d d a ß sie in Arequipa bei Beendigung des Transports fehlten, genüge nicht, u m die H a f t u n g des Versicherers z u liquidieren; der Unfall, worauf der Anspruch gestützt werde, müsse . . . d a r g e t a n w e r d e n " (bestätigt
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R G H G Z 1888. 170). Als das versicherte Schiff, aus unerkennbaren Gründen leck ge- § 2 8 worden, weggesunken war, leitete O L G Hamburg H G Z 1889. 1 1 0 „aus der Natur des Versicherungsvertrags" die Verpflichtung des Versicherungsnehmers ab „ z u m Nachweise, daß die eingetretene Gefahr zu den von dem Assekuradeur übernommenen gehöre", sowie „ z u r Darlegung und zum Beweise des stattgehabten Unglücks" (vgl. dazu auch R i t t e r Z f V W 1 9 1 4 . 31 und H G u. O G Hamburg H G Z 1873. 348). Als versicherte Eier durch naß gewordenes Packstroh verdorben am Bestimmungsort ankamen, wies O L G Hamburg H G Z 1894. 19 die Entschädigungsklage ab, weil der Versicherungsnehmer „einen bestimmten Unfall, auf den der Anspruch sich stützen könnte, nicht dargetan h a b e " . Hier hat R G H G Z 1895. 5 jedoch eingegriffen: „ Z u m a l bei der . . . Versicherung f ü r eine kombinierte Reise . . . werde wohl selten möglich sein, genau anzugeben und nachzuweisen, daß die bei Beendigung des Transports der versicherten Güter festgestellte Beschädigung gerade durch diesen oder jenen bestimmten Unfall und nur diesen Unfall herbeigeführt sei; es würde deshalb dem dem Versicherungsvertrag ganz besonders beherrschenden Prinzipe von T r e u und Glauben zuwiderlaufen, wenn der Versicherer bei Übernahme der Versicherung im Schadensfalle einen Beweis von der Strenge zu verlangen beabsichtigt hätte, wie das Berufungsgericht ihn für erforderlich erachtet h a b e " (vgl. auch das wenig lichtvolle Gutachten der H K Berlin NeumannsZ 1909. 5 3 7 : Bei durchstehenden Versicherungen brauche der Versicherungsnehmer den Unfall nicht zu beweisen; „ausreichend sei, wenn eine Beschädigung der versicherten Ware festgestellt werde, die unzweifelhaft auf einen Unfall, für welchen der Versicherer nach dem Vertrag die Verantwortlichkeit übernommen habe, zurückzufuhren sei"). Mit dem „Prinzipe von T r e u und G l a u b e n " ist hier freilich nicht geholfen. Es handelt sich um etwas anderes. Wie die Protokolle a a O ergeben, haben die Urheber des A D H G B zwischen drei Dingen nicht scharf unterschieden, zwischen denen das V V G mit Recht unterscheidet: zwischen der Beweislast, der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs und der dem Versicherungsrecht eigentümlichen Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers (s. dazu H a g e n S V R 26). Alle drei Dinge sind im §882 H G B gemeinschaftlich geordnet. Dabei ist die Frage der Beweislast offenbar zu kurz gekommen. — Selbstverständlich muß der Versicherungsnehmer über den Unfall A u s k u n f t erteilen. Selbstverständlich kann der Versicherer die Entschädigung verweigern, solange die Auskunft nicht erteilt ist. Aber die Auskunfterteilung ist Gegenstand einer besonderen Verpflichtung des Versicherungsnehmers (vgl. § 43 ),und diese Verpflichtung hat mit der Frage der Beweislast an und für sich nichts zu tun. Wenn der Versicherungsnehmer über den Unfall unvertretbar keine Auskunft geben, die Auskunftspflicht unvertretbar nicht erfüllen kann, fällt die Auskunftspflicht nach den Regeln über die Rechtsfolgen der Leistungsunmöglichkeit weg. Beweisen muß der Versicherungsnehmer nur dies: daß er keine Auskunft geben kann, und daß er diese Unmöglichkeit nicht zu vertreten braucht. Nur dann muß der Versicherungsnehmer auch den „ U n f a l l " b e w e i s e n , wenn nur damit festzustellen ist, ob das G e f a h r e r e i g n i s sich w ä h r e n d d e r D a u e r der Versicherung oder aber vorher oder nachher zugetragen hat ( R O H G 5. 9 1 , H G Z 1897. 72, 1909. 134, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1875. 403, Seebohm 507, Ullrich Nr. 2 5 1 ) . Denn das ist allerdings Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs, daß es sich während der Dauer der Versicherung zugetragen hat. I m übrigen braucht der Versicherungsnehmer kein bestimmtes Gefahrereignis nachzuweisen, weil der Transportversicherer eben grundsätzlich „ a l l e " Gefahren, Schadensfolgen aller möglichen Ereignisse trägt (so auch H a n s O L G J R P V 1936. 1 5 1 = Sasse N r . 4 1 4 ) . So mag man es also verstehen, wenn Prot. 3553 wollen, daß § 882 Abs. 2 Nr. 3 H G B nicht „ i n strengem Sinne" ausgelegt werde: Der Versicherungsnehmer muß jedenfalls b e w e i s e n , daß das G e f a h r e r e i g n i s sich n i c h t v o r und
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n i c h t n a c h d e r V e r s i c h e r u n g , sondern eben (welches es a u c h gewesen sein mag) w ä h r e n d d e r V e r s i c h e r u n g zugetragen h a t ; u n d er m u ß ferner beweisen, d a ß er seine A u s k u n f t s p f l i c h t e r f ü l l t h a t oder, unvertretbar, nicht erfüllen k a n n , — beides n a c h den allgemeinen Beweisregeln. H i e r ü b e r hinaus b r a u c h t er den Unfall, d u r c h d e n der Schaden entstanden ist, nicht, ü b e r h a u p t nicht, z u beweisen. Beweist der Versicherungsnehmer, d a ß die versicherte Maschine unversehrt abgeladen u n d zerbrochen a n g e k o m m e n ist, u n d d a ß die Ursache des Bruches ohne sein Verschulden nicht zu ermitteln ist, so k a n n er Entschädigung verlangen, ohne „ d e n Unfall, auf d e n der Anspruch gestützt wird, d u r c h genügende Belege d a r t u n " zu müssen ( R O H G 5. 90). K o m m t d e r versicherte Reis beschädigt an, so h a t der Versicherer zu entschädigen; a u c h w e n n die Ursache der Beschädigung nicht zu ermitteln ist (gegen diesen Satz zu U n r e c h t S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 28 A D S ; Schlegelberger scheint den Satz ohne d e n Ges a m t z u s a m m e n h a n g gelesen zu h a b e n ; einen sachlichen Gegensatz z u d e n Ausf ü h r u n g e n Schlegelbergers v e r m a g ich nicht zu erkennen. Schlegelberger k a n n n u r zugegeben werden, d a ß Ritter vielleicht der größeren Klarheit wegen noch h ä t t e hinzufügen k ö n n e n : „ K o m m t der versicherte Reis, d e s s e n o r d n u n g s g e m ä ß e A b l a d u n g d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n a c h g e w i e s e n h a t , beschädigt a n . . . " ) . Es m u ß nicht „ i m m e r neben der Tatsache d e r Beschädigung noch ein besonderer Unfall, der die Beschädigung verursacht habe, nachgewiesen w e r d e n ; wenn die Versicherung gegen alle G e f a h r e n geschlossen ist, so k o m m t es nicht d a r a u f an, aus welcher U r s a c h e die Gefahr wirklich geworden ist, u n d ebensowenig darauf, ob der Versicherte eine bestimmte Ursache nachzuweisen v e r m a g " ( H a n s O L G H G Z 1882. 68). Vgl. H a n s O L G H a n s R G Z 1932 Β 569 = J R P V 1932. 363 = Sasse N r . 424: „ K l ä g e r h a t zu beweisen, d a ß der festgestellte Verlust w ä h r e n d der D a u e r der Versicherung eingetreten ist . . . Einer n ä h e r e n A u f k l ä r u n g , welche dieser Ursachen vorliegt, bedarf es indessen nicht, d a K l ä g e r nicht die Schadensursache zu beweisen b r a u c h t , sondern nur, d a ß das Gefahrereignis w ä h r e n d des Versicherungsdauer eingetreten ist. D a z u genügt es, d a ß d e r Verlust d u r c h ein mögliches Gefahrereignis eintreten konnte, selbst wenn die wirkliche Ursache nicht z u ermitteln ist." Vgl. a u c h O L G H a m b u r g VersR 1966. 378. Siehe ferner K G J R P V 1926. 1 1 9 = Sasse Nr. 353 (zu § 8 2 0 H G B ) : „Soweit nicht d u r c h die nachfolgenden Bedingungen ein Anderes vereinbart ist, trägt der Versicherer alle Gefahren, welchen Schiff oder L a d u n g w ä h r e n d der D a u e r d e r Versicherung ausgesetzt sind. D e m n a c h genügt die Tatsache, d a ß w ä h r e n d des Transportes die versicherte W a r e Schaden erlitten hat, u m d e n Versicherungsanspruch auszulösen. Sache der Beklagten (d. h. des Versicherers) ist es, den Beweis zu f ü h r e n , d a ß ein Schaden vorliegt, f ü r d e n sie nicht versicherungspflichtig ist ( R G 70. 95, 84. 383)". Der Versicherer h a t ebenso zu entschädigen, wenn Zucker trocken verladen ist u n d n a ß a n k o m m t , ohne d a ß die U r s a c h e zu ermitteln ist ( H G Z 1896. 244, 1897. 7 5 ; vgl. a u c h H G H a m b u r g Seebohm 421, aber auch weiter u n t e n ) . Die Rechtsprechung verlangt also keineswegs, d a ß der Versicherungsnehmer seinen Entschädigungsanspruch auf einen bestimmten Unfall „stütze", u n d d a ß er, „ u m d e n Ersatz eines Schadens fordern zu k ö n n e n " , „ d e n U n f a l l " beweise. Die Berufung S i e v e k i n g s 185 auf H G Z 1889. 195 ist u n b e g r ü n d e t ; die Entschädigungsklage w u r d e abgewiesen, nicht weil der Versicherungsnehmer d e n Unfall nicht nachweisen konnte, sondern, weil er auch nicht „ a n n ä h e r n d über das Q u a n t u m der angeblich entwendeten C o p r a Behauptungen aufzustellen v e r m o c h t e " . Ebenso u n b e g r ü n d e t ist die Berufung auf H G Z 1909. 170; die Entschädigungsklage w u r d e abgewiesen, nicht weil der V e r sicherungsnehmer d e n Unfall nicht nachweisen konnte, sondern weil „ d i e W a r e ( K n o chen) gelöscht war, ohne d a ß m a n eine Feststellung ihrer M e n g e v o r g e n o m m e n " h a t t e u n d „ m i t der Möglichkeit zu rechnen war, d a ß tatsächlich doch das ganze abgeladene
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Q u a n t u m oder wenigstens doch m e h r als das n a c h vier Wochen erst festgestellte Q u a n t u m § 2 8 z u r Ablieferung aus d e m Seeschiff g e k o m m e n " war. Ebenso u n b e g r ü n d e t ist schließlich die Berufung auf H G Z 1901. 283. D e n n diese Entscheidung behandelt die Frage, o b der Versicherungsnehmer a u c h d a n n nachweisen müsse, d a ß d e r Versicherungsfall w ä h r e n d der D a u e r der Versicherung eingetreten ist, w e n n der Versicherer sich n a c h Feststellung des Schadens d a m i t einverstanden erklärt hat, d a ß der Versicherungsnehmer über die G ü t e r verfügt, u n d verneint diese Frage (übrigens eine überaus bedenkliche Entscheidung). — H ä t t e m a n wirklich geglaubt, d a ß der Versicherungsnehmer, „ u m d e n Ersatz eines Schadens fordern zu k ö n n e n " , i m m e r „ d e n U n f a l l " (sei es in „ s t r e n g e m " , sei es in nicht strengem Sinne) nachweisen müsse, so hätte m a n 1867 j a a u c h nicht zu bestimmen brauchen, d a ß , wenn das versicherte Schiff „ o h n e ein seitens des Versicherten erweisliches Elementarereignis oder einen besonderen sonstigen Seeunfall leck oder schadhaft wird, der Schaden als d u r c h den nicht seetüchtigen Z u s t a n d des Schiffes veranlaß gilt" (ASVB § 7 0 Nr. r ) ; der Versicherte h ä t t e j a ohnehin den „ U n f a l l " „erweisen" müssen. Hiermit ist natürlich nicht gesagt, d a ß der Versicherungsnehmer in allen Fällen, in denen ein Gefahrereignis als U r s a c h e eines angeblichen Schadens sich nicht nachweisen läßt, n u r d a r z u t u n b r a u c h t , wie es u m Schiff oder L a d u n g b e i m Beginn der Versicherung u n d b e i m E n d e der Versicherung gestanden hat, d a ß insbesondere der Güterversicherte nur d a r z u t u n braucht, wieviel abgeladen u n d wie wenig angekommen ist (siehe auch O H G H a m b u r g V e r s R 1966. 378). D e n Protokollen ( a . a . O . ) liegt offenbar eine richtige E m p f i n d u n g zugrunde. Sie h ä t t e n nur, was sie gleichfalls unterlassen h a b e n , zwischen B e w e i s l a s t u n d B e w e i s w ü r d i g u n g unterscheiden sollen u n d wären d a n n z u m richtigen Ergebnis gelangt. W e n n die Kisten, in welche die versicherten G ü t e r verpackt sind, halbleer a m Bestimmungsort ankommen, aber äußerlich unbeschädigt sind (vgl. die Fälle H G Z 1875. 372, 1888. 27); wenn Zigarren ( H G H a m b u r g Ullrich N r . 251) oder M a n u f a k t u r w a r e n ( H G H a m b u r g Ullrich Nr. 225), äußerlich vollständig unversehrt, i m I n n e r n d u r c h Süßwasser beschädigt a n k o m m e n ; wenn M a n g r o v e - R i n d e unterwegs nicht d u r c h Seewasser, sondern aus unaufgeklärter U r s a c h e feucht u n d dad u r c h beschädigt wird ( H G Z 1909. 134); w e n n d e m Schwund ausgesetzte W a r e mit U n tergewicht a n k o m m t u n d eine äußere Ursache des Gewichtsverlustes nicht zu ermitteln ist (vgl. d e n Fall H G Z 1889. 195); w e n n gar wasserbeschädigte Baumwollballen im Konnossement a b some d a m a g e d wet bezeichnet sind ( H G H a m b u r g Seebohm 507), m u ß offenbar zunächst als b e w i e s e n gelten, d a ß die U r s a c h e des Schadens k e i n Gefahrereignis gewesen ist, — wenn anders m a n als „bewiesen" ansieht, wofür diejenige Wahrscheinlichkeit e r b r a c h t ist, die im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hing e n o m m e n wird (deshalb bedenklich H G Z 1896. 244, 1897. 75: W e n n Zucker nicht d u r c h Seewasser, sondern aus unaufgeklärter Ursache feucht u n d d a d u r c h beschädigt werde, h a b e der Versicherungsnehmer nichts m e h r zu beweisen). I n solchen Fällen m u ß natürlich der Versicherungsnehmer beweisen, d a ß gleichwohl ein Gefahrereignis die U r s a c h e des Schadens ist oder allein sein k a n n . Der Versicherungsnehmer k a n n sich nicht d a r a u f beschränken, nachzuweisen, d a ß 99896 kg Stabeisen verladen u n d n u r 85 615 kg ausgeladen sind, w e n n nicht der geringste A n h a l t d a f ü r vorliegt, d a ß oder wie unterwegs etwas a b h a n d e n g e k o m m e n sein k ö n n t e ; d e n n a u c h erhebliche Fehler bei der Feststellung des Gewichts sind nicht selten (LG H a m b u r g K f H S V I I 981. 1920). W e n n das versicherte Schiff ohne e r k e n n b a r e U r s a c h e leck wird u n d wegsinkt, wird oft ohne weiteres a n z u n e h m e n sein, d a ß Seeuntüchtigkeit die U r s a c h e ist (vgl. B e n e c k e 3. 266; näheres: § 5 8 A n m . ) ; n u r u m in solchen bedenklichen Fällen j e d e n Zweifel auszuschließen, bestimmt § 58 Abs. 2, d a ß der Versicherungsnehmer zu beweisen h a t . I m übrigen m u ß in allen Fällen dieser Art die sorgfältige A n w e n d u n g
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§ 28 der allgemeinen Beweiswürdigungs-Grundsätze zum richtigen Ergebnis führen. Sind insbesondere die Güter durch Seewasser beschädigt, so wird sich regelmäßig „ohne weiteres der Schluß rechtfertigen, daß der Unfall auf der Reise entstanden ist" (HGZ 1897. 72, 74). Vgl. über Beweiswürdigung nach der Deutschen Kriegsklausel 1942 und ADS L G Hamburg M D R 1958. 609 = Sasse Nr. 732. — Hat der Versicherungsnehmer bewiesen, daß das Gefahrereignis sich während der Dauer der Versicherung zugetragen hat, insbesondere daß die versicherten Güter vollständig und unversehrt abgeladen sind, so hat der Versicherer immer noch die Möglichkeit, den Gegenbeweis dahin zu führen, daß die Beschädigung auf der Reise nicht eingetreten ist oder nicht eingetreten sein kann (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 28 ADS). Siehe dazu K G J R P V 1926. 301 = Sasse Nr. 360. Siehe ferner K G J R P V 1931. 198 = Sasse Nr. 298: „Die Versicherer tragen alle Gefahren, denen das Schiff und die Güter während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind. Der Versicherungsnehmer braucht hiernach nicht nachzuweisen, daß ein bestimmter Unfall das versicherte Gut betroffen und den Schaden dadurch herbeigeführt hat. Er hat nur darzutun, daß ein Schaden während der Dauer der Versicherung nicht eingetreten ist. Die Klägerin braucht somit zunächst nur darzulegen, gegebenenfalls zu beweisen, daß während der versicherten Reise ein Verlust an Benzin eingetreten ist. Diesen Beweis hat sie in zunächst ausreichender Weise erbracht durch Vorlegung der Konnossemente und der Zertifikate des Dr. H. . . . Daß die Konnossemente die Formel enthalten: „quantity and quality unknown tome" nimmt ihnen nicht die hier ausreichende Beweiskraft. Gegenüber diesem durch die handelsüblichen Urkunden erbrachten Nachweise steht den Beklagten der Gegenbeweis offen, daß der behauptete Verlust nicht auf der versicherten Reise eingetreten ist oder sein kann. Das haben die Beklagten hier auch ausreichend dargetan . . . " Siehe ferner als Beispiel für den nicht gelungenen Gegenbeweis OLG Hamburg Sasse Nr. 476, wo in Jutesäcken verpacktes Fischmehl mit Käferbefall angekommen war. — Siehe wegen der Beweisvermutung des Konnossements § 656 Abs. 2 HGB. Doch ist auf § 656 Abs. 1 HGB hinzuweisen, wonach das Konnossement für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter maßgebend ist. Die ihm zukommende beweisrechtliche Würdigung kann deshalb im Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer eine andere sein. — Bezüglich der Beweispflicht dürfen die Anforderungen an den Versicherungsnehmer nicht übertrieben werden. Vgl. K G J R P V 1926. 301 = Sasse Nr. 360: „Es liegt im Sinne des von der Beklagten übernommenen Versicherungsschutzes, und der das ganze Versicherungsrecht beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben, daß in derartigen Fällen der Versicherungsnehmer zwar nicht die unbedingte Wahrheit, wohl aber eine hohe Wahrscheinlichkeit seiner klagebegründenden Behauptung dartun muß", ferner OLG Hamburg Sasse Nr. 476, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 28 ADS. Anm. 10
7· Der V e r s i c h e r e r ü b e r n i m m t und trägt also alle Gefahren, die Möglichkeit allermöglichen nachteiligen Ereignisse; da die Seeversicherung einen Zweig der Schadensversicherung bildet: die Möglichkeit allermöglichen schadenstiftenden Ereignisse. Wohl bemerkt: n i c h t a u c h die M ö g l i c h k e i t a l l e r m ö g l i c h e n S c h ä den. Dabei könnte das Versicherungsgewerbe ebensowenig bestehen, wie das Frachtgewerbe oder das der Spediteure bei der unbeschränkten Schadensersatz-Pflicht bestehen könnte. Welche Schäden es sind, die der Versicherer zu ersetzen hat, welche Schäden Versicherungsschäden sind, müssen sonstige Bestimmungen des Versicherungsvertrags, insbesondere der Versicherungsbedingungen, ergeben. § 28 Satz 1 ergibt dafür nichts, insbesondere nicht, daß der Versicherer auch „alle Schäden", allemöglichen Schäden zu ersetzen hat, welche die allemöglichen Ereignisse zur Folge haben,
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deren Möglichkeit der Versicherer übernommen hat und trägt. Da man das Gesetz § 28 vielfach mißverstanden hat, spricht § 28 Satz 3 vielmehr ausdrücklich das Gegenteil aus. Näheres hierüber unten Anm. 34. 8. Der Versicherer trägt alle Gefahren, aber doch nur alle Gefahren der See- Anm. 11 schiffahrt oder genauer: alle Gefahren, die mit der Seefahrt des See-Erwerbsschiffes (und seiner Ladung) als solcher verbunden sind (§ 1 Anm. 32, R G 101. 330, R G HGZ 1921. 89, HGZ 1920. 217, 289, HansOLG J R P V 1931. 151 = Sasse Nr. 414, HansR G Z 1943 Β 8 = Sasse Nr. 460, L G Hamburg HGZ 1920. 86, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 28 ADS). Denn nach § 1 ( = HGB § 778) ist Seeversicherung nur die Versicherung, die gegen die Gefahren der Seeschiffahrt schützt. Der See Versicherer trägt nicht die G e f a h r e n der B i n n e n s c h i f f a h r t oder der L a n d f a h r t (wenigstens grundsätzlich nicht: unten Anm. 16). Das ist die Bedeutung des Grundsatzes, daß der Versicherer nur die Gefahren der Seeschiffahrt trägt (was oft verkannt ist, vgl. unten Anm. 12). Im übrigen ist der Grundsatz von g e r i n g e r Bedeutung. Denn ausgeschlossen sind eben nur die Gefahren, die mit der S e e f a h r t des SeeE r w e r b s s c h i f f e s (und seiner Ladung) als solcher nichts zu tun haben, die ohne Rücksicht auf die Seefahrt als solche, ohne Rücksicht auf das Schiff als solches, ohne Rücksicht auf die Schiffsladung als solche bestehen, die also mit der versicherten Unternehmung in keinem Zusammenhang stehen (HansOLG HGZ 1920. 218, J R P V 1926. 108 = Sasse Nr. 352: es steht mit der versicherten Unternehmung in keinem Zusammenhang, wenn das Schiff zwangsversteigert wird, weil der Reeder die durch die Beseitigung der Folgen eines Unfalls entstandenen Kosten nicht bezahlt hat, J R P V 1931. 151 = Sasse Nr. 414; unrichtig G i e r k e Transportversicherung 491: Es müsse sich „um außerordentliche Ereignisse handeln, welche der Transport mit sich bringe"; unrichtig auch HGZ 1904. 39: „Nur ein Seeunfall, nicht ein bloßer Betriebsunfall sei durch die Versicherung gedeckt"). Der Versicherer haftet, wenn die versicherten Güter gestohlen werden. Freilich können die Güter auch außerhalb der Seefahrt gestohlen werden. Aber doch nicht so, wie sie bei der Seefahrt gestohlen werden können; die Schadensmöglichkeit ist eine andere; die Gefahr dieser Art von Diebstahl ist eben nur mit der Seefahrt verbunden (HGZ 1920. 217, 289). Der Versicherer haftet, wenn auf dem Schiffe, dessen Überfahrtsgelder versichert sind, Seuchen ausbrechen und hiervon Kosten entstehen, die aus den Uberfahrtsgeldern bestritten werden müssen. Zwar entstehen auch sonst Seuchen; aber die Gefahr dieser Art des Ausbruchs von Seuchen ist eben nur mit der Seefahrt verbunden (HG u. OG Hamburg, ROHG HGZ 1875. 202, 1879. 385). Der Versicherer haftet, wenn der Staat das versicherte Schiff als solches (wegen seiner Eigenschaft als Schiff) beschlagnahmt. Zwar können auch andere Sachen beschlagnahmt werden; aber die Gefahr dieser Beschlagnahme besteht eben nur für das Schiff als solches und ist deshalb auch gerade mit der Seefahrt verbunden (unten Anm. 12). Der Versicherer würde dagegen ζ. B. nicht haften, wenn der Staat etwa alle Gegenstände des Privateigentums oder doch alle gewerblichen Gegenstände des Privateigentums beschlagnahmen würde. Der Versicherer haftet für Frostschaden, den der von Ubersee nach Europa versicherte Kaffee, der in Hamburg gelöscht war, auf dem Kai erlitten hatte (HansOLG J R P V 1931. 151 = Sasse Nr. 414). Der Versicherer trägt dagegen nicht die Gefahr der natürlichen Veränderung der versicherten Güter, die auch ohne die Seefahrt eingetreten wäre (freilich auch schon deswegen nicht, weil Gefahr nur die Möglichkeit, nicht die subjektive Gewißheit von nachteiligen Ereignissen ist: § 5 Anm. 9; unrichtig HGZ 1920. 290); doch hatte HansOLG J R P V 1931. 151 = Sasse Nr. 414 den Einwand, daß Witterungseinflüsse, wie Frost, auch außerhalb einer Seereise das Gut beschädigen können, zutreffend nicht gelten lassen. Der Seeversicherer trägt nicht die Gefahr, die für die versicherten
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§ 2 8 G ü t e r d a d u r c h b e g r ü n d e t ist, d a ß ein Arbeiter d e r sie herstellenden F a b r i k mit d e n G ü t e r n verbrecherischer Weise eine Höllenmaschine verpackt h a t (vgl. § 5 A n m . 6); mit der Seefahrt als solcher h a t diese Gefahr nichts zu tun. Siehe a u c h H a n s O L G H a n s R G Z 1943 Β 8 = Sasse N r . 460. Vgl. K G J R P V 1 9 2 6 . 2 5 = Sasse N r . 348: Der Versicherer trägt nicht die Gefahr, d a ß das versicherte G u t a n einen unrichtigen E m p f ä n g e r ausgeliefert wird. — Insbesondere trägt der Versicherer n i c h t n u r d i e G e f a h r e n d e r S e e , perils of the sea, wie, der H a u t s a c h e nach, der englische Versicherer, d. h. fortuitous accidents or casualties of the seas (unten A n m . 43). E r haftet, wenn d e r Kessel des versicherten Dampfschiffs infolge ü b e r m ä ß i g e n Druckes explodiert (anders T h a m e s & Mersey M a r . Ins. Co. v. H a m i l t o n 1887 bei A r n o u l d 364 s. 394; näheres: unten A n m . 43 u n d § 65 Anm.). E r haftet, w e n n das versicherte Schiff oder die versicherten G ü t e r d u r c h a n d e r e in demselben Schiffe verladene G ü t e r beschädigt werden (vgl. a u c h u n t e n A n m . 21, 43), oder w e n n die versicherten G ü t e r d a d u r c h beschädigt werden, d a ß sie in ungenügend gereinigte Schiffsräume verladen werden ( S i e v e k i n g 9 1 ; vgl. den Fall H G Z 1912. 109). — Insbesondere: A n m . 12 a) Die Fälle G r e g o r u n d G e n e r a l . Diese beiden (auch f ü r Kriegsgefahr) seeversicherten Schiffe befanden sich i m Schwarzen Meer, als a m 11. N o v e m b e r 1 9 1 8 d e r Waffenstillstand geschlossen wurde. D u r c h diesen V e r t r a g erklärte die deutsche Regierung sich bereit, die deutschen Schiffe im Schwarzen M e e r — der N a t u r des Vertrags n a c h vorläufig — d e m Feinde auszuliefern. Sie erteilte d e n Schiffen entsprechende Weisungen. Die Schiffe w u r d e n d e m g e m ä ß auf das Verlangen feindlicher Kriegsschiffe diesen o h n e Widerstand übergeben. N a c h L G H a m b u r g H G Z 1920. 86 sind die Schiffe d u r c h V e r f ü g u n g von H o h e r H a n d verlorengegangen; der Versicherungsn e h m e r könne aber keine Entschädigung verlangen, weil diese V e r f ü g u n g von H o h e r H a n d mit d e n Gefahren der Seeschiffahrt nichts zu t u n gehabt habe, einer solchen V e r f ü g u n g nämlich z u r gleichen Zeit, aus gleichem A n l a ß u n d zu gleichen Zwecken alles deutsche E i g e n t u m ausgesetzt gewesen sei. N a c h H G Z 1920. 2 1 7 k a n n der Versicherungsnehmer Entschädigung verlangen, weil die Schiffe d u r c h V e r f ü g u n g von H o h e r H a n d verlorengegangen seien, die Gefahr solcher V e r f ü g u n g a u c h zu d e n Gefahren der Seeschiffahrt zu rechnen sei, nämlich nicht alles deutsche Eigentum, a u c h nicht alle deutschen Schiffe, sondern n u r einzelne, d u r c h ihre örtliche L a g e bestimmte Schiffe von der V e r f ü g u n g betroffen seien. N a c h H G Z 1920. 289 k a n n d e r Versicherungsnehmer keine Entschädigung verlangen, weil die Gefahr der V e r f ü g u n g von H o h e r H a n d zwar aus d e m bezeichneten G r u n d e zu d e n Gefahren der Seeschiffahrt zu rechnen sei, die Schiffe aber nicht als verloren gelten k ö n n t e n ; d e n n das E i g e n t u m des Versicherungsnehmers sei „ u n b e r ü h r t " geblieben (über die Verwechselung von Sachverlust u n d Eigentumsverlust vgl. § 35 A n m . , § 7 1 A n m . , a u c h u n t e n A n m . 38), u n d überdies h a b e a u c h tatsächlich Aussicht auf Wiedererlangung bestanden. N a c h R G 101. 330, R G H G Z 1921. 89 ist der Waffenstillstand „ d a s entscheidende Ereignis, d u r c h welches das Schiff seinen E i g e n t ü m e r n entzogen sei. D e n n die . . . Weisungen betreffend die A u s f ü h r u n g seiner U b e r g a b e bzw. Ü b e r n a h m e selbst seien n u r die sachg e m ä ß e n Folgen des Waffenstillstands-Vertrags gewesen. Dieser V e r t r a g u n d sein Abschluß aber gehöre ebensowenig zu d e n Gefahren, welche der Seeschiffahrt eigentümlich seien, wie dies von d e m Versailler V e r t r a g gesagt w e r d e n könne. Das W a f f e n stillstands-Abkommen h a b e sich, wie auf zahlreiche andere Gegenstände, so a u c h auf das Schiff zunächst u m seiner objektiven Art u n d Beschaffenheit u n d d a n n u m seiner örtlichen Lage willen erstreckt, weil es ein Gegenstand gewesen sei, dessen künftige Benutzung d e m Deutschen Reiche h a b e entzogen u n d den Feinden h a b e zugewendet w e r d e n sollen, u n d dessen Ergreifung f ü r die Feinde n a c h Sachlage besonders leicht u n d wünschenswert erschienen sei. Ein solcher Staatsvertrag h a b e aber mit d e r zur Zeit
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seines Abschlusses von dem betreffenden Schiffe betriebenen Seeschiffahrt und den § 2 8 diesem Betriebe eigentümlichen Gefahren nichts zu tun. Zwar gehöre es zu den Gefahren eines Krieges, daß einem kriegführenden Staat von gegnerischer Seite Waffenstillstands- und Friedensbedingungen aufgezwungen würden, die ihn verpflichteten, nicht n u r Staatseigentum, sondern auch bestimmte, im Privateigentum seiner Angehörigen stehende Gegenstände dem Feinde zu überlassen, und dazu könnten sehr wohl auch Seeschiffe gehören. Diese Gefahr liege aber ausschließlich auf militärischem und politischem Gebiet und sei keine Kriegsgefahr im Sinne der ASVB. Der Abschluß des Waffenstillstands-Vertrags sei kein Teil der Kriegsunternehmungen, sondern ihre Folge. Nicht anders liege die Sache hinsichtlich der in dem Waffenstillstands-Vertrag enthaltenen Verfügung über das der Klägerin gehörige Schiff seitens des Deutschen Reiches. Sollte hierin an sich eine Verfügung von Hoher H a n d erblickt werden können, so sei sie doch jedenfalls keine solche im Sinne der ASVB (vgl. § 69 Nr. 2), da sie völlig aus dem R a h m e n des Schiffahrtsbetriebs . . . herausfalle". Das R G scheint zu unterstellen, daß das Schiff dem Versicherungsnehmer ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen war, also als total verloren gelten mußte. Wohl mit Recht. D a ß dem Versicherungsnehmer das Eigentum an dem Schiffe noch nicht entzogen war, ist ohne Bedeutung. Die Fälle Gregor und General beweisen nur wie andere vor ihnen, d a ß schon durch die Nehmung (ohne nachfolgende Kondemnation) dem Versicherungsnehmer das Schiff ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen werden kann (näheres: § 35 Anm.). I m übrigen ist gewiß, daß der Waffenstillstand nicht „das entscheidende Ereignis, durch welches das Schiff seinen Eigentümern entzogen ist", nicht die Ursache des Schadens gewesen ist. Die englische (jedenfalls die frühere englische) Rechtsanschauung würde kaum zögern, die Anweisung der deutschen Regierung zur Ubergabe der Schiffe, die einer Beschlagnahmeverfügung gleichkommt, als die maßgebende Schadensursache zu bezeichnen; denn where there is a succession of causes which must have existed in order to produce the result, the last cause only must be looked to and the others rejected (unten Anm. 18, 21, 43). In Wirklichkeit war freilich die Beschlagnahmeverfügung der deutschen Regierung die Folge des Waffenstillstands. Aber der Waffenstillstand war seinerseits die Folge der kriegerischen Ereignisse an der Front und der Zermürbung der Heimat. Den Waffenstillstand kann man a b Schadensursache nur bezeichnen, wenn man sich an das Gewand klammert, in dem die Ereignisse des Ersten Weltkriegs über die Erde geschritten sind. Damit ist indessen die Frage noch nicht beantwortet, ob der Verlust der Schiffe zu den Gefahren, den Schadensmöglichkeiten der Seeschiffahrt gehört. Das R G h a t diese Frage mit Recht verneint, wenn es richtig ist, daß der Seeversicherer n u r d i e „ d e m B e t r i e b e d e r S e e s c h i f f a h r t e i g e n t ü m l i c h e n " G e f a h r e n trägt. Wäre dies richtig, so würde der Seeversicherer etwa in ähnlichem U m f a n g haften, wie die Bahn. Würde das versicherte Schiff 1906 beim Erdbeben in San Francisco gelegen haben und dort mit der Stadt dem Erdbeben zum Opfer gefallen oder auch nur vom Blitze getroffen worden sein, so würde der Versicherer nicht haften. Der Güterversicherer würde wohl sogar nicht haften, wenn die Güter unter Umständen gestohlen werden, unter denen sie auch am Lande gestohlen werden können. Der Versicherer würde nicht haften, wenn die Regierung des kriegführenden Staates aus „ausschließlich auf militärischem oder politischem Gebiet" liegenden Gründen den Entschluß fassen und in die T a t umsetzen würde, alle Schiffe oder alle Schiffsladungen in der Heimat zu beschlagnahmen (vgl. auch über Generalembargo: § 35 Anm.). Auch der Feuerversicherer, der die Kriegsgefahr mit übernommen hat (vgl. V V G § 84), würde nicht haften, wenn der militärische Befehlshaber die Niederbrennung aller Gebäude des ihm unterstellten Gebiets anordnen würde (denn die Niederbrennung würde nicht zu den Feuers-
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§ 28 gefahren zu rechnen sein, welche der Benutzung der versicherten Sache eigentümlich sind) usw. Der Güterversicherer würde aber auch dann nicht haften, wenn etwa die eigene Regierung nur die versicherten Güter beschlagnahmte. Denn die Beschlagnahme ist gewiß keine „ d e m Betriebe der Seeschiffahrt eigentümliche" Gefahr. — Die Voraussetzung ist falsch. Der V e r s i c h e r e r t r ä g t n i c h t n u r „ d i e d e m B e t r i e b e d e r S e e s c h i f f a h r t e i g e n t ü m l i c h e n G e f a h r e n " . Das R G sagt es (und widerspricht sich damit) selbst: Zu den Gefahren der Seeschiffahrt „gehörten n u r solche Gefahren, welche nach dem natürlichen Verlaufe der Dinge ein die Seeschiffahrt betreibendes Schiff treffen könnten. Nicht entscheidend sei, ob die Gefahr auch andere, zu der Schiffahrt in keiner Beziehung stehende Gegenstände treffen könne oder betroffen habe. Es gebe viele Gefahren, wie ζ. B. Feuer, Explosion, Blitz, Plünderung, R a u b , Diebstahl usw., die zu gleicher Zeit und aus gleichem Anlaß ein seeversichertes Schiff wie von der Seeversicherung allgemein oder im Einzelfall ausgeschlossene Gegenstände, als Hafengebäude, an Land befindliche Möbel und sonstiges Inventar, Waren, Vorräte usw., betreffen könnten, ohne daß d a r u m die Wirksamkeit der Seeversicherung des Schiffes hinsichtlich einer solchen Gefahr in Frage gestellt sei (vgl. auch ASVB § 69). Ebensowenig sei es nach Sinn und Zweck der Seeversicherung angängig, ein besonderes örtliches Moment als f ü r den Begriff der Seeschiffahrt wesentlich einzuschieben (wie dies von H G Z 1920. 219 und 290 geschehen war). Dies verbiete sich schon u m deswillen, weil die in § 69 ASVB als Beispiele angeführten Gefahrumstände durchweg an örtliche Beziehungen — einen bestimmten Aufenthaltsort, einen bestimmten Reiseweg des Schiffes usw. — nicht gebunden seien. Vielmehr habe für die Seeversicherung das erwähnte örtliche Moment nur insofern Bedeutung, als vielfach — wie auch im vorliegenden Falle •— durch eine besondere Vorschrift des Versicherungsvertrags eine örtliche Begrenzung der Haftpflicht des Versicherers vereinbart werde". O h n e Zweifel ist alles, was in den Novembertagen des Jahres 1918 geschehen ist, „ d e m natürlichen Verlaufe der Dinge" zu danken gewesen, der Ubermacht des Feindes, der nachlassenden Widerstandskraft an der deutschen Front, der unglücklichen Leitung der politischen Geschäfte in Deutschland, der seelischen Zerrüttung weiter Kreise des deutschen Volkes, dem Zusammenbruch Bulgariens, dem Falle der Türkei in Asien, der Ermattung Österreichs; „es kam alles, wie es kommen m u ß t e " , „natürlicher" konnten die Dinge nicht verlaufen, wie sie verlaufen sind, — worauf es im übrigen auch nicht einmal ankommt. Will man schon zwischen Gefahren, die „dem Betriebe der Seeschiffahrt eigentümlich" sind, und anderen Gefahren unterscheiden, so wäre es nur etwa in dem Sinne gestattet, in dem Mot. ζ. PreußE 343 zwischen „ ä u ß e r e n " und a n d e r e n Gefahren unterschied: „Alle Gefahren, welche der Versicherer tragen soll, müssen äußere Gefahren sein: die Schäden dürfen weder in den Handlungen des Versicherten, noch in der Beschaffenheit des versicherten Gegenstandes, noch in den mit der Reise unvermeidlich verbundenen Ubelständen, wie die Abnutzung des Schiffes, der F r a ß von Ratten und Mäusen ist, ihren Grund h a b e n " (im Anschluß an P r e u ß A H O Art. 65: „Weil aber der Versicherer nur die äußerlichen Unglücksfälle und Beschädigungen übernimmt, so haftet er keineswegs vor die innerliche Verderbniß der Waaren . . .", und PreußALR II 8. 2209). Nicht begründet und nicht zu begründen ist schließlich die Auffassung des R G , daß der Versicherer keine Gefahr trage, „die ausschließlich auf m i l i t ä r i s c h e m und p o l i t i s c h e m Gebiete liege". Als eine kriegführende Macht das Gebiet des Gegners besetzt hatte und Einfuhrzölle verordnete und von den (auch für Kriegsgefahr) versicherten Gütern den Zoll erhob, n a h m R G 10. 24 keinen Anstand, den Versicherer zum Ersatz des Zolls zu verurteilen: „Der Grundsatz, daß bei der Seeversicherung . . . der Versicherer, abgesehen von der eigentümlichen N a t u r oder der fehlerhaften Beschaffenheit des transportierten Gegenstandes selbst und abgesehen
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von einem eigenen Verschulden des Versicherten, a l l e Gefahren zu tragen habe, . . . sei im H G B . . . ausdrücklich anerkannt . . . Der Einwand des Versicherers, daß . . . er nicht auch mit etwaigen h a n d e l s - oder z o l l p o l i t i s c h e n V e r f ü g u n g e n der kriegführenden Mächte zu tun habe, sei unzutreffend" (näheres über diese Entscheidung: unten A n m . 34 unter dd). Nach Lloyd's Police trägt der Versicherer u. a. die Gefahr of the . . . arrests, restraints, and detainments of all Kings, princes and people, of what nation, condition, or quality soever, und dieser Ausdruck refers to political or executive acts ( R C P 10). Wenn Zuchtbullen für die Reise von England nach Buenos Aires versichert sind und die Einfuhr von Vieh nach Argentinien verboten wird, so hat dies Verbot mit den Gefahren, die „ d e m Betriebe der Seeschiffahrt eigentümlich" sind, so viel und so wenig zu tun, wie der Waffenstillstand von 1 9 1 8 . Die englischen Gerichte betrachteten den Fall als Versicherungsfall (Miller v. L a w Acc. Ins. Co. 1903 bei C h a l m e r s 1 5 1 ) . Es ist daher auch ohne alle Bedeutung, ob ein WaffenstillstandsVertrag oder ein Friedensvertrag das Motiv der Beschlagnahme bildet (abw. auch H G Z 1920. 2 1 8 ) . Wäre die Auffassung des R G richtig, so wäre die Auffassung der Assekuradeure unrichtig, die es, mit Recht, f ü r nötig gehalten haben, in der „ E n t eignungsklausel" (Vorb. vor § 1 1 3 ) die Haftung f ü r den Schaden abzulehnen, der dadurch verursacht wird, daß „das Schiff in Durchführung von Waffenstillstands- oder Friedensverträgen zwischen Deutschland und fremden Mächten enteignet oder ausgeliefert w i r d " .
§28
b) Dem R G ist H G Z 1 9 2 1 . 253 gefolgt. Die kriegsversicherte „ B r e m e n " wurde kurz nach Abschluß des Waffenstillstands-Vertrags von Antwerpen nach Dordrecht überführt, mußte aber auf Grund jenes Vertrags zurückgebracht und ausgeliefert werden. L G Bremen verurteilte den Versicherer zur Entschädigung. O L G Hamburg wies die K l a g e ab, weil der Waffenstillstands-Vertrag „ u n d sein Abschluß ebensowenig zu den Gefahren, welche der Seeschiffahrt eigentümlich seien, gehöre, wie dies vom Versailler Vertrag gesagt werden könne". c) D e m R G ist auch H G Z 1 9 2 1 . 241 gefolgt (bestätigt durch R G H R Z 1923. 139). Die Nothafenladungs-Verordnung vom 13. J u n i und 15. Oktober 1 9 1 9 verbot, über deutsche Nothafen-Ladungen neutraler Häfen zu verfügen, und zwang die Ladungsbeteiligten, die Ladungen dem Reiche zu überlassen. L G Hamburg hat den Entschädigungsanspruch des f ü r Kriegsgefahr Gewinnversicherten für begründet, den Entschädigungsanspruch des „ N u r für Seegefahr" Gewinnversicherten f ü r unbegründet gehalten. O L G Hamburg hat beide Ansprüche f ü r unbegründet erklärt. Gefahren der Seeschiffahrt seien nur die Gefahren, welche „ d i e unversehrte Beförderung zur See bis zur Ablieferung an den . . . Empfänger . . . u n m i t t e l b a r und nicht etwa auf dem U m w e g über die Person des beförderungsberechtigten Eigentümers bedrohten"; die Ereignisse müßten „ d e r Seeschiffahrt eigentümlich", solche sein, „deren Eintritt oder leichterer Eintritt oder verschärfte Wirkung im Falle des Eintritts die Beförderung, und zwar die Beförderung zur See, nach allgemeiner Erfahrung und Vorstellung befurchten lasse". Die Unschlüssigkeit dieser Gedankenführung ist oben A n m . 1 2 dargelegt. d) N a c h H G Z 1 9 2 1 . 247 birgt „ j e d e Gefahr der Seeschiffahrt die M ö g l i c h k e i t d e r W i e d e r h o l u n g ihrer Art nach in sich". Gemeint ist: Ereignisse, die sich nur einmal zutragen können, „ n o c h nie dagewesen sind und in Zukunft nie wieder vorkommen" (wie angeblich die Wegnahme der Nothafen-Ladungen nach der Nothafenladungs-Verordnung vom 13. J u n i und 15. Oktober 1 9 1 9 ) können nicht Ereignisse sein, die den Gefahren der Seeschiffahrt angehören. Die Behauptung ist nicht begründet und auch nicht zu begründen. e) Andererseits trägt der Versicherer nicht nur die Gefahren der Seeschiffahrt im engeren Sinne, sondern auch gewisse, mit ihnen zusammenhängende B i n n e n -
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6 28 s c h i f f a h r t s - und sogar L a n d g e f a h r e n (§ ι Anm. 31). Inwieweit, müssen Vertrag, insbesondere Bedingungen (vgl. insbesondere §§ 66—69, 88, 89, 95, 96, 124) und die Verkehrsanschauung ergeben. Wird etwa während der durch die Versicherung gedeckten Ausbesserung des Schiffes im Hafen ein Teil oder Zubehörstück des Schiffes an Land gebracht oder gar über Land geschickt, um ausgebessert zu werden, so trägt der Versicherer die damit verbundene Landgefahr im Zweifel nicht (§ 1 Anm. 37). Ist der Transport auf Leichtern ortsüblich, wie etwa für Porto Alegre bestimmte Güter üblicherweise in Rio Grande in Leichter umgeladen werden, so sind die Gefahren auf Leichterschiffen als Gefahren der Seeschiffahrt anzusehen (KG J R P V 1924. 85 = Sasse Nr. 325). Siehe auch die Leichterklausel in den Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung. Anm. 17
9. Kausalzusammenhang. — Der Versicherer trägt also alle Gefahren, alle Schadensmöglichkeiten. Er hat Schäden zu ersetzen, gleichviel welche Ursachen sie haben. Die Frage, welche Ursache der Schaden hat, und in welcher Art von Zusammenhang das Gefahrereignis und der Schaden stehen müssen, damit ein Anspruch auf und eine Verpflichtung zur Entschädigung entsteht, scheint daher für die Seeversicherung (wie für die Transportversicherung überhaupt) müßig zu sein. Aber das scheint nur so. Denn erstens ist die Versicherung durchweg zeitlich und r ä u m l i c h begrenzt; dann entsteht die Frage, ob der Schaden durch ein zeitlich oder räumlich gedecktes Ereignis entstanden ist (hierüber insbesondere unten Anm. 27). Und zweitens ist die Versicherung durchweg sachlich begrenzt. Kriegsgefahr (§ 35), Arrestgefahr (§ 36), Repressaliengefahr, Diebstahlsgefahr, die Möglichkeit von Beschädigungen (§§ 113, 114) usw. können ausgeschlossen sein und sind durchweg in größerem oder geringerem Umfang ausgeschlossen. Auch kann j a die Versicherung nur für eine Gefahr oder für einzelne Gefahren genommen sein, ζ. B. „Nur für Kriegsgefahr" (§ 121), „Nur für Feuersgefahr" (ζ. B. HGZ 1872. 312) usw. (vgl. auch § 1 Anm. 31, 148, unten Anm. 32). In allen solchen Fällen muß festgestellt werden, ob der Schaden durch ein zum Kreise der übernommenen Gefahren gehörendes Ereignis (durch ein Gefahrereignis) oder durch ein anderes Ereignis v e r u r s a c h t ist. Anm. 18 a) Die Frage der Verursachung, das Kausalitätsproblem, hat im See-Versicherungsrecht besondere Schwierigkeiten bereitet. Denn so mannigfach die Ereignisse sind, die zu den gedeckten, und die zu den nicht gedeckten Gefahren gehören, so leicht ist oft der Zusammenfluß verschiedenartiger Geschehnisse zu einem Schaden, so schwer oft der innere Zusammenhang dieser Geschehnisse zu erkennen. Diese Schwierigkeiten sind schon in gewöhnlichen Schadensfällen groß. Sie würden für das Seeversicherungsgewerbe, das von Schadensfällen lebt, verderblich sein, wenn sich nicht eine Formel finden ließe, die, vielleicht roher als die in gewöhnlichen Schadensfällen angewandte, so doch einfacher und geeigneter wäre, mit der Massenerscheinung des Versicherungsfalls fertig zu werden. Als eine solche Formel hat man die Regel causa proxima, non remota spectatur aufgestellt (vgl. ζ. B. ROHG 5. 201, ROHG HGZ 1878. 278, OG Hamburg Seebohm 630, HG Hamburg HGZ 1868. 178, R G 67. 251, 89. 139, 92. 147. Siehe zu der causa-proxima-Regel insbesondere auch folgendes Schrifttum: A r g y r i a d i s ZfVW 1965. ι—17. (Zur Frage des versicherungsrechtlich erheblichen Kausalzusammenhanges), Die Frachtversicherung 150—155. Buss, Der Grundsatz der „nächsten Ursache" im Seeversicherungsrecht, DÖV 1927. 231. Hagen SVR 54—59. H a g e n s , Causa proxima non remota spectatur, H R Z 1923. 361. K r e u t z i g e r , Causa proxima, Die Kommandobrücke 1963. 268. L i n d e n m a i e r , Adäquate Verursachung oder nächste Ursache, JbAkDR 1938. 117, ders., Adäquate Ursache und nächste Ursache, zur Kausalität im allgemeinen bürgerlichen Recht und in den ADS, ZHR 113. 207. M ü l l e r ei s e r t, Die causa-proxima-Regel im Seeversicherungsrecht, Vers Arch i942.42i.Prölß,
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Adäquate, nächste und letzte Ursache, H a n s R G Z 1942 A 145. R ü g e r , Die causa- § 2 8 proxima-Regel im Seeversicherungsrecht, Winterthur 1956. R u n g e , Die causa-proximaLehre nach französischem, englischem, norwegischem und deutschem Recht unter besonderer Berücksichtigung allgemeiner Kausalitätsgrundsätze, Diss. H a m b u r g 1950. S c h e r z b e r g , Die Kriegsklausel in der Seeversicherung, 1954. 42—63. S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1—3 zu § 28 ADS. S c h u l t z e , Das Kausalitätsproblem in der Seeversicherung VersR. 1958. 273. In England hat die causa-proxima-Regel von jeher gegolten — denn ihre Praktikabilität springt in die Augen. No principle of marine insurance is better established than the rule causa proxima, non remota spectatur ( C h a l m e r s 77). Jetzt ist sie dort auch gesetzlich anerkannt: T h e insurer is liable for any loss proximately caused by a peril insured against, but (Das Gesetz begnügt sich bezeichnender Weise nicht mit der positiven Bestimmung der Haftung, mit der es sich hätte begnügen können) he is not liable for any loss which is not proximately caused by a peril insured against (MIA § 5 5 Abs. 1). b) Indessen ist teil- und zeitweise die Bedeutung der causa-proxima-Regel über- Anm. 19 spannt und überschätzt worden. M a n hat daher auch als Gegenwirkung geglaubt, die Regel ganz über Bord werfen zu sollen. Das eine wie das andere ist falsch. Es gilt vielmehr, die Bedeutung der causa-proxima-Regel in den richtigen Rahmen zu stellen. —• Aufgabe einer jeden Kausalitätstheorie ist es, unter den für den Erfolg unerläßlichen Bedingungen, den condiciones sine qua non, diejenigen herauszufinden, die als Ursache im Sinne des Gesetzes, im Sinne seiner Urheber, im Lichte der beim Erlaß des Gesetzes bestehenden und Ausgleich fordernden gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen zu betrachten sind. Diese Aufgabe hat die Lehre von der adäquaten Verursachung im allgemeinen a m besten gelöst (begründet von v. K r i e s VJSchr. für wiss. Phil. 12. 179, fortgeführt insbesondere von R ü m e l i n AfcP go. 171, T r a e g e r Kausalbegriff; s. eine Gesamtübersicht u. a. bei L i n d e n m a i e r Z H R 113.207fr.). Ihr haben sich überwiegend Rechtslehre und Rechtsprechung angeschlossen (vgl. dazu die Ausführungen in S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 31—35 zu § 735 H G B ; s. BGH 2. 138, 3. 267, 8. 288, 18. 286, 25. 88). Auch innerhalb dieser Theorie bestehen im einzelnen Meinungsverschiedenheiten, denen aber gemeinsam die Würdigung der Erfolgsbegünstigung einer conditio sine qua non nach generellen Maßstäben ist. Legt man die vorherrschende Ansicht zugrunde, so kommt die Theorie der adäquaten Verursachung etwa darauf hinaus: Von den condiciones sine qua non sind als Ursachen im Sinne des Gesetzes nur diejenigen anzusehen, die erfahrungsgemäß (d. h. nach der zur Zeit der Beurteilung bestehenden Erfahrung, s. auch BGH 3. 261) allgemein den Eintritt des wirklich eingetretenen Erfolgs nicht nur ganz unerheblich begünstigt haben, oder anders ausgedrückt: die erfahrungsgemäß allgemein die Gefahr, die Möglichkeit des Eintritts des wirklich eingetretenen Erfolgs nicht nur ganz unerheblich erhöht haben. Keinesfalls reicht es zur Feststellung des adäquaten Kausalzusammenhangs aus, wenn nur angenommen werden kann, d a ß der Schaden durch die H a n d l u n g „möglicherweise" oder „vielleicht" verursacht worden sei (BGH 2. 138). Nach BGH 3. 261 handelt es sich bei der Prüfung auf Adäquanz nicht eigentlich u m eine Frage der Kausalität, sondern u m die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Setzer einer Bedingung eine Haftung für ihre Folgen billigerweise zugemutet werden kann. Vgl. auch BGH 18. 286 und 25. 88. In BGH 18. 286 ist zum Ausdruck gebracht, die Frage der Adäquanz zwischen Bedingung und Erfolg dürfe nicht rein logisch abstrakt nach dem Zahlenverhältnis der Häufigkeit des Eintritts eines derartigen Erfolgs beurteilt werden. Vielmehr müßten mit einer wertenden Beurteilung aus einer Vielzahl der Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenigen ausgeschieden werden, die bei einer vernünftigen Beurteilung der Dinge nicht mehr als haftungsbegründende Umstände betrachtet werden könnten. 30
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
466 § 28
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I m Gegensatz zu der von R i t t e r in der Vorauflage dieses K o m m e n t a r s vertretenen Ansicht k o m m t zunächst a u c h im Seeversicherungsrecht die Lehre von der a d ä q u a t e n V e r u r s a c h u n g z u r A n w e n d u n g (ebenso wie sie für das sonstige Versicherungsrecht gilt — vgl. B G H 3.261, VersR 1952. 352, P r ö l ß A n m . 4 z u §49 V V G , A r y g r i a d i s Z f V W 1965. 7, H a g e n H d b . I 583^, L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 246, E h r e n z w e i g V V 261 —, was von R i t t e r in der Vorauflage A n m . 19 zu § 28 ebenfalls geleugnet wurde). N a c h der Theorie der a d ä q u a t e n V e r u r s a c h u n g bestimmt sich auch im Seeversicherungsrecht, ob ein Ereignis ü b e r h a u p t den Schaden herbeiführen konnte. Ein Versicherer, der die Folgen bestimmter Ereignisse auf sich n i m m t , k a n n vernünftigerweise n u r die Folgen i m Auge h a b e n , welche ein Ereignis solcher Art erfahrungsgemäß n a c h sich zieht. N u r d a n n ist sein Geschäftsrisiko grundsätzlich übersehbar. Das bedeutet z u n ä c h s t : Beruht im Seeversicherungsrecht ein Schaden n u r auf e i n e m a d ä q u a t e n Ereignis, f ü r das d e r Versicherer zu haften hat, so h a t es bei der Lehre von der a d ä q u a t e n V e r u r s a c h u n g sein Bewenden. F ü r die H e r a n z i e h u n g der causa-proxima-Regel ist d a n n kein R a u m ( L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 263, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 28 A D S , S c h e r z b e r g 44, auch schon R G 169. 1). Gleiches gilt, wenn streitig ist, welche von m e h r e r e n in Betracht k o m m e n d e n a d ä q u a t e n U r s a c h e n d e n Schaden allein ausgelöst hat, so, wenn ein Schiff, dessen K u r s d u r c h ein minengefährdetes Gebiet u n d gleichzeitig durch das Z e n t r u m eines schweren Sturmes f ü h r t e , vermißt wird. Es ist d a n n eine reine Beweisfrage, ob der See- oder Kriegsversicherer haftet, keine Kausalitätsfrage ( L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 263, 274, S c h e r z b e r g 47f., 63f.). A u c h w e n n m e h r e r e Einzelursachen mit den ihnen eigenen selbständigen a d ä q u a t e n Schadensfolgen vorliegen, haftet j e d e r Versicherer f ü r d e n Schaden, der eine a d ä q u a t e Folge des von i h m gedeckten Gefahrenereignisses ist, so, wenn ein Teil der L a d u n g d u r c h eine kriegführende M a c h t beschlagn a h m t u n d ein anderer Teil d u r c h Feuer vernichtet wird ( L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 264, K i s c h W u R V e r s 1926. 60, S c h e r z b e r g 48).
Die A n w e n d u n g der Lehre von d e m a d ä q u a t e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g k a n n d a z u f ü h r e n , d a ß der Erfolg d u r c h m e h r e r e rechtserhebliche U m s t ä n d e bedingt ist. W e n n das versicherte Schiff leck wird, aber über Wasser gehalten w e r d e n kann, u n d hierauf Feuer ausbricht, das gelöscht werden k a n n , wegen des Lecks j e d o c h nicht das Feuer gelöscht u n d wegen des Feuers das Schiff nicht gelenzt werden k a n n , f ü h r e n zwei selbständige Ereignisse den Verlust des Schiffes herbei, h a b e n zwei selbständige Ereignisse in a d ä q u a t e r Weise eine entscheidende Bedingung f ü r d e n Verlust des Schiffes gesetzt. Es m ü ß t e also sowohl der Versicherer, der n u r die Feuergefahr ü b e r n o m m e n hat, wie der Versicherer, der n u r die übrigen Gefahren ü b e r n o m m e n hat, haften. Die herrschende Lehre in der Binnenversicherung läßt den Grundsatz der a d ä q u a t e n Kausalität nicht n u r d a n n gelten, w e n n es sich u m die K a u s a l v e r k n ü p f u n g zwischen d e m Versicherungsfall u n d einem Schaden handelt, sondern a u c h d a n n , wenn es sich u m die K o n k u r r e n z mehrerer gedeckter u n d ungedeckter oder bei verschiedenen Versicherern gedeckter Schadensursachen h a n d e l t . I n diesen Fällen bringt die in d e m Binnenversicherungsrecht herrschende M e i n u n g die G r u n d s ä t z e der Doppelversicherung zur entsprechenden Anw e n d u n g mit einer pro-rata Verteilung des Schadens unter die m e h r e r e n Versicherer, gegebenenfalls a u c h d e n Selbstversicherer, sofern n u r alle diese Gefahren als a d ä q u a t e U r s a c h e n des Schadens in Betracht k o m m e n . Siehe A r g y r i a d i s Z f V W 1965. 8, L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 2 7 9 , K i s c h W u R V e r s 1926.48, P r ö l ß A n m . 4 zu § 49 V V G , R G 153. 53. Indessen k a n n es schwierig sein, die Einwirkung einer jeden a d ä q u a t e n U r s a c h e prozentual zu bestimmen. A n m . 21 c) I m deutschen Seeversicherungsrecht ist, ebenso wie i m anglo-amerikanischen, die Frage, ob der S c h a d e n d u r c h ein Gefahrereignis oder d u r c h ein versicherungsfreies Ereignis verursacht ist, n a c h d e r Regel causa proxima, non r e m o t a spectatur zu be-
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antworten ( R G 1 5 3 . 1 3 3 = J R P V 1937. 1 0 1 = J W 1 9 3 7 . 8 7 7 (Fall „Sülfmeister"), 169. 1 = H a n s R G Z 1942 Β 73 (Fall „ B a h i a B i a n c a " ) , O L G H a m b u r g H a n s R G Z 1936 Β 107, : 9 4 2 Β 73, V e r s R 1963. 449 = Sasse Nr. 482, L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 246, J A k D R 1938. 176, P r ö l ß Anm. 4 zu § 49 V V G , H a g e n s H R Z 1 9 2 3 . 3 6 1 , J . v. G i e r k e V S R I I 269, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 28 A D S , H a g e n S V R 54 und H d b I 584, M ö l l e r Hansa 1937. 2092, W e i m a r , Schiffahrtsrecht und Transportversicherungsrecht, 1959. 83fr., A r g y r i a d i s , Frachtversicherung 150fr., R i t t e r H R Z 1 9 2 3 . 280, S c h e r z b e r g 5 6 f r . ; vgl. auch R G 1 1 5 . 397 = H R Z 1 9 2 7 . 180 = J R P V 1 9 2 7 . 4 1 = J W 1 9 2 7 . 1685 = Sasse Nr. 2 2 und die Vorinstanz H a n s O L G H R Z 1926. 3 7 5 = J R P V 1926. 108 = Sasse Nr. 3 5 2 , wo ausgeführt wurde: „Versicherungsrechtlich haben nicht das Feuer und der Arrest den V e r k a u f und damit den Verlust des Schiffes veranlaßt, sondern allein maßgebliche nächste Ursache des Verkaufs war die Nichtbefriedigung der Gläubiger durch den R e e d e r " ; ausdrücklich für die alleinige Anwendung der Adäquanztheorie auch im Seeversicherungsrecht B r u c k H R Z 1 9 2 3 . 2 1 0 ) , sofern nicht etwas anderes vereinbart ist (unless the policy otherwise provides: M I A § 55 Abs. 1). Auch bei Maßgeblichkeit des causa-proxima-Prinzips muß in erster Linie der Vertragsinhalt für die Entschädigungspflicht entscheidend sein ( L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 2 4 7 , H a g e n H d b I 584, K i s c h W u R V e r s 1 9 2 6 . 4 5 f r . , R G 1 6 9 . 5 ) . L i n d e n m a i e r führt aus (a. a. Ο . ) , es könnten ζ. B. durch Vertragsauslegung entscheidende Gesichtspunkte dafür zu gewinnen sein, d a ß ein Gefahrereignis ohne Rücksicht auf seine Eigenschaft als causa proxima als die Versicherungshaftung auslösend zu betrachten sei, wie etwa in R G Verkehrsrechtl. Rundschau 1941. 1651, wo die Beförderung von Vieh von Marseille nach Haifa versichert war. Bei der Ankunft in Haifa wurde von der Hafenbehörde bei dem Vieh Tuberkulose festgestellt und die T ö t u n g veranlaßt. W a r diese lediglich die Folge einer bereits vor Versicherungsbeginn bestehenden Erkrankung der Tiere, so bedurfte es nach dem causa proxima Grundsatz für die Entscheidung über die Haftung des Versicherers der Untersuchung, ob diese nicht versicherungsgedeckte behördliche T ö t u n g die causa proxima des Schadens war. M i t R e c h t meint L i n d e n m a i e r a . a . O . , dem diese Ausführungen entnommen sind, die Prüfung erübrigte sich, wenn sich, wie das Urteil annimmt, aus den besonderen Klauseln des Vertrags ergab, daß die T ö t u n g auf Anordnung einer Behörde auf jeden Fall als haftungsauslösend anzusehen sei. Aus der Auslegung des Vertrages kann sich aber auch umgekehrt ergeben, daß eine Schadensursache a b causa proxima auszuscheiden ist, wie insbesondere im „ B a h i a - B l a n c a " - F a l l ( R G 169. 1), wo dies nach den Urteilsgründen nach den den Vertragsschluß begleitenden Umständen bezüglich des Kriegsereignisses der Blockadebruchreise und der dadurch verursachten Erhöhung der Seegefahr zu gelten hat. Siehe auch unten Anm. 25. — Gewiß ist, daß die Regel causa proxima, non remota spectatur nur auf der Verkehrsanschauung beruht und auch ihre Bedeutung lediglich nach der Verkehrsanschauung bestimmt werden kann ( R G 1 5 3 . 1 1 3 , 169. 1). Diese Bestimmung ist Schwierigkeiten begegnet, weil es, von den Ergebnissen der Rechtsprechung abgesehen, an Anhaltspunkten fehlte und die Rechtsprechung lange Zeit nicht zu festen Leitsätzen gelangt war. Sicher war nur (und ist es auch heute noch), daß die nach der causa-proxima-Regel bestimmte Ursache dann rechtlich als die für den Schaden allein ursächliche anzusehen ist (vgl. auch O L G H a m b u r g V e r s R 1963. 449 = Sasse Nr. 482, A r g y r i a d i s Z f V W 1965. 10). Bis in den Ersten Weltkrieg hinein wurde insbesondere auch in England (in Deutschland bis R G 1 5 3 . 13) als nächste Ursache die zeitlich letzte Ursache (causa proximate in time, causa ultima) angesehen (s. dazu auch de S m e t I I Nr. 753). Die Ereignisse des Ersten Weltkrieges boten dann Anlaß zu der Erkenntnis, daß sich damit die Bedeutung der Regel jedenfalls nicht erschöpfe. Gerade die in diesem Satz liegende Uberspannung der Regel hat dazu geführt, daß man sie revidierte. I m Falle der I k a r i a 30·
§28
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§ 2 8 (Leyland Shipp. Co. v. Norwich Union Fire Ins. Soc. Ltd., House of Lords 31. J a n u a r 1918, 34 Times Law Rep. 221. 28, H R Z 1920. 67 und bei P a u l y , Kriegsgefahr 225) war das Schiff torpediert, nach Le Havre gebracht, hier infolge schlechten Wetters nach einem anderen Liegeplatz verlegt worden, auf G r u n d geraten und total verlorengegangen. Die zeitlich letzte Ursache des Verlustes war der Umstand, daß das Schiff auf G r u n d geriet. Gleichwohl wurde der Verlust nicht dem Seeversicherer, sondern dem Kriegsversicherer zur Last gelegt. Die Torpedierung war eben die wirksamste Ursache und der Schaden deshalb vom Kriegsversicherer zu ersetzen. Übrigens h a t die englische Rechtsprechung sich in einzelnen Fällen schon früher auf diesen Standpunkt gestellt. Als H ä u t e durch Seewasser in Fäulnis übergegangen und mitverladenen versicherten T a b a k verdorben hatten, wurde der Versicherer verurteilt, obgleich er nur perils of the seas trug und das Eindringen des Seewassers in das Schiff gewiß nicht die „letzte" Ursache des Schadens gewesen war (Montoya v. London Ass. Co. 1851 bei C h a l m e r s 73, vgl. auch oben Anm. 11 und unten Anm. 43). Wohl aber hatte die Beschädigung des Tabaks nach Sachlage als wirksamste Ursache die, daß Seewasser in das Schiff und in die H ä u t e eingedrungen war. I m Falle Reischer v. Borwick (1894 bei A r n o u l d 764 s. 811) war das nur gegen Kollisionsgefahr versicherte Schiff mit einem anderen Gegenstand zusammengestoßen, beschädigt und vorläufig ausgebessert, so daß keine unmittelbare Gefahr bestand; während der Schlepper es nach dem nächsten Dock brachte, brach das Leck wieder auf und das Schiff ging verloren. Der Versicherer wurde zum Ersatz des Verlustschadens verurteilt. Der Zusammenstoß war gewiß nicht die „letzte" Schadensursache. Wohl aber war der Zusammenstoß nach Lage der Sache die wirksamste Ursache des Zusammenstoßes. R i t t e r meinte in der Vorauflage dieses Kommentars mit Recht, hierauf müsse es mit Rücksicht auf die Interessen- und Beweislage auch ankommen (allerdings sprach R i t t e r a . a . O . noch von der „unvermeidlichen" Folge des Zusammenstoßes) . Sicher ist, daß heute im anglo-amerikanischen Rechtskreis als causa proxima die wirkungsmäßig nächste Ursache angesehen wird (dominant, direct, effective, determining, predominant cause, vgl. S c h e r z b e r g 80). Welche das aber ist, hängt weitgehend von der jeweiligen richterlichen Entscheidung ab. Vgl. A r n o u l d 721 ff., s. 766ff., 808 s. 850, D o v e r 72. Insbesondere heißt es bei A r n o u l d 722 s. 766: „Where a loss is due to a combination of causes, the question which is the proximate cause is not solved by the mere point of order in time. For causation is not a chain, but a net . . . T h e cause which is truly proximate is that which is proximate in efficiency. T h a t efficiency may have been preserved although other causes may meantime have sprung up which have not destroyed or truly impaired it, and it may culminate in a result of which it still remains the real efficient cause to which the event can be ascribed (Lord Shaw i. Sa. Leyland Shipping Co. v. Norwich Union Fire Society)". A r n o u l d a . a . O . fährt aber auch fort: „As soon as the criterion of the cause last in time was abandoned the problem facing the courts became much more difficult. Most results are brought about by a combination of causes, and should it become necessary to make a search for t h e cause, this involves a selection of the governing explanation in each case (Lord Simon in T h e Coxwold, 1942). This choice of the real or efficient cause from out of the whole complex of the facts must be made by applying commonsense standards (Lord Wright in T h e Coxwold, 1942). In den USA wird das Problem ähnlich beurteilt. Anm. 22 d) Als fast übereinstimmende Ansicht kann für Rechtslehre und Rechtsprechung in Deutschland heute angesehen werden, daß die causa proxima eines Schadens nicht seine zeitlich letzte Ursache zu sein braucht, obwohl sie es unter Umständen sein kann (vgl. R G 169. 1, O L G H a m b u r g VersR 1963. 449 = Sasse Nr. 482, H a n s O L G H a n s R G Z
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1938 Β 475 = Sasse Nr. 448, L i n d e n m a i e r Z H R 113. 249fr., S c h l e g e l b e r g e r § 2 8 Bern. 3 zu § 28 ADS; dagegen für causa ultima H a g e n SVR 58f. und im wesentlichen auch P r ö l ß H a n s R G Z 1942 Α 150 fr.). R i t t e r meinte in der 1. Auf läge dieses Kommentars, der Versicherer hafte für den unmittelbar durch Gefahrereignisse entstandenen Schaden und für die unvermeidlichen Folgen von Gefahrereignissen, sofern diese Ereignisse nicht etwa ihrerseits unvermeidliche Folgen versicherungsfreier Ereignisse seien. Der Versicherer hafte nicht für den unmittelbar durch versicherungsfreie Ereignisse entstandenen Schaden und nicht für die unvermeidlichen Folgen versicherungsfreier Ereignisse, sofern diese Ereignisse nicht etwa ihrerseits unvermeidliche Folgen von Gefahrenereignissen seien. Unter unmittelbar durch Gefahrereignisse verursachte Schäden sind nach heutiger Auffassung wohl solche zu verstehen, bei denen nur e i n e adäquate Ursache vorliegt ( L i n d e n m a i e r Z H R 113. 257, S c h e r z b e r g 61; s. oben Anm. 19, wonach Ritter die Lehre von der adäquaten Verursachung allgemein ablehnte), die also aus dem Bereich der causa proxima-Lehre ausscheiden. Für diese Lehre stellte R i t t e r auf die Unvermeidlichkeit ab, indem eine Ursache dann die „nächste" sein sollte, wenn durch sie der Geschehensablauf die Richtung auf die Unvermeidlichkeit des Schadens erhalten hatte ( L i n d e n m a i e r Z H R 113. 259). Diese Rittersche Formel ist als zu eng empfunden worden (vgl. H a g e n s H R Z 1923. 316). Sie stelle auch in vielen Fällen an das vom rechtlichen Standpunkt aus erforderliche M a ß der Verursachung zu hohe Anforderungen ( L i n d e n m a i e r Z H R 113. 25gf., S c h e r z b e r g 61). L i n d e n m a i e r (a. a. Ο . 262) sieht deshalb von mehreren adäquaten Ursachen eines Schadens im Sinne der causa-proxima-Regel bei objektiver Betrachtung ex ante diejenige an, welche einen Erfolg von der Art des eingetretenen objektiv generell unvermeidlich zu machen oder wahrscheinlicher (mit 51—100% Wahrscheinlichkeit) herbeizuführen geeignet ist. Die Formulierung L i n d e n m a i e r s , die also nicht wie diejenige Ritters auf die Notwendigkeit, sondern auf die Wahrscheinlichkeit abstellt (während es bei der reinen Adäquanzlehre lediglich auf eine Begünstigung ankommt) ist wohl gegenwärtig die in Deutschland am meisten anerkannte. Vgl. insbesondere auch R G 169. 1 und H a n s O L G H a n s R G Z 1941 Β 185 = J R P V 1941. 102. Siehe auch S c h e r z b e r g 6 i f . Dementsprechend hat auch O L G H a m b u r g VersR 1963. 499 = Sasse Nr. 482 als causa proxima (proximate in efficiency) eines Maschinenschadens (Bruch der Motorenfundamente, Schäden an der Wellenleitung) das zeitlich vorangehende Auflaufen des Schiffes mit der dadurch herbeigeführten Verbiegung und Verformung des Schiffskörpers angesehen, nicht das zeitlich später liegende schwere Wetter. Schweres Wetter allein sei generell nicht wahrscheinlicher, sondern sogar weniger wahrscheinlich geeignet, einen Schaden von der Art des eingetretenen herbeizuführen. A r g y r i a d i s Z f V W 1965. 11 meint, daß die Voraussetzungen Lindenmaiers unter Umständen für mehrere Ursachen zutreffen könnten und daß deshalb eine noch größere Präzisierung notwendig sei. Es komme deshalb auf diejenige Ursache an, die nach objektiver Beurteilung generell überwiegend geeignet sei, einen Schaden von der Art des eingetretenen herbeizuführen. Es fragt sich indessen, ob der Vorwurf, den A r g y r i a d i s Lindenmaier macht, nicht auch seine eigene Formulierung trifft. J e dehnbarer der Begriff der causa proxima gefaßt wird, j e unsicherer werden die Ergebnisse der Rechtsprechung sein. Siehe dazu auch die in Anm. 21 wiedergegebenen Ausführungen von A r n o u l d . Sicher ist, d a ß die frühere Ansicht, die causa proxima sei die zeitlich nächste Ursache, zu ungerechtem Ergebnis im konkreten Fall führen konnte, sicher ist aber auch, d a ß sie der Rechtssicherheit förderlicher war als die neuere Meinung, sie sei die causa proximate in efficiency, wie immer man diese im einzelnen bestimmen mag. Siehe auch H a g e n SVR 56. Vgl. H a n s O L G H a m b u r g VersR 1963. 499 zu der Frage, ob mit Rücksicht auf die causa-proxima-Regel im Seeversicherungsrecht daneben oder ergänzend die von M ö l l e r (vgl. B r u c k -
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§28
M ö l l e r A n m . 49 zu § ι V V G ) f ü r die a d ä q u a t e Kausalität des übrigen Versicherungsrechts entwickelte Figur des „ g e d e h n t e n Versicherungsfalls" herangezogen werden könne, was offengelassen, aber als zweifelhaft hingestellt wird.
A n m . 23
e) N a c h d e m in A n m . 22 dargelegten beurteilt sich a u c h die U n t e r b r e c h u n g des K a u s a l z u s a m m e n h a n g s (sog. überholende Kausalität), so w e n n das versicherte Schiff so leck wird, d a ß es verlorengehen m u ß , u n d demnächst ein Feuer ausbricht, das es vernichtet. Hier ist die „causa p r o x i m a " das Leckwerden, denn das Schiff h a t t e h i e r d u r c h bereits d e n Todesstoß erhalten, war schon verloren, u n d das Dazwischentreten des Feuers ist n u r als ein unbeachdiches Spiel des Zufalls zu betrachten (vgl. a u c h u n t e n A n m . 29). Ist das n u r f ü r Feuersgefahr versicherte Schiff leck geworden u n d demnächst infolge eines Brandes verlorengegangen, so h ä n g t wie schon H G H a m b u r g Seebohm 626 treffend bemerkt, „ d i e Beantwortung der Frage, ob der stattgehabte Totalverlust . . . als ein Feuerschaden im Sinne der hier vorliegenden Reassekuranz oder als ein Seeschaden zu betrachten ist, davon ob, ob das Schiff beim A u s b r u c h des Feuers bereits als verloren anzusehen w a r oder nicht, indem, wenn der U n t e r g a n g des Schiffes b e i m Ausb r u c h des Feuers schon unvermeidlich gewesen sein sollte, das H i n z u t r e t e n des Feuers — selbst wenn der U n t e r g a n g d u r c h dasselbe beschleunigt worden — keinesfalls geeignet sein würde, d e n bereits in sicherer Aussicht stehenden Schaden des Seeversicherers auf den Feuerversicherer ü b e r z u w ä l z e n " (dahingestellt von O G H a m b u r g Seebohm 632, O A G Lübeck Seebohm 6 4 1 ; zustimmend S i e v e k i n g 188, abw. E h r e n b e r g R V 189). W e n n der K a p i t ä n das „ N u r f ü r Kriegsgefahr" versicherte, v o m Feinde verfolgte Schiff v e r b r e n n t oder auf den Strand setzt, u m es nicht der sonst sicheren N e h m u n g auszusetzen, haftet der Versicherer. „ M a n setzt voraus, b e m e r k t B e n e c k e 3. 336 z u der französischen Entscheidung, d a ß das Schiff u n v e r m e i d l i c h g e n o m m e n sein würde, u n d betrachtet also d e n Verlust als d u r c h Kriegsgefahr . . . e n t s t a n d e n " (vgl. d a z u a u c h fimerigon ch. 12 s. 17, P o t h i e r Nr. 53: on suppose que la prise en eüt ete sans cela i n e v i t a b l e ; d e C o u r c y 14: Ebenso, wenn das Schiff auf der Flucht unabsichtlich strande, im anderen Falle aber g e n o m m e n wäre). Ebenso H a h n v. Corbett 1824 bei A r n o u l d 762 s. 809: Das Schiff mit w a r r a n t e d free f r o m c a p t u r e a n d seizure versicherten G ü t e r n wird auf eine S a n d b a n k getrieben; die Güter w ä r e n gewiß d u r c h die See vernichtet worden, w e n n nicht Feinde sich ihrer bemächtigt h ä t t e n (anders freilich im Falle Andersen v. M a r t e n : u n t e n A n m . 26 u n t e r ii). Ebenso a u c h die amerikanische R e c h t s p r e c h u n g : K e n t 3. 302. Ist ein G e f a h r e r e i g n i s e i n g e t r e t e n , d a s d e n S c h a d e n sicher v e r u r s a c h t h a b e n w ü r d e , w e n n n i c h t ein v e r s i c h e r u n g s f r e i e s E r e i g n i s d a z w i s c h e n g e t r e t e n w ä r e u n d ihn verursacht hätte, so h a f t e t d e r V e r s i c h e r e r . Ist ein v e r s i c h e r u n g s f r e i e s E r e i g n i s eingetreten, das d e n Schaden sicher verursacht h a b e n würde, wenn nicht ein G e f a h r e r e i g n i s d a z w i s c h e n g e t r e t e n wäre u n d ihn verursacht hätte, so haftet der Versicherer n i c h t . I m ersten Falle m u ß der Versicherungsnehmer, im zweiten der Versicherer beweisen. Doch ist Voraussetzung immer, d a ß das frühere Ereignis m i t S i c h e r h e i t den Schaden herbeigeführt h a b e n würde. Steht das nicht unbedingt fest, bleibt ein M o m e n t der Unsicherheit, so k o m m t n u r die zweite Ursache, sofern sie a d ä q u a t ist, in Betracht. Insoweit ist der Kritik L i n d e n m a i e r s Z H R 1 1 3 . 2 6 7 (s. auch S c h e r z b e r g 5if.) zuzustimmen. Deshalb haftet der Seeversicherer nicht, wenn d e m zwar möglichen, aber nicht sicheren U n t e r g a n g des Schiffes d u r c h ein Leck derjenige d u r c h einen nicht gedeckten Brand zuvorkommt. M i t der causa proxima-Regel h a t d a n n der Sachverhalt nichts m e h r zu t u n , d a eben n u r eine a d ä q u a t e U r s a c h e vorliegt. Vgl. auch R G 81. 539, B G H 18. 286, 25. 88. Soweit indessen bei Eintritt des zweiten Ereignisses ein selbständig nachweisb a r e r Schaden bereits vorhanden war, kommen die in A n m . 24 entwickelten G r u n d sätze zur A n w e n d u n g .
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f ) Mit den allgemeinen Kausalitätsgrundsätzen stimmt überein, daß, wenn ein § 28 E r e i g n i s b e r e i t s einen S c h a d e n v e r u r s a c h t hat, die R e c h t s f o l g e n hiervon Anm. 24 n i c h t wieder d a d u r c h b e s e i t i g t werden, d a ß d e m n ä c h s t , unabhängig, ein a n d e r e s E r e i g n i s eintritt, d a s a u c h d e n bereits entstandenen S c h a d e n v e r u r s a c h t h a b e n w ü r d e , wenn er nicht schon entstanden wäre (vgl. Komm. z.BGB § 249). In diesem Sinne richtig: „Der T o t a l v e r l u s t v e r s c h l i n g t n i c h t d e n P a r t i a l s c h a d e n " ( V o i g t 384, L i n d e n m a i e r ZHR 113.267, K i s c h WuRVers 1926. 57—59, S c h e r z b e r g 48). W i r d d u r c h e i n G e f a h r e r e i g n i s S c h a d e n v e r u r s a c h t , so h a f t e t insoweit der V e r s i c h e r e r , s e l b s t w e n n demnächst ein v e r s i c h e r u n g s f r e i e s E r e i g n i s eintritt, das d e n S c h a d e n a u c h v e r u r s a c h t h a b e n w ü r d e (vgl. auchRG 121. 396 = HansRGZ 1928 Β 643 = H R R 1929 Nr.326 = J R P V 1928. 245 = J W 1928. 3178, BGH 2. 336 = VersR 1951. 209 = MDR 1951. 546: Ein kaskoversichertes Schiff erlitt 1944 zwei Teilschäden und wurde ohne Ausbesserung 1946 den Aliierten ausgeliefert; die Versicherer wurden zur Zahlung der Entschädigung für die Teilschäden verurteilt; P r ö l ß Bern. 4 zu § 49 VVG, S c h e r z b e r g 48; s. auch See- und Handelsgericht Kopenhagen ITVMitt 1920. 3g). Wird durch ein versicherungsfreies E r e i g n i s Schaden verursacht, so haftet der Versicherer insoweit n i c h t , selbst wenn demnächst ein G e f a h r e r e i g n i s eintritt, das den Schaden a u c h verursacht haben würde. Nur den ersten dieser beiden, sich ergänzenden Grundsätze spricht § 844 HGB aus: „Die Verpflichtung des Versicherers, einen Schaden zu ersetzen, wird dadurch nicht wieder aufgehoben oder geändert, daß später infolge einer Gefahr, die der Versicherer nicht zu tragen hat, ein neuer Schaden und selbst ein Totalverlust eintritt". Dieser aber sowohl wie der zweite, ihn ergänzende, Grundsatz verstehen sich von selbst (Begr. ζ. Ε i g i o § 29, G e r h a r d 384, P o h l s 4. 290, S i e v e k i n g 136, V o i g t 383, 395, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 10 zu § 28 ADS, RG 89. 147, RG HGZ 1919. 14, HGZ 1900. 96, 1920. 219, OAG Lübeck SA 11 Nr. 170, Seebohm 641, HG u. OG Hamburg HGZ 1877. 59, 136, 312, SeeHG Kopenhagen ITVMitt 1920. 40, anscheinend auch HGZ 1892. 161; abw. E h r e n b e r g R V 188, V o i g t NAfHR 4. 242, HG u. OG Hamburg Ullrich Nr. 104; teilw. abw. auch B e n e c k e 3. 337; anders auch die englische Rechtsprechung, vgl. A r n o u l d 1007fr. s. 1032, 1033, S c h e r z b e r g 50, Livie v. Janson (1810) bei A r n o u l d 1009 s. 1033, s. auch die dort in Anm. 6 aufgeführte Entscheidung Wilson Shipping Co. v. British & Foreign Marine Insurance Co. (1921). Deshalb enthält auch das VVG keine diese Grundsätze aussprechende Vorschrift. Deshalb hat das Gesetz auch mit Recht das Gegenteil ausdrücklich ausgesprochen, wenn, ausnahmsweise, das Gegenteil gelten soll. So, auf verwandtem Rechtsgebiete, § 705 HGB, wonach im Falle einer Havariegrosse-Beschädigung keine Vergütung gewährt wird, wenn den beschädigten Gegenstand später und unabhängig von der früheren Beschädigung eine besondere Haverei trifft und der spätere Unfall auch den früheren Schaden verursacht haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden wäre. Im Falle eines Havariegrosse-Verlustes bleibt auch hier, ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzes, der Vergütungsanspruch des Havariegrosse-Beteiligten unberührt, wenn später eine besondere Haverei eintritt, die den Verlust herbeigeführt haben würde, wenn er nicht schon entstanden wäre (ROHG 25. 100). Nur mit Rücksicht grade auf § 705 HGB, nur um „irrige Schlußfolgerungen" aus § 705 HGB zu vermeiden, hat man geglaubt, im § 844 HGB noch besonders aussprechen zu müssen, was „seinem sachlichen Inhalt nach unentbehrlich erscheine", was sich also von selbst versteht (Prot. 4361). Doch kann der Satz „Totalverlust verschlingt den Teilschaden" immer nur von Bedeutung sein, wenn einer der beiden Schäden auf ein nicht oder nicht bei demselben Versicherer gedecktes Ereignis zurückzuführen ist. Sind nacheinander Teilschaden und Totalverlust verursacht, die durch die gleiche Police beim gleichen Versicherer gedeckt sind, so
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§ 2 8 haftet der Versicherer nur f ü r den Totalverlust, nicht auch f ü r den vorhergehenden, noch nicht ausgebesserten Teilschaden ( S c h e r z b e r g 50). Anm. 25 g) Hiermit ist nicht gesagt, daß causae remotae als H a f t u n g begründende oder die Haftung ausschließende Ursachen überhaupt nicht in Betracht kommen (s. dazu insbesondere auch oben Anm. 21). Die Auslegung des Vertrags kann ergeben, daß auch eine causa remota, ein nur gefahrerhöhendes Ereignis die Haftung des Versicherers f ü r die Folgen begründen oder ausschließen soll. Deshalb Iäßt auch § 55 Abs. 1 M I A ausdrücklich die Regel causa proxima, non remota spectatur n u r gelten, unless the policy otherwise provides (wie etwa im Falle Le Quellec et fils v. Thomson H R Z 1920. 66, in dem die Police ausdrücklich „war risks . . . including extinction of lights etc." deckte). Aber die ADS lassen selten erkennen, daß sie von solcher Auffassung ausgegangen sind. Nahe liegt, eine solche Auffassung f ü r § 58 anzunehmen. Nach § 58 haftet der Kaskoversicherer nicht für den Schaden, der dadurch verursacht ist, daß das Schiff „nicht seetüchtig in See gesandt ist". Es möchte scheinen, als ob damit die Inseesendung des Schiffes als causa remota bezeichnet ist, für deren (entferntere) Schadensfolgen der Versicherer (nach den Grundsätzen der adäquaten Kausalität) nicht haftet ( R i t t e r Z f V W 1914. 40). Dem ist aber nicht so. Der Versicherer haftet nach § 58 nicht f ü r den durch die Seeuntüchtigkeit des Schiffes als nächste Ursache entstandenen Schaden, und diese Seeuntüchtigkeit hat nur die Eigentümlichkeit, daß sie schon bei der Inseesendung des Schiffes vorhanden gewesen sein m u ß (§ 58 Anm., vgl. auch R G H a n s R G Z 1929 Β 790 = J R P V 1929. 422 = Sasse Nr. 43). Ebenso im Falle des § 121 Abs. 5: Der Versicherer haftet nicht für den Schaden, der dadurch entsteht, daß sich Bannware an Bord befindet. Nicht nur die Nehmung oder Aufbringung des Bannware fahrenden Schiffes, sondern auch der Umstand, daß sich Bannware an Bord befindet, ist die nächste Ursache des Schadens, für den der Versicherer nicht haftet. Höchstens kann m a n etwa sagen, daß § 35 Abs. 1 insofern eine Ausnahme darstellt, als Kriegsereignisse schon solche M a ß n a h m e n sind, die durch den Krieg nur „veranlaßt" sind (§ 35 Anm.). Vgl. jedoch auch § 24 Anm. 29, § 86 Anm., § 1 1 3 Anm., § 114 Anm. Anm. 26
i) B e i s p i e l f ä l l e (weitere: oben Anm. 21, 23, 24, unten Anm. 28 bis 30, § 35 Anm., § 1 1 4 Anm.) aa) H G u. O G H a m b u r g Ullrich Nr. 214. Fracht war für die Reise von Odessa nach einem anderen Hafen „ N u r für Seegefahr" versichert. Nach der Beladung wurde das Schiff leck. Die Ladung (Getreide) mußte zunächst wieder gelöscht werden. Während der Ausbesserung des Schiffes wurde ein durch den Krimkrieg veranlaßtes Ausfuhrverbot erlassen. Die Ladung konnte daher nicht wieder eingenommen werden. Die Fracht war verloren. Der Versicherer haftet nicht. Denn die nächste Ursache war das Ausfuhrverbot. bb) H G u. O G H a m b u r g H G Z 1872. 7, 56. Das nur für Kriegsgefahr versicherte Schiff wurde von der kriegführenden Partei genommen, ohne Bemannung bei Helgoland vor Anker gelegt und „dergestalt dem Wind und Wetter preisgegeben, daß, wenn dasselbe erhalten geblieben wäre, dies nur als ein glücklicher Zufall hätte betrachtet werden können". Bei einem Sturm ging es unter. Später ist es noch vom Prisengericht kondemniert worden. Der Versicherer haftet. Die letzte Ursache war zwar der Sturm. Aber die Nehmung würde, wie der Verlauf der Dinge j a auch gezeigt hat, sicher den Verlust des Schiffes herbeigeführt haben, wenn nicht der Sturm dazwischengetreten wäre und den Verlust herbeigeführt hätte. Überdies war den besonderen Umständen nach der Untergang die unvermeidliche Folge der vom Feinde veranlaßten Preisgabe des Schiffes (HGZ 1872. 7: „ . . . nicht den Sturm, sondern den Umstand, daß das Schiff sich in einer Lage befunden habe, in welcher der Sturm ihm verderblich werden m u ß t e , werde man als die Ursache des Untergangs zu betrachten h a b e n " ) .
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cc) R O H G 1 8 . 4 1 1 . Schiefertafeln waren „ F r e i von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert. Das Schiff geriet auf Grund und mußte einen Nothafen anlaufen. Die Tafeln wurden gelöscht und bei der Wiedereinladung beschädigt. Der Versicherer haftet nicht. Denn die nächste Ursache ist das bei der Wiedereinladung eingetretene Ereignis. — Ahnlich Pink ν. Fleming 1890 bei C h a l m e r s 74. Obst w a r versichert warranted free from average unless damage be consequent on collision. Das Schiff kollidierte und mußte einen Nothafen anlaufen. Das Obst wurde bei der Umladung beschädigt. Der Versicherer haftet nicht. Denn die Kollision ist die entferntere Ursache. dd) Werden „ F r e i von Kriegsgefahr" versicherte Güter infolge eines Kriegsereignisses ausgeladen und eingelagert und während der Lagerung gestohlen, so haftet der Versicherer, wenn nicht etwa der Diebstahl die adäquate Folge der Einlagerung, diese die unvermeidliche Folge des Kriegsereignisses ist. I m wesentlichen zustimmend K ö h l e r 36; abw. H G Z 1888. 28. Näheres: § 35 Anm. ee) R O H G H G Z 1878. 286. Der versicherte T a b a k wurde unterwegs durch Seewasser und infolge hiervon durch Fermentation, innere Entzündung und Verkohlung (sog. Tabakbrand) beschädigt. Der Versicherer ersetzte den Seewasserschaden, dagegen nicht den Brandschaden. Die K l a g e auf Ersatz auch des Brandschadens wurde abgewiesen. Z u einem „Zurückgehen auf die causa remota" bestehe kein Grund. „Nichts berechtige zu der Annahme, daß in den Fällen vorgefundenen Verderbs auf eine Erforschung etwa vorhanden gewesener entfernter Veranlassungsgründe eingegangen und ermittelt werden solle, ob die Ware den K e i m des inneren Verderbs schon vor der Verschiffung in sich getragen habe, oder ob die Veränderung der Ware einem der gewöhnlichen, jedoch nicht selten nachteiligen, auf die L a d u n g wirkenden Vorkommnisse der Seefahrt (lange Dauer der Reise, heiße Temperatur, eindringende Feuchtigkeit, Schiffsdunst oder dgl.) beizumessen, oder endlich ob sie als die weitere Folge eines außergewöhnlichen kasuellen und mithin zur Verantwortung der Versicherer stehenden Ereignisses der besonderen Reise anzusehen sei . . . Auch würde die Ermittlung schwierig und umständlich sein". Das R O H G hat den Grundsatz der causa proxima überspannt. Der Versicherer haftet, wenn der Brandschaden die unvermeidliche Folge des Eindringens von Seewasser ist. Der Brandschaden ist in solchem Falle nicht „durch die natürliche Beschaffenheit der G ü t e r " (§ 86 Abs. 1), sondern durch das Seewasser verursacht. f f ) H G Z 1895. 98. Imaginärer Gewinn war auf die behaltene Ankunft von Gütern im Segler C o n d o r versichert. Das Schiff strandete unterwegs, die L a d u n g wurde gelöscht, das Schiff ohne Zutun des Versicherungsnehmers nach einem anderen Hafen zur Ausbesserung gebracht, die Ladung mit einem Dampfer nach dem Bestimmunsort befördert. Durch die Löschung aus dem Dampfer entstanden höhere Kosten, als bei der Löschung aus dem Segler entstanden wären. Nach O L G Hamburg haftet der Versicherer für die Mehrkosten, weil die Strandung die Beschädigung des Schiffes, diese die Aufgabe der Reise, diese die Mehrkosten der Löschung verursacht habe, der Zusammenhang zwischen der Strandung und den Mehrkosten also nicht unterbrochen sei, und weil die Löschkosten einen „ F a k t o r " des imaginären Gewinns bildeten. Hieran ist freilich so ziemlich alles unrichtig. Die Aufgabe der Reise würde an sich die Versicherung beendigen. K r a f t der ausdrücklichen Vorschrift des § 828 H G B läuft aber bei der Güterversicherung die Gefahr fort, wenn die Güter anderweit an ihren Bestimmungsort weiterbefördert werden; der Versicherer muß sogar die Mehrkosten der Weiterbeförderung tragen. Z u diesen Mehrkosten werden auch höhere Löschkosten zu rechnen sein. Auch bei der Gewinnversicherung läuft die Versicherung fort. Aber vom Ersatz der Mehrkosten kann natürlich keine Rede sein. Die Güter
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§ 2 8 sind nicht ganz, nicht teilweise verlorengegangen, nicht beschädigt. Sie sind wohlbehalten angekommen. Der von der Ankunft der Güter erwartete Gewinn wird erzielt (wenn die Erwartung nicht etwa fehlgeschlagen ist). Es sind nur besondere Aufwendungen notwendig geworden, u m dies Ziel zu erreichen. Diese Aufwendungen sollen dem Versicherungsnehmer auch ersetzt werden. Aber vom Güterversicherer, nicht auch vom Gewinnversicherer. Sonst wären Güterversicherer und Gewinnversicherer j a Doppelversicherer und der Versicherungsnehmer könnte vielleicht gar vom Güterversicherer nur Ersatz eines verhältnismäßigen Teils der Aufwendungen verlangen, wenn er für das Gewinnrisiko Selbstversicherer wäre (hierfür de lege ferenda A n d e r s e n Nordis Forsäkr. Tidskr. 1922. 278, auch I T V M i t t 1922. 65). gg) R G H G Z 1903. 126. Güter waren mit der Klausel versichert, daß der Versicherer für keinen Schaden hafte, der „durch fehlerhafte Verladung und Lagerung im Schiffe entsteht". Die Güter wurden fehlerhafterweise zum größten Teil auf Deck verladen. Infolge hiervon und eines plötzlichen Windstoßes kenterte das Schiff. Das R G verurteilte den Versicherer zur Entschädigung, weil die „unmittelbare" Ursache des Schadens der Windstoß gewesen sei. Anders die Vorinstanz, und gewiß mit Recht. Zwei Umstände, ein versicherungsfreier Umstand und ein Gefahrereignis haben, zusammenwirkend, den Schaden unmittelbar verursacht. Vgl. auch oben Anm. 21. hh) K G A P V 1906 I I 31. Ein K a h n war unter Ausschluß der Gefahr von Verfügungen von Hoher H a n d und der Eisgefahr versichert, wurde auf der Oder wegen der bevorstehenden Ö f f n u n g der Stauwehre vom Schleusenmeister an einen Liegeplatz zwischen zwei Buhnen verwiesen, ebbte hier nach Öffnung der Wehre auf und wurde beschädigt. Die Beschädigung ist keine unvermeidliche Folge eines versicherungsfreien Ereignisses, nämlich der Verfügung von Hoher H a n d . ii) R G 67. 251, H G Z igo8. 217. Ein mit Konterbande (Kohlen) beladenes, „Frei von Kriegsgefahr" versichertes Schiff ( R o m u l u s ) war im russisch-japanischen Kriege nach Wladiwostock bestimmt. Unterwegs wurde es in den Kurilen durch Eis schwer beschädigt und leck. Der Kapitän mußte daher die Reise aufgeben und wollte einen japanischen Nothafen, Hakodate, anlaufen. Bevor er den Nothafen erreichte, wurde das Schiff von einem japanischen Kreuzer genommen. Das Wasser stieg aber im Schiffe so schnell, daß das Schiff auf den Strand gesetzt werden mußte. Das japanische Prisengericht erklärte es für gute Prise. Es wurde verkauft und vom Käufer losgebracht, sank aber auf der Reise nach Hakodate und ging total verloren. Der Versicherer wurde zur Entschädigung verurteilt. Der Schaden sei durch die Strandung verursacht. Diese sei die causa proxima. Der Schaden sei insbesondere nicht schon durch die N e h m u n g verursacht. Denn die Nehmung sei „ein bloß tatsächlicher Vorgang". Die Nehmung lasse „das Eigentum des Reeders und also ein versicherbares Interesse bestehen". „Erst das kondemnatorische Urteil des Prisengerichts entziehe" dem Versicherungsnehmer das Schiff „ohne Aussicht auf Wiedererlangung". Dieses Urteil aber habe keine rückwirkende Kraft, bewirke nicht, daß das Eigentum schon als mit der Nehmung verloren gelte. In Wirklichkeit war das Schiff spätestens mit der Nehmung dem Versicherungsnehmer „ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen", also total verloren (wenigstens, wie W i t t m a a c k Z H R 76. 349, 39g meint, „nach dem gesunden Menschenverstand"). Vgl. auch P r ö l ß H a n s R G Z 1942. 146fr. O b der Versicherungsnehmer damit auch das Eigentum a m Schiffe verloren hatte, ob das Prisenurteil „deklarative" oder „konstitutive" Bedeutung hat, ist gleichgültig ( W i t t m a a c k Z H R 76. 400). Verlust ist nicht dasselbe wie Eigentumsverlust (näheres: unten Anm. 38, § 35 Anm., § 71 Anm.). Ein versicherungsfreies Ereignis, die Nehmung, hatte den Schaden unmittelbar herbeigeführt, die Entschädigungsklage hätte also abgewiesen werden müssen. Das ist ihr auch in England widerfahren. Dort hat derselbe Fall die Gerichte
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beschäftigt (Anderson v. Marten 1907 bei A r n o u l d 775 s. 820). M a n hat mit Recht § 28 angenommen, daß dem Versicherungsnehmer das Schiff mit der Nehmung total verlorengegangen sei. R G 89. 319 glaubt sich mit dieser Entscheidung abfinden zu können. Das englische Recht unterscheide zwischen actual total loss und constructive total loss und betrachte den Fall der Nehmung eben als einen Fall des constructive total loss. Dem deutschen Recht sei diese Unterscheidung unbekannt. Diese Erwägung haftet an der Oberfläche. Der Fall, d a ß eine Sache „ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen" ist, kann ein Fall sowohl des absoluten wie des konstruktiven Totalverlustes sein (näheres: § 71 Anm.). — Gleichwohl ist die Entscheidung des R G im Ergebnis richtig, die der englischen Gerichte unrichtig. Beide Gerichte haben nur auf die zeitlich letzte Ursache gesehen, wobei den englischen Gerichten die Nehmung, dem R G das Versinken des Schiffes a b die letzte Ursache erschienen ist. Beide Gerichte haben damit die Regel causa proxima, non remota spectatur überspannt (vgl. oben Anm. ig). — das R G mehr, die englischen Gerichte weniger. Tatsächlich war die Eisbeschädigung, herbeigeführt durch ein Gefahrereignis, so schwer, d a ß der Totalverlust sicher (wie der Verlauf der Dinge ergeben hat, sogar über jeden Zweifel sicher) auch dann eingetreten wäre, wenn nicht die Nehmung dazwischengetreten wäre und den Verlust herbeigeführt hätte. In solchem Falle aber kommt es auf das den Kausalzusammenhang unterbrechende Ereignis nicht an (oben Anm. 23). Der „Frei-von-Kriegsgefahr"-Versicherer haftet. kk) Das R G ist im Falle S a n t a C a t h a r i n a bei seiner Ansicht geblieben (RG 89. 317, H G Z 1916. 241). Das deutsche Schiff wurde im August 1914 an der brasilianischen Küste von einem englischen Kriegsschiff genommen und ging einige Monate darauf in der Gewalt des Feindes infolge eines Brandes der Bunkerkohlen verloren. Der „Freivon-Kriegsgefahr"-Versicherer wurde zur Entschädigung verurteilt, — trotz des Romulus-Falles zur Verwunderung selbst der Reederei. 11) R G H G Z 1919. 90, H G Z 1919. 76. Haselnußkerne waren für die Reise von Konstantinopel nach H a m b u r g versichert. Der K a h n mußte nach dem Eintritt Rumäniens in den Weltkrieg einen Zufluchtshafen aufsuchen und wurde dort leck, die Ware beschädigt. Nächste Ursache war ein Transportereignis im engeren Sinne, entferntere Ursache ein Kriegsereignis. mm) H R Z 1921. 180. Petroleum war „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert. Das Schiff strandete. Die Petroleumfässer wurden in ein anderes Schiff umgeladen und auf der Weiterreise beschädigt. Die Beschädigung wäre ohne den Strandungsfall, die U m l a d u n g und die anderweitige Weiterbeförderung nicht erfolgt. Sie war aber nicht die Folge eines neuen Strandungsfalls. Der Versicherer haftet nicht. nn) Güter sind für die Reise von H a m b u r g nach einem wegen seiner Unsicherheit berüchtigten Orte Südamerikas versichert. Die Versicherung soll zehn Tage nach der Löschung endigen, die Diebstahlsgefahr jedoch nach der Löschung ausgeschlossen sein. Ein Brand vernichtet die Lagerhäuser a m Bestimmungsort. Die Güter werden zwar gerettet, müssen aber im Freien lagern und werden hier beraubt. Die letzte Ursache des Schadens ist der Diebstahl. Dieser aber ist angesichts der schon unter gewöhnlichen Umständen großen Unsicherheit nach Lage der Dinge die unvermeidliche Folge der Lagerung im Freien, diese die unvermeidliche Folge des Brandes. Der Versicherer haftet also. Näheres: Z f V W 1914.43. 00) H G Marseille I T V M i t t 1914. 13. Mais war für die Reise vom Schwarzen Meer nach Marseille versichert, und zwar beim einen Versicherer „Frei von Kriegsgefahr", beim anderen Versicherer „ N u r für Kriegsgefahr". Der Mais wurde im Schwarzen Meer durch Seewasser beschädigt. Da (im Balkankriege) die Dardanellen gesperrt waren, mußte das Schiff längere Zeit vor den Dardanellen liegen bleiben. Der Schaden wurde durch diese Verzögerung der Reise um etwa 35% größer, als er ohne die Ver-
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§ 2 8 zögerung gewesen wäre. Gleichwohl wurde der „Frei-von-Kriegsgefahr"-Versicherer zum Ersatz des ganzen Schadens verurteilt. Mit Unrecht. Durch Seewasser war der eine Teil des Schadens, durch das Kriegsereignis der andere Teil des Schadens verursacht. Insbesondere war dieser letzte Teil des Schadens keine unvermeidliche Folge des Seewasser-Schadens. pp) G H s'Gravenhage I T V M i t t 1932. 51. Buchweizen war für die Reise von Petersburg nach Rotterdam „ N u r für Kriegsgefahr" versichert. Das Schilf wurde Anfang August 1914 in Kronstadt zurückgehalten. Die Ladung verdarb und wurde im Dezember 1914 verkauft. Der Verderb war nicht die unvermeidliche Folge des Kriegsereignisses, denn der K a p i t ä n hätte die Ladung löschen lassen können. — Das Gericht hat den Einwand des Versicherungsnehmers nicht berücksichtigt, d a ß Löscheinrichtungen gefehlt hätten und die Rückbeförderung nach Petersburg unmöglich gewesen sei; in diesem Falle würde eben der Mangel an Löscheinrichtungen oder Schleppkraft die Ursache des Schadens gewesen sein. Das Gericht hat den Grundsatz der nächsten Ursache überspannt. Der Verderb wäre die unvermeidliche Folge des Kriegsereignisses gewesen. Nach § 86 ADS wäre freilich die Klage auch in diesem Falle abzuweisen gewesen, weil der Versicherer danach für Verderbschäden überhaupt nicht haftet (§ 86 Anm.). qq) R G 153. 113. Das BMSch „Sülfmeister" stieß, als es im Hamburger Hafen auf der Fahrt vom Sandtorhafen zum Reiherstieg den Elbstrom querte, mit dem einkommenden englischen D. „Artificer" zusammen. Beide Schiffe wurden beschädigt. Als U r sachen kamen für „Sülfmeister" in Betracht: a) Seeuntüchtigkeit, weil die Ruderanlage bereits bei Fahrtantritt in einem ordnungswidrigen Zustand war (Bruch des Ruderquadranten), der zum mindesten ein energisches Steuerbord-Manöver ausschloß. Für Seeuntüchtigkeit brauchten die Seeversicherer nicht zu haften; b) fehlerhafte Manöver, für die die Seeversicherer einzustehen hatten. Während das H a n s O L G in dem Prozeß wegen des Kaskoschadens (aus dem Zusammenstoß entstanden vier Prozesse) die Klage wegen Seeuntüchtigkeit des Schiffes abgewiesen hatte, n a h m das R G dagegen in dem Prozeß über den mittelbaren Kollisionsschaden als Schadensursache das fehlerhafte Manöver an und meinte, die bei Antritt der Fahrt bestehende Fahrtuntüchtigkeit des Schiffes habe zwar eine die Gefahr des Zusammenstoßes erhöhende Lage geschaffen, ein solcher sei bei einem den Regeln der nautischen Vorsicht entsprechenden Verhalten des Schiffsführers aber vermeidlich gewesen (anders P r ö l ß H a n s R G Z 1942. 146fr.). rr) R G 169. 1. Fall „Bahia Bianca". Dieses Schiff war nach dem Kriegsausbruch mit den Westmächten a m 10. September 1939 in Rio de Janeiro eingetroffen. Auf Grund eines von einer deutschen Amtsstelle erhaltenen Befehls wurde am 6. Dezember 1939 die Heimreise mit den versicherten Gütern (insbesondere auf Einzelpolicen verschiffter Kaffee ) angetreten. Die Amtsstelle hatte dem Kapitän eine Segelanweisung mitgegeben, durch die . . .-Straße zu fahren. In dieser wurde der Dampfer durch Treibeisfelder so schwer beschädigt, daß er durch Öffnung der Seeventile versenkt werden mußte. Mit dem Schiff gingen die versicherten Güter verloren. Das R G hat angenommen, der durch Untergang des Schiffes entstandene Schaden sei unmittelbar durch Verwirklichung einer Seegefahr verursacht worden. Kriegsereignisse, die eine H a f t u n g nicht begründen würden, hätten nur eine den Eintritt des Unfalls begünstigende Gefahrenlage geschaffen (anders P r ö l ß H a n s R G Z 1942. 146). ss) H a n s O L G H G Z 1925 Nr. 64 = H R Z 1925. 731 = J R P V 1926. 273. Seeuntüchtigkeit eines Binnenschiffes für eine Fahrt Hamburg-Flensburg. Besetzung seegehender Binnenfahrzeuge mit Schiffern ohne Patent für Küstenfahrt. Beschränktes Seefähigkeitszeugnis. Inseegehen bei fallendem Barometer und herannahendem schlechten Wetter. Schwerer Sturm. Das Inseegehen bei fallendem Barometer und bei heran-
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nahendem schlechten Wetter ist die erste Ursache der Haverei gewesen, die wiederum eine unmittelbare Folge der mangelnden Eignung der Schiffsführer war. io. Der Versicherer trägt „während der Dauer der Versicherung" alle Gefahren. Die Dauer der Versicherung richtet sich nach den §§ 39, 66—68, 88 usw. und der besonderen Vereinbarung. Möglich ist auch, daß die Versicherung während der so bestimmten Dauer zeitweise ruht; so etwa während der Zeit vom Ablauf der Frist, die dem Versicherungsnehmer für die Zahlung der Prämie bestimmt ist, bis zur Zahlung (§17 Abs. 1), oder während der Zeit, während welcher ein Bestandteil oder ein Zubehörstück des versicherten Schiffes den Grenzen des Versicherungsschutzes entrückt ist, sich ζ. B. zur Ausbesserung an Land befindet (§ 1 Anm. 37, § 23 Anm. 9 unter ff, oben Anm. 16). Möglich ist auch, daß für einzelne Bestandteile oder Zubehörstücke infolge ihres Wechsels oder ihrer Neuanschaffung die Dauer der Versicherung anders ist, als für das Ganze (§ 1 Anm. 36). a) Der Versicherer trägt w ä h r e n d der Dauer der Versicherung alle Gefahren. Aber er hat n i c h t a l l e Schäden zu ersetzen, die während der Dauer der Versicherung entstehen. Er hat andererseits auch Schäden zu ersetzen, die erst n a c h Ablauf der Versicherung entstehen. Er hat die Schäden zu ersetzen, die a d ä q u a t d u r c h s o l c h e G e f a h r e r e i g n i s s e entstehen oder die w a h r s c h e i n l i c h s t e n oder u n v e r m e i d l i c h e n F o l g e n s o l c h e r G e f a h r e r e i g n i s s e bilden, w e l c h e s i c h w ä h r e n d d e r D a u e r der Versicherung z u t r a g e n und nicht etwa ihrerseits die wahrscheinlichste oder unvermeidliche Folge versicherungsfreier Ereignisse sind (oben Anm. 21). Die Regel causa proxima, non remota spectatur muß sich natürlich auch hier bewähren. Die Verkehrsanschauung, der die Regel ihr Dasein verdankt, kann keine andere sein, wenn es sich um die zeitlichen (oder räumlichen) Grenzen des Versicherungsschutzes handelt, als wenn es sich um die sachlichen Grenzen des Versicherungsschutzes handelt. Wenn das Schiff für die Zeit vom 1. J a n u a r 1963 bis zum 31. Dezember 1963 versichert ist, am 30. Dezember 1962 in der Ladung Feuer ausbricht, das Feuer unvermeidlich über lang oder kurz auch das Schiff ergreifen muß und tatsächlich am 2. J a n u a r 1963 das Schiff ergreift, haftet der Versicherer nicht. Bricht das Feuer am 30. Dezember 1963 aus, so haftet er, auch wenn das Feuer erst am 2. J a n u a r 1964 das Schiff ergreift. Wenn das „Nur für Totalverlust" und für die Zeit vom 1. J a n u a r 1963 bis zum 31. Dezember 1963 versicherte Schiff am 30. Dezember 1962 mit einem anderen Schiffe zusammenstößt, sich bis zum 2. J a n u a r 1963 über Wasser hält und an diesem Tage unrettbar sinkt, haftet der Versicherer nicht. Man hat auch im allgemeinen die zeitlichen Grenzen der Versicherung nach der Regel causa proxima, non remota spectatur bestimmt. Man hat dabei freilich in England, zunächst wenigstens, auch auf diesem Gebiete den Grundsatz überspannt. In Deutschland ist man nach einigem Schwanken, wohl mehr oder minder unbewußt, gefolgt. b) Das versicherte Schiff hatte drei Tage vor Ablauf der Versicherungszeit den „Todesstoß" erhalten, war noch einige Tage über den Ablauf der Versicherungszeit hinaus durch Punpen über Wasser gehalten, dann gesunken und total verlorengegangen. Die Entschädigungsklage wurde von den englischen Gerichten abgewiesen; der Versicherungsnehmer erhielt nicht einmal Entschädigung für den bis zum Ablauf der Versicherungszeit entschandenen Teilschaden (Meretony v. Dunlope 1783 bei A r n o u l d 454 s. 481; für Ersatz des Teilschadens B e n e c k e 2.448, N o l t e 1 . 3 2 2 , 2 . 185 aus Gründen der Billigkeit: Der Versicherer müsse entschädigen „nach Maßgabe der Umstände und nach einer ungefähren Schätzung, von der man sich keine große Genauigkeit versprechen könne, weil es äußerst schwierig sei, sich von dem Zustand, worin das Schiff oder die versicherte Ware bei Beendigung der bestimmten Zeit gewesen sei, eine genaue Kenntnis zu verschaffen, nachdem das Schiff verunglückt sei"; über einen
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§ 28 weiteren Fall: B e n e c k e 2. 449). Die englische Rechtsprechung hat diesen Standpunkt später verlassen (Knight v. Faith 1850 bei A r n o u l d 455 s. 481). Auch die deutsche Rechtslehre und Rechtsprechung teilen ihn nicht. Anm. 30 c) Nach der Ansicht von P o h l s 4. 300 sollte, wenn „die während der Zeit des Risiko entstandene Beschädigung alleinige Veranlassung des totalen Untergangs, der nach Ablauf derselben sich ereignete, sei (etwa wo der Untergang sich sehr kurz nachher ereignete), der ganze Verlust den Versicherer treffen". Nach V o i g t 505 soll „ d e r Satz causa proxima, non remota spectatur" entscheiden. Unbestimmt G e r h a r d 5 1 2 : Es komme darauf an, wann das Gefahrereignis sich „nach den gesamten Umständen im wesentlichen abgespielt h a b e " . Nach S i e v e k i n g go, 185 soll es genügen, d a ß „der Unfall sich in dem durch den Vertrag bestimmten Zeitraum ereignet". Richtig S c h w e i g h ä u s e r H R Z 191g. 2 2 1 : Wenn „der Schaden die n o t w e n d i g e F o l g e " des vorvertraglichen Gefahrereignisses sei, hafte der Versicherer nicht. Für einen besonderen Fall, den der Verschollenheit des zeitversicherten Schiffes, versuchte § 80 Abs. 3 ASVB selbst eine Antwort: „Wegen Schäden, welche nicht im Verschollensein ihren G r u n d haben, hat der Versicherte den Beweis zu liefern, daß sie vor dem Ablauf der Versicherungszeit vorhanden gewesen oder doch in dem Umfange, in welchem sie dem Versicherer zur Last gebracht werden, durch einen vor jenem Zeitpunkt eingetretenen Unfall verursacht worden sind". — Aus der R e c h t s p r e c h u n g : aa) R O H G 5. 197. Rückversicherung für den „Feuerschaden, den der Vorversicherer zu zahlen haben wird, sofern die betreffenden Schiffe oder Güter bei Entstehung des Brandes innerhalb der Hafenbassins zu Bremerhaven (oder gewisser Docks) sich befunden haben sollten". Das Schiff kam mit Baumwolle in Bremerhaven an. 60 Stunden nach Ankunft wurde Rauch bemerkt. Nach Ö f f n u n g der Luken entstand alsbald ein Brand, der Schiff und Ladung größtenteils vernichtete. Der Vorversicherer verlangte Entschädigung für einen Teil der Güter. Daß der Brand durch Selbstentzündung gerade dieses Teils der Güter entstanden war, ließ sich nicht feststellen. Unzweifelhaft hatte sich aber jedenfalls irgendein Teil der Baumwolle selbst entzündet. Nach Sachlage war also der Brand in Bremerhaven die wahrscheinlichste oder unvermeidliche Folge eines Gefahrereignisses, das vor dem Beginn der Versicherung entstanden war. Der Rückversicherer haftete nicht. Anders R O H G mit Rücksicht auf den Wortlaut des Vertrags: Nach dem Vertrag komme es nur auf die „Entstehung des Brandes" an. Die Selbstentzündung sei nur „die mehr oder weniger entfernte, erste Veranlassung zu einer Feuersbrunst" gewesen, nur die „Vorbereitung eines Brandes", nicht schon der Brand selbst. bb) O G H a m b u r g , R O H G H G Z 1874. 262. Das Schiff wurde am 7. Dezember für die Reise von Glückstadt nach Cuxhaven oder H a m b u r g versichert und ging noch am selben Tage infolge eines „ u m 2 U h r nachm. plötzlich sich zeigenden Lecks" unter. Der Entschädigungsanspruch würde nicht begründet sein, wenn das Schiff a m 6. Dezember auf den Grund geraten wäre und dabei „die volle Kraft des Eisgangs auszuhalten gehabt hätte, so daß es in allen seinen Verbindungen erschüttert gewesen w ä r e " ; denn in diesem (nicht bewiesenen Falle) wäre der Untergang die unvermeidliche Folge der Ereignisse vom 6. Dezember gewesen. cc) H G u. O G H a m b u r g H G Z 1878. 314. Zeit-Kaskoversicherung. Die Versicherung endigte a m ig. März. Das Schiff war „ a m 16. März vom Sturm betroffen, auf den G r u n d gekommen und leck geworden, hatte a m 17. März mit eingedrückten Seiten und fast ganz ohne Kiel vollständig untauglich dagelegen" und war erst nach dem 19. März verlassen und verlorengegangen. Es „würde unrichtig sein, zwischen dem Momente, wann der Sturm herrschte, und der nächsten Wirkung desselben auf das Kasko und dem Momente des Verlassens des Schiffes zu unterscheiden, weil das
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letztere doch nur die weitere unmittelbare Wirkung des nämlichen Orkans sei". Anders, § 2 8 „wenn beispielsweise das Schiff strandete und durch einen späteren, nach Ablauf der Versicherungszeit eingetretenen Sturm am Strande zertrümmert wäre". dd) H G Z 1898. 261. Rückversicherung auf „sämtliche Segel und Dampfschiffe, Kaskos und Ladungen, auf welche der Vorversicherer . . . Versicherung geleistet hat und leisten wird, und welche sich in den Hamburger Häfen . . . und deren Revier auf dem Elbstrom aufwärts von der M ü n d u n g bis zur . . . Stadtwasserkunst . . . inclusive der etwaigen Aus- und Einladestellen gleichviel ob in oder außer Fahrt befinden". Das Schiff lief mit brennender versicherter Juteladung in die Elbe ein. Der Rückversicherer haftet nicht. Der Schaden sei „die u n a b w e n d b a r e Folge des auf hoher See ausgebrochenen Feuers gewesen. Die Schäden eines solchen Ereignisses entwickelten sich in ununterbrochener Kausalität weiter und seien daher auch rechtlich nicht zertrennbar . . . Was . . . auf der Elbe und im Hafen an Brandschaden und Löschkosten entstanden sei, sei die n o t w e n d i g e Folge des bei Cap Finisterre, also außerhalb des versicherten Gebiets, ausgebrochenen Brandes gewesen". ee) H G Z 1899. 145. Kaskoversicherung für die Zeit vom 10. November 1893 bis zum 9. November 1894. Das Schiff hatte a m 17. Oktober 1894 schwere Havarie, lief Lamarao de M a c a u als Nothafen an, wurde hier auf Grund gesetzt, kenterte am 13. Dezember 1894 und wurde wegen Reparaturunfähigkeit kondemniert. Der Versicherer wurde auch für die nach Ablauf der Versicherungszeit entstandenen Schäden verantwortlich gemacht. „Aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über Schadensersatzpflicht folge", daß der Versicherer „nicht bloß für den während laufender Police selbst (gemeint ist: während der Dauer der Versicherung) entstandenen Seeschaden aufzukommen habe, sondern auch f ü r eine Weiterentwicklung dieses j a von ihm zu vertretenden Schadens durch natürliche (gemeint ist offenbar: durch unvermeidliche) Umstände zwischen dem Unfall und der Regulierung, mag inzwischen auch die Zeitpolice, auf Grund deren der Versicherer hafte, abgelaufen sein". ff) LG Bremen, O L G Hamburg, R G H G Z 1916. 97, 1917. 19, 125. Das kriegsversicherte deutsche Schiff wurde bei Ausbruch des Weltkriegs in Antwerpen zurückgehalten und nach Ablauf der Versicherungszeit, kurz vor der Einnahme Antwerpens, vom Feinde absichtlich beschädigt. Der Versicherer haftet nicht. Der Schaden ist nicht „lediglich als Folge des diesen Versicherungsfall bildenden Ereignisses (d. h. der Zurückhaltung) anzusehen"; d. h. die Beschädigung ist keine unvermeidliche Folge des Gefahrereignisses, der Zurückhaltung. gg) H G Z 1918. 12, R G H G Z 1918. 145. Das kriegsversicherte deutsche Schiff wurde bei Ausbruch des Weltkriegs im englischen Hafen (nicht in Aneignungsabsicht, sondern gemäß dem Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 nur zur Benutzung) beschlagnahmt und nach Ablauf der Versicherungszeit von einem deutschen Unterseeboot torpediert. Der Versicherer haftet nicht. hh) H G Z 1918. 83, R G H G Z 1919. 31. Der deutsche Dampfer H o c h f e l d lag bei Ausbruch des 1. Weltkriegs in Funchal (Madeira), bis zum 31. März 1916 gegen Konfiskation revierversichert. Auf G r u n d eines Gesetzes vom 7. Februar 1916 erließ die portugiesische Regierung a m 23. Februar 1916 ein Dekret, das feindliche Schiffe unter portugiesische Flagge stellte. Am 9. März 1916 erklärte Deutschland an Portugal den Krieg. A m 21. April 1916 erklärte ein Dekret der portugiesischen Regierung gewisse deutsche Schiffe, darunter die Hochfeld, für beschlagnahmt. A m 14. August 1916 wurde die Hochfeld kondemniert. O L G H a m b u r g will den Erlaß des Dekrets vom 23. Februar 1916 der Konfiskation gleichgestellt wissen; das R G bezeichnet ihn schon ohne weiteres als Konfiskation. Der Versicherungsfall sei also vor Ablauf der Versicherungszeit eingetreten; der Versicherer hafte. Tatsächlich kann man in dem Erlaß
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§ 2 8 des Dekrets vom 23. Februar 1916 und in seiner Ausführung unmöglich eine Konfiskation erblicken (§ 35 Anm.). Gleichwohl haftet der Versicherer. Denn nach der Lage der Dinge hatte die Hochfeld schon vor dem 31. März 1916 den „Todesstoß" erhalten, konnte schon am 31. März 1916 kein Zweifel sein, daß die portugiesische Regierung die Hochfeld sich aneignen, das Schiff infolge der Beschlagnahme unvermeidlich total verlorengehen, und zwar „konfisziert" werden würde. — Uber einen ähnlichen Güterversicherungs-Fall: § 73 Anm. Anm. 3 :
d) D a ß der Schaden, für den der Versicherungsnehmer Entschädigung verlangt, die adäquate oder unvermeidliche Folge eines Gefahrereignisses ist, das „während der Dauer der Versicherung" (und insbesondere auch nicht zu einer Zeit, während deren etwa die Versicherung geruht hat) entstanden ist, m u ß natürlich der Versicherungsnehmer b e w e i s e n ( R O H G 2. 264, 5. 91, H G Z 1897. 72, 1909. 134, H G H a m b u r g H G Z 1875. 403, 1876. 154, Ullrich Nr. 251, Seebohm 507; vgl. auch oben Anm. 9, 30). Gleiches gilt f ü r die Höhe des Schadens. Gegenüber dem Nachweis des Versicherungsnehmers, daß die Güter vollständig und unversehrt abgeladen worden seien, kann der Versicherer den Gegenbeweis führen, daß die Beschädigung auf der Reise nicht eingetreten ist oder eingetreten sein kann. Siehe dazu K G J R P V 1926. 301 = Sasse Nr. 360 und J R P V 1931. 198 = Sasse Nr. 418, auch H a n s O L G Sasse Nr. 476. Anm. 32 11. Der Versicherer trägt während der Dauer der Versicherung alle Gefahren, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (siehe über den Begriff der Totalität der Gefahren M ö l l e r I T V M i t t 1939. 65). Mit diesen letzten Worten läßt das Gesetz regelmäßig erkennen, daß es sich u m eine dispositive Vorschrift handelt. Davon ist hier nicht die Rede. § 28 weist n u r darauf hin, daß der Versicherer nach den ADS einzelne Gefahren nicht trägt, daß er unter Umständen die Gefahren nicht während der ganzen Dauer der Versicherung trägt, und daß durch besondere Vereinbarung weitere Gefahren ausgenommen sein können, die Versicherung auch auf einzelne Gefahren beschränkt sein kann, weitere Unterbrechungen der Versicherung bestimmt sein können (vgl. auch H G B § 820: „. . . soweit nicht durch die nachfolgenden Vorschriften oder durch Vertrag ein anderes bestimmt ist"). Wer sich auf anderweitige Bestimmung, also auf Haftungsausschließung, beruft, m u ß diese beweisen. Für Haftungsausschließungen ist damit der Versicherer beweispflichtig. Siehe dazu auch K G J R P V 1926. 119 = Sasse Nr. 353. — H a t der Versicherer n u r e i n e Gefahr oder nur e i n z e l n e G e f a h r e n übernommen, so m u ß der Versicherungsnehmer natürlich b e w e i s e n , durch welches Ereignis der Schaden verursacht ist, und daß dies Ereignis zum Bereich der übernommenen Gefahr oder Gefahren gehört (vgl. auch H G Z 1883. 268 f ü r den Fall einer Versicherung nach französischen Bedingungen „ N u r für Totalverlust des Schiffes infolge von Schiffbruch, Feuer oder Seeräuberei und für eine das Schiff gänzlich unschiffbar machende Strandung"). — Die Ü b e r n a h m e einer einzigen Gefahr ist ζ. B. die Versicherung „ N u r für Kriegsgefahr" (§ 121) oder „ N u r f ü r Feuersgefahr" (ζ. B. H G H a m b u r g H G Z 1872. 312). Aber auch die Versicherung „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall", — wenigstens, soweit Beschädigungs-Schaden in Betracht kommt. Der Versicherungsnehmer m u ß also beweisen, daß der Schaden durch einen Strandungsfall verursacht ist ( H G Z 1882.68, 1914.78); eben deshalb erleichtert § 114 Abs. 1 Satz 2 ihm diesen Beweis. — Sind Güter versichert f ü r die Reise „von H a v a n a nach New-York und weiter nach H a m b u r g in durchstehendem Risiko, die Feuersgefahr in den bonded stores von New-York eingeschlossen", so sind sie auch in den Lagerhäusern New-Yorks gegen a l l e Gefahren, nicht nur gegen Feuersgefahr, geschützt ( O G H a m b u r g H G Z 1875. 375: N u r „zur Beseitigung möglicher Zweifel sei der Feuersgefahr in den bonded stores noch ausdrücklich Erwähnung geschehen";
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abw. HG Hamburg HGZ 1875. 374). — Sind Güter „gegen Seegefahr, Feuer, See- § 28 räuber, Diebe, Seewurf, Baratterie des Kapitäns oder der Mannschaft und alle anderen ähnlichen Gefahren, Schäden und Unglücksfälle" mit der „Von-Haus-zu-Haus"Klausel versichert und am Kai durch Regen und Schnee beschädigt, so haftet der Versicherer nicht, weil „selbst die Seegefahren einzeln aufgezählt sind", und die Parteien nicht beabsichtigt haben können, „an Land alle Gefahren zu decken, sondern nur die gleichen wie auf See" (Stadtgericht New-York JTVMitt 1919.92). 12. Satz 2 führt beispielsweise (verb, „insbesondere") eine Anzahl von Gefahr- Anm. ereignissen auf, nämlich: a) Eindringen von Seewasser. Das Eindringen anderen Wassers ist natürlich nicht weniger ein Gefahrereignis (ME 122). b) Schiffszusammenstoß. Zusammenstoß mit anderen Gegenständen sind natürlich nicht weniger Gefahrereignisse. Vgl. auch § 78 Anm. c) Strandung. Näheres: § 114 Anm. d) Brand, Explosion, Blitzschlag. Sie sind besonders angeführt, weil sie die Gefahrereignisse der Feuerversicherung sind (VVG §82). Näheres: §114 Anm. — Der Versicherer haftet insbesondere auch, wenn Brand und Explosion durch Erdbeben verursacht sind (anders VVG §84; vgl. auch ADS § 124 Abs. 2 Satz 2, § 124 Anm.). Der Versicherer haftet aber ζ. B. nicht, wenn Brand oder Explosion die unmittelbare oder unvermeidliche Folge eines Kriegsereignisses ist (§35; vgl. auch VVG § 84). e) E i s . Aus der (nur beispielsweisen) Anführung der Eisgefahr folgt natürlich nicht, daß der zeitversicherte Reeder das Schiff der Eisgefahr nach Belieben aussetzen darf. Näheres: § 23 Anm. 11, §61 Anm. f) Diebstahl, Seeraub, Plünderung oder andere Gewalttätigkeiten. — Vgl. jedoch auch die Diebstahlklausel in den Güterpolicen. § 820 Abs. 2 HGB bestimmt die Beispielfälle anders. Der Versicherer soll „insbesondere" noch tragen: a) die Gefahr des K r i e g e s . Vgl. nunmehr § 35. b) die Gefahr des A r r e s t e s . Vgl. nunmehr § 36. c) die Gefahr der V e r f ü g u n g v o n H o h e r H a n d . Natürlich trägt der Versicherer auch nach den ADS die Gefahr der Verfügung von Hoher Hand (vgl. § 73 usw.). Aber man hat aus der (obwohl nur beispielsweisen) Anführung der Verfügung von Hoher Hand im § 820 HGB geschlossen, daß der Versicherer für Schäden jeder Art hafte, die aus einer Verfügung von Hoher Hand entständen (näheres: R i t t e r ZfVW 1911. 761 und unten Anm. 34). Diese „Auffassung sollte hintangehalten" werden (Begr. ζ. Ε 1910 § 29). — Über den Begriff der Verfügung von Hoher Hand: § 73 Anm. d) die Gefahr der V e r b o d m u n g oder des V e r k a u f s oder der V e r w e n d u n g der versicherten Güter zur Fortsetzung der Reise. Vgl. nunmehr §81. e) die Gefahr der U n r e d l i c h k e i t oder des V e r s c h u l d e n s einer Person d e r S c h i f f s b e s a t z u n g . Die Anführung dieses Beispielfalles hat Anlaß zu Mißverständnissen gegeben. Man kann die Gefahrereignisse nach ihrer H e r k u n f t einteilen in solche, die von dem Verhalten, insbesondere dem schuldhaften Verhalten von Menschen, und solche, die von Naturgewalten herrühren. Man kann die Gefahrereignisse auch nach der A r t i h r e s A u f t r e t e n s einteilen und sie hiernach als Brand, Explosion, Blitzschlag, Sturm, Hagelschlag, Diebstahl usw. bezeichnen. Bestimmt man die Haftung des Versicherers nach den Gefahrereignissen, so muß man sich dieser verschiedenen Einteilungsmöglichkeiten bewußt sein (und darf sie nicht miteinander „verquicken": HGZ 1920. 290). Bestimmt man die Haftung insbesondere nach dem Verhalten der Menschen, so muß man sich bewußt sein, daß das Verhalten in der mannigfachsten Art auftreten kann. Schließt man das Verhalten von Menschen in die Versicherung 31
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§ 2 8 ein oder von ihr aus, so läuft m a n Gefahr, d a ß m a n Ereignisse ein- oder ausschließt, die m a n n a c h der Art ihres Auftretens nicht ein- oder ausgeschlossen wissen will. F ü h r t m a n das V e r h a l t e n der Schiffsbesatzung als ein Ereignis auf, f ü r dessen Folgen d e r Versicherer haftet, so läuft m a n Gefahr, d a ß d e m Versicherer die Folgen a u c h solcher, d u r c h das Verhalten der Schiffsbesatzung herbeigeführter Ereignisse zur Last gelegt werden, die nach der Art ihres Auftretens von der Versicherung a u s g e n o m m e n sein sollen, d a ß ζ. B. der Versicherer auch f ü r d e n von der Schiffsbesatzung verursachten Feuerschaden h a f t b a r gemacht wird, obgleich die Feuersgefahr ausgeschlossen ist, oder d a ß der Versicherer trotz Ausschlusses der Kriegsgefahr h a f t b a r g e m a c h t wird, w e n n d e r K a p i t ä n das Schiff verräterischerweise von einer kriegführenden Partei h a t n e h m e n lassen (ein I r r t u m , d e m H G H a m b u r g H G Z 1868. 178 z u m Opfer gefallen ist), oder d a ß d e r Versicherer trotz § 58 h a f t b a r g e m a c h t wird, wenn das Schiff infolge Verschuldens der Schiffsbesatzung seeuntüchtig in See gesandt ist (ein I r r t u m , d e m ζ. B. H G H a m b u r g H G Z 1864. 156, H H 526 z u m Opfer gefallen ist; näheres: § 58 Anm.). U m Fehlschlüsse dieser Art hintanzuhalten, ist „die G e f a h r der Unredlichkeit oder des Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung" i m § 28 nicht aufgeführt. Vgl. aber a u c h § 33 Abs. 3 u n d d a z u § 33 A n m . Anm. 34
13. S a t z 3 . Der Versicherer trägt alle Gefahren, alle Möglichkeiten von S c h ä d e n . E r h a t aber n i c h t a l l e m ö g l i c h e n S c h ä d e n z u e r s e t z e n (oben A n m . 10). a) Aus § 28 Satz 1 ergibt sich nur, d a ß der Versicherer Schäden ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsursache zu ersetzen hat, d a ß die U r s a c h e des Schadens f ü r seine H a f t u n g o h n e B e d e u t u n g sein soll. Deshalb ζ. B. die A u s n a h m e b e s t i m m u n g des § 3 3 : Der Versicherer haftet nicht, wenn die Ursache des Schadens vorsätzliches oder fahrlässiges V e r h a l t e n des Versicherungsnehmers ist. Deshalb die Erläuterungsbes t i m m u n g des § 28 Satz 2: M a g die Ursache des Schadens Eindringen von Seewasser, Schiffszusammenstoß usw. sein, — der Versicherer haftet. Aus d e m Grundsatz, d a ß der Versicherer ohne Rücksicht auf die U r s a c h e des Schadens haftet, folgt nicht, f ü r welche A r t von Schäden u n d in welchem U m f a n g er f ü r sie haftet. Der Versicherer h a t n u r Schäden von der Art u n d in d e m U m f a n g zu ersetzen, wie er sie d u r c h d e n V e r t r a g , insbesondere d u r c h die V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n zu ersetzen sich verpflichtet h a t oder n a c h d e m vertragergänzenden G e s e t z zu ersetzen verpflichtet ist ( G e r h a r d 252, 510, 536, K ö h l e r 48, R i t t e r Z f V W 1 9 1 1 . 7 6 1 u. A r c h B ü r g R 40.409, S c h n e i d e r H R Z 1 9 1 8 . 4 8 5 , S i e v e k i n g 89, 92, 188, R G 35. 114, O A G Lübeck BremS 3. 425, L G H a m b u r g H G Z 1883. 232, 1886. 99; insoweit richtig auch R G H G Z 1918. 71 im Falle einer Güterversicherung: „ D e r Regel n a c h u n d im Zweifel setze ein unter die Seeversicherung fallender Schaden einen Verlust oder eine Beschädigung des versicherten körperlichen Gegenstandes v o r a u s " ; schwankend V o i g t 378, 401, 427, 516, 520; bedenklich a u c h M o t . ζ. P r e u ß E 345: „ D e r Versicherer setze sich, wie AllgPlan 1847 § 13 es ausdrücke, in die Stelle des Versicherten, der Versicherte müsse in die Lage kommen, als sei kein Unglücksfall eingetreten, er b r a u c h e also keinerlei d u r c h letzteren veranlaßte Kosten zu t r a g e n " ; vgl. insbesondere auch K i s c h W u R V e r s 1916, 286). Der Versicherer hat, wie § 1 V V G richtig ausspricht, Schäden n u r „ n a c h M a ß g a b e d e s V e r t r a g s " zu ersetzen. Deshalb haftet der Versicherer n u r f ü r solche Schäden, die mit d e m Gefahrereignis in d e m besonderen versicherungsrechtlichen K a u s a l z u s a m m e n h a n g stehen (oben A n m . 1 7 f f ) . Deshalb h a t insbesondere der Versicherer des Eigentümerinteresses regelmäßig n u r den sogenannten Sach- oder Substanzschaden zu ersetzen, d e n W e r t des Schiffes oder der Güter i m Falle des Totalverlustes usw. (§§ 7 1 — 7 3 , 77, 91), den M i n d e r w e r t im Falle des Teilverlustes oder der Beschädig u n g (§§ 75, 92·—94, 96); a u ß e r d e m nach besonderer Bestimmung auch andere S c h ä d e n : Havariegrosse-Beiträge (§ 29), A u f w e n d u n g e n zur A b w e n d u n g , M i n d e r u n g u n d Fest-
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Stellung des Schadens (§ 32), indirekten Kollisionsschaden (§ 78), Kosten der U m - § 2 8 ladung, L a g e r u n g u n d Weiterbeförderung der G ü t e r im Falle der Aufgabe der Reise des Schiffes usw. (§ 95 Abs. 3). So selbstverständlich dies scheint, so oft ist es verkannt worden. aa) L G u. O L G H a m b u r g Z f V W 1911. 761, 783, ArchBürgR 40. 409 (Fall F r i e d e r i k e M ö l l e r ) . Kaskoversicherung. Das Schiff war zusammengestoßen u n d w u r d e v o m Gegensegler auf G r u n d Arrestes gepfändet. Der Versicherungsnehmer verlangte v o m Versicherer Ersatz der Aufwendungen, die f ü r die Zeit der erzwungenen U n t ä t i g keit umsonst gemacht waren, sowie Ersatz des Gewinns, den er w ä h r e n d dieser Zeit mit d e m Schiffe h ä t t e m a c h e n können. Das Landgericht verurteilte. D a der Versicherer die G e f a h r des Arrestes trage, müsse er a u c h jeden Schaden tragen, der die „direkte F o l g e " des Arrestes sei. A u f w e n d u n g e n u n d Nutzungsverlust seien aber „die allerdirekteste Folge des Festhaltens". „ E s gebe so außerordentlich zahlreiche Fälle, in d e n e n Kasko- u n d Güterversicherer f ü r anderes als Substanzschaden . . . h a f t e t e n " , — d a ß sie auch f ü r Nutzungsverlust usw. haften m ü ß t e n . „Entscheidend sei, d a ß nirgends ein Grundsatz ersichtlich sei, wonach die H a f t u n g f ü r direkte Schadensfolgen zugunsten der Versicherer beschränkt sei". O L G H a m b u r g bestätigte: Der Versicherer hafte f ü r indirekten Kollisionsschaden. A u f w e n d u n g e n u n d Nutzungsverlust seien aber gerade Schäden, die d a d u r c h verursacht seien, „ d a ß der Versicherungsnehmer der Reederei des Gegenseglers in der angegebenen Weise a u f z u k o m m e n h a b e " (Aufenthaltskosten u n d Nutzungsverlust des versicherten Schiffes, — indirekter Kollisionsschaden, also Schaden, d e n d e r Versicherungsnehmer „ m i t t e l b a r d a d u r c h erleidet, d a ß er d e n einem Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen h a t " ) „ A u c h gebe es so zahlreiche u n d wichtige Fälle, in denen der n a c h d e n A S V B verpflichtete Kaskoversicherer f ü r anderes als Substanzschaden hafte, d a ß es z u weit gehe, . . . das Prinzip aufzustellen: Der Kaskoversicherer hafte an sich n u r f ü r Substanzschaden u n d die, eine d a r ü b e r hinausgehende H a f t u n g desselben statuierenden, Vorschriften der A S V B bedeuteten n u r A u s n a h m e n von der eigentlichen G r u n d r e g e l " . . . „ D i e Versicherung werde g e n o m m e n gegen eine bestimmte Gefahr u n d zu ersetzen sei der Schaden, der aus eben dieser G e f a h r entstanden sei". bb) L G u. O L G H a m b u r g H G Z 1 9 1 1 . 9 3 (Fall B r u n o M e n z e l l ) . Kaskoversicherung. Das Schiff war auf G r u n d geraten, h a t t e einen Teil der L a d u n g geworfen u n d war losgekommen u n d weitergefahren. I m Zwischenhafen verlangten die Ladungsbeteiligten Bestellung einer Sicherheit f ü r die vom Schiffe geschuldeten HavariegrosseBeiträge u n d drohten im anderen Falle mit Arrest. Die Sicherheit w u r d e bestellt. Die Bestellung verursachte 3000 Μ Kosten. Der Versicherungsnehmer verlangte v o m Versicherer Ersatz dieser Kosten. L G H a m b u r g verurteilte. Aus der H a f t u n g des Versicherers f ü r Havariegrosse-Beiträge folge „ o h n e weiteres", — d a ß der Versicherer auch diese Kosten ersetzen müsse. A u c h seien die Kosten „ n o t w e n d i g gewesen zur V e r m e i d u n g . . . der d u r c h den drohenden Arrest entstehenden Kosten des Aufliegens des Schiffes". O L G H a m b u r g h o b auf. Der Versicherer hafte — „ n u r im Falle der wirklich erfolgten V e r h ä n g u n g eines Arrestes"; überdies w ü r d e der Arrest kein unverschuldeter gewesen sein. Vgl. n u n m e h r aber § 29 Abs. 1 Satz 1. cc) L G u . O L G H a m b u r g H G Z 1883. 232 (Fall M l a w k a ) . Kaskoversicherung. Das Schiff segelte in Ostende einen Pier an, beschädigte ihn u n d m u ß t e Sicherheit bestellen. Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer Ersatz. Richtig (wenngleich ungenau) L G H a m b u r g : Der Fall, d a ß der Versicherer im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen f ü r indirekten Kollisionsschaden hafte, „ b i l d e die einzige A u s n a h m e von der allgemeinen . . . Regel, d a ß der Versicherer, wenn nichts anderes vereinbart sei, n u r alle diejenigen Gefahren trage, welchen der versicherte Gegenstand ausgesetzt sei". 31«
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§ 2 8 Anders O L G H a m b u r g : „An sich falle ein Schaden, der durch Ereignisse, welche unter die . . . Versicherung fielen, seitens des versicherten Schiffes einem Dritten zugefügt werde und infolge der H a f t u n g des versicherten Schiffes auf dieses zurückfalle, ohne Zweifel gleichfalls unter die . . . Versicherung; denn auch dieser Schaden sei eine unmittelbare Folge der von dem Versicherer . . . übernommenen Gefahren". — Richtig in einem gleichen Falle R G 35. 113: „Der Versicherer hafte an und f ü r sich n u r f ü r d e n Schaden, der dem Versicherten dadurch entstehe, daß der v e r s i c h e r t e G e g e n s t a n d eine Wertminderung erleide oder verlorengehe (für den u n m i t t e l b a r e n Schaden) nicht aber für den dem Versicherten daraus entstehenden Schaden, d a ß der versicherte Gegenstand seinerseits Schaden s t i f t e , welchen zu ersetzen der Versicherte verpflichtet sei ( m i t t e l b a r e n Schaden) . . . Es erscheine als eine A u s n a h m e v o n d e r R e g e l , wenn das H G B . . . den Versicherer beim Zusammenstoß von Schiffen . . . auch f ü r den mittelbaren Schaden haften lasse". In Wirklichkeit freilich gibt es weder diese Regel noch jene Ausnahme. Der Versicherer haftet eben nur in dem durch den Vertrag bestimmten Umfang, und man kann die Haftung des § 78 höchstens insofern als Ausnahme bezeichnen, als der Versicherer nach dem Vertrag sonst freilich im allgemeinen nicht für solchen mittelbaren Schaden verantwortlich ist. dd) R G 10. 22, H G Z 1883. 61. Güter waren (auch für Kriegsgefahr) f ü r die Reise von H a m b u r g nach Mollendo und weiter nach La Paz im durchstehenden Risiko versichert. Da die Chilenen im Kriege Chile-Peru-Bolivien Mollendo blockiert hatten, wurden die Güter in Arica gelöscht und von hier aus nach La Paz weiterbefördert. Die Chilenen erhoben in Arica den sonst im Transitverkehr nicht fälligen peruanischen Zoll. Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer Ersatz des Zollbetrags. Der Versicherer wurde verurteilt. L G H a m b u r g : Der Versicherer habe „alle Gefahren zu tragen", — also „ a u c h die Gefahr, welche daraus resultiere, daß, weil Mollendo nicht erreichbar gewesen sei, f ü r einen anderen Weg höhere Spesen des Transports aufzuwenden gewesen seien, und i n g l e i c h e r W e i s e , wenn aus solchem Grunde h ö h e r e Z ö l l e zu bezahlen gewesen seien". Weil nach §828 Abs. 2 H G B ( = § 9 5 Abs. 3 ADS) der Versicherer die Mehrkosten der Weiterbeförderung trägt, m u ß er auch den Mehrzoll tragen! •— Ebenso O L G H a m b u r g : „Die erzwungene Zollzahlung sei die unmittelbare Folge des . . . Krieges gewesen". — Teilweise anders R G 10. 25: „ I m vorliegenden Falle, wo von der sonst üblichen Klausel ,Nur f ü r Seegefahr' abgesehen und gerade mit Rücksicht auf die herrschenden Kriegsverhältnisse die Versicherung übernommen sei, seien von dem Versicherer auch die durch den Krieg nur mittelbar entstandenen Gefahren übernommen, so daß der Versicherer auch die Gefahr zu tragen habe, daß infolge der Kriegsverhältnisse die versicherten Waren ihren Bestimmungsort La Paz nur gegen Zahlung höherer Zölle als der in Friedenszeiten zu zahlenden hätten erreichen können". Übrigens handle es sich u m eine Verfügung von Hoher H a n d , die „sich in ihren rechtlichen Wirkungen f ü r das Versicherungsverhältnis von einer teilweisen Konfiskation der Waren durch die Chilenen nicht unterscheide". — Die Gerichte haben die Zollkosten mit Recht nicht als „Mehrkosten der Weiterbeförder u n g " behandelt. Es bleibt also, will man den Versicherer überhaupt haften lassen, nur übrig, sie als Schadensabwendungs-Kosten zu behandeln, als Kosten zur Abwendung der Beschlagnahme und des Totalverlustes. Hiervon könnte aber nur dann die Rede sein, wenn die Güter ohne Verschulden des Versicherungsnehmers in die Gewalt der Chilenen geraten und diese nur gegen Zahlung des „Zolls" bereit gewesen wären, sie wieder herauszugeben. — Noch weiter als die Rechtsprechung geht S i e v e k i n g 91: „Die Auferlegung von Zöllen sei als eine Verfügung von Hoher H a n d anzusehen". Deshalb müsse der Versicherer alle neuen Zölle bezahlen. Also auch wohl alle anderen
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neuen Steuern, Abgaben, Gebühren, Schiffahrtsabgaben, Kanalgebühren, Hafen- § 28 gebühren, Lotsengebühren, Kaigebühren, Quarantänekosten usw.! ee) HG u. OG Hamburg HGZ 1875. 234. Güterversicherung für die Reise von Antwerpen nach Hamburg im Schiffe Luise, für die Reise von Hamburg nach Hongkong im Schiffe Jupiter, in durchstehendem Risiko. Infolge „Elementarunfalls" fuhr Jupiter zu früh ab. Die Güter mußten mit einem anderen Schiffe weiterbefördert werden. Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer Erstattung der dadurch entstandenen Aufwendungen (Leichterlohn, Uberliegegeld usw.). Die Klage wurde abgewiesen. „Der Versicherer trage nicht die Gefahr des Anschlusses des einen Transportmittels an das andere". ff) Seegericht Bergen, Höchstgericht Christiania ITVMitt 1918. 96. Kaskoversicherung eines norwegischen Schiffes. Das Schiff kam beschädigt nach England. Die englische Regierung erlaubte die Ausbesserung nur unter der Bedingung, daß das Schiff für sie während bestimmter Zeit zu geringer Fracht fahre. Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer Erstattung der Differenz zwischen der erhaltenen Fracht und der Fracht, die er im freien Markt hätte erzielen können. Ohne Erfolg. „Der Versicherer hafte nur für eine Beschädigung am Schiffe selbst oder für den Untergang"; solche Schäden wie diese „seien bei der Berechnung der Tarifprämie nicht berücksichtigt" (nach einem Gutachten Platou's). b) Um jedem Mißverständnis vorzubeugen, bestimmte Ε 1910 § 29 Satz 3: „Soweit Anm. 35 nicht ein anderes bestimmt ist, haftet der Versicherer jedoch nicht f ü r einen m i t t e l b a r e n S c h a d e n " . Die Fassung Schloß sich an Vorschriften ähnlicher Art an, ζ. B. an die des Postgesetzes, das zunächst über die Entschädigung für verlorengegangene usw. Postsendungen bestimmte, um dann in § 12 fortzufahren: „Eine weitere... Entschädigung wird von der Postverwaltung nicht geleistet; insbesondere findet gegen dieselbe ein Anspruch wegen eines durch den Verlust oder die Beschädigung einer Sendung entstandenen mittelbaren Schadens oder entgangenen Gewinns nicht statt". Die Fassung ist geändert worden, weil der Ausdruck „mittelbarer Schaden" mehrdeutig ist, nämlich auch den Schaden bezeichnet, der ein Ereignis nicht zur nächsten, sondern zur entfernteren Ursache hat (vgl. PreußALR 1. VI. 2, 3), und weil er überdies in der Hauptsache nur für die Versicherung des Schiffes und der Güter Bedeutung haben würde. Deshalb bestimmt § 28 Satz 3: 1. Der Versicherer haftet für einen Schaden nur in dem durch diese Bedingungen bestimmten Umfang. Der Vertrag kann natürlich etwas anderes bestimmen, insbesondere die Haftung des Versicherers über den in den ADS bestimmten Umfang erweitern. Dann gilt eben der Vertrag. 2. Der Versicherer haftet insbesondere nicht für die Belastung des versicherten Gegenstandes mit Schiffsgläubiger- (oder Ladungsgläubiger-) Rechten. Er haftet nicht' für die Leistungen, die der Versicherungsnehmer schuldet, und für die der versicherte Gegenstand als Pfand haftet. Ausnahmen: §§78, 81. 3. Der Versicherer haftet insbesondere nicht für den Schaden, der durch eine Verzögerung der Reise verursacht wird. — Durch die Verzögerung kann ein Substanzschaden entstehen. Der Substanzschaden wird regelmäßig die Verzögerung zur entfernteren Ursache haben. Dann haftet der Versicherer nur, wenn die nächste Ursache ein Gefahrereignis ist. — Der Substanzschaden kann aber auch die Verzögerung zur nächsten Ursache haben (ζ. B. unvermeidlicher Verderb der versicherten Früchte infolge der Verzögerung). Dieser Fall ist nicht gemeint (Begr. ζ. Ε 19io § 29; vgl. aber auch § 86 Anm.). Denn es handelt sich ja nur um einen Beispielfall des Grundsatzes, daß der Versicherer für Schäden nur in dem durch die ADS bestimmten Umfang haftet. — Durch die Verzögerung kann ein anderer
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Schaden, ein mittelbarer Schaden im Sinne des § 29 Ε igio entstehen. Dieser Fall ist gemeint. Anm. 36 14. Vom Begriff des Schadens überhaupt. Schäden sind Nachteile, die eine Person oder ihr Vermögen betreffen. V e r m ö g e n s s c h ä d e n (mit denen wir es im Vermögensrecht allein zu tun haben) sind Schäden, die das Vermögen einer Person betreffen. S a c h s c h ä d e n (mit denen wir es bei der Sachschadens-Versicherung allein zu tun haben) sind Schäden, die am Vermögen einer Person durch ihre Beziehung zu Sachen entstehen, im engeren und verkehrsmäßigen Sinne die S u b s t a n z s c h ä d e n , also die Schäden, die durch die Veränderung der Sache als solche oder durch ihre Trennung vom Vermögen der Person als solche herbeigeführt werden. — Vom Begriff des Schadens ist die U r s a c h e des Schadens zu unterscheiden. Die Ursache kann ein äußeres, vom Willen der Beteiligten unabhängiges Ereignis bilden. Die Ursache des Schadens kann aber auch der Wille der Beteiligten selbst und seine Betätigung bilden. Der Satz nulla injuria est, quae in volentem fiat (1. 1 § 5 de inj. 47. 10) hat jedenfalls für den Begriff des Schadens keine Bedeutung (wenn auch tatsächlich Strafrecht und Schadensersatz-Recht es im allgemeinen nur mit dem Schaden zu tun haben, den der Verletzte sich nicht selbst zugefügt hat). Schaden erleide ich auch, wenn ich meine Sache f r e i w i l l i g weggebe oder b e s c h ä d i g e , wenn etwa der Reeder sein Schiff dem Gegensegler abandonniert, um sich damit von der (in romanischen Rechten bestimmten) unbeschränkten Haftung für den Kollisionsschaden zu befreien (aber keinen Verlust: unten Anm. 38, § 71 Anm.). Schaden erleide ich erst recht, wenn ich, durch Gesetz, behördliche Verfügung oder auch nur durch Vertrag verpflichtet, meine Sache weggebe oder beschädige, wenn ich gemäß gesetzlicher Verpflichtung meine Sachen dem Staate überlasse (HGZ 1921. 245) oder gemäß behördlichem Befehl (HGZ 1921. 253), oder wenn ich gemäß Vertrag Sachen aufgebe oder beschädige, wenn ich ζ. B. „Aufwendungen" machen muß (vgl. §§ 32, 41, K i s c h WuRVers 1916. 286). Deshalb bestimmt eben § 254 BGB besonders, daß, soweit ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, wenn insbesondere der Beschädigte v o r s ä t z l i c h den Schaden herbeigeführt hat, der an und für sich Schadensersatz-Pflichtige nicht zu ersetzen braucht. Deshalb bestimmt eben § 33 ADS besonders, daß der Versicherer den Schaden nicht zu ersetzen hat, den der Versicherungsnehmer v o r s ä t z l i c h oder fahrlässig herbeigeführt hat. Anm. 37
15. Vom Begriff desSach- oder Substanzschadens insbesondere. Das Gesetzesrecht, insbesondere das Fracht- und Versicherungsrecht, gebraucht zur Bezeichnung des Sachschadens die verschiedensten Ausdrücke. Es spricht von Schaden, teilweisem Schaden (HGB § 872), Verlust, Beschädigung, Totalverlust (HGB §§ 854—860), gänzlichem Verlust (HGB §§ 724, 851), gänzlichem Verderb (HGB § 851), Zerstörung der ursprünglichen Beschaffenheit (HGB § 851), Teilverlust (HGB §§ 724, 876), teilweisem Verlust (HGB §§658, 851, 878, 880), Verlust, der die Folge einer Beschädigung ist (HGB §850), Minderung (HGB §§414, 423, 438, 439), Verminderung (HGB §849), Wertsverringerung (HGB §§ 724, 851), großer Haverei (HGB § 700), besonderer Haverei (HGB §§701, 845; vgl. auch HGB §893). Die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksformen und ihre nicht seltene Verwendung in verschiedenen Bedeutungen hat zu vielen Auslegungschwierigkeiten Anlaß gegeben (ζ. B. zu der Streitfrage, ob nach § 658 HGB der Verlust eines von mehreren Frachtgutstücken, also ein Teilverlust, teilweiser Verlust oder Totalverlust ist), sowie zu manchen schiefen Vorstellungen, wie etwa der, daß es einen besonderen Begriff der „Beschädigung im versicherungsrechtlichen Sinne" gebe (RG 56. 403, 69. 240, 89. 146, HGZ 1892. 298) oder einen besonderen „assekuranzrechtlichen Begriff der Beschädigung" (HGZ 1899. 114; vgl. aber auch unten Anm. 39). — Für die ADS kommen insbesondere in Betracht:
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a) Der Verlust einer Sache. Verloren ist eine Sache, wenn sie (nach der Auf- § 28 fassung des Verkehrs, nicht nach derjenigen der Naturwissenschaft) nicht mehr da, Anm. untergegangen, vernichtet ist, oder wenn sie ohne Aussicht auf Wiedererlangung abhandengekommen, also nur der Besitz entzogen ist (Brückmann ArchBürgR 23. 322; näheres: §71 Anm.). — Anders ζ. B. im Frachtrecht. Hier gilt die Sache schon dann als verloren, wenn sie zur Ablieferungszeit nicht abgeliefert werden kann, und höchstens dann noch nicht als verloren, wenn das Ablieferungshindernis ohne weiteres beseitigt werden kann (Pappenheim Seerecht 2. 436, S c h a p s - A b r a h a m II Anm. 11 zu §606 HGB). aa) Die Sache kann ganz verloren sein. Das ist „Totalverlust", „gänzlicher Verlust" (früher auch wohl „effektiver Totalverlust" genannt: OAG Lübeck HambS 3. 99, Seebohm 636). Daß von der Sache noch etwas übriggeblieben ist, kommt nicht in Betracht, wenn das Übriggebliebene nicht mehr die Sache, sondern eine andere Sache ist, wenn etwa das Schiff ein Wrack geworden ist (§ 1 Anm. 23), oder wenn nur Zubehörstücke übriggeblieben sind, oder wenn Fische verfault und aus Nahrungsmitteln Düngemittel geworden sind, oder wenn der Rest überhaupt nichts mehr taugt (vgl. §§ 71, 91, Prot. 4384, Voigt 640, R G 4. 39, OAG Lübeck SA 11 Nr. 170, HambS 3.99, K G HRZ 1925.237 = J R P V 1924.68, wonach mit Recht Totalverlust angenommen wurde bei einer Kiste mit rohen Fellen, die äußerlich unbeschädigt ankam, aber vollständig ausgeraubt war und statt der Felle mit Ölpapier gefüllt war; vgl. auch die engl. Entsch. ITVMitt 1919. 64: schwere Beschädigung eines Filmnegativs). — Anders ζ. B. im Frachtrecht, wo Verlust oft (vgl. HGB §§414, 439), wenn auch nicht immer (vgl. HGB §658), Totalverlust bedeutet. Auch kann man vom Standpunkt des Frachtrechts wohl nicht überall sagen, daß die Sache verloren ist, wenn sie zwar an sich noch vorhanden, aber etwas anderes geworden oder völlig entwertet ist, so etwa nicht im Sinne des § 617 HGB, wonach für Güter, die durch einen Unfall verlorengegangen sind, keine Fracht zu zahlen ist (vgl. insbesondere Pappenheim Seerecht 2. 507 gegen die dort angef.). Im Versicherungsrecht „gilt" jedenfalls schon als verloren, was nur „in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zerstört" ist (§§ 71, 91). — Über den Fall, daß die versicherten Güter mit anderen Gütern untrennbar vermischt sind: §91 Anm. bb) Die Sache kann teilweise verloren sein. Das ist „Teilverlust", „teilweiser Verlust". So etwa, wenn das Schiff die Schraube verloren hat, oder wenn vom Schiffe einzelne Zubehörstücke abhandengekommen sind, oder wenn von einer verladenen Maschine ein Bolzen verlorengegangen ist oder aus Gebinden die Hälfte ausleckt oder von 100 Ballen Baumwolle 50 abhandenkommen. — Anders ζ. B. im Frachtrecht, wo Teilverlust nur Verlust eines Teiles von einem zusammenhängenden Ganzen, Totalverlust auch Verlust eines Teiles von mehreren, nicht zusammenhängenden, sich vielmehr (ζ. B. durch besondere Merkzeichen) selbständig voneinander unterscheidenden Gegenständen bedeuten. — Wenn Copra ihr wertvolles ö l verliert, so ist der Schaden Teilverlust, so gut wie „Verstreuung" (HGB §459 Nr. 4: „Austrocknung und Verstreuung") Teilverlust ist; der Versicherer haftet aber nicht, wenn das ö l infolge der natürlichen Beschaffenheit der Copra verlorengeht, „schwindet" (§86 Abs. 1). Der Verlust eines Teils kann auch Beschädigung des Ganzen sein (unten Anm. 39). Das ist ζ. B. der Fall, wenn das ö l der Copra durch Spillage beim Aus- oder Wiedereinladen oder Lagern im Nothafen verlorengeht und nur die wertlose Faser übrigbleibt; der Versicherer haftet also nicht, wenn er nicht für Beschädigung haftet, oder wenn er für Beschädigung nur im Strandungsfall haftet, aber kein Strandungsfall vorliegt, das
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ö l ζ. Β. beim Aus- oder Einladen oder Lagern im Nothafen verlorengegangen ist. I m Ergebnis ebenso H G Z 1889. 194; anders in der Begründung: Der Ölverlust sei nur „als Beschädigung im Sinne des Assekuranzrechts anzusehen", „von einem teilweisen Verlust könne, solange die Copra äußerlich vollständig vorhanden sei, nicht die Rede sein".
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b) B e s c h ä d i g u n g der Sache ist stoffliche Verschlechterung der Sache (unrichtig H G Z 1899. X14: „ U n t e r Beschädigung sei jeder Schaden im Gegensatz zum Totalverlust und zur Havarie-grosse zu verstehen"). Das Schiff erhält beim Zusammenstoß ein Leck. T a b a k wird durch eingedrungenes Seewasser naß und schimmelig. Getreide nimmt vom Nachbargut Geruch an oder verschmutzt. Mehl wird von Käfern durchsetzt. Auch bloße Beschädigung der Verpackung kann unter Umständen (wie ein Mangel der Kaufsache, so auch) Beschädigung der versicherten Güter sein, wenn sie nämlich den Verkäuflichkeitswert der Güter beeinträchtigt (abw. R O H G 23. 387: Von Beschädigung der Ware könne keine Rede sein, „wenn nur die Fustage oder Emballage verletzt worden sei und diese Verletzung durch Ausbesserung oder Erneuerung unschädlich gemacht werden könne"; vgl. dazu jedoch auch § 94 Abs. 1). — Keine Beschädigung ist bloße Wertminderung, insbesondere Konjunkturverlust ( S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 12 zu § 606 HGB). — J e d e r Verlust durch Vernichtung (oder doch nahezu jeder solcher Verlust) beginnt mit einer Beschädigung. Solche „ B e s c h ä d i g u n g e n " , d i e u n m i t t e l b a r z u m V e r l u s t f ü h r e n , kommen regelmäßig rechtlich nicht in Betracht. Wenn ein Schiff angerannt wird, ein Leck erhält und alsbald unrettbar sinkt, so ist es verloren; d a ß es vorher beschädigt ist, ist ohne rechtliche Bedeutung. Ebenso, wenn Güter von der ersten Sturzsee beschädigt, von der zweiten über Bord gespült werden (vgl. auch H a n s O L G H G Z 1926 Nr. 66 = H R Z 1927. 214 = J R P V 1926. 235 = Sasse Nr. 356). Ebenso, wenn ölfässer im Sturm zerbrechen, der Inhalt ausläuft und im selben Sturm die Überbleibsel über Bord gehen (RG 89. 146: „Infolge des verlustbegründenden einheitlichen Vorgangs . . . sei der Gesamtwert vernichtet, ohne daß die vor dem Enderfolg eingetretene Beschädigung" in Betracht komme; vgl. ferner H G Z 1892. 298, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1869. 232, 240). Der (wenn nicht schon natürlichen, so doch) verkehrsmäßigen Betrachtung stellt sich das Ganze ausschließlich als Verlust, nicht als Beschädigung oder als Beschädigung plus Verlust dar (vgl. auch R G 69. 240, H G Z 1900. 96, L G H a m b u r g H G Z 1899. 1 1 3 ) . In solchem Falle darf m a n sagen, d a ß „der Totalschaden den Partialschaden verschlingt" ( V o i g t 384; vgl. auch oben Anm. 24). Ebenso insbesondere dann, wenn die Beschädigung zwar unmittelbar zum Verlust führt, aber noch e t w a s ü b r i g b l e i b t , sei es etwas a n d e r e s als das frühere, sei es etwas überhaupt W e r t l o s e s . Wenn die Kiste mit Teilen einer Strumpfstrick-Maschine bei der Löschung in den R a u m zurückstürzt und die Teile zerbrechen und nicht mehr zusammengesetzt werden können, so ist das Gut in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zerstört und verloren; ist es „Frei von 3 % " versichert, so haftet der Versicherer nach Totalverlust-Grundsätzen (unrichtig H G Z 1899. 1 1 5 ) , der Versicherungsnehmer kann insbesondere nach § 91 Abs. 1 die Versicherungssumme verlangen und nicht nur nach § 93 einen verhältnismäßigen Teil davon. Ist das Gut „Frei von Beschädigung" oder „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert, so haftet der Versicherer zwar nicht; aber nur deshalb nicht, weil der Regel zuwider von alters her im Sinne dieser Klauseln auch ursprünglicher Bruchverlust wie Beschädigung behandelt wird (näheres: § 1 1 3 Anm.). Werden Ölfässer von überkommenden Sturzseen zerschlagen, aber nicht über Bord gespült, so geht das a u s l e c k e n d e ö l gleichfalls „verloren". Sind die Fässer „Frei von 3 % " versichert (also nicht „Frei von Beschädigung" oder „Frei von Beschädigung außer im Strandungsfall"), so kann der Versicherungsnehmer nach Ver-
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lustgrundsätzen die Versicherungssumme oder, im Falle eines Teilverlustes, einen 6 2 8 Teil davon verlangen (§§ 9 1 , 92) und wird nicht etwa nach § 93, also nach Beschädigungs-Grundsätzen entschädigt. Es kann also auch keine Rede davon sein, daß ζ. B. die außergewöhnliche Leckage, insbesondere die durch gewaltsame Beschädigung der Fässer herbeigeführte außergewöhnliche Leckage, „sich typisch nur als Beschädigung kennzeichne" (so R G 89. 146), oder daß „ein Ereignis, das seiner Natur nach bloß geeignet ist, die Güter in ihrer Beschaffenheit anzugreifen, im Sinne des Versicherungsrechts immer ,Beschädigung' ist und auch dadurch nicht zum .Verlust' wird, daß die Einwirkung so nachhaltig auftritt, daß die Güter in ihrer Beschaffenheit zerstört oder gänzlich entwertet werden" (so R G 69. 240; ähnlich R G 56. 402, H G Z 1900. 96, L G H a m b u r g H G Z 1899. 1 1 3 ) . Das Gegenteil bestimmen j a ausdrücklich § 8 5 4 H G B , §§ 71 Abs. 2, 91 Abs. 1 A D S ; vgl. auch die §§ 35 Abs. 3, 86 Abs. 2, wo Beschädigung und Leckage als nebengeordnete Begriffe behandelt werden. M a n hat sich durch § 851 H G B ( = § 1 1 4 A D S ) verleiten lassen und dabei verkannt, daß diese Vorschrift den Ausdruck „Beschädigung" ausnahmsweise im Sinne nicht sowohl des BeschädigungsSchadens, als vielmehr des Beschädigungs-Ereignisses gebraucht, daß auch diese Vorschrift den verkehrsmäßigen Standpunkt im übrigen klar zum Ausdruck bringt, daß auch diese Vorschrift Verlust im allgemeinen Verlust sein und nicht als Beschädigung gelten läßt. Denn § 8 5 1 H G B (und ebenso § § 1 1 3 , 1 1 4 A D S ) sagt n i c h t , daß es B e s c h ä d i g u n g sei, wenn infolge einer Beschädigung etwas verlorengeht, insbesondere in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zerstört wird. Sondern § 851 H G B sagt: Wenn „ F r e i von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert ist, soll der Versicherer (trotz des Wortlauts der Klausel nicht nur nicht für Beschädigung haften, sondern auch) nicht haften „ f ü r einen Schaden, der aus einer Beschädigung entstanden" und „ i n einem gänzlichen oder teilweisen V e r l u s t und i n s b e s o n d e r e darin besteht, daß die versicherten Güter gänzlich verdorben und in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit zerstört den Bestimmungshafen erreichen" (näheres: § 1 1 3 Anm.). — Schließlich ist es auch keine Beschädigung, sondern Verlust, wenn die Beschädigung zwar nicht unmittelbar zum Verlust führt, aber die n ä c h s t e U r s a c h e d e s V e r l u s t e s ist, der Verlust also die unvermeidliche Folge der Beschädigung ist (vgl. oben A n m . 1 7 f f , ; abw. wiederum R G 89. 146, H G Z 1900. 96). Wenn durch ein Leck Wasser ins Schiff dringt und der versicherte Salpeter nach und nach schmilzt, so daß nur noch leere Säcke und wertloser Brei am Bestimmungsort eintreffen, so ist der Salpeter verloren, nicht beschädigt (vgl. Prot. 3 3 2 3 , H G u. O G H a m b u r g Ullrich Nr. 2 1 1 ) . Wenn „ F r e i von 3 % " versicherter Weizen den Bestimmungshafen so beschädigt erreicht, daß er zwar noch nicht in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zerstört, diese Zerstörung aber einige T a g e nach der Beendigung der Versicherung vollendet ist, kann der Versicherungsnehmer nach Verlustgrundsätzen Entschädigung verlangen. Aber auch hier ist es etwas anderes, wenn der Weizen „ F r e i von Beschädigung" oder „ F r e i von Beschädigung außer im Strandungsfall" versichert ist, — nicht etwa, weil der Verlust Beschädigung wäre, sondern weil in diesem Falle der Versicherer nicht bloß f ü r Beschädigung, sondern auch für gewisse Arten des V e r l u s t e s nicht haftet, nämlich f ü r solchen Verlust nicht, der die nächste Folge des Beschädigungs-Ereignisses ist (auch in solchem Falle kann man also sagen, daß „ d e r Totalschaden den Partialschaden verschlingt": V o i g t 384, auch oben Anm. 24). M a n kann also nicht einmal im Sinne des § 8 5 1 H G B ( = §§ 1 1 3 , 1 1 4 A D S ) den Grundsatz aufstellen, den R G 5 6 . 4 0 3 sogar ganz allgemein ausspricht: „ D a s Kriterium zwischen Verlust und Beschädigung im Sinne der Seeversicherung sei der Wirkung der schadenbringenden Ursache zu entnehmen; charakterisiere sich diese als eine solche, welche zwar die Ware angreife, aber erst durch die unbehinderte Dauer der Einwirkung zum völligen
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§ 28 Verlust führe, so werde in der Regel nur Beschädigung angenommen werden können" (dem R G folgend S i e v e k i n g 149, beide im Anschluß an V o i g t 599, der offenbar mißverstanden ist). Ein solches „Kriterium" gibt es nicht; es würde mit der natürlichen Lebensauffassung ebensosehr wie mit der insoweit klaren Gedankenführung des § 851 HGB in offenbarem Widerspruch stehen. — Nicht minder irrig ist übrigens die in HGZ 1892. 298 aufgestellte Behauptung, daß „eine Beschädigung im seeversicherungsrechtlichen Sinne nur dann vorliege, wenn dieselbe durch ein von außen wirkendes Ereignis, für welches der Versicherer die Gefahr trage, also durch einen Seeunfall und, was dem gleichsteht, herbeigeführt sei", und „den Gegensatz dazu der Schaden bilde, welcher aus der natürlichen Beschaffenheit der Güter sich gebildet habe". Dann hätte es des § 821 Nr. 3 HGB ( = § 86 ADS) nicht bedurft (insoweit richtig HGZ 1899. 114: Für den Begriff der Beschädigung „komme es auf die Ursachen, welche einen Schaden hervorrufen, nicht an"). Auch die B e s c h ä d i g u n g , die d u r c h d i e n a t ü r l i c h e B e s c h a f f e n h e i t der versicherten Güter entsteht, ist natürlich Beschädigung, wie der Verlust, der daraus entsteht, Verlust ist und wie überhaupt der Schaden, der daraus entsteht, Schaden ist, — nur daß der Versicherer für diesen Schaden, für diesen Verlust, für diese Beschädigung nach § 821 Nr. 3 ( = § 86 ADS) nicht haftet. — Nicht minder irrig auch HGZ 1899. 144: „Unter Beschädigung sei jeder Schaden im Gegensatz zum Totalverlust und zur Havariegrosse zu verstehen". — Unter Umständen ist T e i l v e r l u s t Beschädigung. Zwar natürlich nicht Beschädigung des Teiles, wohl aber Bes c h ä d i g u n g des G a n z e n . Dann nämlich, wenn das Ganze ein tatsächlich oder wirtschaftlich unteilbares Gut darstellt und der Verlust des Teiles mithin den Wert des Ganzen herabsetzt ( P a p p e n h e i m Seerecht 2. 437, R O H G 15. 374, RG 15. 134). Geht die Schiffsschraube verloren, so ist das Schiff beschädigt. Gehen von verpackten Maschinenteilen einige Stücke verloren, so kann die ganze Maschine nichts mehr wert sein. Gehen von einer einheitlichen Zimmereinrichtung, einer Musterkollektion, einem Sortiment einzelne Stücke verloren, so kann der Rest wertlos sein. Auf dieser Erwägung beruht § 94. ·— Die Beschädigung kann, wie der Verlust, nur einen Teil oder das Ganze betreffen. T e i l b e s c h ä d i g u n g kann aber (aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen wie Teilverlust) T o t a l b e s c h ä d i g u n g sein (vgl. oben). Auch auf dieser Erwägung beruht § 94. Näheres: § 94 Anm. c) Die Ausdrücke „Verlust" und „Beschädigung" werden hin und wieder in besonderer Bedeutung gebraucht. Nämlich in der B e d e u t u n g nicht sowohl des Schadens (also eines Zustandes) als vielmehr des e i n e n b e s t i m m t e n S c h a d e n — einen Verlustschaden oder einen Beschädigungs-Schaden — h e r b e i f ü h r e n d e n E r eignisses. Diese Bedeutung tritt besonders in dem Tätigkeitswort „Beschädigung" zutage. In dieser Bedeutung wird das Wort „Beschädigung" z.B. im §851 HGB gebraucht: Der Versicherer haftet nach der Klausel „Frei von Beschädigung" nicht fiir einen „ S c h a d e n , der aus einer Beschädigung entsteht", einerlei ob der Schaden „in einer Wertverringerung" (also in einem Beschädigungs-Schaden) oder „in einem . . . Verluste . . . besteht". Näheres hierüber: § 113 Anm.; vgl. auch oben Anm. 3g. Anm. 41 16. Eine versicherungsrechtlich besondere Art von Sachschaden ist der B r u c h s c h a d e n . Hierüber: § 113 Anm. Anm. 42 17· § 28 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Uber die auf einzelne Gefahren beschränkte Rückversicherung: § 1 Anm. 148. Anm. 43 18. Fremde Rechte. Vgl. auch oben Anm. 4, 5, 11, 12, 18, 21, 23, 24, 36, 28, 29. a) E n g l i s c h e s Recht. Der MI Α sagt nicht, daß der Versicherer alle, noch auch nur, welche Gefahren er trägt. Die Police must specify . . . the risk insured against (MIA § 23). Die dem MIA angehängte Lloyd's Police bestimmt: Touching the adventures and perils which we, the assurers, are contented bear to and do take upons us Anm. 40
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in this voyage: they are of the seas, men of war, fire, enemies, pirates, rovers, thieves, § 2 8 jettisons, letters of mart and countermart, surprisals, takings at sea, arrests, restraints, and detainments of all kings, princes, and people, of what nation, condition, or quality soever, barratry of the master and mariners, and of all other perils, losses, and misfortunes . . . Hiernach scheint es zwar, als ob der Versicherer alle Gefahren trüge. Aber es scheint nur so. Denn the term „ a l l other perils" includes only perils similar in kind to the perils specifically mentioned in the policy ( R C P 1 2 ) ; der Versicherer haftet nach dieser, nur scheinbaren, Generalklausel ζ. B., wenn ein englisches Schiff irrtümlich das versicherte, ebenfalls englische Schiff beschießt (Cullen v. Butler 1 8 1 5 bei A r n o u l d 770 s. 814). Der Versicherer trägt also zwar viele, aber doch nur einzelne Gefahren. Insbesondere die perils of the seas. Dies sind aber nicht etwa die „ G e f a h r e n der Seeschiffahrt" im Sinne des § 28, wie sich schon daraus ergibt, daß den perils of the seas gegenübergestellt werden die perils of men of war, fire usw. T h e term „perils of the seas" refers only to fortuitous accidents or casualties of the seas ( R C P 7 Satz 1). Dabei ist zwar namentlich daran gedacht, daß der Versicherer nicht haftet für Schäden, die erfahrungsgemäß gewiß sind, wie etwa Alters- und Abnutzungsschäden: Der Ausdruck perils of the seas does not include the ordinary action of the winds and waves ( R C P 7 Satz 2). There must be some casualty, something which could not be foreseen as one of the necessary incidents of the adventure. T h e purpose of the policy is to secure an indemnity against accidents which may happen, not against events which must happen (Lord Herschell in T h e X a n t h o 1887 bei A r n o u l d 7 1 4 s. 759). Aber es ist auch gemeint, daß das Gefahrereignis gerade der See eigentümlich sein muß. Es ist also ζ. B. kein peril of the seas und der Versicherer haftet nicht, wenn der Kessel des versicherten Dampfers infolge übermäßigen Druckes explodiert: T h e accident might just as well have happened on dry land (sog. Inchmaree case, Hamilton v. Thames & Mersey M a r . Ins. Co. 1886 bei A r n o u l d 8 1 3 s. 854; vgl. dazu jetzt M I A § 55 Abs. 2 c ) ; der Fall hat die Inchmaree clause veranlaßt, die jetzt zu den I T C und I V C gehört: A r n o u l d 1294 u n d 1299: Der Versicherer ersetzt auch den Schaden, der entsteht through explosions, bursting of boilers, breakage of shafts, or through any latent defect in the machinery or hull . . . Der Versicherer haftet auch nicht, wenn der versicherte T a b a k durch benachbarte verrottete Häute beschädigt wird; aber er haftet, wenn die Häute infolge Eindringens von See wasser verrottet sind und deshalb the perils of the sea were the proximate cause of the loss on the tobacco as well as on the hides (Montoya v. London Ass. Co. 1851 bei A r n o u l d 770 s. 814). Auch die Diebstahlsgefahr trägt der Versicherer nicht unbeschränkt. Denn the term „thieves" does not cover clandestine theft, or a theft committed by any one of the ship's company, whether crew or passengers ( R C P 9; über den Ausdruck arrests usw. vgl. § 36 Anm., über den Ausdruck barratry vgl. § 33 Anm.). — T h e insurer is liable for any loss proximately caused by a peril insured against, but . . . he is not liable for any loss which is not proximately caused by a peril insured against ( M I A § 55 Abs. ι ; näheres: oben Anm. i 8 f f . ) . b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Sont aux risques des assureurs, toutes pertes et dom- Anm. 44 mages qui arrivent aux objets assures, par tempete, naufrage, echouement, abordage, fortuit, changements forces de route, de voyage ou de vaisseau, par jet, feu, prise, pillage, arret par ordre de puissance, declaration de guerre, represailles, et generalement par toutes les autres fortunes de mer (c. de comm. Art. 350). Der Gefahrenkatalog der Policen reicht etwas weiter und schließt bei der Kaskopolice: et generalement par tous accidents et fortunes de mer (Art. 1 Abs. 1), bei der Güterpolice: et generalement par fortunes de mer ou evenements de force majeure (Art. 2 Ziff. 2). Den Begriff der fortunes de mer zu bestimmen, macht ebenso große Schwierigkeiten, wie den Begriff der „Gefahren der Seeschiffahrt" und den der perils of the seas zu bestimmen (oben Anm. 1 1 ,
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Große Haverei
§ 28 43). L a jurisprudence declare volontiers que la notion de fortune de mer i c h a p p e ä toute definition juridique ( R i p e r t Nr. 2644). N a c h R i p e r t (a. a. O.) il faut considerer comme risques maritimes tous les cas fortuits qui peuvent frapper le navire et les marchandises a u cours de l'expedition maritime. — Z u r Frage der Kausalität vgl. R i p e r t Nr. 2687 ff.: V o r dem Ersten Weltkriege bestand eine Neigung zur causa-proxima-Lehre jedenfalls in der Rechtslehre. A b e r : L a jurisprudence fran 46) § 2 9 Anm. 4, H G Z 1903. 155). — Der Versicherer ist also von Anfang an Vergütungsberechtigter und kann sein Interesse im Havariegrosse-Verfahren wahrnehmen. Anders natürlich im Falle einer Vergangenheitsversicherung, wenn der Havariegrosse-Fall vor dem Vertragsschluß eingetreten ist; der Vergütungsanspruch geht erst mit dem Vertragsschluß über. b) Der Vergütungsanspruch geht g a n z über. Also auch, soweit die Vergütung größer ist als die Entschädigung. Das kann, zumal bei der Güterversicherung, leicht der Fall sein. Wenn der Beitragswert 200000, der Versicherungswert 100000, der Wert der geworfenen Güter 80000, der darauf ruhende Beitrag 10000 beträgt, zahlt der Versicherer 40000 und erhält Vergütungsansprüche für 70000. So auch RPAssAvAdj: That an underwriter who has paid for loss by jettison of the thing insured is entitled, in the proportion that the sum insured bears to the policy value, to whatever is recovered in general average in respect of such loss, although the amount so recovered may exceed the amount paid by him. Das ist unbillig. Deshalb soll der Versicherer die Differenz z w i s c h e n Entschädigung und Vergütung plus Inkassokosten h e r a u s g e b e n (§ 31 Abs. 2 Satz 2). c) Der Vergütungsanspruch geht auf den Versicherer über, der den Aufopferungsschaden zu ersetzen hat, also auf den Kasko-, Güter- oder Frachtversicherer. Also nicht auf den G e w i n n - oder M e h r w e r t v e r s i c h e r e r . Soweit aber in dem Uberschuß der Vergütung über die Entschädigung imaginärer Gewinn, „Mehrwert drüben" oder gewöhnlicher Mehrwert enthalten ist, geht der Uberschußanspruch des Versicherungsnehmers gegen Kasko- oder Güterversicherer gemäß § 45 auf den Gewinnoder Mehrwertversicherer über (vgl. HGB §§ 860, 879 und dazu H G Z 1903. 155, 1904. 65: Der ganze Uberschuß komme dem Gewinnversicherer zugute). d) I m übrigen finden auf den Ubergang die § § 45, 46 entsprechende AnWendung. Natürlich; denn der Fall des § 31 Abs. 2 ist ein (nur in einzelnen Beziehungen besonders behandelter) Unterfall des § 45 (oben Anm. 9). e) W e n n d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r auch v e r g ü t u n g s p f l i c h t i g e G e g e g e n s t ä n d e , ζ. B. dem Kaskoversicherten auch Güter oder Fracht g e h ö r e n , können Vergütungsansprüche auf den Versicherer nicht übergehen. Zwar hat der Versicherungs-
§ 31 Anm. 7 Anm. 8
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§ 31 nehmer zum Schutze gegen Dritte ein Pfandrecht am eigenen Gegenstand (§ 29 Anm. 27). Aber er hat natürlich keinen Anspruch gegen sich selbst. Indessen sollen die Aufopferungen nach § 29 Abs. 2, selbst wenn ausschließlich Güter des Reeders verladen sind „im Sinne" der ADS als große Haverei angesehen werden; und diesem Sinne entspricht es, daß der Versicherer von der Entschädigung ohne weiteres abziehen kann, was zu vergüten wäre, wenn die vergütungspflichtigen Gegenstände dritten gehörten (so auch Montgomery ν. Ind. Mutual Mar. Ins. Co. 1902 bei A r n o u l d 976 s. 1004). Anm. 14 5. § 31 gilt auch für die Rückversicherung. Näheres: § 1 Anm. 136, § 29 Anm. 43. Anm. 15 6. Fremde Rechte: oben Anm. 5, 6, 10, 13, § 29 Anm. 44, 45. § 3 2 Aufwendungen (1) Dem Versicherer fallen zur Last: 1. die Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer bei dem Eintritte des Versicherungsfalls zur Abwendung oder Minderung des Schadens macht und den Umständen nach für geboten halten durfte; 2. die Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer bei dem Eintritte des Versicherungsfalls gemäß den Weisungen des Versicherers macht; 3. die Kosten, die durch die Ermittlung und Feststellung des dem Versicherer zur Last fallenden Schadens entstehen, soweit ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war. Jedoch hat der Versicherer die Kosten nicht zu erstatten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen, eines Beistandes oder eines sonstigen Beauftragten entstehen, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer nach dem Vertrage zu der Zuziehung verpflichtet war oder der Versicherer die Zuziehung verlangt hatte. (2) Die im Absatz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Aufwendungen fallen dem Versicherer auch dann zur Last, wenn sie erfolglos bleiben; der Versicherer hat den für die Aufwendungen erforderlichen Betrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen. Ist ein Teil des Versicherungswerts nicht versichert und ist streitig, ob die Befolgung der Weisungen des Versicherers zur Abwendung oder Minderung des Schadens geboten erscheint, so hat der Versicherer den Betrag der durch die Befolgung entstehenden Aufwendungen auch insoweit vorzuschießen, als die Aufwendungen dem Versicherungsnehmer zur Last fallen; der Versicherer ist verpflichtet, die ganzen gemäß seinen Weisungen gemachten Aufwendungen zu ersetzen, wenn er die Befolgung der Weisungen den Umständen nach nicht für geboten halten durfte und die Aufwendungen erfolglos geblieben sind. 1. Vgl. HGB §§ 834 Nr. 3 und 4, 893, ASVB §§ 66 Abs. 3 und 4, 69 Abs. 3, 84 Nr. 3, 130 Abs. 12 in der Fassung der Alte K R P und Alte KZP (Mat. 2. 104, 108), 153, BSVB § 53, VVG §§ 63, 66. Anm. 2 2. Literatur. E l b e r t z h ä g e n ZfVW 1919. 268 (Die Verteidigungskosten in der Haftpflichtversicherung). G e o r g i i LZ 1907. 538, 777, 883 (Aufopferung für fremde Interessen). J o s e f NeumannsZ 1916. 425 (Die Pflicht des Versicherers zum Ersatz von Rettungskosten). K i s c h WuRVers 1916. 268 (Die Pflicht des Versicherers zum Anm. 1
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Ersatz der Rettungskosten). K l e e - G o b e r t H R Z 1932. 409 (Kursklauseln im See- § 3 2 versicherungsrecht). K n o r z M i t t ö f F F V A 1904. 281 (Ersatz des Schadens an unversicherten Sachen). K r e u t z i g e r , Die Kommandobrücke 1964. 7 1 — 7 4 (Aufwendungen), V e r s R 1964. 995—1003 (Zur Seeuntüchtigkeit im Seeversicherungsrecht), V e r s R 1965. 4 0 7 — 4 1 1 (Zur Klassifizierung der Bergungskosten nach den A D S , Große Haverei oder Aufwendungen?). P o s s e l t NeumannsZ 1 9 1 7 . 31 (Die Pflicht des Versicherers zum Ersatz der Rettungskosten). P r ö l ß zu § 63 V V G . V o i g t N A f H R 3. 390 (Contributionspflicht des nur teilweise Versicherten zu den Aufwendungen für konservatorische Maßregeln). W e r n e b u r g AnnVers 1920. 1 , 9 (Zur Ersatzpflicht gemäß den §§ 62, 63 V V G ) . W o e s n e r Z f V W i960. 399 (Die Pflicht des Versicherers zum Ersatz der Aufwendungen des Versicherungsnehmers zwecks Abwendung und Minderung des Versicherungsschadens). — Weitere Literatur: § 5 Anm. 2, § 41 Anm. 2. 3. Der Versicherer trägt allemöglichen Gefahren. Aber er hat nicht allemöglichen A n m . 3 Schäden zu ersetzen. E r hat nur die Schäden zu ersetzen, die zu ersetzen Vertrag und vertragergänzendes Gesetz ihn verpflichten (§ 28 A n m . 10, 34). Z u diesen Schäden gehören die A u f w e n d u n g s s c h ä d e n des § 32. Sie bilden nicht (oder doch nicht notwendig: unten Anm. 8) den gewöhnlichen Versicherungsschaden, den Schaden am versicherten Interesse selbst. Aber sie sind auch Schäden (§ 28 A n m . 34, 36) und auch V e r s i c h e r u n g s s c h ä d e n i m w e i t e r e n S i n n e . Für diese Aufwendungsschäden und ihre Vergütung ist nur teilweise besonderes bestimmt. Die Feststellung des Schadens ist im allgemeinen nur für den gewöhnlichen Versicherungsschaden, und nicht einmal für jeden, sondern nur für gewisse Versicherungsschäden, vorgeschrieben (§§ 74, 91 Abs. 1, 92, 93). F ü r Versicherungsschaden haftet der Versicherer nur, wenn der Schaden 3 % des Versicherungswerts nicht erreicht; für Aufwendungsschaden gilt dies nicht (§ 34). F ü r Versicherungsschaden haftet der Versicherer im allgemeinen nur bis zur Höhe der Versicherungssumme; für Aufwendungsschaden haftet er darüber hinaus (§ 37) usw. Hieraus folgt, daß, wo Gesetz, Vertrag oder Bedingungen nicht (sei es für den Versicherungsschaden, sei es für den Aufwendungsschaden) besonderes bestimmen, alles, w a s f ü r d e n E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h des Versicherungsnehmers und die Entschädigungspflicht des Versicherers g i l t , sowohl für den Ersatz des Versicherungsschadens wie a u c h f ü r d e n E r s a t z d e s A u f w e n d u n g s s c h a d e n s gilt. Deshalb muß der Versicherungsnehmer, der Ersatz von Aufwendungen verlangt, den Aufwendungsschaden gemäß § 42 andienen, gemäß § 43 Auskunft erteilen und Belege beibringen, gemäß § 44 eine Schadensrechnung mitteilen, und kann Ersatz erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 44 Abs. 1 verlangen (abw. K i s c h W u R V e r s 1 9 1 6 . 291, 3 2 2 ; wie hier S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 1 zu § 32 A D S ) ; zum Uberfluß bezeichnet § 44 Abs. 2 die Schadensrechnung noch ausdrücklich als eine „Zusammenstellung der Beträge, die der Versicherer für die einzelnen Schäden und Aufwendungen zu entrichten h a t " . Deshalb stehen, wie „die Rechte aus dem V e r t r a g e " überhaupt, so auch der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen dem Versicherten und nicht dem Versicherungsnehmer zu, mag der eine oder der andere aufgewendet haben (abw. K i s c h W u R V e r s 1916. 290, 3 1 3 für den Fall, daß der Versicherungsnehmer vom Versicherten keinen Ersatz verlangen kann; der Versicherungsnehmer wird aber jedenfalls einen Kondiktionsanspruch haben; vgl. auch unten A n m . 1 1 ; nach P r ö l ß Anm. 5 zu § 63 V V G haben Versicherungsnehmer und Versicherter Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, s. für den Versicherten jedoch auch P r ö l ß A n m . 3 zu § 75 V V G ) . Deshalb geht der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz des Aufwendungsschadens gegen dritte gemäß §§45,46 auf den entschädigenden Versicherer über (wiederum abw. K i s c h W u R V e r s 1 9 1 6 . 292: Der Ersatzanspruch gehe „höchstens nach den einschlägigen
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Schadenabwendungs-Kosten usw.
§ 3 2 Bestimmungen des Bürgerlichen Rechtes über, wobei freilich die Anwendbarkeit des . . . § 426 BGB ebenso zweifelhaft sei, wie diejenige des § 255 BGB"). Deshalb haften Doppelversicherer für die Aufwendungen als Gesamtschuldner und gleichen untereinander gemäß § 10 Abs. 2 aus (ebenso K i s c h WuRVers ig 16. 319, 348, der aber § 10 Abs. 2 nur analog angewendet wissen will). Anm. 4 4. A b s . 1 N r . 1. Dem Versicherer fallen die Aufwendungen zur Last, die der Versicherungsnehmer beim Eintritt des Versicherungsfalls zur Abwendung oder Minderung des Schadens macht und den Umständen nach für erforderlich halten darf. — Die Ersatzpflicht des Versicherers ist die Kehrseite der Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers. O h n e die Ersatzpflicht würden die Interessen des Versicherers und des Versicherungsnehmers auseinandergehen. Die Ersatzpflicht verbindet sie. Die Ersatzpflicht reicht aber weiter als die Schadensabwendung-Pflicht. Der Versicherer m u ß auch solche Aufwendungen ersetzen, die der Versicherungsnehmer nicht zu machen brauchte, wenn er sie nur für geboten halten durfte (unten Anm. 19; anders auch wohl nicht § 834 Nr. 3 HGB, § 63 V V G , obwohl diese Vorschriften ausdrücklich auf die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers verweisen). Anm. 5 a) Dem Versicherer fallen die Aufwendungen zur Last. I m Falle der M i t v e r s i c h e r u n g jedem einzelnen zum verhältnismäßigen Teile (§ 8). I m Falle der D o p p e l v e r s i c h e r u n g sind die §§ 10, 11 anzuwenden (oben Anm. 3). Anm. 6 b) Dem Versicherer fallen die Aufwendungen zur Last. Aufwendungen sind V e r m ö g e n s o p f e r jeder Art (vgl. O L G H a m b u r g H G Z 1924 Nr. 82 = H R Z 1924. 495 = Sasse Nr. 319: Unter Aufwendungen sind alle vom Beauftragten zum Besten der aufgetragenen Geschäftsbesorgung gemachten Opfer an Vermögenswerten zu verstehen, wie nach bürgerlichem Recht, so auch nach den ADS, und zwar nicht nur unmittelbare Aufwendungen, wie Geldausgaben oder Übernahme von Verbindlichkeiten, sondern auch sonstige Einbußen an Werten und Rechten. Dahin gehört auch die Entwertung der Versicherungssumme infolge des Währungsverfalls). Also nicht nur Geldopfer. Auch Opfer an anderen Gegenständen oder die Übernahme von Verbindlichkeiten (RG 151. 99), ζ. B. die Verpflichtung zur Zahlung von Hilfslohn (Mat. 1. 179, H a n s O L G HansR G Z 1934 Β 395 = Sasse Nr. 431). Siehe aber Anm. 39 zu § 29 und unten Anm. 17, wenn es sich u m einen Fall der großen Haverei handelt. Ein Opfer ist auch die A r b e i t . Aber sie ist im allgemeinen kein Vermögensopfer; die Rechtssprache bezeichnet sie im allgemeinen nicht als Aufwendung (vgl. BGB § 670). Die Entlohnung des Versicherungsnehmers für persönliche Bemühungen u m die pflichtmäßige Abwendung oder Minderung des Schadens könnte schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Erfüllung vertraglicher Pflichten nicht besonders belohnt zu werden verdient ( H G Z 1892. 98). Soweit die persönlichen Bemühungen die Pflichtgrenze überschreiten, kann der Versicherungsnehmer nach § 354 H G B „Provision" verlangen, — freilich nur, wenn er im Auftrag oder als auftragloser Geschäftsführer des Versicherers tätig wird (s. dazu H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 68o = Sasse Nr. 432; vgl. auch P r ö l ß Anm. 2 zu § 63 V V G ) . I m übrigen wird er Vergütung verlangen können, wenn ihm infolge der Bemühungen anderweit Verdienst entgeht; denn die Einbuße von Verdienst ist nicht weniger Vermögensopfer, als die Ü b e r n a h m e einer Verbindlichkeit, und vielmehr deren Gegenstück (vgl. K i s c h WuRVers 1916. 277; abw. G e o r g i i LZ 1907. 883; vgl. auch P a l a n d t - G r a m m Anm. 2 zu § 670 BGB). a) Der Versicherungsnehmer kann also auch a n d e r e S a c h e n a l s G e l d zur Rettung „aufwenden". Der Kaskoversicherte ζ. B. unversicherte Ausrüstungsgegenstände oder auch ein anderes ihm gehörendes, unversichertes (oder bei einem anderen Versicherer versichertes) Schiff zur Bergung oder Hilfeleistung. Wenn das zu Hilfe entsandte Schiff verlorengeht oder beschädigt wird, hat der Ver-
Schadenabwendungs-Kosten usw.
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Sicherungsnehmer „aufgewendet" und kann Ersatz verlangen. Z w a r hat der Ver- § 32 Sicherungsnehmer den Schaden des unversicherten Gegenstandes nicht gewollt; aber der Schaden ist die adäquate Folge der Schadenabwendungs-Maßregel. Wenn das zu Hilfe entsandte Schiff unversehrt bleibt, kann der Versicherungsnehmer doch Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er für die Entlohnung der Schiffsbesatzung, für die Verwendung von Schiffsausrüstungs-Gegenständen aufgewendet hat, und ebenso Ersatz des Berge- oder Hilfslohns, den er der Schiffsbesatzung zahlen muß ( H G B §§ 743, 749); auch Ersatz des Verdienstentgangs, des Nutzungsverlustes. Dagegen kann er nicht auch Zahlung von Berge- oder Hilfslohn für sich selbst verlangen. Denn er hat insoweit nichts „aufgewendet". Insbesondere ist die bloße Gefährdung einer Sache natürlich noch keine Aufwendung. Daß der Reeder gemäß § 743 H G B Berge- oder Hilfslohn „beanspruchen" kann, ist zwar für das Verhältnis zu dritten von Bedeutung und deshalb vorgeschrieben. Für das Versicherungsverhältnis ist diese (bergungsrechtliche) Vorschrift ohne jede Bedeutung. Für das Versicherungsverhältnis ist nur von Bedeutung, ob der Versicherungsnehmer den ihm zufallenden Teil des Berge- oder Hilfslohns „ a u f gewendet" hat, und dies ist gewiß nicht der Fall ( H G Z 1892. 96; abw. K i s c h W u R V e r s 1 9 1 6 . 278, R G 32. 4, weil der Reeder an seinem geretteten Schiff ein Schiffsgläubigerrecht habe). Deshalb wird die Schwesterschiff-Klausel, die sistership clause vereinbart (näheres: § 29 Anm. 35). Übrigens ist der Kaskoversicherte nicht immer verpflichtet, zur Rettung des versicherten Schiffes ein anderes seiner Schiffe zu verwenden ( § 4 1 Anm. 10). Ist er es nicht und tut er es doch, so würde er gemäß § 354 H G B für die Verwendung Vergütung verlangen können (s. dazu H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 68o = Sasse Nr. 432). Aber diese Vergütung ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem auf ihn entfallenden Teil des Berge- oder Hilfslohns. — Ist das versicherte Schiff mit Ladung gerettet, so haftet der Versicherer gemäß §§ 2 9 — 3 1 (§ 29 Anm. 36). ß ) Der Versicherungsnehmer kann auch v o m v e r s i c h e r t e n G e g e n s t a n d Anm. 8 s e l b s t „ a u f w e n d e n " , der Reederkapitän ζ. B. den Mast oder die Trossen des versicherten Schiffes kappen, um das Schiff vor dem Untergang zu bewahren. So gewiß es sich in solchem Falle um R e t t u n g s a u f w a n d handelt, ebenso gewiß handelt es sich um V e r s i c h e r u n g s s c h a d e n . U n d ebenso gewiß ist, daß man im Versicherungsverkehr diesen Schaden nur als Versicherungsschaden, nicht als Aufwendungsschaden behandelt. Würde er als Aufwendungsschaden behandelt, so würde er nicht gemäß § 74 usw. festzustellen sein; der Versicherer würde nicht mit dem wirklichen oder taxierten Versicherungswert, sondern mit dem Wert zur Zeit der Aufwendung haften; der Versicherer würde über die Versicherungssumme hinaus haften; der Versicherer würde ζ. B., wenn T a x e und Versicherungssumme 100000, der wirkliche Versicherungswert dagegen 200000, der Gegenwartswert 300000 betragen würden, f ü r 300000 haften usw. V o n alledem kann keine R e d e sein ( H e c k 499). Deshalb bestimmt § 34, daß der Versicherer, der Schäden von weniger als 3 % des Versicherungswerts nicht zu ersetzen hat, gleichwohl (nicht nur für die Aufwendungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 , sondern auch) für Aufopferungen haftet, die 3 % des Versicherungswerts nicht erreichen. Deshalb ist nur bestimmt, daß der Versicherer für Havariegrosse-Beiträge im Verhältnis des Versicherungswerts zum (höheren) Beitragswert haftet (§ 30 Abs. 8), — nicht auch, daß der Versicherer für Aufopferungen des versicherten Gegenstandes im Verhältnis des Versicherungswerts zum (höheren) Gegenwartswert haftet. Deshalb bestimmt § 1 1 3 , daß der Versicherer, der nur „ F r e i von Beschädigung" haftet, gleichwohl für Aufopferungen haftet, die in einer Beschädigung bestehen. Deshalb bestimmt § 31 nicht, daß 34 R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
530 § 32
Schadenabwendungs-Kosten usw.
der Versicherer für Aufopferungen des versicherten Gegenstandes gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2, sondern daß er dafür wie für besondere Haverei haften soll; d a ß er hiernach (wie nach englischem Recht: M I A § 66 Abs. 4) für Aufopferungen des versicherten Gegenstandes nicht wie für Rettungsaufwand, sondern wie für gewöhnlichen Versicherungsschaden haften müsse, ist allen Beteiligten selbstverständlich erschienen (Mat. 1. 120). Deshalb bestimmt § 59 Satz 2, daß der Versicherer (ausnahmsweise) nicht für den Schaden haftet, der dadurch entsteht, daß „die T a u e oder Segel weggeschnitten oder die Anker, Ankertaue oder Ankerketten geschlippt oder gekappt werden müssen". — Der Versicherer kann auch nicht etwa einwenden, daß der Versicherungsnehmer den V e r s i c h e r u n g s f a l l v o r s ä t z l i c h h e r b e i g e f ü h r t habe (§ 33). Den Versicherungsfall bildet das Ereignis, das die Zufügung des Schadens als geboten erscheinen ließ. Diese Zufügung war die adäquate Folge des vom Versicherungsnehmer nicht herbeigeführten Versicherungsfalls (vgl. § 28 Anm. 21, R i t t e r LZ 1914. 361). Diese Folge war d a r u m nicht weniger adäquat, weil sie erst durch den Vorsatz des Versicherungsnehmers auszulösen war. Oder anders ausgedrückt: „Bei dem Eintritte des Versicherungsfalls" erfüllt oder verletzt der Versicherungsnehmer seine Schadenabwendungs-Pflicht, also nicht seine Schadenverhütungs-Pflicht (vgl. auch § 41 Anm. 11). Wollte man dies nicht gelten lassen, so müßte man anerkennen, d a ß das Verhalten des Versicherungsnehmers zwar den Kausalzusammenhang zwischen Gefahrereignis und Schaden unterbrochen hat, der Versicherer aber gleichwohl haftet, wenn ohne das Verhalten des Versicherungsnehmers die versicherte Sache denselben Schaden erlitten hätte, insbesondere im Beispielfall das Schiff untergegangen wäre (§ 28 Anm. 23). — Anders K i s c h WuRVers igi6. 335: Der Schaden sei lediglich als Rettungsaufwand zu behandeln. Denn er sei „weniger die Folge des Versicherungsfalls, als vielmehr die einer vorsätzlichen Einwirkung des Versicherungsnehmers". Die „vorsätzliche Einwirkung des Versicherungsnehmers" schließt aber nicht aus, d a ß der Schaden die „Folge des Versicherungsfalls" ist. K i s c h (aaO 336, 343) findet seine Auffassung dadurch bestätigt, daß der Versicherungsnehmer, der versicherte Sachen in großer Haverei aufgeopfert hat und vom Versicherer gemäß § 834 Nr. 1 H G B Ersatz des auf ihn selbst entfallenden Beitrags verlangt, sich „eben darauf berufe, daß er im Interesse seiner versicherten Sachen einen Teil derselben aufgeopfert habe". Mit Unrecht. Der Versicherungsnehmer beruft sich dem Havariegrosse-Verband gegenüber darauf, daß ein Teil seiner Sachen aufgeopfert sei, und erhält dort für diesen „Versicherungs "-Schaden eine Vergütung; dem Versicherer gegenüber beruft er sich darauf, daß er dem Havariegrosse-Verband eine Umlage, einen Havariegrosse-Beitrag hat leisten müssen und der Versicherer diesen Beitrag, diese Kosten ersetzen muß, — weshalb § 834 Nr. 3 HGB, wohl verständlicher Weise, an diese Kosten anschließt „die sonstigen zur Rettung . . . aufgewendeten Kosten". — Einen besonderen Fall der Aufopferung des versicherten Gegenstandes zur Schadensabwendung bildet der Fall des § 96 Abs. 2 ( = H G B § 877), — der Fall, daß die versicherten G ü t e r infolge eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls v e r k a u f t werden müssen (vgl. dazu R i t t e r L Z 1914. 361, R G 31. 131, H G Z 1893. 105). Der Versicherungsnehmer erhält den Unterschied zwischen Versicherungssumme und Erlös. Vom Ersatz nach den f ü r Rettungsaufwendungen geltenden Grundsätzen ist keine Rede. § 96 Abs. 2 ADS, § 877 H G B bestätigen also die Verkehrsauffassung, daß die Aufopferung versicherter Gegenstände als gewöhnlicher Versicherungsschaden zu behandeln ist. — Über den V e r k a u f d e s versicherten S c h i f f e s zur Minderung des Schadens: § 3 3 Anm. 40, § 4 1 Anm. 16.
Schadenabwendungs-Kosten usw.
531
γ) Den Aufopferungen des versicherten Gegenstandes stehen die S c h ä d e n des v e r s i c h e r t e n G e g e n s t a n d e s gleich, welche die, zwar ungewollte, aber adäquate Folge der Aufopferung sind, etwa der Schaden, der am Schiffskörper durch das Kappen des Mastes entsteht. Ebenso K i s c h WuRVers 1916. 338, der aber, folgerichtig, auch diesen Schaden nicht als Versicherungsschaden, sondern als Rettungsaufwand behandelt (vgl. oben Anm. 8). ·sicherungsfall nicht herbeiführen; er ist „verpflichtet", Schaden zu verhüten. Sie setzen es voraus und bestimmen nur die Folge der Pflichtverletzung. Gesetzestechnisch richtiger wäre gewesen, wie in §§ 23 Abs. 1, 41 Abs. 1, die Verpflichtung und, wie in §§ 24 Abs. 1, 41 Abs. 3, die Rechtsfolge ihrer Verletzung anzuordnen. Aus dieser Ungenauigkeit Schlüsse zu ziehen, hieße die Entstehungsgeschichte des § 33, den inneren Zusammenhang der §§ 23, 33, 41 und die Interessenlage mißachten. Anm. 8 a) Man hielt es früher für „eine in der Natur der Sache begründete Regel", daß der Versicherer für Schäden nicht hafte, die vom Versicherungsnehmer schuldhaft verursacht sind (Benecke 3. 196). Cette r£gle derive de premiers principes ( f i m e r i g o n ch. 12 s. 2). Man leitete sie aus allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes ab (so ß m e r i g o n aaO, der meint: C'est ici une r£gle generale ä laquelle il n'est pas permis de deroger par un pacte contraire: nulla pactione effici potest ne dolus praestetur). Oder aus dem angeblichen Grundsatz des Versicherungsrechts, daß der Versicherer nur „alle . . . bedachte und unbedachte Zufälle trägt" (AHO 1731 V 1, § 28 Anm. 8). Die Eierschalen dieser (heute ziemlich allgemein als unrichtig erkannten) Anschauungsweise sind am Gesetz haften geblieben. So erklärt es sich, daß das HGB (zwar die Gefahrstandspflicht und die Schadenabwendungs-Pflicht in dem Titel behandelt, der „Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage" überschrieben ist, aber) die Schadenverhütungs-Pflicht in dem „Umfang der Gefahr" überschriebenen
Schadensverhütung
549
Titel behandelt u n d die Grundsätze ü b e r d e n U m f a n g der Gefahr „ m i t d e m E i n w a n d eigenen Verschuldens verquickt" ( H G Z 1920. 290). So erklärt es sich, d a ß Gesetz u n d A D S die Schadenverhütungs-Pflicht als „eine in der N a t u r der Sache b e g r ü n d e t e R e g e l " betrachten, sie deshalb nicht besonders aussprechen u n d sich darauf beschränken, n u r die Rechtsfolgen ihrer Verletzung z u bestimmen. Hierauf wird es auch zurückz u f ü h r e n sein, d a ß V V G u n d A D S sich bei der Bestimmung dieser Verletzungsfolge eines offenbaren Fehlgriffs schuldig g e m a c h t h a b e n . Sie bestimmen, d a ß „ d e r Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei" sein soll, wenn der Versicherungsn e h m e r die Schadenverhütungs-Pflicht verletzt. Das ist die Ausdrucksweise, deren Gesetz u n d A D S sich sonst in der Regel bedienen, wenn der Versicherer ü b e r h a u p t frei sein soll (vgl. ζ. B. §§ 17, 20, 24 usw.). Gemeint ist etwas anderes, n ä m l i c h : d a ß d e r Versicherer (nur) f ü r den d u r c h d e n Versicherungsfall verursachten Schaden nicht haften soll (wie g e m ä ß § 4 1 Abs. 3). U n d hieraus erklärt sich auch wieder, w a r u m der U r h e b e r des H G B geglaubt hat, den Gegenstand unter d e m Titel „ U m f a n g der G e f a h r " b e h a n d e l n zu sollen (weshalb a u c h die von R o e l l i 194, S o m m e r 20 aus diesem U m stand gezogenen Schlußfolgerungen irrig sind). b) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die Gefahr nicht zu ä n d e r n , insbesondere nicht zu erhöhen (§ 23 A n m . 14), u n d verpflichtet, im Versicherungsfall Schaden a b z u w e n d e n u n d zu m i n d e r n ( § 4 1 A n m . 5). Es w ä r e schwer verständlich, w e n n er nicht auch z w i s c h e n d u r c h v e r p f l i c h t e t , wenn er nicht auch verpflichtet sein sollte, den Eintritt des Versicherungsfalls zu verhindern (wenn er nicht „ z u sorgfältiger Behandlung des Risikos verpflichtet" w ä r e : M o l t 39, R G 123. 320 = H a n s R G Z 1929 Β 227 = H R R 1929 Nr. 1358 = J R P V 1929. 1 1 9 = J W 1929. 2146). c) Den berechtigten I n t e r e s s e n sowohl des Versicherungsnehmers wie des Versicherers entspricht die Auffassung, d a ß der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, die Nebenpflicht h a t , den Versicherungsfall nicht herbeizuführen, u n d widerspricht insbesondere die (herrschende) Auffassung, d a ß die gehörige Schadensverhütung „Voraussetzung" des Entschädigungsanspruchs sei. „Voraussetzungen" müssen bewiesen werd e n ; der Versicherungsnehmer, der Entschädigung verlangt, m ü ß t e beweisen, d a ß er alles getan u n d nichts unterlassen hat, was zur Schadensverhütung erforderlich war, — eine f ü r ihn unerträgliche Lage. Andererseits b r a u c h t e er das Verhalten dritter ü b e r h a u p t nicht zu vertreten, wohl auch gar das des Versicherten nicht, — eine f ü r d e n Versicherer unerträgliche Lage. Mit den „ R e c h t e n u n d Pflichten aus d e m Versicherungsverhältnis" geht die Schadenverhütungs-Pflicht des Versicherungsnehmers auf d e n Erwerber der versicherten Sache n u r über, wenn sie eine „ P f l i c h t " , nicht, wenn sie irgendetwas anderes ist ( § 4 9 Abs. 1). d) Gleichwohl hält die h e r r s c h e n d e A n s i c h t in der Binnenversicherung (insbesondere die Rechtsprechung des R G u n d des BGH, vgl. R G 83. 43, 117. 327, 135. 370, J R 1941. 137 = D R 1941. 1706, B G H Z 11. 120, 42. 295, VersR 1964. 475, 1965. 325 = BB 1965. 307, siehe auch O L G Celle VersR 1955. 169; ferner M ö l l e r , Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers f ü r das Verhalten Dritter 68, u n d in B r u c k - M ö l l e r A n m . 32 zu § 6 V V G , P r ö l ß A n m . 1 zu § 61 V V G [15. Aufl., anders frühere Aufl.]) den Versicherungsnehmer n i c h t f ü r verpflichtet, den Schaden zu verhüten (dagegen ζ. B. B r o d m a n n J e h J 58. 273, G e r h a r d 287, R i t t e r L Z 1914. 354, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu § 33 ADS, J . v. G i e r k e V S R I I i s o f . , 203, jedenfalls für die Seeversicherung a u c h E n g e VersR 1965. 308, O L G H a m b u r g J R 1936 Z. 13, H a n s O L G H a n s R G Z 1940 Β 266 = J R P V 1940. 127 = Sasse Nr. 452, H a n s O L G H a m b u r g VersR 1955. 501). e) F ü r die A D S beseitigt § 33 Abs. 3 j e d e n Zweifel, d a ß m a n im Verkehr d e n Versicherungsnehmer f ü r verpflichtet hält, Schaden zu verhüten, d a ß diese Anschauung
§ 33
Anm.
Anm.
Anm.
Anm.
550 § 33
Schadensverhütung
a u c h die Interessentenkreise geleitet h a t , w e l c h e die A D S g e s c h a f f e n h a b e n , u n d d a ß d e m n a c h a u c h d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r g e m ä ß § 33 A b s . 1 v e r p f l i c h t e t ist, S c h a d e n zu verhüten
(so a u c h S c h l e g e l b e r g e r
SVR
Bern. 1 z u § 33 A D S ,
Enge
VersR
1965. 308). D e n n § 33 A b s . 3 will, d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r das V e r s c h u l d e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g als solcher n i c h t z u v e r t r e t e n b r a u c h t , also e i n sonstiges V e r s c h u l d e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g g e g e b e n e n f a l l s v e r t r e t e n soll, s c h l i e ß t sich d a m i t a n § 278 B G B , w o n a c h d e r „ S c h u l d n e r " das V e r s c h u l d e n v o n P e r s o n e n , d e r e n er sich z u r E r f ü l l u n g seiner „ V e r b i n d l i c h k e i t " b e d i e n t , v e r t r e t e n m u ß , a n u n d stellt d a m i t a u s d r ü c k l i c h d i e ADS
a u f d e n B o d e n d e r A u f f a s s u n g , d a ß die S c h a d e n v e r h ü t u n g s - P f l i c h t d i e
„Ver-
b i n d l i c h k e i t " eines „ S c h u l d n e r s " ist (vgl. h i e r z u a u c h V o r b . v o r § 1 A n m . 66 u n d u n t e n A n m . 14). — A b e r a u c h § 33 A b s . 2 A D S ( =
§ 821 N r . 5 H G B ) b e s t ä t i g t diese
A u f f a s s u n g . D e r G ü t e r v e r s i c h e r t e m u ß d a n a c h g e g e n sich g e l t e n lassen, w a s A b l a d e r u n d E m p f ä n g e r „ i n dieser E i g e n s c h a f t " v e r s c h u l d e n . D e n n A b l a d e r u n d
Empfänger
sind „ s o l c h e S t e l l v e r t r e t e r " des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s , d e r e n V e r h a l t e n dieser g e g e n sich g e l t e n lassen m u ß , „ S t e l l v e r t r e t e r "
v o n solcher B e d e u t u n g ,
daß man
sie, des
Beispiels h a l b e r (das m a n als solches freilich h ä t t e k e n n t l i c h m a c h e n sollen), besonders h e r v o r g e h o b e n h a t (Prot. 3230), Personen, d e r e n sich d e r G ü t e r v e r s i c h e r t e bei d e r E r f ü l l u n g d e r S c h a d e n v e r h ü t u n g s - P f l i c h t u s w . b e d i e n t , w e n n sie „ i n ihrer E i g e n s c h a f t " als A b l a d e r o d e r E m p f ä n g e r t ä t i g w e r d e n . D e m g e g e n ü b e r ist o h n e B e d e u t u n g ,
daß
§ 33 A b s . 2 d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r a u c h b e i solchen, a u f die G ü t e r sich b e z i e h e n d e n , V e r s i c h e r u n g e n f ü r A b l a d e r u n d E m p f ä n g e r einstehen l ä ß t , bei d e n e n diese k e i n e E r f ü l l u n g s g e h i l f e n des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s sind. D e n n § 33 A b s . 2 ist i n s o w e i t folgew i d r i g u n d rein p o s i t i v ; i r g e n d w e l c h e Schlüsse d a r a u s z u z i e h e n , w ä r e e b e n s o u n b e r e c h t i g t , w i e w e n n m a n aus d e m U m s t a n d Schlüsse z i e h e n w o l l t e , d a ß n a c h § 33 A b s . 3 „ d e r Versicherungsnehmer
(in j e d e m F a l l e ) das V e r h a l t e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g als
solcher n i c h t z u v e r t r e t e n h a t " , o b g l e i c h d o c h n a c h a l l g e m e i n e n G r u n d s ä t z e n
von
s o l c h e r V e r t r e t u n g ü b e r h a u p t n u r in g a n z b e s c h r ä n k t e m U m f a n g die R e d e sein k a n n . A n m . 13
5. D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist v e r p f l i c h t e t , d e n V e r s i c h e r u n g s f a l l n i c h t h e r b e i zuführen, Schaden zu verhüten. a) Uber d e n B e g r i f f des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s :
§ 3 A n m . 4. —
Uber d e n F a l l ,
d a ß m e h r e r e V e r s i c h e r u n g s n e h m e r beteiligt s i n d : V o r b . V I v o r § 1. H a b e n insbes o n d e r e M i t e i g e n t ü m e r d i e S a c h e g e m e i n s c h a f t l i c h versichert, so ist j e d e r
einzelne
v e r p f l i c h t e t . V e r l e t z t einer die S c h a d e n v e r h ü t u n g s - P f l i c h t , so s c h a d e t es n i c h t
ohne
w e i t e r e s a u c h d e n a n d e r e n ( V o r b . v o r § 1 A n m . 54, § 23 A n m . 20, § 41 A n m . 4, V o i g t 426, H G Z 1897. 6 7 ; f ü r e i n e n F a l l d e r G e f a h r ä n d e r u n g : R O H G 4. 8 4 ; W e s t p o r t C o a l C o . v . M c P h a i l 1898 b e i C h a l m e r s 7 8 : w h e r e a ship is lost t h r o u g h the b a r r a t r y o f the m a s t e r , w h o is a p a r t o w n e r , t h e c o - o w n e r s a r e entitled to r e c o v e r ) . A n m . 14
b) D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r
m u ß d a s V e r s c h u l d e n seines g e s e t z l i c h e n
Ver-
t r e t e r s g e g e n sich g e l t e n lassen ( B G B § 2 7 8 ; o b e n A n m . 7, V o r b . V I I I v o r § 1). E r h a f t e t a b e r a u c h i n d e n G r e n z e n seiner V e r a n t w o r t l i c h k e i t f ü r sein eigenes V e r h a l t e n ( V o r b . v o r § 1 A n m . 6 1 ) . — B e d i e n t sich d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r z u r E r f ü l l u n g seiner S c h a d e n v e r h ü t u n g s - P f l i c h t eines d r i t t e n , so m u ß er das V e r s c h u l d e n des d r i t t e n v e r t r e t e n ( B G B § 2 7 8 ; o b e n A n m . 7 f f . , V o r b . V I I I v o r § 1). F ü r d i e S e e v e r s i c h e r u n g h a t d e n n a u c h v o n j e h e r als u n e r s c h ü t t e r t e r G r u n d s a t z g e g o l t e n , d a ß d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r das V e r s c h u l d e n solcher d r i t t e n v e r t r e t e n m u ß , d a ß (wie m a n sich a u s d r ü c k t e ) „ d e r V e r s i c h e r t e f ü r d i e H a n d l u n g e n u n d U n t e r l a s s u n g e n d e s j e n i g e n , w e l c h e n er f ü r d a s v o r l i e g e n d e R e c h t s v e r h ä l t n i s z u m V e r t r e t e r bestellt h a t , v e r a n t w o r t l i c h " ist, d a ß i h m „ s e l b s t v e r s t ä n d l i c h ein V e r s c h u l d e n seines Stellvertreters s c h a d e t " , d a ß „ e s sich v o n selbst versteht, d a ß u n z w e i f e l h a f t e V e r t r e t e r des V e r s i c h e r t e n d i e s e m d u r c h i h r V e r s c h u l d e n p r ä j u d i z i e r e n " (Prot. 3230,
Brodmann
195, L e o
ig2,
Sieveking
107,
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U l r i c h ZfVW 1901. 290, Voigt 413, 461, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 33 § 3 3 ADS, ROHG 17. 348, 18. 285, RG 9. 121, RG HGZ 1893. 190, 1910. 35, HGZ 1893. 14, 1897. 118, 1904. 34, HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck HH 541. 639), daß „ein Schaden, welcher durch eigenes Verschulden des Versicherten oder seiner Vertreter entstanden ist, von dem Versicherer nicht vergütet wird" (BSVB § 56). Eben deshalb änderte man den PreußE, der im Art. 631 den Versicherer nur von dem Schaden befreite, der durch das „eigene" Verschulden des Versicherten entsteht (Prot. 3230). Eben deshalb wurden alle Anträge zum Ε i g i o abgelehnt, die den Versicherer nur befreit wissen wollten, wenn der Versicherungsnehmer „persönlich" oder „selbst" den Versicherungsfall herbeiführt (Mat. 1. 134, 135). Für die Binnenversicherung wurde und wird vielfach dasselbe angenommen; vgl. P r ö l ß Anm. 2 zu § 61 VVG, F u l d AssJB 30.3, G e r h a r d 286, H i n n e b e r g 53, W e r n e b e r g AssJB 37.77, 39/40.44, Wolff 437, RG 37. 149, 51. 20, J W 1903. 251, Gruchot 47. 991, RG HGZ 1910, 35, OLG Hamburg Rspr 11. 40 und SA 45 Nr. 269, OLG Rostock SA 54 Nr. 107; auch G i e r k e LZ 190g. 738, der aber § 254 BGB und erst durch ihn § 278 BGB anwenden will (zustimmend U l r i c h 72; R i t t e r hat seine Zustimmung ArchBürgR 35. 212 in der 1. Aufl. dieses Kommentars zurückgenommen); auch G e r h a r d J W 1919. 740: Der Versicherungsnehmer müsse das Verhalten eines „Bevollmächtigten oder Repräsentanten" vertreten, und, wenn er „gewisse Pflichten" übernommen habe, „wäre es möglich, den § 278 anzuwenden". Anders für das Binnenversicherungsrecht die h. M., insbesondere das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof, die bei Herbeiführung des Versicherungsfalles nur für Repräsentanten haften lassen wollen. Siehe im einzelnen Vorbem. vor § 1 Anm. 63. c) P e r s o n e n , d e r e n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r sich „zur Erfüllung seiner Anm. 15 Verbindlichkeit", Versicherungsschaden zu verhüten, b e d i e n t , sind Personen, durch die der Versicherungsnehmer tun läßt, was im allgemeinen der Interessent selbst zu tun pflegt, Personen, die m i t der E r f ü l l u n g eben der S c h a d e n v e r h ü t u n g s P f l i c h t b e t r a u t sind (vgl. auch HansOLG HRR 1936 Nr. 886 = J R P V 1936 Ziff. 13 = Sasse Nr. 439). Sei es, daß sie a l l g e m e i n beauftragt sind, die (oder a u c h die) mit der Versicherung zusammenhängenden Angelegenheiten oder einzelne von ihnen zu erledigen, und damit für die Erfüllung der aus der Versicherung sich ergebenden Obliegenheiten an die Stelle des Versicherungsnehmers gesetzt sind (als „Repräsentanten", „Ersatzleute", „Platzhalter", „Stellvertreter"), — sei es, daß sie b e s o n d e r s damit beauftragt sind (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 62, § 19 Anm. 11, § 23 Anm. 23; ähnlich übrigens schon Voigt NAfHR 4. 173: „Selbstverständlich müßten hierbei dem Versicherten dessen allgemeine Vertreter und die von ihm speziell beauftragten Personen gleichgestellt werden"). Im einzelnen hat über den Kreis der Personen, deren der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht „sich bedient", deren Verhalten er vertreten muß, natürlich immer Zweifel bestanden. Nach dem Guidon de la mer 5. 11 les Assureurs ne repondent pas de la negligence du Commissionaire de l'Assure, mit der bezeichnenden Begründung, parce que le Commissionaire reprisente le Commettant, lequel doit s'imputer d'avoir fait un mauvaix chaux. Nach Ord. de la mar. 3. VI 27 haftete der Versicherer nicht für Schaden, verursacht par le fait ou la faute des assures. V a l i n 2. 77 fügt hinzu: ou de leurs preposes, agens, ou facteurs, und hält sogar eine Klausel, die den Versicherer verpflichtet, für ungültig: une teile clause en effet, seroit absurde, illusoire et frauduleuse! Ähnlich Pohls 4. 314: Der Versicherer komme nicht „für die Versehen solcher Leute auf, die mit dem Versicherten eine Person bildeten; dahin gehörten seine Commissionaire, Factoren, und alle, die in seinem Auftrag handelten". Die Versehen der S c h i f f s b e s a t z u n g nahmen die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch. Nach Ord. de la mar. 3. VI. 28 waren Schäden, die par la faute des maitres et
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§ 33 mariniers verursacht waren, nicht zu Lasten des Versicherers. Die Entwicklung führte in Deutschland schließlich zum entgegengesetzten Ergebnis: Nach § 820 Abs. 2 H G B „trägt der Versicherer insbesondere die Gefahr der Unredlichkeit oder des Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung". — Für die ADS m u ß die richtige Auslegung und Anwendung des § 278 BGB in Verbindung mit § 33 Abs. 3 ADS überall zu angemessenen Ergebnissen führen. Der Versicherungsnehmer hat nicht das Verschulden aller „seiner Leute" oder auch nur (wie der Frachtführer nach § 431 HGB) das Verschulden aller derjenigen zu vertreten, die in seinem Auftrag oder mit seiner Zustimmung die O b h u t der versicherten Sache haben oder in seinem Auftrag oder mit seiner Zustimmung sich sonstwie mit der versicherten Sache zu schaffen machen. Der Versicherer haftet natürlich, wenn der Hausknecht des Versicherungsnehmers bei der Ausladung der versicherten Kiste Manufakturwaren sorglos verfährt und die Güter infolgedessen durch Wasser beschädigt werden ( O G Hamburg, O A G Lübeck N A f H R 3. 473), oder wenn Müllerburschen in der feuerversicherten Mühle heimlich rauchen und dadurch ein Brand entsteht (vgl. V o g e l OestZ 1920. 54), oder wenn Arbeiter der feuerversicherten Holzbearbeitungs-Fabrik die Feuerverhütungs-Vorschriften verletzen und ein Brand entsteht ( R O H G 10. 208), oder wenn Dienstboten einen Feuerschaden am feuerversicherten Hausrat herbeiführen (LG H a m b u r g Z f V W 1914. 277), oder wenn der Kellner, u m die versicherte, vereiste Glasscheibe aufzutauen, ihr einen Gasofen zu nahe bringt und die Scheibe „ k n a x t " (LG Breslau Gerhards Praxis 2. 201; ähnlich O L G Breslau J W 1919. 740), oder wenn die feuerversicherte Dreschmaschine durch einen Brand zerstört wird, der durch das Verschulden der die Maschine reinigenden Arbeiter verursacht ist (vgl. R G 37. 149), oder wenn der Kahnschiffer schuldhaft den K a h n sich auf einen Pfahl setzen läßt und die versicherte Reisladung dadurch beschädigt wird (vgl. R G 83. 43, H G Z 1913, 65), oder wenn der Kapitän des bodmereigelder-versicherten Schiffes den Untergang des Schiffes herbeiführt (vgl. H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck H H 386), oder wenn der Wächter, der nach dem Versicherungsvertrag die einbruchversicherten R ä u m e nachts bewachen soll, seine Pflicht verletzt (RG 102. 215), oder wenn der Bauunternehmer beim Bau der Kaimauer des Versicherungsnehmers ein Versehen gemacht hat, der K a h n mit den versicherten Gütern sich auf einen stehengebliebenen Pfahl setzt und die Güter beschädigt werden ( H G Z 1913. 65), oder wenn der Kapitän die versicherten Güter im Nothafen ohne Not verkauft ( H G u. O G H a m b u r g H G Z 1873. 391, 1874.169, Ullrich Nr. 64). Der Gedanke, daß der Arbeiter, der Hausknecht, der Müllerbursche, der Dienstbote usw. Personen sind, deren der Versicherungsnehmer sich bei Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht bedient, ist absurd. Unrichtig ist deshalb der in BGHZ 11. 120 (123) enthaltene Satz, daß die Anwendung des § 278 BGB im Falle des § 61 V V G zu einer H a f t u n g des Versicherungsnehmers für jede untergeordnete Hilfsperson führen würde. Insoweit ist aber auch der oft ausgesprochene Gedanke richtig (wenngleich juristisch wertlos), d a ß die Versicherung gerade gegen das Verhalten dritter schützen solle. Vgl. hierzu z.B. R G 83. 44: „Die Gefahr . . . bestehe . . . auch darin, daß die Angestellten des Versicherungsnehmers, die mit irgendeiner auf die versicherten Güter bezüglichen Tätigkeit betraut würden, schuldhafter Weise ihre Beschädigung verursachen könnten; wäre diese Gefahr in der Versicherung nicht eingeschlossen, so würde der Versicherungsnehmer allen Anlaß haben, sich hiergegen noch durch eine besondere Versicherung zu decken, was unmöglich die Meinung gewesen sein könne" (offenbar beeinflußt von B r o d m a n n J e h J 58. 275; folgend: O L G Breslau J W 1919, 740), oder R G 102. 114: „ Z u m Wesen einer Kaskoversicherung ( ? ) . . . gehöre, daß der Versicherungsnehmer nicht zum wenigsten auch gegen solche Schäden gedeckt sei, die durch Verschulden seiner Schiffsmannschaft verursacht seien"; vgl. auch J o s e f LZ 1907. 485 und anderswo, oder auch BGHZ 11. 120 (123) „. . . würde damit aber der
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Versicherungsschutz in einer Weise eingeschränkt werden, der mit dem Zweck der V e r - § 3 3 Sicherung nicht mehr verträglich ist". Anders, wenn dem dritten obliegt, was im allgemeinen v o m Versicherungsnehmer selbst erwartet wird (vgl. auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu § 33 A D S ) . W e n n der Versicherungsnehmer die feuerversicherte Dreschmaschine einem anderen zur Benutzung in dessen Betrieb überläßt, sich also der eigenen Sorge für die versicherte Sache vollständig entschlägt und von einer Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht nur noch auf Seiten des anderen die R e d e sein kann, m u ß er das Verschulden des anderen vertreten ( R G 37. 149). W e n n die versicherte Fabrik die Maschine mit Eigentumsvorbehalt und ohne Gefahrübergang verkauft, m u ß sie das Verschulden des Käufers vertreten ( R G 37. 149). W e n n der Versicherungsnehmer seinen feuerversicherten Betrieb durch einen anderen (einen Inspektor) verwalten Iäßt, muß er dessen Verschulden vertreten ( J W 1903. 251). Die feuerversicherte Ehefrau m u ß das Verschulden ihres Mannes und Verwalters gegen sich gelten lassen ( O L G Rostock Z f V W 1902. go). W e n n der Ehemann der Eigentümerin des versicherten Schiffes das Schiff wegsetzt, muß die Versicherungsnehmerin dies vertreten ( H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β ηοη = Sasse Nr. 434, H G Z 1911. 167); das wird (meint H G Z 1 9 1 1 . 167) „ v o n der K l ä g e r i n selbst offenbar nicht bezweifelt". Wenn, umgekehrt, die Ehefrau die O b h u t der versicherten Sachen des Mannes hat, m u ß dieser natürlich auch das Verhalten der Frau vertreten ( R G 51. 22, w o das Verhalten der Frau dem M a n n e nur deshalb nicht zugerechnet wird, weil dieser sich seiner Frau nur wie einer gewöhnlichen Handlungsgehilfin bedient hatte). W e n n ein Angestellter des haftpflichtversicherten Nachtwachunternehmens, dem die Leitung des Wachdienstes obliegt, die Wächter den Wachdienst versäumen läßt und der Versicherungsnehmer infolgedessen haftpflichtig wird, m u ß der Versicherungsnehmer das Verhalten des Angestellten vertreten ( R G 101. 402; freilich nicht ein Fall des § 33, sondern ein Fall des § 23: § 23 A n m . 21). D a ß der Versicherungsnehmer im Falle einer Seeversicherung von Musterkoffern es vertreten muß, wenn „ d e r Reisende . . . durch sein Verhalten . . . den Schaden schuldhaft verursacht oder wenigstens mitverursacht h a t " , gilt dem O L G H a m b u r g ( L Z 1911. 324) als selbstverständlich. Deshalb unrichtig R G 83. 44: W e n n der „ V i c e " des Güterversicherten dem Kahnschiffer schuldhaft eine ungeeignete Liegestelle anweist, brauche der Güterversicherte dies nicht zu vertreten (zustimmend J o s e f N e u m a n n s Z 1914. 394; anders die Vorentscheidung H G Z 1913. 67, die mit R e c h t untersucht, ob den V i c e n ein Verschulden trifft, und dies verneint). Unrichtig auch O L G Stuttgart A P V 1913 II 92: Der K ä u f e r eines mit Eigentumsvorbehalt verkauften Kraftwagens läßt den W a g e n vorsätzlich oder fahrlässig verbrennen; der Versicherer des Verkäufers hafte gleichwohl (vgl. dazu auch § 1 A n m . 10). Bedenklich oder doch mißverständlich auch R G 84. 4 1 4 : H a b e der Verkäufer das versicherte Grundstück d e m K ä u f e r übergeben, aber noch nicht aufgelassen, so „bleibe es seine Sache, durch A b k o m m e n mit den unmittelbaren Besitzern oder durch Weisungen an diese dafür Sorge z u tragen, d a ß die betreffenden (Schadenverhütungs-) Verpflichtungen, sei es durch ihn persönlich, sei es durch Beauftragte erfüllt würden; das Versicherungsverhältnis werde durch solche V o r g ä n g e nicht beeinflußt". Richtig dagegen in der einen, wie in der anderen Beziehung R O H G 10. 208: In der feuerversicherten Holzbearbeitungs-Fabrik werden von den Arbeitern die Feuerverhütungs-Vorschriften nicht beachtet. Hierdurch entsteht ein Brand. Der Versicherer wendet ein, der Versicherte habe das Verschulden der Arbeiter z u vertreten. K G verurteilt. Die Nichtigkeitsbeschwerde rügte, das K G habe gegen den Grundsatz verstoßen, wonach „ d e r Prinzipal für die verbotswidrigen Gewohnheiten seines Personals hafte . . . Der Angriff sei grundlos. Der Appell-Richter negiere keineswegs, d a ß unter Umständen der Prinzipal wegen Verstoßes seiner Arbeiter wider die Versicherungsbedingungen den Versicherungsanspruch verwirke (vgl. M a l s s
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§ 3 3 Z H R 13. 56, G o l d s c h m i d t Z H R 16. 380). Nur halte er dafür, daß nicht j e d e r Verstoß i r g e n d e i n e s F a b r i k a r b e i t e r s diese Folge nach sich ziehe, daß unstatthafte Handlungen der Arbeiter n i c h t s c h o n a n u n d f ü r s i c h als vertretbares Versehen des Prinzipals erschienen". Richtig auch im Ergebnis BGHZ 11. 121: Der Versicherer wird nicht frei, wenn der beim Versicherungsnehmer beschäftigte Arbeiter den Lastkraftwagen durch grobe Fahrlässigkeit die Böschung herunterfahren läßt. Vgl. auch unten Anm. 34 if. Anm. 16 d) I m Falle einer V e r s i c h e r u n g f ü r f r e m d e R e c h n u n g darf weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherte den Versicherungsfall herbeiführen (so auch HansOLG H R R 1936 Nr. 886 = J R P V 1936 Ziff. 13 = Sasse Nr. 439, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 33 ADS). Näheres § 23 Anm. 25, § 52 Anm. Anm. 17 e) Wird die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so wird der E r w e r b e r verpflichtet, den Schaden zu verhüten (HGZ 1904. 262, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 2 zu § 33 ADS). Denn er tritt nach § 49 Abs. 1 in die „Pflichten" des Versicherungsnehmers ein, und die Schadenverhütungs-Pflicht ist eine „Pflicht", eine Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers (oben Anm. 7). Der V e r ä u ß e r e r ist nicht mehr verpflichtet ( R o e l l i 208); der Erwerber hat sein Verhalten nur wie dasjenige sonstiger dritter zu vertreten (oben Anm. 14). — I m Falle bloßer A b t r e t u n g der noch bedingten Entschädigungsforderung bleibt nur der Versicherungsnehmer verpflichtet. Der Versicherer kann aber dem Zessionar einwenden, daß dieser wider Treu und Glauben den Versicherungsfall herbeigeführt hat (vgl. BGB § 162 Abs. 2, ADS § 49 Anm.), gegebenenfalls auch, daß er auf Grund des auf ihn übergehenden Schadenersatz - Anspruchs des Versicherungsnehmers Rückerstattung der von ihm gezahlten Entschädigung würde verlangen können (exceptio doli generalis). Anm. 18 6. Der Versicherungsnehmer darf den Versicherungsfall nicht herbeiführen,— den Fall der Versicherung, das Gefahrereignis, das Schaden verursachen und den Versicherer zur Entschädigung verpflichten würde, wenn er nicht gemäß § 33 frei wäre (oben Anm. 5). — Er ist verpflichtet. Die Verpflichtung ist keine bloße Unterlassungspflicht, — so wenig, wie etwa die Gefahrstandspflicht eine bloße Unterlassungspflicht ist (§ 23 Anm. 16). Der Versicherungsnehmer ist auch zu p o s i t i v e n Handlungen verpflichtet, nämlich auch verpflichtet, vorzukehren, was nach dem ausgesprochenen oder unausgesprochenen Willen der Parteien (BGB § 133) oder nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (BGB § 157) oder nach der besonderen Vertragstreue (ADS § 13) vorgekehrt werden muß, damit der Versicherungsfall nicht eintritt. Das versteht sich von selbst, wenn man die Schadenverhütungs-Pflicht des Versicherungsnehmers anerkennt. Anders, wenn man die Schadenverhütungs-Pflicht des Versicherungsnehmers leugnet. „ D a der Versicherungsvertrag . . . keine Verpflichtung begründe, gegenüber dem Versicherungsobjekte ein schuldvolles Verhalten zu vermeiden . . ., bestehe auch keine Pflicht zu präventivem Handeln", — meint R o e l l i 219. Der Versicherungsnehmer kann die Hände in den Schoß legen und ruhig zusehen, wie ein anderer, vielleicht gar ein Angestellter oder Angehöriger, die versicherte Sache in Brand steckt. Das ist natürlich unmöglich ( E h r e n b e r g 420, K i s c h H R Z 1922. 169, W e r n e b u r g AssJB 37. 74, R G 88. 315, L G Hamburg H G Z 1892. 301). Aber es ist nicht leicht, das unmögliche Ergebnis zu vermeiden, wenn man die Schadenverhütungs-Pflicht des Versicherungsnehmers leugnet (vgl. ζ. B. die Versuche von K i s c h H R Z 1922. 169). Was der Versicherungsnehmer i m e i n z e l n e n zu tun, zu lassen hat, ist Tatfrage. Von dieser Frage ist jedenfalls die der Verantwortlichkeit zu trennen, die Frage, ob den Versicherungsnehmer ein Verschulden trifft oder nicht. Das ist nicht immer geschehen. So insbesondere nicht bei der Aufstellung des angeblichen Grundsatzes, der Versicherungsnehmer müsse und dürfe sich so verhalten, „wie es einem ordentlichen
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( K a u f m a n n , insbesondere einem ordentlichen) Reeder, auch w e n n e r n i c h t v e r - 8 3 3 s i c h e r t sei, rätlich erscheinen würde" ( H G Z 1902. 302, 3 0 4 ; vgl. ferner R O H G 17. 192, 24. 395, R G 32. 1 3 , 60. 149, 88. 3 1 5 , H G Z 1892. 97, H G H a m b u r g Seebohm 693, L e w i s 2. 359, V o i g t 359, 4 2 0 und schon P o h l s 4. 280, auch P r o t . 4425, teilweise für die Schadenabwendungs-Pflicht; dagegen E h r e n b e r g 4 3 7 , G e r h a r d 292, H a g e n 1. 6 4 1 , R e a t z Hdbch. 434, S i e v e k i n g 85, E n g e V e r s R 1965. 308, M E 1 1 2 , R O H G 18. 2 8 5 : „ E i n e Regel, die Versicherer müßten jedes Verhalten der Versicherten und deren Vertreter gelten lassen, wenn dieselben dabei von dem Standpunkt „Nicht-Versicherter" aus richtig gehandelt haben sollten, gebe es n i c h t " ; vorsichtiger B S V B § 5 3 : D e r Versicherungsnehmer müsse „unter allen Umständen so handeln, wie er tun würde, wenn er nicht versichert wäre und j e d e Ermäßigung an Kosten und Schaden ihm selbst gewonnen und erspart würde", a b e r : „unbeschadet der aus den Bedingungen der Versicherung entspringenden besonderen R e c h t e und Pflichten"). Der angebliche Grundsatz ist ausländischen Ursprungs. Die englisch-amerikanische Rechtsprechung geht bei der Frage, ob der Versicherungsnehmer den Schadensfall als Fall des constructive total loss behandeln darf, vom Standpunkt des p r u d e n t u n i n s u r e d o w n e r aus (vgl. ζ. Β. C h a l m e r s 83fr.). Allgemeine Bedeutung hat die Prudent-uninsured-owner Theorie nicht. So auch nicht in Deutschland für die Frage, wie sich der Versicherungsnehmer zu verhalten hat, u m den Schaden zu verhüten. Ist nur gemeint, daß der Versicherungsnehmer die verkehrsmäßige Sorgfalt nicht außer Acht lassen darf, so versteht sich der angebliche Grundsatz von selbst. Soll damit mehr gesagt sein, so ist er unrichtig. D e m Versicherungsnehmer ist durch den Versicherungsvertrag eine besondere Verbindlichkeit auferlegt, die erfüllt sein will (vgl. oben A n m . 7). E r kann sich nicht darauf berufen, d a ß die Unterlassung einer zur Schadensverhütung erforderlichen Maßregel in seinem Interesse gelegen habe (vgl. auch § 4 1 A n m . 10). Zu welchen Fehlschlüssen der Prudentuninsured-owner-Grundsatz verleiten kann, lehrt H G Z 1884. 85 (in einem Schadenabwendungs-Falle): D e r Reederkapitän hatte ohne Grund mit der Mannschaft das lecke Schiff verlassen. Seeamt und Oberseeamt hatten ihm deswegen das Patent entzogen. Der Kaskoversicherer wurde gleichwohl zur Zahlung der Versicherungssumme für das inzwischen total verlorengegangene Schiff verurteilt. „ D e r M a ß s t a b " , den die Seeämter an das Verhalten des Kapitäns anlegen müßten, sei nicht entscheidend. „ D i e Stellung des Schiffers als Versicherten seinem Versicherer gegenüber sei eine andere; wie der Versicherte seinem Versicherer gegenüber zum Prästieren einer besonderen Diligenz überhaupt nicht verbunden sei, so könne ihm auch vom Versicherer als Verschulden nicht zugerechnet werden, daß er an Einsicht, M u t und Opferwilligkeit hinter dem Durchschnitt seiner Berufsgenossen zurückstehe, wenn nur anzunehmen sei, daß er für sein und damit auch seines Versicherers Interesse so gesorgt habe, als wäre er nicht vers i c h e r t " ! Hiergegen mit R e c h t V o i g t 4 2 0 und R G H G Z 1884. 2 5 1 , welches das Urteil aufhob; H G Z 1885. 6 1 sprach aber darauf, revisionssicher, den K a p i t ä n von j e d e m V e r schulden los. 7. Die bloße Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht, die bloße Herbeiführung Anm. 19 des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer hat keine besonderen privatrechtlichen Folgen. Anders, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall v o r s ä t z l i c h o d e r f a h r l ä s s i g herbeiführt. a) V o r s a t z erfordert nach der einen Ansicht die Vorstellung vom notwendigen oder doch wahrscheinlichen Eintritt des Erfolgs, nach der anderen Ansicht den Willen zum Erfolg, also hier z u m Gefahrereignis (vgl. K o m m . z. B G B § 276). Die Willenstheorie verdient den Vorzug. Was m a n sich „vorsetzt", will man, stellt man sich nicht nur als möglich oder wahrscheinlich vor. Der Wille braucht aber nicht nur oder in erster Linie auf den Erfolg gerichtet zu sein; es genügt, daß er in erster Linie auf einen
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§ 33 anderen Erfolg gerichtet ist, aber das Bewußtsein besteht, daß auch dieser Erfolg eintreten wird (vgl. RG 57. 241, 58. 216). Insbesondere ist ohne Bedeutung, daß in erster Linie ein sittlich gebilligter oder gar gebotener Erfolg gewollt ist; namentlich wird ein menschlich gebotenes Verhalten dem Versicherungsnehmer nur gemäß § 24 Abs. 2, nicht auch hier nachgesehen ( G e o r g i i LZ 1907. 538, 777, 883, J o s e f Z f V W 1913.237, R i t t e r LZ 1914.360, R o e l l i 218; abw. B a u c h w i t z Z f V W 1912. 663, H a g e n 1. 635, S c h n e i d e r OestRev 1907. 107). Der Wille braucht nur auf den Erfolg, hier das Gefahrereignis, nicht auf den Schaden gerichtet zu sein. Der Versicherungsnehmer braucht den Erfolg nicht als rechtsverletzenden gewollt, sich seiner Eigenschaft als eines rechtsverletzenden, der Eigenschaft des Falles als eines Versicherungsfalles, der Sache als einer versicherten nicht bewußt gewesen zu sein ( G e r h a r d 369, J o e s e f LZ 1911. 767, L e n n e 133, S t o l l e 56; abw. S c h n e i d e r ZfVW 1905. 260). M a g sonst der Begriff des Vorsatzes voraussetzen, daß der Täter sich wenigstens der Tatbestandsmerkmale der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewußt ist, so kann doch hiervon im Zweifel keine Rede sein, wenn Gesetz oder Vertrag an die an und für sich nicht rechtswidrige Selbstbeschädigung Rechtsfolgen knüpfen (vgl. insbesondere den Fall des § 254 BGB). Deshalb ist auch ohne Bedeutung, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall etwa im Notstand herbeigeführt hat (vgl. BGB § 228). Einen Fall vorsätzlicher Versenkung behandelt OLG Hamburg APV 1935. 36 = HansRGZ 1934 Β 707: Haftung für den Ehemann und Vertreter, Beweis des ersten Anscheins. F a h r l ä s s i g k e i t ist Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (BGB § 276 Abs. 1 Satz 2), insbesondere Außerachtlassung kaufmännischer Sorgfalt, wenn das Geschäft für den Versicherungsnehmer ein Handelsgeschäft ist (HGB § 347 Abs. 1). Die Verkehrssitte, wie sie für diese Verhältnisse und diese Personenkreise besteht, ist maßgebend (vgl. HGZ 1892.301: § 23 Anm. 11). Auf die besonderen Verhältnisse, Anlagen, Fähigkeiten gerade dieses Versicherungsnehmers kommt es nicht an (näheres: Komm. z. BGB § 276). Wohl aber ist zu berücksichtigen, daß der Versicherungsnehmer „Treu und Glauben im höchsten Maße zu betätigen hat" ( § 1 3 ; vgl. LZ 1907. 599, § 13 Anm. 6). — Erfüllt das Verhalten des Versicherungsnehmers eine sittliche Pflicht, so kann es nicht fahrlässig sein (LZ 1907. 914), wohl aber vorsätzlich (vgl. oben). — Vgl. wegen einzelner Fahrlässigkeitsfälle OLG Kiel HansRGZ 1936 Β 2go: Reiseantritt von Stralsund nach Holstein mit nicht gehörig ausgerüstetem Fischkutter (Fehlen von Kompaßlampen und vermindert gebrauchsfähigem Ruderdraht), OLG Hamburg HansRGZ 1932 Β 433: unzureichende Sorge für Schwimmfähigkeit durch Nichtbeseitigung eingedrungenen Wassers aus einer vertäuten und eingefrorenen Schwimm-Ramme im Hafen. Siehe auch KG J R P V 1928. 141: Betrauung eines mehrfach wegen Diebstahls, Unterschlagung, Körperverletzung, Betteins usw. Bestraften mit der Bewachung eines Fischkutters in Abwesenheit der Eigentümer, wenn der Beauftragte den Kutter vorsätzlich in Brand steckt (s. dazu H a g e n S V R 37f.). Anm. 20 b) Der Versicherungsnehmer darf den Versicherungsfall nicht schuldhaft herbeiführen. Sonst „ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung f r e i " . Das ist ungenau (oben Anm. 8). Der Versicherer ist nicht frei (wie in den Fällen der §§ 17, 20, 24 usw.). Er haftet, wenn ein anderer Versicherungsfall eintritt, den der Versicherer nicht schuldhaft herbeigeführt hat. Gemeint ist, was § 130 V V G bestimmt: „Der Versicherer h a f t e t n i c h t für den Schaden, der von dem Versicherungsnehmer vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wird" (so auch § 33 Abs. 2). Übrigens ist auch diese Bestimmung ungenau; sie müßte lauten: „Der Versicherer haftet nicht für den Schaden, der durch den vom Versicherungsnehmer vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfall verursacht wird" (vgl. oben Anm. 5, auch § 41
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Abs. 3). — Ü b e r den ursächlichen Zusammenhang: § 28 Anm. 17 ff., oben Anm. 5, 6. —· § 3 3 H a t der Versicherer gezahlt, obgleich er nicht haftet, so kann er kondizieren ( B G B §§ 8 1 2 f f . ; näheres: § 20 Anm. 5). — Die Herbeiführung des Versicherungsfalls kann natürlich auch eine Änderung der Gefahr bilden. Dann findet neben § 33 auch § 24 Anwendung. c) Schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht verpflichtet im allgemeinen den A n m . Schuldner zum S c h a d e n s e r s a t z ( B G B § 276). Das gilt auch für den Versicherungsnehmer, der schuldhaft die Schadenverhütungs-Pflicht verletzt. H a t ζ. B. der Auswanderungsunternehmer f ü r Rechnung der Auswanderer Versicherung genommen, und zwar derart, daß die versicherten Auswanderer sich Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers, insbesondere die Einwendung der verletzten Schadenverhütungs-Pflicht, nicht gefallen zu lassen brauchen, so kann der Versicherer, der den Auswanderern zahlen muß, vom Versicherungsnehmer Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft den Versicherungsfall herbeigeführt hat (näheres: § 1 Anm. 105). Ebenso etwa, wenn der Gemeinschuldner den Versicherungsfall herbeigeführt hat und der Konkursverwalter das Verhalten des Gemeinschuldners nicht zu vertreten braucht (Vorb. vor § 1 A n m . 6 1 ) . Ist aber der Versicherer gemäß § 33 Abs. 1 frei, so hat es dabei sein Bewenden (vgl. auch § 20 Anm. 40, § 24 Anm. 10, § 41 A n m . 32). D i e b e s o n d e r e R e g e l des § 33 g e h t nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der allgemeinen Regel des § 276 B G B v o r . Der Versicherer kann also ζ. B. nicht Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch entstanden ist, daß er erfolglos erhebliche Aufwendungen zur Abbringung des infolge grober Fahrlässigkeit des versicherten Reederkapitäns gestrandeten Schiffes gemacht hat. Nur Schadenersatz-Pflicht aus unerlaubter Handlung könnte in Betracht kommen. Ferner Schadenersatz-Pflicht wegen verletzter Benachrichtigungspflicht (§ 40) oder verletzter Auskunftspflicht (§ 43). I m Falle erfolgreicher Aufwendung auch ein Kondiktionsanspruch (vgl. auch § 32 A n m . 1 1 ) . d) B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß beweisen, daß die Schadenverhütungs-Pflicht A n m . v e r l e t z t , der Versicherungsfall durch das Verhalten des Versicherungsnehmers herbeigeführt ist, und daß und wieweit der S c h a d e n durch diesen Versicherungsfall v e r u r s a c h t ist (ζ. B. H G Z 1899. 14, H a n s O L G H a n s R G Z 1932 Β 19 = Sasse Nr. 4 1 9 , H a g e n S V R 35). Denn die gehörigen Schadenverhütungs-Maßregeln bilden keine „Voraussetzung" oder „ B e d i n g u n g " des Entschädigungsanspruchs (oben Anm. 4fr.). Allerdings muß der Schuldner im allgemeinen beweisen, daß er erfüllt hat. Aber nur, wenn er aus der Erfüllung Ansprüche oder Einwendungen herleitet. Davon ist hier nicht die Rede. Der Versicherer kann insbesondere nicht die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags erheben und deswegen und gemäß § 320 B G B die Entschädigung verweigern. Ist die Schadenverhütungs-Pflicht verletzt und dadurch der Versicherungsfall und der Schaden herbeigeführt, so ist die Schadenverhütungs-Pflicht nicht mehr zu erfüllen. Vgl. auch § 20 Anm. 4, § 24 A n m . 32, § 41 A n m . 30. — Hat der Versicherer bewiesen, daß die Schadenverhütungs-Pflicht verletzt ist, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß ihn k e i n V e r s c h u l d e n trifft (vgl. B G B § 282, auch § 3 Anm. 24, § 1 5 Anm. 15). — Diese Verteilung der Beweislast ist nicht immer deutlich erkannt. Aber sie entspricht (nicht nur allgemeinen Rechtsgrundsätzen, sondern auch) der Interessenlage. M a n nimmt deshalb zwar an, daß der Versicherer nicht nur die Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht, sondern auch das Verschulden des Versicherungsnehmers beweisen müsse ( £ m e r i g o n ch. 12 s. 2 § 4, B e n e c k e 3. 200). Aber man fügt hinzu, daß der Beweis als geführt anzusehen sei, wenn „ n u r die Möglichkeit bestehen bleibe, daß der Schaden im Fall der Erfüllung" der Schadenverhütungs-Pflicht nicht entstanden wäre (vgl. H G Z i8g8. 268 für einen Schadenabwendungs-Fall). So auch schon fimerigon ch. 12 s. 2 § 3. Dagegen mit Recht P o h l s 4. 3 1 4 . Für solche
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§ 3 3 Verteilung der Beweislast fehlt jede Rechtsgrundlage. Vgl. auch § 41 Anm. 30; ungenau: § 23 Anm. 19 Zeile 9.
Anm. 23
8. Abs. 1 Satz 2. Ausnahme: Nautisches Verschulden hat der Versicherungsnehmer nur dann zu vertreten, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
z u r L a s t f ä l l t . Und zwar in jedem Falle einer Seeversicherung; insbesondere auch im Falle der Güterversicherung. Und nicht nur bei Erfüllung der SchadenverhütungsPflicht, sondern auch bei Erfüllung der Gefahrstandspflicht (§ 23 Anm. 19) und der Schadenabwendungs-Pflicht (§ 41 Anm. 29). a) N a u t i s c h e s V e r s c h u l d e n ist, nach der Begriffsbestimmung der ADS, f e h l e r h a f t e F ü h r u n g des S c h i f f e s . Dieser Ausdruck entstammt dem § 4 Abs. 2 Satz 2 BSchG. Diese Vorschrift wiederum verdankt ihre Entstehung der R T K z. BSchG. Nach dem Entwurf des BSchG sollte der Schiffseigner für Schiffsschulden nicht unbeschränkt, sondern nur mit Schiff und Fracht haften, — unbeschränkt nur im Falle eigenen Verschuldens (vgl. BSchG § 4 Abs. 1 u. 2 Satz 1). Hiernach würde der Schiffseigner insbesondere dann nur beschränkt gehaftet haben, wenn sein Schiffsführer in A u s f ü h r u n g s e i n e r D i e n s t v e r r i c h t u n g e n schuldhaft einem Dritten Schaden zugefügt haben würde (vgl. BSchG §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 3), — dagegen unbeschränkt, wenn er selbst das Schiff geführt und durch sein eigenes schuldhaftes Verhalten Schaden verursacht haben würde. D i e s erschien unbillig. In d i e s e r Beziehung meinte man den Schiffseigner, der sein Schiff selbst führt, mit dem Schiffsführer, der es führen läßt, gleichstellen zu sollen (vgl. auch HansOLG H R R 1936 Nr. 886 = J R P V 1936 Ziff. 13 = Sasse Nr. 439). D e s h a l b ist auf Anregung der R T K im § 4 Abs. 2 Satz 2 BSchG bestimmt, daß der Schiffseigner, der das Schiff selbst führt, f ü r d e n d u r c h f e h l e r h a f t e F ü h r u n g des S c h i f f e s e n t s t a n d e n e n S c h a d e n nur beschränkt haftet, es sei denn, daß ihm bösliche Handlungsweise zur Last fällt. Der vom Schiffseigner verursachte Schaden ist also durch fehlerhafte Führung des Schiffes entstanden, wenn er, durch einen Schiffer verursacht, in A u s f ü h r u n g d e r d e m S c h i f f e r o b l i e g e n d e n D i e n s t v e r r i c h t u n g e n zugefügt sein würde. Zu diesen Dienstverrichtungen gehört insbesondere die Sorge des Schiffers für die Fahrtüchtigkeit, die gehörige E i n r i c h t u n g und A u s r ü s t u n g , B e m a n n u n g und V e r p r o v i a n t i e r u n g des Schiffes, für die Tüchtigkeit der L a d e - u n d L ö s c h g e r ä t s c h a f t e n und für die gehörige S t a u u n g (BSchG § 8; vgl. H G B §§ 513, 5 1 4 ; doch ist Übernahme, Stauung, Verwahrung und Ablieferung der Güter in § 33 Abs. 1 Satz 2 2. Teil ausgenommen). Verletzt der Schiffseigner, der sein Schiff selbst führt, diese so umgrenzte Sorgepflicht, so haftet er nur beschränkt. Nur wenn damit auch eine dem Schiffseigner als solchem obliegende Pflicht (ζ. B. die gewissen Personen gegenüber bestehende Gewährpflicht zur Stellung eines fahrtüchtigen Schiffes) verletzt sein würde, würde er, gleich dem Schiffseigner, der sein Schiff führen läßt, unbeschränkt haften. Hieran haben § 130 V V G und § 821 Nr. 4 H G B angeknüpft. Nach diesen Vorschriften soll der Versicherer den vom Versicherungsnehmer oder Versicherten durch f e h l e r h a f t e F ü h r u n g des S c h i f f e s verursachten Schaden ersetzen, es sei denn, daß dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherten bösliche Handlungsweise zur Last fällt. Hieraus folgt, daß d e r v o m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r in s e i n e r E i g e n s c h a f t als S c h i f f s f ü h r e r (und lediglich in dieser Eigenschaft) v e r u r s a c h t e S c h a d e n n a c h § 130 V V G , § 821 Nr. 4 H G B vom Versicherer nur dann nicht zu ersetzen ist, wenn dem Versicherungsnehmer bösliche Handlungsweise zur Last fällt ( R i t t e r Z f V W 1914. 56). Der Begriff des nautischen Verschuldens und der fehlerhaften Führung des Schiffes oder (um die in diesem Zusammenhang unwesentlichen Merkmale des Schuld- und Fehlerhaften wegzulassen) des nautischen Verhaltens oder der Schiffsführung wurde von der herrschenden Ansicht im Zeitpunkt des Erscheinens der 1. Aufl. dieses Kommentars
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anders bestimmt. Sie stellte dem nautischen Verhalten das a d m i n i s t r a t i v e gegenüber § 3 3 und bestimmt diese beiden „Funktionen" des Schiffsführers im Anschluß an V o i g t 4 1 2 so: „ D e r eine ( n a u t i s c h e ) Teil der Funktionen des Schiffers umfasse die Funktionen, welche sich auf die auszuführende Seefahrt beziehen. Inbetreff desjenigen, was während derselben an nautischen Maßregeln zu beschließen und zum Teil von dem Schiffsführer selbst, zum Teil von den unter seiner Oberleitung stehenden Schiffsangestellten auszurichten sei, habe derselbe eine selbständige Stellung, in welcher alles seinem sachkundigen Ermessen und seiner Gewissenhaftigkeit deshalb überlassen sei und bleiben müsse, weil sein Prinzipal, der Reeder, weder befähigt noch in der L a g e sei, eine Einwirkung auf des Schiffers Verfügungen ausüben zu können. Den anderen ( a d m i n i s t r a t i v e n ) Teil der Funktionen des Schiffers bildeten alle Leistungen, welche außer der Seefahrt für den Zweck der Seeunternehmung zu erfüllen seien. Dahin gehöre sowohl alles, was auf die V o r b e r e i t u n g d e r R e i s e und Erledigung der S c h i f f s a n g e l e g e n h e i t e n a m B e s t i m m u n g s o r t e sich beziehe, als auch dasjenige, was in Fällen einer U n t e r b r e c h u n g oder S t ö r u n g d e r R e i s e f ü r den Zweck der F o r t s e t z u n g derselben, unter außerordentlichen Umständen sogar f ü r deren vorzeitige Beendigung, zur Ausführung zu bringen sei. Die Unterscheidung der beiden Funktionen bestimme sich n a c h d e m O r t , der Z e i t und den s o n s t i g e n U m s t ä n d e n der von dem Schiffsführer zu leistenden Tätigkeit, n i c h t danach, ob er allgemeinen Z w e c k m ä ß i g k e i t s erwägungen zu folgen oder t e c h n i s c h e Kenntnisse zur Anwendung zu bringen habe, wie dies letztere ζ. B. bei der A u s r ü s t u n g des Schiffes, der S t a u u n g , der Schätzung der Tragfähigkeit des Schiffes u. dgl. erforderlich sei." Diese Begriffsbestimmung, durch keinerlei Gründe oder auch nur Scheingründe gestützt, lediglich auf dem Ansehen eines einzelnen Schriftstellers beruhend, w a r unverändert in Rechtslehre und Rechtsprechung übergegangen, aber unhaltbar. Vgl. R i t t e r Z f V W 1 9 1 4 . 44. Siehe auch unten Anm. 37 ff. Seit dem Erscheinen der 1. Aufl. dieses Kommentars ist die Übernahme des Brüsseler Konnossementsabkommens von 1924 (sog. Haager Regeln) in das deutsche Sechandcisrecht erfolgt. Sie hat ihren Niederschlag insbesondere auch in der jetzigen Fassung des § 607 Abs. 2 H G B gefunden, wo es heißt: „ I s t der Schaden durch ein Verhalten bei der Führung oder der sonstigen Bedienung des Schiffes (oder durch Feuer) entstanden, so hat der Verfrachter nur sein eigenes Verschulden zu vertreten. Z u r Bedienung gehören nicht solche Maßnahmen, die überwiegend im Interesse der Ladung getroffen werden." Danach ist zu unterscheiden zwischen dem sog. nautischen Verschulden im engeren Sinne ( E n g e V e r s R 1965. 3 1 1 = Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe Α Heft 10 S. 1 0 schlägt dafür die Bezeichnung „navigatorisches Verschulden" vor), dem technischen Verschulden und dem sog. kommerziellen Verschulden. Z u r „ F ü h r u n g des Schiffes", dem sog. „nautischen Verschulden" (im engeren Sinne) gehört allein (vgl. S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 10 zu § 607 H G B , W ü s t e n d ö r f e r S H R 2 7 1 , G r a m m Seefrachtrecht A n m . Β i 1 zu § 607) das navigatorische Verhalten bezüglich der Fortbewegung des Schiffes, ζ. B. Steuern eines unrichtigen Kurses infolge fahrlässiger Verwechselung zweier Leuchtfeuer und infolgedessen ein Stranden des Schiffes, fahrlässige Nichthinzuziehung eines Lotsen, Nichtbeachtung der äußersten Vorsicht bei Ungewißheit über den eigenen Standort, Verstöße gegen das Seestraßenrecht überhaupt, fehlerhafte Navigation oder andere Maßnahmen, die ausschließlich im Interesse der Schiffsführung erfolgen. Die „sonstige Bedienung des Schiffes" (management of the ship) ist die technische Handhabung des Schiffes, soweit sie außerhalb der nautischen Führung im engeren Sinne, der Ladungsfürsorge und der anfänglichen Seeuntüchtigkeit des Schiffes (vgl. dazu § 559 H G B ) liegt. In Betracht kommen insbesondere die Bedienung der Schiffsmaschinen, der sonstigen (nicht vorwiegend für die Ladung)
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§ 3 3 bestimmten Geräte und Apparate, auch die Füllung der Ballasttanks oder von Bunkern, die Treibstoffe für die Schiffsmaschinen aufnehmen sollen. Die Abgrenzung macht Schwierigkeiten in bezug auf den Begriff des sog. kommerziellen Verschuldens, d. h. Maßn a h m e n im überwiegenden oder ausschließlichen Interesse der Ladung. Die in § 606 H G B genannten, auf die Ladung bezüglichen Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen der Ein- und Ausladung, Stauung, Behandlung unterwegs sind in aller Regel M a ß n a h m e n im überwiegenden Interesse der Ladung (vgl. S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 15 zu § 607 HGB). Die mangelhafte Stauung insbesondere gehört auch dann hierher, wenn sie mittelbar dem Interesse des Schiffes durch Verringerung seiner Stabilität abträglich ist, sogar dann, wenn sie das Schiff nachträglich seeuntüchtig macht und sein Kentern zur Folge hat ( W ü s t e n d ö r f e r Studien I 503 und S H R 273). Siehe die weiteren Angaben bei S c h a p s - A b r a h a m II Anm. 15—19 zu § 607 HGB. Die Begriffsbestimmung des § 607 Abs. 2 H G B ist insoweit für § 33 verwertbar, als der in § 33 gebrauchte Ausdruck „fehlerhafte Führung (nautisches Verschulden)" nicht nur im Sinne eines nautischen Verschuldens (im engeren Sinne) des § 607 Abs. 2 H G B zu verstehen ist. Es ist auch die technische H a n d h a b u n g des Schiffes einzubeziehen (so auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern 4 zu § 33 ADS; anders E n g e VersR 1965. 3 1 1 = Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe Α Heft 10 S. 12, dem allerdings bezüglich der engeren Auslegung f ü r die D T V - Kollisionsklausel f ü r die Hochseefischerei ,,§ 78 Abs. 1 ADS findet entsprechende Anwendung auf jeden Schaden, den der Versicherte erleidet, daß er außer im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen den einem Dritten infolge nautischen Verschuldens irgendwelcher Art entstandenen Schaden zu ersetzen h a t " zuzustimmen ist. Vgl. dazu auch Anm. 4 zu § 78). Der Unterschied zu § 607 Abs. 2 H G B liegt aber darin, daß diese Vorschrift das Verhalten der Schiffsbesatzung betrifft (ohne Rücksicht darauf, ob auch der Verfrachter etwa als Eigenschiffer zu ihr gehört, während § 33 sich nur auf den Fall bezieht, daß der Versicherungsnehmer oder Versicherte das Schiff selbst führt (so a u c h H a n s O L G H R R 1936 Nr. 886 = J R P V 1936 Ziff. 13 = Sasse Nr. 439). Abgesehen von der in § 58 besonders geregelten anfänglichen Seeuntüchtigkeit und dem in § 33 Abs. 1 Satz 2 2. Teil aufgenommenen Verschulden in Ansehung der Übernahme, Stauung, Verwahrung oder Ablieferung des Gutes (dem sog. „kommerziellen Verschulden" i. S. des § 607 Abs. 2 HGB) umfaßt deshalb die „fehlerhafte F ü h r u n g " in § 33 alles, was in den Tätigkeitsbereich des Schiffers (wenn es nicht der Reederschiffer wäre) während der Reise fällt. S c h l e g e l b e r g e r Bern. 4 zu § 33 ADS meint, § 33 Abs. 1 Satz 2 gelte auch für selbständige Anordnungen eines Seelotsen. Das trifft nur zu, soweit der Reederschiffer solche ohne eigene grobe Fahrlässigkeit zulassen durfte. Der Lotse selbst fällt unter Abs. 3 oder ist doch in seinem Sinne der Schiffsbesatzung gleich zu behandeln (anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Bem.8 zu § 33 ADS). Anm. 24 b) Nach § 130 V V G , § 821 Nr. 4 H G B haftet der Versicherer bei nautischem Verschulden des Versicherungsnehmers nur dann nicht, wenn diesem (Vorsatz oder) B ö s w i l l i g k e i t zur Last fällt. Der Begriff der Böswilligkeit wird u. a. auch im BSchG §§ 4> 74> 75> FlößG § 4 verwendet. Böswilligkeit ist der Frevelmut, der sich der möglichen Folgen seines rechts- oder pflichtwidrigen Verhaltens bewußt ist, mithin eine Disposition, die zwischen (bösem) Vorsatz und grober Fahrlässigkeit etwa die Mitte hält. •— Nach § 33 ADS haftet der Versicherer bei nautischem Verschulden des Versicherungsnehmers auch dann nicht, wenn diesem g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t zur Last fällt. Grobe Fahrlässigkeit ist besonders schwere Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, ganz besondere Sorglosigkeit, ein Verstoß gegen das Sorgfaltsgebot, das für einen Durchschnittsangehörigen des einschlägigen Verkehrskreises auf der H a n d liegt (OLG Karlsruhe VersR 1958. 226). Für die ADS kommt die besondere Treupflicht
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des § 13 hinzu. Denn sie bestimmt mit, was als „ganz besonders sorglos" anzusehen ist (§ 13 A n m . 55 LZ '907· 599)· c) B e w e i s l a s t . Der Versicherer hat zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall herbeigeführt hat, der Versicherungsnehmer, daß es sich um nautisches Verschulden handelt und daß ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht zur Last fällt (oben Anm. 22). d) A u s n a h m e von Abs. 1 Satz 2: Ü b e r n a h m e , Stauung, V e r w a h r u n g und A b l i e f e r u n g der Güter gehören regelmäßig nicht zu den nautischen Aufgaben des Schiffsführers, also zur Führung des Schiffes (oben Anm. 23, unten Anm. 39, 41). Das Verschulden des Versicherungsnehmers „in Ansehung der Übernahme, Stauung, Verwahrung oder Ablieferung der Güter" soll also in Übereinstimmung mit § 607 Abs. 2 HGB weder als nautisches noch als technisches Verschulden angesehen werden. Ü b e r n a h m e . Das Gesetz gebraucht für die Änderung des Gewahrsams der Güter verschiedene Ausdrücke mit teilweise verschiedener Bedeutung: Einladung, Verladung, Einnahme, Annahme, Übernahme (vgl. insbesondere HGB §§ 556fr.). Übernahme ist die der körperlichen Übergabe entsprechende körperliche Entgegennahme für die Seeunternehmung, insbesondere die Übernahme von Frachtgütern zur Beförderung, entsprechend der Annahme des § 606 H G B (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 19 zu § 6 0 6 HGB). S t a u u n g . Sie ist recht eigentlich Sache des Kapitäns als solchen (HGB § 514 Abs. 1), dem die letzte Verantwortung zukommt, auch wenn sie heute regelmäßig von berufsmäßigen Stauern besorgt wird. Auch die Stauung von Ballast gehört hierher. Die Stauung fällt zwar regelmäßig unter das kommerzielle Verhalten des Schiffsführers. Geht sie in mangelhafte Beladung über, so gehörtsie auch zur technischen Handhabung des Schiffes und fallt insoweit nicht unter die Ausnahme, unter die auch die Einnahme von zu wenig Ballast (HGB § 514 Abs. 2) nicht fällt. Die Garnierung gehört zur Stauung (vgl. auch § 58 Anm.). Siehe R G 120. 39 = H R R 1928 Nr. 1136 = J R P V 1928. 72 = J W 1928. 1731 und O L G Kiel H R Z 1927. 263 = APV 1927. 280, daß ein Schaden, der dadurch verursacht ist, daß das Schiff infolge nicht gehöriger Beladung nicht seetüchtig war, zu Lasten des Versicherungsnehmers geht, weil er unter § 58 fällt. Vgl. auch unten Anm. 38. V e r w a h r u n g . Die gehörige Verwahrung der Güter während der Reise ist gleichfalls recht eigentlich Sache des Kapitäns als solchen (so HGB § 535 im Interesse der Ladungsbeteiligten). A b l i e f e r u n g ist die körperliche Übergabe nach Beendigung der Beförderung mit Zustimmung des Empfangsberechtigten (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 20 zu § 606 HGB). Aber auch jede andere Übergabe mit Zustimmung des Berechtigten, ζ. B. Rückgabe in den Fällen der §§ 634, 638 HGB. Das Gesetz verwendet auch für die Aufgabe des Gewahrsams verschiedene Ausdrücke mit teilweise verschiedener Bedeutung (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m a . a . O . ) . Aus Abs. 1 a . E . (auch aus §66 Abs. 1 Satz 2) ist auch die Folgerung zu ziehen, daß die bei der Löschung des Schiffes diesem drohenden Gefahren mitversichert sind (Verletzung des Schiffsrumpfs durch Greiferschaden: O L G Stettin H R Z 1927. 14 = J R P V 1927. 293 = Sasse Nr. 362). Ebenso S i e v e k i n g Anm. 5 zu § 778 HGB, L i e b i g 42 Anm. 2. 9. A b s . 2. Der Versicherungsnehmer muß für das Verschulden derjenigen, deren er sich zur Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht bedient, einstehen (oben Anm. 7). Also bei der Güterversicherung auch für das Verschulden d e s Abladers und des E m p f ä n g e r s (die auch wohl nach der Repräsentantentheorie a b Repräsentanten anzusehen wären: H a g e n SVR 38. Siehe über den Repräsentantenbegriff in der Seeversicherung und sein Verhältnis zu der Regelung der Rechtsstellung von Ablader und Empfanger H o c h g r ä b e r , Deutsche Versicherungswirtschaft Bd. V S. 195). Denn Ab36
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
§ 33 Anm. 25
Anm. 26
Anm. 27
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§ 3 3 lader und Empfänger sind hierbei, wenn nicht der Versicherungsnehmer selbst, notwendig Personen, deren dieser sich zur Erfüllung seiner auf dem Versicherungsvertrag beruhenden Verbindlichkeiten bedient, soweit diese mit der Abladung und Empfangn a h m e oder sonstigen dem Ablader oder Empfänger überlassenen Angelegenheiten zusammenhängen ( G e r h a r d 288, eingeschränkt 5 1 9 ; abw. V o i g t 462). Anm. 28 a) A b l a d e r ist, wer die Güter dem Schiffe übergibt. I m Sinne des Frachtrechts: wer die Güter dem Schiffe f ü r den Befrachter übergibt (vgl. S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 7 vor § 556 HGB). I m Sinne des § 33 Abs. 2: wer die Güter dem Schiffe für den Versicherungsnehmer übergibt, ζ. B. auch der Verkäufer, der die Güter dem Reeder verkauft hat und sie für diesen dem Schiffe übergibt. Der Ablader ist also eine Person, welcher der Versicherungsnehmer die Ausführung eines Teiles der versicherten Unternehmung allgemein unter mehr oder minder vollständigem Verzicht auf eigene Einwirkung überlassen hat, zumal dann, wenn die Versicherung schon beginnt, bevor die Güter „vom Lande scheiden" (§§ 88, 124). Der Güterversicherte m u ß also das Verschulden des Abladers schon nach § 278 BGB vertreten (oben Anm. 12, 27). Was für den Ablader gilt, gilt auch für den Zwischenablader (Schiedsspruch H R Z 1927. 861 = Sasse Nr. 902). — Andererseits ist § 33 Abs. 2 nicht vollständig. Der Versicherungsnehmer m u ß es insbesondere auch gegen sich gelten lassen, wenn der Ablader die G e f a h r ä n d e r t oder erhöht (§ 23 Anm. 24) oder die S c h a d e n a b w e n d u n g s - P f l i c h t schuldhaft v e r l e t z t (§ 41 Anm. 7). So etwa, wenn der Ablader die versicherten Güter in unsaubere Schiffsräume verladen, oder wenn er sie in ungenügender Verpackung verladen, oder wenn er sie mit feuer- oder geruchgefährlichen Gütern zusammen verladen läßt und hierdurch die Gefahr erhöht (vgl. H G Z 1898. 150, L G H a m b u r g H G Z 1896. 300), oder wenn der Ablader dem Kapitän, der nach einem Unfall mit dem versicherten Reis zum Abladehafen zurückkehrt, ohne Grund gestattet, den Reis zu verkaufen, und hierdurch die Schadenabwendungs-Pflicht des § 41 verletzt ( H G H a m b u r g H H 122). — Über Nichthaftung des Versicherers für den Schaden, den versicherten gefährlichen Gegenständen (Brom) dadurch entsteht, daß der Ablader die für den Hamburger Hafen geltenden Verpackungsvorschriften sowie die Verladebedingungen der Reederei nicht beachtet, vgl. K G J R P V 1925. 162 = Sasse Nr. 334. Verschulden des Abladers ist angenommen worden bei Versendung von Palmkernschrot ohne Hinweis auf die Möglichkeit einer Ansammlung entzündbarer Benzingase ( R G H a n s R G Z 1937 Β 143)· Anm. 29
b) E m p f ä n g e r (dem ein Zwischenempfänger gleichzustellen ist: Schiedsspruch H R Z 1927. 861 = Sasse Nr. 902) ist derjenige, an den das Schiff die Güter abzuliefern hat (HGB § 592), mag seine Empfangsberechtigung sich auf einen Frachtvertrag, auf eine Anweisung des Befrachters, auf ein Konnossement oder auf ein sonstiges Verhältnis stützen. Der Empfänger ist, gleich dem Ablader, eine Person, deren der Güterversicherte sich zur Erfüllung seiner Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag in den durch den Empfang der Güter bestimmten Grenzen bedient, deren Verschulden er mithin vertreten m u ß ( H G Z 1883. 76, H a n s O L G H a n s R G Z 1928 Β 483 = H R R 1928 Nr. 2 1 2 5 = Sasse Nr. 386) Der Güterversicherte muß es also auch gegen sich gelten lassen, wenn der Empfänger die G e f a h r ä n d e r t , insbesondere erhöht (§ 23 Anm. 24) oder die S c h a d e n a b w e n d u n g s - P f l i c h t schuldhaft v e r l e t z t (§ 41 Anm. 7; R G J W 1926. 1969 (Anm. R i t t e r ) = Sasse Nr. 13). So etwa, wenn der Empfänger dem Leichterschiffer dem Ortsgebrauch zuwider Freizeichnungen zugesteht und der Rückgriff gegen den Leichterschiffer im Schadensfall deshalb unmöglich wird ( E h r e n b e r g 4 0 1 ; unrichtig R G 9. 120, H G Z 1883. 76 und, folgend, S i e v e k i n g 107: § 821 H G B = § 33 ADS sei a n w e n d b a r ; gleichwohl h a t R G 9. 121 das richtige empfunden, denn es erwägt: es sei „anzunehmen, daß der Versicherer bei Ü b e r n a h m e der Gefahr der Ein-
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ladung und Ausladung . . . ein ordnungsmäßiges, ortsgebräuchliches Verfahren des § 3 3 Abladers und Empfängers nicht allein hinsichtlich ihrer technischen Dienste bei Einladung und Ausladung, sondern auch hinsichtlich der von ihnen zu diesem Behufe abzuschließenden Verträge unterstelle und diejenige V e r g r ö ß e r u n g seiner Gefahr, die sich aus ungewöhnlichen Klauseln bei solchen Verträgen ergebe, nicht übernehme"; vgl. auch § 19 A n m . 25 und 33 unter cc). Oder wenn im Falle einer „Von-Haus-zuHaus"-Versicherung der Empfänger die Beendigung der Reise dadurch verzögert, daß er die versicherten Güter zum Zwecke der Weiterversendung vom Endpunkt der Versicherung aus bereits am K a i bearbeiten läßt ( R G H G Z 1905. 159 gegen H G Z 1904. 262, wo § 821 H G B = § 33 A D S angewendet wird). — Nach herrschender Ansicht gebraucht das Gesetz den Ausdruck „ E m p f ä n g e r " noch in einer zweiten „technischen" Beziehung. Empfänger in diesem Sinne soll sein, wer die Güter, selbst oder durch Stellvertreter, im eigenen Namen kraft seiner Legitimation entgegennimmt oder entgegengenommen hat ( B r a n d i s Seerecht 1. 56, 2 . 4 3 , B r o d m a n n 76, E h r e n b e r g Beschränkte Haftung 1 1 5 , S c h a p s - A b r a h a m I I A n m . 2 zu § 614 H G B , W ü s t e n d ö r f e r Studien 320). Diese zweite Begriffsbestimmung ist für § 33 Abs. 2 nicht maßgebend. — Doch muß der Empfänger „ i n dieser Eigenschaft" handeln. Das ist nicht der Fall, wenn er außerhalb der ihm am Frachtgut zustehenden Rechte Veruntreuungen begeht ( R G 118. 254 und dazu H a g e n S V R 39). — Siehe über ein Verschulden des Empfangers deshalb, weil er sich monatelang um nichts gekümmert hatte, K G J R P V
1926. 25.
c) Dem Verschulden des Abladers und des Empfängers steht natürlich das Ver- Anm. 30 halten derjenigen gleich, deren sie sich zur Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht bedienen, — wie der Versicherungsnehmer j a auch das Verschulden desjenigen vertreten muß, dessen sich etwa ein Prokurist zur Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht bedient. H a t ζ. B. bei einer „Von-Haus-zu-Haus"-Versicherung der Empfänger die versicherten Güter zulässigerweise (etwa weil sie sonst verderben würden und der Verderb dem Versicherer zur Last fallen würde) durch einen Unternehmer bearbeiten lassen, so muß der Versicherungsnehmer das Verschulden des Unternehmers vertreten; führt der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig den Versicherungsfall herbei, so ist der Versicherer frei (unten A n m . 45). d) Ablader und Empfänger müssen „ i n dieser E i g e n s c h a f t " den Versicherungs- Anm. 31 fall herbeigeführt haben, wenn der Versicherer frei sein soll. Das versteht sich von selbst. Herr Müller kann die Eigenschaft eines Abladers oder Empfängers und andere Eigenschaften haben. Der „ A b l a d e r " kann aber nur eine Eigenschaft, eben die des Abladers, haben. Wenn Herr Müller „zugleich Lieferant des Proviants ist und schlechten Proviant liefert" (Prot. 4335), so ist es der Proviantlieferant Müller, nicht der Ablader Müller, der die Gefahr erhöht. (Vgl. auch § 41 A n m . 7).
e) Nur bei Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, hat der Ver- Anm. 3a Sicherungsnehmer das Verhalten des Abladers und des Empfängers zu vertreten. Bei Versicherungen, die sich auf das Schiff beziehen, kann j a keine Rede davon sein, daß Ablader und Empfänger Personen sind, deren sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag bedient. Aber auch bei Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, braucht dies nicht immer der Fall zu sein. Bei der Versicherung von Provision, die im Falle der Ankunft der Güter am Bestimmungsort zu verdienen ist, werden Ablader und Empfänger ζ. B. vielleicht nicht Erfüllungsgehilfen des Versicherungsnehmers sein. Aber sie können es sein. Deshalb bestimmt § 33 Abs. 2 (über das Ziel hinausschießend, aber absichtlich: Begr. ζ. Ε i g i o § 36), daß der Versicherungsnehmer bei a l l e n Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, das Verschulden des Abladers und des Empfängers vertreten muß (anders, 36«
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aber auch wiederum zu eng, § 821 Nr. 5 : nur bei Versicherungen der Güter und imaginären Gewinns). Eine Versicherung, die „sich auf die Güter bezieht", ist jede Versicherung, die ein I n t e r e s s e a n d e n G ü t e r n (das Eigentümerinteresse oder ein anderes Interesse) deckt, — wie eine Versicherung, die „sich auf das Schiff bezieht", jede Versicherung ist, die ein Interesse am Schiff deckt. Das kann für die A D S nicht zweifelhaft sein. Denn die A D S zerfallen in „Allgemeine Bestimmungen" (§ 1 — 5 7 ) und in „Besondere Bestimmungen" über Versicherungen, die „sich auf das Schiff beziehen" (§§58—79: § 79), und Versicherungen, die „sich auf die Güter beziehen" (§§80—99: §99), und unterscheiden in den „Allgemeinen Bestimmungen" wieder zwischen Versicherungen jeder Art und Versicherungen, die „sich auf das Schiff beziehen" (§§ 34, 35, 3 7 ; vgl. ferner §§ 120, 1 2 1 , 1 2 3 ) , Versicherungen, die „sich auf die Güter beziehen" (§§33, 3 5 ; vgl. ferner §§ 1 1 3 , 1 1 4 , 120, 1 2 3 ) und Versicherungen „des Schiffes" und „ d e r G ü t e r " (§§ 1 , 49, 50). Es ist aber auch für das H G B „zweifellos" ( H G Z 1888. 256). Das H G B spricht gewöhnlich von der „Versicherung des Schiffes", der „Versicherung der G ü t e r " , der „versicherten S a c h e " , dem „versicherten Schiffe", den „versicherten G ü t e r n " ( H G B §§ 779, 8 1 6 , 8 1 7 , 8 2 1 , 823—825, 8 3 1 , 849, 850, 884, 899, 900), — nur an drei Stellen von Versicherungen, die „sich beziehen": 1. Nach § 821 Nr. 2 H G B fallen dem Versicherer „bei einer auf das Schiff sich beziehenden Versicherung" Alters- und Gebrauchsschäden nicht zur Last. 2. Nach § 821 Nr. 3 H G B fallen dem Versicherer „bei einer auf Güter oder Fracht sich beziehenden Versicherung" Beschaffenheitsschäden nicht zur Last. 3. Nach § 850 H G B und der Klausel „ F ü r behaltene A n k u n f t " hat der Versicherer „ b e i der auf das Schiff sich beziehenden Versicherung" und „ b e i der auf die Güter sich beziehenden Versicherung" nur in gewissen, näher bestimmten, Fällen zu entschädigen. Der Unterschied der Ausdrucksform beruht natürlich nicht auf der Freude am Wechsel. Wortlaut und Bedeutung der Vorschriften decken sich überall. Das ist auch im allgemeinen unstreitig. Nur für den ersten Fall (des § 821 Nr. 2 H G B ) gehen die Ansichten auseinander. N a c h der einen Ansicht gilt § 821 Nr. 2 H G B nur f ü r die K a s k o v e r s i c h e r u n g ( B r o d m a n n 195, S i e v e k i n g 105, H G Z 1886. 30, 1887. 142, 1889. 303). Nach der zweiten Ansicht gilt § 8 2 1 Nr. 2 H G B für j e d e Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht ( V o i g t 458, H G Z 1888. 255, offenbar auch R G H G Z 1889. 247). Für die zweite Ansicht spricht alles: der klare Wortlaut des Gesetzes, der im Wesen der Versicherung begründete Grundsatz, daß kein Versicherer für objektiv und subjektiv gewisse Schäden haftet, die Interessenlage, der Umstand, daß kein Versicherer jemals und irgendwo für sog. „Fehler der versicherten S a c h e " gehaftet hat und haftet. F ü r die erste Ansicht spricht nichts. Näheres: § 59 Anm.
Anm. 33
f ) Nach § 8 2 1 Nr. 5 H G B soll der Güter- und Gewinnversicherer auch nicht f ü r den Schaden haften, den der K a r g a d e u r schuldhaft verursacht hat. Auch das versteht sich von selbst. Denn der Kargadeur, „welchen der Versicherte mit dem Schiffe sendet u m für den vorteilhaften Verkauf der Ladung, den Einkauf der Rückladung usw. zu sorgen, ist ohne Zweifel eine Person, welche die Stelle des Versicherten vertritt und dessen Fehler die Versicherer nicht verantworten" (so schon B e n e c k e 3. 1 9 8 ; ähnlich Prot. 3230). Überdies gibt es solche Kargadeure nicht mehr. Früher wurde wohl auch der Kapitän besonders zum K a r g a d e u r bestellt (vgl. Prot. 3230, R i t t e r Z f V W 1 9 1 4 . 4 7 , 6 1 , H G u. O G H a m b u r g Ullrich Nr. 286, Seebohm 466, H H 4 4 1 , § 23 Anm. 24).
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ίο. A b s . 3 . F ü r d e n Ausgang von U n t e r n e h m u n g e n zur See ist das V e r h a l t e n der Schiffsbesatzung von entscheidender Bedeutung. F ü r den U m f a n g der H a f t u n g . des Seeversicherers ist deshalb von entscheidender Bedeutung, ob oder wieweit er oder der Versicherungsnehmer f ü r das V e r h a l t e n der Schiffsbesatzung einstehen m u ß . Kein W u n d e r also, d a ß die Rechtsentwicklung hier keine gerade Linie zeigt, die R e c h t s o r d n u n g e n der seefahrenden Völker voneinander stark abweichen, Zufall u n d Interesse größeren Einfluß ausgeübt h a b e n als Folgerichtigkeit. Folgegerecht w a r nur, d a ß m a n das Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Erfüllung der Gefahrstandspflicht u n d der Schadenabwendungs-Pflicht im allgemeinen ebenso behandelte, wie bei d e r Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht. a) Ursprünglich scheint der Versicherer f ü r das Verhalten der Schiffsbesatzung schlechthin gehaftet zu h a b e n (§ 28 A n m . 3), — einen Fall a u s g e n o m m e n : ex c o m m u n i consuetudine patriae n o n scripta et ex c o m m u n i tacito intellectu hos contractus i n e u n t i u m , excipitur unus casus t a n t u m q u o periculum pertineat ad facientes se assecurari, scilicet q u a n d o p r o b a t u r res amissas f r a u d e et m a c h i n a t i o n e p a t r o n i a d hoc excogitata ( B o s c o Consilia 391 S. 612, auch bei Bensa 74). Das war auch zeitweilig der S t a n d p u n k t , den m a n in H a m b u r g e i n n a h m : Der Versicherer haftete n a c h der von L a n g e n b e c k 378 erläuterten Police f ü r d e n Schaden, der entstanden w a r door f a u t e n ofte versuymnisse v a n den Schipper off syn Volk; „also n e h m e n sie n u r die U n a c h t s a m k e i t über sich, w ä r e n also n a c h dieser Restriction wegen Vorsatz u n d Schelmerey des Schiffers nicht g e h a l t e n " ( L a n g e n b e c k 384). Sollte der Versicherer d a r ü b e r hinaus haften, so w a r es „nöthig, d a ß das W o r t Schelmerey mit ausgedrücket werde, wie es d e n n auch in Praxi, d a ß der Assecuradeur d a f ü r gehalten, also obtiniret" ( L a n g e n b e c k 384). Dieser Praxis entsprach A H O 1731 V I I 1: „Aller Schade, der den Schiffen oder Gütern, d u r c h des Schiffers, Steuer-Leute u n d Schiffs-Volks Schuld, Versehen, Versäumniss u n d Misshandlung, es sey auf was Weise es wolle, widerfähret, bleibet zu der Assecurirenden Lasten . . . " (ebenso schon vorher Preuß. Seerecht Art. 28: „ D a entweder d u r c h Versehen u n d Nachlässigkeit, oder d u r c h Bossheit, Arglist u n d Betrügerey des Schiffers oder seiner Schiffs-Leute u n d R e h d e r . . . Schaden an d e m versicherten Schiffe oder G u t e verursachet worden, o h n e dass d e r Assurirte d a r a n auf einigerley Weise Theil h ä t t e ; So sind die Assuradeurs solchen Schaden . . . zu vergüten schuldig . . ."). Diese Entwicklung m ü n d e t aus im § 820 Nr. 6 H G B : Der V e r s i c h e r e r „ t r ä g t insbesondere d i e G e f a h r d e r U n r e d l i c h k e i t o d e r d e s V e r s c h u l d e n s einer Person d e r S c h i f f s b e s a t z u n g . . .". „ U n r e d l i c h k e i t " ist die Übersetzung des assekuranztechnischen Ausdrucks B a r a t t e r i e (baraterie, b a r r a t r y ; über H e r k u n f t u n d Bedeutung dieses Wortes vgl. ζ. B. A r n o u l d 795 s. 835, B o y e n s Seerecht 2. 224, C h a l m e r s 154, ß m e r i g o n ch. 12 s. 3, L a n g e n b e c k 394, P a p p e n h e i m Seerecht 2. 487, R i p e r t Nr. 2699, A. S i e v e k i n g Seerecht 300, H a n s O L G H G Z 1908. 233, 274, 1910. 60, A G u. L G H a m b u r g H G Z 1885. 71, 1899. 69, 1903. 78, 1908. 230; vgl. auch Guidon de la m e r 9. 1: c h a n g e m e n t d e patron, u n d d a z u Policen von 1590, 1591 bei K i e ß e l b a c h 167, 169: „ V e r ä n d e r u n g h oder anderssins von Meisters, S c h i f f e r . . .", Antwerpener Police bei K i e ß e l b a c h 162: „ b e d r o c h v a n den P a t r o n n Schippern e n d e Boetsuolgk"). „ U n r e d l i c h k e i t " ist natürlich auch „ V e r s c h u l d e n " . Die K o n j u n k t i o n (statt der Subsumtion) erklärt sich n u r aus der historischen Entwicklung. b) „ I n s b e s o n d e r e " trägt der Versicherer n a c h § 8 2 0 Nr. 6 H G B die G e f a h r der Unredlichkeit oder des Verschuldens der Schiffsbesatzung. Es scheint sich also n u r u m die b e i s p i e l s w e i s e A n f ü h r u n g einer Gefahr, u m die beispielsweise Bestimmung eines Teiles der Gefahrereignisse zu handeln, u m die beispielsweise Bezeichnung gewisser Fälle, f ü r deren unmittelbare oder unvermeidliche Folgen der Versicherer haftet, gewisser Versicherungsfälle. Das ist aber n u r teilweise richtig. — Zunächst trägt der
§ 33 A n m . 34
A n m . 35
A n m . 36
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§ 3 3 Versicherer die Gefahr des Verschuldens der Schiffsbesatzung nicht, wenn das Verhalten der Schiffsbesatzung sich als ein Ereignis darstellt, das nach der Art seines Auftretens von der Versicherung a u s g e s c h l o s s e n ist, wenn etwa der K a p i t ä n das versicherte Schiff an den Feind verrät und die Kriegsgefahr ausgeschlossen ist (näheres: § 28 A n m . 33). — Ferner haftet der Versicherer nicht nur, wenn durch das Verschulden der Schiffsbesatzung der Versicherungsfall herbeigeführt wird, sondern (unstreitig) auch dann, wenn durch das Verschulden der Schiffsbesatzung der S c h a d e n n i c h t a b g e w e n d e t oder gemindert wird (§ 41 Anm. 7, oben Anm. 28, 29, 34), und er ist nicht frei, wenn durch das Verhalten der Schiffsbesatzung die G e f a h r g e ä n d e r t , insbesondere erhöht wird ( G e r h a r d 5 3 3 , S i e v e k i n g 68, V o i g t 3 1 8 , R O H G 4. 84, R G 19. 2, H G Z 1898. 254, H G Hamburg H G Z 1870. 3 4 1 , 1 8 7 1 . 334, vgl. auch O A G Lübeck Kierulff 1. 4 0 1 , § 23 A n m . 24). — Schließlich: § 8 2 0 Nr. 6 H G B verläßt die Grenzen bloß beispielsweiser Anführung, enthält vielmehr einen selbständigen A u s n a h m e - R e c h t s s a t z , soweit er dem Versicherer das V e r s c h u l d e n auch s o l c h e r Personen zur Last legt, die „unzweifelhafte Stellvertreter" des Versicherungsnehmers, d. h. P e r s o n e n sind, d e r e n s i c h d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r bei Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht b e d i e n t (vgl. oben A n m . 15, unten Anm. 42). Ü b e r die Grenzen dieses Ausnahme-Rechtssatzes besteht Streit. Dieser Streit bezieht sich nur auf die K a s k o v e r s i c h e r u n g (und ihr gleichstehende Versicherungen, insbesondere die gewöhnliche Frachtversicherung) und nur auf den K a p i t ä n . Denn andere Personen der Schiffsbesatzung sind natürlich nicht „unzweifelhafte Stellvertreter" des Versicherungsnehmers, und bei anderen Versicherungen, insbesondere der Güterversicherung, ist auch der K a p i t ä n unzweifelhaft kein „unzweifelhafter Stellvertreter" des Versicherungsnehmers (vgl. oben Anm. 15). § 3 3 Abs. 3 bezieht sich nicht auf ein solches Verhalten der Schiffsbesatzung, daß die Seeuntüchtigkeit des Schiffes zur Folge hat, eine Beschaffenheit, welche die Haftpflicht des Versicherers objektiv, also ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Versicherten oder der Schiffsbesatzung ausschließt (vgl. § 58 und die dort. A n m . ; R G 1 1 8 . 1 3 = H a n s R G Z 1928 Β 35 = J R P V 1928. 1 1 8 = J W 1927. 2305, R G 120. 39 = H R R 1928 Nr. 1 1 3 6 = J R P V 1928. 72 = J W 1938. 1 7 3 1 (Anm. R i t t e r ) und O L G K i e l H R Z 1927. 673 = J R P V 1927. 263 = A P V 1927. 280: Seeuntüchtigkeit infolge nicht gehöriger Beladung). Anm. 37
c) N a c h dem Wortlaut des § 820 Nr. 6 H G B könnte man (vielleicht) meinen, daß der Kaskoversicherer f ü r a l l e s einzustehen hat, w a s d e r K a p i t ä n s i c h z u s c h u l d e n k o m m e n l ä ß t . E r würde sich etwa nicht darauf berufen können, daß die im Versicherungsvertrag bedungenen Schotten nicht eingebaut sind, wenn der Reeder den K a p i t ä n beauftragt haben würde, für den Einbau zu sorgen, und der K a p i t ä n den Auftrag schuldhaft nicht ausgeführt haben würde, oder darauf, daß die Unfallsanzeige des § 40 nicht erstattet ist, wenn der Reeder den K a p i t ä n damit beauftragt und dieser den Auftrag schuldhaft nicht ausgeführt haben würde. Das ist natürlich n i c h t die Meinung des Gesetzes. M a n hat deshalb die „Funktionen" des Kapitäns in zwei Teile geteilt: den „nautischen" und den „administrativen". D i e n a u t i s c h e n F u n k t i o n e n sind diejenigen, „welche sich auf die auszuführende Seefahrt beziehen", und umfassen alles, „ w a s während derselben an nautischen Maßregeln zu beschließen und zum Teil von dem Schiffer selbst, zum Teil von den (übrigen) Schiffsangestellten auszurichten ist". Die a d m i n i s t r a t i v e n Funktionen dagegen sind diejenigen, „welche außer der Seefahrt für den Zweck der Seeunternehmung zu erfüllen sind; dahin gehört sowohl alles, was auf die Vorbereitung der Reise und die Erledigung der Schiffsangelegenheiten am Bestimmungsort sich bezieht, als auch dasjenige, was in Fällen einer Unterbrechung oder Störung der Reise für den Zweck der Fortsetzung derselben, unter außerordentlichen Umständen sogar für deren vorzeitige Beendigung, zur Aus-
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führung zu bringen ist." „ D i e Unterscheidung der beiden Funktionen bestimmt sich § 3 3 nach dem Ort, der Zeit und den sonstigen Umständen der von dem Schiffer zu leistenden Tätigkeit, nicht danach, ob er allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen zu folgen oder technische Kenntnisse zur Anwendung zu bringen hat, wie dies letztere ζ. B. bei der Ausrüstung des Schiffes, der Stauung, der Schätzung der Tragfähigkeit des Schiffes u . d g l . erforderlich ist". So im Anschluß an O A G Lübeck BremS 3 . 4 2 9 V o i g t 4 1 2 (vgl. auch oben A n m . 23) und im Anschluß an ihn: G e r h a r d 5 1 7 , S i e v e k i n g 94, R G 19. 2, 43. 3, R G H G Z 1903. 227, 1 9 1 0 . 35, H G Z 1897. 120, 1898. 254, 1903. 290, L G Bremen H G Z 1904. 3 4 ; bereits früher R O H G 17. 348, 18. 285, O A G Lübeck Kierulff 3. 356, H a m b S 2. 1029, 4. 90, H G Z 1868. 6, O G Hamburg H G Z 1879. 7 3 ; Ansätze bei N o l t e 2. 3 2 8 ; vgl. auch die Frachtklauseln, die den Verfrachter von der Haftung für errors in navigation befreien, und dazu R G 74. 336, R G H G Z 1 9 1 3 . 44: Verletzung der „administrativen Obliegenheiten" des Schiffers, wenn dieser nicht für genügende Bekohlung des Schiffes sorgt; dagegen R i t t e r Z f V W 1 9 1 4 . 48. d) I m allgemeinen ist es der Rechtsprechung geglückt, das Verhalten, insbesondere A n m . 38 das schuldvolle Verhalten, des Kapitäns bei seinen „nautischen" Funktionen unterzubringen. Wenn der K a p i t ä n gegen Seemannsbrauch ohne Lotsen fährt, hat er als „nautischer Dirigent" die Gefahr erhöht ( R G 19. 2). Ebenso, wenn er im Zwischenhafen das Ruderblatt vergrößert und hierdurch die Gefahr erhöht ( R G 43. 3, H G Z 1898. 256). Ebenso, wenn er das seeversicherte Flußschiff, statt, wie vereinbart, bei günstiger Witterung, bei ungünstigem Wetter die Reise antreten läßt ( H G Z 1898. 256, vgl. § 23 A n m . 9 unter gg). Ebenso, wenn er den R a d d a m p f e r trotz gefährlichen Treibeises die Reise antreten läßt ( L G Hamburg H G Z 1892. 24). Ebenso, wenn er das Schiff an eine besonders gefährliche Stelle des Hafens legt oder ungenügend befestigt ( R G 102. 1 1 2 ) . Wenn er unterläßt, nach der Kollision dem Gegensegler zu helfen und so indirekten Kollisionsschaden abzuwenden, hat er als „nautischer Dirigent" die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers verletzt ( O L G gegen L G Hamburg H G Z 1897. 1 1 9 ) . Ebenso, wenn er unterläßt, die Stelle, an der das versicherte Schiff gesunken ist, kenntlich zu machen, und das Schiff infolgedessen nicht geborgen werden kann ( H G Z 1897. 120, H G u. O G Hamburg H G Z 1879. 73). — Zwei Fälle haben besondere Schwierigkeiten gemacht: 1. Der Fall der A u s r ü s t u n g d e s S c h i f f e s mit Kohlen, Proviant und Wasser, Anm. 39 sowie der S t a u u n g der Ladung. — Der versicherte K a h n war so schlecht beladen, daß er durchbrach. O L G Hamburg ( H G Z 1908. 283) rechnete die Stauung zu den nautischen Funktionen, R G 72. 1 7 3 zu den „Administrationshandlungen" des Schiffers; trotzdem gelang es dem R G , die Stauung in diesem Falle bei den nautischen Funktionen unterzubringen: „ D i e Verstauung des K a h n s im Abgangshafen werde nicht beanstandet; es handle sich nur darum, ob der Schiffer beim Anlaufen der verschiedenen Liegeplätze im Hamburger Hafen . . . richtig gehandelt habe, ob er insbesondere ohne Umstauung der Restladung habe weiterfahren dürfen". — Wenn der Kapitän das Schiff nicht genügend mit Kohlen oder Proviant oder Wasser ausrüstet, hat er durch eine „Administrationshandlung" die Gefahr erhöht ( R O H G 17. 348, R G H G Z 1 9 1 0 . 36), und zwar „ u m so mehr", wenn es sich um die Ausrüstung im Abgangshafen handelt ( O G Hamburg H H 409). — Die Fälle sind ohne große Bedeutung. Denn der Versicherer haftet im Falle ungenügender Ausrüstung oder Beladung ohnehin nicht ( § 5 8 ; siehe dazu R G 120. 39 = J R P V 1928. 1 7 3 1 = H R R 1928 Nr. 1 1 3 6 = A P V 1928. 255: ein Schaden, der dadurch verursacht worden ist, daß das Schiff infolge nicht gehöriger Beladung nicht seetüchtig war, geht zu Lasten des Versicherten, denn die in § 58 geregelte Haftungsbeschränkung ist objektiver Natur und wird von der Sondervorschrift in § 33 Abs. 3
568 § 33
Anm. 40
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nicht berührt; vgl. aber auch § 33 Anm. 35, § 58 Anm.). Es kann aber auch nicht zweifelhaft sein, daß ungenügende Ausrüstung oder Beladung des Schiffes ein „nautisches" Versehen bildet (HansOLG HansRGZ 1930 Β 131). Denn das Gesetz rechnet die Ausrüstung usw. ausdrücklich zu den Dienstverrichtungen des Kapitäns (oben Anm. 23; näheres: R i t t e r ZfVW 1914. 56). — Vgl. auch LG Bremen HGZ 1904. 34: Wenn der Kapitän des Fischdampfers zu lange ausbleibe, so daß die Kohlen ausgingen und Aufwendungen nötig würden, so handle er „nicht als nautischer Dirigent, sondern als geschäftlicher Vertreter des Reeders"! — Uber den Fall, daß der Kapitän pflichtwidrig die Güter ausliefert und hierdurch den Verlust der Fracht herbeiführt: § 105 Anm. 2. Der Fall, daß der Kapitän „sein durch Seeunfall betroffenes Schiff, ohne durch die Art oder den Umfang der Beschädigung desselben dazu berechtigt zu sein, oder unter Verletzung der versicherungsrechtlich für solche Fälle bestehenden Vorschriften, z u m V e r k a u f b r i n g t oder bringen läßt" (so V o i g t 416). In diesen Fällen soll er „nicht als nautischer Dirigent, sondern als administrativer Vertreter" des Reeders gehandelt haben, der Versicherer also frei sein (OAG Lübeck BremS 3. 423, HG u. OG Seebohm 206, S i e v e k i n g 95; vgl. auch ROHG 18. 285). — Unterscheide: α) Der Kapitän ist g e g e n ü b e r d e m R e e d e r b e r e c h t i g t , zu verkaufen. Die Berechtigung kann auf besonderem Auftrag oder auf dem Gesetz (vgl. HGB § 530: Verkauf „im Falle dringender Notwendigkeit") beruhen. In solchem Falle ist der Verkauf natürlich nicht anders zu beurteilen, als wenn der Versicherungsnehmer selbst verkauft hätte (ROHG 18. 284, HG u. OG Hamburg HGZ 1875. 43). Nur in diesem Sinne richtig L e w i s 2. 371, OAG Lübeck Kierulff"3. 358; vgl. auch S i e v e k i n g 95, OAG Lübeck Kierulff 1. 1186: Den Kapitän treffe kein Verschulden, insbesondere sei es kein Verschulden, wenn er das Schiff verkauft und dabei nicht die Bestimmungen des Versicherungsvertrags über den Verkauf im Falle der Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit befolgt habe. — Der Versicherungsnehmer (und deshalb auch der Kapitän) kann in solchen Fällen aber auch d e m V e r s i c h e r e r g e g e n ü b e r zum Verkauf b e r e c h t i g t sein. Dann nämlich, wenn er den Verkauf zur Minderung des Versicherungsschadens den Umständen nach für geboten halten durfte (§§32,41). Dann haftet der Versicherer natürlich (vgl. ROHG 18. 281, HG u. OG Hamburg HGZ 1872. 182, 366). Näheres: § 32 Anm. 8, §41 Anm. 16. ß) Der Kapitän ist w e d e r g e g e n ü b e r d e m R e e d e r noch g e g e n ü b e r d e m V e r s i c h e r e r b e r e c h t i g t zu verkaufen. — Der Verkauf ist entweder eine unerlaubte Handlung, eine „ U n r e d l i c h k e i t " , eine Handlung, die „ohne Beziehung auf die eine oder andere der dem Schiffer obliegenden Funktionen" (die nautische oder die administrative) ist (so V o i g t 414). Dann haftet der Versicherer, — wie § 820 Nr. 6 HGB es ausdrücklich bestimmt. — Oder der Verkauf ist keine „Unredlichkeit", ist nur sonstwie u n b e f u g t . Das Schiff kann verkauft sein, weil der Kapitän irrtümlich den Fall als einen Fall dringender Notwendigkeit im Sinne des § 530 HGB angesehen hat; dann haftet der Versicherer, weil der Verkauf nach § 530 HGB zu den Dienstverrichtungen des Kapitäns gehört und ein dabei untergelaufenes „Verschulden" dem Versicherer nach § 820 Nr. 6 HGB zur Last fällt. Das Schiff kann aus anderen Gründen verkauft sein, weil der Kapitän die Marktlage für günstig hielt, oder weil ihm ein hoher Preis geboten wurde, oder weil er irrtümlich das Schiff für reparaturunfähig oder reparaturunwürdig hielt (vgl. die Fälle HGZ 1903.41, 227, HG Hamburg HGZ 1863. 25, 1865. 161, HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck HGZ 1868.3, auch HH 180); der Versicherer
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haftet im allgemeinen nicht, weil der Kapitän nicht in Ausführung seiner Dienst- § 3 3 Verrichtungen verkauft hat und dem Versicherer nach § 820 Nr. 6 H G B zwar das Verschulden des Kapitäns zur Last fällt, aber nur das Verschulden, das „der Kapitän", das der Kapitän als solcher in Ausführung der ihm gesetzlich obliegenden Dienstverrichtungen an den Tag legt (insoweit unrichtig R i t t e r Z f V W 1914. 54). Das Schiff kann insbesondere zur Minderung des Versicherungsschadens verkauft sein; dann haftet der Versicherer, wenn der Kapitän als solcher, (auch) in Ausführung seiner Dienstverrichtungen verkauft hat und weil auch das Verschulden der Schiffsbesatzung bei der Erfüllung der Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers zu seinen Lasten ist; im anderen Falle haftet er gemäß § 4 1 Abs. 3 nicht, weil der Reeder das Verschulden des Kapitäns nach § 278 BGB vertreten muß. e) Denn das ist freilich gewiß, daß der Wortlaut des § 820 Nr. 6 H G B nicht ent- Anm. 41 scheiden kann, daß der Versicherer (von „Unredlichkeiten" des Kapitäns abgesehen) nicht für alles einzustehen hat, was der Kapitän sich zuschulden kommen läßt. Er will nur für das einstehen, was der Kapitän als solcher, „in dieser seiner Eigenschaft" sich zuschulden kommen läßt, was ihm in A u s f ü h r u n g der i h m g e s e t z l i c h obl i e g e n d e n D i e n s t v e r r i c h t u n g e n unterläuft. Die Worte „in dieser seiner Eigenschaft" fehlen freilich im § 820 Nr. 6 HGB, — im Gegensatz zum § 821 Nr. 5 HGB, wonach der Güter- oder Gewinnversicherte zu vertreten hat, was Ablader, Empfänger und Kargadeur „in dieser Eigenschaft" (früher: „in dieser ihrer Eigenschaft") versehen. Aber der erläuternde Zusatz „in dieser Eigenschaft" soll nur einem immerhin möglichen „Mißverständnis" vorbeugen (Prot. 4335) und hätte ebensogut fehlen können und besser gefehlt (oben Anm. 31). Hier, im §820 Nr. 6 HGB, mußte man auf ihn verzichten. Denn man kann nicht wohl von „Unredlichkeiten", begangen vom Kapitän „in dieser Eigenschaft", sprechen. — Wie hier übrigens, außer H G Z 1908. 283 (oben Anm. 39), auch bereits R G H G Z 1905. 191 („Nautisches Verschulden des Schiffers" sei „ein Verschulden des Schiffers in Ausführung seiner Dienstverrichtungen") und H G Z 1897. 1 1 9 („Dem Wortsinne nach sei nautisch alles dasjenige, was dem Schiffer als solchem kraft Gesetzes zu tun obliege, und ein nautisches Versehen somit ein Versehen, welches er bei Wahrnehmung dieser Obliegenheiten sich zuschulden kommen lasse"). f) Teilweise anders § 33 Abs. 3: Der Versicherungsnehmer hat das Verhalten Anm. 42 der Schiffsbesatzimg als solcher nicht zu vertreten. Abs. 3 lehnt sich an § 278 BGB an und enthält eine w i r k l i c h e und eine nur s c h e i n b a r e A u s n a h m e von der Regel, daß der Versicherungsnehmer das Verschulden derjenigen, deren er sich bei der Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht bedient, vertreten muß. Die Schiffsbesatzung bilden Kapitän und Mannschaft. Die M a n n s c h a f t besteht aus Personen, deren der Versicherungsnehmer sich zur Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht im allgemeinen nicht bedient (oben Anm. 15). Für das Verschulden der Mannschaft steht der Versicherungsnehmer also ohnehin nicht ein. Die Ausnahme ist also insoweit nur scheinbar. Dabei ist es auch ohne Bedeutung, ob man den Begriff der Schiffsmannschaft analog der Rechtsprechung zu §§481, 485 H G B erweitert (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 9—18 zu §484 HGB) und z . B . den Seelotsen, selbständigen Stauereiunternehmer, selbständigen Festmacher, Hafenlotsen zur Schiffsmannschaft im Sinne des § 3 3 Abs. 3 rechnet (so S c h l e g e l b e r g e r S V R 118), denn auch für diese Personen hätte der Versicherungsnehmer sonst nicht einzustehen. — Auch der Kapitän ist nicht allgemein eine Person, deren der Versicherungsnehmer sich zur Erfüllung seiner Schadenverhütungs-Pflicht bedient. Insbesondere regelmäßig
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§ 3 3 nicht bei der G ü t e r v e r s i c h e r u n g ( R i t t e r Z f V W 1914. 46; vgl. auch H G H a m b u r g Ullrich N r . 64, H H 59, auch H G u. O G H a m b u r g H G Z 1873. 391, 1874. '69 mit freilich unzutreffender Begründung). Aber a u c h nicht bei j e d e r auf das S c h i f f sich beziehenden Versicherung. So ζ. B. nicht bei der Versicherung der Provision, die der Schiffsmakler von der A n k u n f t des Schiffes im Bestimmungshafen erwartet ( R i t t e r Z f V W 1914. 46). Auch nicht bei der Versicherung einer Forderung, zu deren Deckung das Schiff dient (vgl. engl. Entscheid. I T V M i t t 1922. 126). Auch nicht bei der Versicherung von Frachtvorschuß oder F r a c h t ü b e r s c h u ß d u r c h den U n t e r v e r f r a c h t e r ( H G H a m b u r g H G Z 1868. 3: „ D e r K a p i t ä n könne von d e m Versicherer nicht auch als Vertreter des Befrachters angesehen werden, d e m n a c h könne von einer Verletzung d e r von d e m Befrachter seinem Versicherer gegenüber ü b e r n o m m e n e n Verbindlichkeit d u r c h d e n K a p i t ä n nicht die R e d e sein, u n d alle H a n d l u n g e n des Kapitäns, welche Verletzungen der vertraglichen R e c h t e des Befrachters involvierten, m ü ß t e n als Versehen des K a p i t ä n s betrachtet werden, f ü r welche der Versicherer d e m Befrachter h a f t e " ; abw. O G H a m b u r g , O A G Lübeck H G Z 1868. 7, wenig ü b e r z e u g e n d : D e m AllgPlan 1847 sei es „ a u f durchgreifende Regeln a n g e k o m m e n " , die „ r a t i o " k o m m e deshalb nicht in Betracht, der K a p i t ä n h a b e den Frachtschaden d u r c h den unbefugten Verkauf des Schiffes verursacht, dieser Verkauf sei eine „ a d m i n i s t r a t i v e " H a n d l u n g , d e r Versicherer des Frachtvorschusses u n d -Überschusses hafte also nicht). Wohl aber bei der gewöhnlichen F r a c h t v e r s i c h e r u n g u n d der K a s k o v e r s i c h e r u n g . D e n n d e m K a p i t ä n h a t der R e e d e r die V e r w a l t u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g u n t e r weitg e h e n d e m Verzicht auf eigene Einwirkung a n v e r t r a u e n müssen u n d a n v e r t r a u t . F ü r das V e r h a l t e n des K a p i t ä n s w ü r d e er also g e m ä ß § 278 BGB einstehen müssen. I n soweit enthält also § 33 Abs. 3 eine wirkliche A u s n a h m e von der Regel des § 278 BGB. — W i r d die versicherte Schute geschleppt, so ist der K a p i t ä n des Schleppers natürlich als K a p i t ä n im Sinne des § 33 Abs. 3 anzusehen (vgl. H G Z 1887. 300, H a n s O L G H R R 1936 N r . 886 = J R P V 1936 Ziff. 13 = Sasse N r . 439; a u c h § 1 A n m . 91, 92). A n m . 43
g) Der Versicherungsnehmer h a t das Verhalten des K a p i t ä n s „ a l s s o l c h e n " nicht zu vertreten, das Verhalten des K a p i t ä n s „ i n dieser Eigenschaft" (vgl. oben A n m . 3 1 , 41, Prot. 4335), das Verhalten also, das der K a p i t ä n in A u s f ü h r u n g seiner gesetzlichen Dienstverrichtungen a n den T a g legt, insbesondere a u c h sein Verhalten bei der „ Ü b e r n a h m e , Stauung, V e r w a h r u n g oder Ablieferung der G ü t e r " (vgl. oben A n m . 26). Siehe d a z u a u c h H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β ηοη = Sasse N r . 434. Der Versicherungsnehmer m u ß es also vertreten, wenn er den K a p i t ä n beauftragt, d e m Versicherer Unfälle anzuzeigen, u n d der K a p i t ä n die Anzeige schuldhaft unterläßt (oben A n m . 37). Ebenso, w e n n der K a p i t ä n das versicherte Schiff a u ß e r h a l b seiner Dienstverrichtungen u n b e f u g t verkauft (oben A n m . 40). Ebenso insbesondere, w e n n der K a p i t ä n das versicherte Schiff „ u n r e d l i c h e r " Weise verkauft; er w ü r d e es nicht als K a p i t ä n , nicht in seiner Eigenschaft als K a p i t ä n , sondern in seiner Eigenschaft als Delinquent verkaufen (anders H a g e n S V R 37: Die negative Seite, die Pflicht zur Unterlassung des unredlichen Verhaltens, gehöre doch in den R a h m e n der Dienstverpflichtungen). Insoweit weichen also die A D S vom H G B ab. Vgl. K G J R P V 1928. 1 4 1 : Der versicherte Fischkutter war d u r c h eine Person der Schiffsbesatzung, nämlich d u r c h den z u s a m m e n mit d e r übrigen Besatzung mit Fischfang u n d in Abwesenheit des Eigentümers a u c h mit d e r Bewachung des K u t t e r s beauftragten W vorsätzlich in Brand gesteckt worden. Das Gericht ließ es dahingestellt, ob hierauf § 33 Abs. 3 zur A n w e n d u n g k o m m e n könne. A n m . 44 h) § 33 bezieht sich n u r auf das Verhalten des K a p i t ä n s bei der S c h a d e n s v e r h ü t u n g . Die Bestimmung ist aber a u c h auf das V e r h a l t e n des K a p i t ä n s bei G e f a h r ä n d e r u n g e n a n z u w e n d e n (oben A n m . 36, § 23 A n m . 24); eben deshalb ist v o m „ V e r h a l t e n " , nicht bloß vom „ V e r s c h u l d e n " (ADS § 33 Abs. 1, BGB 278) die R e d e .
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Die Bestimmung bezieht sich schließlich auch auf das Verhalten des Kapitäns bei der S c h a d e n s a b w e n d u n g (oben Anm. 36, § 41 Anm. 7). i) Der G ü t e r v e r s i c h e r t e hat das Verschulden des Kapitäns nicht zu vertreten (oben Anm. 42). — Wenn der Kapitän rechtswidrig verkauft, sind die Güter verloren, muß der Versicherer entschädigen. •— Wenn der Kapitän rechtmäßig verkauft, weil „ein erheblicher Verlust . . . anders nicht abzuwenden ist" (HGB § 535 Abs. 3), und der Verkauf die Folge „eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls" ist, muß der Versicherer entschädigen (§ 96 Abs. 2). — Wenn der Kapitän rechtmäßig „zum Zwecke der Fortsetzung der Reise" verkauft, muß der Versicherer entschädigen (§ 81). — Wenn der Kapitän aus anderen Gründen rechtmäßig verkauft (etwa, weil „er dem Bedürfnis auf anderem Wege nicht abhelfen kann oder" weil „die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnismäßigen Schaden für den Reeder zur Folge haben würde": HGB § 540), so haftet der Versicherer nicht. Zwar ist Schaden entstanden. Aber kein Verlust. Denn die Verfügung des Verfügungsberechtigten bewirkt keinen Verlust (§ 28 Anm. 36, 38). Nur in diesem Sinne richtig S i e v e k i n g 95, OAG Lübeck Kierulff 1. 1186: Den Kapitän treffe kein Verschulden, insbesondere sei es kein Verschulden, daß er die Güter verkauft habe, obgleich versicherungsrechtlich kein Grund für den Verkauf bestanden habe (vgl. auch oben Anm. 40). Der Güterversicherte hat aber das V e r s c h u l d e n seines Verfrachters, also regelmäßig d e s R e e d e r s , zu vertreten. Denn dem Reeder hat er die versicherte Unternehmung anvertraut. Seiner „bedient" er sich auch zur Erfüllung der SchadenverhütungsPflicht. Führt der Reeder vorsätzlich oder fahrlässig den Versicherungsfall herbei, so muß der Güterversicherte sich an den Reeder halten. So wohl auch H G Z 1895. 99. Anders H G Z 1904. 262: „Gerade gegen die Gefahr, welche dem Versicherten aus der Fahrlässigkeit der Verfrachter . . . drohe, wolle sich der Versicherte durch die Versicherung schützen", — dieselbe petitio principii, mit der sich auch beweisen läßt und bewiesen ist, daß der Versicherungsnehmer nur eigenes Verschulden und weder das Verschulden von ihm bestellter Hilfspersonen noch auch nur dasjenige seiner gesetzlichen Vertreter zu vertreten braucht (oben Anm. 15, Vorb. vor § 1 Anm. 64). Gegen diese Gefahr schützt ihn ausreichend die unbeschränktere Haftung des Verfrachters. Für die Versicherung gegen diese Gefahr würde er keine Prämie ausgeben. — H a t der Versicherer auch die Leichtergefahr übernommen (vgl. HGB § 824, ADS § 89), so hat der Güterversicherte zwar nicht das Verschulden des Leichterschiffers, wohl, aber das Verschulden des Frachtführers zu vertreten (abw. R G H G Z 1905. 160, H G Z 1904. 262). Liefert der Güterversicherte die Güter an eine Kaianstalt ab, so hat er zwar nicht das Verschulden der Kaiangestellten (das vielmehr dem der Schiffsbesatzung gleichsteht) zu vertreten, wohl aber das Verschulden der Kaiverwaltung. H a t er (zulässiger Weise) einem Unternehmer die Bearbeitung der Ware am Kai übertragen, so hat er zwar nicht das Verschulden der Angestellten des Unternehmers, die der Schiffsbesatzung entsprechen, zu vertreten, wohl aber das Verschulden des Unternehmers (abw. R G H G Z 1905. 160, H G Z 1904. 262; vgl. dazu § 23 Anm. 39, auch oben Anm. 30). " · § 33 gi^ auch für die Vergangenheits Versicherung. Es wird so angesehen, wie wenn der Versicherungsvertrag beim Beginn der Versicherung geschlossen wäre (vgl. § 5 Anm. 9, § 23 Anm. 9, § 32 Anm. 30, § 41 Anm. 34). I2 · § 33 gi^ auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Ist der VorVersicherer gemäß § 33 frei, so haftet auch der Rückversicherer nicht. Ist der Vorversicherer (wie gewöhnlich) abwicklungsberechtigt, so haftet der Rückversicherer gleichwohl, wenn der Vorversicherer dem Vorversicherten gegenüber sich nicht auf § 33 beruft und auch ein nicht rückversicherter Versicherer sich verständiger und billiger
§ 33 Anm. 45
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§ 3 3 Weise auf § 33 nicht berufen würde (§ 1 Anm. 154; vgl. auch § 20 Anm. 14, § 24 Anm. 33). Anm. 48
13. Fremde Rechte vgl. (auch oben Anm. 15, 16, 21, 35). a) E n g l i s c h e s Recht. The insurer is not liable for any loss attributable to the wilful misconduct of the insured (MIA § 55 Abs. 2 a). Der Versicherer haftet auch nicht für den Schaden, der unmittelbar durch Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers (or his agents) verursacht ist (Arnould74i s. 787). Aber if the subject-matter insured is lost or damaged immediately by a peril of the sea, he will be responsible, and . . . it matters not if the loss or damage is remotely caused by the negligent navigation of the . . . assured . . ., always assuming that the loss is not occasioned by the wilful act of the assured (Trinder & Co. v. Thames & Mersey Co. 1898 bei A r n o u l d 741 s. 786). —• Insbesondere das Verschulden der Schiffsbesatzung. The insurer . . . is liable for any loss proximately caused by a peril insured against, even though the loss would not have happened but for the misconduct or negligence of the master and crew (MIA § 55 Abs. 2a). Der Versicherer haftet also nicht für wilful misconduct der Schiffsbesatzung. Er haftet insbesondere nicht, wenn der Kapitän das versicherte Schiff unbefugt verkauft. It has often been observed, that a sale by the master is not one of the underwriter's perils, and is only material as showing that there is no longer anything which can be done to save the thing sold for whom it may concern (Rankin v. Potter 1873 bei C h a l m e r s 79). Aber der Versicherer haftet nach Lloyd's Police für den durch pirates, rovers, thieves, . . . barratry of the master and mariners verursachten Schaden. Indessen umfaßt der Ausdruck piracy nur Handlungen, die auf den gewaltsamen Erwerb der Herrschaft über das Schiff gerichtet sind ( C h a l m e r s 150). Nur robbery, accompanied by violence, and committed by strangers, not by the crew, is a loss for which the underwriters on the ship or goods are liable ( A r n o u l d 7g4 s. 834). Und the term „thieves" does not cover clandestine theft or a theft committed by any one of the ship's company, whether crew or passengers (RCP 9). Bleibt also nur die Haftung für barratry. The term „barratry" includes every wrongful act wilfully committed by the master or crew to the prejudice of the owner, or, as the case may be, the charterer (RCP 11). Die letzten Worte bedeuten: in cases where the charterers of the ship are considered owners pro tempore ( A r n o u l d 796 s. 836). Barratry sind also nicht nur Handlungen, welche die Schiffsbesatzung begeht, u m sich gerade auf Kosten des Reeders einen Vermögensvorteil zu verschaffen, oder auch nur um gerade dem Reeder Schaden zuzufügen, but every wilful act on his part of known illegality, gross malversation, or criminal negligence, by whatever motive induced, whereby the owners . . . are, in fact, damnified ( A r n o u l d 796 s. 836). U n d barratry sind nicht nur Handlungen, die sich unmittelbar gegen Sachen des Reeders richten, sondern auch Handlungen, die gegen andere Sachen gerichtet sind, aber mittelbar auch für den Reeder von Nachteil sind, insbesondere Veruntreuung von Frachtgut, für die der Reeder dem Ladungsbeteiligten haftet (HGZ 1908. 233, 1910. 60, LG Hamburg H G Z 1885. 71; vgl. auch R G H G Z 1908. 274; abw. B o y e n s Seerecht 2. 224, S i e v e k i n g Seerecht 300, AG u. LG Hamburg H G Z 1899. 69, 1903. 78, 1908. 230). Von barratry ist also keine Rede, wenn der Reeder mit dem Verhalten der Schiffsbesatzung einverstanden ist; weder der Kaskoversicherte noch auch der Güterversicherte kann Entschädigung verlangen, — was j a auch dem deutschen Rechte entspricht, (oben Anm. 40, 45). Aber der Güterversicherer haftet auch dann nicht, wenn der Reeder (wie regelmäßig) sich nur im Frachtvertrag von der Haftung für barratry freigezeichnet hat und die Schiffsbesatzung die Güter veruntreut (vgl. H G Z 1908. 235). — Nach den I T C und I VC deckt die Versicherung auch neglience of Master, Officers, Crew or
Schäden unter 3%
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Pilote, provided such loss or damage has not resulted from want of due diligence by the § 3 3 assured, owners or managers (vgl. A r n o u l d 1294). b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Toutes pertes et dommages provenant du fait de Anm. 49 l'assure, ne sont point ä la charge de l'assureur (C. de comm. Art. 351). Aber der Versicherungsnehmer ne repond pas seulement de ses fautes personelles; sa responsabilite est encore engage par toutes les fautes commises par ses preposes ( R i p e r t Nr. 2696, Güterpolice Art. 5). Les dommages causes par le fait et faute des proprietaires, affreteurs ou chargeurs, ne sont point ä la charge des assureurs (C. de comm. Art. 352). Der Versicherer, insbesondere auch der Güterversicherer, n'est point tenu des prevarications et fautes du capitaine et de l'equipage, connues sous le nom de baraterie de patron (C. de comm. Art. 353). L a doctrine moderne . . . qualifie baraterie toutes les fautes du capitaine (imAnschluß an Ord. de la mar.: oben Anm. 15, R i p e r t Nr. 2700; vgl. auch L e w i s 2. 370). Dieser Standpunkt war auf die Dauer nicht zu halten. Im Art. 1 der franz Policen übernehmen die Versicherer auch die durch baraterie entstehenden Schäden. Die Kaskopolice schränkt aber im Art. 4 die Haftung wieder ein: Der Versicherer haftet nicht für faits de dol et de fraude du capitaine usw. L'assureur de la baraterie repond done simplement de la perte ou de l'avarie du navire causee par une faute involontaire du capitaine, par exemple de l'echouement ou de l'abordage dü ä une fausse manoeuvre du capitaine ( R i p e r t Nr. 2706). c) Uber Versuche der I n t e r n a t i o n a l i s i e r u n g des Schadenverhütungs-Rechts: Anm. 50 Int. Mar. Ins. Rules der Int. Law Association, Rouen Conf. 1900, Glasgow Conf. 1901. § 3 4 Schaden von weniger als 3 % (1) Der Versicherer haftet nicht für einen Schaden, wenn dieser 3 % des Versicherungswerts nicht erreicht. (2) Der Versicherer haftet für Beiträge zur großen Haverei und Aufopferungen auch dann, wenn diese 3 % des Versicherungswerts nicht erreichen. Das Gleiche gilt von der Haftung für den durch einen Schiffszusammenstoß entstandenen mittelbaren Schaden und für die im § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und im § 95 Abs. 3 bezeichneten Aufwendungen. Schäden und Aufwendungen, für die der Versicherer hiernach unbeschränkt haftet, sowie die im § 32 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Kosten kommen für die Berechnung der nach Abs. 1 maßgebenden Haftungsgrenze nicht in Betracht. (3) Bei einer Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, ist für jede Reise besonders zu ermitteln, ob der Schaden in dem im Absatz 1 bezeichneten Verhältnisse zum Versicherungswerte steht. Als Reise im Sinne dieser Bestimmung gilt jede Fahrt, zu der das Schiff von neuem ausgerüstet oder die auf Grund eines neuen Frachtvertrags oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetreten wird, sowie jede Zureise in Ballast. Die zwischen zwei Reisen liegende Zwischenzeit wird der vorhergehenden Reise zugerechnet. 1. Vgl. H G B §§ 845, 846, A S V B §§ 83, 97, 98, AlteKZP, AlteKRP, AlteGP Zusatz Anm. 1 zu § 84 Abs. 1 (Mat. 2. 100, 103, 107), AlteKZP, A l t e K R P Zusatz zu § 97 (Mat. 2. 103, 108), BSVB §§ 10, 1 1 .
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§ 34 2. L i t e r a t u r . C r u z i g e r AssJB 32 I I 31 (Franchise in der Seeversicherung). Anm. 2 H o u g e n I T V M i t t 1912. 34 (Zweckmäßige Franchise in der Kaskoversicherung). W i n k l e r , Die den Umfang der Gefahr beschränkenden Klauseln des Seeversicherungsvertrags, Diss. 1916. Anm. 3 3. A b s . 1. Zeit ist Geld. Mit Bagatellschäden sich abzugeben, lohnt die Mühe und Kosten nicht, die mit der Ermittlung und Feststellung des Schadens verbunden sind (Prot. 3294). Außerdem sind kleine Alters-, Abnutzungs- und Beschaffenheitsschäden von wirklichen Schäden oft schwer zu unterscheiden und dem Versicherer daher leicht zur Last zu legen (Prot. 3294; vgl. auch § 1 1 3 Anm.). Die Versicherer machten sich deshalb schon früh von kleinen Schäden frei. Zuerst von Schäden, die 1 % des Versicherungswerts nicht überstiegen (Guidon de la mer 5. 12, Ord. de la mar. 6 I I I 30, K i e ß e l b a c h 119). Später von Schäden, die 3 % nicht überstiegen („Vergleich" von 1677: Vorb. vor§ 1 Anm. 3, A H O 1731 X X I 7 , 1 1 ) . Dabei mag zunächst die Absicht gewesen sein, den Versicherer von den ersten 1 oder 3 % unter allen Umständen freizuhalten (sog. erste Franchise, Exzedentenfranchise, Decortfranchise, in romanischen Ländern üblich: franchise toujours deduite: unten Anm. 14). Jedenfalls hat sich dies nicht eingebürgert (vgl. schon fimerigon ch. 12 s. 44; de lege ferenda für die Decortfranchise und gegen den Abzug wegen des Unterschiedes zwischen neu und alt: H o u g e n I T V M i t t 1912. 34): Der V e r s i c h e r e r h a f t e t nicht, w e n n d e r S c h a d e n 3 % d e s V e r s i c h e r u n g s w e r t s (die sog. Franchise) n i c h t e r r e i c h t . Dann aber ganz (sog. Integralzahlung). — Der Ausdruck „Franchise" ist also, wenn nicht ungenau, so doch mißverständlich. Der Versicherer ist nicht unbedingt, sondern nur bedingt frei. — Übrigens wird heute die Franchise vielfach (wenigstens bei der Kaskoversicherung) besonders gedeckt, und zwar bei einem anderen als dem Hauptversicherer. Anm. 4 a) D e r V e r s i c h e r e r h a f t e t n i c h t . Die Haftung ist durch den Versicherungsvertrag objektiv beschränkt (vgl. § 19 Anm. 26). Der Versicherungsnehmer kann nicht einwenden, daß 2 % der versicherten Güter unstreitig gestohlen seien, und daß deshalb die dem § 34 zugrunde liegende Erwägung versage. Anm. 5 b) Der Versicherer haftet f ü r e i n e n S c h a d e n nicht. Er haftet grundsätzlich für keinerlei Schäden unter 3 % . So ζ. Β nicht für einen indirektenKleinschaden des § 109 Abs. 3. Eben deshalb macht § 34 Abs. 2 von der Regel Ausnahmen (vgl. § 32 Anm. 3). Anm. 6 c) Der Versicherer haftet für keinen Schaden, d e r 3 % des V e r s i c h e r u n g s w e r t s n i c h t e r r e i c h t . -— Uber den Begriff des Versicherungswerts: § 6 Anm. 3. Ist der Versicherungswert taxiert, so ist die Taxe maßgebend (§ 6 Abs. 2, Herabsetzung der Taxe: § 6 Abs. 2 Satz 2). Auch, wenn die Taxe untersetzt ist; der Versicherer kann nicht Heraufsetzung verlangen (§ 6 Anm. 28; anders Ε 1910 § 37 Abs. 1 Satz 2 für den Fall erheblicher Untersetzung). Wenn die Taxe 100000, der wirkliche Versicherungswert 200000 und der Schaden 4000, also nur 2 % des wirklichen Versicherungswerts, beträgt, haftet der Versicherer. Hieran ändert auch die Kasko-Teilschaden-KIausel (§ 70 Anm., Vorb. vor § 1 1 3 ) nichts; der Versicherer würde im Beispielfall haften (wenn auch natürlich nur für 2000). — Maßgebend ist der Versicherungswert des G a n z e n . Auch wenn einzelne Güter oder Teile besonders verpackt sind, insbesondere wenn das Ganze (ζ. B. Hausrat) aus selbständigen Stücken besteht. Anders, wenn einzelne Gegenstände oder Teile besonders taxiert sind (§ 7, § 7 Anm. 9; vgl. auch die Teilungsklausel Vorb. vor § 1 1 3 und die Leichterklausel in Ziff. 16 der Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung). Maßgebend ist natürlich nur der Versicherungswert dessen, was schon oder was noch versichert ist. Ist die versicherte Holzladung in zwei Häfen einzunehmen, der Schaden auf der Reise vom ersten zum zweiten Hafen entstanden und 4 % der an Bord befindlichen Ladung groß, so haftet der Versicherer, obgleich der Schaden nur 2 % des Wertes der gesamten Ladung erreicht. — Sind auf eine laufende
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Police Güter b e s o n d e r s d e k l a r i e r t , so müssen sie auch als besonders versichert gelten. Anders im Falle eines Mißbrauchs; so, wenn der Versicherungsnehmer etwa von einer geschlossenen Partie Baumwolle jeden einzelnen Ballen besonders aufgibt. Maßgebend wird regelmäßig die Einzelpolice sein. — 3 % des Versicherungswerts müssen e r r e i c h t sein (ebenso BSVB § 10). Der Schaden braucht die 3 % nicht zu übersteigen (anders HGB § 845). Warum die 3 % nicht erreicht sind, ist ohne Bedeutung; wenn der Schaden infolge der Abwehrmaßregeln des Versicherungsnehmers nur 2 % beträgt und ohne die Abwehrmaßregeln 1 0 % betragen haben würde, haftet der Versicherer für den gewöhnlichen Versicherungsschaden nicht (wohl aber gemäß § 34 Abs. 2 für den Aufwendungsschaden). — Bei der Berechnung der Franchise werden a l l e S c h ä d e n , die während der Versicherung entstanden sind, z u s a m m e n g e r e c h n e t (Ausnahmen: § 34 Abs. 2, 3). Der Versicherer haftet also, wenn 2 % gestohlen und 2 % durch Seewasser beschädigt sind (Voigt 575). — Schäden, für die der Versichererer n i c h t haftet, werden natürlich nicht mitgerechnet. So ζ. B. nicht Alters- oder Abnutzungsschäden (§ 59) oder Beschaffenheitsschäden (§ 86; OAG Lübeck HambS 3 . 4 3 1 , HG u. OG Hamburg Ullrich Nr. 310, Seebohm 4 1 ; so ausdrücklich für den Fall der Leckage: BSVB § 19 Abs. 3). Wenn von den „Frei von Beschädigung" versicherten Gütern 2 % gestohlen, 2 % (oder 20%) infolge von Beschädigung in ihrer natürlichen Beschaffenheit zerstört werden, haftet der Versicherer nicht. Insbesondere haftet der Kaskoversicherer für Teilschäden nur, wenn sich nach dem Abzug des Unterschiedes zwischen neu und alt (§ 75 Abs. 3) ein Schaden ergibt, der 3 % erreicht. — Was der Versicherungsnehmer a n d e r w e i t zur Ausgleichung des Schadens e r l a n g t , kommt nicht in Betracht (Lewis 2· 382). d) Bei der G e w i η η Versicherung ist natürlich nur der am Gewinn entstandene Schaden zum Versicherungswert ins Verhältnis zu setzen, bei der (gewöhnlichen) M e h r w e r t Versicherung nur der amMehrwert entstandene Schaden zum Versicherungswert des Mehrwerts. Sind Güter und Gewinn „gemeinschaftlich" versichert, so müssen ihre Versicherungswerte für die Berechnung der Franchise auseinandergerechnet werden (vgl. § 101). Beträgt der Gesamtwert ggooo, der Sachschaden 2800, so haftet der Versicherer; denn die Franchise ist nur vom Güterwert (90000) zu berechnen und beträgt mithin nur 2700 (nicht 3 % von 99000 = 2970). Sind Güter und Mehrwert gemeinschaftlich versichert, also der Mehrwert in den Versicherungswert der Güter eingerechnet, ζ. B. schwimmende Güter nicht zum Abgangswert, sondern zu dem inzwischen gestiegenen Werte (für Vergangenheit und Zukunft) versichert, so wird nicht auseinander gerechnet, — so wenig, wie, wenn sonstwie der Versicherungswert abweichend von den ADS vereinbart wird, die Güter etwa vor ihrem Abgang nicht zum Abgangs-, sondern zum Ankunftswert versichert werden. e) Hin und wieder werden Güterversicherungen mit der Klausel „Einschließlich jeden Mankos" genommen. Die Bedeutung dieser Klausel ist zweifelhaft, die Verkehrsauffassung nicht sicher. Der Versicherer wird jedenfalls für Verlust auch dann haften, wenn dieser 3 % nicht erreicht. Und auch für Verlust, der durch die natürliche Beschaffenheit der Güter entstanden ist; aber natürlich nicht für den Verlust, der aus der erfahrungsgemäß notwendigen Veränderung der Güter entstanden, also objektiv und subjektiv gewiß ist (vgl. § 86 Anm.1. 4. A b s . 2. In gewissen Fällen versagt der Grund der Franchise. Der Versicherer haftet in diesen Fällen unbeschränkt, also auch dann, wenn der Schaden 3 % des Versicherungswerts nicht erreicht; nämlich: 1. für H a v a r i e g r o s s e - B e i t r ä g e ; 2. für Aufopferungen. Und zwar nicht nur für Havariegrosse-Aufopferungen, sondern auch für Aufopferungen, die keine Havariegrosse-Aufopferung sind, weil
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nicht beide, Schiff sowohl wie Ladung, ganz oder teilweise gerettet sind (vgl. H G B § 703), oder weil das Schiff keine Ladung fährt (näheres: § 29 Anm. 12, 29 fr.). Überdies sind Aufopferungen, die keine Havariegrosse-Aufopferungen sind, Aufwendungen zur Abwendung von Schaden (§ 32 Anm. 6). — Nach § 84 A S V B haftete der Versicherer für Havariegrosse-Beiträge und Aufopferungen, wenn sie 1 % des Beitragswerts überstiegen. Doch verzichteten die Assekuradeure später auf diese Haftungsbeschränkung (Zusatz zu A S V B § 84, Mat. 2. 100, 103, 107), nachdem es üblich geworden war, die Haftungsbeschränkung durch Policenklausel (ζ. B. „Jede Havariegrosse ist zu vergüten": H G Z 1882. 76) zu beseitigen. 3. f ü r Indirekten K o l l i s i o n s s c h a d e n (§ 78; vgl. Zusatz zu A S V B § 97: Mat. 2. 103, 108); 4. f ü r A u f w e n d u n g e n z u r A b w e n d u n g oder Minderung d e s S c h a d e n s (§ 32 Abs. 1 Nr. 1); 5. f ü r w e i s u n g s g e m ä ß g e m a c h t e A u f w e n d u n g e n (§ 32 Abs. 1 Nr. 2); 6. für die K o s t e n der U m l a d u n g , L a g e r u n g und W e i t e r b e f ö r d e r u n g der versicherten Güter, wenn die Beförderung geändert wird, der Versicherer aber gleichwohl haftet (§95 Abs. 3).
Alle diese S c h ä d e n k o m m e n aber andererseits auch bei der B e r e c h n u n g der F r a n c h i s e nicht in B e t r a c h t . Beträgt ζ. B. der direkte Kollisionsschaden 1 %, der indirekte 50%, so haftet der Versicherer nur für 50%. Sind Güter versichert, durch Seewasser beschädigt und durch Trocknung vor weiterem Schaden bewahrt, so hat der Versicherer die 1 % betragenden Trocknungskosten, nicht den 2 % betragenden Substanzschaden zu ersetzen (vgl. oben Anm. 6). A u c h die S c h a d e n f e s t s t e l l u n g s - K o s t e n kommen bei der Berechnung der Franchise nicht in Betracht. Das ergibt schon § 32 Abs. 1 Nr. 3. Der Versicherer ersetzt diese Kosten nur, wenn sie „durch die Ermittlung und Feststellung des dem Versicherer zur Last fallenden Schadens entstehen". Er ersetzt sie also insbesondere nicht, wenn sie einen Schaden betreffen, der 3 % des Versicherungswerts nicht erreicht. Anm. 10 5. A b s . 3. Alle Schäden, die während der Versicherung entstehen, werden zusammengerechnet (oben Anm. 6). Die Umstände des Falles und die Verkehrsanschauung können etwas anderes ergeben. Werden Güter zum Ausstellungsort und zurück versichert, so werden Hin- und Rückreise als besonders versichert gelten müssen. Auch bei der Zeit-Kaskoversicherung hat man zunächst den Grundsatz anwenden wollen, daß alles, was während der Zeit passiert, zusammenzurechnen sei ( A r n o u l d 854 s. 890). Da dies praktisch unerträglich war, ist man davon in view of a long established maritime practice abgekommen. Es wird each voyage as if separately insured behandelt (ITC bei A r n o u l d 1300), „die Havarie einer jeden Reise separat. . . und nie Eine in die Andere gerechnet" (AllgPlan 1847 § 53). So auch § 34 Abs. 3; aber nicht nur für Kaskoversicherungen, sondern f ü r alle V e r s i c h e r u n g e n , die „ s i c h a u f d a s Schiff b e z i e h e n " (vgl. § 33 Abs. 32), insbesondere auch für Frachtversicherungen, da diese sich auch auf das Schiff beziehen; und nicht nur für Zeitversicherungen, sondern auch für Versicherungen mehrerer Reisen (vgl. HGB § 845 Abs. 2) und sogar für die Versicherung einer einzelnen (zusammengesetzten) Reise. Für die Berechnung der Franchise werden besondere Versicherungsabschnitte, Versicherungsperioden, besondere F r a n c h i s e - R e i s e n gebildet. Und zwar gilt als Franchise-Reise: 1. jede Fahrt, zu der das S c h i f f v o n n e u e m a u s g e r ü s t e t ist (vgl. H G B § 757). Maßgebend ist die Neuausrüstung für die Erreichung des Zieles bei Zielreisen, für die Erreichung des Zweckes bei Zweckreisen (über Ziel- und Zweckreisen: § 23 Anm. 51). Ergänzung der Schiffsvorräte und nach dem Antritt der Fahrt
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notwendig gewordene Ausbesserung des Schiffes sind an und für sich noch keine § 34 Neuausrüstung (Prot. 2935; s. aber auch B G H Z 3. 321). Unter die Bestimmung fällt auch die Fahrt eines gemieteten Schiffes, wenn es nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter zurückgegeben wird ( B G H Z 3. 34). 2. jede Fahrt, die a u f G r u n d e i n e s n e u e n F r a c h t v e r t r a g s a n g e t r e t e n wird (vgl. H G B § 757). Wird in mehreren Häfen nacheinander, sei es auch auf Grund neuer Frachtverträge, Ladung eingenommen, so beginnt doch nicht in jedem neuen Hafen eine neue Reise; denn die Fahrt wird im zweiten, dritten usw. Hafen nicht „angetreten", sondern fortgesetzt. Dagegen ist es eine neue Reise, wenn das Frachtgut auf Grund neuen Frachtvertrags vom Bestimmungsort weiter- oder zurückbefördert wird (vgl. H G Z 1891. 30). — Dies gilt sinngemäß für Schiffe, die keine Frachtschiffe sind, ζ. B. Passagierschiffe (vgl. H G B § 677), Schlepper, Bergungsdampfer usw. 3. jede Fahrt, die n a c h v o l l s t ä n d i g e r (und endgültiger) L ö s c h u n g der Ladung a n g e t r e t e n wird (vgl. H G B § 757). 4. jede Z u r e i s e i n B a l l a s t , — d. h. „eine solche Reise, welche das Schiff in Ballast zu dem Zweck unternommen hat, um an dem Bestimmungsorte Ladung für eine fernere Reise nach einem anderen Platz einzunehmen" ( A S V B § 83 a. E). So, wenn das Schiff, neu ausgerüstet, auf Grund eines neuen Frachtvertrags, in Ballast nach einem anderen Orte fährt, um von hier aus, ohne neu ausgerüstet zu werden, eine Frachtreise anzutreten (vgl. Ε i866 § 82 Anm., auch H G B §§ 622 Abs. 1, 640 Abs. 1: „Zureise in Ballast nach dem Abladungshafen"). Die Franchise-Reisen sind so bestimmt, daß sie ineinander übergehen können. Das Schiff kann, ohne von neuem ausgerüstet zu sein, auf Grund eines neuen Frachtvertrags oder nach vollständiger Löschung der Ladung eine Reise antreten oder auf Grund eines neuen Frachtvertrags eine Zureise in Ballast machen. Der Versicherungsnehmer kann sich nicht die günstigste Reise aussuchen. Die k l e i n e r e R e i s e ist m a ß g e b e n d . Ist insbesondere der Schaden auf der Ballast-Zureise entstanden, so kann der Versicherungsnehmer nicht einen späteren Schaden hinzurechnen, mögen auch beide Schäden auf einer Reise entstanden sein, die auf Grund eines neuen Frachtvertrags angetreten ist. Anders ausdrücklich I T C : Der Versicherungsnehmer kann wählen. Die englische Klausel sieht aber auch nur zwei Franchise-Reisen vor, nämlich wenn the Vessel (1) begins to load cargo or (2) sails in ballast to a loading port. § 34 Abs. 3 bestimmt weder, wann die Franchise-Reise beginnt, noch wann sie endigt. Da aber die Versicherung in Einzelreise-Versicherungen aufgelöst werden soll, muß angenommen werden, daß die F r a n c h i s e - R e i s e n ebenso b e g i n n e n u n d e n d i g e n sollen, w i e w e n n die Franchise-Reisen b e s o n d e r s v e r s i c h e r t wären. Ist ζ. B. das Schiff zu einer Fahrt von neuem ausgerüstet, so beginnt die FranchiseReise, wenn mit der Einnahme der Ladung oder des Ballastes angefangen wird, oder, wenn Ladung oder Ballast nicht einzunehmen ist, mit der Abfahrt (§ 66 Abs. 1). Die eine Franchise-Reise braucht sich aber nicht unmittelbar an die andere anzuschließen (vgl. auch § 69). Deshalb bestimmt § 34 Abs. 3 Satz 3, daß die Zwischenzeit zur vorhergehenden Franchise-Reise gerechnet werden soll. — Eingehendere Bestimmungen in den I T C . § 34 Abs. 3 ist unter Umständen auch bei Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, sinngemäß anzuwenden. So etwa auf die Zeitversicherung von Seemannseffekten (vgl. auch § 37 Anm. 7). 6. B e w e i s l a s t . Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß der Schaden 3 % Anm. 11 des Versicherungswerts erreicht, da er j a überhaupt die Höhe des Schadens zu beweisen 37
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§ 3 4 hat ( O A G Lübeck HambS 3. 4 3 1 , 5. 55). — Ist streitig, ob der Schaden auf einer Franchise-Reise oder auf mehreren entstanden ist, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, auf welcher Franchise-Reise er entstanden ist, und zwar aus demselben Grunde, aus dem er beweisen muß, daß der Schaden während der Dauer der Versicherung entstanden ist (§ 28 Anm. 3 1 ) . Wie aber unter Umständen dem Versicherer auch ein Schaden zur Last fällt, der erst nach Ablauf der Versicherung entsteht, so kann auch ein Schaden, der erst nach Beginn einer neuen Franchise-Reise entsteht, noch der früheren Franchise-Reise zuzurechnen sein (§ 28 Anm. 28). Anm. 12 7. § 34 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Der abwicklungsberechtigte Vorversicherer braucht sich dem Vorversicherten gegenüber auf § 34 nicht zu berufen, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer sich verständiger und billiger Weise darauf nicht berufen würde (§ 1 Anm. 154). Anm. 13 8. F r e m d e Rechte (vgl. auch oben Anm. 3, 6, 9, 10). a) E n g l i s c h e s Recht. M I A bestimmt keine Franchise. Aber Lloyd's Police enthält das common memorandum: Corn, fish, salt, fruit, flour, and seed are warranted free from average, unless general, or the ship be stranded — sugar, tobacco, hemp, flax, hides, and skins are warranted free from average, under five pounds per cent, and all other goods, also the ship and freight, are warranted free from average, under three pounds per cent., unless general, or the ship be stranded. Außerdem gilt die Kaskoversicherung warranted free from particular average under 3 per cent., but nevertheless, when the Vessel shall have been stranded, sunk, on fire, or in collision with any other Ship or Vessel, Underwriters shall pay the damage occasioned thereby ( I T C , I V C bei A r n o u l d 8, 1300; über die F. P. A. clause der I C C § 1 1 4 Anm.). — Der Versicherer haftet also unbeschränkt in Strandungs- und ähnlichen Fällen (vgl. auch Mat. 1. 140, 365, 366). Er haftet ferner unbeschränkt für Havariegrosse-Schäden, für salvage charges, für particular charges und für andere expenses properly incurred pursuant to the provisions of the suing and labouring clause in order to avert a loss insured against ( M I A § 76 Abs. ι , 2; vgl. § 32 Anm. 33). — Bei Berechnung der Franchise kommt nur the actual loss suffered by the subject matter insured in Betracht. Particular charges and the expenses of and incidental to ascertaining and proving the loss werden nicht berücksichtigt ( M I A § 76 Abs. 4); ebensowenig Havariegrosse-Aufopferungen ( M I A § 76 Abs. 3). — Über die Auflösung der Zeitversicherung in Franchise-Reisen vgl. oben Anm. 10. Anm. 14 b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Nach Art. 408 C. de comm. haftet der Versicherer nicht, si l'avarie commune n'excede pas un pour cent de la valeur cumulee du navire et des marchandises, et si l'avarie particuli£re n'excede pas aussi un pour cent de la valeur de la chose endommagee. Die Vorschrift Schloß sich an Ord. de la mar. 3 V I 47 an, geriet aber bald außer Gebrauch. Nach Art. 23 Ziff. 7 der Kaskopolice les avaries particuliferes ne seront rembourssees que sous la retenue des franchises ci-apres usw. Dans les assurances ä terme ou ä prime liee, chaque voyage est l'objet d'un reglement distinct et separe (näheres Kaskopolice Art. 2 1 ) . § 3 5 Frei von Kriegsgefahr (1) Der Versicherer trägt nicht die Gefahr eines Krieges. E r haftet insbesondere nicht für einen Schaden, der durch eine durch den Krieg veranlaßte M a ß nahme einer, sei es anerkannten, sei es nicht anerkannten, kriegführenden Macht, namentlich nicht für einen Schaden, der dadurch verursacht wird, daß
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die versicherte Sache angehalten, aufgebracht, genommen, zurückgehalten, § 35 angefordert, beschlagnahmt oder durch die in Anlaß des Krieges gelegten Minen oder infolge anderer Maßnahmen beschädigt oder vernichtet wird; den Maßnahmen einer kriegführenden Macht stehen diejenigen einer anderen Macht gleich, wenn diese binnen sechs Monaten nach der Maßnahme in den Krieg eintritt. (2) Bei einer Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht antritt oder nicht fortsetzt oder einen Hafen anläuft, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer, sobald er hiervon Kenntnis erlangt, unverzüglich dem Versicherer erklärt, daß die Verpflichtung bestehen bleiben soll. (3) Bei einer Versicherung, die sich auf die Güter bezieht, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die Güter infolge der Kriegsgefahr ausgeladen werden, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer, sobald er von der bevorstehenden oder bewirkten Ausladung Kenntnis erlangt, unverzüglich dem Versicherer erklärt, daß die Verpflichtung bestehen bleiben soll. Dauert in diesem Falle der Aufenthalt länger als zwei Monate, so haftet der Versicherer für eine später entstehende Beschädigung oder Leckage nur im Falle einer Strandung, auch wenn er sonst noch in anderen Fällen haftet; die Bestimmungen des § 114 Abs. 1 und 3 über die Haftung des Versicherers im Strandungsfalle finden entsprechende Anwendung. (4) Wird die Gefahr, die der Versicherer trägt, infolge der Kriegsgefahr geändert und der Versicherer durch die Änderung von der Verpflichtung zur Leistung nicht befreit, so gebührt dem Versicherer eine Zuschlagsprämie. Dies gilt insbesondere, wenn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht antritt oder nicht fortsetzt oder einen Hafen anläuft. 1. Vgl. H G Β § 849, A S V B § 101, A l t e G P Zusatz zu § 101 (Mat. 2. 100), BSVB § 21. Anm. 1 2. Literatur. A n o n . I T V M i t t 1916. 115 (Auslegung der Klausel free from cap- Anm. 2 ture), I T V M i t t 1919. 14 (Die Gefahren des Wracks), WallmannsZ 54. 80 (Das Repressalien-Risiko). A u d o u i n Journ. de droit int. priv. 1904. 1025 (De quelques questions relatives ä l'assurance des risques de guerre), ebendort 1905. 146 (Des principales clauses d'assurances contre les risques de guerre). B r u c k H R Z 1918. 19 (Schiffsladungen in italienischen und portugiesischen Häfen). B r ü d e r s , Zusammenstellung der wichtigsten Policenbedingungen und gesetzlichen Vorschriften über die Versicherung gegen Kriegsgefahr, 1911. C r u y s m a n s , Des risques de guerre usw. 1862. D u r s t L Z 1921 Nr. 16/17 RuwNachr 5 (Haftung des Kriegsversicherers für Requisitionsschäden), NeumannsZ 1921. 173 (Repressaliengefahr). H a g e n S V R 46—53. H a g e n s H R Z 1918. 1, 52 (Seeversicherung im Kriege), H R Z 1918. 679, 732 (Seeversicherung der Güter im Kriege). H a s s e l m a n n , Seekriegsversicherung, 1918. H e y n e n , Die Kriegsseeversicherung, Diss. Hamburg 1927. K a e m m e r e r I T V M i t t 1916. 20 (Haftung des Versicherers für Requisitionsschäden). K e r s t e n , Die politischen Gefahren im Versicherungsrecht, Diss. Hamburg 1950. K l e i n w o r t A f H R 1. 499 (Kosten der Zurückweisung des Schiffes vom blockierten Bestimmungshafen). K ö h l e r , Die Seekriegsversicherung, Diss. 1913. L i e b i s c h H R Z 1921.321 (Seekriegsversicherung nach den A D S ) . L i t t m a n n OestRev 1912. 120 (Seeversicherung und Dardanellensperre). L u r e a u , L'Assurance des Risques Maritimes de guerre et les Polices Franfaises, 1941. L u r i a 37«
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Kriegsgefahr
§ 3 5 Z f V W 1919. 271 (Ausfuhrversicherung). M a r q u e t , Assurances Maritimes contre les Risques de Guerre, 1949. M a r t i n , Haftung des Versicherers für Güter aus deutschen Schiffen in italienischen und portugiesischen Häfen, 1918. M ö h r i n g H R Z 1927. 801 bis 8 1 0 (Ansprüche deutscher Rückversicherter aus Vorkriegs-Seerückversicherungsverträgen mit englischen Rückversicherern; das Ausgleichsverfahren und die Beschlagnahme im Friedensvertrag von Versailles). M ö l l e r D J Z 1936. 1 6 6 — 1 7 2 (Krieg und Versicherung), Die Bank 35. J h g . H e f t 2 i (Seekrieg und Kriegs versiehe rung). M ö n c k e b e r g I T V Mitt 1 9 1 6 . 34 (Haftung des Versicherers für Requisitionsschäden). P a u l y , Die Hamburger Kriegsklausel in der Seeversicherung, 1 9 1 8 , Die englische KriegsgefahrVersicherung in der Seeversicherung, 1918. P l a a s , Kriegsgüterversicherung, Diss. Hamburg 1942. P l a s s Z f V W 1 9 1 6 . 4 1 6 (Einfluß des Krieges auf die Transportversicherung), AssJB 37 I I 120 (Kriegsversicherungsrecht für See- und Transportgefahren in Europa. P r ö l ß D R Z 1946. 49 (Kriegsereignisse im Versicherungsrecht). R a u s n i t z I T V M i t t 1 9 1 6 . 22, 84 (Haftung des Versicherers für Requisitionsschäden), N e u m a n n Z 1 9 1 6 . 1 1 1 (Haftung des Nur-für-Seegefahr-Versicherers für die Gefahr der Verfügung von Hoher Hand). R e h d a n s , Prisenordnung und Prisengerichtsordnung, erläuterte Textausgabe, 1942. R e u t t i AssJB 8 I I 183 (Über Kriegsgefahr). S a d e e OestRev 1 9 1 2 . 1 1 8 (Kriegsversicherungen). S a l z m a n n , Die Kriegsgefahr in der See- und Landtransportversicherung, Diss. Bern (ohne Jahresangabe). S c h a p s Z f V W 1908. 474 (Seeversicherung gegen Minengefahr). S c h e e l , Die Einwirkung des Weltkrieges auf die rechtliche Gestaltung der Seeversicherung, Diss. Leipzig 1925. S c h e r z b e r g , Die Kriegsklausel in der Seeversicherung, 1954 (Übersee-Studien Heft 23). S c h o n f e l d , L e risque de guerre en matiere d'assurances maritimes, 1 9 1 6 . S c h j e l d e r u p H R Z 1920. 57 (Uber die Haftung f ü r Kriegsgefahr nach norwegischem Recht). S i e v e k i n g Z f V W 1908. 8, L Z 1908. 200 (Seeversicherung gegen Minengefahr). V e r n e a u x J o u r n . de droit int. priv. 1908. 467 (L'assurance des risques de guerre en matidre maritime). V r a n c k e n I T V M i t t 1916. 86 (Haftung des Versicherers für Requisitionsschäden). W e h b e r g Z f V W 1 9 1 5 . 25 (Die seekriegsrechtlichen Ereignisse des gegenwärtigen Krieges), NeumannsZ 1 9 1 2 . 491 (Die Seekriegsversicherung und die Minengefahr). W e r n e b u r g OestRev 1 9 1 7 . 1 1 8 (Klauseln im Seeversicherungsrecht). W i n k l e r , Die den U m f a n g der Gefahr beschränkenden Klauseln des Seeversicherungsvertrags, Diss, i g i 6. W i t t m a a c k Z H R 76. 337 (Wann tritt der Totalverlust des Schiffes ein?). Z i m m e r m a n n , Kriegsschäden und Versicherung, Diss. Hamburg 1946. — Weitere Literatur: Vorb. vor § 1 Anm. 19 und Anm. 1 zu § 1 2 1 . Anm. 3
3. Auch die Kriegsgefahr gehört zu den „ G e f a h r e n der Seeschiffahrt" (§ 28 A n m . 4, 1 1 ) . Sie gehörte auch bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts zu den gewöhnlichen Gefahren der Seeschiffahrt, — ebenso, wie die Gefahr des Seeraubs. K e i n Wunder, daß die Versicherungen allgemein die Kriegsgefahr einschlossen. Mit Zunahme der Waffenruhe setzte man die Prämien herab und vereinbarte Klauseln, nach denen bei Ausbruch eines Krieges Prämienzulagen zu zahlen waren ( £ m e r i g o n ch. 3 s. 5). Z u r Zeit des ersten Napoleon war der Seekrieg wieder auf der Tagesordnung. 1 8 1 5 begann von neuem eine längere Zeit des Friedens. 1830, mit der Einnahme Algiers, war auch die „ T ü r k e n g e f a h r " beseitigt (vgl. insbesondere K n i t t e l , Alte Assecuradeure usw.). Seit 1840 begann man in Frankreich die Kriegsgefahr auszuschließen ( R i p e r t Nr. 2667). In England hatte, umgekehrt, schon vorher gerade der napoleonische Krieg den Anlaß dazu gegeben. I n Deutschland waren schon früher Ausschlußklauseln üblich ( B e n e c k e 3. 67, 333, K i e ß e l b a c h 148). I m Anschluß an diese Entwicklung stellt das H G B zwei Klauseln zur Verfügung:
Anm. 4
a) Die Klausel „ N u r f ü r S e e g e f a h r " (früher: „Bloß für Seegefahr", „Bloß gegen Seegefahr"). Sie war im hansestädtischen Versicherungsverkehr üblich und den
Kriegsgefahr
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Policen aufgedruckt; vgl. HGB § 849, ASVB §101, Mat. 2. 99 (teilweise anders BSVB § 35 §21; vgl. dazu RG go. 142). Danach haftet der Versicherer (der „Seeversicherer" im engeren Sinne) nicht „für die zunächst durch Kriegsgefahr verursachten Schäden", trägt aber „alle übrigen Gefahren auch nach dem Eintritt einer Kriegsbelästigung"; „die Gefahr endet für den Versicherer erst mit der Kondemnation der versicherten Sache oder sobald sie geendet hätte, wenn die Kriegsgefahr nicht ausgenommen worden wäre". Der Wortlaut der Klausel („Nur für Seegefahr") ist mißverständlich (vgl. E h r e n b e r g R V 177, RG 25. 94, 47. 179, 89. 140, HGZ 1896. 244; bereits von B e n e c k e 3. 339 erkannt). Allerdings schließt der Wortlaut der Klausel die Kriegsgefahr aus. Denn die Kriegsgefahr gehört zwar zu den „Gefahren der Seeschiffahrt", aber nicht zu den „Gefahren der See". Aber zu den Gefahren der See gehören auch andere Gefahren nicht, die der „Seeversicherer" gleichwohl trägt, ζ. B. die Diebstahlsgefahr. Auch könnte aus dem Wortlaut der Klausel geschlossen werden, daß der Versicherer die Kriegsgefahr zwar nicht zur See, wohl aber zu Lande trägt, soweit die Seeversicherung (insbesondere die durchgehende Versicherung: § 125) auch Landgefahren deckt, — was natürlich nicht die Meinung ist (RG HGZ 1888. 170, HGZ 1888. 26, LG Hamburg HGZ 1887. 294). Aus d i e s e m Grunde lautet die Uberschrift des § 35 (nicht, wie noch die des § 38 Ε i g i o : „Haftung nur für Seegefahr", sondern:) „Frei von Kriegsgefahr" (welche Bezeichnung freilich früher als gleichbedeutend mit mit der Bezeichnung „Frei von Kriegsmolest" aufgefaßt wurde: Pohls 4. 333, V o i g t 584). b) Die Klausel „ F r e i von K r i e g s m o l e s t " , die im binnenländischen, nieder- Anm. 5 ländischen und schweizerischen Seeversicherungs-Verkehr üblich ist (HGB §848, ASVB § 100, BSVB § 20). Näheres: ADS § 120. 4. Abs. 1. Anders die ADS (im Anschluß an zahlreiche ausländische Rechts- Anm. 6 Ordnungen: unten Anm. 49, und an das deutsche Feuer- und Viehversicherungs-Recht: V V G §§ 84, 117): Der Versicherer trägt alle Gefahren (§ 28), — ausgenommen
die Kriegsgefahr. Denn die Kriegsgefahr läßt sich nicht nach der Erfahrung schätzen und deshalb nicht zu Tarifprämien decken. Abs. 1 ist für die Güterversicherung in den Zusatzbestimmungen zu den ADS für die Güterversicherung (1947) durch folgende Bestimmung ersetzt: „Die Versicherung deckt nicht die Gefahren des Krieges, des Bürgerkrieges und kriegsähnlicher Ereignisse. Auf diesen Gefahren beruhen zum Beispiel Schäden, verursacht durch Handlungen kriegerischer Art, insbesondere durch das Einsetzen der bewaffneten Macht, durch Blockade oder andere Sperren, sowie durch Beschlagnahme oder sonstige durch den Krieg veranlaßte, den versicherten Gegenstand betreffende Maßnahmen einer anerkannten oder nicht anerkannten Macht. Die Versicherung deckt außerdem nicht die Gefahren, die sich unabhängig vom Kriegszustand aus der Verwendung oder dem Vorhandensein von Minen, Torpedos, Bomben und anderen Kriegswerkzeugen ergeben." a) K r i e g im v ö l k e r r e c h t l i c h e n S i n n e ist das letzte Mittel der Selbsthilfe, Anm. 7 die gewaltsame Rechtsbehauptung unter unabhängigen Staaten oder doch staatlich organisierten Parteien (vgl. Lehrb. des Völkerrechts, S c h e r z be rg 32 f.). In diesem Sinne kann insbesondere ein Bürgerkrieg nur einen vorübergehenden Aufstand oder aber bereits einen „Krieg" darstellen. Krieg im völkerrechtlichen Sinne ist immer auch Krieg im versicherungsrechtlichen Sinne (so auch S c h e r z b e r g 34). Aber nicht gilt auch das Umgekehrte. Das Versicherungsrecht zieht, der Verkehrsauffassung folgend, die Grenzen des Begriffs weiter ( E h r e n b e r g 321, K ö h l e r 14, S i e v e k i n g 13g, V o i g t 396, H e y n e n 13, Z i m m e r m a n n 45 und 48, S c h e r z b e r g 34, K e r s t e n 44, RGgo. 380, RG HGZ 1888. 169, 1909. 214, HGZ 1888. 26, 1911. 53, OLG Hamburg APV 1908 II
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§ 35
107, L G Hamburg H G Z 1887. 294). I m H G B kommt dies nicht besonders zum Ausdruck. Die A S V B dagegen (einem Antrag der hamburgischen Assekuradeure folgend) bestimmten ausdrücklich, daß die Nehmung, Beschädigung, Vernichtung und Plünderung durch Kriegsschiffe oder Kaper auch dann als Kriegsereignisse angesehen werden sollten, wenn diese Schiffe „nicht anerkannten M ä c h t e n " gehörten (ASVB § 1 0 1 ; vgl. dazu K ö h l e r 15; dabei ist nicht nur auf den Ausdruck „nicht anerkannte", sondern auch auf den Ausdruck „ M ä c h t e " — nicht: „Staaten" — Gewicht zu legen). Ε i g i o strich diese Erläuterung der A S V B und bestimmte dafür im § 38 Abs. 4, der Kriegsgefahr solle „die Gefahr der auf gewaltsame Änderung von Staatseinrichtungen gerichteten Bewegungen" gleichstehen. Aber diese Bestimmung schien unzureichend, weil aufrührerische Bewegungen auch ein anderes Ziel haben, insbesondere lediglich darauf gerichtet sein können, bestimmten Personen oder Parteien zur Macht zu verhelfen, und weil auch die Gefahr solcher Bewegungen von der Verkehrsauffassung in die Kriegsgefahr eingeschlossen wird. Aus d i e s e m Grunde sind die ADS zu den A S V B zurückgekehrt: Krieg ist im versicherungsrechtlichen Sinne auch der K a m p f nicht anerkannter Mächte (siehe § 121 Abs. 1: Maßnahmen einer, sei es anerkannten, sei es nicht anerkannten, kriegführenden Macht). Daß § 35 A D S dies nur für den Fall der Haftung des Versicherers für den durch Kriegsmaßnahmen kriegführender Mächte verursachten Schaden (ζ. B. nicht für den durch Plünderung der Truppen verursachten Schaden) ausspricht, darf nicht zu falschen Schlüssen verleiten, — so wenig, wie die Fassung des § 101 A S V B zu dem Schlüsse verleiten durfte, daß nur für die Nehmung usw. durch Kriegsschiffe oder Kaper nicht anerkannte Mächte den anerkannten gleichstanden.
Anm. 8
b) K r i e g i m v e r s i c h e r u n g s r e c h t l i c h e n S i n n e ist also a u c h d e r d e m K r i e g e ä h n l i c h e G e w a l t z u s t a n d . Es gehören also unter den Begriff insbesondere „Bürgerkrieg", „revolutionäre Erhebung" ( S i e v e k i n g 139, V o i g t 398; vgl. H G Hamburg H H 4 3 9 : die konföderierten Staaten im amerikanischen Sezessionskrieg) und „Aufruhr" ( O L G Hamburg A P V 1908 I I 107; unrichtig L u r i a Z f V W 1919. 278). Siehe dazu die in Anm. 6 am Ende wiedergegebene Fassung des Abs. 1 nach den Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung 1947: „Gefahren des Krieges, des Bürgerkrieges und kriegsähnlicher Ereignisse". S c h e r z b e r g 35 (vgl. auch P l a a s 37) weist zutreffend darauf hin, daß man mit dem an die „warlike-operations" der englischen Kriegsklausel anknüpfenden „kriegsähnlichen Ereignissen" keine Haftungsverengerung des Seeversicherers bzw. eine Haftungserweiterung des Kriegsversicherers herbeiführen, sondern die bisherige Auffassung der Lehre und Rechtsprechung nur festlegen wollte, um etwaigen Zweifeln vorzubeugen (so auch K e r s t e n 45f.). Der in § 35 mitumfaßte, in den Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung und in der DTV-Kriegsklausel (vgl. diese Anhang zu §§ 121, 122) besonders aufgeführte Bürgerkrieg ist ein dem Krieg ähnlicher Gewaltzustand. Vgl. den Jahresbericht der Vereinigung der Einheitsversicherer in Dt. Vers. Presse 1933. 31, wonach ein Bürgerkrieg nur vorliegt, wenn eine feste verfassungsmäßige Staatsgewalt als solche nicht mehr vorhanden ist, wenn insbesondere die Regierung die Machtmittel des Staates, insbesondere Heer und Polizei nicht mehr in vollem Umfange hinter sich hat. Siehe auch S c h e r z b e r g 35f., K e r s t e n 46. Anders als beim Bürgerkrieg ist bei sonstigen kriegsähnlichen Ereignissen noch eine feste verfassungsmäßige Staatsgewalt vorhanden und in der Lage, ihre Machtmittel gegen die sich auflehnenden Staatsbürger restlos zu gebrauchen (Jahresbericht der Vereinigung der Einheitsversicherer in Dt. Vers. Presse 1933. 31, S c h e r z b e r g 37). Aufruhr ist natürlich nicht im Sinne des § 1 1 5 S t G B gemeint, sondern im landläufigen Sinne: der „mit den Mitteln der Gewalt durchgeführte, organisierte K a m p f der Untertanen gegen die bestehende Staatsgewalt ( R G H R Z 1909.214, vgl. R G 9 7 . 2 0 7 , B G H 6 . 3 0 , S c h e r z b e r g 37).
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V o n solchem Aufruhr kann man insbesondere noch nicht reden, „ w o bloße Plünde- § 3 5 rungen oder Gewalttätigkeiten vorgekommen sind", „insbesondere auch dann nicht, wenn solche Plünderungen oder Gewalttätigkeiten etwa durch ein momentanes Versagen der ordentlichen Staatsgewalt ermöglicht sind" ( R G H G Z 1909. 2 1 4 , O L G Wien I T V M i t t 1 9 1 2 . 28). Unrichtig S i e v e k i n g 139 (unter irrtümlicher Berufung auf P e r e i s IntöffSeerecht 158): Es komme darauf an, ob „ d i e Aufständischen als militärisch organisierte Macht kämpften, um der Regierung gegenüber die Herrschaft zu erringen, ob die Bewegung diejenigen Grenzen überschritten habe, innerhalb deren sie mit den regelmäßigen Mitteln des Strafgesetzes bekämpft w e r d e " ; vielmehr wird (wie gerade P e r eis a a O ausführt) in diesem Falle die Bewegung regelmäßig den Charakter des Krieges im völkerrechtlichen Sinne angenommen haben. Unrichtig auch R G H G Z 1909. 2 1 4 , 1 9 1 2 . 1 6 7 : Es komme darauf an, ob durch den Zustand „ d i e Transporte der K a u f l e u t e bedroht seien" (ähnlich K ö h l e r 25: Es komme darauf an, ob „ d e m Handelsverkehr der gewohnte Schutz nicht mehr gewährt werden könne"). Gesetz und Bedingungen gewähren dafür keinen Anhalt; solange nicht der Zustand „die Transporte der K a u f l e u t e bedroht", kann überhaupt kein Schaden entstehen, von dem zweifelhaft sein könnte, ob er ein Kriegsschaden oder ein anderer Schaden ist. Zustimmend S c h e r z b e r g 37, der die Erörterungen über den Aufruhr mit Recht mit der Bemerkung abschließt, daß sich eine allgemeine Richtlinie dafür, ob ein kriegsähnliches Ereignis oder ein bloßer Aufruhr im Sinne des Strafrechts vorliege, sich kaum aufstellen lasse. Es komme hier stets entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. auch H e y n e n 14, Z i m m e r m a n n 48). — Als Krieg oder kriegsähnlicher Zustand ist hiernach insbesondere n i c h t ein durch b l o ß w i r t s c h a f t l i c h e B e w e g u n g e n (ζ. B. Streiks, Arbeiteraussperrungen) hervorgerufener Gewaltzustand anzusehen; vgl. die, deshalb besondere, I C C (bei A r n o u l d 1 3 1 0 ) : Warranted free of loss or damage caused by strikers, lockedout workmen, or persons taking part in labour disturbances, riots or civil commotions, ähnlich die französische Güterpolice: Sauf conventions et primes speciales, les assureurs sont egalement affranchis des risques suivants et de leurs consequences: emeutes, mouvements populaires, greves, lockout et autres faits analogues, abw. die auch sonst bedenkliche Entscheidung eines französischen Schiedsgerichts I T V M i t t 1 9 1 3 . 102. Anders, wenn die Bewegung die Grenzen des Wirtschaftslebens überschreitet und sich, wenn auch nur mittelbar, gegen die Staatsgewalt richtet (ζ. B. Generalstreik zur Erlangung politischer Rechte; anders für diesen Fall S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu § 35 A D S ) . Siehe die Kündigungsklausel Nr. 26 der Zusatzbestimmungen für die Güterversicherung. Dagegen wird man wohl als kriegsähnlichen Gewaltzustand (so auch S c h e r z b e r g 38) auch den Zustand ansprechen müssen, in dem zwar nicht kriegsmäßige, aber doch den kriegsmäßigen ä h n l i c h e Z w a n g s m a ß n a h m e n z u r Erledigung von Streitigkeiten u n t e r anerkannten oder nicht anerkannten M ä c h t e n , insbesondere zollkriegsmäßige Maßnahmen oder Repressalien, wie Beschlagnahmen von Schiffen oder Gütern oder die Friedens- oder politische Blockade angewendet werden ( K ö h l e r 26, Schiedsgericht Jurispr. du Port d'Anvers 1 9 0 1 . 204: Requisition von Leichtern durch die Kriegsschiffe der europäischen Großmächte in T a k u während der chinesischen Unruhen igoo). Jedenfalls ist die Interessenlage dieselbe und die Anwendung des § 35 deshalb geboten. Die Zulässigkeit der Friedensblockade ist streitig, der Streit für das Versicherungsrecht ohne Bedeutung. In keinem Falle ist sie eine „Friedens"-Maßnahme, in jedem Falle eine kriegsähnliche Gewaltmaßnahme. Friedensübungen der Kriegsschiffe u. dgl. sind natürlich dem Kriege nicht gleichzustellen; wohl aber Übungen, ζ. B. Minenlegübungen, die durch einen Krieg, insbesondere einen unmittelbar drohenden Krieg veranlaßt sind ( P a u l y Kriegsklausel 1 7 ) .
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§ 35 5, Der Versicher (der „Seeversicherer" im engeren Sinne) trägt nicht die KriegsAnm. 9 gefahr. Er haftet insbesondere nicht für den durch K r i e g s e r e i g n i s s e verursachten Schaden. Der Begriff des Kriegsereignisses ergibt sich aus dem Begriff des Krieges. Zu eng: E h r e n b e r g 321, G e r h a r d 388, 556: nur Ereignisse im Gebiet der kriegerischen Operationen; hiergegen mit Recht: RG 90. 380. Siehe kritisch zu dem Begriff des „Kriegsereignisses" auch S c h e r z b e r g 30, der, an sich zu Recht, daraufhinweist, daß man eine länger andauernde Kriegsmaßnahme, etwa eine Blockade oder das Löschen der Leuchtfeuer schlecht als „Ereignis" bezeichnen könne. Es müsse deshalb richtiger heißen „Kriegsereignisse und Kriegsmaßnahmen". Trotzdem soll hier der Kürze wegen nur von Kriegsereignissen gesprochen werden, wobei davon ausgegangen wird, daß dieser Begriff auch „Kriegsmaßnahmen" umfaßt. — Ob das Kriegsereignis rechtmäßig ist oder rechtswidrig, insbesondere völkerrechtmäßig oder völkerrechtswidrig, ist natürlich ohne Bedeutung (Prot. 3313, B e n e c k e 3. 36a, K ö h l e r 14, S e h e r z b e r g 77, S i e v e k i n g 139, RG HGZ 1917. 232, HG Hamburg Kierulff 4. 611, A r n o u l d 866 s. 901). — Ohne Bedeutung ist auch, ob ein V e r s c h u l d e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g mitgewirkt hat. Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn das Schiff von einem Kriegsschiff genommen wird, dem es der Kapitän in die Hände gespielt hat; die Nehmung ist deshalb, weil die Schiffsbesatzung mit dem Feinde unter einer Decke steckt, natürlich nicht weniger ein Kriegsereignis (vgl. HG u. OG Hamburg, OAG Lübeck HGZ 1868. 176, 189, 238: Fall R o a n o k e , und dazu § 28 Anm. 33, § 33 Anm. 36, auch N o l t e 2. 267). Stoßen bei der Nehmung des Schiffes dieses und das Kriegsschiff infolge Verschuldens der Schiffsbesatzung des versicherten Schiffes zusammen, so haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer ( C h r i s t o p h HRZ 1918. 607). Stößt während des Krieges lediglich aus nautischen Gründen, insbesondere infolge eines nautischen Fehlers der Schiffsbesatzung, das Schiff mit einem Kriegsschiff zusammen, so haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer (so auch S c h e r z b e r g 94). Für den Seeversicherer mag die Gefahr solcher Zusammenstöße infolge der Kriegsgefahr erhöht sein, aber diese Erhöhung ist zu seinen Lasten. — Ohne Bedeutung ist auch, ob für den Kriegsschaden a n d e r w e i t eine E n t s c h ä d i g u n g g e w ä h r t wird oder nicht, ob insbesondere im Falle der Wegnahme, Beschlagnahme usw. aus öffentlichrechtlichen, insbesondere völkerrechtlichen Gründen eine Entschädigung zu zahlen ist (§45 Anm. 3, 5, HGZ 1917. 215, RG HGZ 1917. 231; abw. V r a n c k e n ITVMitt 1916. 86: Requisition gegen Entschädigung stelle „in Wirklichkeit einen Verkauf dar", weshalb — der Versicherer überhaupt nicht hafte). Nicht unter den Begriff des Kriegsereignisses fallen Verfügungen von Hoher Hand auf Grund Waffenstillstandes, so wenn die versicherte Sache auf Grund eines solchen an den Feind herausgegeben werden muß. Der Schaden ist hier vielmehr die Folge einer Maßnahme, die der Beendigung der Feindseligkeiten oder des Kriegszustandes dient ( S c h e r z b e r g 83f., RG 101. 330 im Fall „Gregor", OLG Hamburg HGZ 1921 Nr. 122 (Beschlagnahme von Ladungen der in neutralen Kriegsnothäfen liegenden deutschen Schiffe zwecks Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen); anders H a g e n S V R 51, nach welchem der Kriegsversicherer nicht nur für die aus dem Kriegszustand herrührenden, sondern auch für die Gefahren einzustehen habe, die sich aus dem Verlust des Krieges ergeben). Anm. 10
6. D e r K r i e g s v e r s i c h e r e r h a f t e t n i c h t f ü r d e n d u r c h d a s K r i e g s e r e i g n i s v e r u r s a c h t e n S c h a d e n . Kriegsereignis und Schaden müssen in adäquatem Kausalzusammenhang stehen. Das Kriegsereignis muß bei mehreren adäquaten Kausalreihen zudem die causa proxima des Schadens sein. Vgl. § 849 HGB: Der Versicherer haftet „nicht für den z u n ä c h s t durch Kriegsgefahr verursachten Schaden". Die ADS haben diesen Satz aus zwei Gründen nicht übernommen. Erstens deshalb
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nicht, weil der Grundsatz der nächsten Ursache nicht nur zur Scheidung der Kriegs- § 3 5 Versicherung von der reinen Seeversicherung dient, sondern im Seeversicherungs-Recht gemeingültig ist, und der, wenngleich oberflächliche, so doch naheliegende Gegenschluß abgewehrt werden sollte, daß der Grundsatz der nächsten Ursache, weil nur für den Fall des § 849 H G B hervorgehoben, im übrigen nicht gelte, etwa auch nicht einmal f ü r den Fall der Kriegsversicherung (näheres: § 28 A n m . I 7 f f . ) · Vgl. dazu insbesondere auch R G 169. 1 = H a n s R G Z 1942 Β 73. Zweitens deshalb nicht, weil einer Rechtsprechung entgegengetreten werden sollte, die sich namentlich in den Fällen des R o m u l u s ( R G 67. 2 5 1 , H G Z 1908. 2 1 7 ; siehe indessen zum Romulus-Fall auch L i n d e n m a i e r Z H R 1 1 3 . 2 4 9 A n m . 126), der S a n t a C a t h a r i n a ( R G 8 9 . 3 1 7 , H G Z 1 9 1 6 . 241) und der C a n a d i a ( R G 89. 142, H G Z 1 9 1 6 . 229) mit der Verkehrsauffassung in Widerspruch gesetzt hatte (vgl. Mat. 1. 158, 170, insbesondere auch W i t t m a a c k Z H R 76. 337, § 28 A n m . 26, unten Anm. 12). a) Der Versicherer haftet nicht für den d u r c h e i n K r i e g s e r e i g n i s a d ä q u a t Anm. 1 1 v e r u r s a c h t e n Schaden. E r haftet ζ. B. nicht, wenn das versicherte Schiff von einem Kriegsschiff in den Grund gebohrt wird, oder wenn die versicherten Güter „infolge roher Behandlung bei einer durch die feindliche Regierung angeordneten Ausladung und L a g e r u n g " beschädigt werden ( R G 94. 219). E r haftet insbesondere nicht, wenn das versicherte Schiff vom Feinde o h n e A u s s i c h t a u f W i e d e r e r l a n g u n g g e n o m m e n wird (so auch S c h e r z b e r g 82f., O L G Hamburg J W 1930. 3644). Anders die Rechtsprechung, insbesondere in den Fällen R o m u l u s und S a n t a C a t h a r i n a (anders auch M ö l l e r „ D i e B a n k " 1942. 354), wo es sich allerdings darum handelte, aus zwei adäquaten Kausalreihen die wirksamste Ursache zu bestimmen. Wenn das Schiff genommen wird und hierauf strandet, soll die Nehmung die causa remota, die Strandung die causa proxima sein, der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer haften. Diese Auffassung ist richtig, wenn die Nehmung nach L a g e des Falles den Schaden nicht herbeigeführt haben würde, falls das Schiff nicht gestrandet wäre, wenn, wie schon K l e f e c k e r 508 bemerkte, „eine wahrscheinliche Hoffnung zur Wiedererlangung des genommenen Schiffes, oder der Güter, vorhanden ist". So etwa, wenn ein neutrales Schiff genommen wird und freigegeben werden muß. So etwa auch im Falle A e n n e R i c k m e r s ( R G 90. 140): Das Schiff lag bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit deutschen kriegsversicherten Gütern in Port Said, wurde von dem in ägyptischen Diensten stehenden Hafenkapitän veranlaßt, die deutsche Mannschaft zu entlassen und unter englischer Führung in See zu gehen, wo es von einem englischen Kriegsschiff „ g e n o m m e n " und nach Alexandrien gebracht wurde. Die Kondemnation mißlang, weil das englische Prisengericht „die Behauptung (der Krone), es läge eine capture on the high sea vor, für eine Sophisterei" erklärte. So etwa auch im Falle V a l e r i a : Das deutsche Schiff Valeria w a r am 18. M ä r z 1 9 1 8 in der norwegischen Dreimeilen-Zone vom englischen Kriegsschiff G 1 e η d a 1 e rechtswidrig genommen. Auf der Fahrt nach dem englischen Visitationshafen Lerwick kam (wenigstens nach der englischen Sachdarstellung) so schlechtes Wetter auf, daß die Glendale die Besatzung der Valeria an Bord nahm und die Valeria preisgab: as a derelict she would have been a danger to navigation and she was properly sunk by gunfire (Privy Council Appeal 1920 Nr. 70). Die Valeria hätte, weil in der norwegischen Dreimeilen-Zone genommen, der norwegischen Regierung herausgegeben werden müssen. Sie wäre auch, wenn sie nicht untergegangen wäre, herausgegeben worden. Die norwegische Regierung hätte die Valeria ihrem Eigentümer wieder zugestellt. Die Valeria war also dem versicherten Eigentümer nicht ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen. Sie war durch die Nehmung noch nicht total verlorengegangen. Sie konnte also noch total verlorengehen. U n d sie ist tatsächlich durch einen dem Seeversicherer, nicht dem
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Kriegsversicherer zur Last fallenden Unfall total verlorengegangen. —• Die Auffassung der Rechtsprechung ist dagegen unrichtig, wenn nach der Nehmung jede Aussicht auf Wiedererlagung geschwunden ist. Wenn ein infolge Kesselexplosion unrettbar dem Untergang geweihtes Schiff von zwei feindlichen Kriegsschiffen „gen o m m e n " , auf beiden Seiten festgemacht, über Wasser gehalten, eingebracht und kondemniert wird, haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer. Der Fall ist dem der Nehmung ohne Aussicht auf Wiedererlagung nicht gleich. Denn das Schiff war durch die Kesselexplosion noch nicht verlorengegangen. Aber die Kesselexplosion, ein Seegefahr-Ereignis, hätte den Verlust des Schiffes sicher herbeigeführt, wenn nicht ein Kriegsgefahr-Ereignis, die Nehmung, den Verlust herbeigeführt hätte. Nach den besonderen, durch die Regel causa proxima, non remota spectatur beeinflußten Grundsätzen für die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs (§ 28 Anm. 23) haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer. Der Fall ist also dem Falle der Nehmung ohne Aussicht der Wiedererlangung, also eines Ereignisses, das unmittelbar zum Verlust führt, nicht gleich. Aber er ist diesem Falle ähnlich und die Interessenlage ist ganz dieselbe. Die beiden Fälle müssen deshalb auch rechtlich gleich behandelt werden. D a ß Entziehung einer Sache ohne Aussicht auf Wiedererlangung Verlust ist, ist allgemein anerkannt ( § 2 8 Anm. 38). Es wird durch § 7 1 noch besonders bestätigt. Der Versicherungsnehmer kann nach § 71 im Falle des Totalverlustes die Versicherungssumme verlangen; als total verloren gilt nach § 71 Abs. 2 (HGB § 854) das Schiff auch dann, wenn es dem Versicherungsnehmer ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen ist. Ist ihm das Schiff ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen, so ist damit freilich das Verhältnis nicht ohne weiteres festgemacht, so daß es n u n auf alles weitere nicht mehr ankommt (§ 71 Anm.). Der Versicherungsnehmer k a n n die Versicherungssumme verlangen. Er braucht sie nicht zu verlangen. Er kann abwarten, ob nicht etwa die Aussicht auf Wiedererlangung wiederkehrt. Aber wenn sie, aus welchen Gründen immer, nicht wiederkehrt, kann er immer noch die Versicherungssumme verlangen. W e n n das Schiff unrettbar gesunken ist und von einem Kriegsschiff geborgen und genommen wird, ist es dem Versicherungsnehmer von vornherein ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen gewesen; der Versicherungsnehmer kann vom Seeversicherer, nicht vom Kriegsversicherer die Versicherungssumme verlangen. Wenn, umgekehrt, das Schiff von einem Kriegsschiff ohne Aussicht auf Wiedererlangung genommen wird und nunmehr unrettbar sinkt, ist es natürlich ebenso dem Versicherungsnehmer von vornherein ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen gewesen. Es ist „so gut verloren, als wäre es untergegangen" (Mot. ζ. PreußE 352). Der Versicherungsnehmer kann vom Kriegsversicherer, nicht vom Seeversicherer die Versicherungssumme verlangen. Durch das Sinken „verliert" der Nehmestaat, nicht der Versicherungsnehmer ( A s c h e n h e i m 20). Daß durch die Nehmung, die mir das Schiff (oder die Ladung) nach menschlichem Ermessen unwiederbringlich entzieht, die Sache mir „ohne Aussicht auf Wiedererlangung" entzogen und damit an und für sich als „total verloren" anzusehen ist, daß mir eine total verlorengegangene Sache (ich hätte sie denn inzwischen wiedererlangt) nicht noch einmal total verlorengehen kann, kann denn auch die Rechtsprechung nicht leugnen. In dieser Notlage erklärt sie, daß „ n a c h d e u t s c h e m V e r s i c h e r u n g s r e c h t in der N e h m u n g f ü r sich noch k e i n T o t a l v e r l u s t erblickt" werde (RG 89. 319). M a n sollte annehmen, daß dieser seltsame Grundsatz aus der Interessenlage sorgfältig begründet wäre. Dem ist nicht so. Geltendgemacht wird: aa) „ N a c h § 854 H G B werde ein Totalverlust des Schiffes oder der Güter angenommen, wenn sie für g u t e P r i s e erklärt seien" (RG 67. 258). Das ist richtig, aber beweist nichts. Denn nach § 8 5 4 H G B soll es als Totalverlust „ n a m e n t l i c h "
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angesehen werden, wenn Schiff oder L a d u n g „ f ü r gute Prise erklärt sind", ist also keines- § 3 5 wegs ausgeschlossen, daß ein Totalverlust noch in anderen Fällen, namentlich auch im Falle einer den unwiederbringlichen Verlust bedeutenden Nehmung, angenommen wird. § 854 H G B will nur klarstellen: Sind Schiff oder Güter f ü r gute Prise erklärt, sollen sie in j e d e m Falle als „ d e m Versicherten ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen" gelten (Prot. 3 3 4 7 : „ S e i das genommene Schiff rechtskräftig kondemniert und dem Versicherten dadurch das Eigentum am Schiffe genommen, so könne es nicht mehr darauf ankommen, ob vielleicht noch eine Aussicht bestehe, daß das Schiff im Gnadenwege wieder freigegeben oder daß es wieder genommen werde"). Richtig auch R G H G Z 1 9 1 7 . 2 3 2 : „ D e r Fall der Kondemnation werde nur als besonders in Betracht kommendes Beispiel (des Totalverlustes) hervorgehoben". bb) „ N a c h § 628 Abs. 1 Nr. 1 H G B gelte es als Verlust des Schiffes, wenn das Schiff aufgebracht oder angehalten u n d für gute Prise erklärt w e r d e " ( R G 67. 258). Das ist ebenso richtig und beweist ebensowenig. Wiederum macht das Gesetz durch das Wort „ i n s b e s o n d e r e " deutlich, daß es sich nur um einen Beispielfall handelt. Immerhin ist bezeichnend, daß das Gesetz nur von dem Falle spricht, daß das Schiff „aufgebracht oder angehalten" und für gute Prise erklärt wird, n i c h t von dem Falle, daß es „ g e n o m m e n " und für gute Prise erklärt wird. Denn Aufbringung kann zwar Nehmung sein, braucht es aber nicht zu sein (unten Anm. 16). cc) „Entscheidend" sei, d a ß „ d i e G e f a h r für den Versicherer bei der Versicherung ,Nur für Seegefahr' (nach §849 H G B ) e r s t m i t d e r K o n d e m n a t i o n e n d i g e , sofern sie nicht auch bei Übernahme der Kriegsgefahr schon vorher endigen w ü r d e " ( R G 8 9 . 3 1 9 ; folgend B o y e n s Z H R 76.409, K ö h l e r 68, S i e v e k i n g 1 4 1 ) . Diese Erwägung verkennt vollständig den dem Gesetz zugrunde liegenden Gedanken. Es galt, den Versicherten für den Fall einer Ä n d e r u n g d e r G e f a h r durch ein Kriegsereignis zu schützen (Mot. ζ. PreußE 350) und „hauptsächlich den Gegensatz zu der Bedeutung der Klausel ,Frei von Kriegsmolest' hervorzuheben" (Prot. 3340), nach der die Versicherung „ n u r bis zum Eintritt einer Kriegsbelästigung dauern soll" ( H G B § 848). U n d es sollte klargestellt werden (nicht, daß die Versicherung im Falle der Wegnahme unter allen Umständen fortdauern solle, sondern), daß „ j e d e n f a l l s die Kondemnation als das Ende der Versicherung zu betrachten sei, und der Versicherer nach Eintritt derselben auch nicht mehr für die Seegefahren zu haften habe, selbst wenn das Schiff in der Folge wieder freigegeben werden sollte" (Prot. 3 3 1 1 ) . Eine andere Auffassung wäre j a auch töricht gewesen, da es nicht selten bei der einfachen Wegnahme bewendet, die Einleitung eines prisengerichtlichen Verfahrens unterbleibt (vgl. ζ. B. R G 97. 3 1 9 , R G H G Z 1 9 1 7 . 2 3 1 ) . Freilich ist die Ausdrucksweise der Prot, an anderer Stelle verleitlich. M a n erwog, daß „die Entscheidung der streitigen Frage notwendig sei, welchen Einfluß die Nehmung des versicherten Schiffes durch feindliche Kriegsschiffe, K a p e r u. dgl. auf die Beendigung der Gefahr des Versicherers übe. Es sei von der höchsten praktischen Wichtigkeit, auszusprechen, daß das Risiko des Assekuradeurs n i c h t s c h o n w e g e n d e r b l o ß e n N e h m u n g erlösche" (Prot. 3 3 1 0 ) . Auch zweifle man „ i m Geschäftsverkehr nicht daran, daß der Assekuradeur für den Schaden haftbar sei, wenn das Schiff nach der Nehmung durch einen K a p e r in dessen Gewalt infolge eines Unwetters auf den Strand gerate" (Prot. 3308). Aber diese Äußerungen der Prot, verlieren die Beweiskraft, die ihnen die Rechtsprechung beimißt, ohne weiteres, wenn man berücksichtigt, daß in der T a t die „ b l o ß e " Nehmung nur eine Gefahränderung bildet und einen Totalverlust nur eine solche Nehmung darstellt, die den genommenen Gegenstand dem Versicherten ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzieht (wie in den Fällen Romulus und Santa Gatharina). Übrigens „erlischt" auch bei einer wirklichen Nehmung das Risiko des Assekuradeurs nicht ohne weiteres. Das
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§ 3 5 ohne Aussicht auf Wiedererlangung gesunkene Schiff bleibt versichert. Das ohne Aussicht auf Wiedererlangung genommene Schiff bleibt versichert, mag es mit oder ohne Kriegsgefahr oder nur für Kriegsgefahr versichert sein (insoweit richtig R G H G Z 1 9 1 8 . 160). Wird das „ F r e i von Kriegsgefahr" versicherte Schiff wiedergenommen, vom Versicherungsnehmer „wiedererlangt", so kann es wieder durch ein SeegefahrEreignis total verlorengehen. Aber ohne „wiedererlangt" zu sein, kann es natürlich nicht dem Versicherungsnehmer „ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen" werden. — I m Ergebnis richtig R G H G Z 1 9 1 7 . 2 3 1 : Das Schiff mit versichertem Getreide wird a m 7. August 1 9 1 4 aufgebracht, das Getreide in Havre gelöscht und von der französischen Regierung fortgenommen; weiteres Schicksal unbekannt. Die Vorinstanzen übersehen die Romulus-Entscheidung und nehmen Totalverlust an. Erst die Revision wendet ein, daß die Fortnahme ohne Kondemnation kein Totalverlust sei. R G findet den Ausweg: „ H i e r liege . . . nicht nur Aufbringung, sondern auch Entziehung des Eigentums v o r " , — obgleich über diese Entziehung nichts bekannt war und Sachverlust kein Eigentumsverlust zu sein braucht (unrichtig auch die weitere Erwägung, es komme darauf an, ob die Fortnahme erfolgt sei „ n a c h Gesetzen, die die eigenen Staatsangehörigen, die der verbündeten oder neutralen Staaten und die der feindlichen Staaten gleichmäßig träfen und die mit dem völkerrechtlichen Prisenrecht nichts zu tun hätten, o d e r ob es sich um eine prisenrechtliche, gegen feindliches Eigentum, das zugleich relative Konterbande sei, gerichtete Maßnahme handle"). — I m Ergebnis richtig auch R G 97. 3 1 9 : Wenn das Schiff mit kriegsversicherten Gütern aufgebracht werde und das Gericht die Güter nicht kondemniere. sondern nur die Behörde zu ihrem Verkauf ermächtige, seien die Güter dem Versicherungsnehmer ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen, total verloren. — Vgl. auch B r u c k H R Z 1 9 1 8 . 2 1 : Der V H A habe solche Fälle stets als Totalverlust-Fälle behandelt, „weil durch die Requisition dem Versicherten die versicherte Sache ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen worden" sei. Ausnahmen bestätigen die Regel. Als im J a h r e 1 9 1 5 kriegsversicherte deutsche Därme in England weggenommen waren und über ihr Schicksal nichts zu erfahren war, weigerte sich der Versicherer, zu entschädigen, und behielt Recht. Aussicht auf Wiedererlangung, meinte H G Z 1 9 1 8 . 1 1 7 (im J a h r e 1 9 1 8 ) , „bestehe noch, solange die Güter nicht kondemniert seien; auch nach englischem Rechte gehe das Eigentum an ihnen erst mit der Kondemnation auf den Nehmestaat über, so daß bis dahin ein versicherbares Interesse noch fortbestehe". Ähnlich H G Z 1 9 1 9 . 9 5 : Die ( „ O h n e A b a n d o n " ) kriegsversicherten Sardinen wurden im Frühjahr 1 9 1 6 von den Engländern beschlagnahmt. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt geworden. Die Entschädigungsklage des Versicherungsnehmers wurde abgewiesen, weil man im J a h r e 1 9 1 9 die Sardinen für noch nicht total verloren hielt. — Wie dem auch sei, die A D S haben, um dem „entscheidenden" Beweisgrunde der Rechtsprechung zu entgehen, unterlassen, auszusprechen, daß „ d i e Gefahr f ü r den Versicherer erst mit der Kondemnation der versicherten S a c h e " endige (Mat. 1. 149). dd) „ I n der Aufbringung oder Nehmung erblicke das deutsche Versicherungsrecht n u r e i n e B e d r o h u n g des Gegenstandes der Versicherung, welche die Ausübung des besonderen, nicht vom Totalverlust abhängigen Rechtsbehelfs des Abandons rechtfertige (§ 861 Nr. 2 H G B . . . ) " ; so R G 89. 3 1 9 . Dies wäre noch nicht einmal beweiskräftig, wenn § 861 H G B von der Nehmung spräche. § 861 H G B spricht aber (abgesehen von der Nehmung durch Seeräuber) nur von der „ A u f b r i n g u n g " , und wenn auch die Nehmung stets mit der „ A u f b r i n g u n g " beginnt, so sind doch Nehmung und Aufbringung verschiedene Begriffe (unten Anm. 16). Eher wäre schon daraufhinzuweisen, daß der Versicherer nach § 849 H G B „insbesondere nicht für die Nehmung, Beschädigung, Vernichtung und Plünderung durch Kriegsschiffe und K a p e r haftet" und der
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Ausdruck „ N e h m u n g " in diesem Zusammenhang, insbesondere neben den Ausdrücken § 3 5 „Beschädigung" und „ V e r n i c h t u n g " , doch kaum etwas anderes bedeuten kann als Totalverlust durch unwiederbringliche Wegnahme. — Übrigens steht die Auffassung des R G in unvereinbarem Widerspruch mit seiner anderen Auffassung, daß n i c h t schon „ i n der Aufbringung oder Nehmung eine Bedrohung des Gegenstandes der Versicherung zu erblicken" sei, sondern daß zur Aufbringung oder Nehmung die Bedrohung mit Totalverlust (oder innerem Verderb oder Beschädigung) hinzukommen müsse, um den Versicherungsnehmer zum Abandon zu berechtigen (vgl. R G 90. 146, 92. 254, 94. 219, 96. 3 1 2 , R G H G Z 1 9 1 8 . 38, 1 9 1 9 . 26; näheres: § 73 Anm.). ee) Aus § 1 0 1 Abs. 3 A S V B („Wird das Schiff infolge von Kriegsverhältnissen in einen Hafen verwiesen oder aufgebracht, so hat . . . der Versicherte . . . eine PrämienVerbesserung . . . zu zahlen") ergebe sich, daß sogar „ d i e Aufbringung des Schiffes . . . nicht einmal als ein die Versicherung beendender Totalverlust angesehen w e r d e " ( R G 67. 258, 89. 3 1 9 ) . Aus § 1 0 1 A S V B ergibt sich ebenso wenig wie aus § 861 Nr. 2 H G B (näheres oben unter dd). Nach den A D S kann kein Zweifel sein: Wird die versicherte Sache o h n e A u s s i c h t a u f W i e d e r e r l a n g u n g g e n o m m e n , so ist für die Kriegsversicherung der V e r s i c h e r u n g s f a l l , und zwar nicht nur der versicherte Unfall, sondern auch der Schadensfall eingetreten. Der Kriegsversicherer muß auf Verlangen des Versicherungsnehmers ohne weiteres zahlen, d. h. ohne daß er sich auf den Ablauf der SechsmonatsFrist des § 1 2 1 Abs. 6 berufen kann. Daß trotz der Aussichtslosigkeit der Wiedererlangung die versicherte Sache noch einmal wiedererlangt werden kann (durch Freigabe im Prisengerichts-Verfahren, durch freiwillige Freigabe, durch Wiedernahme, durch den Friedensvertrag usw.) ist ebenso ohne Bedeutung, wie ohne Bedeutung ist, daß eine ohne Aussicht auf Wiedererlangung gesunkene Sache wider Erwarten noch einmal wiedererlangt wird (Beispiel: R G 77. 302). Die oft wiederholte Bemerkung des R G ( R G 67. 258, ebenso H G Z 1 9 1 8 . 160 und, unter dem Einfluß des R G : H G Z 1 9 1 8 . 3 0 , 1 1 7 , 1 9 2 0 . 2 2 1 , 2 9 6 , I T V M i t t 1 9 1 6 . 1 1 6 ) , daß die Nehmung des Schiffes „ d a s E i g e n t u m des Reeders und also ein v e r s i c h e r b a r e s I n t e r e s s e bestehen lasse", ist schief und überdies ohne alle Bedeutung (vgl. auch § 2 8 A n m . 1 2 ; siehe H a n s O L G H a n s R G Z 1930 Β 3 = J W 1930. 3644 = Sasse Nr. 397). Schief, insofern man hier offenbar „versichertes" und „versicherbares" Interesse verwechselt. Selbstverständlich hat der Reeder des genommenen Schiffes noch ein „versicherbares" Interesse. Auch, wenn die Kondemnation ex tunc wirkt, bleibt „ R a u m für ein versicherbares Interesse" ( R G 89. 324). Selbst nach der Kondemnation hat der Reeder noch ein versicherbares Interesse (de lege lata; nicht bloß de lege ferenda, wie R G 89. 324 in irrtümlicher Auffassung des § 849 H G B , wonach die Gefahr für den Versicherer mit der Kondemnation endigt, meint); wenn auch kein gewöhnliches Eigentümerinteresse, sondern nur ein Interesse an der Wiedererlangung des kondemnierten Schiffes. (Übrigens würde an der Prämie, die für die Versicherung genommener Schiffe zu zahlen wäre, die Aussichtslosigkeit der Wiedererlangung und damit der Tatbestand des „Totalverlustes" am besten zu erkennen sein; vgl. L G Essen, O L G H a m m bei H a s s e l m a n n 81.) Ebenso selbstverständlich aber ist, daß der Reeder noch das v e r s i c h e r t e Interesse hat. Gerade so selbstverständlich, wie daß der Reeder des unrettbar gesunkenen Schiffes noch das versicherte Interesse hat. U n d wie er in diesem Falle gleichwohl die Versicherungssumme verlangen kann, kann er auch die Versicherungssumme verlangen, wenn das Schiff ohne Aussicht auf Wiedererlangung genommen ist, das versicherte Interesse aber (noch — nämlich bis zur Kondemnation, bis zum Verlust des Eigentums und dem dadurch herbeigeführten Interessewegfall) besteht. — Eine hiermit zusammenhängende Begründung des angeblich dem deutschen Ver-
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§ 3 5 sicherungsrecht eigentümlichen Grundsatzes (daß die Nehmung keinen Totalverlust begründe) versucht H G Z 1920. 222. Richtig wird zunächst bemerkt, daß Entziehung ohne Aussicht auf Wiedererlangung begrifflich „keineswegs den Eigentumsverlust voraussetze". Eine Ausnahme mache aber die Nehmung: „ D a ß im Falle der Nehmung der E i g e n t u m s v e r l u s t erfordert werde, sei auf die durch die Normen des Seekriegsrechts trotz des Besitzverlustes gegebene R e c h t s g e w ä h r zurückzuführen". Vielleicht ließe sich damit de lege ferenda der Rechtssatz begründen, daß im Falle der Nehmung die versicherte Sache erst mit der Kondemnation als total verloren anzusehen ist, •— gegenwärtig besteht ein solcher Rechtssatz nicht, und mit Recht nicht, weil kein Grund besteht, den Versicherungsnehmer bis zur „ R e c h t s g e w ä h r " des Feindes warten zu lassen. Wenn das versicherte Schiff ( „ B ü r g e r m e i s t e r S c h r ö d e r " ) von K o m m u nisten nach Rußland verschleppt wird, mag „durch die N o r m e n " , sei es des bürgerlichen, sei es des Völkerrechts, „trotz des Besitzverlustes die Rechtsgewähr gegeben" sein; gleichwohl kann der Versicherungsnehmer, wenn trotz der „ R e c h t s g e w ä h r " keine Aussicht auf Wiedererlangung besteht, die Versicherungssumme verlangen (wie H G Z 1920. 223 anerkennt, ohne sich des Widerspruchs bewußt zu sein). — Ebenso unfruchtbar ist schließlich die ebenso oft angestellte Überlegung, ob nicht Totalverlust der weggenommenen Sachen schon deshalb ausgeschlossen sei, weil für die Sachen E n t s c h ä d i g u n g gewährt werden müsse, und ob nicht die Entschädigung oder ein etwaiger Verkaufserlös an die Stelle der weggenommenen Sachen trete, so daß diese erst als verloren gelten könnten, wenn auch die Entschädigung oder der Erlös eingezogen sei ( H G Z 1 9 1 7 . 2 1 5 , R G H G Z 1 9 1 7 . 232). Als ob eine Sache weniger verloren wäre, weil f ü r den Verlust Geldersatz geleistet wird (vgl. auch oben Anm. 9, § 4 5 A n m . 3). Capture is prima facie a case of total loss ( A r n o u l d 1069 s. iog6), ein Fall, where the assured is deprived of the possession of his ship or goods, by a peril insured against and it is unlikely that he can recover the ship or goods, as the case may be, ein Fall, der deshalb und gemäß § 60 M I A als ein Fall von constructive total loss erscheint und zur Abandonnierung berechtigt. Die Einrichtung des constructive total loss ist als solche dem deutschen Rechte unbekannt. Dafür behandelt es einerseits den Fall, daß die versicherte Sache dem Versicherungsnehmer „ o h n e Aussicht auf Wiedererlangung" entzogen ist, als wirklichen Totalverlust (§ 7 1 ) , andererseits den Fall, daß die versicherte Sache dem Versicherungsnehmer m i t Aussicht auf Wiedererlangung entzogen ist, als einen Fall, der erst nach Ablauf einer gewissen Frist den Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme begründet (§§ 73, 1 2 1 Abs. 7; enger: H G B §§ 861 fF.). Übrigens hat die englische Rechtsprechung in einem Falle, wo versicherte Güter genommen waren, und an eine Wiedererlangung nach Sachlage nicht zu denken war, actual total loss angenommen, ohne daß die Güter kondemniert waren (Mellish v. Andrews 1 8 1 2 bei A r n o u l d 1026 s. 1048). T h e loss is in its nature, total to him, who has no means of recovering his property, whether his inability arise from its annihilation or from any other insuperable obstacle ( A r n o u l d 1029 s. 1053). Anm. 12 b) Z u den Kriegsereignissen gehören kriegsmäßige Beeinträchtigungen des Seestraßenverkehrs, so Beseitigung von Seezeichen, Auslöschen von Leuchtfeuern, Anbringung falscher Seezeichen (ζ. B. Einrichtung von verleitlichen Leuchtfeuern), Versperrung von Seestraßen, und dergleichen. Sie bildeten, wenn infolge davon das Schiff strandete, nach der älteren englischen Rechtsprechung stets die causa remota des Schadens. Auf diesem Standpunkt stand die deutsche Rechtsprechung auch noch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, und zwar sie allein ( S c h j e l d e r u p H R Z 1920. 70). In einem und demselben Falle haben ausländische Kriegsversicherer und deutsche Seeversicherer entschädigen müssen (wer entschädigt hat, hat den Anspruch gegen den anderen Versicherer — nicht nur einen Ausgleichsanspruch — erworben:
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§ 45). A m 1 1 . M ä r z 1 9 1 5 wurde der dänische Dampfer C a n a d i a von einem englischen § 3 5 Kreuzer angehalten und mit Prisenbesatzung, Order Kirkwall, K u r s zwischen Shetlands Inseln und F a i r Isle, belegt. Der Kapitän wollte, da das Feuer an der Nordspitze von Fair Isle nicht brannte, nördlich der Shetlands Inseln und jedenfalls nicht nachts fahren. Der Führer der Prisenbesatzung lehnte wegen der Unterseeboot-Gefahr ab. Die Canadia fuhr nachts bei Fair Isle auf und ging verloren. Nach L G H a m b u r g H G Z ig 16. 229 (ebenso die dänischen, norwegischen, nordamerikanischen Gerichte: H R Z 1 9 2 0 . 6 9 , H G Z 1 9 1 8 . 180, I T V M i t t 1 9 1 5 . 9 9 , 1 9 1 7 . 4 7 , auch Z f V W 1 9 1 6 . 5 6 1 ; ebenso auch die dänischen Gerichte im ähnlichen Falle K o n g H e l g e : I T V M i t t 1 9 1 7 . 47) war „kein Zweifel, daß nach der allgemeinen oder der natürlichen Anschauung die Kriegsgefahr die nächste Ursache des Schadens sei", und daß demgemäß der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer hafte. Anders R G 89. 143, H G Z 1 9 1 6 . 2 3 1 : Es sei „ k a u m ein Zweifel . . ., daß . . . die unmittelbare Ursache des Verlustes in einer typischen Seegefahr bestanden habe, weil das Schiff infolge unabsichtlich fehlerhafter Navigierung auf den Felsen gelaufen sei", und daß demgemäß der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer hafte (ebenso K ö h l e r 3 5 ; vgl. andererseits wieder zum selben Fall H G Z 1 9 1 8 . 80: Es sei „recht zweifelhaft, ob der . . . Schaden nicht durch eine direkte Kriegsgefahr verursacht worden sei"!). Mit der Unterscheidung zwischen „typischen" (oder „ r e i n e n " ) Seegefahren und „typischen" Kriegsgefahren ist natürlich nichts gewonnen. Die Strandung der Canadia war nur insofern zeitlich die causa proxima des Verlustes, als sie das letzte Glied in der Kette der Ereignisse bildete, die zum Verlust führten. Wie in Anm. 22 zu § 28 dargelegt, hat sich heute auch in Deutschland die Ansicht durchgesetzt, daß die causa proxima zwar die zeitlich nächste Ursache sein kann, aber nicht zu sein braucht, daß es vielmehr auf die wirksamste Ursache ankommt. Wenn deshalb das Schiff wegen der ihm bekannten Auslöschung von Leuchtfeuern vom Reiseweg abweicht und auf dem neuen Wege Schaden leidet, so steht der Schaden allerdings in Zusammenhang mit der Auslöschung, aber nicht im nächsten. Das Kriegsereignis ist nicht die wirksamste Ursache. Die Auslöschung hat die Änderung, insbesondere die Erhöhung der Gefahr veranlaßt. Die Gefahränderung schadet aber in diesem Falle nicht (unten Anm. 29). Der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer, haftet, — ebenso wie er haftet, wenn das versicherte Schiff einem feindlichen Kriegsschiff ausweicht und vom Reiseweg abweicht (unten Anm. 29). Ebenso, wenn der K a p i t ä n nicht abweicht, vielmehr trotz der ihm bekannten Auslöschung des Leuchtfeuers auf dem gewöhnlichen Wege sein Reiseziel zu erreichen sucht und dabei der durch die Auslöschung erhöhten Gefahr erliegt (insoweit richtig R G 89. 1 4 2 : Die der Schiffsführung bekannte Löschung des Feuers auf Fair Isle habe nur einen gefahrerhöhenden Umstand gebildet, nicht die nächste Ursache der Strandung). Vgl. auch S c h e r z b e r g 100, H o c h g r ä b e r NeumannsZ 1 9 4 1 . 224: W a r dem Kapitän das Nichtbrennen des Feuers bekannt und hat er nicht mit der nötigen Sorgfalt navigiert oder hätte er das Nichtbrennen kennen müssen, so ist sein schuldhaftes Verhalten und nicht die Kriegsmaßnahme die causa proxima, wenn das Schiff aufläuft und ein Schaden eintritt. Dagegen haftet der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer, wenn dem K a p i t ä n die Auslöschung nicht bekannt ist und das Schiff, durch die Auslöschung irregeführt, strandet (so auch S c h e r z b e r g 1 0 1 ; ebenso auch in Schweden: I T V M i t t 1 9 1 g . 76). Hier ist das Auslöschen die wirksamste Ursache des Schadens. Wenn der Feind verleitliche Feuer anzündet, verleitliche Seezeichen anbringt und das Schiff, hierdurch irregeführt, strandet, wird niemand behaupten, daß der Schaden nicht die nächste Folge der kriegsmäßigen Maßnahmen gebildet habe, die doch gerade bezweckten, feindliche Schiffe irrezuführen und stranden zu machen. Zwischen der Anbringung verleitlicher und der Beseitigung bekannter und notwendiger Seezeichen kann man aber natürlich nicht
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§ 3 5 unterscheiden, mag die Beseitigung auch nicht n u r die Irreführung, sondern auch die Abhaltung des Feindes bezwecken (so auch S c h e r z b e r g 99). Where a master is expecting to find a light and is carrying on his course in reliance of seeing whether it is necessary to alter his course by the light, and where a light is not lit, the darkness causes his destruction as much as a false light would (Le Quellec et fills v. Thomson H R Z 1920. 67). O b es sich um die Legung eines Minenfeldes oder um die Anzündung neuer und verleitlicher, die Auslöschung alter und üblicher Leuchtfeuer handelt, macht grundsätzlich keinen Unterschied. Weicht das Schiff vom Reiseweg ab, um einem Minenfeld zu entgehen, so haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer, wenn das Schiff auf dem neuen Wege Seeschaden nimmt (trotz der durch ein Kriegsereignis veranlaßten Gefahränderung ausnahmsweise: unten A n m . 29). Fährt das Schiff im Minenfeld auf eine Mine, so haftet der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer. Hat (wenn auch in Anlaß eines Krieges) eine neutrale Regierung die Leuchtfeuer geändert und die Änderung gehörig bekanntgemacht, so haftet der Seeversicherer natürlich für den Schaden, der durch die von der Änderung herbeigeführte Irreführung des versicherten Schiffes verursacht ist (nicht der Kriegsversicherer). Denn der Krieg war hier nur das Motiv für eine Maßnahme, die ebenso „ a u c h in Friedenszeiten vorkommen" kann ( H G Kopenhagen I T V M i t t 1 9 1 5 . 3 1 ; ebenso S e e G Christiania Z f V W 1 9 1 6 . 5 5 7 : Fall S k o t f o s ) . — H a t der Kriegsversicherer die Leuchtfeuer-Gefahr besonders m i t ü b e r n o m m e n (wie im Falle L e Quellec et fils v. Thomson, H R Z 1920. 66: to cover w a r risks . . . including extinction of lights etc.), so wird er sie im Zweifel in den Grenzen übernommen haben, in denen nach obigen Grundsätzen der Seeversicherer die Leuchtfeuer-Gefahr trägt. — I m Falle der Canadia war dem K a p i t ä n die Auslöschung des Feuers allerdings bekannt. Der Kapitän hatte aber nicht die Führung des Schiffes. Das Schiff wurde vom Führer der Prisenbesatzung in schwere Gefahr gestürzt und kam darin um. Der Seeversicherer haftet nicht, der Kriegsversicherer haftet. Ebenso, wie wenn das Kriegsschiff bei der Nehmung dem versicherten Schiff ein bestimmtes Rudermanöver befiehlt und das Schiff infolge des Manövers mit dem Kriegsschiff zusammenstößt. Die englischen Gerichte stellen bei der Frage, ob ein Kriegsschaden vorliegt, weitgehend darauf ab, ob der Schaden eine Folge von „warlike operations" ist, ein von der Rechtssprechung sehr weit ausgelegter Begriff. Der Begriff hat sich insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg entwickelt. Die Fahrt eines Kriegsschiffes in Kriegszeiten wird im allgemeinen als eine „warlike operation" angesehen mit der Folge, daß ein bei einem Zusammenstoß mit einem Handelsschiff diesem zugefügter Schaden vom Kriegsversicherer zu ersetzen ist, und zwar auch dann, wenn das Kriegsschiff falsch navigiert hat. Der Seeversicherer soll nur dann haften, wenn das Handelsschiff die alleinige Schuld an der Kollison trifft. Vgl. S c h e r z b e r g 88. Ein Handelsschiff befindet sich immer dann in einer „warlike operation", wenn es Kriegsmaterial unmittelbar zum Hinterland des Kampfgebietes oder zu einem Kriegshafen fährt. Der Kriegsversicherer hat hier auch dann zu haften, wenn ein solches Schiff falsch navigiert. Anders nur wenn den Kollisionsgegner die alleinige Schuld trifft und er sich nicht in „warlike operation" befindet. Die Beförderung lediglich von Rohstoffen zur Herstellung von Kriegsmaterial und die Zureise eines Schiffes zu einem Hafen, in dem Truppen oder Kriegsmaterial an Bord genommen werden sollen, sind noch keine „warlike operations". Auch das Stilliegen des Schiffes fällt im allgemeinen nicht darunter. Siehe S c h e r z b e r g 89f. mit Angaben aus der englischen Rechtsprechung. Anm. 1 3
c) W e i t e r e B e i s p i e l f ä l l e zum Kausalzusammenhang (vgl. auch unten Anm. I 5 f f . , 24ff., § 28 Anm. 12, 26, 30: Romulus, Santa Catharina, Ikaria, Gregor, General usw.):
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aa) Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn das versicherte § 3 5 Schiff nachts bei dichtem Nebel mit einem Kriegsschiff z u s a m m e n s t ö ß t , weil das Kriegsschiff wegen des Krieges ohne Lichter und Nebelsignale fährt ( H G Bordeaux R e v . int. du droit mar. 1898/9. 664, engl. R s p r : I T V M i t t 1920. 15). Der Fall kann offenbar nicht anders beurteilt werden, als der Fall, daß das versicherte Schiff mit einer Mine zusammenstößt. — Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn das im Dienste des kriegführenden Staates fahrende, versicherte Schiff mit abgeblendeten Lichtern fährt und mit einem anderen, in gleicher Weise fahrenden Schiffe zusammenstößt oder strandet (British & Foreign Steamship Co. v. K i n g bei P a u l y Kriegsgefahr 2 7 1 , I T V M i t t 1 9 1 9 . 36, 1 9 1 0 . 15). — Dagegen haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer, wenn das versicherte Schiff wegen der Kriegsgefahr lediglich die Gefahr erhöht und infolgedessen Schaden leidet, wenn es ζ. B. nur aus Vorsicht wegen des Krieges mit abgeblendeten Lichtern fährt und mit einem anderen Schiffe zusammenstößt, oder wenn es wegen der Kriegsgefahr mit ausgeschwungenen Booten fährt und diese von der See weggeschlagen werden, oder wenn es wegen der drohenden Einnahme des Hafens bei Ebbe ausläuft, auf Grund gerät und beschädigt wird (abw. S c h j e l d e r u p H R Z 1920. 59: Der Seeversicherer hafte nicht, wenn der Schaden durch eine von der Kriegsgefahr veranlaßte, gegen den gewöhnlichen Seemannsbrauch verstoßende Maßnahme verursacht sei; anders auch S c h e r z b e r g 97, wenn das Fahren mit abgeblendeten Lichtern auf Anweisung der zuständigen Behörde geschieht und dies die causa proxima sei; anders S c h e r z b e r g für den Fall, daß ein Navigationsfehler oder ein anderes Seegefahrenereignis vorliegt, daß die Kollision erst wahrscheinlich oder sogar unvermeidlich gemacht habe; vgl. dazu aber unten Anm. 29). Ein auf eine amtliche Anweisung, einen bestimmten K u r s innezuhalten, zurückzuführender Schaden fällt dem Kriegsversicherer zur Last, wenn die Segelanweisung wirklich als causa proxima in Betracht kommt ( S c h e r z b e r g 98). bb) Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn das versicherte Schiff im G e l e i t z u g , den Anordnungen des Führerschiffes gemäß, aber dem Seemannsbrauch zuwider im Fahrwasser des Führerschiffs folgt und die Fahrtgeschwindigkeit mindert oder stilliegt oder die Maschine forciert und hierdurch ein Schaden entsteht ( S c h j e l d e r u p H R Z 1920. 60, S c h e r z b e r g 95). Ebenso, wenn das Schiff bei der Nehmung mit dem Kriegsschiff zusammenstößt (oben Anm. 9, S c h e r z b e r g 96). Ebenso, wenn das Schiff ein Unterseeboot r a m m t ; ebenso selbst dann, wenn man das gerammte Schiff nur irrtümlich für ein Unterseeboot hielt (Henry & Co. Gregor v. Marten 1 9 1 8 bei P a u l y Kriegsgefahr 292). cc) Der Seeversicherer haftet, nicht der Kriegsversicherer, wenn das versicherte Schiff, wenngleich während eines Krieges, mit einem Kriegsschiff lediglich infolge eines nautischen Fehlers z u s a m m e n s t ö ß t (oben A n m . 9, S c h e r z b e r g 94; vgl. auch C h r i s t o p h H R Z 1918. 607; anders S c h e r z b e r g 95 für den Fall, daß das Kriegsschiff bei rauher See und stürmischem Wetter zum Zwecke der Untersuchung oder Nehmung so nahe an ein Handelsschiff heranfährt, daß die darauf stattfindende Kollison in den R a h m e n einer Wahrscheinlichkeit von 5 0 % oder mehr fällt). Ebenso, wenn es mit einem anderen Schiffe zusammenstößt, das, torpediert und von der Besatzung verlassen, noch nicht gesunken ist (William France Fenwick & Co. v. North of England Prot. Ass. bei P a u l y Kriegsgefahr 266, I T V M i t t 1 9 1 7 . 106, K ö h l e r 68). Ebenso, wenn es auf ein torpediertes und bereits gesunkenes Schiff aufläuft und die Unfallstelle noch nicht hat gekennzeichnet werden können (William usw. bei P a u l y Kriegsgefahr 265, I T V M i t t 1 9 1 7 . 106, 1 9 1 9 . 36; vgl. auch unten A n m . 2 1 ) . — Dagegen haftet der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer, wenn der Eingang zum Hafen durch versenkte Schiffe gesperrt 38
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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§ 35 ist und das versicherte Schiff auf ein versenktes Schiff aufläuft (William usw. bei P a u l y Kriegsgefahr 266, ITVMitt 1917. 106). dd) Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn das versicherte Schiff auf der Flucht vor dem Feinde s t r a n d e t (§ 28 Anm. 23). Ebenso, wenn die Schiffsbesatzung das Schiff, um es nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen, auflaufen läßt oder sonstwie vernichtet (Droz 1. 235). Anders, wenn das Schiff, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen, vom Reiseweg abweicht und einem Orkan zum Opfer fällt (Droz 1. 235, oben Anm. 12, unten Anm. 29). Oder wenn das Schiff infolge eines Sturmes strandet und infolgedessen total verlorengegangen wäre, falls der Feind es nicht zuvor in Brand geschossen hätte (§ 28 Anm. 26 unter pp). ee) Der Kriegsversicherer (nicht der Seeversicherer) haftet für P l ü n d e r u n g e n . Insbesondere für unrechtmäßige Beschlagnahmen von Truppen oder Aufrührern; das sind Schäden, die unmittelbar durch den Krieg verursacht sind (vgl. auch oben Anm. 11; LG Hamburg H R Z 1925. 471 = Sasse Nr. 702: Unter Kriegsgefahr im Sinne der ADS fällt die Plünderung von Bierkisten in Ceuta durch spanische Fremdenlegionäre). Ebenso aber auch für solche Plünderungen, Diebstähle u. dgl., welche die unvermeidliche Folge von Kriegsereignissen sind. Der Seeversicherer haftete nicht, als nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs versicherte Schiffsgüter in Antwerpen nach Entfernung der Schiffsbesatzung unter belgische Bewachung gebracht und während der Belagerung und Eroberung Antwerpens bestohlen wurden (LG u. OG Hamburg HGZ 1916. 307; anders RG89. 141 in Widerspruch mit R G HGZ 1912. 168: nur wesentliche Erhöhung der Diebstahlsgefahr durch Kriegsereignisse). Der Versicherer, der die Kriegs-, insbesondere die Revolutionsgefahr übernommen hatte, haftete, als sich streikende Arbeiter und Bauern die russische Revolution von 1905 zunutze machten und (eine nach Auflösung der öffentlichen Ordnung unvermeidbare Folge) Eisenbahnwagen plünderten. So mit Recht R G HGZ 1912. 168 mit ausholender und nicht durchweg beifallswürdiger Begründung: „Die Ausplünderung der (russischen) Eisenbahnwaggons sei teils von der streikenden Arbeiterbevölkerung teils von den Bauern der nächstgelegenen Dörfer verübt. Es sei selbstverständlich zur Haftbarmachung des Versicherers nicht erforderlich, daß die Ausplünderung gerade von den Revolutionären verübt werde, welche ihre Angriffe gegen die Staatsgewalt richteten. Die Aufruhrgefahr habe darin bestanden, daß während des Aufruhrs die Bande der staatlichen Ordnung gelockert gewesen seien und daß infolgedessen die Güter in höherem Maße Angriffen ausgesetzt gewesen seien, gleichviel von welcher Seite die Angriffe kämen, wenn sie nur durch den Aufstand hervorgerufen wären. Soweit (insbesondere) der Verlust der Güter darauf zurückzuführen sei, daß Bauern der Umgegend die Gelegenheit benutzt hätten, ungehindert und vermeintlich ungestraft die Eisenbahnwagen auszuplündern, hätten diese Bauern an dem Aufruhr teilgenommen und Aufruhrhandlungen begangen. Für den Charakter der Bewegung sei entscheidend, daß sie sich im ganzen als einen aus sozialpolitischen Motiven unternommenen Kampf revolutionärer Elemente gegen die Regierungsgewalt darstelle. Es könne aber darauf nicht ankommen, ob bei allen, welche sich an den offenen Gewalttätigkeiten beteiligten, gerade auch jene Motive die leitenden gewesen seien. Auch in einem Kriege, der unter den Regeln des Völkerrechts ausgefochten werde, beschränke sich die eigentliche Kriegsgefahr nicht auf die unmittelbar von der kriegführenden Partei ausgehenden Handlungen. Was im e n g s t e n ö r t l i c h e n u n d z e i t l i c h e n Z u s a m m e n h a n g m i t d e n k r i e g e r i s c h e n V o r g ä n g e n infolgedessen sich ereigne, weil unter dem Einfluß jener Vorgänge die öffentliche Ordnung versage, müsse als unmittelbare Folge eben des Kriegszustandes betrachtet werden." Ähnlich Vorinstanz HGZ 1911. 55. Ungenau V o i g t 586. Unrichtig L e w i s 2. 425: Der Seeversicherer hafte stets, wenn der Schaden „nicht durch ein Organ des feindlichen Staates, sondern durch einen zur Vornahme der
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in Rede stehenden Maßregeln nicht autorisierten Angehörigen desselben zugefügt § 35 worden wäre". Anders natürlich, wenn nichts weiter vorliegt, als daß durch den Krieg oder die Revolution die öffentliche Sicherheit vermindert, die Diebstahlsgefahr erhöht ist und gestohlen wird. — Der Kriegsversicherer haftet, nicht der Seeversicherer, wenn als unvermeidliche Folge von Kriegsereignissen ein B r a n d ausbricht und die versicherte Sache vernichtet ( G o e m a r e Komm, der Antw. Police 51, J a c o b s 315, Jurispr. du port d'Anvers 1909. 179, 1910. 168). ff) Der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer, haftet für H a v a r i e g r o s s e B e i t r ä g e , wenn der Havariegrosse-Akt durch ein Kriegsereignis verursacht ist (§ 29 Anm. 20, 41). Ebenso für Aufenthaltskosten, die gemäß §§ 635, 629 HGB dispachiert und dadurch entstanden waren, daß das Schiff im deutsch-französischen Kriege von 1870/71 durch ein Kriegsschiff verhindert wurde, in den Kieler Hafen einzulaufen, und Eckernförde anlaufen mußte (HG u. OG Hamburg HGZ 1871. 110, 169), oder dadurch, daß im Balkankriege die Dardanellen gesperrt waren (HGZ 1914. 53: vgl. auch die Aufsätze Hansa 1915. 55, 69, 97). Ebenso für die nach dem Rücktritt des Schiffes vom Frachtvertrag wegen des Weltkriegs gemäß §§ 635, 629 HGB dispachierten, von den versicherten Gütern zu entrichtenden Kosten (HGZ 1918. 147). Oder für die Umladungs-, Lagerungs- und Weiterbeförderungs-Kosten des § 95 Abs. 3, die dadurch entstanden waren, daß das Schiff wegen Ausbruchs des Weltkriegs die Reise aufgab (HRZ 1918. 685, HGZ 1918. 147). gg) Der Frachtversicherer, der die Kriegsgefahr nicht trägt, haftet nicht, wenn Schiff oder Güter der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt sind und der Frachtvertrag deshalb rückgängig gemacht wird (vgl. HGB § 629, The Knight of St. Michael 1898 bei A r n o u l d 777 s. 821). — Auch nicht, wenn das Schiff wegen eines Lecks in den Abgangshafen zurückkehrt und die ausgeladene Ladung wegen eines kriegshalber erlassenen Ausfuhrverbots nicht wieder einnehmen kann (HG Hamburg Ullrich Nr. 214, § 28 Anm. 26 unter aa). hh) Der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer haftet für A u f w e n d u n g e n zur Abwendung oder Minderung des durch ein Kriegsereignis drohenden oder entstandenen Schadens (§ 32 Anm. 13). 7. A b s . 1 Satz 2 führt als Beispiele von Kriegsereignissen (verb, „insbesondere") Anm. 14
„die durch den Krieg veranlaßten Maßnahmen einer kriegführenden Macht"
an. Damit ist aber auch kenntlich gemacht, daß auf diesem beschränkten Gebiet, für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Krieg und Maßnahme (aber auch nur für sie), die Regel der nächsten Ursache nicht angewendet werden soll, daß der Krieg vielmehr nur den „ A n l a ß " der Maßnahme zu bilden braucht (§ 28 Anm. 25). Hiernach ist auch ζ. B. die inländische Beschlagnahme von Rohstoffen eine durch den Krieg veranlaßte Maßnahme, auch wenn die Rohstoffe für die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung beschlagnahmt werden, sofern nur der Krieg den Rohstoffmangel verursacht hat, der die Beschlagnahme nötig macht (ebenso LG Hamburg HGZ 1921. 247: abw. OLG Hamburg ebendort, RG HGZ 1917. 232). Nur die durch den Krieg veranlaßten Maßnahmen einer k r i e g f ü h r e n d e n Macht sind Kriegsereignisse (so auch OGHZ 3. 16 = NJW1950. 67 = VersR 1950. 37, BGH VersR 1952. 117 (Anm. P r ö l ß ) = V R S 5. 524, OLG Hamburg V R S 1. 158 = Sasse Nr. 464, H a g e n SVR 50; a. A. P a u l y 18). Zwar führt Abs. 1 Satz 2 nur Beispiele an; der Schluß, daß nur die Maßnahmen einer kriegführenden Macht Kriegsereignisse sind, wäre also an sich nicht zwingend. Aber Abs. 1 letzt. Halbs., wonach b e s t i m m t e a n d e r e Mächte den kriegführenden Mächten gleichbehandelt werden sollen, und die Entstehungsgeschichte des § 35 (Mat. 1. 147, 151, 156, 161, 163, 166, 168, 170) ergeben, daß nur die Kriegsmaßnahmen k r i e g f ü h r e n d e r Mächte als Kriegsereignisse angesehen werden sollen. Beschlagnahmungen von Schiffen 38»
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§ 3 5 oder Gütern durch neutrale oder sonstige Mächte sind also grundsätzlich auch dann keine Kriegsereignisse, wenn sie durch den Krieg veranlaßt sind (Mat. ι. 162, 170: Beschlagnahme deutscher Schiffe in Spanien: anders noch Mat. 1. 148). — Dagegen ist ohne Bedeutung, ob F e i n d o d e r F r e u n d die Maßnahme getroffen hat (so auch S c h e r z b e r g 66f.). Deshalb liegt ein Kriegsschaden auch dann vor, wenn die eigene Regierung die versicherte Sache zur Durchführung von echten Kriegsmaßnahmen requiriert hat (anders, wenn dies in Folge eines Waffenstillstands geschieht, vgl. dazu oben Anm. 9 am Ende, S c h e r z b e r g 88; anders Kämmerer I T V M i t t 1916. ao, V r a n c k e n I T V M i t t 1916.86). „Feindselige" Behandlung" (BSVB§2i) ist nicht vorausgesetzt ( R a u s n i t z I T V M i t t 1916. 22; abw. K a e m m e r e r I T V M i t t 1916. 20). Vgl. R G H G Z 1918. 189, H G Z 1917. 229: Versenkung eines kriegsversicherten deutschen Schiffes auf Weisung der deutschen Regierung zu Sperrzwecken (Die gegenteilige Entscheidung i. Sa. „ L o m e " O L G H a m b u r g 1917, R G 92. 65) beruhte nur darauf, daß nach § 21 der in diesem Fall zur Anwendung gelangenden BSVB die Haftung der Seeversicherer nur „für sonstige unmittelbare Folgen einer feindseligen Behandlung" ausgeschlossen war; s. dazu auch H a g e n SVR 40, S c h e r z b e r g 67). Unrichtig R G H G Z 1917. 232: Es komme darauf an, „ O b die Requisition erfolgt sei nach Gesetzen, die die eigenen Staatsangehörigen, die der verbündeten oder neutralen Staaten und die der feindlichen Staaten gleichmäßig träfen und die mit dem völkerrechtlichen Prisenrecht nichts zu tun hätten, oder ob es sich um eine prisenrechtliche, gegen feindliches Eigentum, das zugleich relative Konterbande sei, gerichtete Maßnahme handle". Unrichtig daher auch H G Z 1921. 246: „Sowohl Veräußerungsverbote als Enteignungen durch den eigenen Staat seien ihrer Art nach kein Eingriff, den die Seeschiffahrt mit sich bringe". — Daß die Kriegsmaßnahme des eigenen, kriegführenden Staates dem Kriegsversicherer, die durch den Krieg veranlaßten Maßnahmen des fremden, nicht kriegführenden Staates dagegen dem Seeversicherer zur Last fallen, ist offenbar kaum erträglich. Anm. 15
8. Abs. 1 Satz 2 führt als Beispiele von Kriegsmaßnahmen (verb, „namentlich") an: a) Anhaltung ist ein dem Völkerrecht eigentümlicher Ausdruck. Er begreift die gewaltsame Verhinderung der Fortsetzung der Reise eines unterwegs befindlichen Schiffes zur Ausübung des Visitationsrechts. Gegensatz: Aufbringung, Nehmung, Beschlagnahme. Vgl. R G 89. 39, 90. 326, R G H G Z 1917. 253, S c h r a m m , Prisenrecht 297, S c h e r z b e r g 72, H e y e n 22, K e r s t e n 29 (unrichtig R G H G Z 1919. 27: „Unter ,Anhalten' sei eine Verfügung von Hoher H a n d zu verstehen, wodurch die Güter dauernd, d. h. nicht nur vorübergehend, festgehalten und der freien Verfügung des Berechtigten entzogen würden", inhaltlich zurückgenommen von RG96. 312). In diesem Sinne wird der Ausdruck „Anhaltung" im § 35 gebraucht, wie die weiteren Beispielfälle ergeben. •— Im weiteren, wörtlichen Sinn ist Anhaltung jede gewaltsame Reiseverhinderung, insbesondere die Anhaltung, die das Kriegsschiff feindlichen Handelsschiffen gegenüber vor dem Angriff erklären muß, und die Reiseverhinderung zum Zweck der Aufbringung und Nehmung (RG 90. 326; vgl. HGB § 861: „Schiff . . . von einer kriegführenden Macht aufgebracht, auf a n d e r e Weise durch Verfügung von Hoher Hand angehalten . . .", Prot, 3400: „ d a u e r n d e Anhaltung"). Aufbringung und Nehmung sind ohne Anhaltung im Wortsinn nicht denkbar. In diesem Sinne ist der Ausdruck im § 73 gebraucht. — Ist das Schiff nicht unterwegs, so kann man nicht von Anhaltung, sondern nur von Zurückhaltung sprechen. Eben deshalb spricht § 73 von Anhaltung o d e r Zurückhaltung (anders Ε i g i o § 72). Unterwegs ist das Schiff aber auch, wenn es im Zwischenhafen liegt (§ 68 Anm.). Wird das Schiff im Zwischenhafen zurückgehalten, so spricht man auch im gewöhnlichen Leben von Anhaltung. Aber wenn das Schiff, das im Nothafen liegt und ihn nicht verlassen will, (ζ. B. das deutsche, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im portugiesischen Hafen gebliebene Schiff durch ein De-
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kret der portugiesischen Regierung) beschlagnahmt wird, kann man weder von Anhal- § 3 5 tung noch von Zurückhaltung sprechen (anders R G 92. 253, 96. 3 1 1 , R G H G Z 1917. 161, 1919. 27, O L G H a m b u r g H R Z 1918. 529). — Anhaltung (und Aufbringung) des Schiffes ist im Zweifel ohne weiteres auch Anhaltung (und Aufbringung) der Ladung (RG H G Z 1918.38, H G Z 1 9 1 5 . 6 5 , 2 0 1 , 1 9 1 7 . 1 6 1 , 1 9 3 , 1918.45, O L G H a m b u r g H R Z 1917. 528; vgl. jedoch auch R G H G Z 1919. 27). b) Aufbringung ist die gewaltsame Inbesitznahme von Schiffen und ihren Anm. 16 Ladungen und ihre Einbringung in einen Hafen des besitznehmenden Staates, sei es aus Gründen des formellen Prisenrechts, insbesondere wegen nicht ausreichender Klärung des Sachverhalts (ζ. B. R G 89. 142: Anhaltung, Besetzung und Einbringung nach Kirkwall), sei es aus Gründen des materiellen Prisenrechts, also zur endgültigen Einziehung. Vgl. S c h e r z b e r g 79, K e r s t e n 33, H e l b e r g 57, S c h r a m m Prisenrecht 297 fr. Aufbringung und Nehmung sind also nicht gleichbedeutende Ausdrücke (abw. R G 89. 39, 90. 326, R G bei H a s s e l m a n n 4, R G H G Z 1917. 29, 1918. 13, H R Z 1919. 161, O L G H a m b u r g bei H a s s e l m a n n 3; die Berufung des R G 90. 144 auf A r n o u l d 775 s. 820 ist unbegründet: Zwar nach A r n o u l d capture is a taking by enemy as prize, aber capture und Aufbringung sind nicht gleichbedeutend; richtig R G 67. 259: capture = Nehmung). Aber die Nehmung ist freilich regelmäßig auch Aufbringung. c) Nehmung (capture: Anon. I T V M i t t 1916. 115) ist die Wegnahme von Schiffen Anm. 17 oder ihren Ladungen durch eine kriegführende Macht in der Absicht, sie endgültig zu behalten ( N o l t e 2. 266, S c h e r z b e r g 74, H e l l b e r g 5, K e r s t e n 34, R G 89. 39, 90. 144, R G H G Z 1917. 29, 1918. 13, 1921. 71, H G Z 1908. 219, 1916. 148; unrichtig R G 67. 256, 259: „ein rein tatsächlicher Vorgang, mittelst dessen der kriegführende Staat gegenüber den Angehörigen neutraler Staaten die Befolgung der völkerrechtlichen Pflichten zu sichern bestrebt ist", „die Beschlagnahme des Schiffes durch eine kriegführende M a c h t " , vgl. hierzu W i t t m a a c k Z H R 76. 354; vorsichtiger: H G Z 1920. 221). A taking by the enemy as prize, with intent to deprive the owner of all dominion or right of property over the thing taken ( A r n o u l d 775 s. 820). Den Gegensatz bildet der „Arrest" (arrest), eine der sonstigen takings at sea, die Beschlagnahme zu anderen Zwecken, insbesondere zum Zwecke bloßer Untersuchung ( N o l t e 2. 266, 275, A r n o u l d 776 s. 820) oder bloßer Benutzung, oder die Inbesitznahme n u r zu Sicherungszwecken (vgl. unten Anm. 20); oder auch die saisie, die Beschlagnahme des Schiffes zur Sequestration oder zur Löschung der Ladung, aber auch die Beschlagnahme nur der Ladung zur Einziehung ( S c h r a m m Prisenrecht 305). — M a n versteht unter „ N e h m u n g " im Verkehr nicht nur die Nehmung zur See, sondern auch die in Häfen liegender Schiffe (s. dazu H a n s O L G H G Z 1918. 83). — Wird das Schiff genommen oder beschlagnahmt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß auch die (feindliche) Ladung genommen oder beschlagnahmet ist (RG 89. 39, R G H G Z 1919. 27, 1921. 72). — Sind Güter nur gegen die Gefahr der Nehmung und nur für die Zeit, während welcher sie sich an Bord befinden, versichert, so haftet der Versicherer nicht, wenn das Schiff nach Ausbruch des Krieges die Reise abbricht und einen feindlichen Hafen anläuft, die Güter gelöscht und am Lande beschlagn a h m t werden; die Güter gelten natürlich nicht als „genommen", wenn und weil der Kapitän die Reise verändert hat und infolgedessen die Beschlagnahme der Güter unvermeidlich wurde (RG 89. 70, 90. 327, O L G Dresden bei H a s s e l m a n n 32, L G Bremen bei H a s s e l m a n n 6, abw. L G u. O L G H a m b u r g H G Z 1916. 85, 269). Ebensowenig, wenn der Güterversicherer nur „die direkte Kriegsgefahr, bestehend in der Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung durch Kriegsschiffe, Kaper, Torpedos oder Seeminen" übernommen hat, das Schiff nach Ausbruch des Krieges vom kriegführenden Staat angewiesen wird, einen seiner Häfen anzulaufen, das Schiff der Weisung folgt und die Güter gelöscht und weggenommen werden (KG bei H a s s e l m a n n 33).
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§ 35 d) Zurückhaltung ist die gewaltsame Verhinderung der Abfahrt oder AbAnm. 18 beförderung (so auch S c h e r z b e r g 73, K e r s t e n 32). Dem Begriff entspricht also dem der Anhaltung zur See (oben Anm. 15). Doch kann die Zurückhaltung auch allgemein verfügt sein (Generalembargo). Allgemeine Ausfuhrverbote sind aber keine Zurückhaltung. Vgl. Lloyd's Police: restraints, and detainments of all kings, princes, and people (dazu A r n o u l d 781 s. 824). — Beispiele: HGZ 1918. 68, R G HGZ 1918. 184: Zurückhaltung verderblicher Güter in Rumänien vor Ausbruch des rumänischen Krieges OLG Hamburg H R Z 1918. 528: Zurückhaltung des deutschen Schiffes mit versicherter Ladung in Syrakus unter italienischer Besatzung. L G Hamburg HGZ 1918. 2: Zurückhaltung durch zwangsweise Einlagerung unter Zollverschluß. HGZ 1918. 65. R G HGZ 1919. 10: Zurückhaltung der bei Ausbruch des italienischen Krieges im Ersten Weltkrieg bei einem Spediteur in Venedig lagernden deutschen Güter durch Ausfuhrverbot. — Zurückhaltung des Schiffes ist im Zweifel ohne weiteres auch Zurückhaltung der Ladung (oben Anm. 15). Anm. 19 e) Anforderung ist Beschlagnahme gegen Entschädigung (Abk. über Behandl. der feindl. Kauffahrteischiffe usw. vom 18. Oktober 1907 Art. 2—4). Anm. 20 f) Beschlagnahme (Requisition) ist die Entziehung oder Beschränkung der Verfügungsgewalt über einen Gegenstand zugunsten eines anderen, insbesondere des Staates, sei es zur Aneignung (Aneignungsbeschlagnahme, Enteignung), sei es zur bloßen Benutzung (Gebrauchsbeschlagnahme), sei es nur zur Sicherung späterer Aneignung (Sicherungsbeschlagnahme). Unrichtig R G 89. 39, 90. 144, R G HGZ 1917. 29, HGZ 1916. 145, 1918. 13, OPrG HGZ 1916. 60: Beschlagnahme bedeute dasselbe wie Aufbringung und Nehmung. Aber die Beschlagnahme kann natürlich eine Nehmung sein und ebenso eine Zurückhaltung (vgl. §§ 73, 121 Abs. 6). Auch ist richtig, daß der Ausdruck Beschlagnahme vorzugsweise für die Sicherungsbeschlagnahme verwendet wird (vgl. LondSRErkl. Art. 14, 17, 19, 20, 30, 33, 35—38, 48, 49, 55, 64). Siehe über Verfügungen von Hoher Hand auf Grund Waffenstillstands oben Anm. 9 am Ende. Anm. 21 g) Legung von Minen. Man hat die Minengefahr besonders hervorgehoben, um der verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, daß vor Kriegsbeginn und nach Kriegsende entstandene Minenschäden immer dem Seeversicherer, niemals dem Kriegsversicherer zur Last fallen (näheres: unten Anm. 25; abw. Mat. 1. 143). Deshalb ist auch (überflüssiger Weise) noch einmal hervorgehoben, daß die Minen „in A n l a ß des K r i e g e s " gelegt sein müssen. Wenn der Schaden durch Minen verursacht ist, die in anderem Anlaß, ζ. B. bei Übungen oder von Frevlers Hand, gelegt sind, haftet natürlich der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer. — Ob die Minen fest sind oder treiben oder sich losgerissen haben, gilt gleich (Stoomvart usw. v. Merchants Mar. Ins. Co. 1918 ITVMitt 1920. 15, auch bei P a u l y Kriegsgefahr 290). — Der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer, haftet auch dann, wenn der Schaden durch T o r p e d o s verursacht wird, die in Anlaß des Krieges abgeschossen sind, aber nicht gezündet oder ihr Ziel verfehlt haben und nicht unschädlich geworden sind ( K ö h l e r 44). Allerdings haben sie, anders als in der Regel Minen, nicht mehr den Zweck, Schaden zuzufügen. Aber mit der Möglichkeit, daß sie nicht zünden oder ihr Ziel verfehlen und anderweit Schaden anrichten, wird ebenso gerechnet, wie damit, daß Minen abtreiben und Schaden stiften. Man kann diese Fälle deshalb nicht ebenso behandeln, wie den Fall, daß ein zum Wrack geschossenes Schiff Schaden anrichtet. — Ebenso, wenn andere G e g e n stände (Schiffe, Steinblöcke usw.; über die sog. Steinblockade: Pereis IntöffSeerecht 187) zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken hingelegt, insbesondere versenkt sind und dadurch Schaden entsteht. Aber der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer haftet, wenn Schiffe oder andere Gegenstände zu anderen als Angriffs- oder Abwehrzwecken vernichtet oder gesunken oder versenkt sind, ζ. B. Schiffe torpediert
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und gesunken sind oder als Wracks umhertreiben und Schaden anrichten (oben § 3 5 Anm. 13). 9. Abs. 1 Satz 2 führt also nur Beispiele von Kriegsmaßnahmen an. Die Liste ist Anm. 22 nicht erschöpfend, — nicht als Liste der Kriegsmaßnahmen, noch weniger als Liste von Kriegsereignissen. Sie dient im wesentlichen nur zur Erläuterung des Umfangs, in dem der Seeversicherer nicht haftet (und der Kriegsversicherer haftet: § 121); vgl. jedoch auch oben Anm. 14. Die Bedeutung der angeführten M a ß n a h m e n zu bestimmen, ist aber auch deshalb nötig, weil die Policen oft K r i e g s k l a u s e l n enthalten, die dem Versicherer die Kriegsgefahr nicht in dem durch die §§ 35, 122 bestimmten, sondern in anderem, durch einzelne M a ß n a h m e n oder sonstige Ereignisse bestimmten U m f a n g auferlegen (ζ. B. R G 89. 68, 90. 141, 325, 91. 84, 92. 415, 104. 216, R G H G Z 1917. 125,217, 1918.144, 1 9 1 9 . 9 1 , 1 0 7 , 1 2 1 , 1 7 1 , 1921.71, H R Z 1918.240, H G Z 1916. 97, 145,269, 1917.18,125,204, 1 9 1 8 . 1 2 , 6 8 , 8 3 , 1 1 7 , 1919.76,94, 1920. 141, K G bei H a s s e l m a n n 33, O L G H a m b u r g H R Z 1921. 420, O L G Karlsruhe L Z 1916. 348 L G Bremen H G Z 1916. 97; vgl. auch R G H G Z 1918. 188, H G Z 1917. 229 zur Bremer „Bloß-für-Seegefahr"-Klausel, Vorb. vor § 113). Sonstige in den Kriegsklauseln verwendete Ausdrücke sind ζ. B.: a) W e g n a h m e . M a n versteht darunter Aneignungsbeschlagnahme oder doch gewaltsame Inbesitznahme mit Aneignungsabsicht (vgl. LondSErkl. Art. 48, 50—52, Abk. über Anwendung der Grundsätze des Genfer Abk. auf den Seekrieg v. 18. Oktober 1907 Art. 1—3, 9, 10, Abk. über gew. Beschr. in der Ausübung des Seebeuterechts v. 18. Oktober 1907 Art. 3—5, Abk. über die Erricht. eines Int. PrisHofs v. 18. Oktober 1907 Art. 1, 6, 8, R G 90. 325, H R Z 1921. 420, R G H G Z 1918. 145, H G Z 1916. 97, 1918. 13, O L G Karlsruhe LZ 1916. 349). — Als 400 Wagen Mais, der auf rumänischen Bahnstationen lagerte, für die „ W e g n a h m e " infolge Kriegsgefahr und für die Zeit vom 7. August bis zum 6. September 1916 versichert war, Rumänien a m 27. August 1916 den Krieg erklärte und a m selben Tage eine Verordnung erging, daß alle deutschen Güter zu beschlagnahmen seien, verlangte der Versicherungsnehmer schon am 29. August 1916 Zahlung der Versicherungssumme, ohne d a ß über das Schicksal der Güter etwa bekannt war. Mit Unrecht. Der Versicherer würde zwar haften, wenn der Mais infolge der Verordnung und sei es auch erst nach Ablauf der Versicherungszeit beschlagnahmt worden wäre. Denn die Verordnung bildete das Gefahrereignis, das unvermeidlich zum Totalverlust geführt haben würde. Aber sie bildete nicht den Schadensfall, nicht den Totalverlust selbst, nicht den Versicherungsfall im Sinne des die Entschädigungspflicht des Versicherers auslösenden Gefahrereignisses. So auch (wenngleich mit bedenklichen Wendungen): R G H G Z 1919. 121; vgl. dazu den Fall H o c h f e l d : § 28 Anm. 30 unter hh, und den Fall M i l o s : § 73 Anm. — Uber den Ausdruck „ F o r t n a h m e " : R G H G Z 1919. 107. b) K o n f i s k a t i o n . Der Ausdruck war früher üblich (vgl. H G B § 849: „Der Versicherer h a f t e t . . . insbesondere nicht f ü r Konfiskation durch kriegführende Mächte". Der Ausdruck sollte heute vermieden werden. Denn m a n versteht darunter regelmäßig strafweise Einziehung. In Kriegsklauseln bedeutet er Aneignungsbeschlagnahme, insbesondere Kondemnation (RG 89.70, H R Z 1918.241; vgl. LondSRErkl. Art. 21, 39—46, 49, 53, 54, 63: „Einziehung", bzw. „Einziehung gegen Entschädigung", ebenso Abk. über die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe usw. v. 18. Oktober 1907 Art. 2, 3; vgl. auch P a u l y Kriegsklausel 20). — In dem bloßen Erlaß eines Gesetzes, das gestattet, fremde Schiffe unter die eigene Flagge zu stellen, oder einer Verordnung, die fremde Schiffe unter die eigene Flagge stellt, wird man jedoch (zwar vielleicht eine Vorbereitung der Konfiskation, aber) unmöglich die Konfiskation der einzelnen Schiffe erblicken können (abw. R G H G Z 1919. 31, H G Z 1918. 82; vgl. auch § 28 Anm. 30 unter
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§ 35 hh). Wäre (im angeführten Falle )die Konfiskation der Verordnung nicht gefolgt, würde gewiß niemand angenommen haben, daß der Konfiskationsfall eingetreten sei, der Versicherungsnehmer sofort Zahlung der Versicherungssumme habe verlangen können. c) K o n d e m n a t i o n : § 121 Anm. Anm. 23 10. Sonstige Maßnahmen: a) Ein- und A u s f u h r v e r b o t e . Der Erlaß eines allgemeinen Einfuhrverbots (ζ. B. für Luxuswaren oder alkoholhaltige Getränke) oder eines allgemeinen Ausfuhrverbots (ζ. B. für Getreide im Falle einer Hungersnot) ist kein Ereignis, das zu den Gefahren der Seeschiffahrt gehört (§28 Anm. 11). Seine Schadensfolgen stehen daher nicht zur Verantwortung des Versicherers. Anders, wenn das Ein- oder Ausfuhrverbot sich gerade auf (oder auch auf) Schiff oder Ladung bezieht. Wenn das versicherte Vieh im Bestimmungshafen Buenos Aires wegen Krankheitsverdachts zurückgewiesen und infolgedessen die Reise nach einem neuen Bestimmungsort, Montevideo, gerichtet wird, hat der Versicherer die Schadensfolgen zu tragen (Miller v. Law Acc. Ins. Co. 1903 bei A r n o u l d 750 s. 795, C h a l m e r s 151; vgl. §§ 23 Abs. 3, 24 Abs. 2). Wird das Vieh am neuen Bestimmungsort mit Verlust verkauft, so braucht er zwar hierfür nicht aufzukommen; aber wenn es mit einem anderen Schiffe nach Montevideo weiterbefördert ist, muß er die Kosten der Umladung und die Mehrkosten der Weiterbeförderung ersetzen (§ 95 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3). Wenn Fracht versichert ist, nach Beginn der Versicherung infolge eines Krieges die Seeausfuhr über den Abladehafen verboten wird und infolgedessen die Fracht verlorengeht, haftet der Kriegsversicherer, natürlich nicht der Seeversicherer (HG Hamburg Ullrich Nr. 214, § 28 Anm. 26 unter aa). Wenn die von Savannah nach Svendborg versicherten Baumwollsaat-Kuchen im Nothafen New York durch ein anläßlich eines Krieges erlassenes Ausfuhrverbot für Futtermittel von Amerika nach Dänemark zurückgehalten und mit großem Verlust verkauft werden müssen, haftet weder der Seeversicherer noch der Kriegsversicherer. Der Seeversicherer schon deshalb nicht, weil der Verlust die Folge eines Kriegsereignisses ist; der Kriegsversicherer deshalb nicht, weil die Güter nicht „infolge eines dem Versicherer zur Last fallenden Unfalls" haben verkauft werden müssen (§ g6 Abs. 2 Satz 2; vgl. HG Kopenhagen ITVMitt 191g. 47). b) Uber Blockademaßnahmen: LondSRErkl. Art. iff., Pariser Dekl. Nr. 4, S c h r a m m Prisenrecht 161. — Uber E m b a r g o : Martin 56, A r n o u l d 789 s. 830. — Über A n g a r i e n : S c h r a m m Prisenrecht 274. Anm. 24 11. W a n n die Ereignisse sich zutragen (und Schaden stiften), ob vor, in oder n a c h dem Kriege, ist ohne grundsätzliche Bedeutung ( S i e v e k i n g 139, Voigt 584, S c h e r z b e r g 38f., M ö l l e r J R P V 1942. 62). Die Interessenlage ist für Ereignisse, die sich vor oder nach einem Kriege zutragen, dieselbe, wie für Ereignisse, die sich während des Krieges zutragen. Die rechtliche Ordnung muß daher auch dieselbe sein. a) Ein Kriegsereignis bildet ζ. B. die Sperrung der Dardanellen, welche die türkische Regierung 1912 vor Ausbruch des ersten Balkankrieges für griechische Getreideschiffe anordnete (Köhler 26). Ebenso der Angriffeines Kriegsschiffes, dessen Kommandant von der Beendigung des Krieges noch keine Kenntnis hat (LG Hamburg ZfVW 1908. 476; vgl. aber auch unten Anm. 25) oder den nur drohenden Krieg irrtümlich für schon ausgebrochen hält. Ebenso die Requisition österreichischer Güter durch die französische Regierung vor der Kriegserklärung Frankreichs an Österreich im Jahre 1914 (RG HGZ 1917. 231). Ebenso die Beschlagnahme deutscher Schiffe in Portugal vor dem Eintritt Portugals in den Ersten Weltkrieg (HGZ 1918. 83: „Gewaltakt", „bewußte Herausforderung, die unmittelbar zum Ausbruch des Krieges führte"; bestät. RG HGZ 1919. 31; vgl. dazu auch M ö n c k e b e r g ITVMitt 1916. 35). Ebenso die Zurückhaltung von Eiern durch die rumänische Regierung vor dem Eintritt Rumäniens
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in den Ersten Weltkrieg (LG H a m b u r g H G Z 1918. 69, R G H G Z 1918. 184; abw. H G Z § 3 5 1918. 70: nächste Ursache nicht Krieg, sondern Schikane). Ebenso die Verweisung eines englischen Schiffes mit versicherten deutschen Gütern in einen englischen Hafen am Tage vor der englischen Kriegserklärung vom 4. August 1914 ( O L G Karlsruhe LZ 1916. 348). Ebenso die Beschlagnahme von Schiffen nach dem Waffenstillstand oder gar nach dem Friedensschluß, „sofern sie mit dem Kriege in unmittelbarem, unlöslichem Zusammenhang steht" (HGZ 1920. 224, L G H a m b u r g H G Z 1921. 247; abw. H G Z 1921. 247; vgl. auch § 28 Anm. I2ff.). Ebenso die Vernichtung feindlicher Güter durch den, durch die Kriegsdrohung erregten, Pöbel. Am 19. März 1854, 9 Tage vor Ausbruch des Krimkriegs, wurde das englische Schiff B e d l i n g t o n von den Russen in Grund geschossen; der Kriegsversicherer haftete, nicht der Seeversicherer ( B r ü d e r s Zusammenstellung 11). Am 2. Oktober 1899 wurde von Transvaal nach London verfrachtetes, warranted free from capture and seizure versichertes Gold von der TransvaalRegierung in anticipation of war beschlagnahmt; obgleich der Krieg erst am 11. Oktober erklärt wurde, haftete der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer (Robinson Gold Mining Co. v. Alliance Marine Assurance Co. 1902 bei C h a l m e r s 151). b) Die Frage ist von besonderer Bedeutung für Schäden, die durch M i n e n Anm. 25 (Torpedos oder andere Schiffahrtshindernisse) entstehen (vgl. oben Anm. 21). Es kommt nicht darauf an, daß die Mine gerade während der Krieges gelegt ist, der Unfall sich gerade während des Krieges zuträgt. Es ist insbesondere schon ein Kriegsereignis, wenn die Minen mit Rücksicht auf einen nur drohenden Krieg gelegt sind (so auch S c h e r z b e r g 39, H e y n e n 16). U n d der durch solche Minen entstandene Schaden wäre selbst d a n n ein Kriegsschaden, wenn der Krieg gar nicht ausbricht; doch setzt § 35 Abs. 1 voraus, daß die Macht, welche die Minen gelegt hat, am Kriege teilnimmt oder doch binnen gewisser Frist in den Krieg eintritt (oben Anm. 14, unten Anm. 26). — Der Kriegsversicherer, nicht der Seeversicherer, haftet also auch dann, wenn der Schaden durch eine in Anlaß des Krieges gelegte Mine n a c h Kriegsende entsteht, — wie er j a auch ζ. B. haftet, wenn das versicherte Schiff nach Friedensschluß von einem mit dem Friedensschluß nicht bekannten Kriegsschiff vernichtet wird, oder wenn es vor Kriegsausbruch von einem Kriegsschiff vernichtet wird, das den Krieg für bereits ausgebrochen hält oder die feindliche H a n d l u n g mit Rücksicht auf den bevorstehenden Krieg begeht (oben Anm. 24). Der Staat, dessen Organe die Minen gelegt haben, ist jedoch völkerrechtlich verpflichtet, sie nach Friedensschluß, soweit möglich, zu beseitigen. Verletzt er diese Verpflichtung, so ist die nächste Ursache des durch die Minen verursachten Schadens nicht die Legung der Minen, also das Kriegsereignis, sondern die, gerade dem Friedenszustand eigentümliche, Verletzung der Pflicht zur Beseitigung und Unschädlichmachung. Die Lage ist keine andere, als wenn der kriegführende Staat unterläßt, seine Kriegsschiffe vom Friedensschluß in Kenntnis zu setzen und diese, i n f o l g e h i e r v o n mit dem Friedensschluß nicht bekannt, dem versicherten Schiffe Schaden zufügen; auch in solchem Falle haftet der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer. Oder wenn der kriegführende Staat nach Friedensschluß unterläßt, die Leuchtfeuer rechtzeitig wieder anzuzünden, und infolge hiervon das versicherte Schiff strandet (vgl. oben Anm. 12). Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob es sich u m verankerte oder treibende (unverankerte oder losgerissene) Minen handelt. Tatsächlich aber besteht der große Unterschied, daß treibende Minen (und ebenso Torpedos) schwer oder gar nicht zu beseitigen sind, der durch eine treibende Mine verursachte Schaden also noch lange nach Friedensschluß ein Kriegsschaden sein kann und regelmäßig sein wird. Ebenso: S i e v e k i n g 140; anders derselbe LZ 1908. 202: Der Zeitpunkt des Friedensschlusses entscheide; Schäden, die nach Friedensschluß durch treibende Minen verursacht würden, fielen dem Seeversicherer, nicht dem Kriegsver-
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§ 3 5 sicherer zur Last. Anders W e h b e r g Seekriegsrecht 93: Minenschäden fielen ausschließlich dem Kriegsversicherer zur Last. Anders auch K ö h l e r 47: Die Gründe, die „sowohl den K a u f m a n n als den Versicherer veranlaßten, die Kriegsgefahr von den übrigen Gefahren der Seeschiffahrt zu trennen", rechtfertigten die Annahme, „ d a ß fortgetriebene Minen und Torpedos soweit und solange als Kriegsgefahr aufzufassen seien, als deren Vorhandensein vernünftiger und normaler Weise vorauszusetzen und zu erwarten sei". Anders auch S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 6 zu § 35 ADS mit dem Hinweis, in der Kriegsauschlußklausel für die Güterversicherung werde diese Nachkriegsgefahr ausdrücklich als Kriegsgefahr behandelt. — Die ADS haben sich f ü r die hier vertretene Auffassung entschieden: Es kommt n u r darauf an, ob die Mienen i n A n l a ß d e s K r i e g e s g e l e g t sind und der Schaden die adäquate Folge hiervon ist. Der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer, haftet also, wenn der Staat, dessen Organe die Minen gelegt haben, widerrechtlich unterläßt, sie zu beseitigen, was bei treibenden Minen (und ebenso bei Torpedos oder dgl.) freilich kaum vorkommen kann. — Oft wird „ N u r f ü r M i n e n g e f a h r " oder „Auch für Minengefahr" Versicherung genommen. In solchem Falle m u ß (zumal diese Versicherung regelmäßig neben oder mit einer reinen Seeversicherung genommen wird) angenommen werden, daß der Versicherer für jeden Minenschaden, also auch für solchen Schaden haften soll, der durch Minen verursacht wird, die hätten beseitigt werden müssen. Es handelt sich also u m eine besondere Versicherungsart, nicht um eine Unterart der Kriegsversicherung ( W e h b e r g Seekriegsrecht 93, Z f V W 1910. 510; vgl. auch den Fall LG H a m b u r g Z f V W 1908. 474). Siehe auch die D T V - M i n e n -Ausschlußklausel: „Die Versicherung deckt nicht die Gefahr der Beschädigung oder des Verlustes, verursacht durch Minen, Torpedos, Bomben und andere Kriegswerkzeuge jeglicher Art, gleichgültig, ob diese Gegenstände anläßlich eines Krieges von den kriegsführenden oder neutralen Mächten verwendet werden oder ob aus ihrem Vorhandensein im Frieden der Schaden entsteht." Anm. 26
c) § 35 Abs. 1 Satz a n i m m t zu dieser Frage noch in einer zweiten Beziehung ausdrücklich Stellung. Die völkerrechtswidrigen M a ß n a h m e n , die Portugal, Italien, Rumänien, Brasilien usw. vor ihrem Eintritt in den Ersten Weltkrieg begingen, überzeugten die Assekuradeure, daß es bei der bisherigen Ü b u n g nicht bewenden könne. Sie hielten für notwendig, daß den durch den Krieg veranlaßten M a ß n a h m e n k r i e g f ü h r e n d e r Mächte die durch den Krieg veranlaßten M a ß n a h m e n a n d e r e r Mächte gleichgestellt würden. Damit sind sie nicht durchgedrungen. Der Seeversicherer, nicht der Kriegsversicherer haftet ζ. B. für Schäden, welche durch Minenfelder entstehen, die von einer nicht kriegführenden Macht zwar in Anlaß des Krieges, aber nur zum Schutze ihrer Neutralität ausgelegt sind (anders P a u l y Kriegsklausel 18 für ASVB § 101, wie hier O G H Z 3. 13 = N J W 1950. 67 = VersR 1950. 37, O L G H a m b u r g V R S 1. 158 = Sasse Nr. 464, H a g e n SVR 50). Dagegen sind die durch den Krieg veranlaßten Maßnahmen nicht kriegführender Mächte für den Fall gleichgestellt, daß die Mächte binnen 6 Monaten nach der M a ß n a h m e (vgl. § 1 2 1 Abs. 6 Satz 2) in den Krieg eintreten. Es ist also vorausgesetzt, daß ein Krieg (oder ein kriegsähnlicher Zustand: oben Anm. 8) besteht. Der Krieg braucht aber noch nicht zur Zeit der M a ß nahme zu bestehen. Die M a ß n a h m e kann vor Ausbruch des Krieges getroffen sein; wenn nur zunächst der Krieg zwischen anderen Mächten ausbricht. M a ß n a h m e n der Mächte, zwischen denen der Krieg ausbricht, sind nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Nach diesen Grundsätzen sind auch M a ß n a h m e n zu beurteilen, die eine a m Kriege unbeteiligte Macht länger als 6 Monate vor ihrem Eintritt in den Krieg trifft, ζ. B. die Beschlagnahme von Schiffen durch eine Macht, die, zum Eintritt in den Krieg entschlossen, damit nach der Beschlagnahme noch 7 Monate wartet. § 35 Abs. 1 Satz 2 bedeutet nicht, d a ß solche M a ß n a h m e n keinesfalls als Kriegsereignisse betrachtet werden
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sollen. — Die in letzter Stunde beschlossene Bestimmung ist nicht ausreichend überlegt. Wird am i . Februar das versicherte Schiff von einer unbeteiligten Macht beschlagnahmt, so könnte der Versicherungsnehmer vom Seeversicherer gemäß § 73 nach 2 Monaten die Versicherungssumme verlangen. Da jedoch ungewiß ist, ob nicht die Macht in der sechsmonatigen Frist in den Krieg eintritt, so wird dem Seeversicherer bis zum Ablauf dieser Frist eine dilatorische Einrede zustehen, die jedoch im übrigen das Verhältnis, insbesondere die Verzinsungspflicht des Versicherers, unberührt läßt. — Berechnung der Frist: B G B §§ 187, 188. 12. Der Seeversicherer haftet nach § 849 H G B „insbesondere nicht . . . f ü r die K o s t e n , welche a u s d e r A n h a l t u n g und R e k l a m i e r u n g entstehen", also namentlich nicht für die an sich gemäß § 32 zu ersetzenden Aufwendungen, die durch die Geltendmachung der Ansprüche oder Einwendungen des Versicherungsnehmers im Prisengerichts-Verfahren (im sog. Reklameprozeß, vgl. P e r e i s IntöffSeerecht 305) entstehen, aber ebensowenig natürlich f ü r Aufwendungen, die sonstwie zum Zwecke der Freilassung genommener Sachen gemacht werden, ζ. B. nicht für das Lösegeld, das auf Grund von sog. Loskauf- oder Ranzionierungsverträgen (die heute freilich kaum noch vorkommen; vgl. B e n e c k e 3. 363, N o l t e 2. 269, P e r e i s IntöffSeerecht 300, A r n o u l d 790 s. 8 3 1 ) zu zahlen ist. Der Versicherer haftet nach § 84g H G B auch „insbesondere nicht . . . für die K o s t e n , welche . . . a u s d e r B l o c k a d e des Aufenthaltshafens oder der Z u r ü c k w e i s u n g von einem blockierten Hafen oder aus d e m f r e i w i l l i g e n A u f e n t h a l t wegen Kriegsgefahr entstehen"; ebensowenig für die „ K o s t e n der E n t l ö s c h u n g und L a g e r u n g " der Güter und die „ K o s t e n ihrer W e i t e r b e f ö r d e r u n g " . Alles dies versteht sich von selbst ( H G Z 1 9 1 7 . 234, 1 9 1 8 . 1 4 7 ; vgl. auch H R Z 1918. 685), ergibt sich überdies noch besonders aus § 1 2 1 Abs. 3 und ist deshalb in den A D S nicht mehr ausgesprochen (vgl. auch unten Anm. 29). Aber auch noch aus einem anderen Grunde nicht. Die Anführung der Kosten im § 849 H G B hat zu dem Irrtum Anlaß gegeben, daß der Kriegsversicherer a l l e „zunächst durch Kriegsgefahr verursachten" Kosten zu ersetzen habe. So R G H G Z 1 9 1 8 . 7 1 : I m § 849 H G B „trete die Anschauung hervor, daß, während der Regel nach und im Zweifel ein unter die Seeversicherung fallender Schaden einen Verlust oder eine Beschädigung des versicherten körperlichen Gegenstandes voraussetze, bei der Kriegsversicherung . . . auch die unmittelbar durch Kriegsgefahr verursachten Kosten den Versicherungsanspruch begründeten" (vgl. dazu H a g e n s H R Z 1 9 1 8 . 681, auch H G Z ig 17. 234). Der Irrtum ist offenbar; es wäre j a auch ein seltsames Beginnen, hätte der Gesetzgeber dem Kriegsversicherer in dieser Form, bei Gelegenheit der Regelung der „Nur-für-Seegefahr-Klausel, die Haftung für Kosten aufbürden wollen, die der Versicherer nach allgemeinen Grundsätzen nicht zu ersetzen hat. Auch diesem Irrtum entgegenzutreten, diente die sog. Hamburger Kriegsklausel (§ 1 2 1 Anm.). N a c h den A D S ist der Irrtum jedenfalls nicht mehr möglich. 13. Der Seeversicherer haftet nach § 849 H G B auch „insbesondere nicht . . . f ü r die G e f a h r d e r E n t l ö s c h u n g und L a g e r u n g " der Güter, wenn Entlöschung und Lagerung die „ F o l g e eines freiwilligen Aufenthalts wegen Kriegsgefahr" sind, d. h. für die mit der Ausladung und Lagerung adäquat verbundenen Schäden. Auch dies versteht sich von selbst und ist deshalb in den A D S nicht besonders ausgesprochen (vgl. § 28 A n m . 1 7 f f . ) . Zuweitgehend, auch v o m Standpunkt des § 84g H G B , und mit der Auffassung gerade der Rechtsprechung vom Wesen der causa proxima unvereinbar: H G Z 1888. 28: „ D i e Gefahr der Lagerung sei das gesamte mit der letzteren verbundene und während der letzteren verlaufende Risiko" (näheres: unten A n m . 29). 14. Die Kriegsgefahr kann die Änderung, insbesondere E r h ö h u n g d e r ü b r i g e n G e f a h r e n herbeiführen (vgl. auch R G 169. 1). Entweder unabhängig vom Willen des
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§ 3 5 Versicherungsnehmers; so etwa, w e n n das versicherte Schiff v o m Kriegsschiff einer kriegführenden M a c h t zur U n t e r s u c h u n g in einen vertragsfremden H a f e n verwiesen wird. O d e r mit d e m Willen des Versicherungsnehmers; so etwa, wenn das Schiff d u r c h Kriegsereignisse genötigt, vom Reiseweg abweicht oder die Reise n a c h einem a n d e r e n Bestimmungsort richtet. N a c h d e n allgemeinen Grundsätzen über G e f a h r ä n d e r u n g e n w ü r d e die G e f a h r ä n d e r u n g im ersten Falle keinen Einfluß auf die Seeversicherung h a b e n , im zweiten Falle den Seeversicherer von der Entschädigungspflicht befreien (§§ 23,24). Beides w ü r d e der Verkehrsauffassung widersprechen. § 849 H G B trägt der Verkehrsauffassung in mißverständlicher u n d mißverstandener (oben A n m . 11) Weise wenigstens z u m Teile d a d u r c h R e c h n u n g , d a ß er die Gefahr f ü r d e n Seeversicherer „erst mit der K o n d e m n a t i o n e n d e n " läßt „oder sobald sie geendet hätte, w e n n die Kriegsgefahr nicht ausgenommen worden w ä r e " . § 35 A D S spricht zwar nicht besonders aus, d a ß G e f a h r ä n d e r u n g e n , welche die Kriegsgefahr m i t sich bringt, nicht n a c h d e n allgemeinen Grundsätzen über G e f a h r ä n d e r u n g e n beurteilt werden sollen, läßt a b e r d u r c h die besondere Behandlung des Gegenstandes in den Abs. 2 u n d 3 erkennen, d a ß K r i e g s e r e i g n i s s e f ü r das Gebiet der Gefahrstandspflicht wie E r e i g n i s s e angesehen werden sollen, „ f ü r d i e d e r V e r s i c h e r e r h a f t e t " (§ 24 Abs. 2). D a G e f a h r ä n d e r u n g e n , die d u r c h den Krieg veranlaßt werden, den Seeversicherer nicht befreien, wird die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers von d e m Ausschluß der Kriegsgefahr k a u m berührt. U b e r das Verhältnis der Haftungsbeschränkung zur vorvertraglichen Anzeigepflicht im allgemeinen: § 19 A n m . 26. — A u c h von der Verpflichtung z u r Anzeige von G e f a h r e r h ö h u n g e n , die d u r c h Kriegsereignisse verursacht sind (§ 26), ist der Versicherungsnehmer natürlich d u r c h § 35 nicht befreit. Die H a u p t b e d e u t u n g des Ausschlusses der Kriegsgefahr liegt also in der Beschränkung der H a f t u n g des Versicherers. Die Kriegsgefahr k a n n a u c h eine U m g e s t a l t u n g der versicherten U n t e r n e h m u n g herbeiführen (vgl. § 23 A n m . 9). D a n n ist der Versicherer im allgemeinen frei, der Seeversicherer nicht nur, sondern a u c h der Kriegsversicherer. So etwa, w e n n das versicherte Schiff wegen der Kriegsgefahr die versicherte Reise von einem vertragsfremden H a f e n aus antritt ( § 2 3 A n m . 71). Als Haselnußkerne auf G r u n d der A D S (oder wenigstens n a c h Seeversicherungs-Bedingungen) f ü r die Reise von Konstantinopel n a c h H a m b u r g auf der Bahn u n d p e n d a n t le trajet de fleuves ou d ' e a u x interieures kriegsversichert waren u n d wegen des Eintritts R u m ä n i e n s in d e n Ersten Weltkrieg die Bahnreise aufgeben u n d den D o n a u w e g einschlagen m u ß t e n , war die G e f a h r natürlich nicht geändert, sondern die versicherte U n t e r n e h m u n g (mit oder ohne Z u s t i m m u n g des Versicherungsnehmers) umgestaltet, d e r Versicherer a n u n d f ü r sich frei ( L G u. O L G H a m b u r g H R Z 1921. 455, 1922. 549; abw. R G H R Z 1922. 547 in offenbarer V e r k e n n u n g des Kausalitätsproblems u n d o h n e tatsächlichen A n h a l t : Es sei zu prüfen, ob der Versicherer „ n u r die sog. u n m i t t e l b a r e . . . oder a u c h die mittelbare Kriegsgefahr" ü b e r n o m m e n h a b e u n d deshalb f ü r d e n a m Bestimmungsort festgestellten Gewichtsunterschied hafte). Der Versicherer war gleichwohl nicht frei, w e n n die G ü t e r d e n D o n a u w e g ohne Z u s t i m m u n g des Versicherungsnehmers g e n o m m e n h a t t e n ; d e n n wenn die A D S ü b e r h a u p t (natürlich n u r sinngemäße) A n w e n d u n g finden sollen, m u ß a u c h § 95 Abs. 2 Satz 2 sinngemäß angewendet werden (vgl. § g s A n m . , a u c h § 1 2 5 ; abw. w i e d e r u m ohne G r u n d R G H R Z 1922. 550). A n m . 30
15. § 35 Abs. 1 ist natürlich nicht n u r auf Kasko-und Güterversicherungen, sondern auch auf andere Versicherungen anzuwenden. I m Abs. 1 Satz 2 h ä t t e es deshalb statt „versicherte S a c h e " vielmehr „ S a c h e , auf die sich die Versicherung bezieht", heißen müssen.
Kriegsgefahr
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16. Abs. 2. Bei Versicherungen, die sich auf das Schiff beziehen, ist der § 35 Versicherer frei, wenn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht Anm. 31 antritt oder nicht fortsetzt oder einen Hafen anläuft. a) Ü b e r den Begriff der „Versicherung, die sich auf das Schiff b e z i e h t , " § 33 Anm. 32. b) „ I n f o l g e d e r K r i e g s g e f a h r " . O b das Schiff durch das Kriegsereignis, Anm. 32 ζ. B. durch die Beschlagnahme, unmittelbar gezwungen wird, die Reise nicht anzutreten usw., oder ob es nur durch die Kriegsgefahr genötigt wird, die Reise nicht anzutreten usw., ob der Versicherungsnehmer oder ein anderer, ζ. B. der Kapitän, für ihn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht antreten läßt usw., oder die Mannschaft sich wegen der Kriegsgefahr weigert, das Schiff die Reise antreten zu lassen usw., gilt gleich (vgl. R G H G Z 1888. 1 7 1 , H G Z 1888. 28). Ebenso, ob das Schiff noch durch andere Gründe veranlaßt ist, die Reise nicht anzutreten usw. c) N i c h t a n t r i t t d e r
Reise.
α) R e i s e v e r s i c h e r u n g . Wird die Reise v o r Beginn der Versicherung nicht Anm. 33 angetreten, so ist die versicherte Gefahr nicht entstanden. Der Versicherer ist frei; der Versicherungsnehmer regelmäßig ebenfalls ( § 4 Abs. 1 § 5 Anm. 5, 15). — Wird die versicherte Reise n a c h Beginn der Versicherung nicht angetreten, so fällt die versicherte Gefahr weg. Der Versicherer ist frei; der Versicherungsnehmer nicht (§ 4 Abs. 2). — Wird die versicherte Reise nicht aufgegeben, der Antritt der Reise nur verzögert, so fällt die versicherte Gefahr nicht weg. Der Versicherer ist aber gemäß § 35 Abs. 2 frei, wird durch Erklärung des Versicherungsnehmers an der Entschädigungspflicht festgehalten, erhält in jedem Falle die Prämie und im Falle der Erklärung Zuschlagsprämie (§ 35 Abs. 4). — Wird die Reise nach einem anderen als dem vertragsmäßigen Bestimmungsort gerichtet, so wird sie „angetreten" (vgl. § 23 Abs. 3). ß) Z e i t v e r s i c h e r u n g . Wird die Reise, die das Schiff vorhat, nicht angetreten, sei es, daß sie aufgegeben, sei es, daß der Antritt hinausgeschoben wird, so ist der Versicherer gemäß § 35 Abs. 2 frei. E r kann vom Versicherungsnehmer an der Entschädigungspflicht festgehalten werden, erhält in jedem Falle die Prämie und im Falle der Festhaltung Zuschlagsprämie (§ 35 Abs. 4). d) N i c h t f o r t s e t z u n g d e r R e i s e . Gemeint ist (wie der dritte Fall, der Fall Anm. 34 der Anlaufung eines Hafens, erkennen läßt) nur der Fall, daß das Schiff in einem Zwischenhafen liegenbleibt und von diesem Hafen aus die Reise nicht fortsetzt, d. h. nicht zu der Zeit fortsetzt, zu der sie fortgesetzt werden soll. Wird die versicherte Reise aufgegeben, so fällt die versicherte Gefahr weg. Der Versicherer ist frei. Der Versicherungsnehmer ist nicht frei (§ 4 Abs. 2). Wird die versicherte Reise nicht aufgegeben, so fällt die versicherte Gefahr nicht w e g ; der Versicherer ist aber gemäß § 35 Abs. 2 frei, wird durch Erklärung des Versicherungsnehmers an der Entschädigungspflicht festgehalten, erhält in jedem Falle die Prämie und im Falle der Erklärung Zuschlagsprämie (§ 35 Abs. 4). Wird die versicherte Reise nach einem anderen als dem vertragsmäßigen Bestimmungshafen gerichtet, so wird sie „fortgesetzt". — Bei Zeitversicherungen wird der Versicherer gemäß § 35 Abs. 2 frei, wenn das Schiff die Reise, die es vorhat, nicht fortsetzt. E r kann v o m Versicherungsnehmer an der Entschädigungspflicht festgehalten werden, erhält in jedem Falle die Prämie und im Falle der Festhaltung Zuschlagsprämie (§ 35 Abs. 4). e) A n l a u f u n g e i n e s H a f e n s . Ob das Schiff aus eigenem Antrieb, wenngleich Anm. 35 durch die Kriegsgefahr genötigt, den Hafen anläuft, oder ob es (vgl. A S V B § 101 Abs. 3) in den Hafen verwiesen oder aufgebracht und in den Hafen eingebracht wird, gilt gleich.
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Kriegsgefahr
§ 35 f) Der Versicherer ist f r e i (anders ASVB § 101, wonach der Versicherungsnehmer Anm. 36 auf die Fortdauer der Versicherung verzichten konnte). Ohne weiteres; insbesondere ohne daß es einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Versicherungsnehmer bedarf. •— Der Versicherer ist aber nicht (wie etwa im Falle des § 20 Abs. 1) überhaupt frei. Er ist nur frei, wenn s p ä t e r ein Ereignis eintritt, das seine Entschädigungspflicht ausgelöst haben würde. Dies ist zwar nicht (wie im Falle des § 24 Abs. 1) ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber schon aus dem inneren Zusammenhang des § 35 Abs. 2 mit den Bestimmungen über die Gefahränderung ohne weiteres. Wird das Schiff vor Erreichung des Nothafens durch Zusammenstoß beschädigt, so haftet der Versicherer. Ebenso, wenn es nach Aufbringung, aber vor Erreichung des Untersuchungshafens zusammenstößt und beschädigt wird. Strandet das Schiff nach der Aufbringung, so haftet der Versicherer nicht, wenn die Strandung die unvermeidliche Folge der Aufbringung ist, wenn etwa die auf das Schiff gelegte Besatzung schiffahrtsunkundig ist und unrichtige Anordnungen trifft (vgl. oben Anm. 12). — Der Versicherer b l e i b t frei, auch wenn die Reise später angetreten oder fortgesetzt, der Hafen wieder verlassen wird. Auch im Falle der Zeitversicherung. Der Versicherungsnehmer hat also in diesem Falle besonderen Anlaß, zu erwägen, ob er den Versicherer an der Entschädigungspflicht festhalten soll. ·— Hat der Versicherer gezahlt, obgleich er frei ist, so kann er kondizieren (BGB §§ 812fr.; näheres: § 20 Anm. 5). Anm. 37
g) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist n i c h t f r e i . Er muß insbesondere die Prämie zahlen (wenn nicht etwa infolge Nichtantritts der Reise die versicherte Gefahr vor Beginn der Versicherung weggefallen ist: oben Anm. 33). Er ist auch von seinen sonstigen Verbindlichkeiten (von der Gefahrstandspflicht, der Schadenverhütungs-Pflicht usw.) nicht frei. Aber diese anderen Verbindlichkeiten werden doch durch die Befreiung des Versicherers von der Entschädigungspflicht vielfach beeinflußt. Soweit nämlich von ihrer Erfüllung die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, werden sie mit dem Wegfall der Entschädigungspflicht gegenstandslos (vgl. R O H G 8. 232). Anders natürlich, wenn der Versicherer auf die Befreiung verzichtet (über stillschweigenden Verzicht: § 20 Anm. 6).
Anm. 38
h) Alles dies gilt natürlich auch, wenn das Schiff im Falle einer V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g vor dem Vertragsschluß die Reise nicht angetreten hat usw. Denn im Wesen der Vergangenheitsversicherung liegt, daß das ganze Verhältnis auf den Zeitpunkt des Versicherungsbeginns zurückbezogen werden soll (vgl. § 5 Anm. 9, § 24 Anm. 9).
Anm. 39
17. Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann jedoch dem Versicherer erklären, d a ß die Entschädigungspflicht b e s t e h e n bleiben soll. a) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann erklären. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Uber den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. VI vor § 1. Insbesondere wird im Falle der Versicherung des im Miteigentum der Versicherungsnehmer stehenden Schiffes jeder Versicherungsnehmer für sich erklären können. — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kann der Versicherungsnehmer erklären. Auch der Versicherte, wenn er die Zustimmung des Versicherungsnehmers oder die Police besitzt (§53 Abs. 2). Allerdings ist die Folge, daß der Versicherungsnehmer Zuschlagsprämie zahlen muß (§ 35 Abs. 4). Aber hiermit hat dieser sich durch den Abschluß des Versicherungsvertrags einverstanden erklärt. — Nach der Veräußerung der versicherten Sache muß der E r w e r b e r erklären (§49 Abs. 1). Für die Zuschlagsprämie des § 35 Abs. 4 haften Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner (§ 25 Anm. 4). ·— Erklärung durch V e r t r e t e r : BGB §§ 174, 180. Der Makler ist nicht ohne weiteres ermächtigt, zu erklären.
Kriegsgefahr
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b) Der Versicherungsnehmer k a n n e r k l ä r e n . Die Erklärung ist, ihrem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) rechtsgestaltende, nämlich rechtserhaltende, Willenserklärung (näheres über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. IV vor §1). Sie muß (gleich allen rechtsgestaltenden Erklärungen) b e s t i m m t sein. Der Versicherer muß wissen, woran er ist. Sie darf daher auch nicht bedingt sein, wenn die Bestimmtheit unter der Bedingtheit leidet. Unwirksam würde ζ. B. die Erklärung sein, daß die Versicherung fortdauern solle, wenn die etwa gerade eingeleiteten Friedensverhandlungen zum Friedensschluß führen würden. Wirksam dagegen die Erklärung, daß die Versicherung fortdauern solle, wenn sich bewahrheiten würde, daß das Schiff in einen Hafen eingebracht sei; denn die Einbringung würde ohnehin Rechtsvoraussetzung für die Wirksamkeit der Erklärung sein. — Der Versicherer braucht die Erklärung nicht anzunehmen oder sich mit ihr einverstanden zu erklären. Die Entschädigungspflicht wird nicht erst durch Vereinbarung aufrechterhalten, sondern unmittelbar durch die einseitige Erklärung. — A n f e c h t u n g wegen Irrtums usw.: BGB § § i i g f f . —• R ü c k n a h m e der Erklärung ex tunc oder ex nunc ist natürlich unstatthaft. c) D e m V e r s i c h e r e r , gegenüber dem Versicherer, ist zu erklären. Erklärung gegenüber einem V e r t r e t e r , insbesondere einem Gesamtvertreter des Versicherers: § 3 Anm. 18. — Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, so kann und muß der Versicherungsnehmer gegenüber jedem einzelnen erklären. Ist ein Versicherer „Führer", so ist Erklärung gegenüber dem Führer genügend, aber auch erforderlich. Näheres: Vorb. V vor § 1. d) Der Versicherungsnehmer muß, sobald er v o m Nichtantritt der Reise u s w . Kenntnis erlangt, unverzüglich erklären. — „ U n v e r z ü g l i c h " bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern (BGB § 1 2 1 ) . Näheres: § 3 Anm. 20. Das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und seiner Hilfspersonen muß der Versicherungsnehmer in den Grenzen des § 278 BGB gegen sich gelten lassen; über die sinngemäße Anwendung des § 278 BGB: Vorb. vor § 1 Anm. 67. — Über den Begriff der K e n n t n i s e r l a n g u n g : § 2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht Kennenmüssen. Auch die Kenntnis dritter muß der Versicherungsnehmer in den Grenzen des § 278 BGB gegen sich gelten lassen (näheres: § 3 Anm. 19). — Uber den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. VI vor § 1. Insbesondere schadet im Falle gemeinschaftlicher Versicherung des im Miteigentum der Versicherungsnehmer stehenden Schiffes Kenntnis und Verschulden des einen Versicherungsnehmers den übrigen nicht (vgl. oben Anm. 39). — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kommen auch Kenntnis und Verschulden des Versicherten in Betracht (vgl. oben Anm. 39). e) R e c h t s f o l g e n der Erklärung: Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen. Wie wenn der Versicherer nie frei geworden wäre. Hat sich zwischen dem Zeitpunkt der Befreiung und der Wiederaufnahme ein Versicherungsfall ereignet, so haftet der Versicherer. Auch dann, wenn der Versicherungsnehmer davon bei der Erklärung Kenntnis gehabt hat. — Dem Versicherer gebührt eine Zuschlagsprämie (§ 35 Abs. 4). 18. Abs. 3 Satz l u . 2. Bei Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, ist der Versicherer frei, wenn die Güter infolge der Kriegsgefahr ausgeladen werden. a) Über den Begriff der „Versicherung, die sich auf die Güter b e z i e h t " : § 3 3 Anm. 32. b) „ I n f o l g e d e r K r i e g s g e f a h r " . Ob die Ausladung die unmittelbare Folge des Kriegsereignisses ist, die Güter ζ. B. von einem Kriegsschiff übernommen werden, oder ob der Versicherungsnehmer durch die Kriegsgefahr genötigt ist, auszuladen, gilt gleich. Näheres: oben Anm. 32.
§35 Anm. 40
Anm. 41
Anm. 42
Anm. 43
Anm. 44
608 § 35
Kriegsgefahr
c) „ A u s l a d u n g " ist die Entfernung der Güter aus dem für die Reise bestimmten Schiffe, also nicht nur die Verbringung an Land, sondern auch die Umladung in andere Fahrzeuge. Im Abladehafen oder im Zwischenhafen. Auch im Bestimmungshafen können die Güter „infolge der Kriegsgefahr" ausgeladen werden; so etwa, wenn sie nur bis zur Umladung in ein anderes Schiff versichert sind und im Bestimmungshafen infolge der Kriegsgefahr an Land gebracht werden. — Wird die Reise des vertragsmäßigen Schiffes aufgegeben, die Reise der Güter dagegen nicht, so fällt die versicherte Gefahr weg. Aber die Versicherung würde gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 aufrechterhalten und der Versicherer für die anderweitige Weiterreise verpflichtet bleiben, wenn der Versicherer nicht gemäß § 35 Abs. 3 frei wäre. Der Versicherungsnehmer kann aber gemäß § 35 Abs. 3 den Versicherer an der Entschädigungspflicht festhalten. Die Umladungskosten usw. fallen dem Versicherer in diesem Falle gleichwohl und trotz § 95 Abs. 3 nicht zur Last; denn sie sind die unvermeidliche Folge des Kriegsereignisses (HGZ 1918. 147; vgl. auch H R Z 1918. 685); gemäß § 121 Abs. 3, der auf eben dieser Auffassung beruht, soll nicht einmal der Kriegsversicherer diese Kosten ersetzen. Übrigens ist der Rücktritt des Schiffes vom Frachtvertrag (HGB §§ 629, 634) keine Aufgabe der Reise des Schiffes (unrichtig: H G Z 1918. 147); das Schiff kann j a auch nach Ausladung der Güter die Reise fortsetzen. — Wird auch die Reise der Güter (freiwillig oder gezwungen) aufgegeben, so fällt die versicherte Gefahr weg, wird die Versicherung auch nicht gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 aufrechterhalten und demgemäß auch nicht gemäß § 35 Abs. 3 (§95 Anm.). d) Der Versicherer ist f r e i ; der Versicherungsnehmer nicht. Näheres: oben Anm. 36—38. e) Der Versicherungsnehmer kann jedoch dem Versicherer erklären, daß die Entschädigungspflicht bestehen bleiben soll. Dann bleibt sie bestehen. Natürlich nur, soweit sie vorher bestand. Der Versicherer haftet also nicht für Kriegsschäden. Insbesondere nicht für die durch „Entlöschung und Lagerung" der Güter entstandenen Schäden (HGB § 849). Aber nur dann nicht, wenn diese Schäden die unvermeidliche Folge der Ausladung und Lagerung bilden, wenn sie ζ. B. bei der Ausladung oder Einlagerung oder infolge der mangelhaften Lagerräume oder infolge der besonderen Unsicherheit des Lagerplatzes entstehen und nach Sachlage entstehen müssen. Infolge einer Revolution wurden kriegsfrei versicherte Güter in Arica ausgeladen und eingelagert. In Arica lagernde Güter waren in besonderem Maße der Diebstahlsgefahr ausgesetzt. Deshalb mag es richtig gewesen sein, den Versicherer von dem durch die Beraubung der Güter entstandenen Schaden freizuhalten (HGZ 1888. 28; vgl. § 28 Anm. 26 unter nn); unrichtig die Begründung, daß „die Gefahr der Lagerung das gesamte mit der letzteren verbundene und während der letzteren verlaufende Risiko" sei und der Versicherer deshalb ohne weiteres nicht hafte (HGZ 1888. 28; zustimmend R G H G Z 1888. 70, R G 89. 140; dagegen mit Recht K ö h l e r 36). Der durch den Wortlaut des Gesetzes irregeführten Rechtsprechung mußten auch hier die Versicherungsbedingungen entgegentreten: Die AlteGP (Zusatz zum § 101 A S V B ; Mat. 2. 100) bestimmte, daß der Versicherer gegen Zuschlagsprämie „auch die Gefahr der Ausladung und Lagerung der Güter im Falle jeglichen Aufenthalts wegen Kriegsgefahr — soweit es sich nicht um Schäden handelt, die während der Ausladung oder Lagerung durch Kriegsereignisse eingetreten sind — " , trage (vgl. dazu R G 89. 141, H G Z 1916. 307). Die A D S gehen nicht so weit, wie diese Bestimmung. Maßgebend ist lediglich der Grundsatz der nächsten Ursache in seiner in § 28 Anm. 17 ff. erläuterten Bedeutung. — D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann erklären. Näheres: oben Anm. 39. — Der Versicherungsnehmer k a n n e r k l ä r e n . Näheres: oben Anm. 40. — D e m V e r s i c h e r e r ist zu erklären. Näheres: oben Anm. 41. — Der Versicherungsnehmer muß, sobald er
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von der bevorstehenden oder bewirkten Ausladung Kenntnis erlangt, u n v e r z ü g l i c h § 3 5 erklären. Näheres: oben Anm. 42. Erfährt der Versicherungsnehmer, daß die Güter ausgeladen werden sollen, oder beabsichtigt er gar selbst, sie ausladen zu lassen, so darf er nicht warten, bis sie ausgeladen sind. Unterbleibt die Ausladung nach der Erklärung, so muß er von dieser für den Versicherer erheblichen Tatsache dem Versicherer Mitteilung machen (§ 13 Anm. 6). Unterbleiben Erklärung und Ausladung, so bleibt die Entschädigungspflicht des Versicherers unberührt. — Zuschlagsprämie: § 35 Abs- 4· 19. A b s . 3 Satz 3. Bei Versicherungen, die sich auf die Güter beziehen, wird Anm. 45 außerdem die Haftung des Versicherers gemindert, wenn die Versicherung trotz Ausladung fortdauert: N a c h z w e i m o n a t i g e m Aufenthalt haftet der Versicherer für B e s c h ä d i g u n g und Leckage nur noch i m Strandungsfall. a) Reiseverzögerung infolge Kriegsgefahr ist an und für sich ohne Einfluß auf die Haftung des Versicherers (oben Anm. 29). O b infolge der Kriegsgefahr das Schiff mit den Gütern in einem Hafen liegenbleiben oder vom Reiseweg abweichen oder auf hoher See warten muß, ob das Schiff unmittelbar durch ein Kriegsereignis (ζ. B. Blockade, Sperrung) verhindert wird, die Reise rechtzeitig auszuführen, oder ob das Schiff nur durch die Kriegsgefahr genötigt wird, die Reise zu verzögern, gilt gleich. Nur wenn die Güter ausgeladen sind, der Versicherungsnehmer die Fortdauer der Versicherung erklärt und der Aufenthalt (nach Ausladung) länger als 2 Monate dauert, vermindert sich die Haftung des Versicherers (anders nach § 101 ASVB: in jedem Falle freiwilligen Aufenthalts wegen Kriegsgefahr, also nicht bloß nach Ausladung). Daß die Güter wieder eingeladen werden, ist ohne Bedeutung. b) Der Versicherer haftet für die s p ä t e r entstehende Beschädigung und Leckage nur im Strandungsfall. Für die früher entstandene nach allgemeinen Grundsätzen (anders nach § 101 ASVB, der zwischen früherer und späterer Beschädigung usw. nicht unterschied: R G H G Z 1888. 173, H G Z 1888. 29). Als früher entstanden ist die Beschädigung usw. auch dann anzusehen, wenn der Schaden zwar später entstanden, aber die unvermeidliche Folge des früheren Versicherungsfalls ist (vgl. § 28 Anm. 17ff.). — Der Versicherer haftet n u r i m S t r a n d u n g s f a l l , „ a u c h w e n n er s o n s t n o c h i n a n d e r e n F ä l l e n h a f t e t " . Für Beschädigung haftet er noch in anderen Fällen gemäß §82 Abs. 2. Für Leckage haftet er aber nach den ADS in anderen Fällen nicht; für gewöhnliche Leckage haftet er sogar überhaupt nicht (§ 86). Deshalb hätte nicht bestimmt werden dürfen, daß der Versicherer für Leckage nur im Strandungsfall haftet, auch wenn er sonst noch in anderen Fällen haftet. Die Bestimmung erschien aber (wenngleich gesetzestechnisch verfehlt, so doch) erwünscht, weil der Versicherer nicht selten auch die Haftung für Leckageschäden in anderen als Strandungsfällen übernimmt und seine Haftung dann für den Fall des § 35 Abs. 3 Satz 2 auf Strandungsfälle beschränkt bleiben muß. — Uber „Beschädigung": § 28 Anm. 39. — Uber „Leckage": § 86 Anm. — Uber „Strandungsfall": § 114 Anm. 20. A b s . 4. Nach § 25 gebührt dem Versicherer Zuschlagsprämie, wenn die Gefahr, Anm. 46 die er trägt, infolge einer Gefahr, die er nicht trägt, geändert und er gleichwohl nicht frei wird (hierüber: § 25 Anm. 5). § 25 gilt an und für sich auch, wenn die Gefahr des Seeversicherers durch Kriegsereignisse geändert wird. Deshalb bestimmte Ε i g i o §38 nur für den Fall, daß der Versicherungsnehmer die Fortdauer der Versicherung erklärt, besonders, daß dem Versicherer eine Zuschlagsprämie gebühre. Immerhin schienen Zweifel möglich, weil § 35 die Rechtsfolgen der Gefahränderung durch Kriegsereignisse selbständig bestimmt. Auch erschien es wünschenswert, besonders auszusprechen, daß Zuschlagsprämie namentlich dann zu zahlen ist, wenn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht antritt oder nicht fortsetzt oder einen Hafen anläuft. Deshalb 39
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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Kriegsgefahr
§ 3 5 wiederholt § 35 Abs. 4 für den Fall der Gefahränderung durch Kriegsereignisse den § 25: Dem Versicherer gebührt Zuschlagsprämie, wenn die Gefahr infolge der Kriegsgefahr geändert wird, — mag die Gefahr „unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers", mag sie mit seinem Willen geändert sein. Natürlich nur, wenn der Versicherer nicht frei wird, mag er nicht frei sein, weil keiner der Fälle des § 35 Abs. 2 u. 3 vorliegt (vgl. oben Anm. 29), mag er nicht frei sein, weil einer der Fälle des § 35 Abs. 2 u. 3 vorliegt, der Versicherungsnehmer aber die Fortdauer der Versicherung erklärt hat. — „ I n s b e s o n d e r e " ist Zuschlagsprämie zu zahlen, wenn das Schiff infolge der Kriegsgefahr die Reise nicht antritt oder nicht fortsetzt oder einen Hafen anläuft und der Versicherer nicht frei wird. Sowohl im Falle einer Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, wie im Falle einer Versicherung, die sich auf die Güter bezieht. Der Fall, daß die Güter infolge der Kriegsgefahr ausgeladen werden (§ 35 Abs. 3), ist nur deshalb nicht auch hervorgehoben, weil die Ausladung im Falle einer Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, die Gefahr regelmäßig nicht erhöhen wird. — Näheres über die Zuschlagsprämie: § 16 Anm. 6, § 20 Anm. 21, § 25 Anm. 2. Insbesondere ist bei der Bemessung der Zuschlagsprämie nicht der Gefahrablauf, sondern die Gefahrlage bei der Gefahränderung zu berücksichtigen ( O L G H a m m bei H a s s e l m a n n 82). Jedoch ist zu beachten, d a ß die Gefahr gerade infolge eines Krieges oft mehrfach geändert werden kann. — Zuschlagsprämie ist f ü r die Zeit zu zahlen, während welcher die Gefahr erhöht ist, unter Umständen also bis zum Ablauf der Versicherung, also bis zur Kondemnation, wenn die Versicherung erst mit dieser endigt (RG 88. 244). Anm. 47
21. B e w e i s l a s t . Nach §849 Abs. 2 H G B „wird im Zweifel angenommen, d a ß ein eingetretener Schaden durch Kriegsgefahr nicht verursacht sei" (ähnlich niederl. H G B Art. 648, belg. C. de com. Art. 180). Eine Beweisregel, die vom Standpunkt des H G B eine gewisse Berechtigung haben mag. Denn wenn b e s o n d e r s v e r e i n b a r t wird, daß gewisse Gefahren ausgeschlossen sein sollen, der Versicherer also nur gewisse Gefahren tragen soll, könnte die Meinung aufkommen, der Versicherungsnehmer müsse beweisen, daß der Schaden durch ein Gefahrereignis verursacht ist ( V o i g t 381, 585). Vom Standpunkt der ADS wäre solche Beweisregel überflüssig und deshalb schädlich, — schädlich auch deswegen, weil sie dazu verleitet, an die Beweisführung größere Anforderungen zu stellen, als nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zulässig ist (vgl. R G 89. 141). Die ADS beruhen auf dem Grundsatz der allgemeinen Gefahrendeckung und machen hiervon im § 35 eine Ausnahme. Wer sich aber auf den Ausnahmefall beruft, m u ß nach allgemeinen Beweisgrundsätzen seine Voraussetzungen beweisen ( S c h e r z b e r g 102). Deshalb m u ß der Versicherungsnehmer, der Entschädigung verlangt, beweisen, daß der Schaden während der Dauer der Versicherung entstanden ist (näheres: § 28 Anm. 8, 9, 3 1 ; vgl. auch R G 89. 142, R G H G Z 1919. 92), der V e r s i c h e r e r , daß der Schaden durch ein K r i e g s e r e i g n i s entstanden ist ( G e r h a r d 256, K ö h l e r 33, V o i g t N A f H R 4. 179, LZ 1913. 244, HöchstG Christiania I T V M i t t 1918. 76; im Ergebnis richtig, in der Begründung schief: R G H G Z 1919. 91 in einem Falle der Binnentransport-Versicherung: Das Seeversicherungs-Recht sei „zur entsprechenden Ergänzung" des Binnentransport-Versicherungsrechts heranzuziehen und deshalb „der im Seeversicherungs-Recht geltende Grundsatz" des § 849 Abs. 2 H G B anzuwenden). Ist insbesondere das Schiff v e r s c h o l l e n , so m u ß der Versicherer regelmäßig entschädigen. Denn er wird regelmäßig nicht beweisen können, daß der Schaden durch ein Kriegsereignis verursacht ist ( B e n e c k e 3. 334; ebenso, obgleich im englischen Rechte der Grundsatz der allgemeinen Gefahrendeckung nicht gilt: Green v. Browne 1744 bei A r n o u l d 860 s. 897, zweifelnd: Comp. mar. of Barcelona v. Wishart 1918
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bei P a u l y Kriegsgefahr 275). Regelmäßig! Unter Umständen mag dem Versicherer § 3 5 der Beweis gelingen. Denn beweisen heißt nur: die Wahrscheinlichkeit erbringen, die im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hingenommen wird ( R G H G Z 1895. 6, Bolze 1 Nr. 1 9 1 8 , H G Z 1 9 1 8 . 1 3 7 , O L G Rostock Rspr 22. 72). Verschwindet das Schiff im minenverseuchten Gebiet, in dem schon andere Schiffe verschwunden sind, ohne daß Grund zur Annahme einer sonstigen Schadensursache besteht, so kann angenommen werden, daß es durch eine Mine vernichtet ist ( O L G Königsberg H R Z 1 9 1 8 . 39: Fall S t o c k h o l m , HöchstH Christiania I T V M i t t 1 9 1 8 . 76, Macbeth & Co. v. K i n g 1 9 1 6 bei P a u l y Kriegsgefahr 262; anders, wenn alle Anzeichen fehlen und stürmisches Wetter geherrscht hat: L G Bremen Hansa 1 9 1 7 . 300, Rechtsb. Amsterdam I T V M i t t 1 9 1 8 . 4 5 ; abw. T h e Euterpe St. Co. v. North of E. Prot, and Ind. Ass. 1 9 1 7 bei P a u l y Kriegsgefahr 272, Brit, and Burm. St. N. Co. v. Liverpool & London Warrish Ass. bei P a u l y Kriegsgefahr 274, dagegen jedoch Comp. mar. of Barcelona v. Wishart 1 9 1 8 bei P a u l y Kriegsgefahr 276). Als ein Dampfer während des Ersten Weltkriegs auf der Reise von London nach Havre verschwand, zwischen Hastings und Dymchurch drei seiner Rettungsboote angetrieben wurden, das Wetter gut war und feindliche Unterseeboote in der Nähe von Havre bemerkt waren, auch andere Schiffe versenkt hatten, konnte angenommen werden, daß der Dampfer versenkt war, auch wenn nicht eine Flaschenpost ( O r i o l e , torpedo, sinking) angeschwemmt wäre (Gen. St. Nav. Co. v. Comm. Union Ass. Co. 1 9 1 5 I T V M i t t 1 9 1 5 . 56, auch bei P a u l y Kriegsgefahr 244). Vgl. auch H G Z 1 9 1 8 . 1 3 7 : Wenn ein Dampfer nach Explosion sinkt, Kesselexplosion ausgeschlossen ist und Minen in der Nähe festgestellt sind, kann Minenschaden angenommen werden. Vgl. ferner italien. Dekret vom 2. September 1 9 1 7 , wonach der Verlust eines Schiffes, wenn die Ursache nicht mit Sicherheit festzustellen ist, als Kriegsschaden angesehen werden soll ( I T V M i t t 1 9 1 7 . 1 1 5 , 1918. 12), und Ubereinkunft der englischen Assekuradeure über die Teilung des Schadens in Verschollenheitsfällen: I T V M i t t 1 9 1 8 . 12. Siehe über die Anforderungen an den Nachweis einer Kriegsgefahr als Ursache des Unterganges eines verschollenen Schiffes H a n s O L G H a n s R G Z 1943 Β 8 = Sasse Nr. 460. L G H a m b u r g H a n s R G Z 1941 Β 231 hat einen Kriegsschaden angenommen bei einem 1938 erbauten Dampfer, der während des Zweiten Weltkrieges auf der Fahrt von Leningrad nach Oscarhamm aus unbekannten Gründen verlorenging. V o n dem Schiff wurde nach einer Funkmeldung vom 10. Dezember 1939 nichts mehr gehört. Seeversicherer und Versicherungsnehmer waren sich darüber einig, der Untergang müsse so schnell erfolgt sein, daß es unmöglich gewesen war, Funksignale zu senden und die Rettungsboote auszusetzen. Es herrschte zur fraglichen Zeit stilles Wetter und es befanden sich in der Nähe der mutmaßlichen Unfallstelle keine Untiefen oder Riffe. Die Beweislage solle nach K ö h l e r 51 zum unbilligen Ergebnis führen, wenn außer der a l l g e m e i n e n Versicherung mit Rücksicht auf Zweifel in die Deckung einer bestimmten Gefahr gegen diese Gefahr noch b e s o n d e r s Versicherung genommen wird, wenn ζ. B. der Versicherungsnehmer Bedenken hat, ob die allgemeine Versicherung auch Streikschäden oder die Kriegsversicherung auch Minenschäden, die nach Friedensschluß entstehen, deckt und deshalb noch eine besondere Streik- oder Minenversicherung nimmt. In solchen Fällen sei keine Doppelversicherung anzunehmen, vielmehr hafte nur der Spezialversicherer, wenn dies „ a u c h nach strengem Recht nicht einwandfrei sein möge". Weder nach strengem noch nach billigem Recht ist zu rechtfertigen, daß der Generalversicherer durch die SpezialVersicherung teilweise befreit wird. Ganz unbillig wäre es, wenn der Versicherungsnehmer im Schadensfall nicht vom Generalversicherer Entschädigung verlangen könnte, obgleich sicher ist, daß dieser, nicht sicher ist, daß der Spezialversicherer haftet; aus dieser L a g e hat das 39·
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§ 3 5 Doppelversicherungs-Recht des V V G und H G B den Versicherungsnehmer gerade befreien wollen. K ö h l e r ' s Berufung auf S c h a p s Z f V W 1908. 476 ist schon deshalb unbegründet, weil dessen Ausführungen nicht vom neuen Doppelversicherungs-Recht mit seiner gesamtschuldnerischen Haftung der Versicherer, sondern vom alten Doppelversicherungs-Recht mit seinem Prioritätsprinzip ausgehen. Ebensowenig begründet ist K ö h l e r ' s Berufung auf die schweizerische Police („Wenn die durch diese Police versicherten Gegenstände für gewisse Gefahren, ζ. B. Feuer, anderweitig versichert sind, so gilt die Versicherung durch gegenwärtige Police, soweit sie dieselben Gefahren deckt, erst in zweiter Linie und es soll der anderweitig genommenen diesbezüglichen Versicherung die Priorität gebühren"). Diese Police zeigt vielmehr, daß es einer besonderen Bestimmung bedarf, u m den Generalversicherer zu befreien. Überdies beruht diese Bestimmung (gleich den entsprechenden Klauseln in anderen Ländern) auf Erwägungen, die auf anderem Gebiet liegen (vgl. § 10 Anm. 29). Behauptet der Versicherer, gemäß § 35 Abs. 2 oder 3 frei zu sein, so m u ß er beweisen. Behauptet der Versicherungsnehmer, daß der Schaden vorher entstanden ist, so m u ß er beweisen; denn er m u ß beweisen, daß der Schaden während der Dauer der Versicherung entstanden ist (§ 28 Anm. 31). Behauptet der Versicherungsnehmer, daß er die Fortdauer der Versicherung erklärt habe, so m u ß er beweisen. Behauptet der Versicherer, daß die Erklärung verzögert sei, so m u ß er beweisen. Behauptet der Versicherungsnehmer, daß ihn keine Schuld an der Verzögerung treffe, so m u ß er beweisen (vgl. R G 49. 395, J W 1904. 196). Behauptet der Versicherer, daß die Zweimonats-Frist des § 35 Abs. 3 Satz 2 verstrichen sei, so m u ß er beweisen. Bestreitet der Versicherer, d a ß die Beschädigung oder Leckage vor Ablauf der Frist entstanden ist, so m u ß der Versicherungsnehmer beweisen; denn der Versicherungsnehmer m u ß beweisen, daß der Schaden während der Dauer der Haftung des Versicherers entstanden ist. Bestreitet der Versicherer, daß sich ein Strandungsfall ereignet hat, so m u ß der Versicherungsnehmer beweisen. Bestreitet der Versicherer, daß der Schaden durch die Strandung verursacht ist, so m u ß der Versicherungsnehmer gleichfalls beweisen; doch gilt die Beschädigung oder Leckage, die durch die Strandung entstanden sein kann, im Zweifel als durch sie verursacht (§ 114 Abs. 1 Satz 2); in diesem Falle m u ß also der Versicherer den Gegenbeweis führen. — Verlangt der Versicherer Zuschlagsprämie, so m u ß er beweisen, daß die Gefahr infolge eines Kriegsereignisses geändert, und zwar erhöht, ist, und d a ß er dadurch nicht frei geworden ist. Anm. 48 22. § 35 gilt sinngemäß auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Der Rückversicherer trägt, wenn die ADS f ü r die Rückversicherung maßgebend sind, nicht die Kriegsgefahr. H a t der zu Originalbedingungen rückversicherte Vorversicherer auch die Kriegsgefahr übernommen, so m u ß er dies dem Rückversicherer gemäß § 19 anzeigen (§ 1 Anm. 149, § 19 Anm. 58). Ebenso aber auch, wenn die Vorversicherung die Kriegsgefahr deckt, die Rückversicherung dagegen die Kriegsgefahr nicht decken soll. Denn für die Ü b e r n a h m e der kriegsfreien Rückversicherung ist erheblich, d a ß der Vorversicherer auch die Kriegsgefahr trägt. Übernimmt der Vorversicherer nach Abschluß des Rückversicherungs-Vertrags auch die Kriegsgefahr, so hat er mithin die rückversicherte Gefahr geändert. Die Rückversicherung deckt die Haftpflicht des Vorversicherers im Zweifel auch insoweit, als sie sich aus den nach dem Vorversicherungs-Vertrag zulässigen rechtsgestaltenden Erklärungen des Vorversicherten ergibt (vgl. auch §67 Anm.). Wenn der Vorversicherte gemäß § 35 Abs. 2, 3 erklärt, daß die Versicherung fortdauern soll, wirkt dies ohne weiteres auch für die Rückversicherung. Der Vorversicherer braucht nicht auch dem Rückversicherer unverzüglich zu erklären, daß die Rückversicherung fortdauern soll. Er kann dadurch, daß er dies nicht erklärt, nicht bewirken, daß nur
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noch die Vorversicherung, nicht mehr die Rückversicherung bestehen bleibt und mithin § 35 die Zuschlagsprämie des § 35 Abs. 4 nur ihm, nicht auch dem Rückversicherer zugute kommt. Ist der Vorversicherer (wie regelmäßig) abwicklungsberechtigt, so braucht er sich dem Vorversicherten gegenüber auf § 35 nicht zu berufen, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer sich verständiger und billiger Weise auf § 35 nicht berufen würde (§ 1 Anm. 154). 23. Fremde Rechte. Der Versicherer trägt im allgemeinen, wie nach § 820 HGB, Anm. 49 grundsätzlich auch die Kriegsgefahr. Anders ζ. B. belg. HGB Art. 178. — Kriegsausschluß-Klauseln IVC, ITC, ICC ( A r n o u l d 1296, 1306, 1310): Warranted free of capture, seizure, arrest, restraint, or detainment, and the consequences thereof, or any attempt thereat, and also from all consequences of hostilities or warlike operations, whether there be a declaration of war or not. Die Klausel schließt die Kriegsgefahr in weiterem Umfang aus, als die Klausel „Nur für Seegefahr" oder § 35 ADS (vgl. auch ME 233, K ö h l e r 65, 70, 79). Insbesondere ist der Versicherer frei, wenn der Versicherungsnehmer, durch Kriegsereignisse genötigt, die Gefahr ändert (O'Reilly ν. Royal Exch. Ass. Co. 1815 bei A r n o u l d 767 s. 812, vgl. aber auch 452 s. 478, C h a l m e r s 67). Und seizure seems to be a larger term than „capture", and goes beyond it, and may reasonably be interpreted to embrace every act of taking forcible possession either by a lawful authority or by overpowering force (Cory v. Burr 1883 bei A r n o u l d 866 s. 901; vgl. Johnston v. Hogg 1883 bei C h a l m e r s 150: Der Versicherer hafte nicht, wenn Eingeborene das Schiff überfallen und zerstören, um die Ladung zu rauben). — Nach Art. 5 der französ. Kaskopolice les assureurs sont affranchis des dommages et pertes provenant de guerre civile ou itrangfere, d'hostilites, represailles, captures, arrets, saisies, contraintes, molestations ou detentions par tous gouvernements et autorites quelconques, d'explosion de torpilles, de mines sous-marines, et generalement de tous accidents et fortunes de guerre, ainsi que de piraterie, et d'actes de sabotage ou de terrorisme ayant un caract£re politique ou se rattachant ä la guerre. Ähnlich Art. 8 Abs. 1 der Güterpolice. — Uber die Anbahnung internationaler Vereinbarungen über die Kriegsversicherung: B r ü d e r s DVfVWVeröff 26. 73. § 3 6 Haftung für Arrestgefahr Der Versicherer haftet für den durch gerichtliche Verfügungen oder ihre Vollstreckung entstehenden Schaden nur, wenn er dem Versicherungsnehmer zu ersetzen hat, was dieser zur Befriedigung des der Verfügung zugrunde liegenden Anspruchs leisten m u ß . 1. Vgl. HGB § 820 Abs. 2 Nr. 3, ASVB § 69 Abs. 2 Nr. 3. Anm. 1 2. Literatur: R a u s n i t z NeumannsZ 1916. m (Haftung des Nur-für-Seegefahr- Anm. 2 Versicherers für die Gefahr der Verfügung von Hoher Hand). R i t t e r ZfVW 1911. 761 (Arrestgefahr). Boye Hansa 1965. 2174 (Arrest gegen ausländische Linienreedereien). H e l b e r g , Der Abandon in der Seeversicherung auf rechtsvergleichender Grundlage, 1925. K e r s t e n , Die politischen Gefahren im Versicherungsrecht, Diss. Hamburg 1950. 3. Der Versicherer trägt auch die Arrestgefahr. Gemeint sind in § 36 alle Anm. 3
zivilgerichtlichen Verfügungen und Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere also auch der Arrest, die einstweilige Verfügung, aber auch die Pfändung der Frachtgüter. Die Uberschrift des § 36 ist nur dem wichtigsten der hier geregelten Fälle entnommen. Siehe
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§ 36 über den Arrest als Verfügung von Hoher Hand im Sinne des § 73 dort Anm. 5. — Der Versicherer trägt deshalb auch diese Gefahren — wie alle anderen Gefahren (deshalb auch unrichtig V o i g t NAfHR 4. 207: Die Arrestgefahr sei nicht „als eigentliche Wirkung der Seereise anzuerkennen", ME 127: „Der Arrest sei an sich keine vom Versicherer übernommene Gefahr"; gemeint ist offenbar, die Arrestgefahr sei keine Gefahr der Seeschiffahrt, vgl. hierzu §28 Anm. 11). Er trägt die Arrestgefahr ebenso und im selben Umfang, wie jede andere Gefahr (Ritter ZfVW 1 9 1 1 . 761, ArchBürgR 40. 409, S i e v e k i n g 92). In einzelnen Fällen der Arrestierung des versicherten Schiffes haben die Gerichte einen Anspruch auf Ersatz von Nutzungsverlust (OLG Hamburg ArchBürgR 40. 409, LG Hamburg ZfVW 1911. 762, 783) anerkannt. Als die Ladungsbeteiligten vom Schiffe wegen des Havariegrosse-Beitrags Sicherheit verlangten und mit der Arrestierung des Schiffes drohten und das Schiff Bankbürgschaft stellte, hat man den Anspruch des Kaskoversicherten auf Ersatz der Bankprovision anerkannt (LG Hamburg HGZ 1911,93). Diese Entscheidungen beruhen auf der Verkennung des Grundsatzes, daß der Versicherer zwar alle Gefahren trägt, aber nicht alle möglichen Schäden zu ersetzen hat (§ 28 Anm. 34). Der Versicherer haftet für Verluste und Beschädigungen, die durch Arreste entstehen, für die Aufwendungen, die zur Abwendung solchen Arrestschadens gemacht werden, für die durch den Arrest verursachten Kosten der Umladung, Lagerung und Weiterbeförderung der versicherten Güter (§ 95 Abs. 3). Durch den Arrest herbeigeführte Gefahränderungen gehen zu seinen Lasten, ohne daß er eine Zuschlagsprämie verlangen kann (§§ 24 Abs. 2, 25). Welche Umstände gefahrerheblich und deshalb bei der Schließung des Versicherungsvertrags anzuzeigen sind, wird auch dadurch mitbestimmt, daß der Versicherer „die Arrestgefahr trägt" usw. Nach R G 83. 172 sind im Falle der Versicherung von SchiffsMehrwert, wenn „der Reeder nicht in der Lage ist, die Sicherheit für die Kollisionsschuld zu leisten, und ihm dadurch das Schiff zunächst durch Arrest und im weiteren Verlauf endgültig verlorengeht, die weiteren Schäden, die er dadurch erleidet, nicht auf den Seeunfall, sondern auf den Mangel an bereiten Mitteln des Reeders zurückzuführen", ist also der Versicherer frei. Der Versicherer ist nicht ohne weiteres frei. Er trägt die Arrestgefahr. Der Versicherungsnehmer kann die Versicherungssumme verlangen, wenn das Schiff infolge des Arrestes total verlorengeht. Der Versicherungsnehmer muß aber diesen Verlust abwenden, zu diesem Zwecke die Weisungen des Versicherers einholen und befolgen, den zur Abwendung des Verlustes nötigen Vorschuß verlangen und zweckmäßig verwenden und, soweit er keinen Vorschuß verlangen kann, eigene Mittel aufwenden (vgl. §32 Anm. 16, 31, §41 Anm. 10, 24, 33). — Weswegen der Arrest erlassen ist, ob insbesondere wegen eines Anspruchs, für den der Versicherer einstehen muß (etwa wegen eines Anspruchs auf Ersatz von Kollisionsschaden), oder wegen eines anderen Anspruchs, ist für das HG Β ohne Bedeutung (Sieveking 92, R G HGZ 1901. 99; zweifelnd Brodmann 191). — Nur in einem Punkte wird die Arrestgefahr vom HGB anders behandelt, als die übrigen Gefahren: Nicht der Versicherer muß beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall herbeigeführt hat, sondern umgekehrt, der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r muß beweisen, daß er den Arrest nicht „ v e r s c h u l d e t " hat (oben Anm. 6). Die ADS belassen es insoweit bei den allgemeinen Beweisgrundsätzen (vgl. § 33 Anm. 22), weichen aber in einem anderen Punkte von den Regeln ab, die für die Deckung der übrigen Gefahren gelten: Anm. 4
a) Der Versicherer haftet nur, wenn er dem Versicherungsnehmer zu ersetzen hat, was dieser dem Arrestgläubiger leisten muß. Diese (im Ε igio noch nicht enthaltene, erst 1911 aufgenommene) Beschränkung des Risikos entspricht der Interessenlage. Der Versicherer kann nicht ohne weiteres erkennen, ob der Arrest-
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anspruch begründet oder unbegründet, und ob er demgemäß verpflichtet ist, bei der § 3 6 Abwehr des Anspruchs durch Vorschußleistung mitzuwirken, und soll in diese L a g e nur insoweit verstrickt werden, wie es unumgänglich nötig ist. Deshalb sollte der Versicherer nach M E § 54 Abs. 2 Nr. 3 „die Gefahr des auf Antrag eines Dritten verhängten Privatarrestes" nur tragen, „sofern der demselben zugrunde liegende Anspruch sich auf einer übernommenen Gefahr gründet", — womit etwa dasselbe hat gesagt sein sollen, was § 3 6 ausspricht ( M E 1 2 7 ; vgl. auch M E § 4 5 Abs. 4). — Der Versicherer haftet also insbesondere, wenn er dem Versicherungsnehmer zu ersetzen hat, was dieser dem durch Schiffskollision geschädigten Arrestgläubiger leisten muß (§ 78). Oder wenn er dem Versicherungsnehmer zu ersetzen hat, was dieser zur Abwendung oder Minderung von Versicherungsschaden aufgewendet hat und dem Arrestgläubiger schuldig geworden ist, ζ. B. Hilfslohn (§ 32). Oder wenn er dem Versicherungsnehmer zu ersetzen hat, was dieser dem Arrest ausbringenden Havariegrosse-Genossen (§ 29), oder was der Güterversicherte dem Arrestgläubiger f ü r Umladung, Lagerung oder Weiterbeförderung der Güter gemäß § 95 Abs. 3 zu zahlen hat. — In allen diesen Fällen haftet der Versicherer für den A r r e s t s c h a d e n . Insbesondere f ü r den durch den Arrest entstandenen Verlust, etwa im Falle der nach ausländischem Recht zulässigen Zwangsversteigerung des arrestierten Schiffes oder im Falle der durch einstweilige Verfügung zugelassenen Versteigerung der arrestierten Güter ( R G H G Z 1 9 0 1 . 98). Dauert die Arrestierung länger als zwei Monate, so kann der Versicherungsnehmer gemäß § 73 abandonnieren. Nach § 32 haftet der Versicherer auch für Aufwendungen, die zur Abwendung solchen Arrestschadens, insbesondere solchen Verlustes, gemacht werden. Hiernach k a n n also unter Umständen die Haftung des Versicherers fur die Aufwendungen begründet sein, die der Versicherungsnehmer hat machen müssen, um dem Arrest des durch Schiffskollision Geschädigten vorzubeugen oder den bereits erlassenen und vollzogenen Arrest zu beseitigen (schief: H G Z 1 9 1 1 . 93, S i e v e k i n g 92: der Versicherer trage nicht die Gefahr eines „drohenden", sondern nur die Gefahr eines „wirklich verhängten" Arrestes). Läßt der Ladungsbeteiligte wegen des vom Schiffe zu entrichtenden Havariegrosse-Beitrags und der ihm nach § 730 H G B zu leistenden Sicherheit das Schiff arrestieren, so haftet der Kaskoversicherer nicht f ü r den Arrestschaden, weil er (abgesehen von der im § 29 bestimmten Verpflichtung zur Bürgschaftsübernahme) für den Anspruch des Ladungsbeteiligten auf Sicherheitsleistung nicht einzustehen hat, und f ü r die Abwendungskosten nicht, weil er nicht f ü r den Schaden haftet (nach H G B haftet der Versicherer zwar grundsätzlich für den Arrestschaden; da aber die Sicherheitsleistung Sache nur des Versicherungsnehmers ist, würde dieser auch, wenn er nicht Sicherheit leistete und dadurch Arrest und Arrestschaden abwendete, die Folgen tragen müssen; R i t t e r Z f V W 1 9 1 1 . 781, S i e v e k i n g 92). — Wird durch den Arrest die G e f a h r g e ä n d e r t , insbesondere die Reise verzögert, so wird der Versicherer im allgemeinen nicht frei, weil der Versicherungsnehmer die Gefahränderung nicht vorgenommen oder gestattet haben wird (§ 23 Anm. 32). Anders insbesondere, wenn der Versicherungsnehmer, seiner Gefahrstandspflicht zuwider, dem Arrest vorzubeugen oder ihn zu beseitigen unterläßt, mag der Versicherer f ü r den Arrestanspruch einzustehen haben oder nicht (vgl. § 23 A n m . 16). b) Der Versicherer haftet nur, wenn er dem Versicherungsnehmer ersetzen muß, A n m . 5 was dieser zur Befriedigung des Arrestanspruchs leisten muß. Es ist also vorausgesetzt, daß der A r r e s t a n s p r u c h sich g e g e n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r richtet. Richtet sich der Anspruch gegen einen Dritten, so ist § 36 unanwendbar, haftet also der Versicherer unbeschränkt. Wird ζ. B. das Schiff arrestiert, die Reise des Schiffes infolgedessen aufgegeben und die versicherte L a d u n g anderweit befördert, so haftet der Güterversicherer gemäß § 95 Abs. 3 für die Umladungs-, Lagerungs- und Weiter-
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Anm. 6
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beförderungs-Kosten, obgleich der Versicherungsnehmer zur Befriedigung des Arrestanspruchs nichts zu leisten, der Versicherer ihm nichts zu ersetzen hat. Es ist derselbe Gedanke, der A H O 1 7 3 1 V . 5 zugrunde lag: Der Versicherer haftet nicht „ i n Ansehung derjenigen, welcherwegen der Arrest geschehen", dagegen bleiben „die übrigen bey einem solchergestalt arrestirten Schiffe, mitinteressirten Rhedern und Befrachtern, derentwegen der Arrest nicht verhänget worden . . . iederzeit berechtiget" (oben Anm. 6); ähnlich AllgPlan 1847 § 59: Der Versicherer ist frei, „wenn der Arrest auf den von ihm versicherten Gegenstand gelegt ist", und haftet, „ w e n n der versicherte Gegenstand nicht arrestiert gewesen ist" (vgl. auch P o h l s 4. 272). I m Falle R G 47. 1 7 3 hatte ein Schiffsgläubiger seine Forderung „ F ü r behaltene A n k u n f t " des Schiffes versichert. Das Schiff wurde auf der versicherten Reise beschädigt, nahm Bodmereigelder auf, wurde repariert, von der ausbessernden Werft arrestiert und versteigert. Dabei fiel die versicherte Forderung aus, weil die späteren Schiffsgläubiger vorgingen. Der Versicherer haftete an und für sich; er würde auch nach § 36 A D S gehaftet haben, weil der Arrestanspruch sich nicht gegen den Versicherungsnehmer richtete. Gleichwohl haftete er nicht, ist der Versicherer mit Unrecht verurteilt worden (anders die Vorinstanz, aus freilich wiederum unzutreffenden Gründen: H G Z 1900. 1 7 6 ; vgl. dazu § 71 Anm.). Denn mit der Entstehung der späteren Schiffsgläubigerrechte war das versicherte Interesse weggefallen. Der Versicherungsnehmer hätte j a auch, wenn das Schiff nicht versteigert, sondern am Bestimmungsort wohlbehalten angekommen wäre, nichts erhalten. — Ü b e r den Fall, daß das Schiff arrestiert wird und infolge hiervon die versicherte Fracht verlorengeht, vgl. § 105 Anm., auch H G Hamburg H H 26.
c) Der Arrestanspruch muß sich gegen den V e r s i c h e r u n g s n e h m e r richten. U b e r den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. U b e r den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V vor § 1 . — Wird die versicherte Sache veräußert, so rückt der Erwerber in die Stellung des Versicherungsnehmers ein. Es kann aber vorkommen, daß der Erwerber „leisten m u ß " , was der Veräußerer schuldet (ζ. B. im Falle einer früheren Kollision). Wenn der Versicherungsnehmer die versicherten Güter verkauft hat, die Gefahr und damit der Hauptsache nach auch die Versicherung auf den K ä u f e r übergegangen ist und der Darlehnsgläubiger des Verkäufers den Herausgabeanspruch des Verkäufers gegen den Transportführer arrestiert, kann der K ä u f e r sich darauf berufen, daß der Arrest sich nicht gegen ihn, den Erwerber, sondern gegen den Verkäufer, den Veräußerer richtet. Der Verkäufer kann sich nicht darauf berufen, wenn sich ergibt, daß in Wirklichkeit er die Gefahr weiter getragen hat (§ 49 Anm.). — I m Falle der Versicherung für fremde Rechnung muß der Arrestanspruch gegen den Versicherten gerichtet sein. Denn Arrestschuldner und Versicherungsgläubiger müssen identisch sein. Anm. 7 d) § 36 beschränkt die Haftung des Versicherers. Dem § 36 darf also jedenfalls nicht die Auffassung entnommen werden, daß der Versicherer zwar nur unter den Voraussetzungen des § 36, im übrigen aber unbeschränkt für jeden Schaden hafte, der durch Arreste entsteht, ζ. B. für die Aufwendungen, die das wegen Schiffskollision arrestierte Schiff während der Dauer des Arrestes f ü r den Unterhalt der Schiffsbesatzung machen muß, oder für den während dieser Zeit entgehenden Frachtgewinn. Der Versicherungsnehmer kann solchen Ersatz nur nach allgemeinen Grundsätzen verlangen, wenn der Versicherer mit der Erfüllung seiner Entschädigungspflicht oder mit der Erfüllung seiner Verpflichtung zum Ersatz oder zur Vorschußleistung von Schadenabwendungs-Kosten säumig ist. Wird also ζ. B. das versicherte Schiff wegen einer Schiffskollision (mit Recht) in Anspruch genommen und arrestiert, so wird der Versicherer auf Verlangen ungesäumt mitzuwirken haben, um den Arrest zu beseitigen und sich nicht Schadensersatz-Ansprüchen auszusetzen. K a n n aber der Versicherer
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Haftungsgrenze
ohne Verschulden nicht erkennen, ob der Arrestanspruch mit Recht erhoben wird, so § 36 kommt er nicht in V e r z u g (vgl. auch § 44 A n m . 2). 4. § 36 gilt sinngemäß auch für die Rückversicherung (§ 1 A n m . 136; vgl. § 35 A n m . 8 A n m . 48). 5. Fremde Rechte. N a c h englischem R e c h t trägt der Versicherer die Arrest- A n m . 9 gefahr überhaupt nicht (oben A n m . 6). Ebenso in Frankreich (vgl. § 2 8 A n m . 44).
§ 3 7 Grenzen der H a f t u n g (1) Der Versicherer haftet für den während der versicherten Reise entstehenden Schaden nur bis zur Höhe der Versicherungssumme. Bei einer Versicherung, die sich auf das Schiff bezieht, finden die Bestimmungen des § 34 Abs. 3 entsprechende Anwendung. (2) Aufwendungen, die der Versicherer gemäß § 32 zu ersetzen hat, fallen ihm ohne Rücksicht darauf zur Last, ob sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. (3) Sind Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung oder zur Ermittlung oder Feststellung eines Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch einen Versicherungsfall beschädigten Sache gemacht oder Beiträge zur großen Haverei geleistet oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers
zur
Entrichtung
solcher
Beiträge
entstanden,
so
haftet der Versicherer für einen Schaden, der durch einen späteren Versicherungsfall verursacht wird, ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden früheren Aufwendungen und Beiträge. (4) Soweit die Entschädigung und die Aufwendungen oder Beiträge die Versicherungssumme mit Rücksicht darauf übersteigen, daß der Versicherungsnehmer den einem Dritten durch einen Schiffszusammenstoß zugefügten Schaden ersetzen muß, finden die Bestimmungen der Absätze 2 und 3 keine Anwendung. 1. V g l . H G B §840, A S V B §§92, 140 Abs. 2, B S V B § 6 6 Abs. 1, V V G §§50, 63 A n m . 1 Abs. 1 Satz 2, 144. 2. Literatur: B r u c k H R Z 1922.495 (Gleitende Versicherungssumme). K n i t t e l A n m . 2 H R Z 1919. 10 (Haftung des Versicherers über 100%). K r e u t z i g e r , Die K o m m a n d o brücke 1963. 216 (Zu § 37 Abs. 1 A D S ) . P a u l y H R Z 1918. 394 ( Z u §§92, 93 A S V B ) , H R Z 1919. 14, 245 ( W a n n haftet der englische Seeversicherer über 100%?). W ö r n e r L Z 1918. 233 (Beseitigung der Versicherungssumme als Ersatzgrenze). 3. A b s . 1. Der Versicherer haftet nur bis zur Höhe der Versicherlings- A n m . 3 s u m m e . Das versteht sich von selbst. Denn es ist j a das Wesen der Versicherungssumme, d a ß sie den Höchstbetrag dessen angibt, was der Versicherer leisten will und soll ( § 6 A n m . 10; vgl. H a n s O L G H a m b u r g V e r s R 1963. 499). W e n n ζ. B. das versicherte Schiff auf der Reise in englischen Gewässern zweimal mit anderen Schiffen zusammenstößt und infolge der im englischen R e c h t geltenden beschränkt persönlichen Haftung des Reeders (die auch in der Bundesrepublik Deutschland nach Ratifizierung des Ubereinkommens über die beschränkte Reederhaftung v o m 10. Oktober 1957 — vgl. dessen Wiedergabe bei Schaps-Abraham II 67 — eingeführt werden wird) der Versicherungsnehmer den geschädigten Schiffen das Doppelte der Versicherungssumme
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Haftungsgrenze
§ 37 als Schadensersatz zahlen muß, haftet der Versicherer doch nur mit der Versicherungssumme. Ebenso, wenn auf der versicherten Reise ein Teilschadens-Fall und ein Havariegrosse-Fall eintreten und die dem Kaskoversicherer zur Last fallenden Ausbesserungskosten zusammen mit dem Havariegrosse-Beitrag mehr betragen als die Versicherungssumme (§ 29 Anm. 39). —• Vielfach finden sich neuerdings bei Kasko- und Frachtversicherungen sog. Separathaftungsklauseln (vgl. A r g y r i a d i s VersR 1963. 607), die entweder nur f ü r mittelbare Kollisionsschäden gelten oder auch f ü r jeden Fall der Haftung des Kasko- oder des Frachtversicherers infolge der Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch Dritte. Vgl. die bei A r g y r i a d i s a . a . O . angegebenen Klauseln: „Die Haftpflicht in Kol'isionsfällen Dritten gegenüber gilt als gedeckt, als ob sie separat von den anderen Gefahren versichert wäre. Etwaiger Schadensersatz an Dritte ist also bis zur Höhe der Versicherungssumme zu bezahlen, unbeschadet des etwaigen gleichzeitigen eigenen Schadens auf Kasko", oder „ D e r zu Lasten dieser Versicherung gehende Schadenersatz an Dritte gilt als gedeckt, als ob er separat von den anderen Gefahren versichert wäre. Solcher Schadenersatz an Dritte ist also bis zur vollen Höhe der Versicherungssumme zu zahlen, unbeschadet des etwaigen gleichzeitigen eigenen Schadens auf Frachtgelder." Durch derartige Klauseln wird die mögliche Haftung des Versicherers entgegen § 37 Abs. 1 bis zum Doppelten der Versicherungssumme erhöht, was von Bedeutung sein kann, wenn durch einen vom Versicherungsnehmer zu vertretenden Schiffszusammenstoß einerseits das Schiff oder die Frachtforderung des Versicherungsnehmers untergegangen, andererseits aber eine Haftpflicht des Versicherungsnehmers Dritten gegenüber entstanden ist, ohne d a ß seine Haftung auf Schiff und Fracht beschränkt ist, ζ. B. wegen persönlichen Verschuldens und wegen Haftung nach fremdem Recht mit summenmäßiger Begrenzung der Reederhaftung ( A r g y r i a d i s a. a. Ο.). Anm. 4
4. Für das H G B gilt es gleich, ob die Versicherung für Zeit oder für Reisen, für eine oder für mehrere Reisen, für eine einheitliche oder für eine zusammengesetzte Reise genommen ist. Der Versicherer haftet, wenn das versicherte Schiff zwar auf verschiedenen Reisen, aber während der Dauer der Versicherung zweimal mit anderen Schiffen zusammenstößt und der Versicherungsnehmer deshalb mit dem Doppelten des ganzen Schiffsvermögens haftet, doch nur mit der Versicherungssumme. Anders nach der Verkehrsanschauung (vgl. V o i g t 504, 510). Dieser sind die ADS gefolgt, wenngleich nicht gerade in vorbildlicher Form. Anm. 5 5· § 37 Abs. 1 Satz 1 spricht den Grundsatz, daß der Versicherer nur mit der Versicherungssumme haftet, nur f ü r den Fall der R e i s e Versicherung aus (verb, „während der versicherten R e i s e " ; gegen diese übliche und leicht verständliche Bezeichnung der „Reise, für deren Dauer die Versicherung genommen ist", ohne G r u n d K i s c h 2. 83; vgl. auch H G B §§ 813, 814, 827, 828, auch A r n o u l d 400 s. 428 usw.: voyage insured). Nicht als ob der Grundsatz für die Zeitversicherung überhaupt nicht gälte. Sondern, weil er für die Zeitversicherung regelmäßig nicht unbeschränkt gilt, die Versicherungszeit hier nämlich regelmäßig in Haftungsreisen aufgelöst wird. Anm. 6 a) Bei Versicherungen, die sich auf das Schiff beziehen, findet § 34 Abs. 3 entsprechende Anwendung, — mag die Versicherung für Zeit oder Reise, eine oder mehrere Reisen, eine einheitliche oder eine zusammengesetzte Reise genommen sein. Die Versicherung wird für den Umfang der Haftung des Versicherers in einzelne Versicherungsabschnitte, Haftungsreisen, aufgelöst. Die Versicherungssumme wird zwar durch den während einer Haftungsreise entstandenen Schaden gemindert, füllt sich aber mit dem Ablauf der Haftungsreise von selbst wieder auf. — Die Haftungsreisen sind dieselben wie die Franchisereisen (deshalb näheres: § 34 Anm. 10). — Über den Begriff der Versicherung, die „sich auf das Schiff bezieht": § 33 Anm. 32.
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b) Versicherungen, die sich auf die G ü t e r beziehen, werden regelmäßig Reise- § 37 Versicherungen sein. Welche Reise versichert ist, muß der Vertrag ergeben; so ins- Anm. 7 besondere, wenn etwa Hin- und Rückreise zusammen versichert sind. — Ist die Güterversicherung für Zeit genommen, so bewendet es im allgemeinen bei dem unausgesprochenen, aber aus dem Wesen der Versicherungssumme sich ergebenden Grundsatz, daß der Versicherer nur mit der Versicherungssumme haftet. Unter Umständen mag aber auch § 37 Abs. 1 Satz 2 sinngemäß anzuwenden sein, so etwa im Falle der Zeitversicherung von Seemannseffekten (vgl. § 34 Anm. 10). 6. Ist keine Versicherungssumme bestimmt, so bildet der V e r s i c h e r u n g s w e r t Anm. 8 die Höchstgrenze der Leistung des Versicherers (§6 Anm. 17). Ebenso im Falle der Uberversicherung (§9 Abs. 1). 7. A b s . 2, 3 . E r s t e A u s n a h m e : Der Versicherer haftet für die A u f w e n - Anm. 9 düngen des § 3 2 über die Versicherungssumme hinaus (siehe ζ. B. H a n s O L G
Hamburg VersR 1963. 449). Nicht auch für andere Aufwendungen. Nicht für Aufwendungen, die zur großen Haverei gehören (§ 29 Anm. 39). Nicht für die Aufwendungen des § 95 Abs. 3. Z w e i t e A u s n a h m e . Abs. 2 würde (ebenso wie § 840 Abs. 2 HGB) auch an- Anm. 10 wendbar sein, wenn in mehreren Versicherungsfällen Aufwendungen gemacht sind. Abs. 3 bestimmt darüber aber noch besonders: Der Versicherer haftet für die Aufwendungen des § 32 auch in s p ä t e r e n V e r s i c h e r u n g s f ä l l e n über die Versicherungssumme hinaus. Aufwendungen des § 32 mindern also die Versicherungssumme in k e i n e m Sinne. Ist das versicherte Schiff gesunken und geborgen und hierauf zum zweiten Male gesunken und geborgen, so hat der Versicherer die inzwischen gezahlten Kosten der ersten Bergung ohne Rücksicht auf die Versicherungssumme zu ersetzen. Sind die Kosten der ersten Bergung noch nicht gezahlt und nur durch den der Versicherungssumme entsprechenden Wert des Schiffes gedeckt, so haftet der Versicherer für sie nur mit der Versicherungssumme; der Versicherungsnehmer kann natürlich nicht die Kosten der ersten Bergung, auch soweit er (sie zwar schuldet, aber) für sie nicht haftet, zahlen und vom Versicherer Ersatz über die Versicherungssumme hinaus verlangen (ebenso mit teilw. abw. Begründung LG u. OLG Hamburg HGZ 1920. 13: Fall T u r i n ; vgl. dazu auch § 32 Anm. 11). Wenn das Schiff 1 000000 wert und für 1 000000 versichert ist, die Kosten der ersten Bergung 750000, die der zweiten Bergung 500000 betragen, hat der Versicherer nur 1000 000 zu zahlen. Aber auch wenn das Schiff 2000000 wert und für nur 1000000 vollversichert ist, braucht der Versicherer regelmäßig nicht mehr als 1 000 000 zu zahlen; denn Aufwendungen von mehr als 1000 000 sind zur Abwendung von Versicherungsschaden nicht geboten (§ 32 Anm. 19). Dritte Ausnahme.
Der Versicherer haftet für Aufwendungen, die zur Anm. 11
Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch den Versicherungsfall beschädigten Sache gemacht sind, über die Versicherungssumme hinaus: die Versicherung wird mit wieder aufgefüllter Versicherungssumme fortgesetzt. Der Versicherungsnehmer soll nicht genötigt sein, von neuem Versicherung zu nehmen. — Solche Aufwendungen können auch Aufwendungen zur Abwendung des Versicherungsschadens sein und fallen dann dem Versicherer schon nach § 37 Abs. 2 ohne Rücksicht auf die Versicherungssumme zur Last. So etwa, wenn die vollständige Ausbesserung des versicherten Schiffes im Zwischenhafen zu teuer ist und infolgedessen eine Notreparatur erforderlich wird. Solche Notreparatur wird insbesondere auch zur Abwendung von versichertem Frachtschaden erforderlich sein können. Doch fallen solche Aufwendungen regelmäßig nur dem Kaskoversicherer, nicht dem Frachtversicherer zur Last (§32 Anm. 16). Auch die Aufwendungen für die endgültige Reparatur können Aufwendungen zur Abwendung von Frachtverlust sein; aber auch sie fallen, nach der Verkehrsanschauung, nicht dem
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§ 3 7 Frachtversicherer, sondern nur dem Kaskoversicherer zur Last. Die Aufwendungen für Heuer und Unterhalt der Schiffsbesatzung im Reparaturhafen fallen weder dem Fracht- noch dem Kaskoversicherer zur Last (§ 29 Anm. 32). — Aufwendungen sind zur Ausbesserung usw. auch dann „gemacht", wenn die Ausbesserungskosten noch nicht gezahlt sind, sondern noch g e s c h u l d e t werden (vgl. § 32 Anm. 6, 20). Zwar läßt § 37 Abs. 3 ausdrücklich nur für den Fall der Entstehung einer persönlichen Verpflichtung zur Zahlung von Havariegrosse-Beiträgen den Versicherer über die Versicherungssumme hinaus haften. Zwar stellt § 38 Abs. 2 ausdrücklich den „verwendeten" Ausbesserungskosten die Kosten gleich, „zu deren Zahlung der Versicherungsnehmer persönlich verpflichtet ist". Aber gegenüber dem allgemeinen Rechtsbegriff der „Aufwendungen" (§ 32 Anm. 6), gegenüber der Interessenlage und dem Zwecke der Bestimmung kann das argumentum e contrario nicht verschlagen. Anders, wenn der Versicherungsnehmer die Ausbesserungskosten zwar schuldet, aber nicht für sie haftet. Ist das Schiff für die Ausbesserungskosten verbodmet und später untergegangen, so hat der Versicherer nur die Ausbesserungskosten und den Unterschied zwischen Versicherungssumme und Ausbesserungskosten, im Ergebnis also die Versicherungssumme zu zahlen (§ 71 Anm., The Dora Forster J900 bei A r n o u l d 1008 s. 1032; vgl. auch § 1 Anm. 10, 106). Anm. 12 Vierte Ausnahme. Der Versicherer haftet für Havariegrosse-Beiträge nicht ü b e r die V e r s i c h e r u n g s s u m m e h i n a u s (§ 29 Anm. 39). Anders, wenn die B e i t r ä g e geleistet sind, wenn ζ. B. Schiff und Güter unterwegs voneinander scheiden und der versicherte Reeder bei der sofort gemäß § 727 HGB vorgenommenen Havariegrosse-Verteilung seinen Beitrag an die Havariegrosse-Genossen leistet. Das durch das Beitragspfandrecht beeinträchtigte Eigentümerinteresse ist wiederhergestellt. Die Versicherung wird mit wiederaufgefüllter Versicherungssumme fortgesetzt. — Der Zahlung des Beitrages wird die S i c h e r h e i t s l e i s t u n g für den Beitrag gleichzustellen sein. So etwa, wenn die Ladung den Bestimmungsort erreicht, vom versicherten, beitragsbelasteten Schiffe Sicherheit verlangt und das Schiff den Hafen verlassen will, um die Reise fortzusetzen (vgl. HGB § 730). Oder wenn die versicherten, beitragsbelasteten Güter Sicherheit leisten müssen und die Versicherung fortdauert; wenn sie ζ. B. Sicherheit leisten, ausgeladen werden, gemäß § 88 Abs. 3 noch 10 Tage versichert bleiben und während dieser 10 Tage verbrennen. So natürlich erst recht, wenn der Versicherer gemäß § 29 Abs. 1 durch Übernahme der Bürgschaft Sicherheit leistet. Anm. 13 F ü n f t e A u s n a h m e . Der Versicherer haftet für Havariegrosse-Beiträge über die Versicherungssumme hinaus, wenn d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r (oder der Versicherte) z u r E n t r i c h t u n g der B e i t r ä g e persönlich verpflichtet ist, d. h. nicht nur mit dem versicherten Gegenstand haftet. So etwa, wenn der versicherte Reeder die Beitragspflicht kennt und das Schiff gleichwohl zur neuen Reise in See sendet (HGB § 774 Abs. 1). Aber auch, wenn der Empfänger die Beiträge kennt und die versicherten Güter annimmt, der Versicherungsnehmer ihm auch den Beitrag erstatten muß (HGB § 726 Abs. 2). Der Versicherungsnehmer kann also auf diese Weise die Haftung des Versicherers erweitern. Das darf natürlich nicht willkürlich geschehen. Das Verhältnis ist demjenigen ähnlich, das zwischen Rückversicherer und abwicklungsberechtigtem Vorversicherer besteht. Die dafür geltenden Grundsätze werden daher auch hier anzuwenden sein. Der Versicherungsnehmer muß also so verfahren, wie er, unversichert, verständlicher Weise verfahren würde (§ 1 Anm. 154); sonst ist die SchadenabwendungsPflicht verletzt und der Versicherer frei. Anm. 14 8. A b s . 4. Die Ausnahmen gelten nicht, s o w e i t die V e r s i c h e r u n g s s u m m e deshalb ü b e r s c h r i t t e n wird, weil der V e r s i c h e r e r auch f ü r indirekten K o l l i s i o n s s c h a d e n h a f t e t . Beispiel: Die Versicherungssumme beträgt 100000, der indirekte
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Kollisionsschaden 60000, der direkte Kollisionsschaden 30000, ein Havariegrosse-Beitrag § 3 7 20000; die erfolglos gemachten A u f w e n d u n g e n zur A b w e h r des vom Gegensegler geltendgemachten Schadenersatz-Anspruchs betragen 10000. Der Versicherer h a t zu ersetzen 60000 + 30000, vom Havariegrosse-Beitrag 10000, von den A u f w e n d u n g e n nichts. Gleichwohl bleibt der Versicherungsnehmer g e m ä ß §41 zur A b w e n d u n g u n d M i n d e r u n g des Schadens verpflichtet; er m u ß also die d a f ü r erforderlichen A u f w e n d u n g e n u n t e r U m s t ä n d e n selbst tragen (näheres: § 78 Anm.). — Die Bestimmung des Abs. 4 wird d u r c h G r ü n d e der Logik oder der Zweckmäßigkeit nicht gerechtfertigt. Es h a n d e l t sich u m eine positive Bestimmung z u r Einschränkung der H a f t u n g des Versicherers f ü r indirekten Kollisionsschaden, die erst in letzter S t u n d e u n d gegen den Widerspruch V o i g t s (Bemerk. 1866. 8) in die A S V B a u f g e n o m m e n ist. Eine ausdehnende Auslegung des Abs. 4 ist unzulässig, so etwa auf den Fall der Beschädigung eines Kabels d u r c h den Anker des versicherten Schiffes ( H a n s O L G H R Z 1924. 495 = H G Z 1924 Nr. 82 = Sasse N r . 319). 9. Die (ausnahmsweise) U b e r h a f t u n g ist d e m Versicherer unerwünscht. Der Ver- Anm. 15 Sicherungsnehmer w a r deshalb n a c h § 68 ASVB verpflichtet, f ü r Havereigelder den versicherten Gegenstand z u v e r b o d m e n oder Versicherung zu n e h m e n : Diese Verpflichtung ist weggefallen. Näheres: § 41 A n m . 17. · § 37 gi^ sinngemäß a u c h f ü r die Rückversicherung (§ 1 A n m . 136). Dabei A n m . 16 ist zu berücksichtigen, d a ß der Rückversicherungs-Wert auch die A u f w e n d u n g e n u m · faßt, die der Vorversicherer d e m Vorversicherten ersetzen m u ß (vgl. § 6 A n m . 41), u n d RückVersicherungssummen deshalb nicht vereinbart z u werden pflegen. Das ist zwar nicht so sehr f ü r § 37, wohl aber f ü r § 38 von Bedeutung. 11. F r e m d e Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Der Versicherer haftet n u r mit d e r A n m . 17 Versicherungssumme, insbesondere auch f ü r particular charges u n d salvage charges (hierüber § 32 A n m . 33). N a c h der suing a n d labouring clause (§ 32 A n m . 33) haftet er f ü r particular charges über die Versicherungssumme hinaus (dagegen nicht f ü r general average losses and contributions: M I A § 78 Abs. 2). F ü r Schadenfeststellungs-Kosten haftet er wie n a c h deutschem Recht (§ 32 A n m . 33). — Aber dies gilt nur, wenn sich ein Versicherungsfall ereignet hat. Ereignen sich mehrere Versicherungsfälle, so haftet der Versicherer jedesmal von n e u e m in derselben Weise: t h e insurer is liable for successive losses, even t h o u g h the total a m o u n t of such losses m a y exceed the sum insured ( M I A § 77 Abs. 1). A b e r : where . . . a partial loss which has not been repaired or otherwise m a d e good, is followed by a total loss, the assured can only recover in respect of the total loss ( M I A § 77 Abs. 2; vgl. dazu I T C Ziff. 16: In no case shall Underwriters be liable for unrepaired d a m a g e in addition to a subsequent total loss sustained d u r i n g the period covered by this Policy or any extension thereof u n d e r Clause 4). W e n n ein mit der r u n n i n g down clause f ü r 300 000 versichertes Schiff auf der versicherten Reise in englischen Gewässern dreimal mit anderen Schiffen zusammenstößt u n d jedesmal infolge der im englischen R e c h t geltenden, beschränkt-persönlichen H a f t u n g des Reeders 300000, im ganzen also 900000 zu zahlen hat, haftet der Versicherer, der nach der r u n n i n g down clause n u r % des indirekten Kollisionsschadens zu ersetzen h a t (§ 78 A n m . ) , f ü r dreimal 225000 = 675000. b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Der Versicherer haftet n u r mit der Versicherungssumme A n m . 18 (vgl. § 32 A n m . 34). Zeitversicherungen pflegen in Reiseversicherungen zerlegt zu werden (sog. assurance ä temps et ä prime liee). Näheres: R i p e r t Nr. 2719 (hier auch über den, heute nicht m e h r vorkommenden, Ausnahmefall des Loskaufs). I0
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§ 38
Abandon des Versicherers
§ 38 Befreiung von der Haftung nach dem Versicherungsfall (1) Der Versicherer ist nach dem Eintritte des Versicherungsfalls berechtigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten zu befreien. (2) Der Versicherer bleibt trotz der Befreiung zum Ersätze der Kosten verpflichtet, die zur Abwendung oder Minderung des Schadens oder zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der versicherten Sache verwendet worden sind, bevor seine Erklärung, daß er sich durch Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle, dem Versicherungsnehmer zugegangen ist; den verwendeten Kosten stehen solche Kosten gleich, zu deren Zahlung der Versicherungsnehmer persönlich verpflichtet ist. Die Bestimmung des § 37 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung. (3) Das Recht, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien, erlischt, wenn die im Absatz 2 Satz 1 bezeichnete Erklärung dem Versicherungsnehmer nicht binnen fünf Werktagen nach dem Zeitpunkt, in dem der V e r sicherer von dem Versicherungsfall und seinen unmittelbaren Folgen Kenntnis erlangt hat, zugeht. (4) Der Versicherer erwirbt durch die Zahlung keine Rechte an den versicherten Gegenständen.
Anm. 1 Anm. 2
1. Vgl. H G B §§ 841, 842, A S V B §§ 93, 94, 140 Abs. 2, V V G § 145. 2. L i t e r a t u r . F l e i s c h f r e s s e r H R Z 1 9 2 1 . 8 5 7 (Große Havarie — Versichererabandon). H e l b e r g , Der Abandon in der Seeversicherung, 1925. i47f.. W ö r n e r D V Z 1905. 180 (Kündigungsrecht des Versicherers beim Versicherungsfall). — Weitere Literatur: § 37 Anm. 2.
Anm. 3
3. A b s . 1 . Wenn das versicherte Schiff oder die versicherten Güter vernichtet werden, ist die Sach- und Rechtslage einfach. Wenn aber das Schiff sinkt, wenn es strandet, wenn es vom Feinde genommen wird, entsteht, mag auch im Augenblick keine Aussicht auf Rettung bestehen, eine Zeit der Ungewißheit, die dem Versicherer verhängnisvoll werden kann. Der Versicherungsnehmer kann nach §§ 7 1 , 91 die Versicherungssumme verlangen. Wenn er sie verlangt, ist die Lage wieder klar. Der Versicherungsnehmer kann aber auch warten. E r kann für die Rettung große Ausgaben machen. O b die Rettung Erfolg hat oder nicht, die Kosten fallen dem Versicherer zur Last. Der Versicherer muß sie über die Versicherungssumme hinaus vergüten. Die Kosten können ins Ungemessene wachsen. Der Versicherer muß diesem Zustand ein Ende machen können. Das Mittel dazu ist der sog. A b a n d o n des V e r s i c h e r e r s (Prot. 3464; ein anderes Mittel: § 32 Anm. 19, § 41 Anm. 20). — Der Abandon des Versicherers ist aber natürlich auch von Bedeutung, wenn das Schiff oder die Güter, auf welche die Versicherung sich bezieht, noch nicht verlorengegangen sind, aber Totalverlust oder auch nur Teilschaden und Uberhaftung drohen (Prot. 3466). So insbesondere, wenn das versicherte Interesse untertaxiert ist. ·— Deshalb bestimmte schon A H O 1 7 3 1 X I V . 2: „ W a n n ein Assecuradeur sein gezeichnetes Capital sofort bezahlet, und zu den Unkosten, die zur Bergung und Wieder-Erhaltung der Schiffe und eingeladenen Güter erfordert werden, keinen Einschuß thun will; so ist er damit von seiner Verpflichtung befreyet, und zu einem mehrern nicht gehalten".
Abandon des Versicherers
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4. Der Versicherer kann im Versicherungsfall die Versicherungssumme aufgeben und dadurch die Versicherung aufheben, „abandonnieren". Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, jeder einzelne. Ist einer von ihnen „Führer", so kann er auch für die übrigen Versicherer abandonnieren (Vorb. vor § 1 Anm. 46). — Der Versicherungsnehmer kann die Versicherung nicht aufheben (anders für die Feuer-, Hagel- und Haftpflichtversicherung: V V G §§ 96, 113, 158; anders in beschränktem Umfang auch nach den A D S §§ 71, 72 usw.). 5. Der Versicherer ist berechtigt, zu abandonnieren. Ein an eine bestimmte Ausübungsfrist gebundenes Gestaltungsrecht. Es wird im Konkurs des Versicherers vom Konkursverwalter ausgeübt. Der Konkursverwalter kann es aber nur so ausüben, wie der Gemeinschuldner es hat und ausüben kann. Er muß also Zahlung der g a n z e n Versicherungssumme anbieten. Er kann nicht bloß Zahlung der Konkursdividende anbieten. Vgl. R G 52. 408. 6. Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalls abandonnieren. Versicherungsfall ist das Ereignis, durch das die Leistungspflicht des Versicherers begründet wird, die Verpflichtung, Versicherungsschaden zu ersetzen oder auch nur Aufwendungen zu ersetzen oder vorzuschießen (§ 5 Anm. 31). Die bloße Tatsache, daß ein Gefahrereignis, insbesondere ein Unfall, sich zugetragen hat, berechtigt den Versicherer noch nicht zu abandonnieren. — Treten während der Dauer der Versicherung mehrere Versicherungsfälle ein, so kann der Versicherer nach jedem einzelnen abandonnieren, wenn er nicht schon früher abandonniert hat. 7. Der Versicherer ist berechtigt, sich durch Zahlung der Versicherungssumme zu befreien. Hiernach würde das Gestaltungsrecht durch Zahlung auszuüben sein. Das ist aber nicht die Meinung. Diese kommt im § 38 Abs. 2, 3 zum Ausdruck: Das Gestaltungsrecht wird ausgeübt durch die „ E r k l ä r u n g (des Versicherers), daß er sich durch Zahlung der Versicherungssumme befreien wolle", dadurch, daß der Versicherer „seinen Entschluß", sich zu befreien, „erklärt" (so H G B § 842; vgl. K i s c h W u R V e r s 1916. 302, auch Ε 1910 § 40 Abs. 2, der gerade, um Mißverständnisse zu vermeiden, geändert ist; besser: AllgPlan 1847 § 114: „Sind einem Schiffe . . . Unglücksfälle überkommen, so ist der Versicherer, wenn er . . . sein gezeichnetes Capital zum Vollen . . . bezahlen zu wollen erklärt, damit . . . befreiet. . ."). a) U b e r den Begriff der V e r s i c h e r u n g s s u m m e : § 6 Anm. 10. Ist keine Versicherungssumme bestimmt, so muß sich der Versicherer zum Ersatz des V e r s i c h e r n u g s w e r t s erbieten (§ 6 Anm. 17). Ebenso imFalle der Uberversicherung (§ 9 Abs. 1). b) Die E r k l ä r u n g ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Willenserklärung (§ 38 Abs. 3). Uber empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. I V vor § 1. Uber Erklärungen gegenüber Vertretern, insbesondere Gesamtvertretern des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 18. — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung ist gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erklären. Der Versicherer kann aber auch dem Versicherten erklären, wenn dieser die Zustimmung des Versicherungsnehmers oder die Police besitzt und demgemäß über die Rechte aus dem Vertrag verfügen kann (§ 53 Abs. 2; ansch. abw. K i s c h W u R V e r s 1916. 304). Denn das Verfügungsrecht schließt die Befugnis ein, Erklärungen entgegenzunehmen, die Verfügungswirkungen haben (Begr. z. V V G §§ 75, 76; näheres: § 53 Anm.). — Ist die versicherte Sache (vor oder nach dem Versicherungsfall) v e r ä u ß e r t , so kann der Versicherer gleichwohl (auch) dem Veräußerer erklären. Anders, nachdem er von der Veräußerung Kenntnis erlangt hat (§ 49 Abs. 2). — Der Versicherungsnehmer braucht die Erklärung nicht anzunehmen oder sich mit ihr einverstanden zu erklären. Die Befreiung tritt nicht erst durch Vereinbarung ein, sondern unmittelbar durch die e i n s e i t i g e Erklärung. — Die Erklärung muß (gleich allen rechtsgestaltenden Erklärungen) b e s t i m m t sein.
§ 38 Anm. 4
Anm. 5
Anm. 6
Anm. 7
Anm. 8
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Abandon des Versicherers
§ 38 Der Versicherungsnehmer muß wissen, woran er ist. Sie darf also nicht bedingt sein, wenn die Bestimmtheit unter der Bedingtheit leidet. Unwirksam würde ζ. B. die Erklärung des Versicherers sein, daß er für den Fall abandonniere, daß das versicherte, durch die Kollision beschädigte Schiff an der Kollision Schuld habe und deswegen den Schaden des Gegenseglers ersetzen müsse. Wirksam dagegen die Erklärung, daß er für den Fall abandonniere, daß sich bewahrheiten werde, daß der Versicherungsfall eingetreten, das Schiff ζ. B. gesunken sei; denn der Eintritt des Versicherungsfalls ist ohnehin Voraussetzung der Wirksamkeit des Abandons. — A n f e c h t u n g der Erklärung wegen Irrtums usw.: BGB §§ 119, 123. Irrtum über die Rettungsaussicht ist Irrtum im Beweggrund und berechtigt daher nicht zur Anfechtung ( K i s c h WuRVers 1916. 302). — Erklärung durch V e r t r e t e r : BGB §§ 174, 180. Anm. 10 8. R e c h t s f o l g e n des Abandons: a) Der Versicherer m u ß die Versicherungssumme zahlen (oder den Versicherungswert erstatten: oben Anm. 8). An und für sich die g a n z e Versicherungssumme. Auch dann, wenn mehrere Gegenstände versichert sind, nur eine Versicherungssumme bestimmt ist und einzelne Gegenstände besonders taxiert sind; denn die einzelnen Gegenstände gelten zwar als besonders versichert, aber nur zugunsten des Versicherungsnehmers (§ 7 Abs. 1). — „War . . . ein Teil der versicherten Sachen der . . . Gefahr bereits entzogen, so hat der Versicherer . . . den auf jenen Teil fallenden Teil der Versicherungssumme nicht zu entrichten". So ausdrücklich § 841 Abs. 2 HGB. Es versteht sich von selbst und ist deshalb im VVG und in den ADS nicht besonders ausgesprochen ( K i s c h WuRVers 1916. 305). Ist die Hälfte der versicherten Kohlen im Zwischenhafen abgeliefert und die Versicherung insoweit (wenngleich vor der Zeit) beendigt, so braucht der Versicherer, wenn später ein Versicherungsfall eintritt, natürlich nur die halbe Versicherungssumme anzubieten und zu zahlen. Ebenso versteht sich von selbst, daß, wenn das versicherte Schiff beschädigt ist und, noch nicht ausgebessert, einen Versicherungsfall erleidet, der Versicherer nur die Versicherungssumme weniger den Beschädigungsschaden anzubieten und zu zahlen braucht (vgl. § 4 Anm. 5, 13). Hat er auch den Beschädigungsschaden zu ersetzen, so bleibt er natürlich auch insoweit verpflichtet (unten Anm. 11). Ahnlich, wenn infolge eines früheren Versicherungsfalls eine Kollisions- oder Beitragsschuld auf dem Schiffe ruht, für die der Versicherungsnehmer nicht unbeschränkt haftet. — Gerettetes kann der Versicherer nicht abziehen (§ 38 Abs. 4). Wohl aber, was der Versicherungsnehmer anderweit zur Ausgleichung des Schadens erlangt hat ( § 7 1 Anm.; vgl. auch Vorb. IX vor § 1 und unten Anm. 19). Anm. 11 b) Der Versicherer ist von allen weiteren Verbindlichkeiten befreit (natürlich nicht von früheren Verbindlichkeiten: oben Anm. 10). Auch dann, wenn die versicherte Reise oder die versicherte Zeit gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 in mehrere Haftungsreisen zerfällt. — Der Versicherer braucht den Versicherungsschaden nicht zu ersetzen. Er braucht keine Aufwendungen zu erstatten. Er braucht ζ. B. Havariegrosse -Beiträge nicht zu ersetzen; auch dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer sie bereits gezahlt hat oder zur Zahlung unbeschränkt verpflichtet ist (HGB 1919. 63). Hat er gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 für die Beiträge die Bürgschaft übernommen, so kann er Befreiung von der Bürgschaft verlangen (BGB § 812). Er braucht insbesondere keine Schadenfeststellungs-Kosten zu ersetzen, die etwa bereits aufgewendet sind. — Ausnahmen: Abs. 2. — Der Versicherungsnehmer ist nicht frei. Insbesondere natürlich nicht frei von der Prämienpflicht. Soweit dagegen von der Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten (zur Verhütung und Abwendung von Schaden usw.) die Entschädigungspflicht des Versicherers abhängt, werden die Verbindlichkeiten mit dem Wegfall der Entschädigungspflicht gegenstandslos.
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c) Ist das versicherte Interesse doppelt versichert, so wird die D o p p e l v e r s i c h e - § 38 r u n g für die Zukunft b e s e i t i g t . In diesem Versicherungsfall aber müssen die Doppel- Anm. 12 Versicherer noch g e m ä ß § 1 0 A b s . 2 ausgleichen, u n d zwar so, wie sie abzugleichen
hätten, wenn nicht der eine Versicherer seine Befreiung erklärt hätte. Denn die Zahlung der Versicherungssumme ist auch Entschädigung. Wenn das versicherte Interesse für 100 000 doppelt versichert ist und die Entschädigung 80 000 betragen haben würde, falls der eine Versicherer nicht gemäß § 38 100000 gezahlt hätte, kann der eine Versicherer vom anderen 40000 verlangen. 9. A b s . 2. A u s n a h m e n von der Befreiung: a) Der Versicherer muß die K o s t e n ersetzen, die bei Abgabe der Erklärung bereits z u r A b w e n d u n g o d e r M i n d e r u n g d e s S c h a d e n s v e r w e n d e t sind. Nur die „ K o s t e n " ; nicht allgemein alle „Aufwendungen" (über diesen Begriff: § 32 Anm. 6). b) Der Versicherer muß die K o s t e n ersetzen, die bei Abgabe der Erklärung bereits z u r W i e d e r h e r s t e l l u n g o d e r A u s b e s s e r u n g der versicherten Sache v e r w e n d e t worden sind. Natürlich nur, wenn er den Schaden zu ersetzen gehabt hätte. c) Den verwendeten Kosten stehen solche Kosten gleich, zu deren Zahlung der Versicherungsnehmer p e r s ö n l i c h (nicht nur mit dem versicherten Gegenstand haftend) v e r p f l i c h t e t ist. Das versteht sich wohl von selbst (§ 32 Anm. 6, 20, § 37 Anm. 11; abw. H G Z 1919. 74). Solche Kosten stehen aber den tatsächlich verwendeten nur insoweit gleich, als der Versicherungsnehmer sich von der Verpflichtung nicht wieder befreien kann. Hat ζ. B. der Versicherungsnehmer die Ausbesserung des versicherten Schiffes bei der Werft bereits bestellt, so kann er nur Erstattung der Kosten verlangen, die er der Werft zu zahlen haben würde, wenn er sich durch Kündigung des Ausbesserungsvertrags (BGB § 649) von der Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung befreien würde. d) § 37 A b s . 4 findet jedoch e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g : Der Versicherer haftet auch für die Kosten nicht, wenn und soweit indirekter Kollisionsschaden, sonstiger Versicherungsschaden und Kosten die Versicherungssumme übersteigen ( S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 4 zu § 38 ADS hält diese Auslegung für möglich, aber nicht für zwingend). Betragen z.B. die Versicherungssumme 100000, die Ausbesserungskosten 6000, der indirekte Kollisionsschaden (etwa, weil der Wert des Schiffes inzwischen trotz der Beschädigung auf 100000 gestiegen ist) 100000, so braucht der Versicherer nur 100 000 anzubieten und zu zahlen. 10. Der Abandon des Versicherers kann u n b e r e c h t i g t sein, — etwa, weil der Versicherungsfall nicht eingetreten ist. Dann kann der Versicherungsnehmer den darin liegenden Antrag auf Änderung und Beendigung des Vertragsverhältnisses annehmen. Widerspricht er nicht, so wird es regelmäßig so anzusehen sein, wie wenn er zugestimmt hätte. Anfechtung des Antrags und der Annahme wegen Irrtums usw.: BGB §§ 119, 123. — Widerspricht der Versicherungsnehmer der unberechtigten Erklärung, so ist der Abandon unwirksam. Unberechtigte und treuewidrige Erklärung verpflichten den Versicherer zum Schadensersatz (vgl. § 13 Anm. 6, 9). 11. A b s . 3. D a s A b a n d o n r e c h t des Versicherers erlischt nach allgemeinen GrundSätzen. Ζ. B. durch Verzicht. Es e r l i s c h t ferner n a c h 5 W e r k t a g e n . Ob ein Tag Werktag oder Sonn- oder Feiertag ist, richtet sich nach dem Rechte des Erfüllungsorts. Zu beachten ist für das deutsche Recht § 193 BGB i. d. Fass, des Gesetzes vom 1 o. August 1965, BGBl. I 753, der lautet: „Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag o d e r e i n e n S o n n a b e n d , so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag". — Die F r i s t b e g i n n t , 40
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
Anm. 13
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§ 38 wenn der Versicherer von dem Versicherungsfall und seinen unmittelbaren Folgen Kenntnis erlangt, und zwar mit dem Ablauf des Tages (BGB § 187 Abs. 1). So auch, wenn dieser Tag ein Sonn- oder Feiertag ist. Ist der nächste Tag ein Sonn- oder Feiertag, natürlich erst mit dem Ablauf dieses Tages. — „ U n m i t t e l b a r " sind diejenigen Folgen, die nicht bloß „unvermeidlich" sind (näheres: § 28 Anm. 17ff.; vgl. auch Mat 1. 180). Natürlich kommen nur solche Folgen in Betracht, die für die Haftung des Versicherers von Bedeutung sind. Dazu gehört ζ. B. auch der Umstand, daß das versicherte Schiff oder daß der Gegensegler an der Kollision die Schuld trägt und demgemäß Schaden ersetzen muß oder Schadenersatz verlangen kann. — Uber den Begriff der K e n n t n i s e r l a n g u n g : §2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht Kennenmüssen. Uber die Kenntnis von dritten vgl. die Ausführungen Vorb. vor 1 Anm. 67, 68, die auch für diesen Fall zutreffen. — Die Frist endigt mit Ablauf des letzten Werktags. Bis dahin muß die Erklärung dem Versicherungsnehmer zugegangen sein (vgl. oben Anm. 9, Vorb. IV vor § 1). Nicht genügt, daß sie in der Frist abgesandt wird. Ob den Versicherer die Schuld daran trifft, daß die Frist nicht gewahrt ist, oder nicht, gilt gleich. — Die rechtzeitig zugehende Erklärung ist unwirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein W i d e r r u f zugeht (BGB § 130). Wenn die Erklärung rechtzeitig abgesandt, aber zu spät zugegangen ist, und der Versicherungsnehmer jenes erkennen mußte, so muß der Versicherungsnehmer dies unverzüglich anzeigen; sonst gilt die Erklärung als rechtzeitig zugegangen (vgl. BGB § 149). — Solange der Versicherer nur von einzelnen, nicht von allen unmittelbaren Folgen des Versicherungsfalls Kenntnis erlangt hat, beginnt die Frist nicht zu laufen (deshalb unbegründet die Besorgnis der Assekuradeure Mat. 1. 180). 12. Abs. 4. Der Versicherer erwirbt durch die Zahlung keine Rechte an den versicherten Gegenständen. Natürlich nicht. Der Fall braucht ja kein Totalverlust-Fall zu sein. Und wenn er ein Totalverlust-Fall ist, hat doch der Versicherungsnehmer nicht die Zahlung der Versicherungssumme verlangt. Gegen seinen Willen könnten ihm seine Sachen nur weggenommen werden, wenn Gesetz oder ADS es so bestimmten. Das ist nicht der Fall. Deshalb fehlt § 38 Abs. 4 auch im § 145 V V G . — Dagegen gehen E r s a t z a n s p r ü c h e gegen dritte gemäß §§ 30 Abs. 7, 45 auf den Versicherer über. Denn die Zahlung der Versicherungssumme ist auch Entschädigung (vgl. oben Anm. 12). Der Nachteil, für den die Ersatzansprüche den Ausgleich bilden, wird gerade durch Zahlung der Versicherungssumme gutgemacht. Der nach § 31 Abs. 2 auf den Versicherer schon übergegangene Anspruch ist also auch nicht auf den Versicherungsnehmer zurückzuübertragen, wenn der Versicherer abandonniert. Anm. 20 13. § 38 gilt auch für die laufende Versicherung. Aber natürlich nicht für die laufende Versicherung als solche, sondern für die in ihr enthaltene Einzelversicherung. — Die laufende Versicherung kann aber gemäß § 97 Abs. 9 mit Frist, aus wichtigem Grunde auch ohne Frist gekündigt werden (Vorb. vor § 1 Anm. 22, § 97 Anm.). Anm. 21 14. § 38 gilt sinngemäß auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136, § 37 Anm. 16). Auch der Rückversicherer kann abandonnieren. Auch wenn der Vorversicherer wegen Ablaufs der Abandonfrist nicht mehr abandonnieren kann. Daß in solchem Falle der Vorversicherer für die Zukunft nicht mehr gedeckt ist, kann natürlich nicht entscheiden. Das ist ja gerade eine der Folgen des Versichererabandons überhaupt. — Der Vorversicherer ist dem Rückversicherer gegenüber grundsätzlich nur dann berechtigt und verpflichtet, zu abandonnieren, wenn der Abandon zur Schadensabwendung dient (§ 41). Aber regelmäßig ist der Vorversicherer abwicklungsberechtigt. Dann kann er abandonnieren, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger und billiger Weise abandonniert hätte (§ 1 Anm. 154). Ist der Abandon des Anm. 19
Zeitversicherung
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Vorversicherers dem Rückversicherer gegenüber unwirksam, so ist der Rückversicherer § 38 wegen des durch den Abandon bewirkten Wegfalls des rückversicherten Interesses für die Zukunft frei; im übrigen haftet er, wie wenn der Vorversicherer nicht abandonniert hätte. 15. Fremde Rechte. Dem e n g l i s c h e n Rechte ist der Versichererabandon fremd. Anm. 22 Er würde auch für die englische Versicherung noch weniger passen, als für die deutsche, in mehrere Haftungsperioden aufgelöste Versicherung. Denn nach englischem Rechte haftet der Versicherer in jedem Versicherungsfall mit der ganzen Versicherungssumme (§ 37 Anm. 17). — Auch dem f r a n z ö s i s c h e n Rechte ist der Versichererabandon unbekannt. Aber aus dem entgegengesetzten Grunde, nämlich weil der Versicherer nicht über die Versicherungssumme hinaus haftet (§ 37 Anm. 18).
§ 3 9 Zeitversicherung Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt, so beginnt die Versicherung am Mittage des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird. Sie endigt am Mittage des letzten Tages der Frist. Für die Zeitberechnung ist der Ort, an dem das Schiffsich befindet, maßgebend. 1. Vgl. HGB § 830, ASVB § 79, BSVB § 6 Abs. 1, VVG § 7. — L i t e r a t u r : § 5 Anm. 1 Anm. 2, § 28 Anm. 2. 2. Die Versicherung kann auf u n b e s t i m m t e Z e i t genommen werden. Dann Anm. 2 wird sie regelmäßig von jeder Partei mit angemessener Frist gekündigt werden können (vgl. E h r e n b e r g 354). Versicherungen auf unbestimmte Zeit sind jedoch nicht üblich. 3. Die Versicherung kann für die Zeit einer Reise oder mehrerer Reisen (Ziel- oder Anm. 3 Zweckreisen: § 23 Anm. 51) genommen werden ( R e i s e v e r s i c h e r u n g ) oder für Kalenderzeit (Zeit v e r s i e h e rung). Die Zeitversicherung kann für „Tage, Wochen, Monate oder einen mehrere Monate umfassenden Zeitraum" genommen werden. Dann beginnt sie am Mittag des Abschlußtags und endigt am Mittag des letzten Tages (ebenso VVG § 7; anders HGB a. F., ASVB § 79: von Mitternacht bis Mitternacht mit Einschluß des ersten und des letzten Tages, so daß der Versicherer noch einen Tag über die vereinbarte Zeit hinaus haftet, ζ. B. die am 1. April für ein Jahr genommene Versicherung erst mit Ablauf des nächsten 1. April endigt; Lewis 2. 397). In der Seeversicherung kommt aber auch diese Art der Zeitbestimmung kaum vor. Die Zeitversicherung wird von e i n e m bestimmten späteren (oder auch früheren) Z e i t p u n k t bis zu e i n e m a n d e r e n bestimmten Z e i t p u n k t genommen. Die Versicherung beginnt mit dem Beginn des ersten und endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Zeit (BGB §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 1). Doch wird auch in diesem Falle für die Berechnung der Zeit der Schiffs o r t m a ß g e b e n d sein müssen (vgl. § 39 Satz 3). Denn dies entspricht der Verkehrsauffassung (Prot. 3239). Der Umstand, daß infolge hiervon die Versicherung tatsächlich kürzer oder länger als vereinbart dauert, spielt im Verkehr keine Rolle (vgl. Voigt 505, C h a l m e r s 136: bei englischen Versicherungen: Greenwich-Zeit, A r n o u l d 456 s. 483 40»
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§ 39 grundsätzlich für die Zeit am Orte des Vertragsschlusses, aber mit Rücksicht darauf, daß regelmäßig Greenwich-Zeit vereinbart werde, für diese). — In den Fällen der See-Haftpflichtversicherung (der Versicherung für Havariegrosse-Beiträge, für indirekten Kollisionsschaden usw.) kann der Versicherungsfall (hier: die Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch den dritten Ersatzberechtigten) noch nach dem „ E n d e " der Versicherung eintreten. Das bedeutet, daß die Versicherung insoweit so lange fortdauert, als noch Ersatzansprüche Dritter geltendgemacht werden können, also insoweit nicht endigt. Und dies ist ζ. B. für die Andienungs- und Verjährungsfristen von Bedeutung, die mit dem „ E n d e " der Versicherung beginnen (§ 42 Anm. 20, 21, § 48 Anm. 5.). Anm. 4
4. Die Parteien können vereinbaren, daß die Zeitversicherung als stillschweigend verlängert gelten soll, wenn sie nicht vor Ablauf der Versicherungszeit gekündigt wird (vgl. V V G § 8). Solche Prolongationsklauseln sind wohl in der BinnentransportVersicherung, aber nicht in der Seeversicherung üblich (ausgenommen die laufende Rückversichereng: § 1 Anm. 131). Über einen Seeversicherungs-Fall: H G Z 1886. 19: Wenn das mit Prolongationsklausel versicherte Schiff total verlorengeht und der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlangt, ist das Interesse weggefallen, bedarf es also keiner Kündigung, um die Versicherung zu beendigen. — Ohne Prolongationsklausel gilt die Zeitversicherung n i c h t als s t i l l s c h w e i g e n d v e r l ä n g e r t ( R i p e r t Nr. 2722, HöchstG Christiania I T V M i t t 1919. 47: Auch keine Verpflichtung des Versicherers zur Benachrichtigung des Versicherungsnehmers vom Ende der Versicherung). Vgl. aber auch § 68. Anm. 5 5. Regelmäßig werden in Zeit-Kaskopolicen Fahrtgrenzen vorgeschrieben. Ü b e r schreitungen der Fahrtgrenzen können „Abweichungen vom Reiseweg" (§ 23 Anm. 52) oder Reiseveränderungen sein (§ 23 Anm. 69). Anm. 6
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Anm. 8
Anm. 9
Anm. 10
6. O b das Schiff während der versicherten Zeit fährt oder stilliegt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Anders nach der Liege- oder Stilliegeklausel (Vorb. vor § 113), die indessen nur für den Umfang der Prämienschuld, nicht für die Berechnung der Versicherungsdauer von Bedeutung ist. Anders auch bei der mixed policy des englischen Versicherungsverkehrs (a contract for both voyage and time: M I A § 25 Abs. 1), ζ. B. der Versicherung from the ist of January 1923 to the ist of J u n e 1923 at and from Liverpool to New York; der Versicherer haftet nur, wenn und während das Schiffsich am Abgangsort, um die versicherte Reise anzutreten, befindet, und die Reise macht ( A r n o u l d 458 s. 485; vgl. auch R i p e r t Nr. 2719). 7. Die laufende Versicherung, wenngleich für bestimmte Zeit genommen, ist ist keine Zeitversicherung im gewöhnlichen Sinne (§ 97 Anm., A r n o u l d 453 s. 478). 8. § 39 ist für die Rückversicherung ohne praktische Bedeutung. Rückversicherungen auf Zeit kommen nur als laufende Versicherungen vor. Bei diesen wird überdies die Zeit nicht nach „Tagen, Wochen, Monaten usw." bestimmt, sondern durch Bezeichnung des Anfangs- und Endtages. 9. F r e m d e Rechte (vgl. auch oben Anm. 3, 4, 6). a) E n g l i s c h e s Recht. M I Α schweigt. Die Versicherung wird gewöhnlich von Moment zu Moment genommen. Greenwich-Zeit ist maßgebend. Nach § 11 Finance Act 1901, § 25 Abs. 2 M I A a time policy which is made for any time exceeding twelve months is invalid. Näheres: A r n o u l d 453ff. s. 478fr. b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. C. de comm. schweigt (vgl. Art. 332, 335, 363). I m Zweifel läuft die Versicherung von Moment zu Moment; für die Zeitberechnung ist der Ort, wo die Police gezeichnet ist, maßgebend ( R i p e r t Nr. 2720).
Unfallsanzeige
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VII. Unfallsanzeige. Schadensabwendung
§ 40
§ 4 0 Unfallsanzeige Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer den Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen sowie jeden Unfall, der das Schiff oder die Ladung trifft, auch wenn dadurch ein Entschädigungsanspruch für ihn nicht begründet wird, sofern der Unfall für die von dem Versicherer zu tragende Gefahr erheblich ist. 1. V g l . H G Β § 8 i 8 , A S V B § 65, B S V B § 54, V V G §§ 33, 146. 2. Literatur. C r o p p Heise u. Cropp 1. 89 (Pflicht des auswärtigen Ordergebers, den eingetretenen Unfall schleunigst einzuberichten). E u l e , Die Pflicht zur Anzeige v o m Eintritt des Versicherungsfalls, Diss. 1912. K ü b e l Z f V R 2. 54 (Anzeigepflicht . . . des Versicherten bei Eintritt des Schadens). L i e s k e A n n V e r s 1 g 17. 404 (Zur Anzeigepflicht des Unfalls). W e r n e b u r g OestRev 1920. 24 (Der Eintritt des Versicherungsfalles). W ö r n e r D V Z 1905. 180 (Anzeigepflicht des Versicherten . . . beim V e r sicherungsfall). — Weitere Literatur: § 5 A n m . 2. 3. Der Versicherer hat beim Vertragsschluß ein Interesse daran, gefahrerhebliche Umstände z u erfahren (§ 19). Er hat nach dem Vertragsschluß (aus anderen Gründen) ein Interesse daran, sobald wie möglich Gefahrerhöhungen z u erfahren (§ 26). Z u den Ereignissen, die solche Gefahrerhöhungen herbeiführen, gehören auch Unfälle, die „ f ü r die v o m Versicherer zu tragende Gefahr erheblich" sind (§ 40). Die §§ 26 und 40 decken sich also insoweit (unten A n m . 10). Der Versicherer hat aber auch ein Interesse daran, andere gefahrerhebliche Unfälle z u erfahren, und zwar aus ähnlichen Gründen, aus denen er ein Interesse daran hat, Gefahrerhöhungen zu erfahren (§ 26 A n m . 3). Der Versicherer hat endlich ein Interesse daran, den Versicherungsfall sobald wie möglich zu erfahren. Denn im Versicherungsfall kann er abandonnieren (§ 38), kann er Weisungen zur Schadensabwendung erteilen (§ 41), hat er Grund den Schaden und die Schadensursache sobald und so genau wie möglich festzustellen. Deshalb war der Versicherungsnehmer immer verpflichtet, dem Versicherer den Versicherungsfall sobald wie möglich mitzuteilen (ζ. B. A H O 1731 V . 18, X I V . 1, X V . 1, vgl. auch X V I . 1). 4. Der Versicherungsnehmer m u ß anzeigen. U b e r den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. U b e r den Fall, d a ß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: V o r b . V I vor § 1 ; vgl. auch J W 1901. 426. — A u c h bei der Versicherung für f r e m d e R e c h n u n g m u ß an und für sich nur der Versicherungsnehmer anzeigen. Nicht der Versicherte. Denn man kann durch V e r t r a g einem Dritten z w a r Rechte zuwenden, nicht aber Verbindlichkeiten, deren Verletzung z u m unbeschränkten Schadensersatz verpflichtet. Anders, wenn der Versicherte der für seine R e c h n u n g genommenen Versicherung zugestimmt hat. Näheres: § 52 A n m . , § 53 A n m . , auch § 26 A n m . 4 ; vgl. auch H e l l w i g 573; wie hier auch P r ö l ß A n m . 3 z u § 75 V V G ; anders B r u c k M ö l l e r A n m . 12 z u §33 V V G , K i s c h 3. 454 ( „ w e n n der Versicherte ebenso gut oder besser wie der Versicherungsnehmer in der L a g e sei, die maßgebenden Tatsachen z u erfahren", S i e v e k i n g 82 unter irrtüml. Berufung auf E h r e n b e r g JheJ 3 0 . 4 6 7 : Der Versicherte müsse anzeigen, wenn er von der Versicherung Kenntnis habe, R o e l l i 249: Der Versicherte brauche überhaupt nicht anzuzeigen, L e n n e 140, folgend F i s c h e r 32: „ I m Regelfälle" braucht der Versicherte nicht anzuzeigen, wohl aber „ i m einzelnen Falle häufig nach T r e u und G l a u b e n " , „stets bei der Unfallsanzeige in der Seeversicherung nach § 818 H G B " , obgleich § 818 H G B nicht von der Anzeige-
Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
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§ 40 pflicht des Versicherten, sondern nur davon spricht, daß der Unfall „angezeigt werden muß, sobald . . . der Versicherte, wenn dieser von der Versicherung Kenntnis hat, Nachricht von dem Unfall erhält". — Wird die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so muß der Erwerber anzeigen, wenn der Fall nach der Veräußerung eintritt (§49 Abs. 1; anders nach § 26, weil dieser auf die Kenntnis abstellt: § 26 Anm. 4). Tritt der Fall vorher ein, so muß der Veräußerer anzeigen; aber auch, wenn die Unverzüglichkeitsfrist noch nicht verstrichen ist, der Erwerber, da die Anzeigepflicht fortbesteht und sie mithin auch „während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis ergibt" (§ 49 Abs. 1). —• Erfüllung der Anzeigepflicht durch Dritte: BGB § 267. Anm. 5 5. Der Versicherungsnehmer hat anzuzeigen. Er ist dazu verpflichtet (Brodmann JheJ 58.288, J o s e f ZfVW 1911.209, Lenne 131, Werneburg OestRev 1920. 24, J W 1902. 152, S c h l e g e l b e r g er SVR Bern. 1 zu § 40 ADS, HansOLG H R Z 1924. 743 = Sasse Nr. 320; abw. B r u c k - M ö l l e r Anm. 4 zu § 33 V V G : gesetzliche Obliegenheit; abw. auch H a g e n 1.563: Die Anzeige sei „Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs", in welchem Falle freilich, worauf schon B r o d m a n n J h e J 58. 288 hingewiesen hat, die Nichtanzeige die Verwirklichung des Entschädigungsanspruchs zur Folge haben müßte; näheres § 26 Anm. 5). Die Anzeigepflicht ist die Verbindlichkeit eines Schuldners. Sie gehört zu den „Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage" (Uberschrift vor § 812 HGB, ROHG 1. 112). Deshalb ist auch § 278 BGB anwendbar; der Versicherungsnehmer muß insbesondere das Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung der Anzeigepflicht bedient, gegen sich gelten lassen. Zu diesen Personen wird bei der Versicherung für fremde Rechnung regelmäßig auch der Versicherte gehören, wie, umgekehrt, der Versicherungsnehmer regelmäßig zu den Personen gehören wird, deren der Versicherte sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Anzeigepflicht bedient (vgl. oben Anm. 4). Zu diesen Personen gehört auch der Makler, den der Versicherungsnehmer anzeigen läßt (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 42, § 19 Anm. 11). Anm. 6 6. Dem Versicherer ist anzuzeigen. Gegebenenfalls dem gesetzlichen Vertreter oder dem Bevollmächtigten oder dem Vermittlungsagenten. Der Makler ist natürlich als solcher nicht Vertreter des Versicherers. Zeigt der Versicherungsnehmer nur seinem Makler an, so läuft er Gefahr, die Unverzüglichkeitsfrist zu versäumen (vgl. auch oben Anm. 5). Näheres § 26 Anm. 6. — Sind an der Versicherung mehrere Versicherer beteiligt, so ist allen anzuzeigen. Auch dann, wenn über die mehreren Versicherungen nur eine Police ausgestellt ist. Ist ein Versicherer „Führer", so ist Anzeige an ihn genügend, aber auch erforderlich (näheres: Vorb. V vor § 1 ) . Anm. 7 7. Unverzüglich ist anzuzeigen. Ohne schuldhaftes Zögern (BGB § 121 Abs. 1 ; näheres: § 3 Anm. 20). Insbesondere wird es regelmäßig nicht fahrlässig sein, wenn der Versicherungsnehmer zögert, weil er weiß oder annimmt und annehmen darf, daß der Versicherer den Fall kennt, wenn ζ. B. der Fall am Wohnsitz des Versicherers „börsennotorisch" ist (Mat. 1. 182). Der Versicherungsnehmer darf aber nicht ohne weiteres annehmen, daß Zeitungsnachrichten dem Versicherer bekannt geworden sind (Lewis 2. 357, Voigt Ε i866 § 64 Anm.). Natürlich ist es stets fahrlässig, wenn der Versicherungsnehmer nicht anzeigt, weil er sich der Anzeigepflicht als solcher nicht bewußt ist (RG 95. 255). Weiß der Versicherungsnehmer zwar um den Fall, aber schuldloserweise nicht, daß für ihn Versicherung genommen ist, so ist die Verzögerung der Anzeige nicht schuldhaft. Ebenso, wenn der Versicherte zwar um den Fall, aber schuldloserweise nicht weiß, daß für seine Rechnung Versicherung genommen ist (anders HGB § 818, wonach schuldhafte Unkenntnis des Versicherten nicht in Betracht kommt). „Sollte der Versicherte zwar nicht von der Versicherung Kenntnis
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erhalten, aber zur Versicherungsnehmung Auftrag gegeben haben", so trifft ihn selbstverständlich ein Verschulden, wenn er nicht „den ihm kund gewordenen Unfall sofort seinem Beauftragten behufs weiterer Meldung mitteilt" (ASVB § 65 Abs. 2). — Die Unverzüglichkeitsfrist b e g i n n t mit dem Eintritt des Versicherungsfalls oder des sonstigen Unfalls. Nicht erst, wenn der Versicherungsnehmer oder der Versicherte von dem Falle Kenntnis erlangt hat (so VVG § 33: „sobald der Versicherungsnehmer vor dem Eintritte Kenntnis erlangt"; ebenso HGB § 818: „sobald der Versicherungsnehmer oder der Versicherte . . . Nachricht von dem Unfall erhält"). Der Versicherungsnehmer hat also eine E r k u n d i g u n g s p f l i c h t . Er muß sich über die versicherte Unternehmung unterrichtet halten ( G e r h a r d 549). Der Versicherungsnehmer muß unverzüglich anzeigen, wenn er vom Versicherungsfall oder vom sonstigen Unfall Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. — Unerheblich für die Anzeigepflicht ist es, daß der Versicherer in früheren Fällen aus Kulanz keine Folgerungen aus der Pflichtversäumung gezogen hat (HansOLG HansRGZ 1932 Β 115 = Sasse Nr. 420, 1930 Β 515 = Sasse Nr. 412). 8. Der Versicherungsnehmer hat anzuzeigen. Die Anzeige ist, ihrem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Wissenserklärung. Sie muß also unter Anwesenden dem Versicherer gegenüber so gemacht werden, daß dieser sie vernimmt oder doch, wenn er nur wollte, vernehmen müßte. Unter Abwesenden muß sie dem Versicherer zugehen (anal. BGB § 130). Näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 33. 9. Den Versicherungsfall muß der Versicherungsnehmer anzeigen. Versicherungsfall ist das Ereignis, das die Entschädigungspflicht des Versichere auslöst (§ 5 Anm. 29). 10. Aber auch jeden gefahrerheblichen Unfall muß der Versicherungsnehmer anzeigen. U n f ä l l e sind nach der Wortbedeutung und nach der verkehrsmäßigen Bedeutung Ereignisse, die das Interesse einer bestimmten Person (hier: das mit der versicherten Unternehmung verknüpfte Interesse) unmittelbar treffen und als nachteilig empfunden werden, ζ. B. die Strandung. Der Unfall braucht kein „äußerer Unfall" zu sein (so BSVB § 36 Abs. 1; vgl. dazu HGZ 1882. 52, 1889. 111). Er braucht auch keinen Schaden zu stiften, keinen Versicherungsschaden, keinen Aufwendungsschaden, keinen versicherungsfreien Schaden, wenn er auch regelmäßig Schadensursache sein wird. Zu eng also ζ. B. S i e v e k i n g 76: „ein die Güter oder das Schiff treffendes schädigendes Ereignis", und noch enger 89: „äußeres, schadenbringendes Ereignis, dessen Eintritt als etwas Zufälliges erscheine" (vgl. dazu § 28 Anm. 9). — Der Unfall kann also Versicherungsfall sein. Dann ist er schon als solcher anzuzeigen. — Der Unfall kann auch die Ursache einer Gefahrerhöhung sein. Dann ist er schon gemäß § 26 anzuzeigen (vgl. insbesondere § 26 Anm. 12). Gemäß § 26 braucht aber der Versicherungsnehmer erst anzuzeigen, sobald er von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat. Gemäß § 40 muß er anzeigen, sobald er von dem Unfall Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (oben Anm. 7). a) „ J e d e r " Unfall ist anzuzeigen. Eindringlich fordern Gesetz und ADS den Versicherungsnehmer auf, keinen Unfall zu verschweigen. Der Unfall ist insbesondere auch dann anzuzeigen, wenn er für die Gefahr, die der Versicherer trägt, nur wenig erheblich ist. b) Jeder U n f a l l , d e r d a s S c h i f f o d e r d i e L a d u n g t r i f f t , ist anzuzeigen. Das ist nicht genau. Regelmäßig wird der Unfall, der das Schiff trifft, auch für die Ladung und den Güterversicherer von Interesse sein, oft der Unfall, der die Ladung trifft, auch für das Schiff und den Kaskoversicherer. Aber nicht immer. Der Kaskoversicherer hat ζ. B. regelmäßig kein Interesse daran, zu erfahren, daß Güter durch eingedrungenes Seewasser beschädigt sind. Dann bedarf es auch keiner Anzeige (unten
§ 40
Anm. 8
Anm. 9 Anm. 10
Anm. 11
Anm. 12
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Unfallsanzeige
§ 40 A n m . 13). — Aber nicht nur Unfälle, die das Schiff oder die Ladung treffen, sind anzuzeigen. Auch Unfälle, die P e r s o n e n treffen (s. B. T o d des Kapitäns, ansteckende Krankheiten unter der Besatzung oder den Passagieren) sind anzuzeigen, wenn sie erheblich sind. M a n kann auch sagen, daß sie in solchem Falle Schiff oder L a d u n g treffen. Besser jedenfalls § 8 1 8 H G B , dem der Relativsatz („der das Schiff oder die L a d u n g trifft") fehlt. Anm. 1 3 c) Der Unfall muß „ f ü r d i e v o n d e m V e r s i c h e r e r z u t r a g e n d e G e f a h r e r h e b l i c h " sein. Gesetz und A D S schließen hier, deutlich erkennbar, an §§ 19, 23 an. Der Unfall muß geeignet sein, auf den Entschluß des Versicherers Einfluß zu üben, wenn dieser gegenwärtig den Vertrag zu schließen hätte, objektiv gefahrerheblich vom Standpunkt der Gegenwart aus (vgl. § 23 Anm. 39). Das versteht sich auch f ü r § 8 1 8 H G B von selbst, obgleich § 8 1 8 H G B es nicht besonders ausspricht ( G e r h a r d 548, V o i g t 3 5 1 ; abw. Mat. 1. 1 8 1 , 182), sondern nur an der Rechtsfolge der Pflichtverletzung (Kürzung der Entschädigung um den „Betrag, um den sie sich bei rechtzeitiger Anzeige gemindert hätte") erkennen läßt. Gefahrerheblich können auch Versicherungsfälle sein. A b e r Versicherungsfälle (ζ. B. der Fall der vollständigen Vernichtung) brauchen nicht gefahrerheblich zu sein (müssen dann jedoch nach § 40 als solche angezeigt werden und nach § 818 H G B dann, wenn die Entschädigung „sich bei rechtzeitiger Anzeige mindern" läßt, der Versicherer also ein Interesse daran hat, den Versicherungsfall möglichst bald zu erfahren). Gefahrerheblich können andererseits auch Unfälle sein, „ f ü r die der Versicherer nicht haftet", „die dem Versicherer nicht zur Last fallen" (vgl. §§ 95, 96, ferner § 19 A n m . 25, 26). — Umstände, die zwar gefahrerheblich, aber keine Unfälle sind, brauchen nicht gemäß § 40 angezeigt zu werden (müssen aber gegebenenfalls gemäß § 26 angezeigt werden). Anm. 14
d) Der Unfall muß auch dann angezeigt werden, w e n n dadurch ein E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r u c h für den Versicherungsnehmer n i c h t b e g r ü n d e t wird, wenn ζ. B. das „ N u r für Totalverlust" versicherte Schiff einen Unfall erleidet, der es gefahrerheblich beschädigt (Begr. z. V V G § 146). Natürlich; denn wenn der Unfall einen Entschädigungsanspruch auslöst, ist er ein Versicherungsfall, und Versicherungsfälle müssen schon als solche angezeigt werden. Anm. 1 5 e) Nur Unfälle, die n a c h dem Vertragsschluß eintreten, brauchen angezeigt zu werden. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der §§ 19, 26, 40 ohne weiteres. Ist der Vertrag unter Anwesenden geschlossen, so muß der Versicherungsnehmer aber auch Unfälle anzeigen, die zwar noch vor dem Vertragsschluß, aber so spät eingetreten sind, daß sie vor dem Vertragsschluß nicht mehr angezeigt werden konnten (§ 19 Anm. 52, § 26 A n m . 10). — I m Falle einer V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g müssen auch U n fälle (und natürlich erst recht Versicherungsfälle) angezeigt werden, die vor dem Vertragsschluß eingetreten sind. Die vorvertragliche Anzeigepflicht wird hierdurch natürlich nicht berührt (vgl. § 24 Anm. 9, § 26 Anm. 10). — Die Unfälle müssen auch dann angezeigt werden, wenn die Versicherung erst später beginnen soll und die Unfälle z w i s c h e n V e r t r a g s s c h l u ß u n d V e r s i c h e r u n g s b e g i n n eintreten (vgl. § 5 Anm. 14). Die A D S unterscheiden nicht. § 8 1 8 H G B behandelt die Anzeigepflicht als eine „ V e r pflichtung des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage". Auch die Interessenlage veranlaßt nicht, zu unterscheiden. A n m . 16 1 1 . F ü r den Inhalt der Anzeige ist im übrigen das Interesse des Versicherers maßgebend, das den § 40 veranlaßt hat (oben Anm. 3 ; vgl. auch § 26 A n m . 12). Der Versicherungsnehmer darf sich natürlich nicht darauf beschränken, anzuzeigen, daß ein Unfall oder daß der Versicherungsfall eingetreten ist. E r braucht dies andererseits auch nicht anzuzeigen. E r muß den S a c h v e r h a l t m i t t e i l e n , der ihn zu der Anzeige veranlaßt. Die nötigen Schlüsse aus der Anzeige zu ziehen, kann er dem Versicherer
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überlassen. Zu weiterer Auskunft ist er nur gemäß § 43 verpflichtet. Auch braucht er nicht zu gestatten, daß der Versicherer durch eigene Ermittlung, Besichtigung oder Untersuchung eingreift. Nur unter besonderen Umständen wird sich aus der Treuepflicht des § 13 etwas anderes ergeben. Teilweise anders auch die Tenderklausel: Vorb. vor § 113. — Unrichtig O L G Köln LZ 1907. 762: Wenn das transportversicherte Pferd unterwegs stürze, brauche der Versicherungsnehmer nicht den Sturz (also den Unfall), sondern nur den (späteren) Tod des Pferdes anzuzeigen. ia. Verletzt der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r vorsätzlich oder fahrlässig die Anzeigepflicht, so muß er dem Versicherer den dadurch verursachten Schaden ersetzen (BGB § 276, W e i n b e r g e r OestZ ig2o. 491, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 40 ADS; so auch H a g e n 1. 568, obgleich nach seiner Ansicht der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, die Anzeige vielmehr „die bedingungsmäßige Voraussetzung für die Entstehung eines Entschädigungsanspruchs" ist; anders HGB § 818: Der Versicherer kann nur von der Entschädigungssumme abziehen, um was sie sich bei rechtzeitiger Anzeige gemindert hätte, vgl. Prot. 3199; irrt. B r u c k H R Z 1920. 11: Die Rechtsfolgen des § 40 ADS und des § 818 HGB = § 65 Abs. 1 ASVB seien gleich). H a t der Versicherer von dem Falle rechtzeitig anderweit Kenntnis erlangt, so kann er sich regelmäßig auf die Verletzung der Anzeigepflicht nicht berufen (vgl. § 26 Anm. 5, 10, 13). Denn durch die Nichtanzeige kann regelmäßig kein Schaden entstanden sein. In diesem Sinne noch heute richtig: Eum qui certus est certiorari ulterius non oportet (R 31 in VI de reg. jur. 5. 12). — Aufrechnung der Schadensersatzforderung im Falle der Versicherung für fremde Rechnung: § 56 Anm. — Verlangt der Versicherer Schadensersatz, so muß er beweisen, daß der Fall eingetreten, insbesondere, daß der Unfall für die versicherte Gefahr erheblich ist, daß der Versicherungsnehmer nicht oder nicht ohne Zögern angezeigt hat, daß und welcher Schaden dadurch entstanden ist. Auf diese Weise kann es zu einer Teilung der Anzeige kommen, wenn sich nicht sofort übersehen läßt, ob und in welchem Umfange ein Schaden eingetreten ist (vgl. ζ. B. HansOLG HansRGZ 1928 Β 435 = Sasse Nr. 389). Der Versicherungsnehmer muß beweisen, daß die Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige nicht verschuldet ist (näheres § 3 Anm. 24; HansOLG H R Z 1924. 743 = Sasse Nr. 320; LG Berlin J R P V 1928. 219 = Sasse Nr. 7 1 2 ; abw. G e r h a r d 147). Zum Nachweis des Schadens genügt ζ. B. der Beweis, daß der Versicherer wegen des Unfalls nach Lage der Umstände und nach seinen Gepflogenheiten wahrscheinlich Rückversicherung genommen hätte (zu eng V o i g t 353, folgend G e r h a r d 549, S i e v e k i n g 82; nur der Beweis, daß der Versicherer „für den Fall einer ihm gemeldeten Unfallsnachricht im Voraus entschlossen gewesen sei, Rückversicherung zu nehmen"). Schadensersatz kann auch in der Weise gefordert werden, daß der Versicherte eine bei rechtzeitiger Schadensandienung möglich gewesene Kündigung der laufenden Police gegen sich gelten lassen muß (HansOLG HansRGZ 1932 Β u s ) . 13- § 40 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Tatsächlich begnügen sich die Rückversicherer regelmäßig mit Schadensaufgaben. (Näheres über die Rückversicherung mit Abwicklungsrecht des Vorversicherers: § 1 Anm. 158). 14. F r e m d e Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Die Anzeigepflicht ist im allgemeinen unbekannt. Nach den I T C und IVO aber in the event of accident whereby loss or damage may result in a claim under this Policy, notice shall be given to Underwriters prior to survey and also, if the vessel is abroad, to the nearest Lloyd's Agent . . . In the event of the Assured failing to comply with the conditions of this clause, 15 per cent, shall be deducted from the amount of the ascertained claim. b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. Dans le cas oü le delaissement peut etre fait, et dans le cas de tous autres accidents aux risques des assureurs, l'assure est tenu de signifier
§ 40
Anm. 17
Anm. 18 Anm. 19
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Schadensabwendung
§ 40 ä l'assureur les avis qu'il a resus. La signification doit etre faite dans les trois jours de la reception de l'avis. C. de comm. Art. 374 (vgl. auch Art. 387, 390, 395). Verletzung der Anzeigepflicht verpflichtet zum Schadensersatz ( R i p e r t Nr. 2783).
§ 4 1 Abwendung und Minderung des Schadens (1) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, bei dem Eintritte des V e r sicherungsfalls nach Möglichkeit für die A b w e n d u n g und Minderung des Schadens zu sorgen. Er hat dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen und, wenn die Umstände es gestatten, solche Weisungen einzuholen. Sind mehrere V e r sicherer beteiligt und sind von ihnen entgegenstehende Weisungen gegeben, so hat der Versicherungsnehmer nach eigenem pflichtmäßigen Ermessen zu handeln. (2) Der Versicherungsnehmer hat die Weisungen des Versicherers auch dann zu befolgen, wenn ein Teil des Versicherungswerts nicht versichert ist. Diese Bestimmung
findet keine Anwendung,
wenn mehr als die Hälfte des
sicherungswerts nicht versichert ist; jedoch
findet
in diesem Falle auch
Verdie
Bestimmung des § 32 Abs. 2 Satz 2 über Ersetzung von Aufwendungen und Vorschußleistung keine Anwendung. (3) Der Versicherer haftet für einen Schaden insoweit nicht, als dieser durch eine Verletzung der Verpflichtung zur A b w e n d u n g oder Minderung des Schadens verursacht wird, es sei denn, daß die Verletzung nicht auf einem Verschulden beruht.
Anm. 1 Anm. 2
1. H G Β § 8 ig, ASVB §§ 66—68, BSVB § 53, V V G § 62. 2. Literatur: A r z t , Die vorbeugenden Obliegenheiten, zugleich ein Beitrag zur Auslegung der §§ 32 und 6 Abs. 1 und 2 V V G , ungedr. Diss. Hamburg 1951. G o t t s c h a l k NeumannsZ 1912. 645 (Befreiung des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung im V V G ) . E n g e VersR 1965. 308 (Die Behandlung von Verschuldenstatbeständen in der deutschen und englischen Seekaskoversicherung). H a g e n SVR 139. 142. H e n n i g , Die Rettungspflicht des Versicherungsnehmers, Diss. Leipzig 1936. J o s e f Masius Rundschau 1920. 360 (Rechtslage des Versicherers bei Beschädigungen anläßlich der Feuerlöschhilfe). K i s c h WuRVers 1926. 1 (Die Rettungspflicht des Versicherungsnehmers). K l i n g e n b e r g , Rettungspflicht und Rettungskosten im Versicherungsrecht nach allgemeinen Grundsätzen und insbesondere in der Haftpflichtversicherung, Diss. Zürich 1930. K r e u t z i g e r , Die Kommandobrücke 1964. 298—300 (Die Rettungspflicht im Seeversicherungsrecht), VersR 1964. 995—1003 (Zur Seeuntüchtigkeit im Seeversicherungsrecht). K ü b e l Z f V R 2. 54 (Rettungspflicht des Versicherten bei Eintritt des Schadens). M a l s s ZHR 13. 438 (Diligenz des Versicherten beim Brande). O h l i g m a c h e r , Die Verpflichtung des Versicherten zur Abwendung des Schadens vor und nach dem Versicherungsfall, Diss. München 1918. S c h n e i d e r LZ 1918. 82 (Eintritt des Versicherungsfalls im Sinne des §62 V V G ) . S c h w e i g h ä u s e r MittöffFVA 1920. 271 (Verpflichtung des Versicherten zur Abwendung und Minderung des Schadens). S i e b e c k , Die Schadenabwendungs- und -minderungspflicht des Versicherungsnehmers (Veröffentlichungen des Seminars für Versicherungswissenschaft der Universität Hamburg und des Versicherungswissenschaftlichen Vereins in Hamburg e. V., Neue Folge — Heft 20), 1963. W o e s n e r , Die
Schadensabwendung
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Pflicht des Versicherers zum Ersatz der Aufwendungen des Versicherungsnehmers § zwecks Abwendung und Minderung des Versicherungsschadens, ungedr. Diss. Hamburg 1961. Weitere Literatur: Vorb. vor § 1 Anm. 59, § 5 Anm. 2, § 32 Anm. 2. 3. A b s . 1 . Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die Gefahr nicht zu ändern, Anm. 3 den Versicherungsfall nicht herbeizuführen, im Versicherungsfall den Schaden abzuwenden und zu mindern, •— alles Verpflichtungen, die sich nicht (oder doch nicht ohne Ausnahmen) aus dem Wesen des Versicherungsvertrags, auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes ergeben und deshalb besonders bestimmt sind (für § 4 1 : Prot. 4422, 4426, Lewis 2.359, ROHG 25.370, R G 32. 13, 68. 115, 88. 315; abw. V o i g t 357; vgl. auch § 28 Anm. 8, § 33 Anm. 3, aber auch § 23 Anm. 9; Siebeck 7 hält die Frage für belanglos). Insbesondere ist es unrichtig, nützt es auch nicht, zu sagen, daß im Versicherungsfall „das Gesetz den Versicherten zwinge, negotiorum gestor des Versicherers zu sein, und der Versicherte bei der Rettung demnach auch nicht seine eigene, sondern stets des Versicherers Angelegenheit betreibe" (so Prot. 4423, E h r e n b e r g ZfVW 1906. 383, Lewis 2. 359, S i e v e k i n g 83, R G 32. 13, HGZ 1893. 89, Hennig 14, Woesner 49; dahingest. R G 68. 1 1 5 ; dagegen mit Recht K i s c h WuRVers 1916. 284, auch HGZ 1906. 194, ferner Siebeck 7). —· Das ältere Recht beschränkte sich meist auf Vorschriften für bestimmte Fälle (vgl. AHO 1731 VIII. 4: Kollision, X I V . 1 : Strandung, X V : Aufbringung; ähnlich noch AllgPlan 1847 §§113, 122 und heute noch C. de comm. unten Anm. 37); anders ζ. B. PreußSeerecht Art. 20: „Bey vorgefallenen Schaden oder Unglück sind so wol der Schiffer mit seinem Volck, als auch die etwan in der Nähe verhandene Assurirte, und dererselben Correspondenten, Factoren oder Bediente befugt und verbunden, überall nach Möglichkeit der abwesenden Assuradeurs Bestes zu besorgen und zu befördern, auch folglich zur Rettung oder Bergung und Erhaltung Schiffes und Gutes, mit Raht und That, es sey durch Vorschuß der nötigen Unkosten, Veranstaltung des erfoderten Transports oder Verkauffs der beschädigten Waaren, Schiffs-Geräthschafft und dergleichen, oder, wie es sonst am besten geschehen kann, und mag, alles mögliche beyzutragen und vorzukehren . . .". 4. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet. Über den Begriff des Versiehe- Anm. 4 rungsnehmers: § 3 Anm. 4. — Über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Haben insbesondere Miteigentümer die Sache gemeinschaftlich versichert, so ist jeder einzelne verpflichtet. Verletzt einer die Schadenabwendungs-Pflicht, so schadet es nicht ohne weiteres auch den anderen (Vorb. vor § 1 Anm. 54, § 23 Anm. 20, § 33 Anm. 13). — Im Falle der Versicherung für f r e m d e Rechnung ist der Versicherungsnehmer verpflichtet (Kisch 3. 448 und WuRVers 1928.73, Lenne 138, R G 9 . 1 2 2 ; abw. E h r e n b e r g JheJ 30.466, G e r h a r d 370: nur, wenn die versicherte Sache sich in der Gewalt des Versicherungsnehmers befinde; näheres: § 23 Anm. 25). Aber auch der Versicherte (Begr. z. V V G § 79, K i s c h 3. 449, Lenni 138, Siebeck 25; abw. G e r h a r d 370; näheres: § 23 Anm. 25). — Wird die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so wird der Erwerber verpflichtet, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Denn er tritt nach § 49 Abs. 1 in die „Pflichten" des Versicherungsnehmers ein und die Schadenabwendungs-Pflicht ist eine „Pflicht", eine Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers (oben Anm. 3, unten Anm. 5; Ausnahme: § 50 Abs. 2). Ist der Versicherungsfall vor der Veräußerung eingetreten, so bleibt (auch) der Veräußerer zur Schadensabwendung verpflichtet. — Im Falle einer bloßen A b tretung der Entschädigungsforderung bleibt nur der Versicherungsnehmer verpflichtet. Der Versicherer kann aber gegenüber dem Zessionar einwenden, daß dieser wider Treu und Glauben den Schaden nicht abgewendet hat (vgl. BGB § 162 Abs. 2, ADS
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Schadensabwendung
§ 41 § 4g Anm.), gegebenenfalls auch, daß er auf Grund des auf ihn übergehenden Schadensersatz-Anspruchs des Versicherungsnehmers Rückerstattung der von ihm gezahlten Entschädigung würde verlangen können (exceptio doli generalis). Anm. 5 5. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet. Es handelt sich um eine der „Verpflichtungen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrage", wie die Uberschrift über §§812—819 HGB ausdrücklich sagt. Um eine „Nebenpflicht" ( K o h l e r 458, L e n n e 131, M o l t 35; R e a t z Hdbch 4.430: Nebenobligation), um eine Nebenverpflichtung ähnlich der Nebenverpflichtung des Kommissionärs und des Spediteurs, das Interesse des Geschäftsherrn wahrzunehmen (HGB §§ 384, 408), um eine „Pflicht zur Diligenz in eigenen Angelegenheiten" ( M o l t 17; ähnlich schon Prot. 4426). Nicht um eine „Obliegenheit" (wie hier S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 1 zu §41 ADS, P r ö l ß Anm. 3 zu § 6a V V G , E h r e n z w e i g V V 272, H a g e n Hdb. I 639, K i s c h WuRVers 1928. 86f.; für Obliegenheit: B r u c k P V R 342, G e r h a r d Anm. 1 zu §62, S i e b e c k 8—17). Auch nicht um eine Risikobeschränkung (Siebeck 17—23). Ebensowenig um einen bloßen Tatbestand, dessen Verwirklichung Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs ist; so wohl V o i g t 358: keine „absolute Pflicht des Versicherten in der Art, daß ihr ein entsprechendes Zwangsrecht des Versicherers gegenüberstände", sondern „eine Voraussetzung für das Recht des Versicherten, Ersatz des . . . Schadens . . . zu fordern"; folgend, aber noch bedenklicher, HGZ 1898. 268: „Die gehörige Erfüllung der (Schadenabwendungs-) Pflicht sei insoweit eine Bedingung seines Anspruchs, als auch nur die Möglichkeit bestehen bleibe, daß der Schaden im Falle der Erfüllung abgewendet wäre"; folgend auch B r o d m a n n 274, S i e v e k i n g 88, H G Z 1906. ig4· Der hierbei leitende Gedanke, daß der Versicherer kein „Zwangsrecht", kein Klagerecht hat (so auch ζ. B. G e r h a r d 292, H e c k 495, HGZ 1906. 194) ist für das Wesen der Schadenabwendungs-Pflicht ohne Bedeutung. Er ist aber auch irrig. Daß regelmäßig nicht auf Schadensabwendung geklagt werden kann, liegt nur daran, daß der Schaden regelmäßig nicht mehr abzuwenden oder zu mindern ist. Die Lage kann aber ausnahmsweise auch eine andere sein. Warum sollte der Versicherer, der entschädigt hat, nicht gemäß § 46 darauf klagen können, daß der Versicherungsnehmer den Schadensersatz-Anspruch gegen den schuldigen Gegensegler gerichtlich geltendmacht und dadurch den Schaden mindert? Überdies steht einer Klage auf Feststellung, daß der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, Schaden abzuwenden und zu mindern, nichts im Wege. — Der Versicherungsnehmer muß deshalb das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters gegen sich gelten lassen und haftet daneben in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit für sein eigenes Verhalten (BGB § 278). Bedient er sich zur Erfüllung seiner Schadenabwendungs-Pflicht eines Dritten, so muß er dessen Verhalten vertreten (BGB §278, R T K zum V V G 1 . 6 1 ; vgl. auch L e w i s 2.361, W o l f f 437, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 41 ADS, H G Z 1892.97). Näheres: Vorb. V I I I vor § 1, vgl. auch § 23 Anm. 14, 20 ff., § 33 Anm. 14, jedoch auch unten Anm. 7. Anm. 6
6. Der Versicherungsnehmer ist beim Eintritt des Versicherungsfalls verpflichtet. D. h. beim Eintritt des Gefahrereignisses, das den Schaden (oder größeren Schaden) unvermeidlich herbeiführen würde, wenn der Schaden nicht abgewendet wird, oder auch den Schaden wirklich herbeiführt. Vorher ist der Versicherer durch die Schadenverhütungs-Pflicht des § 33 geschützt. Näheres: § 5 Anm. 28, § 32 Anm. 12, § 33 Anm. 5. Anm. 7 7. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. a) Gesetz ( V V G § 62, HGB § 819) und ADS sagen nicht etwa einfach, daß der Versicherungsnehmer verpflichtet sei, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Mit Vorbedacht nicht (Prot. 4425). Der Versicherungsfall stellt den Versicherungs-
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nehmer regelmäßig vor eine Lage, die er mit eigener K r a f t nicht überwinden kann. § Den Schaden abzuwenden oder zu mindern, ist er regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen. Für etwaige Versehen des Helfers in der Not aufzukommen, kann ihm nicht zugemutet werden. Wenn er einem zuverlässigen Berger die Bergung des versicherten Schiffes überträgt, kann er für Versehen des Bergers nicht einstehen (so wenig, wie im umgekehrten Falle der Versicherer, der es übernimmt, das gesunkene Schiff zu bergen, f ü r Versehen des Bergers einzustehen hat: H G Z 1903. 275). Deshalb braucht der Versicherungsnehmer nur für die Abwendung und Minderung des Schadens zu s o r g e n . U n d auch dies nur „ n a c h M ö g l i c h k e i t " , „tunlichst" ( H G B § 8 1 9 ; vgl. Prot. 4426), „ n a c h K r ä f t e n " (Begr. z. V V G § 62), nicht „bis an die äußersten Grenzen der menschlichen Möglichkeit" (Prot. 4425; vgl. P r ö l ß Anm. Β zu §62 V V G , S i e b e c k 8of., E h r e n z w e i g V V 273 Anm. 1), — was sich freilich nach allgemeinen Grundsätzen von selbst versteht. Andererseits kann er sich nicht darauf berufen, daß er sich verhalten habe, wie wenn er nicht versichert gewesen wäre ( H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 395 = Sasse Nr. 4 3 1 ) . S o w e i t n a c h d e r V e r k e h r s s i t t e D r i t t e mit der Ausführung von Maßregeln zur Schadensabwendung oder -minderung b e t r a u t w e r d e n , genügt es, wenn der Versicherungsnehmer g e e i g n e t e P e r s o n e n damit b e t r a u t und ihre Verrichtungen ü b e r w a c h t . Diese Dritten sind also nicht seine Erfüllungsgehilfen. Ihr Verhalten braucht er nicht gemäß § 278 B G B zu vertreten. Soweit er dagegen nach der Verkehrssitte den Schaden selbst abwenden oder mindern muß, muß er auch das Verschulden Dritter, deren er sich dabei bedient, vertreten ( R G J W 1926. 1969 mit Anm. R i t t e r = Sasse Nr. 13). U n d ebenso muß er das Verschulden derjenigen vertreten, deren er sich zur Anstellung oder Überwachung solcher Personen bedient, deren Verhalten er nicht zu vertreten braucht. Ahnlich E h r e n b e r g 439, G e r h a r d 295, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 1 zu § 41 A D S , H G Z 1906. 195 (Reklamierung der im russisch-japanischen Kriege von den J a p a n e r n beschlagnahmten Teeladung durch eine im Assekuranzverkehr erfahrene, mit guten Verbindungen nach J a p a n ausgerüstete Person), H G Z 1903. 276 (Beauftragung eines geeigneten Tauchers mit der Hebung der gesunkenen Barkasse). Hieraus ergibt sich auch ohne jeden Zwang, daß der Versicherungsnehmer bei der Minderung des Schadens durch Erhaltung und Einziehung von Ersatzansprüchen gegen Dritte zwar „verpflichtet ist, seine und, den U m ständen nach, seiner Korrespondenten Mitwirkung zur erfolgreichen Geltendmachung des Anspruchs zu leisten" (so ausdrücklich A S V B § 71 Abs. 1 Satz 3), daß er aber „keine Haftung für das Verschulden seiner Korrespondenten übernimmt" ( R G 9. 124). — Hieraus ergibt sich auch, inwieweit der versicherte Reeder das V e r s c h u l d e n d e s K a p i t ä n s zu vertreten hat. Das Verhalten des Kapitäns a l s s o l c h e n braucht er überhaupt nicht zu vertreten. Dies bestimmt § 33 Abs. 3 freilich nur f ü r das Verhalten des Kapitäns bei der Erfüllung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Schadenverhütungs-Pflicht. A b e r diese ist die unmittelbare Vorläuferin der Schadenabwendungs-Pflicht. Bei dieser ist die Interessenlage dieselbe wie bei jener. Wie für jene muß für diese die Erwägung maßgebend sein, daß dem Reeder in den meisten Fällen nichts anderes übrig bleibt, als die Führung des Schiffes einem K a p i t ä n zu überlassen. Der Grundsatz des § 33 Abs. 3 ist deshalb auch hier anzuwenden. Der Versicherungsnehmer braucht Verletzungen der Schadenabwendungs-Pflicht, die der Kapitän als solcher sich hat zuschulden kommen lassen, nicht zu vertreten. Das ist auch unbestritten (vgl. E h r e n b e r g 439, S i e v e k i n g 86, § 33 A n m . 36, 44). Ebenso unbestritten ist, daß er im übrigen das Verschulden des Kapitäns im allgemeinen vertreten muß. Aber er braucht das Verhalten derjenigen nicht zu vertreten, die der K a p i t ä n verkehrsüblicherweise mit der Ausführung von Schadenabwendungs-Maßregeln betraut, gehörig ausgewählt und gehörig überwacht hat. — Bei der G ü t e r v e r s i c h e r u n g (oder
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§ 4 1 der Versicherung von Bodmereigeldern usw.) ist der Kapitän im allgemeinen keine Person, deren sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner SchadenabwendungsPflicht bedient. Dagegen wird man wiederum aus § 33 Abs. 2 ableiten müssen, daß der Versicherungsnehmer bei einer Versicherung, die sich auf die Güter bezieht, das Verschulden des A b l a d e r s oder E m p f ä n g e r s auch dann vertreten muß, wenn diese Personen etwa nicht als Erfüllungsgehilfen des Versicherungsnehmers anzusehen sind (Prot. 4424, R G 9. 120, H G Z 1883. 76, H G u. O G Hamburg Seebohm 438, H H 120; zweifelnd E h r e n b e r g 439); dagegen nicht auch das Verhalten derjenigen, die der Ablader oder Empfänger verkehrsüblicherweise mit der Ausführung von Schadenabwendungs-Maßregeln betraut, gehörig ausgewählt und gehörig überwacht hat. Näheres: § 23 Anm. 24, § 33 Anm. 27fr. Zu eng und äußerlich R G 9. 123: Die Eigenschaft des Empfängers höre auf, „wenn die Tätigkeit des Empfängers mit beendigter Ausladung ihr Ende erreicht habe". Insbesondere muß der Versicherungsnehmer es vertreten, wenn der Empfänger nach der Ausladung der Güter es versäumt, die Ersatzansprüche gegen Verfrachter oder Frachtführer zu erhalten (§ 45 Anm. 27). Anm. 8 b) A b w e n d u n g ist gänzliche oder teilweise Verhinderung des Schadens (Prot. 3206). Dazu gehört auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter, für die der Versicherer haftet, ζ. B. die Verhütung der Verurteilung zum Ersatz indirekten Kollisionsschadens (§32 Anm. 13, §78 Anm.) oder unbegründeter Belastung in der Havariegrosse-Dispache (§ 30 Anm. 22). Anm. 9 c) M i n d e r u n g ist die gänzliche oder teilweise Beseitigung des Schadens (Prot. 3206: ζ. B. Trocknung einer durch Wasser beschädigten Kornladung). Aber auch die Erhaltung und Ausnutzung von Ersatzmöglichkeiten, insbesondere von Ersatzansprüchen gegen dritte Schadenstifter (vgl. G e r h a r d 3 1 7 , H a l l b a u e r L Z 1910. 377, M o l t 142, H G u. O G Hamburg Seebohm 438, 505, R G 1 1 2 . 149 = J R P V 1926.66 = Sasse Nr. 12, § 45 Anm. 25). Deshalb verweist § 822 H G Β auf § 819 HGB. Deshalb „bleibt" nach § 46 der Versicherungsnehmer auch nach Ubergang des Ersatzanspruchs auf den entschädigenden Versicherer verpflichtet, für die Minderung des Schadens durch Zurückbehaltung der Fracht zu sorgen, usw. Anm. 10 d) W o f ü r d e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r im e i n z e l n e n z u „ s o r g e n " , was er zu tun, was er zu lassen hat, ist Tatfrage (vgl. O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 353 zu einem Falle der Versicherung von Bodmereigeldern). Von dieser Frage ist jedenfalls die der Verantwortlichkeit zu trennen, die Frage, ob den Versicherungsnehmer ein V e r s c h u l d e n trifft oder nicht. Das ist nicht immer berücksichtigt, insbesondere nicht bei der Aufstellung des Grundsatzes, daß der Versicherungsnehmer wie ein p r u d e n t u n i n s u r e d o w n e r handeln müsse, aber auch dürfe (so ζ. B. Prot. 4425, L e w i s 2. 359, V o i g t 359, R O H G 24. 395, R G 32. 1 1 3 , H G Z 1892. 97, 1902. 302, 304, H G Hamburg Seebohm 693; dagegen E h r e n b e r g 4 3 7 , G e r h a r d 292, S i e v e k i n g 85, R e a t z Hdbch. 4. 434, R O H G 18. 285, M E 1 1 2 ; näheres: § 33 Anm. 18). Soll damit nur gesagt sein, daß der Versicherungsnehmer die verkehrsmäßige Sorgfalt nicht außer acht lassen darf, so versteht sich der „Grundsatz" von selbst. Soll damit mehr gesagt sein, so ist er unrichtig. Im Verhältnis des Schadenstifters zum Geschädigten mag es richtig sein, daß der Geschädigte gemäß § 254 BGB nur zu tun braucht, was er, um dem Schaden zu begegnen, voraussichtlich tun würde, wenn er niemanden hätte, der ihm dafür aufkommt (vgl. Komm, zum § 254 BGB). Denn der Schadenstifter kann regelmäßig nicht mehr verlangen. Anders hier. Dem Versicherungsnehmer ist durch den Versicherungsvertrag eine besondere Verbindlichkeit auferlegt, die erfüllt sein will. Er kann sich nicht darauf berufen, daß die Unterlassung einer zur Schadensabwendung erforderlichen Maßregel in seinem Interesse gelegen, daß er ζ. B. den Totalverlust des unrentablen Schiffes nicht abgewendet, den Schadensersatz-Anspruch gegen seinen
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Verfrachter zur Aufrechterhaltung einer vorteilhaften Geschäftsverbindung aufgegeben § 4 1 habe und verständigerweise so auch verfahren haben würde, wenn er nicht versichert gewesen wäre (OAG Lübeck N A f H R 3.409; vgl. auch §30 Anm. 22). Der Versicherungsnehmer muß für Abwendung und Minderung des Schadens sorgen, „wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern" (BGB § 242), und dabei „Treu und Glauben im höchsten Maße betätigen" (§ 1 3 ; V o i g t 358; vgl. L Z 1907. 599, HansOLG HansRGZ 1934 Β 395 = Sasse Nr. 431). Freilich nur „nach Möglichkeit", „tunlichst", „nach Kräften" (oben Anm. 7). Nicht mit Opfern an Zeit, Kraft und Mitteln, die ihm billigerweise nicht zuzumuten sind. Die Abwendungspflicht kann u. U. auch dadurch verletzt werden, daß der Versicherungsnehmer es unterläßt, auf Berichtigung der Dispache bei bekannter oder erkennbarer Unrichtigkeit zu bestehen (HansOLG J R P V 1938. 155 = Sasse Nr. 446). — Hiernach bestimmt sich ζ. B., inwieweit der Versicherungsnehmer A u f w e n d u n g e n machen muß ( L e w i s 2. 359). Die Ansicht S i e v e k i n g s 83, daß der Versicherungsnehmer überhaupt nicht verpflichtet sei, „Aufwendungen aus seinem Vermögen zu machen", steht in Widerspruch nicht nur mit der Interessenlage, sondern auch mit dem Gesetz, das den Versicherer verpflichtet, einen Teil, und zwar n u r einen Teil der Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer machen muß, vorzuschießen (HGB §893 Nr. 1 ) ; im Falle der Unterversicherung oder der Versicherung „ F ü r behaltene Ankunft" oder „ N u r für Totalverlust" wäre die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers überhaupt ohne Bedeutung, da sie regelmäßig nur mit Kosten erfüllt werden kann. Der Versicherungsnehmer kann auch nicht einwenden, daß es ihm in Ermangelung von Mitteln nicht „möglich" gewesen sei, Aufwendungen zu machen. Denn er ist verpflichtet, sie zu machen, und muß sich also darauf einrichten. Freilich darf er dabei auch damit rechnen, daß der Versicherer gemäß § 32 Abs. 2 die Aufwendungen auf Verlangen vorschießen muß. Ahnlich: E h r e n b e r g 438, G e r h a r d 293, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 2 zu §41 ADS. — Hiernach bestimmt sich insbesondere auch, ob der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, dem in Seenot befindlichen versicherten Schiffe m i t e i n e m a n d e r e n i h m g e h ö r e n d e n S c h i f f e zu Hilfe zu kommen (vgl. dazu HansOLG HansRGZ 1934 Β 680 = Sasse Nr. 432). Anders ohne Grund S i e v e k i n g 85: „Der Versicherte sei in seinem Verhältnis zum Versicherer zur Hilfeleistung nicht verpflichtet". Anders auch R G 32. 1 5 : Die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers könne „unmöglich" sich darauf erstrecken, daß er „sich seinerseits auf gewagte, auch sein übriges Vermögen gefährdende und ihm im Falle des Nichterfolges überall keinen Ersatz gewährende Unternehmungen, wie es das Bergen und die Hilfeleistung in Seenot seien, einzulassen habe". Das R G verwechselt bergungsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundsätze. Allerdings sind „das Bergen und die Hilfeleistung in Seenot im Falle des Nichterfolgs überall keinen Ersatz gewährende Unternehmungen". Nach Bergungsrecht kann Berge- oder Hilfslohn nicht verlangt werden, wenn die geleisteten Dienste ohne Erfolg geblieben sind (HGB § 741 Abs. 1). Anders nach Versicherungsrecht. Als Versicherungsnehmer kann der Reeder Ersatz von Aufwendungen (insbesondere Ersatz für Schäden, Ausrüstungskosten, Vergütung für die Schiffsbesatzung, Nutzungsverlust) auch dann verlangen, wenn „die ergriffenen Maßregeln erfolglos geblieben sind" (HGB § 834 Nr. 3). Auch ist nicht einzusehen, warum der Versicherungsnehmer zwar alle übrigen Teile seines Vermögens aufwenden muß, aber gerade ein ihm gehörendes Schiff zur Schadensabwendung nicht zu verwenden braucht. Es kommt also darauf an, ob der Versicherungsnehmer nach den für seine Schadenabwendungs-Pflicht im allgemeinen geltenden Grundsätzen verpflichtet erscheint, durch Verwendung seines Schiffes dem anderen, versicherten Schiffe zu helfen (so mit Recht H G Z 1892. 97). Wird diese Frage bejaht, so kann der Versicherungs-
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§ 4-1 nehmer im Falle der Verwendung gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Siehe dazu auch M ö h r i n g ITVMitt 1935. 14. Wird die Frage verneint, so ist zu unterscheiden, ob der Reeder die Verwendung für geboten halten durfte oder nicht. Durfte er sie für geboten halten, so kann er wiederum gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Durfte er sie nicht für geboten halten, so kann er keinen Ersatz verlangen; nur im Falle des Erfolgs könnte er kondizieren. Näheres: § 32 Anm. 7. — Hiernach bestimmt sich insbesondere auch, ob der Versicherungsnehmer im Falle eines versicherten und unversicherten Sachen gemeinsam drohenden Schadens die versicherten Sachen vor den unversicherten retten muß. Dabei wird besonders das Wertverhältnis der bedrohten Sachen in Betracht kommen müssen. Die Frage ist übrigens dem Versicherungsrecht nicht eigentümlich, sondern taucht auch bei anderen Sorgeverhältnissen (Miete, Leihe, Verwahrung usw.) auf; vgl. Komm. z. BGB und §32 Anm. 3fr. — B e i s p i e l f ä l l e : Anm. 11 aa) Ist das versicherte Schiff mit Ladung gestrandet, so darf der Versicherungsnehmer die Abbringung nicht deshalb unterlassen, weil die Abbringungskosten mehr betragen würden, als das Schiff wert ist. Denn die Kosten würden nicht vom Schiffe allein zu tragen, sondern in großer Haverei über Schiff, Fracht und Ladung zu verteilen sein. ROHG 18. 289; Vorentscheidungen: HGZ 1875. 42. — Wenn das Schiff gleichwohl nicht abgebracht wird und infolgedessen total verlorengeht, so haftet der Versicherer zwar nach Totalverlust-Grundsätzen; er kann aber gemäß § 41 Abs. 3 von der Versicherungssumme abziehen, was er nicht zu zahlen gehabt hätte, wenn das Schiff abgebracht wäre und die Kosten in großer Haverei verteilt worden wären. Der Versicherer kann sich nur auf § 41 Abs. 3, nicht auf § 33 berufen. Denn wir sind im Stadium der Schadensabwendung, nicht in dem der Schadensverhütung. Der Versicherungsfall ist eingetreten, kein neuer, von ihm unabhängiger Versicherungsfall hinzugetreten (anders im Falle Anm. 13; vgl. auch § 32 Anm. 8). Anm. 12 bb) Wenn das versicherte Schiff wegen einer Kollisionsschuld, die seinen Wert übersteigt, gepfändet ist, versteigert wird und dabei für den dritten Teil der Taxe erstanden werden kann, muß der Versicherungsnehmer durch Ersteigerung des Schiffes den Schaden zu mindern suchen. OAG Lübeck NAfHR 3. 39g. Anm. 13 cc) Ist das versicherte Schiff unterwegs beschädigt, so muß es unverzüglich ausgebessert werden (§ 75). Wenn der Versicherungsnehmer das Schiff nicht unverzüglich ausbessert und das Schiff infolgedessen und weil, etwa wegen Einbruchs des Winters, die zur Ausbesserung erforderlichen Materialien nicht mehr zum Nothafen gebracht werden können, reparaturunfähig wird, kann der Versicherungsnehmer das Schiff nicht gemäß § 77 kondemnieren lassen. Denn so wenig wie der nach Entstehung eines Teilschadens durch Verschulden des Versicherungsnehmers verursachte Totalverlust zu Lasten des Versicherers ist, ist es der nach Entstehung eines Teilschadens durch Verschulden des Versicherungsnehmers verursachte Fall der Reparaturunfähigkeit (§ 33, HGZ 1890. 198). Der Versicherungsnehmer kann sich insbesondere nicht darauf berufen, daß die Ausbesserung im Nothafen nicht möglich, die Beförderung nach einem Ausbesserungshafen aber kostspielig gewesen sei, weil das Schiff notweise habe repariert und die Materialien von auswärts hätten herbeigeschafft werden müssen, die Versicherer aber nicht bereit gewesen seien, die Kosten zu zahlen (LG Hamburg HGZ i8go. 196). Unrichtig HGZ 1890. 198: Während die Versicherer „nicht etwa ihrerseits sich zur Ausführung der beiden Maßregeln — Beschaffung des Holzes und Requisition eines Dampfers (zur Beförderung nach dem Ausbesserungshafen) — bereit erklärten, habe es nach § 66 ASVB ( = ADS § 41) nicht innerhalb der Pflicht des Versicherten gelegen, zu dem Zwecke, um eine Notreparatur im Nothafen zu ermöglichen, mit unverhältnismäßigen Opfern an Zeit und Kosten verbundene Geschäftsunternehmungen einzu-
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gehen, wie ζ. B. das passende Holz von (auswärts) zu beziehen". Denn es handelt sich um Maßregeln nicht sowohl zur Schadensabwendung, als vielmehr zur Schadensfeststellung (§ 74 Anm.). Der Versicherer hat die Ausbesserungskosten als solche nicht vorzuschießen. Er hat nur gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 vorzuschießen. Im übrigen ist es Sache des Versicherungsnehmers, sich die zur Ausbesserung erforderlichen Gelder zu beschaffen; sein Interesse ist dadurch gewahrt, daß der Versicherer auch die zur Beschaffung dieser Gelder nötigen Kosten ersetzen muß (§ 75 Abs. 4). Übrigens war die Berufung des Gerichts auf die Vorschußpflicht des §41 überflüssig; denn das Gericht stellte fest, daß das Schiff nur mit „ganz außergewöhnlichen Mitteln" hätte ausgebessert werden können und demgemäß reparaturunfähig war (hierüber: § 77 Anm.). dd) Wenn der Kapitän Anstalten trifft, die versicherten Güter rechtswidrig zu verkaufen, muß der Versicherungsnehmer den Verkauf zu verhindern suchen. OG Hamburg HH 124. ee) Der Gewinnversicherte muß, wenn das Schiff unterwegs die Reise aufgibt, dafür sorgen, daß die Güter anderweit zum Bestimmungsort befördert werden und so der Gewinnverlust abgewendet wird. Anders, wenn die Güter should vessel be lost contract to be void verkauft sind, das durch diesen Verkauf bestimmte Gewinninteresse versichert ist und das Schiff die Reise aufgibt. Der Schaden ist nicht abzuwenden. Werden die Güter anderweit zum Bestimmungsort befördert und dort mit Gewinn verwertet, so bildet dieser Gewinn keinen anrechenbaren Ersatz. RG 36. 132 (gegen HGZ 1895. 258), RG HGZ 1893. 189, HGZ 1893. 12. Vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 71. ff) Auch der V e r k a u f des v e r s i c h e r t e n G e g e n s t a n d e s kann eine Maßregel zur Minderung des Schadens sein. Natürlich regelmäßig nur ein solcher Verkauf, bei dem der Ubergang der Versicherung auf den Käufer ausgeschlossen wird. So etwa, wenn das gegen Kriegsgefahr versicherte Schiff, um es der sonst sicheren Beschlagnahme zu entziehen, verkauft wird. Vgl. ROHG 18. 281, HG u. OG Hamburg HGZ 1872. 182, 366, 1875. 12, auch § 71 Anm. — Im Falle des Totalverlustes kann der Verkauf des Geretteten zur Schadensminderung dienen. Auch nach Zahlung der Versicherungssumme und Ubergang der Rechte am Geretteten; der Versicherungsnehmer ist aber in diesem Falle nur verpflichtet, zu verkaufen, wenn der Versicherer es verlangt (§ 71 Abs. 4). •— Auch in den Fällen der Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit des versicherten Schiffes kann der Verkauf zur Schadensminderung dienen und notwendig sein. Doch muß der Versicherungsnehmer in diesen Fällen regelmäßig den dafür besonders vorgeschriebenen Weg gehen (§ 77); nur in besonderen Fällen, die keinen Aufschub gestatten, kann (und muß) er das Schiff sonstwie verkaufen. — Insbesondere kommt auch der Verkauf der versicherten G ü t e r als Maßregel zur Schadensminderung in Betracht. Den Fall, daß die Güter „infolge eines Unfalls verkauft werden müssen", behandelt §96 Abs. 2 besonders (näheres: §96 Anm.). Der Verkauf kann aber auch infolge eines anderen Gefahrereignisses geboten sein. So etwa, wenn die Güter infolge eines am Bestimmungsort ausgebrochenen Streiks oder Kriegs nicht alsbald weiterbefördert werden können und infolge hiervon der dringenden Gefahr des Versicherungsschadens ausgesetzt sind (ROHG 24. 395), wenn ζ. B. das Schiff mit kriegsversichertem Gold im neutralen Zwischenhafen kriegshalber vorläufig liegen bleibt, die Gefahr dringend ist, daß der neutrale Staat in den Krieg eintritt und das Gold beschlagnahmt, und das Gold aus diesem Grunde verkauft wird (vgl. RG 88. 315 im Falle Ort e g a l ; mit Recht wurde die Entschädigungsklage abgewiesen, weil die Gefahr, daß der neutrale Staat — Spanien — in den 1. Weltkrieg eintreten würde, nicht dringend war, mit Unrecht aber die Abweisung damit begründet, daß „ein unter die Versicherung fallender Unfall noch nicht vorgelegen" habe; vgl. dazu auch § 32 Anm. 12, §33 Anm. 6). Der Versicherer haftet in solchen Fällen zwar nicht gemäß 41
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§ gß. Aber er haftet nach gewöhnlichen Totalverlust- oder Teilverlust-Grundsätzen (§ 32 Anm. 8). Anders, wenn Pelzwerk free of average kriegsversichert ist, das Schiff kriegshalber einen Zwischenhafen anlaufen muß und die Güter hier verkauft werden müssen, um sie vor Beschädigung und daraus folgendem Verderb zu bewahren; der Verkauf bezweckt nicht die Minderung eines Versicherungsschadens (Hadkinson v. Robinson 1803, mit teilw. abw. Begr., bei A r n o u l d 785 s. 827). Als Fleischkonserven, die für die Reise von San Francisco nach Wladiwostok kriegsversichert waren, nach Ausbruch des russisch-japanischen Krieges und vor Antritt der Reise wieder ausgeladen und verkauft wurden, verlangte der Versicherungsnehmer ohne Grund Entschädigung; der Verkauf war keine Maßregel zur Minderung von Versicherungsschaden; überdies war der Versicherungsfall noch gar nicht eingetreten (engl. Entsch. I T V M i t t 1915. 98 mit teilw. abw. Begr.).
gg) Als einen Beispielfall der Schadenminderungs-Pflicht bezeichnete Ε 191 ο § 44 (im Anschluß an A S V B § 68) die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, bei der B e s c h a f f u n g und V e r s i c h e r u n g v o n H a v e r e i g e l d e r n mitzuwirken, die zur Abwendung oder Minderung des Schadens aufzuwenden sind (über den Begriff der Havereigelder: § 1 Anm. 109). Die Beschaffung von Havereigeldern kann vorbereitende Maßregel zur Schadensabwendung sein. Soweit der Versicherungsnehmer Schadenabwendungs-Kosten nicht aus eigenen Mitteln zu bestreiten braucht (oben Anm. 10), muß er sich die Mittel zu beschaffen suchen, — ob durch Verbodmung oder sonstwie, müssen die Umstände des Falles bestimmen; dabei ist nicht mehr maßgebend, daß die Verbodmung zwar das teuerste Mittel zur Geldbeschaffung ist, aber auch die Haftung des Versicherers begrenzt (anders noch A S V B § 68: „Der Versicherte ist gehalten, . . . für Sicherstellung der Havereigelder durch Bodmereibrief des Schiffers Sorge zu tragen"). Auch soweit der Versicherer Vorschuß leisten muß, muß der Versicherungsnehmer dafür sorgen, daß der Vorschuß seinem Zwecke dienstbar gemacht wird. Aber bei der Beschaffung der Vorschußgelder braucht der Versicherungsnehmer nicht mehr mitzuwirken. Sie ist lediglich Sache des Versicherers, keine Maßregel zur Schadensminderung. — Nach § 68 A S V B sollte der Versicherungsnehmer die Havereigelder, wenn Verbodmung nicht möglich war, „auf Kosten und Gefahr seines Versicherers . . . versichern lassen". Auch solche Versicherung ist keine Maßregel zur Schadensabwendung. Sie sollte den Versicherer nur für den späteren Versicherungsfall vor Überhaftung schützen (wie die Verbodmung). Zu solcher Versicherung ist der Versicherungsnehmer gleichfalls nicht mehr verpflichtet. Näheres hierüber: § 1 Anm. 108 ff., §79 Anm. Anm. 18 8. A b s . 1 S a t z 2, 3. Bei der Erfüllung der Schadenverhütungs-Pflicht des § 33 ist der Versicherungsnehmer auf sich selbst gestellt. Der Versicherer braucht nicht gefragt zu werden und hat nicht dreinzureden. Man kann für die SchadenabwendungsPflicht des § 41 den gleichen Standpunkt einnehmen. So auch ohne Einschränkung das englische Recht (unten Anm. 36). So grundsätzlich auch § 8 1 9 H G B ; doch soll der Versicherungsnehmer, „wenn tunlich, über die erforderlichen Maßregeln vorher mit dem Versicherer Rücksprache nehmen". Dabei war hauptsächlich die formaljuristische Erwägung maßgebend, daß „der Versicherte, ungeachtet des eingetretenen Unglücksfalles, Eigentümer des versicherten Gegenstandes bleibe" und „also auch die aus dem Eigentumsrechte fließende Dispositionsbefugnis behalten müsse" (Mot. ζ. PreußE 341, Prot. 3201, 4327). Nach AllgPlan 1847 § 1 1 3 , A S V B § 66 sollte der Versicherungsnehmer das, was zur Schadensabwendung „ a m geeignetsten und zweckmäßigsten ist, verabreden" und der Verabredung gemäß verfahren. Etwas weiter gehen §62 V V G und, im Anschluß daran, § 4 1 Abs. 1 Satz 2 A D S : D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r m u ß dabei (bei der Sorge für die Abwendung und Minderung des
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Schadens) die Weisungen des Versicherers befolgen. Das Verhältnis wird dadurch § 41 dem Auftrags- und Geschäftsbesorgungs-Verhältnis rechtsähnlich (vgl. BGB §§ 665, 675, auch H G B §§ 384, 408). Wie der Beauftragte und der Geschäftsbesorger bei der Ausführung des Auftrags oder bei der Geschäftsbesorgung die Weisungen des Geschäftsherrn befolgen muß, muß der Versicherungsnehmer bei der Schadensabwendung die Weisungen des Versicherers befolgen. Die für die Weisungen des Geschäftsherrn geltenden Grundsätze sind deshalb auch auf die Weisungen des Versicherers sinngemäß anzuwenden (unten Anm. 21). a) W e i s u n g e n sind, dem natürlichen Begriff nach, empfangsbedürftige (im übrigen Anm. 19 keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich der Schadenabwendungs-Pflicht Richtung gebende, W i l l e n s e r k l ä r u n g e n (über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33). Sie sind dem Verpflichteten gegenüber abzugeben (oben Anm. 4). Abgabe gegenüber einem Vertreter, insbesondere einem Gesamtvertreter: § 3 Anm. 18. — Die Weisung muß, gleich allen rechtsgestaltenden Willenserklärungen, b e s t i m m t sein. Der Versicherungsnehmer muß wissen, woran er ist. Bloße Meinungsäußerungen sind noch keine Weisungen. Ebensowenig die bloße Zustimmung zu Vorschlägen des Versicherungsnehmers (aber der Versicherungsnehmer ist, wenn der Versicherer bei der Zustimmung die Sachlage kennt oder solche Kenntnis bei ihm vorausgesetzt werden muß, gegen die Einwendung geschützt, daß er die zur Durchführung der vorgeschlagenen Maßregel erforderliche Aufwendung nicht habe für geboten halten dürfen). Noch weniger das bloße Schweigen auf Vorschläge oder sonstige Mitteilungen des Versicherungsnehmers; der Versicherer gibt durch sein Schweigen nur zu erkennen, daß er die Schadensabwendung dem pflichtmäßigen Ermessen des Versicherungsnehmers überlasse. Das Schweigen kann höchstens den Umständen des Falles nach als Zustimmung gelten (Prot. 3207: Wenn „der Versicherer wegen Anwesenheit am Aufenthaltsort des Schiffes, bzw. der Ladung, oder aus anderen Gründen, ebensowohl wie der Versicherte in der Lage gewesen sei, die Angemessenheit oder Unangemessenheit der Maßregeln zu beurteilen"; vgl. auch H G Z 1910. 117, 1913. 54, dazu aber auch § 71 Anm.). Die (stillschweigende) Zustimmung würde dann wieder die Folge haben, daß der Versicherer gegebenenfalls nicht einwenden kann, der Versicherungsnehmer habe die Maßregel nicht für geboten halten dürfen (oben). Aber natürlich nicht die Folge, daß der Versicherungsnehmer gebunden ist und nicht abweichen, keine anderen, geeigneteren Maßregeln zur Schadensabwendung ergreifen darf ( H G Z 1910. 23). Noch viel weniger die Folge, daß der Versicherer gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 die ganzen Aufwendungen vorschießen muß, obgleich ein Teil des Versicherungswerts unversichert ist. — I m übrigen kann die Weisung, wie jede andere Willenserklärung, a u s d r ü c k l i c h oder s t i l l s c h w e i g e n d , durch schlüssiges Verhalten, erklärt werden. Erklärt der Kaskoversicherer, daß er „bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch die Gerichte eine den Versicherten aus dem Zusammenstoß treffende Schadensersatz-Pflicht nicht anerkenne", so kann darin die Weisung an den Reeder erblickt werden, sich vom Gegensegler verklagen zu lassen ( R G 38. 57; näheres: § 78 Anm.). b) Der Versicherungsnehmer muß „ d a b e i " , bei der Sorge um die Schadens- Anm. 20 abwendung, die Weisungen des Versicherers befolgen. Hieraus, aus dem Zusammenhang der ersten beiden Sätze des § 41 Abs. 1 und aus der Interessenlage folgt, daß Weisungen erst im Versicherungsfall erteilt werden dürfen. Der Versichererkann dem Versicherungsnehmer nicht schon vorher Verhaltungsmaßregeln für den Versicherungsfall erteilen (abw. Begr. ζ. Ε i g i o § 44, P r ö l ß Anm. 2 Β zu § 63 V V G : bei Vertragsschluß, in Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder besonderen Bedingungen oder nach dem Versicherungsfall speziell). Er kann es nur im Versicherungsfall: Ist 41·
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der Schadensfall kein Versicherungsfall, so kann der Versicherer auch keine Weisungen erteilen, braucht der Versicherungsnehmer Weisungen nicht zu befolgen. Erteilt der Versicherer gleichwohl Weisungen, so erkennt er damit nicht ohne weiteres seine Entschädigungspflicht an. Läßt sich ζ. B. der Kaskoversicherte der Weisung des Versicherers gemäß vom Gegensegler auf Schadensersatz verklagen, so braucht der Versicherer nicht die Prozeßkosten zu ersetzen, wenn die Klage abgewiesen wird und die Erstattung der Prozeßkosten vom Gegensegler nicht zu erlangen ist (näheres: § 78 Anm.). — Hieraus folgt aber auch, daß die Weisungen m i t d e r S c h a d e n s b e k ä m p f u n g z u s a m m e n h ä n g e n müssen. Die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers wird durch die Weisungen „genauer festgelegt, mit einem bestimmten sachlichen Inhalt ausgestattet" ( K i s c h W u R V e r s 1 9 1 6 . 283). Die Weisungen brauchen aber nicht zur Schadensabwendung objektiv geeignet zu sein. Wenn der Versicherer die Weisung erteilt, die versicherten seebeschädigten und im Nothafen gelöschten Güter trotz der Gefahr größeren Schadens nicht zu verkaufen, sondern an den Bestimmungsort zu befördern, muß der Versicherungsnehmer (wenn er die versicherte Reise nicht aufgeben will) folgen ( O G H a m b u r g H G Z 1879. 88). Verlangt der Kaskoversicherer, daß der Reeder sich vom Gegensegler verklagen lasse, so muß der Reeder folgen, auch wenn er, und zwar mit Recht, den Schadensersatz-Anspruch des Gegenseglers für begründet hält ( R G 38. 58, H G Z 1898. 267; näheres: § 78 Anm.). Der Versicherer kann sogar den Versicherungsnehmer anweisen, die Bekämpfung des Schadens zu unterlassen, u m sich der Haftung für die Aufwendungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 zu entziehen (§ 32 A n m . 19). Die Weisung darf aber auch n i c h t v e r t r a g s w i d r i g sein. Der Versicherer kann deshalb nicht verlangen, daß der Versicherungsnehmer die versicherte Unternehmung aufgebe, um Schaden zu vermeiden, der sonstwie abgewendet werden kann, daß der Güterversicherte ζ. B. die Güter verkaufe, die unterwegs beschädigt sind, aber ausgebessert und weiterbefördert werden können ( R O H G 23. 384, Vorentscheid.: H G u. O G H a m b u r g H G Z 1877. 340, 389). Der Versicherer kann auch nicht verlangen, was nicht in der „Möglichkeit" des Versicherungsnehmers liegt (oben Anm. 7, 1 0 ; vgl. P r ö l ß A n m . Β zu § 62 V V G , S i e b e c k 8of., E h r e n z w e i g 273 Anm. 1). Siehe auch § 183 V V G für die Unfallversicherung. Selbstverständlich darf die Weisung nicht nur den Zweck haben, dem Versicherungsnehmer zu schaden ( B G B § 226); der Kaskoversicherer kann ζ. B. den Reeder nicht anweisen, sich vom Gegensegler verklagen zu lassen, wenn die Abwehr des Schadensersatz-Anspruchs „ o f f e n b a r frivol und chikanös" sein würde ( H G Z 1895. 1 3 1 ) .
A n m . 21
c) Der Versicherungsnehmer m u ß die Weisungen des Versicherers b e f o l g e n . Auch wenn es nicht in seinem Interesse ist ( H a n s O L G H a n s R G Z 1934 Β 395 = Sasse Nr. 4 3 1 ) . E r muß ζ. B. die vom Versicherer angeordneten Bergungsmaßregeln treffen, obgleich die T a x e des versicherten Schiffes den wirklichen Versicherungswert übersteigt, die Frachten gesunken sind, der Versicherungsnehmer keine Verwendung für das Schiff hat (vgl. über Weisungen des Kommittenten: R O H G 6. 3 1 4 , J W 1 9 0 1 . 408). — Der Versicherungsnehmer b r a u c h t die Weisungen dagegen n i c h t zu befolgen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der Versicherer bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde (anal. B G B § 665), — unbeschadet der Pflicht des Versicherungsnehmers, neue Weisungen einzuholen (unten A n m . 23). — Der Versicherungsnehmer d a r f die Weisungen n i c h t befolgen, wenn er den Umständen nach annehmen muß, daß der Versicherer bei Kenntnis der Sachlage die Weisungen nicht erteilt haben, andere Weisungen erteilen würde (anal. B G B § 6 6 5 ; ähnlich K i s c h W u R V e r s 1 9 1 6 . 2 7 3 : Wenn „sich der Versicherer bei Erteilung der Weisung in einem Irrtum befunden h a b e " , sei „ d e r Versicherungsnehmer wegen besserer Kenntnis der Umstände verpflichtet, von ihrer Durchführung abzusehen"). Der Versicherungsnehmer
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d a r f die Weisungen auch dann n i c h t befolgen, wenn die Weisungen erkennbar im § 4 1 Hinblick auf eine bestimmte Sachlage erteilt sind und diese Sachlage sich so ändert, daß die Weisungen als für die neue Sachlage nicht mehr erteilt erscheinen, der Versicherungsnehmer vielmehr neue Weisungen einholen muß. — B e f o l g t der Versicherungsnehmer die Weisungen berechtigterweise, so ist er gedeckt. Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß ohne die Weisungen die SchadenabwendungsPflicht verletzt sein würde ( R G 6. 195). — Befolgt der Versicherungsnehmer die Weisungen unberechtigterweise n i c h t , so ist die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt. Der Versicherer braucht nur noch zu beweisen, daß oder inwieweit infolge der Nichtbefolgung der Schaden nicht abgewendet oder nicht gemindert ist. Der Versicherungsnehmer kann jedoch beweisen, daß die Nichtbefolgung nicht auf einem Verschulden beruht ( § 4 1 Abs. 3). — Der Versicherungsnehmer hat die Anweisungen des Seeversicherers auch dann zu befolgen, wenn das Schiff bei der Inseesendung seeuntüchtig war, denn der Seeversicherer erteilt die Weisungen unter der stillschweigenden Bedingung der Seetüchtigkeit des Schiffes. Der Seeversicherer darf ein seeuntüchtiges Schiff als Ausnahme betrachten ( K r e u t z i g e r V e r s R 1964. 999). Doch braucht, abgesehen von sich nach § 1 3 regelnden Härtefällen, der Seeversicherer dann weder den Substanzschaden (wegen § 58) noch die Aufwendungen zu ersetzen, denn § 58 ist gegenüber § 32 Abs. 1 Ziff. 2 Ausnahmebestimmung ( K r e u t z i g e r a. a. O.). d) Der V e r s i c h e r e r ist n i c h t v e r p f l i c h t e t , Weisungen zu erteilen (Prot. 3207, Anm. 22 H G Z 1896. 44). E r ist insbesondere nicht verpflichtet, zweckmäßige Weisungen zu erteilen ( K i s c h W u R V e r s 1916. 297). E r haftet also nicht für den Schaden, der dadurch entsteht, daß er fahrlässig unzweckmäßige Weisungen erteilt und der Versicherungsnehmer sie befolgt, — oder doch nur aus unerlaubter Handlung. E r haftet nur f ü r die Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer gemäß den Weisungen des Versicherers macht ( § 3 2 Abs. 1 Nr. 2). I n diesen Grenzen freilich auch f ü r Schäden sowohl an den versicherten wie an unversicherten Sachen, ζ. B. für die Schäden, die das Schwesterschiff bei der Rettung des versicherten Schiffes erleidet (§ 32 Anm. 7). Vgl. P r ö l ß A n m . 2 zu § 63 V V G . Siehe über die entsprechende Frage beim Auftragsverhältnis die K o m m , zum B G B § 670.
e) Der Versicherungsnehmer m u ß , wenn die Umstände es gestatten, vom Anm. 23 Versicherer (und seinen etwaigen Platzvertretern, insbesondere Havariekommissaren: 74 Anm.) W e i s u n g e n e i n h o l e n , d. h. dem Versicherer Gelegenheit zur Erteilung geeigneter Weisungen geben und ihm zu diesem Zwecke alles Nötige mitteilen (Begr. z. V V G § 6 2 ; H G Z i8g8. 267 im Kollisionsfall: „ d e m Versicherer den Hergang der Kollision schildern, ihm die etwaigen Verklarungen und sonstigen Beweisstücke vorlegen, kurz ihm ein Urteil darüber ermöglichen, ob eine gerichtliche Bekämpfung des auf G r u n d der Kollision erhobenen Schadensersatz-Anspruchs Aussicht auf Erfolg bietet"). — „ W e n n d i e U m s t ä n d e es g e s t a t t e n " : nicht nur, wenn es möglich ist, Weisungen einzuholen; das würde sich von selbst verstehen. Gemeint ist, daß der Versicherungsnehmer, wenn sofort Maßregeln zur Schadensabwendung getroffen werden müssen, nicht warten darf, bis Weisungen eingetroffen sind oder eingetroffen sein können.
f) Abs. 1 Satz 3. Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt und von ihnen ent- Anm. 24 gegenstehende Weisungen erteilt, so hat der Versicherungsnehmer nach e i g e n e m p f l i c h t m ä ß i g e n E r m e s s e n z u h a n d e l n , d. h. so, wie wenn überhaupt keine Weisungen erteilt worden wären. α) Vorausgesetzt ist, daß mehrere Versicherer bei demselben Interesse beteiligt sind (der Fall der M i t v e r s i c h e r u n g : Vorb. V vor § 1). Ubernimmt der Versicherer
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n u r einen Teil des Interesses (ζ. B. a m Schiff oder an den Gütern), so m u ß er damit rechnen, d a ß der andere Teil anderweit versichert wird, und kann nicht erwarten, d a ß nur seine Weisungen befolgt werden. Es ist deshalb in diesem Falle n u r billig, d a ß beim Widerspruch der Weisungen die Fürsorge für das versicherte Interesse dem pflichtmäßigen Ermessen des Versicherungsnehmers anheimgestellt wird. Es ist deshalb aber auch unzulässig, den Grundsatz des § 4 1 Abs. 1 Satz 3 auf Konfliktsfälle anderer Art zu übertragen. So ζ. B. auf den Fall, d a ß beim einen Versicherer die G ü t e r , beim anderen Versicherer imaginärer G e w i n n oder M e h r w e r t versichert sind (vgl. auch H a n s O L G H R Z 1925. 556 = Sasse Nr. 340). Anders S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 5 zu §41 ADS. Der Fall ist praktisch nicht von großer Bedeutung, weil Güter, Gewinn und Mehrwert meist (nicht immer: R G 77. 302, H G Z 1910. 280) beim selben Versicherer gedeckt werden (über Anschlußklauseln: Vorb. vor § 1 Anm. 49). — Ein zweiter Konfliktsfall ist der Fall der D o p p e l v e r s i c h e r u n g . Auch in diesem Falle ist §41 Abs. 1 Satz 3 unanwendbar (anders wiederum S c h l e g e l b e r g e r aaO). Der Versicherer braucht nicht damit zu rechnen, daß der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall durch eine zweite Versicherung gehindert wird, seine Weisungen zu befolgen. Der Versicherungsnehmer kann nicht berechtigt sein, das Weisungsrecht des Versicherers durch den Abschluß eines zweiten Versicherungsvertrags zu zerstören. — Ein dritter Konfliktsfall ist der Fall, d a ß mehrere Versicherer bei demselben Interesse beteiligt sind, n u r d e r e i n e Weisungen (ζ. B. die Weisung, den Schaden nicht zu bekämpfen) erteilt und diese Weisung des einen Versicherers zwar befolgt werden muß, ihre B e f o l g u n g aber g e g e n ü b e r d e n ü b r i g e n Versicherern eine V e r l e t z u n g der Schadenabwendungs-Pflicht bedeuten würde. Doch ist in diesem Falle die Interessenlage dieselbe, wie in dem Falle, daß die mehreren Versicherer entgegenstehende Weisungen erteilt haben. In diesem Falle ist deshalb § 41 Abs. 1 Satz 3 sinngemäß anzuwenden.
β) O b die mehreren Versicherer g l e i c h m ä ß i g o d e r u n g l e i c h m ä ß i g b e t e i l i g t sind, gilt gleich. Die darin liegende Unangemessenheit zu beseitigen, einigen die Mitversicherer sich häufig auf einen „ F ü h r e r " (hierüber Vorb. vor § 1 Anm. 45). Der Führer erteilt die Weisungen für sich und für die übrigen Mitversicherer. Der Versicherungsnehmer braucht n u r von ihm Weisungen einzuholen, darf ihn aber auch nicht übergehen (Vorb. vor § 1 Anm. 46). Trotz der F ü h r u n g können auch die übrigen Versicherer Weisungen erteilen. Widersprechen sich die Weisungen, so ist § 43 Abs. 1 Satz 3 anzuwenden. γ) O b die Weisungen einander e n t g e g e n s t e h e n , ist Tatfrage. Weist der eine Kaskoversicherer den Reeder an, sich vom Gegensegler verklagen zu lassen, der andere, sich nicht verklagen zu lassen, so stehen die Weisungen einander nur scheinb a r entgegen; in Wirklichkeit kann und m u ß der Versicherungsnehmer beide befolgen. Anm. 25 g) A b s . 2. Wenn von dem Interesse, bei dem ein Versicherer beteiligt ist, ein Teil nicht versichert ist, ist f ü r diesen Teil der Versicherungsnehmer als Selbstversicherer anzusehen (§8). Der Versicherungsnehmer würde deshalb, wenn er sich mit dem Versicherer über die Maßregeln zur Schadensabwendung nicht einigen kann, also „entgegenstehende Weisungen" der bei dem versicherten Interesse beteiligten Versicherer im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 3 vorliegen, in jedem Falle nach eigenem pflichtmäßigen Ermessen zu handeln haben. Das wäre unangemessen, wenn der Versicherungsnehmer, wie bei der Kaskoversicherung oft, nur einen kleinen Teil des Risikos selbst läuft. Deshalb soll entscheiden, ob der Versicherungsnehmer oder der Versicherer den größeren Teil des Risikos läuft; bei gleichem Risiko geht der Versicherer vor:
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Der Versicherungsnehmer muß die Weisungen des Versicherers befolgen (und ein- § 41 holen), wenn die Hälfte des Versicherungswerts oder weniger unversichert ist, — sonst nicht. — Uber den Begriff des Versicherungswerts: §6 Anm. 3 . Ist der Versicherungswert t a x i e r t , so ist die Taxe maßgebend (§ 6 Abs. 2 Satz 1). Beträgt ζ. B. die Taxe 120000, der wirkliche Versicherungswert 100000, die Versicherungssumme 55000, so brauchen die Weisungen des Versicherers nicht eingeholt und befolgt zu werden, obgleich das wirkliche Risiko des Versicherers größer ist als das des Versicherungsnehmers. — B r a u c h t hiernach der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r Weisungen des Versicherers n i c h t e i n z u h o l e n und n i c h t zu b e f o l g e n , so kann natürlich auch von dem Ausnahmerecht n i c h t die Rede sein, das § 32 Abs. 2 Satz 2 dem Versicherungsnehmer einräumt: Der Versicherer braucht Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer gemäß den gleichwohl erteilten und befolgten Weisungen des Versicherers macht, nur insoweit vorzuschießen und zu ersetzen, wie es seiner Beteiligung entspricht. So ausdrücklich: § 4 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2. 9. Abs. 3. R e c h t s f o l g e n
der
V e r l e t z u n g der Schadenabwendungs-Pflicht. Anm. 26
a) H G B § 819 bestimmt darüber nichts (anders V V G § 62 Abs. 2) Die Schadenabwendungs-Pflicht des Versicherungsnehmers ist die Verbindlichkeit eines Schuldners. Der Versicherungsnehmer muß also gemäß § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit vertreten und Schadensersatz leisten, wenn er schuldhaft die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt (Begr. z. V V G § 62 i. d. F. vor Einfügung des Abs. 2 durch V O v. 19. 12. 1939, R G 9. 122, 25. 100). Anders natürlich diejenigen, welche die Schadensabwendung als „Voraussetzung" oder „Bedingung" des Entschädigungsanspruchs betrachten; nach ihnen wird durch die Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers „ausgeschlossen" (HGZ 1898. 268) oder „verwirkt" (Voigt 358, S i e v e k i n g 84, 86). Anderer Auffassung müssen auch diejenigen sein, die in der Schadenabwendungs-Pflicht eine „bloße Obliegenheit" erblicken (eine Obliegenheit, deren Verletzung den Versicherer nach § 6 V V G „zum Rücktritt berechtigt oder von der Verpflichtung zur Leistung frei" macht). b) Anders § 41 Abs. 3 : Der Versicherer ist frei (ebenso § 62 Abs. 2 V V G ) . E r Anm. 27 haftet für den Schaden insoweit nicht, als dieser sich hätte abwenden oder mindern lassen, kürzer (wenngleich ungenau): als der Schaden durch die Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht verursacht ist. Das ist natürlich nicht bestimmt, weil der Urheber der ADS der Meinung gewesen ist, daß es sich von selbst versteht (vgl. oben Anm. 26). Sondern deshalb, weil es zweckmäßig ist, weil es unzweckmäßig wäre, an die Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht andere Rechtsfolgen zu knüpfen als an die Verletzung der Schadenverhütungs-Pflicht (§ 33), und weil so kein Zweifel aufkommen kann, daß der Versicherer bei der Versicherung für fremde Rechnung sich auch auf die Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht durch den Versicherten berufen kann. c) Der Versicherer haftet nur insoweit nicht, als der Schaden durch die Pflicht- Anm. 28 Verletzung v e r u r s a c h t ist. Uber den Kausalzusammenhang: § 28 Anm. 17fT., § 33 Anm. 20. — Wenn sich (ζ. B. aus der allgemeinen Instruktion für die Havariekommissare: § 74 Anm.) ergibt, daß der Versicherer mit dem Verhalten des Versicherungsnehmers, falls er es gekannt hätte, einverstanden gewesen wäre, so folgt daraus noch nicht, daß der Schaden überhaupt nicht durch die Pflichtverletzung verursacht ist. Es folgt daraus nur, daß der Schaden nicht dadurch verursacht ist, daß der Versicherungsnehmer versäumt hat, Weisungen des Versicherers einzuholen. Und es ist ein starkes Argument dafür, daß das Verhalten des Versicherungsnehmers nach der Verkehrssitte keine Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht bildet (vgl. R O H G 18. 287).
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§ 41 d) Der Versicherungsnehmer kann einwenden, daß die Verletzung der SchadenAnm. 29 abwendungs-Pflicht nicht auf Verschulden beruht. — Verschulden ist Vorsatz oder Fahrlässigkeit (BGB § 376 Abs. 1). Uber diese Begriffe: § 20 Anm. 18, § 33 Anm. 19. Vgl. auch O G Hamburg Ullrich Nr. 286: „ D i e Erfahrung lehre, daß bei plötzlichen Unglücksfällen auch sonst besonnene und pflichtgetreue Personen nicht selten die nötige Umsicht verlören und unbesinnlich würden". Anders der durch die V O v. 19. 12. 1939 eingefügte Abs. 2 des § 62 V V G : Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit; doch bleibt bei grobfahrlässiger Verletzung der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheiten nicht geringer gewesen wäre. — Schaden, der auf gewöhnlicher Fahrlässigkeit bei der Führung des Schiffes beruht, muß der Versicherer jedoch ersetzen (vgl. §23 Anm. 19). Freilich bestimmt § 33 Abs. 1 Satz 2 dies nur für die Schadenverhütungs-Pflicht. Aber diese ist die unmittelbare Vorläuferin der Schadenabwendungs-Pflicht. Bei dieser ist die Interessenlage dieselbe, wie bei jener. — Uber die Haftung des Versicherungsnehmers für das Verschulden Dritter: oben Anm. 5, 7. Anm. 30
e) B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß beweisen, daß die SchadenabwendungsPflicht verletzt ist, und daß und wieweit dadurch der Schaden verursacht ist ( O L G Karlsruhe H a n s R G Z 1934 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse Nr. 430). Denn die gehörige Bekämpfung des Schadens ist keine „Voraussetzung" oder „Bedingung" des Entschädigungsanspruchs (oben Anm. 5). Allerdings muß im allgemeinen der Schuldner beweisen, daß er erfüllt hat. Aber nur, wenn er aus der Erfüllung Ansprüche oder Einwendungen herleitet. Davon ist hier nicht die Rede. Der Versicherer kann insbesondere nicht die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags erheben und deswegen und gemäß § 320 BGB die Entschädigung verweigern. Ist die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt und dadurch Schaden entstanden (oder nicht beseitigt oder die Möglichkeit seines Ersatzes verlorengegangen), so ist die Schadenabwendungs-Pflicht nicht mehr zu erfüllen. Vgl. auch § 20 Anm. 4, § 24 Anm. 32, § 33 Anm. 21. Ebenso G e r h a r d 292; abw. für ähnliche Fälle R O H G 1. 112, 2.247, " · J33) 1-304. Zuweit gehend auch H G Z 1898, 268: Der Versicherer könne sich schon darauf berufen, daß „ n u r die Möglichkeit bestehen bleibe, daß der Schaden im Falle der Erfüllung (der Schadenabwendungs-Pflicht) abgewendet wäre" (zustimmend S i e v e k i n g 84, 86), —• übrigens ein alter, schon von P o h l s 4. 314 behandelter Irrtum (vgl. auch § 33 Anm. 21). Der versicherte Reeder war in diesem Falle auf Ersatz eines Kollisionsschadens verklagt und im Versäumnisweg verurteilt worden; er verlangte vom Versicherer, der die Schadensersatz-Pflicht bestritten hatte, Entschädigung und hätte zunächst zum Beweise zugelassen werden sollen, daß der Versicherungsfall eingetreten, der SchadensersatzAnspruch begründet war. Richtig dagegen über den Nachweis des Kausalzusammenhangs R O H G 17. 195: „ D a , wo es sich um die Folgen schuldvoller Unterlassung einer für notwendig zu achtenden Maßregel (der Einlegung eines Rechtsmittels) handelt, dürfe angenommen werden, die Maßregel, wenn zu ihr gegriffen worden wäre, hätte den nach den Gesetzen ordentlicher Weise zu erwartenden Erfolg gehabt; die Wirkungslosigkeit der Maßregel in concreto würde von demjenigen zu begründen und eventuell zu erweisen sein, welcher sich darauf berufe". — Hat der Versicherer bewiesen, daß die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt und dadurch Schaden verursacht ist (oder nicht beseitigt ist usw.), so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Das würde sich schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben, ist aber im § 41 Abs. 3 noch ausdrücklich bestimmt (verb, „es sei denn").
Anm. 31
f) Hat der Versicherer e n t s c h ä d i g t , o b g l e i c h er n i c h t h a f t e t , so kann er kondizieren (BGB §§ 8i2ff.). War die Versicherung für fremde Rechnung genommen, so kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer kondizieren, wenn er diesem gezahlt
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hat. Ist der Versicherungsnehmer um den Entschädigungsbetrag nicht mehr bereichert, § 4 1 weil er ihn an den Versicherten weitergegeben hat, so kann der Versicherer nach §§ 8 1 8 , 8 1 9 B G B vom Versicherungsnehmer den Betrag nur kondizieren, wenn der Versicherungsnehmer die Nichthaftung kannte, im anderen Falle nur den Kondiktionsanspruch gegen den Versicherten. Näheres: § 53 A n m . 17. g) Schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht verpflichtet im allgemeinen den Anm. 32 Schuldner zum S c h a d e n s e r s a t z (oben Anm. 26). Das gilt auch für den Versicherungsnehmer, der schuldhaft die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt (so auch P r ö l ß Anm. I i zu § 6 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 7 zu § 41 A D S ; dagegen die h. M . , siehe insbesondere R e i m e r S c h m i d t , Obliegenheiten 221 Anm. 1 1 7 4 , S i e b e c k 90). Hat ζ. B. der Auswanderungsunternehmer für Rechnung der Auswanderer Versicherung genommen, und zwar derart, daß die versicherten Auswanderer sich Einwendungen aus der Person des Versicherungsnehmers, insbesondere die Einwendung der verletzten Schadenabwendungs-Pflicht, nicht gefallen zu lassen brauchen, so kann der Versicherer, der den Auswanderern zahlen muß, vom Versicherungsnehmer Schadensersatz verlangen, wenn dieser schuldhaft die Schadenabwendungs-Pflicht verletzt hat (näheres: § 1 Anm. 105). Ist aber der Versicherer gemäß § 41 Abs. 3 frei, so hat es dabei sein Bewenden (vgl. auch § 20 A n m . 40, § 24 Anm. 10, § 33 Anm. 2 1 ) . Die besondere Regel des § 4 1 geht nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der allgemeinen Regel des § 276 B G B vor. Wenn ζ. B. der versicherte Reeder den Kollisionsprozeß durch sein Verschulden verliert, ist zwar der Versicherer gemäß § 41 Abs. 3 frei; er kann aber vom Versicherungsnehmer nicht gemäß § 276 B G B Erstattung der durch seine Nebenintervention verursachten Kosten verlangen. Nur wenn die Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen würde, würde der Versicherer (auch) Schadensersatz verlangen können. 10. U b e r den Ersatz der A u f w e n d u n g e n , die durch die Erfüllung der Schaden- Anm. 33 abwendungs-Pflicht entstehen: § 32. Der Versicherungsnehmer ist aber auch dann verpflichtet, für Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen, wenn er Ersatz der Aufwendungen nicht verlangen kann, wie etwa im Falle der Versicherung „ F ü r behaltene A n k u n f t " oder „ N u r für Totalverlust" (§ 32 Anm. 16, L G Hamburg H G Z 1906. 292). 1 1 . § 41 gilt auch für die V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g . Es wird so angesehen, Anm. 34 wie wenn der Vertrag beim Beginn der Versicherung geschlossen wäre (vgl. § 5 A n m . 9, § 23 Anm. 9, § 32 A n m . 30, § 33 A n m . 46). Der Versicherungsnehmer muß insbesondere das Verhalten solcher Personen verantworten, deren Verhalten er gemäß § 278 B G B wie eigenes vertreten muß. Weisungen einzuholen, „gestatten die U m s t ä n d e " natürlich vor dem Vertragsschluß nicht. 12. § 41 gilt auch für die R ü c k v e r s i c h e r u n g (§ 1 Anm. 136, H G Z 1906. 194. Anm. 35 Der Vorversicherer muß zunächst bei der Schadensabwendung durch den Vorversicherten, insbesondere durch Erteilung sachdienlicher Weisungen, mitwirken (§ 33). E r muß sich aber auch gegen unbegründete Entschädigungsansprüche des Vorversicherten zur Wehr setzen. Denn die Rückversicherung ist Haftpflichtversicherung (§ 1 Anm. 145). — Der Vorversicherer ist aber regelmäßig abwicklungsberechtigt (§ 1 Anm. 154). E r braucht sich dann gegen den Entschädigungsanspruch des Vorversicherten nur insoweit zu verteidigen, wie es auch ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger- und billigerweise tun würde (§ 1 Anm. 154). Vgl. hierzu auch Schiedsgericht I T V M i t t 1922, 83, das im Falle einer „reinen Kulanzzahlung" den Rückversicherer verurteilt, aber die Hauptfrage, auf die es ankam, nicht berührt hat, ob der Rückversicherer auch dann haftet, wenn ein nicht rückversicherter Versicherer verständiger- und billigerweise nicht entschädigt haben würde (gegen diese Entscheidung auch K . NeumannsZ 1922. 3 1 9 ) .
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Andienung des Schadens
§ 41 13. F r e m d e R e c h t e , a) E n g l i s c h e s Recht. It is the duty of the assured and A n m . 36 his agents, in all cases, to take such measures as m a y be reasonable for the purpose of averting or minimising a loss ( M I A § 78 Abs. 4 ; A r n o u l d 742 s. 788). Ein besonderes Weisungsrecht des Versicherers ist daneben nicht ausgebildet. Ü b e r den Fall des Verkaufs der versicherten Sache z u m Z w e c k e der Schadensminderung vgl. oben A n m . 16, § 71 A n m . , § 96 A n m . b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. C . de comm. Art. 381, 388, 395 bestimmen die Schadenabwendungs-Pflicht für besondere Fälle (naufrage, echouement avec bris, arret de la part d'une puissance, prise). A b e r auch darüber hinaus l'obligation d'attenuer les effets d u risque consiste d'abord pour l'assure ä faire matöriellement tout ce qui est en son pouvoir pour eviter le risque et, lorsqu'il s'est produit, le rendre moins onereux ( R i p e r t Nr. 2479). N a c h den Policen m u ß der Versicherungsnehmer a u c h den V e r sicherer bei Maßregeln zur Schadensabwendung gewähren lassen (Kaskopolice Art. 16, Güterpolice Art. 16). Schuldhafte Verletzung der Schadenabwendungs-Pflicht verpflichtet z u m Schadensersatz ( R i p e r t a . a . O . ) .
VIIL Andienung. Auskunfteiteilung. Entschädigung § 4 2 Andienung des Schadens (1) Der Versicherungsnehmer hat einen Schaden, für den der Versicherer haftet, diesem binnen fünfzehn Monaten seit der Beendigung der Versicherung und, wenn das Schiff verschollen ist, seit dem Ablaufe der Verschollenheitsfrist durch eine schriftliche Erklärung anzudienen. Durch die Absendung der Erklärung wird die Frist gewahrt. (2) Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers erlischt, wenn der Schaden nicht rechtzeitig angedient wird. (3) Diese Bestimmungen finden auf die von dem Versicherungsnehmer zu entrichtenden Beiträge zur großen Haverei keine Anwendung. Anm. 1
1. V g l . A S V B § 143, B S V B §§ 54, 71, V V G § 12 Abs. 2, 3.
Anm. 2
2. Literatur. B u r c h a r d BaumgartnersHdwbuch 1. 387 (Andienungdes Schadens). G o t t s c h a l k H R Z 1922. 122 (Versäumung der Ausschlußfrist usw.). J o s e f OestZ 1913. 102 (Versäumung der Klagefrist). M a n e l e s , V e r j ä h r u n g und Schadenandienung, 1888.
Anm. 3
3. Der Versicherungsnehmer m u ß nach § 40 den Versicherungsfall und jeden sonstigen gefahrerheblichen Unfall anzeigen, damit der Versicherer sein Interesse wahrnehmen kann. Er ist d a z u verpflichtet. Verletzung der Anzeigepflicht verpflichtet z u m Schadensersatz. M i t dieser Anzeigepflicht darf die Notwendigkeit der A n d i e n u n g d e s S c h a d e n s nicht verwechselt werden (wie ζ. B. von P o h l s 4. 725). Die A n d i e n u n g des Schadens ist seit Alters im deutsch-niederländischen Seeversicherungs-Verkehr üblich (Vergleich der Assecuratoren v o m 17. M ä r z 1697 bei L a n g e n b e c k 429: „ I n t i m a t i e u n d Nachricht von dem ergangenen S c h a d e n " , L a n g e n b e c k 4 1 8 : „ I n t i m a t i o n " ; vgl. auch Policen bei L a n g e n b e c k 377, 379; A H O 1731 X V I I : „Förmliche A n d e u t u n g " , ebenso P r e u ß A H O 1766 und P r e u ß A L R ) . Die Andienung soll nur dazu beitragen, d a ß das Versicherungsverhältnis so schnell wie möglich liquidiert wird, und (ähnlich der V e r jährung) verhindern, d a ß Kapitalien für längere Zeit festgelegt werden müssen und der Schuldner noch nach langer Zeit mit Ansprüchen überzogen wird, mit denen er
Andienung des Schadens
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nicht mehr zu rechnen braucht (Mat. ι. 187, R O H G 2. 395). Demgemäß ist der VerSicherungsnehmer nicht verpflichtet, anzudienen, und nicht verpflichtet, Schaden zu ersetzen, wenn er nicht andient. Das schließt natürlich nicht aus, daß im einzelnen Falle in der Anzeige des Versicherungsfalls zugleich die Andienung des Schadens, in der Andienung des Schadens zugleich die Anzeige des Versicherungsfalls erblickt werden kann. 4. A b s . 1. D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r hat anzudienen. Uber den Begriff" des Versicherungsnehmers: § 3 Anm. 4. Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § 1. Ist insbesondere die im Bruchteilseigentum der Versicherungsnehmer stehende Sache gemeinschaftlich versichert, so kann und muß jeder einzelne Versicherungsnehmer andienen. Denn die Andienung ist die Erklärung, daß man Entschädigung verlangen werde; andienen kann also nur, wer Entschädigung verlangen kann. Deshalb kann auch, wenn die Entschädigungsforderung abgetreten ist, nur der Z e s s i o n a r andienen ( L G Hamburg H G Z 1898. 267, das freilich auch den Versicherten für berechtigt hält, anzudienen). Deshalb kann bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung nur andienen, wer nach §§ 53, 54 die Entschädigung verlangen kann. Ebenso im Falle der Veräußerung der versicherten Sache (§ 49 Abs. 1). — Für den Versicherungsnehmer kann sein ermächtigter V e r t r e t e r andienen (vgl. auch unten Anm. 10). Andienung durch einen anderen (ζ. B. durch den nicht bevollmächtigten Makler) genügt nicht (BGB § 180); hat der Andienende sich aber als Vertreter ausgegeben und der Versicherer den Mangel der Vertretungsmacht nicht beanstandet, so kann der Versicherungsnehmer die Andienung genehmigen (BGB §§ 180, 177; vgl. R O H G 15. 216). 5. Der Versicherungsnehmer h a t anzudienen. Aber er ist nicht dazu verpflichtet. Der Versicherer hat kein Interesse an der Andienung; im Gegenteil. Er hat keinen Anspruch. Sowenig, wie er einen Anspruch darauf hat, daß der Versicherungsnehmer zur Unterbrechung der Verjährung klagt (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 62). Demgemäß ist die Rechtsfolge der Nichtandienung bestimmt: Der Entschädigungsanspruch erlischt (§ 42 Abs. 2). Demgemäß ist auch von der Anwendung des § 278 BGB keine Rede. 6. D e m V e r s i c h e r e r ist anzudienen. Gegebenenfalls dem gesetzlichen V e r t r e t e r oder dem Bevollmächtigten oder dem Vermittlungsagenten (vgl. § 26 Anm. 6). Der Makler als solcher ist natürlich nicht Vertreter des Versicherers. Dient der Versicherungsnehmer also nur dem Makler an, so läuft er Gefahr, die Andienungsfrist zu versäumen (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 42, § 19 Anm. 1 1 ) . — Sind an der Versicherung m e h r e r e Versicherer beteiligt, so ist allen anzudienen. Auch dann, wenn über die mehreren Versicherungen nur eine Police ausgestellt ist. Ist ein Versicherer „Führer", so genügt, daß ihm angedient wird (näheres: Vorb. V vor § 1).
§ 42
Anm. 4
Anm. 5
Anm. 6
7. Der Versicherungsnehmer hat „einen Schaden, für den der Versicherer Anm. 7
h a f t e t " , den Versicherungsschaden, anzudienen. Nicht nur gewöhnlichen Versicherungsschaden, sondern auch Aufwendungsschaden (vgl. § 32 Anm. 3). So insbesondere, wenn kein Schaden am versicherten Interesse, sondern nur Aufwendungsschaden entstanden ist. 8. Der Versicherungsnehmer hat den Schaden a n z u d i e n e n . Anm. 8 a) Die A n d i e n u n g ist eine rechtsgestaltende, nämlich rechtserhaltende, Willenserklärung. Die Erklärung ist empfangsbedürftig; denn der Schaden muß dem Versicherer, „dem Versicherer gegenüber", angedient werden. Aber nur unter Anwesenden. U n t e r A b w e s e n d e n g e n ü g t „die A b s e n d u n g der Erklärung" (§ 4 2 A b s . 1 S a t z 2). Absendung ist Abgabe an einen Dritten zur Übermittlung an den Versicherer, ζ. B. Abgabe an die Post oder an einen besonderen Boten, etwa einen Angestellten des Versicherungsnehmers (vgl. Komm, zum H G B §377, H G Z 1905.54). Aber, nach der Interessenlage und nach der Verkehrsauffassung, natürlich nur Abgabe unter Umständen, die
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§ 42 nach der Erfahrung die Ankunft gewährleisten, insbesondere Abgabe nicht an einen beliebigen, sondern nur an einen zuverlässigen Dritten, nicht Absender eines unfrankierten oder nicht gehörig frankierten oder adressierten Briefes (vgl. ZHR 26. 571). Kommt die nicht gehörig abgesandte Erklärung gleichwohl rechtzeitig an, so ist sie zugegangen, der Mangel also ohne Bedeutung. — Der Versicherer braucht den Empfang der Andienungserklärung nicht zu bescheinigen (anders ASVB § 143 Abs. 1). Insbesondere nicht gemäß § 368 BGB; denn der Versicherer ist kein „Gläubiger", der eine „Leistung empfängt". Anm. 9 b) I n h a l t der Andienung. Der S c h a d e n ist anzudienen (hierüber: oben Anm. 7). Der Versicherer soll darauf vorbereitet werden, zu entschädigen. Die Erklärung muß zu erkennen geben, daß man entschädigt sein will (HGZ 1896. 42; vgl. auch LG Hamburg HGZ 1924 Nr. 22 = H R Z 1924. 180 = Sasse Nr. 702: Andienung des Schadens stellt keine Mahnung dar), daß man „den Versicherer auf Schadensvergütung in Anspruch zu nehmen haben werde" (ASVB § 143 Abs. 1). Die Höhe der Entschädigung braucht nicht angegeben zu werden. Aber der „Schaden", die Art des Schadens muß (richtig) angedient werden. Wenn der Frachtversicherte einen Havariegrosse-Beitrag andient, kann er nicht erwarten, daß der Versicherer sich auf einen Frachtverlust einrichtet (HGZ 1902. 55). Im übrigen muß die Andienung, gleich allen rechtsgestaltenden Erklärungen, bestimmt sein. Der Versicherer muß wissen, woran er ist. Der Versicherungsnehmer kann natürlich nicht Schaden andienen, der nur möglicherweise entstehen wird. Aber, wenn das Schiff lange Zeit nichts von sich hat hören lassen, genügt die Erklärung, daß man für den Fall fruchtlosen Ablaufs der Verschollenheitsfrist Entschädigung verlange, oder auch die bloße Andienung eines Totalschadens (HG u. OG Hamburg HGZ 1874. 103, 104). Vgl. auch HG Hamburg HGZ 1877. 275: Genügend die Erklärung, „daß nach Mitteilungen das Schiff am 16. März an der patagonischen Küste verlorengegangen sei" (vgl. auch oben Anm. 3). Wird indirekter Kollisionsschaden angedient, so schadet es natürlich nicht, wenn der Versicherungsnehmer gleichzeitig mitteilt, daß er den Schadensersatz-Anspruch des Gegenseglers für unbegründet halte (HGZ 1896. 42). Anm. 10 c) F o r m der Andienung. Die Andienung muß schriftlich, die Andienungserklärung vom Versicherungsnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein (BGB § 126 Abs. 1). Telegraphische Andienung genügt (BGB § 127). Ebenso genügen Klageerhebung (vgl. HG Hamburg HH 535; Schriftsatz: HGZ 1902.55) und Streitverkündung (LG Hamburg HGZ 1898. 266), wenn sie nur sonst die Voraussetzungen einer rechtswirksamen Andienung erfüllen. Widerspruchslose Entgegennahme einer mündlichen Andienung enthält keinen Verzicht auf schriftliche Andienung (HGZ 1886. 303, 1902. 55; näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 15). Denn der Versicherer darf erwarten, daß schriftliche Andienung folgt. Ebendeshalb wird widerspruchslose Entgegennahme unzureichender schriftlicher Andienung regelmäßig den Verzicht des Versicherers auf ordnungsmäßige Andienung bedeuten. Auch darauf kann der Versicherungsnehmer sich nicht berufen, daß der Versicherer sich regelmäßig mit mündlicher Andienung begnüge. Auch darauf nicht, daß man sich im Versicherungsverkehr regelmäßig an mündlichen Andienungen genügen lasse. Denn Verkehrssitte und Handelsgebrauch können den von ihnen abweichenden Vertrag, dessen Bestandteil die ADS sind, nicht ändern (Voigt 764, HGZ 1886. 302, 1893. 188; näheres: Vorb. vor § 1 Anm. 10). — Unterzeichnung durch V e r t r e t e r : § 14 Anm. 7. Anm. 11 d) Zeit der Andienung. Der Schaden ist binnen 15 Monaten anzudienen. — Die Frist beginnt mit dem Ende der Versicherung. Die Versicherung kann auf gewöhnliche Weise endigen: die Zeitversicherung mit Ablauf der vereinbarten Zeit, die Reiseversicherung gemäß §§ 66, 88, 106 usw., aber auch vor der Zeit (§ 50 Abs. 2)
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oder nach der Zeit (§§ 67,68). Die Versicherung kann auch auf u n g e w ö h n l i c h e § 4 2 Weise endigen. So, wenn der Versicherer gemäß § 24 Abs. 1 oder § 35 Abs. 2, 3 oder § 38 frei wird. Oder wenn das versicherte Interesse oder die versicherte Gefahr wegfällt, die versicherte Sache ζ. B. vernichtet oder die versicherte Reise aufgegeben wird. Wird dem Versicherungsnehmer die versicherte Sache ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen, so endigt die Versicherung noch nicht ohne weiteres; sie endigt erst, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlangt (vgl. § 71 Anm., auch H G Z 1886. 20). Die V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g kann also sogar vor dem Vertragschluß endigen. Bei der l a u f e n d e n Versicherung beginnt die Frist nicht mit der Beendigung der laufenden, sondern mit der Beendigung der Einzelversicherung. — Die Versicherung kann auch nur t e i l w e i s e e n d i g e n , die versicherte Ladung ζ. B. teilweise im Zwischenhafen abgeliefert werden (§ 88 Abs. 3). Dann beginnt die Frist für Schäden, die den Teil betreffen, mit der teilweisen Beendigung. — Ist das Schiff verschollen, so würde sich das Ende der Versicherung nicht feststellen lassen. Deshalb soll das Ende der Verschollenheitsfrist (§ 72) m a ß g e b e n d sein. Anders, wenn das Schiff durch Verfügung von Hoher Hand angehalten usw. wird (§ 73). In diesem Falle endigt die Versicherung (spätestens), wenn der Versicherungsnehmer Zahlung der Versicherungssumme verlangt. — Fällt hiernach der Beginn der Andienungsfrist mit dem Beginn eines Tages zusammen, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet (BGB § 187 Abs. 2); sonst wird der Anfangstag nicht mitgerechnet (BGB § 1 8 7 Abs. 1). Die Andienungsfrist endigt im letzten Falle mit dem Ablauf des Monatstages, der dem (nicht mitgerechneten) Anfangstag entspricht, im ersten Falle mit dem Ablauf des Tages, der dem (mitgerechneten) Anfangstag vorhergeht; fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endigt die Frist mit dem letzten Monatstag (BGB § 188). Fällt der letzte Tag auf einen Sonntag oder einen am Erklärungsort staatlich anerkannten Feiertag oder einem Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag (BGB § 193). Erklärungsort ist der Ort, wo die Erklärung gehöriger Weise unter Anwesenden abzugeben, unter Abwesenden abzusenden ist. 9. A b s . 2. R e c h t s f o l g e des f r u c h t l o s e n F r i s t a b l a u f s . Der Entschädi- Anm. 12 g u n g s a n s p r u c h erlischt, w e n n der Schaden nicht rechtzeitig (in der Andienungsfrist) angedient ist. a) Der Entschädigungsanspruch wird verwirkt. Abs. 2 ist eine sog. V e r w i r k u n g s k l a u s e l (siehe zu dem Begriff kritisch R e i m e r S c h m i d t , Obliegenheiten 265, auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 20 zu § 6 V V G . ) Die Rechtsprechung hat den Grundsatz aufgestellt, daß der Versicherer sich auf Verwirkungsklauseln nicht berufen kann, wenn der Versicherungsnehmer den mit der Verwirkungsfolge ausgestatteten Tatbestand nicht zu vertreten hat. Vgl. ζ. B. R G 10. 160, 16. 122, 26. 64, 27. 152, 39. 177, 49. 291, 71. 440 usw., insbesondere über Verwirkung wegen Fristversäumnis: R G 19. 134, 50. 295, 62. 191 usw.; siehe ferner R G 88. 295, APV 1918 II. 50: Die Verwirkung wegen Versäumnis gesetzlicher Fristen trete im Zweifel auch ohne Verschulden, die Verwirkung wegen Versäumnis vertraglicher Fristen trete nur im Falle eines Verschuldens des Beteiligten ein, weil „fiir die vertragliche Ausschlußfrist eben wegen ihrer Vertragsnatur die Grundsätze von Treu und Glauben (§§ 133, 157, 242 BGB) in Betracht zu ziehen seien". Diese Begründungist anfechtbar (vgl. ζ. B. P e t e r s e n Z f V W 1921. 248; vgl. auch G e r h a r d 68, H a s s e l m a n n H R Z 1918. 638, O L G Stuttgart APV 1913 II. 5). Aber auch wenn sie richtig wäre, könnte keine Rede davon sein, daß der Versicherungsnehmer sich darauf berufen könnte, ihn treffe an der Versäumung der fünfzehnmonatigen Andienungsfrist kein V e r s c h u l d e n . Einmal deshalb, weil Auslegung und Anwendung der ADS sich nach den für die Auslegung und Anwendung von Gesetzen maßgebenden Grundsätzen richten müssen (näheres: Vorb. II vor § 1). Zweitens deshalb, weil auch nach der Auf-
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§ 4 2 fassung des R G natürlich der „wirkliche Wille" ( B G B § 133) der Beteiligten maßgebend bleibt und über diesen kein Zweifel sein kann. Wenn die A D S die Verwirkung im Falle des Verschuldens eintreten lassen wollen, haben sie es, dem Gesetz gleich, ausdrücklich gesagt (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 3 Abs. 1, 2, 5 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 2 usw.). V o n jeher hat man im Verkehr die Andienungsfrist als Ausschlußfrist angesehen, nach deren Ablauf der Entschädigungsanspruch ohne weiteres erloschen war (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 4 zu § 42 A D S ) , haben Reeder und K a u f l e u t e deshalb gegen sie Sturm gelaufen, — so früher ( B e n e c k e 4. 370), so auch wieder bei der Herstellung der A D S (Mat. 1. 186). Z u m Ausgleich hat man die Andienungsfrist von 1 2 auf 1 5 Monate verlängert (Mat. 1. 187). Anm. 1 3
b) Der Entschädigungsanspruch erlischt also „ g ä n z l i c h " ( A S V B § 143 Abs. 2). Auch dann, wenn die Andienung n i c h t m ö g l i c h w a r (anders ausdrücklich B S V B § 71 Abs. 2). A b w . R G H G Z 1893. 223, H G Z 1893. 122 in einem Falle, in dem der Versicherungsnehmer (Johann Orth) mit dem Schiffe verschollen w a r ; dabei wurde überdies übersehen, daß der Bevollmächtigte des Versicherungsnehmers den Entschädigungsanspruch geltend gemacht, also den Schaden angedient hatte, daß dagegen nichts einzuwenden war, und daß deshalb die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Andienung gar nicht in Betracht kam. — Der Versicherungsnehmer kann auch die erloschene Entschädigungsforderung n i c h t a u f r e c h n e n . § 390 Satz 2 B G B (Aufrechnung trotz Verjährung) ist unanwendbar. — Die Andienungsfrist wird auch n i c h t (wie die Verjährung nach §§ 2 0 2 f f . B G B ) g e h e m m t oder u n t e r b r o c h e n ( G e r h a r d 66, O L G Stuttgart A P V 1 9 1 3 I I . 5). Klageerhebung und Streitverkündung können aber eine gehörige Andienung sein (oben Anm. 10).
Anm. 14
c) Die Andienungsfrist läuft auch, wenn der V e r s i c h e r e r vom Versicherungsfall und vom Schaden w e i ß (Mat. 1 . 187). Auch dann, wenn Versicherungsfall und Schaden a l l g e m e i n b e k a n n t sind (Mat. 1. 187). Der Versicherungsnehmer kann nur einwenden, daß der Versicherer ihn abgehalten habe, rechtzeitig anzudienen (replica doli, B G B § 826), oder daß der Versicherer auf die rechtzeitige Andienung verzichtet habe (unten Anm. 15), oder daß der Versicherer gar den Entschädigungsanspruch anerkannt habe ( G e r h a r d 68).
Anm. 15
d) Der Versicherer kann auf das Erlöschen des Entschädigungsanspruchs, auf sein Einwendungsrecht v e r z i c h t e n . V o r oder nach dem Ablauf der Andienungsfrist. Ausdrücklich oder stillschweigend. A b e r Verzichte sind nach allgemeiner Regel nicht zu vermuten. O b das Verhalten des Versicherers einen Verzicht schlüssig zum Ausdruck bringt, ist Tatfrage. Wenn der Versicherer sich im Versicherungsfall auf Verhandlungen über Schadensabwendung, Schadensfeststellung und Entschädigung einläßt, so kann darin kein Verzicht auf (schriftliche) Andienung erblickt werden; denn solange die Andienungsfrist läuft, bleibt ihm nichts anderes übrig ( H G Z 1886. 303, 1902. 5 5 ; näheres hierüber: Vorb. vor § 1 A n m . 15, vgl. auch § 24 A n m . 6).
A n m . 16
e) B e w e i s l a s t . Der Versicherer muß (die rechtsvernichtende Tatsache) beweisen, daß der Schaden nicht rechtzeitig angedient ist. Der Versicherungsnehmer aber muß nach den für die prozeßrechtliche Behauptungspflicht geltenden Grundsätzen angeben, wann, wie und wo er (oder wer sonst f ü r ihn) angedient hat, oder beweisen, d a ß der Versicherer auf gehörige Andienung verzichtet hat.
A n m . 17
f ) Hat der Versicherer gezahlt, obgleich der Entschädigungsanspruch erloschen war, so kann er nach §§ 8 1 2 ff. B G B k o n d i z i e r e n (näheres: § 20 Anm. 5, § 53 Anm. 17). Regelmäßig wird er freilich gewußt haben, daß der Schaden nicht schriftlich angedient ist, und deshalb nicht kondizieren können ( B G B § 814). — § 222 B G B (keine Kondiktion bei Zahlung nach Verjährung) ist unanwendbar.
Aufklärungspflicht
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g) Nach § 143 ASVB war die „Klagbarkeit" des Entschädigungsanspruchs von der vorherigen Andienung abhängig (vgl. dazu HG Hamburg Ullrich Nr. 226, HH 535). Davon ist nicht mehr die Rede. 10. Die R e c h t s f o l g e o r d n u n g s m ä ß i g e r A n d i e n u n g ist Rechtserhaltung, die Erhaltung des Entschädigungsanspruchs. Und nur diese. Auch im Falle der Andienung eines Haftpflichtschadens, insbesondere eines indirekten Kollisionsschadens (näheres: § 78 Anm.). 11. A b s . 3. Ausnahme: Vom Versicherungsnehmer zu entrichtende HavariegrosseBeiträge brauchen nicht angedient z u w e r d e n . Die Bestimmung entspricht einem Antrag der Kaufmannschaft (Mat. 1. 188). Sie beruht auf der unschlüssigen Erwägung, daß die Höhe der Havariegrosse-Beiträge oft erst nach langer Zeit bekannt wird. Der Versicherungsnehmer braucht bei der Andienung die Höhe der Entschädigung gar nicht anzugeben (oben Anm. 9), und daß Havariegrosse-Beiträge zu entrichten sind, erfährt er stets so früh, daß er in der fünfzehnmonatigen Frist andienen kann. — Von größerer Bedeutung wäre eine Ausnahme für die übrigen Fälle der See-Haftpflichtversicherung gewesen, für den Fall der Rückversicherung (unten Anm. 21), den Fall der Haftung des Kaskoversicherers für indirekten Kollisionsschaden (§ 78) und den Fall der Haftung des Uberfahrtsgelder-Versicherers für Schaden am Reisegut (§ 109 Abs. 3). In Wirklichkeit bedarf es in keinem dieser Fälle einer Ausnahmebestimmung, weil der Haftpflichtversicherungs-Fall erst eintritt, wenn der Ersatzberechtigte gegen den Versicherungsnehmer den begründeten Ersatzanspruch geltend macht und die Versicherung mithin insoweit und so lange nicht endigt, wie noch solche Ersatzansprüche geltend gemacht werden können. — Uber den Begriff der vom Versicherungsnehmer zu entrichtenden Beiträge: § 29 Anm. 8, 9. 12. § 42 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136, E h r e n b e r g R V 105; abw. V o i g t 764; vgl. HG u. OG Hamburg HGZ 1869. 289, 1873. 54, 1877. 94). Aber solange noch begründete Entschädigungsansprüche gegen den Vorversicherer erhoben werden können, ist die Rückversicherung nicht beendigt, beginnt also die Andienungsfrist nicht zu laufen (vgl. § 1 Anm. 147, § 5 Anm. 45, oben Anm. 20). — Ist im Rückversicherungs-Vertrag eine kurze Frist für die Anzeige des vom Vorversicherten angemeldeten Schadens bestimmt, so wird es sich regelmäßig nicht um eine Andienungsfrist im Sinne des § 42, sondern um eine Frist zur Anzeige des Versicherungsfalls (§ 40) handeln (HG u. O G Hamburg HGZ 1873. 54: Anzeigefrist von 72 Stunden). — Ist der Entschädigungsanspruch des Vorversicherten erloschen, so haftet auch der Rückversicherer nicht. Ist der Vorversicherer (wie gewöhnlich) abwicklungsberechtigt, so haftet der Rückversicherer gleichwohl, wenn der Vorversicherer sich auf das Erlöschen nicht beruft und auch ein nicht rückversicherter Versicherer sich verständigerund billigerweise nicht darauf berufen hätte (§ 1 Anm. 154). 13. Dem e n g l i s c h e n und f r a n z ö s i s c h e n Recht ist die Andienung unbekannt. Aber nach englischem Equity-Recht kann der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung nicht mehr geltend machen, wenn er sie nach Treu und Glauben und, um den Versicherer vor Schaden zu bewahren, früher hätte geltend machen sollen (sog. acquiescence; vgl. S c h i r r m e i s t e r - P r o c h o w n i c k , Bürgerl. Recht Englands, 1.826). § 4 3 Auskunfterteilung Der Versicherer kann nach dem Eintritte des Versicherungsfalls verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des
§ 42 Anm. 18 Anm. 19
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Anm. 21
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Aufklärungspflicht
§ 4 ·* Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit fordern, als die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann; die Herbeiführung einer Verklarung kann er verlangen, wenn er an ihr ein berechtigtes Interesse hat. Anm. ι Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
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i . V g l . H G B §§ 882, 884, 885, A S V B §§ 144, 146—148, A l t e G P Zusatz z u § 146 ( M a t . 2. 101), B S V B § 55, V V G § 34. 2. Literatur. Anon. A f V W i r t s c h . 1914. 114 (Belege im Entwurf der A D S ) . B e j e u h r I T V M i t t 1 9 3 2 . 4 4 — 4 7 ( Ü b e r Schadensbelege in der Güterversicherung). E b e r h a r d , Der Schadensnachweis in der Versicherung, Diss. 1917. E b e r l e , Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers, 1913. K i s c h , Die Bank, 1936. 242. R e i m e r S c h m i d t , Obliegenheiten 229ff. 3. Les assureurs n'ont jemais eu la reputation d'etre faciles ä se rendre justice. O n les a compares aux femmes qui con^oivent avec plaisir, et qui enfantent avec douleur . . . Mais (fügt der gewissenhafte Chronist, E m e r i g o n ch. 18 Einl., hinzu), s'il est des Assureurs qui elevent de mauvaises difficultes, il en est beaucoup qui sont la victime de leur bonne foi. Les Assureurs ne voyent que par les yeux des Assures. Iis ne peuvent se defendre que par les pieces qui leur sont communiquees; et souvent ils payent ce qu'ils seroient en droit de disputer. Deshalb gibt § 43 A D S (im Anschluß an V V G § 34) dem Versicherer für den Versicherungsfall ein besonderes R e c h t auf Auskunft und Belege, ein besonderes R e c h t a u f A u f k l ä r u n g . Dieses R e c h t und die ihm entsprechende, „selbständige, v o m Prozeß unabhängige Rechtspflicht des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer" (Begr. z. V V G § 34) hat mit der prozeßrechtlichen Beweislast nichts z u tun (vgl. auch § 28 A n m . 9, H G Z 1882. 49 und insbesondere O A G Oldenburg S A 23 Nr. 131). 4. Der Versicherer kann verlangen. W e n n m e h r e r e Versicherer beteiligt sind, jeder einzelne; nicht der eine für den anderen, wohl aber der „ F ü h r e r " auch für die übrigen (Vorb. vor § 1 A n m . 46). 5. Der Versicherer kann verlangen. Der Versicherungsnehmer ist nicht ohne weiteres verpflichtet, aufzuklären (wie er ζ. B. ohne weiteres verpflichtet ist, den V e r sicherungsfall oder sonstige Unialle anzuzeigen), — soweit er nicht etwa zur Erfüllung seiner Schadenabwendungs-Pflicht verpflichtet ist, ohne weiteres aufzuklären. Die Aufklärungspflicht entsteht, die d e m Versicherungsnehmer obliegende Leistung wird erst fällig, wenn der Versicherer verlangt und eine angemessene Frist verstrichen ist. — Das V e r l a n g e n ist, seinem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich die Fälligkeit des Aufklärungsanspruchs herbeiführende, Willenserklärung (näheres über empfangsbedürftige Erklärungen: V o r b . I V vor § 1). U b e r Erklärungen gegenüber Vertretern, insbesondere Gesamtvertretern des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 18. — Der V e r sicherungsnehmer braucht das Verlangen nicht anzunehmen oder sich mit ihm einverstanden z u erklären. Der Aufklärungsanspruch wird durch die e i n s e i t i g e Erklärung des Versicherers fällig. — Das Verlangen m u ß (gleich allen rechtsgestaltenden Erklärungen) b e s t i m m t sein. Der Versicherungsnehmer m u ß wissen, woran er ist. A b e r es genügt natürlich hier, wo der Versicherer erst aufgeklärt werden soll, d a ß dieser im Hinblick auf den Versicherungsfall verlangt, d a ß ihm „ j e d e erforderliche A u s k u n f t " erteilt wird und alle Belege vorgelegt werden, deren „Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden k a n n " . 6. Der Versicherer kann v o m Versicherungsnehmer verlangen. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. —· Uber den Fall, d a ß m e h r e r e Versicherungs-
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nehmer beteiligt sind: Vorb. V I vor § i. — Auch bei der Versicherung für f r e m d e § 4 3 Rechnung kann der Versicherer an und für sich nur vom Versicherungsnehmer Aufklärung verlangen. Nicht auch vom Versicherten. Denn man kann durch Vertrag einem Dritten zwar Rechte zuwenden, nicht aber Verbindlichkeiten, deren Verletzung zum unbeschränkten Schadensersatz verpflichtet. Anders, wenn der Versicherte der für seine Rechnung genommenen Versicherung zugestimmt hat. Näheres: § 52 Anm. 8, § 53 A n m . 12, auch § 40 A n m . 4; vgl. auch L e n n e 1 4 1 (folgend F i s c h e r 3 3 ) : Der Versicherte sei „aus Billigkeitsgründen" und, weil er „als Inhaber der fraglichen Interessen a m besten Auskunft erteilen könne", aufklärungspflichtig; ähnlich K i s c h 3. 446: „ n a c h L a g e der U m s t ä n d e " und, weil die Erfüllung der Aufklärungspflicht „ i n gewissem Sinne als Bedingung der Versicherungsforderung erscheine". — Wird die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so muß der Erwerber aufklären, wenn der Versicherungsfall nach der Veräußerung eintritt (§49 Abs. 1). Tritt der Versicherungsfall vor der Veräußerung ein, so muß der Veräußerer aufklären; aber auch der Erwerber, da die Aufklärungspflicht fortbesteht und sich mithin auch „während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis ergibt" (§ 49 Abs. 1). 7. Der Versicherungsnehmer m u ß auf Verlangen aufklären. Anm. 7 a) E r ist dazu verpflichtet ( E b e r l e 7, 67, L e n n e 1 3 1 , W o l f f 437, H G Z 1882. 49). Die Aufklärungspflicht ist die „selbständige Rechtspflicht" eines Schuldners (Begr. z. V V G § 34). Anders G e r h a r d 1 5 2 : Die Erfüllung der Aufklärungspflicht sei „eine Art Bedingung oder Voraussetzung" für den Entschädigungsanspruch; ähnlich K i s c h 3. 446, der aber gleichwohl (wie wenn es sich um eine gewöhnliche Verpflichtung handelte) den Versicherungsnehmer, der die Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt, zum Schadensersatz verpflichtet wissen will; folgerichtig R o e l l i 476: keine Verpflichtung und deshalb auch keine Schadensersatz-Pflicht bei schuldhafter Verletzung; folgewidrig ders. a. a. O . : Der Versicherer könne, bis der Versicherungsnehmer die verlangte Auskunft gegeben habe, die Entschädigung verweigern, da man doch nach § 273 B G B nur zurückhalten kann, wenn man einen „ A n s p r u c h " hat (deshalb folgerichtig K i s c h 3. 446, der dem Versicherer das Zurückbehaltungsrecht nur für den Fall zugesteht, daß die Nichterfüllung der Aufklärungspflicht den Versicherer „ n a c h dem V e r t r a g " berechtigt, die Entschädigung zu verweigern); folgerichtig R e i m e r S c h m i d t a . a . O . 229, 230: Obliegenheit, aber kein Schadenersatzanspruch. Der Versicherer kann den Aufklärungsanspruch auch gerichtlich geltend machen und hieran unter Umständen auch ein dringendes Interesse haben (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 62; abw. ohne Grund E b e r l e 7). b) Deshalb ist auch § 278 B G B anwendbar. Der Versicherungsnehmer muß ins- Anm. 8 besondere das V e r s c h u l d e n d e r P e r s o n e n , d e r e n e r s i c h zur Erfüllung der Aufklärungspflicht b e d i e n t , gegen sich gelten lassen ( E b e r l e 66; vgl. § 3 A n m . 17, § 5 Anm. 35, § 19 Anm. 1 1 usw.; auch R G 58. 346, das zwar die Aufklärung, deren Unterlassung nach den Versicherungsbedingungen den Verlust des Entschädigungsanspruchs zur Folge hat, als „Voraussetzung" des Entschädigungsanspruchs betrachtet, aber gleichwohl dem Versicherungsnehmer das Verschulden des „Vertreters in Erfüllung der fraglichen Bedingung" zurechnet). Z u diesen Personen wird bei der Versicherung für fremde Rechnung regelmäßig auch der Versicherte gehören, — wie, umgekehrt, der Versicherungsnehmer regelmäßig zu den Personen gehören wird, deren der Versicherte sich bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht bedient (ähnlich im Ergebnis, ohne Begründung, K i s c h 3. 447: Der Versicherte müsse, auch wenn von ihm keine Aufklärung verlangt sei, es verantworten, „ w e n n er nicht den Versicherungsnehmer durch die erforderlichen Mitteilungen in den Stand setze, der diesem obliegenden Aufklärungspflicht zu genügen"). Z u diesen Personen gehört auch der Makler, dem 42
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§ 43 der Versicherungsnehmer die Aufklärung überläßt (vgl. Vorb. vor § ι Anm. 42, § 19 Anm. 11). Anm. 9 Bringschuld. c ) Di e Aufklärungspflicht ist nach der Natur des Verhältnisses Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer die Aufklärung auf eigene Kosten und Gefahr übermitteln. Kommen insbesondere Auskunft oder Belege aus Gründen, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, nicht an, so muß der Versicherungsnehmer die Aufklärung noch einmal versuchen (vgl. § 3 Anm. 17, Vorb. V I I vor § 1 ) . Anm. 10 8. Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, d. h. nach dem Eintritt des die Entschädigungspflicht des Versicherers auslösenden Ereignisses (näheres: § 5 Anm. 29). Ob der Versicherungsnehmer Entschädigung verlangt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Aber wenn der Versicherungsnehmer auf Entschädigung verzichtet, wird die Aufklärungspflicht gegenstandslos. Ebenso, wenn feststeht, daß der Versicherer trotz des Versicherungsfalls „von der Verpflichtung zur Leistung frei" ist, etwa weil die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt oder die Gefahr geändert oder der Versicherungsfall vom Versicherungsnehmer herbeigeführt ist (§ 20 Anm. 3, § 24 Anm. 7 usw.). Anm. 11 9. Der Versicherer kann jede Auskunft verlangen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls erforderlich ist. „Jede" Auskunft. Eindringlich fordern Gesetz und ADS den Versicherungsnehmer auf, nichts zu verschweigen, was erforderlich ist, um festzustellen, ob der Fall ein Versicherungsfall, ob der Entschädigungsanspruch dem G r u n d e nach berechtigt ist. a) Zum Grunde des Entschädigungsanspruchs gehört natürlich in erster Linie, daß dem Versicherungsnehmer oder Versicherten zur Zeit des Versicherungsfalls das versicherte Interesse versicherbar zustand (ausdrücklich: HGB § 882 Abs. 2 Nr. 1). Vgl. auch OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 354 (Für die Versicherung des Eigentümerinteresses „genüge es, daß die Entstehung des Eigentums zu einer früheren Zeit nachgewiesen werde; die Fortdauer des Eigentums werde sodann ohne weiteres präsumiert") und 355 (Auskunft im Falle der Versicherung von Bodmereigeldern für Rechnung, wen es angeht). Anm. 12 b) Ebenso, „daß der versicherte Gegenstand den G e f a h r e n der See ausgesetzt worden ist" (HGB § 882 Abs. 2 Nr. 2), — daß die Versicherung begonnen hat. Anm. 13 c) Ebenso, daß „der U n f a l l , auf den der Anspruch gestützt wird" (HGB § 882 Abs. 2 Nr. 3) sich zugetragen hat, und zwar während der Dauer der Versicherung (§ 28 Anm. 27fF.). Woraus nicht etwa folgt, daß der Versicherungsnehmer in jedem Falle einen „Unfall" als Ursache des Schadens dartun muß (§ 28 Anm. 9). Anm. 14 d) Ebenso, daß „ S c h a d e n " , gewöhnlicher Versicherungsschaden oder Aufwendungsschaden, entstanden ist (HGB § 882 Abs. 2 Nr. 4). Anm. 15 e) Zum Grunde des Entschädigungsanspruchs gehört auch, daß der Versicherer nicht wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, der Gefahrstandspflicht, der Schadenverhütungs- oder der Schadenabwendungs-Pflicht „von der Verpflichtung zur Leistung f r e i " ist (OAG Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 353, OG Hamburg und dazu Voigt NAfHR 1. 318, 325; anders S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 3 zu § 43 ADS). Ebenso, daß der Versicherungsnehmer nicht Ersatzansprüche gegen dritte aufgegeben hat und der Versicherer insoweit frei geworden ist (HGZ 1882. 244, HG u. OG Hamburg HGZ 1872. 214, Seebohm 438). Anm. 16 f) Die Auskunft muß zur Feststellung des V e r s i c h e r u n g s f a l l s e r f o r d e r l i c h sein. Zur Feststellung des Versicherungsfalls: nicht zu anderen Zwecken, ζ. B. nicht zur Feststellung, ob der Versicherer beim Vertragsschluß arglistig getäuscht worden ist. Und erforderlich: bei objektiver Beurteilung geboten. Daraus folgt ζ. B., daß der Versicherungsnehmer über Umstände, die dem Versicherer ohnehin bekannt sind, keine
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Auskunft zu erteilen braucht (vgl. auch §40 Anm. 17). Vgl. H G Z 1898. 267 für den Fall § 43 eines indirekten Kollisionsschadens: Der Versicherungsnehmer müsse dem Versicherer „den Hergang der Kollision schildern, ihm die etwaigen Verklarungen und sonstigen Beweisstücke vorlegen, kurz ihm ein Urteil darüber ermöglichen, ob eine gerichtliche Bekämpfung des auf Grund der Kollision erhobenen Schadensersatz-Anspruchs Aussicht auf Erfolg biete". Vgl. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1941 Β 305 = J R P V 1941. 163 = Sasse Nr. 458 und O L G Hamburg = Sasse Nr. 473. — Die Auskunftspflicht ist nicht auf Tatsachen beschränkt, die dem Versicherungsnehmer bekannt sind. Sie erstreckt sich auf Tatsachen, von denen der Versicherungsnehmer Kenntnis erlangen und über die er deshalb Auskunft erteilen kann. W o Gesetz oder A D S Offenbarungs- oder Anzeigepflichten auf solche Umstände haben beschränkt wissen wollen, die dem Versicherungsnehmer bekannt sind, haben sie es ausdrücklich gesagt (ADS §§ 3 Abs. 2, r 1 Abs. 1 , 1 9 Abs. 1, 26 usw). Der Versicherungsnehmer hat also auch eine E r k u n d i g u n g s p f l i c h t . Deshalb muß er auch Belege nicht nur, soweit er sie h a t , sondern auch soweit er sie b e s c h a f f e n kann, vorlegen (§ 43 Satz 2; vgl. auch BGB § 259 und dazu Komm.). Er muß sich erkundigen, soweit Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte, soweit insbesondere die Assekuranztreue es erfordern (BGB § 242, A D S § 13). Es gilt also von der Erkundigungspflicht ungefähr dasselbe, wie von der Belegungspflicht des § 43 Satz 2: Der Versicherungsnehmer muß sich erkundigen, soweit ihm dies „billigerweise zugemutet werden k a n n " ; denn auch bei dieser Zumutung ist j a die besondere Assekuranztreue zu berücksichtigen. g) Die Auskunft muß selbstverständlich nach bestem Wissen und Gewissen des Versicherungsnehmers w a h r und v o l l s t ä n d i g sein. UnVollständigkeiten und Unrichtigkeiten, die sich später herausstellen, sind (ohne besondere Aufforderung) zu berichtigen ( E b e r h a r d 42). h) F o r m der Auskunft. Die Erteilung der Auskunft ist (wie die Anzeige des § 40), ihrem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige Wissenserklärung (über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. I V vor § 1). Im übrigen kann sie in jeder Form erteilt werden. Aber auch insoweit gilt, daß der Schuldner leisten muß, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (BGB § 242, A D S § 13). Danach wird die Auskunft regelmäßig schriftlich erteilt werden müssen. i) Z e i t der Auskunft. Die Auskunft muß in angemessener Frist erteilt werden (BGB § 242, A D S § 13). Der Versicherungsnehmer kommt in Verzug, wenn er die Auskunft nicht in angemessener Frist erteilt und der Versicherer mahnt (BGB § 284). — Der Versicherer kann so lange Auskunft verlangen, wie Auskunft erteilt werden kann und der Aufklärungsanspruch nicht verjährt ist. Insbesondere auch noch nach Entschädigung (Anwendungsfall: § 46 Satz 1). Aber wenn der Versicherer entschädigt oder sich sonstwie durch die Auskunft befriedigt erklärt hat, kann er nur noch insoweit Auskunft verlangen, als die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig war und er die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit beweist (BGB § 363; Ausnahme: § 46 Satz 1). k) Die K o s t e n der Auskunft fallen grundsätzlich dem Versicherungsnehmer zur Last ( R o e l l i 480; Ausnahme: § 45 Abs. 1 Satz 2, § 46 Satz 3). Soweit sie jedoch durch die Ermittlung oder Feststellung des Versicherungsschadens entstehen, muß der Versicherer sie gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 ersetzen. 10. Der Versicherer kann auch jede Auskunft verlangen, die zur Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist. Jede Auskunft, die erforderlich ist, um festzustellen, in welcher H ö h e der Entschädigungsanspruch berechtigt ist, um „den Schaden und dessen U m f a n g " ( H G B § 882) festzustellen, den gewöhnlichen Versicherungsschaden oder den Aufwendungsschaden (vgl. § 32 Anm. 3). Unbeschadet natürlich der besonderen Schadenfeststellungs-Bestimmun42»
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§ 43 gen (§§ 74, 93 usw.; so ausdrücklich ASVB § 144 Abs. 2). Zur Feststellung der Höhe des Entschädigungsanspruchs gehört auch die Feststellung des Versicherungswerts. Ebenso, daß der Versicherungsnehmer etwas erhalten hat, was er sich auf die Entschädigung anrechnen lassen muß (HG u. OG Hamburg, R O H G HGZ 1872. 39, 101, 208). Ebenso, daß Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen (§45 Anm. 24). Näheres: oben Anm. i6ff. — Siehe auch die Erläuterungen bei B r u c k - M ö l l e r Anm. 14 zu § 34 VVG und bei Prölß Anm. 2 zu § 34 VVG. Anm. 22 11. Bis die Auskunft erteilt ist, kann der Versicherer die E n t s c h ä d i g u n g verw e i g e r n (BGB § 273; oben Anm. 7; HGZ 1918.8, 18 beruft sich auf § 320 BGB, Aufklärung und Entschädigung stehen aber nicht im synallagmatischen Verhältnis). Aber noch mehr. Aus § 44 Abs. 1 ergibt sich, daß der Entschädigungsanspruch überhaupt nicht f ä l l i g wird, bevor die Auskunft erteilt ist (§ 44 Anm. 2). — Verletzt der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder fahrlässig die Auskunftspflicht, so muß er dem Versicherer den dadurch verursachten S c h a d e n e r s e t z e n (BGB § 276; oben Anm. 7). Anm. 23 12. Der Versicherer kann zur Auskunft Belege fordern, soweit die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann. — Belege sind (regelmäßig urkundliche) Nachweise über Tatsachen (vgl. BGB § 259). Der Versicherer kann sie nur für Tatsachen fordern, auf die sich nach § 43 Satz 1 die Auskunftspflicht erstreckt. Und nur soweit, wie der Versicherungsnehmer die Belege hat oder sie beschaffen kann und billigerweise beschaffen sollte. Vgl. hierüber oben Anm. 16. — Hiernach sind (HGB § 884, Begr. z. VVG § 34) „als genügende Belege im allgemeinen solche Belege anzusehen, die im Handelsverkehr, namentlich wegen der Schwierigkeit der Beschaffung anderer Beweise, nicht beanstandet zu werden pflegen insbesondere Anm. 24 i. zum Nachweis des I n t e r e s s e s : bei der Versicherung des S c h i f f e s die üblichen Eigentumsurkunden" (ζ. B. Schiffsregister-Auszüge: Prot. 3557); „bei der Versicherung von G ü t e r n die Fakturen und Konnossemente, sofern nach deren Inhalt der Versicherte zur Verfügung über die Güter befugt erscheint", d. h. sofern der Versicherte durch das Konnossement legitimiert und damit und gemäß § 650 HGB als Eigentümer ausgewiesen ist (Prot. 3557, 3561). Daß die Güter verlorengegangen, die Konnossemente infolgedessen Leerkonnossemente geworden sind, ist natürlich ohne Bedeutung (RG 88. 241, 89. 41). Kopie des Konnossements genügt, HansOLG HansRGZ 1928 Β 820 = Sasse Nr. 390. Die Beibringung der Fakturen kann der Versicherer insbesondere verlangen, um zu prüfen, ob die Taxe erheblich übersetzt ist ( S i e v e k i n g 191, Voigt 101, HansOLG HRZ 1925. 433 = Sasse Nr. 336; abw. HGZ 1882. 66, 69). „bei der Versicherung der F r a c h t die Chartepartien und Konnossemente; Anm. 25 2. zum Nachweise der V e r l a d u n g der Güter die Konnossemente". Das Konnossement belegt auch ausreichend, daß die danach abgeladenen Güter sich noch zur Zeit des Schiffsuntergangs im Schiffe befunden haben (OAG Lübeck Kierulff" 4. 61). Ist das Konnossement gemäß § 642 Abs. 5 HGB über Güter ausgestellt, die zwar zur Beförderung übernommen, aber noch nicht eingeladen sind, so ist es natürlich zum Nachweis der Verladung nicht, wohl aber gemäß § 88 Abs. 2 zum Nachweis des Beginns der Versicherung geeignet. — Zu beachten ist, daß nach § 656 Abs. 2 Satz 1 HGB das Konnossement nur die Vermutung begründet, daß der Verfrachter die Güter so übernommen hat, wie sie nach §§ 643 Nr. 8, 660 HGB beschrieben sind. Nach § 643 Nr. 8 hat das Konnossement die Art der Güter anzugeben, ferner deren Maß, Zahl oder Gewicht, ihre Merkzeichen und ihre äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit. Doch gilt die Vermutung nach § 656 Abs. 2 nicht, wenn das Konnossement einen
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Zusatz nach § 646 H G B enthält oder hinsichtlich des Inhalts solcher Güter, die nach dem § Konnossement dem Schiffer in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben worden sind, wenn das Konnossement mit dem Zusatz „Inhalt unbekannt" oder mit einem gleichbedeutenden Zusatz versehen ist. Vgl. bezüglich des Vermerks „quantity and quality unknown" auch K G J R P V 1931, 198 = Sasse Nr. 418. „ 3 . zum Nachweise des U n f a l l s die Verklarung und das Tagebuch, in Kon- Anm. 26 demnationsfällen das Erkenntnis des Prisengerichts, in Verschollenheitsfällen glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff den Abgangshafen verlassen hat, und über die Nichtankunft des Schiffes im Bestimmungshafen während der Verschollenheitsfrist". In diesem Punkte weichen die A D S ab. Ein Zusatz der AlteGP zum § 146 A S V B lautete: „Die Versicherer verzichten in den Fällen, wenn in Dampfschiffe verladene Güter frei von gewissen Prozenten der Beschädigung versichert worden sind und Beschädigung sich ereignet, auf die Beibringung der Verklarung" (Mat. 2. 101). Die Kaufmannschaft wünschte die Beibehaltung dieses „Verzichts" (Mat. 1. 190). Hierauf beruht die (nunmehr für Versicherungen jeder Art geltende) Bestimmung des § 43: Der Versicherer kann die Herbeiführung einer Verklarung verlangen, wenn er an ihr ein berechtigtes Interesse hat. Die Verklarung ist eine besondere gerichtliche Beweisverhandlung mit der Schiffsbesatzung über Reiseunfälle (HGB §§ 522—525; siehe auch die V O zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen v. 16. 8. 1944, RGBl. I. 183, und dazu S c h a p s - A b r a h a m II. 198, 203fr.). Sie ist vom Kapitän herbeizuführen (HGB § 522). Der Kapitän kann von den vom Unfall Betroffenen ( S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 3 zu § 522 HGB), insbesondere den Reiseinteressenten (HGB § 512), zur Anmeldung der Verklarung gezwungen werden. Solchen Zwang auszuüben, ist der Versicherungsnehmer also regelmäßig in der Lage und, ihn auszuüben, ist er dann (nur dann, aber auch immer dann) verpflichtet, wenn der Versicherer es verlangt und an der Herbeiführung der Verklarung ein berechtigtes Interesse hat. „ B e r e c h t i g t e s I n t e r e s s e " ist nicht ein im Rechte begründetes Interesse, sondern jedes nach verständigem Ermessen gerechtfertigte Interesse (vgl. BGB § 824, StGB § 193, GBO § 1 1 , H G B § 9, F G G § 78, Z V G § 76). Solches Interesse wird der Versicherer regelmäßig haben; denn er ist nicht nur wegen seiner Entschädigungspflicht, sondern auch mit Rücksicht auf den Ubergang von Schadensersatz-Ansprüchen an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligt. Siehe über die Beweiskraft der Verklarung R G J R P V 1928. 783 = Sasse Nr. 32. In Fällen, in denen mehrere Schiffe beteiligt sind, insbesondere in Kollisionsfällen, kann der Versicherer auch verlangen, daß der Versicherungsnehmer die Verklarung des anderen Schiffes herbeiführt, wenn der Versicherungsnehmer dazu in der Lage ist und der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran hat. Verlangt der Versicherer die Herbeiführung der Verklarung, so hat er doch die Kosten nicht zu tragen, wenn und weil der Kapitän ohnehin verpflichtet ist, Verklarung abzulegen (§ 32 Anm. 23). Ist Verklarung abgelegt, ohne daß der Versicherer ihre Herbeiführung verlangt hat, so wird der Versicherungsnehmer regelmäßig eine A u s f e r t i g u n g beizubringen haben, da ihm die Beschaffung einer solchen regelmäßig billigerweise zugemutet werden kann. — Die Klausel der Güterpolice „ I m Schadensfalle soll fehlende Verklarung nicht präjudicieren" soll nach H G Z 1882. 68 (folgend H G Z 1896. 244) nicht nur bedeuten, daß der Versicherungsnehmer keine Verklarung vorzulegen brauche, sondern auch (offenbar zu weitgehend), daß der Versicherer „damit zugleich auf den Nachweis über Schicksale der Reise und den Hergang, der die Beschädigung veranlaßte, verzichtet habe". — Bei Güterversicherungen braucht der Versicherungsnehmer das Schiffstagebuch regelmäßig nicht vorzulegen, weil er dazu regelmäßig nicht imstande ist (HG Hamburg H G Z 1871. 7; vgl. aber auch oben über die Verpflichtung des Güter-
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§ 4 3 versicherten zur Veranlassung einer Verklarung, die nach § 524 H G B „auf der Grundlage des Tagebuchs geschieht"). Der versicherte Reeder kann natürlich nicht die Beibringung des Schiffstagebuchs mit der Entschuldigung verweigern, daß der Kapitän es nicht eingesandt habe (HG u. O G Hamburg Seebohm 617). Während § 524 H G B für die Verklarung die Vorlegung des Tagebuches verlangt, begnügt sich die jedenfalls vorübergehend den § 524 außer Kraft setzende V O v. 16. 8. 1944 in § 2 mit einer gerichtlich oder notarisch beglaubigten Abschrift der den Unfall betreffenden Eintragungen zum Schiffstagebuch. Anm. 27 „4. zum Nachweise des S c h a d e n s und dessen Umfanges die den Gesetzen oder Gebräuchen des Ortes der Schadensermittlung entsprechenden Besichtigungs-, Abschätzungs- und Versteigerungsurkunden sowie die Kostenanschläge der Sachverständigen, ferner die quittierten Rechnungen über die ausgeführten Ausbesserungen und andere Quittungen über geleistete Zahlungen . . .". Belege dieser Art kommen jedoch nur in Betracht, soweit nicht die ADS über die Schadensfeststellung besonderes bestimmen (§§ 74, 96 usw.). Vgl. auch R G 15. 164: Wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlange, weil das versicherte Schiff unrettbar gesunken und demgemäß total verloren sei, so „bedürfe es . . . nicht etwa unbedingt immer noch eines vom Versicherten zu erbringenden besonderen Beweises oder Belegs für die Unrettbarkeit . . ., sondern die Beantwortung dieser tatsächlichen Frage . . . werde in manchen Fällen schon aus den sonstigen erwiesenermaßen vorliegenden konkreten Umständen . . . entnommen werden können, und in solchen Fällen könne der Versicherer nach dem Prinzip von Treu und Glauben sich nicht darauf berufen, daß der Versicherte erst noch einen weiteren Beleg für die Existenz eines Totalschadens zu liefern habe, um die Fälligkeit seiner Forderung zu begründen". Anm. 28 Dies sind „im allgemeinen genügende Belege". Sie sind also auch nach § 884 H G B weder immer nötig noch immer genügend ( R G 88. 240, 8g. 41, H G Z 1882. 242, 244, 1916. 14, 147; vgl. auch H G Hamburg H G Z 1875. 402: Passagiergut). S o n s t i g e verkehrsübliche B e l e g e : Auszüge aus Geschäfts- und Lagerbüchern, Inventur (vgl. J W 1909. 324), Bilanzen, zuverlässige Zeitungsberichte über den mit der Besatzung erfolgten Untergang des Schiffes (HGZ 1884. 7) oder über die Aufbringung des Schiffes oder über die Kondemnation ( R G Hansa 1917. 172). Über das Schadenszertifikat des Havariekommissars des Versicherers als ausreichenden Beleg siehe HansOLG H G Z 1926. 40 = Sasse Nr. 354. Enthält das Konnossement die Klausel „Gewicht und Menge unbekannt", so bedarf es für Gewicht und Menge eines anderen Belegs ( H G Z 1909. 1 7 1 , K G J R P V 1931. 198 = Sasse Nr. 418), etwa einer Gewichtsbescheinigung der Zollbehörde oder des Abladers (vgl. auch A r n o u l d 1244 s. 1267 über den Fall, daß das Konnossement die Klausel contents unknown enthält). Die Verklarung ist nur dann ein ausreichender Beleg, wenn sie „ohne Verzug" (HGB § 522 Abs. 2, H G u. OG Hamburg H G Z 1872. 2 1 3 , 383; vgl. H G Z 1895. 235) und auch im übrigen gemäß den gesetzlichen Vorschriften abgelegt ist, so im Ausland nach den ausländischen Vorschriften (OAG Lübeck HambS 5. 136, H G u. O G Hamburg H G Z 1871. 6, 88, 1874. 218). Besteht begründeter Verdacht, daß Konnossemente, Fakturen usw. unrichtig sind, so muß der Versicherungsnehmer andere Belege beibringen (Prot. 3555, H G u. O G Hamburg Ullrich Nr. 85). Das Konnossement verliert aber noch nicht dadurch die Eigenschaft eines genügenden Belegs, daß der Kapitän die versicherten Güter unterwegs rechtswidrig verkauft und mit dem Erlös flieht (HG u. O G Hamburg Seebohm 346; anders im Falle „betrüglichen Verhaltens hinsichtlich des Verlustes des Schiffes und eidlich abgelegter falscher Verklarung": H G Hamburg Ullrich Nr. 85). —• Nach R G 97. 320 darf „während des Krieges an die Notwendigkeit der Beibringung von Belegen nicht derselbe Maßstab gelegt werden, wie im Frieden". Das war und
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ist richtig, soweit es selbstverständlich ist: Der Versicherer konnte früher und kann heute Belege nur soweit fordern, wie die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann, und außergewöhnliche Verhältnisse ( j e d e r Art) verlangen eine außergewöhnliche Beurteilung. Es ist aber unrichtig, wenn das R G a. a. O. hierüber hinaus für den Fall des Krieges auch an den Beweis der Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen stellt, als sie prozeßrechtlich angeordnet sind, und damit Belegungspflicht und Beweislast verwechselt; freilich kommt es a m Ende zu dem Schluß, daß „allerdings . . . die richterliche Überzeugung, ob ein Versicherungsfall vorliege, des genügenden Anhalts an feststehenden tatsächlichen Umständen nicht entbehren dürfe", und nimmt damit das vorher Gesagte wieder zurück (vgl. auch unten 33). Der Versicherer kann die „ B e l e g e " fordern, nicht nur ihre „ V o r l e g u n g " (so B G B §§259, 8 0 9 — 8 1 1 ) . E r kann jedenfalls ihre U b e r g a b e fordern, ihre „ B e i b r i n g u n g " : A D S § 44 Abs. 1). Soweit er dafür nach § 32 Abs. 1 Nr. 3 zu zahlen hat, ihre Übergabe zu Eigentum; im übrigen ihre Belassung während der zur Prüfung erforderlichen Zeit (vgl. B G B § 402). I m übrigen gilt für die Belegungspflicht dasselbe wie von der Auskunftspflicht. Vgl. daher oben Anm. 1 1 ff. 1 3 . Ist die Leistung, die Erteilung von Auskunft, insbesondere die Beibringung von Belegen, u n m ö g l i c h , so ist der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet (oben A n m . 19, H G u. O G Hamburg H H 269; schief R G 89. 40, R G H G Z 1 9 1 9 . 26, H G Z 1 9 1 6 . 149: I m § 8 8 4 H G B werde „die Möglichkeit der Beschaffung dieser Urkunden durch den Versicherten stillschweigend unterstellt"). Wird sie unmöglich, so wird er von der Verpflichtung frei — ohne weiteres, wenn sie unvertretbar, gegen die Pflicht zum Schadensersatz, wenn sie vertretbar unmöglich wird ( B G B §§ 275, 280; H G Z 1 9 1 8 . 6, 8, 18). Ist oder wird die Beibringung der nächstliegenden Belege unmöglich, so kann es kommen, daß dem Versicherungsnehmer die Beibringung anderer Belege zuzumuten ist ( E h r e n b e r g 478; vgl. auch oben A n m . 28). Siehe über die Zumutbarkeit der Beschaffung auch B r u c k - M ö l l e r A n m . 24 zu § 34 V V G . 14. B e w e i s l a s t . Der Versicherer, der Auskunft und Belege verlangt, muß beweisen, daß der Versicherungsfall eingetreten ist; der Versicherungsnehmer, daß er die erforderliche Auskunft erteilt, die Belege, die er hat, und diejenigen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann, beigebracht hat oder die Erteilung von Auskunft, die Beibringung von Belegen unmöglich geworden ist ( E h r e n b e r g 478). Verlangt der Versicherer bestimmte Belege, so hat er zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Beleg hat oder daß ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden kann. — Verlangt der Versicherer Schadensersatz wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, so muß er auch beweisen, daß der Versicherungsnehmer die erforderliche Auskunft nicht erteilt oder die Belege nicht beigebracht hat, die er hatte oder deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden konnte; der Versicherungsnehmer, daß ihm kein Verschulden trifft (vgl. § 40 Anm. 17). 15. Die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers ist eine „ v o m Prozeß unabhängige Rechtspflicht" (was oft verkannt ist, vgl. § 28 A n m . 9, auch R G 97. 3 1 9 . H G Z 1 9 1 8 . 67). Sie erlischt selbstverständlich nicht mit Erhebung der Entschädigungsklage ( E b e r h a r d 34). U n d sie „entbindet deshalb den Versicherungsnehmer nicht von der B e w e i s l a s t , die ihm in einem Rechtsstreit mit dem Versicherer obliegt; i m P r o z e ß muß der Versicherungsnehmer, wenn er obsiegen will, den Eintritt des Versicherungsfalls und den U m f a n g des Schadens nach Maßgabe der Vorschriften der Z P O dartun" (Begr. z. V V G § 34); „ a u c h in Assekuranzstreitigkeiten müssen die gewöhnlichen Grundsätze von der Beweislast Anwendung finden" (so mit Recht schon
§ 43
Anm. 29
Anm. 30 Anm. 31
Anm. 32
A n m . 33
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§ 43 O A G Lübeck Thöls Entscheidungsgründe 358). Hiernach ist ζ. B. die Auffassung unhaltbar, daß „die glaubwürdige und ordnungsmäßige Aufstellung (abhandengekommener oder zerstörter Waren) genügt, um dem Versicherer den Gegenbeweis aufzubürden" (so O A G Lübeck SA 23 Nr. 132 und Z H R 19. 280, H A H Nürnberg SA 27 Nr. 1 7 1 , O L G Kiel SA 41 Nr. 56). Ebenso die Auffassung, daß auch für die Beweisführung im Prozeß die Beibringung der im § 884 H G B bezeichneten „Belege" genüge und es hiernach Sache des Versicherers sei, den Gegenbeweis zu führen (so offenbar S i e v e k i n g 191, H G Z 1882. 68, 1909. 170, 1910. 2 1 1 , H G u. O G Hamburg Ullrich Nr. 85; O A G Lübeck Kierulfl"4. 60: „ I m Assekuranzprozeß brauche, insoweit es auf die Feststellung des Schadens ankomme, ein den Anforderungen der Theorie des gemeinen Zivilprozesses entsprechender Beweis nicht notwendig geliefert zu werden, reichten unter Umständen selbst einfache Bescheinigungen aus, um die richterliche Uberzeugung zu bestimmen"; ähnlich O A G Lübeck, O L G Kiel SA 23 Nr. 132, 41 Nr. 56, auch H G Z 1909. 1 7 1 : „Gerade, weil vertragsmäßig eine weitgehende Beweiserleichterung wegen der Schwierigkeit der Beschaffung anderer Beweise bedungen worden sei, müsse da auf schlüssige und hinreichende Beweisführung gedrungen werden, wo eine solche Schwierigkeit nicht vorliege oder gar, wie im gegenwärtigen Falle, der Versicherte eine auffällige und ausdrücklich gerügte Lässigkeit in der Beschaffung von Feststellungen und Nachweisen unaufgeklärt lasse"). Allerdings war es die Auffassung, die dem A D H G B zugrunde lag, daß auch für die Beweisführung im Prozeß die Vorlegung der im § 884 H G B bezeichneten Belege im allgemeinen genüge. Art. 889 A D H G B bestimmte: „Auch im Falle eines Rechtsstreits ist den im Art. 888 bezeichneten Urkunden in der Regel und, insofern nicht besondere Umstände Bedenken erregen, Beweiskraft beizulegen" (vgl. auch Prot. 3553—3555). Aber Art. 889 A D H G B ist durch § 13 E G z Z P O aufgehoben worden und für Versicherungsprozesse gilt seitdem nichts anderes als für andere Rechtsstreitigkeiten. Kann der Güterversicherte die Konnossemente nicht vorlegen, so entfällt zwar seine Verpflichtung, sie vorzulegen. Kann er aber nur durch Vorlegung der Konnossemente nachweisen, daß er zur Zeit des Versicherungsfalls der Interessent war, so muß die Entschädigungsklage abgewiesen werden, wenn er die Konnossemente nicht vorlegen kann (HGZ 1918. 67, freilich mit einer Begründung, die erkennen läßt, daß man sich über den Unterschied zwischen der privatrechtlichen Belegungspflicht und der prozeßrechtlichen Beweislast nicht klar war). — Auch im Rechtsstreit wirksame Beweisvereinbarungen enthalten nur die Bestimmungen der A D S über die Feststellung von Schäden: §§ 74, 93 usw. Uber die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen: E b e r h a r d 68, L Z 1 9 1 3 . 2 4 4 ; H G Z 1882.49 zu §§58, 60 BSVB. Anm. 34
16. Die Parteien können a b w e i c h e n d e s v e r e i n b a r e n . Sie können vereinbaren, daß der Versicherungsnehmer von der Aufklärungspflicht des § 43 frei sein soll. Sie können auch vereinbaren, daß der Versicherungsnehmer von der prozeßrechtlichen Beweislast frei sein soll. — B e i s p i e l e solcher Klauseln: „Interesse erwiesen". R G 43. 143. „Ohne weiteren Beweis als die Police". R G 83. 166. „ I m Schadensfall soll die Police als alleiniger Beweis des Interesses gelten". H G Hamburg H H 141. „ I m Schadensfall bedarf es keines weiteren Nachweises des Interesses als nur diese Police". R G H G Z 1893. 189, H G Z 1893. 10, 1897. 13. „Ohne weiteren Nachweis des Interesses". R G 25. 79, R G H G Z 1890. 83, H G Z 1889. 261, 1895. 79. „Ohne Nachweis des Interesses abseiten des Versicherungsnehmers". L G Hamburg H G Z 1896. 309.
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„Das Interesse wird auf 50000 Μ taxiert, ohne daß dafür ein weiterer Beweis als § 43 diese Police oder eine Angabe des Interesses gefordert werden kann". H G Z 1903. 41. „Das Interesse dieser Police ist als erwiesen anerkannt und bedarf es im Schadensfall keines weiteren Nachweises als dieser Police". H G Z 1916. 94. „Der Versicherer verzichtet auf jeden weiteren Nachweis der Taxe und des Interesses". R G 1 5 . 8 4 . „Taxiert zu 10000 Μ als Versicherungswert geltend, auf Basis gegenseitiger Ubereinkunft ohne weiteren Beweis". R G 36. 1 3 1 , H G Z 1895. 257. „Ohne weiteren Nachweis des Interesses und der Taxe". H G u. O G Hamburg H H 614. „Diese Police allein genügt als Beweis des vorhandenen Interesses sowohl wie der Taxe, welche beide als erwiesen angesehen werden". H G u. O G Hamburg, O A G Lübeck Kierulff 3. 998, H G Z 1866. 201. „Ohne weiteren Nachweis hinsichtlich der T a x e " . H G u. O G Hamburg H G Z 1872. 32, 382. „ I m Schadensfall gilt diese Police als alleiniger Beweis des Interesses und der stattgefundenen Verladung". A G u. L G Hamburg H G Z 1884. 145. „Die Police soll als alleiniger Beweis des Interesses sowie der Höhe desselben dienen". L G Hamburg H G Z 1885. 102. „ I m Schadensfall gilt diese Police als alleiniger Nachweis des Interesses und der Versicherungssumme". H G Z 1893. 169. „Taxiert zu Μ 8ooo ohne weiteren Beweis . . . " . H G Z 1895. 95. „Ohne weiteren Nachweis des Interesses und der Taxe als diese Police". H G Z 1908. 217. „Taxiert zu 12000 Μ ohne weiteren Nachweis des Interesses und Betrags". H G Z 1 9 1 1 . 297. Klauseln dieser Art sind übrigens nicht so sehr bei der Versicherung des Schiffes Anm. 35 oder der Güter, also bei der Versicherung des gewöhnlichen Eigentümerinteresses, als vielmehr bei der Versicherung von Nebeninteressen, insbesondere von Gewinn-, Provisions-, Mehrwert-Interessen, üblich. Sie b e f r e i e n den Versicherungsnehmer in erster Linie v o n d e r p r o z e ß r e c h t l i c h e n B e w e i s l a s t . Ihre Zulässigkeit war streitig. „ D a das Verbot der Versicherungen ohne Interesse auf rechtspolitischen Gründen beruht, so müßte, streng genommen, ein Verzicht auf den Nachweis des Interesses nicht gestattet sein", •— meinte Begr. z. PreußE 364 (vgl. auch Prot. 3570). Überdies war das ältere hamburgische Recht und war und ist das englische Recht solchen Klauseln abhold (§ 2 Anm. 12). Hieraus erklärt sich die ausdrückliche Vorschrift des § 885 HGB, daß solche Klauseln „gültig" sind, „jedoch unbeschadet des Rechtes des Versicherers, das Gegenteil zu beweisen". Die Vorschrift ist überflüssig. Denn man kann sich abstrakt verpflichten; also so, daß der Kläger den Schuldgrund nicht einmal anzugeben braucht (weshalb es sich auch, genauer, nicht sowohl um die prozeßrechtliche Beweislast, als vielmehr um die privatrechtliche Zulässigkeit einer bestimmten Verpflichtungsart handelt). Und das Recht des Versicherers, das Gegenteil zu beweisen, kann natürlich nicht wegbedungen werden; denn es gehört dem öffentlichen Rechte, dem Prozeßrecht an. Klauseln dieser Art befreien den Versicherungsnehmer aber auch v o n d e r p r i v a t - Anm. 36 r e c h t l i c h e n B e l e g u n g s p f l i c h t . Denn auch diese ist eine Beweispflicht. Zwischen ihr und der prozeßrechtlichen Beweispflicht hat man früher nicht immer scharf unterschieden (oben Anm. 33). Die Klauseln lassen nicht erkennen, daß der Versicherungsnehmer nur von der prozeßrechtlichen Beweispflicht frei sein soll. Die Assekuradeure
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§ 43 sind zwar bei der Abfassung der A D S anderer Meinung gewesen (vgl. auch Mat. ι . 189). Sie hatten sich gegen die Gefahr des Mißbrauchs der Klauseln durch die Bestimmung schützen wollen, daß der Versicherungsnehmer, der keine Belege vorzulegen brauche, seine Angaben über das versicherte Interesse usw. wenigstens glaubhaft machen müsse (E 1910 §47). Diese Bestimmung war nicht durchzusetzen. Die Assekuradeure haben sich deshalb im § 43 an V V G § 34 angeschlossen und geglaubt, die damit angeordnete privatrechtliche Auskunfts- und Belegungspflicht werde durch die Klauseln nicht berührt. Diese Auffassung wird sich aber für die B e l e g u n g s p f l i c h t nicht rechtfertigen lassen. Der Versicherungsnehmer braucht nicht zu belegen, soweit die Klausel ihn vom Nachweis befreit. Sein Entschädigungsanspruch wird insoweit trotz § 44 Abs. 1 auch ohne Beibringung von Belegen fällig. Die A u s k u n f t s p f l i c h t dagegen wird durch die Klauseln jedenfalls n i c h t b e r ü h r t . Weder durch ihren Wortlaut noch durch ihre Bedeutung. Auch die Auskunftspflicht wegzubedingen, besteht j a auch für den redlichen Geschäftsverkehr kein Grund. Demgemäß hat man auch früher stets angenommen, daß der Versicherungsnehmer trotz der Klauseln verpflichtet sei, das Interesse, den Schaden usw., kurz die tatsächlichen Voraussetzungen seines Entschädigungsanspruchs, anzugeben, darzulegen ( V o i g t 595, 771, S i e v e k i n g 194, F. S i e v e k i n g Z f V W 1906. 594, H G Z 1889. 261, 1892. 180, 1897. 14, L G Hamburg H G Z 1896. 309). Das war auch die Auffassung der Urheber des A D H G B , vgl. Prot. 3 5 7 1 : „ E s verstehe sich von selbst, daß der Versicherte durch die fragliche Verabredung von nichts weiter als dem Beweise, also nicht auch von der Verbindlichkeit, alles zur Begründung seines Anspruchs Erforderliche zu behaupten, frei werde. Die fragliche Verabredung könne somit keine andere Folge haben, als daß die von dem Versicherten behaupteten, zur Begründung seiner Forderung ausreichenden Tatsachen ihm ohne Beweisführung, jedoch vorbehaltlich des Gegenbeweises, geglaubt würden". Mißverständlich R G 83. 1 7 1 : Bei der Interessenversicherung mit der Klausel „ohne weiteren Beweis als die Police" sei der Versicherungsnehmer „an sich nicht gehalten, sein Interesse darzutun" (gemeint ist wohl: „zu beweisen"). Anm. 37
Im einzelnen: a) Die Klausel, die vom N a c h w e i s des I n t e r e s s e s befreit. Das Interesse muß beim Vertragsschluß richtig bezeichnet werden (§ 1 Anm. 177). Ist es bezeichnet, so braucht der Versicherungsnehmer es im Versicherungsfall nicht zu beweisen und natürlich auch nicht einmal anzugeben. Sind „ a n den Kapitän geleistete Vorschußgelder" mit der Interessenbeweis-Klausel versichert, so ist damit das Interesse bezeichnet und nicht mehr anzugeben; der Versicherungsnehmer muß aber auf Verlangen des Versicherers (wenn auch nicht belegen, so doch) Auskunft darüber geben, von welcher Art die versicherte Forderung ist (HG u. O G Hamburg H H 613, O G Hamburg Kicrulff 3. 1 0 1 3 ; abw. ohne Grund O A G Lübeck KierulfF 3. 1016: diese Auskunft könne der Versicherer erst nach der Entschädigung verlangen). Ist extraimaginärer Gewinn für die behaltene Ankunft der Güter mit einem bestimmten Schiffe versichert und die Interessenbeweis-Klausel vereinbart, so ist damit das Interesse bezeichnet und nicht mehr anzugeben; der Versicherungsnehmer muß aber auf Verlangen des Versicherers darüber Auskunft geben, weshalb der Gewinn von der Ankunft der Güter gerade mit dem bestimmten Schiffe abhing (dahingest. H G Z 1893. 172). Sind „Effekten" und „Proviant" mit der Interessenbeweis-Klausel versichert, so muß der Versicherungsnehmer angeben, welche Effekten und welcher Proviant den Gefahren der Seeschiffahrt ausgesetzt worden sind (ansch. abw. H G Z 1 9 1 1 . 298). Ist die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, genommen, so befreit die InteressenbeweisKlausel den Versicherungsnehmer nicht von der Verpflichtung, Auskunft darüber zu geben, für wessen Rechnung die Versicherung genommen ist (HG Hamburg H H 141), den Versicherten nicht von der Verpflichtung, darüber Auskunft zu geben, welches
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Interesse versichert ist und daß dies Interesse ihm zusteht ( H G Z 1 9 1 6 . 94). Die Inter- § 4 3 essenbeweis-Klausel befreit nur vom Nachweis des Interesses, nicht vom Nachweis, daß (objektiv) Versicherungsschaden entstanden ist ( H G Z 1855. 102, 1893. 189, 1897. 1 3 , 1908. 222). — Bei der Güterversicherung befreit die Klausel, „ d a ß das K o n nossement nicht vorzulegen ist", nur vom Nachweis der Verladung, nicht vom Nachweis des Interesses, auch nicht vom Nachweis, daß der Schaden während der Dauer der Versicherung entstanden ist ( H G B § 885 Abs. 2; vgl. dazu Begr. ζ. Ε i g i o §§ 4 5 — 4 8 : dies ergebe sich „aus den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen"). — Hin und wieder wird der Versicherungsnehmer auch von der Verpflichtung, das Interesse nur anzugeben, also über das Interesse Auskunft zu erteilen, befreit (vgl. H G Z 1903. 4 1 : „ A u f die behaltene Ankunft . . . des Schiffes . . ., wobei . . . das Interesse auf Μ 50000 taxiert wird, ohne daß dafür ein weiterer Beweis als diese Police oder eine Angabe des Interesses gefordert werden k a n n " ) . b) Die Klausel, die vom N a c h w e i s d e r T a x e befreit. Sie ist von geringerer Anm. 38 Tragweite. Denn es ist j a gerade die Bedeutung der T a x e , daß sie für den Versicherungswert „ m a ß g e b e n d " ist. Der Versicherer kann nur Herabsetzung der T a x e verlangen und muß, wenn er Herabsetzung verlangt, ohnehin beweisen, daß die T a x e erheblich übersetzt ist ( § 6 Abs. 2; vgl. die, freilich unklare, Entscheidung H G Z 1 9 0 8 . 2 2 2 ; ähnlich übrigens schon die Police bei L a n g e n b e c k 378: . . . taxeerd . . . op . . . waermeede w y te Vreden zyn, al is't, dat deselve meer ofte minder kosten of waerdig zyn, soo dat den geassureerden in Cas van Schade of Verlies, (dat Godt verhoede) ongehouden sal zyn, hier van eenig ander Bewys of Reekening te toonen, als alleenlyk dese Police, vgl. auch die Police von 1628 bei K i e s s e l b a c h 173). Aber in gewissen Fällen ist die T a x e nicht maßgebend; insbesondere gilt dies von der Frachttaxe (§ 107 Abs. 3 ; ferner §§ 108 Abs. 3, 109 Abs. 1). F ü r diese Fälle hat die Taxenbeweis-Klausel die gewöhnliche Bedeutung (worauf A S V B § 16 Abs. 5 a. E . noch besonders hinweist); in diesen Fällen pflegt deshalb auch die Taxenbeweis-Klausel vorzugsweise vereinbart zu werden (§ 6 Anm. 25). U n d in jedem Falle braucht der Versicherungsnehmer über den wirklichen Versicherungswert (zwar Auskunft zu erteilen, aber) keine Belege beizubringen (§ 6 Anm. 34). — Die Taxenbeweis-Klausel befreit allein natürlich nicht vom Nachweis des Interesses ( R G 36. 1 3 1 , H G Z 1895. 95, 257, H G u. O G H a m b u r g H G Z 1872. 3a, 3 8 2 ; abw. G e r h a r d 239, 269 unter irrtümlicher Berufung auf R G 2 5 . 8 3 , ansch. auch R e h m Z f V W 1 9 1 1 . 473). ·— Der Versicherungsnehmer braucht natürlich auch nicht den Wert der taxierten Sachen a n z u g e b e n . Denn der Wert ist j a schon in der T a x e angegeben. Hat der Versicherungsnehmer Effekten und Proviant „taxiert zu 12000 Μ ohne weiteren Nachweis des Interesses und Betrags" versichert und vereinbart, daß, „ w a s von den versicherten 12000 Μ nicht auf Effekten und Proviant valediere, ohne irgendwelchen Nachweis auf die behaltene Ankunft und Entlöschung des Dampfers taxiert gelte", so kann er sich zunächst auf die T a x e und die Taxenbeweis-Klausel berufen und braucht sein sonstiges Interesse und dessen Wert erst anzugeben, wenn dem Versicherer der Beweis gelungen ist, daß die T a x e von 12000 Μ erheblich übersetzt und deshalb herabzusetzen ist (vgl. H G Z 1 9 1 1 . 2 9 8 ) . c) Die Klausel, die vom N a c h w e i s d e s S c h a d e n s befreit, ist gewöhnlich die Anm. 39 Erreichungsklausel: „ D i e Versicherungssumme ist mit 1 0 0 % zu bezahlen, wenn das Schiff wegen Seeschadens seinen Bestimmungsort nicht erreicht" (näheres über diese Klausel: § 120 Anm.). Der Versicherungsnehmer braucht nur zu beweisen, daß das Schiff wegen Seeschadens den Bestimmungsort nicht erreicht hat; der Versicherer muß beweisen, daß kein Versicherungsschaden entstanden ist (vgl. ζ. B. H G Z 1893. 169). Die Klausel befreit natürlich nicht vom Nachweis des Interesses ( S i e v e k i n g 193, H G Z 1895. 2 5 7 ; vgl. auch oben A n m . 38; abw. H G Z 1889. 284, eine Entscheidung, die
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§ 43 offenbar dadurch beeinflußt ist, daß auch die Klausel vereinbart war: „Die Police gilt als alleiniger Beweis des Interesses"; mißverständlich RG 47. 179: Der Versicherungsnehmer könne „im Schadensfall die volle Versicherungssumme einfordern, ohne daß ihm noch eine genauere Darlegung seines Interesses oder die Beibringung weiterer Belege angesonnen werden dürfe"; mißverständlich auch V o i g t 169, F. S i e v e k i n g ZfVW 1906. 595, HGZ 1892. 180, 1894. 283). — Darüber, daß in diesen Fällen die Versicherungssumme auch als Taxe gilt: § 6 Anm. 22, auch HGZ 1897. 17. Anm. 40 d) Der Versicherer kann sich bei der F ü h r u n g des ihm nach den Beweisklauseln obliegenden G e g e n b e w e i s e s natürlich aller Beweismittel bedienen. Er kann insbesondere gemäß §§ 421 ff. ZPO beantragen, daß dem Versicherungsnehmer aufgegeben werde, Urkunden, die sich in seinen Händen befinden, vorzulegen (OG Hamburg, OAG Lübeck HGZ 1869. 243, 439; abw. HGZ 1911. 298, H G Hamburg HGZ 1869. 242). Er kann auch den Beweis durch Parteivernehmung gemäß §§ 445 fr. ZPO führen. Aber auch nur gemäß diesen Vorschriften. Insbesondere kommen nur Tatsachenurteile, die dem Versicherungsnehmer zugemutet werden können, für die Parteivernehmung in Betracht. Hiernach bestimmt sich ζ. B., ob eine Parteivernehmung des Versicherungsnehmers darüber zulässig ist, daß er das von ihm behauptete Interesse besessen habe oder besitze, oder ob dieses Interesse den behaupteten Wert gehabt habe. Anm. 41 17. § 43 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Der Rückversicherer kann an und für sich nur vom Vorversicherer Aufklärung verlangen. Aber der Vorversicherer hat im Rahmen seiner Auskunftspflicht auch die Erkundigungspflicht (oben Anm. 16). Der Rückversicherer kann also auch verlangen, daß der Vorversicherer vom Vorversicherten Auskunft einhole (§ 1 Anm. 158); der Vorversicherer muß, wenn der Rückversicherer Auskunft verlangt, auch ohne weiteres pflichtgemäß vom Vorversicherten Auskunft einholen. Das ergibt sich hier übrigens regelmäßig auch schon aus der Schadenabwendungs-Pflicht des Vorversicherers. — Hat der Vorversicherer (wie regelmäßig) das Abwicklungsrecht, so braucht er vom Vorversicherten Auskunft nur einzuholen, wenn und soweit ein verständiger, billig denkender, nicht rückversicherter Versicherer sie verlangen würde (§ 1 Anm. 154). Dasselbe gilt von der Verpflichtung des Vorversicherers, vom Vorversicherten die Herbeiführung einer Verklarung zu verlangen. Anm. 42 Die zum Schutze des Versicherers bestimmten Kontrollvorschriften, insbesondere die Aufklärungspflicht des § 43, genügen an und für sich auch für die Rückversicherung. Anders, wenn der Vorversicherer des Abwicklungsrecht hat. Die Aufklärungspflicht würde insbesondere nicht hindern, daß der Vorversicherer wichtige Vorkommnisse dem Rückversicherer verschweigt oder entstellt. Man ist daher einig, daß dem Rückversicherer, der die Abwicklung dem Vorversicherer überlassen hat, über die rein versicherungsrechtlichen hinausgehende Kontrollrechte zustehen müssen und zustehen (freilich auch, daß die Ausübung dieser Rechte den Beweis ernsten Mißtrauens darstellen, die Grundlage des Rückversicherungs-Verhältnisses erschüttern würde und deshalb tatsächlich so gut wie niemals vorkommt). Man ist auch einig, daß der Rückversicherer nach § 259 BGB verlangen kann, daß der Vorversicherer R e c h e n s c h a f t ablegt, „eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitteilt" und die zugehörigen Belege vorlegt. „Das BGB hat die Voraussetzungen der Rechenschaftspflicht nicht durch eine allgemeine Formel festgelegt. Es hat die Pflicht in zahlreichen Einzelfällen ausgesprochen; so namentlich für den Beauftragten (§ 666), den Geschäftsführer infolge Dienst- oder Werkvertrags (§ 675), den unbeauftragten Geschäftsführer (§ 681 Abs. 2) und den geschäftsführenden Gesellschafter (§ 7 r 3) · · · Aus diesen Einzelfällen darf man den Grundsatz ableiten, daß rechenschaftspflichtig ist, wer fremde Angelegenheiten oder solche, die zugleich eigene und fremde
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sind, besorgt. W e n n in der R e c h t s p r e c h u n g d e m tantiemeberechtigten Angestellten . . . § 4 3 der Anspruch auf Rechnungslegung versagt wird, so steht das hiermit nicht in Widerspruch. H a n d e l t es sich n u r u m ein R e c h t auf Gewinnanteil, so erscheint die E r w ä g u n g , d a ß der Bezugsberechtigte keinen Einfluß auf die F ü h r u n g des Geschäfts h a b e n soll, geeignet, das Ergebnis zu rechtfertigen. Anders verhält es sich aber da, wo j e m a n d nicht n u r a m Gewinn beteiligt ist, sondern die Verpflichtung ü b e r n o m m e n h a t , zutreffendenfalls z u r D e c k u n g eines Verlustes beizutragen. In solchen Fällen wird das Geschäft auf gemeinschaftliche R e c h n u n g geführt, u n d wo das gilt, entspricht es T r e u u n d G l a u b e n , d a ß der I n h a b e r d e n anderen Teil in d e n S t a n d setzt, die R e c h n u n g n a c h z u p r ü f e n " . So im allgemeinen mit R e c h t R G 73. 288. Der Rückversicherer h a t sich verpflichtet, „zutreffendenfalls z u r Deckung eines Verlustes beizutragen". Der Vorversicherer f ü h r t das Geschäft „ a u f gemeinschaftliche R e c h n u n g " . E r ist also n a c h § 259 BGB verpflichtet, R e c h n u n g zu legen. D a m i t allein aber ist d e m R ü c k versicherer nicht gedient ( H e r r m a n n s d o r f e r 274). O f t wird vereinbart, d a ß der Rückversicherer B ü c h e r u n d P a p i e r e d e s V o r - A n m . 43 V e r s i c h e r e r s e i n s e h e n k a n n . Vgl. ζ. B. R G 4. 15 im Falle eines wechselseitigen, beiderseits fakultativen Rückversicherungs -Vertrags: „ E s steht den beiden K o n t r a h e n t e n frei, ihre Bücher u n d Skripturen gegenseitig . . . einsehen zu lassen, soweit dieselben sich auf Versicherungen beziehen, die den vorstehenden V e r t r a g b e r ü h r e n " . Aber a u c h o h n e besondere V e r e i n b a r u n g wird m a n d e m Rückversicherer ein solches R e c h t in solchem U m f a n g zugestehen müssen. Aus d e m R e c h t e der gemeinbürgerlichen Gesellschaft ist es nicht abzuleiten (§ 1 A n m . 139, 154). Ebensowenig aus § 810 BGB (§ 1 A n m . 159). Ebensowenig aus d e m Wesen der laufenden Versicherung (§ 97 A n m . ) , abgesehen davon, d a ß es a u c h bei der Einzel-Rückversicherung bestehen m u ß . W o h l aber aus der N a t u r der auf Teilung des Risikos gerichteten Rückversicherung als eines partiarischen Geschäfts (§ : A n m . 154, 157). So mit R e c h t H e r r m a n n s d o r f e r 277. Die Rückversicherungs-Prämie ist nicht das Entgelt f ü r die Beteiligung. Was als G e w i n n sich herausstellt, k a n n nicht allein v o m Vorversicherer festgestellt werden. Wenigstens m u ß der Rückversicherer die Feststellung n a c h p r ü f e n können. Andererseits k a n n der Rückversicherer, d a er n u r an f r e m d e n Geschäften beteiligt, nicht Gesellschafter ist, die Einsicht in die Bücher u n d Papiere des Vorversicherers, der meist a u c h sein K o n k u r r e n t ist, nicht unbeschränkt verlangen. D e m Zwecke der Kontrolle u n d der Interessenlage entspricht, d a ß er Bücher u n d Papiere n u r insoweit einsehen k a n n , als es z u r F e s t s t e l l u n g s e i n e r B e t e i l i g u n g n ö t i g ist. E r k a n n dieses R e c h t a u c h d u r c h geeignete Bevollmächtigte ausüben lassen. E r darf es nicht zur Unzeit ausüben ( H e r r m a n n s d o r f e r 278). I n Rückversicherungs-Verträgen übliche B e w e i s k l a u s e l : „ Z u r Einkassierung A n m . 44 d e r Rückentschädigung genügt allein die Vorlage der Q u i t t u n g ü b e r den geleisteten E r s a t z " oder ähnlich (vgl. § 1 A n m . 154). Die Klausel befreit den Vorversicherer nicht von der Verpflichtung, Auskunft zu erteilen (oben A n m . 36), a u c h nicht von der Verpflichtung, Belege beizubringen ( E h r e n b e r g R V 136), insbesondere die Vorversicherungs-Police ( H G H a m b u r g H G Z 1866. 52), die Schadensrechnung des Vorversicherten u n d die über die Schadensfeststellung ausgestellten U r k u n d e n ( H G H a m b u r g H G Z 1874· 349, Seebohm 607). Der Entschädigungsanspruch des Vorversicherers wird j e d o c h trotz § 44 Abs. 1 ohne Beibringung weiterer Belege als der Q u i t t u n g des Vorversicherten fällig, u n d der Rückversicherer k a n n nicht wegen weiterer Belege zurückhalten. Hierauf beschränkt sich die W i r k u n g dieser Beweisklausel ( E h r e n b e r g R V 137). —· Die Klausel h a t noch eine andere Bedeutung. Sie gewährt d e m Vorversicherer das (ihm freilich im Zweifel ohnehin zustehende) Abwicklungsrecht (§ 1 A n m . 154).
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Schadensrechnung. Fälligkeit der Entschädigung
§ 43 18. Fremde Rechte. Das englische Recht hat keine besondere privatrechtliche Anm. 45 Aufklärungspflicht ausgebildet. Es bewendet bei den allgemeinen Grundsätzen über die Beweislast. Vgl. Arnould 1242fr. s. i264ff. Uber p.p. i.-Policen: § 2 Anm. 12. — Ahnlich das französische Recht.
§ 4 4 Schadensrechnung. Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs (1) Der Versicherungsnehmer kann die Zahlung nicht eher verlangen, als er dem Versicherer eine Schadensrechnung mitgeteilt sowie die von dem Versicherer geforderten Belege beigebracht hat und seit der Erfüllung dieser Obliegenheiten ein Monat verstrichen ist. Sind die Obliegenheiten bis zum Ablauf eines Monats seit der Andienung des Schadens infolge eines Umstandes, den der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat, nicht erfüllt, so kann der Versicherungsnehmer in Anrechnung auf die Gesamtforderung die Zahlung von drei Vierteilen des Betrags verlangen, den der Versicherer nach Lage der Sache mindestens zu zahlen hat. (2) Die Schadensrechnung muß eine geordnete Zusammenstellung der Beträge enthalten, die der Versicherer für die einzelnen Schäden und Aufwendungen zu entrichten hat. Im Falle einer besonderen Haverei ist sie auf Verlangen des Versicherers von einer nach dem Gesetze oder nach dem Ortsgebrauche dazu berufenen Person an dem Orte, wo die Entschädigung zu entrichten ist, aufzustellen. Anm. 1
j. Vgl. HGB §§ 882, 892, ASVB §§ 69 Abs. 3 Satz 3, 142, 152, 153. BSVB §§ 55, 63, 66 Abs. 2. — L i t e r a t u r : § 43 Anm. 2. Anm. 2 2. Abs. 1 Satz 1. Schadensersatz-Ansprüche werden an und für sich mit der Entstehung des Schadens fällig. Anders nach § 44 Abs. 1: Der Entschädigungsanspruch ist nicht eher fällig, der Versicherungsnehmer kann die Zahlung (die Entschädigung für gewöhnlichen Versicherungsschaden oder für Aufwendungsschaden) nicht eher verlangen (vgl. auch R G 121. 396 = HansRGZ 1928. Β 643 = H R R 1929 Nr. 326 = JW 1928. 3178), als a) er dem Versicherer eine Schadensrechnung mitgeteilt hat (unten Anm. 3 ff-)> b) er die (vom Versicherer mit Recht verlangte Auskunft erteilt und die dazu gehörenden, nach § 43 Satz 2 mit Recht) vom Versicherer geforderten Belege beigebracht hat (§ 43 Anm. 23 ff.), und c) seitdem ein Monat verstrichen ist. Fristberechnung: BGB §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3, 193. Wenn der Schaden am 1. Februar entsteht, dem Versicherer am 15. Februar Schadensrechnung mitgeteilt wird, der Versicherer am 1. März Auskunft und Belege (oder auch Aufstellung der Schadensrechnung durch eine dazu berufene Person: § 44 Abs. 2 Satz 2) verlangt, dem Verlangen am 15. März entsprochen wird, wird der Entschädigungsanspruch am 16. April fällig. Der Versicherer kann so die Fälligkeit hinausschieben. Geschieht dies gegen Treu und Glauben, so hat der Versicherungsnehmer die replica doli (BGB § 826, ADS § 13; ähnlich, aber wohl zu weitgehend: Roelli 499: Fordere der Versicherer nicht binnen angemessener Frist Aufklärung, so könne er sich nicht auf die Fälligkeitsfrist berufen). Läuft nach Mitteilung
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der Schadensrechnung die Monatsfrist ab, ohne daß der Versicherer Auskunft usw. verlangt, so wird der Entschädigungsanspruch ohne weiteres fällig; der Versicherer kann die Fälligkeit nicht dadurch wieder beseitigen, daß er nachträglich Auskunft usw. verlangt. Doch hat der Fristablauf auch lediglich die Wirkung, daß die Fälligkeit eintritt. In der Geltendmachung seiner Einwendungen gegen den Entschädigungsanspruch wird der Versicherer durch den Fristablauf nicht beschränkt (LG Berlin J R P V 1928. 219 = Sasse Nr. 712). — Durch die bloße Fälligkeit kommt der Versicherer nicht in V e r z u g . Die Fälligkeit hat nur die Folge, daß er gemäß § 353 HGB Zinsen zahlen muß. Der Versicherungsnehmer muß den Versicherer durch M a h n u n g in Verzug setzen (BGB § 284). Aber auch die Mahnung führt den Verzug nicht herbei, wenn der Versicherer nicht zahlt, ohne daß ihn ein V e r s c h u l d e n trifft (BGB § 285). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Entschädigungsanspruch dem Grunde nach, sei es tatsächlich, sei es rechtlich, streitig ist. „Wenn der Versicherer in redlicher Uberzeugung streitet und die gerichtliche Entscheidung und Feststellung über unaufgeklärte tatsächliche oder zweifelhafte rechtliche Fragen herbeiführt, so befindet er sich nicht im Verzug, si quis solutioni quidem moram fecit, judicium autem accipere paratus fuit, non videtur fecisse moram, utique si juste ad judicium provocavit; mora non adest, quamdiu quod debetur, justa causa litigandi est (1. 24 D. de us. 22. 1,1. 63 D. de R. J . usw.)". So HGZ i8gg. 18. Sehr viel zurückhaltender OLG Hamburg H R Z 1922. 201: Mit der Entschuldigung „sei es so streng zu nehmen, daß tatsächlich in der Regel Verzug festzustellen sein werde" (dagegen G o t t s c h a l k NeumannsZ 1922. 389, J o s e f MittöffFVA 1922. 145, nicht überall zutreff.). Die erste Entscheidung geht nach der einen, die zweite nach der anderen Seite zu weit. Vgl. auch A n o n . NeumannsZ 1922. 221, D u r s t NeumannsZ 1922. 285 über den durch Währungssturz herbeigeführten Verzugsschaden, auch K G APV 1921. II. 63, 78. In LG Hamburg H R Z 1924. 180 = HGZ 1924 Nr. 22 = Sasse Nr. 702 ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß in der Andienung (§ 42) keine Mahnung liegt. Vgl. für unverschuldeten Rechtsirrtum als Verzug ausschließenden Umstand insbesondere auch RG 146. 133, 148. 225, 156. 120, ferner BGH LM 1 zu § 285 BGB und LM 2 zu ADS. In der letztgenannten Entscheidung heißt es, der Seeversicherer könne sich für Verzug ausschließenden Rechtsirrtum nicht darauf berufen, daß er für die Wertung des Verhaltens eines Kapitäns als grobe Fahrlässigkeit das Urteil eines gerichtlichen nautischen Sachverständigen abgewartet habe, wenn das tatsächliche Verhalten des Kapitäns und alle für die Wertung seines Verhaltens maßgebenden Umstände feststehen und es sich nur noch um dieses Werturteil selbst handelt. 3. S c h a d e n s r e c h n u n g , a) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r muß sie mitteilen. Uber den Begriff des Versicherungsnehmers, über den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer beteiligt sind, über den Fall der Abtretung des Entschädigungsanspruchs, über den Fall der Versicherung für fremde Rechnung und der Veräußerung: § 42 Anm. 4. b) Dem V e r s i c h e r e r ist die Rechnung mitzuteilen. Näheres: § 42 Anm. 6. c) Die M i t t e i l u n g der Rechnung ist eine empfangsbedürftige Tatsachenerklärung. Uber empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33. — Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben. Aus dem Begriff der „Rechnung" aber folgt, daß sie eine (nicht notwendig unterschriebene) Urkunde sein muß. — I m Falle einer besonderen Haverei ist die Rechnung auf Verlangen des Versicherers von einer nach d e m Gesetz oder nach d e m Ortsgebrauch dazu berufenen Person aufzustellen (Abs. 2 Satz 2). Siehe auch die Schadensfeststellungsklausel 21 der Zusatzbestimmungen. Zu den ADS für die Güterversicherung (1947), wonach, falls in der Police oder einem Policenzertifikat Schadensfeststellung durch einen bestimmten Havereikommissar vorgeschrieben ist, dieser unverzüglich zuzuziehen ist.
§ 44
Anm. 3
Anm. 4 Anm. 5
672 § 44
Anm. 6
Schadensrechnung. Fälligkeit der Entschädigung
i. Besondere H a v e r e i ist jeder Versicherungsschaden (gewöhnlicher Versicherungsschaden oder Aufwendungsschaden), der kein Havariegrosse-Schaden ist, sowie derjenige Havariegrosse-Schaden, der gemäß § 31 wie besondere Haverei behandelt werden soll. Vgl. HGB § 701, aber auch § 30 Anm. 11. 2. Der Versicherer kann verlangen. Wenn mehrere Versicherer beteiligt sind, jeder einzelne; nicht der eine für den anderen; wohl aber der „Führer" auch für die übrigen (Vorb. vor § 1 Anm. 46). 3. Der Versicherer kann verlangen. Das Verlangen ist, seinem natürlichen Begriff nach, eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Willenserklärung. Uber empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33. Das Verlangen ist gegenüber demjenigen zu erklären, der Entschädigung verlangen kann und verlangt. Über Erklärungen gegenüber Vertretern, insbesondere Gesamtvertretern: § 3 Anm. 18. 4. Personen, die nach dem Gesetz zur Aufstellung von Schadensrechnungen in Fällen besonderer Haverei b e r u f e n sind, gibt es in Deutschland im allgemeinen nicht (Ausnahme: HGB § 884 Nr. 4 für den Fall des Teilschadens am Schiffe; vgl. aber § 126). Gemeint sind die nach dem Gesetz zur Aufstellung von Havariegrosse-Dispachen berufenen Personen, obwohl es sich hier nicht um eine Dispache im Sine des Havereirechts handelt (HansOLG J R P V 1927. 150 = Sasse Nr. 370). Zu dem vorstehenden Satz: § 30 Anm. 12. — Über Personen, die nach dem Ortsg e b r a u c h berufen sind: § 30 Anm. 12. — Unter mehreren hiernach berufenen Personen hat der Versicherer die Wahl. 5. Die Schadensrechnung ist aufzustellen, wo die E n t s c h ä d i g u n g zu entrichten ist, wo der Versicherer zu entschädigen hat, wo für den Versicherer der Erfüllungsort ist. Näheres: Vorb. V I I vor § 1.
d) Die Schadensrechnung muß eine geordnete Zusammenstellung der Beträge enthalten, die der Versicherer für die einzelnen Schäden und (oder) Aufwendungen zu entrichten hat (Abs. 2 Satz 1). — Sie „muß": sonst ist sie keine Schadensrechnung im Sinne des § 44 Abs. 1. — „Zu entrichten hat"; gemeint ist: nach Ansicht des Versicherungsnehmers zu entrichten hat. Ob die Rechnung vollständig oder unvollständig, richtig oder unrichtig ist, gilt gleich, — wenn sie nur nicht infolge der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit „ungeordnet" wird. Ist sie unvollständig, so muß der Versicherungsnehmer für den Rest eine weitere Schadensrechnung mitteilen, für die dasselbe gilt wie für die erste. Anm. 7 e) Die K o s t e n der Schadensrechnung hat der Versicherungsnehmer zu tragen. Die Kosten, die durch die vom Versicherer verlangte Aufstellung der Schadensrechnung durch dazu berufene Personen entstehen, muß aber der Versicherer tragen (anal. § 32 Abs. 1 Nr. 3), — natürlich nur, „wenn demselben ein Schaden zur Last fällt" (ASVB § 69 Abs. 3 Satz 3; vgl. § 32 Anm. 24). Anm. 8 4. Abs. 1 Satz 2 ist den §§ 94 Abs. 2, 3, 124 V V G nachgebildet; ähnlich schon ζ. B. AHO 1731 X I V . 3. Der Versicherungsnehmer kann ohne weiteres % der Mindestentschädigung (früher, ζ. B. Plan 1800 Nr. 12, AllgPlan 1847, § 118, und noch heute im Versicherungsverkehr auch „Einschuß" genannt) verlangen, wenn α) ein Monat seit der Andienung (§42) verstrichen ist. Fristberechnung: BGB §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3, 193. ß ) Schadensrechnung, Auskunftserteilung und Belegung infolge von Umständen unterblieben sind, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat.
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a) Als Umstände, die der Versicherungsnehmer nicht zu v e r t r e t e n hat, kann § 4 4 nach Sachlage nur schuldhaftes Verhalten in Betracht kommen (vgl. auch V V G § 94 Abs. 3). Der Versicherungsnehmer muß also das Verschulden Dritter gemäß § 278 B G B vertreten (Vorb. V I I I vor § 1). Bei der Versicherung für fremde Rechnung kommt es auf das Verschulden des ausübungsberechtigten Versicherungsnehmers und des ausübungsberechtigten Versicherten an (vgl. § 53 Anm. 1 3 , § 54 A n m . 4). b) % des Betrags, den der Versicherer n a c h S a c h l a g e m i n d e s t e n s z u z a h l e n Anm. hat. Das kann nidht wohl bedeuten: % des Betrags, der durch die Belege so nachgewiesen ist, daß der Versicherer im Rechtsstreit den Gegenbeweis führen müßte. Sondern, da hier ein außergerichtliches Nachweisverfahren in Betracht kommt,: durch Belege so wahrscheinlich ( S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 8 zu § 44 A D S : sicher) gemacht, daß man im Verkehr daraufhin zu zahlen pflegt. Hieraus folgt aber auch, daß dem Versicherer eine angemessene F r i s t z u r P r ü f u n g gelassen werden muß (vgl. H G Z 1 9 1 6 . 149). Wenn der Schaden am 1. Februar angedient wird und am 1. März an sich ausreichende Belege beigebracht werden, kann der Versicherungsnehmer regelmäßig nicht schon am 2. M ä r z Zahlung von % der Mindestentschädigung verlangen; an diesem T a g e würde sich eben noch nicht ergeben haben, welcher Betrag „ n a c h L a g e der Sache mindestens zu zahlen" ist. — E r k e n n t der Versicherer an, einen bestimmten Betrag mindestens zahlen zu müssen, so steht dieser damit ohne weiteres als ein solcher fest, den er „ n a c h L a g e der Sache mindestens zu zahlen h a t " . Gleichwohl kann der Versicherungsnehmer nur % davon verlangen. — Ist der G r u n d des Entschädigungsanspruchs nicht gehörig belegt, so kann der Versicherungsnehmer, wie nicht nach Satz 1, so auch nicht nach Satz 2 des § 44 Abs. 1 Entschädigung verlangen ( B r o d m a n n 229; vgl. auch AllgPlan 1847 § 1 1 8 : „vorausgesetzt, daß dem Versicherer durch vorgelegte Verklarung oder sonstige Dokumente hinreichend erwiesen worden, daß der Schaden zu seiner Verantwortlichkeit nach den Bedingungen der Police sei"). — I m Falle eines K a s k o - T e i l s c h a d e n s ist für die Bemessung des Mindestbetrags von Bedeutung, daß der gemäß § 74 Abs. 5 von den Sachverständigen geschätzte Betrag nur die Grundlage der Entschädigung bildet, und auch dies nicht einmal, wenn sich ergibt, daß die Ausbesserungskosten kleiner sind (§ 75 Abs. 3). Offenbar willkürlich H G Z 1899. 1 6 : Der Kaskoversicherte könne noch vor der Reparatur den ganzen geschätzten Betrag weniger das Drittel verlangen, weil durch die Schätzung „eine Garantie geschaffen sei, daß die geschätzte Summe dem Preise entsprechen werde, welchen hiesige Werften f ü r die Reparatur in Rechnung stellen würden, und der, wenn es zur Reparatur komme, aller Wahrscheinlichkeit nach vom Versicherten aufzuwenden sein werde". Bevor der Schaden gemäß den besonderen Schadenfeststellungs-Bestimmungen (§§ 30, 74 usw.) festgestellt ist, braucht der Versicherer natürlich überhaupt nicht zu zahlen (§ 29 Anm. 15, § 74 A n m . ). c) Der Versicherungsnehmer kann nur verlangen, daß „ i n A n r e c h n u n g a u f Anm. d i e G e s a m t f o r d e r u n g " gezahlt wird. Also nicht, daß auf bestimmte Posten der Schadensrechnung gezahlt wird, so daß diese damit erledigt wären. d) V e r l a n g e n kann der Versicherungsnehmer. Der Anspruch auf die Mindest- A n m . entschädigung ist nicht ohne weiteres mit dem Ablauf des Monats fällig. — Das Verlangen ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende) Willenserklärung. Hierüber und darüber, wer verlangen kann, und von wem zu verlangen ist: § 71 Anm. e) Wenn der Versicherer % der Mindestentschädigung zahlt und sich später ergibt, Anm. daß zuviel gezahlt ist, kann der Versicherer R ü c k z a h l u n g verlangen. Auf Grund des Vertrags; nicht auf Grund der ungerechtfertigten Bereicherung des Empfängers. Denn was der Versicherer leistete, leistete er nicht ohne Grund. E r mußte zahlen. 43
Ritter-Abraham,
Seeversicherung Bd. 1
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§ 4 4 E r zahlte „ v o r l ä u f i g " ( H G B § 892), „vorschußweise, unter Vorbehalt der Zurückforderung desjenigen, wovon sich etwa später herausstellt, daß es dem Versicherten nicht gebührt" ( H G Z 1899. 16). Der „ E i n s c h u ß " ist ein „vorläufig eingezahlter und . . . eventuell zurückzuzahlender Betrag" ( H G H a m b u r g H G Z 1876. 95). Der Versicherungsnehmer muß diesen Betrag dem Vertrag gemäß zurückerstatten ( H G Z 1897. 16). Deshalb bestimmte auch § 1 5 3 Abs. 2 A S V B (also der Vertrag selbst) ausdrücklich und richtig: „ B e i allen vorläufigen Zahlungen, welche der Versicherer leistet, ist der Versicherte zu unverzüglicher Rückzahlung desjenigen verpflichtet, wovon sich später herausstellt, daß es dem Versicherten nicht gebühre". Deshalb ist auch, wenn der Versicherungsnehmer die Mindestentschädigung verlangt und erhalten hat, er (nicht der Versicherte) zur Rückzahlung verpflichtet (abw. B r o d m a n n 230, L e w i s 2. 500, ansch. auch S i e v e k i n g 200). Deshalb verjährt der Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 47 A D S nicht gemäß § 195 B G B ( H G Z 1897. 16). Deshalb kann der Versicherungsnehmer sich nicht auf § 8 1 8 Abs. 3 B G B , nicht darauf berufen, daß er den gezahlten Betrag an den Versicherten weitergezahlt habe und mithin nicht mehr bereichert sei. Teilweise anders § 1 5 3 Abs. 2 A S V B : „ A u f demjenigen, welcher für fremde Rechnung . . . Versicherung genommen hat, lastet deshalb keine persönliche Verbindlichkeit" (gemeint w a r : keine Haftung über den noch in seinem Besitz befindlichen Betrag hinaus). Mit Recht bemerkt V o i g t 785 (unter Hinweis auf R O H G 2. 4x2), daß diese Bestimmung des § 1 5 3 A S V B „nicht überflüssig" erscheine (abw. ein Mitglied der A D H G B - K o m m i s s i o n : Prot. 3583). Die A D S haben sie nicht übernommen; absichtlich nicht. Sie haben auf der anderen Seite auch die Bestimmung des § 1 5 3 Abs. 3 A S V B nicht übernommen, wonach der Versicherer bei der Versicherung für Rechnung „eines Auswärtigen . . . vorläufige Zahlungen . . . nur gegen eine zu bestellende sichere Kaution zu leisten braucht" (vgl. hierzu insbesondere V o i g t N A f H R 4. 320). — Rückzahlungs-Anspruch und -Verpflichtung entstehen mit der Entschädigung. Der Versicherungsnehmer kann also im Konkurs des Versicherers gegen die RückZahlungsforderung aufrechnen, auch wenn sich erst nach Eröffnung des Konkurses die Berechtigung der RückzahlungsForderung herausstellt ( H G Z 1902. 185). — Zieht der entschädigte Versicherungsnehmer Schadensbeträge vom dritten Schadenstifter (oder sonstigen Ersatzpflichtigen) ein, so schuldet er diese Beträge dem Versicherer natürlich nicht auf Grund der vertragsmäßigen Rückzahlungs-Pflicht, sondern, weil er verpflichtet war, durch Einziehung der Beträge den Schaden zu mindern (vgl. § 46), oder weil er die Einziehung besonders übernommen hatte, oder weil er um die Beträge ungerechtfertigt bereichert ist. In allen Fällen entsteht der Herausgabeanspruch des Versicherers nicht (auch nicht bedingt) vor dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer den Schadensbetrag erhält ( R G 53. 3 2 8 ; abw. H G Z 1902. 184). Erhält der Versicherungsnehmer den Schadensbetrag also erst nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Versicherers, so kann er Gegenforderungen, die vorher entstanden sind, nicht aufrechnen ( R G 53. 328). — Verlangt der Versicherer Rückzahlung, so muß er die Voraussetzungen des RückzahlungsAnspruchs beweisen, also daß der Entschädigungsanspruch dem Grunde oder der Höhe nach nicht bestanden hat. Anm. 1 3
5. § 44 gilt insbesondere auch i m F a l l e d e s T o t a l v e r l u s t e s u n d d e s A b a n d o n s , auch wenn in solchen Fällen die Schadensrechnung sich in dem Verlangen nach der Versicherungssumme erschöpft ( H G H a m b u r g H G Z 1874. 1 ° s ) · Der Versicherer kann in solchen Fällen aber regelmäßig nicht Aufstellung der Schadensrechnung durch Personen verlangen, die vom Gesetz oder Ortsgebrauch dazu berufen sind ( B G B § 2 2 6 ; vgl. A S V B § 1 4 2 : nur, wenn „ d i e Berechnung der aufgewendeten Kosten und der etwa aus geretteten Gegenständen gelösten, von der Versicherungssumme in Abzug zu bringenden Beträge umfangreich oder verwickelt ist").
Schadensrechnung. Fälligkeit der Entschädigung
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6. § 44 gilt insbesondere auch in den Fällen, in denen die Seeversicherung H a f t - § 44 P f l i c h t v e r s i c h e r u n g ist, ζ. B. wenn der Versicherer Havariegrosse-Beiträge oder Anm. 14 indirekten Kollisionsschaden zu ersetzen hat. Nach § 154 V V G braucht der Haftpflichtversicherer erst zu entschädigen, wenn der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder sein Anspruch durch Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt ist. § 154 V V G ist hier nicht anwendbar, sondern durch § 44 ersetzt (vgl. auch § 1 Anm. 147, § 29 A n m . 8). Die Mindestentschädigung des § 44 Abs. 1 Satz 2 kann aber der Versicherungsnehmer natürlich nicht verlangen, solange der Anspruch des Dritten streitig ist; denn so lange fehlt es an einem Betrag, „den der Versicherer nach Lage der Sache mindestens zu zahlen hat" (vgl. auch oben Anm. 9). — Im Falle der großen Haverei wird der Umfang der Haftung des Versicherers durch die Dispache bestimmt (§ 30 Abs. 1). Solange die Dispache nicht aufgemacht ist, fehlt also der Schadensrechnung jede Grundlage. So lange kann der Versicherungsnehmer auch keine Mindestentschädigung verlangen (§ 29 Anm. 15). Für die Schadensrechnung genügt natürlich die Bezugnahme auf die Havariegrosse-Dispache (vgl. auch PreußE Art. 670 und dazu Mot. 362). 7. Die Parteien können a b w e i c h e n d e s v e r e i n b a r e n . Klauseln, die den Ver- Anm. 15 Sicherungsnehmer von der Belegungspflicht befreien, bewirken, daß der Entschädigungsanspruch fällig wird und der Versicherer nicht zurückhalten kann, obgleich keine Belege beigebracht sind. Aber sie befreien den Versicherungsnehmer nicht von der Verpflichtung, Auskunft zu erteilen und eine Schadensrechnung mitzuteilen. Näheres § 43 Anm. 34 fr. 8. § 44 gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). — Der Vorver- Anm. 16 sicherer muß dem Rückversicherer eine S c h a d e n s r e c h n u n g mitteilen und die nötigen B e l e g e beifügen. Er muß insbesondere mitteilen, daß und warum ein Entschädigungsanspruch des Vorversicherten gegen ihn entstanden ist. Er braucht aber nicht nachzuweisen, daß er entschädigt hat, sondern nur, daß er entschädigen muß oder als abwicklungsberechtigter Vorversicherer auch ohne Entschädigungspflicht entschädigen darf (§ 1 Anm. 154, E h r e n b e r g R V 120, R G 5. 119, 55. 94, H G Z 1903. 65, L G Hamburg H G Z 1903. 62). Auch dann nicht, wenn der Rückversicherungs-Vertrag die Einkassierungsklausel enthält, also vereinbart ist, daß die Vorlegung der Quittung des Vorversicherten über die empfangene Entschädigung zur Einkassierung der Rückentschädigung genügt, oder ähnlich ( E h r e n b e r g R V 109, R G 55. 89, H G Z 1881 Beibl. 94, 1903. 67, L G Hamburg H G Z 1903. 63). Denn diese Klausel soll die Einkassierung erleichtern, nicht erschweren, insbesondere die Entschädigungspflicht des Rückversicherers nicht von einer Voraussetzung abhängig machen, von der sie ohne die Klausel nicht abhängt (anders H e r r m a n n s d o r f e r 321 für den Fall, daß die Einkassierungsklausel lautet: „ Z u r Einkassierung der Rückversicherungs-Summe b e d a r f es der Vorlage der Originalquittung"). — Der Vorversicherer braucht auch nicht nachzuweisen, daß die Entschädigung tatsächlich d e m V o r v e r s i c h e r t e n z u g u t e kommt. Der Rückversicherer kann sich nicht darauf berufen, daß der Vorversicherte dem Vorversicherer die Entschädigung schenkweise erlassen hat ( E h r e n b e r g R V 128, fimerigon ch. 8 s. 14; vgl. R G 55. 93; abw. K ü b e l Z f V R 2. 99, anders auch noch Preuß. A L R 2. 8. 2022), oder daß der Vorversicherer mit dem Vorversicherten außergerichtlich akkordiert hat ( E h r e n b e r g R V 128), oder daß der Vorversicherer Konkurs gemacht hat (§ 47 Anm. 29). Anders natürlich, wenn der abwicklungsberechtigte Vorversicherer sich mit dem Vorversicherten verglichen oder der Vorversicherte aus anderen Gründen als schenkweise verzichtet hat ( E h r e n b e r g R V 127, R G 55. g i ) . — Der Nachweis, daß der Vorversicherer den Vorversicherten entschädigen muß, genügt aber natürlich nur, wenn der Rückversicherer den Vorversicherer u n t e r d e n s e l b e n B e d i n g u n g e n entschädigen muß, wie der Vorversicherer den Vorversicherten. Ist ζ. B. die Rückver43*
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§ 44 Sicherung im Gegensatz zur Vorversicherung nur für Feuersgefahr oder „Nur für Totalverlust" genommen, so muß auch der abwicklungsberechtigte Vorversicherer nachweisen, daß oder wieweit er aus Gründen entschädigen muß, die auch den Rückversicherer zur Rückentschädigung verpflichten (Ehrenberg R V 1 3 1 ; vgl. § 1 Anm. 148). —• Der Rückversicherer kann nach § 44 Abs. 2 Satz 2 eine Rückversicherungs - Dispache verlangen. Der abwicklungsberechtigte Vorversicherer muß vom Vorversicherten eine Dispache verlangen, wenn auch ein nicht rückversicherter Versicherer sie verständigerund billigerweise verlangen würde (vgl. HG Hamburg HGZ 1874. 349). Die Verpflichtung folgt in diesem Falle regelmäßig schon aus der Schadenabwendungs-Pflicht des Vorversicherers. — Hat der Vorversicherer gegenüber dem Vorversicherten seine Entschädigungspflicht anerkannt und gezahlt, damit aber die G r e n z e n seines Abwicklungsrechts ü b e r s c h r i t t e n , so sind Anerkennung und Zahlung dem Rückversicherer gegenüber unverbindlich (§ 1 Anm. 164). Hat der Rückversicherer gezahlt, so kann er kondizieren. Die Grundsätze über Gefahränderung, Schadensabwendung, Schadensverhütung sind unanwendbar (abw. E h r e n b e r g R V R 38). — Auch der Vorversicherer kann vom Rückversicherer Zahlung erst nach A b l a u f der M o n a t s f r i s t des § 44 Abs. 1 verlangen. Infolgedessen wird freilich der Entschädigungsanspruch des Vorversicherten regelmäßig früher fällig als derjenige des Vorversicherers. Soll diese Folge vermieden werden, so müssen Vorversicherer und Rückversicherer besonderes vereinbaren. Dies geschieht auch in der Regel. — Der Rückversicherer hat nur an den V o r v e r s i c h e r e r zu zahlen. Der Vorversicherer kann nicht verlangen, daß der Rückversicherer an den Vorversicherten zahle. Der Rückversicherer kann nicht mit befreiender Wirkung an den Vorversicherten zahlen. Der Vorversicherte kann nicht Zahlung vom Rückversicherer verlangen. Der Rückversicherer kann also ζ. B. nicht Forderungen gegen den Vorversicherten aufrechnen. Näheres: § 1 Anm. 150. Anm. 17 9. Fremde Rechte, a) In E n g l a n d läßt der Versicherungsnehmer (oder für ihn der Makler) den Schaden herkömmlicherweise durch einen average adjuster feststellen und durch den Makler vom Versicherer einziehen. Der Makler läßt die Police bei den beteiligten Versicherern umlaufen, die, wenn einverstanden, die Entschädigung dem Makler gutschreiben — sog. settling the claim. Der Makler erhält über die Entschädigung einen Scheck. Im Verkehr mit Lloyd's Underwriters claims fall due seven days after settlement. Gewöhnlich wird die Entschädigung im Kontokorrent verrechnet. Der Versicherungsnehmer, der die Police in den Händen des Maklers gelassen hat und mit Lloyd's Gebräuchen bekannt ist oder bekannt sein muß, muß die Verrechnung gegen sich gelten lassen. Näheres: A r n o u l d I38f. s. 158, 155 s. 178; vgl. auch § 16 Anm. 34, § 52 Anm. 22. Anm. 18 b) Französisches Recht. Nach Art. 383 C. de comm. les actes justificatifs du chargement et de la perte sont signifies ä l'assureur avant qu'il puisse etre poursuivi pour le paiement des sommes assurees. Nach den Policen toutes pertes et avaries ä la charge des assureurs sont payees comptant, trente jours apres la remise complete des pi£ces justificatives . . . (Kaskopolice Art. 30, Güterpolice Art. 25).
IX. Übergang von Schadensersatzansprüchen § 4 5 Ubergang (1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit
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dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Versicherungsnehmer § ist verpflichtet, dem Versicherer die zur Geltendmachung des Anspruchs erforderliche Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweise des Anspruchs dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze befinden, auszuliefern, ihm auch auf Verlangen eine öffentlich beglaubigte Urkunde über den Ubergang des Anspruchs auszustellen; die Kosten hat der Versicherer zu tragen. (2) Gibt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten oder ein zu Sicherung des Anspruchs dienendes Recht auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus dem Anspruch oder dem Rechte hätte Ersatz erlangen können. 1. Vgl. H G B §§ 804, 822, A S V B §§ 27, 71, B S V B § 57, V V G §§ 67, 148.
Anm. 1
2. Literatur. B l u m h a r d t NeumannsZ 1914. 279 (Zu § 67 V V G ) , OestRev Anm. 2 1912. 311 (Regreßansprüche des Versicherers gegen Dritte). F l e i s c h f r e s s e r Masius Rundschau 1920. 252 (Zum . . . § 67 V V G ) . F u l d BaumgartnersZ 5. 965 (Geltendmachung der Rechte des Versicherten seitens der Versicherer), D V Z 1906. 17 u. AssJB 26. 82 (Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Versicherten gegen Dritte). J. v. G i e r k e V S R II 2 0 8 — a n . H a l l b a u e r L Z 1910. 367, 646 (Gesetzlicher Rechtsübergang im Privatversicherungsrecht). H a r t e n , Der Rechtsübergang in der Seeversicherung, Diss. Hamburg 1959/60. H o f f m e y e r Z H R 125. 125—160 (Zur Aktivlegitimation ausländischer Ladungsversicherer bei Regreßklagen). J o s e f AssJB 35. 3 (Gesetzlicher Rechtsübergang auf dem Gebiete des Privatversicherungsrechts). K a r r e r , Der Regreß des Versicherers gegen Dritthaftpflichtige, Rechtsvergleichung und internationales Privatrecht, Zürcher Beiträge zur Rechtswissenschaft, Neue Folge, Heft 244, 1965. K i s c h L Z 1916. 13 (Eintritt des Versicherers in den Entschädigungsanspruch des Versicherten), Z f V W 1916. 349 (Zum Eintritt des Versicherers in den Entschädigungsanspruch des Versicherten), W u R V e r s 1935 Nr. 2 (Der Ubergang der Entschädigungsansprüche des Versicherungsnehmers auf den Versicherer). K l i n g m ü l l e r JherJbÖ4· 107 (Verhältnis zwischen Versicherer und Delinquenten). K ü b e l Z f V R 2.68 (Eintritt des Versicherers in die Rechte des Versicherten). P r ö l ß zu § 67 V V G . R a i s e r VersR 1951. 1 (Kann der Versicherer aus eigenem Recht Regreß nehmen?). R i t t e r L Z 1907. 250 (Cessio legis im Versicherungsrecht). S c h n e i d e r JheJ 65. 187 (Ersatzrecht des Versicherers nach § 67 V V G und § 281 BGB), Z f V W 1916. 223, 353 (Rückgriffsrechte des Versicherers gegen Dritte als Schadensstifter, § 67 V V G ) . R e i m e r S c h m i d t VersR 1953. 457 (Der Regreß des Versicherers). S c h m i t t , Das Regreßrecht des Versicherers, Diss. Zürich 1941. S c h u l t z , Grundsätze der versicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung, 1934 (Hamburger Rechtsstudien Heft 22). T h u t , Der Regreß des Versicherers, Diss. Zürich 1924. V o g e l J W 1921. 506 (Gesetzliche Beschränkungen des Forderungsübergangs). W e r n e b u r g HessRspr 19. 8 u. OestRev 1918. 74 (Rückgriffsrecht des Versicherers gemäß § 67 V V G ) . 3. A b s . 1 Satz 1. Die Entschädigungspflicht wird grundsätzlich nicht davon Anm. 3 berührt, daß der Schaden noch von einem Dritten zu ersetzen ist. Der Versicherungsnehmer „kann sich wegen des Schadens zunächst an den Versicherer halten". So ausdrücklich H G B § 822 (anders B S V B § 57). Dem Versicherungsnehmer wäre nicht gedient, wenn er sich zunächst an den regelmäßig zahlungswilligen Dritten halten müßte (s. dazu R G J W 1926. 1330 mit Anm. R i t t e r , H a g e n S V R I53f.). Oder wenn der Versicherer nur haftete, wenn und soweit der Versicherungsnehmer vom Dritten keinen Ersatz verlangen oder erlangen kann. Oder wenn der Versicherungsnehmer sich den Wert des Ersatzanspruchs auf die Entschädigung anrechnen lassen müßte. Die A D S
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§
bestimmen nicht besonders, daß er sich ohne weiteres an den Versicherer halten kann. Aber sie lassen es in den §§ 45, 46, auch in den § § 7 1 , 96, deutlich erkennen (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 73). Will der Versicherer nur beschränkt haften, so muß es besonders vereinbart werden. Solche Vereinbarungen bilden nicht etwa die § § 7 1 Abs. 1 Satz 2, 96 Abs. 2 Satz 1, wonach der Versicherungsnehmer sich auf die Entschädigung den Wert dessen anrechnen lassen muß, was er anderweit zur Ausgleichung des Schadens erlangt hat. Der Versicherer kann nicht einwenden, daß der Versicherungsnehmer den Ersatzanspruch zur Ausgleichung des Schadens erlangt habe und sich deshalb seinen Wert anrechnen, von der Entschädigung abziehen lassen müsse. Das ergibt schon die Behandlung des Gegenstandes im § 45. Überdies hat der Versicherungsnehmer den Ersatzanspruch nicht zur Ausgleichung des Schadens erlangt. Erst das, was er auf Grund des Ersatzanspruchs erhält, erlangt er zur Ausgleichung des Schadens. Dagegen bildet § 64 allerdings eine besondere, vom § 45 abweichende Vereinbarung (unten Anm. 5). — So wenig wie der Versicherer einwenden kann, daß der Dritte ersetzen müsse, kann der Dritte einwenden, daß der Versicherer entschädigen müsse ( H G Z 1886. 175, O T Berlin SA 24 Nr. 154).
Anm. 4
4. Wer Schaden erlitten und Ersatz zu verlangen hat, soll sich regelmäßig mit einfachem Ersatz begnügen. He cannot take with both hands ( A r n o u l d 1192 s. 1215). Und unter mehreren Ersatzpflichtigen soll, sofern unter ihnen kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, der Schaden schließlich bei dem bleiben, der ihn deliktisch oder quasideliktisch zu vertreten hat, oder, wenn die mehreren Ersatzpflichtigen vertragsgemäß haften, bei dem, der auf Grund Verschuldens oder aus gleichgeordnetem Rechtsgrund haftet, unter Umständen bei dem, der zuerst die Haftung übernommen hat. Auf dieser Erwägung beruht § 255 BGB: Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechtes Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen. A u f derselben (schon dem römischen Rechte geläufigen) Erwägung beruhen die den § 255 BGB ersetzenden § 804 H G B § 67 V V G , § 45 A D S : Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Ersatz des Schadens gehen auf den entschädigenden Versicherer über.
Anm. 5
5. Ein A n s p r u c h muß es sein, ein Recht, vom Dritten etwas zu verlangen (BGB § 194 Abs. 1). O b der Anspruch im privaten oder im öffentlichen Rechte begründet ist, gilt gleich (PrisG Hamburg H R Z 1918. 250, H G Hamburg H G Z 1872. 15). — Besteht kein Anspruch, sondern (wie etwa bei gewissen Beschlagnahmen im kriegsbesetzten Gebiet) nur die tatsächliche, auf Billigkeit gestützte Möglichkeit des Ersatzes, oder zwar ein Anspruch, aber kein Anspruch des Versicherungsnehmers, sondern nur ein völkerrechtlicher Ersatzanspruch (vgl. L e h m a n n Kriegsbeschlagnahme 1916), so ist § 45 nicht (auch nicht sinngemäß) anwendbar. Der entschädigte Versicherungsnehmer muß den Ersatz für Rechnung des Versicherers einziehen. Was er vor der Entschädigung zur Ausgleichung des Schadens erlangt, muß er sich auf die Entschädigung anrechnen lassen (Vorb. I X vor § 1 ) . Ahnlich die englische Rechtsprechung; vgl. A r n o u l d I202f s. 1225. — Ansprüche kann man nur g e g e n a n d e r e , „Dritte" haben. Uberflüssigerweise sagen Gesetz und A D S besonders, daß der Anspruch „gegen einen Dritten" bestehen müsse. Ζ. B. besteht kein Anspruch, kann also auch kein Anspruch auf den Versicherer übergehen, wenn das versicherte Schiff mit einem anderen Schiffe desselben Reeders zusammenstößt, und das andere Schiff Schuld hat ( R O H G 23. 395, R G 45. 51, 47. 168, H G Z 1887. 297, 1899. 217, 1900. 241). D a ß der Reeder am eigenen Schiffe ein Pfandrecht erwerben kann (vgl. S c h a p s - A b r a h a m II Anm. 14—16 Vorbem. zu § 754 mit weiteren Hinweisen), ändert natürlich nichts daran, daß kein Anspruch besteht. Deshalb bestimmt die Schwesterschiff-Klausel, daß „ w e n n
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mehrere Schiffe des Versicherungsnehmers zusammenstoßen, die Schiffe als mehreren § Reedern gehörig gelten" sollen (Vorbem. vor § 1 1 3 ) . Ebensowenig besteht ein Anspruch, wenn das versicherte Schiff ein anderes Schiff desselben Reeders rettet. Z w a r kann nach § 743 H G B Berge- oder Hilfslohn „beansprucht" werden, wenn das Schiff ein Schwesterschiff rettet (vgl. dazu S c h a p s - A b r a h a m a. a. O. A n m . 14, R G 3 2 . 8 , 5 8 . 1 9 0 , R G H G Z 1897. 160, 1900. 65, 1903. 139, 1904. 23). Aber auch in diesem Falle kann es sich natürlich nur um ein Pfandrecht an der eigenen Sache handeln, nicht um einen „Anspruch gegen einen Dritten", Deshalb bestimmt auch für diesen Fall die Schwesterschiff-Klausel, daß die Schiffe „als mehreren Reedern gehörig gelten" sollen (Vorb. vor § 1 1 3 ; ebenso die sistership clause aaO). Der Versicherer würde also auf die Entschädigung anrechnen können, was das gerettete Schiff, wenn es einem anderen Reeder gehörte, ihm zu zahlen haben würde. E r kann es gleichwohl nicht; denn er haftet in solchem Falle für den Schaden des versicherten Schiffes nach § 64 überhaupt nicht. 6. Der Anspruch muß a u f E r s a t z d e s S c h a d e n s gerichtet sein. Der Anspruch Anm. 6 wird nicht durch seinen Grund gekennzeichnet, sondern durch sein Ziel: E r muß auf eine Leistung abzielen, die einen Ersatz des Schadens (genauer: des Verlorenen, Beschädigten, Aufgewendeten) bildet, die, wenn sie bereits bewirkt wäre, etwas wäre, was der Versicherungsnehmer „anderweit zur Ausgleichung des Schadens erlangt" haben würde und sich demgemäß auf die Entschädigung anrechnen lassen müßte (oben A n m . 3). Der Rechtsgrund des Anspruchs kann sein, welcher er will, Gesetz, Vertrag, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung (unten Anm. 28) oder was sonst ( W o l f f 440, P r ö l ß A n m . 1 zu § 67 V V G ) . As between the underwriter and the assured, the underwriter is entitled to the advantage of every right of the assured, whether such right consists in contract, fulfilled or unfulfilled, or in remedy for tort capable of being insisted on, or in any other right, whether by w a y of condition or otherwise, legal or equitable, which can be or has been exercised or has accrued, and whether such right could or could not be enforced by the insurer in the name of the assured, by the exercise or acquiring of which right or condition the loss against which the assured is insured, can be or has been diminished (Castellain v. Preston 1883 bei A r n o u l d 1 1 9 2 s. 1 2 1 4 ) . Gesetz und A D S beschränken sich (verständiger Weise) nicht auf Ersatz -Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Sie beschränken sich (verständigerweise) auch nicht, wie § 255 B G B , auf Schadensersatz-Ansprüche, die dem Versicherungsnehmer „ A u f Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen". Sie beschränken sich (verständigerweise) überhaupt nicht auf „Schadensersatz-Ansprüche". a) Der Anspruch kann also auch ζ. B. g e g e n e i n e n z w e i t e n (Doppel-) V e r - A n m . 7 s i c h e r e r gerichtet ?ein. Anders H G Z 1900. 245 (folgend S i e v e k i n g 50): Der Anspruch müsse „ a u f Ausgleich der durch Nichterfüllung (oder mangelhafte Erfüllung) des Vertrags verletzten Interessen gerichtet" sein (dahingest. R G 47. 170). Diese Ansicht ist weder begründet noch zu begründen. Allerdings können Ansprüche gegen den zweiten Versicherer nicht übergehen, wenn für beide Versicherungen das Prioritätsprinzip gilt; denn dann ist j a eine der beiden Versicherungen ungültig. Allerdings können Ansprüche gegen den zweiten Versicherer nicht übergehen, wenn fiir beide Versicherungen das Ausgleichungsprinzip des § 10 gilt; denn dann sind die Doppelversicherer j a durch das Gesamtschuld- und Ausgleichungsverhältnis miteinander verbunden (ebenso S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 4 zu § 45 A D S , P r ö l ß f ü r § 59 W G , Anm. 2 zu § 67 V V G ; vgl. aber auch § 10 Anm. 20). Allerdings können Ansprüche gegen den späteren Versicherer nicht übergehen, wenn der früheren Versicherung das Ausgleichungsprinzip, der späteren Versicherung das Prioritätsprinzip zugrunde liegt; denn die spätere Versicherung ist j a wiederum ungültig. Liegt aber, umgekehrt, der früheren Versicherung das Prioritätsprinzip, der späteren Versicherung das Ausgleichungsprinzip
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§ 4 5 zugrunde, so muß natürlich der spätere Versicherer, wenn er entschädigt, den Entschädigungsanspruch gegen den früheren Versicherer erhalten (vgl. § 10 A n m . 29). Ebenso, wenn die spätere Versicherung „unter der Bedingung geschlossen wird, daß der Versicherer nur insoweit haftet, als der Versicherte sich an dem früheren Versicherer wegen Zahlungsunfähigkeit desselben nicht zu erholen v e r m a g " ( H G B a. F. § 789 Nr. 2, § 10 A n m . 29). Oder wenn von zwei Versicherern einer zwar entschädigt, aber in Wirklichkeit gar nicht zu entschädigen braucht, sondern nur „aus K u l a n z " zahlt (vgl. H G Z 1886. 179, auch unten Anm. 1 1 ) . Anm. 8 b) Wenn das Schiff mit kriegsversicherten Gütern von der kriegführenden Macht aufgebracht wird und die Güter einer Behörde zum Verkauf überwiesen werden, geht der Anspruch auf Erstattung des Verkaufserlöses auf den entschädigenden Versicherer über ( R G 97. 3 1 9 , das aber irrtümlich A S V B § 1 1 4 = A D S § 71 anwendet). — Wenn der Befrachter das Konnossement über die Abladung der (in unbestimmten Schiffen versicherten) Güter im Schiffe G e m m a erhalten hat, die Güter aber tatsächlich nicht mit der G e m m a , sondern mit der J e s s i c a (einem anderen Schiffe desselben oder auch eines anderen Reeders) verschifft werden und mit der Jessica untergehen, geht der Schadensersatz-Anspruch des versicherten Befrachters gegen den Verfrachter natürlich auf den entschädigenden Versicherer über ( L G Hamburg H G Z 1886. 1 7 2 ; abw. H G Z 1886. 176, weil „ d e r Versicherer einen Schaden per D . J e s s i c a bezahlt h a b e " und nicht einen „ S c h a d e n per D. G e m m a " ) . Anm. 9
c) Der Anspruch muß auf E r s a t z e b e n d e s S c h a d e n s gerichtet sein, den der Versicherer ersetzt. Kollidiert das versicherte Schiff, so ersetzt der Versicherer nur den Kaskoschaden, keinen Nutzungsverlust; der Anspruch gegen den Gegensegler geht also nur so weit über, wie er auf Ersatz des Kaskoschadens, nicht auch insoweit, als er auf Ersatz von Nutzungsverlust gerichtet ist ( A r n o u l d 1200 s. 1223). — H a t der Verfrachter oder Frachtführer nach §§ 430, 658, 659 H G B Schadensersatz zu leisten, so geht der Schadensersatz-Anspruch auf den Güterversicherer insoweit über, als der Versicherungswert der Güter und der vom Verfrachter oder Frachtführer zu erstattende Wert sich decken. I m übrigen müßte der Schadensersatz-Anspruch auf die Versicherer des imaginären Gewinns, des Mehrwerts, der Befrachters-Fracht übergehen, und zwar j e nachdem, ob und wieweit in dem Überschuß Gewinn, Mehrwert oder Versendungskosten enthalten sind (vgl. R G 15. 89). Gesetz ( H G B §§ 860, 879 Abs. 3) und A D S (§ 103 Abs. 2) bestimmen jedoch, daß der Uberschuß des nach §§ 658, 659 H G B Ersetzten über den Versicherungswert der Güter auf die Gewinnversicherungs-Summe angerechnet werden soll (näheres: § 103 Anm.). Hieraus folgt, daß auch der Anspruch auf den Überschuß zunächst auf den Gewinnversicherer übergehen und nur, was danach noch übrigbleibt, auf Fracht- und Mehrwertversicherer übergehen kann. Der Ersatzanspruch aus § 430 H G B wird sinngemäß ebenso behandelt werden müssen. — V o n welcher Art der zu ersetzende Schaden ist, ob er insbesondere gewöhnlicher Versicherungsschaden oder Aufwendungsschaden ist, gilt gleich. V o n welcher Art der Ersatz ist, ob er insbesondere in Geld oder in anderem besteht, gilt ebenfalls gleich.
Anm. 1 0
d) Unrichtig also G e r h a r d 3 1 4 , H a g e n 1. 650, H a l l b a u e r L Z 1 9 1 0 . 368: Ersatzanspruch und Entschädigungsanspruch müßten „sich ihrem Gegenstand nach völlig decken, sachlich identisch sein". Ebenso H a g e n 1. 650: „ E s fehle zur Zeit noch an sicheren Anhaltspunkten, wo gegenüber den rein vertraglichen Ansprüchen die Grenze zu ziehen sei". Wenn der Kaskoversicherte an Stelle des untergegangenen Schiffes ein neues Schiff kauft oder bestellt, geht der Lieferungsanspruch gegen den Lieferanten natürlich nicht auf den entschädigenden Versicherer über. Das neue Schiff dient nicht zum Ausgleich des Schadens, sondern zum Ausgleich des Kaufpreises oder der Werkvergütung.
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7. Der V e r s i c h e r e r muß den Schaden ersetzt haben, als „Versicherer", gemäß § 4 5 dem Versicherungsvertrag, durch diesen dazu verpflichtet (vgl. H G B § 804: Hat Anm. der Versicherer „seine Verpflichtungen erfüllt"; auch B G B §§ 426, 774, 1 1 4 3 , 1225, W o l f f 440). Ersetzt der Versicherer (irrtümlich) einen Teilschaden, obgleich er nur einen Havariegrosse-Beitrag zu erstatten gehabt hätte, so geht der Anspruch auf Havariegrosse-Vergütung nicht gemäß § 804 H G B auf ihn über ( H G Z 1903. 1 5 5 ; nunmehr: § 3 1 ) . Ersetzt der Versicherer (irrtümlich) v e r s i c h e r u n g s f r e i e n Schaden, so gehen keine Ersatzansprüche über. Der Versicherer kann nur kondizieren. So auch, wenn der Versicherer (irrtümlich) indirekten Kollisionsschaden ersetzt hat, obgleich der Versicherungsnehmer den Gegensegler schadlos zu halten nicht verpflichtet w a r ; hat der Versicherungsnehmer dem Gegensegler bereits gezahlt, so kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer nur den Kondiktionsanspruch gegen den Gegensegler kondizieren (BGB § 8 1 8 ) . Anders, wenn der Versicherer entschädigt, obgleich er w e i ß oder doch d a m i t r e c h n e t , daß er nicht zu entschädigen braucht. Dann muß es verständigerweise so angesehen werden, wie wenn die Parteien darüber einig wären, daß Ersatzansprüche jedenfalls auf den entschädigenden Versicherer übergehen sollen (vgl. den Fall I T V M i t t 1919. 1 1 4 : Der Seeversicherer zahlt trotz Ungewißheit, ob der Schaden durch eine Seegefahr- oder durch ein Kriegsereignis verursacht ist, ferner R W G H G Z 1922. 73, L G H a m b u r g H G Z 1886. 2 2 ; a b w . H G Z 1922. 168: nur Anspruch aus auftragloser Geschäftsführung [?] oder ungerechtfertigter Bereicherung). Ahnlich die englische Rechtsprechung ( K i n g v. Victoria Ins. Co. i8g6 bei A r n o u l d 1 1 9 2 s. 1 2 1 4 : A payment bona fide made by insurers in satisfaction of a claim made under the policy is enough to give the insurers a right of subrogation, and it is not open to a third party to object to the insurer's right to sue that the payment was not actually due under the policy). Wie hier auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 6 zu § 45 A D S , B r u c k P V R 666; anders für den Fall bewußter K u l a n z P r ö l ß A n m . 4 zu § 67 V V G mit weiteren Angaben, insbesondere auch B G H V e r s R 1963. 1 1 9 2 = A P V 1964. 57 = N J W 1964. 1 0 1 , O L G Düsseldorf V e r s R 1962. 4 1 6 = M D R 1962. 4 1 2 , O L G K ö l n V e r s R i960. 994, O L G Oldenburg V e r s R 1955. 1 8 1 . Anders auch H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1966. 256: Der Tatbestand des § 67 Abs. 4 V V G , der mit dem des § 45 Abs. 1 gleichlautend sei, setze nach seinem insoweit klaren Wortlaut keine Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Versicherten zur Schadensdeckung voraus. 8. Der Versicherer muß d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r den Schaden ersetzt haben. Anm. I m Falle der Versicherung für fremde Rechnung: dem legitimierten Versicherungsnehmer oder dem (legitimierten oder unlegitimierten) Versicherten (vgl. § 53 Anm. 10, J o s e f AssJB 35. 26, K i s c h 3. 5 1 8 ) . — Ersetzt der Versicherer dem Konkursverwalter des Versicherungsnehmers den Schaden, so geht der Ersatzanspruch zur vollen Höhe der Entschädigung über. 9. Ersatzansprüche d e s V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s gehen über (vgl. über einen Anm. Ausschluß des Ubergangs im Falle des § 67 V V G O L G K ö l n V e r s R 1964. 140. § 67 Abs. 1 Satz 1 V V G wird als abänderlich angesehen; s. P r ö l ß A n m . 9 zu § 67 V V G , R G 97. 76, L G H a m b u r g V e r s R 1950. 166). I m Falle der Versicherung f ü r f r e m d e Rechnung gehen Ersatzansprüche des Versicherten über ( R G 148. 1 3 7 , B G H 26. 1 3 3 , 30. 40, 33. 97, P r ö l ß Anm. 3 zu § 67 V V G , S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 5 zu § 45 A D S , v. G i e r k e V S R I I 20g, K i s c h 3. 5 1 6 ) . Denn der Versicherer ist zu entschädigen und muß also sich anrechnen lassen oder herausgeben. Bei Zusammentreffen von Eigenund Fremdversicherung können die Ansprüche beider übergehen ( R G 170. 250, P r ö l ß Anm. 3 zu § 67 V V G ) . Ersatzansprüche des nur zur Einziehung der Entschädigungsforderung legitimierten Versicherungsnehmers zu berücksichtigen, besteht kein Grund (abw. unter irrtüml. Berufung auf R G 9. 1 2 3 : H a g e n 1. 7 1 3 ) . Sie kommen nur in Be-
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§ 45 tracht, soweit der Versicherungsnehmer sie dem Versicherten (insbesondere gemäß § 281 BGB) übertragen muß; dann geht der Anspruch des Versicherten auf Übertragung auf den entschädigenden Versicherer über ( K i s c h 3. 518). — Ahnlich im Falle der V e r ä u ß e r u n g der versicherten Sache. Ersatzansprüche des Erwerbers gehen jedenfalls auf den entschädigenden Versicherer über. Ersatzansprüche des Veräußerers kommen nur in Betracht, soweit der Veräußerer sie dem Erwerber übertragen m u ß ; der Anspruch des Erwerbers auf solche Übertragung geht gemäß § 45 auf den Versicherer über. Anm. 14 10. Der Ersatzanspruch geht über, w e n n der Versicherer entschädigt. Nicht schon mit dem Eintritt des Versicherungsfalls oder der Entstehung des Schadens (Ausnahme: § 31 Abs. 2). — Der Ersatzanspruch geht über, s o w e i t der Versicherer entschädigt. Nicht erst, wenn der Versicherer die ganze Entschädigung gezahlt hat (mit Unrecht abw. für §804 H G B : S i e v e k i n g 49 unter Berufung auf H G u. O G Hamburg H G Z 1872. 38, 101). Auch wenn der Versicherer nur teilweise zahlt, geht der Ersatzanspruch (natürlich nur teilweise) auf ihn über (vgl. auch B G H 13. 28). So auch, wenn der Versicherer gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 % der Mindestentschädigung zahlt. Freilich zahlt der Versicherer in diesem Falle nur vorläufig (§ 44 A n m . 12). Aber er zahlt doch pflichtgemäß. Wenn er Rückzahlung verlangen kann und verlangt, muß er natürlich den übergangenen Ersatzanspruch wieder herausgeben. Hat der Versicherungsnehmer vom Dritten einstweilen Ersatz für den halben Schaden erhalten, so kann der Versicherer, der % der Mindestentschädigung vorläufig gezahlt hat, nicht ohne weiteres Herausgabe des ganzen gezahlten Betrags, auch nicht % davon verlangen, sondern nur soviel, wie ihm nach endgültiger Abrechnung zukommt, aber auch wohl sofort soviel, wie ihm „nach Lage der Sache mindestens" zukommt (vgl. H G u. O G Hamburg, R O H G H G Z 1872. 37, 100, 286). In § 45 fehlt die in § 67 Abs. 1 Satz 2 V V G enthaltene Vorschrift, daß der Übergang des Ersatzanspruchs nicht zum Nachteile des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden kann. Doch ist in dieser Vorschrift ein Prinzip zu sehen, welches sich regelmäßig im Anschluß an gesetzliche Forderungsübergänge im Bürgerlichen Gesetzbuch und in anderen Gesetzen findet (BGB §§ 268, 426, 274; Bundesbeamtengesetz § 168). Diese Bestimmungen haben die Bedeutung, daß sie dem alten Gläubiger, dem ein Teil der Forderung verblieben ist, bei der Befriedigung den Vorrang gewähren ( B G H 13. 28, S c h ü t t e n s a c k D R 1944. 173). Dieses Prinzip muß auch im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 gelten (anders wohl R i t t e r in den Vorauflagen dieses Kommentars Anm. 22 zu § 45). Doch ist dafür Voraussetzung, daß der Ersatzanspruch auf den vollen Schaden des Versicherungsnehmers geht, der Ersatzanspruch indessen nur teilweise verwirklicht werden kann ( P r ö l ß Anm. 6 zu § 67 V V G ) . Siehe über den Fall der Unterversicherung und denjenigen, daß der Anspruch gegen den Dritten ebenfalls hinter dem Schaden zurückbleibt unten Anm. 22. —· Der Ersatzanspruch geht v o n G e s e t z e s w e g e n über, nämlich gemäß § 804 H G B . Freilich sollen nach § 126 die Vorschriften über Transportversicherung keine Anwendung finden; aber in diesem besonderen Falle hat § 45, deutlich erkennbar, die Vorschrift des Gesetzes aufgenommen und bestehen lassen wollen. Irrtümlich R G 97. 321 unter irrtümlicher Berufung auf Prot. 4385: Der Versicherte müsse abtreten (vgl. zu dieser Entsch. auch § 43 Anm. 28). Anm. 15
Ii. R e c h t s f o l g e n d e s Ü b e r g a n g s , a) V e r h ä l t n i s z w i s c h e n V e r s i c h e r e r u n d D r i t t e m . Der Versicherer ist Gläubiger. Aber der Dritte, der den Übergang nicht kennt und den Versicherungsnehmer als Gläubiger behandelt, wird geschützt (BGB §§ 412, 407, 408). Er kann dem Versicherer einwenden, was er dem Versicherungsnehmer einwenden könnte (BGB §§ 412,404), und ihm gegenüber Forderungen gegen den Versicherungsnehmer aufrechnen (BGB §§ 412, 406). Er braucht nur gegen Aushändigung einer vom Versicherungsnehmer ausgestellten Urkunde über den Übergang
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zu zahlen und kann Kündigungen und Mahnungen, die ohne Vorlegung solcher Urkunde erfolgen, zurückweisen; anders, wenn der Versicherungsnehmer ihm den Ubergang schriftlich angezeigt hat (BGB §§ 412, 409, 410). Er kann auch regelmäßig nicht einwenden, daß der Versicherer nicht verpflichtet gewesen sei, zu entschädigen, und der Ersatzanspruch deshalb nicht auf ihn übergegangen sei (oben Anm. 11). b) Verhältnis z w i s c h e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r u n d D r i t t e m . Der VerSicherungsnehmer ist nicht mehr Gläubiger. Aber der Dritte kann ihn noch als Gläubiger behandeln (oben Anm. 15). — Soweit der Versicherer den Schaden nicht ersetzt, bleibt der Versicherungsnehmer natürlich Gläubiger. Wenn ζ. B. die Taxe kleiner ist als wirklicher Versicherungswert und Versicherungssumme, der Versicherer die Versicherungssumme zahlt, der Versicherungsnehmer vom Dritten Ersatz der Differenz verlangt, kann der Dritte nicht einwenden, daß der Versicherungsnehmer keinen Ersatzanspruch mehr habe (HG u. O G Hamburg H G Z 1877. 200). Siehe dazu auch oben Anm. 14 und unten Anm. 22. c) Verhältnis z w i s c h e n V e r s i c h e r e r u n d V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Der Versicherer ist Gläubiger, der Versicherungsnehmer nicht mehr. Wenn der Dritte (gutgläubig oder schlechtgläubig) dem Versicherungsnehmer leistet, kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer kondizieren; für das Geleistete ist „der rechtliche Grund (der Entschädigung) später weggefallen" (BGB § 812; ebenso R G 97. 79, H G Hamburg H G Z 1872. 375, 1873. 401: auch R G 89. 27, aber mit der unbegründeten, hilfsweisen, Voraussetzung, daß der Versicherungsnehmer nicht schon „auf Grund des § 27 Abs. 3 ASVB", d. h. wegen Beeinträchtigung der Rechte des Versicherers, verpflichtet sei; abw. J o s e f AssJB 35. 10: BGB § 816). H a t der Versicherungsnehmer das Geleistete erst nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Versicherers erhalten, so kann er gegen die Kondiktionsforderung der Masse nicht alte Gegenforderungen aufrechnen; denn der rechtliche Grund ist erst nach Konkurseröffnung weggefallen, der Kondiktionsanspruch der Masse erst nach Konkurseröffnung entstanden, der Versicherungsnehmer erst nach Konkurseröffnung „etwas zur Masse schuldig geworden", die Aufrechnung also nach § 55 Nr. 1 K O unzulässig (LG H a m b u r g H G Z 1902. 182, R G 53· 33° g e g e n H G Z 1902. 183). Der Versicherer kann auch kondizieren, wenn der Versicherungsnehmer sonstwie (vgl. BGB §§ 407, 408) den Dritten befreit (ADS §§ 41 Abs. 3, 45 Abs. 2, 46, BGB §§ 812, 816). — Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer über den Ersatzanspruch Auskunft erteilen und Beweisurkunden ausliefern (ADS §§ 45 Abs. 1, BGB §§ 412, 402) und eine Zessionsurkunde ausstellen (ADS § 45 Abs. 1, BGB §§412, 403), ihm auch sonst bei der Einziehung des Ersatzanspruchs behilflich sein (ADS § 46). — Hat der Versicherungsnehmer zur Minderung des Schadens oder im besonderen Auftrag des Versicherers eingezogen, so haftet er natürlich auch auf Grund des Versicherungsvertrags oder des Auftrags (§ 44 Anm. 12; mißverständlich R G 53. 328: „wie ein Mandatar oder Geschäftsführer ohne Auftrag", H G Z 1902. 184: wie ein „ M a n datar"). d) Mit dem Ersatzanspruch gehen N e b e n r e c h t e , insbesondere Pfandrechte, insbesondere das durch Schiffszusammenstoß begründete Pfandrecht auf den Versicherer über (BGB §§ 412, 401). e) Nach §§ 412, 399 BGB geht der Ersatzanspruch nicht über, wenn die Leistung an den Versicherer einen a n d e r e n I n h a l t haben würde, als die Leistung an den Versicherungsnehmer (was selten der Fall sein wird), oder wenn der U b e r g a n g durch Vereinbarung mit dem D r i t t e n a u s g e s c h l o s s e n ist. Solche Vereinbarungen kommen vor und können vom Dritten natürlich dem Versicherer entgegengehalten werden (RG 97. 78, LZ 1913. 945, LG Mannheim, O L G Karlsruhe I T V M i t t 1919. 115, O L G Hamburg Rspr. 22. 248). Der entschädigte Versicherungsnehmer muß den Ersatzanspruch
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§ 4 5 für Rechnung des Versicherers einziehen (gemäß § 4 1 ; nicht, wie R G 97. 79 meint, gemäß „stillschweigend übernommener Verpflichtung"). Sind Vereinbarungen dieser Art nicht verkehrsüblich, so müssen sie beim Vertragsschluß angezeigt werden ( J o s e f AssJB 35. 14, K o h l e r 403, R G 97. 79, franz. Entscheid, bei B e h r e n d Z f V W 1908. 557) und bilden, nach Abschluß des Versicherungsvertrags getroffen, Gefahränderungen (§ 87 Anm.). A n m . 20 f ) P r o z e ß . Z u r gerichtlichen Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist grundsätzlich nur der Gläubiger, also der Versicherer berechtigt (vgl. aber auch § 46 Anm. 6). Geht der Ersatzanspruch erst, nachdem der Versicherungsnehmer K l a g e erhoben hat, über, so bleibt der Prozeß unberührt ( Z P O § 265 Abs. 2 Satz 1). Insbesondere kann der Versicherer nicht ohne Zustimmung des Dritten den Prozeß als Hauptpartei an Stelle des Versicherungsnehmers übernehmen oder Hauptintervention erheben ( Z P O § 265 Abs. 2 Satz 2). Tritt er als Nebenintervenient auf, so gilt er nicht als Streitgenosse des Versicherungsnehmers ( Z P O § 265 Abs. 2 Satz 3). Der Versicherungsnehmer muß aber nach wie vor den Prozeß unter sorgfältiger Wahrnehmung der Interessen und nach den Weisungen des Versicherers führen (§§ 4 1 , 46). Das auf den Namen des Versicherungsnehmers ergehende Urteil wirkt für und gegen den Versicherer ( Z P O § 325 Abs. 1). Der Versicherer kann aber für sich eine vollstreckbare Ausfertigung des Verurteilungsurteils verlangen ( Z P O §§ 727, 7 3 1 ) . Ähnliches gilt für das Arrestverfahren. — Wenn der Ersatzanspruch nur teilweise auf den Versicherer übergegangen ist (der Versicherungsnehmer ζ. B. vom Gegensegler noch Ersatz von Selbstbehalt-Schaden oder Nutzungsverlust verlangt), können Versicherer und Versicherungsnehmer als Streitgenossen klagen ( Z P O § 59); doch ist die Streitgenossenschaft keine notwendige ( Z P O § 62; H a l l b a u e r L Z 1 9 1 0 . 379). Anm. 21
12. V o r d e m U b e r g a n g ist der Versicherungsnehmer Gläubiger. E r kann über den Ersatzanspruch verfügen, ihn geltend machen usw. Der Versicherer ist nicht Gläubiger, kann nicht über den Ersatzanspruch verfügen. Aber was der Versicherungsnehmer vom Dritten zur Ausgleichung des Schadens erlangt, „ m i n d e r t " den Schaden und die Entschädigung, muß der Versicherungsnehmer sich auf die Entschädigung „anrechnen lassen" (Vorb. I X vor § 1 , L e o H R Z 1 9 1 9 . 483). Wenn der Versicherer ohne Anrechnung entschädigt, kann er kondizieren ( B G B § 8 1 2 ) . Wenn er ohne Anrechnung entschädigt, obgleich er weiß, daß und was der Versicherungsnehmer zur Ausgleichung des Schadens erlangt hat, kann er nicht kondizieren ( B G B § 814). Ebensowenig kann er kondizieren, wenn er sich (etwa aus prozeßtaktischen Gründen: um gewisse Streitfragen entscheiden zu lassen) rechtskräftig zur Entschädigung verurteilen läßt, ohne die ihm bekannte Tatsache einzuwenden, daß der Versicherungsnehmer vom Dritten Ersatz erhalten hat ( L e o H R Z 1 9 1 9 . 4 8 3 gegen O L G Hamburg). — H a t der Dritte nicht nur Versicherungsschaden, sondern auch versicherungsfreien Schaden zu ersetzen (der Gegensegler ζ. B. versicherten Substanzschaden und unversicherten Nutzungsverlust), so fragt sich, wie Teilersatz anzurechnen ist. Den Dritten bestimmen zu lassen (vgl. B G B § 366), besteht kein Grund. Nach T r e u und Glauben wird verhältnismäßig zu teilen sein (vgl. H G u. O G H a m b u r g R O H G H G Z 1872. 37, 100, 286; wegen Zinsen und Kosten vgl. B G B § 367). — Nur der Versicherungsnehmer kann den Ersatzanspruch gerichtlich (insbesondere im Arrestverfahren) geltend machen. E r muß es auch unter Umständen. U n d er muß es sorgfältig. Denn er muß für die Minderung des Schadens sorgen. Der Versicherer kann dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten ( Z P O §§ 66, 74; klagen erst nach gesetzlichem Ubergang oder Zession, insbesondere auch Legitimationszession, vgl. § 46 Anm. 6).
A n m . 22
13. I m Falle der U n t e r v e r s i c h e r u n g geht der Ersatzanspruch über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Versicherer und Versicherungsnehmer werden sich
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also regelmäßig in den Ersatzanspruch teilen. Siehe dazu im einzelnen oben Anm. 14. Wenn der Anspruch gegen den Dritten aus irgendeinem Grunde gleichfalls hinter dem Schaden zurückbleibt, wenn insbesondere der Dritte nach § 254 BGB nur für einen Teil des Schadens haftet, so bedürfen die Ausführungen in Anm. 14 einer Ergänzung. Die Vorauflage dieses Kommentars meinte, in einem solchen Falle hätten sich Versicherer und Versicherungsnehmer in Ersatzansprüche gegen Dritte und in den von Dritten bereits erlangten Ersatz v e r h ä l t n i s m ä ß i g zu teilen. Siehe wegen dieser sog. relativen Theorie außer R i t t e r auch K i s c h WuRVers 1935. 50, L Z 1916. 13, auch R G 8g. 28, O L G Hamburg HansRGZ 1931. 145. Demgegenüber geht nach der sog. absoluten Theorie der Ersatzanspruch ohne Rücksicht auf den Umfang des Schadens bis zur Höhe der Versicherungsleistung auf den Versicherer über (vgl. S c h ü t t e n s a c k D R 1944. 173). Nach der sog. Differenztheorie bleibt der Versicherungsnehmer in Höhe des Unterschiedes zwischen Schaden und der erhaltenen Versicherungssumme Gläubiger der Ersatzforderung. Der Versicherer kommt nach dieser Theorie erst nach voller Entschädigung des Versicherungsnehmers zum Zuge. Der Bundesgerichtshof hat in B G H 13. 28 (31) ausgeführt, der Zweck eines Versicherungsvertrages bestehe bei der Schadensversicherung in der Regel darin, dem Versicherungsnehmer einen etwaigen Schaden auf jeden Fall bis zur Höhe der Versicherungssumme ohne Rücksicht auf andere Ersatzmöglichkeiten zu ersetzen. Der Übergang der Ersatzforderung solle andererseits nur dazu dienen, eine Begünstigung des Ersatzpflichtigen und eine Bereicherung des Versicherungsnehmers zu verhindern. Der Versicherer hingegen habe sein Entgelt für seine Leistung bereits in Gestalt der Versicherungsprämien erhalten. Hieraus rechtfertige sich der Schluß, daß nach dem Willen des Gesetzgebers (zu § 67 V V G ) die Ersatzforderung erst dann auf den Versicherer übergehen solle, wenn und soweit dies zur Vermeidung einer Bereicherung des Versicherungsnehmers notwendig sei. Eine solche würde aber erst dann eintreten, wenn die Versicherungsleistung und die Ersatzforderung zusammen den Schaden überstiegen. Es bestehe rechtspolitisch gesehen keine Veranlassung, dem Versicherer, der bereits das Entgelt für seine Leistung erhalten habe, einen weiteren Gegenwert zuzuführen, solange der Versicherungsnehmer keine volle Deckung für seinen Schaden erhalten habe. Der Satz des § 67 V V G sei daher einschränkend dahin auszulegen, daß, soweit der Versicherungsvertrag nicht im Einzelfalle andere Bestimmungen enthalte, der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers nur insoweit auf den Versicherer übergehe, als er zusammen mit der gezahlten Versicherungsentschädigung den Schaden des Versicherungsnehmers übersteige. Dieser heute herrschenden Auffassung (vgl. B G H 13. 28, 22. 136, 25. 340, O L G Hamm D R 1939. 1636, O L G Stuttgart H R R 1932 Nr. 2296, O L G Freiburg VersR 1953. 178, O L G Braunschweig VersR 1953. 201, P r ö l ß D R 1944. 429 und Anm. 6 zu § 67 V V G mit weiteren Angaben aus der Rechtsprechung, S c h m i d t VersR 1953. 457, E h r e n z w e i g V V 287) ist auch für § 45 Abs. 1 Satz 1 zu übernehmen (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 1 zu §45 ADS). Wenn somit für den hier erörterten Fall das Ergebnis das gleiche sein mag, wie in dem in Anm. 14 oben angesprochenen Fall, wo der Ersatzanspruch auf den vollen Schaden des Versicherungsnehmers ging, der Ersatzanspruch indessen nur teilweise verwirklicht werden konnte, so ist doch jedenfalls die Begründung eine unterschiedliche. In Anm. 14 beruht sie auf der analogen Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 2 V V G oder der Heranziehung des in der Bestimmung liegenden allgemeinen Prinzips, in Anm. 22 in einer Einschränkung des §45 Abs. 1 A D S bzw. des §67 Abs. 1 Satz 1 V V G selbst. Mit Recht hat der Bundesgerichtshof in B G H 13. 28 (31) die Ansicht abgelehnt, auch auf den in dieser Anmerkung angesprochenen Fall komme für § 67 V V G dessen Abs. 1 Satz 2 zur Anwendung (so ζ. B. J . v. G i e r k e V S R II. 209). Es bedarf deshalb für § 45 in dieser Anmerkung anders als in dem in Anm. 14 behandelten Sachverhalt keiner Erörterung der Anwendbarkeit
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§ 45 des in § 67 Abs. 1 Satz 2 enthaltenen allgemeinen Prinzips auf § 45, die andernfalls ebenso wie in Anm. 14 zu bejahen wäre (anders R i t t e r in der Vorauflage dieses Kommentars: Die Teilansprüche konkurrieren; der Versicherungsnehmer hat vor dem Versicherer keinen Vorzug). Anm. 23 14. Auch im Falle der Versicherung von N e b e n i n t e r e s s e n , insbesondere im Falle der Versicherung von imaginärem Gewinn oder Mehrwert, geht, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt, der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens auf den Versicherer über. Aber eben nur der Anspruch auf Ersatz gerade dieses Schadens. Die Versicherer des Hauptinteresses und der Nebeninteressen konkurrieren. — Der Versicherungsnehmer gilt nicht etwa für das nicht versicherte Nebeninteresse als Selbstversicherer; § 8 ist unanwendbar. Der Versicherer des Hauptinteresses und der Versicherungsnehmer konkurrieren also unbeschränkt, soweit nicht die beschränkte und pfandmäßige Haftung des Dritten ohne weiteres zu verhältnismäßiger Verteilung führt (oben Anm. 22). Der Versicherungsnehmer wäre hiernach in entschiedenem Vorteil vor dem Versicherer, weil er vor der Entschädigung und dem erst damit erfolgenden Ubergang die Konkurrenz des Versicherers nicht zu befürchten hat. Aber er muß sich, was er vor dem Ubergang vom Dritten erhält, nach §§ 71,91,92, 96 usw. anrechnen lassen, und zwar nach § 13 verhältnismäßig (oben Anm. 21). Nach dem Übergang fällt diese Beschränkung weg. Anders wiederum ohne Grund R G 8g. 28 für den Fall der Konkurrenz des Kasko- und des Frachtversicherers oder des Kaskoversicherers und des nicht frachtversicherten Versicherungsnehmers: Was der Versicherungsnehmer vom Dritten erhalte, sei in allen Fällen verhältnismäßig auf Kasko und Fracht zu verteilen. Anm. 24 15. Abs. 1 Satz 2. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer die zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs erforderliche Auskunft erteilen (dem § 402 BGB entnommen). Das ergibt im wesentlichen schon §43 — gewiß für den Fall, daß der Ersatzanspruch noch nicht übergegangen ist, aber auch wohl für den Fall, daß er schon übergegangen ist. Deshalb näheres: § 43 Anm. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer die zum Beweise des Ersatzanspruchs dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitz befinden, ausliefern (dem §402 BGB entnommen). Das ergibt im wesentlichen auch schon §43. § 43 ist jedenfalls neben § 45 anzuwenden. — Bei nur teilweisem Ubergang genügt regelmäßig Auslieferung einer (beglaubigten) Abschrift. Der Versicherungsnehmer muß dem Versicherer auch auf Verlangen eine öffentlich beglaubigte Urkunde über den Übergang des Ersatzanspruchs ausstellen (und aushändigen). Die Bestimmung ist dem §403 BGB entnommen (vgl. auch BGB §410). Uber den Begriff des „Verlangens": §43 Anm. 5. Die Kosten der Auskunft usw. muß der Versicherer ersetzen (nicht auch vorschießen; vgl. BGB §403 Satz 2, ADS §46 Satz 3). Auch wohl im Falle der Unterversicherung ganz. Mitversicherer gleichen, soweit sie beteiligt sind, untereinander verhältnismäßig aus. — Der Versicherungsnehmer kann wegen der Kosten zurückhalten (BGB § 273). Anm. 25 16. Abs. 2. Der Versicherungsnehmer muß für die Minderung des Schadens, insbesondere für die Erhaltung und Einziehung von Ersatzansprüchen, sorgen (§41 Anm. 9). Wenn auch der Versicherungsnehmer „sich wegen des Ersatzes des Schadens zunächst an den Versicherer halten kann" (oben Anm. 3), so folgt hieraus doch nicht, daß er sich um Ersatzansprüche nicht zu kümmern braucht. Er muß insbesondere, wenn Ersatzansprüche verlorengehen oder Einwendungen ausgesetzt zu werden oder auch nur an ihrer tatsächlichen Wirksamkeit einzubüßen drohen, das Nötige vorkehren. So insbesondere, wenn der Haftungsgegenstand (ζ. B. der schuldige Gegensegler) sich
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der Verstrickung zu entziehen sucht, oder wenn Verjährung droht. Hieraus, also „aus § der Natur der Sache ergibt sich" bereits, daß der Versicherungsnehmer Ersatzansprüche und mit ihnen verbundene Nebenrechte nicht aufgeben darf (Begr. z. V V G § 67). § 45 Abs. 2 behandelt also nur einen Sonderfall der SchadenabwendungsPflicht. Vgl. H a n s O L G Hamburg Hansa 1966. 405 = VersR 1966. 441. a) „ A u f g e b e n " bedeutet dem Wortsinn nach: ohne Gegenleistung erlöschen Anm. 26 machen. Der Versicherungsnehmer gibt also ζ. B. den Entschädigungsanspruch nicht auf, wenn er ihn abtritt (abw. G e r h a r d 315, P r ö l ß Anm. 7 zu § 67 V V G ; •— aber er verletzt damit unter Umständen die allgemeine Schadenabwendungs-Pflicht); oder wenn er den Ersatzanspruch verjähren läßt (Mat. 1. 197; vgl. für § 7 7 6 BGB: R G 65. 397, O L G Hamburg Rspr. 18. 46; aber er verletzt damit unter Umständen die allgemeine Schadenabwendungs-Pflicht: R G 2 5 . 9 9 , P r ö l ß a. a. O.), oder wenn er beim Abschluß von Verträgen mit Dritten (ζ. B. Fracht- oder Schleppverträgen) auf Ersatz verzichtet (aber er verletzt damit unter Umständen die Gefahrstandspflicht: §87 Anm.), oder wenn ein Gläubiger des Versicherungsnehmers den Ersatzanspruch pfändet und überwiesen erhält (aber der Versicherungsnehmer muß gemäß § 41 für die Befreiung des Ersatzanspruchs sorgen und, wenn er durch die Uberweisung von einer Schuld befreit wird, sich das so Erlangte auf die Entschädigung anrechnen lassen; teilw. abw. H a l l b a u e r L Z 1907. 375). Der Kaskoversicherte gibt natürlich auch keine Ersatzansprüche auf, wenn er das versicherte Schiff durch seine eigenen Schlepper schleppen läßt und hierdurch bewirkt, daß (zwar Ersatzansprüche gegen die am Versicherungsfall schuldige, aber ersatzunfähige Schlepperbesatzung, dagegen) keine Ersatzansprüche gegen den Eigentümer des Schleppers entstehen ( H G Z 1887. 300). Daraus folgt aber nicht, daß es ohne alle Bedeutung ist, ob der Versicherungsnehmer die versicherte Unternehmung mit fremden oder mit eigenen Schleppern ausführt (abw. H G Z 1887. 300, S i e v e k i n g 52). O b das eine oder das andere geschehen soll, ist für die Übernahme der Gefahr natürlich sehr erheblich. Der Versicherungsnehmer muß also beim Vertragsschluß anzeigen, daß er beabsichtigt, eigene Schlepper zu verwenden, und ändert die versicherte Unternehmung, erhöht die Gefahr, wenn er später den Entschluß hierzu faßt und ausführt (vgl. § 19 Anm. 23fr., § 23 Anm. 5fr.). Anders, wenn allgemein bekannt ist, daß der Versicherungsnehmer eigene Schlepper verwendet ( § 1 9 Abs. 1 Satz 1). b) „ A u f g e b e n " bedeutet v o r s ä t z l i c h aufgeben. Erforderlich ist ein p o s i t i v e s Anm. 27 v o r s ä t z l i c h e s H a n d e l n des Versicherungsnehmers. Anders die Vorauflage: § 4 5 Abs. 2 behandle nur einen Beispielfall der Schadensabwendungspflicht, sei also aus § 4 1 zu verstehen (so wohl auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 12 zu § 4 5 A D S ) . Wie hierfür §67 Abs. 1 Satz 3 V V G P r ö l ß Anm. 7 zu §67 V V G , K i s c h 3. 520, J . v. G i e r k e V S R II 209, H a g e n Hdb. I 654 Note 1, E h r e n z w e i g V V 288, S i e b e c k 35. Das schließt freilich nicht aus, daß ein fahrlässiges Verhalten unter § 41 Abs. 3 fallen kann, so das Verjährenlassen des Ersatzanspruchs (bestr., wie hier P r ö l ß a . a . O . ) oder ein sonstiges passives Verhalten. Nach § 41 Abs. 3 ist der Güterversicherer deshalb auch frei, wenn der Versicherungsnehmer fahrlässigerweise die Güter annimmt und die Fracht bezahlt, ohne für die Erhaltung des Ersatzanspruchs gegen Verfrachter oder Frachtführer zu sorgen ( H G Z 1882. 244, H G u. O G Hamburg H G Z 1866. 370, 1867. 47, 1872. 213, Seebohm 438; vgl. auch § 30 Anm. 25. — Ein „ A u f g e b e n " i. S. des § 45 Abs. 2 ist ζ. B. der Erlaß der Schuld gegenüber dem Schädiger ( R G L Z 1926. 383, O L G Köln VersR 1958. 620), ein Vergleich mit diesem ( P r ö l ß a . a . O . ) . Dagegen ist der Tatbestand nicht gegeben, wenn von vornherein die Möglichkeit der Entstehung von Ersatzansprüchen ausgeschlossen wird ( R G 97. 76, 122. 292, B G H 22. 109, 33. 216, B G H VersR 1956. 301, P r ö l ß a. a. O . ) ; anders nur, wenn die Abreden
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Ubergang von Ersatzansprüchen
§ 45 die Interessen des Versicherers ungewöhnlich beeinträchtigen, wie Ausschluß grober Fahrlässigkeit, was nach BGHZ 22. 109, 33. 216 zu einer analogen Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 3 V V G führen kann. Der Versicherer muß beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Anspruch aufgegeben hat und er daraus hätte Ersatz verlangen können. Für den Fall eines fahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers, das nach den obigen Ausführungen unter §41 Abs. 3 fallen würde, vgl. H G Z 1882. 244, H G u. O G Hamburg HGZ 1866.370, 1867.47, 1872.213, Seebohm 438: Da der Verfrachter sich gemäß § 606 HGB exkulpieren müsse, müsse der Versicherungsnehmer, der den Schaden nicht gehörig habe feststellen lassen und deshalb vom Verfrachter jedenfalls Schadensersatz nicht verlangen könne, beweisen, daß dem Verfrachter der Exkulpationsbeweis gelungen sein würde (vgl. a u c h R G J W 1926. 1969 = Sasse Nr. 13). Unrichtig oder ungenau S i e v e k i n g 109 (unter mißverständlicher Berufung auf R G 25. 100): „Dem Anspruch des Versicherten gegenüber könne der Versicherer sich auf das Verschulden des Versicherten nur berufen, wenn bereits feststehe, inwieweit infolge des Verschuldens der Regreßanspruch gegen den Dritten verlorengegangen sei." — Siehe die während der Drucklegung ergangenenEntscheidungen des HansOLG Hamburg Hansa 1966. 405 = VersR 1966. 441: Wirksamkeit und Nichtbeachtung einer Schadensklausel, und Hansa 1966. 407: Nässebeschädigung einer Ladung Zwiebeln durch Schiffsschweiß oder infolge innerer Beschaffenheit. Keine Entschädigungspflicht der Versicherer wegen Verletzung des § 45 Abs. 2, da begründete Ansprüche gegen den Verfrachter aufgegeben wurden, weil sie nicht innerhalb der Jahresfrist gemäß Art. 3 § 6 Abs. 4 des I Ü K geltend gemacht wurden. Anm. 28
17. § 45 (und ebenso § 46) gilt auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Ansprüche gegen einen „Dritten" sind ζ. B. Ausgleichungsansprüche des Vorversicherers gegen Doppelversicherer oder auch Ersatzansprüche des Vorversicherers gegen den Vorversicherten, ζ. B. Kondiktionsansprüche, die auf den Rückversicherer übergehen, der entschädigt, obgleich er damit rechnet, daß er nicht dazu verpflichtet ist (oben Anm. 11). — Ersatzansprüche, die gemäß §45 a u f den V o r v e r s i c h e r e r ü b e r g e g a n g e n sind, gehen, soweit der Rückversicherer zahlt, was der Vorversicherer gezahlt hat, weiter auf den Rückversicherer über (abw. für das BinnenversicherungsRecht: H e r r m a n n s d o r f e r 331 und P r ö l ß Anm. 4 zu § 67 V V G ) . So kann es unter Umständen kommen, daß drei Teilgläubiger, Rückversicherer, Vorversicherer und Vorversicherter bei der Geltendmachung des Anspruchs gegen den „Dritten" konkurrieren. Entschädigt der Rückversicherer, bevor der Vorversicherer entschädigt hat, so kann der Ersatzanspruch regelmäßig auf ihn nicht übergehen, weil der Vorversicherer noch nicht Gläubiger ist. Aber wenn später der Vorversicherer den Vorversicherten entschädigt, geht insoweit der Ersatzanspruch unmittelbar auf den Rückversicherer über; er ist also nie im Vermögen des Vorversicherers gewesen. Entschädigt der Konkursverwalter des Vorversicherers den Vorversicherten, so fällt also der Ersatzanspruch nicht in die Konkursmasse, sondern geht ohne weiteres auf den Rückversicherer über. Natürlich nur für den Betrag, den der Konkursverwalter zahlt. Soweit der Rückversicherer den ihm gebührenden Ersatzanspruch nicht erhält, kann er als Konkursgläubiger wegen Nichterfüllung der dem Vorversicherer obliegenden Schadenabwendungs-Pflicht kondizieren (vgl. auch oben Anm. 17). Anders, wenn der Rückversicherer bei Eröffnung des Konkurses noch nicht entschädigt hat. Hat der Vorversicherer bereits entschädigt, so geht der Ersatzanspruch auf den entschädigenden Rückversicherer über. Hat der Vorversicherer noch nicht entschädigt, so braucht der Rückversicherer nur soviel zu zahlen, wie er zu zahlen haben würde, wenn der Vorversicherer die ganze Entschädigung dem Vorversicherten zahlen und dadurch den Übergang des Ersatzanspruchs auf den Rückversicherer vorbereiten würde (§ 41 Abs. 3).
Schadensminderung nach Ubergang
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Der a b w i c k l u n g s b e r e c h t i g t e Vorversicherer ist nicht nur berechtigt und ver- § 45 pflichtet, das Verhältnis zum Vorversicherten, sondern auch die Verhältnisse zu Anm. 29 „Dritten" abzuwickeln ( E h r e n b e r g R V R 38). Das schließt nicht aus, daß § 45 Abs. 1 anwendbar ist. Der Vorversicherer ist schon durch den Rückversicherungs-Vertrag so gestellt, wie wenn der Rückversicherer gemäß § 46 verlangt hätte, daß er den Ersatzanspruch im eigenen Namen geltend mache. Der Ersatzanspruch geht gemäß § 45 Abs. I auf den entschädigenden Rückversicherer über. Der Vorversicherer hat aber die Stellung eines fiduziarischen Zessionars (§46 Anm. 6); der Rückversicherer, der entschädigt hat, kann also den Ersatzanspruch im Konkurse des Vorversicherers aussondern. — Aus der Abwicklungsvereinbarung wird sich auch ergeben müssen, daß sich Rückversicherer und Vorversicherer nicht nur, wenn die Rückversicherung Unterversicherung ist, sondern auch, wenn der Vorversicherer neben dem rückversicherten Schaden noch rückversicherungs-freien Schaden (ζ. B. Gewinn- oder Mehrwertschaden) gedeckt hat, in das zum vollständigen Ersatz bestimmte, aber nicht zureichende Ergebnis des Ersatzanspruchs teilen müssen ( E h r e n b e r g R V 190). 18. Fremde Rechte (vgl. auch oben Anm. 6, 9, 11, 21, 22).
Anm. 30
a) E n g l i s c h e s Recht. Der Versicherungsnehmer, der Ersatzansprüche gegen Dritte hat, kann sich ohne weiteres an den Versicherer halten und Entschädigung verlangen ( M I A § 14 Abs. 3, Vorb. vor § 1 Anm. 74). Where the insurer pays for a total loss, . . . he is thereby subrogated to all the rights and remedies of the assured in and in respect o f t h a t subject-matter as from the time of the casualty causing the loss ( M I A § 79 Abs. 1; principle of subrogation im Gegensatz zu dem im § 71 Abs. 3 A D S angewandten principle of abandonment, vgl. A r n o u l d 1193 s. 1216), — jedoch nur for the purpose of diminishing the insurer's loss ( A r n o u l d 1198 s. 1220). Und where the insurer pays for a partial loss, . . . he is thereupon subrogated to all rights and remedies of the assured in and in respect of the subject-matter insured as from the time of the casualty causing the loss, in so far as the assured has been indemnified, according to this Act, by such payment for the loss ( M I A § 79 Abs, 2; vgl. auch HansO L G M D R 1957. 679). Der Versicherungsnehmer darf das Subrogationsrecht des Versicherers nicht beeinträchtigen und muß, tut er es doch, den Versicherer schadlos halten ( A r n o u l d 1208 s. 1232). b) F r a n z ö s i s c h e s Recht. C. de comm. schweigt. Aber der Ubergang des Ersatz- Anm. 31 anspruchs gegen den Dritten auf den entschädigenden Versicherer est tellement usuelle que la loi la presume ( R i p e r t Nr. 2793). L'assure qui ne conserve pas ä l'assureur recours qui lui appartient contre les tiers, commet une faute de nature ä engager sa responsabilite ( R i p e r t Nr. 2794). § 4 6 Schadenminderung nach Übergang D e r Versicherungsnehmer bleibt auch nach d e m Ü b e r g a n g e des Anspruchs verpflichtet, für die M i n d e r u n g des Schadens, insbesondere durch Zurückbehaltung der Fracht, z u sorgen. E r hat, sobald er eine für die G e l t e n d m a c h u n g des Anspruchs erhebliche Nachricht erhält, dem Versicherer unverzüglich A n zeige z u machen und ihm auf V e r l a n g e n die zur G e l t e n d m a c h u n g des Anspruchs erforderliche Hilfe z u leisten, insbesondere den Anspruch im eigenen N a m e n gerichtlich geltend zu machen. Die Kosten hat der Versicherer zu tragen und auf V e r l a n g e n vorzuschießen. 44 Ritter-Abraham, Sccveisichcrung Bd. I
690 § 46 Anm. 2 Anm. 3
Anm. 4
Anm. 5
Anm. 6
Anm. 7
Schadensminderung nach Ubergang
,. Vgl. HGB § 822, ASVB § 71. 2. Literatur: § 45 Anm. 2, T r ü m m e r AfHR 2. 346 (Pflicht des Versicherten bei Uberseglung). 3· § 46 steht in untrennbarem Zusammenhang mit § 45. §§ 45, 46 bildeten § 49 Ε igio. Diese Bestimmung ist nur deshalb getrennt, weil § 46 Ε igio (Vorb. vor § 1 Anm. 66) in letzter Stunde ausfiel und die Paragraphenfolge möglichst unberührt bleiben sollte (vgl. auch Mat. 1. 198). 4. Der Versicherungsnehmer muß im Versicherungsfall für Minderung des Schadens sorgen (§41 Abs. 1). Er „bleibt" natürlich verpflichtet, wenn der Versicherer entschädigt hat. Er „bleibt" insbesondere verpflichtet, wenn Ersatzansprüche auf den Versicherer übergegangen sind, und bleibt insbesondere verpflichtet, für Minderung des Schadens durch Einziehung des Ersatzanspruchs zu sorgen. — Der Versicherungsnehmer nicht nur, sondern (im Falle der Versicherung für fremde Rechnung) auch der V e r s i c h e r t e (§41 Anm. 4). Nach S i e v e k i n g 108 soll die Verpflichtung des Versicherungsnehmers erlöschen, wenn „der Versicherte in einen rechtlichen Nexus mit dem Versicherer getreten ist". Was mit diesen (anscheinend V o i g t 471 entlehnten) Worten ausgedrückt sein soll, ist nicht klar. Das Gesetz gibt jedenfalls keinen Anhalt; ebensowenig die Entscheidung R G 9. 118, auf die S i e v e k i n g sich beruft (Anklänge bei G e r h a r d 355, H a g e n 1. 696 in der mit Recht allgemein abgelehnten Lehre von der „Konzentration" der Versicherung in der Person des Versicherten) . 5. Zur Verpflichtung, für Minderung des Schadens zu sorgen, gehört natürlich auch, daß der Versicherungsnehmer dem Verfrachter oder dem Frachtführer, gegen den Ersatzansprüche bestehen, „nach Möglichkeit" (§41 Abs. 1) die Fracht vorenthält (§ 45 Anm. 27), daß er dem Versicherer Nachrichten, die für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs erheblich sind, unverzüglich mitteilt, und daß er dem Versicherer bei der Geltendmachung des Ersatzanspruchs auf Verlangen, soweit erforderlich, hilft. 6. Der Versicherungsnehmer (oder der Versicherte) muß „insbesondere (auf Verlangen) den Anspruch im eigenen Namen gerichtlich geltend machen" — mag dies zur Minderung des Schadens, zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlich sein oder nicht. Dies bedeutet natürlich nicht, daß er auf Verlangen des Versicherers den Dritten auf Zahlung an den Versicherer verklagen muß. Man kann im allgemeinen nicht fremde Ansprüche im eigenen Namen gerichtlich geltend machen (JW 1905. 718). Es bedeutet, daß der Versicherer durch Ausübung des ihm durch § 46 eingeräumten Gestaltungsrechts das Verhältnis ändern, den Versicherungsnehmer legitimieren kann, den Ersatzanspruch im eigenen Namen geltend zu machen (siehe BGH 5. 110), ihn so auch verpflichten kann, den Ersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen (die Vorauflage nahm fiduziarische Rechtsübertragung an, doch bedarf es einer solchen nicht, wenn sie auch zulässig ist). In Kollisionssachen ist eine solche Abrede bis zum Beweise des Gegenteils anzunehmen (OHGZ 2. 379 = MDR 1950. 95, HansOLG HGZ 1924. 66 = Sasse Nr. 317, L G Bremen Hansa 1955. 603, L i e s e c k e Hansa 1965. 1898). 7. Die Kosten hat der Versicherer zu tragen. Das ergibt schon § 32 Abs. 1. Näheres deshalb im allgemeinen: § 32 Anm. Insbesondere hat der Versicherer die Kosten auch dann zu tragen, wenn die Kosten erfolglos aufgewendet sind (§ 32 Abs. 2; vgl. auch R G 1891. 192, HGZ 1891. 59). Vergütung für eigene Bemühungen kann der Versicherungsnehmer nicht verlangen (§32 Anm. 6). — Die Kosten hat der Versicherer auf Verlangen vorzuschießen. Das ergibt schon §32 Abs. 2. Deshalb näheres: §32 Anm. 28.
Zahlungsunfähigkeit des Versicherers
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8. Rechtsfolgen der P f l i c h t v e r l e t z u n g : § 4 1 Anm. 26fr., § 4 5 Anm. 25. 9. R ü c k v e r s i c h e r u n g : § 4 5 Anm. 28, 29. 10. F r e m d e R e c h t e . Besondere Vorschriften gleich der des § 4 6 sind im all gemeinen unbekannt.
§47 Anm. 9 Anm. 10
X. Zahlungsunfähigkeit des Versicherers § 4 7
Im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Versicherers kann der Versicherungsnehmer von dem Vertrage zurücktreten oder auf Kosten des Versicherers anderweit Versicherung nehmen. Der Versicherer kann die Ausübung dieses Rechtes durch Sicherheitsleistung abwenden. 1. V g l . H G B § 898, A S V B § 160 Abs. i , V V G §§ 13, 40 Abs. 3. 2. Literatur: A l e x a n d e r H a n s R G Z 1932 A 75 (Konkurs des Seeversicherers). B i e d e r m a n n MittöfFFVA 1911. 719 (Unsicherheit des Versicherers). B u e r s c h a p e r , Einfluß des Konkurses auf schwebende Versicherungsverhältnisse usw., Diss. 1911. E w a l d H a n s R G Z 1928 A 449—468 (Die Geschäftsgrundlage im Versicherungsrecht; Unsicherwerden des Versicherers). H e i n e L Z 1915. 746 (Einfluß des Konkurses des Versicherers usw.). J o s e f M i t t ö f f F V A 1911.601 (Der Konkurs des Versicherers). K i r c h b e r g e r Z H R 68. 162 (Einfluß des Konkurses auf schwebende Versicherungsverhältnisse). L e s s e r J R P V 1930.41. P a g e n s t e c h e r H a n s R G Z 1931 A g . S e u f f e r t L Z 1909. 97 (Die konkursrechtlichen Vorschriften des V V G ) . F. S i e v e k i n g Z H R 55. 172 (Zu §898 H G B ) . 3. Die Versicherung hat keinen Sinn oder verliert ihren Sinn, wenn der Versicherer unsicher ist oder wird. M a n hat daher schon früh für diesen Fall vorgesorgt. „ W a n n ein Assekuradeur schlecht wird, oder sonst in den Zustand gerät, daß er seiner übernommenen Verpflichtung nicht nachkommen kann, so ist dem Assekurierten erlaubt, sich durch einen andern aufs neue versichern zu lassen, und kann er von dem insolvent gewordenen oder unvermögenden Assekuradeur, gegen Tilgung dessen Namen in der Police, die Prämie zurückfordern", — bestimmte schon A H O 1731 X V I I I . 2 (unter der Titelüberschrift „ V o n Reassekuranz"). Ähnlich § 4 7 : Bei Zahlungsunfähigkeit des Versicherers kann der Versicherungsnehmer zurücktreten oder sich auf Kosten des Versicherers decken. 4. Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t ist der Zustand nicht bloß vorübergehenden Mangels bereiter Mittel zur Bezahlung fälliger Geldschulden. Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere bei Zahlungseinstellung anzunehmen (vgl. K O § 102). Zahlungseinstellung ist die erkennbar gewordene, tatsächliche Verweigerung der Bezahlung fälliger Geldschulden im allgemeinen, und zwar wegen nicht bloß vorübergehenden Mangels an Mitteln; nicht schon bloße Zahlungsstockung. Näheres: K o m m . z. K O . — O b die Zahlungsunfähigkeit schon b e i m V e r t r a g s s c h l u ß bestanden hat oder erst s p ä t e r entstanden ist, gilt gleich (anders H G B § 898). Hat aber der Versicherungsnehmer beim Vertragsschluß die Zahlungsunfähigkeit gekannt, so kann er natürlich nicht zurücktreten usw. 5. Der Versicherungsnehmer kann vom Vertrag zurücktreten. M a n hat keinen Grund, den Ausdruck „zurücktreten" nicht im technischen Sinne zu verstehen, sondern etwa in der Bedeutung des Ausdrucks „ a u f h e b e n " oder „ohne Einhaltung einer Frist kündigen". Das Ergebnis dieser Auffassung ist allerdings unbefriedigend. Der Versicherungsnehmer wird natürlich im allgemeinen nicht zurücktreten, wenn er be44»
Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
Anm. 5
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Zahlungsunfähigkeit des Versicherers
§ 47
reits für e i n e n T e i l s c h a d e n entschädigt ist. Tritt er ( i m anderen Falle) zurück, so k a n n er Rückerstattung der Prämie a u c h insoweit verlangen, als der Versicherer die Gefahr bereits getragen hat. V g l . hierzu Prot. 3 6 1 2 . Anm. 6 a) D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann zurücktreten. Ü b e r d e n Begriff des Versicherungsnehmers: § 3 A n m . 4. — U b e r d e n Fall, d a ß m e h r e r e Versicherungsnehmer beteiligt sind: V o r b . V I vor § 1. Insbesondere wird i m Falle gemeinschaftlicher V e r sicherung der i m M i t e i g e n t u m der Versicherungsnehmer stehenden Sache jeder Versicherungsnehmer zurücktreten können. — Bei der Versicherung für f r e m d e R e c h n u n g h a t der Versicherte das Rücktrittsrecht (§ 53 Abs. 1). A b e r der Versicherte kann das Rücktrittsrecht nur g e m ä ß § 5 3 Abs. 2 (also i m Besitz der Police oder mit Zus t i m m u n g des Versicherungsnehmers), der Versicherungsnehmer kann es g e m ä ß § 54 Abs. 1 ausüben ( K i r c h b e r g e r Z H R 68. 168). — Ist die versicherte S a c h e v e r ä u ß e r t , so kann nur der Erwerber zurücktreten (§ 4g Abs. 1). — Rücktritt d u r c h V e r t r e t e r : BGB §§ 1 7 4 , 1 7 7 , 180. Anm. 7
b) D e r Versicherungsnehmer k a n n z u r ü c k t r e t e n . D e r Rücktritt ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen F o r m bedürfende, rechtsgestaltende, n ä m lich rechtsaufhebende) Willenserklärung (BGB § 3 4 9 ; über empfangsbedürftige Erklärungen: V o r b . vor § 1 A n m . 3 3 ) . — D e r Rücktritt m u ß (gleich allen rechtsgestalt e n d e n Erklärungen) b e s t i m m t sein. D e r Versicherer m u ß wissen, w o r a n er ist. D e r Rücktritt darf daher insbesondere nicht b e d i n g t sein, w e n n die Bestimmtheit unter der Bedingtheit leidet. D e r Versicherungsnehmer k a n n ζ. B. nicht unter der B e d i n g u n g zurücktreten, d a ß es i h m gelingt, das Risiko anderweit z u decken. Er k a n n aber unter der Bedingung zurücktreten, d a ß der Versicherer z a h l u n g s u n f ä h i g ist. D e n n diese Bedingung ist b l o ß e R e c h t s b e d i n g u n g . — A n f e c h t u n g des Rücktritts w e g e n Irrtums usw.: BGB §§ 1 1 9 f r . Anm. 8 c) D e r Rücktritt ist d e m V e r s i c h e r e r g e g e n ü b e r z u erklären. I m Falle der Mitversicherung natürlich nur d e m zahlungsunfähigen Versicherer gegenüber. D e r „ f ü h r e n d e " Versicherer ist zur E n t g e g e n n a h m e der Erklärung nicht ermächtigt (vgl. V o r b . vor § 1 A n m . 46). — Erklärung g e g e n ü b e r e i n e m Vertreter, insbesondere e i n e m Gesamtvertreter des Versicherers: § 3 A n m . 18. Anm. 9 d) D e r Versicherungsnehmer kann o h n e w e i t e r e s zurücktreten. O h n e A n d r o h u n g , o h n e Fristsetzung, o h n e d a ß d e m Versicherer G e l e g e n h e i t g e g e b e n wäre, das R ü c k trittsrecht d u r c h Sicherheitsleistung z u beseitigen (Prot. 3 6 1 2 , 4450). D e r zahlungsu n f ä h i g e Versicherer m u ß mit der Möglichkeit des Rücktritts r e c h n e n u n d darf daher mit G e g e n m a ß r e g e l n nicht warten. D o c h wird die Assekuranztreue unter U m s t ä n d e n A n d r o h u n g gebieten (§ 1 3 ) . A n m . 10 e) D a s Rücktrittsrecht ist z e i t l i c h n i c h t b e s c h r ä n k t . D e r Versicherer kann aber d e m Versicherungsrecht für die A u s ü b u n g eine Frist b e s t i m m e n ; das Rücktrittsrecht erlischt, w e n n es nicht fristgemäß ausgeübt wird (BGB § 3 5 5 ) . — D a s Rücktrittsrecht erlischt ferner, w e n n der Versicherer wieder zahlungsfähig wird. U n d z w a r o h n e weiteres; a u c h ohne, d a ß der Versicherungsnehmer d a v o n K e n n t n i s erlangt. D o c h wird der Versicherer unter U m s t ä n d e n d e m Versicherungsnehmer v o n der W i e d e r e r l a n g u n g der Zahlungsfähigkeit M i t t e i l u n g m a c h e n müssen (§ 1 3 ) . — D a s Rücktrittsrecht erlischt, w e n n es auf d i e Zahlungsfähigkeit des Versicherers nicht m e h r a n k o m m t , w e n n der Versicherungsnehmer nicht m e h r anderweit wirksam Versicherung n e h m e n kann, w e n n insbesondere sicher ist, d a ß Entschädigungsansprüche nicht m e h r z u e r h e b e n sind. D a s entspricht d e m Sinne des § 47 ( o b e n A n m . 3). D e r Versicherungsnehmer kann natürlich nicht n o c h v o m Vertrag zurücktreten, n a c h d e m das Vertragsverhältnis längst abgewickelt ist. D a ß die Versicherung beendigt ist, ist also nicht o h n e weiteres entscheidend.
Zahlungsunfähigkeit des Versicherers
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f) Der u n b e r e c h t i g t e Rücktritt hat keine besonderen Rechtsfolgen. Der Versicherer kann ihn aber regelmäßig als Antrag auf Rückgängigmachung des Versieherungsvertrags betrachten und behandeln. Schweigt er, so liegt darin noch keine Zustimmung (vgl. Vorb. vor § ι Anm. 18). Unter Umständen bildet der Rücktritt für den Versicherer einen wichtigen Grund zur Aufhebung des Versicherungsverhältnisses (Vorb. vor § ι Anm. 22). g) Der b e r e c h t i g t e Rücktritt wirkt gemäß §§ 346fr. BGB. Insbesondere müssen „die Parteien einander die empfangenen Leistungen zurückgewähren" (BGB § 346 Abs. 1). Insbesondere der Versicherer die Prämie. Und zwar „die ganze Prämie" (HGB §898; abw. O b e r m a y e r 72: weniger die Ristornogebühr). Der Versicherer hat nichts geleistet, was ihm zurückgewährt werden könnte (wenn er nicht etwa entschädigt hat). Zwar hat er die Gefahr getragen (wenigstens soweit es ihm seine Zahlungsfähigkeit erlaubte). Aber das kann man nicht als Leistung im Sinne des §346 BGB bezeichnen (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 21). Diese „Leistung" unter diesen Verhältnissen zu bewerten, würde auch unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen. Anders, wenn dem Versicherungsnehmer nicht das Rücktrittsrecht, sondern das Recht zur unbefristeten Aufhebung zustehen würde. Dann würde dem Versicherer der entsprechende Teil der Prämie zu belassen sein (vgl. auch R G 21. 329); der sog. Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie würde nicht im Wege stehen, da es ihn nicht gibt (§ 16 Anm. 27). •— Besonders unbillig wäre das Ergebnis, wenn der laufend Versicherte mit der Wirkung zurücktreten könnte, daß der Versicherer auch die Prämien zurückgeben müßte, die auf die (schadenfrei) abgewickelten Einzelversicherungs-Verhältnisse entfallen (so S i e v e k i n g 206). Das ist abzulehnen. Zwar ist die laufende Versicherung „der Vertrag", nicht bloß ein Mantel- oder Rahmenvertrag für künftige Versicherungsverträge (§ 97 Anm.). Aber gemeint ist offenbar im § 47 überhaupt nicht der Rücktritt vom Vertrag, sondern der „in einem Vertrag" (BGB § 346), der im Versicherungsvertrag bedungene Rücktritt vom Versicherungsverhältnis. Soweit diese Verhältnisse so erledigt sind, daß es auf die Zahlungsfähigkeit des Versicherers nicht mehr ankommt, ist das Rücktrittsrecht erloschen (vgl. auch oben Anm. 10). 6. Der Versicherungsnehmer kann auch auf Kosten des Versicherers anderweit Versicherung nehmen, sich decken. a) Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Näheres: oben Anm. 6. b) Der Versicherungsnehmer kann sich regelmäßig ohne weiteres decken (oben Anm. 9), ohne dem Versicherer die Deckung anzudrohen. Das Recht ist dem Deckungsrecht ähnlich, das der Gläubiger hat, der kein Interesse mehr an der Erfüllung hat und deswegen ohne weiteres Erfüllung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann (BGB §§ 286, 326). Die für dieses Deckungsrecht maßgebenden Grundsätze werden nach der Interessenlage auch hier anzuwenden sein. Der Versicherungsnehmer muß insbesondere bei der Deckung s o r g f ä l t i g verfahren (vgl. BGB § 254 Abs. 2). Er darf günstige Deckungsgelegenheit nicht versäumen, muß geeignete Deckungsgelegenheit aufsuchen und darf sich nicht (d. h. nicht auf Kosten des Versicherers) besser decken, als er gedeckt war. Regelmäßig darf er sich auch nur so decken, daß keine Doppelversicherung mit Ausgleichung entsteht, sondern nur so, daß der Anspruch gegen den zahlungsunfähigen Versicherer gemäß § 45 auf den neuen Versicherer übergeht (vgl. §45 Anm. 7). Denn solche Deckung entspricht der Sachlage und ist billiger. Hieran ändert natürlich nichts, daß der Versicherungsnehmer nach § 898 HGB a. F. berechtigt war, „nach Maßgabe des § 789" neue Versicherung zu nehmen, nach § 789 aber die neue Versicherung unter Abtretung der Rechte gegen den ersten Versicherer oder gegen die Zahlungsunfähigkeit des ersten Versicherers oder unter Entlassung des ersten Versicherers aus seinen Verpflichtungen zu nehmen
§ 47 Anm. 11
Anm. 12
Anm. 13 Anm. 14
694 § 47 Anm. 15 Anm. 16 Anm. 17
Anm. 18
Anm. ig
Anm. 20
war) und
Zahlungsunfähigkeit des Versicherers
di e Worte „nach Maßgabe des § 789" durch das Gesetz vom 30. Mai 1908 gestrichen sind. Denn man hat mit der Streichung dieser Worte nicht beabsichtigt, den § 898 HGB inhaltlich zu ändern (Begr. der HGB-Novelle von 1908). c) Der Versicherungsnehmer kann a n d e r w e i t Versicherung nehmen. Er kann sich nicht etwa als Selbstversicherer betrachten und Ersatz der Kosten verlangen, die entstanden wären, wenn er „anderweit" Versicherung genommen hätte. d) Das Deckungsrecht ist zeitlich nicht beschränkt. Aber es erlischt, wenn der Versicherer wieder zahlungsfähig wird, oder wenn es auf seine Zahlungsfähigkeit nicht mehr ankommt (oben Anm. 10). e) Die anderweitige Deckung läßt das V e r s i c h e r u n g s v e r h ä l t n i s unberührt. Der Versicherungsnehmer bleibt insbesondere zur Zahlung der Prämie verpflichtet (RG 52. 407, HGZ 1902. 143). Aber er muß die neue Versicherung unverzüglich mitteilen (§ 12). Und er kann Erstattung der Kosten der neuen Versicherung verlangen. 7. Der Versicherungsnehmer hat die Wahl (so ausdrücklich HGB §898). Tritt er zurück, so kann er sich natürlich nicht mehr auf Kosten des Versicherers decken. Aber er kann auch nicht mehr zurücktreten, wenn er sich gedeckt hat. Die Ausübung des Gestaltungsrechts macht das Rechtsverhältnis wieder fest. 8. Der Versicherer kann die Ausübung des Rücktritts- und Deckungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden, richtiger wohl: das Rücktritts- und Deckungsrecht durch Sicherheitsleistung beseitigen. Auch ein Gestaltungsrecht. a) Dem V e r s i c h e r u n g s n e h m e r ist Sicherheit zu leisten. Bei der Versicherung für fremde Rechnung dem Versicherten, und zwar so, daß darüber der Versicherte gemäß § 53 Abs. 2, der Versicherungsnehmer gemäß § 54 verfügen kann. b) Art der Sicherheitsleistung: BGB §§232if. Nach §232 Abs. 2 BGB ist auch Sicherheitsleistung durch Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig, wenn in anderer Weise Sicherheit nicht geleistet werden kann. Gemäß § 233 BGB erwirbt der Versicherungsnehmer am Hinterlegten ein Pfandrecht. c) Der U m f a n g der Sicherheit richtet sich nach der Entschädigungspflicht des Versicherers (nicht nach dem Grade seiner Zahlungsunfähigkeit) und wird besonders bei Zeit- und laufenden Versicherungen oft schwer oder gar nicht zu bestimmen sein. Maßgebend ist, daß der Versicherungsnehmer „im Schadensfalle volle Befriedigung durch Zahlung der Versicherungssumme erhält" (so, wenngleich ungenau, R G 52. 407). d) N a c h S i c h e r h e i t s l e i s t u n g darf der Versicherungsnehmer nicht mehr zurücktreten oder sich auf Kosten des Versicherers decken. Auch dann nicht, wenn er von der Sicherheitsleistung keine Kenntnis hat. Der Versicherer ist aber nach § 13 verpflichtet, dem Versicherungsnehmer von der Sicherheitsleistung unverzüglich Mitteilung zu machen (vgl. § 13 Anm. 6). e) Der Versicherungsnehmer muß in die R ü c k g a b e der Sicherheit willigen, wenn der Versicherer wieder zahlungsfähig ist, oder wenn sicher ist, daß es auf die Zahlungsfähigkeit des Versicherers nicht mehr ankommt. 9. Der Versicherungsnehmer hat noch ein drittes R e c h t (wenn auch nur für den Fall, daß der Versicherer nach Vertragsschluß unsicher wird; nicht auch für den Fall, daß er schon beim Vertragsschluß unsicher ist). Wer aus einem gegenseitigen Vertrag vorleisten muß, kann nach §321 BGB, wenn die Vermögensverhältnisse des anderen sich so verschlechtern, daß der Anspruch auf die Gegenleistung gefährdet wird, seine Leistung verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit geleistet ist. Der Versicherungsnehmer muß in der Regel die Prämie vorleisten. Zwar hat der Versicherer vielleicht gar keine Gegenleistung zu bewirken. Vielleicht aber muß er entschädigen. Die Prämie ist also, einstweilen jedenfalls, Vorleistung (vgl. auch Vorb. vor § 1 Anm. 22). Der Versicherungsnehmer kann sie zurückhalten. Er muß sie
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zahlen, wenn die Verhältnisse des Versicherers wieder besser werden oder nicht mehr in Betracht kommen. Er kann sie im Versicherungsfall auf die Entschädigungsforderung verrechnen. io. Der Versicherungsnehmer hat nicht noch ein viertes Recht, das Recht auf Abtretung der A n s p r ü c h e des V e r s i c h e r e r s gegen R ü c k v e r s i c h e r e r (vgl. E h r e n b e r g 386 und R V R 52, H a g e n ZfVW 1920. 158, R o e l l i 458). The original assured has no right or interest in respect of such re-insurance (MIA § 9 Abs. 2). n . Der Versicherungsnehmer kann das Versicherungsverhältnis wegen wichtigen Grundes ohne Einhaltung einer Frist kündigen (Vorb. vor § 1 Anm. 22). Einen wichtigen Grund bildet auch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versicherers, die den Versicherungsschutz ernstlich in Frage stellt. Aber hier greift §47 ein (Vorb. vor § 1 Anm. 22). Die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Versicherers kommt nur unter den Voraussetzungen und mit den Rechtsfolgen des §47 in Betracht (so auch E w a l d HansRGZ 1928 Α 449fr.; anders H a g e n SVR 103, der den Grundsatz vom Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers bei Eintreten der Unsicherheit des Versicherers auch außerhalb der Regelung des § 47 gelten läßt. Vgl. auch L G Hamburg HansRGZ 1936 Β 512 über das Verhältnis des § 47 zu anderweitiger, im Ergebnis ähnlicher vertraglicher Regelung). Das gilt insbesondere auch im Falle der laufenden Versicherung. 12. Der Versicherungsnehmer kann noch in anderen F ä l l e n in die Lage kommen, eine N o t v e r s i c h e r u n g zu nehmen. So etwa, wenn der Versicherer behauptet, frei zu sein, weil die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt sei, oder weil die versicherten Güter mit einem anderen als mit dem im Vertrag bestimmten Schiffe verladen seien (vgl. den Fall Ullrich Nr. 7, auch Vorb. vor § 1 Anm. 22). Die Kosten der Notversicherung fallen dem Versicherer nur dann zur Last, wenn ihn ein Verschulden trifft (BGB §276; ansch. abw. HG u. OG Hamburg Ullrich Nr. 7; vgl. auch § 13 Anm. 6, 9). 13. Konkurs des Versicherers. a) Die E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g des Versicherungsnehmers ist Konkursforderung. Dabei hat es sein Bewenden, wenn der Versicherungsvertrag im übrigen vollständig erfüllt ist. Schuldet der Versicherungsnehmer noch Prämie, so kann er die Entschädigungsforderung gegen die Prämienforderung aufrechnen. § 80 V A G kommt zur Anwendung. Er lautet: „In Versicherungszweigen, wofür nicht die besonderen Vorschriften der §§ 65 bis 79 über die Deckungsrücklagen gelten, gehen bei Konkurs die Forderungen aus Versicherungsverträgen auf Rückerstattung eines auf die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teiles des Versicherungsentgelts und auf Ersatz eines zur Zeit der Konkurseröffnung bereits eingetretenen Schadens den übrigen Konkursforderungen des § 61 Nr. 6 der Konkursordnung im Range vor. Dabei werden Forderungen auf Rückerstattung des Teiles eines Versicherungsentgelts im Range nach den Forderungen auf Ersatz eines Schadens, Forderungen derselben Rangordnung nach Verhältnis ihrer Beträge berichtigt." Nach h. A. gilt § 80 V A G nicht nur für die aufsichtspflichtige Schadenversicherung, sondern auch für die im Rahmen des § 148 V A G aufsichtsfreie Transport- und Rückversicherung. Vgl. Prölß Anm. 3 zu § 80 VAG, Anm. 3 zu § 13 VVG, B r u c k - M ö l l e r Anm. 8 zu § 13 VVG. B ö h l e - S t a m m s c h r ä d e r KO, 6. Aufl. 1961, Anm. 9 zu § 61 KO, M e n t z e l - K u h n K O 7. Aufl. Anm. 77 (a. A. die 6. Aufl. Anm. 42), R G 147. 6g, 149. 257, 153. 184, '55244, '64- 2i2. b) Teilweise anders, wenn der Versicherungsnehmer die P r ä m i e (ganz) gezahlt hat, aber noch ungewiß ist, ob V e r s i c h e r u n g s s c h a d e n entsteht oder entstanden ist. Freilich ist die Entschädigungsforderung auch in diesem Falle Konkursforderung,
§ 47 Anm. 21
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Anm. 25
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§ 47
g d e r Versicherungsfall vor oder nach Konkurseröffnung eingetreten sein. Insbesondere auch, wenn er n a c h Konkurseröffnung eingetreten ist. Zwar sind nach § 59 Nr. 2 K O Masseforderungen die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, die nach der Konkurseröffnung erfüllt werden müssen. Solche Ansprüche sind nach §§ 19, 2 1 , 22 K O Ansprüche aus Miet-, Pacht- und Dienstverträgen. Solche Ansprüche sind nach § 13 V V G im allgemeinen auch Ansprüche aus Versicherungsverträgen; der Versicherungsvertrag bleibt, wenigstens bis zu einem gewissen Zeitpunkt, „der Konkursmasse gegenüber wirksam". Aber es gibt keine Vorschrift, wonach auch der SeeversicherungsVertrag „gegenüber der Konkursmasse wirksam" sein soll, also insbesondere vom Konkursverwalter ohne Rücksicht auf den Konkurs erfüllt werden muß (und es besteht für eine solche Vorschrift auch kein Grund, da dem Seeversicherten anderweit geholfen ist). Würden die Entschädigungsforderungen, die aus den nach Konkurseröffnung eintretenden Versicherungsfällen entstehen, Masseforderungen sein, so würde das (wie H G Z 1902. 142 in anderem Zusammenhang mit Unrecht bemerkt, in diesem mit Recht hätte bemerken können) „die Masse in unbilliger Weise belasten" und jenen Entschädigungsforderungen einen ganz unberechtigten Vorrang vor den Entschädigungsforderungen einräumen, die aus den vor Konkurseröffnung eingetretenen Versicherungsfällen entstanden sind. Konkurspraxis und Rechtsprechung betrachten es deshalb auch als selbstverständlich, daß Entschädigungsforderungen auch dann Konkursforderungen sind, wenn der Versicherungsfall nach Konkurseröffnung eingetreten ist (HGZ 1902. 142; vgl. auch G e r h a r d 72, S e u f f e r t L Z 1909. 99). Anders K i r c h b e r g e r Z H R 68. 165 (folgend S i e v e k i n g 206) aus der (belanglosen) Erwägung, daß der Versicherungsnehmer die ganze Prämie an den Konkursverwalter zahlen müsse. — Im übrigen ist § 47 A D S anwendbar. Denn der Konkurs setzt Zahlungsunfähigkeit des Versicherers voraus; die Ausnahmefälle, in denen Zahlungsunfähigkeit nicht die Voraussetzung der Konkurseröffnung bildet, werden den Fällen der Zahlungsunfähigkeit gleichzuachten sein ( K i r c h b e r g e r Z H R 68. 164, H G Z 1902. 144). Der Versicherungsnehmer kann z u r ü c k t r e t e n oder sich d e c k e n , der Konkursverwalter diese Rechte durch Sicherheitsleistung beseitigen (anders A l e x a n d e r HansRGZ 1932 A 75, nach welchem mit der Konkurseröffnung der Versicherungsvertrag enden soll. Aber eine dem § 13 V V G entsprechende Vorschrift gibt es für das Seeversicherungsrecht nicht). Wenn der Versicherungsnehmer sich deckt, bleibt das Versicherungsverhältnis unberührt. Tritt er zurück, wird das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Deckt er sich, so ist der Anspruch auf Erstattung der Deckungskosten, tritt er zurück, so ist der Anspruch auf Rückerstattung der Prämie Konkursforderung ( S e u f f e r t L Z 190g. 99, R G 52. 408, H G Z igo2. 1 4 3 ; abw. H G Z 1902. 141). Denn die Ansprüche beruhen auf dem vor Konkurseröffnung geschlossenen Vertrag. Siehe wegen § 80 V A G oben unter a.
Anm. 26
c) Anders auch, wenn v o n b e i d e n S e i t e n n o c h n i c h t oder noch nicht vollständig e r f ü l l t ist, wenn die Prämie ganz oder teilweise noch nicht gezahlt ist und wenn noch ungewiß ist, ob Versicherungsschaden entsteht oder entstanden ist. Der K o n k u r s v e r w a l t e r k a n n nach § 17 K O erklären, daß er erfüllen wolle, und E r f ü l l u n g v e r l a n g e n . § 1 7 K O ist nicht etwa deshalb unanwendbar, weil § 17 K O nach § 25 K O keine Anwendung finden soll, „soweit das bürgerliche Recht besondere Bestimmungen über die Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens enthält" (so B r o d m a n n 231, K i r c h b e r g e r Z H R 68. 163, H G Z 1902. 142 im Anschluß an Mot. ζ. K O § 25; richtig, wenngleich ohne Begründung, H G Z 1902. 141). Denn §898 H G B ( = § 47 ADS) bestimmt gar nichts über „die Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens", sondern über die Wirkung der Zahlungsunfähigkeit des Versicherers (Nach S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 5 zu § 47 ADS soll die Frage recht belanglos sein, weil bei ihrer Verneinung der Versicherungsnehmer auch gegenüber dem Er-
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füllungsverlangen des Konkursverwalters sein Wahlrecht ausüben könnte, da der § 47 Konkursverwalter in das Rechtsverhältnis so eingetreten ist, wie es bei Konkurseröffnung bestand). α) Wenn der Konkursverwalter erfüllen will und Erfüllung verlangt, ist die Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers Masseforderung. Als Masseforderung wird sie „meistens zu voll" (HGZ 1902. 142) aus der Masse befriedigt werden. Ist anzunehmen, daß die Masse voll entschädigt, so kann nicht mehr angenommen werden, daß sie zahlungsunfähig ist, kann also der Versicherungsnehmer nicht mehr zurücktreten oder sich decken, — was j a auch nur verständig ist. ß) Wenn der Konkursverwalter erfüllen will Und Erfüllung verlangt, obgleich die Masse zahlungsunfähig ist, kann der Versicherungsnehmer zurücktreten oder sich decken, der Konkursverwalter diese Rechte durch Sicherheitsleistung beseitigen. Deckt der Versicherungsnehmer sich, so bleibt das Versicherungsverhältnis unberührt, die Entschädigungsforderung wird Masseforderung, der Anspruch auf Erstattung der Deckungskosten Konkursforderung. Tritt er zurück, so wird das Versicherungsverhältnis aufgelöst, der Anspruch auf Rückerstattung von Prämien Konkursforderung (oben Anm. 25). Gegen die Prämienforderung des Konkursverwalters kann der Versicherungsnehmer die Forderung auf Erstattung der Deckungskosten aufrechnen ( B r o d m a n n 231, K i r c h b e r g e r Z H R 68. 167, L e o 228, S i e v e k i n g 206, R G 52.408, H G Z 1902. 143; unr. H G Z 1902. 143: Verweigerung der Prämienzahlung gemäß §320 BGB). γ) Der Versicherungsnehmer kann zurücktreten oder sich decken, bevor der Konkursverwalter erklärt hat, erfüllen zu wollen und Erfüllung zu verlangen. Insoweit geht die besondere Vorschrift des § 898 HGB der allgemeinen Vorschrift des § 17 K O vor. Hat der Versicherungsnehmer sich gedeckt, so kann der Konkursverwalter noch erklären, erfüllen zu wollen und Erfüllung zu verlangen. Insoweit sind § 898 HGB und § 17 K O vereinbar. Aber die Erklärung des Konkursverwalters ändert natürlich nichts an der durch die Deckung des Versicherungsnehmers gestalteten Rechtslage. Β. H. OestRev 1917. 147, B u r c h a r d LZ 1 9 1 1 . 3 3 1 , C a h n 109, G o l d s c h m i d t System 254, H a g e n 1. 660, K i s c h 3. 191, 265 u. J h e J 63. 368, 379, 394, S c h n e i d e r 268, V o i g t N A f H R 4. 218, R G 5. 319, 7. 13, H G Z 1893. 259, Entscheid, verschied. Gerichte bei Finger LZ igo8. 149). Das ist auch wegen der Eigenart des Versicherungsverhältnisses als eines Vertrauens-, Gefahr- und Bedarfsverhältnisses notwendig. Der Versicherer muß der Vertragstreue seines Vertragsfreundes „in besonderem M a ß e " vertrauen, insbesondere seiner Gewissenhaftigkeit in der Fürsorge für den versicherten Gegenstand; selbst sein Prämienanspruch ist bei einem noch interessierten Versicherungsnehmer besser aufgehoben, als bei einem nicht mehr interessierten. Die Gefahr, die Schadensmöglichkeit, ist, wenn die Beziehung zur Sache in andere Hände übergegangen ist, eine andere und möglicherweise größere geworden. U n d dieser andere mag außerdem für die Versicherung keinen Bedarf haben, etwa weil er schon durch eine laufende Versicherung gedeckt ist. Aber diesen Erwägungen stehen andere und oft schwerer wiegende Verkehrsbedürfnisse gegenüber, insbesondere das Interesse des Veräußerers, die Prämie nicht umsonst ausgegeben zu haben, und das Interesse des Erwerbers, alsbald geschützt zu sein und nicht erst u m Versicherungsschutz besorgt sein zu müssen. Deshalb konnten nach § 899 HGB a. F., wenn der versicherte Gegenstand veräußert wurde, dem Erwerber die Rechte aus dem Versicherungsvertrag mit der Wirkung abgetreten werden, daß der Erwerber den Versicherer ebenso in Anspruch nehmen konnte, wie wenn der Gegenstand nicht veräußert wäre und der Versicherungsnehmer den Anspruch erhöbe. Deshalb soll nach § 49 ADS, grundsätzlich wenigstens, mit der Veräußerung der versicherten Sache der Erwerber in das Versicherungsverhältnis eintreten (de lege ferenda dagegen F. S i e v e k i n g Z H R 55. 176, dafür M ö l l e r H G Z 1909 Beil. 2. 8; ähnlich schon Preuß. ALR II 8. 2163: „Eine Veränderung in der Person des Eigentümers der versicherten Sache ändert nichts an der Versicherung, wenn nicht damit zugleich eine Veränderung des Ortes, der Aufsicht, der Art der Aufbewahrung oder der Nachbarschaft verbunden ist"; Ausnahme: § 50 Abs. 2). 4. A b s . 1. W e n n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r die versicherte Sache ver- Anm. 4 äußert, tritt der E r w e r b e r a n s e i n e Stelle. Die Bestimmung bildet eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß, wenn die Beziehung des Versicherungsnehmers zur Sache aufhört, das versicherte Interesse wegfällt und der Versicherer frei ist (oben Anm. 3). „Ausnahmen bestätigen die Regel." Aber dies bedeutet nicht, daß Ausnahmebestimmungen grundsätzlich anders auszulegen und anzuwenden sind, als andere Vorschriften. Jedenfalls dann nicht, wenn die Ausnahmebestimmung, wie hier, nicht sowohl das Ergebnis der positiven Auswahl unter mehreren, an sich möglichen und der Inter45»
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Veräußerung der versicherten Sache
§ 49 essenlage entsprechenden Regelungen ist, als vielmehr gerade auf der A b w ä g u n g der einander gegenüberstehenden Interessen beruht (oben Anm. 3). Dies um so mehr, als man darüber einig ist, daß gerade hier die Fassung des Gesetzes vieles zu wünschen übrigläßt, daß ζ. B. trotz des Gesetzeswordauts die Veräußerung der versicherten Sache den Ubergang der Versicherung n i c h t bewirkt, wenn nicht auch das versicherte Interesse mit übergeht (allgemeine Meinung, vgl. ζ. B. L e n s k i 20). In Rechtsprechung und Rechtslehre herrscht nur Uneinigkeit darüber, wann sich ein solcher Interessenübergang vollzieht. Anm. 5 5. Veräußerung einer Sache ist die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums durch Einzelnachfolge unter Lebenden. So wenigstens nach gemeinbürgerlichem Recht (vgl. ζ. B. BGB §§ 135, 314, 353, 445, 571, 888, 932—936, 1242). In Rechtslehre und Rechtsprechung ist es sehr umstritten, ob dieser Veräußerungsbegriff des bürgerlichen Rechts auch für das Versicherungsrecht gilt. Nach der überwiegend vertretenen sog. formellen Theorie ist für den Übergang des Versicherungsverhältnisses der formal den Eigentumswechsel bewirkende Rechtsvorgang entscheidend. Das ist insbesondere seit R G 84. 409 feststehende Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (s. R G 114. 316, 117. 270, 144. 395, 170. 285, B G H 10. 376, VersR 1955. 255 = BB 1955.398 = A P V 1955.281, 1963.516 = A P V 1963.201 = NJW 1963. 1548, K i s c h W u R V e r s 1914. 68 und 3. 266, J. v. G i e r k e Z H R 79. 337 und V S R 2. 198, R a i s e r Anm. 2 zu § 12, E h r e n z w e i g V V 227, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 1 zu § 49 A D S , P r ö l ß Anm. 2 zu § 69 V V G , H o c h g r ä b e r J R P V 1932. 146. Ein vollständiger Überblick über die Anhänger dieser Theorie findet sich bei L e n s k i 5f. Siehe zu der Frage auch S i e g Betrieb Beilage Nr. 7/66 zu Heft 19). Die Veräußerung der „versicherten" Sache ist aber nicht notwendig eine Übertragung des Eigentums. Und die Übertragung des Eigentums ist nicht notwendig eine Veräußerung der „versicherten" Sache. „ D i e Sache", „das Schiff", „die Güter" sind versichert, wenn das Eigentümerinteresse versichert ist (§ 1 Anm. 33). Das Eigentümerinteresse ist aber nicht das Interesse des Eigentümers, sondern das Interesse, wie es gewöhnlich der Eigentümer hat. Veräußerung der versicherten Sache ist also r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Ü b e r t r a g u n g d i e s e s E i g e n t ü m e r i n t e r e s s e s durch Einzelnachfolge unter Lebenden. Auf den Treuhänder geht zwar das Eigentum, aber nicht das Eigentümerinteresse über, also auch nicht die Versicherung ( R G 7. 13, ig. 207, NeumannsZ 1907. 268, O A G Dresden SA 22 Nr. 290, L G Berlin VersR 1952. 50, P r ö l ß Anm. 1 zu § 69 V V G ) . Nach englischem und romanischem Kaufrecht geht das Eigentum mit dem Vertragsschluß, bei Gattungssachen mit der Aussonderung auf den Käufer über; vereinbaren Verkäufer und Käufer, daß trotz des Eigentumsübergangs der Verkäufer die Gefahr bis zur Ubergabe an den Käufer tragen soll (ζ. B. mit den im Überseehandel üblichen Klauseln: „Glückliche Ankunft vorbehalten" oder „Seebeschädigung exklusive" oder ähnlich: F. S i e v e k i n g Z H R 55. 177), so geht zwar das Eigentum auf den Käufer über, aber nicht das Eigentümerinteresse, also auch nicht die Versicherung. Geht andererseits (gemäß BGB §§ 446, 447) zwar die Gefahr, aber noch nicht das Eigentum auf den Käufer über, so geht doch das Eigentümerinteresse auf den Käufer über, also auch die Versicherung (§ 1 Anm. 10, C a h n 17. 30, D o m i z l a f f 73, G e r h a r d 330, H a g e n Z f V W 1907. 23, H e l l w e g M i t t ö f f F V A 1920. 5, 220, 1932. 340), K r ö m e r 40, R a c k e l y M i t t ö f f F V A 1913. 148, R o h r b e c k Z f V W 1913.443, V o r w e r k 16, O A G Dresden S A 22 Nr. 290, O L G Marienwerder M i t t ö f f F V A 1930. 264, O L G Münster M i t t ö f f F V A 1920. 226, O L G Düsseldorf J R P V 1934. 171 = H a n s R G Z 1934 A 177; im Gegensatz zu dieser sog. Gefahrträgertheorie steht B r u c k V V G Anm. 2 zu § 65, auch P V R 558 auf dem Standpunkt, der Übergang der versicherten Beziehung sei nicht nur unabhängig von dem Ubergang des formellen Eigentumsrechts, sondern falle auch nicht not-
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wendig mit d e m G e f a h r ü b e r g a n g z u s a m m e n ; s. kritisch zu den verschiedenen Theorien § 4 9 L e n s k i 9—19). Allerdings geht das Eigentümerinteresse meist nicht ganz auf den K ä u f e r über. Ein Rest bleibt beim Verkäufer zurück (§ 1 A n m . 10). Der Ü b e r g a n g d e r G e f a h r k a n n ja, ζ. B. wegen Sachmängeln, wieder rückgängig g e m a c h t werden. Aus einem gewöhnlichen Eigentümerinteresse sind zwei, sich zu einem gewöhnlichen Eigentümerinteresse ergänzende, schwebende Interessen geworden. Bei solcher Lage k a n n natürlich die Versicherung auch nicht res'los auf d e n K ä u f e r übergehen. Sie geht auf d e n K ä u f e r n u r insoweit über, als G e f a h r u n d Eigentümerinteresse auf ihn übergehen. I m übrigen bleibt die Versicherung b e i m Verkäufer zurück. Das ist ja a u c h nichts Besonderes. W e n n der Verkäufer n u r die H ä l f t e der versicherten Sache veräußert, geht a u c h n u r die H ä l f t e des Eigentums, des Eigentümerinteresses, der Versicherung auf d e n K ä u f e r ü b e r ; die andere H ä l f t e bleibt b e i m Verkäufer zurück. D a ß das Eigentümerinteresse hier in anderer Art geteilt wird, k a n n keinen Unterschied machen. A u c h f ü h r t der teilweise Ubergang der Versicherung zu keinen Unzuträglichkeiten. Der Ubergang der R e c h t e u n d Pflichten auf den K ä u f e r , das K ü n d i g u n g s r e c h t des Käufers usw. bieten keine besonderen Schwierigkeiten u n d jedenfalls keine größeren, als w e n n etwa der K ä u f e r lediglich sein Eigentümerinteresse oder der Verkäufer lediglich sein Eigentümerinteresse versicherte (was zwar wirtschaftlich verkehrt, aber rechtlich natürlich möglich wäre). a) V e r ä u ß e r u n g ist also nicht der g e s e t z l i c h e U b e r g a n g des Eigentums. A n m . 6 Insbesondere nicht der gesetzliche U b e r g a n g vom Erblasser auf den E r b e n oder von einer Gesellschaft auf die andere ( P r ö l ß A n m . 1 zu § 69 V V G , L e n s k i 38fr. mit weiteren Nachweisen). Das Versicherungsverhältnis geht n a c h d e n f ü r d e n gesetzlichen Ü b e r g a n g geltenden Vorschriften ü b e r ( B u r c h a r d L Z 1911.340, C a h n 55, 8a, V o r w e r k 42, W e i ß 68 usw.; ü b e r die f ü r d e n Nacherbfall bestehende L ü c k e : K i s c h 3. 273). — Verä u ß e r u n g ist auch nicht die Begründung einer ehelichen Gütergemeinschaft, d u r c h welche die versicherte Sache in das Gesamtgut fallt; der Eigentümer bleibt Interessent, Versicherungsnehmer u n d Versicherter ( K i s c h 3.274, L e n s k i 47f.). Freilich wird a u c h der a n d e r e G a t t e Interessent; aber es findet keine Rechtsnachfolge u n d d a m i t kein U b e r g a n g der Versicherung statt. Anders, w e n n die versicherte Sache d u r c h V e r ä u ß e r u n g Bestandteil eines Gesamtguts wird, ζ. B. vom Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen eingebracht wird ( K i s c h 3. 353). b) V e r ä u ß e r u n g ist also a u c h nicht die Ü b e r t r a g u n g des Eigentums d u r c h Z w a n g s - A n m . 7 V e r s t e i g e r u n g , ·— d. h. die Zwangsversteigerung von Grundstücken usw. u n d von eingetragenen Schiifen, sowie die Versteigerung von a n d e r e n Sachen i m V e r f a h r e n der Zwangsvollstreckung (in diesem Falle jedenfalls nicht eine V e r ä u ß e r u n g d u r c h d e n Versicherungsnehmer; vgl. K i s c h 3. 276). Aber die sinngemäße A n w e n d u n g der für die V e r ä u ß e r u n g geltenden Bestimmung wäre a u c h ohne § 49 Abs. 5 geboten ( G e r h a r d 335, H a g e n 1. 673; abw. K i s c h 3. 275, M e r t e n s D J Z 1911. 873). Sie wird deshalb a u c h i n a n d e r e n F ä l l e n z w a n g s w e i s e r Ü b e r t r a g u n g des Eigentums geboten sein ( B e h r e n d Z H R 55. 113, B u r c h a r d L Z 1911. 341, D o m i z l a f f 83, G e r h a r d 335, J o s e f Z f V W 1 9 1 9 . 6 2 u. M i t t ö f f F V A 1913.676, K ö r n e r 58, K r ä m e r 54, P e t e r s e n Z f V W 1918. 283, 1919. 267, V o r w e r k 11, W e i ß 55, S c h l e g e l b e r g e r S V R A n m . 1 zu § 4g ADS, L e n s k i 71 f.; abw. B e n d i x Z f V W 1915. 145, K i s c h 3. 277 u. W u R V e r s 1914. 75, S c h n e i d e r 273, 281, H a g e n 1. 673, B r u c k V V G A n m . 4 zu § 73) P V R 566, E h r e n z w e i g W 229 A n m . 13, P r ö l ß A n m . 1 zu § 6g u n d A n m . 1 zu § 73 V V G ) , — natürlich nur, w e n n die zwangsweise Ü b e r t r a g u n g nicht a u c h den Versicherungsfall bildet. c) V e r ä u ß e r u n g ist also a u c h nicht die bloße B e l a s t u n g der versicherten Sache mit A n m . 8 dinglichen Rechten, ζ. B. mit Pfandrechten, u n d noch weniger die bloß obligatorische Begründung neuer Interessen Dritter a n der versicherten Sache ( B u r c h a r d L Z 1911.
710 §49
Anm. 9
Veräußerung der versicherten Sache
L e n s k i 25Γ, K i s c h 3.268, R a i s e r Anm. 6 zu § 1 2 , E h r e n z w e i g V V 227; einhellige Meinung). — Veräußerung ist insbesondere nicht die Belastung mit einer B o d m e r e i s c h u l d (§ 1 Anm. 34, 106). Die Versicherung des Eigentümers ruht, solange die Sache verbodmet ist, und wacht wieder auf, wenn die Bodmereischuld getilgt ist oder der Schuldner unbeschränkt zu haften beginnt. Sie wacht also auch wieder auf (oder ruht überhaupt nicht), wenn der Schuldner zwar nicht die unbeschränkte Haftung übernimmt, wohl aber es übernimmt, den Bodmereigläubiger aus der Entschädigung des Versicherers zu befriedigen, also auch, wenn er die Entschädigungsforderung an den Bodmereigläubiger abtritt.
d) Veräußerung ist also auch nicht der Eigentumsverlust durch u r s p r ü n g l i c h e n E i g e n t u m s e r w e r b eines anderen, durch Ersitzung, Funderwerb, Erwerb durch Verbindung, Vermengung, Vermischung, Verarbeitung, Umbildung usw. ( K i s c h 3. 272, V o r w e r k 10, L e n s k i 3 1 , R a i s e r Anm. 7 zu § 12, O L G Hamburg H G Z 1919. 96). Dagegen ist Veräußerung auch die Eigentumsübertragung kraft guten Glaubens des Erwerbers ( K i s c h 3. 272), — wobei aber zu berücksichtigen ist, daß die Versicherung nur übergeht, wenn der Versicherungsnehmer veräußert hat (vgl. unten Anm. 15, 16, 38; bestr., wie hier R a i s e r Anm. 7 zu § 12, L e n s k i 36; anders ζ. B. H a g e n 1. 665, B r u c k P V R 568; s. die weiteren Angaben bei L e n s k i a . a . O . ) . Anm. 10 e) Die Veräußerung kann (wegen Irrtums usw.) a n f e c h t b a r sein. Dann werden aus dem einen Eigentümerinteresse zwei schwebende Eigentümerinteressen, von denen das eine beim Veräußerer bleibt, das andere auf den Erwerber übergeht und die' Versicherung insoweit mitnimmt — ähnlich wie beim Verkauf der versicherten Sache mit Gefahrübergang. Wird angefochten, so vereinigen sich die beiden Interessen wieder zu einem. Ist in der Zwischenzeit ein Versicherungsfall eingetreten, so zeigt sich nunmehr, daß nur das (schwebende) Interesse des Veräußerers versichert ist. Die Haftung des Erwerbers für die Prämie wird durch die Wiedervereinigung der Interessen nicht berührt. Dagegen L e n s k i 73, weil diese Ansicht praktisch undurchführbar sei, denn es lasse sich nicht feststellen, in welchem Umfange die Versicherung vor der Anfechtung übergehe. Aber von einem quotenmäßigen Umfange ist nicht die Rede. Die h. M. ist der Auffassung, daß zwar der anfechtbare Erwerb der Regelung des § 69 V V G unterliege, daß sich aber mit der Anfechtung die Rechtslage für alle Beteiligten so gestalte, als ob überhaupt keine Veräußerung erfolgt sei. Etwaige in der Zwischenzeit vom Erwerber oder Veräußerer erbrachte Leistungen seien grundlos erfolgt ( K i s c h 3. 282, H o c h g r ä b e r J R P V 1932. 352, K i a n t o s VersWissArch 1958. 224, L e n s k i 74). — Ist die Veräußerung von vornherein n i c h t i g , so geht natürlich nichts über. Ist die Veräußerung aber nur gegenüber einer bestimmten Person unwirksam (vgl. BGB § 135), so entsteht wieder der für ungewisse Rechtslagen dieser Art charakteristische Schwebezustand. Anders K i s c h 3. 278 Anm. 2, B r u c k P V R 564, L e n s k i 78, nach welchen die Versicherung nach § 69 V V G auf den Erwerber übergeht. Das Vertragsverhältnis zu dem Versicherer werde durch die relative Unwirksamkeit nicht berührt. Nur brauche sich derjenige, zu dessen Schutz die Verfügungsbeschränkung bestehe, den Ubergang der Versicherung nicht entgegenhalten zu lassen. — Ähnlich, wenn die Wirksamkeit der Veräußerung von einer G e n e h m i g u n g abhängt. Auch hier wieder anders K i s c h 3. 277 Anm. 1, L e n s k i 76fr Im Hinblick auf § 184 Abs. 1 BGB gehe im Falle der Genehmigung die Versicherung mit der Verfügung, nicht erst mit der Genehmigung über. — Ist die versicherte Sache unter E i g e n t u m s v o r b e h a l t verkauft, so geht gemäß § 446 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Übergabe der Sache die Gefahr auf den Käufer über, hiermit aber auch der Hauptsache nach das Eigentümerinteresse und die Versicherung. Es entsteht also wieder jener der Unsicherheit eigentümliche Schwebezustand, der insbesondere aufhört, wenn der Verkäufer gemäß § 455 BGB zu-
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rücktritt (vgl. auch B r u c k P V R 562, V o r w e r k 10, 18, R a k e l y ITVMitt 1913. 149, § 4 9 K e r s t i n g J W 1927. 699, O L G Düsseldorf J R P V 1934. 171 = HansRGZ 1934 A 117). Für die formelle Theorie kommt es dagegen auf den Augenblick an, in dem der Erwerber durch Einigung und Übergabe oder Ubergabesurrogat das Eigentum an der versicherten Mobile erlangt hat. Bis zu diesem Augenblick geht die Versicherung nicht auf den Käufer über (RG 114. 316, K G J R P V 1929. 247, O L G Hamburg H R Z 1926. 332, O L G München APV 1927. 276 = J R P V 1927. 247, O L G Celle APV 1932. 325, L G Trier VersR 1954. 352, L G Berlin VersR 1959.421, K i s c h WuRVers 1914. 71, 3. 269, R a i s e r Anm. 4 zu § 12, J . v. G i e r k e V S R 2. 198, P r ö l ß Anm. 1 zu § 69 V V G , E h r e n z w e i g V V 230). — Ist die versicherte Sache unter a u f s c h i e b e n d e r Bed i n g u n g veräußert, so entstehen zwar auch zwei schwebende Interessen, aber anderer Art. Der Veräußerer hat ein gegenwärtiges, aber möglicherweise schwindendes Interesse, der Erwerber ein möglicherweise künftig entstehendes Interesse. Eigentum, Eigentümerinteresse und Versicherung gehen erst über, wenn die Bedingung eintritt (Bruck P V R 563, E h r e n z w e i g V V 236 Anm. 18, L e n s k i 77). Ahnlich, wenn die Veräußerung zwar n i c h t i g , aber durch Bestätigung g ü l t i g werden kann. — Ist die Sache unter a u f l ö s e n d e r B e d i n g u n g veräußert, so hat der Erwerber ein gegenwärtiges, aber möglicherweise wieder schwindendes Interesse, der Veräußerer nur ein möglicherweise künftig entstehendes Interesse. Tritt die Bedingung ein, so gehen Eigentümerinteresse und -Versicherung auf den Veräußerer zurück; denn der Rückgang des Eigentums beruht auf der Veräußerung (h.M., vgl. B r u c k P V R 563, K i s c h WuRVers 1914.68, 3. 282, P r ö l ß Anm. 1 zu § 69 V V G , L e n s k i 77; anders E h r e n z w e i g V V 230, C a h n 62). Ähnlich, wenn sich der Verkäufer ein R ü c k k a u f s r e c h t ausbedungen hat. — Wird die versicherte Sache dagegen nur zu Sicherungszwecken veräußert, so bleiben Gefahr, Eigentümerinteresse und Versicherung beim Veräußerer (wie sie bei der wirtschafdich ähnlichen Verpfändung beim Verpfänder bleiben). Wie hier B r u c k P V R 563, V V G Anm. 6 zu § 69, R a k e l y ITVMitt 1913.148, K r o e m e r 50, J . v. G i e r k e V S R 2. 198; anders die meisten Anhänger der formellen Theorie, so R G 117. 270, 130. 237, 144. 385, BGHZ 10. 376, BGH VersR 1963. 516, K i s c h 3. 282 Anm. 5, R a i s e r Anm. 5 zu § 12, P r ö l ß Anm. 1 zu § 69 V V G , E h r e n z w e i g V V 230; s. die weiteren Angaben bei L e n s k i 22. Oft wird sich aber der Gläubiger auch die Entschädigungsforderung zur Sicherheit mit abtreten lassen. — Näheres über diese streitigen Fragen, die, wie die obigen Darlegungen zeigen, von denjenigen, die Eigentümerinteresse und Versicherung dem juristischen Eigentum folgen lassen, natürlich teilweise anders beantwortet werden, Lit. oben Anm. 2 und insbesondere K i s c h 3. 277, 266. 294 und neuerdings L e n s k i , Zur Veräußerung der versicherten Sache, 1965. 6. Die Sache, das Eigentümerinteresse, muß versichert sein. Wenn die Sache Anm. 11 z w i s c h e n V e r s i c h e r u n g s a n t r a g und A n n a h m e veräußert wird, war sie zur Zeit der Veräußerung nicht versichert (so auch L e n s k i 78). — Wenn zur Zeit der Veräußerung der Versicherungsvertrag zwar geschlossen ist, aber noch der G e n e h m i g u n g bedarf und die Genehmigung erteilt wird, war die Sache zur Zeit der Veräußerung versichert (BGB § 184 Abs. 1). — Wenn zur Zeit der Veräußerung zwar der Versicherungsvertrag geschlossen war, aber noch eine a u f s c h i e b e n d e B e d i n g u n g schwebte und diese eintritt, war die Sache zur Zeit der Veräußerung versichert (wenn auch eben nur bedingt; K i s c h 3. 285). — Wenn der Versicherungsvertrag zur Zeit der Veräußerung geschlossen, aber u n w i r k s a m war, war die Sache natürlich nicht „versichert". Guter Glaube des Erwerbers nützt nicht ( K i s c h 3. 287). — Wenn der Versicherungsvertrag zur Zeit der Veräußerung zwar geschlossen war, aber die V e r s i c h e r u n g noch n i c h t b e g o n n e n hatte, war die Sache versichert (vgl. § 11 Anm. 3, K i s c h 3. 285 und „Die öffentlich-rechtliche Versicherung" 1932. 249, H a g e n 1. 661, P r ö l ß Anm. 4 zu § 69
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§ 49 V V G , Lenski 79, E h r e n z w e i g V V 231 Anm. 1, R a i s e r Anm. 12 zu § 12, Burchard LZ 1911. 339, S i e v e k i n g 209, Weiß 146, ROHG 14. 132, R G 90. 8; anders Bruck P V R 571 und V V G Anm. 11 zu § 69, Benecke 2. 14, Nolte 1. 533, OLG Stuttgart APV 1929. 317, auch K G J W 1919. 118). Das Versicherungsverhältnis hat begonnen, bevor die Versicherung begonnen hat. Das Interesse fällt nicht etwa weg, wenn der Versicherungsnehmer für eigene Rechnung versichert hat und die versicherte Sache vor Beginn der Versicherung veräußert wird, oder wenn der Versicherungsnehmer für fremde Rechnung versichert hat und die versicherte Sache vor Beginn der Versicherung erwirbt. Ist die Sache für Rechnung, wen es angeht, versichert, so finden die Vorschriften über Eigenversicherung auch dann Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer die Sache vor Beginn der Versicherung veräußert, die Vorschriften über Fremdversicherung auch dann, wenn er die Sache vor Beginn der Versicherung erwirbt. Wenn der Cif-Verkäufer die für Rechnung, wen es angeht, versicherten Güter vor Beginn der Versicherung verkauft hat, finden doch nur die Vorschriften über Eigenversicherung Anwendung, — nicht nur für den Rest von Eigentümerinteresse, den der Verkäufer behalten hat, sondern auch für den Hauptteil des Eigentümerinteresses, der auf den Käufer übergegangen ist und die Versicherung in der Hauptsache nach sich zieht. Hat der Eigentümer noch nicht verkauft, so kann er Eigenversicherung nehmen; wenn er die Güter (vor oder nach Beginn der Versicherung) mit Gefahrübergang verkauft, geht die Versicherung, soweit sie nicht beim Verkäufer bleibt, auf den Käufer über. Wenn der Eigentümer die Güter mit Gefahrübergang verkauft, muß er sein eigenes Interesse und dasjenige des Käufers für eigene und fremde Rechnung versichern. Hat er Güter verkauft, die auf seine Gefahr eine Vorreise, für Käufers Gefahr eine Nachreise machen müssen, so muß er für die kombinierte Reise wieder für eigene und fremde Rechnung Versicherung nehmen. Man hatte dies in der ADHGB-Kommission wohl erwogen und beantragt, die Vorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache auf den Fall zu beschränken, daß „der versicherte Gegenstand w ä h r e n d der D a u e r der G e f a h r des Versicherers veräußert werde" (Prot. 3643, vgl. auch 3654, auch HGB § 900 Abs. 2). Hiernach würde ζ. B. das Interesse weggefallen sein, wenn der Eigenversicherte die Sache vor Beginn der Versicherung veräußerte; der Versicherungsnehmer hätte Ristornogebühr zahlen und neue Versicherung nehmen müssen. Diese und andere „Schwierigkeiten" und „Verlegenheiten" haben den Antrag zu Fall gebracht (Prot. 3649). Seitdem unterstellt man meist ohne weiteres, daß die Sache bereits zwischen Vertragsschluß und Versicherungsbeginn „versichert" ist (s. auch die obigen Nachweise). Hat man es gelegentlich übersehen (so Voigt 31), so sind Mißverständnisse über das Wesen des Interesses, der Eigenversicherung und der Fremdversicherung nicht ausgeblieben (Gerhard 373, L e n n e 96, F. S i e v e k i n g ZHR 55. 151, R G 13. 103). — Ist die f ü r die V e r g a n g e n h e i t eigenversicherte Sache vom Versicherungsnehmer zwischen Versicherungsbeginn und Vertragsschluß veräußert, so ist die „versicherte" Sache veräußert. Denn bei der Vergangenheitsversicherung soll eben das Verhältnis auf den Zeitpunkt des Versicherungsbeginns zurückbezogen werden. (Einhellige Ansicht, vgl. etwa Bruck V V G Anm. 11 zu § 69, C a h n 113, Lenski 80). — Gilt in diesen Fällen die Sache als versichert, obwohl sie es in Wirklichkeit noch nicht ist, so gilt in anderen Fällen die Sache als versichert, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht mehr ist, ja sogar, obwohl die Sache gar nicht mehr da ist. Sind Güter am 1. März versichert, am 2. März untergegangen, am 3. März mit Gefahrübergang vom 1. März verkauft, so tritt der Käufer in das Versicherungsverhältnis ein. Ahnlich im Falle der Vergangenheitsversicherung: Die Güter werden am 1. März verschifft, gehen am 2. März unter, werden am 3. März mit Beginn vom 1. März versichert und am 4. März mit GefahrÜbergang vom 1. März verkauft (Cahn 112).
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7. „Die Sache" („das Schiff", „die Ladung") ist „versichert", wenn das gewöhnliche Eigentümerinteresse versichert ist (oben Anm. 5). Die Versicherung des gewöhnlichen Eigentümerinteresses gehört zu den Versicherungen, die „sich auf die Sache beziehen". Andere Versicherungen, die sich auf die Sache beziehen, sind an und fur sich keine „Versicherungen der Sache". Zu diesen anderen Versicherungen gehören auch andere Versicherungen des Eigentümer-Interessenten. So etwa Versicherungen, die der Eigentümer-Interessent für den M e h r w e r t , für imaginären G e w i n n , für den von der Ankunft des Schiffes erwarteten Gewinn genommen hat. Soweit mit dem gewöhnlichen Eigentümerinteresse auch die solchen Versicherungen zugrunde liegenden Interessen auf den Erwerber übergehen, werden auch die Versicherungen übergehen müssen ( G i e r k e Z H R 79. 348, V S R 2. 198, K i s c h 3. 292, Weiß 6 1 , P l a s s J R P V 1940. 145, B r u c k P V R 5 7 1 , V V G Anm. 13 zu §69, S i e g BB 1959. 1014, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 2 zu § 49 ADS, L e n s k i 67 [Geltung, soweit dies mit der Natur der Gewinnversicherung vereinbar ist], anders E h r e n z w e i g P V R 227 Anm. 5, K r o e m e r 52). Dies ergibt sich wohl schon daraus, daß § 8g9 H G B ( = A D S § 49) sich an § 69 V V G anschließt und „Versicherungen der Sache" im Sinne des § 69 V V G auch Versicherungen des Mehrwerts usw. sein können (vgl. V V G §§ 52, 53). Jedenfalls aber daraus, daß § 49 überhaupt nicht auf den Fall der Veräußerung der versicherten Sache zu beschränken, sondern auf die Fälle der Übertragung anderer Interessen als gewöhnlicher Eigentümerinteressen zu erstrecken ist (unten Anm. 13). 8. § 49 ist auf die Übertragung anderer Interessen als gewöhnlicher Eigentümerinteressen sinngemäß anzuwenden ( B u r c h a r d L Z 1 9 1 1 . 3 4 1 , C a h n 33,84, G e r h a r d 3 3 1 , K i s c h 3 . 2 9 1 , M o l t 114, V i l l a L Z 1912.206, B r u c k P V R 572, V V G Anm. 13 zu §69, J . v. G i e r k e Z H R 79. 347, V S R 2. 198, S i e g BB 1959. 1014, V o i g t 13 für den Fall der Übertragung der Bodmereiforderung, V o r w e r k 15, Weiß 63, L G Berlin VersR 1952. 50; abw. H a g e n Z f V W 1914. 597, W o l f f 443, P r ö l ß Anm. 1 zu § 69 V V G (§ 69 gilt nicht für Forderungen und nur für das Eigentümerinteresse), E h r e n z w e i g P V R 227; s. zu der Frage L e n s k i 6of.). Denn die Interessenlage ist dieselbe wie im Falle der Veräußerung der versicherten Sache. Hat der Schiffsgläubiger, der Schiffshypothekengläubiger, der Frachtgläubiger usw. die versicherte Forderung abgetreten und damit das Interesse (sei es ganz, sei es bis auf einen Rest, vgl. ζ. B. BGB § 440) übertragen, so geht auch die Versicherung auf den Erwerber über (sei es ganz, sei es bis auf den beim Zedenten verbliebenen Rest). 9. Die Versicherung geht nur über, wenn und soweit das I n t e r e s s e des Erwerbers d a s s e l b e ist wie dasjenige des Veräußerers. Wenn der Eigentümer die gewinnversicherte Sache veräußert, geht die Gewinnversicherung auch dann über, wenn der Gewinn (zwar zur Zeit der Schließung des Vertrags, aber) zur Zeit der Veräußerung nach kaufmännischer Berechnung nicht mehr zu erwarten war. Wenn aber der Eigentümer einen Gewinn versichert hat, den nur er nach seinen besonderen Verhältnissen hätte erzielen können, und die so gewinnversicherte Sache an einen Erwerber veräußert, bei dem die besonderen Verhältnisse fehlen und nur die Hälfte des Gewinns zu erzielen ist, geht auch die Versicherung nur zur Hälfte über, fällt zur anderen Hälfte das versicherte Interesse weg und die Versicherung zusammen (oben Anm. 3, K i s c h 3. 2g6). Wenn der Käufer, der die Reisegefahr trägt, die Güter für eigene Rechnung versichert und mit Recht zur Verfügung stellt, geht die Versicherung nicht auf den Verkäufer als den Erwerber über, insbesondere auch dann nicht, wenn er sich mit der Rückgängigmachung des Kaufes einverstanden erklärt. Denn das (schwebende) Interesse, das der Käufer hatte, versichert hatte und (für eigene Rechnung) allein versichern konnte, ist auf den Verkäufer nicht übergegangen, sondern weggefallen. Der Käufer hatte die Güter für eigene und fremde Rechnung oder für Rechnung, wen
§ Anm. 12
Anm. 13
Anm. 14
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§ 49 es angeht, versichern sollen. Dann wäre auch das (gleichfalls schwebende) Interesse des Verkäufers mitgedeckt gewesen. Auch wenn der Käufer keinen Auftrag hatte, es mit zu decken (vgl. jedoch auch § 57 Abs. 4). Solange zweifelhaft ist, ob der (eigenversicherte) Käufer mit Recht zur Verfügung gestellt hat, ist auch zweifelhaft, ob infolgedessen das versicherte Interesse weggefallen ist und der Versicherer den etwa inzwischen entstandenen Schaden ersetzen muß. Erweist sich der Standpunkt des Käufers als unbegründet, muß der Versicherer entschädigen; im anderen Falle ist er frei. Der Versicherungsnehmer braucht nicht bei seinem Standpunkt zu bleiben. Er kann, auch wenn er mit Recht zur Verfügung gestellt hat, nachgeben. Der Versicherer kann sich nicht etwa auf § 41 berufen. Aber der Versicherungsnehmer darf auch nicht wider Treu und Glauben nachgeben (anal. BGB § 162 Abs. 2). Die Tatsache allein, daß er die ihm vorgelegten Warenpapiere nicht eingelöst hat, genügt natürlich nicht, ihn seiner Entschädigungsansprüche zu berauben (vgl. R G 94. 302 gegen HGZ 1917. 226). Anm. 15 10. Die versicherte Sache muß vom Versicherungsnehmer veräußert sein. Von ihm selbst oder von seinem Vertreter. Auch sog. mittelbare Vertreter (Beauftragte, Verkaufskommissionäre, Geschäftsführer ohne Auftrag, Pfandgläubiger usw.) können die versicherte Sache im eigenen Namen für Rechnung des Versicherungsnehmers mit der Wirkung veräußern, daß der Erwerber in das Versicherungsverhältnis eintritt ( C a h n 81). Wenn ein Dritter unberechtigterweise veräußert, geht die Versicherung nicht auf den Erwerber, insbesondere nicht auf den gutgläubigen Erwerber über (so auch R a i s e r Anm. 7 zu § 49, L e n s k i 36; abw. C a h n 73). — Bei der Versicherung für fremde Rechnung kann der Versicherungsnehmer oder der Versicherte veräußert haben. Anm. 16 a) Insbesondere der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r , ζ. B. der Kommissionär, der Spediteur, der Lagerhalter, der die Sache für Rechnung des Kommittenten usw. versichert hat. Der Erwerber tritt nur in die Stellung des Versicherten ein ( K i s c h 3. 553). Der Veräußererer bleibt „Versicherungsnehmer". Zwar läßt § 49 Abs. I die Rechte und Pflichten „des Versicherungsnehmers" übergehen, wenn die Sache „von dem Versicherungsnehmer" veräußert wird. Aber § 49 behandelt (gleich den meisten anderen Bestimmungen) ausdrücklich nur den gewöhnlichen Fall der Versicherung für eigene Rechnung und muß auf den Fall der Versicherung für fremde Rechnung sinngemäß angewendet werden ( K i a n t o s VersWissArch 1958. 150, L e n s k i 80). — Auch wenn der Versicherungsnehmer zur Veräußerung nicht berechtigt war, der Erwerber aber gleichwohl kraft guten Glaubens Eigentümer geworden ist, tritt der Erwerber in die Stellung des Versicherten ein (so auch J . v. G i e r k e VSR 2. 199, K i a n t o s VersWissArch 1958. 157, Bruck PVR 569, L e n s k i 81; s. auch S k o u f i s VersR 1962. 492; anders K i s c h 3. 553). Anm. 17 b) Insbesondere der V e r s i c h e r t e , ζ. B. der Kommittent, der Einlagerer, für dessen Rechnung die Versicherung genommen ist. Der Erwerber tritt nur in die Stellung des Versicherten ein. Die Stellung des Versicherungsnehmers bleibt unberührt. Zwar läßt § 49 Abs. 1 die Rechte und Pflichten „des Versicherungsnehmers" übergehen, wenn die versicherte Sache „von dem Versicherungsnehmer" veräußert wird. Aber dies ist nicht entscheidend (vgl. oben Anm. 16 und HGB § 899, der gerade nur den Fall behandelt, daß die versicherte Sache „von dem Versicherten" veräußert wird). So auch R a i s e r Anm. 22 zu § 13, K i a n t o s VersWissArch 1958. 171, K i s c h 3. 552, E h r e n z w e i g VV 232, L e n s k i 83, BGHZ 26. 133, KG VersR 1957. 593; anders P r ö l ß Anm. 4 zu § 6g VVG. Anm. 18 I i . Der Erwerber kann s e l b s t e r w o r b e n haben oder d u r c h einen V e r t r e t e r . Auch sog. m i t t e l b a r e V e r t r e t e r (Beauftragte, Einkaufskommissionäre, Geschäfts-
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führer ohne Auftrag usw.) werden die versicherte Sache im eigenen Namen für Rechnung § 49 des Dritten mit der Wirkung erwerben können, daß der Dritte in das Versicherungsverhältnis eintritt ( C a h n 78; abw. D o m i z l a f f W u R V e r s 1913. 135, J o s e f 113, K i s c h 3. 357; vgl. auch für das frühere Binnenversicherungs-Recht L Z 1907. 440). Denn der mittelbare Vertreter ist zwar Eigentümer, hat aber kein Eigentümerinteresse und kann deshalb auch nicht in die Stellung des Versicherten eintreten. Vielmehr wird das Verhältnis nunmehr, der Rechts- und Interessenlage gemäß, so zu behandeln sein, wie wenn der Vertreter in die Stellung des Versicherungsnehmers für fremde Rechnung, der Vertretene in die Stellung des für fremde Rechnung Versicherten eingetreten wäre. 12. O b sich zur Zeit der Veräußerung bereits ein V e r s i c h e r u n g s f a l l z u g e - Anm. t r a g e n hat oder nicht, ist grundsätzlich ohne Bedeutung ( K i s c h 3. 288; unrichtig V o r w e r k 14: „Es handle sich hier immer nur um eine Veräußerung vor dem Eintritt des Versicherungsfalls"). Ist insbesondere zur Zeit der Veräußerung der Versicherungsfall eingetreten und Schaden noch nicht entstanden, aber abzuwenden, so trifft die Schadenabwendungs-Pflicht (auch) den Erwerber. Soweit dagegen Schaden, ζ. B. eine Beschädigung der versicherten Sache, entstanden ist, ist natürlich das versicherte Interesse um ebensoviel gemindert. Die Versicherung geht nur mit dem Reste auf den Erwerber über. Die Entschädigungsforderung bleibt beim Veräußerer; sie hat sich j a auch „während seines Eigentums ergeben" ( G e r h a r d 332, K i s c h 3. 289; abw. ohne Grund S i e v e k i n g 208: Alle diejenigen Rechte gingen auf den Erwerber über, „deren Grundlagen nach dem Übergang des Eigentums für die Parteien in die äußere Erscheinung träten"). Sie würde sich selbst dann „während der Dauer seines Eigentums ergeben" haben, wenn der Versicherungsfall vor der Veräußerung, der Schaden aber erst nach der Veräußerung eingetreten sein würde. — Der Erwerber braucht also im allgemeinen den vor dem Erwerb entstandenen Schaden nicht zu mindern. — Dient die Veräußerung zur Minderung des Schadens, so muß die versicherte Sache natürlich regelmäßig unter Ausschluß des Übergangs der Versicherung veräußert werden (§ 41 Anm. 16; vgl. auch § 33 Anm. 40). Ebenso, wenn die Veräußerung zur Liquidation des Schadens dient ( § 9 3 Anm.). 13. Der Erwerber tritt an Stelle des Veräußerers In die aus dem Ver- Anm. sicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein. Nicht, weil man die Entschädigungsforderung als eine „Pertinenz des versicherten Gegenstandes" (Prot. 3641), als eine „verdinglichte Forderung", als eine mit der versicherten Sache verbundene und deshalb ihre Schicksale teilende Forderung, die Prämienpflicht als eine mit der versicherten Sache verbundene Last angesehen hätte (oben Anm. 3). A u c h nicht, weil man der reichsgerichtlichen Lehre vom objektiven Interesse zur gesetzlichen Anerkennung hätte verhelfen wollen, in der Versicherung des einen Interessenten die Versicherung auch aller künftigen Interessenten erblickt hätte (§ 1 Anm. 5ff.; dagegen auch H a g e n 1. 376, 661). Sondern im Gegenteil: weil „ a n und für sich die Veräußerung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge haben würde" und weil „ d e m praktischen Bedürfnis ein derartiger Rechtszustand nicht entspricht" (Begr. z. V V G § 69—73). Der Eintritt des Erwerbers ist auch keine „gesetzliche Zession verbunden mit gesetzlicher Schuldnachübernahme" (so R e i c h e l Schuldmitübernahme 125), der Erwerber kein Rechtsnachfolger des Veräußerers ( C a h n 19, 92, K i s c h 3. 334 u. Recht 1913. 9, W e i ß 89; anders noch H G B a. F. § 899: „ W i r d der versicherte Gegenstand veräußert, so können dem Erwerber die dem Versicherten nach dem Versicherungsvertrag auch in bezug auf künftige Unfälle zustehenden Rechte mit der Wirkung abgetreten werden, daß der Erwerber den Versicherer ebenso in Anspruch zu nehmen befugt ist, als wenn die Veräußerung nicht stattgefunden hätte und der Versicherte selbst den Anspruch erhöbe"; und früher AllgPlan
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Versicherung der versicherten Sache
§ 49 1847 § 74, B e n e c k e 2. 14, N o l t e 2. 533, P o h l s 4. 148). Gesetz und A D S haben dies dadurch bestätigt, daß sie die Anwendung der §§ 406—408 BGB besonders angeordnet haben (ADS § 49 Abs. 2), was nicht nötig gewesen wäre, wenn es sich um eine Rechtsnachfolge handelte (BGB § 412). D a s V e r s i c h e r u n g s v e r h ä l t n i s e n t s t e h t kraft Gesetzes zwischen Versicherer und Erwerber n e u ( K i s c h 3. 335 u. Recht 1913. io, B r u c k P V R 575, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 5 zu § 49 A D S ; vgl. auch § 571 BGB über den Eintritt des Grundstückserwerbers in Mieteverhältnisse und dazu R G 59. 188, 68. 12). Und zwar vollständig neu. Insbesondere ist der Übergang nicht etwa so zu denken, daß nun ein der Versicherung für fremde Rechnung ähnliches Verhältnis entstände, aus der Eigenversicherung eine Fremdversicherung würde, der Veräußerer die Stellung des Versicherungsnehmers behielte und der Erwerber nur in die Stellung des Versicherten einrückte (vgl. aber auch oben Anm. 18) — ein Gedanke, der besonders deshalb naheliegt, weil die Aufdrängung eines neuen Versicherungsnehmers dem Versicherer die Ausübung seiner Gestaltungsrechte (ζ. B. die Anfechtung der Taxe oder den Versichererabandon) stark erschweren kann (unten Anm. 21). Vgl. aber auch unten Anm. 27 und § 15 Anm. 13. Anm. 21 a) Hieraus folgt, daß der Erwerber nicht nur in die „aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten" eintritt, sondern auch in a l l e n anderen B e z i e h u n g e n als V e r s i c h e r u n g s n e h m e r zu betrachten und zu behandeln ist ( K i s c h 3. 306, 335). Insbesondere sind die Gestaltungsrechte des Versicherers ihm gegenüber auszuüben. Der Versicherer muß dem Erwerber gegenüber Herabsetzung der Taxe verlangen (§ 6 Abs. 2), abandonnieren (§ 38), die Versteigerung oder den sonstigen Verkauf der versicherten Sachen verlangen (§§ 71 Abs. i, 91 Abs. 1, 93 Abs. 3, 96 Abs. 1), wegen wichtigen Grundes kündigen usw. So auch K i s c h 3. 297, B r u c k P V R 577, R a i s e r Anm. 14 zu § 12, P r ö l ß Anm. 4 zu § 69 V V G , L e n s k i 85, O L G Bremen VersR 1953. 450. Aber wie nur der Veräußerer wegen Irrtums, Täuschung usw. anfechten kann, so kann der Versicherer auch nur dem Veräußerer gegenüber deswegen anfechten. „Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrage der andere Teil" (BGB § 143 Abs. 2), d. h. derjenige, der den Vertrag geschlossen hat. Den Erwerber überkommt das Versicherungsverhältnis als ein anfechtbares, als ein solches, das durch Anfechtung gegenüber dem ursprünglichen Vertragsgegner vernichtet werden kann (abw. K i s c h 3. 297, B r u c k P V R 577, V V G Anm. 19 zu § 69, R a i s e r Anm. 14 zu § 12, P r ö l ß Anm. 4 zu § 69 V V G , L e n s k i 85, die eine Anfechtungserklärung gegenüber dem Erwerber fordern, selbst wenn sich die Voraussetzungen des Anfechtungsrechts nach der Person des Veräußerers bestimmen). Die Anfechtung darf dem Versicherer jedenfalls nicht durch die Veräußerung erschwert werden. — Uber Mahnung zur Zahlung der Prämie und Kündigung wegen Verzugs mit der Zahlung: unten Anm. 23. Anm. 22 b) Hieraus folgt aber nicht, daß das neue Verhältnis von demjenigen unabhängig wäre, das vor der Veräußerung bestanden hat. Der Erwerber tritt „ a n die S t e l l e " des Veräußerers, muß also das Versicherungsverhältnis so hinnehmen, wie es beim Erwerb aussieht. Mit allen inzwischen etwa vereinbarten Änderungen, mit allen Einwendungen ( B u r c h a r d L Z 1 9 1 1 . 334, G e r h a r d 332, K i s c h 3. 295, B r u c k V V G Anm. 19 zu § 69, P r ö l ß Anm. 4 zu § 69 V V G , L e n s k i 84, R G Z 170. 285, S t r u c k m a n n DVfVWVeröff 2. 271, V o r w e r k 25, Weiß 99, W e y g a n d 32, H G Z 1905. 1 1 4 ; schwankend C a h n 94. 1 1 5 usw.). Der Versicherer kann sich insbesondere darauf berufen, daß er zur Zeit der Veräußerung frei war, weil die Prämie nicht rechtzeitig bezahlt war (oder auch nur die Zahlungsfrist des § 1 7 Satz 1 lief und inzwischen fruchtlos verstrichen ist), die vorvertragliche Anzeigepflicht oder die Offenbarungspflicht des § 5 verletzt, die Gefahr geändert ist, der Veräußerer die (Uber- oder Doppel-) Versicherung genommen hat, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (teilw.
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abw. ohne Grund Weiß 102: Verfehlungen des Veräußerers, die ohne Nachteil für § 4 9 den Versicherer geblieben seien, „könnten in der Person des Erwerbers geheilt werden"). Abtretung, Verpfändung, Pfändung der Entschädigungsforderung muß der Erwerber gegen sich gelten lassen. c) Der Erwerber tritt ein, der V e r ä u ß e r e r tritt aus. Der Veräußerer hat j a Anm. 23 kein Interesse mehr (oben Anm. 3). Er hat insbesondere keine Rechte mehr, kein Recht auf Entschädigung, keine Gestaltungsrechte. Ebensowenig Pflichten, die Pflicht, die Gefahr nicht zu ändern, den Versicherungsfall nicht herbeizuführen, anzuzeigen usw.; er würde insoweit nur noch als Erfüllungsgehilfe des Erwerbers in Betracht kommen können (Vorb. V I I I vor §1). — Der Veräußerer würde also auch nicht mehr verpflichtet sein, Prämie zu zahlen. Das ist natürlich nicht möglich; der Schuldner darf sich insoweit jedenfalls nicht von seinen Verbindlichkeiten befreien können. Deshalb tritt insoweit der Erwerber nicht an die Stelle des Veräußerers, sondern neben ihn: Veräußerer lind Erwerber haften für die Prämie als Gesamtschuldner, auch für Prämienzulagen, Zuschlagsprämien (ζ. B. diejenige des § 20 Abs. 3), auch wohl für Nebenkosten (§ 16). Der Versicherer kann von jedem die ganze Prämie verlangen (BGB § 421). Zahlung durch einen befreit den anderen (BGB § 422). Der von dem Versicherer und einem der beiden vereinbarte Erlaß wirkt auch für den anderen, wenn der Erlaß auch für ihn wirksam sein soll (BGB § 423). Annahmeverzug des Versicherers gegenüber einem der beiden wirkt auch für den anderen (BGB § 424). Andere Tatsachen (insbesondere Kündigung, Verzug, Verschulden usw.) wirken nach § 425 BGB grundsätzlich nur für und gegen denjenigen Prämienschuldner, in dessen Person sie eintreten. Der Versicherer kann also den Erwerber mit der Wirkung mahnen, daß er gemäß §17 Satz 1 frei wird, dem Erwerber gegenüber gemäß §17 Satz 2 kündigen. Er kann aber auch den Veräußerer mit der Wirkung mahnen, daß er gemäß § 17 Satz 1 frei wird, dem Veräußerer gegenüber gemäß § 17 Satz 2 kündigen. Denn § 425 BGB gilt nur, „soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt", und aus den §§ 16, 17, 49 ergibt sich, daß der (nur kumulative) Eintritt des Erwerbers in die Prämienschuld an den durch § 17 begründeten Gestaltungsrechten des Versicherers nichts ändern soll und der Interessenlage gemäß ja auch nichts ändern darf (teilw. abw. K i s c h 3. 299). In bezug auf die Prämienschuld bleibt der Veräußerer verpflichtet, Vertragspartei, Versicherungsnehmer; der Erwerber tritt nur neben ihn; der Veräußerer ist also auch noch Versicherungsnehmer im Sinne des § 17 geblieben. Dieser Auffassung entspricht auch § 49 Abs. 1 Satz 2, wonach der Versicherer sich dem Güterversicherten gegenüber nicht darauf berufen kann, daß er gemäß § 17 wegen Nichtzahlung der Prämie frei ist; denn diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf den Fall, daß der Versicherer schon zur Zeit der Veräußerung gemäß § 17 frei ist, sondern auch auf den Fall, daß er später frei würde. — Nach K i s c h 3. 303 soll der Veräußerer auch noch in anderer Beziehung verpflichtet bleiben, nämlich solange er „die tatsächliche Einwirkung auf die Sache und die Fürsorge für dieselbe" behält, verpflichtet sein, dem Versicherer „versicherungsrechtlich erhebliche Anzeigen zu machen, ζ. B. über eine Gefahrerhöhung, den Eintritt des Versicherungsfalls und dergl.". Das Gesetz gewährt dafür keinen Anhalt. Die Interessenlage bietet dazu keinen Anlaß — vorausgesetzt freilich, daß man anerkennt, daß der Versicherungsnehmer (hier: der Erwerber) das Verschulden derjenigen, deren er sich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten bedient (also gegebenenfalls auch dasjenige des Veräußerers), gemäß § 278 BGB vertreten muß. 14. Der Erwerber tritt nur in die Rechte und Pflichten ein, die sich während Anm. 24 der Dauer seines Eigentums ergeben. Er tritt nicht nur in die Rechte und Pflichten ein, sondern er tritt für die Dauer seines Eigentums in das Versicherungsverhältnis
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§ 49 ein (oben Anm. 21). Damit ist ein Anfang und ein Ende bestimmt. Das Ende offenbar ungenau. Denn wenn das Eigentum die Versicherung überdauert, ist der Erwerber nicht für die Dauer seines Eigentums, sondern für eine kürzere Dauer eingetreten. Und wenn das Eigentum, das Interesse, früher endigt, als die Versicherung endigen soll, versteht es sich von selbst, daß auch die Versicherung früher endigt. Gemeint ist nur, daß die Rechte, die nach dem Eintritt entstehen, und die Pflichten, die nach dem Eintritt zu erfüllen sind, den Erwerber angehen, die früheren den Veräußerer. Anm. 25 a) Zu den Rechten gehört insbesondere die E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g . Tritt der Versicherungsfall vor der Veräußerung ein, so gehört sie dem Veräußerer, mag auch der Schaden erst später entstehen; insbesondere wird in diesem Falle auch der Veräußerer, nicht der Erwerber gemäß § 71 „die Versicherungssumme verlangen" können (vgl. § 71 Anm.). Ebenso, wenn bei der Veräußerung die Verschollenheitsfrist verstrichen ist, gemäß § 72 (wenn nicht in der Veräußerung den Umständen nach auch die Abtretung der Entschädigungsforderung zu erblicken ist). Uber den Anspruch auf Ersatz von Aufwendungsschaden: unten Anm. 27. Anm. 26 b) Zu den Pflichten gehört insbesondere die P r ä m i e n p f l i c h t (oben Anm. 23). Die Prämie ist regelmäßig sofort nach Vertragsschluß zu zahlen, also vor der Veräußerung. Der Erwerber würde also in die Prämienpflicht nicht eintreten. Aber § 49 Abs. 1 bestimmt gleichwohl ausdrücklich, daß er für die Prämie haftet. Weder Wortlaut noch Sinn des § 49 Abs. 1 berechtigt zu der Annahme, daß diese Bestimmung nur für den Ausnahmefall, nur für die etwa nach der Veräußerung fällig werdenden Prämien oder Prämienteile gelten soll. Eben deshalb ist der Erwerber versicherter Güter durch § 49 Abs. 1 Satz 2 von der Haftung für die Prämie ausdrücklich befreit. Auch für die Nebenkosten haftet der Erwerber (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 2). Auch für die Sicherheitsleistung, die der Versicherer gemäß § 16 Abs. 3 verlangen kann (vgl. aber auch § 16 Anm. 23). Anm. 27 c) Zu den Pflichten gehört auch die S c h a d e n a b w e n d u n g s - P f l i c h t . Der Erwerber hat sie auch zu erfüllen, wenn der Versicherungsfall zwar vor der Veräußerung eingetreten ist, aber noch nach der Veräußerung Schaden abzuwenden oder zu mindern ist. Aber auch der Veräußerer bleibt verpflichtet, da die Pflicht vor der Veräußerung entstanden ist und der Versicherungsnehmer sich von einer solchen Pflicht nicht durch Veräußerung der versicherten Sache befreien kann ( § 4 1 Anm. 4). — Veräußerer und Erwerber müssen also gegebenenfalls Schadenabwendungs-Kosten aufwenden. Das Recht auf Erstattung solcher Kosten kann nicht wohl früher entstehen als mit der Aufwendung. Das Recht steht also dem Erwerber zu. Aber das Verhältnis ist, wegen der auf beiden, dem Veräußerer und dem Erwerber, obliegenden Aufwendungspflicht, demjenigen rechtsähnlich, das entsteht, wenn im Falle der Versicherung für fremde Rechnung Versicherungsnehmer und Versicherter Schadenabwendungs-Kosten aufwenden müssen und aufwenden. Es wird daher auch wohl nicht anders behandelt werden können, als bei der Versicherung für fremde Rechnung, der Erwerber also gemäß § 53 Abs. 2, der Veräußerer gemäß § 54 Erstattung verlangen können (§ 32 Anm. 1 1 ) . Anm. 28 15. Bei der l a u f e n d e n Versicherung tritt der Erwerber natürlich nur in das Einzelversicherungs-Verhältnis ein. Insbesondere nicht in die Deklarationspflicht des Veräußerers. Aber wenn der Veräußerer (sei es auch erst nach der Veräußerung) nicht rechtzeitig deklariert, ist der Versicherer frei. Denn zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit gerade des Einzelversicherungs-Verhältnisses gehört es, daß der laufend Versicherte rechtzeitig deklariert. Anm. 29 :6. Der Ubergang der Versicherung ist v o n d e r U b e r g a b e d e r P o l i c e u n a b h ä n g i g (vgl. S k o u f i s VersR 1962. 492). Der Erwerber erwirbt gemäß § 952 BGB das Eigentum an der Police (§ 14 Anm. 14). Der Veräußerer ist übrigens auch obligato-
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risch verpflichtet, die Police herauszugeben — sowohl gemäß §§ 412, 402 BGB, die § 49 sinngemäß anzuwenden sind (vgl. unten Anm. 44), als auch regelmäßig nach dem zugrunde liegenden Geschäft (vgl. insbesondere BGB §§ 444, 445). — Der Übergang der Versicherung ist von der Police auch dann unabhängig, wenn die Police O r d e r - oder I n h a b e r p a p i e r ist. Aber der Erwerber erwirbt nicht ohne weiteres mit der Veräußerung der versicherten Sache auch die Police. Denn Order- und Inhaberpapiere sind keine Schuldscheine im Sinne des § 952 BGB. Die Police muß deshalb auf den Erwerber besonders übertragen werden (wozu der Veräußerer nach dem zugrunde liegenden Geschäft regelmäßig verpflichtet sein wird; vgl. insbesondere BGB §§ 444, 445). Solange der Veräußerer Eigentümer der Police ist, ist er (zwar im allgemeinen aus dem Versicherungsverhältnis ausgetreten, aber) noch Inhaber der Entschädigungsforderung. Denn die Forderung folgt notwendig dem Papier (§ 14 Anm. 28, 29). Forderung und Versicherungsverhältnis sind ebenso geschieden, wie sie geschieden sind, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung abgetreten hat. Abw. K i s c h 3. 365: „denn die Versicherungsforderung entstehe beim Erwerber kraft Gesetzes"; aber die Parteien des Versicherungsvertrags können vereinbaren, daß die Entschädigungsforderung nicht beim Erwerber entsteht, und sie haben, wenn sie die Ausstellung einer Orderpolice usw. vereinbart haben, notwendig sich den Regeln unterwerfen müssen, die sich aus dem Wesen dieser Papiere ergeben. Wie hier wohl C a h n 97, 126, der aber über das Ziel hinausschießt : Der Erwerber trete mit der Begebung der Police in das Versicherungsverhältnis ein; § 899 H G B ( = A D S § 49) „finde dann keine Anwendung". Wird die Police auf den Erwerber durch Indossament übertragen, so kann der Erwerber sich dem Versicherer gegenüber auf § 364 Abs. 2 H G B berufen (unten Anm. 67). 17 Nach § 25 H G B gelten im Falle der V e r ä u ß e r u n g des H a n d e l s g e s c h ä f t s Anm. 30 mit der Firma die Geschäftsforderungen als auf den neuen Inhaber übergegangen; für die Geschäftsschulden haftet er. Doch kann beides ausgeschlossen werden. Ist es ausgeschlossen, so ist auf die zum Handelsgeschäft gehörenden Versicherungsverhältnisse § 49 gleichwohl anzuwenden (einhellige Meinung, vgl. ζ. B. K i s c h 304, B r u c k P V R 576 Anm. 80, V V G Anm. 20 zu § 69, R a i s e r Anm. 16 zu § 12, S c h l e g e l b e r g e r S V R Anm. 6 zu § 49 ADS, P r ö l ß Anm. 5 zu § 69 V V G , L e n s k i 87 mit weiteren Nachweisen). Denn den Rechtsgrund des Ubergangs der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis bildet nicht die Veräußerung des Handelsgeschäfts, sondern die Veräußerung der versicherten Sache (indessen sind die Begründungen unterschiedlich, s. dazu L e n s k i 81 f.). 18. A b s . 1 S a t z 2. Die Güterpolice gehört zu den Papieren, die im Ubersee- Anm. 31 handel eine wichtige Rolle spielen. Der Güterkäufer will mit der Prämie nichts zu tun haben. Deshalb war schon früher die Policenklausel „Prämie bezahlt" üblich. Deshalb enthält auch Lloyd's Police das Empfangsbekenntnis des Versicherers (§ 16 Anm. 34). Deshalb macht § 49 Abs. 1 Satz 2 eine Ausnahme von der Regel, daß der Erwerber in die Prämienpflicht eintritt: I m F a l l e d e r V e r ä u ß e r u n g v e r s i c h e r t e r
Güter tritt der Erwerber in die Verpflichtung zur Zahlung der Prämie und
der Nebenkosten n i c h t ein, w e n n eine Police a u s g e s t e l l t i s t . Soweit im Falle der Veräußerung auch andere versicherte Interessen mit den Versicherungsverhältnissen auf den Erwerber übergehen, gilt dasselbe (oben Anm. 12). — Die Police muß „ausgestellt", dem Versicherungsnehmer ausgehändigt sein (§ 14 Anm. 14). Der Veräußerer braucht sie dem Erwerber nicht übergeben zu haben. ig. Der Erwerber übernimmt die Versicherung so, wie sie bei der Veräußerung Anm. 32 beschaffen ist. Der Versicherer kann also auch dem Erwerber gegenüber einwenden, daß er schon zur Zeit der Veräußerung gemäß § 17 wegen Nichtzahlung der Prämie usw. frei gewesen oder daß er später deswegen frei geworden ist (oben Anm. 22, 23).
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Veräußerung der versicherten Sache
§ 49 Auch von diesem Grundsatz macht § 49 Abs. 1 Satz 2 eine Ausnahme: Dem Erwerber versicherter Güter gegenüber kann der Versicherer, der eine Police ausgestellt hat, sich nicht darauf berufen, daß er (vor oder nach der Veräußerung) wegen Nichtzahlung der Prämie frei geworden ist. Ebenso, wenn mit dem Eigentum andere versicherte Interessen auf den Erwerber übergegangen sind (oben Anm. 31). — Auch darauf wird sich der Versicherer nicht berufen können, daß er das Versicherungsverhältnis wegen Verzugs des Versicherungsnehmers mit der Prämienzahlung gemäß § 17 Satz 2 gekündigt hat. — Die, ruhende oder bereits beendigte, Versicherung kommt also (und zwar auch rückwärts) durch die Veräußerung wieder zu Kräften. Selbst dann, wenn Veräußerer und Erwerber bei der Veräußerung wissen oder wissen müssen, daß der Versicherungsfall inzwischen eingetreten ist. Aber die in solchem Versicherungsfall ausgelöste Entschädigungsforderung würde nicht dem Erwerber, sondern dem Veräußerer gehören, und dem Veräußerer gegenüber (und ebenso dem Erwerber gegenüber, an den etwa der Veräußerer die „Entschädigungsforderung" abgetreten hat) kann der Versicherer einwenden, daß er frei geworden ist (oben Anm. 25). — Der Versicherer kann auch dem Erwerber gegenüber einwenden, daß er frei geworden ist, wenn der Erwerber (bei der Veräußerung) nicht in gutem Glauben war. Der Erwerber muß geglaubt haben, daß der Versicherer nicht frei sei (auch daß keine Frist laufe, mit deren Ablauf der Versicherer gemäß § 17 Satz 1 frei wird). Und der Glaube muß „ g u t " gewesen sein, d. h. wohl: nicht grob fahrlässig (vgl. BGB § 932 Abs. 2). Uber den Begriff der groben Fahrlässigkeit: § 33 Anm. 24. — Es genügt nicht, daß der Erwerber gewußt hat, daß die Prämie noch nicht gezahlt, die etwa vom Versicherer verlangte Sicherheit noch nicht geleistet war. Der Versicherer kann also nach der Veräußerung nicht mehr dem Veräußerer gemäß § 17 Frist setzen und kündigen. Jedenfalls nicht mehr mit Wirkung für den Erwerber. Aber auch nicht mit Wirkung für den Veräußerer, insbesondere nicht etwa mit der Wirkung, daß er vom Veräußerer Erstattung der Entschädigung verlangen könnte, die er dem Erwerber hat zahlen müssen. — Guter Glaube des Vertreters genügt regelmäßig trotz Schlechtgläubigkeit des Vertretenen: BGB § 166. — Beweislast: Der Versicherer muß beweisen, daß der Erwerber nicht in gutem Glauben war (verb, „es sei denn"). Anm. 33
20. Abs. 2. Der Erwerber steht an Stelle des Veräußerers. Er hat allein (von der Prämienpflicht abgesehen) die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag. Ihn allein treffen fortan die Gefahrstands-, die Schadenverhütungs-, die Schadenabwendungs-, die Anzeigepflichten usw., mag der Versicherer um die Veräußerung wissen oder nicht. Er allein hat fortan die Rechte aus dem Vertrag, mag der Versicherer den Ubergang kennen oder nicht. Ihm gegenüber hat der Versicherer seine Gestaltungsrechte auszuüben. Kennt der Versicherer den Ubergang des Versicherungsverhältnisses nicht, so könnte er zu Schaden kommen, indem er das Versicherungsverhältnis mit dem Veräußerer statt mit dem Erwerber abwickelt, insbesondere dem Veräußerer zahlt und später dem Erwerber noch einmal zahlen müßte. Er ist in ähnlicher Lage wie der Schuldner, der nicht weiß, daß der Gläubiger die Forderung abgetreten hat. Deshalb bestimmt § 49 Abs. 2: „Der Versicherer hat die Veräußerung erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von ihr Kenntnis erlangt". Dabei hätte es im allgemeinen bewenden können und wohl auch sollen. Gesetz und ADS fügen aber hinzu: ,,in Ansehung der durch das Versicherungsverhältnis begründeten Forderungen" und ferner: „die Vorschriften der §§ 406—408 BGBflnden entsprechende Anwendung". Anm. 34 a) Gemäß § 406 BGB kann der Versicherer gegen die Entschädigungsforderung des Erwerbers alle Forderungen aufrechnen, die er zur Zeit der Veräußerung gegen den Veräußerer hatte, es sei denn, daß sie erst später fällig geworden sind, als die Entschädigungsforderung.
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b) Gemäß § 406 B G B kann der Versicherer gegen die Entschädigungsforderung des Erwerbers alle Forderungen a u f r e c h n e n , die er n a c h der Veräußerung gegen den Veräußerer erworben hat, es sei denn, daß er beim Erwerb der Forderung die Veräußerung kannte oder die Forderungen erst später fällig geworden sind als die Entschädigungsforderung. c) Gemäß § 407 Abs. 1 B G B kann der Versicherer trotz des Ubergangs der VerSicherung den V e r ä u ß e r e r a l s seinen P a r t n e r b e t r a c h t e n und behandeln, an ihn zahlen und Rechtsgeschäfte mit ihm vornehmen (Vergleiche schließen, aufrechnen, Schäden feststellen, Weisungen erteilen, kündigen usw.), es sei denn, daß er dabei die Veräußerung kannte. d) G e m ä ß § 407 Abs. 2 B G B muß der Erwerber, wenn nach der Veräußerung ein R e c h t s s t r e i t zwischen dem Veräußerer und dem Versicherer anhängig geworden und ein rechtskräftiges Urteil über die Entschädigungsforderung ergangen ist, das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Versicherer beim Eintritt der Rechtshängigkeit die Veräußerung kannte. Der Erwerber kann natürlich auch seinerseits klagen, der Versicherer sich der K l a g e des Veräußerers gegenüber, wenn er von der Veräußerung Kenntnis erlangt, auf die Veräußerung berufen. e) G e m ä ß § 408 Abs. 1 B G B kann der Versicherer, wenn die durch die Veräußerung übergegangene E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g vom Veräußerer an einen Dritten a b g e t r e t e n wird, den Dritten, obwohl dieser nicht Gläubiger ist, als Gläubiger betrachten und behandeln, es sei denn, daß er die Veräußerung kannte. Ebenso, wenn die durch die Veräußerung übergegangene Entschädigungsforderung durch gerichtlichen Beschluß einem Dritten überwiesen wird, oder wenn der Veräußerer dem Dritten gegenüber anerkennt, daß die durch die Veräußerung übergegangene Entschädigungsforderung kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen ist. Ebenso auch, wenn die versicherte Sache (noch einmal) an einen Dritten veräußert wird und der Dritte (etwa wegen schlechten Glaubens) nicht erwirbt (abw. K i s c h 3. 3 5 8 ; dagegen will S i e v e k i n g 208 auch in diesem Falle § 408 B G B angewandt wissen). Denn auch in diesem Falle ist der Versicherer durch die allgemeine Bestimmung des § 49 Abs. 2 geschützt, daß er die (erste, ihm unbekannte) Veräußerung nicht gegen sich gelten zu lassen braucht. H a t der Dritte kraft guten Glaubens erworben, so hat er nicht „ v o n dem Versicherungsnehmer" erworben, sondern von jemandem, der nicht (mehr) Versicherungsnehmer war. E r ist also nicht in die Versicherung eingetreten. Andererseits hat der erste Erwerber das Eigentum verloren. Das versicherte Interesse ist weggefallen ( K i s c h 3. 358). f ) Nur „ i n A n s e h u n g d e r durch das Versicherungsverhältnis begründeten F o r d e r u n g e n " braucht der Versicherer die Veräußerung nicht gegen sich gelten zu lassen. Die Ausdrucksweise ist dem § 407 B G B entlehnt. Sie ist hier wie dort verleitlich. Der Versicherer wird nicht nur geschützt, wenn die Rechtshandlung gerade „die durch das Versicherungsverhältnis begründeten Forderungen" betrifft, sondern auch dann, wenn sie das Versicherungsverhältnis und erst damit die dadurch begründeten Forderungen betrifft, wenn der Versicherer ζ. B. dem Veräußerer gegenüber gemäß § 17 Satz 2 kündigt oder gemäß § 38 abandonniert ( K i s c h 3. 3 1 1 ) . Der Versicherer wird aber auch geschützt, wenn die Rechtshandlung das Versicherungsverhältnis sonstwie betrifft, wenn ζ. B. Veräußerer und Versicherer die Erhöhung der Prämie vereinbaren (zweifelnd K i s c h 3. 3 1 2 ) -— wie etwa der Zessionar der Kaufpreisforderungen es gegen sich gelten lassen muß, wenn Zedent und K ä u f e r die Erhöhung der Leistung des Verkäufers vereinbaren. g) Der Versicherer braucht die Veräußerung nicht g e g e n sich gelten zu lassen. Aber er kann sie natürlich f ü r sich gelten lassen, sich auf sie berufen. E r kann sich ζ. B. dem Erwerber gegenüber darauf berufen, daß die Anfechtung der T a x e oder der 46
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
§ 49 Anm. 35
Anm. 36
Anm. 37
Anm. 38
Anm. 39
Anm. 40
722 § Anm. 41
Anm. 42
Anm. 43
Anm. 44
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Versichererabandon oder der Rücktritt, dem Veräußerer gegenüber oder vom Veräußerer erklärt, unwirksam sind (Kisch 3. 312). h) Der Versicherer darf aber von der Veräußerung noch nicht K e n n t n i s erlangt haben. Uber den Begriff der Kenntniserlangung: § 2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht, daß der Versicherer kennen mußte, d. h. infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (vgl. BGB § 122). Doch kann er sich aid" seine Unkenntnis nicht berufen, wenn er sich der Kenntnis arglistig entzogen hat (näheres: § 5 Anm. 18), oder wenn ihm die Anzeige des Veräußerers von der Veräußerung zugegangen ist, er aber von der Anzeige keine Kenntnis genommen hat (Kisch 3. 307). — Sind mehrere Versicherer beteiligt, so kommt es auf die Kenntnis jedes einzelnen an. Insbesondere kann der Erwerber die Kenntnis des „Führers" nicht auch den übrigen Versicherern entgegenhalten (näheres: Vorb. V vor § 1 ; anders bei einer führenden Gesellschaft Prölß Anm. 6 zu § 69 V V G ; wie hier R a i s e r Anm. 17 zu § 13). — Daß der Versicherer Kenntnis hatte, muß der Erwerber beweisen (allgemeine Meinung, vgl. etwa Bruck V V G Anm. 21 zu § 69, R a i s e r Anm. 17 zu § 12, Lenski 91). Freilich verhält sich § 49 Abs. 2 zum § 49 Abs. 1 wie die Ausnahme zur Regel. Aber aus den §§ 406—408 BGB ergibt sich, daß der Erwerber beweispflichtig ist (verb, „es sei denn"). i) Der Uberseehandel verlangt „reine" Policen und jedenfalls Unabhängigkeit des Erwerbers von allen Einwendungen, die nach dem Erwerb der versicherten Sache begründet werden (Mat. 1. 204). Deshalb macht (ebenso, wie § 49 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2) § 49 Abs. 2 Satz 2 eine Ausnahme: Dem Erwerber versicherter Güter gegenüber kann der Versicherer, der eine Police ausgestellt hat, sich nicht darauf berufen, daß er von der Veräußerung keine Kenntnis gehabt habe (näheres: oben Anm. 31). Anders, wenn der Erwerber (bei der Veräußerung) nicht in gutem Glauben war (hierüber vgl. oben Anm. 32). Diese Einschränkung ist hier freilich ohne besondere Bedeutung, weil ja nur Rechtshandlungen in Betracht kommen, die sich nach der Veräußerung ereignen. Sie wird etwa in Betracht kommen können, wenn der Erwerber wußte oder grobfahrlässig nicht wußte, daß der Versicherer aufrechenbare Gegenforderungen gegen den Veräußerer hatte. Der Versicherer wird also insbesondere nur gegen Vorlegung der Police zahlen dürfen, wenn er nicht Gefahr laufen will, noch einmal zahlen zu müssen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2). k) Nach § 409 BGB muß der Gläubiger, der dem Schuldner anzeigt, daß er die Forderung abgetreten habe, die Anzeige gegen sich gelten lassen, obwohl die Forderung nicht oder nicht wirksam abgetreten ist. Der damit ausgesprochene Grundsatz ergibt sich aus der Interessenlage von selbst; er würde auch gelten, wenn er nicht ausgesprochen wäre, und ist deshalb sinngemäß auch anzuwenden, wenn der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r dem Versicherer anzeigt, daß die v e r s i c h e r t e S a c h e v e r ä u ß e r t sei, obwohl die Sache nicht oder nicht wirksam veräußert ist (Kisch 3. 310, R a i s e r Anm. 18 zu § 12, E h r e n z w e i g V V 2 3 1 , 233 Anm. 7; Bruck PVR583 Anm. 100, V V G Anm. 10 zu §71, S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 10 zu § 4g ADS, B u r c h a r d L Z 1911. 336 sowie Weiß 97 bejahen die entsprechende Anwendung des § 409 Abs. 1 BGB, ohne im einzelnen zu unterscheiden, ob die unrichtige Anzeige von dem Erwerber oder von dem Veräußerer stammt; K i s c h 3. 310 will auch § 409 Abs. 2 — wonach die Anzeige nur mit Zustimmung des Benannten zurückgenommen werden kann — angewendet wissen, aber wohl mit Unrecht, da § 409 Abs. 2 BGB keine aus der Interessenlage sich ergebende, sondern eine positive Vorschrift darstellt, K r ö m e r 103, Wolff 443, teilw. auch Vorwerk 33, Weiß 97; abw. E n g l i s c h AnnVers 1917.338, J o s e f OestZ 1 9 1 3 . 1 1 g , 1916. 90; vgl. über die Anwendbarkeit des § 409 BGB neuerdings insbesondere auch Lenski 91 ff.). 1) Außer § 409 BGB werden übrigens noch andere Vorschriften des gemeinbürgerlichen Rechtes über die Zession sinngemäß angewendet werden können. So ζ. B.
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§ 401 BGB (wonach mit den Rechten aus dem Versicherungsverhältnis auch etwaige § 49 S i c h e r h e i t s r e c h t e auf den Erwerber übergehen). Ebenso § 410 BGB (wonach der Versicherer den Erwerber als solchen nur anzuerkennen braucht, wenn dieser sich durch eine U r k u n d e über die V e r ä u ß e r u n g ausweist oder der Veräußerer dem Versicherer die Veräußerung anzeigt). Ist eine Police ausgestellt und die versicherte Sache unter Vorlegung der Police veräußert, so kann sich der Versicherer nach § 405 BGB dem Erwerber gegenüber nicht darauf berufen, daß der Versicherungsvertrag nur zum Schein geschlossen oder daß der Übergang der Versicherung durch Vereinbarung zwischen Versicherer und Veräußerer ausgeschlossen ist, es sei denn, daß der Erwerber bei der Veräußerung den wirklichen Sachverhalt kannte oder kennen mußte (eine sinngemäße Anwendung anderer Zessionsvorschriften ablehnend Lenski 94; ablehnend für § 410 BGB S c h l e g e l b e r g e r SVR Anm. 10 zu § 4g ADS, der sich nur für die Geltung der §§ 401 und 405 BGB ausspricht, Weiß 97, Vorwerk 33, Lesser J R P V 1933. 99). 21. Abs. 3. Für das Gebiet des V V G ist streitig, ob im Falle einer durch die Veräußerung Anm. 45 bewirkten Gefahrerhöhung auch die für diese geltenden Bestimmungen anzuwenden sind (Burchard L Z 1911.339, Cahn 106, K i s c h ZfVW 1920.216, K ö r n e r 11,Vor werk 48, We i ß 79). Richtiger Ansicht nach schließen die Bestimmungen über die Veräußerung die Anwendung der Bestimmungen über Gefahrerhöhungen nicht aus (vgl. K i s c h 3. 341, wohl auch B r u c k - M ö l l e r Anm. 20 zu § 23 W G ) . Anders im SeeversicherungsRecht: Der Versicherer haftet nicht für die Gefahren, die nicht eingetreten wären (d. h. nicht für die Schäden, die nicht entstanden wären), wenn die versicherte Sache nicht veräußert wäre (ADS § 49 Abs. 3, HGB § 899 Abs. 3, ähnlich schon Preuß. A L R II 8. 2163). Diese Regelung ist mit den Bestimmungen über Gefahränderungen unvereinbar. Die Haftung des Versicherers ist objektiv beschränkt, die etwaige Gefahränderung durch die Beschränkung wettgemacht. Die Haftung dauert fort, der Versicherer ist also, auch wenn die Veräußerung die Gefahr ändert, nicht gemäß § 24 frei. Er erhält nicht gemäß § 25 eine Zuschlagsprämie. Der Versicherungsnehmer braucht die Veräußerung nicht gemäß § 26 anzuzeigen. Alles natürlich nur, wenn die Gefahränderung lediglich durch die Veräußerung als solche verursacht ist. Die Veräußerung ist kein Freibrief für Gefahränderungen. Vielmehr geht auch die Gefahrstandspflicht gemäß § 49 Abs. 1 auf den Erwerber über. Abs. 3 Satz 2 bestimmt wieder im Interesse des Warenverkehrs (näheres: Mat. Anm. 46 1. 205) für den Fall der Veräußerung versicherter Güter eine Ausnahme: Der Versicherer haftet auch für die Schäden, die nicht entstanden wären, wenn die Veräußerung unterblieben wäre. So wenigstens ist § 49 Abs. 3 Satz 2 zu verstehen. Nicht etwa so, daß im Falle der Güterversicherung § 49 Abs. 3 Satz 1 nicht „gilt", also (wie nach dem VVG) die Bestimmungen über Gefahränderungen anzuwenden wären. Der Versicherer kann auch für die Mehrhaftung nicht gemäß § 25 eine Zuschlagsprämie verlangen. Der Versicherungsnehmer braucht die Veräußerung nicht gemäß § 26 anzuzeigen. — Anders, wenn die Güter während eines Krieges veräußert werden und der Erwerber einem kriegführenden Staate angehört (an diesen Fall hat man beim § 899 Abs. 3 HGB = ADS § 49 Abs. 3 Satz 1 überhaupt in erster Linie gedacht: Begr. z. HGB-Novelle von 1908). Über den Begriff des K r i e g e s : § 35 Anm. 7, 8. Veräußerungen vor dem Kriege können angesichts der bestimmten Fassung nicht in Betracht kommen; auch dann nicht, wenn sie im Hinblick auf den Krieg erfolgt sind (vgl. § 35 Anm. 24). Nach dem Wortlaut des § 49 Abs. 3 Satz 2 kommt es nicht darauf an, ob der Veräußerer einem kriegführenden oder einem neutralen Staate angehört. Aber es ist natürlich der Fall nicht mit gemeint, daß Veräußerer und Erwerber demselben kriegführenden Staate angehören (Mat. 1 . 2 1 1 : protokollarisch 46*
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§ 49 bestätigt, daß eine Veräußerung von einem Angehörigen eines kriegführenden Staates an den andern die Haftbarkeit des Versicherers nicht beschränkt"). Dabei muß es bewenden. Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß der englische Versicherungsnehmer an einen Engländer verkauft, wenn England im Kriege ist. Wohl aber darauf, daß der englische Versicherungsnehmer an einen Amerikaner verkauft, wenn England und die Ver. St. V.Amerika auf der einen, J a p a n und Frankreich auf der andern Seite Krieg führen. A b g a n g s - und A b l i e f e r u n g s o r t für die Güter, der W o h n s i t z der Beteiligten, der K r i e g s s c h a u p l a t z sind ohne Bedeutung. K a n n der Versicherer sich darauf berufen, daß die Güter während eines Krieges an den Angehörigen eines kriegführenden Staates veräußert sind, so kann er es u n b e s c h r ä n k t . Er haftet für die Schäden nicht, die ohne die Veräußerung nicht entstanden wären; er haftet auch insoweit nicht, als die Schäden mit der Staatsangehörigkeit nichts zu tun haben. — O b über die Güter eine P o l i c e ausgestellt ist oder nicht, ist (hier) ohne Bedeutung. — § 4g Abs. 3 Satz 2 gilt nicht nur für die Versicherung des gewöhnlichen Eigentümerinteresses, sondern auch für die Versicherung sonstiger Interessen des Eigentümers (vgl. oben Anm. 12). Anm. 47 22. A b s . 4. Der Versicherer kann sich gegen den Wechsel des Interessenten nicht wehren. Der Erwerber wird ihm als Versicherungsnehmer „aufgezwungen" ( B u r c h a r d LZ 1 9 1 1 . 3 3 6 ) . Der Versicherer kann insbesondere wegen des Interessentenwechsels nicht kündigen (anders V V G § 70 Abs. 1, aber ebenso für die Güter-Transportversicherung V V G § 142). Deshalb braucht ihm dieser Wechsel auch nicht angezeigt zu werden (anders V V G § 71 Abs. 1; aber ebenso für die Güter-Transportversicherung V V G § 142). — Der Erwerber hat regelmäßig kein Interesse, zu kündigen. Er haftet freilich für die Prämie, aber nach der Güterpolice auch nicht einmal dafür. §49 Abs. 4 gibt ihm gleichwohl das Kündigungsrecht. Der Erwerber k a n n d e s Versicherungsverhältn i s ohne Frist k ü n d i g e n . Anm. 48 a) Der E r w e r b e r kann kündigen. Der Begriff des Erwerbers ergibt sich aus dem Begriff der Veräußerung (oben Anm. 5). — Uber den Fall, daß m e h r e r e Erwerber beteiligt sind: Vorb. VI vor § 1. Insbesondere wird, wenn mehrere Erwerber bruchteilsweise erworben haben, jeder von ihnen kündigen können (vgl. auch unten Anm. 57). —• Kündigung durch V e r t r e t e r : BGB §§ 174, 180. — Bei der Versicherung für f r e m d e Rechnung kann der Versicherungsnehmer gemäß § 54 Abs. I, der Versicherte gemäß § 53 Abs. 2 kündigen (vgl. § 11 Anm. 4). — Der Erwerber kann auch dann kündigen, wenn er der Versicherungsnehmer ist, der vom ersten Erwerber die versicherte Sache zurückerworben hat. Der Versicherungsnehmer braucht hiernach nur die versicherte Sache zu veräußern und sich dabei den Rückerwerb vorzubehalten, um sich die Möglichkeit der Lösung des Versicherungsverhältnisses zu verschaffen ( K i s c h 3. 3 2 1 ; teilw. abw. H a g e n 1. 665, W o l f f 443), die ihm freilich im Seeversicherungs-Verkehr regelmäßig nicht nützt, weil er regelmäßig von der Prämienpflicht nicht frei wird (anders ζ. B., wenn er gemäß § 35 Abs. 4 steigende Prämienzuschläge zu zahlen hat). Anm. 49 b) Die K ü n d i g u n g ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich rechtsaufhebende, Willenserklärung. Über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33. — Die Kündigung muß, gleich allen rechtsgestaltenden Erklärungen, b e s t i m m t sein, darf also insbesondere nicht bedingt sein, wenn die Bestimmtheit unter der Bedingtheit leidet. Anm. 50 c) D e m V e r s i c h e r e r ist zu kündigen. Kündigung gegenüber V e r t r e t e r n , insbesondere Gesamtvertretern des Versicherers: § 3 Anm. 18. — Sind m e h r e r e Versicherer beteiligt, so kann und muß der Versicherungsnehmer jedem einzelnen kündigen. Ist ein Versicherer „Führer", so kann (und muß auch) ihm gegenüber gekündigt werden (Vorb. vor § 1 Anm. 46).
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d) Der Erwerber kann ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Er muß es auch, wenn er kündigen will. Er kann nicht mit Frist kündigen (so auch H a g e n i. 670, K i s c h 3. 316 u. MittöfFFVA 1920. 248, LG Düsseldorf APV 1917 II 73, OLG Königsberg APV 1927 Nr. 1776, LG Neustrelitz J R 1931. 245 zu der früheren Fassung des § 70 VVG; a. M. zu dieser KG APV 1930 Nr. 2194 = J R 1930 Nr. 2194. Die Streitfrage ist für § 70 VVG durch Neuregelung seines Absatzes 2 Satz 1 (VO vom 19. Dezember 1939) klargestellt, wonach die Kündigung nur mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluß der laufenden Versicherungsperiode erfolgen kann). e) Der Erwerber muß binnen einem Monat nach dem Erwerb kündigen. Die Frist b e g i n n t mit dem Erwerb. Der Erwerbstag wird nicht mitgerechnet (BGB § 187 Abs. 1). ·— „Erwerb" ist die Kehrseite der Veräußerung. Deshalb ist auch hier die Meinungsverschiedenheit darüber von Bedeutung, ob der Übergang des juristischen Eigentums oder des Eigentümerinteresses entscheidet (oben Anm. 5; vgl. K i s c h 3· 3'3)· — Die Frist e n d i g t mit dem Ablauf desjenigen Tages des nächsten Monats, der dem Erwerbstag entspricht; fehlt dem nächsten Monat der Tag, mit dem Ablauf des letzen Monatstages (BGB § 188 Abs. 2, 3); fällt der Erklärungstag auf einen Sonntag oder einen am Erklärungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, am nächsten Werktag (BGB § 193 i. d. F. des Gesetzes vom 10. August 1965, BGBl. I 756). — Die Kündigung muß innerhalb der Frist z u g e g a n g e n sein (oben Anm. 49). Absendung genügt nicht. Aus welchem Grunde die rechtzeitig abgesandte Kündigung nicht zugeht, gilt gleich. — Die Kündigung kann auch n i c h t v o r Beginn der Frist erklärt werden. Denn sie würde dann durch den Erwerb bedingt sein und eben die Unsicherheit herbeiführen, in die der Empfänger rechtsgestaltender Erklärungen nicht versetzt werden darf (oben Anm. 49, K i s c h 3. 315 gegen K r ö m e r 107, J o s e f MittöffFVA 1916. 155). Siehe zu der Frage im einzelnen auch L e n s k i 122. f) Hatte der Erwerber beim Erwerb von der Versicherung keine Kenntnis, so beginnt die Frist mit der Erlangung der Kenntnis. Uber den Begriff der Kenntniserlangung: § 2 Anm. 15. Insbesondere genügt nicht, daß der Erwerber kennen mußte (vgl. BGB § 122). Doch er kann sich auf seine Unkenntnis nicht berufen, wenn er sich der Kenntnis arglistig entzogen hat (näheres: § 5 Anm. 19). — Die Monatsfrist b e g i n n t mit dem „Zeitpunkt", in dem der Erwerber Kenntnis erlangt. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß von Moment zu Moment zu rechnen ist. Über die Berechnung der Frist: oben Anm. 52. — Die Rechtzeitigkeit der Kündigung (insbesondere den Zeitpunkt der Kenntniserlangung) muß natürlich b e w e i s e n , wer sich darauf beruft (OLG Königsberg APV 1919 II 27; vgl. aber auch unten Anm. 55). g) R e c h t s f o l g e d e r b e r e c h t i g t e n K ü n d i g u n g . Das Versicherungsverhältnis erlischt. Der Veräußerer war bereits ausgetreten. Nunmehr tritt auch der Erwerber aus. Damit müßte auch die Prämienpflicht des Erwerbers für die Zukunft erlöschen. Denn es gibt keinen Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie (§ 16 Anm. 27). Aber hier soll kraft positiver Bestimmung die Prämienpflicht nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit erlöschen: Kündigt der Erwerber, so haftet er für die Prämie nicht, — überhaupt nicht, weder für die Zeit bis zur Veräußerung, noch für die Zeit von der Veräußerung bis zur Kündigung, noch für die Zukunft. — Aus demselben Grunde müßte auch die Prämienpflicht des V e r ä u ß e r e r s für die Zukunft erlöschen. Aber hier ist der Gegenschluß erlaubt. § 49 Abs. 4 Satz 3 läßt deutlich erkennen: Kündigt der Erwerber, so haftet zwar er für die Prämie nicht, die Haftung des Veräußerers aber bleibt unberührt. — Sind infolge der Veräußerung aus dem einen Interesse zwei schwebende Interessen geworden, so kann der Erwerber das Versicherungsverhältnis nur insoweit kündigen, als es ihn angeht. War ζ. B. die Veräußerung a n f e c h t b a r , so kann der Erwerber zwar kündigen; aber die Kündigung
§ 49 Anm. 51
Anm. 52
Anm. 53
Anm. 54
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§ 49 löst nicht auch das zwischen Veräußerer und Versicherer verbliebene Verhältnis. Wird die Veräußerung angefochten und damit nichtig, so wird aus dem schwebenden Interesse des Veräußerers wieder das nicht schwebende Interesse. Es erweist sich nunmehr, daß der etwa inzwischen eingetretene Versicherungsfall sein Interesse und sein Versicherungsverhältnis betroffen hat. Ebenso etwa, wenn der Kauf mängelhalber rückgängig gemacht wird, nachdem die Gefahr auf den Käufer übergegangen war. Anders, wenn die versicherte Sache unter a u f l ö s e n d e r Bedingung veräußert war. Hat der Erwerber gekündigt, so hat es hierbei sein Bewenden. Das Versicherungsverhältnis lebt nicht wieder auf, wenn die Bedingung eintritt. Vgl. oben Anm. 10. Anm. 55 h) Die u n b e r e c h t i g t e K ü n d i g u n g des Erwerbers hat im allgemeinen keine Rechtsfolgen. So insbesondere, wenn die Veräußerung nur scheinbar, in Wirklichkeit nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Aber der Versicherer kann (nicht: muß) in solchem Falle die Kündigung als wirksam behandeln, wenn der Veräußerer ihm die Veräußerung angezeigt oder der Erwerber ihm eine Veräußerungsurkunde des Veräußerers vorgelegt hat (BGB § 409; oben Anm. 43). — Ist die Kündigung zu früh oder zu spät und aus diesem Grunde unberechtigt, so kann der Versicherer sie als Antrag auf Aufhebung des Vertrags betrachten und behandeln. Schweigt er, so liegt darin noch nicht ohne weiteres Zustimmung (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 18). Anm. 56 23. Abs. 5. Die Zwangsversteigerung der versicherten Sache ist keine Veräußerung im engeren Sinne. Aber die sinngemäße Anwendung der für die Veräußerung der versicherten Sache geltenden Bestimmungen ist geboten (vgl. auch Z V G § 57). Näheres: oben Anm. 7. Anm. 57 24. Wird nur ein wirklicher Teil der versicherten Sache veräußert, so geht die Versicherung nur für den Teil über. Soweit Versicherungswert, Versicherungssumme, Entschädigungsforderung, Prämie nicht für die Teile besonders vereinbart sind, werden sie im Verhältnis des Teilwerts zum Gesamtwert zu teilen sein (nach K i s c h 3. 351 im Verhältnis der Teilwerte, aber wohl nur für den Fall der Versicherung mit schwankendem Versicherungswert; wie hier Lenski 48). Kündigt der Erwerber, so erlischt die Versicherung teilweise (oben Anm. 54). — Wird ein Bruchteil der versicherten Sache veräußert, so wird die Versicherung gemeinschaftlich, wie wenn die Miteigentümer gemeinschaftlich Versicherung genommen hätten (Vorb. vor § 1 Anm. 54; so auch K i s c h 3. 350 Anm. 2, Bruck PVR 565, E h r e n z w e i g W 233, Lenski 49). Kündigt der Erwerber, so erlischt die Versicherung teilweise (oben Anm. 54; teilweise abw. C a h n 48, V o r w e r k 28). — In beiden Fällen braucht sich der Erwerber nicht mit einer öffentlich beglaubigten Abschrift der Police (vgl. BGB §§ 402, 412) oder mit einem Auszug aus der Police (vgl. BGB §§ 444, 445) zu begnügen. Vielmehr steht dem Veräußerer und dem Erwerber das Miteigentum an der Police nach entsprechenden Bruchteilen zu (Kisch 3. 368). Anm. 58 25. Uber die Veräußerung der bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit versicherten Sachen vgl. insbesondere C a h n 119, E h r e n b e r g ZfVW 1910. 192, K i s c h 3.369, K o h l e r 377, K ö r n e r 59, R e h m ZfVW 1910.483, V o r w e r k 81, Weiß 130. Anm. 59 26. Versicherer und Versicherungsnehmer können abweichendes vereinbaren. §899 HGB ( = ADS §49) enthält im allgemeinen nachgiebiges Recht (anders V V G § 72, vgl. auch K G u. OLG Breslau, OLG Düsseldorf APV 1907 II. 63, 100, 1908 II. 95). Die Parteien können den §49 wegbedingen, also vereinbaren, daß der Erwerber in das Versicherungsverhältnis nicht eintreten soll; das versicherte Interesse fällt dann mit der Veräußerung weg (oben Anm. 3). Die Parteien können demgemäß auch vereinbaren, daß der Erwerber in das Versicherungsverhältnis nur teilweise eintreten soll (wie dies ja auch im § 49 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 bestimmt
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ist). Die Parteien können auch vereinbaren, daß den Erwerber Verbindlichkeiten treffen § 49 sollen, die den Veräußerer nicht getroffen haben, und der Erwerber die Rechte aus dem Vertrag ganz oder teilweise verlieren soll, wenn er die Verbindlichkeiten nicht erfüllt, daß der Erwerber ζ. B. verpflichtet sein soll, den Erwerb anzuzeigen, und der Versicherer frei sein soll, wenn die Anzeigepflicht verletzt wird. Die Parteien können aber nicht vereinbaren, daß den Erwerber Verbindlichkeiten treffen sollen, die den Veräußerer nicht getroffen haben, und daß er verpflichtet sein soll, den durch die Nichterfüllung der Verbindlichkeiten entstehenden Schaden zu ersetzen. § 899 HGB ( = ADS § 49) gestattet es nicht und allgemeine Grundsätze verbieten, durch einen Vertrag Dritte ohne ihre Zustimmung mit Verbindlichkeiten zu belasten. Die Parteien können auch nicht vereinbaren, daß der Erwerber nicht (oder nur binnen kürzerer Frist) kündigen darf (abw. K i s c h 3. 348). Denn den Ubergang des Versicherungsverhältnisses im ganzen kann nur das Gesetz bestimmen und das Gesetz bestimmt den Ubergang, wohlbedacht, nur mit der Maßgabe, daß der Erwerber (binnen Monatsfrist) kündigen kann. Schon der Eintritt in die Pflichten des Veräußerers kann dem Erwerber unter Umständen zum Fallstrick werden. Die Parteien können insoweit nicht noch über das Gesetz hinausgehen. 27. Das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber wird durch § 49 Anm. 60 nicht berührt. Es richtet sich nach seinem Grunde (Kauf usw.; vgl. insbesondere K i s c h 3. 359). Aus § 49 würde sich für das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber nur etwa insofern etwas ergeben, als beide für die P r ä m i e als Gesamtschuldner haften und Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 1 BGB untereinander zu gleichen Anteilen a b zugleichen haben. Aus der Art der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses ergibt sich hier aber ohne weiteres, daß § 426 Abs. 1 BGB nicht anwendbar ist. Regelmäßig wird im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber besonders bestimmt sein, wer die Prämie zu zahlen hat. Ist es nicht der Fall, so wird meist bei Zeitversicherungen nach dem Verhältnis der Versicherungszeit zu teilen sein, bei Reiseversicherungen der Veräußerer die Prämie zu zahlen haben (vgl. BGB § 103, H a g e n 1. 669, K i s c h 3. 362, Bruck V V G Anm. 20 zu § 69 V V G , E h r e n z w e i g V V 234, Prölß Anm. 5 zu §69 V V G , Lenski 89, für das frühere Recht: APV 1906 II. 115). — Auch Veräußerer und Erwerber können vereinbaren, daß die Versicherung nicht übergehen soll (Gerhard 333, H a g e n 1. 666, H. NeumannsZ 1913. 519, K ö r n e r 46, K r ö m e r 126; abw., mit verschiedener Begr., G e r h a r d ZfVW 1905. 187, K i s c h 3. 338, R u d . K. MittöffFVA 1917. 347, V o r w e r k 92, Weiß 123). Denn der Versicherungsnehmer kann jederzeit das versicherte Interesse wegfallen lassen, und, wenn die Versicherung nicht übergeht, fällt das versicherte Interesse eben weg (vgl. oben Anm. 3, auch die Entscheid, bei F i n g e r L Z 1908. 148). Wenn die versicherte Sache zur Minderung des Schadens veräußert wird, muß der Versicherungsnehmer sogar regelmäßig unter Ausschluß des Ubergangs der Versicherung veräußern (§ 41 Anm. 16, oben Anm. 19). — Veräußerer und Erwerber können auch vereinbaren, daß der Erwerber nicht kündigen, und daß der Versicherer sich hierauf dem Erwerber gegenüber berufen darf (BGB § 328, Cohn LZ 1912. 445, H a g e n 1. 671). 28. Der Erwerber kann die versicherte Sache weiterveräußern. Dann findet Anm. 61 § 49 zum zweiten Male Anwendung. Insbesondere kann sich der Versicherer auch dem zweiten Erwerber gegenüber darauf berufen, daß er von beiden Veräußerungen keine Kenntnis gehabt und infolgedessen den ersten Veräußerer noch als Versicherungsnehmer behandelt habe. Das ergibt sich wohl nicht nur aus dem Grundgedanken des § 49 Abs. 2 (so K i s c h 3. 356), sondern auch aus seinem Wortlaut. Denn wenn man es auch hier mit der zweiten, nicht mit der ersten Veräußerung zu tun hat, so ist doch die Tatsache der ersten Veräußerung nicht aus der Welt zu schaffen, und, vom Stand-
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Veräußerung der versicherten Sache
§ 49 punkt des Versicherers aus betrachtet, ist „die Veräußerung", die der Versicherer nach § 49 Abs. 2 nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, ebensowohl die erste wie die zweite. Anm. 62 29. Der Versicherungsnehmer kann auch (nicht die versicherte Sache veräußern, sondern) nur die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag an einen Dritten abtreten, die Pflichten aus dem Vertrag von einem Dritten übernehmen lassen (BGB §§ 398ff.,414). a) Der Versicherungsnehmer kann insbesondere die Entschädigungsforderung abtreten. Sowohl die „aus einem eingetretenen Unfall ihm zustehende", wie die „künftige" Entschädigungsforderung (HGB § 891; vgl. VVG § 15; MIA § 50 Abs. 1: Α marine policy . . . may be assigned either before or after loss). Die Abtretung künftiger Entschädigungsforderungen ist nicht unbedenklich. Das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erhaltung der versicherten Sache wird unter Umständen weiter geschwächt, der Zessionar an der Entstehung des Versicherungsschadens interessiert (vgl. E h r e n b e r g 390, H e l l w i g 539, L e n n e 162, M o l t 98, Nizze NAfHR 1.426). Deshalb hielt man früher nur die Abtretung an den Erwerber der versicherten Sache für zulässig (vgl. V o i g t 73, OG u. OAG Rostock NAfHR 1. 414; dagegen Nizze und Schiedsg. NAfHR 1. 425, 432). Deshalb wird auch die Abtretung künftiger Entschädigungsforderungen im Versicherungsvertrag oft a u s g e s c h l o s s e n (insbesondere bei der Kredit-, Haftpflicht- und Unfallversicherung; L e n n e 162, M o l t 98; vgl. BGB § 399) • Die Vereinbarung des Ausschlusses kann sich schon aus den Umständen ergeben (ζ. B. J W 1902. 432). Sie ergibt sich noch nicht aus der Vereinbarung, daß der Versicherer über Grund und Höhe der Entschädigungsforderung nur mit dem Versicherungsnehmer zu verhandeln brauche ( B r o d m a n n 229, RG 27. 341, HGZ 1891. 170; abw. G e r h a r d 218, v. O e r t z e n ZfVW 1911. 837). Ergibt sich der Ausschluß nicht aus der Police, so braucht der Zessionar ihn nur gegen sich gelten zu lassen, wenn er ihn bei der Abtretung kannte oder kennen mußte (BGB §405; entschiedener MIA § 50 Abs. 1: Α marine policy is assignable unless it contains terms expressly prohibiting assignment). — Wird die Entschädigungsforderung abgetreten, so ist im Zweifel anzunehmen, daß nur die Forderung auf Ersatz des gewöhnlichen Versicherungsschadens, n i c h t auch die Forderung auf Ersatz von A u f w e n d u n g s s c h a d e n abgetreten sein soll ( M o l t 98). — Die Abtretung ist vom Besitz der P o l i c e u n a b h ä n g i g (HGZ 1891. 240, S k o u f i s VersR 1962. 493 [bestr., vgl. S k o u f i s a . a . O . ] ; Ausnahmen: §§ 53 Abs. 2,54 Abs. 2). Die Police gehört dem Zessionar; ihm allein, wenn ihm die ganze Entschädigungsforderung zusteht; sonst ihm zusammen mit dem Versicherungsnehmer (§ 14 Anm. 14; vgl. auch oben Anm. 57). Anm. 63 b) Wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung abtritt, „kommen die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung" (ASVB § 151 Abs. 2). Insbesondere kann der Versicherer nach § 404 BGB dem Zessionar „die E i n w e n d u n g e n entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren". Dazu gehören auch die Einwendungen, die zur Zeit der Abtretung gegen den Versicherungsnehmer noch n i c h t begründet waren, aber in dem Versicherungsverhältnis begründet sind, wie es zur Zeit der Abtretung bestand (vgl. Komm. z. BGB §404, Prot. 3579, W e i l ZfVW 1911. 711, RG 72.214: Verwirkung der Entschädigungsforderung wegen Betrugsversuchs des Versicherungsnehmers bei der Schadensfeststellung). Auf § 49 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 2 kann der Zessionar sich nicht berufen. Anm. 64 c) V e r ä u ß e r t der Versicherungsnehmer nach Abtretung der Entschädigungsforderung die versicherte Sache, so geht die Entschädigungsforderung auf den Erwerber nicht mit über (Nizze NAfHR 1. 429). Guter Glaube des Erwerbers deckt den Rechtsmangel nicht (vgl. auch oben Anm. 63).
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d) Der Zessionar übernimmt nur Forderungen, keine V e r b i n d l i c h k e i t e n . Die Pflichten aus dem Versicherungsvertrag bleiben beim Versicherungsnehmer. Der Zessionar darf aber nicht den Versicherungsfall wider Treu und Glauben herbeiführen oder auch nur die Gefahr wider Treu und Glauben ändern und damit die causa remota des Schadens setzen (vgl. BGB § 162 Abs. 1, M o l t 99). e) V e r p f ä n d u n g und Pfändung der Entschädigungsforderung: BGB §§ 1273, 1274, Z P O § 851. Vgl. dazu auch oben Anm. 64. 30. Orderpolicen (§ i4Anm.28) können durch Indossament ü b e r t r a g e n werden, d. h. durch Ubertragungsvertrag und Girovermerk ( H G B § 363 Abs. 1). Da das Eigentum am Papier und das im Papier verbriefte Recht unzertrennlich sind, muß die Police auch übergeben werden. Übergabesurrogate (Besitzkonstitut, Abtretung des Herausgabeanspruchs) genügen. Die in der Orderpolice beurkundete Forderung kann auch in gewöhnlicher Weise abgetreten werden. Aber auch in diesem Falle muß Übergabe der Police (oder Ubergabesurrogat) hinzukommen. — Orderpolicen werden durch Einigung und Übergabe der indossierten Police v e r p f ä n d e t (BGB § 1292). Übergabesurrogate genügen nicht. Die in der Orderpolice beurkundete Forderung kann auch auf gewöhnliche Weise verpfändet werden, also durch Pfandeinigung und Anzeige an den Versicherer (BGB §§ 1274, 1280). Aber auch in diesem Falle muß Ubergabe der Police hinzukommen; in diesem Falle genügen Ubergabesurrogate. Die Ausstellung der Police beschränkt die E i n w e n d u n g e n des Versicherers auf drei Arten. Der Versicherer kann nach § 364 Abs. 2 H G B dem legitimierten Besitzer der Orderpolice gegenüber nur einwenden:
§ 49 Anm. 65
Anm. 66 Anm. 67
a) die U n g ü l t i g k e i t d e r in der Orderpolice beurkundeten V e r p f l i c h t u n g s - Anm. 68 e r k l ä r u n g . Der Versicherer kann ζ. B. einwenden, daß die Police gefälscht oder verfälscht, der Aussteller geschäftsunfähig oder nicht vertretungsberechtigt gewesen sei, auch daß der Vertrag kein Versicherungsvertrag oder kein TransportversicherungsVertrag sei und die Police deshalb nicht an Order hätte gestellt werden dürfen. Der Einwand der Anfechtung wegen Irrtums, Täuschung usw. wird gegenüber dem gutgläubigen Indossatar versagen (vgl. R G 65. 411), der Einwand des fehlenden Begebungsvertrags wohl nur zulässig sein, wenn den Versicherer kein Verschulden trifft. b) w a s s i c h a u s d e m I n h a l t d e r P o l i c e e r g i b t . Die Police beurkundet ein Anm. 69 Versicherungsverhältnis. Der Versicherer kann daher alle Einwendungen machen, die auf dem Versicherungsverhältnis beruhen. Er kann also insbesondere einwenden, daß gefahrerhebliche Umstände nicht angezeigt seien, die Gefahr geändert, der Versicherungsfall schuldhaft herbeigeführt, der Schaden schuldhaft nicht abgewendet, das versicherte Schiff seeuntüchtig in See gesandt, der Schaden nicht gehörig festgestellt sei usw.; insbesondere kann er auch einwenden, daß er wegen Nichtzahlung der Prämie gemäß § 17 frei sei (nur der Erwerber der mit Orderpolice versicherten Güter wird von § 4 9 Abs. 1 Satz 2 geschützt). Ebenso Prot. 3579, Begr. ζ. Ε 1910 §§ 14, 15, HansO L G H a n s R G Z 1932 Β 560 = J R P V 1932. 235 = Sasse Nr. 425: Zulässigkeit der Einwendung, daß die Übernahme der Versicherung auf die laufende Police den kaufmännischen Grundsätzen nicht entsprochen habe, B r o d m a n n 229, G o l d s c h m i d t System 167, 254, H e l l w i g 560, 568, J u n k e r 54, L e h m a n n 719, L e n n e 188, M e y e r Anzeigepflicht 77, v. O e r t z e n Z f V W 1911. 1010, R o e l l i 166, Bolze 1 Nr. 1123, auch H a g e n 1. 360 und S V R 81. Zweifelnd: G e r h a r d 339. Vgl. auch Mot. ζ. BGB 2. 66g: Nur dann sei der Angabe des Schuldgrundes keine Bedeutung für die Einwendungen des Schuldners beizumessen, wenn der Angabe „ n u r ein enuntiativer Charakter beiwohne". Sans doute, le porteur de la police a, par le fait de l'endossement, un droit direct contre l'assureur, et c'est justement parce qu'il a un droit direct que les exceptions opposables au precedent porteur ne lui sont pas opposables. Mais il tient ce
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Veräußerung der versicherten Sache
§ 49 droit du contrat conclu entre le souscripteur et l'assureur. Son droit n'existe que si les conditions posees par les parties ont ete remplies. Or, quand on aggrave ou que l'on modifie les risques, ou qu'on change les conditions de l'assurance, l'assureur qui a pris un engagement dans les conditions nettement determinees n'est plus tenu ( R i p e r t Nr. 2486, ebenso schon fimerigon ch. 18 s. 2). Ausdrücklich und für den Fall der Abtretung sowohl wie für den Fall der Indossierung: M I A § 50 Abs. 2: . . . the assignee . . . is entitled to make any defence arising out of the contract which he would have been entitled to make if the action had been brought in the name of the person by or on behalf of whom the policy was effected. A b w . V o i g t 75 und, folgend, L e o 22g, L e w i s 2. 499, M i c h a e l s 23, S i e v e k i n g 26: Einwendungen, die „sich aus der Urkunde selbst ergeben", seien „zweifellos nur solche . . ., deren tatsächliches Fundament und Tragweite durch die Urkunde selbst in Gewißheit und Klarheit gebracht werde". Wäre dies richtig, so wäre es freilich vom Gesetzgeber Torheit gewesen, Orderpolicen besonders zuzulassen (so, richtig, V o i g t 69). In Wirklichkeit sind „tatsächliches Fundament und Tragweite" durch die Police selbst in vollständige „Gewißheit und Klarheit gebracht". Wenn es in der Police heißt, daß der Versicherer frei ist, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, so ist das „tatsächliche Fundament" der Einwendung des Versicherers so gewiß wie klar. Insbesondere leiden „Gewißheit und Klarheit" nicht darunter, daß es nur bedingt bezeichnet wird; daß es nicht unbedingt bezeichnet werden kann, ist dem Indossatar der Police gleichfalls „gewiß und klar". Übrigens ist Art. 303 A D H G B , auf dessen Wortlaut („nur solche Einwendungen", „welche ihm — dem Versicherer — nach Maßgabe der Urkunde selbst zustehen") V o i g t sich beruft, geändert. Der Versicherer kann nach § 364 Abs. 2 H G B solche Einwendungen machen, „welche sich aus dem Inhalt der Urkunde ergeben". Die leichtere Fassung unterstützt die hier vertretene, nach der Interessenlage allein mögliche Auffassung. Auch nach dieser Auffassung bleiben Einwendungen genug übrig, die der Versicherer, insoweit auch verkehrsgemäß, nicht erheben kann, ζ. B. die Einwendung, daß nach Ausstellung der Police mit dem Indossanten etwas anderes vereinbart sei (vgl. auch v. O e r t z e n Z f V W 1911. 840, 1010, R i p e r t Nr. 2486f.). Anm. 70
c) w a s d e r V e r s i c h e r e r u n m i t t e l b a r g e g e n ü b e r d e m B e s i t z e r d e r P o l i c e g e l t e n d m a c h e n k a n n , ζ. B. besondere Vereinbarung, Zahlung, Stundung, Aufrechnung, fehlende Legitimation. A n m . 71 31. Inhaberpolicen (§ 14 A n m . 29) werden nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen und verpfändet (BGB §§935 Abs. 2, 1207, 1293). Der Versicherer kann nur einwenden, was die Gültigkeit der Ausstellung betrifft, was sich aus der Police ergibt, und was er unmittelbar dem Inhaber einwenden kann (BGB § 796; oben Anm. 68ff.). A n m . 72 32. § 4 9 gilt, sinngemäß, auch für die Rückversicherung (§ 1 Anm. 136). Auch das rückversicherte Haftpflichtinteresse kann „veräußert" werden. Ein Dritter kann durch Vertrag an die Stelle des Vorversicherers im Versicherungsverhältnis treten und damit das rückversicherte Interesse „erwerben". Der Dritte tritt dann an sich gemäß § 49 auch in das Rückversicherungs - Verhältnis ein. Regelmäßig beruht aber die Rückversicherung auf dem besonderen Vertrauen zur Person des Vorversicherers. So insbesondere, wenn der Vorversicherer, wie regelmäßig, das Abwicklungsrecht hat (§ 1 Anm. 154). Dann erlischt notwendig das Rückversicherungs-Verhältnis (vgl. auch K i s c h 3. 339). Der Rückversicherer brauchte also nicht einmal wegen wichtigen Grundes zu kündigen (vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 22). Allerdings haftet der Rückversicherer nach § 49 Abs. 3 nicht für die Gefahren, die nicht eingetreten wären, wenn der Vorversicherer im Vorversicherungs-Verhältnis geblieben wäre. Aber diese Beschrän-
Veräußerung der versicherten Schiffe usw.
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kung der Haftung des Rückversicherers reicht offenbar gerade hier nicht aus. — Ver- § 49 äußert der Vorversicherer sein Geschäft oder den Teil seines Geschäfts, zu dem das Vor- und das Rückversicherungsverhältnis gehören, so bestimmen sich die allgemeinen Rechtsfolgen nach den §§25, 26 HGB, §419 BGB; §49 ADS ist nur anwendbar, wenn der Erwerber durch besonderen Vertrag in die Stellung des Vorversicherers eintritt (vgl. oben Anm. 30). — § 151 Abs. 2 VVG (Veräußerung des haftpflichtversicherten Unternehmens) ist unanwendbar. Endigt das Vorversicherungs-Verhältnis, weil der Erwerber der versicherten Sache gemäß § 49 Abs. 4 kündigt, so fällt das rückversicherte Interesse weg. Die Rechtsfolgen richten sich in erster Linie nach dem RückVersicherungsvertrag, in zweiter nach § 4. 33. Fremde Rechte (vgl. auch oben Anm. 32, 62, 69). Anm. a) E n g l i s c h e s Recht. Die Versicherung geht nicht ohne weiteres mit dem versicherten Interesse über. Where the assured assigns or otherwise parts with his interest in the subject-matter insured, he does n o t thereby transfer to the assignee his rights under the contract of insurance; an express or implied agreement with the assignee to that effect muß hinzukommen (MIA § 15 Abs. 1). Der Versicherte muß die Police mit übertragen. Where the assured has parted with or lost his interest in the subjectmatter insured, and has n o t , before or at the time of so doing, expressly or impliedly agreed to assign the policy, any subsequent assignement of the policy is inoperative (MIA § 51 Abs. 1). Wenn ein Mitreeder seine Schiffspart verkauft und versäumt, die Police mit zu übertragen, ist der Erwerber unversichert (Powles v. Innes 1841 bei A r n o u l d 209 s. 234). Wenn der Verkäufer von versicherten Gütern die Police zur Deckung des Kaufpreises zurückbehält, beim Verkaufe nicht von ihr die Rede war und die Güter nach dem Übergang der Gefahr auf den Käufer beschädigt werden, kann der Käufer keine Entschädigung verlangen (North of England Oil Cake Co. v. Archangel Mar. Ins. Co. 1875 bei A r n o u l d 205 s. 231, 476 s. 503). Das englische Recht ist eben von der Objektivierung des Interesses, die man ihm nachsagt (§ 1 Anm. 14), weit entfernt. Where a marine policy has been assigned so as to pass the beneficial interest in such policy, the assignee of the policy is entitled to sue thereon in his own name; and the defendant is entitled to make any defence arising out of the contract which he would have been entitled to make if the action had been brought in the name of the person by or on behalf of whom the policy was effected (MIA § 50 Abs. 2). b) Das f r a n z ö s i s c h e Recht steht grundsätzlich auf demselben Standpunkt. Die Übertragung des versicherten Interesses bewirkt nicht den Übergang der Versicherung. Der Versicherungsnehmer muß dem Erwerber die Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis abtreten. Andererseits kann der Zessionar auch nur der Erwerber sein. § 5 0 Veräußerung versicherter Schiffe und Schiffsparten (1) Im Falle der Veräußerung einer Schiffspart finden die Bestimmungen des § 49 entsprechende Anwendung. (2) Wird ein versichertes Schiff veräußert, so endigt die Versicherung; dem Versicherer gebührt von der auf die spätere Zeit entfallenden Prämie nur der fünfte Teil. Wird das Schiff veräußert, während es unterwegs ist, so endigt die Versicherung erst mit dem Zeitpunkt, in dem nach den §§ 66 bis 68 die Versicherung am nächsten Bestimmungsort endigen würde. 1. Vgl. HGB § 900, ASVB § 162, V V G § 143. — L i t e r a t u r : § 49 Anm. 2.
Anm.
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Veräußerung der versicherten Schiffe usw.
50 2 . A b s . 1. Im Falle der Veräußerung der versicherten Schiffspart findet § 49 . 2 entsprechende A n w e n d u n g . Nur „entsprechende" Anwendung. Denn die Bestimmungen des § 49 über die Veräußerung versicherter Güter sollen natürlich keine Anwendung finden. Nur aus diesem Grunde ist § 53 Abs. 1 Ε igio ( = HGB § 900 Abs. 1) geändert. — Im übrigen versteht sich die Bestimmung von selbst. Denn § 49 bezieht sich auch auf die Veräußerung von Bruchteilen der versicherten Sache (§ 49 Anm. 57). Die Bestimmung ist nur als Ausnahme des im § 50 Abs. 2 ausgesprochenen Grundsatzes wirksam, wonach bei Veräußerung des versicherten Schiffes die Versicherung nicht übergeht. Sie steht also am unrichtigen Ort. a) S c h i f f s p a r t e n sind nach § 491 HGB Anteile an einer Reederei. Eine Reederei liegt nach § 489 HGB vor bei gemeinschaftlicher Verwendung eines Schiffes zum Erwerb durch Seefahrt. In diesem Sinne muß der Ausdruck auch im § 900 Abs. 1 HGB und im § 50 ADS verstanden werden (Die Vorauflage dieses Kommentars stellte solchen Schiffsparten auch Bruchteile an See-Erwerbsschiffen gleich, deren Eigentümer keine Partenreederei bildeten. Dem kann nur insoweit zugestimmt werden, als es auf die Rechtsgültigkeit des Reedereivertrages nicht ankommt). Das entspricht auch der Erwägung, die dem § 50 Abs. 1 zugrunde liegt: Bei Anteilen an See-Erwerbsschiffen tritt die Persönlichkeit des Teilberechtigten regelmäßig in den Hintergrund, bei anderen Schiffen nicht. Im Falle der Veräußerung des versicherten Anteils an einer Lustjacht ist also § 50 Abs. 2 anzuwenden. Ebenso natürlich, wenn der Alleineigentümer der versicherten Lustjacht einen Bruchteil davon veräußert. Ebenso aber auch, wenn der Alleineigentümer eines versicherten See-Erwerbsschiffs einen Bruchteil davon veräußert, also nicht eine versicherte Schiffspart veräußert wird, sondern ein Partenverhältnis erst entsteht. Denn dies entspricht nicht nur dem Wortlaut des § 50, sondern auch der ihm zugrunde liegenden Erwägung. b) Wenn sämtliche Schiffspartner ihre Parten an einen und denselben Dritten veräußern, ist nicht § 50 Abs. 1, sondern § 50 Abs. 2 anzuwenden. .3 3. A b s . 2. Im Falle der Veräußerung des versicherten Schiffes findet § 49 keine A n w e n d u n g . § 50 Abs. 2 enthält eine Ausnahme von § 49. § 49 ist auch im Falle der Veräußerung anderer als Eigentümerinteressen anzuwenden (§49 Anm. 13). § 50 Abs. 2 ist nur im Falle der Übertragung des Eigentümerinteresses anzuwenden. Es besteht kein Grund, § 50 Abs. 2 über seinen Wortlaut hinaus auszulegen. Denn der Grund für diese Ausnahmebestimmung ist, daß „der Assekuradeur auf die Person des Reeders großes Gewicht legt" (Prot. 3654, 4453). § 50 Abs. 2 ist also im Falle der Übertragung von anderen Schiffsinteressen, ζ. B. des Bodmereigelder-Interesses, nicht anzuwenden, aber wohl auch im Falle der Übertragung sonstiger Interessen des Eigentümers, ζ. B. des Mehrwert- oder des Gewinninteresses (§49 Anm. 12). — Über den Begriff des Schiffes: § ι Anm. 23. — Uber den Begriff des „versicherten" Schiffes: § 49 Anm. 11. — Uber den Begriff der Veräußerung: § 49 Anm. 5. Er umfaßt auch die Zwangsversteigerung (§ 49 Anm. 7, Begr. ζ. Ε 1910 §§ 52, 53). — Abs. 2 ist gegenüber § 905 Abs. 2 HGB wirksam (RG JW 1938. 876 = Sasse Nr. 54). .4 4. Mit der Veräußerung des Schiffes würde das versicherte Eigentümerinteresse wegfallen (§ 49 Anm. 3). Würde das Schiff vor dem Beginn der Versicherung veräußert sein, so würde der Versicherer die Ristornogebühr, also regelmäßig die halbe Prämie (§ 18) verlangen können; würde das Schiff n a c h dem Beginn der Versicherung veräußert sein, so würde er die ganze Prämie verlangen können (§4). —· §50 Abs. 2 bestimmt die Rechtsfolgen anders: Die Versicherung endigt. Das bedeutet: Der Versicherungsschutz hört auf. Danach hätte der Versicherungsnehmer die Prämie zu entrichten, wie in allen anderen Fällen der Vertrags-, insbesondere bedingungsmäßigen „Endigung der Versicherung" (von anderer Auffassung geht anscheinend § 128 V V G —
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verb, „gleichwohl" — aus). Das wäre unbillig. Deshalb erhält der Versicherer für die spätere Zeit nur d e n f ü n f t e n Teil der P r ä m i e . Diese „spätere Zeit" ist im Falle der Zeitversicherung leicht festzustellen; der T a g der Veräußerung wird nicht mitzurechnen sein (vgl. BGB § 187 Abs. 1). I m Falle einer Reiseversicherung wird die Zeit in Betracht kommen müssen, welche das Schiff tatsächlich noch auf die versicherte Reise verwendet hat oder, wenn die Reise nicht fortgesetzt ist, noch verwendet haben würde. — Von einer „Endigung der Versicherung" kann man eigentlich nicht sprechen, wenn das Schiff v o r dem Beginn der Versicherung veräußert wird, die Versicherung also gar nicht beginnt. Von dem Standpunkt aber, daß das Schiff im Sinne der §§ 49, 50 nicht erst mit dem Beginn der Versicherung, sondern schon mit dem Abschluß des Versicherungsvertrags „versichert" ist (§49 Anm. 11), wird man hier auch von der Endigung der Versicherung vor ihrem Beginn sprechen können. In diesem Falle ist einfach der fünfte Teil der ganzen Prämie zu zahlen, insbesondere nicht gemäß § 18 die halbe Prämie und höchstens 1 j a % der Versicherungssumme. g. A b s . 2 Satz 2. Für u n t e r w e g s befindliche Schiffe ist oft schlecht anderweit Deckung zu beschaffen. Auch ist das Schiff j a für die Unterwegs-Reise noch vom Versicherungsnehmer ausgerüstet, dem der Versicherer vertraut (Prot. 3654, 4453). Deshalb endigt die Versicherung nicht, w e n n d a s Schiff veräußert w i r d , w ä h r e n d es u n t e r w e g s ist. Die Versicherung läuft also weiter. Natürlich für denjenigen, für den sie allein laufen kann, den Interessenten, den Erwerber. Die V e r s i c h e r u n g g e h t gemäß § 49 a u f d e n E r w e r b e r ü b e r . Genauer § 900 Abs. 2 H G B : Die allgemeinen Vorschriften über die Veräußerung der versicherten Sache „kommen zur Anwendung, wenn das Schiff während einer Reise veräußert wird". a) Die Versicherung geht insbesondere auch dann über, wenn das Schiff durch die Veräußerung die Eigenschaft eines n e u t r a l e n Schiffes verliert, mag die Versicherung die Kriegsgefahr einschließen oder nicht. Aber der Versicherer haftet nicht für Schäden, die ohne die Veräußerung nicht entstanden wären (§ 49 Abs. 3; vgl. auch MIA §§ 36, 37). b) Das Schiff ist u n t e r w e g s , wenn es die Reise angetreten und noch nicht beendigt hat. Näheres: § 68 Anm. c) Der Erwerber haftet insbesondere mit dem Veräußerer als Gesamtschuldner für die P r ä m i e . Auch für die auf die frühere Zeit entfallende Prämie. Für die nach der Beendigung der Versicherung laufende Zeit natürlich nur für den fünften Teil. Der Erwerber kann sich aber gemäß § 49 Abs. 4 davon durch K ü n d i g u n g befreien. d) Die Versicherung geht nicht ganz über. Sie endigt, w e n n sie n a c h den a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g e n a m n ä c h s t e n B e s t i m m u n g s o r t endigen w ü r d e . Also: α) R e i s e Versicherung. Sie endigt gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3, § 67. Jedoch ist nicht der Bestimmungsort, sondern der n ä c h s t e Bestimmungsort maßgebend. Näheres hierüber § 68 Anm. — Die Prämie wird für die spätere Zeit ermäßigt. I m übrigen ist § 49 anzuwenden, soweit er sich nicht auf Güterversicherungen bezieht. — § 900 Abs. 2 HGB behandelt die Versicherung für m e h r e r e Reisen besonders. Anders § 50 Abs. 2 ADS, weil die Versicherung für mehrere Reisen selten ist und besondere Zweifel darüber, welcher Ort der „nächste Bestimmunsgort" ist, für sie nicht bestehen. β) Z e i t Versicherung. Sie endigt gleichfalls gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3, § 67. Die Prämie wird für die spätere Zeit ermäßigt. Im übrigen ist § 49 anzuwenden. — Läuft, während das Schiff unterwegs ist, die Versicherungszeit ab, so wird die Versicherung gemäß § 68 verlängert, die Prämie also nicht ermäßigt, sondern gemäß § 68 erhöht.
§ 50
Anm. 5
Anm. 6
Anm. 7 Anm. 8
Anm. q
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Veräußerung der versicherten Schiffe usw.
§ 50 6. Die Versicherung endigt natürlich nicht erst durch die Veräußerung, wenn sie Anm. io s c h o n v o r h e r , sei es auf gewöhnliche, sei es auf ungewöhnliche Weise, insbesondere infolge Wegfalls des versicherten Interesses oder der versicherten Gefahr, b e e n d i g t ist. So etwa, wenn der Veräußerer die versicherte Reise des Schiffes bereits aufgegeben hatte, namentlich, wenn das reiseversicherte Schiff schon zum Wrack geworden war (vgl. § 66 Abs. 3). Insbesondere: a) Ist das „Frei von Kriegsgefahr" zeitversicherte Schiff d u r c h e i n K r i e g s e r e i g n i s , ζ. B. einen Minenunfall, beschädigt und z u m W r a c k g e w o r d e n , so sind das versicherte Interesse und die versicherte Gefahr teilweise weggefallen. Aber eben nur teilweise. Die versicherte Sache, das versicherte Schiff, das versicherte Interesse ist im übrigen noch da. Es kann auch noch Versicherungsschaden entstehen (wenn nicht etwa jeder noch entstehende Schaden die adäquate Folge des Kriegsereignisses sein müßte). Die versicherte Sache, das versicherte Schiff kann also noch veräußert werden. Wird das Schiff veräußert, so endigt die Versicherung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1; dem Versicherer gebührt von der auf die spätere Zeit entfallenden Prämie nur der fünfte Teil; aber der fünfte Teil ist natürlich nicht von der ganzen Prämie, sondern von dem auf das Ubriggebliebene entfallenden Wert zu berechnen (der angebliche Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie steht nicht entgegen, d a es ihn nicht gibt: § 16 Anm. 27). Wird das Schiff (was die Regel sein wird) veräußert, während es unterwegs ist, so geht die Versicherung gemäß § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 2 Satz 2 auf den Erwerber über. Anders R G 95. 227, H G Z 1919. 95: Das Wrack sei kein „ S c h i f f " mehr, es könne also auch nicht als Schiff veräußert werden, § 50 Abs. 2 sei mithin nicht anwendbar, insbesondere gebühre dem Versicherer f ü r die spätere Zeit die ganze Prämie, nicht nur der fünfte Teil. Die Folge wäre, daß der Erwerber des Wracks (soweit Interesse und Gefahr nicht schon vorher weggefallen sind) in allen Fällen (und ohne die Beschränkung des § 50 Abs. 2 Satz 2) gemäß § 49 Abs. 1 in das Versicherungsverhältnis eintreten würde. Denn wenn das Wrack auch kein „Schiff" mehr sein würde, würde es doch jedenfalls noch eine „versicherte Sache" sein. Das Ergebnis wäre absurd. Es ist auch nicht geboten. Gesetz und ADS betrachten das Wrack des versicherten Schiffes noch als das „versicherte Schiff" (vgl. A D H G B Art. 859 Abs. 2, ADS § 71 Abs. 3). Es besteht kein Grund, es nicht auch im Sinne des § 50 Abs. 2 noch als das versicherte Schiff zu betrachten. — Ist das zeitversicherte Schiff d u r c h e i n G e f a h r e r e i g n i s z u m Wrack geworden, so wird der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlangen und entweder die Versicherungssumme weniger den Wert des vorher geretteten Wracks erhalten oder die ganze Versicherungssumme erhalten und die Rechte am noch nicht geretteten Wrack gemäß § 71 Abs. 3 auf den Versicherer übertragen. In beiden Fällen erlischt die Versicherung (§ 71 Anm.). Anm. 11
b) Ahnlich, wenn das „Frei von Kriegsgefahr" zeitversicherte Schiff i n f o l g e e i n e s K r i e g s e r e i g n i s s e s , ζ. B. eines Minenunfalls, r e p a r a t u r u n f ä h i g o d e r r e p a r a t u r u n w ü r d i g g e w o r d e n ist u n d veräußert wird. Die Versicherung endigt gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 und geht gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 auf den Erwerber über. Anders wieder R G 95. 228: § 50 Satz 2 sei nur anwendbar, wenn „eine Übertragung der Versicherung auf einen etwaigen Erwerber vernünftiger Weise in Frage kommen könne", — was bei der Veräußerung reparaturunfähiger oder reparaturunwürdiger Schiffe nicht der Fall sei. — Ist das Schiff i n f o l g e e i n e s G e f a h r e r e i g n i s s e s reparaturunfähig usw. geworden und veräußert, so gilt dasselbe. Ist es gemäß § 77 versteigert, so endigt die Versicherung natürlich nicht gemäß § 50 Abs. 2, sondern gemäß § 77 (soweit Interesse und Gefahr nicht schon vorher weggefallen sind). Anm. 12 c) W e n n das versicherte Schiff nur einen T e i l s c h a d e n erlitten hat und veräußert wird, endigt die Versicherung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1. Der Versicherer erhält f ü r
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den noch vorhandenen Schiffswert nur den fünften Teil der Prämie. Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 geht die Versicherung auf den Erwerber über. d) Ist das „Frei von Kriegsgefahr" zeitversicherte Schiff vom Feinde ohne Aussieht auf Wiedererlangung g e n o m m e n , so ist das versicherte Interesse und die versicherte Gefahr nicht weggefallen (das versicherte Interesse überhaupt nicht, die versicherte Gefahr nicht ganz). Wird das Schiff veräußert, so endigt die Versicherung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1; dem Versicherer gebührt für die spätere Zeit nur der fünfte Teil der Prämie; dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die versicherte Gefahr in der Hauptsache bereits mit der N e h m u n g weggefallen ist (§ 35 Anm. 11). Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 geht die Versicherung auf den Erwerber über. W a r das Schiff reiseversichert, so ist mit der Nehmung die versicherte Unternehmung aufgegeben, die Versicherung gemäß § 66 Abs. 3 beendigt (vgl. oben Anm. 10). — W a r das zeitversicherte Schiff gegen Kriegsgefahr versichert, so wird der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme verlangen und die Rechte am Schiffe auf den Versicherer übertragen ( § 7 : Abs. 3). T u t er es nicht, veräußert er das Schiff, so endigt die Versicherung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 und geht gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 auf den Erwerber über. 7. Ist die Veräußerung n i c h t i g , so endigt die Versicherung nicht. Ist sie a n f e c h t b a r , so hängt die Beendigung von der Anfechtung ab. D a ß die Interessenlage in solchen Fällen regelmäßig derjenigen ähnlich ist, die zum § 50 Abs. 2 geführt hat, wird nicht entscheiden können. Deshalb ist auch § 50 Abs. 2 nicht anwendbar, wenn das Schiff v e r m i e t e t wird. — Wird das Schiff unter a u f s c h i e b e n d e r Bedingung veräußert, so endigt die Versicherung, wenn die Bedingung eintritt. Wird das Schiff unter a u f l ö s e n d e r Bedingung veräußert, so endigt die Versicherung mit der Veräußerung. W e n n in diesem Falle die Versicherung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 auf den Erwerber übergeht, so endigt sie gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 auch dann, wenn inzwischen die auflösende Bedingung eingetreten sein sollte. 8. Versicherer und Versicherungsnehmer können von § 50 Abs. 2 A b weichendes vereinbaren. So etwa, daß die Versicherung des Schiffes in jedem Falle „erlischt mit dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels gegen Pro-rata-Rückgabe für die nicht gelaufene Zeit" (RG 95. 227). Versicherer und Versicherungsnehmer können auch vereinbaren, d a ß § 49 im Falle der Veräußerung des Schiffes angewendet werden, die Versicherung also auf den Erwerber übergehen soll. Aber nur in gewissen Grenzen. Denn m a n kann durch Vertrag einem Dritten zwar Rechte, im allgemeinen aber keine Pflichten zuwenden. M a n kann vereinbaren, daß die Rechte aus dem Versicherungsverhältnis auf den Erwerber übergehen sollen und von den Pflichten diejenigen, deren Verletzung die Beeinträchtigung der Rechte zur Folge hat. Der vollständige Übergang der Versicherung kann n u r für den Fall vereinbart werden, d a ß der Erwerber zustimmt. — Die Klausel ( H G Z 1906. 49): „Sofern der Dampfer verkauft werden sollte, steht es dem Herrn Versicherten frei, diese Versicherung ganz aufzuheben gegen Prorata-Prämienrückgabe f ü r die nicht abgelaufene Zeit" hat wohl nicht die Bedeutung, daß der Erwerber in die Versicherung eintreten und der Veräußerer berechtigt sein soll, dies zu verhindern, sondern nur die Bedeutung, daß der Veräußerer nicht nur * j 6 , sondern die ganze Prämie für die spätere Zeit zurückerhalten soll. 9. Veräußerer und Erwerber des versicherten Schiffes können natürlich nicht vereinbaren, daß die Versicherung auf den Erwerber übergehen soll. Wohl aber vereinbaren, daß die Versicherung des unterwegs befindlichen Schiffes schon mit der Veräußerung, nicht erst a m nächsten Bestimmungsort endigen soll (§ 49 Anm. 60). Eine solche Vereinbarung würde jedoch nichts daran ändern, daß der Versicherungsnehmer bis zum nächsten Bestimmungsort und gemäß §§ 67, 68 unter Umständen noch hierüber hinaus würde Prämie zahlen müssen.
§ 50 Anm. 13
Anm. 14
Anm. 15
Anm. 16
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Verpfändung der Entschädigungsforderung
§ 50 io. Rückversicherung: vgl. § 49 Anm. 72. Wenn der Vorversicherer sein HaftAnm. 17 pflichtinteresse an einen Dritten abgibt, ist §50 Abs. 2 natürlich nicht anwendbar. — Endigt die Vorversicherung, weil das vorversicherte Schiff veräußert wird, so fällt das rückversicherte Interesse weg. Demnach wäre § 4 anzuwenden. Regelmäßig wird aber die Rückprämie von der Vorprämie abhängig gemacht. Anm. 18 11. Fremde Rechte. In E n g l a n d gelten im Falle der Veräußerung versicherter Schiffe oder Schiffsparten die allgemeinen Grundsätze (vgl. § 49 Anm. 73). Für Zeitversicherungen bestimmen jedoch I T C ( A r n o u l d 1306): If the Vessel is sold or transferred to new management then unless the underwriters agree in writing to continue the insurance this policy shall become cancelled from the time of sale or transfer, unless the Vessel has cargo on board and has already sailed from her loading port, or is at sea in ballast, in either of which cases such cancellation shall, if required, be suspended until arrival at final port of discharge if with cargo, or at port of destination if in ballast. A pro rata daily return of premium shall be made. — Uber das f r a n z ö s i s c h e Recht vgl. § 49 Anm. 74 und Kaskopolice Art. 19 § 3.
§ 5 1 Verpfändung der Entschädigungsforderung Wird die Entschädigungsforderung verpfändet, so findet die Bestimmung des § 49 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 zugunsten des Pfandgläubigers entsprechende Anwendung. Anm. 1 Anm. 2
Anm. 3 Anm. 4 Anm. 5
1. Vgl. BSVB § 41 Abs. 6. — Literatur § 49 Anm. 2. Siehe auch unten Anm. 6 und Anhang zu § 51. 2. Die Entschädigungsforderung (die „gegenwärtige" sowohl wie die „künftige") kann verpfändet werden (BGB §§ 1273, I 2 7 9 ) · Die Verpfandung ist aber nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer sie dem Versicherer anzeigt (BGB § 1280). Der Versicherer kann dem Pfandgläubiger gegenüber einwenden, was er dem Zessionar gegenüber einwenden konnte (BGB § 1275). Er kann insbesondere einwenden, daß der Versicherungsnehmer die Prämie nicht gezahlt oder keine Sicherheit geleistet und der Versicherer deshalb gemäß § 17 frei ist. In diesem Falle soll § 49 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 angewendet werden: Bei der Güterversicherung braucht sich der Pfandgläubiger die Einwendungen nicht entgegenhalten zu lassen, daß der Versicherer wegen Nichtzahlung der Prämie usw. frei sei, es sei denn, daß der Pfandgläubiger beim Erwerb des Pfandrechts nicht in gutem Glauben war (näheres: § 49 Anm. 32). — Die „Entschädigungsforderung" umfaßt im Zweifel nicht auch den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen des § 32 (vgl. M o l t 32). — 3. § 51 gilt natürlich auch, wenn die Police Order- oder Inhaberpapier ist. Über die Verpfändung solcher Policen: § 49 Anm. 67—71. 4. I m Falle der P f ä n d u n g ist § 51 nicht anwendbar. 5. Die Veräußerung der versicherten Sache bewirkt den Ubergang der Versicherung (§ 49). Die Verpfändung der versicherten Sache bewirkt dagegen, sofern es sich nicht um die Bestellung einer Schiffshypothek an einem im Schiffsregister eingetragenen Schiff handelt (vgl. die im Anhang zu §51 wiedergegebenen §§ 32—38 SchRG), keinen pfandweisen Übergang der Versicherung (vgl. H G Z igog. 254). Insbesondere ist dem Pfandgläubiger nicht die Entschädigungsforderung verpfändet. Dem Verkehr, insbesondere dem Lombardverkehr, wäre erwünscht, daß das Pfandrecht an der versicherten Sache sich auf die Forderung gegen den Versicherer erstreckte, wie dies für
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Grundpfandrechte (vgl. §1127 BGB), die erwähnte Schiffshypothek (§ 3a SchRG) und § 51 das Registerpfandrecht an Luftfahrzeugen (vgl. § 32 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen) gilt, und d a ß der Pfandgläubiger gegen Einwendungen des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis in ähnlicher Weise geschützt wäre, wie der Erwerber versicherter Güter durch § 49 geschützt ist (Mat. 1. 215). Diesem Wunsche könnte n u r das Gesetz entsprechen. Die ADS konnten nur in beschränktem Umfang helfen. 6. Auch auf ein S c h i f f s g l ä u b i g e r r e c h t (vgl. über diese §§ 774fr. HGB) als einem Anm. 6 gesetzlichen Pfandrecht an dem Schiffe, dessen Zubehör (§ 755 HGB) und der Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher die Forderung des Schiffsgläubigers entstanden ist (§ 756 HGB) erstreckt sich die Versicherungsforderung des Reeders aus Kasko- und Frachtversicherung nicht. Das war vor Erlaß des SchRG unbestritten (vgl. Prot. 1606 ff., 4168fr., O A G Lübeck H a m b S 2. 628, H e c k 455fr., P a p p e n h e i m 2. 228; s. auch B r o d m a n n Z H R 64. 264). W ü s t e n d ö r f e r S H R I2gf. führt aus, seit dem S c h R G (vgl. dessen im Anhang zu § 51 wiedergegebene §§ 32—38) erstrecke sich von Gesetzes wegen die H a f t u n g des Schiffes zugunsten des Schiffshypothekengläubigers auf die Versicherungsforderung für das Schiff. Liegenschaftsrechtliche Vollstreckung und Beschlagnahme des Schiffes in der Zwangsvollstreckung umfaßten aber auch zugunsten anderer Gläubiger grundsätzlich diejenigen Gegenstände, a u f w e i c h e sich die Schiffshypothek erstrecke (§§ 162, 20 Abs. 2 Z V G , 865 Abs. 1 Z P O ) ; die Schiffsversteigerung dehne sich auf alle Gegenstände aus, deren Beschlagnahme noch wirksam sei (§§ 162, 55 ZVG). Daher diene nach dem Inkrafttreten des SchRG auch die Versicherungsforderung aus der Kaskoversicherung in der Zwangsversteigerung des Schiffes zur Befriedigung von Schiffsgläubigern. Gegen W ü s t e n d ö r f e r die ganz überwiegende Meinung, insbesondere R o s e n b e r g VersR 1951. 61 (Haftet die Forderung aus der Kaskoversicherung den Schiffsgläubigern des versicherten Schiffes?), J . v. G i e r k e , Handels- und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958. 623 und Z H R 116. 2igff. (Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger und die Transportversicherung), S c h a p s - A b r a h a m I I Anm. 15 zu § 486 HGB, S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e § 486 H G B Anm. 4, P f l ü g e r Hansa 1955. 17050*. (Die Versicherungsforderung des Reeders als Haftungssurrogat f ü r Schiffsgläubigerforderungen), H e l m e r s Hansa 1955. 377 ff. (Einige Vergleiche des deutschen mit dem ausländischen Seerecht), P r a u s e Hansa 1955. 2215 (Beschränkte Reederhaftung und Schiffsversicherung; ein Beitrag zum Kollisionsproblem zwischen Schiffsgläubiger und Schiffshypothek), S c h u l t z e V W 1954. 367 (Forderungen aus der Seekaskoversicherung und Schiffsgläubigerrecht), W e i m a r VersPrax 1955. 26 (Haftet die Versicherungsforderung des Reeders aus der Kaskoversicherung den Schiffsgläubigern?), P r ö l ß V V G Zusatz zu § 129 Bern, zu § 32 SchRG, O L G Köln VersR 1955.401 = M D R 1955.485; a . M . und sich W ü s t e n d ö r f e r anschließend M ö l l e r , Festschrift für Wüstendörfer, 1948. 190f. (Seerecht und Seeversicherung). R o s e n b e r g a . a . O . meint, W ü s t e n d ö r f e r s Ansicht widerspreche der auf dem Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Hilfsleistung und Bergung in Seenot (Brüssel ig 10) beruhenden Regelung der H a f t u n g für Bergungs- und Hilfskosten (§ 751 HGB). Der Reeder müßte sich, wenn Wüstendörfer Recht hätte, doppelt versichern, einmal für den schadensberechtigten Kollisionsgegner und zum anderen f ü r den eigenen Verlust. Die überzeugenden Erwägungen finden sich bei J . v. G i e r k e Z H R 116. 219fr.: Der Zweck der Erstreckung der auf Vertrag beruhenden Schiffshypothek auf die Versicherungsforderung in § 32 SchRG sei, den Schiffskredit zu stärken und hypothekarische Belastungen von Schiffen zu fördern. Bei dem gesetzlichen Pfandrecht der Schiffsgläubiger aber handle es sich um ein Vorzugsrecht sehr verschieden gearteter, vielfach zufälliger Gläubiger, das neben einer persönlichen Forderung oder an ihrer Stelle stehe, dessen Entstehung und dessen Inhalt der Gesetzgeber keinen Anlaß habe, zu begünstigen. Es sei nicht einzusehen, weshalb 47
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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Verpfändung der Entschädigungsforderung
§ 5 1 diese Gläubiger die bequeme Stellung eines mittelbar Versicherten haben sollten oder sogar selbständige Rechte aus einem fremden Versicherungsvertrage. Diese Ansicht sei auch mit dem S c h R G zu vereinbaren: Gegenstand der Schiffshypothek sei nach § 32 S c h R G nur die für sie verdinglichte Kaskoversicherung. Ihr könne die in der Kaskoversicherung steckende Haftpflichtversicherungsforderung nicht gleichgestellt werden, weil sie nur dem Reeder zur Erfüllung seiner Haftpflicht zugute kommen solle. — Der Haftungsverband des Schiffsgläubigerrechts kann mit demjenigen der Schiffshypothek eben nicht wesensmäßig gleichgestellt werden. Denn dem Schiffshypothekar haftet der Schiffseigentümer für die Rückzahlung der Hypothekenvaluta regelmäßig unbeschränkt persönlich, also auch mit dem Landvermögen, nicht nur mit dem Schiffsvermögen.
Anhang zu § 51 Schiffshypothek und Versicherungsforderung (§§ 3 2 - 3 8 S c h R G )
Vorbemerkung Anm. 1
S c h r i f t t u m : P r a u s e , Das Recht des Schiffskredits, 1954. P r ö l ß , Zusatz zu § 129 V V G , H a n s R G Z 1941 A 25 (Schiffshypothek und Kaskoversicherung). S c h l e g e l b e r g e r S V R , Anhang zu § 51 ADS. A b r a h a m Schiffshypothek 155fr. S c h a p s A b r a h a m I. 497ff. S o e r g e l - S i e b e r t - A b r a h a m BGB, g. Aufl., Erl. zu §§ 32—38 SchRG. Anm. 2 Nach § 32 Abs. 1 S c h R G erstreckt sich die Forderung des Schiffshypothekengläubigers auf die Forderung gegen den Versicherer. Damit sind früher übliche Hypothekenklauseln überflüssig geworden. Die Regelung der §§ 32—38 ist im wesentlichen derjenigen bei der Gebäudeversicherung mit Wiederherstellungsklausel nachgebildet. Es entsprechen § 32 Abs. 1 S c h R G dem § 1 1 2 7 Abs. 1 BGB, § 32 Abs. 2 Satz 1 dem § 1128 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 2 Satz 2—4 den §§ 1128 Abs. 1 BGB, 99 Abs. 3 V V G , § 33 Abs. 1 Satz 1 dem § 1 1 3 0 BGB, § 33 Abs. 2 Satz 1 dem § 1127 Abs. 2 BGB, § 34 Abs. 1 dem § 101 Abs. 1 V V G , § 34 Abs. 2·—4 dem § 103 V V G , § 35 Abs. 2 dem § 107 V V G , § 36 Abs. 1 dem § 102 Abs. 1 V V G , § 36 Abs. 2 Nr. 1 dem § 102 Abs. 2 V V G , § 37 dem § 104 V V G , § 38 dem § 35 a V V G . § 32 (1) Hat der Eigentümer oder für seine Rechnung ein anderer für das Schiff eine Versicherung genommen, so erstreckt sich die Schiffshypothek auf die Versicherungsforderung. (2) Die für eine verpfändete Forderung geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts sind sinngemäß anzuwenden; der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß er eine aus dem Schiffsregister ersichtliche Schiffshypothek nicht gekannt habe. Der Versicherer kann jedoch die Entschädigungssumme mit Wirkung gegen den Gläubiger an den Versicherungsnehmer zahlen, wenn er oder der Versicherungsnehmer den Eintritt des Schadens dem Gläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige eine Frist von zwei Wochen verstrichen ist. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn sie untunlich ist; in diesem Fall wird die Frist von dem Zeitpunkt an gerechnet, in dem die Entschädigungssumme fällig ist. Der Gläubiger kann bis zum Ablauf der Frist dem Versicherer gegenüber der Zahlung widersprechen.
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ι . Eine gesetzliche Verpflichtung für den Schiffseigentümer, eine Kaskoversicherung für das Schiff zu nehmen, besteht auch dann nicht, wenn an dem Schiff eine Schiffshypothek bestellt ist. Der Schiffshypothekar muß deshalb in seinem Interesse streng darauf bedacht sein, dem Schiffseigentümer vertraglich eine Versicherungspflicht für das Schiff aufzuerlegen. Er wird dabei gut tun, nicht nur eine Versicherung schlechthin zu fordern, sondern auch den Umfang derselben und sonstige wesentliche Bedingungen mit dem Hypothekenschuldner zu vereinbaren, wie es auch in den Darlehnsbedingungen der deutschen Schiffsbeleihungsbanken geschehen ist. Vgl. auch § 11 Abs. ι des Schiffsbankgesetzes i. d. F. vom 8. Mai 1963 (BGBl. I. 301 = S c h a p s - A b r a h a m I I I I267ff. (1271), nach welchem die Beleihung eines Schiffs durch eine Schiffshypothekenbank nur zulässig ist, wenn das Schiff entsprechend versichert ist und der Versicherer sich verpflichtet hat, der Bank gegenüber Einwendungen auf Grund des § 36 Abs. 2 Nr. 2 SchRG oder bei Beleihung von im Ausland registrierten Schiffen die entsprechenden Einwendungen nicht zu erheben. 2. Ist das Schiff versichert worden, so erstreckt sich die Schiffshypothek kraft Gesetzes (Abs. 1) auf die Forderung aus einer Schiffsversicherung, insbesondere einer Schiffskaskoversicherung. Da die Kaskoversicherung nach den ADS auch Ansprüche umfaßt, die gegen das Schiff aus Schiffszusammenstoß oder aus Bergung und Hilfeleistung erhoben werden, ferner auch die von dem Versicherten zu tragenden Beiträge zur großen Haverei, ist bei der Anwendung der §§ 32 ff. darauf Rücksicht zu nehmen, daß sie nicht nur Schadensversicherung, sondern in gewissem Umfange auch Haftpflichtversicherung ist. Ist das Schiff besonders gegen Kriegsgefahr versichert worden, so unterliegt auch diese Versicherungsforderung der Mithaftung für die Schiffshypothek. Im Falle einer Kaskoversicherung ist es gleichgültig, ob diese „zu vollen Bedingungen" oder ζ. B. „nur für Totalverlust" genommen ist. Doch muß die Versicherung immer für das belastete Schiff oder einen mithaftenden Gegenstand genommen sein. Versicherungen der Fracht oder der Schiffsmiete scheiden aus. Das versicherte Interesse muß das Eigentümerinteresse sein, denn die Schiffshypothek ist eine Belastung des Schiffseigentums. Deshalb kommen Versicherungen für die Mannschaft und deren Handlungen für die Mithaftung nicht in Betracht. Wer der Versicherungsnehmer ist, ist gleichgültig; es kann der Eigentümer sein oder für seine Rechnung ein anderer, ζ. Β der Charterer oder auch ein Hypothekengläubiger, wenn nur der Eigentümer der Versicherte ist. — Die Erstreckung der Schiffshypothek auf die Versicherungsforderung nach Abs. 1 ist streng zu unterscheiden von einer vom Schiffshypothekar zum Schutze seiner Hypothek genommenen Versicherung im eigenen Interesse. 3. Die Versicherungsforderung haftet nur für Schiffshypotheken, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalles schon bestellt waren. Später begründete Schiffshypotheken kommen also nicht in Betracht. Nicht erforderlich ist indessen, daß die Schiffshypothek bereits vor Abschluß des Versicherungsvertrags zum Schiffsregister eingetragen war, sofern nur die Eintragung vor dem Versicherungsfall erfolgt. Vgl. R G 1 5 1 . 390 für § 102 V V G a. F. Die Befugnis des Eigentümers nach § 57 SchRG genügt nicht. Eine Anzeige der Hypothekenbestellung an den Versicherer ist zur Entstehung der Mithaftung der Versicherungsforderung nicht erforderlich, aber zweckmäßig (vgl. § 34 SchRG) und Schiffshypothekenbanken als Schiffshypothekengläubigerinnen nach § 11 des Schiffsbankgesetzes vorgeschrieben. Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß er eine zum Schiffsregister eingetragene Schiffshypothek nicht gekannt habe. Er muß deshalb das Schiffsregister vor der Schadensregulierung einsehen. 4. Nach Abs. 2 Satz 1 sind auf die für die Schiffshypothek mithaftende Versicherungsforderung die für eine verpfändete Forderung geltenden Vorschriften, also die §§ 1279 fr. BGB, sinngemäß anzuwenden. 47»
Anhang § Anm. ι
z u
Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
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Anhang g, a ) Durch die Mithaftung der Versicherungsforderung für die Schiffshypothek z u § ändert sich v o r dem Versicherungsfall an der Rechtsstellung des VersicherungsAnm. 5 nehmers grundsätzlich nichts. Seine Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag bleiben unverändert. Dasselbe gilt für die Ausübung seiner Rechte, soweit diese das Vertragsverhältnis im ganzen betreffen: er kann die Vertragsbedingungen abändern und den Vertrag auch kündigen. Auch die Rechtsstellung des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber ändert sich zunächst nicht. Hat jedoch der Hypothekengläubiger von der Möglichkeit, die Schiffshypothek bei dem Versicherer anzumelden, Gebrauch gemacht, so entstehen dem Versicherer gewisse Pflichten gegenüber dem Gläubiger. Vgl. darüber § 34 SchRG. Anm. 6 b) N a c h dem Versicherungsfall dagegen kann der Versicherungsnehmer nicht mehr auf die Versicherungsforderung verzichten. Ohne Zustimmung kann er sich auch nicht mehr mit dem Versicherer vergleichen. Abtreten kann der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung zwar, doch geht sie dann mit dem Pfandrecht auf den Erwerber über. Vgl. K i s c h L Z 1914, 33. Anm. 7 c) Vgl. wegen der Prämienzahlung § 38 SchRG. Anm. 8 d) Zahlung an sich kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht verlangen. Einerlei ist dabei, ob die Schiffshypothek fällig ist oder nicht. aa) Ist sie noch nicht fällig, so darf der Versicherer nur an den Versicherungsnehmer und den Hypothekengläubiger gemeinschaftlich zahlen. bb) Ist sie fällig, so hat der Versicherer grundsätzlich an den Hypothekengläubiger zu zahlen. Dieser kann seine Ansprüche verfolgen durch Einziehung ohne Titel (§§ 1282, 1228 BGB), durch Einzelvollstreckung in die Versicherungsforderung (§§ 864 Abs. 1, 765 Abs. 2 ZPO), solange nicht die Zwangsversteigerung des Schiffes angeordnet ist; von der Zwangsversteigerung wird die Versicherungsforderung mitergriffen. cc) Nur in folgenden Fällen darf oder muß der Versicherer an den Versicherungsnehmer zahlen: aaa) Im Falle des Abs. 2 Satz 2. Zu beachten ist, daß die dort genannte Frist zwei Wochen beträgt, während sie im Grundstückshypothekenrecht nach § 1228 BGB auf einen Monat festgesetzt ist. Die Zweiwochenfrist gilt für Versicherungsverträge mit oder ohne Wiederherstellungsklausel. Sind im Falle des Abs. 2 Satz 4 mehrere Hypothekengläubiger vorhanden, so kommt der Widerspruch eines von ihnen nicht in Betracht, wenn die ihm im Range vorhergehenden Belastungen ebenso hoch oder höher sind als die Entschädigungsforderung. Mit der Zahlung an sich gemäß Abs. 2 wird der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Verwendung des Geldes vollkommen frei. bbb) Soweit die Zahlung zur Wiederherstellung des Schiffes erfolgt und die Wiederherstellung gesichert ist. Vgl. dazu § 33 Abs. 1 Satz 1 SchRG. ccc) Zwecks Befriedigung von Schiffsgläubigern, deren Ansprüche der Schiffshypothek im Range vorgehen, soweit die Befriedigung dieser Schiffsgläubiger gesichert ist; vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 SchRG. ddd) Wenn alle Hypothekengläubiger sich mit der Auszahlung an ihn oder nach seinen Anweisungen einverstanden erklärt haben.
§ 33 (1) Eine Zahlung des Versicherers auf die Versicherungsforderung ist dem Gläubiger gegenüber wirksam, soweit sie zum Zweck der Wiederherstellung des Schiffs bewirkt wird und die Wiederherstellung des Schiffs gesichert ist. Das gleiche gilt von Zahlungen des Versicherers zum Zweck der Befriedigung von Schiffsgläubigern, deren Ansprüche der Schiffshypothek im Rang vorgehen, soweit die Befriedigung dieser Schiffsgläubiger gesichert ist.
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(2) Die Haftung der Forderung gegen den Versicherer erlischt, soweit das Schiff Anhang wiederhergestellt oder für Zubehörstücke Ersatz beschafft worden ist. Das gleiche gilt, ™ § soweit Verpflichtungen des Eigentümers erfüllt worden sind, die von der Versicherung umfaßt waren und für die ein der Schiffshypothek im Rang vorgehendes Schiffsgläubigerrecht bestand. 1. Nach Abs. 1 Satz 1 darf der Versicherer an den Versicherungsnehmer zahlen, so- Anm. 1 weit die Zahlung zur Wiederherstellung des Schiffes erfolgt und die Wiederherstellung auch gesichert ist. Dies liegt im Interesse der baldigen Schiffsausbesserung. Auf das Einverständnis des Schiffshypothekengläubigers oder darauf, ob sich etwa im Versicherungsvertrage die Klausel „Zahlung nur bei Wiederherstellung" findet, kommt es dabei nicht an. Insoweit geht § 33 Abs. 1 Satz 1 SchRG noch über § 1 1 3 0 BGB hinaus, dem er im übrigen entspricht. Ist der Versicherer nach der Police nur verpflichtet, zur Wiederherstellung des Schiffes zu zahlen, so ist die Einziehung der Versicherungsforderung durch den Hypothekengläubiger wegen der in der Zweckbestimmung liegenden Unübertragbarkeit nicht möglich. Es bleibt dem Hypothekengläubiger dann nur die Möglichkeit, aus eigenem Recht Zahlung an den Versicherten zu verlangen. War die Wiederherstellung nicht gesichert, so ist die Zahlung gegenüber dem Hypothekengläubiger unwirksam. Wann die Wiederherstellung als gesichert anzusehen ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab und ist nach Treu und Glauben sowie dem pflichtgemäßen Ermessen des Versicherers zu entscheiden. Abs. 1 ist für die Seeversicherung solange gegenstandslos, als nach § 75 ADS die Entschädigung erst nach der Ausbesserung fällig wird. 2. Da der Schiffshypothekengläubiger die Befriedigung besser berechtigter Schiffs- Anm. 2 gläubiger gegen sich gelten lassen muß, so darf der Versicherer Zahlungen zwecks B e f r i e d i g u n g von S c h i f f s g l ä u b i g e r n leisten, deren A n s p r ü c h e der S c h i f f s hypothek im R a n g e v o r g e h e n , soweit die B e f r i e d i g u n g dieser S c h i f f s g l ä u b i g e r gesichert ist. Vgl. Abs. 1 Satz 2. Zu den Schiffsgläubigern kann auch der Reeder-Versicherungsnehmer selbst gehören, so daß an ihn nach § 33 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 in dieser Eigenschaft gezahlt werden kann. Vgl. über den Reeder als Schiffsgläubiger S c h a p s - A b r a h a m II vor § 754 HGB Anm. 13—19. Bei ordnungswidriger Zahlung wird der Versicherer gegenüber dem Schiffshypothekengläubiger befreit. 3. Gemäß Abs. 2 erlischt die Haftung der Forderung gegen den Versicherer, Anm. 3 soweit das Schiff w i e d e r h e r g e s t e l l t ist oder f ü r Z u b e h ö r s t ü c k e E r s a t z bes c h a f f t worden ist. Nach Abs. 2 Satz 2 soll das auch gelten, soweit Verpflichtungen des Eigentümers erfüllt worden sind, die von der Versicherung umfaßt waren und für die ein der Schiffshypothek im Range vorgehendes Schiffsgläubigerrecht bestand. Zu beachten ist die unterschiedliche Art der Formulierung in Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2. Abs. 1 Satz 2 betrifft Schiffsgläubigerrechte jeder Art, soweit sie nur der Schiffshypothek im Range vorgehen und ihre Befriedigung gesichert ist. Im Falle des Abs. 2 Satz 2 muß zwar auch das Schiffsgläubigerrecht der Schiffshypothek im Range vorgehen. Doch braucht seine Befriedigung nicht gesichert zu sein. Dafür muß es aber eine Forderung sichern, die von der Versicherung umfaßt war, also insbesondere Ansprüche aus Bergung, Haverei. Ansprüche von Sozialversicherungsträgern wegen rückständiger Beiträge (§ 754 Nr. 10 HGB) fallen dagegen ζ. B. nur unter Abs. 1 Satz 2. § 34 (1) Hat der Gläubiger seine Schiffshypothek bei dem Versicherer angemeldet, so hat dieser dem Gläubiger unverzüglich mitzuteilen, wenn die Prämie nicht rechtzeitig
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A n h a n g gezahlt ist und aus diesem Grunde dem Versicherungsnehmer eine Zahlungsfrist bez u § 5 1 s t i m m t w ; r c i . Das gleiche gilt, wenn das Versicherungsverhältnis nach dem Ablauf der Frist wegen unterbliebener Prämienzahlung gekündigt wird. (2) Eine Kündigung, ein Rücktritt oder eine sonstige Tatsache, welche die vorzeitige Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wird gegenüber dem Gläubiger, der seine Schiffshypothek dem Versicherer angemeldet hat, erst mit dem Ablauf von zwei Wochen wirksam, nachdem der Versicherer ihm die Beendigung und, wenn diese noch nicht eingetreten war, den Zeitpunkt der Beendigung mitgeteilt oder der Gläubiger dies in anderer Weise erfahren hat. Dies gilt nicht, wenn das Versicherungsverhältnis wegen nicht rechtzeitiger Prämienzahlung gekündigt oder durch Konkurs des Versicherers beendigt wird. (3) Trifft der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer eine Vereinbarung, durch welche die Versicherungssumme oder der U m f a n g der Gefahr, für die der Versicherer haftet, gemindert wird, so gilt Abs. 2 Satz 1 sinngemäß. (4) Ist der Versicherungsvertrag unwirksam, weil der Versicherungsnehmer ihn in der Absicht geschlossen hat, sich aus einer Uberversicherung oder einer Doppelversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, so kann der Versicherer gegenüber einem Gläubiger, der ihm seine Schiffshypothek angemeldet hat, die U n wirksamkeit nicht geltend machen. Das Versicherungsverhältnis endigt jedoch dem Gläubiger gegenüber mit dem Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Versicherer ihm die Unwirksamkeit mitgeteilt oder der Gläubiger sie in anderer Weise erfahren hat. Anm. 1
1. Abs. 1 Satz 1 gibt dem Schiffshypothekengläubiger die Möglichkeit, die Schiffshypothek bei dem Versicherer a n z u m e l d e n . Die Anmeldung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine Form ist für sie gesetzlich nicht vorgeschrieben. Zweckmäßig wird sie jedoch aus Gründen der Beweissicherung in schriftlicher F o r m erfolgen. Eine Vereinbarung zwischen Versicherer und Gläubiger über die Form der Mitteilung ist zulässig. Ist das Schiff bei mehreren Versicherern gemeinschaftlich versichert, so genügt nach § 35 Abs. 1 S c h R G die Anmeldung bei dem Versicherer, den der Eigentümer dem Gläubiger als den „ f ü h r e n d e n " Versicherer bezeichnet hat. Dieser hat den Mitversicherern die Anmeldung mitzuteilen. O b die Bezeichnung des Eigentümers richtig ist, ist ohne Bedeutung. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten S c h a p s - A b r a h a m I· 5°5Anm. 2 2. H a t der Gläubiger die Schiffshypothek bei dem Versicherer angemeldet, so entstehen diesem gewisse Pflichten gegenüber dem Gläubiger. a) E r muß ihm unverzüglich mitteilen (über die Form der Mitteilung des Versicherers in diesem und in den folgenden Fällen unter b vgl. § 35 Abs. 2 S c h R G ) , wenn die Prämie nicht rechtzeitig gezahlt ist und aus diesem Grunde eine Zahlungsfrist bestimmt wird. Vgl. Abs. 1 Satz 1. Das gilt auch, wenn dem Versicherungsnehmer eine Zahlungsfrist gesetzt wird, obwohl der Versicherer dazu weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet ist. D a Zweck der Bestimmung jedoch ist, den Gläubiger vor den Folgen einer Versäumung der Zahlungsfrist zu schützen, werden deshalb nur solche Zahlungsfristen mitzuteilen sein, an deren Versäumung bestimmte, auch dem Gläubiger nachteilige Folgen geknüpft sind, ζ. B. Leistungsfreiheit des Versicherers, Berechtigung zur Kündigung. Dem Hypothekengläubiger wird durch die Mitteilung Gelegenheit gegeben, das Versicherungsverhältnis durch Prämienzahlung aufrechtzuerhalten. Vgl. § 38 S c h R G . Die Verletzung der Mitteilungspflicht begründet eine Schadensersatzpflicht des Versicherers gegenüber dem Gläubiger. Doch wird die Wirksamkeit der Fristbestimmung oder Kündigung nicht berührt. Insbesondere beendigt die Kündigung das Versiehe-
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rungsverhältnis auch mit Wirkung gegenüber dem Hypothekengläubiger. Vgl. Abs. 2 Anhang z u § 51 Satz 2, § 36 Abs. 2 Nr. 1 SchRG. b) Wird das Versicherungsverhältnis aus anderen Gründen als wegen nicht recht- Anm. 3 zeitiger Prämienzahlung (vgl. dazu § 17 ADS) gekündigt oder treten, mit Ausnahme des Konkurses des Versicheres, sonst Tatsachen ein, welche dessen vorzeitige Beendigung zur Folge haben, ζ. B. ein Rücktritt des Versicherers (die A D S kennen den Rücktritt nicht) oder eine auflösende Bedingung, oder vereinbaren Versicherer und Versicherungsnehmer, daß die Versicherungssumme oder der Haftungsumfang gemindert werden (eine tatsächliche Änderung der Gefahr genügt nicht; es muß sich vielmehr um eine Verminderung des Risikos bei verändertem oder unverändertem tatsächlichen Risiko handeln, ζ. B. ein bisher voll versichertes Schiff wird fortan nur noch in Höhe von * j10 der Taxe voll und in Höhe von 1 j w „nur gegen Totalverlust" versichert, so tut der Versicherer im eigenen Interesse gut, dies dem angemeldeten Hypothekar mitzuteilen. Siehe Abs. 2 und 3. Sonst treffen ihn die in Abs. 2 genannten Rechtsfolgen. c) Die Anmeldung hat für den Schiffshypothekar weiter den in Abs. 4 genannten Anm. 4 Vorteil: Der Versicherer kann ihm gegenüber nicht geltend machen, der Versicherungsvertrag sei unwirksam, weil er von dem Versicherungsnehmer in der Absicht geschlossen sei, sich aus einer Überversicherung oder aus einer Doppelversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Das Versicherungsverhältnis endigt jedoch auch hier dem Gläubiger gegenüber mit dem Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Versicherer ihm die Unwirksamkeit mitgeteilt oder der Gläubiger sie in anderer Weise erfahren hat. § 35 (1) Ist das Schiff bei mehreren Versicherern gemeinschaftlich versichert, so genügt die Anmeldung der Schiffshypothek nach § 34 bei dem Versicherer, den der Eigentümer dem Gläubiger als den führenden Versicherer bezeichnet hat. Dieser ist verpflichtet, die Anmeldung den Mitversicherern mitzuteilen. (2) Für eine Mitteilung nach § 34 genügt, wenn der Gläubiger seine Wohnung geändert hat, die Änderung aber dem Versicherer nicht angezeigt hat, die Absendung eines eingeschriebenen Briefs nach der letzten, dem Versicherer bekannten Wohnung des Gläubigers. Die Mitteilung wird mit dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ohne die Wohnungsänderung bei regelmäßiger Beförderung dem Gläubiger zugegangen sein würde. Vgl. Anm. zu § 34 SchRG.
Anm. 1 § 36
(1) Ist der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers oder des Versicherten von der Verpflichtung zur Leistung frei, so bleibt gleichwohl seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger bestehen. Das gleiche gilt, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls vom Vertrag zurücktritt. (2) Abs. 1 Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung deshalb frei ist, weil 1. eine Prämie nicht rechtzeitig gezahlt ist oder 2. das Schiff in nicht fahrtüchtigem (seetüchtigem) Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt die Reise angetreten hat oder 3. das Schiff von dem angegebenen oder üblichen Reiseweg abgewichen ist. 1. Unabhängig davon, ob der Schiffshypothekar seine Hypothek bei dem Versicherer Anm. 1 angemeldet hat oder nicht, bestimmt § 36 Abs. 1 für alle Schiffshypothekengläubiger,
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Anhang daß die Verpflichtung des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag ihnen gegenüber 211
§ 5 1 auch dann von Bestand bleibt, wenn der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers oder des Versicherten von der Verpflichtung zur Leistung frei wird. Der Hypothekengläubiger wird hier aus einem mittelbar Versicherten zu einem unmittelbar Versicherten im Rahmen des bisherigen Vertrages. Das Verhalten des Versicherungsnehmers kann vor oder nach dem Vertragsschluß liegen, ζ. B. in der vorsätzlichen oder fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 33 Abs. 1 Satz 1 A D S ) . Immer aber muß es sich um ein V e r h a 11 e η des Versicherungsnehmers oder des Versicherten handeln. Andere Fälle der Leistungsfreiheit des Versicherers, ζ. B. der Ausschluß bestimmter Gefahren, Franchisen und die Beschränkung der Versicherungsleistung durch Selbstbehalt, fallen nicht unter § 36 Abs. 1 S c h R G . V o n Bestand bleibt aber die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Hypothekengläubiger auch dann, wenn der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls von dem Vertrage zurücktritt. Vgl. Abs. 1 Satz 2. Indessen hat der Rücktritt vom Vertrag nur in der Binnentransportversicherung Bedeutung. Vgl. §§ 16 ff. V V G . Auch die §§ 808 ff. H G B kennen zwar für die Seeversicherung Bestimmungen über ihn, die indessen in die A D S nicht übernommen sind. Die Verpflichtung des Versicherers reicht gegenüber dem Schiffshypothekar also weiter als gegenüber dem Versicherungsnehmer oder Versicherten. Doch bleibt die Verpflichtung des Versicheres dem Gläubiger gegenüber nur soweit bestehen, als der Gläubiger einen Schaden erleidet. Deshalb haftet der Versicherer nicht, soweit die Schiffshypothek schon vor dem Versicherungsfall die Versicherungssumme oder den geringeren Wert des Schiffs übersteigt. Vgl. K i s c h J W 1922.221, P r ö l ß H a n s R G Z a . a . O . 35, J. v. G i e r k e V S R II. 284. Ein nachfolgender Schiffshypothekar kann also die Leistung vom Versicherer nur im Rahmen des Rangs seiner Schiffshypothek verlangen. Zweifelhaft ist die entsprechende Anwendung des Abs. 1, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer wegen dessen Verhalten nicht haftet, obwohl Leistungsfreiheit und Rücktritt im eigentlichen Sinne nicht vorliegen, ζ. B. bei arglistiger Täuschung während der Schadensregulierung. Doch ist die Frage wohl mit R G 141. 82 für § 101 V V G a. F. und P r ö l ß a. a. O . 34 zu verneinen (anders J . v. G i e r k e V S R II. 284).
Anm. 2
2. Das Fortbestehen der Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Schiffshypothekengläubiger tritt nicht ein, wenn er von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, weil — vgl. Abs. 2 — . a) eine Prämie nicht rechtzeitig gezahlt ist, denn der Schiffshypothekar hätte sich um die Bezahlung derselben kümmern können (§ 38 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S c h R G ) ; b) das Schiff in nicht seetüchtigem Zustand oder nicht gehörig ausgerüstet oder bemannt die Reise angetreten hat. Vgl. dazu § 58 A D S und die dortigen Erläuterungen. Doch darf eine Schiffspfandbriefbank ein Schiff nur beleihen, wenn der Versicherer sich verpflichtet, der Bank gegenüber diesen Einwand nicht zu erheben; vgl. § 11 Abs. 1 Schiffsbankgesetz. Dies kann bereits in dem ursprünglichen Versicherungsvertrag vereinbart sein; sonst ist eine besondere Abmachung zwischen dem Versicherer und der Schiffshypothekenbank erforderlich. So kann ζ. B. auch die Schiffshypothekenbank selbst eine den Fall des Abs. 2 Nr. 2 deckende Hypothekenversicherung nehmen, deren Prämie sie auf Grund ihrer Darlehnsbedingungen auf den Schiffseigentümer abwälzen kann. — In den Darlehnsbedingungen der Schiffshypothekenbanken ist die Klausel enthalten, daß der Darlehnsnehmer nachweisen muß, daß der Versicherer sich verpflichtet hat, der Bank gegenüber Einwendungen auf Grund des § 36 Abs. 2 Nr. 2 nicht zu erheben; c) das Schiff von dem angegebenen oder üblichen Reiseweg abgewichen ist. Vgl. §§ 23 Abs. 2 Satz 2, 24 A D S . Die Schiffshypothekenbanken verpflichten den Darlehnsnehmer zum Nachweis, daß die Versicherung sich darauf erstreckt, daß das beliehene
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Schiff Freiheit hat, von dem angegebenen oder üblichen Reiseweg gegen Zuschlag- Anhang z u § prämie nach Billigkeit abzuweichen. 3. § 36 enthält, wie § 34 S c h R G , eigene, selbständige Rechte des Schiffshypotheken- A n m . 3 gläubigers aus einem gesetzlichen Versicherungsverhältnis für sein Interesse, deren Inhalt sich grundsätzlich nach d e m Inhalt des Versicherungsvertrages zwischen V e r sicherer und Versicherungsnehmer bestimmt. Ist der Schiffseigentümer gleichzeitig Hypothekar — vgl. §§ 64 Abs. 2 S c h R G , 6 Abs. 2 Schiffsbankgesetz — , so würde es mit T r e u und G l a u b e n nicht vereinbar sein, wollte m a n annehmen, d a ß der Versicherer dem Eigentümer, dem er keinen Versicherungsschutz z u gewähren braucht, etwa in seiner Eigenschaft als Hypothekar haften müßte.
§ 37 Soweit der Versicherer aufgrund des § 34 Abs. 2 bis 4, § 36 den Gläubiger befriedigt, geht die Schiflshypothek auf ihn über. Der Ü b e r g a n g kann nicht z u m Nachteil des Gläubigers oder eines gleich- oder nachstehenden Schiffshypothekengläubigers, demgegenüber die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bestehen geblieben ist, geltend gemacht werden. Satz 1 ordnet den U b e r g a n g der Schiffshypothek auf den Versicherer an, wenn er den A n m . 1 Gläubiger aufgrund der §§ 34 Abs. 2 — 4 , 36 S c h R G befriedigt. V g l . die näheren Erläuterungen bei S c h a p s - A b r a h a m I. 508.
§ 38 (1) Der Versicherer muß fallige Prämien oder sonstige ihm auf G r u n d des V e r sicherungsvertrags gebührende Zahlungen v o m Versicherten und v o m Gläubiger auch dann annehmen, wenn er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Zahlung zurückweisen könnte. (2) Das Schiff haftet kraft der Schiffshypothek für den Anspruch des Gläubigers a u f Erstattung der Beträge und ihrer Zinsen, die der Gläubiger zur Entrichtung von Prämien oder sonstigen dem Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags gebührenden Zahlungen verwendet hat. Abs. 1 gewährt die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag a u c h gegen den Widerspruch des Versicherungsnehmers aufrechtzuerhalten (vgl. dazu § 267 Abs. 2 BGB).
XIII. Versicherung für fremde Rechnung § 5 2 Versicherung für eigene Rechnung, für fremde Rechnung, für R e c h n u n g wen es angeht. (1) Ergibt sich aus den Umständen nicht, daß der Versicherungsnehmer die Versicherung im eigenen Namen für einen anderen nehmen will (Versicherung für fremde Rechnung), so gilt die Versicherung als für Rechnung des Versicherungsnehmers genommen (Versicherung für eigene Rechnung). (a) Wird die Versicherung für einen anderen genommen, so ist, auch wenn der andere benannt wird, anzunehmen, daß der Vertragschließende nicht a b Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.
Anm. 1
746 § 52
Anm. 1
Versicherung für fremde Rechnung
(g) Wird die Versicherung für Rechnung „wen es angeht" genommen oder ist sonst aus dem Vertrage zu entnehmen, daß unbestimmt gelassen werden soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, so finden die Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung Anwendung, wenn sich ergibt, daß fremdes Interesse versichert ist.
1. Vgl. HGB §§ 781, 783, ASVB §§ 4 Abs. 1—3, 5, 6, BSVB § 41 Abs. 2, VVG §§ 74> 8°· Anm. 2 2. Literatur. A h r e n s , Konkurrenz der Ansprüche aus dem Eigenversicherungsvertrag und dem Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten, Diss. 1909. Β. NeumannsZ 1913. 651 (Die Pflichten des Versicherten bei der VfFR). B l u m h a r d t DJZ 1910. 1224 (Das Recht auf Leistung des Versicherers bei der VffR). Byck, Die VfFR verglichen mit der Kommission, Diss. 1911. C h r i s t o f f HGZ 1917. 145 (Seeversicherung „für Rechnung, wen es angeht" cif verkaufter Güter). C r o p p Heise u. Cropp 1. 89 (Pflicht des auswärtigen Ordergebers einer Versicherung, den . . . Unfall . . . einzuberichten). D ö r s t l i n g ZfVW 1913. 602, 814 (Versicherungspflicht im Privatrecht). E h r e n b e r g JehJ 30. 422 (DieVffR). E m b d e n , Versicherung für Rechnung, wen es angeht, 1930 (Hamburger Rechtsstudien, Heft 8). F i s c h e r , Die VffR in der Schadensversicherung, Diss. 1913. F l e c h t h e i m LZ 1911. 675 (Schutz durch mittelbare Versicherung) mit Nachwort von Moldenhauer. J . v. G i e r k e VSR II 194—197. H a g e n SVR 66—71. Η ell wig, Verträge auf Leistung an Dritte, 1899. H o m a n n , Die Ausschließungsklauseln zweier zusammentreffender VffR, Diss. 191 ο. H u b e r , Die VffR, Diss. 1914. H ü l ß e BaumgartnersZ 5. 237, 433 (Versicherung zugunsten eines Dritten). H u p k a , Die Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, 1904. J o s e f ZfVW 1912. 778 (Schutz durch mittelbare Versicherung), LZ 1912. 839 (Versicherung des Eingebrachten durch den Mann), AssJB 38. 3 (Ersatz der versicherbaren Interesses durch die Zustimmung des Versicherten usw.), 38. 28 (Herbeiführung des Versicherungsfalls und Geltendmachung des Anspruchs bei der Versicherung für Rechnung, wen es angeht), 39/40. 58 (Ablehnung der Annahme des Versicherungsschutzes von Seiten des Versicherten), AfcP 107. 373 (Versicherung durch den einen und Brandstiftung durch den anderen Ehegatten), NeumannsZ 1914. 77, 91 (Privatrechtliche Versicherungspflicht). K i s c h JehJ 63. 361 (Subjektives Interesse und Versicherung „für wen es angeht"), Recht • θ ^ · 3 1 7 (Ist die Fremdversicherung ein Vertrag zugunsten Dritter?). K ü b e l ZfVR 1. 365 (VffR). L a d e w i g DVZ 1908/9. 162, 205 (Die Rechte Dritter aus dem Feuerversicherungsvertrag). L e n n e , Das Versicherungsgeschäft ffR, 1911, ZfVW 1912. 1208 (Beiträge zur Lehre von dem Versicherungsgeschäft ffR), WuRVers 1913. 73 (Versicherung fremder Interessen als eigener usw.). M ö l l e r , Cifgeschäft und Versicherung, 1932. M o l d e n h a u e r ViertelJR 1916. 70 (Die VffR in der Feuer- und Transportversicherung). M ü l l e r - E r z b a c h , Grundzüge der mittelbaren Stellvertretung usw., 1905, dazu derselbe und N e u b e c k e r GrünhutsZ 36. 31, 225. N i z z e NAfHR 1. 412 (Uber Seeversicherungen für fremde oder unbestimmte Rechnung). P r ö l ß Vorb. zu §74 VVG und zu §§74—80 VVG. R a m s h o r n , Voraussetzungen und juristische Natur des Vertrags bei der VffR, Diss. 191 ο. R i c h t e r , Versicherung der in einem Betrieb zur Bearbeitung befindlichen fremden Waren usw., 1913. R o d i e k , Die Versicherungsansprüche im Fall einer VffR, 1914. Siehe Hansa 1915. 132 (See-VffR). S c h n e i d e r ZfVW 1905. 230 (Die VffR), WuRVers 1913. 162 (Verfügungsrecht der Beteiligten bei der VffR). F. S i e v e k i n g ZHR 55. 148 (Versicherung für Rechnung, wen es angeht). J . S i e v e k i n g , Von der Assekuranz für Rechnung eines ungenannten Versicherten, 1791. Stolle, Die VffR usw., Diss. 1906. W e r n e b u r g AnnVers. 1914. 669 (Rechtsstellung des Versicherungsnehmers usw. bei der VffR), NeumannsZ 1917.
Versicherung für fremde Rechnung
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349 (Versicherungspflicht des Spediteurs usw.)· W e y g a n d , Die Grundzüge der § 5 2 Kundenversicherung, 1 9 1 4 . X . O e s t R e v 1 9 1 3 . 270 ( S c h a d e n s - V f f R ) . — Weitere Literatur: § 1 Anm. 2. 3. Die §§ 52—57 decken sich im wesentlichen mit den §§ 74—80 V V G . Sie müssen Anm. 3 also auch im wesentlichen wie diese Vorschriften verstanden werden (Vorb. vor § 1 Anm. 1 1 ) . 4. Die Versicherung kann für einen anderen genommen werden. U n d zwar: Anm. 4 a) Entweder so, daß man sie i m N a m e n d e s a n d e r e n nimmt. Dann ist Versicherungsnehmer nicht, wer die Versicherung „ n i m m t " , den Versicherungsvertrag schließt, sondern der andere ( H G B § 783). Nicht die §§ 5 2 — 5 7 A D S , sondern nur die §§ 1 6 4 — 1 8 1 B G B sind anzuwenden. Insbesondere im Falle einer Vertretung ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB). Hiernach muß der Vertreter, wenn der Vertretene nicht genehmigt, nach Wahl des Versicherers entweder erfüllen oder Schaden ersetzen. Wählt der Versicherer Erfüllung, so wird es so angesehen, wie wenn der Vertreter in eigenem Namen Versicherung genommen hätte. D a ihm das Interesse fehlt, ist der Vertrag unwirksam (§ 2 Abs. 1). Der Versicherer kann grundsätzlich gleichwohl die Prämie verlangen (§ 2 Abs. 2); aber, wenn der Vertreter gutgläubig war, gemäß § 3 nur die Ristornogebühr. Vgl. hierzu auch V o i g t 46; bedenklich G e r h a r d 344 (dagegen jetzt auch H a g e n 1. 688). — Aber im Zweifel ist, wenn man „ f ü r einen anderen" Versicherung nimmt, n i c h t anzunehmen, daß man im Namen, sondern daß man für Rechnung des anderen Versicherung nimmt (§ 52 Abs. 2). Denn man ist oft a m Versicherungsverhältnis interessiert und kann dies Interesse nur als Vertragspartei, nicht als Vertreter richtig wahrnehmen. U n d dem Versicherer ist meist mehr daran gelegen, den Vertragschließenden als Vertragspartei, insbesondere als Prämienschuldner und Erklärungsempfänger, zu gewinnen, als den oft unbekannten und weitab wohnenden Interessenten (näheres: unten Anm. 6). b) Oder so, daß man die Versicherung i m e i g e n e n N a m e n , aber (erkennbar; Anm. 5 vgl. H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1964. 848, P r ö l ß Anm. 1 zu § 74 V V G , R G A P V 1923 Nr. 2010) f ü r d e n a n d e r e n nimmt. Dann ist, wer die Versicherung nimmt, Versicherungsnehmer, der andere Versicherter. Das ist „Versicherung für fremde R e c h n u n g " (schon in der Police von 1370 bei B e n s a 200, im Florentiner Policenformular von 1 5 2 3 bei B a l d a s s e r o n i 5. 239, in den Ordonnanzen von Barcelona aus dem 1 5 . J a h r h . : R e a t z Geschichte 74, G o l d s c h m i d t in Beselers Festgabe 203, S c h a u b e J f N a t S t 6 1 . 490). Versicherung für fremde Rechnung ist also Versicherung eines Fremdinteresses, Fremdversicherung. Der Ausdruck „Versicherung für fremde R e c h n u n g " (früher auch „ f ü r Freundes R e c h n u n g " , pour compte d'amis, per conto di amico, P o h l s 4. 142, R i p e r t Nr. 2390) deckt also die juristische Natur der Erscheinung nicht ganz (worüber in der Rechtslehre nur eine Meinung ist, vgl. E h r e n b e r g 183, H e l l w i g 555, K i s c h 3. 384, L e n n e 8, M o l t 102, R o e l l i 243). Die (Prämien-) Rechnung hat gerade der Versicherungsnehmer zu bezahlen, nicht der (fremde) Versicherte. U m so besser entspricht der Ausdruck der wirtschaftlichen L a g e und der Verkehrsanschauung, die vom Regelfall ausgeht und Außen- und Innenverhältnis (Versicherungsverhältnis und Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem) zusammenfaßt. Danach ist Handeln für fremde Rechnung das Handeln, bei dem Vorteile und Nachteile im Endergebnis dem Fremden zufallen sollen (vgl. übrigens auch B G B § 783, H G B §§ 383, 406, 407, 4 1 5 usw.). Die Vorteile aus der Versicherung für fremde Rechnung aber fallen dem Versicherten stets zu, die Nachteile so gut wie immer (wenigstens bei der Seeversicherung, die der Einrichtung den Namen gegeben hat). 5. Die Versicherung für fremde Rechnung kann verschiedene G r ü n d e haben. Anm. 6 Früher w a r sie oft nötig, weil Ortsfremde keine Versicherung nehmen konnten, oder
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Anm. 7
Versicherung für fremde Rechnung
erwünscht, weil der Interessent nicht bekannt werden wollte ( P o h l s 4. 139, R e a t z Geschichte 74, S i e v e k i n g 3). Heute ist sie ζ. B. erwünscht, weil der Vertragschließende gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist, das fremde Interesse auf eigene Kosten zu versichern, oder weil der Versicherer zwar mit dem Vertragschließenden, aber nicht mit dem Interessenten abzuschließen Ursache hat, oder weil viele gleichartige Interessen Dritter (ζ. B. durch Lagerhalter oder sonstige gewerbsmäßige Verwahrer) in Bausch und Bogen besser als einzeln zu versichern sind, oder weil mehrere ungleichartige Interessen des Vertragschließenden und Dritter (ζ. B. das Eigentümerinteresse und das Haftpflichtinteresse des Lagerhalters oder das Interesse des Pfandgläubigers) sich besser zusammen als einzeln versichern lassen, oder weil mehrere schwebende Interessen verschiedener Personen (ζ. B. die Interessen des Verkäufers und des die Gefahr tragenden Käufers) zweckmäßig zusammen versichert werden, oder weil sonstwie die Interessenlage ungewiß ist (ζ. B. streitig ist, ob das Eigentum dem einen oder dem anderen zusteht) und deshalb f ü r eigene oder fremde Rechnung Versicherung genommen werden muß, oder weil nicht nur der Interessent, sondern auch der Vertragschließende wegen seiner Ansprüche gegen den Interessenten durch die Versicherung geschützt werden soll (was zwar auch für die Ansprüche des Vertreters zu erreichen ist, aber minder einfach, als wenn der Vertragschließende Vertragspartei ist; vgl. insb. O A G Lübeck Wunderlich 1. 335).
6. Bei der Versicherung für fremde Rechnung sind zu unterscheiden: a) V e r h ä l t n i s z w i s c h e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r u n d V e r s i c h e r e r . Der Versicherungsnehmer ist V e r t r a g s p a r t e i . Auf seine Einigung mit dem Versicherer kommt es an, auf seine Erklärungen, auf seine Geschäftsfähigkeit, auf seinen Irrtum, auf seine Arglist, auf seine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis f ü r den Abschluß oder die Wirksamkeit des Vertrags erheblicher Umstände. I h n treffen die P f l i c h t e n des „Versicherungsnehmers", nicht n u r die Prämienpflicht, sondern auch alle anderen Pflichten, die Gefahrstandspflicht, die Schadenverhütungs-Pflicht, die Schadenabwendungs-Pflicht, die Schadenfeststellungs-Pflicht, die Anzeigepflichten, die Aufklärungspflicht usw. Hierüber herrscht, im Ergebnis wenigstens, fast vollständige Ubereinstimm u n g (vgl. ζ. B. F i s c h e r 27, P r ö l ß Anm. 2 zu § 74 V V G , K i s c h 3. 423, K o h l e r 443, L e n n e 1 2 1 , W e y g a n d 1 2 1 , 166, R G 1 6 1 . 23, BGH 26. 282, VersR 1959. 329 = A P V 1959. 277 = N J W 1959. 1220 = M D R 1959. 465, O L G Celle VersR 1957. 22; abw. E h r e n b e r g 195, S c h n e i d e r Z f V W 1905.260, S t o l l e 56, O L G Rostock Z f V W igo2. g2). I h n treffen die Rechtsfolgen seiner Pflichtverletzung (soweit die Rechte aus dem Vertrag von der Erfüllung der Pflichten abhängen, aber auch den Versicherten; vgl. unten Anm. 8). — Als Vertragspartei hätte der Versicherungsnehmer auch die R e c h t e aus dem Vertrag. Hätte er sie, so wären der Wettassekuranz die Wege geebnet (sofern es überhaupt möglich ist, die Rechte in der Person des nichtinteressierten Versicherungsnehmers zu begründen; vgl. hierzu § 53 Anm. 5). Deshalb bestimmt § 53 Abs. 1, daß nicht dem Versicherungsnehmer, sondern dem Versicherten die Rechte aus dem Vertrag zustehen sollen. Der Versicherungsnehmer hat also auch nicht das Recht auf Ersatz der von ihm aufgewendeten Schadenabwendungs-Kosten, m u ß sich deswegen vielmehr auf Grund des zwischen ihm und dem Versicherten bestehenden Verhältnisses an diesen halten (§32 Anm. 11; abw. K i s c h 3.464). Er hat n u r ein einziges Recht, das Recht auf Aushändigung der Police (§ 53 Abs. 1 Satz 2). Dafür h a t er in bezug auf die übrigen Rechte aus dem Vertrag eine (der unentziehbaren Vertretungsmacht ähnliche) unentziehbare Ausübungsmacht (§ 54). Anm. 8 b) V e r h ä l t n i s z w i s c h e n V e r s i c h e r t e m u n d V e r s i c h e r e r . Der Versicherte ist nicht Vertragspartei. Auf seine Erklärung, auf seinen Willen, auf seine Geschäftsfähigkeit, auf seinen Irrtum, auf seine Arglist, auf seine Kenntnis oder Unkenntnis
Versicherung für fremde Rechnung
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kommt es grundsätzlich nicht an. Ebendeshalb wird ausnahmsweise das Gegenteil § 5 2 besonders bestimmt (ADS § 5 7 , BGB § 123 Abs. 2). — Den Versicherten treffen also grundsätzlich nicht die P f l i c h t e n aus dem Vertrag. Sie könnten i h m auch gar nicht durch den Vertrag aufgebürdet werden. Denn m a n kann durch Vertrag einem Dritten wohl Rechte, aber im allgemeinen keine Pflichten zuwenden. Versicherungsnehmer u n d Versicherer können ζ. B. nicht vereinbaren, d a ß der Versicherte verpflichtet sein soll, die Prämie zu zahlen oder den durch Verletzung von Anzeigepflichten entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Vertragsparteien können aber einem Dritten durch den Vertrag Rechte mit der M a ß g a b e zuwenden, d a ß die Rechte nur d a n n entstehen, bestehen, sich entwickeln oder geltend gemacht werden können, wenn der Berechtigte gewisse Pflichten erfüllt, und mit dieser M a ß g a b e u n d in diesem Sinne auch d e m Berechtigten selbst gewisse „Pflichten" auferlegen. U n d m a n m u ß annehmen, daß, wenn die Parteien d e m Versicherten Rechte nur mit der M a ß g a b e zuwenden, d a ß gewisse Pflichten erfüllt werden müssen und der unveränderte Fortbestand der Rechte von der Erfüllung dieser Pflichten abhängen soll, diese als so bedeutsam gekennzeichneten Pflichten auch denjenigen treffen sollen, der als Interessent in erster Linie berufen erscheint, sie zu erfüllen, den Versicherten. Deshalb h a t auch der Versicherte insbesondere die Gefahrstandspflicht, die Schadenverhütungs-Pflicht, die Schadenabwendungs-Pflicht (vgl. Anm. zu §§ 23, 33, 41 usw., O L G Karlsruhe H a n s R G Z ig34 Β 79 = J R P V 1934. 29 = Sasse Nr. 430, insbesondere auch K i s c h 3. 430, der zum selben Ergebnis kommt, weil der Versicherte „ a n den Folgen der Gefahr unmittelbar beteiligt" sei, weil das Ergebnis „ d e m Grundgedanken des Gesetzes" u n d weil es „ d e m das Versicherungsrecht beherrschenden Grundsatz von T r e u und Glauben entspreche"). Versicherungsnehmer u n d Versicherer können aber natürlich auch vereinbaren, d a ß den Versicherten sonstige Pflichten, insbesondere Pflichten, deren Verletzung z u m Schadensersatz verpflichtet, ζ. B. die Anzeigepflicht der §§ 12, 26, 40 treffen sollen, vorausgesetzt, d a ß der Versicherte d a m i t einverstanden ist. U n d m a n wird allerdings beides (die Vereinbarung und das Einverständnis) für die bei Abwicklung des Versicherungsverhältnisses zu erfüllenden und für die ordnungsmäßige Abwicklung wesentlichen Pflichten und für den Fall annehmen müssen, d a ß der Versicherte der Versicherung zustimmt. Denn die Verkehrsanschauung, die insoweit zu bestimmen hat, läßt hierüber keinen Zweifel. — Die P r ä m i e n p f l i c h t trifft den Versicherten weder aus dem einen noch aus dem anderen Grunde. Denn von der Zahlung der Prämie sind die Rechte nicht unmittelbar abhängig gemacht, die Zahlung der Prämie ist für die ordnungsmäßige Abwicklung des Versicherungsverhältnisses nicht wesentlich, und von einer Verkehrsanschauung, nach der der zustimmende Versicherte auch die Prämienpflicht übernähme, kann so wenig die Rede sein, d a ß vielmehr den §§ 55) 56 die entgegengesetzte Anschauung zugrunde liegt. — D a der Versicherte nicht Vertragspartei ist, würde er die R e c h t e aus d e m Vertrag nicht haben. Deshalb bestimmt § 53 Abs. 1, d a ß die Rechte (mit Ausnahme nur des Rechtes auf Aushändigung der Police) dem Versicherten zustehen. Insbesondere das Recht auf E n t s c h ä d i g u n g u n d etwaige damit verbundene N e b e n r e c h t e , selbst wenn diese Nebenrechte nicht so sehr auf dem Versicherungsvertrag, als vielmehr auf anderen Verträgen (Bürgschafts-, Verpfändungsvertrag usw.) beruhen. Aber auch die dem „Versicherungsn e h m e r " zustehenden G e s t a l t u n g s r e c h t e , ζ. B. das Recht auf Herabsetzung der Versicherungssumme bei Doppelversicherung (§11 Abs. 1), auf Fortsetzung der „Freivon-Kriegsgefahr"-Versicherung in den Fällen des § 35 Abs. 2, 3 das Recht, die Verlängerung der Versicherung in den Fällen der §§ 67, 68 auszuschließen, das Recht, in den Fällen der §§ 71—73, 91, 92 „die Versicherungssumme zu verlangen", das Recht, im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Versicherers zurückzutreten oder sich zu decken
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Versicherung für fremde R e c h n u n g
(§ 47) U S W - Aber in der A u s ü b u n g aller dieser R e c h t e ist der Versicherte beschränkt (§ 53 Abs. 2), alle diese R e c h t e k a n n g e m ä ß § 54 der Versicherungsnehmer ausüben, u n d alle diese R e c h t e h ä n g e n d a v o n ab, d a ß nicht n u r der Versicherte die i h m obliegenden Pflichten, sondern d a ß a u c h der Versicherungsnehmer die ihm obliegenden Pflichten erfüllt, von deren Erfüllung die A D S die R e c h t e a b h ä n g i g machen. Außerd e m k a n n der Versicherer gegen die Entschädigungsforderung gewisse Forderungen an d e n Versicherungsnehmer aufrechnen ( § 5 6 ) . Anm. 9 c) V e r h ä l t n i s z w i s c h e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r u n d V e r s i c h e r t e m . Es richtet sich nach seinem G r u n d e (Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, Nebenvertrag beim Kauf, Kommission, Spedition, Frachtvertrag, Lagervertrag, Darlehnsu n d Pfandvertrag, Gesellschaft, N i e ß b r a u c h usw.; ü b e r Verpflichtung des Kommission ä r s : H G B § 390 Abs. 2, des Spediteurs: H G B § 407 Abs. 2, des Lagerhalters: H G B § 4 1 7 Abs. 1, des Korrespondentreeders: H G B § 493, des Nießbrauchers: BGB § 1045). Es k a n n a u c h ganz fehlen. M a n k a n n also von diesem Verhältnis nicht als von einem „Kommissionsverhältnis im weiteren S i n n e " sprechen (so L e n n e 10, 199; dagegen auch K i s c h 3. 526). Versicherungsrecht greift n u r in einer Beziehung hinein: H G B § 8 8 8 ( = A D S § 5 5 ; vgl. auch u n t e n A n m . 15). Andererseits läßt auch das I n n e n verhältnis das Versicherungsverhältnis grundsätzlich u n b e r ü h r t . — E r ö r t e r u n g e n ü b e r eine Anzahl möglicher Innenverhältnisse: K i s c h 3. 523. A n m . 10 7. Die K o n s t r u k t i o n d e r V e r s i c h e r u n g f ü r f r e m d e R e c h n u n g ist bestritten. a) N a c h einer Auffassung schließt der Versicherungsnehmer als unmittelbarer oder mittelbarer S t e l l v e r t r e t e r des Versicherten d e n V e r t r a g ( M ü l l e r - E r z b a c h 64, S c h l o ß m a n n Stellvertretung 1 . 9 2 , V o i g t 28, R O H G 10. 129, 14. 128, H G Z 1889. 27g; teilw. übrigens v o m S t a n d p u n k t des früheren Binnenversicherungs-Rechts im Gegensatz zu demjenigen des H G B ) oder, umgekehrt, als Bevollmächtigter des Versicherers ( D e r n b u r g P r e u ß P r i v R 5. Aufl. 2. 29). D a ß der Versicherungsnehmer nicht unmittelbarer Stellvertreter des Versicherten ist, bekennen n u n m e h r Gesetz u n d A D S selbst (§ 52 Abs. 2). Ein besonderes Rechtsinstitut der mittelbaren Stellvertretung (bei welcher der Vertreter, im eigenen N a m e n h a n d e l n d , R e c h t e u n d Pflichten f ü r d e n Vertretenen begründet u n d d a n e b e n selbst berechtigt u n d verpflichtet wird) ist d e m deutschen R e c h t e u n b e k a n n t . Aber auch wenn d e m anders wäre, w ü r d e es nicht verw e n d b a r sein. D e n n die Erscheinung der Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g ist eine andere. Insbesondere wird die Hauptpflicht, die Prämienpflicht, nicht f ü r d e n Versicherten, werden die R e c h t e der H a u p t s a c h e n a c h nicht f ü r d e n Versicherungsnehmer begründet (vgl. insbesondere K i s c h 3. 386). — Noch weniger k a n n davon die R e d e sein, d a ß der Versicherungsnehmer als unwiderruflich bevollmächtigter Vertreter des Versicherers mit d e m Versicherten abschließt. W e d e r wird der Versicherungsnehmer bevollmächtigt, noch schließt er mit d e m Versicherten d e n Versicherungsvertrag. A n m . 11 b) N a c h einer zweiten Auffassung ist die Versicherung f ü r f r e m d e R e c h n u n g K o m m i s s i o n s g e s c h ä f t oder ein „allerdings vom Regelfall abweichender T y p u s des Kommissionsgeschäfts" ( L e n n e 10, 199, folgend F i s c h e r 17, vgl. auch R G 35. 53, Mot. ζ. P r e u ß E 181) oder halb (nämlich f ü r die Begründung der Pflichten in d e r Person des Versicherungsnehmers) Kommission u n d h a l b (nämlich f ü r die Begründung der R e c h t e in der Person des Versicherten) Stellvertretung ( E h r e n b e r g 190 u. J e h J 3 0 . 4 2 2 , folgend B y k 32, S t o l l e 6; ähnlich f r ü h e r B e n e c k e 1 . 3 0 7 , N o l t e 1. 155, P o h l s 4. 34, die, offenbar auch u n t e r d e m Einfluß ausländischer Rechtsanschauungen, zwischen d e m Auftreten im f r e m d e n N a m e n u n d d e m Auftreten für f r e m d e R e c h n u n g noch nicht unterscheiden). Das Kommissionsgeschäft ist freilich ein Geschäft, das j e m a n d im eigenen N a m e n f ü r R e c h n u n g eines a n d e r e n abschließt ( H G B §§ 383, 406).
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Aber es ist nicht (regelmäßig nicht und jedenfalls nicht notwendig) ein Geschäft, das § 5 2 erkennbar für fremde Rechnung geschlossen wird. Es ist Kommissionsgeschäft nur im Verhältnis zwischen Kommittenten und Kommissionär, nicht im Verhältnis zwischen Kommissionär und Drittem. Es kennzeichnet nur jenes Verhältnis, nicht dieses (Kaufusw.-) Verhältnis. Das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem kann Kommission sein. Dann (aber auch nur dann) gelten für das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem die Vorschriften über die Kommission. F ü r das Verhältnis beider zum Versicherer dagegen gilt Versicherungsrecht. U n d dies Verhältnis beider zum Versicherer ist anders, als es nach den Vorschriften über die K o m mission sein würde. Freilich könnte auch der Kommissionär das Kommissionsgeschäft, den Versicherungsvertrag, ähnlich gestalten, wie die Versicherung für fremde Rechnung gestaltet ist. Aber die gesetzlichen Vorschriften über die Kommission würden ein anderes Bild ergeben. Z w a r würde hiernach der Versicherungsnehmer verpflichtet und auch in der L a g e sein, die Rechte aus dem Vertrag auszuüben. Aber ihm, nicht dem Versicherten, würden diese Rechte selbst zustehen. E r allein, nicht auch der Versicherte, würde verpflichtet sein, die Gefahr nicht zu ändern, den Versicherungsfall nicht herbeizuführen, Schaden abzuwenden, anzuzeigen, aufzuklären usw. c) N a c h einer dritten Auffassung ist die Versicherung für fremde Rechnung ein Anm. 12 V e r t r a g s v e r h ä l t n i s z u d r e i e n , an dem also auch der Versicherte, und zwar nach „ A n n a h m e " der Versicherung oder nach „ E i n i g u n g " mit den anderen Beteiligten, als Vertragspartei Teil hat ( S c h n e i d e r 294 u. Z f V W 1905. 236, G e r h a r d 342, 355, J o s e f 160 u. Z f V W 1 9 1 0 . 57). Die Voraussetzung, daß der Versicherte Vertragspartei sei oder werde, ist willkürlich und nicht zu begründen. d) Nach einer vierten Auffassung ist die Versicherung für fremde Rechnung ein Anm. 1 3 V e r t r a g z u g u n s t e n d e s D r i t t e n , des Versicherten, ein Vertrag, durch den „eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen wird, daß der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern" ( B G B § 328; F i s c h e r 16, F l e c h t h e i m L Z 1 9 1 1 . 676, G i e r k e Versicherungsforderung 38 und V S R I I 195, H e l l w i g 537, 576, H o m a n n 16, H u b e r 1 1 7 , H ü l ß e BaumgartnersZ 5. 447, H ü t t n e r Feuerversicherung 86, H u p k a 1 1 2 , K i s c h 3 . 3 7 9 u. Recht 1 9 1 3 . 3 1 7 , K o h l e r 3 6 4 , 4 4 1 , L e h m a n n 1028, L e w i s 2 . 2 6 7 u - Lehrbuch 129, M a r c u s 20, v. O e r t z e n Z f V W 1 9 1 1 . 8 4 1 , R a m s h o r n 44, R e h b e i n B G B 2. 2 1 5 , R i c h t e r 20, R o d i e k 10, v. W e i n r i c h Z f V W 1902. 346, W o l f f 445, J W 1902. 432, Z f V W 1906. 176, O L G Colmar L Z 1 9 1 2 . 950, L G H a m b u r g Gerhards Praxis 1. 2 6 1 ; auch Prot. 3 5 7 8 ; auch R G 89. 25: „ i n gewissem Sinne" Vertrag zugunsten Dritter" und R G 1 6 1 . 23, auch P r ö l ß Anm. 1 zu § 75 V V G : eine eigenartige Abart des Vertrages zugunsten Dritter; auch G e r h a r d 345 u. L e n n e 32, 52, vgl. aber auch oben A n m . 1 1 , 12). Daß die Versicherung für fremde Rechnung einen Vertrag zugunsten eines Dritten bildet, kann nicht wohl bezweifelt werden. Denn „die Rechte aus dem Vertrag stehen dem Versicherten z u " (§ 53 Abs. 1 ) ; durch den Versicherungsvertrag wird „eine Leistung (die Entschädigung) an einen Dritten (den Versicherten) mit der Wirkung bedungen, daß der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern" ( B G B § 328). Z w a r wird diese Leistung in dieser Art nicht ausdrücklich „ b e d u n g e n " , ergibt sich vielmehr aus dem Gesetz oder den A D S die „Wirkung, daß der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu f o r d e r n " ; aber dieser Umstand beweist nur, daß der Verkehr die „Versicherung für fremde R e c h n u n g " ohne weiteres als einen Vertrag betrachtet, der dazu bestimmt ist, dem Dritten unmittelbar die Rechte daraus zu verschaffen. Z w a r erwirbt der Versicherte noch andere Rechte, insbesondere gewisse Gestaltungsrechte, zwar erwirbt er nicht nur Rechte, sondern auch gewisse Pflichten; aber dies kann auch bei anderen Verträgen zugunsten Dritter vorkommen. Z w a r ist nicht nur von Bedeutung,
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§ 52 daß der Versicherungsnehmer, sondern auch, daß der Versicherte beim Vertragsschluß gewisse Umstände kennt oder fahrlässig nicht kennt; aber ähnliches kann auch bei anderen Verträgen zugunsten Dritter von Bedeutung sein (vgl. BGB § 123 Abs. 2). Zwar stehen die Rechte aus dem Vertrag nicht auch dem Versicherungsnehmer zu, hat also der Versicherungsnehmer nicht das Recht, zu verlangen, daß der Versicherer den Versicherten entschädige; aber auch bei anderen Verträgen zugunsten Dritter kann vereinbart werden, daß der Versprechensempfänger nicht berechtigt sein soll, die Leistung an den Dritten zu fordern (BGB § 335); und überdies würde der Versicherungsnehmer, der Zahlung an den Versicherten verlangte, hiermit der Zahlung an den Versicherten zustimmen, diesem deshalb auch gemäß § 53 Abs. 2 das Recht, Zahlung zu verlangen, verschaffen und demgemäß und gemäß § 54 Abs. 1 u. 2 auch wohl selbst Zahlung an den Versicherten verlangen können (vgl. auch O L G Hamburg H R Z 1921. 753: D a ß der Versicherungsnehmer Zahlung an den Versicherten verlangen könne, liege „ i m Sinne des Versicherungsvertrags"). Zwar hat der Versicherungsnehmer anstelle eines eigenen Rechtes eine besondere Ausübungsmacht, kann andererseits der Versicherte seine Rechte nur beschränkt ausüben; aber auch insoweit sind ähnliche Gestaltungen auch bei anderen Verträgen zugunsten Dritter möglich (BGB §§ 328 Abs. 2, 335). — Andererseits zeigen die Besonderheiten, welche die Versicherung für fremde Rechnung gegenüber anderen Verträgen zugunsten Dritter aufweist, daß der Gewinn, den die Konstruktion des Vertrags als eines solchen zugunsten eines Dritten abwirft, gering ist. D a ß dem Versicherer „Einwendungen aus dem Vertrag" auch gegenüber dem Versicherten zustehen (BGB § 334), ergibt sich schon daraus, daß dem Versicherten nur die Rechte „aus dem Vertrag" zustehen. Nur etwa § 333 BGB könnte in Betracht kommen, wonach diese Rechte für den Dritten als nicht erworben gelten, wenn er sie „zurückweist" (näheres hierüber: § 53 Anm. 3, 4). M a n kann deshalb auch einer fünften Auffassung beipflichten, nach der die Versicherung für fremde Rechnung einen V e r t r a g e i g e n e r A r t darstellt ( M o l t 101, R o e l l i 247, 250, S i e v e k i n g 22). Anm. 14
8. A b s . 1. Interesse ist eine bestimmte Beziehung einer bestimmten Person zu einer bestimmten Sache (§ 1 Anm. 3, 183). Die Parteien müssen also beim Vertragschluß insbesondere darüber einig sein, welche Person versichert sein soll, oder wenigstens darüber, daß unbestimmt gelassen sein soll, welcher Person (oder welcher fremden Person) das versicherte Interesse zusteht. Sie müssen also, wollen sie nicht unbestimmt lassen, welcher Person das Interesse zusteht, darüber einig sein, ob der Versicherungsnehmer oder ein anderer versichert, ob die Versicherung Eigen- oder Fremdversicherung sein soll. Ihre Erklärungen können unmißverständlich, sie können auslegungsbedürftig sein. Für den letzten Fall gelten im allgemeinen die gewöhnlichen Auslegungsregeln. Der wirkliche Wille der Parteien entscheidet, nicht der buchstäbliche Sinn des Ausdrucks (BGB § 133), insbesondere auch nicht der Wille des Versicherungsnehmers allein (vgl. J W 1901, 163, auch N i z z e N A f H R 1. 419). Ist der wirkliche Wille der Parteien nicht zu ermitteln, so entscheiden Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (BGB § 157, H G B § 346, A D S § 13 Anm. 5). A n der Hand dieser Auslegung kann sich ergeben, daß der Spediteur, der Lagerhalter, der Frachtführer, der Handwerker, der Ehemann, der Haushaltungsvorstand nicht (oder nicht nur) sein eigenes Interesse, sondern (oder sondern auch) fremdes Interesse, das Eigentümerinteresse des Versenders, des Absenders, des Kunden, der Hausgenossen versichert wissen will (vgl. die, zum Teil bedenklichen, Entscheidungen: R O H G 7. 374, 14. 413, R G ao. 138, 35. 53, 76. 135, A P V 1907 II. 99, SA 47 Nr. 226, K G A P V 1905 II. 111, 1906 II. 128, 1912 I I . 7 7 , Ann Vers. 1911. 766, O L G Hamburg L Z 1907. 915, 1909. 877, OLG Colmar L Z 1908. 399, 1912. 949, O L G Kassel A P V 1909 II. 43 u. Rspr 9. 453, O L G
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Rostock ZfVW 1902.90, OAG Lübeck Wunderlich 1.433 u n t * insbesondere K i s c h § 5 2 3. 409; vgl. auch VVG §§85, 151 Abs. 1). Aus den Umständen kann sich ergeben, daß, wer „Havariegelder" versichert, nicht sein eigenes Interesse, sondern das Vorschußinteresse des Geldgebers, oder nicht dieses, sondern das Reederinteresse, oder beides versichert wissen will (HGZ 1890. 300, R G H G Z 1891. 251: „Die technischen Ausdrücke ,für Rechnung des X' oder ,für Rechnung, wen es angeht' seien nicht für den Gebrauch unbedingt vorgeschrieben, so daß sie unbedingt gebraucht sein müßten, um statt der Versicherung für eigene Rechnung zu gelten, wenn doch aus den Umständen hervorgehen mußte, daß die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, oder zum Teil für Rechnung einer bestimmten fremden Person geschlossen würde"; vgl. aber auch § 1 Anm. 114). Hat der Korrespondentreeder „Vorschußgelder in dem Schiffe" versichert, so können die Umstände ergeben, daß er nicht sein Interesse, sondern das Interesse der Reederei, nämlich die Ausrüstungskosten, hat versichert wissen wollen (ROHG 15. 112, vgl. dazu § 1 Anm. 122). Enthält die Police neben dem Namen des Versicherungsnehmers und der Bezeichnung der Sache, auf welche die Versicherung sich bezieht, den Vermerk „Nähere Aufgabe vorbehalten", so muß der Versicherer darauf gefaßt sein, daß die Versicherung für fremde Rechnung genommen ist (OAG Lübeck Wunderlich 1. 443). Wenn Reisegepäck-Versicherung durch Lösung von Versicherungsmarken genommen wird, so muß der Versicherer damit rechnen, daß das Gepäck nicht demjenigen gehört, der die Marken löst, also die Versicherung nimmt, sondern dem Reisenden (KG H R Z 1922. 553). Wenn eine Bank Holz versichert, muß der Versicherer darauf gefaßt sein, daß die Bank nur Pfandgläubigerin oder fiduziarische Eigentümerin ist und das fremde Eigentümerinteresse versichert wissen will (vgl. die bedenkl. Entsch. des OLG Stettin APV 1909 II. 63). Wenn ein Goldschmied seine Waren versichert und der Versicherer weiß, daß darunter auch Kommissionswaren sind, umfaßt die Versicherung auch diese (Gruchot 51. 1028; vgl. auch Prot. 2985: Wenn der Versicherer wisse, daß das Interesse einem Dritten zustehe, ergebe sich, auch wenn darüber nichts erklärt werde, aus den Umständen, daß das fremde Interesse versichert sein solle). Siehe auch KG APV 1931. 7 (Kommissionär), R G 157. 314 (Ehemann). — Versagen die Auslegungsmittel, so ist die Einigung nicht festzustellen. Anders nach § 52 Abs. 1: Ergibt sich aus den Umständen nicht, daß ein fremdes Interesse versichert sein soll, so gilt das eigene Interesse als versichert, gilt die Versicherung als Versicherung für eigene Rechnung. § 52 Abs. 1 enthält eine Auslegungsregel, „eine Auslegungsregel für Fälle, in denen es zweifelhaft erscheint, ob der Vertrag für ein eigenes Interesse des Versicherungsnehmers oder für ein fremdes Interesse geschlossen ist" (Begr. z. VVG § 80). Es wird also so angesehen, wie wenn der Versicherungsnehmer ausdrücklich erklärt hätte, Versicherung für eigene Rechnung nehmen zu wollen. Wie in diesem Falle, so kann also auch im Falle des § 52 Abs. 1 der Versicherungsnehmer wegen Irrtums anfechten, wenn er keine Eigen-, sondern eine Fremdversicherung gewollt hat. Anders K i s c h 3. 408 u. JehJ 63. 386, weil § 52 Abs. 1 nur eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 119 BGB darstelle (übrigens unter unbegr. Berufung auf KG Rspr 24. 217, da in diesem Falle nicht angefochten war); anders auch L e n n 6 95. 9. A b s . 2. Tritt man „für einen anderen", insbesondere für einen benannten Anm. 15 anderen auf, so tritt damit in der Regel „der Wille, in fremdem Namen zu handeln, erkennbar hervor" (BGB § 164 Abs. 2), gilt man als Vertreter des anderen. Anders nach der Anschauung des Versicherungsverkehrs. Hier gilt im Zweifel, wer für einen anderen Versicherung nimmt, nicht als Vertreter, sondern als Vertragspartei — aber eben auch nur als Vertragspartei, als Versicherungsnehmer für fremde Rechnung, natürlich nicht als Versicherter: Wird die Versicherung für einen anderen ge48
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§ 52 nommen, so ist anzunehmen, daß der Vertragschließende nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt. Die „Annahme" kann widerlegt werden. Zwar fehlen im § 52 Abs. 2 die Worte „im Zweifel" (so VVG §74 Abs. 2). Aber nur deshalb, weil §52 Bestandteil der Versicherungsbedingungen ist, die Versicherungsbedingungen Bestandteil des Versicherungsvertrags sind und es untunlich schien, im Vertrag als zweifelhaft zu bezeichnen, in welcher Eigenschaft ein Beteiligter aufgetreten sei. Es bedarf keiner ausdrücklichen Wegbedingung des § 52 Abs. 2, um den Vertragschließenden nur als Vertreter, nicht als Vertragspartei zu kennzeichnen. Es genügt, daß er ausdrücklich als Vertreter gehandelt hat. Es genügt sogar, daß die Umstände ihn als Vertreter deutlich erkennen lassen; so etwa, wenn der Prokurist, der vertretungsberechtigte Gesellschafter, der Korrespondentreeder (vgl. ROHG 15. 112) erkennbar in dieser Eigenschaft Versicherung nehmen. — Die Annahme wirkt natürlich nicht nur im Verhältnis des Vertragschließenden zum Versicherer, sondern a u c h im V e r h ä l t n i s des I n t e r e s s e n t e n z u m V e r s i c h e r e r . Verlangt ζ. B. der Interessent Aushändigung der Police, so kann der Versicherer sich auf § 53 Abs. 1 Satz 2 berufen, muß der Interessent beweisen, daß die Versicherung in seinem Namen genommen ist. — Die Annahme wirkt schließlich auch im Verhältnis des V e r t r a g s c h l i e ß e n d e n z u m I n t e r e s s e n t e n . Allerdings wird dieses Verhältnis im allgemeinen nicht vom Versicherungsverhältnis berührt. Aber § 888 HGB ( = ADS § 55) gewährt dem Versicherungsnehmer für fremde Rechnung gewisse Rechte gegenüber dem Versicherten und dessen Gläubigern, auf die der Vertragschließende sich berufen kann, bis ihm bewiesen wird, daß er nur Vertreter gewesen ist (Kisch 3. 390). — Der andere, der Versicherte, kann benannt, er kann auch u n b e n a n n t sein (über frühere Bedenken vgl. z. B. J . S i e v e k i n g 12). Nach § 53 ASVB mußten, wenn Güter für „Schiffer, Steuerleute oder Schiffsvolk" versichert wurden, die Versicherten benannt werden. Es kam aber offenbar mehr darauf an, den Interessenten in seiner besonderen Eigenschaft als Mitglied der Schiffsbesatzung zu kennzeichnen. Die Bestimmung wird daher auch für die Eigenversicherung von Bedeutung gewesen sein. Jedenfalls gilt sie nicht mehr. Vgl. auch § ig Anm. 33dd, § 20 Anm. 28kk. Anm. 16 10. Abs. 3. Die Parteien müssen über das Interesse einig sein, also auch über die Person des Interessenten (oben Anm. 14). Die Person des Interessenten braucht aber nicht benannt, braucht nur bestimmbar, insbesondere durch die Art und den Gegenstand des Interesses bestimmbar zu sein. Die Parteien können sich darauf beschränken zu vereinbaren, daß versichert sein soll, wer beim Abschluß des Vertrages (oder falls die Versicherung für ein künftiges Interesse genommen ist: wer bei der Entstehung des Interesses, oder, falls die Versicherung für die Vergangenheit genommen ist: wer beim Beginn der Versicherung) Interessent ist (oder sein wird oder gewesen ist), mag es der Versicherungsnehmer sein oder ein Dritter. Die Parteien können unbestimmt lassen, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist. Sei es mit der Klausel „ f ü r Rechnung, wen es angeht" (früher auch: „für eigene oder fremde Rechnung", „für eigene oder Freundes Rechnung" oder auch, gleichbedeutend, „an Zeiger dieses": AHO 1731 I.4, Preuß. AHO 1766 §7, vgl. dazu J . S i e v e k i n g 17: pour compte de qui il appartiendra oder einfach pour compte: R i p e r t Nr. 2397, per conto di chi spetta). Sei es sonstwie. — Aber die Versicherung muß so genommen sein; dem Vertrag muß ,,zu entnehmen", die Parteien müssen darüber einig sein, daß eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll. Das Bedürfnis, unbestimmt zu lassen, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert sein soll, hätte auch auf andere Weise befriedigt werden können. Es hätte bestimmt sein können, daß im Zweifel eigene oder fremde Interessen als versichert angenommen werden sollen. Man hat dies aber nicht bestimmt. Anders früher. Nach AHO 1731 I. 4 mußte in der Police der Name des Ver-
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Sicherungsnehmers und das „Object oder die Sache" bezeichnet werden; „und stehet hierbey dem Assecurirten frey, anzuzeigen, ob die Güter für eigene oder fremde Rechnung abgesandt und versichert werden". Und II. 3 bestimmte: „Wer bey einem Schiffe oder Ladung weder directe noch indirecte Anteil hat, kann auch darauf keine Versicherung tun lassen, es wäre denn, daß er von einem dabey Interessierten dazu Ordre erhalten hätte". Wenigstens legte man diese Vorschriften so aus, daß im Zweifel eigenes oder fremdes Interesse versichert war ( K i e ß e l b a c h 151, N i z z e N A f H R 1. 414; ferner B e n e c k e 2. 55, P o h l s 4. 60, 160). Die spätere Rechtsentwicklung ist von dieser Auffassung abgerückt (vgl. schon V o i g t N A f H R 4. 140; Ausnahmen: V V G §§ 85, 115 Abs. 1). Der Vorteil für den Versicherer, zu wissen, ob er es mit dem Interesse des (ihm etwa bekannten) Versicherungsnehmers oder mit dem eines (ihm etwa unbekannten) Dritten zu tun hat, wog schwerer, als der Nachteil für die andere Seite, angeben zu müssen, ob eigenes oder fremdes Interesse auf dem Spiele steht (näheres: § 1 Anm. 11 ff.). Die künftige Rechtsentwicklung wird vielleicht wieder an die ältere Auffassung anknüpfen. Denn tatsächlich hat der Versicherungsverkehr, namentlich bei der Versicherung von Güterinteressen, teilweise auch bei der Versicherung von Reeders Interessen, den Vorteil des Interessenten immer vorangestellt. Schon die Antwerpener Police von 1531, die Police der niederländischen Ordonn. von 1563 und die Hamburger Police von 1590 waren Policen für eigene o d e r fremde Rechnung ( K i e ß e l b a c h 113, 167; vgl. auch L a n g e n b e c k 376, 378, 381). Nach der alten englischen Police versicherte man by the ordre and accompte of X or of any other what soever they be oder for his owne or for any other man's accompte ( S e l d o n Society 11. 45, 52; ähnlich Lloyd's Police). Ob die Parteien sich unter der Versicherung für Rechnung, wen es angeht, eine Eigenversicherung oder eine Fremdversicherung oder die Versicherung eines bestimmten Fremden v o r g e s t e l l t haben, und ob diese Vorstellung richtig oder unrichtig ist, gilt gleich. Denn es liegt gerade im Wesen der Versicherung für Rechnung, wen es angeht, daß dies für das Versicherungsverhältnis gleichgültig sein soll. Irrt insbesondere der Versicherungsnehmer über die Person des Interessenten, so irrt er (vielleicht) im Motiv, kann also auch nicht anfechten ( K i s c h 3. 593 u. J e h J 63. 410, R G H G Z 1891. 225, 11 Nr. 426, H G Z 1889. 301). Ergibt sich, daß fremdes Interesse versichert ist, so finden die Bestimmungen über Versicherung für fremde Rechnung Anwendung; sc. ergibt sich, daß e i g e n e s Interesse versichert ist, so finden die Bestimmungen über Versicherung für e i g e n e Rechnung Anwendung. Anders die herrschende Ansicht, die in der Versicherung für Rechnung, wen es angeht, die Versicherung aller künftigen Interessen und Interessenten erblickt, teilweise sogar die Versicherung aller möglichen gegenwärtigen und künftigen Interessen. Vgl. K i s c h 3.590, P r ö l ß Anm. 3 zu §80 VVG. Nach den A D S kann jedenfalls kein Zweifel sein, daß die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, zwar, wie die gewöhnliche Eigen- oder Fremdversicherung für ein künftiges Interesse genommen werden kann, daß sie aber auch dafür genommen sein muß, daß die Parteien also auch darüber einig sein müssen, wenn die Versicherung als eine Versicherung betrachtet und behandelt werden soll, die nicht sowohl für ein gegenwärtiges als vielmehr für ein künftiges Interesse genommen ist (vgl. auch OAG Lübeck LübSamml. 2. 321). Aus dieser Auffassung folgt insbesondere: a) Die R e c h t e aus der Versicherung stehen, wenn die Versicherung das Interesse des Versicherungsnehmers deckt, diesem, wenn sie ein fremdes Interesse deckt, dem Versicherten zu. Anders (und von seiner Auffassung aus folgegerecht) K i s c h 3. 598: „demjenigen, der sich im Momente des Versicherungsfalles als Träger des versicherten Interesses erweise". Vor dem Versicherungsfall könnte also der Interessent, selbst 48«
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§ 5 2 wenn er die Police oder die Zustimmung des Versicherungsnehmers besitzt, über die Rechte aus dem Vertrag nicht verfügen, ζ. B. die (künftige) Entschädigungsforderung nicht abtreten, bei Doppelversicherung nicht Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen, die Fortsetzung der Versicherung nicht gemäß § 35 Abs. 2, 3 herbeiführen. Ist eine Police ausgestellt, aber nicht im Besitz des Versicherungsnehmers, so könnte nicht einmal dieser die (künftige) Entschädigungsforderung übertragen; denn es würde an einem „Versicherten" fehlen, der ihm die Zustimmung dazu zu geben vermöchte. Anm. 20 b) Die P f l i c h t e n aus dem Vertrag treffen, wenn die Versicherung das Interesse des Versicherungsnehmers deckt, diesen, wenn sie fremdes Interesse deckt, nach allgemeinen Grundsätzen teils nur den Versicherungsnehmer, teils auch den Versicherten (oben Anm. 7, 8). Anders (und von seiner Auffassung aus folgegerecht) K i s c h 3. 596: Die Pflichten träfen nur denjenigen, „der sich im Momente des Versicherungsfalls als der Interessent erweise"; Verstöße des Zwischeninteressenten schadeten den späteren Interessenten nicht. Der Interessent könnte hiernach die Gefahr ändern, soviel ihm behebt; er braucht die versicherte Sache nur zu veräußern, um zu verhindern, daß der Versicherer sich auf die Gefahränderung berufen kann. Gefahrerhöhungen, Doppelversicherungen, gefahrerhebliche Unfälle brauchte der Zwischeninteressent nicht anzeigen. Der Versicherer könnte sich nicht einmal darauf berufen, daß der Interessent gefahrerhebliche Umstände verschwiegen hat, wenn der Interessent nur die Vorsicht gebraucht, die versicherte Sache alsbald zu veräußern; denn der Interessent wäre nicht der „Versicherte" gewesen. Anm. 21 c) Wird die v e r s i c h e r t e S a c h e v e r ä u ß e r t , so gehen, wenn die Versicherung das Interesse des Versicherungsnehmers deckt, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wie bei der Eigenversicherung, wenn sie fremdes Interesse deckt, wie bei der Fremdversicherung über. Der Erwerber kann gemäß §49 Abs. 4 kündigen. Anders K i s c h 3. 601: „ Z w a r erlange . . . der Erwerber die Stelle des Versicherten" (gemeint ist wohl: unter der Voraussetzung, daß er auch noch im Versicherungsfall Interessent ist), aber nicht durch die Veräußerung, sondern auf Grund der zu seinen Gunsten genommenen Versicherung. Die Vorschriften über die Veräußerung des versicherten Interesses fänden überhaupt keine Anwendung. Und selbst originärer Erwerb (Ersitzung, Aneignung, Fund usw.) genüge, um dem Interessenten die Stellung des Versicherten zu verschaffen; doch werde „die Auslegung des ursprünglichen Vertrags regelmäßig ergeben, daß . . . nur derjenige versichert sein solle, der das Eigentum von einer am Versicherungsverhältnis beteiligten Person ableite" (was ebenso, wie die Annahme, daß nach der Auslegung des Versicherungsvertrags originärer Erwerb genüge, ein zu großes Vertrauen in die Auslegungsmittel und eine zu große Meinung von der Bedeutung „stillschweigender" Vereinbarungen voraussetzt, über diese vgl. Vorb. vor § 1 Anm. 67). Anm. 22 11. Fremde Rechte, a) E n g l i s c h e s Recht. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen demjenigen, der im fremden Namen, und demjenigen, der zwar im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung am Rechtsverkehr teilnimmt. So natürlich grundsätzlich auch das englische Recht. Aber in einem Punkte weicht es ab. Es behandelt denjenigen, der zwar im eigenen Namen, aber erkennbar für fremde Rechnung auftritt, ähnlich wie denjenigen, der (als Vertreter) im fremden Namen auftritt, und begreift beide in dem Ausdruck und Begriff a g e n t ( S c h i r r m e i s t e r - P r o c h o w n i c k Bürg. Recht Englands § 141). Agent ist, wer für einen anderen, sei es in seinem Namen, sei es erkennbar für seine Rechnung handelt. Soweit seine Befugnis reicht, stellt er Rechtsbeziehungen zwischen dem Vertragsgegner und dem Dritten her. Insurance agent ist also sowohl, wer im Namen des Dritten, als auch wer erkennbar für seine Rechnung Versicherung nimmt. Die Befugnis hierzu kann ihm ausdrücklich oder stillschweigend
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erteilt sein (express or implied authority: A r n o u l d 168 s. 191). Und where a contract § 5 2 of marine insurance is in good faith effected by one person on behalf of another, the person on whose behalf it is effected may ratify the contract even after he is aware of a loss ( M I A § 86). Almost all policies are effected by insurance brokers . . . The b r o k e r is the agent of the assured ( A r n o u l d 133 s. 15a). Der broker ist also nicht nur Makler. Er nimmt die Versicherung für Rechnung des Versicherten; hierauf beruht es auch mit, daß er die Prämie zahlen muß, und daß the broker has, as against the assured, a lien upon the policy for the amount of the premium and his charges in respect of effecting the policy; and, when he has dealt with the person who employs him as a principal, he has also a lien on the policy in respect of any balance on any insurance account which may be due to him from such person (MIA § 53 Abs. 2; § 16 Anm. 34). Deshalb genügt es, daß die Police, wenn nicht den Namen des Versicherten, den Namen of some person who effects the insurance on his behalf enthält (MIA § 33 Nr. 1). Deshalb bestimmt auch Lloyd's Police: BE I T K N O W N , that John Bull as well in his own name as for and in the name and names of all and every other person or persons to whom the same (der versicherte Gegenstand) doth, may, or shall appertain, in part or in all doth make assurance and cause himself and them, and every of them, to be insured. Oft werden dem Namen des Versicherungsnehmers noch die Worte hinzugefügt: and/or as agent oder on behalf whom it may concern (vgl. auch weiter unten; über die geschichtl. Entwickl.: A r n o u l d 199 s. 225). Im Besitz der Police kann der broker die Entschädigung einziehen, nach Lloyd's Usancen auch (vorausgesetzt, daß der Versicherte sie kennt oder kennen muß) sich mit dem Versicherer im Kontokorrent verrechnen ( A r n o u l d 192, 217). V e r s i c h e r t ist nach Lloyd's Police derjenige, der nach der Absicht des Versicherungsnehmers versichert sein soll, und (wenn die Police nichts Besonderes ergibt) dasjenige Interesse, das nach der Absicht des Versicherungsnehmers versichert sein soll (MIA § 26 Abs. 3: Where the policy designates the subject-matter insured in general terms, it shall be construed to apply to the interest intended by the assured to be covered). b) Der f r a n z ö s i s c h e Versicherungsverkehr verwendet die Klauseln p o u r c o m p t e Anm. 23 de t i e r s und pour compte de qui il appartiendra (kurz: pour compte). Wird die Versicherung für Rechnung und im Auftrag eines bestimmten Dritten genommen, so spricht man von assurance par commissionaire und behandelt das Verhältnis nach Kommissionsgrundsätzen ( R i p e r t Nr. 2393; bestr.). Nach Art. 332 C. de comm. soll beim Vertragsschluß u. a. angezeigt werden le nom et le domicile de celui qui fait assurer, sa qualite de proprietaire ou de commissionaire. Die Vorschrift wird nicht mehr befolgt. Der Versicherungsnehmer gibt nicht mehr an, ob er eigenes Interesse versichert oder nur Kommissionär ist. Der Versicherer muß auf das eine wie auf das andere gefaßt sein ( R i p e r t Nr. 2394). Im Schadensfall muß der Kommittent genannt werden. Denn pour reclamer l'indemnite, le commissionaire est bien oblige de reveler sa qualite et le nom de son commettant ( R i p e r t Nr. 2394). Im übrigen le commissionaire represente le mandant, lorsqu'il s'agit du mode de r£glement de l'indemnite. II peut faire le delaissement; il peut agir en justice. Mais, bien entendu, il est toujours libre de se retirer en laissant en presence l'assureur et le commettant ( R i p e r t a . a . O . ) . Für die Prämie haftet nur der Kommissionär. Aber der Versicherer kann sie auch dann von der Entschädigung abziehen, wenn der Versicherte Zahlung verlangt ( R i p e r t Nr. 2395). Im übrigen treffen die Pflichten, von deren Erfüllung die Rechte abhängen, auch den Kommittenten; denn er ist au fond le veritable assure ( R i p e r t a. a. Ο.). — Die assurance p o u r c o m p t e de q u i il a p p a r t i e n d r a gilt dagegen als stipulation pour autrui ( R i p e r t Nr. 2398). Den Versicherungsnehmer treffen als Vertragspartei die Pflichten. Versichert ist, wer im Schadensfall Interessent ist. Le tiers beneficiaire, ce sera le pro-
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§ 52 priitaire des marchandises au jour du sinistre; la detention du connaissement suffire ä designer la personne qui a un interet assurable ( R i p e r t a. a. O.)·
§ 5 3 Rechtsstellung des Versicherten (1) Die Rechte aus dem Vertrage stehen dem Versicherten zu. Die Aushändigung einer Police kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen. (2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur verfügen und diese Rechte nur gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz einer Police ist. 1. Vgl. HGB §§ 886, 891, ASVB § 149 Abs. 1 Satz 3, V V G § 75. — L i t e r a t u r : § 52 Anm. a. Anm. 2 2. Abs. 1 . Die Rechte aus dem Vertrag stehen dem Versicherten zu. Grundsätzlich a l l e Rechte (§ 52 Anm. 8). Die Rechte können von den Gläubigern des Versicherten gepfändet werden (näheres: unten Anm. 9). Sie fallen in die Konkursmasse des Versicherten. Der Versicherer kann Förderungen an den Versicherten gegen die Entschädigungsforderung aufrechnen. — Der Versicherte erwirbt die Rechte sofort. Nicht erst im Versicherungsfall (so früher H e l l w i g 218, 570, 581). Anm. 3 a) Der PreußE nahm (dem dermaligen Stande der Lehre vom Vertrag zugunsten Dritter gemäß) an, daß, wenn der Versicherte keinen Auftrag zur Versicherung erteilt und die Versicherung auch nicht genehmigt habe, „die Versicherung für den Kommissionär (d. h. den Versicherungsnehmer) ungültig sei, weil dieser kein Interesse an dem versicherten Gegenstand habe, für den Versicherten aber, weil die Versicherung nicht mit seinem Willen geschlossen sei" (Mot. 364). Diese Anschauung hat das HGB bis zur Novelle von 1908 entscheidend beeinflußt. Fehlen Auftrag und Genehmigung, so ist der Vertrag unwirksam; der Versicherer darf aber nicht um die Prämie kommen: „Der Versicherer . . . kann, auch wenn er die Unverbindlichkeit des Vertrags geltend macht, die volle Prämie verlangen" (HGB a. F. § 782 Abs. 4). Die Genehmigung ist nur möglich und nötig, wenn kein Auftrag erteilt und dies angezeigt ist (HGB a. F. § 782 Abs. 1 2). Zwar bestimmte § 782 Abs. 3 HGB a. F., daß, wenn die Anzeige erfolgt sei, die Verbindlichkeit des Versicherers „von der nachträglichen Zustimmung des Versicherten nicht abhängig" sei. Aber hiermit sollte nur gesagt sein, daß der Versicherer, wenn der Versicherte den Vertrag genehmige, schon für die frühere Zeit hafte — wie § 5 Abs. 3 ASVB es erläuterte: „Ist die Anzeige erfolgt, so wird die Verbindlichkeit des Versicherers als fortbestehend behandelt, wenngleich eine nachträgliche Genehmigung des Vertrags seitens des Versicherten schon hätte erfolgt sein können, aber noch nicht erfolgt ist; jedoch ist der Versicherer zu keiner Zahlung aus dem Vertrage verpflichtet, bevor dieser von dem Versicherten genehmigt worden ist" (vgl. auch Prot. 4242, 4246, L e w i s 2. 272; ähnliche Gedankengänge im § 86 M I A : Where a contract of marine insurance is . . . effected by one person on behalf of another, the person on whose behalf it is effected may ratify the contract even after he is aware of a loss. Vgl. über das französ. Recht § 52 Anm. 23). — Nach § 328 BGB erwirbt der Dritte durch den (berechtigten) Vertrag zu seinen Gunsten das ihm zugedachte Recht unmittelbar. Es bedarf keines Auftrags, keiner Genehmigung. Das Recht wird ihm aufgedrängt. Aber auch der Erwerb bloßer Rechte kann mit Nachteilen verbunden sein. Der Dritte kann deshalb des Recht zurückweisen. Dann gilt es als nicht erworben (BGB § 333)· Anm. 1
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b) Demgemäß kann auch der Versicherte die Rechte aus dem Vertrag z u r ü c k w e i s e n . Sonst möchte etwa die von ihm selbst genommene, dem Prioritätsprinzip unterworfene, spätere Versicherung wegen Doppelversicherung ungültig sein. Oder er möchte im Versicherungsfall seine Ersatzansprüche gegen Dritte an den dem Versicherungsnehmer zahlenden Versicherer verlieren, obgleich er von der Versicherung nichts wissen will. — Das Zurückweisungsrecht ist natürlich kein Recht „aus dem Vertrag", sondern eben gerade das Recht, mit dem die „Rechte aus dem Vertrag" zurückgewiesen werden. Der Versicherte kann es daher auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers und ohne die Police ausüben; §53 Abs. 2 ist unanwendbar. — Die Zurückweisung ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner besonderen Form bedürfende), rechtsgestaltende, nämlich rechtsaufhebende Willenserklärung. Sie ist dem Versicherer gegenüber zu erklären. Sie kann jederzeit erklärt werden; aber wohl nicht schon vor dem Vertragsschluß und nicht mehr nach der Annahme der Rechte oder der Zustimmung der Versicherung. — H a t der Versicherte zurückgewiesen, so gelten die Rechte aus dem Vertrag als nicht erworben (BGB § 333). Die Pflichten, insbesondere die Prämienpflicht, bleiben unberührt ( F i s c h e r 42, G e r h a r d 346, H a g e n 1. 696, K i s c h 3. 456; teilw. abw. H e l l w i g 267, H u b e r 90, L e n n e 148, S c h n e i d e r 285, S t o l l e 30). Aber soweit sie die Rechte voraussetzen, werden sie gegenstandslos. — Hat der Versicherte zurückgewiesen, so kann er nicht mehr annehmen oder zustimmen. 3. D i e R e c h t e s t e h e n also d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n i c h t z u . Sie können von seinen Gläubigern nicht gepfändet werden; der Versicherte könne gemäß § 771 Z P O widersprechen (natürlich auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers und ohne den Besitz der Police: K i s c h 3. 484). Die Rechte fallen nicht in die Konkursmasse des Versicherungsnehmers; der Versicherte könnte im Konkurse des Versicherungsnehmers gegebenenfalls Aussonderung verlangen, auch eine Ersatzaussonderung nach § 46 Abs. 2 K O käme in Betracht (BGH 10. 376 = VersR 1953. 448, O L G Celle VersR 1953. 489). Der Versicherer kann gegen die Entschädigungsforderung keine Forderungen an den Versicherungsnehmer aufrechnen (Ausnahme: § 56; vgl. aber auch § 56 Anm. 3). — Die Parteien können im allgemeinen auch n i c h t v e r e i n b a r e n , daß die Entschädigungsforderung dem Versicherungsnehmer, nicht dem Versicherten zustehen soll. Das wäre Eigenversicherung eines nicht vorhandenen Interesses unter der Maske der Fremdversicherung. Anders, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigung dem Versicherten herausgeben muß ( F i s c h e r 10, F l e c h t h e i m LZ 1 9 1 1 . 678, G i e r k e Versicherungsforderung 4 u. JehJ 40. 385, H e l l w i g 543, L e n n ö 19, 27 u. WuRVers 1913. 73, S c h n e i d e r 29, W e y g a n d 122; abw. E h r e n b e r g 190 u. JehJ 30. 424, G e r h a r d 355, H u b e r 55, K i s c h 3. 458, S i e v e k i n g 195). Die Versicherung ist auch in diesem Falle Fremdversicherung, die Versicherung eines fremden Interesses; nur daß dieses Interesse nicht durch eine Entschädigungsforderung des Versicherten, sondern durch eine Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers in Verbindung mit einer Herausgabeforderung des Versicherten geschützt ist. Der Versicherungsnehmer mag auch ein Interesse daran haben, die Rechte aus dem Vertrag für sich zu bedingen; denn er ist sonst zwar für die Ansprüche geschützt, die ihm in bezug auf die versicherte Sache zustehen, nicht aber für andere. Stehen hiernach die Rechte aus dem Vertrag dem Versicherungsnehmer zu, so bleibt zwar für die Anwendung der meisten Bestimmungen über die Versicherung für fremde Rechnung kein R a u m ; jedenfalls ist aber § 57 anwendbar (was nicht der Fall wäre, wenn man mit R o d i e k 12 anzunehmen Grund hätte, die Versicherung sei keine Versicherung für fremde Rechnung). 4. A b s . 1 Satz 2. Die A u s h ä n d i g u n g einer Police k a n n n u r derVersicherung® n e h m e r v e r l a n g e n . Nicht der Versicherte. Der Versicherte kann auch nicht Aushändigung an den Versicherungsnehmer verlangen (abw. ohne Begr. L e n n e 173),
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§ 53 der Versicherungsnehmer nicht Aushändigung an den Versicherten. Auch die Ausstellung einer Ersatzurkunde ( § 1 4 Abs. 2) kann nur der Versicherungsnehmer verlangen, die Kraftloserklärung nur von ihm beantragt werden (ZPO § 1004). Anders, wenn der Versicherte die Police besessen hat. — Der Inhalt der Police gilt gemäß § 15 als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht ohne (schuldhaftes) Zögern nach der Aushändigung widerspricht. Auf das Schweigen oder den Widerspruch des Versicherten kommt es nicht an (§ 15 Anm. 10, K i s c h 3. 6 1 2 ; wohl aber unter Umständen auf sein Verschulden: § 15 Anm. 13, § 57 Anm. 16). •— Das Eigentum an der Police erwirbt der Versicherte mit der Aushändigung (§ 14 Anm. 14, K i s c h 3. 612, L e n n e 173). Anm. 7 5. A b s . 2. Als Inhaber der Rechte aus dem Vertrag müßte der Versicherte auch über die Rechte verfugen, sie gerichtlich und außergerichtlich geltend machen, kurz, sie ausüben können. Der Versicherungsnehmer hat aber wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache ein Interesse daran, daß der Versicherte die Rechte nicht ausüben kann. Deshalb bestimmt § 53 Abs. 2: Der Versicherte k a n n ü b e r seine Rechte nicht v e r f ü g e n u n d s i e n i c h t gerichtlich geltend machen. a) Als V e r f ü g u n g über die Rechte wird nicht nur die Rechtshandlung anzusehen sein, durch die unmittelbar oder mittelbar auf die Versicherungsforderung eingewirkt werden soll (so K i s c h 3. 470), sondern jede Ausübung der Rechte. Allerdings umfaßt diese Ausübung auch die „gerichtliche Geltendmachung" der Rechte, die § 53 Abs. 2 gleichwohl besonders erwähnt. Aber es handelt sich hierbei um einen offenbaren Pleonasmus. Denn § 54 Abs. 1 gibt dem Versicherungsnehmer zwar die Befugnis, über die Rechte zu verfügen, nicht aber auch die Befugnis, sie gerichtlich geltend zu machen; und doch versteht sich von selbst, wird auch von der Begr. z. V V G §§ 75, 76 besonders hervorgehoben, daß der Versicherungsnehmer auf Grund seiner Verfügungsbefugnis Rechte auch gerichtlich geltend machen kann. Anm. 8 b) Der Versicherte kann s e i n e R e c h t e a u s d e m V e r t r a g nicht ausüben. — Nicht das Recht auf Aushändigung der Police. Es ist überhaupt nicht „sein" Recht. — Nicht das Recht zur Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums usw. Es ist überhaupt kein Recht „aus dem Vertrag". Anfechten kann nur der Versicherungsnehmer, der geirrt hat, getäuscht ist usw. — Zu den Rechten aus dem Vertrag gehören die G e s t a l t u n g s r e c h t e (anders P r ö l ß Anm. 2 zu § 75 V V G : gemeint seien dort nur geldliche Ansprüche, insbesondere Entschädigungen, Zinsen, Verzugsschäden, Ersatz von Aufwendungen, auch wenn der Versicherungsnehmer sie gemacht hat), mögen sie sich unmittelbar aus dem Vertrag oder aus dem vertragergänzenden Gesetz ergeben, ζ. B. das Recht, gemäß § 11 Abs. 1 Herabsetzung der Versicherungssumme zu verlangen, das Recht, gemäß § 35 Abs. 2, 3 die Fortdauer der Versicherung zu erklären, das Recht, gemäß §§ 67, 68 die Verlängerung der Versicherung auszuschließen, das Recht, gemäß § 37 zurückzutreten oder anderweit Versicherung zu nehmen, das Recht, gemäß § 49 Abs. 4 (als Erwerber und zweiter Versicherter) die Versicherung zu kündigen, usw. (abw. ohne Grund K i s c h 3. 424, 471, weil die Erklärungen sich nicht nur auf die Entschädigungsforderung, sondern auf das ganze Versicherungsverhältnis bezögen und aus d i e s e m Grunde nur der Versicherungsnehmer verfügen könne, als derjenige, „dem die Verfügung über den Vertrag im ganzen zustehe"). — Zu den Rechten aus dem Vertrag gehört insbesondere die E n t s c h ä d i g u n g s f o r d e r u n g . Der Versicherte kann sie nicht einziehen, nicht abtreten, nicht verpfänden, nicht aufrechnen, nicht erlassen usw. — Der Versicherte kann insbesondere die Rechte aus dem Vertrag, namentlich die Entschädigungsforderung, nicht gerichtlich geltend machen, sie nicht einklagen, deswegen keinen Zahlungsbefehl, keinen Arrest, keine Sicherung des Beweises (gegen den Versicherer) beantragen ( K i s c h 3. 472), sie nicht im Konkurse des Versicherers anmelden usw.
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c) Der Versicherte kann z w a r seine Rechte nicht ausüben, insbesondere seine § 5 3 Entschädigungsforderung nicht übertragen. A b e r seine Gläubiger können sie p f ä n d e n A n m . lassen (als solcher auch der Versicherungsnehmer: K i s c h 3. 466 gegen F i s c h e r 36, L e n n e 164). Z w a r können „ u n ü b e r t r a g b a r e " Forderungen nicht gepfändet werden ( Z P O § 851 Abs. 1). A b e r die Entschädigungsforderung kann übertragen werden (nur nicht v o m Versicherten). Sie kann j e d o c h nur so gepfändet werden, wie der Versicherte sie hat, also mit Ausschluß der (vielmehr d e m Versicherungsnehmer zustehenden) Ausübungsbefugnis. Die Ausübungsbefugnis des Versicherungsnehmers bleibt also unberührt. Deshalb ist der Pfändungsbeschluß auch nur dem Versicherten, nicht auch dem Versicherungsnehmer zuzustellen, kann dem Versicherungsnehmer nicht g e m ä ß § 829 Abs. 1 Z P O verboten werden, „sich jeder V e r f ü g u n g über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben z u enthalten" (so K i s c h 3. 467, L e n n e 165). Die gepfändete Forderung kann a u c h überwiesen werden (so auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 z u § 5 3 A D S ; anders K i s c h 3. 467, weil nach § 772 Z P O Forderungen, auf die sich ein gesetzliches Veräußerungsverbot bezieht, nicht überwiesen werden sollen; es handelt sich aber nicht u m ein gesetzliches Veräußerungsverbot, sondern u m eine durch den Versicherungsvertrag begründete Verfügungsbeschränkung; anders auch H a n s O L G N J W 1952, 388). Die Forderung kann aber natürlich nur ohne die (vielmehr dem V e r sicherungsnehmer zustehende) Ausübungsbefugnis überwiesen werden. — Die Rechte des Versicherten fallen also auch nur ohne die Ausübungsbefugnis in seine Konkursmasse ( K O § 1). D a ß § 55 den Versicherungsnehmer in besonderer Weise schützt, ändert hieran nichts. d) Z a h l t d e r V e r s i c h e r e r d e m V e r s i c h e r t e n , so ist die Z a h l u n g d e m V e r - A n m . Sicherungsnehmer gegenüber unwirksam, dem Versicherten gegenüber wirksam (deshalb schief, überflüssig und beseitigenswert: H G B § 889 Abs. 1 : „ D e r Versicherer macht sich d e m Versicherungsnehmer verantwortlich, wenn er . . . durch Zahlung, die er dem Versicherten . . . leistet . . ., das im § 888 [ = A D S § 55] bezeichnete R e c h t des V e r sicherungsnehmers beeinträchtigt"; vgl. hierzu Begr. z. V V G § 77). Insbesondere gehen die Ersatzansprüche des Versicherten gegen Dritte g e m ä ß § 45, die Rechte des Versicherten an der versicherten Sache g e m ä ß § 71 Abs. 3 auf den Versicherer über, kann der Versicherer g e m ä ß § 10 Abs. 2 v o m Doppelversicherer Ausgleichung verlangen. A b e r der Versicherer m u ß an den Versicherungsnehmer noch einmal zahlen und kann dann v o m Versicherten ob causam datorum kondizieren. Der Versicherer kann den Kondiktionsanspruch gegen den Versicherten nicht gegenüber dem Versicherungsnehmer aufrechnen ( K i s c h 3. 479 gegen F i s c h e r 51, L e n n e 145, S c h n e i d e r Z f V W 1905. 246). — Alles dies folgt aus den §§ 53, 54 A D S , nicht aus § 135 B G B ; denn es handelt sich nicht u m ein gesetzliches Veräußerungsverbot (oben A n m . 9; abw. K i s c h 3. 478). e) Der Versicherte kann also die Rechte aus dem Vertrag nicht ausüben, ins- A n m . besondere nicht übertragen. A b e r er kann den Ü b e r g a n g sämtlicher Rechte aus dem Vertrag bewirken, indem er die versicherte Sache v e r ä u ß e r t (§ 49). D a n n ist der Erwerber der „ V e r s i c h e r t e " , der die Rechte aus d e m Vertrag, aber nicht das R e c h t z u ihrer Ausübung hat. — Der Versicherte kann auch auf seine Rechte aus dem V e r t r a g dadurch einen (und z w a r den verhängnisvollsten) Einfluß ausüben, d a ß er die ihm obliegenden P f l i c h t e n verletzt, ζ. B. d i e G e f a h r ändert, den Versicherungsfall herbeiführt, den Schaden nicht abwendet oder mindert usw. (§ 52 A n m . 8). Der Versicherungsnehmer kann sich in solchen Fällen nicht darauf berufen, d a ß der Versicherte die Rechte aus dem V e r t r a g auszuüben nicht befugt gewesen sei. 6. W e r für ein Rechtsverhältnis z u m Vertreter bestellt ist, kann im Zweifel nicht A n m . nur die Rechte des Vertretenen ausüben, sondern auch Erklärungen der anderen Partei empfangen, welche die Rechte anders gestalten. W e r zur V e r w a l t u n g von Rechten
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§ 5 3 bestellt ist, ist im Zweifel auch befugt, solche Erklärungen der anderen Partei zu empfangen. Wem die Verwaltung seiner Rechte genommen ist, der ist im Zweifel auch nicht mehr befugt, solche Erklärungen der anderen Partei zu empfangen oder gar sich mit Wirkung für die Rechte leisten, sich die Leistung anbieten zu lassen. Demgemäß gehen auch Gesetz und ADS offenbar davon aus, daß A k t i v - u n d P a s s i v l e g i t i m a t i o n sich d e c k e n , daß der Versicherte im allgemeinen nicht, daß er aber mit Zustimmung des Versicherungsnehmers oder im Besitz der Police allerdings passiv wie aktiv legitimiert ist, daß der Versicherer also in diesem Falle ihm gegenüber Herabsetzung der Taxe verlangen (§ 6 Abs. 2), abandonnieren (§ 38), die Versteigerung oder den sonstigen Verkauf der versicherten Sache verlangen (§§71 Abs. 1, 91 Abs. 1, 93 Abs. 3, 96 Abs. 1), Gegenforderungen an ihn aufrechnen, wegen wichtigen Grundes kündigen kann usw. Die Begr. z. V V G §§ 75, 76 bezeugt es: „Eine ausdrückliche Vorschrift darüber, inwieweit der Versicherer ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf die Versicherung beziehe, ζ. B. eine Kündigung, dem Versicherten gegenüber wirksam vornehmen könne, sei nicht erforderlich; denn aus der rechtlichen Bedeutung, welche der Entgegennahme einer Willenserklärung des Versicherers zukomme, ergebe sich, daß die Befugnis des Versicherten zu ihrer Entgegennahme nicht weiter reiche als sein Verfügungsrecht" (also auch so weit reicht, wie sein Verfügungsrecht). Demgemäß unterstellt auch § 54 Abs. 2 ohne weiteres, daß, wer verfügen kann, auch „zur Annahme der Zahlung" berechtigt ist. Es wäre ja auch kaum erträglich, wenn der Versicherer ζ. B. nicht gemäß § 38 dem Versicherten gegenüber abandonnieren könnte, der ihm, im Besitz der Police, den Versicherungsfall anzeigt, den Versicherungsschaden andient. — Von dieser Regel müssen natürlich Erklärungen a u s g e n o m m e n sein, mit welchen Ansprüche geltend gemacht werden, die sich, unabhängig vom Verfügungsrecht, g e g e n e i n e n b e s t i m m t e n V e r p f l i c h t e t e n als solchen richten und deshalb auch nur diesem gegenüber geltend gemacht werden können. Zur Zahlung der Prämie kann der Versicherer natürlich nur den Versicherungsnehmer als den Schuldner m a h n e n . Die befreiende Wirkung der Mahnung muß der Versicherte hinnehmen. Auch der gutgläubige Versicherte wird nicht geschützt; an einer dem § 49 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 entsprechenden Bestimmung fehlt es hier. W e i s u n g e n zur Schadensabwendung kann der Versicherer an den Versicherungsnehmer und an den Versicherten richten, weil beide verpflichtet sind, Schaden abzuwenden und zu mindern, nicht wenn und weil sie befugt sind, über die Rechte aus dem Vertrag zu verfügen (§ 41 Anm. 4, 19). Ob der Versicherer nur dem Versicherungsnehmer oder dem ausübungsberechtigten Versicherungsnehmer oder Versicherten gemäß § 17 Satz 2 wegen Prämienverzugs k ü n d i gen kann, mag zweifelhaft sein; der Grund der Kündigung wird wohl maßgebend sein, die Kündigung also in jedem Falle dem Versicherungsnehmer, als dem Prämienschuldner, gegenüber erklärt werden müssen (§17 Anm. 22). — Ebenso die herrschende Ansicht (ζ. B. L e n n £ 160). Anders K i s c h 3. 424, 4 7 1 : Kündigungen und ähnliche Erklärungen „bezögen sich nicht bloß auf die Versicherungsforderung, sondern auf das gesamte VersicherungsVerhältnis einschließlich der daraus hervorgegangenen Verpflichtungen; daher sei in jedem Fall zu ihrer Abgabe und zu ihrem Empfang nur derjenige legitimiert, dem die Verfügung über den Vertrag im ganzen zustehe; und dies sei der Versicherungsnehmer". Die Unterscheidung zwischen Versicherungsverhältnis und Versicherungsforderung dürfte in diesem Zusammenhang nicht fördern. Der Versicherte, der die Zustimmung des Versicherungsnehmers oder die Police besitzt, kann nicht nur über seine Versicherungsforderung, sondern über seine R e c h t e aus dem Vertrag verfügen. Allerdings verfügt er, wenn er über seine Rechte verfügt, auch über seine Pflichten, auch über die Pflichten des Versicherungsnehmers (und zwar nicht nur zugunsten, sondern auch zu Ungunsten des Versicherungsnehmers, vgl. ζ. B. § 35 Abs. 2, 3). Aber indem
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Gesetz und ADS den Versicherten befugen, über seine Rechte zu verfügen, haben sie ihn § 53 auch befugt, in untrennbarem Zusammenhang damit über die Pflichten aus dem Vertrag zu verfügen. Auch befugen wollen (vgl. oben). Und mit Recht. Denn es wäre kaum erträglich, wenn der Versicherte, dem der Versicherungsnehmer durch Zustimmung oder Aushändigung der Police die Verwaltung des Verhältnisses überlassen hat, nicht auch über das Versicherungsverhältnis im ganzen verfügen könnte und vielmehr vom guten Willen des Versicherungsnehmers abhinge. — Wie nur der Versicherungsnehmer wegen Irrtums, Täuschung usw. anfechten kann (oben Anm. 8), so kann auch der Versicherer deswegen grundsätzlich nur gegenüber dem Versicherungsnehmer anfechten. Hat der Versicherte den Versicherer getäuscht oder die Täuschung des Versicherungsnehmers gekannt oder kennen müssen, so kann der Versicherer gegenüber dem Versicherten anfechten (BGB §§ 123 Abs. 2, 143 Abs. 2; vgl. Fischer 61, G e r h a r d 117, K i s c h 2. 427, L e n n e 116). Hat der Versicherungsnehmer getäuscht, der Versicherte gekannt oder kennen müssen, so kann der Versicherer natürlich auch dem Versicherungsnehmer gegenüber anfechten. Hat der Versicherer wegen Irrtums angefochten, so muß er den V e r t r a u e n s s c h a d e n ersetzen, der dem Versicherungsnehmer erwächst (BGB § 122). Der Versicherungsnehmer wird aber auch Ersatz des Vertrauensschadens verlangen können, der dem Versicherten erwachsen ist (abw. K i s c h 3. 404). Denn dies entspricht dem Grundsatz, daß, wer im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt, auch Ersatz des dem Fremden entstandenen Schadens verlangen kann. 7. Der Versicherte kann seine Rechte, ausnahmsweise, ausüben, wenn Anm. 13 und soweit der Versicherungsnehmer zustimmt. — Die Z u s t i m m u n g ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (über solche Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33). Sie bedarf im übrigen keiner besonderen Form (Kisch 3.473; abw. G e r h a r d 359; teilw. abw. auch L e n n e 170, R o d i e k 18). Der Versicherer kann aber einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherten zurückweisen, wenn dieser nicht die Zustimmung des Versicherungsnehmers in schriftlicher Form vorlegt (BGB § 182 Abs. 3). — Die Zustimmung kann dem Versicherten g e g e n ü b e r erklärt werden oder gegenüber dem G e g n e r des zustimmungsbedürftigen Geschäfts (regelmäßig also gegenüber dem Versicherer, im Falle der Übertragung der Entschädigungsforderung gegenüber dem Zessionar: BGB § 182 Abs. 1, K i s c h 3. 474). — Zustimmung durch V e r t r e t e r : BGB §§ 174, 180, gegenüber Vertretern, insbesondere Gesamtvertretern: § 3 Anm. 18. — Die Zustimmung kann vor oder nach der Ausübungshandlung erklärt werden; insbesondere, nachdem der Versicherer gezahlt hat (vgl. oben Anm. 12). — Macht der Versicherte seine Rechte aus dem Vertrag gerichtlich geltend, so muß er die Zustimmung in der K l a g e behaupten (Kisch 3. 478), gegebenenfalls die Behauptung nachholen, da die Klageänderung regelmäßig zulässig sein wird; im Streitfall sie beweisen. Soweit der Versicherte aktiv legitimiert ist, ist er auch passiv legitimiert. Eine Feststellungsklage kann gegen ihn aber auch erhoben werden, ohne daß der Versicherungsnehmer zustimmt (abw. K i s c h 3. 478). Nur daß das Urteil gegenüber dem Versicherungsnehmer unwirksam sein würde. — Die Rechte müssen oft binnen einer Frist ausgeübt werden, die beginnt, wenn der „Versicherungsnehmer" von gewissen Umständen K e n n t n i s erlangt, ζ. B. das Recht, gemäß § 11 Abs. 1 Herabsetzung der Versicherungssumme zu verlangen, unverzüglich, nachdem der „Versicherungsnehmer" von der Doppelversicherung Kenntnis erlangt hat. Ist der Versicherte ausübungsberechtigt, so kommt es (auch) auf seine Kenntnis an; sonst nicht (vgl. aber auch Vorb. vor § 1 Anm. 68). Ist das Recht (wie ζ. B. im Falle des § 11 Abs. 1) unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, auszuüben, so kommt es, wenn der Versicherte ausübungsberechtigt ist, (auch) auf sein Verschulden an; sonst nicht (vgl. aber auch Vorb. vor § 1 Anm. 67). — Siehe auch BGH 41. 327: Gibt der Versicherungsnehmer nach Ablehnung durch den
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Versicherer zu erkennen, daß er den Anspruch des Versicherten gegen den Versicherer nicht weiterverfolgen will, so kann der Versicherer dem seinen Anspruch selbst weiterverfolgenden Versicherten nicht mangelnde Legitimation einwenden. Anm. 14 8. Der Versicherte kann seine Rechte, ausnahmsweise, auch dann ausüben, wenn er die Police besitzt. a) „Der Besitz des Scheines darf unbedenklich der Zustimmung des Versicherungsnehmers gleichgestellt werden, da der Schein stets zunächst diesem ausgehändigt wird, also regelmäßig nur durch ihn oder mit seiner Einwilligung an den Versicherten gelangen kann." So Begr. z. V V G §§ 75, 76. Der Gedanke ist juristisch wertlos. Denn die Ausnahmebestimmung hätte keine nennenswerte Bedeutung, wenn der Besitz der Police den Versicherten zur Ausübung seiner Rechte nicht auch für den Fall befugte, daß der Versicherungsnehmer nicht zugestimmt hat. Ihre Bedeutung liegt also gerade darin, daß der Besitz der Police den Versicherten dann zur Ausübung seiner Rechte befugt, wenn der Versicherungsnehmer nicht zugestimmt hat. In diesem Falle wird aber der Versicherte regelmäßig nicht mit dem Willen des Versicherungsnehmers den Besitz der Police erlangt haben. Die Bedeutung der Ausnahmebestimmung muß deshalb gerade darin erblickt werden, daß die Police den Versicherten zur Ausübung seiner Rechte befugt, wenn der Versicherte den Besitz der Police ohne den Willen des Versicherungsnehmers e r l a n g t hat, gerade darin, daß der Ausübungsgegner, insbesondere der Versicherer und der Zessionar, sich auf das äußerlich legitimierende Bild des Rechts- und Policenbesitzes verlassen darf, daß der Ausübungsgegner nicht verkehrswidrigerweise genötigt ist, trotz des Besitzes der Police festzustellen, daß der Versicherte mit dem Willen des Versicherungsnehmers besitzt. Es besteht also kein Grund zu unterscheiden, obwohl Gesetz und ADS nicht unterschieden haben und kein Anzeichen dafür besteht, daß sie unterschieden wissen wollten. Ebenso F i s c h e r 57, G e r h a r d 356, H u b e r 66, L e n n e 179, R o d i e k 65; vgl. auch den Fall NAfHR 1. 109 u. dazu Nizze NAfHR 1. 420; abw. K i s c h 3. 476 (vgl. aber auch zum Falle, daß die Legitimationsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 2 vereinbart ist: K i s c h 3. 618). Aber der Versicherer darf nicht zahlen, wenn er weiß, daß der Versicherte gegen den Willen des Versicherungsnehmers in den Besitz der Police gelangt und dem Versicherungsnehmer gegenüber auch sonst nicht befugt ist, sich zahlen zu lassen (vgl. § 14 Anm. 24); der Zessionar hat die Entschädigungsforderung nicht erworben, wenn er wußte, daß der Versicherte die Police gegen den Willen des Versicherungsnehmers besaß und auch sonst nicht befugt war, sie zu übertragen (BGB § 138). — Bei der l a u f e n d e n Versicherung legitimiert nur die Einzelpolice, nicht die laufende Police (§ 97 Abs. 3 Satz 2). — Uber die g e r i c h t l i c h e Geltendmachung der Rechte durch den die Police besitzenden Versicherten und über den Einfluß der K e n n t n i s und des Verschuldens des die Police besitzenden Versicherten auf befristete Gestaltungsrechte: oben Anm. 13. Anm. 15 b) M i t t e l b a r e r Besitz der Police genügt (Kisch 3. 476, L e n n e 176; abw. S c h n e i d e r ZfVW 1905. 240, F. S i e v e k i n g ZHR 55. 155). Aber das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem vermittelt regelmäßig keinen Besitz für den Versicherten (Kisch 3. 476, L e n n e 176). — Bei der Ausübungshandlung braucht der Versicherte an und für sich die Police nicht vorzulegen (Kisch 3. 476; abw. G e r h a r d 358, R o d i e k 64, S c h n e i d e r ZfVW 1905. 240, Stolle 37). Der Versicherer braucht aber nach § 14 Abs. 2 nur gegen Vorlegung der Police zu zahlen. Anm. 16 c) § 53 Abs. 2 ist auch anwendbar, wenn die Police an Order gestellt ist. Aber über die Entschädigungsforderung, die dem Papier folgt, kann nur verfügen, wer nach papierrechtlichen Grundsätzen zu verfügen befugt ist (vgl. § 14 Anm. 28, § 49 Anm. 67, auch K i s c h 3. 619). Insbesondere ist natürlich, wenn die Police an die Order des Ver-
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Sicherungsnehmers gestellt ist, „ z u r Gültigkeit der ersten Übertragung das Indossament § 5 3 des Versicherungsnehmers g e n ü g e n d " (so ausdrücklich H G B § 8 9 1 Satz 2). 9. Der Versicherer kann a n d e n U n r e c h t e n g e z a h l t haben, an den V e r A n m . 17 Sicherungsnehmer, obgleich dieser, oder an den Versicherten, obgleich dieser zur A n nahme der Z a h l u n g nicht befugt war. V g l . hierüber: oben A n m . 10, § 54 A n m . 7. — Der Versicherer kann aber auch an den legitimierten Versicherer oder an den legitimierten Versicherungsnehmer gezahlt haben, obgleich er n i c h t s s c h u l d i g war, obgleich er ζ. B. g e m ä ß § 20 oder § 24 oder § 33 oder § 41 frei war. a) H a t der Versicherer a n d e n V e r s i c h e r t e n gezahlt, so kann er (nur) v o m Versicherten kondizieren. V g l . a u c h R O H G 2. 4 1 3 (Zahlung an den angeblichen Zessionar des Versicherten oder Z a h l u n g an den Empfänger einer Anweisung des V e r sicherten, m a g der Empfänger a u c h der Versicherungsnehmer sein). b) H a t der Versicherer a n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r gezahlt, so kann er von diesem kondizieren ( R G H G Z 1896. 287, H G Z 1896. 241). — H a t der Versicherungsnehmer das Empfangene an den Versicherten weitergegeben, so kann der V e r sicherer gleichwohl v o m Versicherungsnehmer kondizieren, wenn dieser beim Empfang g e w u ß t oder vor Weitergabe erfahren hat, d a ß der Versicherer nicht schuldete (BGB § 8 1 9 ; s. auch L G H a m b u r g V e r s R i960. 316 = Sasse Nr. 733). H a t der Versicherungsnehmer unentgeltlich weitergegeben, so kann der Versicherer z w a r nicht v o m V e r sicherungsnehmer, wohl aber v o m Versicherten kondizieren ( B G B § 822). H a t der Versicherungsnehmer nicht unentgeltlich, sondern in der Meinung, dazu verpflichtet z u sein, an den Versicherten weitergegeben, so kann der Versicherer zwar nicht v o m Versicherten, wohl aber den Kondiktionsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherten v o m Versicherungsnehmer kondizieren ( K i s c h 3. 503; abw. G e r h a r d 347; unklar auch H a g e n r. 697). Der Versicherte kann aber gegen die auf den V e r sicherer übertragene Kondiktionsforderung Gegenforderungen an den Versicherungsnehmer aufrechnen, insbesondere eine Gegenforderung auf Schadensersatz wegen V e r letzung der Versicherungspflicht des Versicherungsnehmers. Rechnet er auf, so wird der Versicherungsnehmer u m den entsprechenden Betrag bereichert, kann also der Versicherer diesen Betrag v o m Versicherungsnehmer kondizieren ( K i s c h 3. 505). — V g l . auch § 20 A n m . 5, § 24 A n m . 32, § 33 A n m . 20, § 41 A n m . 31. 10. F r e m d e R e c h t e : § 52 A n m . 22, 23.
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§ 5 4 Rechtsstellung des Versicherungsnehmers (1) Der Versicherungsnehmer kann über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Vertrage zustehen, im eigenen Namen verfügen. (2) Ist eine Police ausgestellt, so ist der Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherten zur Annahme der Zahlung sowie zur Übertragung der Rechte des Versicherten nur befugt, wenn er im Besitze der Police ist. (3) Der Versicherer ist zur Zahlung an den Versicherungsnehmer nur verpflichtet, wenn dieser ihm gegenüber nachweist, daß der Versicherte seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat. 1. V g l . H G B §§ 883, 887, 891 Satz 2, A S V B §§ 5 Abs. 3, 145, 149 Abs. 1 Satz 1 u. 2, A n m . 1 Abs. 2, B S V B §§ 41 Abs. 3, 55, V V G § 76. — L i t e r a t u r : § 52 A n m . 2. 2. A b s . 1 . Der Versicherte hat die Rechte aus dem Vertrag. A b e r er hat nicht A n m . 2 die gewöhnlich mit den R e c h t e n verbundene M a c h t , sie auszuüben. V o n den Rechten
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§ 5 4 ist die Eigenschaft, ausgeübt werden zu können, abgezweigt; die M a c h t der A u s ü b u n g steht d e m Versicherungsnehmer z u : D e r V e r s i c h e r u n g s n e h m e r k a n n ü b e r d i e R e c h t e d e s V e r s i c h e r t e n a u s d e m V e r t r a g v e r f ü g e n , — u n d zwar im eigenen N a m e n (wie überflüssigerweise hinzugefügt w i r d ; denn d a ß er nicht im f r e m d e n N a m e n , nicht als Vertreter des Versicherten, verfügen k a n n , w ü r d e sich von selbst verstehen). Der Versicherungsnehmer w ü r d e sonst wegen seiner Ansprüche gegen d e n Versicherten ungeschützt sein, f ü r die ihn bisher die versicherte Sache schützte. Überdies ist im Großverkehr (insbesondere bei der Fremdversicherung der Spediteure, Lagerhalter, Exporteure) die zweckmäßige Abwicklung des Versicherungsverhältnisses oft n u r im Benehmen des Versicherungsnehmers u n d des Versicherers möglich. — O b der Versicherungsnehmer i m V e r h ä l t n i s z u m V e r s i c h e r t e n berechtigt ist, die R e c h t e auszuüben, ist f ü r das Versicherungsverhältnis ohne Bedeutung. Der Versicherte k a n n sich höchstens auf die §§ 138, 826 BGB berufen (vgl. auch § 53 A n m . 14). Der Versicherte k a n n d e m Versicherungsnehmer die Ausübungsmacht n i c h t e n t z i e h e n . E r ist in die H a n d des Versicherungsnehmers gegeben, wie etwa derjenige, der unwiderrufliche Vollmacht erteilt hat, in die H a n d des Bevollmächtigten. E r wird auf G r u n d seines Verhältnisses z u m Versicherungsnehmer diesem regelmäßig Weisungen f ü r die A u s ü b u n g erteilen können. A b e r er k a n n nicht hindern, d a ß der Versicherungsn e h m e r die Weisungen mißachtet, u n d natürlich noch weniger, d a ß der Versicherer d e n Versicherungsnehmer als Ausübungsberechtigten behandelt. Anm. 3 Anm. 4
a) Ü b e r den Begriff der „ R e c h t e aus d e m V e r t r a g " : § 52 A n m . 8. b) Ü b e r den Begriff der „ V e r f ü g u n g " : § 53 A n m . 7. Der Versicherungsnehmer k a n n sich insbesondere mit d e m Versicherer vergleichen ( R O H G 14. 137), d e m Versicherer die Entschädigungsschuld erlassen (Prot. 4440, F i s c h e r 46, J o s e f 166, K i s c h 3. 494, L e n n i 160, R o d i e k 57, S i e v e k i n g 196; abw. ohne G r u n d f ü r die Zeit nach d e m Versicherungsfall: E h r e n b e r g 192, 465 u. J e h J 30. 459, G e r h a r d 358, R G 1 1 . 222, O L G C o l m a r L Z 1912. 92), die Entschädigungsforderung gegen Prämienf o r d e r u n g e n des Versicherers aufrechnen, die Entschädigungsforderung ü b e r t r a g e n (vgl. d e n Fall H G u. O G H a m b u r g Ullrich N r . 18; aber seine Gläubiger k ö n n e n sie nicht p f ä n d e n lassen: § 53 A n m . 5). — Der Versicherungsnehmer k a n n insbesondere die R e c h t e aus d e m V e r t r a g g e r i c h t l i c h g e l t e n d m a c h e n . Das ist zwar hier nicht besonders ausgesprochen. Aber es versteht sich von selbst. Den Fehlgriff h a t § 53 Abs. 2, nicht § 54 Abs. 1 g e m a c h t (§ 53 A n m . 7). Der Versicherungsnehmer ist im Rechtsstreit Partei ( R G H G Z 1892. 59, O L G H a m b u r g SA 45 Nr. 269), nicht Bevollmächtigter, nicht gesetzlicher, nicht „ p r ä s u m t i v e r " Bevollmächtigter, nicht „ P r o z e ß m a n d a t a r " des Versicherten (so f r ü h e r R O H G 10. 129, 14. 137, H G H a m b u r g H G Z 1877. 307). Der Versicherte ist nicht Partei, k a n n als Zeuge v e r n o m m e n werden, nebenintervenieren. Der Versicherungsnehmer klagt auf Z a h l u n g a n sich. E r k a n n aber a u c h auf Z a h l u n g an d e n Versicherten klagen. D e n n d a m i t stimmt er der Z a h l u n g an den Versicherten zu, verschafft er g e m ä ß § 53 Abs. 2 d e m Versicherten das Recht, Z a h l u n g zu verlangen, setzt er also sich selbst g e m ä ß § 54 Abs. 1, 2 in d e n S t a n d , dieses R e c h t auszuüben, d. h. Z a h l u n g a n den Versicherten zu verlangen. — Der Versicherungsnehmer k a n n insbesondere die G e s t a l t u n g s r e c h t e ausüben, kündigen, zurücktreten, d i e F o r t d a u e r d e r Versicherung erklären, ihre V e r l ä n g e r u n g ausschließen, a b a n d o n n i e r e n usw. (§ 53 A n m . 8). Hieraus folgt, d a ß andererseits auch der Versicherer die i h m zustehenden Gestaltungsrechte in der Regel d e m Versicherungsnehmer gegenüber, nicht d e m Versicherten gegenüber ausüben m u ß (näheres: § 53 A n m . 12). O f t müssen die R e c h t e des Versicherten b i n n e n bestimmter Frist, oft unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) ausgeübt werden, n a c h d e m d e r „ V e r s i c h e r u n g s n e h m e r " von gewissen U m s t ä n d e n (ζ. B. von der Doppelversicherung: § 11 Abs. 2, von der R e i s e u n t e r b r e c h u n g : § 35 Abs. 2, von d e r
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A u s l a d u n g : § 35 Abs. 3) K e n n t n i s erlangt h a t . I n diesen Fällen k o m m t es auf die K e n n t - § 5 4 n i s u n d das V e r s c h u l d e n des ausübungsberechtigten Versicherungsnehmers an (auch auf die Kenntnis u n d das Verschulden des ausübungsberechtigten Versicherten: § 53 A n m . 13). c) Der Versicherungsnehmer „ k a n n " verfügen. Aber es handelt sich nicht u m ein A n m . 5 sog. K a n n - R e c h t , ein Gestaltungsrecht ( K i s c h 3. 489). D e n n d e m Gestaltungsrecht ist eigentümlich, d a ß es den I n h a b e r befähigt, das Rechtsverhältnis in einer bestimmten Beziehung zu gestalten. Der Versicherungsnehmer aber h a t die Möglichkeit, in allen möglichen Beziehungen R e c h t e auszuüben u n d sich gegenüber ausüben zu lassen. Diese Möglichkeit ist a u c h nicht ein eigenes Forderungsrecht; Versicherungsnehmer u n d Versicherter sind insbesondere nicht etwa Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB ( K i s c h 3. 489, L e n n e 157, R o d i e k 55, S c h n e i d e r Z f V W 1905. 246, v. W e i n r i c h Z f V W 1902. 346 gegen H e l l w i g 310. 585). Der Versicherungsnehmer ist sowenig Gläubiger wie der Vertreter. Es liegt a u c h nicht, wie P r ö l ß A n m . 1 zu § 76 V V G meint, eine Art gesetzliches T r e u h a n d v e r h ä l t n i s vor. Vielmehr handelt es sich, ganz ähnlich wie bei der Vertretungsmacht, u m eine r e c h t l i c h b e s t i m m t e M a c h t l a g e , die m a n also (anders K i s c h a . a . O . ) a u c h nicht als subjektives R e c h t bezeichnen kann. Der Versicherungsnehmer k a n n also auch n i c h t (sowenig wie etwa der Bevollmächtigte auf seine Vertretungsmacht) auf seine Ausübungsmacht v e r z i c h t e n (abw. die h. M . : R G 130. 327, P r ö l ß A n m . 1 zu § 76 V V G , K i s c h 3. 490), auch deshalb nicht, weil der Versicherer d a m i t d e n E m p f ä n g e r eines großen Teiles seiner Gestaltungserklärungen verlieren w ü r d e (anders K i s c h , der d e m Versicherungsnehmer als der Vertragspartei die Eigenschaft des Empfängers j e n e r Erklärungen zuschreibt). Der Verzicht w ü r d e also n u r a b Z u s t i m m u n g des Versicherungsnehmers z u r A u s ü b u n g der R e c h t e d u r c h d e n Versicherten wirken (§ 53 Abs. 2). Deshalb k a n n d e r Versicherungsnehmer a u c h seine A u s ü b u n g s m a c h t n i c h t auf einen anderen ü b e r t r a g e n — R G 130. 237 — (aber natürlich einen anderen bevollmächtigen, a u s z u ü b e n ) ; ebenso K i s c h 3 . 4 9 1 ; abw. F i s c h e r 48, G e r h a r d 35g, L e n n e 163, R o d i e k 58 (die Berufung der Gegner auf J W 1902. 432 ist u n b e g r ü n d e t , weil diese Entscheidung nicht erkennen läßt, welche besonderen, d e m Versicherungsnehmer „ e i n g e r ä u m t e n R e c h t e " v o m Versicherungsn e h m e r abgetreten waren, insbesondere kein G r u n d f ü r die A n n a h m e besteht, d a ß der Versicherungsnehmer das „ A u s ü b u n g s r e c h t " abgetreten h a t t e ; vgl. a u c h S e c k e l Festgabe f ü r K o c h 220 über die U b e r t r a g b a r k e i t von Gestaltungsrechten). Die Gläubiger des Versicherungsnehmers können die Ausübungsmacht nicht p f ä n d e n lassen. Sie gehört also a u c h nicht zur Konkursmasse des Versicherungsnehmers. Der Konkursverwalter k a n n nicht a u s ü b e n ; d e r Versicherungsnehmer k a n n trotz des Konkurses ausüben (näheres: § 55 A n m . 17). — Die allgemeinen Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers ü b e r k o m m t natürlich a u c h die Ausübungsmacht. A u c h wird wohl § 25 H G B so auszulegen sein, d a ß der neue F i r m e n i n h a b e r in die Ausübungsmacht des Geschäftsveräußerers eintritt ( K i s c h a . a . O . ) . 3. A b s . 2. Der Versicherungsnehmer k a n n die R e c h t e aus d e m V e r t r a g a u c h A n m . 6 ausüben, wenn er der A u s ü b u n g d u r c h d e n Versicherten zugestimmt h a t oder der Versicherte die Police besitzt, also der Versicherte die R e c h t e ausüben kann. I n diesen Fällen können also b e i d e , Versicherungsnehmer u n d Versicherer, d i e R e c h t e a u s ü b e n (ebenso etwa, wenn der eine die, nicht f ü r kraftlos erklärte, Police, der andere die Ersatzpolice besitzt; vgl. aber a u c h § 14 A n m . 27). Sie können also im entgegengesetzten Sinne ausüben, der Versicherungsnehmer ζ. B. stunden, der Versicherte m a h n e n , beide insbesondere auch die R e c h t e aus d e m V e r t r a g gerichtlich geltend machen ( K i s c h 3. 5 1 1 ) . D a n n entstehen ähnliche Rechtsfolgen, wie wenn n u r einer (insbesondere etwa bei der Versicherung f ü r eigene R e c h n u n g der Versicherungsnehmer) zwei ent-
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§ 54 gegengesetzte Ausübungshandlungen vornimmt, oder wie wenn Vollmachtgeber und Bevollmächtigter entgegengesetzt verfügen (Begr. z. V V G §§ 75 ,76, L e n n i 184; abw. ohne Begr. S i e v e k i n g 196: Der Versicherte könne der Verfügung des Versicherungsnehmers widersprechen). Solchen entgegengesetzten Verfügungen wirkte § 886 Abs. 1 HGB a. F. entgegen: Der Versicherungsnehmer sollte nur dann über die Rechte des Versicherten aus dem Vertrag verfügen können, wenn er die Police beibrachte. Enger und unzweckmäßiger § 54 Abs. 2 ( = HGB § 887 Abs. 2): Anm. 7 a) Ist eine Police ausgestellt (ausgehändigt), so kann der Versicherungsnehmer die Zahlung nur annehmen, wenn er die Police besitzt oder der Versicherte zugestimmt hat. Wer sich darauf beruft, daß der Versicherungsnehmer rechtswirksam annehmen konnte, muß beweisen. — Ist keine Police ausgestellt, so kann der Versicherungsnehmer unbeschränkt die Zahlung annehmen; neben ihm der Versicherte, wenn der Versicherungsnehmer zustimmt (§ 53 Abs. 2). α) Der Versicherungsnehmer kann nicht „ d i e Z a h l u n g annehmen", wenn er die Police nicht besitzt usw. Gemeint ist nicht die „Zahlung", sondern der Zahlungsbetrag, die Entschädigungssumme (wie ζ. B. im § 293 BGB nicht die „Leistung", sondern der Leistungsgegenstand gemeint ist); aber auch der Schadensersatz-Betrag, den der Versicherer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung zu zahlen hat. Nimmt der Versicherungsnehmer die Zahlung gleichwohl an, so ist die Annahme dem Versicherten gegenüber u n w i r k s a m , dem Versicherer gegenüber wirksam (vgl. § 53 Anm. 10). Da der Versicherungsnehmer nicht annehmen kann, kann der Versicherer ihm auch nicht anbieten (§ 53 Anm. 12), auch nicht für den Versicherungsnehmer h i n t e r l e g e n , auch nicht ihm gegenüber Gegenforderungen an den Versicherten a u f r e c h n e n . Der Versicherungsnehmer kann auch nicht an Zahlungsstatt annehmen, sich auch nicht im Giro-Bankverkehr überweisen lassen. Der Versicherungsnehmer kann auch nicht zur Zahlung mahnen. Er könnte aber zurZahlung an den Versicherten mahnen (oben Anm. 4, §52 Anm. 13); indessen kann er wegen der Vorlegungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 1 nur unter Vorlegung der Police mahnen (§ 14 Anm. 18). Der Versicherungsnehmer kann also auch nicht auf Zahlung an sich klagen. Er kann jedoch auf Zahlung an den Versicherten klagen (oben Anm. 4, § 52 Anm. 13). Der Versicherer kann aber nur verurteilt werden, Zug um Zug gegen Vorlegung der Police zu zahlen (§ 14 Anm. 18; vgl. Begr. z. V V G §§ 75, 76, G e r h a r d 358). Der Versicherungsnehmer kann dagegen gemäß §§ 71—73, 77 usw. „die Versicherungssumme verlangen" und damit (wenn auch nicht den Versicherer in Verzug setzen, so doch) das Rechtsverhältnis festmachen ( § 7 1 Anm.). Der Versicherungsnehmer kann sich auch mit dem Versicherer vergleichen, dem Versicherer auch die Entschädigungsschuld erlassen (vgl. oben Anm. 4; abw. ohne Grund L e n n e 182, Wolff 445). Der Versicherer kann gegenüber dem Versicherungsnehmer abandonnieren; denn der VersichererAbandon wird durch Erklärung, nicht durch Zahlung ausgeübt (§ 38 Anm. 7). Anm. 8 ß) Der Versicherungsnehmer kann nur annehmen, wenn er „im Besitz der P o l i c e " ist, oder wenn der Versicherte „ z u g e s t i m m t " hat. Näheres hierüber: § 53 Anm. 13fr. —· Ist die versicherte Sache v e r ä u ß e r t , so muß vor der Veräußerung der Veräußerer, nach der Veräußerung der Erwerber zugestimmt haben. Auch im Falle der Versicherung für Rechnung, wen es angeht. Anders natürlich, wenn man die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, als Versicherung für Rechnung desjenigen betrachtet, der im Versicherungsfall Interessent ist (§ 52 Anm. 18). Anm. 9 b) Ist eine Police ausgehändigt, so kann der Versicherungsnehmer auch die Rechte des Versicherten aus dem Vertrag nur übertragen, wenn er die
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Police besitzt oder der Versicherte z u s t i m m t . Dasselbe gilt wohl von der Bel a s t u n g , insbesondere der Verpfändung, der Entschädigungsforderung, obgleich §§ 53 Abs. 2, 54 zwischen der „Übertragung" und der die Belastung umfassenden „Verfügung" unterscheiden, und obgleich § 1274 Abs. 2 BGB („Soweit ein Recht nicht übertragbar ist", kann es nicht verpfändet werden) unanwendbar ist, weil die Rechte übertragbar sind und nur nicht vom Versicherungsnehmer übertragen werden können. — „ Ü b e r t r a g u n g der Rechte" bedeutet nur: Abtretung der Entschädigungsforderung oder was ihr gleichsteht. Die Übertragung der Gestaltungsrechte des Versicherten kommt nicht in Betracht. — Überträgt der Versicherungsnehmer ohne den Besitz der Police usw., so ist die Übertragung dem Versicherten gegenüber unwirksam, im übrigen wirksam. Aber der Versicherer kann sich natürlich darauf berufen, daß sie dem Versicherten gegenüber unwirksam, der Versicherte also und nicht der Zessionar sein Gläubiger ist. •— Näheres: oben Anm. 7, 8. 4. Abs. 3. Der Versicherte kann die Rechte aus dem Vertrag annehmen oder der Versicherung zustimmen. Er kann die Rechte aus dem Vertrag zurückweisen (§ 53 Anm. 4). Er kann nichts tun. Er hat in diesem Falle die Rechte erworben, kann sie aber noch zurückweisen. Der Versicherungsnehmer kann in diesem Falle die Rechte ausüben, insbesondere im Besitz der Police Zahlung verlangen. Wenn der Versicherer zahlen, der Versicherte darauf die Rechte zurückweisen würde, könnte der Versicherer (ob causam finitam) kondizieren. Würde der Versicherte weder zustimmen noch zurückweisen, so könnte der Versicherungsnehmer die Entschädigung behalten, wenn er nicht auf Grund seines Verhältnisses zum Versicherten sie diesem herausgeben muß. Damit wäre Wettassekuranzen der Weg geebnet (ungenau Begr. z. VVG § 76: „Nach der Natur der Sache könne, da die Vorteile der Versicherung nicht dem Versicherungsnehmer zugute kommen dürften, eine Pflicht zur Leistung ohne den Willen desjenigen, für dessen Rechnung die Versicherung genommen sei, nicht bestehen"). — Deshalb braucht der Versicherer d e m (ausübungsberechtigten) Versicherungsnehmer nur zu zahlen, wenn dieser i h m gegenüber nachweist, daß der Versicherte der Versicherung z u g e s t i m m t hat. a) Die Z u s t i m m u n g ist eine empfangsbedürftige (im übrigen keiner Form bedürfende) Willenserklärung (über empfangsbedürftige Erklärungen: Vorb. vor § 1 Anm. 33). Sie kann d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r oder d e m V e r s i c h e r e r gegenüber erklärt werden; im Falle einer Mitversicherung auch gegenüber dem „Führer " (Vorb. vor § 1 Anm. 46). Vor dem Vertragsschluß oder s p ä t e r , insbesondere auch noch nach dem Versicherungsfall. — Über den Fall, daß m e h r e r e Versicherte beteiligt sind, vgl. Vorb. VI vor § 1. Insbesondere wird im Falle der Versicherung einer im Miteigentum der Versicherten stehenden Sache jeder Versicherte für sich zustimmen können. — Nach V e r ä u ß e r u n g der versicherten Sache muß der Erwerber zustimmen. — Zustimmung durch V e r t r e t e r : BGB §§ 174, 180. Der Makler ist nicht ohne weiteres ermächtigt, zuzustimmen — Zustimmung g e g e n ü b e r V e r t r e t e r n , insbesondere Gesamtvertretern: § 3 Anm. 18. — Die Zustimmung muß „zu der Versicherung" erteilt sein. Sie liegt natürlich auch in der Zustimmung zur Einziehung der Entschädigung (§ 54 Abs. 2). b) Der Versicherungsnehmer muß die Zustimmung n a c h w e i s e n . Das bedeutet: so dartun, daß daraufhin im gewöhnlichen Leben gezahlt zu werden pflegt. Deshalb entfällt auch die Notwendigkeit des Nachweises, wenn der Versicherer weiß, daß der Versicherte zugestimmt hat, insbesondere wenn der Versicherte ihm gegenüber zugestimmt hat. — D e m V e r s i c h e r e r gegenüber ist nachzuweisen. Insbesondere ist nötig, aber auch genügend, daß die Belege dem Versicherer „zugehen" (Vorb. vor § 1 Anm. 33). — Macht der Versicherungsnehmer die Rechte gerichtlich geltend, so muß 49
R i t t e r - A b r a h a m , Seeversicherung Bd. I
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er die Zustimmung in der Klage behaupten, gegebenenfalls die Behauptung nachholen, im Streitfall die Zustimmung beweisen (§ 53 Anm. 13, K i s c h 3. 500; abw. W o l f f 445: § 54 Abs. 3 enthalte eine Redaktionsversehen). c) Solange die Z u s t i m m u n g n i c h t e r t e i l t (oder nicht nachgewiesen) ist, braucht der Versicherer nicht zu zahlen, insbesondere keine SchadenabwendungsKosten zu ersetzen, mag der Versicherungsnehmer oder der Versicherte sie aufgewendet haben. — Der Versicherer d a r f aber zahlen. Stimmt der Versicherte später zu, so muß er die Zahlung gegen sich gelten lassen (vorausgesetzt natürlich, daß der Versicherungsnehmer gemäß § 54 Abs. 2 durch den Besitz der Police zur Annahme der Zahlung befugt war). Zahlt der Versicherer in der irrigen Meinung, daß der Versicherte zugestimmt habe, so kann er kondizieren. d) Der Zustimmung bedarf es nicht, wenn der Versicherungsnehmer g e s e t z l i c h v e r p f l i c h t e t war, Versicherung zu nehmen ( K i s c h 3. 500). e) Der Nachweis kann im Versicherungsvertrag wegbedungen sein. Dies ist aber keineswegs ohne weiteres bei laufenden Versicherungen anzunehmen, wie K i s c h 3. 501 glaubt (und zwar unter irrtümlicher Berufung auf O L G Hamburg Gerhards Praxis 2. 237; denn in diesem Falle ist der Versicherungsnehmer nicht etwa des Nachweises der Zustimmung für überhoben erklärt, sondern nur ausgesprochen, daß es des, früher erforderlichen, „Auftrags" zur Versicherung nicht bedurft habe, die Versicherung vielmehr als mit der Klausel „ M i t oder ohne Auftrag" genommen zu betrachten sei; vgl. hierzu auch § 57 Anm. 14). Übrigens muß jedenfalls der Versicherer den Gegenbeweis führen können, daß der Versicherungsnehmer die Entschädigung an den Versicherten nicht herauszugeben braucht und es sich deshalb um eine versteckte Wettversicherung handelt. f ) § 54 Abs. 3 ist natürlich auch im Falle einer V e r s i c h e r u n g f ü r R e c h n u n g , w e n es a n g e h t , die eine Fremdversicherung deckt, anzuwenden. Dies müßten auch diejenigen zugeben, welche die Versicherung für Rechnung, wen es angeht, für eine Versicherung des jeweiligen Interessenten ansehen; wenigstens für den Fall, daß, wer sich im Versicherungsfall als Interessent erweist, nicht der Versicherungsnehmer, sondern ein Dritter ist. Gleichwohl abw. K i s c h 3. 599 u. J e h J 63. 424. 5. F r e m d e R e c h t e : § 52 Anm. 22, 23.
§ 5 5 Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherten
Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten oder, falls über das Vermögen des Versicherten der Konkurs eröffnet ist, der Konkursmasse die Police auszuliefern, bevor er wegen der ihm gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche befriedigt ist. Er kann sich für diese Ansprüche aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach der Einziehung der Forderung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen. 1. Vgl. H G B § 888, A S V B § 150 Abs. 1 Satz 1, V V G § 77. — L i t e r a t u r : § 52 Anm. 2. 2. Satz 1 . Nach § 888 Satz 1 H G B war (vor der Novelle von 1908) und ist „der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, die Police dem Versicherten . . . auszuliefern, bevor er wegen der gegen den Versicherten in bezug auf den versicherten Gegenstand
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ihm zustehenden Ansprüche befriedigt ist". Man hat niemals bezweifelt, daß dieses § 55 „Retentionsrecht des Versicherungsnehmers an der Police . . . nicht . . . durch jede Forderung, sondern nur durch eine konnexe Forderung desselben . . . begründet" wird (Lewis a. 495, Voigt NAfHR 4. 235). Ebendeshalb bestimmte § 150 Abs. r ASVB ferner, daß dem Versicherungsnehmer es auch zugute kommen solle, wenn das „Partikularrecht diesem ein weiterreichendes Retentionsrecht . . . (auch wegen inkonnexer Forderungen) einräume". Dieser Rechtszustand schien durch das BGB überholt. Der Versicherungsnehmer kann, sei es nach § 320 BGB, sei es nach § 273 BGB, die Police zurückbehalten, bis er wegen der fälligen Ansprüche befriedigt ist, die ihm aus dem Verhältnis zustehen, auf Grund dessen er Versicherung genommen hat. Gleichwohl hat man § 888 HGB fast wörtlich in das V V G (§ 77) und in die ADS übernommen: „Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, dem Versicherten . . . die Police auszuliefern, bevor er wegen der ihm gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche befriedigt ist". „Zwar mag (erwägt Begr. z. V V G § 77) die Annahme nicht unberechtigt sein, daß die Rechtsprechung schon auf Grund der Bestimmungen des BGB . . . im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen gelangen würde; zur Vermeidung von Zweifeln und, um die Übereinstimmung mit dem HGB zu wahren, empfiehlt es sich jedoch, die in Frage stehenden Befugnisse des Versicherungsnehmers ausdrücklich anzuerkennen". „Anzuerkennen": Uber die Befugnisse, die dem Versicherungsnehmer nach dem BGB zustehen, hinauszugehen, war also keineswegs beabsichtigt, war auch durch die Interessenlage nicht geboten und nicht einmal angezeigt. — Hieraus folgt: a) Die Worte „Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, auszuliefern", Anm. 3 bedeuten nicht, daß der Versicherte keinen Anspruch auf Auslieferung hat, daß die Klage auf Auslieferung abgewiesen werden müßte, wenn der Versicherungsnehmer nicht befriedigt ist, zum Klagegrund gehörte, daß er befriedigt ist. Sie bedeuten nur, daß der Versicherungsnehmer eine Einrede, die R e t e n t i o n s e i n r e d e hat, daß der Versicherungsnehmer die Auslieferung „verweigern kann, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird" (BGB § 273 Abs. 1, Begr. z. V V G § 77, K i s c h 3. 545, Wolff 446; abw. ohne Grund H a g e n 1. 695). b) Der G e g e n a n s p r u c h des Versicherungsnehmers muß „aus demselben recht- Anm. 4 liehen V e r h ä l t n i s , auf dem seine Verpflichtung (zur Auslieferung der Police) beruht" erwachsen sein (BGB § 273 Abs. 1). Es genügt jedoch, daß die beiden, sich gegenüberstehenden Ansprüche „aus einem innerlich zusammengehörigen, einheitlichen Lebensverhältnis entspringen und sich darauf beziehen, und eine natürliche, gewollte oder als gewollt vorauszusetzende Einheitlichkeit des faktischen Verhältnisses und ein hierdurch bewirkter natürlicher Zusammenhang der Ansprüche vorliegt" (ζ. B. R G 14. 233, 57. 7, 68. 33). Wie hier Prölß Anm. 3 zu § 77 V V G : „Ob der Versicherungsnehmer Ansprüche hat, richtet sich nach dem Innenverhältnis. Gemeint sind nur die Ansprüche, die sich auf das konkrete Versicherungsverhältnis beziehen." Anders die herrschende Ansicht: Fischer 65, G e r h a r d 361, H a g e n 1. 695, v. Oertzen ZfVW 1911. 1004, S i e v e k i n g 197, S c h l e g e l b e r g e r SVR Bern. 1 zu § 55 ADS, insbes. K i s c h 3. 546: „Die Zurückbehaltungseinrede des § 77 V V G habe eine weit über das Gebiet des Versicherungsrechts hinausgehende Bedeutung"; sie bestehe auch wegen solcher Ansprüche, die mit dem der Versicherung zugrunde liegenden Verhältnis nichts zu tun hätten, wenn sie nur „auf die versicherte Sache Bezug" hätten. Diese Wortinterpretation verkennt den historischen Zusammenhang, sie achtet die Absicht des Gesetzurhebers nicht, sie berücksichtigt die Interessenlage nicht und sie übersieht auch die auffallenden technischen Mißgriffe, die dem Gesetzgeber gerade bei der Fassung des § 77 V V G ( = ADS § 55) untergelaufen sind und weniger als sonst es statthaft er49,
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§ 5 5 scheinen lassen, ihn beim Worte zu nehmen. Nicht allein, daß man die Eingangsworte des § 888 HGB („Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet . . .") übernommen hat, obgleich es sich nur u m eine Einrede handelt, — man hat auch unrichtigerweise die Worte „in bezug auf den versicherten Gegenstand" in die Worte „in bezug auf die versicherte Sache" geändert, obgleich § 55 natürlich nicht nur im Falle einer Fremdversicherung der Sache, also des Eigentümerinteresses, sondern auch im Falle der Fremdversicherung sonstiger Interessen anzuwenden ist (vgl. auch H G Z 1903. 197: Vorwegbefriedigungs-Recht des RückVersicherungsnehmers im Konkurs des Rückversicherten). Anm. 5 c) Der Gegenanspruch des Versicherungsnehmers muß f ä l l i g sein (so auch L e n n e 193; abw. herrsch. Ans.). Dem Versicherungsnehmer wegen nichtfälliger Ansprüche ein Zurückbehaltungsrecht zu geben, würde j a auch nicht zu rechtfertigen gewesen sein. Wie wenig man daran gedacht hat, beweist, daß § 55 Satz 2 von „diesen Ansprüchen" spricht und diese Ansprüche hier nur fällige Ansprüche sein können. Anm. 6 d) Der Versicherte kann gemäß § 273 Abs. 3 BGB die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch S i c h e r h e i t s l e i s t u n g a b w e n d e n (vgl. aber auch BGB § 320 Abs. 1 Satz 3; abw. herrsch. Ans.). W a r u m der Gesetzgeber das Gegenteil hätte bestimmen sollen, wäre schwer zu verstehen. Anm. 7 3. Der Versicherungsnehmer kann die Police auch i m Konkurs des Versicherten zurückhalten, bis er befriedigt ist. Insoweit geht § 55 allerdings über das gemeine Konkursrecht hinaus (genauer: nicht sowohl § 55 ADS, als vielmehr das Gesetz, das insoweit allein bestimmen kann und, weil vom § 55 ADS, deutlich erkennbar, übernommen, trotz § 126 ADS gilt). Denn der Versicherungsnehmer würde an der gewöhnlichen Police kein kaufmännisches Retentionsrecht und demgemäß auch nicht das Absonderungsrecht des § 49 Abs. 1 Nr. 4 K O haben (ebensowenig das Absonderungsrecht des § 49 Abs. 1 Nr. 3 wegen nützlicher Verwendung auf die zurückbehaltene Sache; abw. K i s c h 3. 547). — Verlangt der Konkursverwalter Herausgabe der Police, so wird darin übrigens regelmäßig die Erklärung liegen, daß der dem Verhältnis des Versicherten zum Versicherungsnehmer etwa zugrunde liegende zweiseitige Vertrag erfüllt werden solle (vgl. K O § 17). Anm. 8 4· Der Versicherungsnehmer braucht natürlich auch a u ß e r h a l b d e s K o n k u r s e s d e n G l ä u b i g e r n des Versicherten (die etwa den Anspruch des Versicherten auf Herausgabe der Police haben pfänden lassen) die Police nicht auszuliefern, bevor er befriedigt ist (Begr. z. V V G § 77). Denn die Gläubiger können nicht mehr Rechte haben als der Versicherte. Anm. 9 5. Ist die Police O r d e r - oder I n h a b e r p a p i e r , so hat der Versicherungsnehmer auch das Zurückbehaltungsrecht der §§ 369—372 HGB (vgl. § 14 Anm. 28, 29; teilw. abw. F i s c h e r 67, L e n n e 191). Aber er braucht das Zurückbehaltungsrecht nicht in den Formen des §371 Abs. 2, 3 HGB zu verwerten. Er kann kraft seiner Ausübungsmacht die Police auch anderweit verwerten, insbesondere sie übertragen oder die Entschädigung einziehen (vgl. auch BGB § 1294). Anm. 10 6. S a t z 2 (vgl. zum folgenden F i s c h e r 66, H u b e r 98, K i r c h b e r g e r ZHR 68. 178, K i s c h 3. 547, L e n n e 193). Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r kann s i c h für die ihm gegen den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche a u s der Entschädigungsforderung g e g e n den Versicherer u n d n a c h ihrer Einziehung a u s der E n t s c h ä d i g u n g s s u m m e vor d e m Versicherten befriedigen. a) Ist k e i n e P o l i c e ausgestellt, so kann der Versicherungsnehmer gemäß § 54 Abs. 1 die Entschädigungsforderung einziehen und sich aus der Entschädigungssumme natürlich bezahlt machen. Die Zustimmung zur Einziehung durch den Versicherten kann er gemäß §§ 273, 320 BGB verweigern. — Gemäß § 55 Satz 2 kann er sich aber
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auch „aus der Entschädigungsforderung befriedigen". Gemeint ist offenbar nicht die künftige Entschädigungsforderung, sondern die im Versicherungsfall entstandene Entschädigungsforderung (vgl. HGB § 888: „Im Falle eines Schadens kann der Versicherungsnehmer . . ."). Der Versicherungsnehmer kann die Entschädigungsforderung wegen seiner (fälligen) Ansprüche verkaufen. Nach § 54 Abs. 2 ist er dazu legitimiert; nach § 55 Satz 2 ist er dazu im Verhältnis zum Versicherten berechtigt. b) Ist eine P o l i c e ausgestellt, aber nicht im Besitz des Versicherungsnehmers, so kann der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung nicht einziehen und nicht übertragen, sich also aus der Entschädigungsforderung oder -summe auch nicht befriedigen (§ 54 Abs. 2). Anders nur, wenn der Versicherte zustimmt, ein Fall, der in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommt. c) Ist eine Police ausgestellt und im Besitz des Versicherungsnehmers, so kann dieser gemäß § 54 Abs. 2 die Entschädigungsforderung einziehen und sich aus der Entschädigungssumme natürlich bezahlt machen. Er braucht die Police dem Versicherten nicht auszuliefern (§55 Satz 1) und kann auch die Zustimmung zur Einziehung durch den Versicherten gemäß §§ 273, 320 BGB verweigern. — Gemäß § 55 Satz 2 kann er sich auch „aus der Entschädigungsforderung befriedigen" (hierüber oben Anm. 10). 7. Der Versicherungsnehmer kann sich auch vor den Gläubigern des Versicherten befriedigen. Natürlich hat der Gläubiger, der die Ansprüche des Versicherten gegen den Versicherungsnehmer hat pfänden und sich überweisen lassen, nicht mehr Rechte erworben, als der Versicherte hatte. Hat er die Entschädigungsforderung des Versicherten pfänden und sich überweisen lassen, so bleibt das Einziehungsrecht des Versicherungsnehmers unberührt (§ 53 Anm. 9). Hat er die Entschädigungsforderung des einziehungsberechtigten Versicherten pfänden und sich überweisen lassen, so wird regelmäßig der Versicherungsnehmer nicht mehr einziehungsberechtigt sein, weil die Einziehungsberechtigung des Versicherten entweder auf dem Besitz der Police oder auf der Zustimmung des Versicherungsnehmers beruhen muß. Ist der Versicherungsnehmer, ausnahmsweise, einziehungsberechtigt, so konkurrieren Versicherungsnehmer und Gläubiger bei der Einziehung; hat der Versicherungsnehmer die Police, so kann er die Entschädigungsforderung auch verkaufen. — Zu den Gläubigern des Versicherten kann auch der V e r s i c h e r e r gehören. Dann kann der Versicherungsnehmer sich „aus der Entschädigungsforderung" insbesondere auch vor dem Versicherer befriedigen. Hieraus folgt, daß der Versicherer Forderungen an den Versicherten dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht aufrechnen kann, soweit die Ansprüche reichen, die dem Versicherungsnehmer gegen „den Versicherten in bezug auf die versicherte Sache zustehen". Näheres hierüber: § 56 Anm. 2. 8. Der Versicherungsnehmer kann sich insbesondere auch vor den K o n k u r s g l ä u b i g e m des Versicherten befriedigen. Die Entschädigungsforderung des Versicherten gehört zur Konkursmasse. Aber die Ausübungsmacht des Versicherungsnehmers bleibt unberührt. Der Konkursverwalter kann auch nur gegen Befriedigung des Versicherungsnehmers von diesem die Police oder die Zustimmung zur Einziehung verlangen (§ 55 Satz 1, K i s c h 3. 548). Aber wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungsforderung einziehen würde, könnte er sich nicht aus der Entschädigungssumme befriedigen; wenn er die Entschädigungsforderung verkaufen würde, könnte er sich nicht aus dem Erlös befriedigen, nämlich wegen des konkursrechtlichen Aufrechnungsverbots (KO § 55) nicht aufrechnen. § 55 Satz 2 gestattet ihm die Aufrechnung (genauer: das Gesetz, das insoweit allein gestatten kann: oben Anm. 7). Es handelt sich also nicht um ein Absonderungsrecht (so K i s c h 3. 548: „wenigstens der Sache nach", auch K i r c h b e r g e r ZHR 68. 178: „ein neues eigenartiges Vorzugsrecht dinglicher Natur, das im Konkurs zum Absonderungsrecht werde"), nicht um ein Recht, das für den
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§ 55 Versicherungsnehmer bewirkt, daß die Entschädigungsforderung „als seine eigene behandelt wird" (so Fischer 67), nicht um ein „nur obligatorisches Recht auf Duldung der Befriedigung" (so L e n n e 191). Anm. 15 g. Hat der Versicherungsnehmer auch in bezug auf die versicherte S a c h e ein zu seiner Befriedigung dienendes V e r w e r t u n g s r e c h t (ζ. B. der Kommissionär oder Lagerhalter ein Pfandrecht an dem von ihm versicherten Kommissions- oder Lagergut), so kann er sich auch durch Verkauf der Sache „vor dem Versicherten und dessen Gläubigern" befriedigen. Mit der Veräußerung der Sache gehen auch die Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den Erwerber über (§ 49). Anm. 16 10. Nach dem Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem können dem Versicherungsnehmer noch weitere Vorzugsrechte zustehen. So etwa, wenn das Verhältnis ein K o m m i s s i o n s v e r h ä l t n i s ist. Der Kommissionär, der für Rechnung des Kommittenten Versicherung genommen hat, hat zwar an der Entschädigungsforderung nicht das gesetzliche Pfandrecht des § 397 HGB. Denn dieses Pfandrecht besteht nur „an dem Kommissionsgut, sofern der Kommissionär es im Besitz hat", und ein solches Gut ist die Entschädigungsforderung natürlich nicht. Der Kommissionär kann sich aber nach § 399 HGB „aus den Forderungen, welche durch das für Rechnung des Kommittenten geschlossene Geschäft begründet sind, für die im § 397 HGB bezeichneten Ansprüche vor dem Kommittenten und dessen Gläubigern befriedigen". Dies Befriedigungsrecht reicht weiter als das Befriedigungsrecht des § 55. Denn es schützt insbesondere „alle Forderungen aus laufender Rechnung in Kommissionsgeschäften" (HGB § 397), also nicht nur die dem Kommissionär gegen den Kommittenten „in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche". Der Kommissionär kann sich für alle jene Forderungen aus der Entschädigungssumme vor dem Kommittenten (dem Versicherten) und dessen Gläubigern befriedigen. Freilich setzt § 397 HGB voraus, daß die Forderungen dem Kommissionär zustehen. Dies dürfte aber auch hier der Fall sein. Zwar stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag im allgemeinen dem Kommittenten zu, nicht dem Kommissionär. Aber der Kommissionär hat doch gerade den hier in Betracht kommenden Teil der Entschädigungsforderung, die Ausübungsmacht, und dies wird genügen müssen. Anders F i s c h e r 72, L e n n e 201 mit der unzureichenden und die Interessenlage nicht berücksichtigenden Begründung, daß die besonderen Vorschriften des § 77 V V G und des § 888 HGB ( = ADS § 55) den allgemeinen Vorschriften der §§ 397—39g HGB vorgingen; mit besserem Rechte läßt sich, umgekehrt, behaupten, daß § 55 die allgemeine Bestimmung, die §§ 397—399 HGB besondere Vorschriften darstellen. — Ist der Kommissionär E i n k a u f s k o m m i s s i o n ä r und die eingekaufte Sache bereits versichert, so rückt der Kommittent in die Stellung des Versicherten, der Kommissionär in die Stellung des Versicherungsnehmers ein (näheres: § 49 Anm. 18). § 399 HGB ist unanwendbar. Auch umfaßt das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs am Kommissionsgut nicht die Entschädigungsforderung (vgl. auch § 51 Anm. 2). Anm. 17 Ii. Konkurs des Versicherungsnehmers. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag stehen dem Versicherten zu, gehören also nicht zur Masse, brauchen also auch nicht „ausgesondert" zu werden (so ζ. B. Begr. z. V V G § 77). „Auszusondern" wäre höchstens die Police, die auch dem Versicherten gehört (§ 53 Anm. 6). — Der Konkursverwalter kann die Rechte aus dem Vertrag nicht ausüben. Denn das Konkursverfahren umfaßt nur das der Zwangsvollstreckung unterworfene Vermögen des Versicherungsnehmers, und die Ausübungsbefugnis des Versicherungsnehmers unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung (§ 54 Anm. 5). Der Versicherungsnehmer kann nach wie vor ausüben (Lenne 168, R o d i e k 59; abw. E h r e n b e r g J e h J 30.459: Die Ausübungsbefugnis erlösche, K i s c h 3. 492: Der Konkursverwalter könne ausüben, ebenso
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K i r c h b e r g e r ZHR68. 176, H e l l w i g 580, LZ 1907. 439: Der Konkursverwalter könne § 5 5 ausüben, weil der Versicherungsnehmer Kommissionär, also der Berechtigte sei; vgl. auch H G H a m b u r g H H 596: „Die curatores bonorum des Versicherungsnehmers seien nach eingetretener Insolvenz nicht befugt, fremde Rechte und deren Provenue zur Masse zu ziehen"). Nur wenn und soweit dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherten Ansprüche in bezug auf die versicherte Sache zustehen, hat der Konkursverwalter gemäß § 55 mit diesen Ansprüchen auch die mit ihnen verbundene Ausübungsbefugnis. — H a t der Konkursverwalter u n b e f u g t e i n g e z o g e n , so wird der Versicherer grundsätzlich nicht befreit und kann als Massegläubiger kondizieren. Wird der Versicherer gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 befreit, so kann der Versicherte als Massegläubiger kondizieren ( K O § 59 Nr. 3; vgl. K i s c h 3. 537; abw. ohne G r u n d Begr. z. V V G § 77, H a g e n H d b . I. 698: gemäß K O § 46 Satz 2). — H a t der Versicherungsnehmer v o r Konkurseröffnung eingezogen, so ist der Versicherte nur Konkursgläubiger. H a t der Versicherungsnehmer vor Konkurseröffnung die Entschädigungsforderung verkauft und übertragen, so kann der Versicherte die Kaufpreisforderung aussondern ( K O § 46; K i s c h 3. 539). H a t der Versicherungsnehmer vor Konkurseröffnung die Entschädigungsforderung verkauft, der Konkursverwalter den Kaufpreis eingezogen, so m u ß der Kaufpreis, wenn er als solcher noch vorhanden ist, gemäß § 46 Satz 2 K O herausgegeben werden; sonst ist der Versicherte gemäß § 59 Nr. 3 K O Massegläubiger. 12. F r e m d e Rechte: § 52 Anm. 22, 23. Anm.
§ 5 6 Aufrechnung
Der Versicherer kann gegen die Entschädigungsforderung eine Forderung, die ihm gegen den Versicherungsnehmer zusteht, insoweit aufrechnen, als sie auf der für den Versicherten genommenen Versicherung beruht. 1. Vgl. H G B § 890, ASVB § 151 Abs. 1, BSVB § 41 Abs. 3, V V G § 35b. — L i t e r a - Anm. t u r : § 52 Anm. 2. 2. Wer zur Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist, ist Anm. im allgemeinen auch derjenige, dem gegenüber der Versicherer seine Rechte auszuüben hat (§ 53 Anm. 12, § 54 Anm. 4). W e r a u s ü b e n k a n n , k a n n insbesondere auch a u f r e c h n e n und A u f r e c h n u n g s e r k l ä r u n g e n e m p f a n g e n . In Betracht kommt also n u r :
I. Aufrechnung des Versicherers gegenüber dem ausübungsberechtigten Versicherungsnehmer oder Versicherten mit a) F o r d e r u n g e n des Versicherers a n d e n V e r s i c h e r t e n . 1. Der Versicherer kann g e g e n ü b e r d e m V e r s i c h e r t e n aufrechnen.
unbeschränkt
2. Der Versicherer scheint, bei oberflächlicher Betrachtung, g e g e n ü b e r d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r nicht aufrechnen zu können. Denn aufrechnen können nur „zwei Personen, die einander Leistungen schulden" (BGB § 387). Der Versicherungsnehmer schuldet aber dem Versicherer nicht (sondern der Versicherte). U n d der Versicherer schuldet dem Versicherungsnehmer nicht (sondern dem Versicherten). Der Versicherungsnehmer ist auch nicht Rechtsnachfolger, auch nicht Vertreter des Versicherten (§ 52 Anm. 10). Demgemäß gestattete m a n auch früher dem Versicherer nicht, Forderungen an den Versicherten gegenüber dem
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Anm. 3
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Versicherungsnehmer aufzurechnen (Voigt 799, 783; vgl. aber auch V o i g t N A f H R 4. 231 u. H G u. OG Hamburg Seebohm 247). Gegen diese Anschauung richtete sich Art. 893 A D H G B ( = H G B a. F. § 888 = A D S § 55). Mit dieser Vorschrift sollte nicht nur zum Ausdruck gebracht werden, daß der Versicherungsnehmer „wegen der gegen den Versicherten in bezug auf den versicherten Gegenstand ihm zustehenden Ansprüche" sichergestellt, also auch gegen die Aufrechnung mit Forderungen des Versicherers an den Versicherten geschützt sein sollte, sondern auch, daß er im übrigen, also im allgemeinen gegen die Aufrechnung mit Forderungen des Versicherers an den Versicherten n i c h t mehr geschützt sein sollte, daß ihm also „nur ein Rest der ihm nach früherem Recht zustehenden Befugnis, Aufrechnungen des Versicherers mit Forderungen an den Versicherten zurückzuweisen, verbleiben" sollte (Voigt 783). Soweit der Versicherungsnehmer „in bezug auf den versicherten Gegenstand" Forderungen an den Versicherten hat, hielt man sein Interesse für schützenswerter als dasjenige des Versicherers; denn auf die Aufrechnungsbefugnis in diesen Grenzen „legt der Kaufmannsstand bei seiner Zuneigung zu handhabender Sicherheit großen Wert" (Voigt N A f H R 4. 233). Der Versicherer kann also im a l l g e m e i n e n gegenüber dem Versicherungsnehmer Forderungen an den Versicherten gegen die Entschädigungsforderung a u f r e c h n e n . Das ergibt sich auch aus der Natur der Ausübungsbefugnis. Denn diese Befugnis ist gerade derjenige Bestandteil des Forderungsrechts, der es möglich macht, dieses Forderungsrecht zu verändern oder aufzuheben. Kann der Versicherer an den Versicherungsnehmer zahlen, so muß er auch Zahlungssurrogate leisten, für den Versicherungsnehmer hinterlegen, ihm gegenüber aufrechnen können. Andererseits folgt, daß der Versicherer Forderungen an den Versicherten dem Versicherungsnehmer gegenüber n i c h t aufrechnen kann, s o w e i t das V o r z u g s r e c h t r e i c h t , das § 55 dem Versicherungsnehmer gewährt. Als „Gläubiger" des Versicherten muß der Versicherer gestatten, daß der Versicherungsnehmer sich für die ihm in bezug auf die versicherte Sache zustehenden Ansprüche gegen den Versicherten aus der Entschädigungsforderung vorwegbefriedige, kann also insoweit nicht aufrechnen. Ebenso F i s c h e r 58, 69, G e r h a r d 362, H a g e n 1. 696, L e n n e 145, 198, S i e v e k i n g 197, igg, S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 56 ADS, L G Hamburg Sasse Nr. 730 und schon H G u. O G Hamburg S e e b o h m 247. Anders K i s c h 3. 5 5 1 , weil die Aufrechnung gemäß § 38g BGB bewirke, daß die Entschädigungsforderung schon als erloschen gelte, ab sie der Gegenforderung aufrechenbar gegenübergetreten sei, also schon von diesem Zeitpunkt an nichts mehr da sei, woraus der Versicherungsnehmer sich gemäß § 55 befriedigen könne — mit Unrecht, denn es handelt sich gerade darum, ob und wieweit die Aufrechnungserklärung überhaupt wirkt. b) F o r d e r u n g e n des Versicherers a n den V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . 1. Der Versicherer kann g e g e n ü b e r d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r u n b e s c h r ä n k t aufrechnen. Allerdings stehen sich auch in diesem Falle nicht „zwei Personen, die einander Leistungen schulden", gegenüber (oben Anm. 2). Der Versicherungsnehmer schuldet dem Versicherer zwar. Aber der Versicherer schuldet nicht dem Versicherungsnehmer (sondern dem Versicherten). Der Versicherungsnehmer ist nicht Gläubiger. Aber er hat die Ausübungsbefugnis und damit gerade den Bestandteil des Forderungsrechts, der es ermöglicht, das Forderungsrecht zu verändern oder aufzuheben. Der Versicherer kann an den Versicherungsnehmer zahlen. Zahlungssurrogate stehen der Zahlung gleich. Zu den Zahlungssurrogaten gehört die Aufrechnung. Unstreitig können Versicherer und Versicherungsnehmer einen Aufrechnungsvertrag schließen (§ 54 Anm. 4). Es besteht ja auch kein „ver-
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niinftiger Grund" (Hellwig 590), den Versicherungsnehmer und den Versicherer § 56 zu nötigen, Zug um Zug zu zahlen und zurückzuzahlen. Demgemäß hat man auch bis zum ADHGB die Aufrechnung allgemein für zulässig gehalten (vgl. ζ. B. Voigt 779 u. NAfHR 4. 233). Art. 895 ADHGB (HGB a. F. § 890) bestimmte nun freilich, daß der Versicherer „bei der Versicherung für fremde Rechnung Forderungen, die ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehen, nicht aufrechnen darf". Wem gegenüber nicht, sagte das Gesetz aber nicht. Prot. 3577, 3578, 443a lassen keinen Zweifel, daß man dem Versicherer nur verwehren wollte, dem (ausübungsberechtigten) Versicherten gegenüber aufzurechnen, daß man nicht daran gedacht hat, ihm die der Interessenlage vollständig gemäße Aufrechnung gegenüber dem (ausübungsberechtigten) Versicherungsnehmer zu versagen. Aber das Gesetz sprach es nicht ausdrücklich aus. Es unterschied nicht. Die Konstruktion hatte freies Feld. Die herrschende Ansicht lehnt die hier vertretene Auffassung ab. „Es ermangele an der Gegenseitigkeit" (Fischer 58, offenbar im Anschluß an L e n n e 143). Es folge aus der „Verschiedenheit der Versicherung für fremde Rechnung gegenüber einem handelsgerichtlichen Kommissionsverhältnis" (Gerhard 363, H a g e n 1. 699). Der Versicherungsnehmer „mache nicht eine eigene, sondern eine fremde Forderung geltend" (Kisch 3. 469), —· freilich, aber er hat die Ausübungsbefugnis und damit gerade dasjenige, was die Aufrechnung ermöglicht. Wie die herrschende Meinung auch S c h l e g e l b e r g e r S V R Bern. 3 zu § 56 ADS, H a g e n SVR 69, Bruck V V G Anm. 4 zu § 78 VVG, OLG Hamburg Sasse Nr. 472: Die Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit über § 387 BGB hinaus gegenüber der Entschädigungsforderung des Versicherten finde ihren Ausgleich in dem einschränkenden Merkmal, daß die Gegenforderung gegen den Versicherungsnehmer aus dem gleichen Versicherungsverhältnis stammen müsse. Soweit in den Materialien abweichende Ansichten geäußert seien, könnten sie gegenüber dem Wortlaut des § 56, der hiervon nichts erkennen lasse, keine Geltung beanspruchen. 2. Der Versicherer kann gegenüber dem Versicherten nicht aufrechnen. Denn der Versicherte war und ist Gläubiger und nicht etwa Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers. § 56 enthält eine positive Ausnahme. Der Versicherer kann gegenüber dem Versicherten solche Forderungen an den Versicherungsnehmer aufrechnen, die auf der Versicherung beruhen. Insbesondere Prämienforderungen. Aber auch Schadensersatz-Forderungen wegen Verletzung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Pflichten (vgl. ζ. B. § 40 Anm. 17). — Bei der l a u f e n d e n Versicherung kann der Versicherer nur solche Forderungen aufrechnen, die auf der Versicherung beruhen, aus der die Entschädigungsforderung erwachsen ist (vgl. auch Entwurf der HGB-Novelle von 1908, die nicht sowohl von Forderungen aus der „Versicherung" als vielmehr von Forderungen aus dem „Versicherungsverhältnis" sprach, und dazu F. S i e v e k i n g ZHR 55. 157). II. Aufrechnung des ausübungsberechtigten Versicherungsnehmers gegen- Anm. 4 über dem Versicherer gegen a) F o r d e r u n g e n des Versicherers an den Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer kann gegen diese Forderungen des Versicherers die Entschädigungsforderung aufrechnen. Denn der Versicherungsnehmer kann insbesondere an sich als den Ausübungsberechtigten zahlen lassen, also auch aufrechnen. Anders die herrschende Ansicht (vgl. oben Anm. 3, insbesondere K i s c h 3. 485, der wenigstens die Aufrechnung gegen solche Forderungen des Versicherers zulassen will, die auf dem Versicherungsverhältnis beruhen).
778 §56
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b) F o r d e r u n g e n des Versicherers a n d e n V e r s i c h e r t e n . Der Versicherungsnehmer kann gegen diese Forderungen des Versicherers die Entschädigungsforderung nicht aufrechnen. Denn nur der Schuldner kann aufrechnen, und der Versicherungsnehmer ist nicht der Schuldner des Versicherers.
Anm. 5
III. Aufrechnung des ausübungsberechtigten Versicherten gegenüber dem Versicherer g e g e n a) F o r d e r u n g e n des Versicherers a n d e n V e r s i c h e r t e n . Der Versicherte kann gegen diese Forderungen des Versicherers die Entschädigungsforderung aufrechnen. b) F o r d e r u n g e n des Versicherers a n d e n V e r s i c h e r u n g s n e h m e r . Der Versicherte kann gegen diese Forderungen des Versicherers die Entschädigungsforderung nicht aufrechnen. Auch nicht, soweit diese Forderungen auf der für den Versicherten genommenen Versicherung beruhen. Anm. 6 3· F r e m d e Rechte: § 52 Anm. 22, 23.
§ 5 7 Kennen, Kennenmüssen, Verschulden
(1) Für die im Falle der Verschweigung oder der unrichtigen Anzeige eines Gefahrumstandes eintretenden Rechtsfolgen kommt nicht nur die Kenntnis und das Kennenmüssen des Versicherungsnehmers, sondern auch die Kenntnis und das Kennenmüssen des Versicherten in Betracht; das Gleiche gilt für die Befreiung des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Prämienzahlung wegen fehlenden Interesses. Der Einwand, daß die Anzeige eines erheblichen Umstandes ohne Verschulden unterblieben ist, kann dem Versicherer nur entgegengesetzt werden, wenn weder dem Versicherungsnehmer noch dem Versicherten ein Verschulden zur Last fällt. (2) Ist die Versicherung so genommen, daß sie in einem vor der Schließung des Vertrags liegenden Zeitpunkte beginnt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder der Versicherte bei der Schließung wußte oder wissen mußte, daß der Versicherungsfall schon eingetreten war. (3) Auf die Kenntnis und das Kennenmüssen des Versicherten kommt es nicht an, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen ist. Das Gleiche gilt, wenn eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht tunlich war; eine Benachrichtigung gilt nicht als rechtzeitig, wenn sie nicht so schnell, wie dies im ordnungsmäßigen Geschäftsgange tunlich ist, mindestens aber in derselben oder in ähnlicher Weise erfolgt wie die Übermittlung der Erklärung, welche den Auftrag zur Schließung des Vertrags enthält. (4) Hat der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und bei der Schließung den Mangel des Auftrags dem Versicherer nicht angezeigt, so braucht dieser den Einwand, daß der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen ist, nicht gegen sich gelten zu lassen. Anm. 1
1. H G Β §§ 807, 8 9 5 , ASVB §§ 5, 8 Abs. 4, 30, 155, BSVB §§ 41 Abs. 2, 55, V V G § 7g. — L i t e r a t u r : § 52 Anm. 2.
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2. A b s . 1. Der Versicherungsnehmer muß bei der Schließung des Vertrags g e f a h r e r h e b l i c h e U m s t ä n d e a n z e i g e n , wenn er sie kennt oder grobfahrlässig nicht kennt (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 Satz 2). Er ist dazu verpflichtet (§ 19 Anm. 9). Diese Verpflichtung trifft auch den Versicherten(§ 19 Anm. 13). Sie trifft ihn, weil die Verletzung der Anzeigepflicht den Verlust der Rechte aus dem Vertrag zur Folge hat, mit solchen Pflichten aber auch der dritte Berechtigte belastet werden kann und kein Grund besteht, anzunehmen, daß die Parteien den Versicherten von einer der wichtigsten Verbindlichkeiten aus dem Vertrag haben freihalten wollen. Sie trifft ihn erst recht, wenn er der Versicherung zugestimmt hat (§ 52 Anm. 8). Hieraus folgt, daß auch der Versicherte die gefahrerheblichen Umstände anzeigen muß, die der Versicherungsnehmer kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Hieraus würde aber (vielleicht) noch nicht folgen, daß der Versicherte auch solche gefahrerheblichen Umstände anzeigen muß, die er selbst kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Auch nicht, daß der Versicherungsnehmer solche Umstände anzeigen muß. Deshalb bestimmt § 57 Abs. 1, daß auch solche gefahrerheblichen Umstände angezeigt werden müssen, die der Versicherte kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. 3. Der Versicherungsnehmer darf über gefahrerhebliche Umstände keine u n r i c h t i g e A n z e i g e machen (§ 20 Abs. 1 Satz 1). Ebensowenig der Versicherte; denn die Anzeigepflicht trifft auch ihn (oben Anm. 2). Wird eine unrichtige Anzeige gemacht, so ist der Versicherer frei (§ 20 Abs. 1 Satz 1). O b der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die Unrichtigkeit kannte oder nicht kannte, ob insbesondere der Versicherte den Versicherungsnehmer richtig oder unrichtig unterrichtet hat, ist gleichgültig. Die (an § 79 V V G sich anlehnende) Bestimmung des §57 Abs. 1, daß für die Rechtsfolgen der unrichtigen Anzeige auch die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Versicherten in Betracht kommt, hat deshalb keine selbständige Bedeutung. 4. Ein Vertrag, dem k e i n v e r s i c h e r b a r e s I n t e r e s s e z u g r u n d e liegt, ist unwirksam (§ 2 Abs. 1). Der Versicherungsnehmer muß gleichwohl Prämie zahlen (§ 2 Abs. 2). Er ist jedoch frei, wenn er bei der Schließung des Vertrags weder wußte noch wissen mußte, daß dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrunde liegt ( § 3 Abs. 1). Er muß offenbaren, was er weiß oder fahrlässig nicht weiß. Er ist dazu verpflichtet (§ 3 Anm. 6). Der Versicherte ist nicht dazu verpflichtet. M a n hat insbesondere keine Ursache, anzunehmen, daß der Versicherte durch die Zustimmung zur Versicherung solche Verpflichtung übernommen habe. Gleichwohl bestimmt § 57 Abs. 1 Satz r Halbs. 2, daß der Versicherungsnehmer auch offenbaren muß, was der Versicherte weiß oder fahrlässig nicht weiß. Der Versicherungsnehmer muß also Prämie zahlen, wenn zwar er selbst nicht weiß und nicht zu wissen braucht, der Versicherte aber weiß oder wissen muß. Anders, als im Falle der Anzeigepflicht-Verletzung, hat nur er von der Pflichtverletzung den Nachteil. Er muß sich gegebenenfalls auf Grund seines Verhältnisses zum Versicherten bei diesem schadlos halten. Das H G B enthält eine entsprechende Vorschrift (§ 895). Das V V G nicht (vgl. V V G § 79); denn nach § 68 V V G braucht der Versicherungsnehmer keine Prämie zu zahlen, wenn dem Vertrag kein versicherbares Interesse zugrunde liegt (vgl. Begr. z. V V G § 68). 5. Der Versicherungsnehmer muß nach § 3 Abs. 2 Satz 1 jedenfalls ,wenn er davon Kenntnis erlangt, daß dem Vertrag k e i n I n t e r e s s e zugrunde liegt, dies dem Versicherer unverzüglich mitteilen. Er ist dazu verpflichtet (§ 3 Anm. 17). Nicht so der Versicherte. Es kommt auch nach § 57 Abs. 1 Satz 1 auf seine Kenntnis n i c h t an. Denn § 57 behandelt, deutlich erkennbar, nur die Rechtsfolgen der bei Schließung des Vertrags zu erfüllenden Anzeige- oder Offenbarungspflichten.
§ 57 Anm. 2
Anm. 3
Anm. 4
Anm. 5
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§ 57 6. Beide, Versicherungsnehmer und Versicherter, sind verpflichtet, bei der SchlieAnm. 6 ßung des Vertrags gefahrerhebliche Umstände anzuzeigen (oben Anm. 2). Zugunsten beider muß deshalb auch § 20 Abs. 2 Satz 2 gelten, wonach die U n t e r l a s s u n g d e r A n z e i g e nicht schadet, wenn k e i n V e r s c h u l d e n mitgewirkt hat. Trifft auch nur einen von beiden ein Verschulden, so ist der Versicherer frei. Trifft keinen von beiden ein Verschulden, so haftet der Versicherer; doch erhält er Zuschlagsprämie (§20 Abs. 3). § 57 Abs. 1 Satz 2 spricht hiervon nur einen Teil aus: Auf Schuldlosigkeit kann man sich berufen „nur, wenn w e d e r d e m V e r s i c h e r u n g s n e h m e r n o c h d e m Versicherten ein Verschulden zur Last fällt". Uberflüssigerweise. — Schuldlos ist es regelmäßig nicht, wenn der Versicherungsnehmer sich auf den Versicherten verläßt. Auch der Versicherte darf sich nicht auf den Versicherungsnehmer verlassen; unter Umständen mag er indessen dazu veranlaßt sein ( K i s c h 3. 422). Anm. 7 7. A b s . 2. Bei der Schließung des Vertrags für die Vergangenheit muß der Versicherungsnehmer offenbaren, daß der V e r s i c h e r u n g s f a l l s c h o n e i n g e t r e t e n ist, wenn er darum weiß oder fahrlässig nicht weiß (§ 5 Abs. 1 Satz 3). Er ist dazu verpflichtet (§ 5 Anm. 35). Diese Verpflichtung trifft auch den Versicherten (oben Anm. 2). Auch der Versicherte muß offenbaren, daß der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls kennt oder kennen muß. Versicherter u n d Vers i c h e r u n g s n e h m e r m ü s s e n aber auch offenbaren, daß der Versicherte d a r u m w e i ß oder fahrlässig n i c h t w e i ß . Das bestimmt § 57 Abs. 2. Wohl überflüssigerweise, wie er auch überflüssigerweise bestimmt, daß der Versicherer frei ist, wenn nur der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r wußte oder wissen mußte, daß der Versicherungsfall schon eingetreten war (vgl. auch oben Anm. 6). Anm. 8 8. A b s . 3. A u s n a h m e n von Abs. 1 und 2: a) Der Vertrag ist ohne W i s s e n des Versicherten g e s c h l o s s e n . Der Ausdruck ist ungenau. Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherte, als der Vertrag geschlossen wurde, hierum wußte, sondern darauf, daß er wußte, der Vertrag solle geschlossen werden ( K i s c h 3.419, L e n n e m , S c h n e i d e r 296). Es handelt sich also nur um die Kenntnis von Umständen, die für die gewöhnliche Beurteilung den Schluß rechtfertigen, daß der Vertrag geschlossen werden soll. — Vgl. über den Begriff der K e n n t n i s : § 5 Anm. 19, 39. Kennenmüssen steht der Kenntnis nicht gleich. — Uber den Begriff der „ S c h l i e ß u n g des Vertrags": § 2 Anm. 20, § 5 Anm. 22, § 19 Anm. 16 ff. α) A n z e i g e p f l i c h t . Darauf, daß der Versicherte gefahrerhebliche Umstände gekannt oder grobfahrlässig nicht gekannt hat, kommt es nicht an. Natürlich insbesondere auch dann nicht, wenn er der Versicherung zustimmt. — Die Bestimmung ist nicht etwa deshalb überflüssig, weil der Versicherer nach § 20 Abs. 2 Satz 2 haftet, wenn die Anzeige ohne Verschulden unterblieben ist und den Versicherten, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen ist, regelmäßig kein Verschulden treffen wird. Denn der Versicherungsnehmer würde, wenn § 57 Abs. 3 nicht wäre und der Versicherer haftete, weil der Versicherte zwar den gefahrerheblichen Umstand kennt oder grobfahrlässig nicht kennt, nicht aber u m den Abschluß des Vertrags weiß und ihn deshalb kein Verschulden an der Nichtanzeige trifft, gemäß § 20 Abs. 3 Zuschlagsprämie zahlen müssen. β) P r ä m i e n p f l i c h t t r o t z f e h l e n d e n I n t e r e s s e s . Darauf, daß der Versicherte wußte oder wissen mußte, daß ein versicherbares Interesse nicht vorhanden war, kommt es nicht an. Der Versicherer soll nicht gemäß § 2 Abs. 2 Prämie verlangen können; der Versicherungsnehmer vielmehr gemäß § 3 Abs. 1 von der Prämienpflicht frei sein.
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γ) V e r g a n g e n h e i t s v e r s i c h e r u n g . Darauf, daß der Versicherte den Ein- § 57 tritt des Versicherungsfalls kannte oder fahrlässig nicht kannte, kommt es nicht an. Insbesondere auch dann nicht, wenn der Versicherte der Versicherung zustimmt. b) Rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers ist nicht Anm. 9 tunlich. — Gesetz und ADS behandeln nur den Fall, daß der V e r s i c h e r u n g s nehmer nicht mehr rechtzeitig benachrichtigt werden kann. Hieraus darf nicht geschlossen werden, daß der Versicherte nur den Versicherungsnehmer, nicht auch den Versicherer zu benachrichtigen braucht. Man hat nur an den gewöhnlichen Fall gedacht, daß der Versicherte zwar den Versicherungsnehmer, nicht aber den Versicherer kennt. Kann der Versicherte zwar noch den ihm bekannten Versicherer, nicht aber den Versicherungsnehmer rechtzeitig benachrichtigen, so muß er den Versicherer benachrichtigen (Gerhard 365, L e n n e m , S c h n e i d e r 295 u. ZfVW 1905. 251, Wolff 444, ferner Bruck H R Z 1925. 178, vgl. auch K i s c h 3. 418, von seinem Standpunkt aus, daß die Kenntnis des Versicherungsnehmers im Augenblick des Vertragsschlusses entscheide, folgegerecht, von dem § 5 Anm. 22 vertretenen nicht für alle Fälle zutreffend: „In der Regel werde Anzeige an den Versicherungsnehmer genügen, da ja schon durch dessen Kenntnis der Versicherer befreit werde"). Alles dies versteht sich übrigens von selbst, wenn man anerkennt, daß die Anzeige- und Offenbarungspflichten auch den Versicherten treffen, und den Begriff der „Schließung des Vertrags" so versteht, wie § 5 Anm. 22, § 19 Anm. 16 ff. dargelegt. Dort auch näheres über den Begriff der „ T u n l i c h keit". Ebenso versteht sich von selbst, daß die Benachrichtigung nicht als rechtzeitig angesehen werden kann, „wenn sie nicht so schnell, wie dies im ordnungsmäßigen Geschäftsgang tunlich ist, mindestens aber in derselben oder in ähnlicher Weise erfolgt, wie die Übermittlung der Erklärung, welche den Auftrag zur Schließung des Vertrags enthält". „ M i n d e s t e n s " . In der Regel wird der Versicherte sich des schnellsten, noch verkehrsmäßigen Anzeigemittels bedienen müssen (§ 19 Anm. 18). Enger und zu eng: HGB § 807 Abs. 2: Keine Benachrichtigung nötig, wenn der Umstand so spät bekannt wird, daß der Versicherte „ohne außergewöhnlicher Maßregeln vordem Abschluß des Vertrags nicht mehr" benachrichtigen kann. — Der Versicherte darf also die Benachrichtigung nicht unterlassen, wenn sie, im ordnungsmäßigen Geschäftsgang bewirkt, noch wirksam gewesen wäre. Er darf sich also nicht darauf verlassen, daß die Benachrichtigung, im ordnungsmäßigen Geschäftsgang bewirkt, doch erst nach Vertragschluß angekommen wäre. Wenn der Abschluß wider Erwarten verzögert wird und die unterlassene Benachrichtigung deshalb doch noch rechtzeitig angekommen sein würde, kann der Versicherte sich auf § 57 Abs. 3 Satz 2 nicht berufen. Der Versicherte hat also Anlaß, vor Abschluß des Vertrags unter allen Umständen die Benachrichtigung zu versuchen. — Wenn die rechtzeitig abgesandte Benachrichtigung unterwegs aufgehalten wird und infolgedessen erst nach dem Vertragschluß ankommt, so haftet der Versicherer, falls den Versicherten keine Schuld trifft; er kann aber Zuschlagsprämie verlangen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Abs. 3). •—· Ist die rechtzeitige Benachrichtigung nicht t u n l i c h , so gilt für die